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German Pages 2968 [2949] Year 2022
Die junge Bettina Briefwechsel 1796 –1811
Bettina Brentano 1809 Aquarell-Miniatur auf Elfenbein von Friedrich Epp (zugeschrieben)
Die junge Bettina Briefwechsel 1796 –1811 Kritische Gesamtausgabe mit Chronik und Stimmen der Umwelt
Herausgegeben von Heinz Härtl und Ursula Härtl †
De Gruyter III
ISBN 978-3-11-057457-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-057597-2 Library of Congress Control Number: 2020932667 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH www.degruyter.com
IV
Clemens! Weist du wer der Mond ist, er ist der Wiederschein unsrer Lieb, und die Sterne sind Wiederschein der übrigen Lieb auf Erden, aber die Sterne so nah dem Mond lieber, was ist diese Liebe, die mir so nahe geht, unsre Lieb aber ist außerkohren, und groß und herrlich vor allen andern, die Erde aber ist ein großes Bett, und der Himmel eine grose freudenreiche Decke aller Seeligkeit, Clemens, Was sehnst du dich nach mir, wir schlafen in einem Bette (B an Clemens Brentano, vmtl. zwischen 7. und 9. Mai 1802; Nr. *22).
In unseren Gesprächen wollen wir die Betonung hauptsächlich darauf legen, daß bis jetzt kein Mensch begriffen hat, was für eine große Dichterin die Bettine Brentano gewesen ist. 〈…〉 Niemals hat mir jemand gesprochen von der unerhört dichterischen Qualität dieser Briefe. 〈…〉 Ja, zwischen etwa 17 und 27 Jahren. Aber ich behaupte ja, daß man von 18 an nicht mehr klüger wird, nur Erfahrungen sammelt. Und daß die dichterische oder künstlerische Qualität in diesem Alter absolut vorhanden ist. (Meret Oppenheim im Gespräch, Sommer 1984; Oppenheim 2002, S. 139.)
Inhalt
Inhalt
Briefwechsel Band 1 Chronik und Stimmen der Umwelt
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXVII
1. *2. 3.
1796 An Peter Anton Brentano, 4. April . . . . . . . . . . . . . . . Von Kunigunde Brentano, vmtl. September . . . . . . . . . . An Kunigunde Brentano, 7. November . . . . . . . . . . . . .
3 3 3
4. 5. 6.
1797 An Kunigunde Brentano, 27. Februar . . . . . . . . . . . . . . An Sophie Brentano, 27. Februar . . . . . . . . . . . . . . . . An Kunigunde Brentano, 21. April . . . . . . . . . . . . . . . .
4 4 5
*7. 8.
9. *10. *11. 12.
1800 Von Clemens Brentano, vmtl. erste Hälfte September . . . . Von Clemens Brentano, Ende Dezember/erste Hälfte Januar 1801 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1801 Von Friedrich Carl von Savigny, vmtl. zweite Hälfte Januar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. 25. Februar . . . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. 26. März . . . . . . . . . Vmtl. mit Kunigunde Brentano an Clemens Brentano, vmtl. erstes Drittel Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
5 5
. . . . . . . . . . . .
7 7 8
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8
Inhalt
*13. *14. 15. *16. *17.
An Clemens Brentano, etwa 23. Juni . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, Mitte Juli . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. zweites oder letztes Drittel September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, erste Hälfte letztes Drittel November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, Ende November/Anfang Dezember
1802 An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. erstes Drittel März . Von Clemens Brentano, vmtl. 8. März . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. zweite Hälfte März . . . . . . Johann Wilhelm Ritter an Clemens Brentano und B, etwa 20. April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *22. An Clemens Brentano, vmtl. zwischen 7. und 9. Mai . . *22.a. Von Clemens Brentano, vmtl. zwischen 9. und 11. Mai . *22.b. An Clemens Brentano, vmtl. 20. Mai . . . . . . . . . . . . . *23. Von Johann Wilhelm Ritter, vmtl. erste Hälfte Juni . . . . *24. Von Clemens Brentano, etwa Mitte Juni . . . . . . . . . . . 25. An Friedrich Carl von Savigny, zweite Hälfte Juni . . . . . *26. An Clemens Brentano, zwischen Mitte und etwa 20. Juni 27. Von Clemens Brentano, letztes Drittel Juni . . . . . . . . . *28. An Clemens Brentano, etwa 25. Juni . . . . . . . . . . . . . *29. An Clemens Brentano, vmtl. 30. oder 31. Juli . . . . . . . 30. An Friedrich Carl von Savigny, 31. Juli . . . . . . . . . . . . 31. Mit Clemens und Kunigunde Brentano an Arnim, 7. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32. Von Ludwig Achim von Arnim an Bettina und Kunigunde Brentano, 18. November . . . . . . . . . . . . . . 32a. Mit Kunigunde Brentano an Stephan August Winkelmann, zwischen Mitte und 24. Dezember . . . . . . . . . . . . . . 33. An Friedrich Carl von Savigny, zwischen Mitte und 25. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34. Von Friedrich Carl von Savigny, zwischen Mitte und 25. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35. Mit Kunigunde Brentano an Clemens Brentano, 24./25. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. *19. *20. 21.
VIII
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8 8
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9
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13 13
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14 14 15
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15 16 17 17 17 17 18 19 19 23 24 24
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25
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26
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28
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29
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29
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30
Inhalt
*43. *44. *45. 46. 47. 48. *49. *50. *51. 52. *53. *53.a *54. *55. 56. 57.
1803 Von Clemens Brentano, 26. Januar . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar . An Caroline von Günderrode, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. zwischen 3. und 7. Februar . An Clemens Brentano, vmtl. zwischen 5. und Mitte Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. zweite Hälfte Februar . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. zweite Hälfte Mai/erste Hälfte Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. Ende Mai/Anfang Juni . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. 6. oder 7. Juni . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. Mitte Juli . . . . . . . . . . . . . An Kunigunde Brentano, vmtl. Mitte Juli . . . . . . . . . . . . Von Sophie Mereau, 22./23. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, 23. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. 1. August . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. 5. August . . . . . . . . . . . . An Charlotte Servière, vmtl. zwischen Mitte und 25. August Von Charlotte Servière, 28. August . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. erstes Drittel September . . . . An Clemens Brentano, vmtl. zwischen 3. und 6. September An Clemens Brentano, zwischen 9. und 11. November . . Von Sophie Brentano, vmtl. Dezember . . . . . . . . . . . . . An Sophie und Clemens Brentano, vmtl. Dezember . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. Ende Dezember . . . . . . . .
37 38 38 39 39 40 41 41 42 43 43 44 44 45 45 45 46
58. *59. 60. *61. *62. *63. 64. *65. *66. 67.
1804 Von Sophie Brentano, vmtl. erste Hälfte Januar Von Clemens Brentano, 11. Februar . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. 13./14. Februar . Von Kunigunde Brentano, vmtl. Anfang April . An Clemens Brentano, vmtl. zweite Hälfte April Von Clemens Brentano, vmtl. 1. Mai . . . . . . An Caroline von Günderrode, etwa 3. Mai . . An Clemens Brentano, vmtl. zweites Drittel Mai An Clemens Brentano, vmtl. 28. Mai . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. 28. Juni . . . . . .
46 47 48 50 50 51 51 54 55 55
*36. 37.K *38. 39. *40. 41. *42.
IX
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . .
32 32 32 33 33 34
Inhalt
*68. 69. 70. 71. 72. 73. *74. 75. 76. 77. 78. *79. 80.A 81. *82. *83. *84. 85. 86. 87. *88. *89. *90. *91. 92. *93. 94. 95. 96. 97. *98. 99. *100. *101. 102.
Von Friedrich Carl von Savigny, 28. Juni . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 29. Juni . . Von Friedrich Carl von Savigny, 25. August . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. Ende August/Anfang September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, vmtl. erstes Drittel September . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, zwischen etwa 5. und Mitte September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. zweite Hälfte September . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 17. September . . . . . . . . Von Franz Brentano, 25. September . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. Anfang Oktober . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 3. Oktober . . . . . . . . . . An Christian Brentano, etwa 5. Oktober . . . . . . . . . . . . An Franz Brentano, 8. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, 10. Oktober . . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, vmtl. zweites Drittel Oktober An Christian Brentano / Von Christian Brentano, zweite Hälfte Oktober–20. November . . . . . . . . . . . . . An Christian Brentano, vmtl. zweite Hälfte Oktober . . . . An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. letztes Drittel Oktober An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. erstes Drittel November Von Christian Brentano, 4. November . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, etwa 5. November . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, etwa 10. November . . . . . . . . . . An Christian Brentano, vmtl. 10. November . . . . . . . . . . An Christian Brentano, vmtl. 11. November . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, 11. November . . . . . . . . . . . . . An Christian Brentano, vmtl. 12. November . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, vmtl. 12. November . . . . . . . . . Von Christian Brentano, vmtl. 13. November . . . . . . . . . Von Christian Brentano, 14. November . . . . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, 14. November . . . . . . . . . . . . . An Christian Brentano, vmtl. 16. oder 17. November . . . Von Christian Brentano, 19. November . . . . . . . . . . . . . An Christian Brentano, vmtl. 21. November . . . . . . . . . . An Christian Brentano, zwischen 23. und 26. November . Von Christian Brentano, 28. November . . . . . . . . . . . . .
X
56 57 57 58 60 61 63 63 64 65 66 66 66 67 69 69 70 71 72 73 74 75 75 75 75 76 76 78 80 82 84 84 86 87 87
Inhalt
*103.
*104. *105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. *114. *115. 116. *117. 118. *119. 120. 121. 122. 123. *124. *125. *126. 127. 128. 129. 130.
An Christian Brentano, zwischen Anfang Dezember und Anfang Januar 1805 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1805 Von Clemens Brentano, erstes Drittel Januar . . . . . . . . . An Clemens Brentano, zwischen etwa 20. und 25. Januar Von Christian Brentano, 20. Januar . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, etwa 25. Januar . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, zwischen etwa 25. und Ende Januar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. Anfang Februar . . . . Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, vmtl. zweite Hälfte Februar/erste Hälfte März . . . . . . . . . Von Christian Brentano, 19. Februar . . . . . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, 25. Februar . . . . . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, vmtl. Ende Februar . . . . . . . . . . An Christian Brentano, Ende Februar/Anfang März . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, erstes oder zweites Drittel März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, 1. März . . . . . . . . . . . . . . . . . Von ?, vmtl. Ende März/Anfang April . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, etwa 7. April . . . . . . . . . An Clemens Brentano, etwa 7. April . . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 11. April . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 15. April . An Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano, etwa 20. April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano, Ende April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, vmtl. erstes Drittel Mai . . . . . . . Von Christian Brentano, vmtl. erstes oder zweites Drittel Mai An Clemens Brentano, vmtl. zwischen 1. und 5. Mai . . . . Von Meline Brentano und Kunigunde von Savigny, 9. Mai . An Christian Brentano, vmtl. zweites oder letztes Drittel Mai An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano, 24. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano, 30. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
89
89 89 90 91 92 93 94 96 98 98 99 99 99 100 100 101 102 102 104 106 106 107 107 107 109 110 112
Inhalt
131. *132. *133. 134. 135. *136. *137. 138. 139. 140. 141. *142. 143. *144. *145. *146. 147. 148. 149. 150. 151. *152.
153. *154. *155. 156. *157. 158. 159. *160. 161.
Von Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano, 31. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Briefwechsel mit Volksliedfreunden, zwischen Anfang Juni und Ende August . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, zwischen 20. Juni und Ende Juli . . An Clemens Brentano, zwischen 20. Juni und Ende Juli . . Von Ludwig von Lichtenberg, 24. Juni . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, vmtl. zweites Drittel Juli . . Von Sophie Brentano, vmtl. Mitte Juli . . . . . . . . . . . . . An Sophie Brentano, vmtl. Mitte Juli . . . . . . . . . . . . . . Von Sophie Brentano, vmtl. etwa 20. Juli . . . . . . . . . . . An Sophie Brentano, vmtl. zwischen 22. und 25. Juli . . . An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. Anfang August . . . . An Sophie von La Roche, 14. August . . . . . . . . . . . . . Von Sophie von La Roche, 22. August . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. 24. oder 25. September . . . Von Clemens Brentano, vmtl. letztes Drittel November/ erste Hälfte Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Claudine Piautaz, vmtl. letztes Drittel November . . . . An Caroline von Günderrode, vmtl. letztes Drittel November Von Caroline von Günderrode, vmtl. erstes Drittel Dezember An Claudine Piautaz, vmtl. erstes Drittel Dezember . . . . . An Caroline von Günderrode, vmtl. zweites Drittel Dezember Von Caroline von Günderrode, vmtl. zweite Hälfte Dezember An Clemens Brentano, etwa 27. Dezember . . . . . . . . . . 1806 An Claudine Piautaz, vmtl. Januar . . . . . . . . . . . . . . . An Caroline von Günderrode, vmtl. erste Hälfte Januar . An Dominikus Brentano, vmtl. erstes Drittel Januar . . . . Von Dominikus Brentano, 14. Januar . . . . . . . . . . . . . An Caroline von Günderrode, vmtl. zweite Hälfte Januar Von Ludwig Achim von Arnim, 26. Januar . . . . . . . . . Von Caroline von Günderrode, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, etwa 6. Februar . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano, etwa 8. Februar . . . . . . . . . . . . . . .
XII
113 114 114 114 127 128 128 129 130 132 133 135 135 136 136 137 137 140 140 142 144 145
. . . . . .
146 148 148 148 150 150
. .
151 151
.
152
Inhalt
162. *163. 164. *165. *166. 167. 168. *169. *170. 171. 172. 173. 174. 175. 176. 177. 178. 179. 180. 181. 182. *183. *184. 185. 186. 187. 188. 189. 190. 191. 192. *193. 194. 195.
An Sophie Brentano, zwischen Mitte Februar und Mitte März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, zwischen Mitte Februar und Mitte März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. zweite Hälfte Februar . An Caroline von Günderrode, vmtl. zweite Hälfte Februar . An Philippine Engelhard, vmtl. zweite Hälfte Februar . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 17. Februar . . . . . . . . . . Von Caroline von Günderrode, vmtl. letztes Drittel Februar/ erste Hälfte März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Philippine Engelhard, vmtl. letztes Drittel Februar/ erstes Drittel März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Philippine Engelhard, vmtl. erste Hälfte März . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Mitte März . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 18. März . . . . . . . . . . . Von Philippine Engelhard, 24. März . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 8. April . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 9. April . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 19.–21. April . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. April . . . . . . . . . . . . An Kunigunde von Savigny, etwa 30. April . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 11. Mai . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 3. und 10. Juni . . . . . . . . Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 11. Juni . . Von Ludwig Achim von Arnim, 14. Juni . . . . . . . . . . . . An Franz Joseph Gall, zwischen 16. und 20. Juni . . . . . . Von Franz Joseph Gall, zwischen 16. und 20. Juni . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 21. Juni . . . . . . . . . . . . . An Caroline von Günderrode, zwischen etwa 25. Juni und 10. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 2. Juli . . . . . . . . . . . . . . An Caroline von Günderrode, zweites Drittel Juli . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, zweites Drittel Juli . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 12. Juli . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 14. Juli . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. letztes Drittel Juli . . . An Clemens Brentano, erste Hälfte August . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 5. und 16. August . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, etwa 10. August . . . . . . .
XIII
153 154 154 155 155 155 156 157 157 157 159 161 162 164 165 168 169 170 172 177 180 182 183 183 184 184 185 187 188 190 191 192 192 194
Inhalt
196. 197. 198. 199. 200.K 200. 201. 202. 203. 204. 205. 206. 207. 208. *209. 210. *211. *212. 213. 214. 215. 216. *217. *218. *219. *220. 221. 222. 223. 224. 225.
Von Friedrich Carl von Savigny, 14. August . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, zwischen 20. und 24. August Von Ludwig Achim von Arnim, 27. und 30. August . . . . An Friedrich Carl von Savigny, Ende August/Anfang September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 3. September . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 5. September . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 7. und 10. September . . . An Ludwig Tieck, zwischen 16. und 20. September . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 26. September . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 28. September . . . . . . . . An Ludwig Tieck, 3. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 5. Oktober . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 13. Oktober . . . . . . . . . Von Sophie Brentano, vmtl. zweite Hälfte Oktober . . . . . Von Johann Heinrich Christian Bang, vmtl. zweite Hälfte Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. 29. Oktober . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. zwischen Anfang November und Ende Januar 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. zwischen Anfang November und Ende Januar 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Heinrich Christian Bang, vmtl. Anfang November Von Caroline Rudolphi, 7. November . . . . . . . . . . . . . . Von Johann Heinrich Christian Bang, 8. November . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 11. November . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, zwischen Mitte November und letztem Drittel Januar 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, zwischen Mitte November und letztem Drittel Januar 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Heinrich Christian Bang, vmtl. Mitte November Von Johann Heinrich Christian Bang, vmtl. Mitte November An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 2. Dezember An Lulu Jordis, 2. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 2. Dezember . . . . . . . . . Von Sophie von La Roche an Bettina und Meline Brentano, 7. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 16. Dezember . . . . . . . .
XIV
195 196 199 202 203 204 206 208 208 209 211 213 214 215 215 216 217 218 218 218 219 220 221 221 222 222 222 223 224 224 225
Inhalt
226. 227. *228. 229. *230. 231. 232. 233. *234. 235. 236. *237. *238. *239. 240. 241. *242. 243. *244. 245. 246. *247. *248. *249. 250. 251. 252. 253. *254. 255. *256. 257. *258. 259. 260. 261. 262.
1807 An Friedrich Carl von Savigny, etwa 23. Januar . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 31. Januar . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, vmtl. Februar/erste Hälfte März . . Von Kunigunde und Friedrich Carl von Savigny, 4. März . . An Meline Brentano, vmtl. 9. März . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Ende März . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 27. März . . . . . . . . . . . An Meline Brentano, vmtl. 30. März . . . . . . . . . . . . . . An Franz Brentano, Ende März/Anfang April . . . . . . . . . Von Meline Brentano, 3. April . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 4. April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Meline Brentano, vmtl. 1. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, etwa 4. Mai . . . . . . . . . . . . . . An Franz Brentano, vmtl. 5. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 8. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. 9. Mai . . . . . . . . . . . . . . . An Franz Brentano, etwa 12. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . An Catharina Elisabeth Goethe, vmtl. 15. Mai . . . . . . . . Von Clemens Brentano, zweite Hälfte Mai . . . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 16. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Catharina Elisabeth Goethe, 19. Mai . . . . . . . . . . . An Catharina Elisabeth Goethe, vmtl. letztes Drittel Mai/ erstes Drittel Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Antonia Brentano, zwischen Anfang und Ende Juni . . An Antonia Brentano, zwischen Anfang und Ende Juni . . An Clemens Brentano, 6. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Catharina Elisabeth Goethe, 13. Juni . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 15. Juni . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 17. Juni . . . . . . . . . . . . An Franz Brentano, vmtl. letztes Drittel Juni/erstes Drittel Juli Von Dettmar Basse, 25. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Meline Brentano, vmtl. 28. Juni . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, vmtl. 28. Juni . . . . . . . . . An Dettmar Basse, vmtl. Anfang Juli . . . . . . . . . . . . . . Von Dettmar Basse, 10. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 11. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 13. Juli . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 14. Juli . . . . . . . . . . . . .
XV
226 228 230 230 232 232 234 237 238 238 240 241 241 241 242 243 246 247 247 248 248 249 249 250 250 251 252 254 256 257 258 258 260 261 263 264 265
Inhalt
*263. 264. 265. 266. 267. *268. *269. 270. *271. 272. 273. 274. 275. 276. 277. 278. 279. 280. 281. 282. *283. 283.E 284. 285. 286. 287. 288. 289.
290. *291. 292. 293. 294. 295.
Von Johann Wolfgang von Goethe, 20. Juli . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, Ende Juli–6. August . . . Von Carl Friedrich von Rumohr, vmtl. erste Hälfte August Von Christian Brentano, 1. August . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, etwa 10. August . . . . . . Von Auguste Bußmann, etwa Mitte August . . . . . . . . . An Auguste Bußmann, etwa 20. August . . . . . . . . . . An Carl Friedrich von Rumohr, etwa 20. August . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, etwa 25. August . . . . . Von Carl Friedrich von Rumohr, Ende August . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 25. August–1. September An Ludwig Achim von Arnim, Ende August . . . . . . . . . Von Wilhelm von Türckheim, 7. September . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. 8. September . . Von Johann Georg Daniel Arnold, 12. September . . . . . Von Johann Georg Daniel Arnold, 12. September . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Mitte September . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 20. September und 3. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. 6. Oktober . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 7. Oktober . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 15. Oktober . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 15. Oktober . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 20. Oktober . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 22. Oktober . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 26. November . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, zwischen Ende November und Mitte Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 18./19. Dezember . . Von Auguste Brentano, 25. Dezember . . . . . . . . . . . . 1808 Von Friedrich Wilhelm Riemer, 3. Januar mit dem Sonett Ritterschlag . . . . . . . . . . . . An Johann Daniel Engelhard, etwa 6. Januar . . . Von Johann Daniel Engelhard, 8. und 16. Januar Von Johann Wolfgang von Goethe, 9. Januar . . Von Ludwig Achim von Arnim, 28. Januar . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 30. und 31. Januar
XVI
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267 267 270 271 273 275 275 276 278 278 282 285 290 292 294 297 298
. . . . . . . .
299 300 301 304 304 305 306 307
. . .
308 309 312
. . . . . .
314 315 315 317 318 320
Inhalt
296. 297. 298.K *298. 299. *300. 301. 302. 303. 304. 305. *306. 307. 308. 309. 310. 311. 312. 313. 314. 315. 316. 317. 318. 319. 320. 321. 322. 323. *324. *325. 326. 327. 328. 329. 330.
An Johann Wolfgang von Goethe, 31. Januar . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, zwischen 1. und 4./5. Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Daniel Engelhard, erstes Drittel Februar . . An Johann Daniel Engelhard, erstes Drittel Februar . . An Ludwig Achim von Arnim, 1. Februar . . . . . . . . Von Claudine Piautaz, zwischen 2. und 8. Februar . . Von Ludwig Achim von Arnim, 2. Februar . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 4. oder 5. Februar . . . An Johann Wolfgang von Goethe, zwischen 5. und 20. Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 6. und 7. Februar . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 9. und 10. Februar Von Clemens Brentano, vmtl. zwischen 10. und 13. Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Johann Daniel Engelhard, 11. Februar . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 12. Februar . . . An Ludwig Achim von Arnim, Mitte Februar . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Mitte Februar . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 18. Februar . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 20. Februar . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 20. Februar . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 22. Februar . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 23. Februar . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 24. Februar . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 24. Februar . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. oder 26. Februar . Von Ludwig Achim von Arnim, 27. Februar . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 29. Februar . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 2. März . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 3. März . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 5. oder 6. März . . Von Louise Reichardt, etwa 6. März . . . . . . . . . . . . Von Claudine Piautaz, 6. oder 7. März . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 7. März . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 7. oder 8. März . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 8. oder 9. März . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 10. März . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 11. März . . . . . . . . .
XVII
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323
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. . . . . . .
324 326 327 327 328 328 329
. . . . . . . .
332 333 335
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338 338 339 343 345 346 348 349 350 353 355 356 358 360 362 363 365 367 369 369 369 371 373 375 377
. . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhalt
331. 332. 333. 334. 335.K 336. 337. 338. 339. 340. 341. 342. 343. 344. 345. 346. *347. 348. 349. 350. 351. 352. 353. 354. 355. 356. 357. 358. 359. 360. 361. 362. 363. 364. 365. 366. 367.
An Ludwig Achim von Arnim, 14. März . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 15. März . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 20. und 21. März . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 22. März . . . . . . . . An Clemens Brentano, etwa 25. März . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. März . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 26. oder 27. März . . . An Ludwig Achim von Arnim, 28. März . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 29. März . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, etwa 29. März . . An Ludwig Achim von Arnim, 30. März . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 1. April . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 2. April . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, zwischen 3. und 6. April Von Johann Wolfgang von Goethe, 3. April . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 7. April . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 9. oder 10. April . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 10. April . . . . . . . . . An Christiane von Goethe, 10. April . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 10. April . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 12. April . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, etwa 12. April . . . An Ludwig Achim von Arnim, 13., 14. oder 15. April Von Ludwig Achim von Arnim, 16. April . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 16. April . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 20. April . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 20. April . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 22. April . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 22. April . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, zwischen 24. und 30. April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Philipp Carl Hoffmann, 24. April . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 24. April . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. April . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 26. April . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 26. April . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 27. oder 28. April . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 29. April . . . . . . . . .
XVIII
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379 380 381 383 385 386 389 390 391 392 393 394 396 397 399 400 402 402 404 405 405 407 409 410 411 413 414 415 418
. . . . . . . .
. . . . . . . .
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420 421 422 423 426 427 431 433
Inhalt
368. *369. 370. 371. 372. 373. 374. 375. 376. *377. 378. 379. 380. 381. 382. 383. 384. 385. 386. 387. 388. 389. 390. 391. 392. 393. 394. 395. 396. 397. 398. 399.
An Johann Daniel Engelhard, vmtl. Ende April/ Anfang Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Georg Daniel Arnold, Ende April/Anfang Mai . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 30. April, 1. oder 2. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 3. Mai . . . . . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 4. Mai . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, etwa 5. Mai . . . . . . . . . . Von Johann Daniel Engelhard, 5. Mai . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 7. oder 8. Mai . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 10. Mai . . . . . . . . . . . . An Karl Joseph Hieronymus Kolborn, vmtl. zweites Drittel Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, etwa 12. Mai . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, etwa 14. Mai . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 16. Mai . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 18. Mai . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 21. Mai . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 22. Mai . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, etwa 27. Mai . . . . . . Von Catharina Elisabeth Goethe, vmtl. zwischen 3. und 5. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, zwischen 5. und Mitte Juni sowie Mitte Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 16. und 20. Juni sowie 13. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Kunigunde von Savigny an Bettina und Meline Brentano, 21. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 21. Juni . . . . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 22. Juni . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 23. Juni . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. Juni . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 26. Juni . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 27. Juni . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 28. Juni . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 30. Juni . . . . . . . . . . . . Von Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi, 1. Juli . . An Ludwig Achim von Arnim, 4. Juli . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 5. Juli . . . . . . . . . . . . . .
XIX
435 437 437 438 439 440 442 443 445 446 447 448 449 450 450 452 453 456 456 458 463 464 464 466 467 468 470 472 473 476 478 480
Inhalt
*400. *401. 402. 403. 404. 405. 406. 407. 408. 409. 410. 411. 412. 413. 414. 415. 416. 417. 418. 419. 420. 421. 422. 423. 424. 425. 426. 427. 428. 429. 430. 431. 432. 433. 434. 435.
Von Lulu Jordis an Bettina und Antonia Brentano, etwa 5. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Bettina und Antonia Brentano an Lulu Jordis, etwa 6. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 7. Juli . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 9. Juli . . . . . . . . . . An Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi, vmtl. zweites oder letztes Drittel Juli . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 12. Juli . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 14. Juli . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 14./15. Juli . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 16. Juli . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 16. Juli . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 16./17. Juli . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 17. oder 18. Juli . . . An Johann Wolfgang von Goethe, etwa 16.–30. Juli Von Antonia Brentano, 18. Juli . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 18. Juli . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 19. Juli . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 23. Juli . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 25. Juli . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 27. Juli . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 27. und 28. Juli . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 1. August . . . . . . . . Von Catharina Elisabeth Goethe, 28. August . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 28. und 29. August . An Ludwig Achim von Arnim, 29. August . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 30. August . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Anfang September . . . Von Wilhelm von Türckheim, 7. September . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 17. September . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 18. September . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 20. September . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 21. September . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 24. und 25. September Von Ludwig Achim von Arnim, 25. und 26. September Von Ludwig Achim von Arnim, 27. September . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 29. September . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 1. Oktober . . . . . . .
XX
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482
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482 482 484
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
484 485 487 488 489 490 491 492 493 498 500 501 502 503 505 505 506 508 510 511 512 514 515 516 517 518 519 522 524 527 528 530
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhalt
436. 437. 438. 439. 440. 441. 442. *443.
444. 445. 446. 447. *448. 449. 450. *451. 452. 453. 454. 455. 456. 457. 458. *459. 460. 461. 462. 463. 464. 465. 466. 467. 468. 469.
An Ludwig Achim von Arnim, 1. Oktober . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 5. Oktober . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 9. Oktober . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 10. Oktober . . . . . . . . . . An Friedrich Heinrich Jacobi, 15. Oktober . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 16. Oktober . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, etwa 16. Oktober . . . . . . Von Clemens Brentano und Friedrich Carl von Savigny an Bettina und Kunigunde von Savigny, zwischen 17. und 20. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 21. Oktober . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 22. Oktober . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. Oktober . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 25. Oktober Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 26. Oktober An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 27. Oktober An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 28. Oktober Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, Ende Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Ende Oktober . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 29. Oktober An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 30. oder 31. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 1. November An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 2. November An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 2. November An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 3. November Von Friedrich Carl von Savigny, vmtl. 4. November . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 4. November . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 5. November . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 5. November An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 5. November An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 6. November An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 7. November An Ludwig Achim von Arnim, 7. November . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 9. November . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, zwischen 10. und 15. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 15. November . . . . . . . .
XXI
531 532 533 536 537 541 542
543 544 545 547 549 550 550 551 552 552 554 555 556 557 558 559 559 560 561 565 566 567 568 568 570 573 575
Inhalt
470. 471. 472. 473. 474. 475. 476. 477. 478. 479. 480. 481. 482. 483. 484. 485. 486. 487. 488. 489.
Mit Kunigunde von Savigny an Friedrich Carl von Savigny, 16. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mit Kunigunde von Savigny an Friedrich Carl von Savigny, 17. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 17. und 18. November . An Friedrich Carl von Savigny, 18. November . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, letztes Drittel November . An Friedrich Carl von Savigny, 23. November . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 25. November . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 26. November . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 27. November . . . . . . . . An Ludwig Tieck, 27. oder 28. November . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 28. November . . . . . . . . Mit Ludwig Tieck an Friedrich Carl von Savigny, Ende November/Anfang Dezember . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 2. Dezember . . . . . . . . . Mit Kunigunde von Savigny an Friedrich Carl von Savigny, 7. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 8. Dezember . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 8. Dezember . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 15. Dezember . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 18. Dezember . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 25. Dezember . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 30. Dezember . . . . . . .
.
576
. . . . . . . . . .
577 578 581 581 583 584 584 585 586 586
. .
587 587
. . . . . . .
590 590 592 594 595 597 599
. .
601
. . . . . .
601 601 602 604 605 606
Band 2 490. 491. 492. 493. 494. 495. 496.
1809 An Carl Friedrich von Rumohr, zwischen Anfang Januar und Ende September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Carl Friedrich von Rumohr, zwischen Anfang Januar und Ende September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, Anfang Januar . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 3. Januar . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 4. oder 5. Januar . . . . An Christiane von Goethe, 8. Januar . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 8. Januar . . . . . . . . . .
XXII
. . . . . .
Inhalt
497. 498. 499. 500. *501. 502. 503. 504. 505. 506. 507. 508. *509. *510. 511. 512. 513. 514. 515. 516. 517. 518. 519. 520. 521. 522. 523. *524. 525. 526. *527. 528. 529. 530. 531.
An Johann Wolfgang von Goethe, etwa 10. Januar– 1. Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 13. Januar . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 15. und 16. Januar . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 18. Januar . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, vmtl. 27. Januar . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 28. Januar . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 29. Januar . . . . . . . . . . . Von Christiane von Goethe, 30. Januar . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 31. Januar . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, Anfang Februar . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 3. Februar . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, zwischen 5. und 8. Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Clemens Brentano, zwischen 5. und 8. Februar . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, zwischen 6. und 9. Februar An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 9. Februar . An Ludwig Achim von Arnim, 10. Februar . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 11. Februar . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 19. Februar . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 19. Februar . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 21. Februar . . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 22. Februar . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. oder 26. Februar und Anfang März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 28. Februar . . . . . . . . . . Von Friedrich Lothar von Stadion, vmtl. 28. Februar . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 1. und 2. März . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 2. März . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 3. März . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 4., 5. oder 6. März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 7. und 8. März . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 7. März . . Von Friedrich Carl von Savigny, 8. oder 9. März . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 10. März . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 10. März . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 10.–12. März . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 13. März . .
XXIII
606 610 611 614 616 616 617 619 620 621 621 623 625 625 625 627 630 630 631 632 632 633 635 637 638 639 641 642 642 645 647 647 649 649 652
Inhalt
532. *533. 534. *535. 536. 537. *538. 539. 540. 541. 542. 543. 544. 545. 546. 547. 548. 549. *550. 551. 552. 553. 554. 555. *556. 557. 558. 559. 560. 561. 562. 563. 564. 565. 566. *567.
An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 15. März . An Meline Brentano, 16., 17. oder 18. März . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 16. März . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, vmtl. 17. oder 18. März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 19. März . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 19. März . Von Friedrich Carl von Savigny, 20., 21. oder 22. März . . An Friedrich Carl von Savigny, 23. März . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 24. oder 25. März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. März . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 25. März . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 26. März . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 1. April . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 5. April . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 5. April . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, zwischen 5. und 10. April . Von Ludwig Achim von Arnim, 6. und 10. April . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 10. April . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 11., 12. oder 13. April . . An Friedrich Carl von Savigny, 14. April . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 18. und 19. April . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, etwa 20. April . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. April . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 25. April . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, zwischen 25. und 27. April An Ludwig Achim von Arnim, 26. April . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 26, 27. oder 28. April . . . An Friedrich Carl von Savigny, 29., 30. April oder 1. Mai . An Friedrich Carl von Savigny, 2. Mai . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 3. Mai . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 3. Mai . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, zwischen 4. und 8. Mai . . Von Ludwig Achim von Arnim, 4. Mai . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 9. Mai . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 10. Mai . . An Joseph Janson von der Stockh, vmtl. zweites Drittel Mai
XXIV
653 655 656 657 658 660 661 661 662 663 666 668 669 671 672 673 674 676 678 678 679 681 683 683 684 684 686 687 688 689 690 693 694 696 697 697
Inhalt
568. 569. 570. 571. 572. 573. 574. 575. 576. 577. 578. *579. 580. 581. *582. 583. 584. 585. 586. 587. 588. *589. 590. 591. 592. *593. *594. 595. 596. 597. *598. 599. 600. 601. *602. *603. 604.
An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, vmtl. 11. oder 12. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 15. Mai . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 18. Mai . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 22. Mai . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 25.-etwa Ende Mai . . Von Joseph Janson von der Stockh, 25. Mai . . . . . . Von Joseph Janson von der Stockh, vmtl. Anfang Juni Von Ludwig Achim von Arnim, 3. und 4. Juni . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 11. Juni . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 12. Juni . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 14. Juni . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, etwa Mitte–20. Juni . . An Johann Wolfgang von Goethe, 16. Juni . . . . . . . An Sophie Bernhardi, vmtl. zwischen 20. und 25. Juni Von Sophie Bernhardi und Ludwig Tieck, vmtl. zwischen 20. und 26. Juni . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, etwa 20. und 25. Juni Von Clemens Brentano, etwa 20. Juni . . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 23. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . Von Meline Brentano, 23. Juni . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, 24. Juni . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 27. Juni . . . . . . . . . . An Ludwig Tieck, 27. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Tieck, 28. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 28. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . An Meline Brentano, vmtl. 30. Juni oder 1. Juli . . . . An Franz Brentano, vmtl. 30. Juni oder 1. Juli . . . . . An Antonia Brentano, vmtl. 30. Juni oder 1. Juli . . . An Ludwig Achim von Arnim, 30. Juni . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, 30. Juni . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 30. Juni . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, vmtl. 30. Juni . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 1. Juli . Von Clemens Brentano, 1. Juli . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 2., 3. oder 4. Juli Von Kunigunde von Savigny, etwa 4. Juli . . . . . . . . An Franz Brentano, etwa 5. Juli . . . . . . . . . . . . . . An Kunigunde von Savigny, 6. Juli . . . . . . . . . . . . .
XXV
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
698 699 700 702 704 708 710 711 713 715 719 721 721 725
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
727 727 729 731 733 735 737 737 738 740 741 743 744 744 745 747 747 747 751 753 756 757 757
Inhalt
605. 606. 607. 608. *609. 610. 611. 612. *613. 614. *615. *616. 617. 618. *619. 620. 621. 622. 623. 624. 625. 626. *627. 628. 629. 630. 631. *632. 633. 634. 635. 636. *637. 638. 639.
Von Meline Brentano, 7. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Antonia Brentano, 7. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 8. Juli . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 11. Juli . . . An Clemens Brentano, 12. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 14.–19. Juli . . . . . . Von Franz Brentano, 14. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mit Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 15. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Antonia Brentano, zwischen Mitte Juli und Ende August An Ludwig Achim von Arnim, 17. Juli . . . . . . . . . . . . . An Franz Brentano, letztes Drittel Juli . . . . . . . . . . . . . An Franz Brentano, letztes Drittel Juli . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 25. Juli . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 29. Juli . . . . . . . . . . . . . An Joseph Janson von der Stockh, vmtl. erstes oder zweites Drittel August . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 1. und 4. August . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 3. und 4. August . . . . . . . Von Franz Brentano, 5. August . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 6. August . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, etwa 10. August . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, etwa 10. August . . . . . . . Von Matthias Klotz, zwischen etwa 10. und Ende August . Von Friedrich Carl von Savigny, etwa 11. oder 12. August An Friedrich Carl von Savigny, etwa 12. oder 13. August . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 14. August Von Ludwig Achim von Arnim, 19. und 22. August . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 20. August . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl von Savigny, 21., 22. oder 23. August . Von Joseph Janson von der Stockh, 23. August . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 24. August . . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 25. August . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 25. August . . . . . . . . . . . An Joseph Janson von der Stockh, vmtl. erstes Drittel September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 1. September . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 1. September . . . . . . . . .
XXVI
759 761 763 764 765 765 771 774 776 776 781 781 782 782 784 785 787 791 793 796 798 800 801 802 804 805 807 807 808 809 809 810 814 814 817
Inhalt
640. 641. 642. 643. 644. 645. 646. 647. *648. 649. 650. *651.K 652. *653. 654. 655. 656. *657. *658. *659. *660. *661. *662. 663. 664. *665. 666. *667. 668. *669. 670.
671.
An Friedrich Carl von Savigny, etwa 5. September . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 5. September . . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 9. September . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 11. September . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 15. September . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 15. September . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 15. September . . . . . Von Joseph Janson von der Stockh, 15. September . . . . . Von Lulu Jordis, vmtl. zweite Hälfte September . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 16. September . . . . . . . . An Friedrich Carl von Savigny, 20. September . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 20.–23. September . . Von Antonia Brentano, 20. September . . . . . . . . . . . . . Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 20. oder 21. September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 21. September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Kunigunde von Savigny, 23. September . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 29. September . . . . . . . . An Antonia Brentano, Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Angelo Quaglio, erstes und/oder zweites Drittel Oktober Von Angelo Quaglio, erstes und/oder zweites Drittel Oktober An Ludwig Emil Grimm, erstes und/oder zweites Drittel Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Emil Grimm, erstes und/oder zweites Drittel Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Joseph Janson von der Stockh, erste Hälfte Oktober . . Von Ludwig Achim von Arnim, 7. Oktober . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 9. Oktober . . . . . . . . . . . An Peter Lindpaintner, vmtl. zweites Drittel Oktober . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 11. Oktober . . . . . . . . . . An Antonia Brentano, zweite Hälfte Oktober oder erste Hälfte November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Lulu Jordis, zweite Hälfte Oktober . . . . . . . . . . . . . An Meline Brentano, zweite Hälfte Oktober . . . . . . . . . . Von Christian Brentano an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, Bettina und Clemens Brentano, vmtl. zweite Hälfte Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 16. Oktober . . . . . . . . . .
XXVII
819 820 825 826 827 828 829 830 831 831 833 835 836 837 838 839 839 841 841 841 841 842 842 842 845 847 847 848 848 849
850 852
Inhalt
672. *673. 674. 675. 676. 677. 678. 679. 680. *681. 682. 683. 684. *685. 686. *687. *688. *689. 690. 691. 692. 693. 694. 695. *696. 697. 698. 699. 700. *701. *702.
Von Joseph Janson von der Stockh, 18. Oktober . . . . . . An Joseph Janson von der Stockh, vmtl. letztes Drittel Oktober oder erstes Drittel November . . . . . . . . . . . . . Von Joseph Janson von der Stockh, vmtl. letztes Drittel Oktober oder erste Hälfte November . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 21.–23. Oktober . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 21. und 22. Oktober . . . . Von Clemens Brentano, etwa 21./22. Oktober . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 22. Oktober . . . . . . . . . . Von Peter Lindpaintner, 22. Oktober . . . . . . . . . . . . . . Von Meline Brentano, 31. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Emil Grimm, vmtl. November . . . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 3. November . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 5. November . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. zwischen 10. und 15. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Clemens Brentano, vmtl. zwischen 10. und Ende November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Meline Brentano, 13. November . . . . . . . . . . . . . . An Johann Daniel Engelhard, zwischen 20. und 22. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Peter Lindpaintner, zwischen 20. und 22. November . . An Joseph Janson von der Stockh, vmtl. zwischen 20. und 22. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 21. November . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, etwa 22. November . . Von Antonia Brentano, 24. November . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 25. November . . . . . . . . Von Joseph Janson von der Stockh, zwischen Ende November und Mitte Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Peter Lindpaintner, 29. November . . . . . . . . . . . . . An Antonia Brentano, vmtl. Anfang Dezember . . . . . . . . Von Christine Stransky von Stranka und Greiffenfels, Anfang Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 7. Dezember . . . . . . . . . . An Ludwig Emil Grimm, 7. Dezember . . . . . . . . . . . . . An Meline Brentano, 7. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . An Antonia Brentano, 7. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . An Peter Lindpaintner, 7. Dezember . . . . . . . . . . . . . .
XXVIII
854 855 855 856 862 864 867 870 871 873 874 875 877 880 881 882 882 882 883 885 888 891 894 895 896 897 898 899 901 902 902
Inhalt
*703. 704. 705. 706. 707. 708. 709. 710. 711.
*712. 713. 714. 715. 716. *717. 718. *719. 720. 721. 722. 723. *724. 725. 726. 727. 728. 729. 730. 731. 732. 733.
Vmtl. an Sebastian Bopp, 7. Dezember . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 8. Dezember . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 13. Dezember . . An Ludwig Achim von Arnim, etwa Mitte Dezember Von Antonia Brentano, 16. Dezember . . . . . . . . . Von Peter Lindpaintner, vmtl. letztes Drittel Dezember Von Ludwig Achim von Arnim, 22. Dezember . . . . Von Joseph Janson von der Stockh, 27. Dezember . Von Ludwig Achim von Arnim, 29. Dezember . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . . . .
1810 An Joseph Janson von der Stockh, erstes Drittel Januar An Ludwig Achim von Arnim, Anfang Januar . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Anfang Januar . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, erstes Drittel Januar . . Von Joseph Janson von der Stockh, 11. Januar . . . . . An Clemens Brentano, 14. Januar . . . . . . . . . . . . . Mit Friedrich Carl von Savigny an Clemens Brentano, 15. Januar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Joseph Janson von der Stockh, vmtl. zweite Hälfte Januar / erste Hälfte Februar . . . . . . . . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 20. Januar . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. letztes Drittel Januar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 26. Januar . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 30. Januar . . . . . . . . An Antonia Brentano, vmtl. erste Hälfte Februar . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 5. Februar . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. zweites oder letztes Drittel Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Mitte Februar . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 14. und 15. Februar . Von Antonia Brentano, 20. Februar . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, zwischen 25. und Ende Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Joseph Janson von der Stockh, 25. Februar . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 26. Februar . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, zweites oder letztes Drittel März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIX
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
903 903 906 910 911 912 914 917 918
. . . . . .
. . . . . .
919 920 921 922 924 926
. . .
926
. . . . . .
927 927
. . . . .
. . . . .
. . . . .
929 933 936 939 939
. . . .
. . . .
. . . .
940 942 944 955
. . . . . . . . .
957 959 960
. . .
963
. . . . .
Inhalt
734. 735. 736. 737. 738. 739. *740. 741. 742. 743. *744. 745. 746. 747. 748. 749. 750. 751. 752. 753. *754. 755. 756. 757. *758. *759. *760.
761. 762. 763. 764. 765. *766. 767.
Von Ludwig Achim von Arnim, 15. März . . . . . . . . . . . Von Peter Lindpaintner, vmtl. zweite Hälfte März . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 8.– etwa 10. April . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 22. April . . . . . . . . . . . . An Ludwig Emil Grimm, 28. April . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 2. Mai . . . . . . . . . . . . . An Franz Xaver Nußbaumer, etwa 5. Mai . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, vmtl. zwischen 5. und 10. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 10. Mai . . . . . . . . . Mit Friedrich Carl von Savigny an Lulu Jordis, zweites oder letztes Drittel Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Michael Sailer, zweites oder letztes Drittel Mai Von Max Prokop von Freyberg, 12. Mai . . . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 16. Mai . . . . . . . . . . . . . Von Karl von Gumppenberg, 17. Mai . . . . . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 19. Mai . . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 21.–23. Mai . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, etwa 23. Mai . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 25. Mai . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 29. und 30. Mai . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 30. Mai . . . . . . . . . . . . Von Johann Michael Sailer, vmtl. 5. Juni . . . . . . . . . . . . Von Franz Xaver Nußbaumer, 6. Juni . . . . . . . . . . . . . . Mit Friedrich Carl von Savigny an Max Prokop von Freyberg, 8. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 8. Juni . . . . . . . . . . . . . An Ludwig van Beethoven, zwischen 8. Juni und Ende Juli An Johann Michael Sailer, vmtl. zweites Drittel Juni . . . . An Karl von Gumppenberg, Franz Xaver Nußbaumer, Eduard von Schenk und andere, zwischen 10. und 13. Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, etwa 10. Juni . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, etwa 11. Juni . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 12.–14. Juni . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 15. Juni . . . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 16.–24. Juni . . . . . . . . . An Johann Michael Sailer, vmtl. letztes Drittel Juni . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 21.–24. Juni . . . . . . . . .
XXX
964 966 968 974 974 975 975 976 976 977 978 978 982 983 984 986 989 991 994 996 997 997 1000 1000 1004 1004
1004 1005 1006 1008 1012 1016 1019 1020
Inhalt
768. 769. 770. 771. 772. 773. 774. 775. *776. 777. 778. 779. 780. 781. 782. *783. 784. 785. 786. 787. 788. 789. *790. 791. 792. 793. 794. 795. *796. *797. 798. 799. 800. 801. 802. 803. 804.
Von Karl von Gumppenberg, vmtl. 23. Juni . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 25.–28. Juni . . . . . . . . Von Johann Nepomuk Ringseis, 28. Juni . . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 29. und 30. Juni . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 29. Juni–5. Juli . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 3.–5. Juli . . . . . . . . . . . Mit Kunigunde von Savigny an Friedrich Carl von Savigny, 3.–5. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, 4. Juli . . . . . . . . . . . . . An Karl von Gumppenberg, etwa 5. Juli . . . . . . . . . . . Von Johann Michael Sailer an Kunigunde und Bettina Brentano, 5. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 6.–28. Juli . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 6.–20. Juli . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 6.–7. Juli . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 8.–11. Juli . . . . . . . . . An Alois Bihler, 9. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, etwa 10. Juli . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 10. Juli . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 12.–20. Juli . . . . . . . . Von Karl von Gumppenberg, 12. Juli . . . . . . . . . . . . . Von Alois Bihler, 19. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, etwa 20. Juli . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 20.–26. Juli . . . . . . . . . An Johann Andreas Röschlaub, vmtl. letztes Drittel Juli . Von Ludwig Achim von Arnim, 22. Juli . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 23.–24. Juli . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 24.–29. Juli . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, etwa 25. Juli . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 28. Juli–2. August . . . . . An Alois Bihler, vmtl. Ende Juli/Anfang August . . . . . . . An Peter von Winter, vmtl. Ende Juli/Anfang August . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 29. Juli . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 30. Juli–3. August . . . . An Max Prokop von Freyberg, 3.–7. August . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 5. August . . . . . . . . . . Von Johann Andreas Röschlaub, 5. August . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 6.–10. August . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 14. August . . . . . . . . .
XXXI
. . . . . .
1028 1029 1033 1035 1036 1041
. 1044 . 1049 . 1050 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1050 1052 1059 1077 1081 1086 1089 1089 1092 1096 1098 1101 1105 1117 1117 1121 1127 1130 1131 1136 1136 1136 1138 1143 1151 1152 1154 1157
Inhalt
*805. 806. 807. *808. 809. 810. 811. *812. 813. 814. 815. 816. 817. 818. 819. 820. 821. 822. 823. 824. 825. 826. 827. 828. 829. 830. 831. 832. 833. 834. 835. 836. 837. 838.
An Johann Wolfgang von Goethe, Mitte August . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 15.–17. August . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 17. August . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. letztes Drittel August–Ende September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, vmtl. letztes Drittel August Von Max Prokop von Freyberg, 20.–23. August . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 25. August–1. September An Ludwig van Beethoven, September–Dezember . . . . . An Meline von Guaita, vmtl. September . . . . . . . . . . . . Von Franz Xaver Nußbaumer, 1. September . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 23. September . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, vmtl. Anfang–17. Oktober Von Antonia Brentano, 4. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . Von Alois Bihler, 5. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, etwa 8. Oktober . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 9. Oktober . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 10.–19. Oktober . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 18. Oktober – 4. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 25. Oktober . . . . . . . An Friedrich Wilhelm Riemer, vmtl. Anfang November . . . An Max Prokop von Freyberg, 9. November . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 12. November . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 12. November . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 14. November . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 17.–19. November . . . . . Von Antonio Salvotti von Eichenkraft und Bindeburg, 19. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 20. November– 1. Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, 24. und 28. November An Max Prokop von Freyberg, 3. Dezember . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, etwa 5. Dezember . . . . . . An Johann Wolfgang von Goethe, zweite Hälfte Dezember Von Ludwig Achim von Arnim, Weihnachten . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, Weihnachten . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, zwischen Weihnachten und Anfang März 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXII
1160 1160 1165 1166 1166 1166 1170 1175 1176 1177 1180 1181 1184 1185 1190 1192 1193 1195 1201 1202 1202 1203 1206 1206 1212 1215 1216 1218 1221 1223 1225 1228 1229 1230
Inhalt
839. 840. 841. 842. 843. 844. 845. 846. 847. 848. 849. 850. 851. 852. *853. *854. 855.
*856. *857. 858. 859. 860 861. 862. 863. 864. 865. 866. 867. 868.
Mit Friedrich Carl von Savigny an Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 An Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang März 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 Von Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang März 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . An Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . Von Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . An Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . An Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . An Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . Von Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . Von Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . Von Ludwig Achim von Arnim, Ende 1810/Anfang 1811 . An Marie Brentano, Ende Dezember/Anfang Januar 1811 An Franz Brentano, Ende Dezember/Anfang Januar 1811 . Von Max Prokop von Freyberg, 28. Dezember – 1. Januar 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 1230 . 1231 . 1231 . 1232 . . . . . . . . . . . .
. 1237
1811 An Antonia Brentano, vmtl. Januar . . . . . . . . . . . . . . . An Christian Brentano, vmtl. Januar . . . . . . . . . . . . . . . Mit Kunigunde und Friedrich Carl von Savigny an Meline von Guaita, Ende Dezember 1810/Anfang Januar . Von Ludwig Achim von Arnim, 1. Januar . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 3. Januar . . . . . . . . . . . Von Friedrich Wilhelm Riemer, 4. Januar mit dem Sonett Ordenskleid . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Johann Wolfgang von Goethe, 11. Januar . . . . . . . . Von Meline von Guaita an Bettina, Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 12. Januar . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 13. Januar . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 20. Januar . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, 27. und 28. Januar . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, vmtl. Februar . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, Februar/erste Hälfte März .
XXXIII
1232 1233 1233 1234 1234 1234 1235 1235 1235 1236 1236 1237
1239 1239 1239 1242 1243 1244 1245 1246 1248 1249 1250 1254 1254
Inhalt
869. *870. 871. 872. 873. *874. 875. *876. 877. 878. 879.
880. 881. 882. 883. 884. 885. 886.K
A.1 A.2 *A.3 A.4.A A.5 A.6 A.7 A.8 A.9
Von Ludwig Achim von Arnim, Februar/erste Hälfte März . An Johann Michael Sailer, vmtl. Februar oder erstes Drittel März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Meline von Guaita, erstes Drittel Februar . . . . . . . . . Von Franz Brentano, 2. Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Christian Brentano, 8. Februar . . . . . . . . . . . . . . . An Franz Brentano, zweites oder letztes Drittel Februar . . Von Ludwig van Beethoven, 10. Februar . . . . . . . . . . . . An Johann Nepomuk Ringseis, vmtl. zweite Hälfte Februar – Anfang März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An Max Prokop von Freyberg, letztes Drittel Februar . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 21. und 22. Februar . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, erste Hälfte März mit dem Gedicht Bittschrift für ein armes kleines Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, erste Hälfte März . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, vmtl. erste Hälfte März . . An Ludwig Achim von Arnim, vmtl. erste Hälfte März . . . Von Franz Brentano, 1. März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Max Prokop von Freyberg, 3. März . . . . . . . . . . . . Von Antonia Brentano, 11. März . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ludwig Achim von Arnim, 12. und 13. März . . . . . . Anhang Widmungsblatt Bettinas an Hangen (Hannchen) Schieflin, um 1800 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Bettina in ihrem 14ten Jahr geschrieben, um 1800 Brief Bettinas aus meinem siebzehnten Jahre, um 1800 Bettinas Charakteristik Friedrich Carl von Savignys, vmtl. zwischen Anfang Juni und Ende August 1801 . . . Briefadresse Goethes an Bettina, 1807 oder erste Hälfte 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnims Gedicht Amor der Tintenjunge . . . . . . . . . . Eintrag Bettinas in Arnims Stammbuch, etwa 18./ 19. Dezember 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettinas Entwurf des Märchens vom Königssohn, März/April 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettina an Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. spätere Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXIV
1255 1256 1256 1258 1259 1261 1261 1262 1263 1264
1266 1269 1270 1270 1270 1272 1274 1275
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1283 1283 1284
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1286 1286
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1292
Inhalt
A.10
Bettina an Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. Ende August/Anfang September 1826 . . . . . . . A.11 Bettina an Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. Ende August/Anfang September 1826 . . . . . . . A.12.A Bettina an Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. Ende August/Anfang September 1826 . . . . . . . A.13.A Bettina an Johann Wolfgang von Goethe, vmtl. Ende August/Anfang September 1826 . . . . . . . A.14.A Johann Wolfgang von Goethe an Bettina, vmtl. fiktiv . . A.15 Bettina von Arnim, Drei Briefe von Beethoven (1839) A.16 Bettina von Arnim, [Deux Lettres par Beethoven] (1841) A.17 Bettina von Arnim, Beethoven’s Letters to Madame Bettine von Arnim (1841) . . . . . . . . . . . A.18 Bettina von Arnim, [Drei Briefe von Goethes Mutter und drei Briefe von Beethoven] (1848) . . . . . . . . . . . . . . A.19 Dokumentation zum Briefwechsel mit Clemens Brentano A.20 Dokumentation zum Briefwechsel mit Caroline von Günderrode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.21 Das Sonett An Bettin – nicht von Beethoven, sondern von einer Cousine Philipp Nathusius’ . . . . . .
Tafelteil
. . 1293 . . 1294 . . 1295 . . . .
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1296 1296 1297 1301
. . 1304 . . 1309 . 1316 . . 1322 . . 1326
Tafelteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1329
Kommentar Band 3 Zu dieser Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . Editorische Abkürzungen und Zeichen . . . . . Abkürzungen und Zeichen in den Texten . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1333 1346 1350 1355
Zum Briefwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1425 1796 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1427 1797 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1429
XXXV
Inhalt
1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806 1807 1808
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1431 1433 1440 1459 1475 1512 1556 1644 1722
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2019 2336 2515
Band 4 1809 1810 1811
Zum Anhang . . . . . . . . . . Zu Frontispiz und Tafelteil . . . Korrespondenten . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . Die Familien Brentano und von
. . . . . . . . La
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roche
XXXVI
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2547 2583 2593 2643 2747
Chronik und Stimmen der Umwelt
Chronik und Stimmen der Umwelt 1
Ludwig Tieck,
Koboldchen
Immer neckend, Scherze weckend, Bald sich zeigend, Bald versteckend Bist du drollig, Gleich drauf tollig, Nie ermüdet, Nie befriedet, In Unruh Ruhe suchend, die dir fehlt, Selbst gequält; Und ihnen sich einigend, Die Andern peinigend, Zugleich, wie man meint, Freund und auch Feind. Zu lieben befiehlst du So trutzig Und putzig, Was denn erzielst du? So umgetrieben In rastlosem Wildern? Wenn die Modelle Nie bleiben auf selbiger Stelle, Wer kann in Qualen Denn zeichnen und schildern, Mit Farben gar malen, Noch weniger lieben? Es wendet das Herz sich XXXVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
Zu ruhigern, mildern, Stillstehenden Bildern. Doch das dünkt nur Schmerz dich. – So laß uns denn flattern, Mit Witzfunken knattern, Und plaudern und schnattern, Jetzt wundersam dichtend, Nun platt splitterrichtend Wie schlechte Gevattern: Wie Reden wir wechseln Und Spaßworte drechseln, Verlaß ich die Lurelei Unwissend, ob Spuk sie sei, Ob sie zum sterblichen Wesen Noch einst mag genesen, Ob sie als Echo-Trug Immer wird bleiben Spuk – Doch das bleibt nicht fraglich So interessant unbehaglich, So ernst und so komisch, So kindisch, dämonisch, Einfältig und witzig, So stumpf und so spitzig, So wechselnd in Mienen, Ist nie mir ein Wesen Im Leben erschienen: Noch hab’ ich von derlei in Büchern gelesen. – Wie wohlfeil, natürlich, Gefällig und zierlich Dagegen das Mädchen Das still dort am Rädchen Demüthig spinnt das Fädchen, Und ruhig das Rechte thut, Nicht weiß, daß sie schön und gut. ***
XXXVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
1785 4. April: B wird als siebentes Kind des Großkaufmanns Peter Anton Brentano und seiner (seit 1774) zweiten Frau Maximiliane, geb. von La Roche, in dem 1771 gegründeten Handelshaus Zum Goldenen Kopf in der Großen Sandgasse der Freien Reichsstadt Frankfurt am Main geboren. Die Familie des Vaters führt ihre Abstammung auf den Ritter Johannes de Brenta zurück, der 1282 an der Vertreibung des Mailänder Bischofs aus Como mitwirkte. Das Stammland der Brentano, die sich in vier Familienzweige unterteilen, liegt am Comer See in Oberitalien. Der Vater gehört der Linie der Tremezzo an, die seit 1698 in Frankfurt als Kaufmannsfamilie ansässig ist. 1777 wird er kurtrierischer Geheimer Rat und bei der Reichsstadt Frankfurt akkreditierter Resident. 1785 übergibt er Franz, einem seiner Söhne aus erster Ehe, die Geschäftsführung. Bs Mutter andererseits ist das dritte Kind aus der 1753 geschlossenen Ehe von Georg Michael von La Roche, kurtrierischem Kanzler in Thal-Ehrenbreitstein gegenüber Koblenz, mit der späteren Schriftstellerin Sophie von La Roche, geb. von Gutermann, einer Jugendfreundin Christoph Martin Wielands. Die ersten beiden Namen sind von der Patin Catharina Elisabeth Bethmann-Metzler übernommen, einer Freundin der Großmutter. Der zweite Name, Elisabetha, lautet in der italienischen Koseform Elisabettina, die zu Bettina oder Bettine verkürzt wird. 5. April: Taufe im Frankfurter Dom St. Bartholomäus. Frankfurt ist Wahl- und Krönungsstadt der deutschen Kaiser, ein internationaler Handelsplatz und hat etwa 40 000 Einwohner.
2
Tauf-Eintrag im katholischen Kirchenbuch von Frankfurt-Dom
Nat. Bapt. 〈…〉 4 5: 5
1785 Aprilis Catharina Elisabetha Ludovica Magdalena Legitima filia Prænobilis Domini Petri Antonii Prentano Serenissimi Electoris Trevirensis Consiliarii ac Residentis et Maximilianæ natæ La Roche Conjugum, Patrina fuit Domina CaXXXIX
Chronik und Stimmen der Umwelt
tharina Elisabetha Bethmann, Cui absenti Substituerunt Dominam Magdalenam Willemer natam Lang.15 3
Eintrag im Familienattest der Familie Brentano-La Roche
Extractus ex matricula baptismali ecclesiae imperialis et parochialis ad sanctum Bartholomaeum, Francofurti ad Moenum. Anno millesimo septingentesimo octogesimo quinto, die quarta mensis Aprilis et die quinta eiusdem baptizata est Catharina Elisabetha Ludovica Magdalena Brentano legitima filia Praenobilis Domini Petri Antonii Brentano Serenissimi Electoris Trevirensis Consiliarii ac Residentis et Maximilianae natae La Roche coniugum, Patrina fuit Domina Catharina Elisabetha Bethmann, cui absenti substituerunt Dominam Magdalenam Willemer natam Lang.2 4
Publikation des Taufeintrags in den
Franckfurter Frag- und
Anzeige-Nachrichten Getauffte hierüben in Franckfurt. Dienstag, den 12. dito. S. T. Herr Peter Anton Brentano, Sr. Churfürstl. Durchlaucht zu Trier Rath und Resident, eine Tochter, Catharina Elisabetha Ludovica Magdalena.*) *) Bettina wurde theils bei ihrer Großmutter Sophie von La Roche in Offenbach erzogen, theils war sie in einem Kloster, theils in Marburg und hier in Frankfurt. Sie vermählte sich mit dem genialen Dichter
1
2
Übersetzung (Hermann Patsch): Catharina Elisabetha Ludowica Magdalena eheliche Tochter des hochedlen Herrn Peter Anton Prentano Rat und Resident der hochalten erwaehlten (Stadt) Trier und der Ehefrau Maximiliane geborene La Roche, Patin war Frau Catharina Elisabetha Bethmann, in deren Abwesenheit vertreten durch Frau Magdalena Willemer geborene Lang. Übersetzung (Hermann Patsch): Auszug aus der Taufmatrikel der Haupt- und Parochialkirche zum hl Bartholomaeus, Frankfurt am Main. Im Jahr 1785 wurde am 4. Tag des April (geboren) und am 5 desselben getauft Catharina Elisabetha Ludovica Magdalena Brentano eheliche Tochter des Hochedlen Herrn Peter Anton Brentano der hochalten erwaehlten (Stadt) Trier Rat und Resident und Maximiliane geborene La Roche Ehefrau, Patin war Frau Catharina Elisabetha Bethmann, in deren Abwesenheit vertreten durch Frau Magdalena Willemer geborene Lang.
XL
Chronik und Stimmen der Umwelt
Achim von Arnim, und wohnte von da an in Berlin. Ihr erstes Auftreten als Schriftstellerin erregte großes Aufsehen durch die Originalität der Briefe der Frau Rath, und durch Bettinens Antworten. Aus ihren letzten Schriften spricht reger Eifer für allgemeine Zwecke Gutes zu wirken. 5. Juni: Tod der 1782 geborenen Schwester M a r i a Franziska Catharina in Frankfurt.
1787 9. Januar: Geburt der Schwester Ludovica Maria Catharina, genannt L u l u, in Frankfurt.
1788 21. Juli: Geburt der Schwester Magdalena Maria Carolina Franziska, genannt M e l i n e, in Frankfurt. 24. Dezember: Tod des 1768 geborenen Halbbruders P e t e r Anton Ludwig in Frankfurt.
1789 14. Juli: Mit dem Sturm auf die Bastille Beginn der Französischen Revolution.
1790 29. Januar: Geburt der Schwester C a r o l i n e Ludovica Ernestine in Frankfurt. 9. Oktober: Krönung Leopolds II. in Frankfurt zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.
XLI
Chronik und Stimmen der Umwelt
1791 20. September: Geburt der Schwester A n n a Maria Francisca Ludovica in Frankfurt. 23. September: Tod der Schwester C a r o l i n e Ludovica Ernestine in Frankfurt.
1792 20. April: Beginn des Ersten Koalitionskrieges, den Österreich und Preußen gegen Frankreich führen. 26. April: Tod der Schwester A n n a Maria Francisca Ludovica in Frankfurt. 14. Juli: Am Jahrestag des Sturms auf die Bastille Krönung von Franz II. in Frankfurt zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. 22. Oktober: Frankfurt wird von französischen Truppen unter General Custine besetzt. Der Stadt wird eine Kontribution von zwei Millionen Gulden auferlegt. Peter Anton Brentano flieht mit seiner Frau Maximiliane nach Koblenz, weil er fürchtet, wegen seiner Unterstützung französischer Emigranten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Zu den acht Geiseln, die Custine zwecks Begleichung der Kontribution unter den Frankfurtern auswählt, gehört Franz Brentano. 23. Oktober: Nach der Einnahme von Mainz durch französische Revolutionstruppen Gründung des Mainzer Jakobinerklubs (Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit). 2. Dezember: Frankfurt wird von preußischen und hessischen Truppen erobert. Im Haus Zum Goldenen Kopf werden hessische Offiziere einquartiert.
1793 20. Januar: Der österreichische Generalmajor Anton Joseph von Brentano-Cimaroli, Inhaber des K. u. K. 35. Linien-Infanterie-Regiments Brentano, stirbt im Haus Zum Goldenen Kopf an den Folgen einer Verwundung. 21. Januar: Hinrichtung des französischen Königs Ludwig XVI. in Paris.
XLII
Chronik und Stimmen der Umwelt
11. Mai: Geburt der Schwester S u s a n n a Philippina Francisca Ludovica in Frankfurt. 24. Juni: Annahme der jakobinischen Verfassung durch den Pariser Konvent. 23. Juli: Nach viermonatiger Belagerung durch Reichstruppen Einnahme von Mainz und Ende der Mainzer Republik. 2. September: Tod der Schwester S u s a n n a Philippina Francisca Ludovica in Frankfurt. 17. September: Beginn der Terreur in Frankreich. 19. November: Tod der Mutter Maximiliane Brentano in Frankfurt. Zur Erziehung der Kinder wird Claudine Piautaz, die Tochter eines Seidenhändlers aus Savoyen, in die Brentano-Familie aufgenommen.
1794 Vmtl. Mai: B und ihre Schwester Lulu werden dem Pensionat der Ursulinen im kurmainzischen Fritzlar (bei Kassel) anvertraut. Meline, die jüngste Schwester, folgt nach. – »Das Pensionat, 1713 gegründet, nahm etwa 24 Mädchen aus guten Familien auf. Der vom Kloster in Terrassen niedersteigende Garten, eine Schöpfung des Kasseler Gartenkünstlers Wunsdorf und Bettinens Lieblingsaufenthalt, birgt heute 〈1942〉 noch eine mächtige Doppellaube, durchwachsen von einer mächtigen Linde 〈…〉 wohl die Linde, in deren Stamm ein Herz eingeschnitten mit den Intialen BB, darüber die Jahreszahl 1795. 〈…〉 Den Ursulinen von Fritzlar schenkte Bettine die Handschrift von ›Goethes Briefwechsel mit einem Kinde‹; sie haben freilich mit dem damals umstrittenen Buche ein Autodafé veranstaltet.«3 – »Die Oberin bestätigt das und führt uns zu der Linde, in welcher Bettines Initialen 〈…〉 noch
3
Schellberg/Fuchs 1942, S. 9. Vgl. Bs Reminiszenzen in Clemens Brentano’s Frühlingskranz und in dem Kapitel Die Klosterbeere in den Gesprächen mit Dämonen (Berlin 1852, S. 5-10), auch von der Schwedin Malle Montgomery-Silfverstolpe notierte Erinnerungen (Montgomery-Silfverstolpe 1912, S. 244, 249). Zwischen 25. und 31. August 1803 empfahl Bruder Clemens Sophie Mereau, ihre Tochter Hulda in Fritzlar unterzubringen: Das Nonnenkloster, in dem meine Geschwister waren 10 Stunden von hier 〈Marburg〉 zu
Frizlar, und welches auch Protestanten aufnimmt ist sehr wohlfeil, einfach und Natürlich, und Betine erinnert sich stets mit Freude daran (DjBr Nr. 855).
XLIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
heute 〈2000〉 zu sehen sind.«4 B empfängt in Fritzlar ihre Erste Kommunion.5 Von den Handarbeiten, die sie im Kloster anfertigen lernte, erzählt sie im Frühlingskranz.
5
Erinnerung von Bs Tochter Maximiliane
Als wir noch Kinder waren, webte sie den Stoff zu unseren Kleidern selbst. Schon von ihrer Erziehung im Kloster zu Fritzlar her besaß sie eine große Kunstfertigkeit in feinen Handarbeiten. 26. Juni: Die Revolutionstruppen siegen bei Fleurus und erobern danach fast das gesamte linke Rheinufer. 28./29. Juli: Hinrichtung Robespierres und seiner Anhänger in Paris.
1795 5./6. April: Friede von Basel zwischen Frankreich und Preußen, das seine Neutralität erklärt. 29. Juni: In Frankfurt heiraten Peter Anton Brentano und Friederike (Fritze) von Rottenhof. Es ist die dritte Ehe des Vaters. 31. Oktober: Beginn der Herrschaft des Direktoriums in Frankreich.
1796 14. Juli: Frankfurt wird nach mehrtägigem Bombardement von französischen Truppen besetzt, die die österreichischen zum Abzug zwingen. Die Judengasse wird in Brand geschossen. Die Stadt muß eine Kontribution von 6 Millionen Franc in Geld und zwei Millionen in Lieferungen leisten. 4 5
Gajek/Gajek 2008, S. 306. Vgl. Bs Aufzeichnung: Im Kloster
zu Fritzlar wurde ich mit meiner Schwester Lulu zur ersten Communion vorbereitet. Bei dem Examen fragte mich der Pfarrer: »welches ist das erste Sacrament?« – ich: »die Ehe«; Pater, »nein die Taufe«. ich: »nein erst wird geheirath, dann werden die Kinder getauft«. – Der Pater, welcher glaubte, ich habe aus Wiz gesagt, was ich nur aus Dummheit gesagt hatte, hielt es nicht für nöthig mich ferner zu examinieren, und daß war sehr gut, denn ich wuste kein Wort. (Steig 1923b, S 64.)
XLIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
29. Juli: Geburt des Halbbruders F r i e d r i c h Karl Franz in Frankfurt. 5. August: Tod des Halbbruders F r i e d r i c h Karl Franz in Frankfurt. 8. September: Frankfurt wird von österreichischen Truppen zurückerobert. Herbst: Schwester Gunda kehrt von Fritzlar in den Goldenen Kopf nach Frankfurt zurück.
1797 9. März: Tod des Vaters Peter Anton Brentano in Frankfurt. Wenige Wochen vor ihrem zwölften Geburtstag ist B damit Vollwaise Der Vater hinterläßt der Familie ein Vermögen von etwa 1 200 000 Gulden und eine Spezerei- und Farbwarenhandlung, die in Hessen, Nassau, dem Rheingau und der Pfalz einen erheblichen Kundenkreis hat. Den größten Teil der Erbschaft machen 231 österreichische Obligationen im Wert von 282 600 Gulden aus.6 Bs Stiefbruder Franz und der Frankfurter Kaufmann Johann Franz Denant werden ihre Vormünder. 14. Mai: Caroline von Günderrode wird in das von Cronstetten-Hynspergische Adelige Damenstift in Frankfurt aufgenommen. In dem Stiftsgebäude am Roßmarkt bezieht sie zwei Zimmer im Erdgeschoß. 19. Mai: Bruder Clemens wird an der Universität Halle als Student der Kameralistik immatrikuliert.
6
Kunigunde Brentano an Clemens Brentano, Frankfurt, vmtl. 1. Juni 1797
〈…〉 die drey kleine Schwestern die in Fritzlar sind werden bald zurück kommen um in Offenbach ihre éducation zu vollenden welches geschäft denn die Großmama über sich nehmen wird. Juni/Juli: B, Lulu und Meline Brentano kehren in das Frankfurter Brentano-Haus zurück.
6
Vgl. Dietz 1925, Bd. IV/1, S. 251 f.
XLV
Chronik und Stimmen der Umwelt
7
Sophie von La Roche an Georg Wilhelm Petersen, Offenbach, Anfang Juli 1797
Lohnen Sie mich durch Ihren Besuch für erlittenes Weh – und Seegnen Sie mich ein Zu der ertziehung meiner drey jüngsten Enkelinen die zu end dieses M o n a t s Zu mir kommen. 20. Juli: Geburt des Halbbruders A u g u s t Franz Peter in Frankfurt. Vmtl. Ende Juli: Die Schwestern B, Lulu und Meline übersiedeln von Frankfurt zur Großmutter Sophie von La Roche, die seit 1786 ein Haus in der Offenbacher Domstraße bewohnt. Dort leben außerdem ihre geschiedene Tochter Luise Möhn und Cordula Franck, einer Nichte ihres verstorbenen Mannes Georg Michael von La Roche. Zum Haushalt gehören auch die Magd Agnes und (bis etwa 1800) als Pensionär der junge Eduard Bethmann-Metzler mit seinem Hofmeister. Vmtl. erste Hälfte Oktober: B sieht ihren Bruder Clemens, der in den Semesterferien nach Frankfurt kommt, erstmals nach ihrer langen Fritzlarer Abwesenheit. 17. Oktober: Mit dem Frieden von Campo Formio endet der Erste Koalitionskrieg. Das linke Rheinufer wird an Frankreich abgetreten.
8
Sophie von La Roche an Elsy von La Roche, Offenbach, 17. Oktober 1797
Seit 1794 lebe ich mit Luise und Cordula von der Pension für den jungen Bethmann und seinen Hofmeister; denn seit die Franzosen Koblenz genommen haben, ziehen weder Luise noch ich einen Pfennig von unseren Pensionen. Und die Teurung der Lebensmittel, die durch die Menge der französischen und kaiserlichen Truppen hervorgerufen wurde! Die drei jüngeren Töchter der Max sind bei mir und zahlen Pension wie Fremde; das ist anständig gehandelt von Herrn Franz Brentano, der dadurch nach dem Tod des Vaters meine Lage erleichtern wollte. Großer, großer Gott! Ich versinke in Verzweiflung.
XLVI
Chronik und Stimmen der Umwelt
1798 Mai: Bs Halbbruder Franz führt mit ihrem Bruder Georg die väterliche Firma in Frankfurt weiter. 10. Mai: Ludwig Achim von Arnim wird in Halle als Student der Rechte immatrikuliert. 5. Juni: Bruder Clemens wird an der Universität Jena ohne Angabe der Fachrichtung immatrikuliert. Juni: Clemens lernt in Jena die Schriftstellerin Sophie Mereau kennen. 23. Juli: In Wien heiraten Franz Brentano und Antonia von Birkenstock, Tochter des österreichischen Staatsmannes Johann Melchior von Birkenstock. 19. August: Ankunft von Franz und Antonia Brentano in Frankfurt.
9
Erinnerung Antonia Brentanos an ihre Ankunft im
Goldenen
Kopf Als wir nach der Hochzeit zuerst nach Frankfurt kamen, hielten wir vor dem Brentano’schen Hause in der Sandgasse, und ich stieg mit ängstlich klopfendem Herzen und bangen Gefühlen die Treppe hinauf in meiner neuen Heimat. Alles war mir gänzlich fremd, ich kannte weder äußere noch innere Verhältnisse des Hauses und sollte lernen, mich selbst langsam in alles Fremdartige finden. Es ging auch, es mußte ja gehen, aber viele unzählige heiße Tränen habe ich heimlich in diesem Hause vergossen; denn ich wollte ja doch meinen Mann nicht merken lassen, wie schwer mir alles wurde, da er immer so liebevoll und freundlich gegen mich war. Als wir in den gemeinschaftlichen Salon traten, waren da alle Geschwister meines Mannes versammelt, zwölf an der Zahl, noch alle ledig, alle im Hause wohnend und alle hier beisammen, um die fremde, neu eingeführte mit neugierigen, prüfenden Blicken zu betrachten. Diesen trostlosen Augenblick kann ich nie vergessen. Alle umarmten in freudiger Erregung den zurückgekehrten Bruder, der von allen hoch verehrt wurde, und ich stand da allein und verlassen im mitten Zimmer und mußte mich nur neugierig betrachten lassen. Ich weiß nicht, was ich darum gegeben, wenn ich damals unsichtbar in den Boden hätte versinken können! Als die Begrüßung der ganzen Familie noch nicht beendigt war, öffnete sich breit eine Türe, und ein sehr wohlXLVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
beleibter Herr in den besten Jahren trat herein, in blauer Weste mit blanken Knöpfen und käferbraunem Frack. Er schritt bedächtig mir entgegen, machte eine tiefe Verbeugung und rief mit sonderbar schnarrender Stimme, die mich eigentümlich unangenehm berührte: »Madame, ich gratuliere Ihnen, Sie haben den besten Mann in ganz Eurrrropa!« Hinter ihm standen noch drei jüngere Leute, welche auch tiefe Verbeugungen machten; darauf sich alle vier mit langsamen bedächtigen Schritten wieder der Türe näherten und verschwanden. Wie ich bald erfuhr, war der ältere Herr der älteste Buchhalter, der im Dienste des Hauses ergraut war, und die drei Trabanten seine Kommis. Der Buchhalter galt sehr viel im Hause, und ich mußte mich in gar vielem seinen Anordnungen unterwerfen. Zu meinem großen Erstaunen aßen auch jene vier, sowie die ganze Familie an unserem Tische, wo es immer sehr einfach zuging. Als die ersten Begrüßungen vorüber waren, kam eine meiner Schwägerinnen und brachte mir die Haushaltungsbücher sowie den Schlüsselkorb mit der Bemerkung, ich müsse jetzt das Hauswesen übernehmen, da ich ja die Hausfrau sei. Unter Tränen bat ich sie, doch wenigstens noch einige Wochen die gewohnten Geschäfte zu vollbringen, da mir ja alles so fremd, allein sie ging nicht darauf ein, und ich war genötigt, vom ersten Tag an der großen Haushaltung selbständig vorzustehen, was mir unendlich schwer fiel, da alle Gegenstände hier anders benannt wurden, als in Wien, und überhaupt alle Einrichtungen sehr verschieden von den Wiener Gebräuchen waren. Freilich war mir die Führung der Haushaltung unendlich erleichtert durch die größte Einfachheit und Regelmäßigkeit, welche damals in den ersten Häusern hier noch herrschte. So bestand tagtäglich das Mittagessen aus einer Suppe, einem großen Stück Rindfleisch und einer Schüssel Gemüse, welches alles zusammen und zwar auf Zinn serviert wurde. Wir aßen auch auf zinnernen Tellern, was mir anfangs sehr ungemütlich erschien, indem ich von zu Hause, wo wir oft Professoren und sonstige Gäste zu Tische hatten, eine feine Tafel gewöhnt war. Ein Beispiel der eingefleischten Gewohnheit mag Ihnen folgende kleine Begebenheit sein, über welche Sie heute lachen werden, welche für mich aber seinerzeit von großer Wichtigkeit war. Meine Schwäger und Schwägerinnen, welche meist alle sehr lustig und munter waren (es waren ja fast alle bekanntlich Genies) baten mich öfters, ihnen doch einmal noch etwas besonderes zum MittagesXLVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
sen hinzuzufügen; ich war auch nicht sehr dagegen und so erlaubte ich mir eines Tages, auch Koteletten zu dem Gemüse hinzuzufügen. Als der Buchhalter dies fremdartige Gericht erblickte, stand er zornig von seinem Platze auf, trat dicht vor mich hin und rief mir mit seiner erhobenen schnarrenden Stimme zu: »Madame, wollen Sie das alte ehrenwerte Haus ruinieren, das so lange mit ungetrübtem Namen bestanden hat; solche Verschwendungen, öfters wiederholt, machen im Jahre eine große Summe aus!« Sie können erraten, daß mir nach dieser Szene die Koteletten nicht schmeckten und daß ich Tränen verschluckte. Ja, was würden heutzutage unsere jungen vornehmen Frauen dazu sagen? Die Frühstücksstunden waren mir immer sehr ungemütlich; denn dazu kamen die Familienmitglieder sehr unregelmäßig und verlangten alle sehr verschiedenes, Kaffee, Milch oder Tee und da mußte ich dann allen Anforderungen genügen. Wir standen aber alle sehr gut zusammen, die Geschwister hatten mich lieb, und das gegenseitige Verhältnis war ein sehr inniges und freundliches. 10
Sophie Brentano an Henriette von Arnstein, Frankfurt, 17. November 1798
Meine Großmutter sehe ich gewöhnlich einmal die Woche. Du soltest diese liebenswürdige Frau kennen, mein Hennig. Sie ist tausendmal mehr werth, als alle ihre Schriften, obschon einige davon besonders die Aller Ersten, gewiß nicht ohne Verdienst sind. Aber Sie selbst ist so gut, so theilnehmend, so äußerst interessant im Umgang, daß man die Gelehrte Bücherschreiberin nicht errathen würde, wo man so viele trauliche, anspruchsloße Herzlichkeit findet. Sie hat drey kleine Schwestern von mir bey sich. Die rief ich neulich herbey, um sie den Wienern7 zu zeigen. Nachdem eine jede ihren besten Kniks gemacht hatte, so fragte mich eine nach der Andern, wer denn der s c h ö n e, und wer der h ä ß l i c h e Herr sey? – Zum Glück sind sie alt genug um die Frage nicht laut zu thun, sonst wären meine Antworten ein wenig schwer geworden.
7
Moritz von Fries und Franz Christian Lerse.
XLIX
Chronik und Stimmen der Umwelt
1799 11
Sophie von La Roche,
Mein Schreibetisch. Leipzig 1799
Da liegt nun zuerst H e e l y s, mir äußerst liebe, Beschreibung der Gärten zu Hagley, Envil und Leasowes in England, dann der Calender für Gartenfreunde, nebst den zwey Bändchen der ausserordentlich mannigfaltigen Anlagen zu Hohenheim, und zwey mir aus Londen geschickte almanc oder Pocket Companion, mit den niedlichsten Kupfern von englischen Landhäusern, welche mir im Kleinen das Vergnügen wiederholen, welches ich bey Sandbys Bilder im Großen kostete. In diesen kleinen Calenderchen, lehrte ich meinen drey Enkelinnen den Werth des guten Geschmacks, und der Nettigkeit in allem; weil dadurch auch die geringste Sache große Vorzüge erhält. Dieses Jahr habe ich das Taschenbuch häuslicher Freuden damit verbunden, indem die Geschichte des Pfarrers von Mühlen, als Vorbild des wahren stillen Verdienstes darin erscheint, welches ich nie wieder aus dem Gesichte verlieren wollte. 〈…〉 Die letzten Bändchen dieses Fachs sind: D e r v o l l k o m m e n e M o n a t s g ä r t n e r, und d i e G a r t e n ö k o n o m i e f ü r F r a u e n z i m m e r, welche ich mit meinen drey Enkelinnen zu benutzen suche, damit sie nicht nur das Vergnügen der Spatziergänge, sondern auch den vielfachen Nutzen und die angenehme Beschäftigung der Gärtnerey kennen lernen. 〈…〉 L o i s i r s8 d e M a d a m e d e M a i n t e n o n haben meine Enkelinnen zu lieb, weil diese kluge Frau in schön geschriebenen Gesprächen von allen Verdiensten und Pflichten ihres Geschlechts richtige und angenehme Begriffe giebt. Beginn von Bs Freundschaft mit der fünf Jahre älteren Caroline von Günderrode. 12. März: Beginn des Zweiten Koalitionskrieges zwischen Frankreich und den Verbündeten England, Österreich und Rußland.
8
Les Loisirs
(Paris 1757).
L
Chronik und Stimmen der Umwelt
9./10. November (18. Brumaire): Napoleon stürzt das Direktorium, setzt eine neue Regierung, das Konsulat, und sich selbst als Ersten Konsul ein.
1800 12
Johann Konrad Friederich, Erinnerung
Peter Anton9 hatte gut zu spekuliren verstanden, und besonders ungeheure Summen durch Lieferungen gewonnen, und nebenbei nach und nach die Titel und Aemter eines Chur-Trierschen Raths, Geheimen Raths, accreditirten Residenten, und endlich Churfürstl. niederrheinischen Kreis-General-Einnehmers erhalten. Daß er sehr wohlhabend sei, glaubte man allgemein in Frankfurt, aber ein so großes Vermögen hatte doch Niemand vermuthet. Fast alle seine Kinder waren mit mehr oder weniger Genialität begabt, doch ganz besonders Clemens und Bettina, und da sie manche ungewöhnliche, wohl ans Excentrische gränzende Handlung begingen, so war es kein Wunder, daß man in einer so prosaisch-merkantilischen Handelsstadt wie Frankfurt, deren Kaufleute in der Regel wenig mehr als das Haben und Soll, und keine andere Bücher als ihre Handlungsbücher kennen, und wo jede edlere und erhabenere, nicht den erbärmlichen alltäglichen Egoismus berücksichtigende Handlung und Gesinnung, für Narrheit gilt, vollends wenn sie Genialität verräth, sagte: »alle Brentanos haben einen Sparren zuviel.« Am wenigsten konnten diese Schachergeister das Wesen der genialen Bettina begreifen und fassen, und wenn von ihr die Rede war, so hieß es immer nur: »deß is ä Narr« oder »ä S c h o t e*), die hot awer ä bös Schward (böses Maul), un mokirt sich iwer alles.« Daß Charaktere, wie Bettina, außerhalb der Fassungskraft des Janhagels aller Stände liegen, ist sehr natürlich, daß aber auch Menschen, die wissenschaftliche Bildung zu haben glaubten, namentlich Geistliche, so urtheilten, war auffallend; freilich kannten sie das etwas wilde Kind nicht näher und hörten nur von ihren sogenannten tollen Streichen sprechen. Die geistreiche Großmutter Laroche hatte das Wesen des Mädchens längst erkannt und es war ihre liebste Enkelin. 9
Brentano.
LI
Chronik und Stimmen der Umwelt
Bettina selbst rührte die Meinung, die man von ihr hatte, nicht im mindesten, sie lachte über die alberne Welt, und trieb es trotz allen Ermahnungen ihrer Geschwister nach wie vor, eben so wenig Eindruck machte es auf sie, wenn man ihr sagte, die Leute behaupteten, daß sie, um Aufsehen zu erregen oder sich wichtig zu machen, so handle, dies alles konnte ihr kaum ein mitleidiges Lächeln über die wirklichen Narren abzwingen. Ich hatte die seltene Erscheinung als ein Junge von 12–13 Jahren10 näher kennen gelernt, während sie mit zwei andern Schwestern, Lullu und Meline, bei ihrer Großmutter zu Offenbach wohnte, wo sich auch die Offenbacher schöne Welt, die Frankfurter nachäffend, gewaltig über sie aufhielt. Sie besuchte uns öfter, und meine Mutter sagte endlich doch: »ich weiß nicht, was die Leute wollen, das Mädchen ist so übel nicht.« – »Was nicht so übel?« fiel ihr mein Vater ins Wort, »das Mädchen ist ein Engel, wenn auch etwas dämonisch!« – Erst als ausgezeichnete und selbst fürstliche Personen Bettinens Umgang suchten und äußerst interessant fanden und sie sogar der Großherzog, Fürst Primas (Dalberg) an die Tafel gezogen, und ihren Geist erkannt, da sperrten die Frankfurter Batzenmenschen die Mäuler auf, bekamen Respekt, machten gewaltige Augen, und kamen, wenn auch etwas spät zur Erkenntniß, daß hinter dem vermeintlichen Narren, der sich über die alltäglichen Schnurrpfeifereien, Fratzenschneidereien und Complimentennarretheien so hinwegsetzte, doch etwas stecken müsse. Auch ihre Schwester Lulu〈!〉 war ein geistreiches, gescheidtes und sehr liebenswürdiges Mädchen, das sich indessen mehr in das baroke gesellschaftliche Weltleben zu schicken wußte; Meline, die jüngste dieser drei Schwestern, war auch die schönste, und zwar sehr schön, der aber der geringste Antheil an Verstand zugekommen war. Wenn diese drei Mädchen Sonntags unter dem Schutz einer Tante in die katholische Schloßkapelle zu Offenbach gingen, sah ihnen alles nach, ihre Anmuth und Grazie bewundernd. *) Lieblingsausdruck der Frankfurter für Leute, die nach ihrer Meinung nicht recht gescheidt sind, d. h. denen der Mammon und das goldne Kalb nicht über alles geht, und denen die gemeine merkantilische Pfiffigkeit fehlt.
10
Geboren 1789.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Georg Brentano an Sophie Brentano, Frankfurt, 4. Juni 1800
Die Kinder habe ich besucht, sie klagen immer sehr über Druk die Bettine aber ganz absonderlich, die Lulu weit weniger und Meline nicht nur gar nicht, sondern findet sich wohl und zufrieden, ohne Zweifel sind sie samt und sonders schlecht da wo sie sind, aber ganz schuldlos ist Bettine nicht, mehr Sanftmuth, weniger unnützige Repliquen, hätten viel, vielleicht alles vermieden. 11. Juli: Im Zweiten Koalitionskrieg kommt es in der Offenbacher Kanalstraße (später Kaiserstraße) zu einem Gefecht zwischen französischen Truppen und einem österreichisch-kurmainzischen Korps. – B erzählt später im Tagebuch zu Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde, sie habe einen verwundeten französischen Soldaten gerettet und von ihm ihren ersten Kuß bekommen. 12. Juli: Offenbach wird von den Franzosen besetzt. 15. Juli: Mit dem Waffenstillstand zu Parsdorf enden die kriegerischen Operationen um Offenbach, die Stadt wird jedoch durch Truppendurchzüge und Einquartierungen höherer französischer Offiziere belastet.
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Sophie von La Roche an Meline Brentano, Offenbach, 20. Juli 1800
Sage deinen Herren Brüdern viel Complimente von mir – grüße Bettina und sage daß ich Gott bitte, den Geist und den Caracter Eurer guten Mutter unter Euch Zu Theilen, adieu hertzlich von alt Großmutter Zwischen 7. und 10. August: Bruch der Beziehung zwischen Clemens Brentano und Sophie Mereau in Jena. Mitte August: Clemens und der Jurist Friedrich Carl von Savigny, der eine sächsische Studienreise beendet, treffen auf dessen Gut Trages (bei Hanau) ein, von wo Clemens nach Frankfurt weiterfährt.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Sophie von La Roche an Sophie Brentano, Offenbach, 5. August 1800
〈Clemens〉 s’enfermé avec Bettine qu’il imbibe de ses principes, je l’avoue, à mon grand chacrin.11 16
Kunigunde Brentano an Sophie Brentano, Frankfurt, 29./30. August 1800
Ich will dir nun den Charakter von den Kindern beschreiben wie ich sie hier angetroffen als ich zurück kam und 14 Tage mit ihnen verlebte, um daß du im voraus siehst, was du dir einst für eine Belohnung zu versprechen hast. Betine weil sie nicht gebildet worden und es nötiger hatte als jede andere, hat sich selbst verbildet. Betine hat den unerhörtesten Leichtsinn, alles wirkt schwerer und langsamer auf sie als auf andere. sie hat ungeachtet ihres Leichtsinns eine Art Festigkeit in ihrem Charakter, die sie von der hohen Meinung die sie von sich selbst hat, bekommen hat. Ich wurde eines Abends unangenehm überrascht als ich sehr spät schlafen gieng und sie in hellen Thränen fand, fragte ich um die Ursache [Hier mußte Gunda den Brief unterbrechen 〈…〉] … Fortzufahren wo ich gestern geblieben bin. das Resultat von dem Gespräch daß ich mit Betine hatte, war die Entdeckung daß sie schon ganz philosophische Begriffe über die Religion hat. Ihr Physisches ist schon so formiert, daß es einen interessanten Contrast mit ihrer unwissenheit darüber macht. Sie hat viel Temperament, und weint ganze Stunden lang, weil ihr etwas fehlt, das sie nicht zu nennen weis; sagte sie mir ganz naivement, dann küsse ich eine von den Schwestern recht herzlich, wenn ich kann, dann wird mir es wieder wohl. Wenn du nur bei mir wärest, oder jemand anders den ich lieb habe, da wäre mir es glaube ich viel besser. In diesem Ton sagte sie mir noch hundert Dinge, die mich rührten, weil sie selbst nicht wußte was sie sagte. Nun begreifst du wohl Sophie daß die Betine spät oder früh aufgeklärt über manche Dinge denken wird. merken dies die Brüder so wird es dir zur Last gelegt, das fühlst du wohl, also sind beinah unüberwindliche Hindernisse da …
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Übersetzung: 〈Clemens〉 hat sich mit Bettine zusammengetan, die er mit seinen Gedanken ganz erfüllt, sehr zu meinem Leidwesen, ich gestehe es.
LIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
19./20. September: Bs Schwester Sophie stirbt nachts in Oßmannstedt (bei Weimar) auf dem Gut ihres väterlichen Verehrers Christoph Martin Wieland.
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Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, vmtl. Ende September/Anfang Oktober 1800
Lernen sie sie kennen, sie werden sie lieben, sie sind ihrer allein wehrt, und sie ihrer, Savigny schlagen sie ihr Glük nicht aus den Augen, ich bitte sie. Es ist ein Mädchen von Gott gesandt, schüzzen sie die heilige Pflanze. 18
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 26. Oktober 1800
Savigny, ich komme auf jemanden zurük, der mir lieber als Alles ist, in dessen Freiheit und Glück, meine Freiheit einen Ast hoch gen Himmel heben wird. In der sie eine Welt der Schönheit, Freude, und Andacht entwiklen könnten, und der Liebe. O ich bin nicht unintereßirt in ihrem Glück und dem meiner Schwester Bettine. Ich werde aufleben und glüklich sein, wenn ich ein Band geknüpft hätte, daß ich mit mir knüpfen mögte, um die Ewigkeit, und die Liebe zu fangen. Oktober: B wird in Frankfurt mit Savigny bekannt. Er beteiligt sich mit den Brüdern Clemens und Christian an ihrer Bildung und bleibt ihr als Mentor und Freund verbunden.
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Caroline von Günderrode an Kunigunde Brentano, Frankfurt, Winter 1800/01
Deine Schwester Bettina hat soviel ich weis die Genoveva von Tieck. Ich bitte daß sie mir solche auf kurze Zeit giebt. Küsse Bettina von mir, ich wollte es lieber selbst thun, als Dir auftragen.
LV
Chronik und Stimmen der Umwelt
1801 Etwa Mitte Januar: Der erste Band von Brentanos Roman
Godwi oder das steinerne Bild der Mutter. Ein verwilderter Roman von Maria
erscheint pseudonym im Verlag von Friedrich Wilmans in Bremen. Er enthält in einem Brief des Jugendfreundes Römer an Godwi eine indirekte Charakteristik Bs, ihre früheste Literarisierung.
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Brief Römers im ersten Band von Brentanos
Godwi
Ich habe dir versprochen, die Leute zu malen, mit denen ich umgehe; ich will es, aber es ist schwer. Sie sind alle äußerst verschieden, haben alle einen einzigen auffallenden Zug von Aehnlichkeit, sind alle sehr originell, und doch alle abgeschliffen. Ich möchte die Familie einem Bilde in Mosaik vergleichen, lauter verschiedne Steine, alle glatt auf einer Seite geschliffen, mit vielem Lapis Lazuli drinne, bringen ein kunstreiches, kuriöses, doch nicht ganz geschmackvolles Ganze heraus. – 〈…〉 So geht es hier mit allem, man fängt alles an, aber jedes Bild verliert sich in Schnörkel, und wahrlich, diese Weiber haben alle etwas vom Sirenenwesen, das sich in einen Fischschwanz auflöst. 〈…〉 Aber da sitzt noch so eine Rabenschwarze in dem Winkelchen, es dämmert schon in der Stube, und ich hätte sie übersehen, mit ihren Locken der Nacht, wenn ihre schönen Augen nicht leuchteten, und milde, schöne Blicke aus ihnen stiegen, wie Stralen zweier einsamen Sterne am Himmel. Kannst du dir ein Mädchen denken, mit allen Zeichen der Gluth, die sanft und stille ist, ein schöner Busen so sittlich verhüllt, daß sich jeder umsonst bemühen wird, irgend den Zwiespalt – in ihrer Brust zu erkennen?
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Jakob Friedrich von Leonhardi an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, vmtl. erste Hälfte Januar 1801
Man sagt: du heiratest die Bettine – Schwarz meint C.12 machte Plane auf dich u hatte zu viel Gewalt über dich, du sollst Bet heiraten u eine Reise mit ihm machen, gar unrecht mag er nicht haben, Cl ist Gott u Mensch, nur kein Gottmensch. – Ich bin dir so recht gut, u dein Geschik liegt mir sehr am Herzen; mit dem heyraten sey vorsichtig, ich glaube: daß die B keine Frau fur dich ist; ich kenne nur 2 Weiber mit welchen man vernünftig reden kann, das ist die Claudine u Caroline13; ich wollte du redetest mit einer oder beiden über die Betine, wenn du weiter denkst als aufs blose kennen – ich bin der B gut u bete sie oft an, aber sie hat grose Fehler, u sie redet mir nie ein wahres Wort! das ist gewiß! / Lebe wohl, liebe mich, gruse den Gott C. 22
Carl Friedrich von Mülmann an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, vmtl. erste Hälfte Januar 1801
Wir alle sind doch gewißermaßen unglücklich. Mit uns ist ein Heimweh nach dem eigentlichen Vaterland gebohren, und der Weg und Wanderstab ist verlohren – Wir irren auf Nebenwegen zu oft, und vertrauen jedem Lichte. 23
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, vmtl. zwischen 5. und Mitte Januar
Ich war recht glüklich hier um Weinachten, meine kleine Schwestern waren hier, es sind vortrefliche Weßen, denen es Gott nach Wunsch möge ergehen laßen. Eine, die mich liebt, und mir allein im Leben eine erwiedertes Begehren unter den Menschen finden läßt, beschehrte mir eine Brieftasche, worauf sie einen Eichbaum gestikt hatte, an den sich ein schild mit ihrem Nahmen lehnt,. Um die Eiche stehn die Worte, qui S’apuie a un bon arbre, a bonne ombre14. Auch ward mir noch eine 12 13 14
Clemens. Claudine Piautaz und Caroline von Günderrode,. Übersetzung: Wer sich an einen guten Baum lehnt, hat guten Schatten.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
Freude, meine Schwesterchen um ringten mich lezthin in Offenbach, und sagten mir die älteste habe ein schönes Gebet gemacht, die älteste wollte es nicht zeichen, endlich gab sie es mir heim^lich, wenn es dir Freude macht so nimm es mit, sagte sie, ich bete es immer, um für dich zu beten, denn du wirst gewiß sorgen, daß es mir wohlgehe im Leben, und ich will auch alles anwenden, daß du oft froh wirst durch mich, das Gebet hat mich sehr gefreut, um so mehr da dies Mädchen nie etwas laß. 9. Februar: Der Frieden von Lunéville bestätigt den Vertrag von Campo Formio und wird auch vom Kaiser im Namen des Deutschen Reiches unterzeichnet.
24
Erinnerung Henry Crabb Robinsons, etwa Februar-Juni 1801
When I first came to Frankfort she was a short, stout, romping girl, the youngest and least agreeable of Madame de la Roche’s grandchildren. She was always considered a wayward, unmanageable creature. I recollect seeing her climb apple-trees, and she was a great rattling talker. I recollect also hearing her speak in terms of extravagant admiration of the Mignon of Goethe’s »Wilhelm Meister.« Clasping her hands over her bosom, she said, »I always lie thus when in bed, in imitation of Mignon.«15 25
Jakob Friedrich von Leonhardi an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, zweite Hälfte März 1801
Gewiß ist, daß B16 dich verkuppeln will. – So weit ich Bettine kenne, wird sie ein Weib mit allen Tugenden u Fehlern der Brent Weiber, nur
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Übersetzung (Eitner 1871, S. 288): Als ich das erstemal nach Frankfurt kam, war sie ein kurzes untersetztes wildes Mädchen, die jüngste und am wenigsten angenehme Enkelin der Frau v. Laroche. Sie wurde stets als ein grillenhaftes unbehandelbares Geschöpf angesehen. Ich erinnere mich, daß sie auf Apfelbäumen herumkletterte und eine gewaltige Schwätzerin war; desgleichen auch, daß sie in überschwänglichen Ausdrücken ihre Bewunderung der Mignon in »Wilhelm Meister« aussprach. Indem sie ihre Hände gegen ihre Brust drückte, sagte sie: »So liege ich immer zu Bett, um Mignon nachzuahmen.« Brentano.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
alles in einem höheren Grad; sie liebt den Clemens, u wird aus Liebe zu ihm, dir ihre Hand reichen; ich sage dir als Freund, daß sie kein Weib für dich ist, daß ich überhpt zweifle, ob sie je das Glück eines Mannes machen könne; du stehest ganz allein in der Welt, ich bitte dich um Gottes Willen, sehe mit eigenen Augen, u lasse dich nicht bereden. 26
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Göttingen, vmtl. 18. Mai 1801
das Herrlichste und Traurigste in meinem Leben bleibt doch Betine, wie bin ich so reich und so elend in dießer Liebe, o Savigny sie können ja helfen – 27
Sophie von La Roche an Clemens Brentano, Offenbach, 19. Juni 1801
Nun komme ich aber mit einer bitte – deiner Groß mutter zu sagen – ob du wirklich deinen Schwestern Bettina u Luiße – aus Philosophischen gründen die gleichgültigkeit gegen ordnung – fleiß, u anständiges betragen gegeben hast – hältst du wirklich dafür daß Sanftmut – güte, und feine Sitten, bey einer aufblühenden Person – einen mangel deß verstandes zeigt – und daß die bande der verwandschaft nichts sind – wenn wirklich alle bücher welche ich mit deinen Schwestern laaß – und die vorstellungen daß kleine Frauentzimmer – sich in ihrem gang u betzeugen den Gratzien nähern sollen – weil dieße auch klein waren – war dieses verwerflich? Hinderte es den Gang deß Genies Madame Mereau wurde durch ihren liebenswürdigen anstand nicht gehindert, schöne gedichte zu machen, und Kentnisse zu samlen – hinderte es deine Liebenswürdige Mutter? im gegentheil es zog ihr bey dem ersten blik achtung und aufmerksamkeit zu – verdinet ihr andenken die theilnahme u verehrung aller Menschen von Geist und gefühl nicht – daß ihren töchtern gesagt werde folgt dem beyspiel Eurer Mutter? Lieber Clemens! Was stützte deine Mutter in so vielfachem Leiden als moralische grundsätze – u die Hochachtung aller Menschen die sie Kannten – hatte sie unrecht deine Mutter? Hätten deine Schwestern unrecht ihrem vorbild zu folgen? Habe ich unrecht es zu wünschen – es mit liebe, und Sanftmuth zu sagen ist es unrecht – wenn mich LIX
Chronik und Stimmen der Umwelt
schmertzt – daß Kinder von ihr, die höchste gleichgültigkeit gegen ihr andenken u den wiederwillen gegen ähnlichkeit mit ihr haben – 6. September: B, die Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96) liest, findet in Mignon eine Identifikations- und Imitationsfigur, die für ihr weiteres Leben bestimmend bleibt. Ihre Goethe-Begeisterung steht im Gegensatz zu dem Goethe-Verhältnis ihrer Umwelt. – In einem Brief an Karl Hartwig Gregor von Meusebach vom 25. Juli 1835 erinnert sie sich: Wilhelm Meister und Werther waren keine
Bücher die ihn bei meiner Groszmutter empfahlen, die ihre eignen Romane für viel geeigneter hielt uns die Pforten des Lebens zu öffnen als jene 〈…〉 – und die Erkenntnisz dass er in Büchern seinen Weg zu meinem Herzen gemacht hatte war eine feierliche Epoche meines Lebens.17
28
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 8. September 1801
Vorgestern war ein sehr trüber Tag in meinem Leben, so unmutig war ich lange nicht 〈…〉 nach her raffte ich mich auf, und schlich nach Offenbach, ich fand die 16jahrige Betine, die 15Jahrige Louise auf einem Strohsake sizzen, und die 14Jahrige Meline spielte ihnen unter mancherlei Verkleidungen Comoedie, als in großer Verborgenheit vor den Erzieherinnen, das Parter aüßerte sehr demokratische Gesinnungen, und auch das Schauspiel athmete Freiheit – die muntern herrlichen Mädchen versezzten mich in eine Stille Rührung, aber ihr Schauspiel hörte bald auf, denn Betine versicherte bei meiner Ankunft im Staat höre alle Langeweile und daher alle Bildungs und BesserungsAnstalt auf (ein großes Wort) 〈…〉 Betine war mit den beiden andern einige Tage hier, und ich habe dieß Mädchen wie es sein soll recht begriffen, und bin dabei auch in mir aufs Reine gekommen, nehmlich, daß ich dies Mädchen wie es sein soll nicht mehr so heftig liebe, wie vorher, daß ich sie recht brüderlich liebe – 〈…〉 Ich habe bisher die Betine für eine Mignon gehalten, wel-
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Wendeler 1880, S. 401 f.
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cher der kalte Weltkrampf die Lippen nicht verschloß, und die ausspricht woran Mignon stirbt – aber ich halte sie nun nicht mehr für einseitige überfließende Individualität, für zu viel von 〈〈xx〉〉nem, sondern sie ist wie der volle runde gesunde Gottes Mensch vor mich getreten, sie ist mir ein gewöhnliches Mädchen geworden, das einzige, das ich kenne, denn sie werden wohl wissen, daß alle unßre Frauenzimmer außerordentlich sind, außer der Ordnung, extra ordinaire 〈…〉 Betine ist also das einzige gewöhnliche Geschöpf das ich kenne, so wie sie der einzige gewöhnliche Mann sind, denn ich kenne, und ich ringe nach euch, Gott! Ich bin Prometheus, bei Betinen geworden, ohne es zu wissen, die gestohlne Flamme, der bloße Mignon, hat Urtheil, kaltes ruhiges Urtheil bekommen, – Erde – warlich sie ist ein Liebes stilles freundliches geistreiches ruhiges, Weib geworden, voll Sinn für Haüßlichkeit, und das Einfach schöne, und gute. – Die wilde Flamme ist zur göttlichen Wärme des Lebens geworden – Savigny, wo ist Deukalion zu dieser Pyrrha, o werfet Steine hinter euch! – Sie hat neben mir sizzend den Wilhelm Meister18 mit Ruhe und inniger Freude geleßen, wie sie leben wird, wenn ein guter Mensch an ihre Seite tritt – ich kenne nur einen gewohnlichen 〈…〉 Ein mahl legte sie das Buch nieder, und sagte: du hast mir vor dem Jahre gesagt Savigny habe solche Freude an dem Buche, es ist wunderlich es ist mir als wäre er drinn und ich sehe ihn doch nirgends – dann besann sie sich, und sagte da habe ich ihn, und auch den Schwarz, und auch dich ihr seid alle drei drinn – ich wollte es nicht glauben – dem Schwarz hat sie nie gesehen – hören sie hat doch recht – sie sagte. Im Wilhelm Meister ist der Savigny wie Ueberhaubt das un wandelbare – Berg und Thal und Fluß, Meer, blauer Himmel, der Schwarz. Grüner Wald, auch guter freundlicher Leute Garten, ja sogar schöner Kopfsalat, und das Butterbrod, das Felix ißt Und du oder Clemens ist. das Wetter – von dem man nicht sprechen soll, um nicht läppisch über eine Sache von Wichtigkeit zu reden. (Ich setze hinzu – Bang ist das Ganze, ehe der Mensch geboren ward) Wie gefällt ihnen das Savigny! Das ohne alle Pretension von einem sechszehnjährigen Mädchen, die mit einem durch die Welt zu Fuß lau-
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Goethes Roman (1795/96).
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Chronik und Stimmen der Umwelt
fen würde, die biß jezt nur noch die sogenannten gemeinen Leute liebte, die gern arbeitet, und kindisch ist, und reinlich und geschmackvoll – ohne den stinkenden haut gout, die keine Parfumerie leiden kann, und sicher all Ihren Freunden sogar dem Wilden Bang einen Kuß gäbe, wenn es das Herz und der Ort forderte ohne sich zu verwundern, und entsezzen 〈…〉 Einige Tage eher Betine den Meister laß, war sie hier im Getümmel der Welt herumgejagt worden, hatte sich und mich mit meiner erbärmlichen Familie, mit dießen außerordentlichen Menschen gesehen, Sie kam Abends aus der Komoedie, zu mir, wo ich allein saß, sie ward so froh, so gerührt, fiel mir um den Hals und weinte herzlich – Bald drauf lachte sie und war wieder recht kindisch munter, sie lachte über ihre Trähnen, sie sagte, das Weinen wäre sei so zweideutig, aber es wäre doch nichts, als ein zarteres Lachen, oder ein kränkliches Lachen, auch versicherte sie mich, daß es bei ihr immer das erste sein solle. Da sie hierauf mit der Mignon bekannt wurde, sagte sie, es ist mir lieb, daß ich lezthin das noch nicht wuste, ich hätte sonst selbst gefürchtet, Mignon nachgemacht zu haben, als ich weinte, Mignons weinen kommt ihr vor, wie eine Stimme ohne Lunge, das heist, ihre Trähnen sind die Freude über die dinge die nicht da sind für sie, sie ist ins Kraut geschoßen - . Meister überhaupt ist ihr weder Intressant noch das Gegentheil, sie meinte, es sei hier alles so, wie es wäre und sein müßte, und sie befinde sich mitten drinn, waß der gesunde Mensch in der Welt müße, und wobei es ihr sehr wohl sein würde, sie denkt im Meister wenig einzelnes, sie findet sich nur lebendig, und haußt und wohnt in dieser Welt. - . Ich habe mit Betinen von jeher wenig oder gar nichts von mir und meinen Freunden, noch meinem Leben gesagt, ich habe sie nur in sich selbst, durch meine Liebe erhalten, so ist sie dann in die Höhe gekommen, zur Selbständigkeit ohne Karakter, das heist Gesundheit. – Sie können nicht glauben, wie wohl mir es thut, lieber, daß dießes Romantische Geschöpf, zum guten brauchbaren Mädchen ward, vielleicht werde ich auch bald ganz gesund, obschon meine eigne Krankheit ärger ist als je. – ich glaube daß es eine Krise ist, so viel habe ich gesiegt, ich beobachte meine Krankheit, und schlage meinem Mismuth aufs Maul, wenn er sprechen will. Als ich also lezthin in Offenbach war, war Betine so froh über mich, daß sie mir etwas schenken mußte, – waß sie schon lange geschrieben hatte, sie schämte sich dabei, und küßte mich, ich wußte nicht, waß es LXII
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war, aber lieber Savigny – es ist eine Karakteristick von Ihnen19, mit einem rührenden weissagenden Feuer geschrieben, und mit einer unendlichen Wahrheit, und Tiefe, und Liebe, ich habe S i e aus dießer Karakteristick erst kennen gelernt, Betine kennt Sie besser als ich – Erste Hälfte November: Der zweite Band von Brentanos Roman
Godwi oder das steinerne Bild der Mutter. Ein verwilderter Roman von Maria erscheint wie der erste pseudonym im Verlag von Friedrich Wilmans in Bremen. Vorangestellt ist eine Widmung An B., womit nur vordergründig B gemeint ist, hintergründig jedoch eine unabhängige Dedikazion (so der Untertitel) an eine idealtypische Geliebte wie die Dante’sche Dichtermuse Beatrice.
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An B. / unabhängige Dedikazion des zweiten Bandes von Brentanos Godwi
〈…〉 Wenn dein holdes Bild vor mich tritt, meine Liebe, so ist mir, als harrtest du meiner dort, als wohntest du in jenen glänzenden Städten, sie wären deine Heimath, du sehntest dich nicht heraus; wie eine schöne wunderbare Blume bewachte dich der Genius der heiligen Fremde und verehrte dich in geheimnißreichem Gottesdienste. 〈…〉 Wohl mir, meine Liebe, daß ich 〈…〉 noch lieben kann, und fühlen im Ganzen, ein volles Leben mit vollem Herzen umarmen, und daß jedes einzelne getrennt vom schönen Körper, und zergliedert, mich wie todt zurückschreckt. – Erschafft mich die Welt, oder ich sie? – die Frage sey die älteste und verliere sich in die dunklen Zeiten meines Lebens, wo keine Liebe war, und die Kunst von dem Bedürfnisse hervorgerufen ward. – Du bist meine Welt, und du sollst mich erschaffen, o bewege dich, öffne mir die Augen, oder sieh nach deinen Lieblingen den Blumen. Ab Mitte November: Die französische Abenteurerin Louise de Gachet, die mit dem Physiker Johann Wilhelm Ritter, Brentanos Jenaer Bekanntem, ein Verhältnis hat, verkehrt bei Sophie von La Roche. 19
Vgl. Nr. A.4.A.
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Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, erste Hälfte letztes Drittel November 1801
Betine leidet mit ruhiger Seelengröße fort, ihre Lage wird täglich gemeiner, und sie der Liebe und Hülfe stets würdiger, ich kann ihr nichts geben, keiner kann ihr etwas geben, der sie nicht befreit. 〈…〉 Gestern war ich in Ofenbach, wo ich Mad. de Gachet fand, Ritters Geliebte, ein Weib so groß wie Ritter an unschuldigem Geist, so reizzend wie Pompadour und herrschend wie Cattarina, und begeistert wie Jeanne d’arc, nicht die von Schiller, und lieblicher als Mereau, heute sah ich sie in der Stadt, sie ist eine Französinn, und höher als die deutsche Bildung, die Zurükgekehrte Philosophie, Betine soll ihre Freundinn werden 〈…〉 31
Louise de Gachet an Clemens Brentano, Frankfurt, 28. November 1801
hier je fus prés la grande mere vous savez le pourqu’oi. il fallait voir la petite fille! alors je pouvais la nommer ainsi. je la vis et pris des précautions pour m’acquiter de ma mission. Sa surprise nous livra aux regarde de L’Epervier20 de mauvaise augure pour nous tout aussi bien que pour les Egyptiens la dame me parler avec l’yronnie la plus marquée des sixtemes de la Celeste B – javais si peu accordé a celle Grande fille que lon nomme Mad quil me fut facile de lui vouer moins encore. je tremble qu’il m’eut été fait par cette regarde des qu’estions a la Celeste qu’il m’eut été bien précieux d’entretenir où plus encore de Comprendre! ce Bienfait me fut ravis! je suis bien déterminée de retourner a la charge malgre ce redoutable Epervier dont il vous eut été si facile de me garantir. sur la grande mere vos remarques m’ont mises en garde. mais par quel fatale discretion ne mavez vous pas prevenue sur le compte de la fille, de cet annimal qui me fatigue! même par le souvenir! Malheureuse! et Celeste B! pour un mot qu’elle trouver le moien de glacer, comme cette Tante la piqua B. B. je l’appelle helas! peut etre pence telle entendre le son de ma voix qui lui exprime le sens qui je lui consacre oui je puisse un Bonheur inéfable dans l’amour que vous lui offres de tous les lieux du monde elle vous occupe tout
20
Luise Möhn.
LXIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
à elle vous n’appartenes plus à la terre aux Cieux je vous contemple dans bet --- je dois vous retrouver et sur ses traits je crois vous avoir vu.21 1802 32
Franz Brentano an Clemens Brentano, Frankfurt, 10. Februar 1802
Bettine kann guth werden, wenn sie einfach und natürlich bleibt, u. nicht eigene Länder entdecken will, wo keine weibliche Glückseligkeit zu finden ist … sobald’s sein kann, nimmt sie Tony22 … zu sich, u. theilt ihre Zeit in Besorgung des Hausswesens … u. weiblicher Arbeit, dieses ist ein jezigs alter Balsam für Bettine … Und Du, lieber Clemens, verfolge einen soliden Endzweck, und wende Deine Jugendzeit guth an, sie kommt nie wieder, sorge dass Du einst auch ohne Vermögen ordentlich leben kannst … Vmtl. erstes Drittel Mai: Arnims kleiner Roman Hollin’s Liebeleben, sein poetischer Erstling, erscheint im Verlag von Heinrich Dieterich in Göttingen. Zwischen 1. und 7. Juni: Erste Begegnung Bs mit Arnim, der sich nach seinen Universitätsstudien in Halle und Göttingen, wo er Freundschaft 21
22
Übersetzung (Renate Moering): Gestern war ich bei der Großmutter, Sie wissen warum. Ich sollte die Enkelin sehen! Nun konnte ich sie so nennen. Ich sah sie und traf Vorsichtsmaßnahmen, um mich meiner Mission zu entledigen. Ihre Überraschung lieferte uns den Blicken des Sperbers aus, ein Unglücksbote für uns ebenso wie für die Ägypter. Die Dame sprach zu mir mit der schärfsten Ironie über die Systeme der göttlichen B – ich stimmte so wenig mit diesem großen Mädchen, das man »gnädige Frau« nennt, überein, daß es mir leicht wurde, mich ihr weniger zu widmen. Ich zittere davor, daß dieser Blick nicht dazu führt, daß man der Göttlichen Fragen stellte, die ich gern gehört und noch lieber verstanden hätte! Diese Wohltat wurde mir geraubt! Ich bin fest entschlossen, die Aufgabe erneut zu übernehmen trotz des schrecklichen Sperbers, vor dem Sie mich so leicht hätten schützen können. In bezug auf die Großmutter haben mich Ihre Bemerkungen wachsam gemacht. Aber auf Grund welcher fatalen Diskretion haben Sie mich – auf Kosten des Mädchens – nicht vor diesem Tier gewarnt! das mich noch in der Erinnerung belästigt! Unglückliche! und göttliche B! wegen eines Wortes, das sie erstarren ließ, als die Tante stichelte. B. B., so nenne ich sie, ach! denkt vielleicht an den Klang meiner Stimme, die ihr die Gedanken ausdrückt, die ich ihr weihe. Ja, ich schöpfe ein unaussprechliches Glück aus der Liebe, die Sie ihr darbringen an allen Orten der Welt. Sie beschäftigt Sie ganz, ihr gehören Sie mehr an als der Erde und dem Himmel, ich betrachte Sie in Bet ---, ich muß Sie wiederfinden, und in ihren Gesichtszügen glaube ich Sie gesehen zu haben. Franz’ Frau Antonia.
LXV
Chronik und Stimmen der Umwelt
mit Clemens schloß, auf einer fast dreijährigen Bildungsreise befindet und eine Woche in Frankfurt und Offenbach bleibt, bevor er mit dem Freund eine Rheinfahrt beginnt. Etwa 21./22. Juni: Arnim kehrt nach Frankfurt zurück und nimmt Abschied von B. Er reist zunächst in die Schweiz und nach Genf, dann (1803/04) nach Frankreich (Paris), England (London) und Schottland weiter.
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Ludwig Achim von Arnim an Louise von Schlitz, Zürich( ? ), vmtl. zwischen Anfang und Mitte Juli 1802 (Exzerpt)
Das Hauß der fiel jedem durch seine fremde Architectur auf, die nähere Bekanntschaft machte dieses Fremdartige deutliger und anziehender. Der Vater ein Südländer nach seiner ganzen Geistesrichtung, sehr klug für sich, sehr sinnlich für sich und nur dadurch, weil die Natur doch endlich alles in seinem Wirken zur Schönheit bringt, oft auf andre wirksam, was war natürliger als daß er ein ausgezeichneter Kauffmann und geizig werden muste. Die Mutter ganz Deutsche unendlich liebevoll über alles Umgebende ausströmend und dadurch vielmehr als der Vater zu sich hinziehend, mehr für sich als für andre geschaffen. Vater und Mutter einen höchsten Gegensatz den Magnet mit dem brennenden Feuer aufzuheben gesucht, wer jedes von beyden sey brauche ich nicht zu sagen, daß sie selbst immer mehr oder weniger getrennt waren, daß der liebevolle Magnet immer schwächer endlich sich früher verzehren muste versteht sich, die Verbindung beyder Gegensätze geschah erst in den Kindern, daher das ihnen ganz Eigenthümlige. Dies Zerstörende des Vaterfeuers, es drückt sich bey ihrer Entfernung vom thätigen Leben als Witz aus, im thätigen Leben durch ausgezeichnete Hingebung und Aufopferung in ihrem Gewerbe. Dabey das Anziehende ihres Muttermagnetes, welcher aus der Entfernung schon durch die unendlige Erregbarkeit seines Gefühls jedes Eisenkörnchen zu sich hinzieht dieses bestimmt ihre verschiedenen Eigenthümlichkeiten. Sie selbst sind eigentlich durch ihren Magnetismus in Streit, indem die gleichnamigen Pole zu oft an einander kommen und die ganzen Magnete in scheinbarer Abstossung sich von einander entfernen So wie sich der Gegensatz zwischen ihren Aeltern mit den Jahren abstumpfen muste, so wurde er auch in den Kindern immer weniger sichtbar, doch scheint hier durch die allgemeinen periodiLXVI
Chronik und Stimmen der Umwelt
schen Abänderungen des Magnetismus eine sichtbare Folge verhindert zu seyn. Einer von ihnen23, wo keins der beyden Principe siegen konnte ist völlig blödsinnig geworden. In Maria24 regiert das Feuer den Magneten ursprünglich, aber der Magnet hat seine Kraft durch das Anhangen von Eisen so vermehrt, daß das Feuer verhindert wird die selbstsüchtige Richtung auf einen Punkt zu nehmen, es strömt nach zwey Polen als Kunstkritik und Freundschaftsstreit aus, der von manchen so wie er selbst verkannt wird, ich nenne ihn deswegen Tannenbrand, denn bey der Tanne geht auch das Feuer gerade gen Himmel und auf der Erde riecht es übel nach Harz und Rauch, den meisten beist der Rauch in den Augen, sie gehen fort und sagen alles Böse von dem Dunkel in ihm, wer aber hindurchdringt ist freundlich erwärmt und erleuchtet. Die älteste Schwester Sophie hatte ihr Feuer keiner andern Kunst als der gesellschaftligen gewidmet, die Gesellschaft hatte ihr nicht gegnügt wenn sie auch den andern gegnügt hatte, ihr Feuer schwebte grenzenlos in das Unbestimmte und ihr Magnet fand kein Eisen, sie starb im Wahnsinn. Ihre nächste Schwester Kunigunde ist die ruhigste von allen, sie lebt auch für Gesellschaft ohne sich darin zu verlieren, der Magnet ist zwar in seinem Wirkungskreise durch seinen Kampf mit dem Feuer beschränkt, aber dadurch zu der Regelmässigkeit einer Magnetnadel gelangt, die nur bey Erdbeben schwankt, sonst aber zur Belehrung der übrigen in bestimmter Richtung bleibt. Was ich von ihrer jüngeren der Lieblingsschwester Maria’s von Bettinen sagen soll, kann ich nur aus der Theorie schliessen, sie hat zu viel Wunderbares um anders aufgefasst zu werden. Der Widerspruch zwischen Feuer und Magnetismus ist nur unter der Voraussetzung daß beyde einzeln vorhanden sind, aber gehn wir tiefer in die Natur, so findet es sich daß beyde wiederum durch einen Gegensatz gebildet werden, wenn also in ihrer erneuten Verbindung dieser Urgegensatz sich gegenseitig löst, so entsteht ein Magnetismus höherer Art, der für sich selbst sehr natürlich, der mit unendliger Klarheit alles Aeussere, das ihn berührt wie jeder sein Thun in der fernen Vergangenheit betrachten kann, aber jedem andern undurchdringlich wird. Sie sieht mit klarem Auge durch den Feuer^dampf ihres Bruders und liebt ihn einzig. 〈…〉
23 24
Anton. Clemens.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Ludwig Achim von Arnim an Clemens Brentano, Bern, vmtl. Beginn des zweiten Drittels August 1802
Und nun siehe Bettinen dagegen mit ihrer Klarheit durch sich selbst, sie kennt jede wechselnde Empfindung in sich und ihr Nachdenken ist ein Sinnen über sich, sie kann ewig nur durch sich froh werden und traurig, die ganze Richtung unsrer Kräfte treibt entgegengesetzt, ihre Nähe ergreift mit einer Trauer darüber, daß jeder Augenblick uns weiter entfernt 〈…〉 Bettinen muß dabey die Zeit nicht vergehen, dafür müssen wir beyde sorgen die wir ihr gut sind, darum müssen wir froh seyn daß Bettine mich nicht liebt, aber ich muß jubeln daß sie mir gut ist, denn siehe ich bin die Zeit die wenigen recht ist, wenn sie ist, und von manchem zurückgewünscht wird, wenn sie vergangen. Das höhere Gemüth unterscheidet sich vom niederen daß eben das Höchste von diesem ihm das Niederste wird; es hat jenes in sich aber noch mehr, was andern Mädchen schon hohe Liebe wäre ist für Bettinen Freundschaft, ihre Liebe aber muß etwas werden, wovon kein andres Mädchen etwas ahndet. 35
Stephan August Winkelmann an Friedrich Carl von Savigny, Würzburg, 5. September 1802
– daß wir uns in Frankfurt treffen begehre ich 〈…〉 weil nach dem, was mir Gunda gesagt hat, Bettine zu den schönsten Knospen gehört – nach dem aber, was sonst das Gespräch in der Familie gab, sehr vieles nicht in, aber an Bettinen ist, was nicht seyn soll und ihr zartes Daseyn in Gefahr sezt. Daß ich nicht vergesse! Sage Clemens Folgendes, aber nicht geradezu. Ein Bekannter von Offenbach, Harbaur, erzählt mir hier, Bettine ließt einem Mädchen, die ihr sticken lehrt, die Briefe vor, welche sie von Clemens bekömmt u. an ihn schreibt. Sie soll das nicht thun, denn das Mädchen schwezt davon – 36
Ludwig Achim von Arnim an Clemens Brentano, Genf, 22. September 1802 (Briefteil)
〈…〉 so glaube ich auch, daß du das Sehnen Deiner Schwester verkennst, – es steigt zur Kunst und nur in dieser Thätigkeit wird sie Ruhe finden. Aber welche Art der Darstellung und des Schaffens? Das wirst LXVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
Du besser wissen, ich glaube aber in Worten als Gesang, Musick Zeichnen. Richte die unruhige Ruhe ihrer Kräfte zu einer bestimmten Thätigkeit, setze ihr kein andres Ziel als Dir Vergnügen zu machen, die eigenthümlige Richtung ihrer Kräfte wird sich dadurch bald zeigen wie man die Abweichung der Magnetnadel an der Entfernung von der Mittags^linie sieht, die man ihr gezogen. Kritisire ihre Arbeiten nicht, wenn Du auch Fehler bemerkest es sey denn in dem was blos mechanisch ist Die Sprache wie jedes andre Werkzeug der Kunst wird zu viel gemißbraucht im Leben als daß man gleich den Gebrauch rein auffassen könnte, um Kritik benutzen zu können wird sie bald reif werden und dann wende den Tadel mehr gegen das Einzelne als gegen das Allgemeine den guten Rath mehr auf das Allgemeine als auf das Einzelne, denn dieses ist immer nur Produkt von jenem. 37
Charlotte von Kalb an Friedrich Schiller, Homburg v. d. H., 28. September 1802
In Offenbach besuchte ich die Alt Mutter LaRoche. Sie ist gekleidet in den Nacht Nebel des 18 Jhunderts –; und Betina Brentano die Erstgeburth des 19t Stand und lag neben ihr in der gröbsten Naivität des 19ten. Sie könte eben so anmutig mit Ihren schönen Kopf sein als Sie meist unerträglich ist! Man muß sie sehen. N i c h t S i e – Ihnen wäre es wohl etwas fatal. Göthe dem sie sagen läßt Sie war in ihn Entbrannt wie Mignon. Bruder Clemens der ihr Held ist, läßt jetzo Mährchen von ihr druken.25 38
Stephan August Winkelmann an Johann Heinrich Christian Bang, Göttingen, 5. Oktober 1802
Von der Gunda versteht ihr nun einmal nichts, und es wäre vielleicht, um sich einen Begriff von jemand zu machen, besser gar nichts als durch Clemens zu wissen. Wer gesagt, ich sei vor der Bettina geflohen, hat meine Abneigung zu stark ausgedrückt: ich wußte nicht, ob ich zu ihrem Irrthum lachen oder weinen, ihr göttlich Wesen anbeten, oder 25
Eine frühe Märchenveröffentlichung Bs ist nicht erschienen.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
ihre Einbildungen verspotten sollte, darum pflegte ich zu gehen. Sie ist sein Triumph; aber ich möchte lieber mich tödten als eine so schöne Seele gefangen halten. Ich bin bewegt, wenn ich daran denke. Das ist nicht Galle, es ist Blut aus der tiefsten Wunde, welche das Leben mir gegeben. Tritt aber Luft oder Wind an die Wunden des Herzens, so ist der Tod gewiß. 39
Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Frankfurt, 7./8. Oktober 1802
Betine fällt mir um den Hals, ich lese ihr deinen Brief vor, sie ist sehr lustig, will die lezte Seite, die Kunstlehre deines Briefs abschreiben nur immer statt Betine Arnim sezzen und dir sagen, sie habe große Hochachtung vor dir, sie kommt gleich wieder herein, und schreibt dir. 40
Stephan August Winkelmann an Friedrich Carl von Savigny, Würzburg, 14. oder 21. Oktober 1802
Dann Bettine. Gunda und des Mädchens Augen überzeugen mich von der Vortrefflichkeit ihres Gemüths, aber sie selbst erschien mir sehr unliebenswürdig. Sie ist weder Kind noch Mädchen noch Weib. Sie bildet sich ein, keinen Glauben mehr zu haben: was ich Clemens verzeihe nach seinen Erfahrungen, hat mich in dem Mädchen verlezt. Ich sage dir das, weil du sie interessirst, weil sie dich achtet, weil es vielleicht bei dir ist, dem Himmel einen Eingebohrenen zu erhalten. Mit Clemens habe ich nicht über sie gesprochen, weil ich mit Clemens überhaupt wenig sprach und weil ich hierüber wahrscheinlich mit zu grosser Indignation gesprochen hätte. Er ist Schuld daran. Vmtl. erste Hälfte Dezember: B verläßt das großmütterliche Haus in Offenbach und kehrt ins Frankfurter Brentano-Haus zurück, wo sie sich in den nächsten zweidreiviertel Jahren größtenteils aufhält. Sie wird von Hauslehrern unterrichtet und hat vor allem Umgang mit Caroline von Günderrode, die in der Nähe des Goldenen Kopfes wohnt.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Friedrich Carl von Savigny an Stephan August Winkelmann, Marburg, 20. Dezember 1802
Was du dem Bang über Bettine geschrieben, hat mich innig gerührt. 42
Kunigunde Brentano an Henry Crabb Robinson, Frankfurt, 21. Dezember 1802
Betine ist nun auf immer bei mir, und da kann ich nur selten schreiben, weil ich den ganzen tag um sie sein muß. Heute ist gerade mein Schreibtag, hätte ich es heute nicht gethan, so hätten Sie wohl vierzehn Tage oder drey Wochen warten müssen. 1803 43
Antonia Brentano an Clemens Brentano, Frankfurt, vmtl. 24. Januar 1803
Man findet allgemein Bettine artiger wie sonst, ob sie dadurch bey dir gewinnt weis ich nicht, aber ich muß dir eingestehn daß mir Bettine oft wie Harmonische Musik ohne Takt erschien und das sich nach und nach der Takt in ihr Spiel mischt, denn ihr Leben scheint mir Musik und sie selbst wie ein schönes Instrument das freundliche und traurige Töne von sich giebt wenn man sie nur anzuschlagen weis. 23. Februar: Der Regensburger Reichsdeputationshauptschluß vereinbart zur Entschädigung der deutschen Fürsten, die durch die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich Gebiete verloren haben, die Säkularisierung aller geistlichen Fürstentümer und Stifter, die Verringerung der Reichsstände und die Mediatisierung der Reichsstädte (ausgenommen sechs, darunter Frankfurt). Die territorialen Veränderungen kommen einer Auflösung des alten Reiches gleich.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, zwischen 20. und 25. April 1803
Zwischen Betinen und mir ist eine Vereinigung, eine ruhige brennende Liebe, deren Wohlthätigkeit und Unschuld mir ein glükliches Leben verspricht, alle Schwarmerei nach außen ist uns wechsels weiße untersagt, aber wir arbeiten an einem festen Bunde, uns einander nicht zu überleben, so möge denn Gott den am längsten leben laßen, den er am meisten liebt, damit es ihm leichter werde, ihm den Selbstmord zu verzeihen. Mein tägliches Zusammensein mit diesem Engel hat etwas des Meinigen vor meine Augen gebracht, das mir unbekant war, ich habe mich lieber, und bin für Vieles gut genug. Vmtl. Mai: Der Frankfurter Kaufmann, Diplomat, Schriftsteller und Kunstsammler Johann Isaak von Gerning wirbt bei Franz Brentano um B, worüber sie empört ist.26 Etwa 19. Mai: Wiedersehen Clemens Brentanos, der sich in Jena und Weimar aufhält, mit Sophie Mereau in Weimar und Aussöhnung mit ihr.
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Franz Brentano an Clemens Brentano, Frankfurt, 4. Juni 1803
Bettine ist ein Herzens guthes mädgen, aber étourdi27 u. leichtfertig bis ins unbegreifliche, sie hasset so ganz alles was nur eine entfernte Änlichkeit mit sittlichem Zwang hat … 46
Clemens Brentano an Sophie Mereau, Weimar, vmtl. 9. Juni 1803
Ich muß etwas im armen Heinrich ausstreichen, waß nicht vor die Menschen, wie Sie jezt sind, darf gebracht werden,28 ach es stand auch 26 27 28
Die Episode ist in einer 1814 niedergeschriebenen Anekdote Bs überliefert. Vgl. Härtl 2003a, S. 41–44. Unbesonnen. Als armen Heinrich bezeichnete Brentano seine Erzählung Chronica des fahrenden Schülers (Urfassung aus dem Nachlaß 1923), und die Streichung wird Stellen mit Bezug auf B betroffen haben. Gerhard Schaub (Schaub 1973, S. 88) vermutete wohl mit Recht, daß Andeutungen inzestuöser Liebe eliminiert werden sollten. Vgl. Brentano an Sophie Mereau,
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Chronik und Stimmen der Umwelt
in jenen Briefen, die du, die das Feuer nicht verbrannt hat,29 und wenn ich das nicht ausstreiche, und geheim halte, auf ewig, biß ich es Gott wiederbringen kann, der mir es gegeben hat, mir allein aus unendlicher Liebe, um die ich hier auf Erden leiden muß und gern leiden will, wenn ich das je wieder ausspreche, waß Betinen so an mich bannt, und mich an Sie, so muß auch dieses gute Buch zu Grunde gehn. 47
Charlotte Servière an Henry Crabb Robinson, Frankfurt, 3. August 1803
Die genialische Heurath30 von Clemens mit S. M. hat hier großes Aufsehn gemacht; aber gerade weil das Erstaunen groß war, war es auch kurz und man hat schon aufgehört darüber zu sprechen. Ich kann mir nicht anders denken, als daß es von ihrer Seite, eine Finanzspeculation ist, die, weil sie verschmitzt genug dazu ist, den Schein einer heftigen Leidenschaft angenommen hat, und er sich durch die Eitelkeit dahin bringen lies wo sie ihn haben wollte. Betine ist sehr unzufrieden damit und sagt es ihm auch und er schreibt ihr denn die komischten Schutzreden darüber. Schreiben Sie mir doch auch was Sie davon wißen, ob sie Sie kennen, wie Sie sie finden, in welchem Ansehn sie steht, kurz alles; Sie können überzeugt seyn daß es unter uns bleibt. Clemens wird hier erwartet, einem Jeden ist Angst vor seiner Ankunft, und keiner hat Muth genug sich seinen Ungezogenheiten gehörig zu wiedersetzen. Es sind doch alle, wunderbar verkehrte Menschen; nie wird eins von ihnen glücklich werden, denn es fehlt ihnen alle an einem bestimmten Hange zu irgend etwas, woraus für sie Glück entstehen könnte. Ende Juli–Mitte September: B hält sich mit der Schwägerin Antonia in Schlangenbad (Taunus) auf, anschließend in Wiesbaden, wo sie Clemens wiedersieht. Mitte September: Rückkehr Bs nach Frankfurt. Weimar, etwa 11./12. Juni 1803:
Im armen Heinrich da steht es geschrieben »wir liebten uns, und da hatten wir auch kein Hehl mehr vor einander« 〈…〉 Im armen Heinrich steht auch »alles waß man in der Liebe thut, ist heilig« (DjBr Nr. 804). 29
30
Die Formulierung soll vmtl. besagen, die Verbrennung der Briefe sei Sophie Mereau anzulasten, nicht dem Feuer. Es werden mit drei Ausnahmen (DjBr Nr. 778, 780, 793) diejenigen Briefe gewesen sein, die Brentano ihr zuvor während seines Jena/Weimarer Aufenthalts geschrieben hatte. Falschmeldung.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
48
Clemens Brentano an Sophie Mereau, Frankfurt, 22. September 1803
Betine ist dir nun herzlich gut, nachdem sie deine Briefe an mich gelesen, hat sie dich sehr lieb, sie ist fest überzeugt, daß du allein nur mich glüklich machen wirst, und besonders wohl hat ihr die kleine Lektzion, die du mir in deinem lezten Briefe giebst, gefallen, sie giebt dir ganz recht, und erfreut sich an der schönen runden Offenheit deiner Verweiße. 〈…〉 In Betinen ist eine große Veränderung vorgegangen, sie ist immer fort sehr lustig und fröhlich, muthwillig und voller göttlicher tiefsinnig freudiger Einfälle. Ich gebe mir alle Mühe sie zu bewegen, daß sie dichtet, und sie hat mir es versprochen, ich glaube, sie wird nicht ermangeln, durch ihre Mährchen und Träume, der Bernhardi die ihre Wunder Lümpchen zu Papier gemacht,31 das Licht aus zu blasen. Sie wird uns dann ihre Arbeiten mitheilen, und überlassen. 29. November: Clemens Brentano und Sophie Mereau heiraten in Marburg, wo sie mit deren erstehelicher Tochter Hulda eine Wohnung beziehen.
1804 49
Clemens Brentano an Sophie Brentano-Mereau, Frankfurt, 17. Januar 1804 (Briefteil)
〈…〉 meine viele Thränen um Betinen, mit dem hohen Ernste unsers Umgangs vereint sind gerechtfertigt, sie waren die Thränen eines Engels der an der Wiege eines Kindes weinte, das er liebt, und dessen Todes Engel er werden muß, und ich weine immer noch, Betine ist unendlich vergnügt, ohne alle Schwärmerei, genialisch wie vielleicht kein Weib auf Erden war, aber ich fühle es, sie ist mir verlohren, nicht als wäre sie einem andern Menschen gewonnen, aber sie hängt nicht mehr an mir, sie ist jung und fröhlich, doch mit einer tiefen Ansicht, sie versteht, wie es scheint die Freude, die in dem grösten Verluste liegen kann, ich verstehe diese Freude nicht, ich kann nur lieben, gränzenlos
31
Sophie Bernhardi,
Wunderbilder und Träume, in elf Mährchen (1802).
LXXIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
lieben 〈…〉 Betinens Umgang mit mir gleicht dem Umgang zweier Freunde, beide leben irgend wo, wo das Reden verboten ist, der eine aber hat laut gebetet einem Weibe gesagt, ich liebe dich, einen Sterbenden getröstet, und einem gerufen, der in der Nacht einem Abgrund entgegen gieng, dafür hat man ihm die Zunge ausgeschnitten, das bin ich, nun geht der andere in allen Freuden des Lebens umher, grüßt dann und wann den Stummen, aber sie fürchtet sich, und redet nicht, und auch die Blicke, die tröstenden werden seltner, und so geht alles zu Grund, ohne Unrecht, ohne Rache, o hätte der Stumme die Zunge wieder, er würde sie bitten ihn zu lieben, auch ohne Hofnung, und würde die Zunge wieder verliehren. 17. April: Friedrich Carl von Savigny und Bs Schwester Kunigunde heiraten in Meerholz (bei Hanau). Etwa 20. April: Caroline von Günderrodes erste selbständige Veröffentlichung Gedichte und Phantasien von Tian erscheint mit diesem Pseudonym in der Hermannschen Buchhandlung Hamburg und Frankfurt. Juli: B, ihre Schwestern Lulu und Meline, der Bruder Christian und Savignys Wetzlarer Freund Hans Christian von Bostel halten sich in Trages bei den Neuvermählten Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny auf.
50
Hans Christian von Bostel an Friedrich Carl von Savigny, Wetzlar, 25. Juli 1804
Lieber, guter Savigny! ich bin sehr gerührt von Trages geschieden. Doch gaben die drey Geschwister, welche uns32 begleiteten, dieser Rührung einen helleren Sinn, eine freundlichere Gestalt; und dies machte mir den Abschied erträglicher. 〈…〉 Die liebliche zarte Blume Meliße33 hat mich, obgleich zurückhaltend gegen mich, durch ihre schöne Gestalt, und der engeliche gute Butin34 durch seine gewaltige Herzlichkeit, beym Abschied, sehr gerührt. Noch ein Rückblick auf die drey lieblichen Schwestern, und fort, durch das Gebüsch mußte ich,
32 33 34
Bostel und Christian Brentano. Meline. B.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
und die Sehnsucht verließ mich seitdem nicht. – Ich werfe einen vollen Blumenkranz um die drey Schwestern, wie sie vor dem Wald standen, und uns nachgrüßten, und faßte so ihr Bild. – Dieser Kranz mag wohl eben so schön seyn, als der, welcher den Christian incommodirte. 51
Franz Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 31. Juli 1804
Tony siehet mit mir die nothwendigkeit die Bettine nicht hier isolirt zu lassen während wir nach Wien reisen, auf der andern Seite; kostet es ihr viel sich dazu zu entschliesen; Tony ist noch sehr reizbar nach ihren lezten wochenbett, leidet viel mit George, hat mit ihm viel mühe u sorge. besonders neben einer ungeschickten äuserst dummen Kindsmagd, u so wird ihr Bettine, die was ihre eignen Sachen angehet mehr als ein Kind besorgt sein will viel mühe u verdruß machen, da sie ihre eigenen Sachen nie verstehen wolte, u wen sie es thut, alles verkehrt u übel macht, u neben einer mit ihren Kindern zeitlich besorgten mutter mit ihren lermhaften tumultuarischen wesen bösen effect machet; zu dem hat Tony einen alten vortrefflichen vatter35 den sie äuserst liebt, der aber etwas strenge Grundsäzze hat, wo sie also fürchtet sie mit ihm in manche Collision gerathen zu sehen, u daß Bettine /: nach Clemensischer manir :/ ihn lächerlich machet, welches Tonys herz äuserst kränken würde, da sie ganz anderst als Bettine von den Pflichten gegen Eltern u ältere Personen denket; indeß will sich doch um des besten willen sich mit ihr befassen, – es muß sein, aber sie weinte gestern abend Tränen über diese Nothwendigkeit; sie vermögen viel lieber Freund über Bettine, ich bitte sie also recht sehr, sie über alle diese Dinge zu verständigen u ihr guthe vorsäzze einzuflösen damit unsere guthe Tony soviel möglich geschohnt werde; wir wollen nach absprache Freytag36 Nachmittag den wagen an den Rothen Löwen nach Hanau zum abholen beider Schwestern senden – wollen sie Bettine sagen daß ich ihr mit dem Kutscher Geld senden werde.37
35 36 37
Johann Melchior von Birkenstock. 3. August. Franz und Antonia Brentano reisten nicht nach Wien.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
3. August: B und Meline kehren von Trages über Hanau nach Frankfurt zurück. 5. August: Caroline von Günderrode lernt in Heidelberg den Altphilologen Friedrich Creuzer, mit dem sie ein Verhältnis beginnt, und dessen dreizehn Jahre ältere Frau Sophie kennen. 10. August: Savigny bricht mit seiner Frau Kunigunde von Trages zu einer Studienreise auf, die über Frankfurt zunächst nach Heidelberg führt. 15. August: Clemens und Sophie Brentano-Mereau übersiedeln mit Tochter Hulda nach Heidelberg. Ende September: Arnim beendet seine Bildungsreise in Berlin. Herbst/Winter: B erhält Klavier- und Harmonielehreunterricht durch den Bratschisten und Musiklehrer Philipp Carl Hoffmann. Sie nimmt auch Gesangsunterricht, liest, beeinflußt von der Günderrode, Savigny und dem Bruder Christian, historische und kunsthistorische Werke (Herodot, Plutarch und Thukydides; Winckelmann). 23. Oktober: Savigny reist mit Kunigunde und der Schwägerin Meline von Heidelberg zu Studienzwecken nach Paris.
52
Christian Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Marburg, 28. Oktober 1804
Mit der Bettine habe ich mehrere Unterredungen gehabt; sie ist außerordentlich vernünftig und hat den besten Willen von der Welt. – Sie klagt mir darüber daß sie alles wieder vergißt was sie ließt; du mußt ihr etwas Anleitung zum studieren geben lieber S. 53
Christian Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Marburg, 22. November 1804
Wegen dem Wille38 bin ich mißtrauisch; wenn sie ihn wegen alter Gesellschaft oder gemästeten Leibesgestalt aus Guthmüthigkeit bey behielte; wäre es schändlich; mir deucht nichts leichter als einen solchen Schuften fortzujagen. – Und wegen Franz? – wenn es wahr ist so möchte ich hier einmal aufrichtig zu Werk gehen; und wünschte nur erst deine Meinung darüber zu erfahren. 38
Hauslehrer.
LXXVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
Ich glaube nämlich man kann Franz wegen seinem richtigen Pflichtgefühl ungeachtet seiner Schwäche dahin bringen alles was Uns angeht unabhängig von seiner Frau zu verrichten; ja sogar ihn aber freylich dann erst, von einem näheren Plan mit der Bettine unterrichten, u ihn dahin bringen alles nach deinem Rath zu thuen; halte ich nicht für unmöglich; voraus gesetzt; daß es dir selbst recht wäre u du die Last nicht scheuest, wie man wohl von einem heiligen (u Beichtvater) voraussetzen kann. 2. Dezember: Napoleon läßt sich in Paris zum Kaiser krönen.
54
Charlotte Servière an Henry Crabb Robinson, Frankfurt, 16. Dezember 1804
Clemens ist in Berlin bey Arnim; er hat diese Reise gemacht weil er seine Frau müde war und schreibt ihr nun die sehnsüchtigste Briefe; der Betine aber schreibt er gar nicht mehr; mit dieser heißen Liebe hat es also auch ein Ende. Christian dagegen, schmachtet in Amors Feßlen, sein Mädchen ist von niederem Stande39, er hat ihr hier schöne Kleider und Weißzeug machen laßen, die Betine allein war im Geheimniß und hatte den Auftrag dazu, hat aber alles so öffentlich betrieben, daß es nun Jedermann weiß und ihre Brüder sehr darüber entrüsted waren. 1805 55
Christian Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Marburg, 6. Januar 1805
Die Bettine ist im besten Gange u entzückt mich mit ihrem Eifer. Der rechte Weeg für sie ist gefunden, denn sie ist glücklich darauf u begehrt ihn weiter Gewiß wird noch was Großes u Schönes aus ihr!
39
Das sogenannte
Erdbeermädchen. Vgl zu Brief Nr. 81.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Clemens Brentano an Sophie Brentano-Mereau, Frankfurt, vmtl. 16. April 1805
Die Günterrode die vertraute Betinens, welche einige mir unbekante Liebesverhaltniße hier hat, hat dieser den Winter Geschichte gelehrt 〈…〉. 57
Franz Brentano an Clemens Brentano, Frankfurt, 18. Mai 1805
Reisete eine gesezte verheurathete Frau, die einiges gewicht über Bettine hätte so würde ich /: u niemand in der Welt würde etwas darüber haben können :/ nichts dagegen haben, daß sie auf einige Tage dorthin40 reisete, u selbige mir Sie wieder zurück brächte, so aber erlauben mir meine strenge Pflichten nicht sie von hier wegreisen laßen, ich würde manche empfindliche vorwürffe darüber höhren müßen; Bettine ist kein biegsames nachgiebiges wesen, sondern will immer ihren eigenen ohngenirten Gang gehen, um so mehr gebeut mir meine Pflicht sie nicht aus den Augen zu laßen, wer Pflichten zu erfüllen hat kanns freilich nicht jedem Recht machen, das weis ich gar wohl indeß thuets mir Leid daß ich deinen Wünschen nicht entsprechen kann, schickt sichs aber daß ich in dortige Gegend komme so bringe ich sie sicher mit. 58
Christian Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Marburg, 26. Mai 1805
Ich habe nicht mehr Zeit sonst schriebe ich von Bettine, die Güntherod hat sie in die Schule genommen – thuet ihr viel Gutes. Etwa 9. Juni: Arnim trifft zur Arbeit am ersten Band der Liedersammlung und -bearbeitung Des Knaben Wunderhorn bei Clemens und Sophie Brentano-Mereau in Heidelberg ein.
40
Nach Heidelberg.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Friedrich Creuzer an Caroline von Günderrode, Heidelberg, 9. Juni 1805
Arnim ist hier von Berlin. Clemens brachte ihn zu mir – Da ging ich dann mit in seiner Gesellschaft. Sein Betragen ist nicht abweichend von der Sitte des gewöhnlichen Lebens. Er scheint klar und in und durch die Klarheit heiter – ähnlich in diesem Stück dem Savigny. Er ist wohlgewachsen und von angenehmer Bildung obwohl nicht so blühend schön wie in dem Bilde.41 Juni/Juli: B beteiligt sich mit Liedaufzeichnungen und Umfragen an
Des Knaben Wunderhorn. 10. August: Nach über drei Jahren sehen sich B und Arnim in Frankfurt wieder.
60
Clemens Brentano an Sophie Brentano-Mereau, Frankfurt, 16. August 1805
Betine hat bis jezt mit unsäglich manichfachem zerstreutem unterbrochenen Fleiß Griechische Geschichte studirt, die Günterode hat sie auch Etwas zur Philosofie an^gerüttelt gehabt, es hat aber nicht weiter gefangen, als daß sie ein paar schlechte platonische Gespräche geschrieben, über die sie jezt lacht. Sie hat eine grose Leichtigkeit zu dichten, und hat mir versprochen mir dann und wann Lieder zu senden. 61
Ludwig Achim von Arnim an Clemens Brentano, Frankfurt, 1. September 1805
Bettine hat mir zwey gesunde Kinder, zwey recht reine liebe Liederchen gebracht, sie zeigen recht schön ihre Natur. Ich gebe mir alle möglige Mühe und Anstand, ihr zu beweisen, wie viel Schönes in ihr untergegangen durch das Herummusiciren im Musiciren, daß reines Leben nur in der beharrligen Flüchtigkeit sich zeigt, Sie verspricht mir alle Tage, Melodieen aufzuschreiben, aber – da kommt die ganze Welt 41
Peter Eduard Ströhlings Arnim-Porträt aus dem Jahr 1804 (Abb. 12).
LXXX
Chronik und Stimmen der Umwelt
zwischen. Ich würde es Deinem Plane so angemessen finden, mit den Worten Hand in Hand auch die Musick auftreten zu lassen und Bettine würde es bestimmt für einen gewissen Kreis recht tüchtig leisten können. Es ist mir recht merkwürdig, daß ich vor drey Jahren Dir dasselbe schrieb, wozu Du sie jezt aufmunterst42, drey Jahre sind fast zu lang, um über einen Punkt einig zu werden. 8. September: Beginn des Dritten Koalitionskrieges zwischen Österreich und Rußland einerseits, Frankreich, Bayern, Württemberg und Baden andererseits. Anfang Oktober: Savignys kehren mit der in Paris geborenen Tochter Bettina und der Schwägerin Meline von der französischen Hauptstadt zunächst nach Frankfurt zurück. Etwa 12.–Ende Oktober: Auf Savignys Gut Trages treffen sich anläßlich der Taufe der nach B benannten Tochter Freunde und Geschwister: Arnim, Clemens, Christian und Meline Brentano, Savigny und Kunigunde, Hans Christian von Bostel, Claudine Piautaz. In der zweiten Oktober-Hälfte kommt noch die Günderrode hinzu.
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Clemens Brentano an Sophie Brentano-Mereau, Trages, vmtl. Mitte Oktober 1805
Wir thun hier nichts als den ganzen Tag auf dem Felde mit der Flinte hin und her gehn und gar nichts schießen, die Unterhaltung besteht einzig darin, daß man sich lieb hat. Ich schlafe wieder in dem kleinen Haüschen, unter allen Jägern ist Arnim der unermüdlichste, er laüft nach einem Vogel 6–7 Stunden. Ich melde dir weiter, Savigny geht den Winter nach Marburg, weil es dort ruhig ist, und er in seiner Bibliothek arbeiten kann 〈…〉. Vmtl. Mitte Oktober: Der erste Band von Des Knaben Wunderhorn erscheint in der Buchhandlung von Mohr und Zimmer in Frankfurt und Heidelberg. 17. Oktober: Die Österreicher ergeben sich bei Ulm.
42
Vgl. Stimmen Nr. 36.
LXXXI
Chronik und Stimmen der Umwelt
Etwa 8. November: Abschied Arnims von B in Frankfurt. Er reist mit Clemens und Savigny zunächst nach Heidelberg und von dort über einen süddeutschen Umweg nach Berlin zurück. Letztes Drittel November: B und Meline ziehen auf Einladung Savignys zu ihm und seiner Familie nach Marburg, wo sie unterhalb der Schloßbefestigung im Forsthof, einem weiträumigen Anwesen in der Rittergasse, mit weitem Blick ins Marburger Land wohnen. B lernt Generalbaß und wird von Gottfried Heinrich Schäfer in Geschichte unterrichtet. 2. Dezember: Napoleon schlägt in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz die vereinigten russisch-österreichischen Truppen. 26. Dezember: Der Frieden von Preßburg zwischen Österreich und Frankreich beendet den Dritten Koalitionskrieg.
1806 18. Januar: Frankfurt wird von französischen Truppen unter Marschall Augereau besetzt und muß eine Kontribution von vier Millionen Franc leisten. 26. Januar: Beginn von Bs Korrespondenz mit Arnim durch einen Berliner Brief des Freundes. Anfang–Mitte Februar: B ist in Kassel zu Gast bei ihrem Schwager Johann Carl Jordis, kurhessischem Legationsrat und Bankier, und ihrer seit Juli 1805 mit ihm verheirateten Schwester Lulu. Sie besucht die noch von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel erworbene wertvolle Gemäldesammlung und wird mit der Schriftstellerin Philippine Engelhard bekannt. Mitte Februar: B kehrt von Kassel nach Marburg zurück. Vmtl. letztes Drittel April: Friedrich Creuzer, der Geliebte der Günderrode, besucht Marburg und nimmt an B Anstoß.. 27. April: Abreise Bs und ihrer Schwester Meline von Marburg nach Frankfurt.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Friedrich Creuzer an Friedrich Carl von Savigny, Heidelberg, 4. Mai 1806
Es war mir wohl bei Ihnen und gerne verweile ich in Gedanken bei den Stunden da ich Sie sah. Am liebsten war mir der Abend, wo wir nachdem wir mit Ihnen gegessen, so recht ruhig uns über dies und jenes aussprechen konnten, ohne durch Bettine’s Lautsein unterbrochen zu werden. Mir ist nun einmal das ernsthaftere Gespräch, so wie ich es an diesem Abend mit Ihnen und Ihrer Frau führen konnte, lieber. 64
Friedrich Creuzer an Caroline von Günderrode, Heidelberg, 11. Mai 1806
Warum hast Du also mit ihm43 geredet? Muß e r Dir sagen, was an mir ist? Das wolle Gott nicht – d a s k a n n i c h n i c h t g l a u b e n. – Also warum denn? Ach darum – weil a u c h D u k e i n e n r e c h t e n M u t h h a s t – keinen Muth hast, der die Welt überwindet. Hättest Du den, so hättest Du dich längst schon gegen jedes Eingreiffen der Brischen und Syschen44 Familie in Dein e i g e n s t e s (verstehe mich recht), in Dein i n n e r e s Leben (und folglich in dieses Verhältniß) verschlossen. So aber hörest D u noch immer die B an, die Du doch selbst schwazhaft nennst – und die i c h eine Kokette nenne (Lezteres urtheilten selbst meine zwei ganz unbetheiligten unschuldigen Reisegesellschafter) – und dieses ganze Haus, herrschsüchtig und eitel wie es ist, was hat es von jeher anders gewollt, als Dich b e h e r r s c h e n und v e r r a t h e n! 65
Friedrich Creuzer an Caroline von Günderrode, Heidelberg, Mai 1806
Liebe Lina, Du willst nicht nach W45 kommen? Und doch schreibst Du so lieb am Ende Deines Briefs, sagst auch, Du habest mich nicht ver43 44 45
Savigny. Br〈entan〉ischen und S〈avign〉yschen. Winkel im Rheingau.
LXXXIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
kannt. Traue mir doch auch ganz – ich bin ja in frommer Liebe treu – und will nichts, was Deinen F r i e d e n stört. Aber das betrübt mich tief wenn ich denke daß Du um B e t t i n e n s willen ein abgemessenes Betragen annähmest. – Reiß Dich doch los von diesem Urteil mach Dich frei von diesem Geschlecht – niemand meint es redlich mit Dir als die H e i d e n. 〈…〉 Du schreibst auch gar nichts von der Heiden und was sie von einer Zusammenkunft in W denkt. Die schlechte Bettine beschäftigt Dich ganz. – Ach zürne nicht und verstehe meinen Zorn. Etwa 5.–Ende Juni: B hört in Frankfurt Vorträge des Anatomen und Phrenologen Franz Joseph Gall über dessen Gehirn- und Schädellehre. Etwa Mitte Juni: Die Günderrode, die sich mit Freundinnen in dem Rheingauort Winkel aufgehalten hatte, kehrt von dort nach Frankfurt zurück und kündigt B die Freundschaft.
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 7. Juni 1806
Gall ist ganz in unser Haus eingenistet, er kömmt alle Abend nach 9 und bleibt bis nach 12 Uhr in der Nacht. 67
Clemens Brentano an Sophie Brentano-Mereau, Frankfurt, 20. Juni 1806
Gall ist der einzige Gegenstand des Gesprächs Georg hat einen Schedel vor sich, Christian ist leidenschaftlich für Gall, welcher morgen wieder herkömt, er ist zur Serviere ins Rheingau gereißt, und fängt montag46 seine Vorlesungen wieder an, ich werde ihn nicht hören, weil ich ihn bei uns im Hauße wo er immer liegt, kennen lerne, er soll gar amüsant, und toll bei uns sein, hat zwei Affen bei sich, und einen Wachs-Pousierer.
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23. Juni.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Friedrich Creuzer an Caroline von Günderrode, Heidelberg, 23. Juni 1806
Haben Sie ein Fünkchen Mitleid mit mir, so lassen Sie den Gall Gall seyn. Und die B e t t i n e hätte nicht blos um der andern Gründe willen Abweisung verdient, sondern auch weil sie unsern F r e u n d47 zu einer so schlechten Sache verleiten wollte, als so eine Vorlesung ist. – Von mir bekommt er einmal nichts zu lösen. Für 2 Carolin weis ich bessere Sachen zu kaufen. Das Verhältniß mit Sy48 solltest Du nicht so sentimental nehmen. Er wird gegen Dich zu seyn fortfahren, wie er gegen mich (und die meisten Menschen die er nicht für ganz schlecht hält) ist, das heißt v o l l a l l g e m e i n e r M e n s c h e n l i e b e. Daß das Weinen der Bettine Dir schmerzlich war begreife ich und ich fühle, wie ich Veranlassung bin. – Aber i n s i c h verstehe ich dies Weinen nicht. Zum Weinen hätte sie freilich Ursache genug. Sie könnte darüber weinen, s o l l t e es sogar, daß sie eine Brentano geboren ist, ferner daß Clemens ihren ersten Informator gemacht, ingleichen und folglich, daß sie egoistisch ist, und kokett und faul, und entfremdet von allem, was liebenswürdig heist. Seit ich sie einmal in Marburg in Savignys Stube hereintreten sah – seitdem ists aus mit mir. Schenkst Du ihr in diesem Sinne Thränen, so tadle ichs nicht; in jedem andern ists nicht der Mühe werth. 69
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 2. Juli 1806
Als große Neuigkeit muß ich euch sagen, daß der Creutzer von Heidelberg hier sein soll. Die Günderothe hat mit der Bettine gebrochen, und ich vermuthe fast, sie that es, weil sie befürchtete von ihr in den schönen Tête a Tête gestört zu werden. 8. Juli: B besucht erstmals - mit Schwester Meline - Goethes Mutter Catharina Elisabeth am Frankfurter Roßmarkt.
47 48
Creuzer. Savigny.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 10. Juli 1806
Ich habe vergessen Dir zu schreiben, daß ich am Dienstag mit der Bettine bei Frau Rat Goethe wahr. Wir sind auf unsere Faust hingegangen und werden, da sie uns gut aufnahm, die Besuche erneuern. 12. Juli: Unterzeichnung der Rheinbundakte. Sechzehn deutsche Staaten, darunter Bayern, Württemberg und Baden, trennen sich vom deutschen Reich und bilden einen von Napoleon abhängigen Staatenbund. Frankfurt wird mit Aschaffenburg, Regensburg, Wetzlar und einigen anderen Gebieten zum weit verstreuten Primatialstaat vereinigt und dem letzten Mainzer Erzbischof Carl Theodor von Dalberg als Landesherrn zugesprochen. Dalberg wird zugleich Fürstprimas des Rheinbunds.
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Karl Daub an Susanne von Heyden, Heidelberg, etwa Mitte Juli 1806
Das Verhältniß der zartesten Freundschaft, worin Sie, gnädige Frau, zur Fräulein Caroline von Günderode stehen, ein ähnliches Band, welches mich seit einigen Jahren mit dem Hofrat Creuzer verknüpft und ein bestimmter Auftrag von diesem meinem Freunde, der seit einigen Tagen an einer schweren Krankheit darnieder liegt, dies alles wird mich, wie ich hoffe, bey Ihnen entschuldigen, wenn ich mich mit der folgenden Bitte gerade an Sie wende. Creuzers bestimmt und entschieden erklärter Wille ist es, daß das bisher zwischen ihm und der Fräulein Caroline bestandene Verhältniß aufgehoben, daß es vernichtet sey. Diese Erklärung, Gnädige Frau, ist unaufgefordert durch ihn mit einer solchen Ruhe Besonnenheit und Festigkeit geschehen, daß ich sagen darf: das genannte Verhältniß sey damit vernichtet. Er selbst verlangt von mir die Bitte an Sie, der Fräulein diese Nachricht mitzuteilen; ich thue diese Bitte um so getroster, weil ich Sie als die wahre Freundin der Fräulein kenne und verehre und um so lieber, weil mir die Fräulein von ihrer frühsten Jugend sehr werth ist und ich sie um keinen Preiß in der Welt betrüben mögte, welches letztere gleichwohl kaum vermieden werden könnte, wenn ihr die genannte Eröffnung durch mich einen Mann, der nur den guten Willen hat schonend zu verfahren, und nicht durch eine Dame geschähe, LXXXVI
Chronik und Stimmen der Umwelt
die nach allem, was mir von ihrem edlen und sanften Charakter bekannt ist, mit diesem Willen auch die That verbinden wird. 72
Susanne von Heyden an Karl Daub, Frankfurt, 19. Juli 1806
Caroline Günderode ist gegenwärtig im Rheingau in Langewinkel, wie ein Päckchen so ich den 17ten auf der fahrenden Post an Creuzer abgesendet, worin sie ihm ihre Abreise meldet zeigen wird, ich kann den Inhalt Ihres Briefes Carolinen nicht schreiben, er ist zu hart um nicht mündlich ausgerichtet werden zu müssen, auch muß ich Sie vorher um ein Zeichen unseres Freundes bitten damit Caroline mir glaube 〈…〉 Sie fühlen wohl selbst als Freund des Freundes daß es der armen Leben gilt, und daß Wahrheit, durch schonende Hand gegeben hier Pflicht ist 〈…〉. 73
Susanne von Heyden an Karl Daub, Frankfurt, 24. Juli 1806
Zufolge Ihres wiederholten Auftrags Herr Professor! habe ich heute an Caroline Günderode, Creuzers Entschluß geschrieben und ihr dabei Ihre beiden Briefe gesendet, es thut mir sehr leid daß Carolinen diese Nachricht nicht durch das mildernde Gespräch gegeben werden konnte, allein mir ist es jezo nicht möglich in das Rheingau zu gehen, und Creuzer wollte daß sie unverzüglich benachrichtigt würde, sie muß also den Kelch mit aller seiner Bitterkeit schmecken 〈…〉. 26. Juli: Caroline von Günderrode erdolcht sich in Winkel am Rhein.
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 1. August 1806
Die Günderoth ist tod, sie hat sich am Samstag Abend um halb 8 Uhr in Winkel beÿ den Servieres mit Ihrem Dolch erstochen. Sie war wärend 8 Tagen etwas melangolisch, weil sie keine Briefe von Kreutzer bekam. Den Samstag gieng sie dem Bothen entgegen, nahm die Briefe und eilte damit auf ihr Zimmer, kam nach einer Stunde ganz ungemein fröhlich zum nachtEssen, und sagte der Lotte sie habe sehr gute NachLXXXVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
richten erhalten. Kreutzer sey zwar krank gewesen, sey aber wieder besser. Sie aß mit vielem Apetit lachte und scherzte, und dann wünschte sie im Mondschein spatzieren zu gehen, lehnte aber alle Begleitung ab, und gieng ganz fröhlich davon; nach wenig Minuten kam sie zurück hohlte Ihren Schall, und rufte der Lotte noch mehrmals Adieu zu. Es wurde 10 – 11 – 12 und sie kam immer nicht, da wurde es den Serviers bang, sie schickten Bothen nach allen seiten, und als man sie nirgends fand, vermutheten sie, Creutzer habe ihr ein Rendevous gegeben, und sie entführt. Man suchte sie in allen Orten die ganze Nacht, und fand sie entlich um 4 Uhr den Morgen, am Rhein in einem Weidenbusch, mit einem Dolchstich das Herz durchbohrt, den Dolch neben ihr, und in dem Schall einige Steine gebunden, wahrscheinlig um sich wenn der Stich fehlte, in den Rhein zu stürzen. Man sagt Creutzer habe plötzlich mit ihr gebrochen, doch wer weiß was wahr ist. Du wirst am sichersten von Heidelberg aus hören was wahr ist. Die Bettine ist ganz gefast und vernünftig. Prepariere die Gunda und Tröste Dich. Sie ist beÿ Gott, und ist Glücklicher als sie auf Erden sein konnte. Meline 6. August: Franz II. dankt als deutscher Kaiser ab. Auflösung des Heiligen Römischen Reiches. 10. August: Preußen mobilisiert gegen Frankreich.
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 25. August 1806 (Briefteil)
Was den Tod der Günderoth anbetrift, so ist es ganz klar daß sie sich des Kreutzers willen ermordet hat. Die Sache ist so, sie sagte immer wenn Kreutzer sich scheiden läst, oder wenn er mir untreu ist, so bringe ich mich ums Leben. Ehe sie ins Rheingau gieng, ließ sie ihren Dolch schleifen, daraus ist zu vermuthen, daß schon ein kleines Misverständniß zwischen ihr und Kreutzern herschte. In Winkel erhielt sie lange keine Briefe von Kreutzer, und wurde deshalb unruhig. Kreutzer schickte seine Briefe immer an die Heiden, und diese unter Adresse der Lotte, nach Winkel. Eines Samstags lief die Günderoth dem Briefträger entgegen, riß ihm die Briefe weg, und erkante der Heiden ihre Hand. Sie erbrach also gleich den Brief, und lief LXXXVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
damit auf ihre Stube. Eine Weile drauf kam sie wieder herunter und war ganz ausgelassen froh. Sie sagte den Serviers nur, Kreutzer sey sehr krank gewesen, sey aber wieder besser. Sie sezten sich zum Essen, und Günderoth aß und trank mehr wie je. Es war Mondschein, die Günderoth und der Laange49 wolten ein wenig spatzieren gehen. Kaum waren sie zwey Schritt vor der Thür, so lief sie zurück um einen Schall zu hohlen, und rief dem Laange zu er solle nur fort gehen, sie käme nach. Sie gieng wieder aus und kam nicht zurück. Am Morgend fand man sie 3 Schritt vom Rhein mit dem Dolch neben sich, und im Schaal viele Steine gebunden. Wahrscheinlich wolte sie tod, durch der Steine gewicht, in den Rhein fallen. Den unglücklichen Brief (der vom Daub war) hat man nicht gefunden aber das Couverte der Heiden, worinn sie der Lotte schreibt: »Hüth die Günderoth von dem Rhein, und dem Dolch.« Von Heidelberg hörte ich; Kreutzer war sehr krank, aufeinmal erwacht er, läst seine Freunde zu sich rufen, und erzehlt ihnen es seye ihm ein Engel erschienen der ihm gezeicht habe wie sträflich sein Verhältniß mit der Günderoth sey, und wie unrecht er seiner Frau thue. Er wolle nun mit G. brechen, möge es kosten was es wolle. Wahrscheinlich hat Daub der Günderoth davon geschrieben, und dadurch diesen Entschluß in ihr erweckt. Ob Kreutzer um ihren Tod weiß, ist mir unbekannt. 76
Ludwig Achim von Arnim, Schluß der Erzählung Melück Maria Blainville, die Hausprophetin aus Arabien (1812)
So ernst schloß die Erzählung, als das Schilf des Ufers, welches wir bewohnten, am Nachen lispelte, nnd der Schiffer die Kette klirrend an einen halbversunkenen Weidenbaum band. Wir stiegen ans Land und sahen einander stillschweigend an und wiesen auf die Landzunge, die im Strom versunken. Ein edles musenheiliges Leben sank da in schuldlosem Wahn, und der Strom hat den geweihten Ort ausgetilgt und an sich gerissen, daß er nicht entheiligt werde. Arme Sängerin, können die Deutschen unsrer Zeit nichts, als das Schöne verschweigen, das Ausgezeichnete vergessen, und den Ernst entheiligen? Wo sind Deine Freunde? Keiner hat der Nachwelt die Spuren Deines Lebens und Dei49
Charlotte Serviére.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
ner Begeisterung gesammelt, die Furcht vor dem Tadel der Heillosen, hat sie alle gelähmt. Nun erst verstehe ich die Schrift auf Deinem Grabe, die von den Tränen des Himmels jetzt fast ausgelöscht ist, nun weiß ich, warum Du die Deinen alle nennst, nur die Menschen nicht! – Und wir gedachten mit Rührung dieser Inschrift, und einer sagte sie dem andern, der sie vergessen hatte: »Erde, Du meine Mutter, und Du mein Ernährer der Lufthauch, heiliges Feuer, mir Freund, und Du o Bruder, der Bergstrom, und mein Vater, der Äther, ich sage euch allen mit Ehrfurcht freundlichen Dank, mit euch hab ich hienieden gelebet und ich gehe zur andern Welt, euch gern verlassend, lebt wohl denn, Bruder und Freund, Vater und Mutter lebt wohl«. 77
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 29. August 1806
Über den Butin muß ich dir doch schreiben. Ich wolte du nämst dich seiner recht ernstlich an, suchtest ihn recht an dich zu ziehen, damit er doch an etwas in der Welt hängt. Schreib ihm oft, und schreib recht lieb und zutraulich. Durch die Günderoth hat er nun wieder eine große Lücke in seinem Herz, und viel leere im Tag. Ihr ist es durchaus nöthig sich an etwas fest zu hängen; sie geht zwar jetz alle Tage zu der Göthe, allein dies ist doch kein Gegenstand um all ihr Gefühl von Liebe zu verzehren. Nähre Dich ihr recht, mach, daß sie dir viel schreiben muß, und, daß du viel Einfluß auf sie bekömst. Aber lass sie nie merken, daß ich dir über sie gesprochen habe. 〈…〉 Gall ist wieder hier; er kömmt von Marburg, wo er 150 Zuhörer hatte, jetz geht er nach Heidelberg um den Akermann zu confrondieren, von da nach München; suche ja ihn zu sehen, wenn er dahin kömmt. Seine Vorlesungen haben der Bettine bestimmt geschadet; erstens weil sie einen entsezlich freÿen Thon eingeführt haben, und die Bettine nun naiver als je ist. Zweitens weil sie die Bettine in ihrer Philosofie: »was ich thue liegt in meiner Nathur, das muß ich thun«, besterck haben; und drittens hat der Gall selbst, wie mir scheint ihre Sinnlichkeit erregt. Sie hat ihm sehr gefallen, und er hat gar freye Manieren, dadurch wurde sie auch ziemlich unscheniert mit ihm. Doch Savigny davon spreche ich nur gegen dich, ich will um Gottes Willen nicht, daß sie je etwas davon erfährt. XC
Chronik und Stimmen der Umwelt
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 4. September 1806 (Briefteil)
Bettine ist wieder seit etlichen Tagen fröhlich, sie lernt beÿ dem jungen Schlosser Italienisch, und treibt es recht eifrig. Überhaupt beschäftigt sie sich jetzo viel; Gott gebe daß es lange anhält. Schreibe ihr ja öfters; suche sie recht zutraulich zu machen, denn nur du hast Einfluß auf sie. 10. September: Ludwig Tieck und der Kunsthistoriker Carl Friedrich von Rumohr, die von einer Italienreise nach Deutschland zurückgekehrt sind, treffen in Begleitung Clemens Brentanos aus Heidelberg in Frankfurt ein.
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 15. September 1806 (Briefteil)
Tieck gefält mir über alle Maasen wohl, sein Äuseres ist sanft und bescheiden, seine Sprage unendlich schön und wenn er liest geräht man in Endzücken. Er that es den Freytag Abend50 beÿ der Loulou, wo sie alle zu Nacht speisten. Ich konnte nicht dabey sein, und als Tieck mich darüber jammern 〈hörte〉 erboht er sich für mich ganz eigens noch einmal zu lesen. Dieß gescha auch den Samstag Abend in meiner Stube: Ich lag auf den Canapé und 15 Menschen saßen in einem Kreiß an den Wänden herum. Tieck laß den Sommernachts Traum von Schäckspear, ganz unaussprechlich schön. Da nun aber wie nathürlich die Marie nicht dabey sein konnte, so hielt er Heute Abend auch, noch beÿ ihr eine Vorlesung. Wenn ich Dir nur beschreiben könnte wie schön er liest, es ist aber über alle Begriffe. 80
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 16. September 1806 (Briefteil)
Die Bettine war sehr fidel mit dem Tieck, so, daß ich mir dachte seine Abreise, würde sie sehr schmerzen, aber sie ist heute so toll und lustig wie immer. Ich kann noch immer aus ihrem Charakter nicht klug wer50
12. September.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
den. Tieck hat ihren Gesang über alles erhoben, er sagte in Italien habe er keine schönere Stimme gehört. Genug, ich glaube er hatte einige Neigung zu ihr, so wie sie zu ihm. 81
Clemens Brentano an Sophie Brentano-Mereau, Frankfurt, 17. September 1806
Gestern am Dienstag Morgen ist Tieck und Rumor abgereißt, sie waren beide die ganze Zeit Von Morgen biß in die Nacht in unserm Hauß. Tieck rieß alle Herzen hin, er hat drei Stücke aus dem Schäke^speare gelesen, Betine hat sich in ihn er in Sie verliebt und beinah weit übers Aergerniß hinaus, Rumor verliebte sich in Meline und war der Spielball des Haußes. 〈…〉 Betine ist täglich bestimmt zwei Stunden bei der Göthe, ohne die sie und die ohne sie nicht leben kann, sie hat ein groses Buch dort liegen und schreibt aus dem Mund der Mutter die Geschichte der Mutter und des Sohns in der bekannten kräftigen Manier auf. 82
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 20. September 1806 (Briefteil)
Die Bettine ist nun wieder aufs neue verlassen das heist, Tieck hat sich viel mit ihr abgegeben und ihr wie ich glaube, einen tiefen Eindruck gemacht. Hätte er den Einfluß welchen er auf sie hatte, benuzt um ihr Eifer zu ernsten Beschäftigungen zu geben, so wäre seine Bekantschaft für sie von großem Nutzen gewesen. Allein das that er nicht; er hat nur ihre Phantasie und ihr Herz bewegt. Sie war überspant werend seinem Hiersein, und ist nun durch seine Abwesenheit erschlafft. Ach! Savigny ich darf gar nicht über ihre Zukunft nach denken, sie wird schrecklich seÿn. Schreib ihr ja oft, zwinge sie, daß sie aus Liebe zu dir etwas lernt, etwas liest. Sie ist leider so leichtsinnig, daß sie, wenn sie auch noch so sehr an jemand ataschiert ist, doch durch seine Abwesenheit erkaltet. Dem Clemenz ist es nie zu verzeihen, daß er sie so schrecklich verkehrt gemacht hat. Nur beÿ euch ist 〈sie〉 so ganz lieb, wie sie es eigentlich innerlich ist, nur beÿ euch kann sie noch glücklich seyn, ach! hättet ihr doch bald eine Heymath damit eure Kinder die euch so nöthig haben, beÿ euch sein könnten. XCII
Chronik und Stimmen der Umwelt
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 24. September 1806 (Briefteil)
Bettine hat gestern einen Brief von euch bekommen. Sie hat jezt einen unüberwindlichen Eckel vor dem Schlosser, weil er wie es deutlich sichtbar ist, in sie verliebt ist. Sie will kein Italienisch mehr lernen; ob ihr ihre unbeharrlichkeit nicht auch schuld daran ist, will ich nicht entscheiden. Als sie deinen Brief bekam nahm sie sich vor alles zu überwinden, und noch vort zu lernen; ob es geschehen wird weiß ich noch nicht. 84
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 28. September 1806
Der Fürst Primat51 ist nun seid Donnerstag52 Abend hier, und wohnt im Taxischenhof. Alle hiesig Leute de la premier volé53, gehen zu ihm, die Bethmanns waren gestern alle beÿ ihm. Napoleon wird morgen hier eintreffen, und wahrscheinlich wird Primat ihm auf die Tage seines Hierseins, seine Wohnung einräumen. Schon ist ein Theil seiner Leibgarte hier; überhaupt ist die Stadt so voll Soldaten, daß wir auser einem Oficier mit seiner Frau, auch heute noch 12 Mann Gemeine bekommen haben. Das Gewühl in der Stadt, die Ungewißheit in welcher man lebt, das alles macht mich unglücklich. 85
Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Frankfurt, Ende September/Anfang Oktober 1806
〈…〉 mit Betinen ist er54 auf du und du gekommen, sie hat so wunderbar schön vor ihm gesungen, ihren wilden Seelenschlag, keine Aria brillante, so wie sie früher sang, sie hat auch schön mit ihm gesprochen, ihr Wesen hat ihn tief gerührt, er hat ihr sehr zugeredet zu dichten, sie hat es auch versprochen – ! – ! – Waß ihren Gesang betrift, d. h. den ex-
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Dalberg. 25. September. Von hohem Rang. Tieck.
XCIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
temporirten, so habe ich ihn Thränen dabei weinen sehen, und er versicherte, er der Kirchenmusikus, daß er durch sie zuerst seine Ideenreihe über Musick ergänzt fühle, daß er nie etwas ahnliches gehört habe, und daß er jetzt wisse, wie die Musick entstanden sei, aber sie sang auch, wie wir es nie von ihr gehört haben. 〈…〉 Betine ist jezt täglich ein paar Stunden bei der alten Göthe, und läßt sich Anecktoden von dem geliebten Sohn erzählen, die sie für sich ganz mit den Worten der Mutter in ein Buch schreibt, um eine geheime Biographie dieses Göttlichen zu bilden, waß ich bereits von diesen Geschichten gehört ist treflich. 1. Oktober: Beginn des Vierten Koalitionskrieges. Anfang Oktober: In Frankfurt wird eine neue Verfassung zugunsten der Juden publiziert. Ihnen wird »Schutz gegen Beleidigung und beschimpfende Mißhandlung versprochen. In Ausführung dieser letzten Bestimmung ward u. a. öffentlich bekannt gemacht, daß von jetzt an der Judenschaft erlaubt sei, in den Alleen der Stadt und um die Thore spazieren zu gehen.«55
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 6. Oktober 1806 (Briefteil)
Da fällt mir eben noch etwas neues ein, das hier die honnete du jour56 ist. Die Juden haben die Erlaubniß erhalten in der Allé und Glacie57 zu gehen. Ihr erster Versuch fiel aber betrübt aus denn die Buben prügelten sie heraus. Da dies aber auch sehr streng gestraft ward, ersannen sie ein ander Mittel. Nehmlich 30 a 40 stelten sich in zweÿ Reihen auf beÿden Seiten, und wenn ein Jude durchgieng wünschten sie ihm alle Glück zum Eingang. 14. Oktober: Schlacht bei Jena und Auerstedt. Die preußische Armee wird von den französischen Truppen vernichtend geschlagen.
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Beaulieu-Marconnaÿ 1879, Bd. II, S. 117. Anständigkeit des Tages, Wallanlage.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
Mitte Oktober: Arnim, der nach Frankfurt und Heidelberg reisen wollte, flieht von Göttingen, wo er die Entwicklung der angespannten militärischen Lage abgewartet hatte, über Berlin und Danzig nach Königsberg, wo er Ende November eintrifft. 31. Oktober: Sophie Brentano-Mereau stirbt in Heidelberg »morgens 1 Uhr in der Geburt eines mit ihr sterbenden Kindes«.58
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 3. November 1806 (Briefteil)
Den Samstag59 erhielt ich deinen Brief, der mir herzlich innige Freude gemacht hat. Aber wir erhielten zu gleicher Zeit die Nachricht, daß Clemenz Frau eine schreckliche Niederkunft gehabt hat, und daß sein Kind wieder starb; erschrecket Euch nicht, auch seine Frau ist wärend der Entbindung an einem Blutverlust gestorben. Man schrieb uns wir solten den Clemenz in Darmstadt abholen lassen. Nun wer solte hin, der Franz ist noch nicht zurück. Also wurde der gute Schlosser in den Wagen gesezt und am Mitag 4 Uhr nach Darmstadt gefahren. Gestern um 10 in der Früh kamen sie zurück, der Clemenz weint und schreit immer überlaut, weh weh oweh und das 10 mahl hinder einander. Er tob ganz unvernünftig, weiß nicht was er mit sich und der Hulda anfangen soll. Die Bettine ist nun immer beÿ ihm, und ich fürchte es wird ihr nicht wohl thun. 88
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 5. November 1806 (Briefteil)
Clemenz ist noch immer Trostlos, doch beträgt er sich vernünftiger Bettine ist auch ziemlich gefast und ordentlich.
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Schellberg/Fuchs 1942, S. 56. 1. November.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 29. November 1806 (Briefteil)
Am Dienstag60 schrieb ich dir zulezt, und sagte dir, die Bettine habe schon seid 14 Tag Zahnweh. Den Mittwoch Morgen lies sie sich den Zahn ausreisen, und bekam im selben Moment fürchterlich starke Krämpfe, die den ganzen Tag dauerten, so, daß man ihr den Wenzel holen muste, und, daß sie immer einahm. 90
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 30. November 1806 (Briefteil)
Beym Thee hatten wir einen rechten spaß. Der Fürst61 giebt bis Montag62 zum erstenmal eine Große Gesellschaft, die denn jeden Montag, so lange er hier ist, vortdauren werden. Der Laufer war auch bey uns, richtete aber seine Einladung im Laden aus, so daß wir jezt nicht bestimmt wissen ob nur die Herrn oder auch die Weiber eingeladen sind. Da aber alle Weiber eingeladen sind, ist es sicher, daß auch die Tony hin muß. 91
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 2. Dezember 1806 (Briefteil)
Am Abend war die große Gesellschaft beym Fürsten, die Brüder waren dort 〈…〉 Die Tony wird künftigen Montag hingehen, und Franz verlangt auch die Bettine und mich hinzuführen, aber ich bin kein Narr.
60 61 62
26. November. Dalberg. 1. Dezember.
XCVI
Chronik und Stimmen der Umwelt
92
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 6. Dezember 1806
Den Mittwog63 quälte mich der Franz so sehr, ich solle zum Fürsten gehen, daß ich es auf keine Weise mehr abschlagen konnte, ohne ihn ganz Böß zu machen, denn halb war er es schon. Auch Marie und Bettine wurden geplagt, und wir entschlossen uns denn endlich, uns Kleider zu kaufen. Die Marie und Tony weißen Atlas mit weisem Sammt besezt. Die B. und ich rothen Scifon, auf eine neu inventierte Art gemagt und mit schwarz Sammt besezt. Mit Berathschlagungen, und einkaufen brachten wir den Tag zu. 7. Dezember: Bekanntschaft Bs mit Dalberg, dem Fürstprimas des Rheinbunds.
93
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 16. Dezember 1806
Den Sontag64 um 5 war Cour, wir fuhren hin, liesen uns vorstellen, es waren aber so viele Menschen da, daß man den Fürsten kaum sehen konnte, doch kam er einmal zur Bettine; sah ihr in die »schöne schelmische Augen« (seine Worte) und gieng wieder weiter. Bis 6 blieben wir da, und dann fuhren wir in die Comödie 〈…〉 Die Gesellschaft bestand aus 4–500 Personen, wovon ein Theil spielte, der andre der Music zuhörten. Langweilig war sie über alle Begriffe, zwar nicht steif, denn der Fürst ist nur zu sehr herablassend, aber doch langweilig bis zum sterben, woran ich sehr nahe war. 94
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 19. Dezember 1806 (Briefteil)
Gestern war es ganz wunderbares schönes Wetter, weil die Kayserinn65 kommen wolte. 〈…〉 Den ganzen Tag war ein Gewimmel von Volck auf 63 64 65
3. Dezember. 7. Dezember. Josephine Bonaparte.
XCVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
den Straßen, es trommelte immer wärend, alle Bürcher musten sich ins Gewehr steken. Um 1 Uhr fuhr ihr der Fürst mit 6 Pferden in Galla Wagen entgegen 〈…〉 Heute ist großer Ball parée66, den die Stadt im Comödien Haus giebt. Marie und Tony gehen hin. Bettine ist nicht dazu gestimmt, und ich bleibe auch zu Haus. 95
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 23. Dezember 1806 (Briefteil)
Es war nehmlich am Sonntag67 Masquenball, und da machten wir den Plan hinzugehen. 〈…〉 Tony, Marie, Bettine, Lotte68, Baß69, ich, Kästner, Henry70 und Georg 〈…〉 verkleideten uns in Savoyarden71; Lotte machte einige Verse als Compliment für die Kayserin, und diese liesen wir drucken. Damit gingen wir auf den Ball stelten uns vor die große Loge. Bettine und Lotte als Buben musten in die Loge gehen, die Gedichte und ein Bouquet Blumen übereichen und zugleich die Erlaubniß erbitten, daß wir es singen dürften. Diese wurde uns ertheilt, und wir sangen unser Couplet herab, hielten Lorber und Blumen in die Höhe und gingen nachdem wir uns noch ½ Stunde herum getrieben hatten wieder weg. Es wird aber nie eingestanden, daß wir die Savoyarden waren. 96
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 27. und 29. Dezember 1806 (Briefteile)
72
Um 5 Uhr war die große Stunde. Alles sammelte sich in Tonys Stube. Weyhbischof73, Kamerherr von Junghein, Moriz74, Schlosser, Henry75, 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75
Im Galaanzug. 21. Dezember. Charlotte Servière. Nicht identifiziert. Vmtl. nicht Dettmar Basse. Borckenstein. Savoyardenknaben; hausierende und musizierende Straßenjungen, benannt nach den aus Erwerbsmangel aus dem Savoyen ausgewanderten jungen Männern. 25. Dezember. Kolborn. Bethmann. Borckenstein.
XCVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
Lehr, Frau Bansa, und wir alle aus dem Haus, so, daß es 43 Persohnen waren. Der Sahl war rund an den Wänden herum mit Tischen bestellt; in der Mitte der Stube unter dem Luster stand ein Clavier, welches Anton76 bekam. Auf allen Tischen standen Bäume mit Lichter, die Wände waren mit Bäumen und Traperien von Himmelblauem Crepp, decoriert. Vom Luster bis auf alle Bäume giengen Guirlanden von farbigem Papier, und formierten ein Zelt. An der Thüre, die in Tonys Zimmer fürt, hiengen Blumen Gewinde und ein weiser Vorhang, hinter welchem die Bettine stand, und beÿkommende, von Lange77 gedichtete, Verse, declamierte. Als sie zu ende waren hob sich der Vorhang auf, und alles eilte nach seinem, durch einen Zettel angewiesenen, Platz. Ich will dir nur sagen was die HauptPersohnen, bekamen. Tony, von Marie, B. und mir, eine weiß sammten Tinnque78, von Georg, ein paar auserordentlich schöne Bronz-Leuchter, von Franz, ein Dutzend englische Strümpfe, auserdem noch arbeitsKörbchen und sonstige Kleinigkeiten, für Franz hatten wir 4 Weiber, das Bild von Großmama79 welches er so gerne hat, und ich ihm einmal copierte, gekauft, dies hat ihn bis zu Thränen gefreut. Tony hat sich nebst dem Bub in Allabaster schneiden lassen, und bescherte ihn auch noch dies Bild. Marie, bekam von Georg ein schwarz sammt Kleid, eine goldne Kette, von uns, einen goldnen Kamm, und noch mehrerleÿ Dienge, die zu beschreiben zu weitläuftig sind. Georg, bekam einen Nachtstuhl, weil er an öfterem Abweigen leidet, eine Weste, Hosen etc. Bettine zweÿ Gläserne Blumen Waasen. Ich eine sehr schöne Spitze. Alle andre sachen zu beschreiben, ist nicht der Mühe wehrt. 〈…〉 Jezt kann ich Euch nur noch sagen, daß das Christkindchen zu allgemeiner Freude ausfiel. Es macht großes Aufsehen in der Stadt. 〈…〉 Jezt will ich dir unser Gedicht aufschreiben. Ich komme herunter vom hohen Himmel Zu Euch Sterbliche in das Weldgetümmel Und bringe euch schöne und köstliche Gaben Sie sollen den Geist und den Körper euch laben. Vor allem leg ich in Hochwürdige Hände Weyhbischof
76 77 78 79
Brentano. Charlotte Servière. Tunika. Sophie von La Roche.
XCIX
Chronik und Stimmen der Umwelt
Zwey mißliche Dinge nebst einer Legende Vor Anfechtungen und allen Gefahren Soll sie den Sohn der Kirche bewahren. Den Kammerherrn nach Geschmack zu belohnen Bring ich zärtliche Herzen aus allen Zonen, Von Norden, Süden, Osten und Westen, Er prüfe, wähle und behalte die besten. Franz, dem guten Vater und zärtlichen Gatten geb ich zwey Bilder, die er nie in den Schatten der Vergessenheit und des Unmuths wird sezzen, Sie gehören zu seinen edelsten Schäzzen. Der Tony bring ich von theurer Hand Das schönste, lieblichste Puzgewand. Sogar in den Fürstlichen Asembleen Wird man es nicht ohne Bewundrung sehen. Der besten und liebsten von allen Tanten Bring ich feine Leinwand mit schönen Kanten. Georg bekömmt das was nicht ein Dichter besang Sehr bequem für Leute vom ersten Rang. Doch muß er sorgsam den Namen verschweigen Und darf es in Gesellschaft nie zeigen. Marie, Dir kann ich fürs irrdische Leben Beynah nichts Neues, noch schönes mehr geben. Nehme hin einen Schmuck für dein goldnes Haar Der auf Erden nicht beßer zu finden war. Dem Russischen Consul bring ich eine Weste Damit kann er glänzen in jeglichem Feste. Auch einen Vogel aus dem berühmten Land Wo Homer seine Götter und Helden fand. Dem großen Verehrer der Reinlichkeit Ein Mittel um alle Flecken zu waschen. Dabey eine Gabe voll Süßigkeit Die kann er mit heimlicher Seeligkeit naschen. Dir Bansa zum Lohn deiner edelsten Triebe Das Bild der Freundschaft und Mutterliebe. Rief, dem großen Schöpfer der Harmonie Bring ich ein himmlisches Instrument Daß, wer es hört in Sympathie Zerschmilzt, und in lichten Flammen brennt. C
Jungheim
Bethmann
Schlosser
Chronik und Stimmen der Umwelt
Um dich Meline aufs schönste zu schmücken, Bekömst du die prächtigsten Spizzen. Laß dein Auge hell dazu blizzen, So wird sich mit stillem Entzücken Der liebes Gott selbst vor dir bücken. Doctor80, damit deine holde Wangen Auch den Strahlen der Freude prangen, Bring ich dir eins von den Negligeen Die feinen Leuten sehr reizend stehen. Dabey ein Mittel viel Gutes zu stiften, Deine ärgste Feinde kannst du vergiften. Und so doch einmal in Deinem Leben Beweise von Muth und Taperkeit geben. Auch dann, wenn du einst am fürstlichen Thron Erhälst deiner Dultung und Arbeit Lohn. Lehr, dem Heil der Kranken, geb ich ewiges Feuer, Dabey ein Bildniß ihm heilig und theuer. Müller, dem Lehrer des guten und schönen Bring ich, seinen Fleiß und Eifer zu krönen, Und ihn vor Regen und Kälte zu schüzzen, Eine von den besten und wärmsten Müzzen Dem guten Henry81, ein Ding um auf Reißen Die Aechtheit seiner Waaren zu preißen. Bettine, auch dich nach Wunsch zu beglücken Geb ich dir liebliche Blumen zu pflücken. Sie kommen aus meinem Himmlischen Garten, Mit Sorgfalt must du sie pflegen und warten. Um sich deiner Ehrfurcht auch zu bemeistern, Die Bilder von drey sehr großen Geistern. Noch bring ich schöne Sachen die Menge Es werden bald die Zimmer zu enge. Auch kann ich nicht alles euch nennen Ihr müst es nun mit den Augen erkennen Lebt wohl ihr Großen und Kleinen Die Sonne des Glücks soll euch scheinen Bis uns alle die Götter vereinen. 80 81
Dominikus Brentano. Borckenstein.
CI
Lehrer vom kleinen Georg
Chronik und Stimmen der Umwelt
31. Dezember: Erneute Begegnung Bs mit Dalberg.
1807 97
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 2. Januar 1807
Den Mittwoch 〈…〉 Abend82 in einem Consert, das der Spanier Bouchet 〈…〉 gegeben hat. Es war sehr lehr, wir saßen in der zweyten Reihe dicht hinter dem Fürsten. Auf einmal wand er sich zur Tony und erkundigt sich, nach der Bettine. Dann sieht er die Bettine immer an, will als gar zu gerne mit ihr reden, aber die Bettine coquettirt und weigt einigemal aus; am Ende hat er sie doch erwischt, und sich tapfer mit ihr abgegeben. 98
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 2. Januar 1807
Den Donnerstag83 war Abend Assembleé, wir sind dort gewesen, und der Fürst hat sich wieder mit Bettine amüsiert, die denn auch ziemlich unscheniert ist. Heute war die Huldigung. Wir sind beym Kästner gewesen, dessen Wohnung auf dem Römerberg ist. Am Römer war ein Balcon erbaut, darauf der Thron des Fürsten stand. Alle Bürger musten sich auf dem Plaz versameln, und schwören. Der Fürst war ungemein gerührt und freundlich. Die Juden musten ihm im Taxischen Hof schwören. Heute wird noch die ganze Stadt illuminiert, und diese Nacht reist er ab. Gott sey Dank, daß die viele Gesellschaften aufhören.
82 83
Silvester. Neujahr.
CII
Chronik und Stimmen der Umwelt
99
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 17. Januar 1807 (Briefteil)
Den Freytag84 war Abends Casino Ball. Unser ganzes Haus gieng hin, und ich hatte mir vorgenommen zu tanzen, weil der Marie ihr Geburtstag war. Bettine und ich machten uns weis Muslin Kleider, ohne Zwickel, ganz in Falten. Daran hatten wir den ganzen Tag zu nähen; wurden auch für unsre Mühe belohnt, indem die Kleider herrlich ausfielen. 〈…〉 Bettine war gestern sehr munter und artig; tanzte viel, sprag viel und dies alles, ohne extravagente zu sein. Sie beschäftigt sich jezt sehr viel im Tag, lernt zeichnen, Singen, Clavier, und liest viel. Hände Arbeit bleibt ihr jedoch immer fern. Sie hat sich in Allabaster en basreliefe aushauen lassen, und hat mir das Bild übergeben, um dir es zu schicken; ich weiß nur nicht auf welche Art ich das thun soll. 100
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 10. Februar 1807
85
Nach Tisch fuhren wir zur Großmutter86, die wir krank im Bett antrafen; sie ließ nur Bettine und mich vor sich, nahm ganz gerührt Abschied, und dan fuhren wir gleich zurück.
101
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 14. Februar 1807 (Briefteil)
Die Großmutter ist sehr gefährlich krank; ich war noch gestern Abend um 8 Uhr des Abends mit Georg beÿ ihr, sie hat eine hefftige diaré.
84 85 86
16. Januar. 8. Februar. nach Offenbach.
CIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
102
Meline Brentano an Savigny, Frankfurt, 16. Februar 1807 (Briefteil)
Den Samstag87 bekamen wir einen Bothen, von Offenbach, wir solten doch eiligst mit einem Arzt hinaus kommen, weil die Großmutter sehr schlecht seÿ, Tony, Franz, D. Neuville und ich giengen hin. Wir fanden sie ganz Matt und fast immer schlaffend; doch erkante sie uns alle, sprach mit uns ganz vernünftig, und äuserte mehr als je ihre Gutmüthigkeit. Die Ärzte geben wenig Hoffnung. Den Sonntag schrieb die Tante88, wir solten kommen, jedoch sey der Arzt schon unnöthig, so daß wir sie schon Tod anzutreffen glaubten. Tony, Franz, Georg und ich giengen am Mittag hinaus, fanden sie noch am Leben, aber schwag ohne alle Hoffnung. Sie hat ihr völliges Bewustsein, sobald sie wachend ist, spricht mit uns ganz freundlich und deutlich. Heute früh war ich nochmals mit Marie und den Arzt beÿ ihr; sie schiehn viel besser, und alle auser mir schöpften wieder Hoffnung. Diesen Mittag hat sich die diaré wieder vermehrt, und ihr Zustand ist also verschlimmert Die Bettine liegt seid Dienstag zu Bett, sie hat heftiges Zahnweh und einen Rühmatÿschen Schmerz im Backen, Schulder und Kopf. Dabeÿ ist sie sehr ungedultig und empfindlich, schohnt sich den Tag über und Abends zum Thee geht sie herunter, und macht sich wieder krank. Auch hat sie Krämpfe. Es scheint als hätten wir von Gesundheit getauscht. 18. Februar: Sophie von La Roche stirbt in Offenbach.
103
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 19. Februar 1807 (Briefteil)
Die Endkräftung der Großmutter nahm immer zu; doch behielt sie ihren völligen Verstand; sie erbaute jeder mann, sprach mit allen, und ihre große Gutmüthigkeit hat sich in ihrer Krankheit sehr gezeicht. Den Dienstag89 war ich wie gewöhnlich Morgens beÿ ihr, sie zoch mich zu sich aufs Bett und küste mich mehrmals sehr zärtlich; doch ohne so 87 88 89
14. Februar. Luise Möhn. 17. Februar.
CIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
wie sonst wenn sie krank war, Abschied zu nehmen. Den Mittwog war sie viel schwächer, aber immer noch beÿ sich. Die Tante verließ sie keinen Augenblick. Wir schickten Abends noch einen Bothen hinaus, da war sie noch immer kränker. Diesen Morgen schreibt die Tante Die Gute liebe Großmutter seÿ um 7 Uhr Gestern Abend auf ewig eingeschlafen. Sie hatte ein ruhiges unendlich schönes End, bewieß erst recht durch ihr Sterben wie gut sie war. Was aus der Tante werden wird, wird sich bald bestimmen und dann schreibe ich es Euch. Heute Mittag gehe ich nach Offenbach. Wir trauern alle ganz schwarz, und du kannst es nun machen wie du willst. 104
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 22. Februar 1807 (Briefteil)
Den Freytag90 machten wir Anstalten zur Trauer, am Mittag fuhr ich wieder mit der Marie zur Tante; wir kamen eben als alles versiegelt wurden, und man der guten Tante kaum so viel Plazt und Efekten ließ, daß sie noch so lange wie es nöthig ist, im Haus bleiben kann. Auf den Samstag Morgen war die Kirche bestelt; sie sollte um 7 Uhr in der Früh ganz still, in Offenbach beerdigt werden. Ein gewisser Herr Burÿ, Freund der Großmutter, schrieb der Tante, er habe in einem Buch von der Großm. gelesen, daß sie wünsche nach Bürgel zu ihrem Mann und Sohn91, begraben zu werden. Da musten denn noch aller ley Anstalten getroffen werden, und endlich wurde Gestern Mittag die Großmutter nach Bürgel gebracht und begraben. Den Freytag Abend, wie ich mich eben zu Bett legen wollte, kam die Lulu, mit Jordis und Christian an. Jordis hat Geschäfte hier wird aber bis Montag mit seiner Geselschaft, die noch durch Bettine vermehrt wird, wieder nach Cassel gehen um dort 6 Monath zu bleiben. 〈…〉 Ich bin sicher die Reiße und der Aufenthalt in Cassel wird dem Budin sehr gesund sein, besonders weil ich fürchte Clemenz kömmt bald her, und der würde den Budin über alle Begriffe plagen. Überdies behauptet ja der Budin auch, daß er die hiesiche Luft nicht vertragen könne.
90 91
20. Februar. Franz Wilhelm von La Roche.
CV
Chronik und Stimmen der Umwelt
105
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 25. Februar 1807 (Briefteil)
Den Mitag sind die Casselaner weg; Budin gieng recht froh mit; es wird ihm gewiß auch wohler, als hier werden. Etwa 27. Februar–etwa 10. April: Aufenthalt Bs bei Schwager Jordis und Schwester Lulu in Kassel.
106
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 1. April 1807 (Briefteil)
Du frägst mich nach der Bettine; früher als heute hätte ich dir keine Nachricht geben können, denn erst heute erhielt ich einen Brief92 von ihr, in welchem sie mir sagt, daß sie dir bald schreiben würde. Zugleich trug sie mir ein schwehres Geschäft auf, daß ich Gott seÿ dank, über meine Erwartung schnell und gut besorgt habe. Sie schreibt mir nämlich von einer Gelegenheit, um auf 2 Tage nach Weimar zu kommen, die ihr eine alte Stiftsdame anböthe; sie bath mich sehr den Franz zur Erlaubniß bewegen zu helfen, und dies ist mir ganz herrlich gelungen. Ich gönne dem guten Budin so gerne dies Vergnügen, besonders da ich nicht glaube, daß sie irgend eine Extravagence treiben wird und kann, wegen ihrer Stiftsdame, die ich zwar nicht kenne, ihr aber traue, weil sonst die Loulou, die nichts weniger als tolerant gegen die Bettine ist, die ganze Reiße gehindert haben würde. Wie sich der Franz so leicht bewegen lies weiß ich nicht, doch Gott lob er hats erlaubt. 107
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 9. April 1807 (Briefteil)
Jordis schrieb heute dem Franz, daß die Bettine nicht mit der Stifsdame nach Weimar reiße, weil er selbst auf 8 Tage nach Berlin müste, und die Bettine nebst seiner Frau mitnehmen würde. Die Bettine ist dieses Jahr doch recht glücklich.
92
Nr. 233.
CVI
Chronik und Stimmen der Umwelt
Etwa 10. April: Abreise Jordis’, Lulus und Bs – Letztere in Knabenkleidung – von Kassel nach Berlin. Etwa 13.–20. April: Aufenthalt in Berlin.
108
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 17. April 1807 (Briefteil)
Ich weiß nicht mehr ob ich dir schon schrieb, daß die Bettine mit dem Jordis und der Loulou nach Berlin ist, wohin Jordis in Geschäften muste. Welchen Eilbothen wird der Budin gleich ins 〈Skizze: Viereck〉 N° 493 geschickt haben? Etwa 20.–23. April: Rückkehr von Berlin, auf Bs Wunsch unterbrochen in Weimar. 23. April: Erster Weimar-Aufenthalt Bs; zunächst Besuch bei Wieland, dann bei Goethe.
109
Christoph Martin Wieland an Johann Wolfgang von Goethe, Weimar, 23. April 1807
Bettina Brentano, Sophiens Schwester, Maximilianens Tochter, Sophien La Roches Enkelin94 wünscht dich zu sehen, l. Br.95 und giebt vor Sie fürchte sich vor dir, und ein Zettelchen, das ich ihr mit gebe, würde ein Talisman seyn, der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin, daß Sie nur ihren Spaß mit mir treibt, so muß ich doch thun was Sie haben will – und es soll mich wundern wenn dirs nicht eben so mit mir geht. Den 23ten April 807. W.
93 94
95
Die Berliner Adresse des nach Königsberg geflohenen Arnim. Schwester der am 19. September 1800 auf Wielands Oßmannstedter Gut gestorbenen Sophie Brentano; Tochter von Goethes Jugendliebe Maximiliane Brentano; Enkelin von Wielands Jugendliebe Sophie von La Roche. lieber Bruder. – Wieland und Goethe waren Mitglieder der Weimarer Freimaurerloge. Vgl. Goethes Logenrede Zu brüderlichem Andenken Wielands (1813).
CVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
110
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, 23. April 1807
Mamsell Brentano. Ende April: B wieder mit Jordis und Lulu in Kassel.
111
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 2. Mai 1807 (Briefteil)
von der Loulou hörten wir, daß sie zurück in Cassel sind. Aber weder sie, noch Bettine, haben uns ein Wort über die Reiße von Berlin geschrieben. Die Loulou hat in Cassel einen Garten gemiethet, hat von hier alle ihre Sachen kommen lassen, auch ist die Ferdinante mit der Magd hin, und es scheint als blieben sie noch lange Zeit dort. 112
Catharina Elisabeth Goethe an Christiane von Goethe, Frankfurt, 16. Mai 1807
Da hat den doch die kleine Brentano ihren Willen gehabt, und Goethe gesehen – ich glaube im gegen gesetzten fall wäre sie Toll geworden – denn so was ist mir noch nicht vorgekommen – sie wollte als Knabe sich verkleiden, zu Fuß nach Weimar laufen – vorigen Winter hatte ich ofte eine rechte Angst über das Mägchen – dem Himmel sey Danck daß sie endlich auf eine musterhafte art ihren willen gehabt hat. Sie ist noch nicht wieder hir, ist noch so viel ich weiß in Cassel – so bald sie kommt solt Ihr alles was sie sagt erfahren. 113
Catharina Elisabeth Goethe an Christiane von Goethe, Frankfurt, 19. Mai 1807
Alles was Er geschrieben hat, jede Zeile ist ihr ein Meister werck – besonders Egmont – dagegen sind alle Trauerspiele die je geschrieben worden – nichts – gar nichts – weil sie nun freylich viele Eigenheiten hat; so beurteilt man sie wie das gantz nathürlich ist gantz falsch – sie hat hir im eigentlichen Verstand niemand wie mich – alle Tage die an Himmel kommen ist sie bey mir das ist ihre beynahe einzige Freude – CVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
da muß ich ihr nun erzählen – von meinem Sohn – als dann Mährgen – da behaubtete sie denn; so erzähle kein Mensch u.s.w. Auch macht sie mir von Zeit zu Zeit kleine Geschencke – läßt mir zum Heiligen Christ bescheren – am ersten Pfingstfest96 schickte sie mir mit der Post 2 Schachtelen 〈…〉 15. Juni: Beginn der Korrespondenz mit Goethe durch einen Brief Bs aus Kassel.97 7./9. Juli: Tilsiter Frieden zwischen Frankreich und Rußland sowie Frankreich und Preußen. Preußen verliert fast die Hälfte seines Territoriums; das Heer wird von vormals über 200 000 auf 42 000 Mann reduziert. Mitte Juli: B kehrt von Kassel nach Frankfurt zurück.
114
Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Frankfurt, Mitte Juli 1807
Sie ist in Kassel beständig bei den Mahlern gehockt und mahlt lauter roh Fleisch in Oehl. Einen armen talent vollen Buklichen hat sie auf eigne Kosten nach Paris geschickt. Alles liebt sie und betet sie an, und die jungen Männlichen Genies, fliehen den Genius, der in mir gegipfelt ist, und finden ihn aüßerst angenehm in ihr, weil er dort gespalten ist. Es ist sehr drollicht, daß ein Frauenzimmer so viele Narren macht, und ein Mann so wenige Kluge. So eben geht Betine mit ihrem Schreibebuch zum erstenmahl zur alten Göthe, sich erzählen zu lassen und auf zu schreiben. 115
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 23. Juli 1807
Clemenz ist wüthend in die Auguste Busmann verliebt, und sie auch in ihn, vergiest ihren Oficier. Das giebt auch eine Geschichte.
96 97
17. Mai. Nr. 252.
CIX
Chronik und Stimmen der Umwelt
24. Juli: Im Frankfurter Palais Thurn und Taxis, der Residenz des Fürstprimas, sieht B den von Tilsit kommenden Napoleon, der kurz Station macht und mit Dalberg über die Rheinbundpolitik verhandelt. B verfolgt Napoleons Abreise mit Claudine Piautaz, Bruder Clemens und dessen neuer Liebschaft, der sechzehnjährigen Auguste Bußmann, die ihn in aller Öffentlichkeit durch leidenschaftliche Umarmung brüskiert. 27. Juli: Clemens und Auguste fliehen nachts mit Bruder Christian von Frankfurt nach Kassel, wo sie bei Schwager Jordis und Schwester Lulu Anschluß finden.
116
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 28. Juli 1807
Dazu ist auch jetzt alles in Gehrung über Clemenz Liebesabentheuer 〈…〉 Am Freytag kam der Kayser hier durch 〈…〉 Clemenz hat die Busmann entführt 〈…〉. 18. August: Gründung des von Napoleon abhängigen Königreichs Westphalen mit Kassel als Haupt- und Residenzstadt. Jordis wird Hofbankier des zukünftigen Königs Jérôme, eines Bruders Napoleons. 21. August: Clemens und Auguste werden in Fritzlar katholisch getraut. 25. September–etwa 6. Oktober: Arnim reist mit seinem väterlichen Freund, dem Musiker und politischen Schriftsteller Johann Friedrich Reichardt, der ebenfalls vor Napoleon nach Ostpreußen geflüchtet war, von Königsberg nach dessen Landsitz in Giebichenstein (bei Halle), das dem Königreich Westphalen zugeschlagen wird. Etwa Mitte Oktober: Arnim schreibt in Giebichenstein sein erstes Liebesgedicht an B – Amor der Tintenjunge –, das sie jedoch ebensowenig wie den zugehörigen Brief erhält.98 22.–Ende Oktober: Aufenthalt Bs und Melines in Kassel bei Jordis und Lulu, Clemens und Auguste. 23. Oktober: Abreise Clemens’ von Kassel nach Giebichenstein, wo er Arnim wiedersieht.
98
Vgl. Nr. A.6.
CX
Chronik und Stimmen der Umwelt
1.–10. November: B sieht in Weimar Freunde und Verwandte wieder und erwirbt sich die Duz-Freundschaft Goethes, mit dem sie täglich zusammen ist und der alle freundlich bewillkommnet: B und die Schwester Meline, die aus Kassel angereist sind; Savigny und seine Frau Kunigunde, die am 2. November aus München eintreffen; Arnim, Clemens und Reichardt, die am 7. oder 8. November von Giebichenstein kommen. Am 11. November fahren alle – außer Reichardt – in drei Kutschen nach Kassel ab.
117
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 1. November 1807
Nach Tische kamen die Demoiselles Brentano. Abends bey Mad. Schopenhauer. 118
Friedrich Wilhelm Riemer, Tagebuch, Weimar, 1. November 1807
99
Zur Schoppenhauer. Große Gesellschaft. Naivität der Bettina Brentano. Sie hat etwas von der Humboldt und von der Mine Wolf. 119
Stephan Schütze, Tagebuch, Weimar, 1. November 1807
Msl. Brentano’s männliches freies Wesen. 120
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 2. November 1807
Mittags die Demoiselles Brentano zu Tische.
99
Mit Goethe.
CXI
Chronik und Stimmen der Umwelt
121
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 3. November 1807
Waren Savignys angekommen und brachten ein Packet von Jacobi, worin der Satyros befindlich.100 Besuchte ich dieselben und ging nachher zu der Princeß Caroline101, wo Frau von Stein gegenwärtig war. 〈…〉 Mittags Savignys und die beiden Brentanos. Viel über München und die dortigen Verhältnisse. Um 5 Uhr Probe von der Nacht im Walde.102 Nach 7 zu Savignys zum Thee, wo die drey Schwestern103 viel von ihren Reisen erzählten. 122
Friedrich Wilhelm Riemer, Tagebuch, Weimar, 3. November 1807
Mittags die beiden Brentanos und die Savigny mit ihrem Manne. Über Tisch mit der Bettine gespaßt. 123
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 4. November 1807
Hofkammerrath104 wegen Theaterangelegenheiten 〈…〉 Nachher auf die Bibliothek, wo die Fremden waren. Zu Tische Herr und Frau von Savigny und die beyden Demoiselles Brentano. 124
Friedrich Wilhelm Riemer, Tagebuch, Weimar, 4. November 1807
Mittags die beiden Brentano und Mad. Savigny. Viel über München.
100 Eine Abschrift des Goetheschen Dramas Satyros oder Der vergötterte Waldteufel (1773) von unbekannter Hand. 101 Caroline Louise Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. 102 Nicolas-Marie Dalayracs komische Oper Zwei Worte oder Die Nacht im Walde (Aufführung am 7. November). 103 B, Meline Brentano und Kunigunde von Savigny. 104 Franz Kirms.
CXII
Chronik und Stimmen der Umwelt
125
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 5. November 1807
Abends Probe im Theater von Zwey Worte105. Nachher bey Mad. Schopenhauer mit Brentanos und Savignys. 126
Friedrich Wilhelm Riemer, Tagebuch, Weimar, 5. November 1807
106
In den Thee zu Madame Schoppenhauer. Sang die Brentano zur Guitarre.
127
Stephan Schütze, Tagebuch, Weimar, 5. November 1807
Thee bei Sch107 die Brentano erzählt von der Tian108. 128
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 7 November 1807
Mittags Bettine Brentano und Herr und Frau von Savigny. 129
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 8 November 1807
Mittags allein, Demoiselle Engels mit zu Tisch. Nachher Bettine Brentano. Abends zu Falk zur Kindtaufe. Nachher zu Mad. Schopenhauer, wo die sämmtlichen Fremden und sonst viele Gesellschaft, Reichardt und Arnim. Der erstere sang einige Lieder.
105 106 107 108
Vgl. Anm. 99. Mit Goethe. Schopenhauer. Pseudonym der Günderrode.
CXIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
130
Stephan Schütze, Tagebuch, Weimar, 8. November 1807
Thee der Sch109 an 20 Personen. Mit Meyern über die Kunst, mit der Bettina über die Musik. Capell. Reichard. Arnimm. Weisser pp. Goethe kommt spät vom Gevatterstand bei Falk. 131
Caroline Bertuch an Ludwig Friedrich Froriep, Weimar, 15. November 1807
〈…〉 wir waren bey Falcks110 bis gegen 8 Uhr, den giengen wir zusammen bey die Schoppenhauer wo wir Lottchen111 fanden, und liesen uns von Reichart was vor singen und spiehlen, und der Bediene was vor resonniren. Stoll und Seckendorf waren um diese Zeit, auch auf ein paar Wochen von Wien hier, und mit bey der Schoppenhauer eingeführt. 132
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 9. November 1807
Mittags Savignys, zwey Demoiselles Brentanos, Reichardt, Arnim und Clemens Brentano. Komische Geschichten aus der Unglücksepoche des preußischen Staates. Abends Tasso, wovon ich einen Act sah.112 Nachher zu Hause, mit Hofrath Meyer.
109 110 111 112
Schopenhauer. Am 8. November.. Froriep. Vgl. B an Friedrich Heinrich Jacobi, 15. Oktober 1808: Wenn je Leidenschaftliches Andenken in meinem Herzen gezükt hat, so ist es das von Goethe, eines Abends hatte er mich ins Theater gebracht, es war Tasso; Er ging weg; die Vorstellung ward mir langweilig, Die Kraftworte, die sprudlenden Feuerquellen des Geistes, wurden als Zierde der Darstellenden gebraucht ich ging mit Freude nach Hauß, weil mir Goethe versprochen noch eine Stunde mit mir zu bleiben allein er ward verhindert, nun fühlte ich den Enthusiasmus den mir Die Hoffnung ihn noch zu sehen erregt hatte, mit schwehrem Fittig sich niedersenken (Nr. 440, 25-38).
CXIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
133
Friedrich Wilhelm Riemer, Tagebuch, Weimar, 9. November 1807
Mittags Brentanos, Savigny, Reichardt, Arnim und Clemens Brentano zu Tisch. Neben diesem und Bettinen gesessen. Über Friedrich Tieck, über die Nibelungen und sonstiges. Zwei junge Leute in Cassel113, die schöne Kenntnisse und Sammlungen, die altdeutsche Literatur betreffend. 134
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Weimar, 10. November 1807
Las Hofrath Meyer seinen Aufsatz über das Colorit der Alten vor. Zu Frau von Savigny. Nachher Mittags Bettine Brentano und Elsermann. Familiengeschichten der ersten. Kam Arnim nach Tische. 135
Caroline Froriep an Ludwig Friedrich Froriep, Weimar, 15. November 1807
Die erste Novbr. Woche hatten wir einen Theil der Brentanoschen Familie hier, die wir einige mal bey der Dame Schoppenhauer sahen; die eine Schwester von Clemens, Bediene, ist der Mühe werth auf einen Abend zu sehen, ein Mädchen die als Courier in Mannskleidern von Frankfurth nach Berlin reißt, die den Sommer, statt unter den Bäumen, auf den Bäumen mit ihren StrickZeuge sitzt und arbeitet; wen sie in das Sprechen kömmt, ist es wie ein aufgezognes Uhrwerck, daß fort schnurt bis es abgelaufen ist. Für Göthe hatte sie unendliche Zärtlichkeit, so daß sie bey ihrer Abreise, noch den glücklichen Weimarischen Boden geküßt hat, der ihn trägt; denn bey Arnim in den Wagen steigt sich in den Thore für seine Frau ausgiebt, und trostlos davon fährt. Eigendlich soll aber Arnim der Frau v. Savingné, der Schwester, die Cour machen. Göthe war von alle den Brentanoschen treiben, so niedergearbeitet, daß er, wie Reichart auch noch kahm, sich nach Jena flichtete, wo er noch ist, und bleiben wird, bis er von hier weg ist; doch Reichart scheint keine Eile zu haben. 113 Jacob und Wilhelm Grimm.
CXV
Chronik und Stimmen der Umwelt
136
Friedrich Wilhelm Riemer, (1841)
Mittheilungen über Goethe
Die Dame beklagte sich schon 1807, im zweiten Stadium ihres zwischen Mignon und Philine einschillernden, übrigens noch durch ein eigen B r e n t a n o’sches Ingridiens nüancirten Attachements, an einem schönen Morgen, gegen mich, der damals in G’s Hause lebend, von Manchem Augen- und Ohrenzeuge war, daß G. so w u n d e r l i c h und s o n d e r b a r sich gegen sie zeige, das heißt in seiner Sprache: nur eben p a s s i v verhielt. 〈…〉 Was nun zuvörderst die S o n e t t e betrifft, die B e t t i n e sich bona fide114 als an sie gedichtet und gerichtet aneignet115, so hat G. solche weder a n sie noch a u f sie g e d i c h t e t; an sie g e s e n d e t eins oder das andere, das ist möglich, sogar gewiß, da er einmal gern das Neueste seinen Freunden und Freundinnen mittheilte, entweder vorlesend, oder bei intimerem Verhältniß auch wohl abschriftlich. Weil Etwas ins Allgemeine erhoben war, konnte eine Jede es zu ihr gesagt sich schmeicheln oder glauben. Schreibt er doch an B., sie sollte sich beifolgendes Gedicht aneignen, und als an sie gesagt, aufnehmen, weil er ihr nichts Besseres zu sagen wisse. Aber den Stoff hat er nicht von ihr empfangen, oder entlehnt, und etwa nur in poetische Formen gestaltet, ihr wieder zugestellt. So arm konnte Goethe’s Phantasie und Herz auch im sechzigsten Jahre nicht sein, daß er Empfindungen von B e t t i n e n erst entlehnen mußte, um sie nur, wie ein griechischer Hypophetes116 die begeisterten Naturlaute der somnambülen Pythia, in Verse zu bringen. Der Stoff ist ganz wo anders her, und eine Menge in den S o n e t t e n vorkommender Umstände kann schon dem Ort und der Zeit nach, auch gewisser Verhältnisse wegen, gar nicht auf B e t t i n e n bezogen werden. Die nähere Auseinandersetzung dieser Unmöglichkeit kann hier nicht gegeben werden; nur so viel ist zu sagen, daß ein Dutzend dieser Sonette schon 1807, vom 29. November Adventus domini117 an bis 16. Dezember, in Jena verfertigt und durch meine Hand gegangen, Z e l t e r n unter dem letztern Datum verheißen wurden, und ihm auch den
114 115 116 117
In guter Absicht. In Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde. Vermittler einer göttlichen Botschaft. Ankunft des Herrn.
CXVI
Chronik und Stimmen der Umwelt
22. Juni 1808 von Karlsbad aus wirklich zukamen. B e t t i n e war diesmal mit Schwestern und Bruder vom 1.–10. November in Weimar gewesen, und am 10., wo sie jene Klage gegen mich führte, wieder abgereist. Den folgenden Tag fuhr G. mit mir nach Jena, wo wir bis zum 18. December incl. blieben, und erklärte sich im Gespräch mit mir über B. nicht eben als leidenschaftlicher Liebhaber, sondern nur als Bewunderer ihres geistreichen aber auch barocken Wesens. Während dieses Augenthalts wurden in den abendlichen Lesezirkeln bei Frommann, Knebel u. A. besonders Sonette von K l i n g e r, A. W. S c h l e g e l, G r i e s, und zuletzt von Z. W e r n e r, der persönlich in diese Kreise eingetreten war, vorgelesen, und im Stillen auch von G. versucht – wie es seine Art war, sich von berühmten Mustern und Vorbildern anregen zu lassen – und zwar gleich in einer gewissen Anzahl. In dieser kurzen Zeit also, mit wahrer »S o n e t t e n w u t h« gedichtet, können sie, auch wenn der Inhalt und sonst ein Umstand der Zeit oder des Orts nicht wiederspräche, gar nicht auf B e t t i n e gemeint oder gemünzt seyn. Mitte November–Ende Dezember: In Kassel arbeiten Arnim und Clemens an der Fortsetzung des Wunderhorns. Umgang Bs mit Arnim und den Brüdern Grimm.
137
Korrespondenz-Nachricht aus Kassel, 26. November 1807
Schaarenweise kommen schon Fremde, besonders Künstler und Professionisten hier an, die auf Kassel, als die neue Residenz eines Königreichs, spekuliren zu können glauben; auch die Musen, die bisher so wenig hier begünstigt waren, hoffen jetzt eine angenehme Freystätte am Hofe des Königs118 zu finden, und das an Gelehrten und Schriftstellern sonst so arme Kassel zählt deren schon mehrere in seiner Mitte, unter anderen Clemens B r e n t a n o und Achim v o n A r n i m, die Herausgeber des W u n d e r h o r n s, in deren Gesellschaft der bekannte geniale und gelehrte Civilist Professor v o n S a v i g n y sich einige Zeit aufhalten wird.
118 Jérôme Bonaparte.
CXVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
138
Clemens Brentano an Johann Georg Zimmer, Kassel, Anfang eines am 29. November 1807 beendeten Briefes119
〈…〉 melde Ihnen nur, daß ich zu Giebichenstein vierzehn Tage bei Arnim im Reichardschen Hauße war, sodann mit ihm nach Weimar gereiset bin, wo sich Savigny mit Familie und Bettine und Meline befanden, dort sind wir täglich bei Göthe und er bei uns gewesen, und haben uns gegenseitig liebgehabt, so dann ist die Ganze Caravane in drei Kutschen nach Cassel gefahren, von wo Savigny nächster Tagen nach Fft120 geht, den Winter dort zu bleiben. Arnim bleibt einige Wochen hier um den zweiten Band des Wunderhorns mit mir zu arrangiren 〈…〉 26. November: Erster Brief Bs an Goethe nach der zweiten Weimarer Begegnung.121 27. November: Savignys verlassen Kassel in Richtung Frankfurt. Ende November–Mitte Dezember: Goethe schickt B seine Sonette Ein Strom entrauscht umwölcktem Felsensaale und War unersätt-
lich nach viel tausend Küssen.122 10. Dezember: Jérôme wird in Kassel zum König Westphalens gekrönt. 20. Dezember: Abreise Bs von Kassel nach Frankfurt.
1808 Januar–Mitte Mai: B lebt im Goldenen Kopf, erhält Unterricht von Privatlehrern, komponiert Lieder aus Goethes Faust-Fragment und dem im Frühjahr erscheinenden vollständigen ersten Teil des Dramas, ist oft bei seiner Mutter. Sie interessiert sich für das vom neuen Ober-SchulCuratelamt des Primatialstaates geförderte Schulwesen, besucht öffentliche Prüfungen und vor allem das Philanthropin, eine reformpädagogische Bildungsanstalt für alle Juden, über die sie dem interessierten Goethe berichtet (Briefe Nr. 303, 340, 349). 119 Daß Brentanos Brief früher begonnen wurde, läßt sich erschließen 1) aus Arnims Briefexzerpt an Charlotte Schwinck vom 27. November (WAA XXXIII, Nr. 606.E), das am selben Tag geschrieben wurde, an dem er Savignys verabschiedet hatte, und 2) aus Arnims Brief an Zimmer vom 28. November (ebd., Nr. 608), in dem er sich auf Brentanos Brief als einen bereits geschriebenen bezieht. 120 Frankfurt. 121 Nr. 286. 122 Nr. 287.
CXVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
4. Januar: Die von Carl Theodor von Dalberg erlassene Neue Stättig-
keits- und Schutz-Ordnung der Judenschaft zu Frankfurt a. M., deren Verfassung, Verwaltung, Rechte und Verbindlichkeiten betr. tritt in Kraft.
139
Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Frankfurt, 15. Januar 1808
Unter den Christen gibts hir außer Masqen und Casino Bällen nicht neues, aber das Volck Israhel zu deusch die Juden sind an ihrem Mesias etwas irre geworden, Unser gnädigster Fürst Primas erlaubte ihnen zum Anfang Seiner Regirung die Spatzirgänge vor den Thoren mit den Christen gemeinschaftlich zu gebrauchen – da bildeten sie sich nun ein das es immer weiter gehen würde und sie sahen die Thore des neuen Jerusalems sich öffnen – aber da kam bey Varrentrapp und Wenner etwas dedruckes ehraus das dem neuen Jerusalem gar nicht ähnlete und sie stutzig machte – Neue Stättigkeit und Schutz-Ordnung der Franckfurther Judenschaft – ein wahres Meisterstück in seiner art Bey Gelegenheit schicke ich dir es – nun kommen allerley Epigramen in Umlauf – witzig sind sie ob aber alles von ihnen kommt ist noch die Frage eins aber gefält mir besonders – das sonst sogenandte Eschenheimer Thor heißt jetzt das Carls Thor123 im hinaus gehen steht ein lateinisches – gucke einmahl sagte ein Jude zum andern das erste Virtel – guck einmahl was draus steht sagt der andre C siet du net es ists letze Virtel. Etwa 6. Januar: Wiedersehen Bs in Frankfurt mit Arnim, der Kassel ebenfalls verlassen hat. Etwa 23. Januar: Weiterreise Arnims nach Heidelberg, um an der Fortsetzung des Wunderhorns zu arbeiten und eine unkonventionelle Zeitung vorzubereiten. Anfang März: Bekanntschaft Bs mit Franz Joseph Molitor, Vorstandsmitglied und Lehrer am Frankfurter Philantropin, Geschichtsphilosoph, Propagandist der Emanzipation der Juden.
123 Anspielung auf Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg.
CXIX
C
Chronik und Stimmen der Umwelt
16.–19. März: Wiedersehen Bs mit Arnim, der wegen Beratungen über die Ehekrise zwischen Clemens und Auguste Brentano nach Frankfurt kommt. 21.–24. März: Reise Bs mit Schwägerin Antonia nach Miltenberg am Main, wo Georg Joseph Anton Schwaab, der ehemalige Buchhalter des Brentanoschen Handelshauses, die Handlung seines verstorbenen Bruders übernommen hat. Ende März: B schickt Goethe auf dessen Wunsch Druckschriften der Juden (Goethe, Tagebuch, 1. April). 1. April: Die erste Nummer der von Arnim herausgegebenen Heidelberger Zeitung für Einsiedler erscheint. 8.–22. April: Goethes Sohn August hält sich auf der Reise zum Studium nach Heidelberg in Frankfurt auf, wo B ihn betreut. 23. April: In der Zeitung für Einsiedler erscheint in Arnims Fortsetzungsserie Scherzendes Gemisch von der Nachahmung des Heiligen eine Passage, der ein von ihm überarbeiteter Märchenanfang Bs zugrunde liegt. 29. April: Clemens, der Kassel verlassen hat, trifft in Heidelberg bei Arnim ein. Mai: Nachdem der Frankfurter Lehrer Julius Bernhard Engelmann die Eröffnung eines pädagogischen Instituts für Mädchen mit dem Programm
Einige Gedanken über Erziehung und Unterricht, besonders der Töchter; als Ankündigung einer Erziehungsanstalt für Töchter aus den gebildeten Ständen angekündigt hat, nimmt B gegen dessen elitäre und pathetische Tendenz in einem Aufsatz Stellung.124 11. Mai: In der Zeitung für Einsiedler erscheint Bs Seelied mit dem Namenskürzel B. 13. Mai: Savigny wird an die Universität Landshut berufen. 19. Mai–21. Juni: Mit Claudine Piautaz, Bruder Georgs Ehefrau Marie, deren Mutter und Kindern sowie Schwester Meline und anfangs auch Bruder Christian Aufenthalt Bs auf einem von Franz Brentano erworbenen Gut in Winkel im Rheingau. Ausflüge in die Umgebung. Anfang–20. Juni: Besuch Arnims in Winkel.
124 Vgl. B/WuB I, S. 1172–1176 und Erl. dazu.
CXX
Chronik und Stimmen der Umwelt
140
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Winkel, 10. Juni 1808
Arnim ist hier und das liebespaar schwimmt in Seeligkeit. 141
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Winkel, 22. Juni 1808
Die Bettine und ich passen gar nicht zusammen, ich bin ihr in allem, bis auf die geringste Kleinigkeit ganz entgegengesetz; wie sollte sie daher wissen können was mir nöthig thut; Ich kenne die Bettine nur wenig, sie kennt mich nur wenig. Ich bin ihr durchaus nichts in Leben, so wie sie mir nichts. Wir lieben uns gegenseitig, weil wir uns nicht im Wege stehen so wie wir uns gegenseitig nicht lieben würden wenn dies der Fall wäre. Ich habe die gröste Achtung für ihren Verstand, den ich verehre aber nicht begreifen kann. Ich glaube mit Dir, daß Sie feinen Tackt hat um Menschen zu beurtheilen, aber nur was den Geist angeht, ins Bürgerliche worin ich stehe kann sie nicht einsehen. So zum Beyspiel hat sie den Rumor immer als einen guten Mann für mich gehalten, und ich wäre doch höchst unglücklich geworden, wenn er auf einmal aus den Wolken seines Entzükens über mich herunter gekommen wäre und mich so ganz anders gefunden als er geglaubt. Wenn allenfals H.125 kömmt, so will ich wohl der Bettine ihre Meynung und Gefühl über ihn erfragen, aber bis dahin kann ich ihr durchaus nichts davon sagen, denn ich habe nun einmal so Engelsgut sie ist, kein Vertrauen in sie. 22. Juni–8. Juli: B in Frankfurt, Offenbach und bei Savignys in Trages. 24. und 26. Juni: In Frankfurt Begegnungen Bs mit Germaine de Staël und ihrem Reisebegleiter Simonde de Sismondi, die von einer Deutschlandtour in die Schweiz zurückkehren. Bs Verhalten zu der berühmten Schriftstellerin ist von Eifersucht geprägt.
125 Harbaur.
CXXI
Chronik und Stimmen der Umwelt
142
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Winkel( ? ), 6. Juli 1808
Über was ich Dir über mein Verhältniß zur Bettine geschrieben, hast Du mich grausam und hart beurtheilt, und mißverstanden. Es scheint seid einiger Zeit mein Loß zu sein unrichtit verstanden und beurtheilt zu werden. Es thut mir sehr leid. 9.–Mitte Juli: Nochmals Aufenthalt Bs in Winkel. Ab Mitte Juli: Aufenthalt Bs mit Verwandten in Schlangenbad. Ab etwa 5. August: Besuch Arnims in Schlangenbad. 13. August: B und Arnim mit Freunden und Verwandten von Schlangenbad nach Winkel. Ab Mitte August: Rheinreise der Badegesellschaft, zu der sich Rumohr gesellt, bis Köln. 26. oder 27. August: Ankunft Bs und Arnims von Köln in Frankfurt, von wo Arnim nach Heidelberg weiterreist.
143
Charlotte Kestner an ihren Bruder Hermann Kestner, Straßburg, vmtl. Anfang September 1808
In Frankfurt war ich ausnehmend vergnügt, besonders aber mit 126Brentano, denn August127 war viel krank und darum konnte ich nur solche Menschen sehen, wo ich keine Diners zu erwarten hatte und wo ich in jeder Tageszeit wohlgelitten war. Von Bettine Brentano habe ich dir wohl schon ehr gesagt. August war sehr gegen sie und das ganze Wesen im Hause eingenommen, wie er vor drei Jahren dort war, allein ich meyne es ist jetzt anders. Sie amüsirte mich am Meisten in dem Hause, denn ihr Geist ist rastlos, alles aufzusuchen was aus dem Menschen werden kann und was von dem menschlichen Geiste hervorgebracht ist. Sie hat auserlesene Kupferstiche, nicht in Sammlungen, aber wenn sie von was Gutem hört, das läßt sie sich verschreiben, so z. B. die Dürersche Bibel, die du gewiß noch nie gesehen hast, es ist das Zarteste von Contouren mit leichter Feder dahin gemacht was nur kann gedacht werden. Meistens Allegorie auf die Historien in der Bibel 126 Georg. 127 Bruder Charlotte Kestners.
CXXII
Chronik und Stimmen der Umwelt
oder heilige Geschichte; wenn man auch jeden Bezug nicht allemal kennt, ist doch in jeder Schnörkeley unter einander die größte Uebereinstimmung.128 Ferner alte Oelgemälde, und so mancher Künstler, der sein Heil an ihr versucht, weil sie wirklich etwas höchst Originelles hat. Ich möchte es grade nicht vor der Welt gestehen, daß ich sehr für sie eingenommen bin, weil man mich für schwachköpfig und von Geniewesen verblendet halten würde. Wirklich hat sie Manches was sich nicht erklären läßt, aber auch Manches, was die Leute für Narrheit halten, thut sie um sie zum Besten zu haben und – auch was vorzustellen, denn von Eitelkeit halte ich diese Familie nicht ganz frey. – Doch ich breche kurz ab, sonst würde es weiter, als die Schranken des Briefwechsels gehen, hinausführen. Nun ist noch die jüngere Schwester Meline im Hause, die mir in mancher Hinsicht noch besser gefällt, sie ist groß, und hübsch kann man nicht sowohl sagen, als reizend, einnehmend und edel. Sie hat auch mehr Weiblichkeit als sonst da zu Haus ist. George Brentano gefällt mir auch sehr gut und hat eine äußerst schöne Frau, die auch sehr gut und lieb ist und dem ganzen Wesen mehr Ruhe einflößt. Demungeachtet kommt manchmal ein kleines schwarzes Ding in die Stube, macht einige Räder in der Luft und fällt auf das Kanape nieder, das ist dann niemand wie Bettine. Ich könnte dir noch Vieles von ihrem Verhältnisse mit Goethe erzählen; sie correspondirt mit ihm und hat mir Alles erzählt was je unter ihnen vorgegangen, was mich unendlich interessirt. 144
Erinnerung Charlotte Kestners (nach 1834)
Ich lernte B e t t i n e B r e n t a n o 1808 in Frankfurt kennen, als sie eben vom Rhein zurückkam, wo sie mit ihrer Familie nahe dem Niederwald bei Bingen in St. Clemens129 einige Zeit zugebracht hatte. Sie erzählte mir von ihrem Aufenthalte in Weimar die genausten Einzelheiten, wie sie es in dem Briefwechsel drucken ließ. Sie sprach mir so128 Zunächst fünfzehn Holzschnitte Albrecht Dürers zur Johannes-Apokalypse, die er 1498 in zwei Ausgaben (eine mit dem deutschen, die andere mit dem latateinischen Text) herausgab und aufgrund des Formats als Großes Buch bezeichnete. Danach folgten mit dem Marienleben und der Großen Passion noch zwei weitere Große Bücher. Alle drei wurden, auch zusammengebunden und gemeinsam verkauft, ein großer Publikumserfolg. B wird ein zusammengebundenes Exemplar besessen haben. 129 Winkel im Rheingau.
CXXIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
gar sehr zu, gerade da nach Weimar zu reisen, wozu ich mich in keiner Weise bewogen fühlte und es niemals wünschte. Bettine war damals mit Achim von Arnim versprochen, mit dem ich mich gut stand. Mit Bettinen auch, doch gefiel sie August gar nicht wegen ihres maaßlosen Wesens, welches jedoch niemals den Anstand verletzte. Arnim war sehr natürlich, fein, ehr zurückhaltend, schön, groß, ohne glänzend zu sein. Beide begleiteten mich oft Abends gegen Rödelheim sehr angenehm, wo ich bei meinem guten Onkel Hans Buff und Tante wohnte. Brentanos Gut war daselbst, Bettine interessirte und amüsirte mich sehr. Ich dagegen interessirte sie kaum. Sie war meist mit eigenen sprudelnden Gedanken beschäftigt, ehr ernst als ich. Sie war so merkwürdig wie ich niemals wieder Jemand, d. h. einer Dame, begegnet bin. 31. August: Das letzte reguläre Stück von Arnims Zeitung für Einsiedler erscheint. Ende August–Mitte September: Kleinere Reisen und Aufenthalte Bs, teils mit Arnim. 13. September: Tod von Goethes Mutter in Frankfurt. 17. September: Trennung Bs und Arnims in Aschaffenburg. Während sie mit Savigny, seiner Frau Kunigunde und deren beiden Kindern, mit Bruder Clemens und dessen Frau Auguste nach Landshut abreist, wo Savigny seine Professur antritt, kehrt Arnim, begleitet von dem Philosophieprofessor Windischmann, nach Heidelberg zurück.
145
Ludwig Achim von Arnim, Zueignung (erste und letzte Stanze) seines Erzählzyklus Der Wintergarten (1809)
Es war an des Orangengartens Pforte, Wo Dich der Wagen donnernd von mir riß; – Ich sah ihm nach, – so blieb an diesem Orte Noch etwas mir auf weiter Welt gewiß, – Der Wagen schwand, der Schmerz kam nun zu Worte, Es drückte mich der Thränen Finsterniß: All was mir lieb, es sind nun bloß Gedanken, Und was mir nah, es sind der Aussicht Schranken. 〈…〉
CXXIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
Wenn wir vereint zum Tempel wieder steigen, Wer scheidet dann, was j e d e m lieb am Rhein, All, was uns lieb, das wird sich u n s e r zeigen! Wird Dir die Frucht des Gartens lieblich seyn, So ist sie ohne Zueignung Dir eigen Und wird in Deiner Lust dann doppelt mein; Des Fernen Trost must Du mit Lust nun lesen, Denn mir gilt n i c h t s , was mir a l l e i n gewesen. 17.–27. September: Die Reisegesellschaft fährt in zwei Kutschen von Aschaffenburg über Nürnberg, Neumarkt und Regensburg nach Landshut und von dort nach München, von wo aus sich Savignys in Landshut etablieren. Letztes Drittel September: Der zweite und dritte Band der Arnim-
Brentanoschen Sammlung Des Knaben Wunderhorn und Arnims Tröst Einsamkeit, die Buchausgabe seiner Zeitung für Einsiedler, erscheinen. 27. September–14. Oktober: Erfurter Fürstenkongreß mit Napoleon, dem Zaren Alexander I. und den Rheinbundfürsten. Goethe wird von Napoleon empfangen und erhält das Kreuz der französischen Ehrenlegion.
146
Königlich Bairischer Polizey-Anzeiger von München
27. September 1808 im Schwarzen Adler, Kaufingerstraße: Hr. Doktor Brentano mit Familie von Frankfurt. Ende September–Anfang Oktober: B zieht, anfangs mit Savignys, Clemens und Auguste Brentano, in das Pilgramhaus in der Münchner Rosenstraße (später Rosenstraße 11, abgerissen) nahe dem Marienplatz zu einer alten Bekannten der Brentano-La Rocheschen Familie: Elisabeth, geb. Pestel, verheiratet mit dem während der Revolution nach Deutschland emigrierten Charles Louis Antoine de Moy de Sons. Oktober: In München hat B Umgang mit zahlreichen Gelehrten, Diplomaten und Künstlern: mit Friedrich Heinrich Jacobi, Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, alter Bekannter ihrer Großmutter Sophie von La Roche und ihrer Mutter Maximiliane; mit dessen Sohn, dem Medizinalrat Maximilian Jacobi, und seiner Familie; mit Friedrich
CXXV
Chronik und Stimmen der Umwelt
Lothar von Stadion, der als österreichischer Gesandter in München die diplomatische Mission hat, Bayern zur Teilnahme am Krieg gegen Napoleon zu gewinnen, und mit B über ihren Großvater Georg Michael von La Roche entfernt verwandt ist; mit dem Münchner Oberstbergrat und philosophisch-theologischen Schriftsteller Franz Xaver von Baader; mit dem Landshuter Theologieprofessor und späteren Regensburger Bischof Johann Michael Sailer, Repräsentant einer duldsamen Frömmigkeit des süddeutschen Katholizismus; mit dem Grafen Alexander von Westerholt, Chefunterhändler und diplomatischer Beauftragter des Fürsten von Thurn und Taxis in München; mit dem Kunstkenner Sulpiz Boisserée (17. Oktober–3. November in München), mit Ludwig Tieck und seiner Schwester Sophie Bernhardi (beide ab 19. Oktober aus Wien in München); mit dem Übersetzer Johann Diederich Gries (um den 20. Oktober einige Tage in München); mit dem Anatomen Samuel Thomas Soemmerring und dem Kupferstecher Carl Heß (beide Langzeit-Münchner).
147
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 28. September 1808
Savigny mit Bettina B. 148
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 30. September 1808
Mittags Savignz c uxore130, Brentano et ux131 geb. Bussmann. Bettine über Gespenster – Dr. Schlosser. Viel über d’Alton – Ritter – Good God. what a character. 149
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 5. Oktober 1808
Zu Jacobis wo Brentanos sitzen. Savignys, Bettinchen Plaudertasche.
130 cum uxore (mit Gattin). 131 et uxore (und Gattin).
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Chronik und Stimmen der Umwelt
Miss Lene132 üble Laune – sagt der Frau v Savigny deßwegen sollten sie sich nicht bemühen, weil Max133 käme. Händedrücken. Clemens kommt einen Augenblik. Lachen und Spotten nachdem sie kaum zur Thüre hinaus sind. 150
Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, München, 10. und 11. Oktober 1808
Recht rührend ist mir die Neigung, ja der innre Zwang, der in ihr ist, sich mit berühmten Männern vertraut zu machen, Sie ist täglich bei Jakobi, und ihre Hände ruhen oft unbewust freundlich beim Gespräch in einander. 〈…〉 Morgen ist Sitzung in der Akademie und wir werden oben auf der Gallerie zusehen, Betine hat dem Jakobi gesagt, sie wolle ihm auf den Kopf spucken, und das ist zum Unglück bekannt in der Stadt geworden, nun wird es nicht gehen. 151
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 13. Oktober 1808
Zu Brentanos – Graf Stadion 152
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 15. Oktober 1808
Zu Brentanos wo Stadion ist. Mitte Oktober: Savigny, Clemens und Auguste Brentano etablieren sich in Landshut, während B und Gunda mit deren Kindern in München bleiben.
132 Helene Jacobi. 133 Maximilian Jacobi.
CXXVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
153
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 26. Oktober 1808
Zu Bettina, Tieck kommt. 154
Joseph Görres an Ludwig Achim von Arnim, Koblenz, 1. Februar 1809
Von München hat mir Boissere Nachrichten gebracht, die mich orientirt haben. Mir ist lieb, daß ich nicht nach Landshut gegangen. Die allerarmseligste und ungeschikteste Intrigue rumort an dieser Akademie. Jakobi ist durch seine Weiber134 und seine Schwäche ganz erbärmlich befangen. Mit Bettine sind sie gar übel daran, sie windet sich ihnen wie eine zahme Schlange um die Beine, sie fürchten aber die Giftzähne seyen nicht gehörig ausgebrochen und jeden Augenblick könne ein tödtlicher Biß folgen. Savigny trauen sie nicht mehr, so sehr auch seine Frau alles gleich zu streichen sucht. Clemens können sie natürlich gar nicht leiden, und haben den Schmerzensausruf bey der Gelegenheit sich entfahren lassen: der wird wohl auch noch den Arnim ins Land bringen. 155
Elisabeth Campe über Johann Diederich Gries (1855)
Bettina Brentano machte ihm keinen angenehmen Eindruck, sie kam ihm vor wie eine Caricatur der Mignon. 156
Friedrich Jacobs, Erinnerung (1840)
Auch Bettine Brentano schlug damals ihre Wohnung in München auf. Ich habe sie nur wenig gesehn, und noch weniger gekannt. Aber auch bei flüchtiger Bekanntschaft konnte man die eigenthümliche Originalität ihrer Familie nicht verkennen. Da sich diese aber äußerlich in der Sonderbarkeit von Tracht und Wesen herausstellte, so hielt man im Publicum das, was Natur in ihr war, für angenommen, und beschul134 Die Halbschwestern Charlotte und Helene Jacobi.
CXXVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
digte sie, ich weiß nicht ob mit Unrecht, daß sie das Wesen und die Naivität der Mignon nachzubilden suche. 24. Oktober: Auch Schwester Gunda übersiedelt nach Landshut, B bleibt mit deren beiden Kindern allein in München.
157
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 2. November 1808
Zu Jacobi. Humboldt, Breyer, Bettina. 158
Wilhelm von Humboldt an seine Frau Caroline, München, 4. November 1808
Jacobis sind von der äußersten Liebenswürdigkeit. Eine junge Brentano, Bettina, 23 Jahre alt, Carl Laroches Niece, hat mich hier in das größte Erstaunen versetzt. Solche Lebhaftigkeit, solche Gedankenund Körpersprünge (denn sie sitzt bald auf der Erde, bald auf dem Ofen), so viel Geist und so viel Narrheit ist unerhört. Das nach sechs Jahren in Italien zu sehen ist mehr als einzig. Sie hat mir den Tod der Günderode erzählt. Man ist wie in einer andern Welt. 159
Ludwig Achim von Arnim an B, Berlin, 15. (und 16.) Januar 1809
Ich komme eben aus einer Abendgesellschaft im Thiergarten bey Wolf, wo Humboldt mir erzählte, daß er Dich gesehen und daß Du eins der wunderbarsten Frauenzimmer und was denn so die Leute sagen, die ihre Erde nach allen Graden und Wendekreisen eingetheilt haben und können sich doch nicht gleich darauf zurecht finden. 5. November: Bekanntschaft Bs mit Caroline Schelling, die mit dem Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling seit 1806 in München lebt.
CXXIX
Chronik und Stimmen der Umwelt
160
Caroline Schelling an Luise Wiedemann, München, vmtl. zweites Drittel November 1808
Arg ists, daß, da Deutschland weit und breit genug ist, man so oft mit den nehmlichen Figuren sectirt [seckirt?] wird. Es scheint sich jetzt mancherley Volk auf die Art nach München ziehn zu wollen wie ehemals nach Jena. Wir besitzen alleweil die ganze Ange B r e n t a n o r e i; Savigny, ein Jurist, der eine von den Brentanos geheirathet, ist an Hufelands Stelle nach Landshut gerufen und bringt mit: den Clemens (Demens) Brentano sammt dessen Frau, eine Bethmannische Enkelin, die ihn sich entführt hat und eine abgeschmackte Kreatur seyn soll, auch lebt er ganz abscheulich mit ihr; dann Bettine Brentano, die aussieht wie eine kleine Berlinerjüdin und sich auf den Kopf stellt um witzig zu seyn, nicht ohne Geist, t o u t a u c o n t r a i r e135, aber es ist ein Jammer, daß sie sich so verkehrt und verreckt und gespannt damit hat; alle die Brentanos sind höchst unnatürliche Naturen. Um den 10. November: Bekanntschaft Bs mit dem Landshuter Theologieprofessor und späteren Regensburger Bischof Johann Michael Sailer.
161
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 15. November 1808
Bettina impudent lyer136 16. November: Arnim verläßt das bereits von Brentano und Görres aufgegebene Heidelberg, um nach Berlin zu reisen, wo er sich nach dem von Napoleon angekündigten Rückzug der französischen Truppen aus Preußen neue Wirkungsmöglichkeiten erhofft. Letztes Drittel November: Bekanntschaften Bs mit dem Münchner Hofkapellmeister Peter von Winter, bei dem sie Gesangsunterricht nimmt; mit dem bayerischen Kronprinzen, dem späteren König Ludwig I., dessen napoleonfeindliche Gesinnung sie schätzt; mit Ludwig Emil Grimm, dem jüngeren Bruder von Jacob und Wilhelm Grimm, der
135 Ganz im Gegenteil. 136 Unverschämte Lügnerin.
CXXX
Chronik und Stimmen der Umwelt
von Heidelberg gekommen ist, um sich bei Carl Ernst Christoph Heß zum Zeichner und Kupferstecher auszubilden; mit dem ebenfalls jungen Porträtmaler und Kopisten Friedrich Epp, der Bs Miniaturporträt malt, das sie Arnim schickt137, und außerdem für sie Dürers Selbstporträt im Pelzrock kopiert, das die Münchner Gemäldegalerie 1805 erworben hatte und dessen Kopie Goethe erst im September 1809 von B erhält.
162
Samuel Thomas Soemmerring, Tagebuch, München, 8. Dezember 1808
Zu Savignys – Indecent138 Bettina. Cazzo di Cavallo.139 10.–Ende Dezember: Aufenthalt Bs bei Savignys und Brentanos in Landshut. Bekanntschaft mit einem studentischen Freundeskreis um Johann Nepomuk Ringseis, von dem Arnim in seiner Zeitung für Einsiedler religiös-patriotische Gedichte veröffentlicht hatte.
163
Ludwig Tieck an Friedrich Carl von Savigny, München, 12. Dezember 1808
Grüssen Sie Ihre liebenswürdige Gattinn, und die bizarre, anmuthige, tiefsinnige, lustige, melankolische Bettine. Es fehlt mir ein grosses Stück von meinem Wesen, daß das Haus in der Rosen-Gasse jezt leer steht. 13. Dezember: Savigny leistet Tieck Bürgschaft für ein auf drei Monate befristetes Darlehen von 1000 Gulden, das diesem die Münchner Bankiers Gebrüder Nockher gewährt haben. Da Tieck den Rückzahlungstermin nicht einhält, kommt es im Verlauf des Jahres 1809 zwischen ihm und Sophie Bernhardi einerseits, Savigny und B, die den Juristen unterstützt, andererseits zu einem eskalierenden Konflikt.
137 Vgl. Frontispiz und Erl. dazu. 138 Unanständig, ungehörig. 139 Vulgär für: Penis des Pferdes.
CXXXI
Chronik und Stimmen der Umwelt
Ende Dezember: Ankunft Arnims in Berlin, das er vor zweieinhalb Jahren verlassen hatte.
1809 Ab Anfang Januar: B verkürzt Tieck, der an Gicht erkrankt ist, die Zeit an seinem Krankenbett. Sie nimmt Klavierunterricht bei Sebastian Bopp, dem Musiklehrer des bayerischen Kronprinzen, und lernt Italienisch. Bis zum Sommer näherer Umgang mit Ludwig Emil Grimm und Rumohr, die sie auf Ausflügen in die Umgebung begleiten.
164
Caroline Schelling an Pauline Gotter, München, 1. März 1809
Da kürzlich in einem Allmanach eine Erzählung von Goethe unter der Benennung d i e p i l g e r n d e T h ö r i n140 stand, glaubt ich, er könnte niemand anders damit gemeint haben als eben Deine Nebenbuhlerin, doch paßt die Geschichte gar nicht, aber jener Name paßt wie für B e t t i n e B r e n t a n o erfunden. Hast Du noch nicht von ihr gehört? Es ist ein wunderliches kleines Wesen, eine wahre Bettine (aus den venetianischen Epigrammen141) an körperlicher Schmieg- und Biegsamkeit, innerlich verständig, aber äußerlich ganz thöricht, anständig und doch über allen Anstand hinaus, alles aber, was sie ist und thut, ist nicht rein natürlich, und doch ist es ihr unmöglich anders zu seyn. Sie leidet an dem Brentanoischen Familienübel: einer zur Natur gewordnen Verschrobenheit, ist mir indessen lieber wie die andern. 〈…〉 Hier kam sie142 mit ihrem Schwager Savigny her, welcher in Landshut angestellt ist, blieb aber ohne ihn, um singen zu lernen und Tiek zu pflegen, der seit Weinachten an der Gicht kläglich danieder liegt und viel zartes Mitleid erregt. Den Leuten, die ihn besuchten, hat sie viel Spektakel und Skandal gegeben, sie tändelt mit ihm in Worten und Werken, nennt ihn Du, küßt ihn, und sagt ihm dabei die ärgsten Wahrheiten, ist auch ganz im Klaren über ihn, also keineswegs etwa 140 Übersetzung aus dem Französischen, ohne Beziehung auf B; erschienen im von Cotta herausgebenen Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1809, später in Wilhelm Meisters Wanderjahre aufgenommen. 141 Die kleine Gauklerin Bettine in Goethes Epigramme. Venedig. 142 B.
CXXXII
Chronik und Stimmen der Umwelt
verliebt. Ganze Tage brachte sie allein bei ihm zu, da seine Schwester143 auch lange krank war und nicht bei ihm seyn konnte. Manche fürchteten sich ihrentwegen hin zu gehn, denn nicht immer geräth ihr der Witz, und kann sie wohl auch grob seyn oder lästig. Unter dem Tisch ist sie öftrer zu finden wie drauf, auf einen Stuhl niemals. Du wirst neugierig seyn zu wissen, ob sie dabei hübsch und jung ist, und da ist wieder drollicht, daß sie weder jung noch alt, weder hübsch noch häßlich, weder wie ein Männlein noch wie ein Fräulein aussieht. 165
Ludwig Tieck an Karl Wilhelm Solger, Ziebingen, 29. Juli 1816
Bettina ziert sich verrückt; sie hat mich immer verfolgt und angezogen zugleich, und jenem Prediger ähnlich, hat sie mich seelig haben wollen (d. h.zu Ihrem Anbeter) oder der Teufel (sie selbst) hat mich haben sollen! 〈…〉 In München trieb sie es dem alten Jacobi so arg, daß dieser sich grade zu ihren Umgang verbot; mich hat sie immer auf die unverschämteste Art kompromittirt, damals mehr wie jezt, denn sie sezte sich jedem auf den Schooß, küßte ihn, streichelte, am liebsten öffentl. und wenn man sich schämte. Ich hielt sie lange für gut und ehrlich, aber sie ist boshaft. Nachher jagte sie dem Kronprintzen von Bayern nach, und schrieb diesem lange unsinnige Liebesbriefe,144 u.s.w. Wäre sie schön, könnte sie tolles Zeug in der Welt anfangen. 〈…〉 Sollte〈!〉 nicht aus uraltem Affen-Incest Generationen wie die Brentanos und manche ähnliche in die Welt gesprungen sein? Die Nachrichten darüber, wie über so manches, sind leider auf jenen beiden Säulen doch untergegangen, die Feuer und Wasser überstehn sollten. 166
Theodor von Bernhardi, Erinnerung
Fräulein B r e n t a n o – Bettina –, das Kind hatte sich auch bei uns eingefunden; eine der seltsamsten Erscheinungen, die je ein menschliches Auge gesehen hat. Sie war hübsch, klein, zierlich gebaut, hatte
143 Sophie Bernhardi. 144 Vgl. jedoch B an Arnim, 17. Juli 1809 (Nr. 614,45-54). Briefe von ihr an den Kronprinzen sind im Geheimen Hausarchiv des Bayerischen Hauptstaatsarchivs München nicht überliefert. (Frdl. Mitteilung von Dr. Gerhard Immler.)
CXXXIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
lebhafte dunkle Augen, und war mit einiger Anstrengung naiv und kindlich. Im wunderlichsten Aufzug, in einfachem Hauskleid, ohne Mantel, ohne Schawl, den damals üblichen r i d i c u l e am Arm, schwärmte sie schon um 7 Uhr früh in den Straßen herum, lief den Leuten in die Häuser und war nicht wieder weg zu bringen. Grob sein half nicht, dadurch wurde man sie nicht los, wenigstens hat mein Onkel, Ludwig Tieck, vergebens das Aueßerste aufgeboten, was sich von dieser Art anständiger Weise leisten läßt. Sie wurde dabei immer kindlicher. Mehr als einmal drang sie früh Morgens in das Zimmer meines von der Gicht geplagten Onkels, setzte sich auf sein Bett und unterhielt ihn auf das liebenswürdigste. Gleichviel, ob er dabei bis zur Wuth ungeduldig wurde oder nicht. Sie nannte alle Menschen Du, älteren Herren setzte sie sich gern auf den Schooß und machte ihnen Liebeserklärungen. Ganz unpassend aber war es, daß sie diese Possen auch mit dem ernsten Grafen Stadion trieb, der eben jetzt die wichtigsten Dinge von ernster Bedeutung beständig zu erwägen hatte. Seine Würde imponirte ihr nicht, um sich ihr zu entziehen; es blieb nichts übrig, als das wunderliche Wesen weltmännisch zu ertragen. Doch wollte das nicht ganz zwanglos gelingen. 167
Brief eines Unbekannten, Innsbruck, Anfang 1809
Ich muß hier auch von einem Geschöpf noch sprechen, das ich aus jenem145 Kreise kennen gelernt und das mir in mehr als einer Hinsicht sehr merkwürdig ward. Es ist eine Schwester des herum schwirrenden, lustigen, witzigen Dichters B r e n t a n o aus F r a n k f u r t h a m M a y n, mit dem ein Herr von A r n i m V o l k s l i e d e r in W u n d e r h ö r n e r sammelt, die nur den Einen Fehler haben, daß sie fast alles, was hineingeschüttet wird, verwandeln, sonst wär’ es ein gar erfreuliches und rühmliches Unternehmen. Doch die Schwester! das ist ein ganz anderes Wesen, als der lustige Herr Bruder, das lebt und webt mit Seel’ und Gemüth in Poesie und Kunst, und hat den Muth, die tiefsten Gefühle und die tollsten Launen und Einfälle frei und frech auszusprechen, und sich überall mit Leib und Seel gehen zu lassen, wie’s ihr eben überkömmt. Ein ächt geniales Geschöpf!
145 Tieckschen.
CXXXIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
Wäre sie nicht zu jung dazu, so sollte man oft glauben, Göthe habe von ihr seine M i g n o n her. Deren Original aber in Göthe’s früherem Leben in seiner Nähe existirt haben soll; und so mag diese B e t t i n e B r e n t a n o wohl manches von G ö t h e und seiner M i g n o n herhaben. Sie ist auch in stetem freundlichem Verkehr mit Göthe und seiner Mutter in Frankfurth, die eine eben so hochgeniale Frau seyn, und, nahe an die achtzig, noch die originelle Manier und Sprache in allen ihren Aeußerungen haben soll, durch die sich der Sohn schon in seinem achtzehnten Jahre so auffallend auszeichnete, als damals Magister und Philister die deutsche litterarische Welt mit ihren bleiernen italiänischen und französischen Inventionsfedern beherrschten. Mit der Mutter hat die Bettine viel gelebt und aus ihr das frühere Leben Göthe’s rein ausgefragt, um das einst zu beschreiben, oder in lebendigen Bildern darzustellen; wozu Apollo sein Gedeihen geben möge! Wenigstens kann ein so rein poetisches Naturgeschöpf Göthe’s eigne Natur reiner auffassen, als alle wohlbestalten Philister. Zum Darstellen gehört freilich noch manches andere; doch hat sie auch noch manches andere. Sie komponirt jetzt e n a t t e n d a n t146 auch Göthe’s F a u s t, trotz Eurem Prinzen R a d z i v i l, und singt mit ihrer rohen Naturkehle, bisweilen wohl mit Männerkraft, zu ihrer Guitarre. In München will sie jener auch die Kunstbildung geben, und studiert überhaupt Musik gar eifrig bei Winter. Die kleine, feine, liebliche Gestalt nun neben dem kolossalen aus Holz geschnittenen Maestro zu sehen, ist ein eben so komischer als mahlerischer Anblick. Es läßt sich ein gar pikantes Bildchen daraus machen, und ich gesteh Dir, daß mir eins gar nicht übel gelungen ist. 168
Ludwig Emil Grimm, Erinnerung
Die B e t t i n e blieb in München, wohnte bei M o y s in der Rosengasse, und ich kam alle Tage zu ihr. Abends kochte sie an einem alten Kamin Schokolade oder sie prutzelte sonst was zu essen; ich machte Zeichnungen und Skizzen. Dann wurde mit einem allerliebsten Kätzchen gespielt. Am schönsten war es, wenn der alte kolossale Kapellmeister W i n t e r kam und ihr Singunterricht gab. Wenn er kam, sagte sie ihm so viel Artigkeiten, daß der alte Riese ganz freundlich wurde, sich 146 Inzwischen.
CXXXV
Chronik und Stimmen der Umwelt
ans Klavier setzte und nun anfing, auf dem Klavier herumzuschlagen und mit den großen Händen darauf loszuhämmern, daß jedesmal nachher der Flügel verstimmt, oft auch die Saiten gesprungen waren. Wenn sie nun neben ihm stand und sang, so sah sie aus wie ein klein Kind, da stellte sie sich einen Stuhl hinter ihn und stieg hinauf und schlug mit einer Rolle Noten den Takt auf seinem großen Kopf, der reichlich mit weißen Haaren bedeckt war, die aber abstanden wie bei einem Stachelschwein und auch so hart wie Schweineborsten waren. Neben ihm stand seine ebenfalls kolossale Schnupfttabaksdose, aus der er sehr häufig Prisen nahm, aber doch so viel daneben kommen ließ, daß, wenn er nach der Unterrichtsstunde aufstand, man genau die Form seiner großen Füße auf dem Boden sehen konnte. Manchmal wurde er über der B e t t i n e ihren Mutwillen, besonders aber über das Taktschlagen auf seinem Kopfe mißmutig und stand erzürnt auf und wollte gehen. Wie der Blitz aber hatte die Bettine die Türe schon abgeschlossen, besänftigte ihn und ließ ihn nicht zu Worte kommen, und nach einem Glas Zuckerwasser, das sie ihm recht süß machte, hörte der Vulkan auf zu toben, setzte sich, und die Stunde nahm wieder ihren Fortgang. Ich saß dabei, zeichnete Gruppen nach dem W i n t e r, wie er spielte usw. Ende Februar: Clemens kommt auf der Flucht vor seiner Frau Auguste, die einen Selbstmordversuch fingiert hat, von Landshut nach München und flieht wieder vor ihr nach Landshut zurück, während sie München aufsucht, wo sie in Gegenwart Bs einen weiteren Selbstmordversuch inszeniert. B erlebt den elendesten Zustand meines Lebens.147
169
Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 7. März 1809
Moritz148 kam Athemloß gelaufen, rief ganz geheimnißvoll den Georg, und Tony (weil Franz abwesend ist) wegen Geschäften zusammen, schloß die Thüre zu und laß einen Brief von Sömmering vor welchen er soeben erhalten hatte. Auguste seye nach München gekommen, habe
147 Brief Nr. 517,48. 148 Bethmann.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
für 2 f149 Opium gekauf und dieses getrunken, Bettine habe ihr die Flasche vom Mund gerißen man wollte A. überreden einen Arzt zu sprechen, allein sie habe nur einen BeichtVater verlangt und habe sich dem endeckt. Dieser (Schmitt genant, wenn ich nicht irre) zeichte es beÿ der Polizeÿ an, die Polizeÿ zitiert den Sömmering zur A. er gieb ihr zum brechen, und so wurde ihr besser. S. schreibt ferner Bettine seÿe in ganz schändliche Schimpfrehden ausgeprochen, habe die A. ein Bettelmensch, eine Can. und dergleichen mehr genant. Kurz alle möchliche Schimpfwörter gegen die Bethmännische Familie hätte sie ausgestoßen, die denn S. gehörig raportirt, und welche den Moritz auser sich vor Wuth bringen. Die A. dagegen schimpft über Euch, jammert nach ihrem Mann, von welchem man sie mit Gewalt trennen wolte, und den sie anbethe. Nun bin ich sehr betrübt, daß Bettine in München, und in diese Geschichte verwickelt ist; besonders aber ängstigt mich diese Unbesonnenheit von ihr, solche Rehden auszusprechen, wodurch sie die Sache nicht besser macht, und sich en tort150 bringt. Moritz weiß sich nicht zu helfen, er behauptet man könne sie nicht scheiden, weil sie nicht will. Clemens solle sie einsperren und Gott weiß was mehr noch für unütze Rehden über diese schweinische Geschichte geführt werden. April–August: B übt sich im Singen, vor allem der von dem venezianischen Komponisten Benedetto Marcello vertonten ersten fünfzig Psalmen, seines berühmtesten Werks. 9./10. April: Mit der Kriegserklärung Österreichs an Frankreich und Bayern und dem Einmarsch österreichischer Truppen in Bayern beginnt der Fünfte Koalitionskrieg. Mitte April: Arnims Erzählzyklus Der Wintergarten erscheint in der Berliner Realschulbuchhandlung von Georg Andreas Reimer mit einer Zueignung, die ohne Namensnennung an B gerichtet ist. Vgl. Nr. 145. 16.–21. April: Die österreichischen Truppen nehmen Landshut ein, das kurz darauf von den Bayern zurückerobert wird. Letztes Drittel April: B sorgt sich um Tiroler Scharfschützen, die sich südlich von München erhoben hatten, woraufhin eine Münchner Bürgermiliz gegen sie vorging und sie in der Stadt arrestierte.151
149 Florin (hulden). 150 In Unrecht. 151 Vgl. Brief Nr. 566.
CXXXVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
5./6. Juli: Sieg der Franzosen und ihrer Verbündeten über die Österreicher in der Schlacht bei Wagram. 12. Juli: Waffenstillstand von Znaim. Österreich muß Tirol an Bayern und damit an den von Napoleon dirigierten Rheinbund abgeben. 29./30. Juli: Brentano, der von Landshut abgereist ist, um Arnim in Berlin zu besuchen, verabschiedet sich auf der Durchreise in München von B. Ab 10. August: Zwischenstation Brentanos in Halle, wo er mit Wilhelm Grimm zusammentrifft, der sich von dem Arzt Johann Christian Reil Heilung von einem Herzleiden erhofft.
170
Wilhelm Grimm an den Bruder Jacob, Halle, 28. August 1809, Brentanos mündlichen Bericht referierend
Bettine komponiert den ganzen Tag an dem Faust und hat zu der Musik eine solche Leidenschaft, daß sie, wie sie spricht, dadurch eine der Verrücktheit nahegerückte Person ist. Alle Instrumente gehen ihr nicht tief genug, und sie setzt für alle. Sie erzählt einem jungen Menschen ihr Leben, der alles genau aufschreibt, welches eine der wunderbarsten Geschichten geben muß, sie geht bis zu dem Geringsten, z. B. zu den Kleidern, die sie getragen; Clemens spricht, daß es etwas Herrliches sei, wie ich wohl glauben kann, denn in diesen Kleinigkeiten ist auch ein großer Reiz. 〈…〉 Er will zu dem Leben der Bettine auch das seinige schreiben, worin das ganze Wesen zu Jena vorkommen soll, also daß nichts fehlt, als daß er’s schreibt. 171
Friedrich Tieck an Amalie von Voigt, München, 6. September 1809
Bettina Brentano habe ich hier kennen gelernt, und solche unausstehlich gefunden, sie machte dem Bruder aber eigentlich nur den Hof, und kam gar nicht in Betracht, mein Bruder hatt ihr aber am Ende so übel mitgespielt daß sie weggeblieben und ganz von München weggelaufen ist,152
152 B wollte bereits Anfang September 1809 von München nach Landshut übersiedeln, und davon wird Friedrich Tieck gehört haben.
CXXXVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
nachdem sie hier sehr viel Klatschereien gemacht, schade daß Jemand seine talentreiche unsterbliche Seele so mißbrauchen kann. 11. September: Ankunft Brentanos und Wilhelm Grimms bei Arnim in Berlin. 25. September: Übersiedlung Bs zu Savignys nach Landshut, begleitet von Peter von Winter und seinem Schüler, dem jungen Komponisten Peter Lindpaitner. Ab Ende September: Umgang Bs mit Savignys Professorenkollegen (darunter Sailer und der Anatom Friedroch Tiedemann) und Studenten um den Mediziner Johann Nepomuk Ringseis sowie einem Musizierkreis um den Organisten Georg Joseph Eigendorfer. Erste Hälfte Oktober: Winter und Lindpaitner kehren nach München zurück. B bleibt in Landshut. 14. Oktober: Besiegelung der Niederlage Österreichs im Fünften Koalitionskrieg durch den Frieden von Wien. Tirol wird abermals Bayern und dem Rheinbund zugeschlagen.
172
Alois Bihler, Erinnerung
Ich war während meiner Universitätszeit zu Landshut im Familienkreis des mir unvergeßlichen Professors von Savigny eingeführt. Dort lernte ich dessen damals noch unverheiratete Schwägerin Bettina kennen. Gleich lebhafter Enthusiasmus für Musik bildete schnell den Angelpunkt unserer Gespräche und bald wurde an mich die schmeichelhafte Bitte gerichtet, die junge Dame in die Lehre der Harmonie einzuführen. Der brennende Eifer meiner interessanten Schülerin machte mir diese Aufgabe zum eigenen größten Vergnügen, und wir studirten und componirten nach Herzenslust und mit übereinstimmendem Geschmack. Einmal jedoch liefen unsere Ansichten weit auseinander. Bettina hatte nämlich die kühne Idee, eine Ouvertüre zu Faust komponieren zu wollen, und bestand darauf, hierbei der Trommel eine überragende Rolle anzuweisen, was ich begreiflicherweise nicht zugeben konnte, und so scheiterte das gewagte Projekt schon im Beginnen. Unwiderstehlich dagegen herrschte Bettina auf dem Gebiete des Gesanges. Hier entfaltete sie völlig ihre wunderbare Eigenthümlichkeit. Selten wählte sie geschriebene Lieder – singend dichtete sie und dichtend sang sie mit prachtvoller Stimme eine Art ImprovisaCXXXIX
Chronik und Stimmen der Umwelt
tion. So zum Beispiel wußte sie in die einfach getragene Scala ebenso als in die ihr momentan entquellenden Solfeggien153 eine Fülle der Empfindsamkeit und des Geistes zu legen, daß ich hingerissen ihrem schöpferischen Genius lauschte. Da ich das Glück hatte, fast immer ihre musikalischen Gedanken zu verstehen und zu errathen, somit ihr auf dem Instrumente mit den richtigen Accorden entgegenkam und sie nach ihrem Sinne weiter begleitete, erwarb ich mir bald ihre Zufriedenheit, endlich ihr freundschaftliches Wohlwollen und sie erfreute mich später noch mit einigen Briefen, deren Thema, ähnlich wie im mündlichen Verkehr, fast ausschließend die Tonkunst bildete. Gewöhnlich saß Bettina während des Musicirens auf einem Schreibtische und sang von oben herab wie ein Cherub aus den Wolken. Ihre ganze Erscheinung hatte etwas Besonderes. Von kleiner, zarter und höchst symmetrischer Gestalt, mit blassem klarem Teint, weniger blendend schönen als interessanten Zügen, mit unergründlich dunklen Augen und einem Reichthum langer schwarzer Locken, schien sie wirklich die in’s Leben getretene »Mignon« oder das Original dazu gewesen zu sein. Abgeneigt modischem Wechsel und Flitter trug sie fast immer ein schwarzseidenes, malerisch in offenen Falten herabfließendes Gewand, wobei Nichts die Schlankheit ihrer feinen Taille bezeichnete, als eine dicke weiße oder schwarze Cordel, deren Ende, ähnlich wie an Pilgerkleidern, lang herabhing. Eines Abends, im Begriff zu einer Gesellschaft zu gehen, bemerkte sie erst, daß ihre Kleidung zu diesem Zwecke allzu abgetragen war. Augenblicklich entschlossen, ließ sie schwarzen Taffet holen, schnitt denselben in mehrere einfache, gerade Theile von verschiedener Länge, heftete diese Theile mit unzähligen Stecknadeln zusammen, gürtete sich mit der bekannten Cordel, und besuchte auf solche Weise die Soirée, wobei die Wenigsten ahnten, auf welche leichte Art das äußerst malerische Gewand zu Stande gekommen war. Fast immer traf sie der Eintretende auf niedrigen Fenstertritten oder Fußbänken sitzend, bequem zusammen gekauert, einen Band aus Goethe’s Werken auf dem Schooße haltend. Mit weiblichen Arbeiten scheint sie sich wenig befaßt zu haben. Wer diesem eigenthümlichen Wesen jemals nahe getreten war, konnte es im Leben nicht mehr vergessen. Ihr reicher Geist, ihre sprudelnde Regsamkeit, voll poetischer Gluth und Phantasie, ver153 Gesangsübungen.
CXL
Chronik und Stimmen der Umwelt
bunden mit ungesuchter Anmuth und grenzenloser Herzensgüte, machten sie im Umgange unwiderstehlich. Großmuth, diese gemeinsame Eigenschaft genialer Naturen, trat auch bei ihr in glänzender Weise hervor; so brach sie einmal, da sie veranlaßt war, eine unbemittelte Person zu unterstützen, rasch eine Rolle Geldes mitten auseinander und reichte, ohne zu überlegen oder nachzuzählen, der Betreffenden die eine Hälfte dar. 173
Johann Nepomuk von Ringseis, Erinnerung
Es hat mich nie ein zarteres Gefühl an sie gefesselt; wohl aber beseelte mich bald staunende Bewunderung über ihre sprudelnde unvergleichliche Genialität, ihren tiefsinnigen Witz, für den sicheren Anstand, womit sie die geniale Freiheit ihrer Bewegung zu begleiten wußte, so daß ohne Zweifel ihr Niemand unehrerbietig zu begegnen wagte, und warme Freundschaft erregte mir die wohlwollende Güte sowie die Rechtschaffenheit ihres Wesens, welcher die vielleicht zu kühnen, manchmal etwas zu schalkhaften poetischen Licenzen und dichterisch ausschmückenden Arabesken und Humoresken in ihren Schriften keinen Abbruch thaten. 174
Jakob Salat, Erinnerung
Auch Bettine, Göthe’s Mignon genannt, befand sich damals in Landshut: noch sehe ich die kleine, fliegende Gestalt, mit dem ganz eigenen Ausdruck von Geistigkeit. – Man weiß, wie Jacobi sie an Sailer gewiesen! Um den 20. November: B liest Goethes neuen Roman Die Wahlverwandtschaften in einer Nacht, in der eine ganze Welt sich durch
meine Seele Drängte.154 7. Dezember: Vmtl. erste Begegnung Bs mit dem Studenten Max Prokop von Freyberg, der ihr eifrigster Verehrer unter der von ihr faszinierten studentischen Jugend Landshuts wird.
154 Brief Nr. 691,32–33.
CXLI
Chronik und Stimmen der Umwelt
175
Max Prokop von Freyberg, Tagebuch, Landshut, 7. Dezember 1809
Heute war ich mit Gumppenberg bey Savigny. Da er zuerst zu thun hatte so führte uns die Bettine unterdessen in ihr Zimmer. Mir hat das viel Vergnügen gemacht, Sie hat uns schöne Gemälde gezeigt und richtig über Kunst gesprochen. Auch hat sie etwas ganz eignes Alterthümliches heiliges in ihrem Äußern. Später kam P. Sailer, und noch später die Savigny, nach ihr Röschlaub. Auch sie schätze ich als eine herrliche Frau, mit viel Geist und Anmuth. Endlich kam der treffliche Mann. Wir unterhielten uns … ein paar Stunden recht angenehm. Weihnachten: Ludwig Emil Grimm hält sich, von München kommend, in Landshut auf.
176
Ludwig Emil Grimm, Erinnerung
Die Studenten hatten S a v i g n y gern, und es wurden ihm oft Ständchen gebracht. Abends war gewöhnlich Gesellschaft da. Der Professor S a i l e r (nachheriger Bischof von Regensburg) fehlte nie. Eduard S c h e n k , F r e y b e r g, der Prinz von O e t t i n g e n - W a l l e r s t e i n, der junge Arzt R i n g s e i s , G u m p p e n b e r g , S a l v o t t i und einige Professoren von der Universität machten gewöhnlich die Gesellschaft aus. Wäre es nicht so natürlich und freundlich hergegangen, so wäre ich in großer Verlegenheit gewesen – ich, der ich in allen Kenntnissen tief unter diesen Leuten stand, – darin durchzukommen. Nach der Gesellschaft wurde gegessen, dann etwas vorgelesen, ich glaube, aus G o e t h e s Wahlverwandtschaften. Das Buch hatte die B e t t i n e eben von G o e t h e geschickt bekommen; ich weiß nicht mehr genau, wer daraus vorlas, S a v i g n y oder die B e t t i n e, aber alle hörten aufmerksam zu, ich auch. Ich empfand aber bald die größte Langeweile, und ich konnte manchmal gar nicht begreifen, wie die andern noch so aufmerksam zuhörten; ich war so müde und konnte die Augen nicht mehr aufbehalten und dankte Gott, wie (ich glaube) der S a v i g n y das Buch langsam zumachte, sich von seinem Stuhl erhob und sehr ernst sagte: »Es ist doch erstaunlich, wie der alte Mann noch so lebendig schreibt!«, die andern aber schwiegen alle still. CXLII
Chronik und Stimmen der Umwelt
An andern Abenden hat mir die B e t t i n e oft abends spät noch über Kunst erzählt und Auszüge aus G o e t h e s Briefen, da sie jede Woche wenigstens ein paar von ihm erhielt, vorgelesen. Das war nun sehr interessant. Sie hat ein sehr richtiges Urteil, und man kann viel von ihr lernen. Auch bestiegen wir häufig die Berge und besahen die Gegend vom Schloß, der alten Trausnitz. Dann ging ich mit der Bettine oft zu einem alten geistlichen Herrn E i x d o r f e r, mit dem hat sie sich über Musik herumgezankt und über den Generalbaß disputiert. 1810 Anfang Januar: B siegelt das Kuvert eines Briefes (Nr. 714) an Arnim mit einem Petschaft, das ihr Savigny und Sailer mit den Initialen BB geschenkt haben. Außen im Kreis stand Beans Beor (beglückend werde ich beglückt). Februar/März: B arbeitet an einer (nicht beendeten) Ouvertüre zu Goethes Faust.
177
Max Prokop von Freyberg, Tagebuch, Landshut, 27. Februar 1810
Und S. sah ich und B. Wenn du einen Engel hast Mensch werden lassen so ist es B. dieser Spiegel eines idealischen Lebens, dieser Abglanz der vortrefflichsten Menschheit! 9. oder 10. März: Offizielle Berufung Savignys an die Berliner Universität, deren Eröffnung vorbereitet wird, durch Wilhelm von Humboldt. 10. März: Tod von Arnims Großmutter Caroline von Labes in Berlin. Ihr Testament bestimmt die Bildung eines Familienfideikommisses, das auf eheliche Kinder der beiden Enkel – Arnims und seines Bruders Carl Otto – berechnet ist.155
155 Vgl. Brief Nr. 784,55-70.
CXLIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
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Max Prokop von Freyberg, Tagebuch, Landshut, 2. April 1810
Heute ist ein schöner Tag gewesen. Wir waren bey Savigny. Ich habe von B Veilchen erhalten; die werden ewig blühen … Ich sey der gröste den S gebildet, sagte sie bey Gott ich schwöre daß ich’s werden will. 4. April: B wird zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag majorenn.
179
Max Prokop von Freyberg, Tagebuch, Landshut, 13. April 1810
Abends waren wir bey Savigny der uns zu sich laden ließ, weil Bettine die Psalmen sang. 180
Max Prokop von Freyberg, Tagebuch, Landshut, 20. April 1810
Um die Herrlichkeit des heutigen Tages zu schildern muß mir viele Salbung von Gott gegeben seyn; denn schon heute früh gieng ich hinauf156 … und wartete auf die schöne Familie … und nachdem ich sie bewillkommt half ich der B Blumen pflüken; daraus hat sie Kräntze geflochten die wir alle getragen haben … B hat mir Veilchen gegeben die ich izt sorgfältig bewahre – ihr Gemüth war schon izt herübergeneigt 〈…〉. 2. Mai: Abreise Bs mit Savignys von Landshut, bis Salzburg begleitet von enthusiasmierten Studenten.
181
Ludwig Emil Grimm, Erinnerung
Im Mai157 1810 schrieb mir die B e t t i n e von Landshut, ich solle doch gleich kommen, wenn ich sie alle noch einmal sehen wolle. S a v i g n y sei nach Berlin berufen, sie reisten über Wien dahin ab, und wenn ich
156 Auf den Burgberg. 157 Am 28. April. Vgl. Brief Nr. 738.
CXLIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
Lust habe, sie bis Salzburg zu begleiten, solle ich bei ihr auf dem Bock sitzen, damit wir die Gegend besser sehen könnten. Den andern Abend war ich schon dort. Da gab es noch allerlei Feste, Nachtmusiken, Ständchen Biwaks usw. Das war nun eine so prächtige, lustige Reise nach Salzburg! In Altötting wurde übernachtet158, die berühmte Wunderkapelle besehen. Den andern Tag159 kamen wir nach Salzburg; schönes Maienwetter, alles in Blüte, und Nachtigallenschlag! Wir stiegen auf dem großen Platz ab, ich glaube im Gasthaus zum Schiff, der F r e y b e r g , S c h e n k , G u m p p e n b e r g , S a l v o t t i , R i n g s e i s waren mit. Den andern Tag160 wurde der G a i s b e r g bestiegen; eine himmlische Aussicht da oben! Alles war vergnügt! Die B e t t i n e gab einem jeden aus einem Granatschmuck einen Granat, aber mir den größten, und wir wurden zu Rittern vom Granatorden ernannt! Nach ein paar Tagen161 reisten S a v i g n y s und die B e t t i n e weiter nach Wien, und wir brachten ihnen noch bei der Abfahrt ein Vivat. 5. Mai: Der 1287 m hohe Gaisberg, von dem die Reisegesellschaft Aussicht auf das westlich gelegene Salzburg und die Berchtesgadener Alpen hat, wird B und Freyberg zu einem sinnbildhaften Ort eigener Erhöhung.
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Max Prokop von Freyberg, Tagebuch, Salzburg( ? ), 5. Mai 1810
〈…〉 und ich weinte und sah ihr ins Auge und sie weinte auch – dann ermannt gingen wir zusammen und blieben fest, und ich drükte oft ihre Hand, und es tobte in meiner Brust aber ein göttlicher Sturm voll Entschluß heroischer Thaten – 〈…〉 〈B:〉 Freyberg: jetzt erkenne ich die Stellung meines Gestirns meine Briefe an Sie sollen felsenfest seyn … wer weis was sich göttliches in uns verbirgt!
158 159 160 161
2./3.Mai. 4. Mai. 5. Mai. 6. Mai.
CXLV
Chronik und Stimmen der Umwelt
Vmtl. zwischen 5. und 10. Mai: Arnim beantwortet (Brief Nr. 741) Bs Brief von Anfang Januar, dessen Kuvert sie mit einem Petschaft gesiegelt hatte, indem er dessen Inschrift Beans Beor mit der Devise Amans Amor (liebend werde ich geliebt) erwidert. 8. Mai–3. Juni: Aufenthalt Bs und Savignys in Wien im Haus des verstorbenen österreichischen Staatsmannes und Kunstsammlers Johann Melchior von Birkenstock in der Wiener Vorstadt Landstraße, Erdberggasse 98, das seine Tochter, Bs Schwägerin Antonia, bewohnt. Etwa 25. Mai: Arnims zweibändiger Roman Armuth Reichthum Schuld und Buße der Gräfin Dolores erscheint in der Berliner Realschulbuchhandlung des Verlegers Georg Andreas Reimer. Die Musikbeilage des zweiten Bandes enthält Vertonungen Arnimscher Gedichte im Roman, darunter Bs Komposition der Romanze Der Kaiser flieht vertrieben mit ihrem Pseudonym Beans Beor. Ende Mai–Anfang Juni: Bekanntschaft Bs mit Beethoven in Wien. Sie besucht ihn in seiner Wohnung im Pasqualati-Haus, Mölkerbastei, und er kommt in das Birkenstocksche Haus.
183
Dorothea Schlegel an Sulpiz Boisserée, Wien, 30. Mai 1810
Savignys sind hier, und Bettina Brentano, die sich wunderbar auszeichnen soll durch gegen den Himmel geschlagene Augen und altdeutsche oder flandrische Tracht. Sehen werde ich sie nicht, da wir in ein paar Tagen in die Vorstadt ziehen, um dem Prater und den Donaubädern nahe zu seyn. 184
Johann Michael Sailer an Friedrich Carl von Savigny, Landshut, 5. Juni 1810
Endlich, da ich auf Deinem Stuhle sitze, aus euren Gläsern und von eurem Weine trinke und durch Frankfurt zweimal durchgefahren bin, ohne jemand sehen zu können, und euch recht lieb haben muß, und die Bettine an den Gangifangi einen langen Brief schönen Inhalts162 geschrieben hat; 〈…〉 da ich euch alle, Mann und Frau und Kinder und
162 Nr. *744.
CXLVI
Chronik und Stimmen der Umwelt
die Goethisch-Arnimsche, auch selbst originelle Schwester der obengenannten Kunigunde – bloß implicite genannten Kundel . . wahrhaftig lieb habe, nach den Zehn Geboten Gottes 〈…〉. Etwa 3. Juni: Abreise Savignys und Bs von Wien über Prag nach dem böhmischen Gut Bukowan (südwestlich von Prag), das von Christian Brentano im Auftrag einer Sozietät verwaltet wird, der Brentano-Geschwister und Verwandte von ihnen angehören, darunter B, Clemens, Gunda und Savigny. Etwa 5. Juni: Abreise Arnims und Clemens’ von Berlin über Prag zum Wiedersehen nach Bukowan. 9./10. Juni: Zunächst Ankunft Bs und Savignys in Bukowan, wo einen Tag später auch Arnim und Clemens eintreffen.
185
Clemens Brentano an Jacob und Wilhelm Grimm, Berlin, 3.–etwa 11. September 1810 (Briefteil)
In Bukowan ist eine Wilde, wunderbare Gegend, das ganze Terrain liegt so hoch, daß 10 Minuten hinter dem Schloß auf einem Berg Ptetsch genannt, ein Panorama von 300 Stunden im Umkreiß zu sehen ist, eine Stunde von uns berührt unser Terrain die Moldau mit einem Dorfe in tiefem Felsengrund, und wenn wir hin wollen, und immer bergab gegangen treten wir endlich in ein kleines romantisches Jäger hauß, auf der Spitze eines steilen Felsens, von dem etwa 8 Minuten herab wir auf unsere Dorfs Tiechnitzch Dächer und die wunderbar gekrümmte Wilde Moldau sehen. 〈…〉 Das Gantze Land ist eine wunderbare Abwechselung von Reichen neuen Schlößern ungeheuren Kirchen, Berg und thal und Teichen, Wallfahrten begegnen einem von allen Seiten, alle Bauern küßen einem den Rock, und die Kinder knien nieder, wo man vorüber fährt, es ist oft so schön hier, daß man den Rhein vergißt, und doch mag ich nicht da leben, denn die Zigeuner sind alle zum Galgen reif und gar nicht romantisch. 29. Juni: Abreise Arnims und Clemens’ von Bukowan mit Savigny, der mitreist, um in Berlin für seine Familie eine Wohnung zu besorgen. B begleitet sie mit Schwester Kunigunde und Bruder Christian bis Prag. 30. Juni: Trennung in Prag. 3. Juli: Rückkehr Bs mit Kunigunde und Christian in Bukowan.
CXLVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
Etwa 4. Juli: Arnim, Brentano und Savigny treffen in Berlin ein. 10. Juli: Arnim schlägt B vor zu heiraten.163 Etwa 20. Juli: B willigt ein.164 30. Juli: Da Arnim wegen Auseinandersetzungen um das Testament der Großmutter verhindert ist, reist Savigny allein von Berlin ab, um seine Familie und B zu holen. 6. August: Abreise Bs und Kunigunde von Savignys mit den Kindern von Bukowan zunächst nach Prag. 6. August: Goethe trifft, von Karlsbad kommend, in Teplitz ein. 7. August: Ankunft Savignys in Prag. 8. August: Abreise Bs und der Savignys von Prag. 9.–12. August: Zwischenaufenthalt Bs und der Savignys in Teplitz. Dritte Begegnung Bs mit Goethe.
186
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Teplitz, 9. August 1810
Abends Savignys. 187
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Teplitz, 10. August 1810
Nachher bey Savignys, mit ihnen im Park spatzieren. 〈…〉 Nach Tische mit Savignys. 188
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Teplitz, 11. August 1810
Mit Bettinen im Park spatzieren. Umständliche Erzählung von ihrem Verhältniß zu Fräulein Günderode. Charakter dieses merkwürdigen Mädchens und Tod. Bey Zelter Duette des Durante. 〈…〉 Savignys. Bettine. Zelter. Geschichte von Auferziehung der Vögel auf dem Landgute. Abschied. 163 Brief Nr. 784. 164 Brief Nr. 788.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
189
Johann Wolfgang von Goethe an seine Frau Christiane, Teplitz, 11. August 1810
Vor allen Dingen muß ich Dir ein Abentheuer erzählen. Ich war eben in ein neues Quartier gezogen und saß ganz ruhig auf meinem Zimmer. Da geht die Thüre auf und ein Frauenzimmer kommt herein. Ich dencke es hat sich jemand von unsern Mitbewohnern verirrt; aber siehe es ist Bettine die auf mich zugesprungen kommt und noch völlig ist wie wir sie gekannt haben. Sie geht mit Savignis nach Berlin und kommt mit diesen auf dem Wege von Prag her hier durch. Morgen gehen sie wieder weg. Sie hat mir unendliches erzählt von alten und neuen Abendtheuern. Am Ende geht es denn doch wohl auf eine Heyrath mit Arnim aus. 190
Friedrich Wilhelm Riemer an die Familie Frommann, Teplitz, 12. August 1810
Gestern besuchten uns Savigny’s und Bettine, die nach Berlin reisen. Sie ist noch so klug und unklug wie sonst und gleich unbegreiflich. 191
Johann Wolfgang von Goethe, Tagebuch, Teplitz, 12. August 1810
Savignys reisten ab. 192
Johann Wolfgang von Goethe an seine Frau Christiane, Teplitz, 13. August 1810
Bettine ist gestern fort. Sie war wircklich hübscher und liebenswürdiger wie sonst. Aber gegen andre Menschen sehr unartig. Mit Arnim ists wohl gewiß. Mitte August: B und Savignys treffen in Berlin ein. Sie wohnt mit ihnen am Monbijouplatz 1. Ab Mitte August: Häufiges Beisammensein Bs mit Arnim und Clemens, die in der Mauerstraße 34 wohnen. Umgang mit den Familien ihres On-
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Chronik und Stimmen der Umwelt
kels, des Oberbergrats Carl Georg von La Roche, des Postrats Carl Philipp Heinrich Pistor, des Direktors der Salzdirektion Carl Alberti; mit Carl Friedrich Zelter und dem Musikliebhaber Anton Heinrich Fürst Radziwill, den jüdischen Salonnières Rahel Levin und Sara Levy. 10. Oktober: Eröffnung der Berliner Universität.
193
Barthold Georg Niebuhr an Dore Hensler, Berlin, 13. Oktober 1810
Wir haben Savignys in diesen letzten Wochen einigemal gesehen. Er scheint mir sehr gewogen und wir werden uns wohl gewiß allmählich näher kommen. Er ist nicht verschlossen, aber in seinem Wesen entfernt, und isolirt: eine litterarische Unterredung habe ich noch nicht erlangen können, und daran hindert wohl seine große Bescheidenheit. Seine Frau ist lebhaft und nicht unangenehm, sie scheint aber doch zu denen zu gehören welche die Bekanntschaft mit dem Manne erschweren. Ihre Schwester ist unerträglich affektiert und launenvoll, so daß man sich wenn man nicht mit ihr stimmt nur hüten muß zu verstoßen. Sie affichiert eine Leidenschaft für Göthe; wenn sie sie v e r r a t e n m ü ß t e dann wollte ich es ihr zum Lob rechnen. 194
Rahel Levin, Aufzeichnung, Berlin, Oktober und Dezember 1810
Ich war in der Gesellschaft. Sie trainirte. Es wurde gesungen, dann über Musik gesprochen, doch von keiner Seite etwas Bedeutendes. Ich wollte gehen, da trat Bettina Brentano neben mich, sagte in ihrer rheinländischen freien Art, die ich so liebe: »Es ist ein schöner Tag, kommen Sie noch ein wenig spaziren!« Sie hatte früher kein Wort mit mir gesprochen, ich glaubte mich gar nicht von ihr bemerkt, um so mehr war ich verwundert und erfreut, daß sie die Aufforderung an mich richtete. »O, sehr gern!« sagte ich, und so faßte sie meinen Arm, und wir gingen in den Garten von Monbijou, wo es sehr schön war, der Herbst noch in starker Kraft, er wehrte sich, und die Sonne stand ihm bei. Bettine lachte ganz einverstanden, als kennten wir uns längst, und sagte es mehrmals, das wäre doch klug von uns, daß wir uns von den Andern weggemacht hätten; dann sagte sie zutraulich: »Sie sind doch CL
Chronik und Stimmen der Umwelt
so ein klug Mädchen, aber auch so ein gut Mädchen, nit wahr?« Dann wurde sie ernsthaft, sprach von der Wirkung der Musik, und bald von Goethe, von ihrer Liebe zu ihm, von ihrem Umgang und Briefwechsel mit ihm. Göttlich, in begeisterten, selbsterfundenen Ausdrücken. Meine Liebe gönnt ihm diese jugendliche Geistesflamme, die sein Genius entzündet hat; – sein Genius, denn sein Herz, seine Person sind es nicht, die stehen wie nebenbei. Ich aber verschwieg meine Vergötterung, ich sagte nur manchmal Ja, wie ich Bettinen’s Lob aus tiefster Seele beistimmte; sie fühlte es aber wohl, daß sie zu einer Schwester sprach. Dann erzählte sie mir von ihrem Bruder Clemens, von Arnim, ohne im geringsten zu beachten, daß ich beide zu kennen angab, im Gegentheil, es schien ihr unbequem. Über Liebe sprach sie tief und großartig; sehr scharf und geistreich über Ehe, sie hält nichts von dieser Anstalt, ist aber gefaßt darauf, ihr nicht zu entgehen, – und ich bin überzeugt, sie wird die tugendhafteste Frau, wie sie, ungeachtet aller Geistesfreiheit, gewiß das sittsamste und strengste Mädchen ist. Auch über das Christenthum sprach sie sehr sinnig, fiel dann aber plötzlich in ihren Frankfurter Judenhaß, der mich sehr verletzte, das heißt, mir ihr Seelenbild trübte. In einer so edlen und reinen Seele sollte so was Unklares und bloß von außen Angenommenes gar keine Stätte haben. Auch erzürnte ich das Schlechte in ihr, indem ich ihr meine Meinung sagte. »Gehn Sie!« schrie sie mich heftig an, und stieß meinen Arm weg, nahm ihn aber gleich wieder, und nach wenig Augenblicken war sie wieder im treulichsten Weitersprechen. Ich mußte mit ihr nach Hause gehen, sie schloß ihren Schreibtisch auf, zeigte mir einen angefangenen Brief, mehrere von Clemens; über den und über Arnim setz’ ich sie weit: sie hat wenigstens eben so große Gaben, und die schöne Frauennatur voraus; sie muß aber bei der Wahrheit bleiben, diese Lebensquelle muß ihre Einbildungskraft unausgesetzt tränken, sonst verdorren deren schönste Blüthen. – Im December 1810. Ich hatte Bettinen längere Zeit nicht gesehen. Sie suchte mich nicht; ich würde sie gesucht haben, wenn ich sie allein zu finden wüßte, nicht Andre zugleich fände, die ich gern meide. Neulich aber, ging sie unter meinem Fenster vorbei, nickte mir zu, blieb stehen. Ich öffnete das Fenster, wir sprachen gleich wieder ganz vertraut, und ernst, und ziemlich lange; endlich aber sagte sie, sie müsse gehn, sie wolle in die katholische Kirche, jetzt erst falle ihr bei, daß sie kein Geld mitgenommen, ich solle ihr aushelfen, sie nahm ein Achtgroschenstück an; weil CLI
Chronik und Stimmen der Umwelt
sie aber im Gespräch fortfuhr, und die Kirche immer mehr vergaß, lud ich sie ein zu mir einzutreten; da wurde sie ärgerlich, daß sie ihre Kirche versäumt habe, sagte, ich sei schuld, und ging nun in andrer Richtung ab. Nach ein paar Schritten wandte sie sich wieder um, nickte, lachte, und grüßte wiederholt mit der Hand. So verschwand sie mir nach und nach aus den Augen, in aller ihrer Launenhaftigkeit und Schroffheit eine reizende Erscheinung, ein eigenthümliches, anmuthiges Menschenkind! Hast du aber einen Begriff davon, – ich habe ihn nicht, – daß nach diesem Benehmen, wobei ich nichts verschwiegen, und nichts zugesetzt habe, – d u wenigstens kennst meine unbestechliche Treue im Referiren, – diese selbe Person, von der es mir als liebenswürdig auffiel, daß sie mir von freien Stücken so unbefangen nahe getreten, daß diese Bettine nach kurzer Zeit gegen Mad. Schleiermacher, als auf mich die Rede kam, gleichsam ablehnend geäußert hat, ich hätte mich ihr so a u f g e d r u n g e n!! Woher in aller Welt, woher, um Gottes willen, nimmt sie auch nur den Leichtsinn zu solcher Mißhandlung von Begebenheiten, die, wenn auch noch so klein und gering, ihr höchstens vergessenswerth dünken dürfen, in denen aber, wenn man ihnen so ihr Wahrheitsherz ausbricht, immer ein Lebendiges vernichtet wird?! Wie das in ihr vorgeht, wie es in ihr zusammenhängt, möchte ich gar zu gern wissen, und daß ich ihr das nicht abfragen kann, ist mir jetzt ganz besonders leid, da ich bei dieser Wendung schwerlich darauf rechnen darf, sie noch zu sehen und zu sprechen. Mir sagte Harscher, dem ich’s erzählte, als Erklärung: »Oft grade das Werthvollste und Liebste suchen wir in uns zu verneinen, abzustoßen, zu gefährden, hart und schnöde zu behandeln, und was den Versuch nicht besteht, lassen wir dann um so leichter fahren; was ihn aber besteht, halten wir um so fester.« Ich verstehe das nicht; in mir hab’ ich nie den geringsten Trieb dieser Art gefühlt, ich habe nie das Gelüst, noch Bedürfniß, auf solche Art meines Besitzes erst gewiß und froh zu werden. 18. Oktober–28. November: B berichtet Goethe, der sie darum gebeten hat, Episoden aus seiner Kindheit aufgrund von Erzählungen seiner Mutter. Goethe benutzt einiges davon für seine Autobiographie
Dichtung und Wahrheit.165
165 Vgl. Briefe Nr. 822, 826, 832.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
Vmtl. Anfang November: B schickt Friedrich Wilhelm Riemer in Weimar eine für Goethe bestimmte Teil-Abschrift der XII Duetti des neapolitanischen Komponisten Francesco Durante.166
195
Rahel Levin an Karl August Varnhagen von Ense, Berlin, 12. November 1810
Mad. Schleiermacher ist mir gut: ich liebe sie sehr. Bin aber g a n z in Bettina Brentano verliebt. Die ich einigemal intim sah, aber nicht mehr. 4. Dezember: Verlobung Arnims und Bs. (Vgl. Brief Nr. 835.)
196
Ludwig Achim von Arnim an Louise von Schlitz, Berlin, 29. Dezember 1810 (Exzerpt)
〈…〉 wir hatten uns am 4 Dec Abends bey sturmischen grauem Himmel, als kein Stern zu sehen, auf freyer Strasse, vor einem Hause wohin ich sie zu einer langweiligen Gesellschaft führte, feierlich verlobt. Es hätte dessen zwischen uns nicht bedurft, aber die Welt, die um uns lag, als wollte sie uns beyde vergessen, mahnte uns, daß wir um so treuer aneinander denken möchten. 197
Mitteilung Sara Levys zufolge der Autobiographie Fanny Lewalds (1862)
Ungemein unterrichtet und voll von großen, ernsten Interessen, hatte Frau Levy, ebenso wie die Hofrätin Herz, fast alle bedeutenden Menschen ihrer Zeit gekannt, aber sie war über die Vergangenheit weniger mitteilsam als jene, und überhaupt, wie es mir scheinen wollte, mehr auf das Abstrakte als auf das Persönliche gestellt. Es geschah wohl einmal, daß sie erzählte, wie Achim von Arnim und Bettina Brentano sich bei ihr im Garten verlobt, während der Friseur sie selbst frisiert, und wie Bettina dann zu ihr in das Zimmer hinaufgekommen sei, und sich 166 Vgl. Brief Nr. 824.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
mit den Worten an den Friseur auf den Fenstertritt gelegt: »Hör’ Er! Bau er der Madame Levy nur heute ’was Ordentliches auf, denn ich hab’ unten eben mit dem Arnim Verspruch gehalten!« Aber dergleichen Mitteilungen kamen verhältnismäßig doch nur selten vor. 198
Ludwig Achim von Arnim an Jacob und Wilhelm Grimm, Berlin, zwischen Weihnachten und Neujahr 1810/11
Was hilft das Zieren, geradaus ich habe mit Bettine Verlobungsringe gewechselt und seit dem Weihnachtabend, wo er mir bescheert wurde, prangt an meiner Hand ein golden Fingerlein mit goldnen Lilien auf schwarz emalgirtem Grunde, der mir einwachsen soll, wenn mir die erhoffte gute Zeit einen Bauch und bequeme fette Finger gewährt und kein ungeschicktes Geschick ihn mir raubt. Wir hatten uns früher verlobt auf freyer Strasse unter Gottes freyem Himmel. Die Ringe waren nur zur Erinnerung, doch war der Abend dieser Weihnacht recht schön. Albertis, Pistor, Zelter, LaRoches waren bey Savigny versammelt. 199
Ludwig Achim von Arnim an Wilhelm Grimm, Berlin, 12. April 1811
Bettine schenkte mir einen goldnen Reifen auf welchen goldne Liljen auf schwarzer Emalge zu schauen, ich schenkte ihr einen Ring in antiker Form mit einem Chrysopras, worin zwey Hände zu sehen, die einander drücken, die Inschriften beyder behalten wir für uns. 200
Otto Heinrich Graf von Loeben an Wilhelm von Eichendorff, Wittenberg, 27. Dezember 1810
Brentanos Schwester Bettina ist das famoseste Frauenzimmer. Sie geht in alle Häuser, wo sie Licht findet. Sie sagt zu einem Schönen: Du gefällst mir, du kannst mich heute nach Hause führen. Sie geht aus einer Damenreihe, indem sie sagt: Bettina will weiter gehen, denn Bettina hat Langeweile. Sie legt sich aus ihrer Loge auf die nächste in der anderen sitzende Mannsperson und spricht: Bettina muß sich anlehnen, CLIV
Chronik und Stimmen der Umwelt
Bettina ist müde. Der Beehrte erwidert: Ist Bettina auch heute gekämmt? 1811 18. Januar: Gründungsversammlung der von Arnim gestifteten deutschen Tischgesellschaft im Berlin. Versammlungsort ist zunächst das Casino in der Behrenstraße.
201
Anekdote in: Der preußische Vaterlandsfreund. Zur Unterhaltung und Aufheiterung. Berlin, Nr. 10 vom 2. Februar 1811
Eine neue Naturmerkwürdigkeit beschäftigt die Kuriosität unsrer eleganten Welt, absonderlich der männlichen. Ein junges Mädchen, ungefähr 20 Jahre alt, ist so naiv und unschuldig, wie, hier in Berlin wenigstens, schwerlich noch ein Mädchen von 10 Jahren seyn möchte. Also ein Gegenstück zu dem allberühmten Karl W …167,der mit 10 Jahren schon das ist, was andre kaum mit 20 Jahren zu seyn pflegen! Man erzählt sich von diesem wunderbaren 20jährigen Kinde sehr lustige Anekdoten. So äußert es z. B. sein Wohlgefallen an irgend einer Person, die ihm schön deucht, auf folgende Art: »Du gefällst Betty, gieb Betty einen Kuß!« Da es nicht häßlich seyn soll, wird das schöne, unschuldige Kind wohl schwerlich vergebens seufzen. In einem Konzerte neulich wird ihm das schöne Köpfchen ein wenig müde, es lehnt also ohne alle Umstände sich an seine Nachbarinn, und spricht zu dieser nur: »Betty ist müde, Betty will sich ein wenig ausruhn.« Wie glücklich zu preisen ist unser Zeitalter, das gold’ne! dem so unerwartet, die a l t e U n s c h u l d zurückkehrt. 10. Februar: Beethoven schreibt in Wien seinen einzigen Brief an B.168
167 Anm. Reinhold Steigs: »Gemeint ist der Wunderknabe Karl Witte, den sein Vater damals in Berlin producirte, und mit dem sich alle Berliner Zeitungen, auch Kleist’s Berliner Abendblätter, beschäftigten.« 168 Nr. 875.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
202
Hedwig von Staegemann, Tagebuch, Berlin, 20. Februar 1811
Gestern kamen Herr und Frau v. Arnim. Ich fand die letztere sehr verändert. Ich sehe sie noch immer in dem Augenblick, wo sie in dem dunkelgrün seidenen Kleide mit den langen breiten, goldenen Ketten und herunterhängenden gelockten Haaren hereintrat. Ihr Gesang aber war für mich sehr schön und ließ mir viel Eindruck zurück. Diesmal hatte sie ein schlichtes, graues Kleid an und eine Haube auf, da kam sie mir freilich ganz anders vor. 27. Februar: Brentano trägt während einer Zusammenkunft der deutschen Tischgesellschaft seine satirische Abhandlung Der Philister vor, in und nach der Geschichte vor. Von ihr ist nur die erweitere Druckfassung überliefert.
203
Carl Friedrich Zelter an Johann Wolfgang von Goethe, Berlin, Anfang März 1811
Bettine hat am Sonntage vor 8 Tagen Hochzeit machen wollen. Da hatten beide einige Kleinigkeiten zu besorgen vergessen; Z.E. Sich aufbieten lassen, eine Wohnung zu mieten, ein Bette anzuschaffen und dergl. Darüber muß nun die Sache, ich glaube gar bis nach Fasten in statu quo bleiben. 11. März: Heimliche Trauung Bs und Arnims in der Berliner Waisenhauskirche durch deren Pfarrer Gottlieb Ernst Schmidt.
204
Friedrich August von Staegemann an Johann George Scheffner, Berlin, 19. März 1811
Mit der nächsten Gelegenheit werde ich Ihnen einige Arbeiten unserer deutschen christlichen Tischgesellschaft zusenden, namentlich eine Abhandlung Brentano’s über die Philister. Diese Gesellschaft ist vor einigen Monaten von Arnim gestiftet und schliesst alle Juden (selbst die getauften) und Philister aus, ist aber von den Letzteren doch nicht ganz rein. Arnim hat sich mit Brentano’s Schwester Bettina (einer Enkelin CLVI
Chronik und Stimmen der Umwelt
von Sophie La Roche) kürzlich verheirathet. Sie ist ein verständiges Wesen, ein wenig seltsam. 205
Ludwig Achim von Arnim an Jacob und Wilhelm Grimm, 12. April 1811
Es war die Aufgabe zu lösen, wie zwey Verlobte, von denen der eine mit dem Bruder der Braut, die Braut aber mit ihrer Schwester zusammen wohnt, so daß Braut und Bräutigam durch eine halbe Stunde Weges von einander geschieden sind, unbemerkt mit einander verheirathet werden können. 〈…〉 Den 11 März hatten wir dazu bestimmt nachdem das letzte Aufgebot in lut und kath: Kirche den 10ten vollendet war, uns zu verheirathen, die Unterschrift von Ehepakten gab mir die Veranlassung Bettinen allein abzuholen, und ihr die Gelegenheit sich sorgfältiger als gewöhnlich anzukleiden 〈…〉 der alte Prediger sprach mit sicheren prunklosen Worten sehr eindringlich, wie Gott alles vollende, was mit Gott angefangen und unternommen sey; wir tauschten die früher einander geschenkten Verlobungsringe aus 〈…〉 Nach der Trauung führte ich eilig Bettinen nach Hause und aß in einer freudigen Einsamkeit beim Restaurateur. Erst Abends kam ich wie gewöhnlich zu Savigny, wir fuhren mit ihnen zu einer Ausstellung, wo ein langer Zug über eine Brücke zur Kirche zu sehen, den wir für unsern Hochzeitzug annehmen konnten. Abends sprengte ich ein Glas halb aus Versehen, halb in Absicht, indem ich mit Clemens ein alt Studentenlied vom »Vivlava ich fahr damit ins Unterland« sang, dies abgesprengte Glas soll recht zierlich geschliffen werden mit der Inschrift Mensch hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Zum Glück für unsre Heimlichkeit war Clemens schon seit einiger Zeit gewöhnt, weil ich gern mit Bettinen noch etwas zusammenblieb, voran nach hause zu gehen, ich muste ihm meinen Schlüssel geben, er wollte ihn aufs Fenster für mich legen. Als er fort war gingen Savignys auch zu Bette, ich that als wenn ich Abschied nähme trabte die Treppen in Begleitung der kleinen Kammerjungfer hinunter, als ob ich schwer beschlagne Hufeisen trüge unten aber schlug ich die Thüre scheinbar zu, zog dann die Stiefel schnell aus und war in drey Sprüngen in Bettinens Zimmer, das mit grossen Rosenstöcken und Jasminen zwischen welchen die Nachtlampe stand sowohl durch den grünen Schein der Blätter wie durch die zierlichen Schatten an der Decke und Wand verCLVII
Chronik und Stimmen der Umwelt
ziert war. Die Natur ist reich und milde, was aber von Gott kommt und zu Gott kehrt ist das Vertrauen. Früh schlich ich mich unbemerkt fort. *** 206
In der Familie Arnim überlieferte Anekdote, mitgeteilt von Reinhold Steig (1902)
Es existirt im Arnimschen Besitze ein handschriftlicher Sammelband, in den von den verschiedensten Händen allerlei ergötzliche und vergnügliche Anekdoten über Familienmitglieder und viele andere Leute eingetragen sind. Oftmals wurde aus dem Buche zu allgemeiner Erheiterung vorgelesen, und mancher Scherz daraus auch mündlich noch innerhalb der Familie forterzählt. Eine Bettina, als noch junges Mädchen, betreffende Eintragung lautet: Die Ueberbildete, eine Anekdote. Mademoiselle Bettina Brentano, Schwester des bekannten Dichters, die beide sich jetzt in Berlin aufhalten, findet Gefallen in allem ihr ästhetisches Genie zu verrathen. Mit kindischer Unbefangenheit folgt sie den Eingaben ihrer Launen. Einst führte sie diese ohne Begleitung in ein Schauspiel in einer Loge, wo zwei Frauenzimmer die vorderen Plätze eingenommen hatten. Bald nach ihrem Eintritt findet sie sich von Langeweile ergriffen und hebt folgendes Selbstgespräch an: »Bettina wird die Zeit lang, Bettina wird schlafen.« Bei diesen Worten legt sie ihren von wildstruppigen Haaren umgebenen Kopf auf die Stuhllehne der einen vorsitzenden Frauenzimmer, welche sich schnell mit der Frage zu ihr umwendet: »Hat Bettina auch Läuse?« 207
Karl Marx,
Neumodische Romantik (1837)
Das Kind, das, wie ihr wißt, an Göthe schrieb, Und ihm weis machen wollt’, er hab’ sie lieb, Das Kind war einst im Theater zugegen, ’ne Uniform thut sich bewegen. Es blickt zu ihr gar freundlich lächelnd hin: »Bettina wünscht, mein Herr, in ihrem Sinn, Das Lockenhaupt an sie zu lehnen, CLVIII
Chronik und Stimmen der Umwelt
Gefaßt von wundersamem Sehnen.« Die Uniform erwiedert gar trocken drauf: »Bettina laß dem Willen seinen Lauf!« »Recht, spricht sie, weißt du wohl, mein Mäuschen, Auf meinem Kopf giebts keine Läuschen!« 208
Georg Herwegh an Marie d’Agoult, Paris, zwischen 21. und 25. Januar 1844
Sie wollten Einiges über Bettina’s Persönlichkeit wissen – hier ist Alles, was ich darüber in Erfahrung bringen konnte. Ihre ganze Erscheinung soll koboldartig sein; schwarzes, graues u., wie die böse Welt sagt, durch Färben braun gewordenes Haar hängt ihr zottig nach allen Seiten über den Kopf, an dem die tiefliegenden, fantastischen Augen bei weitem das Schönste sind. 〈…〉 Die Bekanntschaft ihres Mannes, Achim von Arnim oder wie ihn die Berlinerinnen nannten, da er ein gar schöner Mann war, »Ach im Arm ihn!« machte Bettina in einer Theaterloge. Sie war schläfrig geworden u. legte ohne Weiteres ihren struppigen Kopf ihrem Nachbar (Arnim), den sie noch gar nicht kannte, auf den Schoos mit den Worten: »Bettina ist müde.« worauf Arnim erwiederte: »Hat Bettina auch keine Läuse?« Ein paar Wochen später waren sie verheuratet. Ich glaube in Arnims Novelle »Isabella von Egypten oder die Jugendliebe Kaiser Karls V.«, einer der schönsten Novellen, die Deutschland besitzt, da u. dort den Gnomen Bettina abconterfeit zu sehen. 209
Franz Kafka, Reisetagebuch August/September 1911
Bettina und Oberst im Teater: Darf Bettina den Kopf auf Deinen Arm legen? Wenn Bettina keine Läuse hat. Quellen 1
Tieck 1841, S. 343-345. Vorletztes der 1805/06 entstandenen Reisegedichte Tiecks. Noch nicht im Erstdruck der Tieckschen Gedichte (3 Bde., Dresden 1821-1823). Daß B gemeint ist, hat Körner 1950, S. 21 f.
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festgestellt (nicht identifiziert Tieck/Schr VII, S. 258–260). Entstanden nach Tiecks Bekanntschaft mit B im September 1806. Katholisches Kirchenbuch von Frankfurt-Dom; Diözesanarchiv Limburg, Sign. FDom K 4, Bl. 138v, Jahr 1785, Taufe. Geiger 1902, S. 205. (Anhang I. Wann ist Bettine geboren? Nach beglaubigter Abschrift aus den Kirchenbüchern durch Vermittlung des katholischen Stadtpfarrers von Frankfurt/M.) – Das nach den katholischen Kirchenbüchern geführte Familienattest beim Standesamt in Frankfurt ist nicht mehr erhalten. Belli 1850, Bd. VII, S. 75 f. Werner 1937, S. 42. DjBr Nr. 152. Düringsfeld 1870, S. 295. Maurer 1983, S. 364 f. Schiel 1933, S. 69-71. – Aufzeichnung des Malers Karl Theodor Reiffenstein nach einem Gespräch mit Antonia Brentano am 4. Mai 1865. Schenck 1985, S. 69 f. A.a.O. Erstes Bändchen, S. 19f.; Zweytes Bändchen, S. 431 f., 451. Friederich 1853, S. 38-40. H: SPK/NS Sign. 7/65,2. Hertling 1903/04, S. 288. H: SPK/NS Sign. 11/119,8. Schenck 1985, S. 117 f. (Bemerkungen in […] sind von der Herausgeberin.) DjBr Nr. 349. DjBr Nr. 354. Preitz 1964, S. 167. FBA XVI, S. 226-229. H: UBM/NS Sign. 725/761. Schnack 1984, S. 281. DjBr Nr. 375. Sadler 1869, Bd. I, S. 133. H: UBM/NS Sign. 725/770. DjBr Nr. 441. DjBr Nr. 466. DjBr Nr. 501. FBA XVI, S. 262, 265. DjBr Nr. 521. DjBr Nr. 527.
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DjBr Nr. 564. WAA XXXI, Nr. 234.E, Z. 93–154. WAA XXXI, Nr. 241, Z. 76-81. Schnack 1984, S. 137. WAA XXXI, Nr. 253, Z. 417-433. SNA XXXIX/1, S. 324 f. Stoll 1939, S. 270. WAA XXXI, Nr. 260, Z. 14-18. Schnack 1984, S. 141. Schnack 1984, S. 149. Marquardt 1964, S. 87. DjBr Nr. 727. DjBr Nr. 763. DjBr Nr. 794. DjBr Nr. 801. Marquardt 1964, S. 98. DjBr Nr. 883. DjBr Nr. 926. H: UBM/NS Sign. 725/166. H: SPK/NS Sign. 61/1. H: SPK/NS Sign. 51/1. H: SPK/NS Sign. 51/1. Marquardt 1964, S. 115 f. H: SPK/NS 51/1. DjBr Nr. 1065. DjBr Nr. 1089. H: SPK/NS Sign. 51/1. Preisendanz 1912, S. 90. DjBr Nr. 1131. WAA XXXII, Nr. 385, Z. 37-48. DjBr Nr. 1155. Dahlmann 1972, S. 179. Preisendanz 1912, S. 266 f. Preisendanz 1912, S. 275 f. H: SPK/NS Sign. 104/3. DjBr Nr. 1259. Preisendanz 1912, S. 300 f. H: SPK/NS Sign. 104/4. H: SPK/NS Sign. 104/5.
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Dittenberger 1895/96, S. 356. Dittenberger 1895/96, S. 356. Dittenberger 1895/96, S. 357. H: SPK/NS Sign. 104/6. H: SPK/NS Sign. 104/8. Arnim/Werke 1989-1994, Bd. III, S. 776 f. H: SPK/NS Sign. 104/6. H: SPK/NS Sign. 104/7. H: SPK/NS Sign. 104/7. H: SPK/NS Sign. 104/7. DjBr Nr. 1330. H: SPK/NS Sign. 104/7. H: SPK/NS Sign. 104/7. H: SPK/NS Sign. 104/7. DjBr Nr. 1334. H: SPK/NS Sign. 104/8. H: SPK/NS Sign. 104/8. H: SPK/NS Sign. 104/9. H: SPK/NS Sign. 104/9. H: SPK/NS Sign. 104/9. H: SPK/NS Sign. 104/9. H: SPK/NS Sign. 104/9. H: SPK/NS Sign. 104/10. H: SPK/NS Sign. 104/10. H: SPK/NS Sign. 104/10. H: SPK/NS Sign. 104/10. H: SPK/NS Sign. 104/10. H: SPK/NS Sign. 104/10. H: SPK/NS Sign. 104/11. H: SPK/NS Sign. 104/12. H: SPK/NS Sign. 104/12. H: SPK/NS Sign. 104/12. H: SPK/NS Sign. 104/12. H: SPK/NS Sign. 104/12. H: SPK/NS Sign. 104/12. H: SPK/NS Sign. 104,13. H: SPK/NS Sign. 104,13. H: SPK/NS Sign. 104,13. H: GSA Sign. 28/989/XII.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147
WA III, Bd. 3, S. 206. H: SPK/NS Sign. 104,13. Köster 1968, S. 552 f. Köster 1968, S. 555. WAA XXXIII, Nr. 557. H: SPK/NS Sign. 104/15. H: SPK/NS Sign. 104/15. WA III, Bd. 3, S. 291. Grumach 1999, S. 363. Grumach 1999, S. 363. WA III, Bd. 3, S. 291. WA III, Bd. 3, S. 291 f. Grumach 1999, S. 364. WA III, Bd. 3, S. 292. Grumach 1999, S. 365. Grumach 1999, S. 366. Grumach 1999, S. 366. Grumach 1999, S. 366. Grumach 1999, S. 366. Grumach 1999, S. 367. WA III, Bd. 3, S. 293. Grumach 1999, S. 367. WA III, Bd. 3, S. 293. Grumach 1999, S. 368. WA III, Bd. 3, S. 293 f. Grumach 1999, S. 373. Riemer 1841, Bd. I, S. 32, 34 f. Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 294 vom 9. Dezember 1807, S. 1175 f. FBA XXXI, S. 622, Z. 16-25. Köster 1968, S. 577 f. H: SPK/NS Sign. 104/19. H: SPK/NS Sign. 104/19. H: SPK/NS Sign. 104/20. Kestner-Köchlin 1904, S. 19 f. Kestner-Köchlin 1904, S. 20 f. Erstdruck 1809, S. 3 f. Schellberg/Fuchs 1942, S. 376. Dumont 2004, S. 630.
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Dumont 2004, S. 630. Dumont 2004, S. 634. WAA XXXIII, Nr. 884. Dumont 2004, S. 636. Dumont 2004, S. 637. Dumont 2004, S. 641. WAA XXXIV, Nr. 966. Campe 1855, S. 90. Jacobs 1840, S. 85 f. Dumont 2004, S. 641. Sydow 1906–1916, Bd. III, S. 9. Vorliegende Edition Nr. 499, S. 3–7. Schmidt 1913, Bd. II, S. 541 f. – Datiert: Februar[ ? ] 1809; Neudatierung bereits Schellberg/Fuchs 1942, S. 88. Dumont 2004, S. 650. Dumont 2004, S. 659. Schweikert 1971, S. 325. Schmidt 1913, Bd. II, S. 544 f. Matenko 1933, S. 436 f. Bernhardi 1893, S. 37 f. Nordländer 1812, S. 155–159. Stoll 1913, S. 108 f. H: SPK/NS Sign. 104/23. Schoof 1963, S. 148 f. Trainer 1995, S. 88. Anonym 1870, S. 314 f. – Fortsetzung: Brief Nr. 782. Ringseis 1886–1891, Bd. I, S. 96. Salat 1837, Heft II, S. 238. Steinsdorff 1972, S. 27. Stoll 1913, S. 106–108. Steinsdorff 1972, S. 28. Steinsdorff 1972, S. 28. Steinsdorff 1972, S. 27. Steinsdorff 1972, S. 311. Stoll 1913, S. 114–116. Steinsdorff 1972, S. 29 f. Boisserée 1862, Bd. I, S. 81. Schiel 1952, S. 350. FBA XXXII, S. 280, Z. 18–281, Z. 15.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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WA III, Bd. 4, S. 146. WA III, Bd. 4, S. 146. WA III, Bd. 4, S. 146 f. WA IV, Bd. 21, S. 370 f. Heitmüller 1892, S. 165. WA III, Bd. 4, S. 147. WA IV, Bd. 21, S. 371. Gerhard/Norvin 1929, Bd. II, S. 160. Hahn 2011, Bd. II, S. 202–205. – Erstveröffentlichung des OktoberTeils: 〈Karl August Varnhagen von Ense,〉 Bettina. In: Mitternachtszeitung für gebildete Stände. Braunschweig-Leipzig 11, 1836, Nr. 15 vom 15. Januar, S. 58–60, hier S. 59 f.; mit einer Einleitung Varnhagens: Be-
sonders mild und liebevoll hatte Rahel Bettinen aufgefaßt. Schon in frühester Zeit, als diese zuerst nach Berlin gekommen war, hatte sich eine Bekanntschaft angeknüpft, über die sich nebst einigen andern auch ein Blatt erhalten hat, das wir im Stande sind mitzutheilen. Rahel schrieb in eine Art von Tagebuch diese Stelle über Bettinen: – Erstveröffentlichung des Dezember-Teils: Ludwig Gei-
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ger, Eine unbekannte Charakteristik der Bettina von Arnim. In: Frankfurter Zeitung 61, 1917, Nr. 13 vom 14. Januar; als Brief Rahel Levins an Varnhagen. Rahel-Bibliothek 1983, Bd. IV, S. 157. WAA XXXIII, Anhang IV (S. 782). Helmer 1989, S. 89. H: SPK/Nachl. Grimm 647/V. H: SPK/ Nachl. Grimm NG 647/II. Kosch 1910, S. 240. Steig 1902a, S. 81 f. Abeken 1908, S. 156. Goethe/MA XX/1, S. 254. Rühl 1904, S. 161. H: SPK/Nachl. Grimm 647/43–45. Steig 1902a, S. 80 f. MEGA 1975 I/1, S. 675. Pepperle 2005, S. 132–135. Kafka 1990, [Textbd.] S. 991.
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Chronik und Stimmen der Umwelt
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BRIEFWECHSEL 1796–1811
Nr.
7. November 1796
1796 1.
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An Peter Anton Brentano in Frankfurt Fritzlar, 4. April 1796, Montag
Lieber Papa! Nix – die Link (da war eine Hand mit der Feder gezeichnet) durch den Jabot gewitscht auf dem Papa sein Herz, die Recht (wieder eine Hand gemalt) um den Papa sein Hals. Wenn ich keine Händ hab kann ich nit schreiben. Ihre liebe Tochter B e t t i n e . Fritzlar 1796 am 4ten April.
*2.
Von Kunigunde Brentano nach Fritzlar Frankfurt, vmtl. September 1796
B an Kunigunde Brentano, 7. November 1796: in deinem brief (Nr. 3).
3.
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Du fragtest mich alerhand
An Kunigunde Brentano in Frankfurt Fritzlar, 7. November 1796, Montag
Fritzlar Liebe Gundel D 7ten 9bre 1796. Du fragtest mich alerhand in deinem brief aber diß alles kann ich nicht beantworten theils weil die post bald fortgeth und auch des wegen weil ich den brief verlohren habe und ich habe auch keine Zeit mehr übrig ihn zusuchen. begnüge dich also bis auf das nächstemahl Da will ich dir alles beantworten was du mir schreibst nuhr dieße neuichkeit kann ich dir sagen, daß die mariesophie böße auf dich ist daß du ihr noch nicht geschrieben hast Adieu liebe Gundel auf ein ander mahl mehr Deine liebe Betine
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Nr. 4
1797 4.
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An Kunigunde Brentano in Frankfurt Fritzlar, 27. Februar 1797, Montag
Liebe Gundel ich dachte gleich daß du wieder deine Entschuldigunen hättest aber damit ist es nicht genuch man muß auch auf ein ander mal mehr schreiben es sind schon 2 pensionairen seit dem du fort bist weiter ist nichts neues forgegangen als daß die Merezelatrisse dir recht böse ist und dir deine sachen nicht ehnder schicken will biß du dir geschrieben hattest Fritzlar Deine Bettine D * 27 fbr Brentano 1797.
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a Mademoiselle Mademoiselle Condule Bren tano a franco Francfort
5.
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An Sophie Brentano in Frankfurt Fritzlar, 27. Februar 1797, Montag
Liebe Sophie Ich war dir noch nicht böse denn ich dachte gleich daß du es nicht thätest weil du mich nicht mehr lieb hast sondern weil daß Sophiegen ein wehnig zu Faul wäre ich wünsche sehr daß ihr auf einen Ball gehet denn wenn ihr euch amüsirt so ist es mir eben so lieb als wenn ich mich amüsieren tuhe Deine Bettine Fritzlar Brentano D 27 fbr 1797
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Ende Dezember 1800/erste Hälfte Januar 1801
6.
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An Kunigunde Brentano in Frankfurt Fritzlar, 21. April 1797, Freitag
Ma chere Soeur Condule Je vois dans votre lettre que vous pensez que je ne pourois vous montrer de mes dessins; mais je me dépêche pour vous détromper en voici trois exemplaires que je vous envoye, vous verrez Si j’ai profité, je vous prie de les montrer à maman je voudrois bien que vous eussiez la bonté de m’envoyer du meilleur papier, pour déssiner vous m’obligeriez infiniment je vous prie de dire à mes Soeurs Sophie et pauline que j’attends encore les lettres de la nouvelle année que vous m’avez promis de leurs part; dites leur que je Suis bien fachée de ce quelle me font attendre aussi longtems; je me prépare à faire ma premiere communion je crois que je la ferai à la Pentecôte je me recommende a vos prieres pour mobtenir la grace de la bien faire c’est la grace que vous demande Votre soeur Bettine Fritzlar ce 21 avril 1797
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1800 *7.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Frankfurt oder Trages, vmtl. erste Hälfte September 1800
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, vmtl. Ende September/Anfang Oktober 1800: Jenen Brief, an meine Bettine, hat man mit den Wor-
ten unterschlagen, ich hätte vermuthlich dummes Zeug geschrieben, das Mädchen war hier, und hat mit mir drum geweint. (DjBr Nr. 349.)
8.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt oder Offenbach Frankfurt oder Offenbach, Ende Dezember 1800/erste Hälfte Januar 1801
Deine Liebe und ihre Thränen haben mich recht im innersten Herzen gerührt, und ich gäbe die zarten Augenblike, die sie mir erschaffen haben, nicht um ein Jahr meines Lebens her, das ich allein mit mir Selbst in vielen stillen traurigen Erinnerungen wohl noch oft zubringen muß. 5
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Nr. 8
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Ich verstehe dein Gemüth, liebe Betine, ich weiß, wie dir zu Muthe ist, es ist mir auch noch oft so, daß es mir nicht immer so ist, daran mag ich nicht denken, weil mir dann viele stille Leiden, die schon längst begraben sein sollten, wiederkehren, und wie Geister einer verlornen schönen Welt vorüberschweben. – Ich liebe dich recht herzlich, und gesegnet sei der Winter, wenn ich in ihm mit dir eine innige Freundschaft erbauen kann, Du bist viel jünger als ich, aber das thut nichts, denn auch ich muß wieder jung werden, wenn ich glüklich werden soll. Deine Jugend stört mich nicht, denn ich ehre und suche die Zeit nicht, ich suche die Liebe, die stille freundliche Zuneigung der Gemüther, das reine innere Leben, und den zarten Sinn, und die ewige Jugend. Wenn du mich lieben kannst und schweigen, so sollst du meine einzige Freundinn werden, denn mein Leben ist so, daß es nur der zarten Unschuld | begreiflich ist, und nur die Menschen haben mich, bis izt sonderbar gefunden, die sich in einem leeren Treiben verlohren haben. – Du kennst mich noch nicht, ich bin im Herzen anders als von aussen, das außere das hat alles die Fluth der Welt, und der Schiksale, die über mich hingerauscht ist weggerissen, aber in meinem Herzen ist es noch grün, in meinem Herzen sind noch viele stille Blumen, die sollen alle dein sein, wenn du mich lieben willst mehr als andere, wenn du mich lieben willst wie den, der dich nie vergißt, und der alles was du auch nicht sagst, versteht. Sieh ich habe keinen unter den Geschwistern, der mich so liebt, daß ich viel aus ihm machen könnte, die haben alle keine Zeit darzu, und sind mit so vielen kleinen aüßerlichen Dingen umschlungen, daß ihnen das Herz ziemlich zusammengeschnürt ist, und schmerzt mich recht innerlich, woran sie aber nie denken können, daß je selbstständiger und vollkomner jedes einzelne wird, je mehr erweitert sich die Kluft, die es von andern trennt, und ich ich werde am | allerweitsten von allen zu stehen kommen, weil meine Bestimmung zur Kunst, mich ganz von ihnen trennen wird. Es ist mir darum so traurig, wenn ich bedenke, daß du mich liebst, und mich noch unendlich mehr lieben würdest, wenn ich dich in mein Herz hereinführte, so traurig, daß ich dann bald sehen würde, wie die aüßere Welt dich ergreifen und ganz von mir losreißen würde, wie ich dir nachsehen müßte, und dich verlieren. Aber wir sollen ja auch Opfer bringen im Leben, und das meinige ist das eines Priesters, ich habe bis izt nur Opfer gebracht. –. Fürchtest du mich nicht, mit meinen ernsten stillen Gedanken, mit meiner Liebe, die nicht so für heute und morgen 6
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ist, so sei mir willkommen du reines zartes Herz! sei mir willkommen in meinem Leben, wie ein freundlicher Geist, der mich geleiten will. Aber bedenke es wohl, ob dir es ernst ist, ich brauche viel Liebe, biß ich genug habe, mich verlierst du dann nicht wieder, wenn du auch von mir läßt, denn ich bin treu und einig mit mir. Sieh! ich bin noch nicht eine halbe Stunde von dir und schreibe dir so, habe ich dich nicht verstanden, und wer deiner Brüder oder Schwestern schriebe dir so. Aber sei ruhig in dir, und verschwiegen, waß du von mir erhälst ist nur für dich, ich gebe mich wenigen Clemens. 1801 9.
5
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Marburg, vmtl. zweite Hälfte Januar 1801
Ihr Gebet, Bettine, habe ich auch mit groser Andacht gelesen. Sie können es nicht begreifen, sagen Sie, noch für Ihr eigen Wesen erkennen, und das ist mir das liebste daran, denn es ist mir als ob es grade dadurch Ihnen recht eigen würde. Clemens wird Ihnen geschrieben haben, wie wir hier leben: gar still, etwas einsam und sehr freÿ sehen wir in die Welt hinein, wie zweÿ Vögel aus der Luft herunter; es ist schlimm, daß wir so allein sehen müssen, Seÿn Sie heiter, Bettine, und gesund, und lassen Sie es uns auch geniesen, indem Sie uns davon erzählen. Savignÿ
*10.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt und Offenbach Marburg, vmtl. 25. Februar 1801, Mittwoch
Clemens Brentano an Kunigunde Brentano, Marburg, vmtl. 25. Februar 1801:
in der Betine ihrem Brief steht manches auch für dich von Werth. / Ich erwarte, daß du ihn treu ablieferst, oder nie etwas von dir (DjBr Nr. 400).
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Nr. *11
*11.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt und Offenbach Marburg, vmtl. 26. März 1801, Donnerstag
Clemens Brentano an Kunigunde Brentano, Marburg, etwa 26. März 1801:
den Brief giebst du Betine, du sollst nicht wissen daß ich die andre Woche komme (DjBr Nr. 423).
12.
Vmtl. mit Kunigunde Brentano an Clemens Brentano in Göttingen Frankfurt oder Offenbach, vmtl. erstes Drittel Juni 1801
»Um Dich ein wenig zu amüsieren,« schickt sie ihm eine Abschrift »eines Products von Anton, auf der Tony Ihrem Geburtstag«. Er soll »beurtheilen ob nicht viel Poesie darinn sei?« Louis Wieland hat ihr zum vierten Male geschrieben, obwohl sie ihn »auf 3 Briefe ohne Antwort lies. Er erkundigt sich nach Dir, und nach Winkelmann.«
*13.
5
An Clemens Brentano in Göttingen Offenbach, etwa 23. Juni 1801, Dienstag
Kunigunde Brentano an Clemens Brentano, Frankfurt, 23. Juni 1801:
Und dann guter Clemens! schicke ich dir hier einen so liebenden Brief von Betine, daß ich gerne erst von dir hören möchte, ob dies dir immer noch nicht Liebe genug sei, daß du nicht wieder ein neues Verhältniß mit der Mereau wagtest! (DjBr Nr. 468.)
*14.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt und Offenbach Göttingen, Mitte Juli 1801
Clemens Brentano an Kunigunde Brentano, Mitte Juli 1801: beiliegendes Zettelchen (DjBr Nr. 481).
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Betinen schicke
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Vmtl. zweites oder letztes Drittel September 1801
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Von Clemens Brentano nach Offenbach Frankfurt, vmtl. zweites oder letztes Drittel September 1801
Meine liebe Bettine. Sieh! ich habe dich so lieb, wie mein eigen Leben, ja wohl noch lieber, denn ich könnte mein Leben um dich lassen, doch warum dieß so ist, das weiß ich, aber du wohl nicht, und ich will dir es erklären, denn ich fühle, daß aus unßrer innigen Verbindung, aus unßrer wahren Freundschaft, und gegenseitigen Hochschäzzung, und Anbetung des Ewigen, Wahren, und Göttlichen in uns mancher Verdruß, mancher Vorwurf der aüßren Welt, und besonders unßrer nächsten Umgebung, unßrer Famillie entstehen könnte, und ich will dir also meine und deine Liebe, die wir so auffallend für einander tragen, erklären, damit du ihre Würde, ihre Wahrheit, durch die Würde und Wahrheit ihrer Begründung erkennen, und ehren mögest, damit du nicht allein mich lieben mögest, sondern auch eben dieße Liebe als ewig, schön, und in unßrem Besten begründet liebest. Du wirst wohl empfinden liebe Schwester, daß izt durch die ganze Welt von was ganz anderem die Rede ist, als vor dreißig Jahren, denn die meisten Leute die vor dreisig Jahren mitsprachen, können nun nicht mehr recht antworten, und kommen uns mit allem ihren Weßen, kleinlich, langweilig, unnützgutherzig, ja verderblich gütig, und überhaupt etwas abgeschmakt vor, daß dies so ist, ist nicht als sei die heutige Welt thöricht, überspannt ect. denn du fühlst es ja auch, und ich weiß niemand der dich thöricht, überspannt, ect. gemacht hätte, denkst du nicht mit deinen eignen Gedanken, fühlst du nicht mit deinem Gefühle, kannst du dich nicht mehr be|greifen, bist du nicht mächtiger, als jeder Gedanke von dir, da du ihn bildest, und mit ihm machst, waß du willst, alßo bist du nicht überspannt, überspannt sein, heist mehr sein als man ist, und daß geht nicht gut, denn es ist ein bischen unmöglich. Man hat dich nichts gelehrt, alles ist rein in deinem Herzen, durch das heilige Leben erstanden, und waß du deutlich fühlst, und begreifst ist wahr, für dich wahr. Die Menschen um uns her sind auf dem höchsten Punkte ihres Lebens stehen geblieben, und haben irgend etwas nüzzliches und gutes drauf angefangen, aber dießer Punkt ist nun der höchste nicht mehr, denn das Leben konnte doch nicht etwa aus Höflichkeit bei ihnen stehen bleiben, sondern ist weiter gegangen. Sie sind in sofern sie das Ihrige gethan haben und noch thun achtungswehrt, und sofern sie das 9
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Ewige, die Liebe, und die Anbetung alles Schönen in sich erhalten haben für uns liebenswürdig, Sobald sie aber ihre aüßerliche Macht, die sie durch ihr längeres geübteres Dasein errungen haben, benuzzen wollen, sei es aus misverstandener Liebe, aus Rettenwollen, oder aus Beschränktheit, und einem erbärmlichen Glauben der Wahrheit und des Alleinwehrtes ihrer Begriffe, sobald, sage ich Liebe Bettine, als dieße Menschen ihre Macht ausüben, unßer Besserwerden oder sein, zernichten wollen, müssen wir alle Macht, allen | Glauben an das unsrige anwenden, um uns zu begründen, und fest zu erhalten. Dieße Vertheidigung unßers innern, unßers Heiligsten, aus dem unßer ganzes Leben hervorgeht, mit allen seinen Freuden, mit allen seinen Fähigkeiten, dieße hohe Vertheidigung, die allein zum edlen Menschen zur Ruhe und zum Würken erheben kann, ist um so reiner und heiliger, als sie, wenn wir sie wohl verstehen, unwiederstehlich und sicher siegreich ist. Du hast sie in dir, jeder Mensch hat sie in sich, aber wenige kennen sie, und erliegen in dem Mißbrauch dießer Heiligen Waffen. Ich liebe dich so innig, du bist mir so ähnlich, ich habe so vieles schmerzhaft erfahren, waß auch über dich kommen würde, laß mich dieße Schmerzen nicht umsonst erlitten haben, laß mich sie erlitten haben, um sie dir zu ersparen. Wir leiden nie, wir sind ewig glüklich, und zufrieden, wir sind allmächtig, groß, und unendlich, wir sind über unßer Schiksal erhaben, ja wir sind Gottähnlich, wenn wir uns nur mit dem höchsten, ewigen, wahren, und Schönen verbinden, wenn wir nur lieben, nur uns dem ganz ergeben, waß dießes ist, ja der Tod selbst kann uns dann nichts nehmen, denn durch waß wir leben ist größer als der Tod ist ewig, und so sind wir ewig. Hier, liebe Bettine, mußt du nicht irre werden, du mußt dieße Erhebung unßers Gemüths zum Höchsten, wohl auf die Herabwürdigung, aber nie auf die Verachtung des Geringern sezzen, denn auch das Allergeringste ist irgend einem Menschen das Höchste nach seinen Kräften, und wir dürfen keinem Menschen das nehmen, wor|nach zu streben, sein einzig mögliches Vervollkommen ist, und zwar dürfen wir ein solches uns geringeres ihm aber Höchstes nicht verachten, weil gerade dießes Allgemeine Fortstreben zur Vollkommenheit unßer Höchstes ist, und wir müßen unßer Höchstes überal, in allem waß lebt wiederfinden und ehren. – . Drum muß unßer Herz in stiller Andacht im Leben verweilen, wir müßen uns jeder reinen Freude im andern ruhig mitfreuen, nicht als freue uns der Gegenstand seiner Freude, sondern 10
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wir müßen uns seines frohseins erfreuen. Wenn ein Kind sich über einen rothen Apfel freut, so wirst du mit froh werden, nicht über den Apfel, nein über des Kindes Freude, und jeder dir untergeordnete Mensch muß dich in seinem Bessern, in seinem Unschuldigen rühren, wie ein Kind dich rührt. Sieh ich kann mit den Puppen der Meline froh werden, ich kann mich innig über eure Komoedien ergözzen, und meine Freude an deiner Liebe zu mir, und deiner Neigung zum schönen unschuldigen und wahren, ist sie mir gleich das höchste und auch dir, so stehen doch Alle unergründete Geheimnisse des Daseins über uns, und lächeln vielleicht eben so gerührt mit uns beiden, und freuen sich still unßrer Freude, wie wir unß des Kindes und seines Apfels freuen. Aber du fragst nun wohl, waß ist dies Alles, waß ist dieß Höchste, dies Ewige, Wahre? Waß ist Schön? Meine liebe es ist überall gleich groß, in gleicher Menge und Stärke, nur nicht für jeden gleich offenbar, nicht in jedem gleich deutlich. Eigentlich ist es das Ganze Leben, das ganze Dasein, sowohl die Materie, als der Geist, denn eines ist ohne das andre für uns ohnmöglich. – Ich will dir die Frage, waß das Alles sei, mit einer Andern Beantworteten Frage beantworten, und dies ist eine Frage, die wohl oft in dir, ja sogar noch in mir und in jedem lebhaften, lebendigen Menschen vorkömmt, sie heist, ei warum soll ich das lernen, ohne dies wird mir es auch wohl werden, das lang weilt mich e.c.t. und die Frage will ich auf die allgemeine zurükführen, warum lernen wir irgend etwas, warum bilden wir uns? Das was wir Leben, unser Leben nennen, ist nichts anders als das Gefühl unßrer selbst, die Empfindung das wir da sind, daß wir einzeln sind, daß wir eine Person sind, daß Gefühl unßrer Personalität, unßer Selbstbewustsein – dieße Empfindung aber haben wir nur indem wir auf andere Dinge sehen, die nicht wir selbst sind, die Außer uns sind, denn wären wir nicht von andern Dingen getrennt, so wären wir für uns nicht begreiflich, so könntest du nicht sagen. Ich bin Ich und alles andre ist nicht Ich. Dießes Gefühl seiner Selbst hat der Mensch allein, und hierdurch wird er nicht nur von den Thieren und allen andern Geschöpfen getrennt, sondern über sie erhoben, hierdurch allein hat er Macht über sie, kann sie mit seinem Verstand untersuchen, in ihren geheimsten Gesezzen belauschen, sie innehalten, wo er will, und sie gebrauchen, denn er ist ihnen hierdurch allein überlegen. Die Menschheit ist also überhaubt allein Verstehend, sie ist zusammengefast in ein Wort, das Verstehende, die Intelligenz*, so ist alles waß ihm entgegen11
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gesezt ist, was nicht verstehend ist sein Werk, denn in | ihm liegt allein der Geist, allein die Möglichkeit verstanden zu werden, gewust zu wer- 115 den da zu sein, zu erscheinen. Betrachte die ganze Welt als etwas was vorhanden ist, so ist es doch allein vorhanden, weil ein Geist in ihr Wohnt, der mehr thut als dasein, der das Dasein in sich selbst bricht, reflektirt, der das Dasein weiß, denn wäre nichts im ganzen Dasein, waß das Dasein wüßte, so wäre nichts da, denn nur das ist da, waß sich 120 meldet, waß sein Dasein anzeigt, waß gewust wird. Auf dieße Weiße ist der Mensch der Schöpfer der Welt, das heist nicht der Mensch, in sofern er einen Leib hat, mit allein seinen Mängeln und Instinkten, sondern in sofern der Geist, das Leben in ihm gefangen ist, in sofern das waß wir Gott, waß wir das Höhere nennen in ihm allein für ihn er- 125 kenntlich ist, weil er der Punkt ist, wo die Welt allein entzündet ist, wo die Welt allein Gewust, allein da ist. Das Ganze Dasein zerfällt also in ein Subject und ein Object. Jenes ist der Theil, welcher versteht, welcher weiß, welcher thut, der Mensch, oder vielmehr der Theil der Schöpfung, der durch den Geist entzündet 130 ist, der Lebend ist, der Schöpfer ist, dem das höchste, die Gottheit inne wohnt. Das Objekt ist alles waß ihm entgegengeßezt ist, sogar sein eigner Körper, indem nun dies Subject mit irgend einem Objekt zusammen kömmt, indem ein verstehendes, und ein unverstandenes zusammen trift wird ein Verstandenes daraus, und dießes ist ein Begriff, eine 135 Idee, so ist auch das Selbstbewustsein, ein Zusammentreffen, des Geistes und seiner Begränzung, und | der höchste Begriff, weil er alles andere erschaft, denn vor ihm ist uns nicht begreiflich, durch ihn ensteht uns Alles. Nun wollen wir uns wieder an die Frage errinnern, Warum bilden 140 wir uns. Du fühlst wohl, daß der Mensch nur unglüklich ist, insofern er beschränkt ist, denn jeder Mensch, der leidet wünschet sich Freiheit vom Leiden, indem ein Leiden nur Beschränkung irgend einer Ausübung unßrer selbst ist, du findest also, daß Beschränkung unßrer Bestim- 145 mung entgegen gesezt ist, daß sie unatürlich ist, Krankheit ist, denn wir leiden durch sie. Du fühlst, daß wir uns nur erweitern können, indem wir mehr besizzen, und daß wir nur mehr besizzen, indem wir mehr verstehen, und daß wir nur mehr Verstehen, indem wir mehr durchdringen, waß au- 150 ßer uns ist, indem wir mehr lernen, ausser uns ist sogar unßer phisisches Dasein, unßre Organisation, unßre Rührungen, wir selbst sind 12
Ende November/Anfang Dezember 1801
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ausser uns, insofern wir uns nicht kennen, also sind wir uns das erste Objekt, das wir verstehen müssen, um uns über das andere zu unterrichten, um die Beschränkung aufzuheben. – . Aber uns selbst kennen lernen ist sehr schwehr ohne die aüßre Welt zu verstehen, wir selbst sind unßer Werkzeug, und ein Werkzeug können wir nur verstehen indem wir seinen Stoff ergründen, das ist der einfachste reinste Weg, und der meinige, der Weg des gemeinen Lebens ist Erfahrung, die Menschen ergründen sich durch ihr Unglück, oder ihr Glük, sie kommen am Ende zum Tode und klagen über die Verflossenheit der Jugend weil sie damals sich nicht selbst aufgerieben hatten, noch gesund waren, und Kräftig waren, und wissen nun, daß sie nichts mehr taugen, aber haben nie etwas gethan. 〈3r auR:〉 * Dieß Wort kömmt von dem Lateinischen, intelligere verstehen
*16.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Mainz( ? ), erste Hälfte letztes Drittel November 1801
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, zweite Hälfte erstes Drittel Dezember 1801: Betinen schrieb ich sich nicht von ihr 〈Louise de Gachet〉 einnehmen zu lassen (DjBr Nr. 532).
*17.
An Clemens Brentano in Jena Offenbach, Ende November/Anfang Dezember 1801
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, zwischen 5. und 10. Dezember 1801: Betine schrieb mir beiliegend, sie ist ein Engel, und sie sind ein schlechter Mann, wenn sie nicht von ihr entzükt sind (DjBr Nr. 52).
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Nr. 18
1802 18.
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An Friedrich Carl von Savigny in Marburg Offenbach, vmtl. erstes Drittel März 1802
Die Orgelmänner gehen hier auf der Strasse herum lieber Savigny und spielen die liebe Feuerstunde schlägt, halten sie doch auch wieder ein mal Feuerstunde und schreiben sie mir und denken sie an mich, es ist nun schon ein Halbes Jahr daß sie mich nicht gesehen haben ich will wetten sie wissen nicht mehr wie ich aus sehe ob ich braune oder blaue augen habe, ich will es ihnen sagen meine Augen sind groß und braun etwas heller als des Clemenz seine und ich habe einen kleinen hübschen rothen Mund sonst hatte ich rothe Farbe aber jetzt bin ich sehr braun geworden über haubt bin ich sehr garstig Sie kenne ich recht gut sie haben große Blaulichte Augen und einen sehr frommen Mund übrigens haben sie einen sehr wunderbaren Kopf und um diesen sind sie grosser als viele andre und um 3 grosser als ich. Grüßen sie Clemenz von mir und sagen sie ihm ich sey sehr betrübt daß er mir wärend der langen zeit nur 3 mal geschrieben habe er soll ein beispiel an seinem Freund nehmen Bettine
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An Savigny
*19.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Marburg, vmtl. 8. März 1802, Montag
Clemens Brentano an Antonia Brentano, vmtl. 8. März 1802: Hierbei lege ich ihr 〈B〉 einen Brief, es ist eine kleine Abhandlung über Lüge und Wahrheit, im weitesten Sinn, sie soll dir ihn lesen lassen, aber gieb ihn ihr bald, auch dir wird Freude machen, und du wirst ihn wahr finden. (DjBr Nr. 589.A.)
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Etwa 20. April 1802
*20.
An Clemens Brentano in Marburg Offenbach, vmtl. zweite Hälfte März 1802
Johann Wilhelm Ritter an Clemens Brentano, 2. April 1802: Dein Brief von
Betinen hat mir eine theure herrliche Freude gemacht. Lieber Freund, habe nie eine Sorge um sie. Sie ist in Wahrheit auf dem einzig rechten Weg in das Verhältniß mit der Welt zu treten, was allein gut ist. Ein unendliches Herz voll ewiger Liebe fällt sich allemal in eben dem Grade zur großen Last. (DjBr Nr. 599.)
21.
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Johann Wilhelm Ritter an Clemens und Bettina Brentano in Frankfurt und Offenbach Jena, etwa 20. April 1802, Dienstag
Deine ganzen Briefe habe ich erhalten. Vergiß was dir in den meinigen nicht gefiel. Ich denke jetzt auch zum letzten male daran. Übrigens sollen deine inwendigen Regenschirmsäuler auch in Zukunft nicht bankerott werden. Es kommt alles aufs Barometer an. Bey »gut lieben« sinds Gewitterregen auf der einen Seiten, während auf den anderen die Sonne drein scheint. Mein Brief der vehementissime regens, hat dich mein clementissime regens, zur Aussprache mancher Wahrheiten gebracht, die mir von dir zu hören, höchst erfreul. gewesen sind. Euer Angebinde (– Gott – weßen Geburtstag ist heute! – meiner nicht – aber – – – [u. heute früh erhielt ich den Brief erst] – –) hat mir einen Tag gemacht – einen Tag, wie die Nacht, von der du mir schriebst. Ihr herrlichen Menschen! Das Täschchen hat bereits seine Bestimmung. Die Pfennige verwahre ich drinne, wofür ich Veilchen kaufe. Ich habe, seitdem dein Brief da ist, noch kein Veilchenkind zu sehen bekommen, sonst schickte ich Bettinen sogl. die Ersten mit, die ich für die Pfennige daraus eingekauft hätte. Aber ich werde sie nicht schuldig bleiben. Ich kann Euch heute gar nicht schreiben, wie herrlich Ihr seyd! Ich habe heute einen entsetzl. verwirrl. Tag gehabt. Das Gute drinnen wart Ihr, das Schlechte Jedermann. Die Goldstücke bleiben mein unveräußerliches Eigenthum, d. i. wie du richtig bemerkst, unseres. Ich habe mir an einem Ort Geld darauf geben laßen, wo ich sie auf jeden Fall wieder bekomme, wenn ich die neml. Summe zurückgebe. Du weißt schlechterdings nicht, wie mich der Brief, die Art, die Sache, der Stoff, 15
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Nr. 21
der ganze Geist von allem mit einander überrascht u. zufrieden mit Euch gemacht hat, wie noch nie. Ich muß das so in handfesten Ausdrücken hingeben; ich denke, heute sind es die besten. Es ist so dunkel, daß ich kaum mehr sehen kann. Es ist ½8. Ihr bekommt auf den heutigen Brief, den mit dem Täschchen, noch eine Menge Antworten. Überhaupt werde ich jetzt zuweilen an dich u. B. zus. schreiben. Eins seid ihr einmal. Und ich nicht der Zweyte. Nicht wahr, Sie schreiben auch mit dem Clemens zugleich an mich. In zwey Tagen bekommen Sie Veilchen nach Offenbach, u. in vier Tagen ein Mährchen von Veilchen, was ich vor 3 Jahren gemacht, aber bis jetzt noch niemand gezeigt habe. 〈1v alR:〉 (Ueber alles Menschendenken will uns Gott den Frieden schenken.)
*22.
An Clemens Brentano in Marburg Offenbach, vmtl. zwischen 7. und 9. Mai 1802, Freitag und Sonntag
Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, vmtl. zwischen 10. und 12. Mai 1802: Gestern 〈…〉 erhielt ich einen Brief von ihr, des Men-
schen Geist kann so nicht schreiben, das ist Gott, der so spricht 〈…〉 In Betinens Brief steht unter andern folgendes – Clemens! Weist du wer der Mond ist, er ist der Wiederschein unsrer Lieb, und die Sterne sind Wiederschein der übrigen Lieb auf Erden, aber die Sterne so nah dem Mond lieber, was ist diese Liebe, die mir so nahe geht, unsre Lieb aber ist außerkohren, und groß und herrlich vor allen andern, die Erde aber ist ein großes Bett, und der Himmel eine grose freudenreiche Decke aller Seeligkeit, Clemens, Was sehnst du dich nach mir, wir schlafen in einem Bette (WAA XXXI Nr. 231,3-27; DjBr Nr. 624).
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Etwa Mitte Juni 1802
*22a. Von Clemens Brentano nach Offenbach Marburg, vmtl. zwischen 9. und 11. Mai 1802, Sonntag und Dienstag Keine Angabe zum Inhalt.
*22b. An Clemens Brentano in Marburg Offenbach, etwa 20. Mai 1802, Donnerstag Keine Angabe zum Inhalt.
*23.
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Von Johann Wilhelm Ritter nach Koblenz Jena, vmtl. erste Hälfte Juni 1802
Clemens Brentano an B, zweites Drittel Juni 1802: Doch zuerst einige Worte über inliegende Zeilen von Ritter, die er mir ohne eine Zeile an mich so schickte. Ich weiß nicht, waß er damit sagen will, finde sie auch sehr unverständlich, und du sollst ihm also nichts drauf antworten, und sie solange für einen Wisch halten, biß etwas gescheiders oder nichts erscheint, und damit gut. (Nr. 27,71-76).
*24.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Koblenz, etwa Mitte Juni 1802
Vgl. Nr. 25,1-11.
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Nr. 25
25.
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An Friedrich Carl von Savigny in Marburg Offenbach, zwischen Mitte und etwa 20. Juni 1802
Liebe Bettine Der Frühling war so schön, der Rhein trug mich so Gast frei. Arnim hat mich so lieb da trat ich hier her in meine Jugend die mich rings umfing, ach und ich bin so unglücklich geworden ich liebe so heftig so heftig die Geliebte meines einzigen Freundes hier Gott gebe mir Kraft daß ich entsagen kann das Mädgen ist Benedictgen Corbach. schreibe mir gleich schreibe auch an sie ein paar zeilen dazu, wenn sie dich kennte, sie liebte mich vieleicht Clemenz Die Adresse bei Bürger Scheidel. Firmung strasse schreibe dem Savigny waß ich dir schrieb, ich kann nicht mehr. Savigny weine ich oder lache ich ei du Heilche Dreifaltigkeit (nein nicht Drei falt igkeit Drei ei nigkeit, nein nicht Drei ei nigkeit Treu einigkeit nein nicht Treu einigkeit, Un treu ei nigkeit) was soll das werden bin ich eifersüchtig bin ich froh es kühlt das Leben es brennt im Herzen so wird alles zum ein fachen gebrauch im Leben und muß nur immer zur erleichterung dienen ist denn das Leben ein schwerer Sack nein es ist ein grosser Gewichtstein der so leicht zu tragen ist wenn ihr ihn mit dem kleinen Finger hebt wenn ihr ihn aber mit beiden Armen umfassen wolltet da werdet ihr freilich nicht weit kommen, kommen wer spricht denn von kommen, kommen werdet ihr gar nicht ihr habt eure liebe zum Fuß schehmel gemacht und sitzt ganz träg und faul im Lehn sessel den ihr euch von übrig gebliebenen Resten von Kuchen gebaut habt der bei Feierlichen Scenen | aus eurem leben gebacken ward wer wird sich auf Kuchen setzen der zerbricht nein er ist so hart wie stein und so zähe wie Leder Clemenz schreibt von entsagen was soll das bedeuten muß man denn entsagen wenn man liebt das begreife ich nicht muß ich auch entsagen wenn ich liebe ich habe keines wechs lust dazu. Savigny Savigny rührt euch denkt an mich ihr habt mich so lieb und seid so still ihr könntet das Post horn von meinem Reiß wagen hören und wüßtet nicht daß ich es bin die mit eilender Weile in ihr altes Vaterland zieht mit Triumpf und Türkischer Musick will ich hin ziehen ich habe mir alle den Sing sang schon bestelt
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Bettine Schreibet dem Clemenz nicht nach Coblenz er wird morgen oder heute noch wieder hier seyn À Monsieur Monsieur de Savigny à Marbourg
*26.
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An Clemens Brentano in Koblenz Offenbach, zwischen Mitte und etwa 20. Juni 1802
Clemens Brentano an B, letztes Drittel Juni 1802: willst du wissen (Nr. 27,13-14).
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Wie mir es gegangen ist,
Von Clemens Brentano nach Offenbach Koblenz, letztes Drittel Juni 1802
Wer diesen Brief von mir erhält, weiß ich nicht, welchem von meinen Freunden schreibe ich, und wer ist mein Freund? Ich bin schon acht Tage in der franz* Republik, bin auch verliebt, habe Ruinen gesehen Spizzbuben und Weiber, die blos der Einfachheit ihres Gebrauchs wegen immer die besten sein mögen, die wir haben in der schlechtesten Welt, die wir haben. Wenn du ein Mensch bist, der sich gerne mit der Idee abgiebt, wie dies oder jenes beßer sein könne, der sich in der Zeitlichkeit damit beschäftigt, die Stube zu meubliren, so wäre hier unendlicher Stoff, für deine Ideen für Schlosser und Schreiner. Alles Gegenwärtige ist mir nur der Stiel an dem ich Vorzeit und Zukunft anfaße, die unendlich Tiefen Vollen, und Unsichtbaren Gefäße. Die meisten haben nur den Stiel in Händen, und sind mit dem Stiel zufrieden, weil sie nicht wissen dürfen waß sie thun, um etwas zu thun. Wie mir es gegangen ist, willst du wissen, mir ist es nie gegangen, ich bin, drum liebe ich, und lebe, ohne Liebe, und Leben, ich bin ein geborner Idealist. Ich bin ein Schüler der ewigen Erkenntniß, alles begreifen ist mein Handeln, alles lieben mein Seegen, und daß ich alles diesem Herzen hinbiete, das zu reich an Gerechtigkeit, und ewiger Milde ist, um zu besiz19
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zen, das ist mein kleiner Fluch, glüklich bin ich nicht, das ist Menschenwerk, unglüklich bin ich nicht, das ist Menschenwerk, ich bin alles, das ist Gotteswerk, und mag es niemand beweisen, das ist arme Bescheidenheit, die Kunst aber ist die Kanaille, die mich mit diesem sorgenvollen Ehrgeizze behängt hat, und die Trägheit ist es, der ich es verdanke, daß ich so edel bin. Lieb und Leid im leichten Leben Sich erheben, abwärts schweben, Alles will das Herz umfangen, Nur Verlangen, nie erlangen, ––––– In dem Spiegel all ihr Bilder, bliket milder, blicket wilder, Kann doch Jugend nichts versaümen Fort zu traümen, fort zu schaümen. ––––– Frühling soll mit süßen Blicken, Mich entzüken und berüken, Sommer mich mit Frucht, und Mirthen, reich bewirthen, froh umgürten. ––––– Herbst du sollst mich Haushalt lehren, Zu entbehren, zu begehren, Und du Winter lehr’ mich sterben, mich verderben, Frühling erben, ––––– Waßer fallen um zu springen, Um zu klingen, um zu singen, Schweig ich stille, wie und wo? Trüb und froh, nur so, so! ––––– Arnim, Arnim, dir rufe ich ewig nach, und nur neben dir mag ich leben und sterben, beides muß ich, seit ich dich kenne mag ich auch. Du freue dich meinen Theil, du weine meinen Theil ich gönne dir beides, und wäre zufrieden mit dir, und auch einer Butterschnitte. Neben dir ist mir es so und so ergangen, dich habe ich als einen solchen gefunden, du bist mir auf jene Art entgegen gekommen, und hast mich solchermaßen geliebt, O Jugend, o Leben, o Liebe, o Tod, o Webstuhl der Zeit, o Teppich, o Gastmahl, o Rausch, o Kopfweh, o Nüchternheit, o Gegen20
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wart, o Nothwendige Ewigkeit der Gemeinheit, und Ungemeinheit o Allerheiligstes, o Allerunheiligstes. Im Sandrart steht ein Kupfer, es stellt eine trinkende Psyche vor, auf der Stirne der Psyche fängt die einzige kreisende Linie an die das ganze Bild hervorbringt, an diesem Pünktchen, sucht mich, wenn ihr euch nach mir sehnt, da sizze ich, und habe ein Hütchen auf. Du bist es, du liebes Mädchen, die diesen Brief erhält, du bist mein einziger Freund, auch bin ich bald wieder bei dir. Meine liebe hier ist geendigt nicht geendigt, nein dir geopfert, Hier hast du noch ein Lied, schreibe mir nicht hier her, ich bin früher wieder bei dir. Mein Herz sehnt sich wieder | nach deiner reinen tiefen Seele, o du Engel, du bleibst mir ewig. Hier hast du ein Lied, das ich nieder schrieb, als ich Benediktchen Korbach gesehen hatte, ich hatte es eigentlich geschrieben, als ich an dich gedachte. Doch zuerst einige Worte über inliegende Zeilen von Ritter, die er mir ohne eine Zeile an mich so schickte. Ich weiß nicht, waß er damit sagen will, finde sie auch sehr unverständlich, und du sollst ihm also nichts drauf antworten, und sie solange für einen Wisch halten, biß etwas gescheiders oder nichts erscheint, und damit gut. Am Rheine schweb ich her und hin Und such den Frühling auf So schwer mein Herz, so leicht mein Sinn Wer wiegt sie beide auf. ––––– Die Berge drängen sich heran, Und lauschen meinem Sang, Sirenen schwimmen um den Kahn, Mir folget Echoklang. ––––– O Halle nicht, du Wiederhall, O Berge kehrt zurük, Gefangen liegt so eng und bang Im Herzen Liebesglük. ––––– Sirenen tauget in die Flut, Mich fängt nicht Lust nicht Spiel, Aus Wassers kühle trink ich Glut, Und ringe froh zum Ziel. ––––– 21
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O wähnend Lieben, Liebes Wahn, Almächtiger Magnet, Verstoße nicht des Sängers Kahn, Der stets nach Süden geht. ––––– O Liebes Ziel so nah sofern, Ich hohle dich noch ein, Die Frommen führt der Morgenstern, Ja All zum Kripelein. 2v
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Geweihtes Kind erlöße mich, Gieb meine Freude los, Süß Blümlein ich erkenne dich, Du blühest mir mein Looß, ––––– In Frühlingsauen sah mein Traum Dich Glockenblümlein stehn, Vom blauen Kelch zum goldnen Saum, Hab ich zu viel gesehn, ––––– Du blauer Liebeskelch in dich, Sank all mein Frühling hin, Vergifte mich, umdüfte mich, Weil ich dein eigen bin. –––––– Und schliesest du den Kelch mir zu Wie Blumen Abends thun, So laße mich die lezte Ruh, Zu deinen Füßen ruhn. Adieu lieb Kind, auf Wiedersehn.
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Etwa 25. Juni 1802
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An Clemens Brentano in Koblenz Offenbach, etwa 25. Juni 1802, Mittwoch
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 30. Juni/1. Juli 1802: Von Betinen habe ich einen Brief, der mir viel Schmerz verursacht 〈…〉 Betinens Brief enthält ein Gedicht, ein wunderbares 〈〈xxx〉〉 schrekliches. Die lezten Zeilen heißen O Ewger Frühling willst du dann entfliehen. O Hofnung, schmerzlich Zutraun, eitler Wahnsinn! Du willst empor zu ewger Sterne Klarheit, Du willst empor zur liebe höchstem Frieden, Dich reists empor zum milden Flammen Segen, Bald wirst du ganz in liebes Feuer brennen, O könnt ich mich mit aller Macht ergeben, O könnt ich dich in deinem Flug umfangen, Und so mit dir den Himmel mir erstreben, Hier knie ich nun in ewigen Verlangen, Und schau mit starrem unverwandten Auge, Nach meines Herzens lieberrungnen Wunde, Es quillt das Blut nun ewig aus der Wunde. (DjBr Nr. 641.) B an Savigny, 31. Juli 1802: der Brief, den ich an Clemenz über Arnim schrieb, ist zwar sehr – ich weiß nicht recht, wie ich ihn nennen soll, aber ich bin jetz sehr ruhig. (Nr. 30,6-8). Clemens Brentano an Arnim, vmtl. zwischen 3. und 7. August 1802:
Acht Tage nach deiner Abreise bekam ich morgens Betinens Brief, daß sie dich liebe 〈…〉 ihr poetisches Stammlen an dich in dem Briefe ist das erste rithmische Produkt von ihr. (WAA XXXI, Nr. 240,64-66+106-108).
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Nr. *29
*29.
An Clemens Brentano in Frankfurt Offenbach, vmtl. 30. oder 31. Juli 1802, Sonnabend oder Sonntag
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, vmtl. 30. oder 31. Juli 1802:
Soeben schreibt mir Betine, grüße meinen lieben Savigny, er mag mir gut sein oder nicht, so kann ich mir doch keinen lieberen Menschen denken. (DjBr Nr. 669,7.)
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An Friedrich Carl von Savigny in Marburg Offenbach, 31. Juli 1802, Sonntag
Ich schäme mich ein wenig an sie zu schreiben Lieber Savigny, weil ich keine Antwort zu erwarten habe da sieht es denn ein bisgen unverschämt von mir aus, Morgen wird Clemenz von hier abreisen, ich fürchte sehr er wird Ihnen viel von meiner großen Liebe zu Arnim weis machen wollen und noch mehr daß Sie geneigt seyn werden alles zu glauben der Brief den ich an Clemenz über Arnim schrieb ist zwar sehr, – ich weiß nicht recht wie ich ihn nennen soll, aber ich bin jetz sehr ruhig. Ich lese jezt Sternbald ich kann das Buch kaum ansehen daß es mich nicht auf eine besondere Art rührt es kommt mir so verloren vor grade als wenn von einem verlaßnen Kloster das in einer recht einsamen Gegend liegt mit vielen Alten Baümen und Wässerfällen umgeben wenn da auf ein mal die Klocke von selbst läutet oder ein altes Kirchenlied von oben herab klingt ohne das jemand gesehen ward die Leute die da vorüber gehen ahnden daß jemand bald sterben soll, andere die nicht wissen daß das Kloster unbewohnt ist erheben ihr Herz zur Andacht und erfreuen sich der einfachen Kindheit der Melodie, Clemenz ist bös daß ich so gerührt war darüber und sagt ich mache ein einfaltiges Gematsch. Ich habe eine große Sehnsucht nach Marburg da wo die schönen Aussichten sind und der große Garten wo Clemenz und Savigny abends ganz spät hingehen und sich am Abend erfreuen wo morgens die grose Sonne ins Fenster scheint und alles weckt was ich recht liebe, ich werde jetz einen Ofenschirm sticken für den Winter in den grosen Saal mit Sechs Fenster, ich stelle mir schon vor wie man davor sitzt und sich erzählt manig mal auch von mir Cristian wird zu ihnen komen den Clemenz ihn ihnen einschärfen weil er ein bisgen Eitel ist ob sich wohl der Pfarrer Bang 24
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noch meiner erinnert Sie schreiben mir | doch; nur ein paar worte, das andere Briefgen habe ich sehr sorgfältig aufgehoben, und lese es noch sehr oft. wer weiß wenn ich Sie wieder sehe und wenn sie mir da nicht schreiben so werde ich ihre Bekanntschaft von vorne anfangen müßen. Bettine
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Herrn Doktor von Savignÿ in Marburg
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Mit Clemens und Kunigunde Brentano an Arnim in Genf Frankfurt, 7. Oktober 1802, Donnerstag
Ach im Himmel, denn die Erde kann es nicht seyn denn man ist ja nicht in der Erde. Ach im Himmel. Hoch, Hochachtet er die Liebe damit die Liebe den Himmel erreicht und das ist gut und Herrlich und Himlisch deine so hoch war die Liebe noch nicht denn das ist das Hochste Gut und die schönste Gegend und der Herrlichste Anblick, darum will ich auch meiner Liebe nicht abschwören und sagen sie sey nicht so groß als sie wirklich ist damit meine Liebe keinen Schatten an das Hohe Himmelsgewölb wirft sondern immer Hell und klar brennt gleich wie die Sonne – so hat Arnim zwei Sonnen am Himmel Bettine
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Ich kann das alles nicht so ganz deutlich verstehen, mir scheint aber es solle bedeuten sie sei Ihnen gut, und das bin ich Ihnen auch, und sende Ihnen einen freundlichen Gruß. Gunda.
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Herrje, da hat die Gunda das ganze gebäude zusamen geworfen, man kann es ihr nicht verdenken sie Liebt das dunkle Leben und kann die Sonne nicht vertragen Arnim muß herab und alles herab Bettine Wenn ich wirklich das Gebäude umgeworfen habe, so ist es aus der ganz entgegen gesetzten Ursach als die Betine angiebt, mir war das 25
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ganze Gebäude im licht, und als ich nach der Sonne mich sehnte da muß ich es von ungefähr umgestoßen haben, und als ich mich umschaute da war nichts mehr da von der gemachten Sonne als ein milder Strahl von Wohlwollen. adieu Gunda. Da war nichts mehr da das hat ihr das Schwarze Dunkle Leben ein gegeben ich muß das Letzte Wort haben. sie ist von jeher blöd sichtig gewesen Adieu Arnim Bettine Ich will die Schwerenoth kriegen, wenn sie alle beide wißen, was das alles anders ist, als die Bestättigung, daß keine Wahrheit in dem dunkeln Leben ist und die Liebe nur im Tode gesund wird. Alle dieser Unsinn muß wohl am Ende Sehnsucht nach der Kunst sein, wenn es nicht Sehnsucht nach einem Mann ist Clemens Lügen habe ich von
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Winkelmann gelernt. Gunda
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Von Ludwig Achim von Arnim an Bettina und Kunigunde Brentano über Marburg und Düsseldorf nach Frankfurt Genf, 18. November 1802, Donnerstag
Meinen verehrungswürdigen Freundin〈〈nen Gunda und〉〉 Bettine. Frühling und Sommer Genf d* 18 Nov 1802. Es jagen sich zwey Knaben munter, Vom Thal zur Höhe leicht und frey, Die Wiese wird schon wieder bunter, Das alte Kleid der Erde neu. x »O buntes Kleid der lieben Erde, Spricht einer, »O bedecke mich »Daß ich vor ihm verborgen werde, »Und schaue ob er harrt auf mich.« x 26
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Der Waizen deckt mit goldnen Aehren Den lieben Frühling säuselnd zu, Nicht lange konnte es so währen, So schlief der Knab in stiller Ruh. x Und weinend rief der Sommer wieder: »Wo liessest du mich Frühlingskind, »Ich kann hier nicht zum Thale nieder, »Den Weg verwehet kalter Wind! x Da wacht der Frühling auf und saget: »Verstehst du Kleiner denn nicht Spaß, Wer thut dir was, daß du geklaget, Die Aeuglein hast geweinet naß, x Der andre zieht den Mund zum Lachen, So scheint beym Regen Sonnenschein, Und sagt: Du wolltest nicht erwachen, Da fühlte ich mich so allein. x Sie liegen in dem Waizen beyde, Der eine küsst die Thränen ab Der andre froh daß er nicht scheide, Ihm manches Küsschen wiedergab. x Doch reif ist schon der Waizen worden, Die Schnitter ziehen durch das Feld Sie wollen jezt den Waizen morden, Der sie im Winter unterhält x Hat euch das Heimchen nicht gerufen, Das traurig um euch Kleinen klagt, Zum Felsen springt es hohe Stufen Die Schnitter haben es verjagt. x Ihr bleibet in den Saaten sitzen, Bis ihr mit euren Saaten sinkt, So bleibt im Nest das Rebhuhn sitzen, Wenn schon die Sense hell erblinkt. 27
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x Die Erde kennt die lieben Kleinen, Die sie so herrlich ausgeziert, Sie muß nun ihren Tod beweinen, Die bunten Kleider sie verliert. x Kein Laub giebt mehr den Schnittern Schatten, Wenn sie mit ihren Liebchen gehn, Und die sie oft erfreuet hatten, Des Waldes Stimmen auch verwehn. –––––
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So ist es nun wirklich um Genf, alles öde und traurige, beklemmende Herbstnebel und dürre Blätter, so wird es in Frankfurt nicht seyn; darum will ich mit meiner heisern Winterstimme nicht langweilig in ihren fröhligen Wechselgesang hineinrufen, ich ziehe morgen dem Frühling nach gen Genua und Nizza, vielleicht wage ich es dann mich Ihnen mystisch in den | wunderbaren Zeichen, die wir Schrift nennen, zu nähern. Sie glauben nicht, meine Freundinnen, wie mich Ihr Duet begeistert hat, welches Clemens mit einem furchbaren Baß- und Trompetenton durchschnitten, und bis Sie mir endlich versichern, daß alles Lügen sind, die Sie von Winkelmann gelernt; ich bedaure nur, daß ich keinen Unterricht bey ihm genommen, ich würde Ihnen sonst versichern, wie es mir herzlich lieb sey von Frankfurt auf so lange Zeit entfernt zu seyn, wie ich die grüne Burg, den goldnen Kopf und Offenbach ganz vergessen, wie ich mich endlich Ihrer Freundschaft gar nicht weiter empfehlen wolle. Achim Arnim.
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Mit Kunigunde Brentano an Stephan August Winkelmann in Göttingen Frankfurt, zwischen Mitte und 24. Dezember 1802
Stephan August Winkelmann an Clemens Brentano, Göttingen, 24. Dezember 1802 Gunda schrieb sehr nett u. Bettine. (DjBr Nr. 715.)
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An Friedrich Carl von Savigny in Marburg Frankfurt, zwischen Mitte und 25. Dezember 1802
Bettine mögte ihnen gerne auch schreiben alein sie hat zu viel respect vor ihnen, sie mögte Sie gerne grüßen alein sie fürchtet das sie nicht wieder gegrüßt wird, und das thut ihr gar leid sie mogte ihnen gerne etwas recht erfreuliches anthun so etwas daß einem ganz alein entzückt wovon man die Nacht Traumt, wenn man den Tag daran gedacht hat, aber die Feder kann nicht singen sonst sollte eine himmlische Melodie ihnen beÿ erbrechung des Briefs entgegen Tönen. Wenn die Nachtwächter Singen, so denke ich an Tod wer Singt den wenn ich an’s leben denke, ich glaube, es Singt niemand denn es giebt ja keine Tag wächter. Es ist seltsam das alles was so recht in der mitte ist nie mals einen so gesetzten Stand hat als was in den Eken ist ein Stein der in einer Eke ist kann man gleich einen Eckstein nenen und jeder wird wissen was daß zu bedeuten hat aber einer in der Mitte liegt so unbestimt da daß jeder davon denken kann was er will, ich mögte deswegen doch in keiner Ecke stecken obschon jeder von mir denkt was | er will. Nur Clemenz muß von mir denken was wahr ist den er hat sich an mich geschlossen und weiß meine Lage und die Ganze Gegend um mich. Die Gunda hat gesagt eile dich Engel, lieber Engel eil dich die Briefe gehen sonst nicht vort ich muß mich also eilen, die Engel müssen sich eilen damit die Briefe an Geschwister und Freunde an Braut und Braütigam holde Worte zärtliche Grüße vor sich geht Musick Tanz Spiel Freude zarte emfindungen Blumen Trauer Kränze zuweilen alles müssen die Engel bearbeiten ich habe also noch viel zu thun lieber Savigny wenn sie wollen so sagen sie sich viel schönes von mir Bettine
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Marburg, zwischen Mitte und 25. Dezember 1802
Liebe Bettine! Etwas recht erfreuliches haben Sie mir angethan, wenn schon nur in wenigen Zeilen, und ich fühle wohl, daß ich’s nicht ganz vergelten kann. Aber grüsen – ja grüsen kann ich Sie wohl wieder, und recht 29
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herzlich, wiewohl ich’s kaum sollte, da Sie sogar zweifeln, ob ich’s auch wollen würde. Aber, liebe Bettine, mit dem grosen Respect den Sie vor mir haben, das will mir nicht in den Kopf. Zwar mit dem Respect ist es eine sehr gute Sache, und wo er hingehört und dennoch fehlt, da ist es sehr traurig. Aber hier würden Sie sich doch am Ende gestehen müssen, daß Sie | selbst nicht so recht wissen, wo er herkommt, oder (was nicht viel besser ist) daß er auf Treue und Glauben gegeben und genommen ist. Also lassen Sie immer den Respect, Bettine, gut könnten Sie mir ja doch seÿn, nicht wahr? Denn sonst – ja sonst sollten Sie lieber den Respect dazu behalten. Was Sie von der Mitte und dem Eckstein sagen, ist recht und gut und wahr, doch hat es auch noch manche Bedenklichkeit damit: nicht als ob es mit der Wahrheit je Bedenklichkeit haben könnte, aber es ist auch hier manches Misverständnis möglich und manche Duldung nöthig, obgleich nicht jede. Adieu, Bettine. Bleiben Sie mir gut. Savignÿ.
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Mit Kunigunde an Clemens Brentano in Düsseldorf Frankfurt, 24./25. Dezember 1802, Freitag/Sonnabend
〈Kunigunde Brentano:〉 1
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den 24 ten Decbre Es ist mir recht leid um dich, daß du Heute nicht bei uns bist denn es werden Anstalten zu einem großen Hause fest gemacht. Das Christkindlein wird bescheren. Ich spiele dieses mal keine Rolle dabei, und will sehen ob es mir doch etwas mitbringen wird. Wenn ich theilen kann so sollst du nicht vergeßen sein. Ich höre du hast eine Oper geschrieben, die auf neuJahr aufgeführt wird. Du kannst dir nicht denken, wie gerne ich sie gelesen eh sie das Publikum bekömmt. Schreibe mir sogleich wie sie gefallen, wie die Musick ist, ich kenne denn Musickautor gar nicht. den 25 ten Das Große Fest hat mich Gestern abgehalten, den Brief zu endigen: Ich mußte die Schwestern von Offenbach abhohlen. Tony und George haben unter des Christkindleins Nahmen recht gut für uns Kinder gesorgt. Aber zum theilen ist nichts da gewesen. 30
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Betine ist nun bei mir in Frft, auf immer; Sie macht mir viel Freude, ich habe sie recht lieb, und wir leben recht einig und vergnügt mit einander. Arnims Brief hat Betine und mich recht gefreut; Wenn du ihm schreibst so sage ihm das. Du schreibst so freundliche Briefe an Tony, daß ich ordentlich neidich werden könnte, wenn ich nicht an das Entbehren gewöhnt wäre. Ich ertrage es also mit meiner gewöhnlichen Langmuth, und freue mich nur daß ich denn doch etwas von dir höre. Du kannst mir aber leicht eine größere Freude geben. Savigny war nach seiner ReihnReise bei uns; Er war sehr freundlich gegen mich, indem er mich mit der liebenswürdigsten Ironie behandelte. Ich kannte ihm diese Eigenschaft gar nicht, und noch nie habe ich sie so beisend, so witzig, und mit so vieler Freundlichkeit und Schonung gepaart gesehen, so daß man ihm auch gar nicht böse darum werden konnte. Winkelmann ist bald nach dir abgereißt, er ließ nicht einmal zeit genug um alles zu vergeßen waß du mir immer von ihm vorgeschwatzt hattest. Ich versichere dich ich konnte dich nie ganz vergeßen wenn er bei mir war. Adieu lieber Clemens, lebe recht wohl, und mach daß du uns viel von der Galerie erzählen kannst. Gunda.
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Lieber Clemens Du wirst wohl mein Paquetgen erhalten haben, ich schreibe jetzt einen grosen Brief an dich wie steht es mit dem Portrait ich freue mich darauf, Savigny hat mir geschrieben, aber nur ein klein Briefgen in einem Großen an Gunda, eingeschlossen, Savignys und Gundas Briefe jagen sich, so eifrich Treiben sie ihre Corespondence, ich schicke mehrentheils nur einen Gruss denn da ich so wenig an dich schreibe mag ich noch viel weniger an andere schreiben. Die Wahrheit zu^gestehen so war ich bisher ein wenig miß^muthig über meine Aufenthalt in Frankfurt und wenn ich an den Sommer denke so Thut es mir noch leid. Adieu lieber Clemens du hast mich doch noch lieb, ich bin recht eifrich im Singen um dir Freude damit zu machen, Du wirst wohl ein Briefgen hierbey bekommen daß dir lieber ist als daß meinige, meinen großen Brief könnte ich wohl auch mit schicken aber ich fürchte er würde Heute zurück gesetzt werden 31
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oder du würdest ihn zum wenigsten nicht so recht begreifen wollen daher verspare ich ihn bis auf eine Zeit wo gelassner bist Arnims Brief hat mir wohlgefallen und auch nicht, ich wollte er schrieb mir nicht so, oder auch gar nicht. Bettine
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1803 *36.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, 26. Januar 1803, Mittwoch
Keine Angabe zum Inhalt.
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An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar 1803
Lieber Clemens rede mir nicht von einem Mann ich bin mir manns genug Ich weiß nicht was dir für eine Laus über die Leber gelaufen ist. hör Clemens alles was ich an dich hätte schreiben können über einen so philister Brief hab ich an Die Günderode über den Deinen geschrieben
*38.
An Caroline von Günderrode in Hanau Frankfurt, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar 1803
B an Clemens Brentano, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar 1803: alles was ich an dich hätte schreiben können über einen so philister Brief hab ich an Die Günderode über den Deinen geschrieben (Nr. 37.K).
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Vmtl. zwischen 5. (Freitag) und Mitte Februar 1803
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Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. zwischen 3. und 7. Februar 1803, Donnerstag und Montag
Ich schreibe dir nur wenig, aber bis Mittwoch sicher mehr. Erstens sticke deinen Ofenschirm für mich weiter, Savigny mag ihn nicht, ich weiß es bestimmt aus seinen Worten, daß es ihm unangenehm wäre, ein Geschenck von dir zu erhalten, und wenn ich es überlege, hast du ohne dies seiner Kälte zu viel schon geschmeichelt, also mache ihn ebenso schön und für mich liebe, er will ihn nicht. Du bist überhaubt mein, nicht wahr,? und wir haben nicht viel mehr als uns. auch der Gundel schreibe ich bis Mittwoch. und dir erkläre ich meinen lezten Brief. Der Gundel sage ihr lezter Brief wäre ganz liebreich, nur zu sehr resignirt, und altmütterisch. Clemens
*40.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zwischen 5. (Freitag) und Mitte Februar 1803
Clemens Brentano an B, vmtl. zweite Hälfte Februar 1803:
Einiges in deinem Brief hat mir einen unangenehmen Eindruck gemacht, zum Beispiel das mit dem Rosenstöckelchen, es kam mir immer vor, als sei es recht artig, eine gewiße Rührung bei unschuldigen Dingen zu empfinden, ja zur Noth könne man auch sagen, es war mir, als müste ich es umarmen, aber es wircklich zu umarmen, und noch gar dabei zu beten und zu weinen, das geht etwas in die Wildniß, und ist stark Empfindsam, hält auch nicht Stich 〈…〉 auch hast du bei näherer Beleuchtung wohl nur eine Erdenen Topf umarmt 〈…〉 Auch das lange Herumtragen, und Betrachten der Traume ist kindisch 〈…〉 Wie viel gescheider wäre es gewesen, wenn du auf dem Ball recht vergnügt gewesen wärst 〈…〉 Daß dir der Rosenkranz gefällt ist mir lieb, aber daß ich mich etwas schenirt finden würde, dich auf der Altan zwischen alten Dachern und Bedienten Stuben an einem Bohnen kasten mit ihm um den Hals zu finden, ist auch wahr 〈…〉 Du fragst ob dich Savigny vergessen habe 〈…〉 Daß er der Gundel viel schreibt, das muß dich nicht wundern
(Nr. 41,4-30+105-110).
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Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. zweite Hälfte Februar 1803
Meine liebe Betine! Da ich vermuthe, daß Dich ein kleiner Aerger weiter nicht ins Grab stürzen wird, so habe ich einigen Lusten mit dir zu schmählen. Stelle dir vor Einiges in deinem Brief hat mir einen unangenehmen Eindruck gemacht, zum Beispiel das mit dem Rosenstöckelchen, es kam mir immer vor, als sei es recht artig, eine gewiße Rührung bei unschuldigen Dingen zu empfinden, ja zur Noth könne man auch sagen, es war mir, als müste ich es umarmen, aber es wircklich zu umarmen, und noch gar dabei zu beten und zu weinen, das geht etwas in die Wildniß, und ist stark Empfindsam, hält auch nicht Stich, stelle dir vor an welchem knappen Fädenchen die Geschichte hängt, fällt sie, so fällt sie mit der schonsten Empfindung ins Lächerliche, denn eine Gelbe Rübe eine Kartofel sind doch eben so unschuldig als ein Rosenstöckelchen, und dennoch wäre dein ganze Umarmung verunglückt, wenn das Rosenstöckelchen sich in eine solche Rübe verwandelt hätte, auch hast du bei näherer Beleuchtung wohl nur eine Erdenen Topf umarmt, wenn ich der Rosenstock gewesen wäre, so hätte ich gesagt, oho Mamsell, und dann hättest du Wahrscheinlich gelacht. Ich hoffe du gewöhnst dir täglich mehr solche Explosionen ab, du weist wie oft ich dir über ähnliche Anfälle gepredigt habe. Auch das lange Herumtragen, und Betrachten der Traume ist kindisch, und während man auf eine Menge schöne Empfindungen, die man bei Gelegenheit solcher Traume hat, bei hellem Tag auf ein getraum|te Art Stolz wird, vergißt man eine Menge Dinge zu thun, die wirklich, wahr und Pflichten sind. Wie viel gescheider wäre es gewesen, wenn du auf dem Ball recht vergnügt gewesen wärst, das hätte mir auch mehr Spaß, und dir und andern mehr Vergnügen gemacht. Sehr artig wäre es, wenn du doch einmahl deine Traume gern naher überlegst, die Nacht drauf in einem neuen Traum den vorigen zu überlegen, bei Tag aber recht lustig und vergnügt, und fleisig zu sein. Denn sonst laüfst du Gefahr, einem gewißen Mann ahnlich zu werden, der sehr bewandert in der Sternkunde war, und alle Augenblicke in einen Graben fiel, ja endlich elendiglich in einem Brunnen ersoffen ist, weil er immer gegen Himmel gukte, du laufst Gefahr, daß die Leute sagen, sie ist sehr klug im Traum aber nicht recht gescheid im Wachen. Daß dir der Rosenkranz gefällt ist mir lieb, aber daß ich mich etwas schenirt finden würde, dich auf der Altan zwischen al34
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ten Dachern und Bedienten Stuben an einem Bohnenkasten mit ihm um den Hals zu finden, ist auch wahr, Ich bitte dich um des Kaisers seinen Bart willen, werde nicht empfindsam und laße dich nicht von dem Liede der Kazzen sogar rühren. Gehe spazieren, gebe dich mit der Toni, mit der Lotte ab, und freue dich ihrer vernünftigen | Kälte, ich fürchte immer die klagende, Kränkliche Gesellschaft der Gundel macht dich täglich zimperlicher, ich bitte dich um alles in der Welt, werde mir keine Serapfine Hohenacker die Geister^seherinn, wahrhaftig dann must du am Ende verzweiflen, denn ich werde alle Tage gescheuder, und unempfindsamer, es ist ein miserables Leben um einen empfindsamen Menschen in der Welt, und zwar grade, weil die Welt nichts weniger als empfindsam ist, und einem kein Baum aus der Weg geht, oder beweint, wenn man sich ein Loch an ihm in den Kopf stößt. Wenn du überdem wüßtest, wie man durch Verstopfungen im Unterleib zu all diesen wunderlich zartlichen Empfindungen kommen kann, und daß die Besessnen, und die Hexen in den vorigen Jahrhunderten nicht anders als solche verstopfte Personen waren, so würdest du dich noch mehr hüten, in eine solche Empfindsamkeit zu fallen, dagegen hilft oft, viel Korperliche Bewegung, Beschäftigung, Vermeidung aller Liebesgedanken und dergleichen. Der empfindsame bringt auch nie etwas hervor, weil er sich keines Dinges bemächtigen kann, sondern nur von allem überwältigt wird. Ich habe überhaupt einen entsezlichen Wiederwillen gegen die Empfindsamkeit, denn sie wird über über nichts empfindsamer, als wenn man sie für eine Kränklichkeit erklärt, da sie doch eine Feinheit der Seele sein will. Waß ich aber unter Empfindsamkeit verstehe, wirst du wohl wissen, und eben deswegen ist dir es vielleicht recht nüzlich mit Toni oft zu sein. | Nichts vor ungut, du weißt, daß ich dich vernünftig liebe, und es gut meine. Es würde mich freuen wenn du etwas Geschichte läsest und außerdem meistens Göthe und immer Göthe, und vor allem den 7 Band der neuen Schriften, seine Gedichte sind ein recht Antitodum der Empfindsamkeit. Aber als Geschichte rathe ich dir vor allem Müllers Schweizergeschichte, es ist etwas himmlisches, ich glaube Leonardi hat sie, es sind zwar einige dikke Bände, aber desto länger dauert die Freude, sezze dir täglich ein paar bestimmte Stunden an, in denen du drinnen ließt. Wenn du dich meines heftigen Unwills erinnerst, den ich in Offenbach hatte so oft ich schlechte Bücher bei dir fand, so wirst du mit Recht dich verwundern, daß du jezt vermutlich alles ließt waß dir vor kömmt, überhaubt ist es mir sehr verdrüßlich, daß du mir nichts von deiner innern Bildung 35
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schreibst, mich nicht fragst, waß du lesen sollst u d. g., waß will und soll deine ängstliche Liebe mit mir, wenn sie nur ewig wiederholt, waß nun einmahl da ist, nehmlich daß wir uns gern haben, und dies ist recht wie es bei Geschwistern sein soll; aber besser wäre es, wenn du dein Vertrauen zu mir, so benuzztest, daß du mir Einfluß in deine Bildung 80 Gönntest, daß du mich über alle Lektüre um Rath fragtest. und dergleichen. Um noch eins bitte ich dich in deinen Briefen, nehmlich gebe mir immer davon Nachricht, sobald irgend etwas bedeutendes im Hause vorfallt, von jeder | Reiße, so bald du etwas davon erfährst. Meine Briefe an dich zeige Niemand, wenn die Gundel betrübt ist, wie 85 immer ohne Ursache, so habe mit^leid mit ihr, suche sie aber nicht etwa zu trösten, in dem du dich zu ihr gesellst, und beim Lichte besehen endlich eben so erbarmlich betrübt wirst, der Umgang mit solchen Leute ist deprimirend und zerstört alle Kraft in uns. Das du übrigens dieses nicht so wörtlich nimmst wie Eulenspiegel, hoffe ich. Auf den 90 Ofenschirm freue ich mich sehr. Du könntest mir einen großen Gefallen thun, wenn du doch ohne Übereilung oder Faulheit, ein halb duzzend leinene Stiefelstrümpfe stricktest, aber nichts weniger, als fein, sondern nur stark und derb, die Toni wird so gütig sein, dir das Garn zu besorgen. Auch höre ich gar nichts mehr vom Lulu oder Meline, es thut 95 mir leid, daß du diese deine getreuen Gespielinnen bei nahe ganz vergessen zu haben scheinst. Daß Sanna Hut nicht in Frankfurt bleibt ist sehr böß, aber schreiben mußt du ihr. Schicke mir doch mit umgehender Post, einige Loth der besten Schwarzen kreide die zu haben ist auch etwas weiße, in Düsseldorff hatte man pariser schwarze, die war rund 100 und glanzte von aussen, auch englische ist mir lieb, wenn du sie nicht bei Reinsheimer kriegst so ist sie vielleicht sonst zu haben, es ist für einen armen jungen hier, der ganz vortreflich zeichnet. schicke sie aber ja gleich. Du kannst sie mit dem Ofenschirm schicken, wenn er noch nicht abgegangen ist. Du fragst ob dich Savigny vergessen habe, das ist 105 auch so eine Frage, es wäre sehr | gegen die Natur wenn er dich vergessen hätte und eben so lächerlich, wenn er immer an dich dächte, er hat seine Studien, und seine Freunde, und denkt an sie, wenn sie ihm ins Gedächtniß kommen. Daß er der Gundel viel schreibt, das muß dich nicht wundern, die Gundel hat ihn sehr nöthig, und begehrt ver- 110 muthlich oft einen Trost, oder Rath von ihm, auch ist er ein genauer Freund, Winkelmans, den sie wahrscheinlich noch sehr liebt, und Savigny, der immer wohltätig und helfend ist, nüzzt ihr unstreitig viel. Ich lese nie eine Zeile von ihm an sie, oder von ihr an ihn, wenn gleich 36
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Savigny alle meine Briefe ließt die ich bekomme und schreibe, doch nun das leztere nicht mehr, und das erstere seltner. Savigny kann sich nie entschließen die zweit〈〈e〉〉 Person in einem Verhältniße zu sein, und des wegen schreibt er dir vermuthlich weniger, ich finde das auch natürlich, da er in Sachen des Umgangs ganz anders denkt, als ich, so würden wir uns oft stören, und du hast ja ohne dem genug an mir, sei kein Allmein. Schike mir die Kreide, stelle dich nicht so entsezlich heilig, nehme das Leben leicht und deine Pflichten ernst, lerne mit vernünftigen Leuten, und der Toni lustig und fröhlich umgehen und habe mich in vernünftigem Angedenken dein ehrlicher Clemens Wenn du viel darüber klagen solltest, daß dir Savigny selten schreibt, so ist dies eben so Verkehrt, als wenn die Gundel mir klagt, ich schreibe ihr nicht genug, sind denn die Leute nur auf der Welt, einige Frauenzimmer mit haufigen Briefen zu unterhalten, so etwas ist unbescheiden zu begehren und der Beweiß von Faulheit und Langeweile. Sage der Toni, sie solle mir verzeihn, daß ich ihr noch nicht geschrieben, ich würde ihr nächsten Posttag die Wahrheit sagen, wie ich 〈〈ü〉〉ber alles denke, worüber ich ihr zu schreiben 〈〈ve〉〉rsprochen habe, über Sie, über dich, über die Gundel und über die Möglichkeit eures Umgangs.
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Mademoiselle Betine Brentano im goldnen Kopf. Frankfurt a/m
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*42.
An Clemens Brentano in Jena oder Weimar Frankfurt, vmtl. zweite Hälfte Mai/erste Hälfte Juni 1803
[Herr von Gerning]: Der Herr Hofrath Krause 〈Georg Melchior Kraus〉 aus Weimar, kam zuweilen nach Frankfurth am Main, er war ein spaßhafter freundlicher Mann und neckte sich zuweilen mit mir 〈…〉 nach einigem Zögern und necken 〈…〉 sagte er endlich daß Herr von Gerning mich höflichst grüßen und durch ihn um meine Hand anhalten lasse. 〈…〉 etliche Tage nachher kam mein Bruder Franz auf mein Zim-
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mer, und bat mich ihm ernstlich zu zuhören, es habe nehmlich ein reicher junger geehrter Mann um mich angehalten 〈…〉 und redete mir sehr scharf zu mein Glück nicht von mir zu stossen 〈…〉 ich schimpfte wie ein Rohrspaz, machte dem Franz die bittersten Vorwürfe mir so einen Esel als Mann anzutragen, und er war froh wie er mich verlassen hatte sagte mir auch niemals mehr ein Wort davon. denselben Tag schickte ich grade einen Brief an Clemens ab, dem ich noch ans Ende schrieb daß Gerning um mich angehalten habe (Härtl 2003, S. 41 f.).
*43.
An Clemens Brentano in Weimar Frankfurt, vmtl. Ende Mai/Anfang Juni 1803
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 8. Juni 1803: es giebt etwas
größeres als die Liebe, ich fühle es deutlich, es ist der Verein vortreflicher Menschen in Freiheit, die bewustlos zum Kunstwerke der Geselligkeit werden, ich habe es gefühlt bei Betinens Brief, an den sich ihre Zeilen schloßen, o die Allmacht, die Schönheit, die Anmuth, die Würde, die Unschuld, der göttliche Ingrimm und der posierliche Unwill dieses Brief (DjBr Nr. 800). Clemens Brentano an Sophie Mereau, vmtl. 9. Juni 1803: die Zeit ist ewig,
der Tod ist ewig, ewig sterben, ewig kämpfen, ewig lieben, ewig Siegen, ach und dann die Ruhe, und der Friede, in Betinens Brief steht auch geschrieben, von diesem Frieden (DjBr Nr. 801).
*44.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Weimar, vmtl. 6. oder 7. Juni 1803, Montag oder Dienstag
Clemens Brentano an Sophie Mereau, vmtl. 6. oder 7. Juni 1803:
daß sie nicht wieder traurig werden, wenn ich in Betinens Brief schreibe, waß sie alles verloren haben (DjBr Nr. 796).
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Vmtl. Mitte Juli 1803
*45.
An Clemens Brentano in Weimar Frankfurt, vmtl. Mitte Juli 1803
B an Kunigunde Brentano, vmtl. Mitte Juli 1803: an Clemenz habe ich heute geschrieben wie ich glaube einen ganz ordentlichen Brief. (Nr. 46,5–6).
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An Kunigunde Brentano in Schaffhausen( ? ) Frankfurt, vmtl. Mitte Juli 1803
Liebe Gundel! Für alle die Sorge um meine Gesundheit sollte ich dir billig Dank sagen, aber du kanst wohl denken daß es mich sehr gefreut hat und mehr brauchst du nicht zu wissen, auch ist sie so wieder hergestelt daß sie Zentner lasten vertragen kann an Clemenz habe ich Heute geschrieben wie ich glaube einen ganz ordentlichen Brief. übrigens überlasse ich es dem Schicksal wenn Clemenz nicht glücklich durch ein Weib werden kann so hat er die gerechtesten ansprüche auf mich zu machen und ich werde ihm alles zu versüsen suchen weil ich über zeugt bin er werde das nehmliche thun, wird er aber glücklich so hat er nichts mehr an mich zu begehren und ich sehe dann mit Ruhe seinem Lebens Lauf zu und freue mich des Antheils den ich daran habe, ob ich vergnügt bin soll ich dir sagen darüber kann | ich mich nicht deutlich machen ich bin Heute Traurig und morgen froh und über morgen ausgelassen und dann fangt die reihe wieder von forne an, in meinen Verhältnißen kann ich mich gar nicht fragen ob ich zufrieden bin denn es sind gar keine Da, Die indianische Kirsche blüth die Semper florens ist am aufblühen die Lilien haben heute zum erstenmal in die Sonne geschaut die bohnen haben dicke knöpfe der Spanische Pfefer zeigt schon seine Farben kurz seit dem du fort bist sind alle Gewächse euserst vorwizig ich glaube sie hatten einen allzugrosen Respect vor dir im Hause geht es etwas drunter und drüber Sangen ärgert sich alle Tage ein wenig über die Haußhalterin und ich manch mal über die Hauß frau Adieu liebe Gunda heute habe ich keine Zeit mehr. Bettine
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Betine lernt nun den Generalbaß
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Von Sophie Mereau nach Frankfurt Weimar, 22./23. Juli 1803, Sonnabend/Sonntag
Ich muß doch endlich meinen Vorsatz, nie an jemand zu schreiben, den ich nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen habe, brechen, weil ich dich so herzlich lieb habe. Ach! es betrübt mich sehr, daß du traurig bist, und könnte es mir nur gelingen, dich zu überzeugen, daß du gar keine Ursache dazu hast! dein Gefühl wird deine Aeußerungen bestimmen u da ich es für rein u heilig halte, so verspreche ich dir, daß es auch mich bestimmen soll. – Wenn du nicht glücklich bist, so kann es auch Clemens nicht sein, u wenn es Clemens nicht ist, so kann ichs auch nicht sein, u so wären wir denn da, um uns gegenseitig das Leben, das so leicht u lustig sein | kann, schwer zu machen? – Das ist nicht möglich! Unter guten u aufrichtigen Menschen darf eben so wenig Verwirrung u Irrthum statt finden, als in der Natur, die ewig ohne Irrthum ist. – es muß sich also alles lösen, u zwar gut, weil es sich wahr lösen wird. – Ich werde dich nun bald sehen, u kann mir freilich jezt noch gar nicht dencken, ob du Sinn für mich haben kannst. – Dencke dir ein leichtgesinntes unschuldiges Kind, das ganz allein in eine Wildniß gestoßen wird. durch die Gebüsche u Dornen muß es sich durcharbeiten; es sieht keinen Führer, keinen Ausweg, nur über sich ein wenig blauen Himmel durch die verschränckten Zweige. Es muß sich regen u wehren – Das verwundete seine | schwachen Hände, seine Kleider wurden von den Dornen zerrißen, ein fremder abentheuerlicher Schmuck von Zweigen, Blättern u Dornen hängt sich, im Gedräng der Büsche, fest an seine Gestalt; nun tritt es endlich heraus, es athmet wieder frei u betet still. Verändert zwar, ist es doch stets daßelbe Kind; es möchte wohl manchmal weinen, wenn es sich so allein sieht, aber dann fühlt es wieder einen sichern getrosten Muth in sich, u es muß sich freuen, daß der Himmel so blau ist, u das Thal so weit u frei u sein Herz so rein u heiter. – Doch genug von dem Kind u seinen wunderlichen Leben, sagen will ich dir lieber, daß ich Clemens recht herzlich, herzlich lieb habe, u ganz zutraulich u ehrlich mit ihm umgehe. Wie das | gekommen ist, frage mich nicht; das alles ist Schickung, was weis ich davon. Lebe wohl, Liebchen, laß dein liebes Herz ganz leicht schlagen, freue dich daß du lebst, daß du so gut bist, u daß nun noch ein Herz mehr, u zwar ein sehr gutes, vortrefliches Herz auf der Erde schlägt, das dich lieb hat. – Behalte diesen Brief für dich, denn er ist ja ganz alleine für dich u will niemand etwas sagen außer dir. Sophie. 40
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Von Clemens Brentano nach Frankfurt Weimar, 23. Juli 1803, Sonntag
Weimar 23. Juli 1803. Liebe B e t t i n e ! Gestern Abend war ich bei S o p h i e n , sie war ungewöhnlich schwermüthig, auch ich war nicht vergnügt, der Gedanke an Deine zärtliche Angst um mich versetzt uns beide oft in solche Trauer; wenn ich ihr dann erzähle, wie ich Dich über Alles liebe, wie ich Dich so vortrefflich halte, so wächst ihre Sehnsucht nach Dir unendlich, und mit dieser ihr Muth. In dieser Idee Deiner Liebe gewiß würdig zu sein, Dir nah zu sein, Deine geliebte Freundin zu werden, von Dir vieles zu erlangen, was sie bis jezt umsonst auf Erden gesucht hat, ergriff sie eine innerliche himmlische Heiterkeit, sie ward ruhig und ihr Anblick gab mir eine eigne Seligkeit. Heute Morgen schickte sie mir beiliegenden Brief an Dich, den sie noch spät in der Nacht in jener hoffnungsvollen liebenden Begeisterung geschrieben hat; ich zweifle nicht, Du vortreffliches geliebtes Herz, daß Du die Seele dieses Briefes ehren wirst, daß Du ihr aufrichtig, ohne D e l i k a t e s s e , ohne alle R e s i g n a t i o n antworten wirst; Wahrheit sage auch ihr, sage Alles, was Du empfindest, sie kann Alles ertragen um meinetwillen, und sei recht ruhig und zufrieden; wenn Du sie kennen wirst und sie keineswegs lieben kannst, so wird sie nie mein Weib. Ich muß noch an S a v i g n y schreiben; drum lebe wohl; ich bitte Dich herzlich schreibe mir öfter, aber ums Himmelswillen lauter Wahrheit! – mein, Dein, S o p h i e n s Glück hängt davon ab. Heute hat T i e c k meine Büste für Dich angefangen. Clemens.
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An Clemens Brentano in Weimar Frankfurt, vmtl. 1. August 1803, Montag
Clemens Brentano an Sophie Mereau, vmtl. 5. August 1803: O der wunderschöne Brief Betinens, suche die schönsten Stellen Schakespärs und Göthens und immer doch der wunderschöne Brief, o welche Wahrheit, Unschuld und Tiefe, du weist nicht, wie mir bei einem solchen Brief wird, es sind meine Worte, meine Gefühle in einem Klaren See abge-
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spiegelt, ich schwöre dir bei Gott ich bin, wie dieser Brief Betinens. (DjBr Nr. 840.) Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, zwischen 5. und 10. August 1803: Betine geht ins Schlangenbad. (DjBr Nr. 843.)
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Von Clemens Brentano nach Frankfurt Weimar, vmtl. 5. August 1803, Freitag
Clemens Brentano an Sophie Mereau, 5. August 1803: Ich werde ihr heute
schreiben, daß du mein Weib nicht wirst, daß wir Freunde sein wollen, wie glüklich wird sie dadurch wieder werden. (DjBr Nr. 840.) Sophie Mereau an Clemens Brentano, 20. September 1803: Das ist nun auch vorbei, schriebst Du Deiner Schwester, ich habe die M geliebt, ich liebe sie nicht mehr; an Heurat ist gar nicht zu denken, aber sie will meine Freundin – dies Wort zweideutig unterstrichen – sein, und sie wird mir durch die ganze Welt nachlaufen. 〈…〉 Du schriebst es deiner Schwester, die es andern zeigte, die la Roche schrieb es mit einem Anstrich gutmüthiger Besorglichkeit für mich, hieher, ihr Correspondent 〈vmtl. Georg Melchior Kraus〉 las es laut bei der Herzogin, u* so erfuhr ich es wieder, nebst tausend andern deiner Aeußerungen, weil man mein Verhältniß mit dir für ganz getrennt ansieht, u* erschrickt, wenn ich vom Gegentheil spreche. (DjBr Nr. 873.) Clemens Brentano an Sophie Mereau, Anfang Oktober 1803: Ich habe alle meine Briefe an Betinen durchlesen, keiner enthält eine Silbe, von dem, waß dir wiedergebracht ist, es müßte, denn einer aufgefangen sein, keiner enthält überhaubt Etwas, waß dich drücken könnte, sie selbst hat nie davon etwas geaüßert, doch ist es möglich, daß während ihrer Krankheit, man ihr theils aus Neugierde theils aus Begierde die Ursache ihrer Melancholie zu ergründen, einige der Briefe entwendet hat. (DjBr Nr. 878.)
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An Charlotte Servière in Frankfurt Schlangenbad, vmtl. zwischen Mitte und 25. August 1803
Charlotte Servière an B, Frankfurt, 28. August 1803:
Ich habe mich ob deines Sendschreibens recht inniglich erfreut. 〈…〉 Also erkennt ihr doch ganz das Glück einen solchen Rittersmann wie Erothyderis bey euch zu haben. (Nr. 52,2–7)-
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Von Charlotte Servière nach Schlangenbad Frankfurt, 28. August 1803, Sonntag
Francfurt d* 28 august 1803 Nun du guter dicker Kompan. Ich habe mich ob deines Sendschreibens recht inniglich erfreut. Die Kantianer und Fichtianer mögen von den Tugenden ohne Eigennutz schwatzen was sie wollen, mir armen empirischen Epikureer thuet es wohl wenn meine grose Thaten mit Dank belohnt werden! Also erkennt ihr doch ganz das Glück einen solchen Rittersmann wie Erothyderis bey euch zu haben. Nehmet nur meine Ermahnungen zu Herzen, und stiftet kein Unheil – denn der Gottseybeyuns † † schleicht immer in Schaafskleidern herum, um Welche zu finden die er verschlinge – und er liebt solche zarte Bissen, wie ihr und euer Freundchen. Lach Lach! wenn ich, durch so manches Schicksal Gebeugter | auch noch ein solches Unglück erleben sollte!! Nein, Nein, lieber will ich mich zu Beten und Fasten verstehen. Lehonhardi, ist mit neuen Reitzungen Glücklich hier angekommen; Auf seinen heiteren Wangen Ist kaum das Morgenroth der Jugend aufgegangen In seinen Augen glänzt ein sanftes Zauberlicht. Das schnell die Schwachen rührt und selbst zu Weisen spricht O trauet trauet, meinem Schimmer nicht ___ Ich habe ihm zu all diesen Dingen Glück gewünscht, und er hat mich dafür eingeladen in seine Bibliotheque | zu kommen und mir da aus den mancherley Seelenspeißen, eine wohlschmeckende auszusuchen. Ich sehe euch manchmal im Traume mit dem armen Erotyntgen ein gewaltiges Unwesen treiben; und mein theilnehmendes Herz klopft heftig dabey. Ich sage euch laßt das Ding bleiben, und seyd ehrlich, da43
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mit der, der alles einmal ans Licht bringt euch nicht beschäme und strafe – Ich bin ein Einsiedler geworden dieweil mein alter Karl von Festen zu Festen eilt. Wer nach angenehmen Empfindungen dürstet, und von der Quelle entfernt ist wo solche herfliesen, muß sich mit Einbildungen speißen und in | Ermangelung besserer Gesellschaft einstweilen mit Sylphen umgehen – So mache ich es wirklich, und befinde mich so zimlich dabey. Die despotische Zeit zwingt mich hier zu enden. lebe wohl – Ein Mehrers wird folgen. Dein getreuer Lange 〈kopfstehend:〉 Pour Bettine –
*53.
An Clemens Brentano nach Weimar Schlangenbad( ? ), vmtl. erstes Drittel September 1803
Sophie Mereau an Clemens Brentano, 14. September 1803: Ich habe unter meiner Adreße einen Brief von Bettinen an dich erhalten. Ich weis nicht hast du oder sie mir ihn gesendet; im lezten Fall hättest du ihn noch nicht gesehen, u* ich hätte die Freude, dich damit zu erfreuen. (DjBr Nr. 870.)
*53a An Clemens Brentano in Marburg Schlangenbad( ? ), vmtl. zwischen 3. und 6. September 1803, Sonnabend und Dienstag Clemens Brentano an Sophie Mereau, 8./9. September 1803: Betine hat mir nur einmahl und wenig geschrieben, seit ich hier bin (DjBr Nr. 866). Clemens Brentano an Sophie Mereau, 10./11. September 1803: einen kleinen Brief Betinens in dem sie dich zärtlich grüßt (DjBr Nr. 868).
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Vmtl. Dezember 1803
*54.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, zwischen 9. und 11. November 1803, Mittwoch und Freitag
Marie Brentano an Clemens Brentano, 9. November 1803: Bettine wird Ihnen mehr davon 〈über die Aufführung von Goethes Schauspiel Die Geschwister in Frankfurt〉 sagen. (DjBr Nr. 901.) Clemens Brentano an Sophie Mereau, 13. November 1803:
Betine grüßt
dich (DjBr Nr. 905).
*55.
Von Sophie Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. Dezember 1803
B an Sophie Brentano, Dezember 1803: Dein lezter (wie du selbst gestehest) etwas fremdartiger Brief hat mich in eine Laune versezt welche mich hindert im diesem Brief meinen gewöhnlichen Schlendrian zu gehen, und dieß zwar deswegen erstens, daß du selbst nicht in Deiner gewöhnlichen Laune schriebst, da dir Dein Brief Unecht vorkam (Nr. 56,2-7).
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An Sophie und Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. Dezember 1803
Liebe Sophie Ich habe dir zwar einen Langen Brief versprochen allein dieß mal wird es mir sehr schwer Wort zu halten, dein lezter (wie du selbst gestehest) etwas fremdartiger Brief hat mich in eine Laune versezt welche mich hindert im diesem Brief meinen gewöhnlichen Schlendrian zu gehen, und dieß zwar deswegen erstens, daß du selbst nicht in deiner gewöhnlichen Laune schriebst, da dir dein Brief Unecht vorkam zweitens fiel mir dabey ein daß ich dir schon mehrere Briefe geschrieben hatte welche eigentlich keine Antwort verdienten, wie ich aus Erfahrung merke, und wie soll ich es nun machen daß dieser hier eine verdient! ich bin wirklich in einer Art von Verlegenheit, denn die Sinne vergehen mir ordentlichermasen wenn ich daran denke 45
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mit was ich eigentlich dieses plat ausfüllen soll, keine Herzensangelegenheiten kann ich dir nicht sagen dazu müste ich dich erst gesehen haben, und müste wißen ob du mich genug begreifst, um sie zu würdigen und mich nicht zu Tadlen, doch daß wirst du wohl wissen das Liebe keinen Tadel vertragt, denn – wer hat sie gerufen wer hat sie gehen heisen, und ist sie nicht mächtiger wie ihr Erschaffer und hat sie nicht Gewalt über das Herz das es bricht und über den Athem daß er stockt und über die Zunge das sie verstummet, aber auch rüstet sie den Arm des Griegers mit Kraft und der Jungfrau Geberden schmückt sie mit Reiz daß des Griegers Kraft ihr sinkt, daß sein Troz ihr sich anschmiegt daß – da ist eben George und hat mich aus meiner litaney heraus gebracht ich hätte dir vielleicht sonst bis an das ende des Plates die Macht der Liebe geschilldert er giebt mir einen Auftrag für deinen Mann und du must mir erlauben daß ich mir hier ein bisgen Plaz nehme Lieber Clemens die Brüder laßen dir sagen Sie hätten keine Zahlung für H: v. Savigny in Leibzig machen lassen auch fände sich in der Correspondence kein Auftrag dazu, er last dich grüßen. Liebe so eben höre ich daß es schon halb^sieben vorbey ist ich muß also in eile schliesen sage dem Clemens noch daß Mingen Günterrod eine Braut ist
57.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. Ende Dezember 1803
Es hat uns leid gethan, euch zum Christtag nicht bei uns zu sehen … nächstens will ich euch zu unserem Schattenspiel einladen, das in voller Arbeit ist. Sophie grüsst euch. Clemens. 1804 58.
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Von Sophie Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. erste Hälfte Januar 1804
Guten Morgen, liebe Bettine! ich wollte du wärst gestern Abend bei uns geweßen, es war zwar nur ein Schattenspiel, was du gesehen hättest, aber du hättest dich gewis darüber gefreut u wir hätten uns an dir 46
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erfreut, u so wär aus dem Schattenspiel der liebe, klare, helle Ernst geworden. – Du glaubst nicht, wie allerliebst Clemens alles eingerichtet hatte, wie sinnreich die Erfindung, wie schön u paßend die Ausführung, u da nun überdies, diese Art von Spiel mir u allen Zuschauern ganz neu war, so kannst du dencken, wie wir ihn bewundert haben. – Ich fühle daß es mir jezt hier wohler u freier in mir selbst wird; bis jezt wollte mir die Frölichkeit nicht recht gelingen; das war wohl körper|lich, oder der Wechsel aller Gegenstände, oder irgend etwas andres. – Von den Menschen, unter denen ich hier lebe weiß ich wenig u sehr viel; die meisten seh ich nicht, die wenigsten gefallen mir, aber diese wenigen auch wie sehr! – Savigny ist ein wahrer Engel, u noch einige andre, die du vielleicht durch Clemens kennst, sind auch gar liebe Leute. Unter den Weibern freilich habe ich leider! noch keine gesehn die mir mehr als Besuch geweßen wäre; eine gewiße Frau Hofräthin, von ungemeiner Länge u gemeiner Breitheit ist hier, die deine Schwester Gunda recht wohl gekannt hat, und dich auch als Kind gesehn. – Vor einigen Tagen war ein sehr klarer, sonniger Wintertag u der errinnerte mich lebhaft an dich | u an dein reines, cristallnes Gemüth. Ich muß zuweilen mit grosser Rührung an dich dencken, u mich an dir erfreuen, denn du bist in dir schön u glücklich, du hast noch nicht von dem Baum der Erkenntniß gegeßen, du stehst, von den ersten Stralen der Morgensonne beglänzt, auf den Höhen, und nährst dich von dem Baum des Lebens, wo alles Vortrefliche, alle Hofnung, Ahndung u Seeligkeit reift. Dies Göttliche in dir, das allein meine Sehnsucht reizt, muß ich verehren, anbeten, das Irrdische werde ich wohl recht herzlich lieben, wenn ich dich sehe. – Clemens kömmt bald zu dir, sag ihm daß ich ihn recht lieb habe, wenn du ihn siehst. – Leb wohl, lieber Engel! – Sophie.
*59.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, 11. Februar 1804, Sonnabend
B an Clemens Brentano, vmtl. 13./14. Februar 1804: Vor einer halben Stunde bekam ich Deinen Brief, er contrastirt wunderbar mit Deiner Büste 〈…〉 Dein Brief, wie soll ich sagen, wie ein Zusammenfließen von Treue, und Schmerz und Hingebung, und dann ein Ansichreißen
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meines Herzens, all meiner Liebe zu Dir 〈…〉 ich meine immer Du solltest mir so keine Briefe schreiben wie dieser letzte, ich bin nicht stark genug sie zu ertragen (Nr. 60,2-11).
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An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 13./14. Februar 1804, Montag/Dienstag
Lieber guter Clemens Vor einer halben Stunde bekam ich Deinen Brief, er contrastirt wunderbar mit Deiner Büste, die hier vor mir steht und die Hauptrolle in meiner Umgebung spielt. Diese steht hier wie das Bildniß eines Selig^gesprochenen, wie ein befestigter Moment Deines Geistes, Deiner Liebe, Deines Bekenntniß zu Gott und der Natur; und Dein Brief, wie soll ich sagen, wie ein Zusammenfließen von Treue, und Schmerz und Hingebung, und dann ein Ansichreißen meines Herzens, all meiner Liebe zu Dir. Ich weiß nicht recht, ob das gut ist was ich hier sagen will, ich meine immer Du solltest mir so keine Briefe schreiben wie dieser letzte, ich bin nicht stark genug sie zu ertragen, die Sehnsucht in meinem Herzen nimmt zu sehr überhand und mit ihr meine Überzeugung, daß ich auf Erden nicht gut thue, und da ich denn doch einmal da bin, und zu Deinem Glück beitrage, so sollte ich gar keinen andern Wunsch haben, als so lange wie Du, auch hier sein zu wollen. Wenn Du fragst, warum ich nicht meine Briefe an Dich auch verbrenne, so ist dieß eine Frage die sich von selbsten beantwortet, – weil der Herr meiner Liebe die in meinen Briefen ausgedrückt ist, ein reines großes Herz sie aufzunehmen hat, und weil ich diese Reinheit mir aufbewahren will, und Dir also kein fremdes Gut geben mag aus Furcht, Du möchtest es dem eignen verwechseln. Aber sieh lieber Clemens, ich habe Vertrauen in Dich wie in mein Herz, und so will ich Dir sagen daß dieses Herz ganz in Liebe untergeht, daß es erfüllt ist bis an den Rand. Es ist mir wie es in einer Gewitternacht im Mai sein muß, wenn Du aus dem Fenster in einen blühenden Garten siehst – Du weißt es ist | Alles so feucht und doch so warm, die Blüthen beugen sich unter der Last des Regens und gießen Düfte auf die Erde nieder, und die Wolken hängen so schwer über Dir, es blitzt wie mein Herz und der Donner rollte hinten nach, wie die dumpfe dunkle Sehnsucht die dieses Herzens Blitze verschlingt, und Du siehst wohl, es arbeitet Alles in sich selbst hinein, es zuckt und glüht und verzehrt sich. 48
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Aber wie ich Dir nun wieder schreibe. Willst Du denn ewig ein unruhiges Kind bleiben, nie einen ernsten festen steten Caracter erringen? Lieber Clemens, sage mir Nichts hierüber, Du bist an Allem selbst Schuld, ich war so einfach gegen Dich geworden, so ruhig und nun muß ich ein ernstes Geschäft machen aus meinem Spiel und Thränen ergießen mit lächelndem Mund; sei nur zufrieden, es wird sich auch wieder einwenden, heute möchte der Liebling des Herrn in seinem Schooße einschlafen und morgen tragt er ihn im Herzen wie man ein Wickelkind in den Armen hält. Ich freue mich, es wird in wenigen Wochen Frühling werden, und dann freue ich mich auf den Sommer; – verstehst Du mich? Dieser und jener hat Recht wenn er sagt, daß die Liebe ein ewiger Frühling sei, und ich habe auch Recht wenn ich sage, daß der Frühling ein Lied sei das nur Einmal im Leben erklingt und dann auf ewig verklinget, und Du hast sehr Recht wenn Du sagst daß dieser Nachhall eine tiefe Sehnsucht und Wehmuth im Menschen erwecket, und daß hieraus die Liebe entstehet: also wäre die Liebe und der Frühling und die Ewigkeit und die Sehnsucht nur der Nachhall eines Liedes – geht dies an – ja wohl, denn dieß Lied ist die Natur, und wo sie vorüber geht, läßt sie Liebe und Frühling und Ewigkeit zurück. Glücklich wenn diese Ewigkeit ewig feßlen kann. Adieu lieber Clemens, | morgen mehr. Lieber Clemens, gestern habe ich Dir nun Vieles geschrieben, was wie ich ganz heimlich behaupte, Dich eigentlich Nichts angeht: sei weder böse hierüber noch betrübt noch sonst etwas, sondern nehme es auf wie es aufgenommen werden muß, nehmlich daß ich mich selbst mehr rege wie sonst. Du glaubst ich liebe Dich weniger (oder viel mehr) nicht mehr recht – was nennst Du denn recht lieben? ehmals sagtest Du mir immer, ich sei in Dich verliebt und das wäre nicht recht, und da es anders zu sein scheint, so ist es wieder nicht recht. Sieh, ich will Dir den ganzen Unterschied meiner jetzigen und ehmaligen Liebe zu Dir aus einander setzen. Ehmals war ich wie ein blindes Kind, und Du wie mein Führer, ich kannte Niemand als Dich, ich war Niemand etwas schuldig als Dir, und warf also meine ganze Verehrung, meine Anbetung, die eigentlich der Natur, der Sonne, Mond und Sternen gehörten, nur auf Dich; und nun da ich sehend bin, sind mir alle diese Gegenstände vor Augen gekommen und ich kann ihnen meine Liebe nicht verweigern. Du hast mich geleitet, hast meinen unbehülflichen Kinderjahren geschmeichelt, hast jeden Keim von Frömmigkeit und Größe in mir aufgezogen, ich muß Dir ewig dankbar sein, ich muß 49
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Dich ewig als das erste Wesen achten und ehren und lieben, weil Du mich gepflegt hast in meiner Blindheit und mir das Gesicht gegeben hast. Daß Du meine Liebe jetzt nicht mehr so deutlich fühlst, ist weil sie jetzt mehr verbreitet ist, weil Du mich jetzt nicht mehr so wie sonst immer an Deiner Hand fühlst mit dem Begehren von Dir geleitet zu werden, dieß soll Dich freuen und nicht niederschlagen. Sieh wie klar | ich über alle meine Verhältniße hinschaue als wie ein König der auf dem höchsten Berg in seinem Reich sitzt und die Morgensonne aufgehn sieht über seine Länder, die nun nach und nach alle Städte und Flüße und Wälder beleuchtet und sein Reich wie einen Teppich vor ihm hin breitet. Dieß (kann ich Dir sagen) ist auch das wovon mein ganzes Glück und Wohl abhängt, denn wenn ich mich nicht recht erkennte, ich wäre schon tausendmal gescheitert an dem Herzen wie an dem Geiste. Leb wohl, ich habe wenig Hoffnung zu Euch zu kommen, aber sehen werd ich Dich gewiß bald. Bettine.
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Von Kunigunde Brentano nach Frankfurt Trages, vmtl. Anfang April 1804
B an Caroline von Günderrode, etwa 3. Mai 1804: Gunda hat mir einen freundlichen Brief geschrieben 〈…〉 da alles was dieser Brief enthielt Fragen und Sorgen um mich waren so ward es mir immer etwas grau vor den Augen, wenn ich an das Antworten dachte (Nr. 64,60-65).
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An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zweite Hälfte April 1804
Clemens Brentano an Caroline von Günderrode, Marburg, 1. Mai 1804: Ich habe gehört die Lieder und Erzählungen, welche unter dem Namen Tian erschienen sind, seyen von Ihnen, Betine wollte es als gewiß wissen, und zwar durch das Gedicht »Der Franke in Egypten«, das Sie ihr schon einmal als ein Kind Ihrer ersten kindschen Seele eingestanden hätten, und durch die vortreffliche Romanze »Don Juan«, die Sie ihr auch eingestanden (DjBr Nr. 970).
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Etwa 3. Mai 1804
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Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. 1. Mai 1804, Dienstag
B an Caroline von Günderrode, etwa 3. Mai 1804:
Hier habe ich einen Brief an dich von der Hessenpost bekommen 〈…〉 nach dem meinigen zu schließen in welchem dieser eingeschlossen war muß er wohl voll gerechter und billiger Lobeserhebungen seyn, unter andern schreibt mir Clemens Ich habe die Gedichte welche du von der Günterode glaubst, gelesen, in Entzüken gelesen, eine Menge Züge darin machen mir es glaublich daß sie von ihr sind, aber der hohe Ernst, der Tiefsinn, die wunderschöne Sprache, die Gehaltenheit, und vor allem die oft ganz Klassische Kunstvollendung haben mich oft zweiflen lassen, wenn du gewiß weist daß der Franke in Aegypten von ihr ist, so kann alles von ihr seyn, denn dieser ist ein ganz vortrefliches Gedicht, kein Weib hat noch so geschrieben noch so emfunden. / 〈…〉 wieder sagt Clemens. Ich habe durch diese Lieder eine wunderbare Hochachtung vor dieser wahrhaft begeisterten Sängerin erhalten. wieder sagt er an einem andern Ort daß es in seiner Art vortreflich und als weibliches Produckt einzige Erscheinung sey. hier spricht er mich aufmunternd, Wenn du wüstest wie viel Gutes veredelndes mir die Lieder von Günderödgen gewährt haben du eiltest auch deine Jugend und ihre Träume zu befestigen. am Ende schreibt er meine Briefe Theile mit keinem Menschen 〈…〉 / Clemens schreibt mir immer ich soll dichten (Nr. 64,1-29+73).
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An Caroline von Günderrode in Trages Frankfurt, etwa 3. Mai 1804, Donnerstag
Lieber Günther. Hier habe ich einen Brief an dich von der Hessenpost bekommen, es ist schon zu lange daß wir uns einander nicht genährt haben auch weiß ich nicht was in diesem Brief stehet um daß ich mir denken könnte ob er einen Freundlichen Eindruck oder einen schlechten oder gar keinen machen wird, nach dem meinigen zu schließen in welchem dieser eingeschlossen war muß er wohl voll gerechter und billiger Lobeserhebungen seyn, unter andern schreibt mir Clemens Ich habe die Gedichte welche du von der Günterode glaubst, gelesen, in Entzüken gelesen, eine Menge Züge darin machen mir es glaublich daß sie von ihr sind, aber der hohe Ernst, der Tiefsinn, die wunder51
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schöne Sprache, die Gehaltenheit, und vor allem die oft ganz Klassische Kunstvollendung haben mich oft zweiflen lassen, wenn du gewiß weist daß der Franke in Aegypten von ihr ist, so kann alles von ihr seyn, denn dieser ist ein ganz vortrefliches Gedicht, kein Weib hat noch so geschrieben noch so emfunden. Hast du mit dieser Stelle genug oder soll ich dir noch andere heraus schreiben doch was frage ich, solge hellglänzende Thau Tropfen können einer so glühend blühenden Blume nicht anders als wohlthuend seyn, öfne nur recht deinen Kelch du holdes Gewächs und lasse dir diese perlen bis in das innere des Busens rollen. wieder sagt Clemens. Ich habe durch diese Lieder eine wunderbare Hochachtung vor dieser wahrhaft begeisterten Sängerin erhalten. wieder sagt er an einem andern Ort daß es in seiner Art vortreflich und als weibliches Produckt einzige Erscheinung sey. hier spricht er mich aufmunternd, Wenn du wüstest wie viel Gutes veredelndes mir die Lieder von Günderödgen gewährt haben | du eiltest auch deine Jugend und ihre Träume zu befestigen. am Ende schreibt er meine Briefe Theile mit keinem Menschen, also wiße daß ich dir diese wenige Zeilen nicht als einem Mensch mitgetheilt habe, und daß du mir also nicht verargen sollst wenn ich sie mit zu viel Wichtigkeit und schwesterlicher Liebe verbrämt habe. eines dieser deiner Lieder hat mir einen grosen Trost gewährt, Wandel und Treue es hat einen herrlichen Himmel mit leicht gefärbten leicht hinziehenden Wolken es ist so hingeflogen es ist eine Poesie der Poesie darin oder vielmehr die Poesie hat sich hier vermählt und abermals vermählt, nehme nicht übel wenn ich mich undeutlich ausdrücke. wie ist es auf dem Trages, das Herz muß einem recht grünen in diesen grünen Wäldern und Wiesen es muß so heiß glühen in diesem heisen Sonnenschein es muß so frisch werden es muß sich so herrlich abkühlen in den kühlen Bächlein und den Teigen wo die Fischlein ihr junges nasses Leben verplätschern, ach ich mögte auch mein junges Leben verplätschern, aber wenn auch der Leichte Sinn gern so hin und her schwimmen mögte und so rechts und links herum schießen und sich dann wieder eine weile mit dem Strom vortreisen lassen und muthwillig ihm dann die Bahn durch schneiden, so will das schwere Herz sich gern Tief unter Gras und Kräuter | Wurzeln und Erde verbergen wie ein Maulwurf um sich da abzukühlen und die dunkeln blizenden Augen hier aufzuthun, und da nun ein Maulwurf und ein Fisch 52
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ganz verschiedne Naturen haben die sich nie mit einander vereinigen können so kann die Arme Bettine weder zu Wasser noch zu Land Ruhe und Zufriedenheit finden. was machen denn die Seeligen das heist die zwei Paradiesvögel, das heist Adam und Eva, oder vielmehr Savigny und Gunda sind sie wirklich Seelig in ihrer Seeligkeit, es ist wenigen beschieden Seelig zu seyn in ihrer Seeligkeit aber Savigny kann nicht anders als nur durch die Seeligkeit anderer seine eigne hervor bringen »darum wenn ihr Seelig seyn wollt so legt euer begehren in den Schoos des Herrn darnach ist das ander all nichts und eitel Begehren« e: c. Gunda hat mir einen freundlichen Brief geschrieben vor ungefehr 4 Wochen daß ich ihr nicht geantwortet habe kömmt erstens von meiner Faulheit her und denn leb ich auch zuviel in den Tag hinein und kann nicht viel über mich selbst nachdenken und da alles was dieser Brief enthielt Fragen und Sorgen um mich waren so ward es mir immer etwas grau vor den Augen, wenn ich an das Antworten dachte sage ihr dieß daß sie nicht meine ich habe ihre Liebe und Sorge für mich nicht geachtet George Marie Lulu und ich werden allem vermuthen nach bis Sonntag bei euch anlangen, und die Meliene wieder mitnehmen wenn ihr sie aber nicht hergeben wollt so werden wir sie wohl bey euch lassen müßen die Großmutter jamert eben gar sehr, aber es ist dumm sie | sollte froh seyn wenn Meline ein bisgen Frühling ein athmet. er läst einem immer Kräfte zurück die durch das Leben dauren. Clemens schreibt mir immer ich soll dichten, aber ich glaube ich werde nie etwas festes geseztes hervorbringen können oft liege Abends oder viel mehr Nachts im Fenster und habe ganz herrliche Gedanken, wie es mir scheint ich freue mich dann über mich selbst meine Begeisterung begeistert mich so zu sagen, aber da sind zwei einfältige Nachtigallen in unserer Strase ich weiß nicht ob sie eingesperrt sind oder irgend wo ihr Nestgen haben, die fangen gewöhnlich an ihre Liebende verliebte Lieder so leicht so herrlich und ergötzlich her zu singen, wenn ich so mitten in meinen Dichten und Trachten bin, daß ich ganz alles vergesse und denke du willst die Nachtigallen dichten lassen du wirst doch des Menschen Ohr und Sinn nie so schön und herrlich erquicken können wie diese, (denn etwas weniger gutes als das schönste und Beste hervorzubringen ist doch auch schlecht) und schlecht mag ich nicht schreiben. Adieu ich habe dir da eine Menge vorgeschwäzt und bin so zusagen ganz in einen vertraulichen Ton gekommen von dem ich doch nicht 53
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weiß ob er gut aufgenommen wird grüße den Savigny und die Gunda ich war der leztern ein wenig böse, habe ich doch ein ganzes Jahr lange 90 mit ihr in einem Zimmer gewohnt, habe ich doch die Trähnen | nie zurück halten können wenn sie weinte. und doch hatte sie kein verlangen nach mir, aber der Mensch vergißt und vergiebt alles in den lezten Stunden seines Lebens, und da es mir hier in dieser dumpfigen Stadt nun alle Augen blike ist als müste ich aufschnappen, da der Geist mit 95 Macht und Gewalt über alle Alte Mauern hin über durch Blüthen und Lüfte und Wolken gezogen wird und der Körper der nicht nach kann ihn wieder mit Macht Und Gewalt zurück hält so bin ich denn in einer Art von Kampf zwischen Leben und Tod, weil die Seele sich von dem Leibe Trennt und der Leib die Seele nicht los läst, und deswegen ver- 100 gebe und vergesse ich es auch, wobey ich jedoch kein Verdienst habe, da wie du siehst die Noth mich drängt Apropos sage doch der Gunda sie solle doch den Herrn Schwaab auch einmal einladen es Thut ihm Leid daß sie nicht an ihn zu denken scheint Bettine 105 so eben lese ich einen lamentosen Brief von der Großmutter an Franz und Tonie, die Meline wird wohl Malgrée bon grée wieder nach Offenbach, daß einem die geplagten doch nicht ungeplagt können lassen ich denke hier an ein Lied von Novalis ach wann wird das plat sich wenden, und das Reich der Alten enden 110 Adieu Günterödgen Adieu Savigny Adieu Gundegen Adieu ihr May blümelgen ihr Schneeklöckgen, ihr Timiangen und allerlei blümgen die ihr in Trages auf den Wiesen wachst auf denen ich mich herum wälzen mögte Adieu ihr gute Kinder.
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An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zweites Drittel Mai 1804
Clemens Brentano an Caroline von Günderrode, 30. Mai 1804:
Betine hat mir geschrieben, mein Brief habe ihnen ein Vergnügen gewährt (DjBr
Nr. 984).
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Vmtl. 28. Juni 1804
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An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 28. Mai 1804, Montag
Clemens Brentano an Caroline von Günderrode, 31. Mai–2. Juni 1804: Gestern 〈30. Mai〉, liebe Freundin, habe ich Ihnen einen kleinen Brief nach Trages gesendet, ich wußte nicht, daß Sie schon nach Frankfurt zurück seien. Gleich darauf erhielt ich einen Brief von Bettinen, aus dem ich Ihre Rückreise erfahre 〈…〉 wenn ich wirklich so glücklich bin, daß Ihnen meine Worte Freude machen. Bettine versichert mich das letzte (DjBr Nr. 985).
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An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 28. Juni 1804, Donnerstag
Lieber Guter Clemens Wie es mich schmerzt dir jezt schreiben zu müssen, da ich meinem ganzen Gefühl nach dir zur Seite stehen sollte, um dich nur mit Freundlichen Blicken zu trösten, wo ich hier mit Tonlosen Worten mein Antheil zeigen muß. Verhältniße die von so wenig Gehallt sind daß sie eine Fliege nicht in die Enge treiben sollten, halten hier ein fromm liebend Herz zurück, voll Sehnsucht zu Trösten, sich einem daß des Trostes bedarf, zu nähren. hier mit will ich dir nur Schmerzlich bekennen, daß ich nicht zu dir kommen darf, ich habe das unmögliche darum gethan, daß es nicht geschieht, ist nicht meine Schuld, es haben dieß, andere auf dem Gewissen. Traure nicht zuviel lieber Clemens und auch dein Weib nicht. es geht ja nichts verlohren in dem grosen schönen Raum, so groß er ist so hat doch das bessere Auge Kraft genug, diesen Raum zu durch fliegen, und du wirst nicht suchen du wirst finden. Wie ich dich doch so unendlich liebe wie dieses Ereigniß doch jede Ader jeden Bluts Tropfen in mir zu inniger heiser Liebe erweckt hat ich fühle wenn dir etwas weh thut so hat man mir ein Glied abgehauen sieh so übertrifft meine Liebe immer Deinen Schmerz, suche dich also bald davon loß zu machen damit der Schmerz der meine Liebe trifft auch bald Heile und mir der Verlust meines Gliedes doppelt durch deinen Muth und deine Heiterkeit ersezt werde ich mögte dir gerne das Freundlichste sagen was sich denken läst ich mögte dich von deinem Schmerz erwecken in ein holdes lichtes Leben wie einen König der Gefangen und in 55
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schwehren Ketten mit Kummer einschlumert und wenn er erwacht wird er mit Königlichem Schmuck geziert wieder mit all seinen Würden begleitet ist du Guter Clemens fühlst du mich nicht in deinem Schmerz, denkst du nicht | daß du mich hast, und daß dieß wert ist sich noch frei in der Welt umzusehen, ich spreche dir vielleicht zu tröstlich weil du des Trostes nicht bedarfst, aber es ist mir so im Herzen, ich mögte mich dir nothwendig machen, ich mögte ein Theil von dir selbst seyn, du meine wunderbarste Liebe, meine einzige Neigung, und Freundschaft, wenn ich auch manch mal kalt gegen dich war, so fühle ich doch deutlich du und nur du – ohne dich mag ich nicht seyn ohne dich ist mir alles andere unerträglich, mit Dir will ich jeden Verlust ertragen, ich werde nie Elend nie hülflos werden wenn du mein Herz im Herzen Trägst und dieß ist auch nur der einzige Gewinn in meinem Leben, Adieu glaube nicht es sey Heftigkeit oder blose Aufwallung über deinen Schmerz ich bin so und weil du weist daß ich so bin darum sage ich es selten Günterödgen hat auf die andere Seite Geschrieben es bittet mich ich soll dir schreiben wie es dich innig lieb habe und du sollst es auch von Herzen lieb haben bittet sie, sie ist betrübt über dein Kind und geängstiget über das was von ihr in deinem Brief sagt sie fürchtet du würdest sie auser Acht sezen und sie war Doch gesonnen sich für ihr ganzes Leben mit dir zu verbinden Bettine 〈Caroline von Günderrode:〉 Lieber Clemenz, ich bin sehr traurig über den Tod Ihres Kindes, ich hätte es so lieb haben wollen – Meinen Brief haben Sie nicht so gelesen wie ich wünschte, ich bin ohne Umwege, ohne Ziererei, u freue mich wenn Sie mir gut sind; wo Sie mich anders verstehen thun Sie Unrecht. Caroline
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Trages, 28. Juni 1804, Donnerstag
Friedrich Carl von Savigny an Caroline von Günderrode, Trages, 28. Juni 1804: Du sollst nämlich Samstag morgens nach Hanau kommen, um
dich im rothen Löwen hierher abhohlen zu lassen. Wenn Du das willst, 56
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so rede es sogleich mit der Betine ab, an welche auch geschrieben wird, und schreibe mir auf der Stelle, damit ich den Brief unfehlbar noch Morgen Abend bekomme. (Preitz 1964, S. 203.) B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 28. Juni 1804:
Daß es mich freut zu euch zu kommen, könnt ihr daran sehen daß ich den Vorschlag mit Freuden annehme (Nr. 69,1-2).
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Daß es mich freut zu euch zu kommen, könnt ihr daran sehen daß ich den Vorschlag mit Freuden annehme obschon bis Sonntag eine grose Kind Taufe in unserem Hause gehalten wird, da Tonie heute Morgen glücklich mit einer kleinen Prinzes niedergekommen ist Clödgen kann nicht von Der Partie seyn wird aber wenn Frize hier ist welche wir erwarten mit dieser einen kleinen Abstecher zu euch machen, Günderödgen hat mir einen Blumenstock versprochen wenn ich durch mein Bitten machte daß ihr mich selbst in Hanau abholt, da es mit dem Besten Willen nicht weiter als bis dahin kommen kann, ich denke wir fahren morgen Hier um 12 Uhr ab. Da ich weiß das ihr Lang schläfer seid, und wir auch eher und Comoder kommen können Adieu Bettine
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Trages Frankfurt, 29. Juni 1804, Freitag 1r
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, 25. August 1804, Sonnabend
Heidelberg 25. Aug. 1804. Es sind jezt schon vierzehen Tage, daß ich den dicken Butin zulezt geküßt habe, und der dicke Butin hat mir noch gar nicht geschrieben, was ich ganz und gar nicht loben kann. Uns, lieber Butin, ist es noch gar wenig gut gegangen, seitdem Du fort bist. Du weist, daß das Gundelchen noch den lezten Tag in Trages durch eine Erkältung krank geworden war: seitdem ist es noch gar nicht wieder gesund gewesen, hat sehr wenig ausgehen können, und liegt meistens im Bett. Wir sind deswegen 57
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alle recht viel zu Hause und es ist auch recht heimlich beÿ uns: wenn du da wärst, könntest du mir eben so gut gute Nacht sagen als in Trages. Vorgestern ist auch noch das Günderrödchen zu uns gekommen, das aber gewaltig herum vagirt. Ich habe dir nun ganz schlicht und einfältig geschrieben wie es uns geht: mache du es auch so, aber schreibe recht ehrlich und ausführlich, dann habe ich herzliche Freude daran. Ich habe dich gar lieb du guter treuer Butin, und du sollst mich auch immerfort lieb haben. Grüsse die Loulou und lebe wohl. Dein Habihnnie. 〈alR Kunigunde von Savigny:〉 Du dicker lieber Butin ich will dir aus meinem Bett guten Tag sagen, und auch der Loulou, der Claudine, der Marie, dem George und allen Deine Gun 2v
Mademoiselle Betine Brentano à la tête d’or à Francfort
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An Friedrich Carl von Savigny in Heidelberg Frankfurt, vmtl. Ende August/Anfang September 1804
Warum sollte ich meinem lieben Guten Habihnnie nicht aufrichtig schreiben, da ich nichts zu verbergen habe. daß ist ja gar keine Kunst, aber auch kein Verdienst wirst du sagen. Nun will ich dir erzählen, daß ich schon begonnen habe recht fleisig zu seyn, ich nehme wieder Clavier Stunde bei H: Hofm:, Malgrée les Tentation denen ich ausgesezt bin, Singen lerne ich auch recht fleisig, und wenn Opern gegeben werden so bin ich immer im Teater, überhaupt ist Musick jezt meine einzige resourse und mein Labsal, du hast mir versprochen mir über das zu schreiben was ich lesen soll, schreibe es eilig, ich bitte dich ich habe einen wahren heishunger nach Büchern. Zum großen Erstaunen der noch hiesigen Mitglieder unsers Zirkels scheint Bettine ganz Still und Ruhig geworden zu seyn, sie ist nicht mehr Toll und ausgelassen, man schreibt dir diese änderung in meinem Gemüth zu, und – man hat zum Theil recht, zum Theil aber habe ich es auch meiner eignen Einsicht zu 58
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verdanken, die freilich durch dich und meine liebe Gunda erweckt worden ist, ich lese hier alle Tage 2 bis 3 Stunden vor, um meine Mitbürger nicht ganz der Langenweile zu überlassen, ich habe ihnen schon den Octavian vorgelesen, der hie und da recht leichtend hervor tritt, seine Unschuld kann einen ordentlich trösten, über den Elenden Anblick gewisser Menschen, die recht liebens würdig und gut seyn könnten und nun dastehen in ihrer Beschränktheit wie alte Mauern und Türme welche zwar alle Schwach sind, sich aber doch alle vor einander fürchten, weil der Einsturz des einen immer den Fall des andern mit sich reist. An unserem Horizont leuchtet jezt kein Stern als immer noch der alte D: Kästner, der wahrhaftig eher einem Stück Goldpapier zu vergleichen ist, als einem Stern er wird alle Tage hochmüthiger und aufgeblasner, dir Gunda muß ich noch ein interesantes Fata erzehlen. Pincnet oder Poinset wie er hieß, der Americaner von dem wir alle ein wunderbares Schicksal vermutheten hat wirklich daß erfüllt was wir voraus gesagt haben er hat den Minister Hamilton um eines Freundes willen im England im | Duell erstochen und heist mit seinem wahren Nahmen Borde was macht Meline und ihre Liebe habt ihr noch keine Nachricht von Cristian und Bostel, Lulu hat ihn wie es Scheint so ziemlich vergessen sie erinnert sich seiner nur noch als einen der vielen die in ihren Betten geschmachtet haben, übrigens vergeudet sie bald hier bald da einen Theil von ihren reizenden Blicken und worten es ist ein Glück für sie daß ein solger Fond nicht so bald erschöpft ist sonst würde sie bald auf dem Fond seyn. ich habe deinen Brief gegen einen andern gehalten welchen du mir vor Zeiten schriebst und fand einen Mächtigen Unterschied, halte du diesen auch gegen einen alten von mir und du wirst dich wundern schreibe mir aufrichtig ob dir mein Brief misfallt und ich werde es ändern denn das ist mir ein leichtes Zeige ihn auch niemand der eifersüchtig darüber werden könnte. *Gute Nacht Gunda Und nun Gute Nacht, und hier die eine Hand, und hier die Andere, und der Kopf, und das Herz, 1.2.3. kein Mädgen und kein Bub, ein Treu Wesen, hab mich lieb, hab den Budin lieb, ich bin Dein Treuer Guter Budin, Gute Nacht Habihnnie, ach nun schließt du die Thüre zu, und morgen erst soll ich dich wieder sehen, ist daß nicht Gute Nacht wie ehmals, und es soll immer seyn wie ehmals, aber ich habe vergessen, der Gunda erst Gute Nacht zu sagen, hier oben sehe ich noch ein wenig Plaz und da will ich es hin schreiben * und nun wollen wir uns alle in 59
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die Ruh begeben, Gelte recht viel unnütz Geschwäz, so macht man es aber mit denen die man lieb hat Bettine
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Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. erstes Drittel September 1804
Heidelberg den 〈〈x〉〉 Sept. 1804. Du findest einen großen Unterschied zwischen deinem lezten Brief und den ehemaligen? ich auch, und einen Unterschied der mich erfreut. Wer beide nur so obenhin betrachtete, könnte glauben, du hättest ehemals bewegt, gehoben, interessirt geschrieben, jezt gleichgültiger und unbedeutender: ich denke anders. Wie nicht alles Gold ist was glänzt, so ist nicht alles wahrhaft lebendig was sich bewegt. In einem verwirrten Gemüth kann nur krankes Leben seÿn, und hier ist der Satz der Lüge in tausend Gestalten, auch beÿ großer Güte und starkem Gefühl: nur in klarer Einfalt und Ruhe kann die Empfindung tief und treu und wahr seÿn, und da allein ist das wahre Leben. Was immer lieb und herrlich an dir war, ist dein liebes treues Herz mit dem schönen Ernst der Empfindung: das kann sich nicht ändern beÿ aller Änderung deines Wesens, es kann nur einfacher und deutlicher werden sich selbst und Anderen. Ich kann mich recht innig freuen, wenn ich mir dich denke, ruhig und zufrieden in Dir selbst, erfreut und belebt durch alles was schön ist und vortrefflich: alle Spuren von Hoffahrt und Übermuth aus deiner Seele weg, wohin sie so gar nicht gehören, und aller Lärmen aus deinen Augen. Ich kann große Freude haben, wenn ich dich so denke, | du guter Butin: ich vergesse mich dann auch nicht, und denke hinzu, wie du mich immer treu und herzlich lieb hast und wie mich deine Liebe rührt und froh macht. Denk’ ich so recht? Deine Bücher vergesse ich ganz und gar nicht: ich will dir nicht nur Bücher vorschlagen, sondern selbst dafür sorgen. Vor der Hand erkundige dich einmal, ob dir nicht ein guter Freund Winkelmanns Geschichte der Kunst verschaffen kann, und schreibe mir das: lesen sollst du sie noch nicht, bis ich dir wieder schreibe. In deinem Brief steht etwas sehr schönes: »und es soll immer seÿn wie ehmals«. So sollst du immer denken, lieber Butin, dann wirst du deinen Habihnnie immer treu lieb haben. Lebe wohl. 60
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〈Kunigunde:〉 Sieh mein lieber Butin ich mach dir gar nichts mehr an dem Habihnnie seinen lieben Brief schreiben, er hat mich so gerührt daß ich fürchte ich könnte etwas dran verderben, wenn ich noch viel dazu sage. Doch für deine Nachricht wegen dem Poinsette will ich dir eine geben, die dich nicht weniger interessiren wird, Arnim hat dem Clemens aus Düsseldorf sein Portrait in Öhl gemahlt geschickt, es ist ein herrliches Bild und gleicht ihm sehr. adio Gunda. 〈Meline:〉 Die Meline will dem Butin auch einen freundlichen Guten Tag sagen.
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〈Savigny:〉 An den Butin
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An Friedrich Carl von Savigny in Heidelberg Frankfurt, zwischen etwa 5. und Mitte September 1804
Ich schreibe dir mit traurigem Herzen, obschon der Brief den ich jezt beantworte mich mit Freude erfüllt hat, seid Fruchtbar ihr Briefe und mehrt euch Daß ich traurig bin kannst du dir wohl leicht erklären, so viel Lebens Kraft und Muth zu haben und keine Mittel ihn anzuwenden. wie mag es einem grosen Krieger zu muth seyn dem das Herz glühet zu großen Unternehmungen und Thaten, und der in der Gefangenschaft ist mit Ketten beladen an keine Rettung denken darf, mir überwältigt diese immerwärende rastlose Begier nach Wirken oft die Seele und bin doch nur ein einfältig Mädgen, deren Bestimmung ganz anders ist, wenn ich so denke daß Gestern ein Tag war wie Heute einer ist, und Morgen einer seyn wird, und wie schon viele waren, und noch viele seyn werden, so wird es mir oft ganz dunkel vor den Sinnen und ich kann mir selbst kaum denken wie unglücklich mich daß machen wird, nie in ein Verhaltniß zu kommen worinnen ich meiner Kraft gemäß wirken kann, wenn die gute Gundel als traurig über 61
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mich ward ohne sagen zu können warum so dachte ich wohl ach daß ist ein Gefühl von deiner Nichtigkeit im Leben, wer dich kennt und dich Lieb hat dem muß es auf das Herz fallen wie du nur als Erscheinung im Leben stehest und auch so endigen wirst, ich habe in diesen Augen blicken die Gundel ganz unendlich lieb gehabt und es wird mir immer ein Band seyn daß mich ewig an sie fesselt, es war mir immer ein Beweiß daß ihre Liebe ihr Mitleiden recht aus der Tiefe ihres Herzens kam, ganz ohne übrigen Absichten, wenn mich andere Menschen Lieb hatten so war es Bedürfniß oder Eigennutz und einer solchen Liebe kann keine Ewigkeit zu Theil werden, meine Liebe war nie so, darum dauert sie auch an sie allein werde ich mich halten können und an sie allein weise ich alles was Ansprüche im Leben an mich macht Ich habe dir hier deutlich geschrieben warum ich traurig bin ganz ohne überspannung und ohne Verwirtheit ich glaube und will nicht daß du besonders darauf achten sollst es mag andern wohl vielleicht auf eine andere Art so gehen, ich schrieb es dir auch nur, weil deiner Freundschaft und Liebe ein ernstes und treues Vertrauen entgegen gesezt muß werden um ihrer wert zu Bleiben. ob der Lärm aus meinen Augen weggebannt ist kann ich dir nicht sagen da ich ihn nicht von den übrigen Eigenschaften meines Auges unterscheiden aber kein Hoffart und kein Ubermuth ist in meiner Seele, du schreibst mir meine Liebe mache dich froh und rühre dich. du bist so gut Habihnnie es war mir als ob du mich ans Herz drücktest als ich dießes las, du thatest es wohl auch in Gedanken als du es schriebst und dachte ich will den Guten Boutin immer recht Lieb haben Winkelmanns Geschichte der Kunst werde ich in wenig Tagen bekommen schreibe mir bald darüber sonst mögte ich vielleicht deinem verbot nicht wiederstehen können Dir, liebe Gundel schreibe ich nichts mehr als daß ich dich sehr lieb habe denn alles was ich an Savigny geschrieben habe ist auch an dich, behalte mich lieb und denke an mich. Butin Die Meline zeigt sich hier unten an dem Brief, wie ein klein Zaunschlüpfergen, unter dem Fittig des Adlers du hast viel Muth gehabt liebe Meline dich so hoch empor zu schwingen und deiner Schönen Gestald so wohl als einem ordentlichen Verstand gemäß zu handlen, wie Habihnnie sich gar wohl ausdrückt und ohne den Beistand 62
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des Adlers wäre es ein erstaunliches Werk gewesen, Adieu behalte mich lieb und schreibe dem Butin auf ein andermal mehr als nur Guten Tag Die Tante behauptet eine Gute Freundin von ihr habe euch vor wenig Tagen hier in Frankfurt gesehen, ich glaube es zwar nicht, aber ihr müstet viel über eure eignen Herzen gewonnen haben wenn dem also wäre
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Von Clemens Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. zweite Hälfte September 1804
B an Friedrich Carl von Savigny, vmtl. Anfang Oktober 1804:
Clemens hat mir einen langen Brief durch die Günth: geschickt er beglagt sich über mein Stillschweigen und sagt mir daß er sehr traurig sey daß es ihm oft übler ginge als er es auszusprechen im Stande sey (Nr. 77,6-9).
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, 17. September 1804, Montag
Heidelberg den 17. Sept. 1804.
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Lieber Butin! Ich schreibe dir heute nur ganz kurz, weil wir Morgen auf einige Tage verreisen. Du bekommst mit der Post von Marburg einen deutschen Herodot, und von hier einen deutschen Thucÿdides nebst 3 Bänden Briefen von Winkelmann. Den Herodot und Thucÿdides sollst Du mit Ernst und Fleiß lesen, und daraus lernen, und darüber denken, und mir darüber schreiben. Bemühe dich, in Frankfurt aus der Stadtbibliothek oder sonst die deutsche Übersetzung des Plutarch von Xÿlander aus dem 16. Jahrhundert zu bekommen und dabeÿ zu lesen. Winkelmanns Briefe sollst Du vor seiner Kunstgeschichte lesen, um das Gemüth kennen zu lernen, aus welcher sie hervorgegangen ist. Nur wenig Schriftsteller sind dieses werth, und ich will mich freuen, wenn er dich so ergözt, wie | er mich ergözt hat.
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Die Lulu sollst du grüssen und an deiner Lectüre theil nehmen lassen. Die Bücher verwahre wohl: den Thucÿdides schicke, wenn du fertig bist, mit der Post an Prof. Creuzer zu Heidelberg, dem er gehört: die übrigen hebe mir auf. Schreibe mir doch, worin denn der Unterschied der Lupen liegt, wovon Lulu schreibt. An der Einfassung liegt mir gar nichts, aber ich will alte Manuscripte gut damit lesen können, sieh also selbst mit der Lulu welche an, und sage mir, zu welchen Preisen du sie für tauglich hältst. Leb wohl guter Butin. Dein Habihnnie. 2v
An Mademoiselle Betine Brentano im goldnen Kopf zu Frankfurt.
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Von Franz Brentano nach Frankfurt Wien, 25. September 1804, Dienstag
Wien den 25 7br 1804 Liebe Bettine In schönen glatten Worten bist du eine reichhaltige Erzstuffe, du versprachst mir viel zu schreiben, aber du hielst dein versprechen, wie jemand der nur spricht um zu sprechen; wenn ich wieder komme werde ich hören »ich habe dir schreiben wollen aber es ist soviel dazwischen kommen daß ich nicht konnte« – was ist aber eigentlich dazwischen kommen, ists Faulheit, Nachlässigkeit warum schliesest du diesen Schmarozzern nicht die Thüre – non elle a le Coeur trop tendre pour fair. du mal a ces bonnes gens, also deinem zärtlichem Herzen verdanke ich dein unzärtliches betragen, so vertreibt eine Tugend die andere, u wärest du weniger | zärtlich so hätte ich längst Brieffe, indessen höre ich auf der anderen Seite, du seyest ruhig u ordentlich. Das freuet mich mehr als alle Brieffe – fahre fort Liebes Mädgen dich ordentlich zu betragen u ein tätiges beschäfftigtes Leben zu führen, u verwische da64
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durch den vielen verdruß den du mir zeithero durch das entgegengesezte Benehmen eingegraben hast. Grüse Lulu recht herzlich – ich umarme euch beide zärtlich Franz Br. Tony u die Kinder grüßen euch herzlich a Mademoiselle Bettine Brentano
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An Friedrich Carl von Savigny in Heidelberg Frankfurt, vmtl. Anfang Oktober 1804
Lieber guter Habihnnie ich kann dir nicht genug danken für deine Sorgfalt um mich es tut mir nur leid daß jezt wo ich den heftigsten Eifer dazu verspühre ich keinen rechten Gebrauch davon machen kann meine Augen sind so schwach daß ich höchstens eine halbe Stunde lesen kann und daß mit aufopferung meiner Schönheit für den ganzen Tag denn es macht mir ein übeles Aussehen Clemens hat mir einen langen Brief durch die Günth: geschickt er beglagt sich über mein Stillschweigen und sagt mir daß er sehr traurig sey daß es ihm oft übler ginge als er es auszusprechen im Stande sey Schreib mir doch ob er traurig ist Cristian und Bostel sind hier um morgen oder über morgen zu euch zu kommen ich habe gehört daß Potgieser sehr krank ist man glaubt er wird sterben seine Schwester aus offenbach ist zu ihm um ihn zu pflegen, ich kann nicht begreifen, warum ihr die Meline nicht mit nehmt es wird ihr auf keinen Fall recht gehen bei der Tante Sangen war hier sie hat mir aufgetragen euch zu schreiben und zu danken für daß present und daß Verlangte wollte sie euch schicken welches ihr wohl schon haben werdet Adieu dein treuer Budin. wenn ich bey dir wäre so könnte ich dir so manches sagen was mich jezt froh macht. Winkelmanns Briefe sind Gottlich hätte ich zu seiner Zeit gelebt ich wäre ihm durch das ganze leben nach gelaufen so lieb habe ich ihn
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Monsieur de Savigny a
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Heidelberg 65
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, 3. Oktober 1804, Mittwoch
Heidelberg den 3. Oct. 1804. Lieber Butin! Heute sind wir zurück gekommen, und ich kann dir nur sehr kurz schreiben. Sage mir doch sogleich wie es Dir geht, und was es sonst beÿ euch giebt, besonders ob Christian da ist, dem du diesen Brief geben, oder (wenn er nicht da ist) sogleich schicken sollst. Ferner, was Marie macht und (wenn es schon existirt) ihr Kind. Endlich grüsse (nebst den übrigen) George vielmals und bitte ihn, daß er uns recht bald die Creditbriefe schicke. Adieu, lieber guter Butin, grüsse alles, besonders den Mutsch, und das Günder*. Dein H.
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An Christian Brentano in Heidelberg Frankfurt, etwa 5. Oktober 1804, Freitag
Christian Brentano an B, 10. Oktober 1804: Du hast den grösten Theil von dem darum ich Dich gebeten, so schnell ausgerichtet und so schnell Bericht davon gegeben 〈…〉 Du selbst gestehst Dich unglücklich. (Nr. 81,2-15.)
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An Franz Brentano in Wien Frankfurt, 8. Oktober 1804, Montag
〈Josepha Brentano:〉 Copie eines Briefes an Von Frft nach Wien 1804 – 8 October meinen seeligen Vater. 〈B:〉 Lieber Franz! Dein freundlicher Brief hat mich wirklich überrascht und beschämt daß alle Entschuldigungen oder Schmarozzer von dannen gezogen sind und wohl so bald nicht wieder kehren werden. Das Haus lebt hier in Freude über die glückliche Entbindung von Marie ihr klein Mädchen ist gar hübsch euer Kind hat ihm gleich den ersten Tag 66
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einen Besuch abgestattet und ich weiß nicht aus welcher geheimen Ahndung oder Seelenbewegung ein solches Geschrei erhoben, daß die Kindbetterin dadurch beunruhigt wurde und wir sie so geschwind als möglich forttransportieren mußten, es werden einmal ein paar artige Gespielen geben, ich freue mich wenn ihr wieder hier seid auf die große Kindergesellschaft. Du wirst wohl schon wissen daß Savigny in wenig Tagen nach Paris geht, und daß Meline wieder zurück kömmt. Der H. Potgießer soll die Auszehrung und wenig Hoffnung zum Leben haben. Das Kindchen ist Claudine getauft worden, von dem Clausner welcher sich sehr Feierlich und gerührt bei der Taufe getragen hat. H toute ou rien welcher auch assistirte machte einen eignen Contrast mit guten besonders | lustigen Herrn Schwaab und Anton. Ich finde die zwei Nahmen so eigen Claudine und Josepha, wer weiß was die einmal für ein Schicksal mit einander theilen werden, ob es ihnen so wohl wird werden wie mir die einen treuen Bruder hat, der für mich sorgt wie für sein eigen Kind und mir seine treue Bruderliebe auch in der Ferne noch beweißt, gewiß lieber Franz ich erkenne recht dankbar Deine Güte und Sorgfalt, und werde es dir so viel als möglich zu beweisen suchen. Deine Schwester Bettine v A. Tonie küsse und umarme ich herzlich wie auch die Kinder, ich werde ihr nächstens schreiben und in etlichen kleinen Angelegenheiten über meine Garderobe zu rathe ziehen. 〈Josepha Brentano:〉 An Claudine von Josephine
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Heidelberg, 10. Oktober 1804, Mittwoch
Liebe Bettine Du hast den grösten Theil von dem darum ich dich gebeten, so schnell ausgerichtet und so schnell Bericht davon gegeben; daß ich ausrufen muste: ey da erstaun ich ja! Ich hätte dir indessen eben so geschwind geantwortet; aber ich schwätze hier um den Savigny herum, und möchte gern haben daß er dir einen großen Brief schriebe; damit du 67
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eine gute lecture hast. – Ich habe dich so lieb, und eine so große Achtung für dein inneres Wesen; daß es mein eifrigster Wunsch ist; du mögtest der Allgemeinen Bestimmung nachkommen, und in schönen Handlungen und Werken für dich selbst u andere laut werden. Es kam mir sonst vor als ob du würklich auf einem Weeg giengst wo du dein Ziel bestimt vor Augen hättest; als du noch mit dem Clemens so vertraut warst; und nicht allein du ihr alle scheint mir in großen Anstalten zu der Reise nach dem gelobten Land begriffen; Aber jetzt anders. du selbst gestehst dich unglücklich. Ach liebe Bettine! was ist es denn? Sey doch gutes Muths. Keine Knospe soll verderben, | alle Blumen sollen blühen. Mir däucht euch alle hat die Kundel verwirrt; u ihr Glück schwebt euch als Beyspiel vor; Ihr scheint zu sitzen und die Savigny’s zu erwarten, wie offne Mauler die gebratene Dauben. Lieber Gott; Savigny ist für die Gundel ein Glück u ich habe ihr dazu gratulirt; aber viele würden umkommen wenn sie nichts thuen wollen als warten, wie einer dem zufällig ein Schatz zuflog. Man kann sich auch mit eigner Kraft u Gewalt sein Glück erzwingen; u das soll Niemand in Trägheit vergeßen. – Was das übrige angeht von den Besorgungen die du noch vor hast; so vollbringe sie ohne Besorgniß. Ich habe das Mädchen noch nicht außerordentlich lieb, aber vielleicht wirds noch; und ich lebe mit mehr Lust wenn ich weiß daß ich jemand zur Freude arbeite. Adieu meine liebe Bettine Dein treuer Christian. Heidelberg 10ten 〈oc〉bre .... Bostel läst dich u die Lulu die Marie, Clothilde grüßen. ich thue es auch. –
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Wir haben Lichtenberg aus Darmstadt mitgenommen er hat hier außerordentlich gefallen; heute ist er zurück und wenn ich nach Frankfurth zurück komme so bringe ich ihn mit dahin.
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A Mademoiselle Madem: Bettine Brentano im Kopf Frankfurth a/M
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Zweite Hälfte Oktober–20. November 1804
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. zweites Drittel Oktober 1804
B an Friedrich Carl von Savigny, vmtl. letztes Drittel Oktober 1804: da du mir solch einen guten lieben und bedeutungs vollen Brief geschrieben hast 〈…〉 die Zeit 〈…〉 brachte ich damit zu deinen Befehlen auf daß eifrigste nachzukommen (Nr. 85,2-6).
*83.
An Christian Brentano in Marburg Von Christian Brentano nach Frankfurt Frankfurt, zweite Hälfte Oktober–20. November 1804
Christian Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Marburg, 22. November 1804: Soviel ich von den Briefen der Bettine abnehmen kann, mit der
ich posttäglich correspondire, so ist kein ordentlicher Briefwechsel zwischen dir u ihr; wie wir ihn wünschten; sie hat mir geschrieben; ohne die Ursache davon zu kennen, seÿ es ihr nicht möglich; dir so wie mir über ihr täglich Treiben zu schreiben u bittet mich daher dich davon selbst zu unterrichten in so weit mir dasselbe bekant ist; und das will ich dann thuen, obgleich ich wünschte du mögtest mit einem Zwekmäsigen Brief die Bahn zu einer unmittelbaren correspondenz brechen; ja ihr so gar die Methode darinn angeben wie sie dir schreiben soll; denn das scheint der Punkt zu seÿn der sie abhält. – Sie schrieb mir in ihrem ersten Briefe, Sie lernte fleißig; läse alle Tag 2 Stund morgens, 2 nachmittags die alten Geschichtschreiber; des Winkelm Gesch 〈Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums〉 würde sie erst nach mehreren Wochen anfangen können, übrigens fühle sie sich obgleich sie 2 Nachte beÿ der kranken Claudine gewacht habe, recht gesund u zum Lernen aufgelegt. Ich antwortete ihr hierauf motivirt; Sie verwende zu wenig Zeit zum Lernen, stellte ihr vor auf welche Art sich ihre Zeit beschränkte; u empfahl ihr früher aufzustehn, andere Leute beÿ der Claudine wachen zu lassen; den französischen u englisch Sprachmeister abzuschaffen. Statt des Clavierklappern lieber Untericht im Generalbaß Statt der obigen Sprachen italienisch zu lernen; den Singmeister könne sie beÿbehalten solle aber mehr Ernst u Methode anwenden Sie antwortete mir den französischen habe sie abgeschafft – von den übrigen weiß ich noch nichts. Ich habe ihr inzwischen etwas von der Me69
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thode zu lernen geschrieben: ohngefähr daß sie beÿ jedem Einzelnen das sie zum lernen vor sich habe wissen müsse was ihm für ein Platz im ganzen gehöre – Ich schrieb ihr wenn sie italienisch lernte; die Grammatik zum Grund zu legen nicht nach der jezigen schlampampen Methode der gewöhnl* Meister mit schwätzen u Uebersetzen ins teutsche; (eine Art auf die sie nie was lernen wird wie der englische Unterricht bewieß) schrieb ihr sie solle mir die italienische Grammatik schicken darnach sie lernen wollte so wollte ich ihr recht concret zeigen wie sie sie studiren u anwenden müsse; damit was rundes herauskomme. – Eben so schrieb ich ihr Winkelmanns Gesch zu erst zu lesen; (ich denke näml wenn unter dem vielen etwas herauskomt; so ist es besser dieß, u wenn sie die Kunst zu der sie natürliche Neigung hat kennt, wie sie beÿ den alten war; so wird sie dadurch animirt seÿn die Geschichte derselben zu lesen). Heut will ich mir W. Geschichte aus der Bibliothek verschaffen u ihr dann auch hier speziell nachweisen, wie sie sie studieren soll. – In ihrem lezten Brief schrieb sie mir sie leide an einem Catharrfieber, aus der Nachtwache beÿ Claudine geholt, – der Generalbaß seÿ für sie schon lange etwas anzügliches gewesen dazu brauche sie aber 4 Jahre; ich will ihr nun auch hierüber was raisonables sagen Im ganzen zeigt sie aber den grösten Eifer; und ich habe Hoffnung für die Realisation der in Heidelberg geschmiedeten Pläne. Du siehst daß ich was wir dort besprochen haben ernstlich gefaßt habe; und keines weegs träg im Beÿtrag bin. (SPK/NS 51/1). Arnim an Clemens Brentano, Frankfurt, 26. Oktober 1811:
Du glaubst nicht welche Aehnlichkeit seine erziehenden Briefe an Bettine die ich hier durchlaufen mit seinem Verfahren in Bukowan haben, einmal will er ihr alle Dinge zum Lernen aufbürden, die ihn im Augenblicke interessiren und die er eben begriffen hat, ja sogar die, welche er selbst noch nicht weiß, sondern erst erfinden will (GSA 03/147).
*84.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zweite Hälfte Oktober 1804
B an Friedrich Carl von Savigny, vmtl. letztes Drittel Oktober 1804: ich habe sie 〈Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums〉 noch nicht in
meinem Studium gebraucht, weil ich die Geschichte jezt mit grosem 70
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Eifer lerne Morgens für mich und Nachmittags mit Günterrödgen, ich habe dem Cristian darüber geschrieben (Nr. 85,9-12).
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An Friedrich Carl von Savigny in Straßburg Frankfurt, vmtl. letztes Drittel Oktober 1804
Lieber Habihnnie Ich sollte mich schämen daß ich die lezte bin die dir schreibt da du mir solch einen guten liebe und bedeutungs vollen Brief geschrieben hast allein wenn du die Ursache wissen wirst so wirst du eingestehen daß es zu entschuldigen ist Clödgen war erstens sehr krank die Zeit die ich nicht in seinem Dienst zubrachte, brachte ich damit zu deinen Befehlen auf daß eifrigste nachzukommen, so daß ich über deinem Befehl dich selbst vergessen hatte. Da ich Wink: Ges: nicht bekommen konnte habe ich sie mir selbst gekauft und in Blaupapier einbinden lassen allein ich habe sie noch nicht in meinem Studium gebraucht, weil ich die Geschichte jezt mit grosem Eifer lerne Morgens für mich und Nachmittags mit Günterrödgen, ich habe dem Cristian darüber geschrieben, wenn ich eine genaue Übersicht der Geschichte habe so werde ich mit doppeltem Eifer an Wi. studieren, wenn du es anders recht und deinem Plan gemäß findest, Es ist jezt sehr lustig hier im Hause und ich bin auch sehr vergnügt Melinens Brief haben wir emfangen und ein wenig über ihren Eigendünkel und Hochmuth gelacht, doch wenn man mit dir kann man sich schon etwas ein bilden. Güntherödgen läst dir sagen du sollst doch seinen lezten Brief verbrennen Ich war vor kurzem in Offenbach die Tante ist gewaltig böse auf dich, sie spricht mit einer vernichtenden Verachtung von dir Adieu lieber Hab ihn–. Adieu und Gutentag zugleich lieb Gundel und Meline ich mögte euch gerne auch noch was freundliches sagen aber was ich auch sagen mögte: es wäre euch nicht neu ihr reist in der Welt herum und lacht sie an überall wo Ihr hin komt weil sie euch neu und Freundlich erscheint ich habe auch Francfurt angelacht im Anfang aber jetzt machen wir uns beide nichts mehr daraus Bettine
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Monsieur M. le Baron de Savigny par les mains de Mess. Turckheim &C. Strasbourg
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An Friedrich Carl von Savigny in Metz Frankfurt, vmtl. erstes Drittel November 1804
Lieber Habihnnie Ich schreibe dir um dir einen treuen Bericht von meinem Lernen abzustadten, welches ich denn um so lieber thue da ich gewiß weiß daß mein Fleiß und Eifer viel Freude machen wird, die Geschichte studiere ich auf folgende Weiße ich lese sie im algemeinen des Morgens bey dem Gunderrödgen des Nachmittags mache ich mir einen Auszus von dem was ich gelesen habe, nachher lese ich im Plutarch die ausführliche Lebensbeschreibung der Männer die in meinem Auszug vorkommen, welches mir unendlich viel Freude macht, ich werde in kurzem eine genaue Ubersicht von dem Theil der Geschichte haben die mir zu Winklm: Gesch: nötig ist, und werde sie denn mit allem Eifer studieren Sonderbar ist es daß es mich sehr viele Mühe kostet die einzelnen Theile der Geschichte wieder mit dem ganzen zu vereinen und darauf Anwendbar zu machen, diese verlieren sich vielmehr bey mir in eine Art Poetischer Darstellung aus der ich sie nachher nicht mehr heraus zu bringen vermag, zum Beyspiel Hannibal er hat mich nehmlig entzückt, und sein Zug durch Italien ergreift mich einzig, er ist so nervigt, so einfach, es war mir da ich ihn laß als säße ich auf einem Berg und sähe seinen Zug unten im Thal durchwandlen mit aller Kraft mit allem Geist und rauer herrlicher Natur es entzückt mich wie die zwei muthigen Völker mit unerhörter Kraft einander verderben. und denn sein kühner Marsch durch die Hohen Alpen, wie er so geschickt so schnell seine starken Feinde | anpackt, und überwindet, mit den einfachsten Grundsäzen Es ist wohl nichts schwehrer lieber Habihnnie als bei Übersehung solcher einzelner herrlicher Theile der Weltgeschichte den Verstand und Begriff in fester Verbindung mit dem Sinn zuhalten, durch welche Verbindung doch einzig etwas erlernt werden kann, Ich lasse meistentheils meinen Verstand dahin ziehen wohin er will und 72
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taumle nachher ganz allein in der sinnlichen Vorstellung der Geschichte herum. ich weiß nicht wie das zugeht mir klopft das Herz oft vor Angst wenn ich denke wo doch endlich dieser Verstand Ruhe finden soll um sich zu entfalten und mit seiner Kraft in mein Wesen hinein zu wirken, ich glaube ich bin zu zwergleidenschaftlich und Dummkindisch und habe noch nicht gelernt Dinge ordentlich zu betrachten, ohne sie sogleich an den Mund zu führen Dieß mein Naturell thut mir gewaltig Leid. denn was hilft es mich wenn ich den reizbarsten Sinn für alle schöne habe, wenn ich die Mängel nicht mit Gelassenheit ertragen und die Vortrefflichkeiten nicht mit Ruhe betrachten kann. Mein Geschwäz ist Vielleicht Dumm und lacherlich, lieber Habihnie aber weil ich fühle daß ich dir die genauste Aufrichtig schuldig bin durch welche ich dir allein meine Dankbarkeit für deine Güte beweisen kann. so habe ich grade geschrieben wie es mir vom Herzen auf die Zunge kam, und kenne dich wohl so daß ich gewiß weiß du wirst dieß gesagte so aufnehmen wie ich es meine. Adieu ich denke oft und viel an dich, ich habe dich unendlich lieb, du hast mein neues frisches leben hervorgerufen und hast das Alte unterdrückte | von mir abgeschüttelt Adieu lieber Habihnnie und Gundel für dich ist dieser Brief auch Adieu Meline Budin Monsieur M. le Baron de Savigny Adresse M. Posset Receveur general a Metz
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 4. November 1804, Sonntag
Liebe Bettine! Ich schreibe dir um dich um die geschwinde Abfertigung der Dinge zu bitten die du für mich besorgt hast; laß sie ja sogleich abgehen; denn ich habe nun Ort u Stelle für sie ausgemacht und mögte nicht gern länger zögern. Ueber die Sache selbst habe ich dir noch nicht viel zu schreiben, sonst würdest du auch schon längst einen Brief von mir ha73
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ben. Aber in der Folge werde ich mehr davon zu erzählen haben; und das will ich dann auch thuen; denn diese Geschichte soll dich neben deinen Geschäften amusiren. – Aber sag einmal wie geht es dir denn in deinen neuen Vorsätzen u Plänen? Du bist doch noch fest u ernstlich gesinnt? laß nur den Muth nicht sinken! Kommen dir Schwürigkeiten vor so schreibe dem S oder mir darüber. Hast du einen neuen Brief von Savigny? Du must ihm alle Woche wenigstens einmal schreiben; so daß Antwort u Briefe sich kreuzen. Laß dich nur nicht zuviel durch den Umgang der übrigen Haußschlampampen abziehen; u gewöhne dich zur Einsamkeit auf deine Stube in die Gesellschaft deiner Bücher u Betrachtungen. Diese lezte aber | sollen mehr verständig als empfindsam seyn, u mehr darauf gehen, was das Gefällige an einem Dinge ist aufzusuchen, als den Gefallen selbst in seinen Manieren u curieusen nuancen dar zustellen. – Aber genug von dem allem schreibe mir erst u dann werde ich vielleicht besser treffen was dir dienen kann oder dich ermuntern; aber schreibe nur ein bischen ins einzelne, ich meine vielmehr, nicht so im Allgemeinen; sondern was Bestimmtes, damit ich was Bestimmtes antw. kann. – War Lichtbg noch oft bey Euch? – wie gefällt er dir? Er hat viele Kenntniß von der Geschichte u dem Theoretische der Malerey. Du könntest ihn in der Folge vielleicht zu manchem brauchen; wann die Zeit eintritt; so will ich ihn vorbereiten; daß er dir an die Hand geht. Adieu entswl. Christian Mrbg 4 Novbr
Versäume ja nicht die Bagage sogleich zu befördern
*88.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Gotha, etwa 5. November 1804, Montag
Christian Brentano an B, 14. November 1804: Was der Clemens schrieb ist mir leid, was Du ihm schriebst lieb – ich denke in Berlin soll es ihm recht gut gehen (Nr. 97,56-57).
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*89.
An Clemens Brentano in Berlin Frankfurt, etwa 10. November 1804, Sonnabend
Vgl. Nr. *88.
*90.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 10. November 1804, Sonnabend
Christian Brentano an B, vmtl. 14. November 1804. So eben u noch kurtz vor Abgang dieses Briefs erhalte ich den deinigen aber du erwähnst darinn eines andern den ich nicht bekommen habe (Nr. 97,47-48).
*91.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 11. November 1804, Sonntag
Christian Brentano an B, 14. November 1804:
Ich habe deinen lezten Brief erhalten – ich soll Dir mit umgehender Post schreiben ob ich Dich noch lieb habe (Nr. 96,2-3).
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 11. November 1804, Sonntag
Sag um Gotteswillen liebe Bettine; was soll ich davon halten; daß du mir die mir besorgten Sachen nicht schickst? ja nicht einmal antwortest? Wie magst du mich so vernachläßigen, ohne die Verlegenheit zu bedenken, der du mich dadurch aussetzest? Die Zeit die ich zur Benutzung so nöthig habe; daß ich sie mit meinem Blut erkauffen mögte, geht darüber eitel u schlampicht zu Grund. Antworte mir doch um Gottes willen sogleich, unmittelbar u ohne Zeitverlust – und reiß mich dadurch aus der großen Unruhe u dem rasenden Aerger. – mrburg 11 nov Christian
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Sollten die Sachen noch nicht abgegangen seyn so schicke sie sogleich mit der Post ab oder schreib mir wenigstens ob du nicht willst; damit ich mir hier das nöthige besorgen kann
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An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 12. November 1804, Montag
Christian Brentano an B, 14. November 1804: So eben u noch kurtz vor Abgang dieses Briefs erhalte ich den deinigen aber du erwähnst darinn eines andern den ich nicht bekommen habe, wenn ich dich näml recht verstehe u du nicht bloß die Absend addresse der Schachtel meinst 〈…〉 Dein Brief erfüllt mich mit Freude 〈…〉 Was der Clemens schrieb ist mir leid, was Du ihm schriebst lieb – ich denke in Berlin soll es ihm recht gut gehen u wünsche es ihm, Gott weiß von Herzen (Nr. 97,47-58).
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. 12. November 1804, Montag
〈Anfang fehlt〉 Sollten dich aber Ueber den Zweck u die Dauer des Lebens überhaupt Gedanken genieren; so sag mirs, und ich will dir mittheilen was ich davon halte. Was du dem Savigny geschrieben hast daß es dir bey deinem Lernen an zusammenhang fehlt habe ich längst voraus gesehen, weil es bey allem Lernen das schwerste ist; u ich mich selbst noch viel damit bemühen muß, ich war deswegen auch schon längst willens, dir davon mitzutheilen was ich herausgebracht, es konnte aber wegen dem übrigen noch nicht geschehen. Der Zusammenhang im Lernen ist etwas das man von der Methode erwarten muß; darinn wenn man ein Manigfaltiges nach gewißen Regeln aufnimt; so kann man es auch nach diesen Regeln wieder durch gehen u übersehen. – Meine eigne Methode kann ich dir nicht anrathen sie wäre zu mühsam für dich, u mögte dich aufhalten u abschrecken; sondern ich will 76
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dir etwas recht spezielles für das Studium der Geschichte sagen. Das Haupt Hülffsmittel das man hier hat u das auch du nicht vernachläsigen darffst ist die Zeit u die Kenntniß der Erdbeschreibung. Es ist gerade das was dem Dilletanten in der Geschichte am schwersten zu behalten fällt, Aber gerade des wegen weil er es als etwas ansieht, das | er zu jeder Begebenheit hinzulernt, was ich meinestheils für den verkehrten Weeg halte, denn wenn er die Begebenheit zu der Zeit lernt so wird ihm diese viel mehr eine Erleichterung seyn. – Meine Art wäre also vor ich die Geschichte eines Zeitraums läse, mir erst die Dauer des Zeitraumes selbst recht vorzustellen. Hundert Jahr ist leicht gesagt; aber wenige schauen diese Zahl so an daß sie ihre Dauer im Ganzen u in den einzelnen Theilen erkennen. Ich würde also wie gesagt so einen Zeitraum recht betrachten im Ganzen u im einzelnen; so daß ich gewißermaßen mit jedem Jahr schon im voraus bekannt wäre, daß ich nämlich wuste wie weit es von den übrigen absteht u mir zu dem Ende etwa die ganze Reihe in einer Linie vorstellen 123456 etc 100 mir genau im Gedächtniß behalten wie groß die Linie im Ganzen u welch verhältniß bey so einem Zahlenstrich der linke zum rechten Theil hat, das ist wie weit jedes Jahr von Anfang und Ende des Zeitraums ist So überflüßig u poßierlich dir dieß vielleicht scheint so bin ich doch von der wichtigkeit und Nützlichkeit überzeugt. Die Zeit ist als der Mutter schoos anzusehen | daraus alle Begebenheiten geboren werden – wie dann auch Kronos der Vater Jupiters u aller schöpferischen Gottheiten war. Den wichtigsten Verhältnißen die die Begebenheiten zu einander haben liegen Verhältniße der Zeit zum Grund. Nämlich den Ursachlichen die der Vergangenheit u Zukunft u Gegenwart, u die Gesellschaftlichen werden von einer Zeit begriffen. (O verflucht! schon wieder werd ich unterbrochen; und muß dir das andere biß Freytag; verwirff nur diese Methode noch nicht eh du sie vollständig kennst. Christian Mlle Mademoiselle Bettine Brentano tête d’or Francfort
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. 13. November 1804, Dienstag
Liebe Bettine. Was ich dir in meinem lezten Brief geschrieben habe scheint dir vielleicht nicht für dich zu seyn, aber es komt auch hier nicht darauf an daß du in solchen Begriffen leben u weben sollst; ich halte nur für gut und nöthig; daß du sie kennst, u fahre also fort. Ich habe dich, erinnere ich mich, auf den Unterschied der idealischen und empirischen (Erfahrungs)welt aufmerksam gemacht und wie wir darinn selbst als Mensch erscheinen. Der Zweck des Menschen ist mit seinem Leben selbst eins, und zwar, wie der Catechismus antwortet auf die Frage: Warum hat Gott den M erschaffen? Daß er ihn anbete u seinen Willen thue, oder waß dasselbe ist; wir leben (Erkenner u Ausüber Gottes) um Gott zu erkennen u auszuüben. – Gott offenbart sich uns durch die Erscheinung der Welt, darinn dann unsre eigne Handlungen selbst wieder begriffen sind. Und was wir für Vermögen besitzen ist bloß Werkzeug zu dieser Offenbarung. Insofern nur diese Offenbarung selbst wieder einen näher Bezug auf Gott hat ist die Religion. Worüber ich ein andermal mehr sagen will; wenns dienlich ist. | In sofern man aber die Offenbarung Gottes überhaupt als etwas das Da ist betrachtet, betrachtet man sie historisch u die Mittel die wir in mündlicher Ueberlieferung unsrer Voreltern (Tradition), oder in Schriften besitzen (diese beruhen auch auf Tradition, denn das abc wird von Vater zu Sohn gelehrt) setzen uns in den Stand diese Betrachtung bis in frühere Zeiten fortzusetzen. Diese Aufgabe der Betrachtung nun in eine Erzählung geordnet ist Geschichte; u zwar im engeren Sinn Geschichte wenn die Aufgabe dahin beschränkt, in wiefern sich Gott lediglich in Handlungen der Menschen u der sie näher berührenden Natur offenbart hat. – Der wichtigste Punkt in der Geschichte ist für uns die Erscheinung Christi – Was vor ihm u was nach ihm geschehen ist unterscheidet sich sehr wesentlich voneinander u man nennt daher das erste die Alte das lezte die neue Welt u Geschichte. Worinn dieser | Unterschied besteht will ich hier nicht erläutern. Genug die neue Welt ist eine Wiederholung der Alten unter einer andern Gestalt – Gott offenbart sich uns anders als den Alten, nicht mehr wie jenen unmittelbar sondern wie im Spiegel (reflex). Du hast es jezt mit den Alten zu thuen u die waren im Erkennen Gottes (Wissenschaft) u Ausüben Gottes (Kunst) viel anschaulicher als wir sind. 78
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Was sie gethan haben ist also auch mehr für die Sinne. Was aber unsren Sinnen erscheinen soll, habe ich dir bereits gesagt, muß sich nach den Gesetzen derselben (Formen) richten, u diese sind Raum u Zeit. In diesen muß die Würksamkeit der Mensche〈n〉 thätig seyn wenn eine Offenbarung Gottes durch sie u also wenn eine Geschichte hervorgehen soll. Raum, Zeit u Würkvermögen sind also als der formelle Grund der Geschichte anzusehen. Und nun muß ich dich auf den Unterschied von natürlichem | u künstlichem (cultivirten) Menschen aufmerksam machen. Der Natürliche Mensch ist der keine Offenbarung Gottes mittelst Menschen aufgenommen hat u künstlich, der dieß gethan hat u also durch Menschen belehrt ist. Die natürlichen Menschen wären sich also alle gleich u könnte demnach auch keine Geschichte aus ihnen hervorgehen, sie würden auch so mit der Natur über einstimmen; daß keine Würkung noch Rückwürkung statt haben könnte. Mit den Cultivirten Menschen ist es anders; sie sind mit der Natur gleichsam im Kampf u gehen dadurch in ein lautes Leben ein, sie bilden Zwecke u werden von Leidenschaften bewegt. Die Wißenschaft die dieses alles zu untersuchen u zu ordnen hat heißt Psychologie. – Und nun wirst du mit mir einsehen daß Chronolgie (Zeitrechnung), Geographie, u Psychologie das eigentlich Wißenschaftliche der Geschichte ausmachen. – Da nun alle Methode darauf beruht das Wißenschaftliche zum Grund zu machen; so glaube ich wenn dich die Geschichte so intreßirt; daß du sie gründlich studieren willst must du mit solchen Mitteln zu Werk gehen. Du must dir dann aber die Sache nicht so schwer vorstellen. Am besten wäre es wenn du in Frankfurth einen tauglichen Lehrer fändest der dir die Chronologie u Geographie der Alten vortragen könnte, wenn das aber nicht ist so schreib mirs u ich will dir ein paar Bücher angeben daraus du dich leicht belehren kannst. Wenn du dann eine genaue Anschauung der Zeit des dir vorgesteckten Zeitraums hast u eben so eine lebendige Vorstellung von der Gestalt u d Zustand der Länder darinn deine Geschichte vorgegangen; so geh muthig ans Werk. Die Handlung deiner Helden must du dann so lang psychologisch betrachten biß du von ihnen selbst die Idee gefaßt hast, dazu dann auch neben der Schilderung | deiner Schriftsteller richtig gefaste Abbildungen und deren eigene Schriften u Worte wenn dergleichen von ihnen übrig, viel beytragen; welche zu sehen du also keine Gelegenheit vorbey laßen mußt. Nach solchen Studien nun bin ich überzeucht; daß dir die Geschichte vollkommen lebendig seyn wird u du auf sie hinblicken kanst 79
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wie auf ein einziges Gemälde. – Aber was hältst du davon? vielleicht es sey zu mühsam? Ich glaube nicht. – Franz u George haben mir geschrieben, nächstens will ich ihnen Antworten; u es wird sich dann vielleicht alles in ein reineres Licht stellen adieu liebe Bettine Dein Pedant Christian
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 14. November 1804, Mittwoch
Liebe Bettine. Ich habe deinen lezten Brief erhalten – ich soll dir mit umgehender Post schreiben ob ich dich noch lieb habe – O glaub das ein für allemal; ich habe dich lieb. so lieb; daß ich weder böse noch ungedultig gegen dich werden kann; und das will ich nie, nie werden, denn ich kenne den treuen Grund deines Gemüths u liebe alles was daraus kömt. – Du wirst während dem einen Brief von mir erhalten haben, darinn ich dir recht viel sagen wollte, aber ich bin so oft unterbrochen worden; daß er unmöglich etwas zusammenhängendes enthalten kann. Ich zeichne alle Tag einige Stunde in der Anatomie, dieß u die vielen andern Studien die ich machen muß nimt mir soviel Zeit weg daß ich selten soviel auftreiben kann dir zu schreiben; es soll aber jezt anders werden; denn ich will mir eine besondre Stunde dazu bestimmen, und dann werde ich dir mit mehr Ruhe u Deutlichkeit sagen können was ich will u meine. Ob mirs nun gleich heute nicht so wohl wird; so will ich doch versuchen ob ich über die Methode Geschichte zu studieren etwas Ganzes heraus bringen kann. Ich will mich dazu einmal recht hoch versteigen u meine höchsten Ansichten zum besten geben; also geb acht; denn du kannst wenigstens mich daraus beßer kennen lernen. Was du aber erfahren wirst ist gerade nicht durchaus neu, oder mir ausschließlich eigen, allein darauf komt es ja auch nicht an. So hör denn – Wenn ich etwas betrachte verlier ich nie aus den Augen, daß die ganze Welt nur eine unvollkommene Verwürklichung einer Idealischen Vollkommenen ist – Gesetz, Stoff, Kraft, die wir allenthalben in der Welt finden, sind nur der Leib der ihnen zum Grund liegen80
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den Ideen, und unsre Ideen selbst sind nur ein menschliches Ebenbild solcher, von denen wir nichts wißen, als daß wir sie in Gott anbeten sollen. Jetzt will ich aber ein bißgen hiervon abspringen, um erst die Bedeutung der Worte, Gesez – Kraft – Stoff – etc in etwas zu erläutern. Es sind nämlich Unterscheidungen unsres Verstandes, an die er selbst gebunden ist wenn er etwas untersuchen will. Jede Erscheinung ist für ihn etwas hervorgebrachtes, und jedem hervorgebrachten liegt ein hervorbringendes (Kraft) zum Grund. Daß aber die Kraft gerade dieß und nicht ein anderes hervorgebracht hat, macht voraus setzen daß sie nach einem Gesetz gewürkt hat – Die Kraft u das Gesetz können aber noch nichts hervorbringen das Erscheinungs fähig wär; sie müßen etwas haben darinn sie sich thätig zeigen u das ist der Stoff hast du das begriffen? so bist du gleich ein bißgen Gelehrter die Wissenschaft die die Gesetze des Verstandes | aus einander sezt, heist Logik. Der Verstand ist aber nicht das einzige Vermögen des Menschen; er hat auch Sinne und zwar außer den bekanten 5 äußeren noch einen inneren, damit er sich selbst in seinen verschiedenen Zuständen fühlt; Er hat auch ein Begehrungs Vermögen (wollen oder nicht wollen) Und, was über alles geht, er hat auch eine Vernunft, die Quelle der Ideen, die wie gesagt ein menschliches Ebenbild der Göttlichen sind.Nun geh ich wieder aufs alte zurück – Die Idealische Welt, die wir auch schlechthin Gott nennen mögen, denn jenseits der Erfahrungs welt giebt es keine Unterschiede mehr, die idealische Welt verwürklicht sich nun, wie gesagt, und erscheint als unsre alltägliche Erfahrungs welt. Die Gesetze dieser Erscheinung sind für die Sinne Raum und Zeit u für den Verstand Größe, Eigenschaft, Verhältniß etc. – Die Kraft erscheint uns als Anziehung u Abstoßung. u.s.w. – ich will dir nicht alles erzählen | du wirst sonst gar zu gescheit; zum Glück weiß ich selbst nicht Alles. Aber so etwas wollt ich doch daß dir bekant wäre, weil es einem bey gelehrten Betrachtungen wenigstens in so weit zustatten kömt daß man freyer darüber hinsieht. – Und nun komm ich immer wieder zum alten: Die Idealische Welt verwürklicht sich zu der alltäglichen Erfahrungs welt u somit haben wir selbst das nämliche Schicksal u spatzieren als ordinaire Menschen in unsrer Alltags welt (die aber auch recht schön ist) herum. Der Mensch selbst nun hat zwey wesentliche Vermögen, daraus er gewißermaßen besteht. nämlich zu Erkennen u auszuüben auch zu nehmen und zu geben und dafür könnte man etwa folgendes Symbol gelten laßen oder wo ich mir 81
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unter der Spitze das würksame u unter dem leeren Winkel Empfängl denke. und jezt geht die Post ab also adieu die Schachtel ist angek Christian
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 14. November 1804, Mittwoch
Liebe Bettine Ich habe heute die Schachtel mit den enthaltenen Sachen empfangen näml 3 Kleider – Unterröcke u 6 Halstücher; ich danke dir für die Besorgung. – Aber warum finde ich keinen Brief von dir? Bist du krank oder was fehlt dir? was hindert dich? Ich bin darüber in der äußersten Unruh; ich liebe dich so sehr – ach Gott! warum schreibst du mir denn nicht? Ich selbst mögte dir so Vieles schreiben u so gern schreiben; aber daß du gar nichts von dir hören läßest, macht mich mißtrauisch. Lulu schreibt mir auch kein wort; ob ich sie gleich darum gebeten habe. – Sollte es von deiner Seite Nachläsigkeit seyn, das wäre schrecklich! – u du hättest warlich Ursach dich zu schämen ja dir Vorwürffe darüber zu machen. – Besonders darüber wünschte ich von dir etwas Aufrichtiges und Bestimtes zu hören: wie verhältst du | dich zu der Theilnahme welche dir Savigny verspricht? Bist du entschlossen ernstlich entschlossen ihm zu folgen? Und auf den Weegen die er dir vorschlägt emsig u Herzhaft fortzugehn? Hast du Hoffnung u Muth etwas darauf zu gewinnen? u Kraft genug dich von allen übrigen sowohl abneigenden ableitenden als entgegengesezten Neigungen entfernt zu halten? – Denn sollst u must du mir schreiben – denn ich bin von Savignys Plan unterrichtet – stehe fast in gleichem Verhältniß zu ihm wie du u es ist mir von ihm selbst befohlen dir von Zeit zu Zeit zu schreiben. Ich wünschte so gern zu wissen ob du studirst u was, und wie, mit welchem Erfolg u was es in dir erregt, ob du auf dem Weeg bist dir soviel Kentniße zu erwerben als dir nöthig ist wenn du die Reise von der wir gesprochen haben mit Vortheil sollst machen können – u was für Schwürigkeiten dir begegnen. – wie leicht wäre es möglich daß ich | dir dann mit etwas beyspringen könnte; denn von dem sichern Vortheil will ich gar nicht sprechen daß ich auch vieles von dir gewinnen würde, weil es mich selbst angeht. – 82
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Bey einem Studium ist es fast unumgängl nöthig daß man sich mittheilt u mitgetheilt erhält u in Frkfrth ist dir dazu ja aller Weeg abgeschnitten u Savigny mit dem du darüber freylich, hoff ich, correspondirst, ist dir zu weit; so daß ich wenn ich dir gleich vortheilhaft als er seyn kann, dir demungeachtet manchen Nutzen leisten könnte. – Aber was hilfft das alles; ich schreibe dir u weiß gar nicht ob es auf dich paßt; weil du mich so ganz ununterrichtet läßt; ja weiß nicht einmal was dich abhält, sollte es würkl was wesentliches seyn, ach dann verzeih; aber ich bin darüber ganz unruhig. O schreibe mir schnell u belehre mich. Mit der grösten Liebe schreib ich dir. Christian 2v
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Mdsl Mademoiselle Bettine Brentano im gold Kopf Frankfurt s/m Liebe Betine So eben u noch kurtz vor Abgang dieses Briefs erhalte ich den deinigen aber du erwähnst darinn eines andern den ich nicht bekommen habe, wenn ich dich näml recht verstehe u du nicht bloß die Absend addresse der Schachtel meinst Ich schicke dir nun diesen Brief, ob er gleich ganz überflüßig ist doch damit du siehst wie groß meine Unruhe war. Ach nimm mir mein Mißtraun nur nicht übel. deine gute u treue Natur die mir ja wohl bekant war macht es durchaus schändlich. – Dein Brief erfüllt mich mit Freude u ich will dir ihn biß Sonnabend recht herzlich beantworten. Was der Clemens schrieb ist mir leid, was Du ihm schriebst lieb – ich denke in Berlin soll es ihm recht gut gehen u wünsche es ihm, Gott weiß von Herzen Adieu liebe liebe Bettine dein Christian am 14 nov.
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An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 16. oder 17. November 1804, Freitag oder Sonnabend
Christian Brentano an B, 19. November 1804: Meine Briefe haben Dich geschmerzt 〈…〉 Was Du mir von Deinem guten Muth versicherst freuet mich 〈…〉 ungemein 〈…〉 Was du mir von den Strümpfen schreibst kam mir ganz seltsam apropos denn ich war gerad mit einem Strumpfhandel beschäftigt (Nr. 99,48-51+82-83).
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 19. November 1804, Montag
Mrburg 19 novbr Liebe Bettine. Vorgestern war ich dann würklich in der residenz unsrer Prinzeßinn – unglücklicher Weise war sie aber nach einem benachbarten Städtchen zum Besuch u ich muste in ihrer Mutter Hauß biß gegen Nacht warten – Während dem erhielt ich aber selbst von vielen Einwohnern des Orts Besuch; von denen mich die meisten besonders die Kinder mit Aepfel beschenkten. Ihre Mutter ist eine sehr angenehme vernünftige Frau – und ich unterhielt mich mit ihr u den übrigen beßer als ich dachte, biß das Mädchen selbst kam. Du würdest glauben ich sey in sie verliebt wenn ich dir sie beschreiben wollte; aber ich versichere dich es ist, wenigstens im gewöhnlichsten Sinn nicht wahr. Du wirst mich besser begreiffen wenn ich dir sage, daß ich überhaupt zu dem Besitz im strengsten Sinn keine Sehnsucht habe. Auf der Dresdner Gallerie bekam ich nicht etwa Lust ein oder das andere Stück zu besitzen. Ob mir gleich von manchem die Trennung schwer ward; so würde ich es doch lieber in der guten Gesellschaft der übrigen Bilder u zum Vortheil so vieler Betrachter gelaßen als mit mir genommen haben zum eignen Besitz. – Finde ich aber ein Gemälde u wenn es auch nur mittelmäßig ist in einzelnen unverständigen Händen so möchte ich alles aufbieten um es in die Gesellschaft anderer zu bringen wie eben die Dresdner Gallerie; wo diese Gemälde ihren angemeßnen Würkungskreiß haben u mir selbst wie anderen zum Studium u zur Bewunderung frey stehen – die Ursache von allem diesem liegen 84
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nicht ganz nah; es ist nicht allein Gemeinnützigkeit obgleich die Kunst wie die Religion ihre Gemeinde hat, die man respectiren u lieben muß; Aber ein Gott | der nicht jedem zur Huldigung freysteht wie in der Kirche, wird dadurch schon eine Art von Götze. Und dergl könnte ich mehr anführen. So ist es auch diesem Mädchen. Die ich, außerdem daß ich sie ihren unvermeidlichen Schicksal, der Verführung aus dem Rachen reiße, auch aus dem Baurenstand heraufziehe u ihr eine Welt aufschließen will; dahin solch Engel beßer paßt. Weil ich nun aber ganz überzeugt bin daß ich so etwas schlecht realisiren würde u der Kreiß zum Umlauf viel zu gering wäre; wenn sie mir ihre Liebe ausschließlich geben wollte, u ich ihr; so sage ich, wie auch in sofern wahr ist, als man sich dabey gewöhnlich einen solchen beschränkten u vertraulichen Umlaufskreiß der Empfindung denkt; ich bin nicht in sie verliebt, – ob ich gleich für Sie wie für dich keine Gefahr u Mühe scheuen werde | u lieber den lezten Tropfen Blut als eine von euch mit meiner Schuld umkommen ließe. – aber darinn liegt noch ein Unterschied daß falls sich das Mädchen änderte oder gegen meine Hoffnung entwickelte; ich sie nur aus Treue nicht verlaßen würde; du aber magst werden wie du willst; so werde ich dich immer lieben müßen. Nach diesem könnte ich dir nun getrost eine Beschreibung von dem Mädchen machen aber ich verspar es auf ein andermal wie auch wo sie hingekommen; u wie sie sich benommen hat; weil ich dir noch über dich selbst schreiben will. Meine Briefe haben dich geschmerzt; das sollten sie nicht, sondern dich encouragiren ohne Pardon Trägheit u Gesellschaftigkeit u alle Hinderniße zu überwältigen. Was du mir von deinem guten Muth versicherst freuet mich also ungemein. Ich habe dir in meinem lezten Brief, gerathen allerhand Meister abzuschaffen u das muß ich dich wiederholt bitten. Das sind solche Stadt- u Modemeister die nicht viel wißen noch lehren können; eine bequeme schlampige Methode haben; damit die Schüler nicht abgeschreckt werden ihnen Geld zu geben. Wilt du etwas in Sprache thuen so lerne Italienisch; aber auf eine richtige u strenge Art. Nicht wie die Meister so gern thuen ohne Grammatick; sondern diese besonders u recht streng. Bist du nun dieses zu thun gesonnen; (aber alles was du thuen willst muß schnellgeschehen; damit noch was dabey herauskommt) so schreib mir welche Grammatik ihr zum Grund gelegt, den ausführl Titel, oder kauff lieber selbst ein Exemplar für mich; so will ich sie lesen u dir | eine Nachweisung u Übersicht geben; die dir denk 85
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ich das Studium derselben erleichtern wird. Aber der Hr Wille nebst Franzos müßen fort, das sind auf jeden Fall gewißenlose Leute daß sie dich nicht von selbst verlassen in dem sie sehen daß du nichts profitirst. – Dadurch gewinnst du nun schon viel Zeit – mehrere Dinge zusammen zu lesen geht nicht wohl es ist besser eins nach dem andern, weil man dann eines eher zu Stand bringt u dadurch eher vor Ermüdung bewahrt ist. – Ließt du nun die Geschichtschreiber vor dem W. so wirst du diesem mit größerem Intreße lesen; ließ du aber den W vor den Geschichtschreibern, so werden dich diese noch mehr erläutern u intressiren; obgleich es also gehoppt wie gesprungen ist; so würde ich dir doch | lieber zu dem lezten rathen; aber nicht die Briefe; sondern die Geschichte. – die Briefe kannst du nebenbey zum Enthusiasmiren lesen nur nicht im Uebermaaß gegen die Geschichte. Die Geschichte will ich mir nächster Tage von hiesiger Bibliothek verschaffen u dir dann noch was recht besonderes von der Art sie zu studieren sagen. Wie sieht es aus mit dem Generalbaß? Willst du ihn studieren so seh nur auf einen recht tüchtigen Lehrer. – Hast du denn von meinem Auftrag zu Leinwand notitz genommen. – Was du mir von den Strümpfen schreibst kam mir ganz seltsam apropos denn ich war gerad mit einem Strumpfhandel beschäftigt als ich deinen Brief erhielt; aber du müstest sie in dem Fall recht schnell schicken An S will ich schreiben u auch dir in meinem nächsten Brief wie du ihm schreiben kannst ja zu schreiben schuldig bist. Adieu liebe Bettine Mlle Mademoiselle Bettine Brentano tête d’or Francfort s/M
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*100. An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 21. November 1804, Mittwoch Christian Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 22./23. November 1804:
Ich habe so eben noch einen Brief von Bettinen empfangen sie sagt den Hern Wille abzuschaffen seÿ schwer – sie könne es nicht ohne Franzens Einwilligung; auch nicht italienisch lernen – bäte mich mich nicht 86
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darein zu mischen – Franz möchte meinen es käme von dir her, u dieser von der Toni, welche sehr aufgebracht gegen dich wäre, aufgehezt würde ihr alles in den Weeg legen – Die Geschichtschreiber wolte sie vor W. lesen; weil sie schon gute Fortschritte darinn gemacht habe – Wegen dem Generalbaß beharrt sie auf die ausschließlichen 4 Jahre ihres Lebens. (SPK/NS 51/1.) Christian Brentano an B, 28. November 1804:
Wenn du solche Gedanken vom Generalbaß hast; so ist es wahrlich beßer du unterläßt vor erst sein Studium. 〈…〉 Was du mir von Wille u Franz u Toni u dem Italienischen sagst ärgert mich ungemein. 〈…〉 Du bittest mich, mich nicht darein zu mischen. 〈…〉 Ich bedaure dich recht sehr wegen deiner Krankheit (Nr. 102,5-6+20-24+35).
*101. An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, zwischen 23. und 26. November 1804, Freitag und Montag Vgl. Nr. *100.
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 28. November 1804, Mittwoch
Liebe Bettine – Ich habe dem Savigny von allen deinen Briefen denjenigen Inhalt geschrieben, der auf dein Täglich Treiben Bezug hat, die beyden lezten derselbe habe ich noch zu beantworten. Wenn du solche Gedanken vom Generalbaß hast; so ist es wahrlich beßer du unterläßt vor erst sein Studium. Es ist ein Anderes ein Ding kennen lernen, ja brauchen lernen; als darinn zum Erfinder oder Philosophen werden, u der dir weiß gemacht hat man brauchte zu dem ersten 4 jahr; das muß ein rechter Esel seyn. Zum lezten aber läßt sich gar keine Zeit bestimmen denn es komt ja natürlich auf einen jeden an wie lang er sich mit etwas abgeben will. Du wirst mir zu geben daß die Medizin etwas viel umfaßenderes ist als der Generalbaß; da sie 20 u mehr 87
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ähnliche Disciplinen veraussezt, u dem ungeachtet lernen sie viele innerhalb 2, 3 jahren biß zu einem gar nicht mittelmäßigen Grad kennen u ausüben; Aber die Sache ist daß du gar nicht weißt was der Generalbaß ist, es ist eine gar nicht | weitschweiffige im Gegentheil eine der begränztesten u engsten Disciplinen der angewandten Mathemathick zu der ich nicht 4 Wochen meines Lebens ausschließlich widmen wollte, um sie zu erlernen. – Aber eben deswegen – kann es um so leichter aufgeschoben werden. Was du mir von Wille u Franz u Toni u dem Italienischen sagst ärgert mich ungemein. Du sollst u mußt bey deinem Studium erleichtert u unterstüzt seyn. und weder Franz noch Toni sollen dir was in Weeg legen. Du bittest mich, mich nicht darein zu mischen. Das mag beruhen biß Franz zurück u die Antwort von Savigny da ist den ich darum gefragt habe; denn ich gehe darauf aus dich wie mich u alle in ein reines klares u offnes Verhältniß gegen einander zu stellen, damit jeder weiß was der andere will u soll u sich darnach richten kann. – Du weist nicht wieviel Zeit du nöthig hast das Nöthige zu erlernen denn Bücher einmal, Romanen gleich, durchzulesen hilfft so viel wie nichts. 〈〈xxx〉〉 ich bin überzeucht bey deinen übrigen Beschäftigungen kannst du nichts ordentliches zu Stand bringen denn die Zeit laufft zum Verwundern schnell, wie ich selbst weiß der ich morgens um 5 aufstehe u alles gut eingerichtet habe. – Aber wie gesagt ich will erst Savignys Antwort abwarten. Ich bedaure dich recht sehr wegen deiner Krankheit oder es ärgert mich vielmehr; halt dich nur recht warm u kleide dich nicht leicht, u besuche die Straßen nicht zuviel. Leidest du dann an dem Zahn den du mit Zimtöhl bestrichen hast? Leider kann ich dir heut nicht mehr schreiben Mrburg 28 Novbr 1804 Christian A Mlle Mademoiselle Bettine Brentano Goldner Kopf Frankfurth a/M
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*103. An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, zwischen Anfang Dezember 1804 und Anfang Januar 1805 Christian Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 6. Januar 1805:
Die Bettine ist im besten Gange u entzückt mich mit ihrem Eifer; der rechte Weg für sie ist gefunden, denn sie ist glücklich darauf u begehrt ihn weiter. Gewiß wird noch Großes u Schönes aus ihr! (SPK/NS 51/1.) 1805
*104. Von Clemens Brentano nach Frankfurt Heidelberg, erstes Drittel Januar 1805 Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, etwa 9. Januar 1805: Ich habe Betinen die Tasse geschickt aber noch keine Antwort (WAA XXXII, Nr. 361,35-6). B an Friedrich Carl von Savigny, etwa 25. Januar 1805:
Clemens der von seiner Berliner Reise zurück gekommen ist will mich mit Gewallt wieder an sich ziehen (Nr. 107,6-27).
*105. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, zwischen etwa 20. und 25. Januar 1805, Dienstag und Sonntag B an Friedrich Carl von Savigny, etwa 25. Januar 1805:
ich fühle daß mein Herz nicht ihm sondern dem Himmel gehört und habe daher das Verhältniß zwischen uns beiden so leicht und zart als möglich zu lösen gesucht (Nr. 107,27-30).
Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, 15. Februar 1805: In Betinen gehen, wie mir ein Brief von ihr zeigt, wunderbare Dinge vor, ich glaube, sie studirt Philosophie, ich schreibe ihr nicht mehr, ich begreife sie nicht, den Brief lege ich dir bei. (WAA XXXII, Nr. 365,202-204.)
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Nr. *105
Ludwig Achim von Arnim an Clemens Brentano, vmtl. 26. und 27. Februar 1805: Deine Schwester scheint viel eigenen Sinn und Festigkeit gewon-
nen zu haben, es freut mich du hättest sie sonst einmal ein Paar Monat aus den Augen verloren und ihr nachher vorgeworfen daß sie Dich nicht mehr ansehe, daß sie sich so fremder philosophischer Worte bedient, das möchte mich fast glauben machen, sie meinte es nur gerade so weit, als sie es geschrieben. Sie will an mich nicht schreiben, weil sie nicht weis, was daraus werden könnte (WAA XXXII, Nr. 366,86-92).
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 20. Januar 1805, Sonntag
Liebe Bettine Du schreibst mir ja gar nicht mehr – zwar ich bin dir ja selbst Antwort schuldig. Savigny hat mir einen großen Brief geschrieben, und darinn recht viel von mir und dir. Er enthielt auch andere Aufträge u sobald die erfüllt sind will ich dir ihn schicken. Er bleibt wenigstens noch ¾ Jahr in Pariß soviel ist gewiß u die Reise ist keinesweegs aufgegeben, u kann es auch auf keinen Fall werden. Er will dir u mir von nun an regelmäßig schreiben, du hast vielleicht sogar schon Briefe von ihm. Ich habe an Franz geschrieben wie beträgt er sich gegen dich? Ich habe ihm auch vorgeschlagen dir den Mosché zum Unterricht kommen zu laßen. Bitte ihn nur kühn er wird es gewiß thuen. Wozu auch diese Aengstlichkeit? im andern Fall giebts andere Mittel. Werde nicht muthlos! Man muß Vorwärts u nicht Rückwärts sehen, u wie die Ameise immer wieder aufglimmen wenn man noch so viel herunter purzelt Lebe wohl u schreib mir wies um dich steht ich will dir mit nächstem noch mit besserem Trost aufwarten Mrburg 20 Janr 1805 Christian Br
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Etwa 25. Januar 1805
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An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, etwa 25. Januar 1805, Freitag
Lieber Habihnnie Wenn dieser Name je auf dich gepast hat so ist es jezt ist das recht seinen Liebling seinen Budin so ganz zu vergessen so gar nicht mehr an ihn zu denken denn daß du nicht an mich gedacht hast ist gewiß wie hättest du sonst so lange seyn können ohne etwas von mir wissen zu wollen, ich habe vom Cristian dem einzig Treuen der bisher immer richtig mit mir correspondiert hat, vernommen wie daß du den Löblichen Vorsaz gefast habest mir künftig ordentlich zu antworten deswegen habe ich nun gleich die Feder ergriffen eh dieser Vorsaz erkälten mag, nun höre denn auch wie deine Liebe und Sorgfalt auf mich gewirkt haben, ich habe gelernt allerley, recht viel, und doch soo wenig wenig nur, aber daß ich mit Eifer gelernt habe beweist dir dieses daß meine unnüze Leidenschaften unterdessen alle Hungers gestorben sind daß meine Seele so Frei ist wie die Luft, daß ich mich so glücklich fühle als nie, kurz alles was mich beglücken kann hat sich um mich hergelaagert und Lieber Habihnnie der gröste Beweis davon ist das aller Lärm aus meinen Augen und Gemüth selbst ohne mein unmittelbares Zuthun verschwunden sind daß ich wirklich an nichts kleinlichem mehr hänge sondern an allem Guten wie du es verlangst konnte ich jezt nur noch mein dankbares Herz an dein Liebevolles gütiges Herz drücken von dem doch all dies Gute eigentlich seinen Ursprung hat, denn würde mir nichts mehr zu wünschen übrig bleiben versteht sich die Erkenntniß, die unersätliche ausgenommen, die mich von nun an begleiten wird auf allen Wegen das heist wenn mir Gott seine Gnade nicht entzieht und ich mich wieder in das leichtsinnige Leben hinein stürze. Clemens der von seiner Berliner Reise zurück gekommen ist will mich mit Gewallt wieder an sich ziehen allein ich fühle daß mein Herz nicht ihm sondern dem Himmel gehört und habe daher das Verhältniß zwischen uns Beiden so leicht und zart als möglich zu lösen gesucht und es wird mir auch wohl noch gelingen. Was macht Gundel lebt sie in dir weiß sie deine grose gütige Seele mit Kraft zu geniesen führt sie das glücklichste Leben auf Gottes Erdboden, sage ihr das ich Fre〈〈i gew〉〉orden bin denn ich weiß sie hat oft deswegen um mich geweint. Adieu le〈〈xxx〉〉 schreibe dir jezt alle Woche ich muß dir doch noch sagen daß ich einen harten Kampf zu bestehen hatte daß ungefehr 3 wochen sehr krank war und dabey sehr Melancolisch war, es war mir immer als müste ich bald Sterben erst vor 91
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Nr. 107
wenig Tagen hat sich all dieses gelöst und ich gla〈〈ube we〉〉nn Güntherrödgen nicht gewesen wäre die sich um mich bekümmert w〈〈ie〉〉 ein einziges Kleinnod, ich wäre wirklich Capores Adieu Gute nacht 〈〈lie〉〉ber lieber Habihnnie Budine 〈quer in Seitenmitte:〉 Monsieur le Baron de Savigny Rue du Gelder No 14. à Paris 108.
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Paris, zwischen etwa 25. und Ende Januar 1805
Lieber Butin! Höre nicht darum auf, mich lieb zu haben, weil ich dir so unendlich lang nicht geschrieben habe. Wenn ich in Vergnügen und Zerstreuungen oder selbst in der Arbeit die Zeit dazu nicht gefunden hätte, so wäre es schlecht gewesen: so darfst du mich nur bedauern. Ich bin viel krank gewesen, und noch mehr muthlos. Du weist, daß ich hier meine Papiere verloren habe: das und das garstige Volk und Leben hier mag mich wohl so gemacht haben. Gott wird das nun wohl bald wenden. Christian schrieb mir, du könntest mir nicht so recht detaillirt und ausführlich schreiben, wie ist das? Dein Brief über die Geschichte hat mir so große | Freude gemacht, ich wollte Dir gleich darauf antworten, aber es war mir unmöglich. Jezt ist es zu spät, weil ich nicht weiß, was du die Zeit über getrieben hast, und ob du dich deines Briefs selbst noch erinnerst. Denkst du noch daran, und willst du mich von neuem dazu veranlassen, dir meine Gedanken über das Studium der Geschichte mitzutheilen, so soll es mich gar herzlich freuen. Oft und viel wünschen wir Dich zu uns, besonders aber seit einiger Zeit, weil wir uns einbilden, du müstest dich ganz besonders mit darüber freuen können, wie das Gundelchen immer dicker wird, und noch mehr, wenn es einmal plözlich aufgehört haben wird, dick zu seÿn. Ist das wahr, lieber Butin? Grüße den Mutsch vielmals von uns allen und habe im Herzen lieb Deinen Habihnnie 92
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An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, vmtl. Anfang Februar 1805
Lieber Habihnnie Ein Moment, ganz erregt von vieler Himlischer Pfantasie, die freilich nie befriedigt wird, dein Kind ist traurig, jezt eben wo ich lache, es liegt eine Hize in meinem Gemüth die nur in der Nacht (wo ich allein bin und viele viele anstösige Menschen mich nicht mehr umgeben) sich abkühlt, daß Gunda an das Licht bringen wird freut mich, kann mir aber nichts helfen ich möchte gerne auch an das Licht bringen viele schöne und grose Dinge die wohl in dem Licht deiner Augen besser reifen würden als irgend wo, ich bin krank gewesen, und dieß macht mich krank deinen Brief habe ich vor einer 4tel-Stunde emfangen wie es kömmt daß ich so geschwind antworte mag dir der Überbringer selbst sagen, ein Mann von Musick O weh; besser: ein Mann von Ton, denn seine Stime Tönt schön und Lieblich, also ein Mann von Lebens Art, denn er hat Ton und eine Art zu Leben, wenn er Freude daran finden sollte sein Leben auf einen Moment mit dem Deinigen zu verbinden so laß ihn deine Unschuld deine Frommheit fühlen | Damit dieser Sünder auf das Herz klopfe, und die eigne Last fühle. er mag wohl auch gut seyn und besonders wenn Du ihm wohl Thust Die Geschichte ist bey mir in Poesie ganz und gar ertrunken und wenn sie sich nicht selbst bey den Haaren heraus zieht so weiß ich nicht wie ich ihr helfen soll, O Savigny ich mögte sagen Groß ist Raum und Gehalt, aber Herrlich Zeit und Folge. es ist unabsehbar es ist unendlich wie sich hier alles mit Kraft und Macht über einander wälzt ringt und verwickelt und wieder hell und einfach in machtiger Gestalt erscheint, ich mögte weinen und trauren daß ich nicht mitkann, daß mein ganzes Wesen nicht mit angeschlagen und ergriffen werde indem sich daß Ungehaure Bewegt, ich kann dir jezt das ganze in meiner Seele nicht so deutlich Beschreiben, aber daß fühle ich, daß ich mich ausschließlich zu Gott wenden muß wenn mich nicht manchmal Schwächen überfallen sollen, O Gott wäre ich bey dir dann sollte mir nichts Schwehr werden Adieu dein Kind Sey freundlich und Wirtlich mit deiner Seele gegen den Überbringer dieses Briefes und lasse dich nicht gleich von ihm Abschrecken
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Nr. 109 2v
Monsieur de Savigny rue du Geldere n° 14 Sur le boulvard italiens aparis
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Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Paris, zweite Hälfte Februar/erste Hälfte März 1805
Lieber Budin! Ich habe dir auf zweÿ Briefe zu antworten. In dem ersten bist du so lieb und so glücklich, daß es mich herzlich gerührt und gefreut hat, und in dem zweiten bist du wieder so heftig und verwirrt, wie es mich recht ängstigen kann. Es ist närrisch, daß ich das schreibe, denn du weist jezt gewiß so wenig von dem einen als von dem andern. Sieh, lieber Budin, diese Unstätigkeit in deiner Empfindung war mir von jeher nicht recht. Dein Herz freÿlich, dein liebes treues Herz bleibt sich gleich, aber auch die Oberfläche, auch das augenblickliche Daseÿn soll nicht so ungewiß seÿn. Oberflächlichen Menschen steht das wohl an, aber zu einem kräftigen Herzen gehört es nicht, auch kann es sich da nur dann erhalten, wenn der Mensch über sich selbst lügenhaft oder im Irrthum ist, und eben wegen dieser Nachbarschaft der innerlichen Lüge ist mir jene Unstätigkeit von jeher so zuwider. Ich weiß wohl, lieber Budin, daß sich diese Dinge der Mensch nicht selbst geben kann, sie werden ihm geschenkt, aber er kann darum beten, | und alles Gebet um das Gute besteht in der stillen, ruhigen Betrachtung des Guten selbst, die stille ruhige Betrachtung aber ist auch schon an und für sich etwas Göttliches, worin das Herz rein und klar und groß wird. Ich wünschte eben so, wie du, lieber Budin, daß du beÿ mir wärest, viel schlechtes sollte dich dann nicht berühren, und die Freude, die mir das Gute in dir machte, würde dir neue Freude und neue Kraft geben, weil du mich lieb hast. Ein Bekannter von mir, D. Haarbauer, der vor einiger Zeit durch Frankfurt kam, hat mir viel von deiner Wildheit erzählt. Du weist, daß das eins von den Stücken ist, die ich nicht ungern an dir vermissen würde, und auch deswegen möchte ich beÿ dir seÿn, denn du selbst, glaube ich, hältst es zwar nicht für besonders schön, aber du bemerkst es nicht, und da geht es denn so seinen Gang fort. 94
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Zweite Hälfte Februar/erste Hälfte März 1805 30
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Uns geht es ganz gut. Die ersten zweÿ Monate hatten sich mein Unglück, Paris und Krankheit zusammen gesellt um mich so zu machen, wie ich nicht gern öfters seÿn möchte. Jezt bin ich wieder | frisch an der Arbeit, und dann ist mirs immer wohl: ich weiß nicht, welches von beiden die Ursache oder die Würkung ist. Doch leide ich noch sehr an den Augen, Gunda ist natürlicherweise auch nicht expressiv wohl, und zu brillant darfst du dir also unsern Zustand nicht vorstellen. Desto brillanter wird er wohl in einiger Zeit werden. Auch dabeÿ muß ich dich etwas schmählen, denn du hast dich gar nicht recht gefreut. Lebe wohl, du lieber dicker Budin, und habe mich so von Herzen lieb wie ich dich. Habihnnie. H. Michel hat mir deinen Brief geschickt und war noch nicht beÿ mir. 〈Kunigunde von Savigny:〉 Sieh, lieber, guter Budin wenn Savigny dir geschrieben hat dann habe ich gar nicht mehr recht das Herz noch etwas dran zu hängen, es ist immer so lieb, so tief aus seinem Herzen, daß es mich selbst rührt, daß er mit dir so sprechen kann ist wohl weil er dich auch so innig lieb hat, und weil er dich so gar gerne ruhig und glücklich sehen möchte. Halte dich an ihn, ich fühle wohl, daß er dir allein wohl thun kann, daß Niemand so viel Anspruch an dein Herz mehr machen kann. Denn sieh lieber Budin, Savigny ist ein Engel, der alles Gute in der Welt verdient. Schreib ihm oft zeig ihm dein Antheil an dem kleinen Wesen das ihn bald erfreuen wird, denn wenn du hörtest wie er zuweilen, wenn er recht gerührt ist, auch an dich denkt, und dann oft sagt: der dicke Budin hätte mein Kindchen gewiß auch recht lieb, er könnt es gewiß recht mit Achtsamkeit herumschleppen. Es war einmal entschieden, wenn es uns nicht bald wohler in Paris würde daß wir zurück nach Trages wollten wegen dem Kleinen. Da konnte er sich schon freuen wenn er sich die drey lieben Schwesterchen dachte die das kleine Kind alle lieb gehabt hätten und ihn mit; nun ist es ein bischen anders, ich fühle mich ein wenig verlassen, aber es thut nichts, ich fühle mich schon so unendlich viel glücklicher als die meisten andern Menschen, daß ich gerne, und es billig finde alle ander Ansprüche zu vergessen. Budin ich habe dich gar sehr lieb, schreib bald. Gunda.
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Nr. 110
〈2v Mitte Savigny quer zur Schreibrichtung:〉 An Betine
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 19. Februar 1805, Dienstag
Liebe Bettine Dieser Brief, wie alle die von dir kommen, hat mir große Freude gemacht. Daß du Mathematick zu studieren begierig bist, glaube ich dir gern, denn es ist das intreßanteste Studium, das man nur treiben kann; es liegt dir indeßen noch nicht so nah als andere, und ich riethe dir also es noch aufzuschieben. Biß Sontag werde ich, einer Heidinn zum Christentum zu verhelffen, zum Gevatter werden. Und da habe ich also für ein paßliches Pathen Geschenk zu sorgen wobey du mir helffen sollst. Mir fällt ein: ein goldner Ring, dessen Körper einen Kreißförmig gekrümmten Stab vorstellt um welchen sich eine Pflantze umwindet, u nach der ersten Windung Blätter, nach der 2ten Blüthen, nach der dritten Früchte bringt; auf den Stab könnte in der dem Finger zu gekehrten Seite mein Name gegraben seyn, die Blätter Blüthen u Früchte müsten ziemlich doch nicht so daß sie am Finger viel geniren erhaben seyn. Anfang u Ende des Blumenstocks verlieren sich in eine Vase darauf des Kindes Namenschiffer ist Der Staab, der knodig u fest aus sehn muß bedeutet den Gevatter der die Urne, die als ein Gefäß, darin mancherley enthalten seyn kann, das das noch unbelebte Kind vorstellt; faßet u seine Entwickelung, das Leben in den verschiedenen Windungen, Lebensaltern, fortleitet und, unterstützt. oder 3 Ringe 1) für den Kindsfinger mit Blättern, also klein 2) für das Mädchen, " Blüthen, " größer 3) für Mamsell u Madam " Früchten " noch größer. welches von beyden dir nun am meisten gefällt, das laß für mich machen aber in gröster Eile, wie du selbst einsehen wirst, sollte dir aber etwas beßers einfallen so laße es ohne Verzug statt meines gelten, denn es ist mir schon lieber weil es von Dir kömt. Auch dann besinne dich 96
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19. Februar 1805
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auf was anders wenn das angegebene über 2 Luisd’or auszuführen kostete. Um noch ein bißchen zu pappeln will ich noch mehr Pläne zu solchen Geschenken auskramen, u erwarte in deinem Brief ebenfalls einige Ideen denn dergleichen Dinge amusiren, wenn sie auch nicht ausgeführt werden. Neulich fragte mich auch einer um ein schickliches Pathengeschenk für ein Mädchen und ich habe ihn zu folgendem gerathen u veranlast. Eine Nähnadel oder Strickstock als Symbol des Fleißes Ein Handbesen als Symbol der Reinlichkeit Ein Kochlöffel als Symbol der weiblichen Pflege für den Mann Jedes mit einem paßenden Reim beschrieben Alles brillant eingepackt, u in einer Kiste verschloßen mit der strengen Bedingung über geben, daß es vor dem 18 Jahr oder beßer der Hochzeit des Mädchens nicht eröffnet wird. wie gefällt dir daß ich denke die lange u gespante Erwartung u ewiges Rathen, u die Ueberraschung wenn es besonders wenn es auf der Hochzeit des Mädgens geschieht wird es mehr amusiren als ein kostbares Geschenk. Ueber diesem habe ich mir ein alegorisches Bild, den Lebenslauf aus zu drücken, ausgedacht Die Gruppe so: Ein Kind steht nach aegyptischer Art mit nebeneinanderstehenden geradstehenden Füßen, die Hände über einander | geschlagen das Haupt etwas weniges gesenkt die Blicke zur Erde, hinter einem Schleyer durchleuchtend, welchen die entfliehende Nacht als ihren Schlepp mit sich fortzieht, u zwar nach der linken Seite des Kindes; von der rechten kömt näml* Phöbuß mit den Pferden wie über die Wolken des Morgens, (u von hieraus wird dem ganzen Bild ein Regenbogen artiges Licht gegeben. Hinter dem Phoebus u unter ihm fliegt amor mit der Fackel, die er aber schnell bewegt, wie man aus dem flackernden Zug der Flamme sieht, noch niedricher hinter dem amor u entfernter hinter dem Kind hymen der die Fackel ganz ehrbar trägt, welche still u heilig zu brennen scheint. Hinter diesem u vor der Nacht der Genius der die Fackel senkt, u an den sich die Nacht anschließt. – 97
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Das Papier geht aber über d〈ie〉sem Gemälde zu Ende genug für heut – Ich höre ja gar nichts von Herrn Grimm er war doch bey euch? Mrbrg 19 1805
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Christian
Besorge nur die Pathen geschichte mit Eile!
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Mbg 25 Febr 180〈〈5〉〉 Liebe Bettine Einliegenden Brief theilt mir Bostel mit, es steht mehr von Savigny selbst darin als in den Briefen die ich von ihm habe, wenn du ihn gelesen hast; so schicke ihn dem Bostel selbst zurück, denn er hält sehr viel darauf. Wegen dem übrigen u dem Pathengeschenk nächstens. Christian A Mlle Mademoiselle Bettine Brentano tête d’or Francfort a/M
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 25. Februar 1805, Montag
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. Ende Februar 1805
Liebe Bettine Du schreibst mir ja gar nicht mehr; hat dir denn dH* Grimm nicht meine Grüße, meinen Brief, u seine Zeichnungen gezeigt? Mein Name steht jezt auch gedruckt zu lesen, freylich einem andern zu Ehren, aber doch mir zum Plaisir. Er hat freylich kein zahlreiches Gefolge, aber damit doch ziemliches Aufsehen gemacht, weil er auf ungewöhnliche Art ins Feld trit. Weil er dir indeßen keine große Unterhaltung geben kann; 98
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1. März 1805
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indem du ihn schon sovielmal in viel schönerer Situation nämlich unter dem treuen Bruder gelesen hast u in seiner Suite sich auch nichts für Dich finden mögte; so verspart er seinen Besuch biß auf nächsten Sonntag, wo er in glänzender Uniform | erscheinen wird; denn hier siehst du Ein gut Oberkleid bedeckt all Herzeleid. Leb wohl einstweilen. Noch 7 Wochen, u ich sehe Dich zu Frkfurth. Dein treuer Bruder Christian
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*114. An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, Ende Februar/Anfang März 1805
*115. An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, erstes oder zweites Drittel März 1805 B an Friedrich Carl von Savigny, etwa 7. April 1805:
Du hast doch wohl meinen Brief bekommen worinnen ich dir die Nahmen von dem Hrn Pathen Cristian Franz Damian Friedrich Brentano übersendete (Nr. 118,2-4).
B an Friedrich Carl von Savigny, etwa 20. April 1805:
da dieß schon der 4te Brief ist welchen ich dir schreibe, erstens einen worin ich dir Cristians Nahmens Register sendete (Nr. 122,4-5).
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 1. März 1805, Freitag
Mrbg 1 Liebe Bettine Einliegend folgt das Büchelchenchen von dem ich lezthin schrieb. Es kann dich freylich nicht intereßiren; aber du kannst sehn wie ich dich lieb habe; daß ich dirs doch schicke. Christian Brentano Zeige es auch dem Franz! 99
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Nr. *117
*117. Von ? nach Frankfurt Jena( ? ), vmtl. Ende März/Anfang April 1805 B an Friedrich Carl von Savigny, etwa 7. April 1805: Robinson hat mir durch einen Correspondenten aufgetragen dir zu schreiben daß Frieß und Tibaut einen Ruf nach Heidelberg erhalten haben und ihn auch angenommen haben. (Nr. 118,37-39.)
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An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, etwa 7. April 1805, Sonntag
Du hast dein Kindgen vielleicht schon im Arm und ich weiß noch nichts davon, Du hast doch wohl meinen Brief bekommen worinnen ich dir die Nahmen von dem Hrn Pathen Cristian Franz Damian Friedrich Brentano übersendete, du könntest den Butin wohl auch Pathe seyn lassen, lieber Habihnnie laß es auch Butin taufen. Ich habe etwas über die Geschichte geschrieben was seines gleichen sucht, gar herrlich und vortrefflich in seiner schlechten Art, wenn es nicht eben so groß wäre als es Vortrefflich ist so würde ich es dir senden, aber so mögte es zu viel Porto kosten, denn obschon es gar schön ist so ist es doch Geld nicht wehrt. Doch wirst dich ja doch einstens mit deinem dich zärtlich liebenden Butin vereinigen und denn ist es noch Zeit genug, dir dieß und noch allerhand andere Beweise der Anstrengung meines Kopfes zu geben, sollte dir indessen doch daran gelegen seyn diese meine Arbeit noch eher in Händen zu haben so brauchst du es nur in deinem nächsten Brief zu melden, und ich werde mich glücklich schäzen mir (als einen Beweis meiner Liebe Hochachtung Dankbarkeit ez:) die Mühe nehmen zu dürfen es aus dem Buch meiner andern gesameleten Kenntnißen abzuschreiben. Daß gute Günterrödgen welches mir wirklich ist, was die Krücke einem Lahmen ist seit einiger Zeit Kränklich, und die alte Jungfern Prophezeien ihm den Tod, aber Günterrödgen hat ganz andere Projeckte ich habe sie engagiert diesen Sommer mit mir eine kleine Fußreise nach Persien zu machen wir haben schon einen ganz ausführlichen Plan und sehr bequeme Reisekleider dazu ersonnen, bey welchen Anstalden es denn auch wohl bleiben wird was sagst du dazu 100
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Etwa 7. April 1805
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Manchmal ergreift mich die Lust des Wiedersehens so, daß ich in Gedanken deiner Wiederkunft schon Thränen der Freude vergieße o ich bitte dich lieber Habihnnie sehe mich bald wieder, laß mich bald bey dir seyn, ich kann mir es so Herrlich vorstellen, mit dir zu seyn, aus dem Winter in die Frühlings-Luft, auf ein mal grünen und ganz jung werden und herrlich glänzen und schimmern, von dir wohlthätigen Sonne beschienen. Clemens bekömmt nächstens ein Kindgen ich schreibe ihm heute und will ihn mit deiner Erlaubniß schreiben daß du viel Antheil daran nimst Robinson hat mir durch einen Correspondenten aufgetragen dir zu schreiben daß Frieß und Tibaut einen Ruf nach Heidelberg erhalten haben und ihn auch angenommen haben Der Schreiner und Sangen haben Euch schon mehrmalen geschrieben aber nie Antwort erhalten welches sie sehr betrübet der Schreiner mögte auch gar gerne wissen ob er das Lattenwerk im Garten anstreichen soll und wie Der Meline sage daß sie mir schreiben soll, aber ordentlich, dir liebe Gundel danke ich recht sehr für den Antheil den du an mir nimst meine Lieb und Leidenschaften sind alle vorbey dieß sey dir zum Trost gesagt in deinem lezten Brief sagst du ich soll den Savigny allein lieb haben, dieß bin ich nicht zufrieden, ich will ihn nicht nur allein Lieb haben ich will ihn auch küßen und bey ihm seyn und von ihm Lernen und auch sein Lieb Weib und Kind will ich lieb haben Adieu Bettine
*119. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, etwa 7. April 1805, Sonntag B an Friedrich Carl von Savigny, etwa 7. April 1805: Clemens bekömmt nächstens ein Kindgen ich schreibe ihm heute und will ihn mit deiner Erlaubniß schreiben daß du viel Antheil daran nimmst (Nr. 118,34-36).
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Paris 11. April 1805. Liebe Betine! Du hast uns, wie es scheint, so rein vergessen, daß du diesen Brief nicht einmal recht verdienst. Vor Zweÿ Stunden hat die Gundel eine Tochter sehr glücklich geboren, und diese soll Betine genannt werden, wenn du sie anders lieb haben willst, wie sichs gehört. Willst du dich also um sie und um mich weiter nicht bekümmern, so schreibe mirs bald. Seÿ so gut und bestelle sogleich die einl. Briefe und verbreite meine Freude mit grossem Geschreÿ im ganzen Hause. Lebe wohl wir küssen dich mit herzlicher Liebe. Dein Savignÿ.
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Paris, 11. April 1805, Donnerstag
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Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Paris, 15. April 1805, Montag
Paris den 15. April Seit vier Tagen, lieber Butin, ist mirs wollüstig ums Herz, und mein einziger Kummer ist, daß ich nicht noch mehr Leute habe, mit denen ichs theilen kann. Alles ist so glücklich gewesen, und noch jezt so gut und wohl, wie ich nie gehofft hatte. Das Kind ist gar lieb und hübsch, die Beschreibung kannst du in dem Brief der Meline lesen, Dir aber schicke ich hier eine Probe von seinen schönen langen Haaren, die du wohl aufheben sollst. Eben ist die Gundel in eine andere Stube gegangen, und sizt am Kamin, und giebt dem Kind zu trinken. Eure gar lieben, lieben Briefe sind vorgestern Abend angekommen, und waren unsrer Freude wie Oehl ins Feuer. Ich antworte ein andermal. Grüße alles herzlich, besonders den Christian, der schreiben soll, und den wir gar lieb haben, und auch die Lulu und auch das Günderrödchen. Sage dem Christian, die Gundel seÿ durchaus voll Muth und Besonnenheit geblieben, und habe keinen Anstos von Krämpfen gehabt. Adieu Butin. Dein Savignÿ. 102
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〈Kunigunde:〉 Lieber Butin, wenn du den guten Savigny sehen könntest, wie er sein Kindchen mit Lieb und Rührung anguckt, und wie ihm die glückseeligen Thränen aus den Augen auf das Kindchen und auf mich fallen und wie er ganz betrunken ist vor Freude, sieh lieber Butin da müßt du mit glückseelig seyn, und den Savigny lieb lieb haben. Das Kindchen ist gar zu gesund, wohl, u geschickt. Gelt es freut dich daß es nun Butin heisen wird. Sorge recht für die Kleinen Härchen, ich habe sie wie ein Opfer | abschneiden laßen, obschon es noch gar viele und lange hat. Liebe Lulu, dein lieber Brief, und deine Häubchen sind gerade zur rechten Zeit angekommen. Den andern Tag war das Kindchen schon da. Es hat Savigny und mich so gefreut daß du schon so thätig für die neue Nichte gesorgt hast, ich weis aber gewiß es wird dich nicht reuen wenn du einmal das Kindchen siehst, und wie ihm alles gut steht, es gleicht dem guten Savigny, und es soll sich in die Herzen stehlen und halten können, schon durch sein Blick allein, wie es sein guter Vater thut, nicht wahr alter Mutsch! adieu. Auch an den guten Christian ein paar Worte. ich muß dich bitten daß du mich lobst, denn ich war gar brav und verdien es gar sehr. Wenn ich aber jezt noch schreib so wirst du schmählen denn es wird mir verboten. Wir haben dich aber so gar lieb daß ich das doch durchaus noch dazu setzen muß. Dem Savigny wär es wohl ein wenig leid daß du nicht Pathe seyn kannst, wenn er sich denken könnte daß man noch glückseeliger seyn kann als er ist. leb wohl lieber guter Bruder, schreib bald. Wenn du dem Schwaab es willst schreiben, ich glaube es wird ihn freuen. Grüße den Docktor, und sag ihm das Nichtchen wär eines Juristen Kind, und darum allein müßt er es schon lieb haben. Gunda. 〈2v Mitte Savigny quer zur Schreibrichtung:〉 An B e t i n e
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An Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano in Paris Frankfurt, etwa 20. April 1805, Sonnabend
Lieber Savigny Allerdings verdiene ich die Ehre, die Freude, nicht, auch wenn ich dich ganz und gar vergessen hätte, wie du glaubst. ich kann es eigentlich gar nicht begreifen da dieß schon der 4te Brief ist welchen ich dir schreibe, erstens einen worin ich dir Cristians Nahmens Register sendete, zweitens einen worin ich dich frage ob du denselben erhalten, und dir die Nahmen (wenn du allenfals den ersteren nicht erhalten hättest) nochmals wiederhole, und bey welchem ein kleiner Brief von Günterrodgen eingeschlossen war, es scheint aber als ob du beide nicht erhalten hättest, auch Franz hatte bei dem lezteren geschrieben, Du bist doch unendlich Gut lieber lieber Savigny daß du es Bettine taufen willst, ich kann dir in diesem Brief nicht noch meine übrigen Namen nennen aber morgen schreibe ich noch einmal, ich bin wirklich voller Freude, das Ganze Hauß besonders Marie und Franz haben viel Antheil daran genommen, allein keiner hat sich gefreut wie ich, du must ganz anders seyn wie sonst, sage doch wie oder auf welche Art hast du es denn lieb ungefehr so wie mich nur viel viel mehr, und wie steht der Gundel das Kindgen wenn sie es auf dem Arm hat, wäre ich nur bey dir o ich bitte dich komme bald, ich freue mich unendlich auf dich, es ist das einzige was ich jezt wünsche, vergesse mich nur nicht über dem Kind hab mich nur immer eben so lieb wie sonst. Cristian und Clemens sind hier lezterer findet mich sehr zu meinem Nachtheil verändert; ich hoffe nicht daß du es auch findest, mit dem Günterrodgen bin ich alle Tage es treibt mich sehr an zum Lernen in meinem Lezten Brief erzählte ich dir daß ich allerley Gedanken nieder^geschrieben habe über die Geschichte und noch andere Dinge, und fragte dich ob ich dir es schicken soll, allein ich habe keine Antwort erhalten. Meline mögte gern wissen ob Moritz Bethmann sich dueliert habe und ob er schaden genommen hat, so höre denn Meline Die Welt sagt ja, er selbst sagt nein Die Welt sagt ferner er habe eine Wunde in die Linke Schulter davon erhalten er selbst aber sagt es sey nicht wahr und dreht dabey den Stok so heftig und schnell mit dem linken Arm herum daß man deutlich sehen kann es muß entweder eine Wunde gleich einem Flohstich seyn oder wie er selbst sagt gar nichts 104
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Wir haben einen Brief gelesen von dir liebe Meline an die Großmutter, man sieht darin gar wohl daß es dir etwas Müh gekostet hat an sie zu schreiben, woran ich dein Herz ohne Falsch recht erkenne, ich habe hier eine sehr intereßante Bekantschaft gemacht, welche ich dir auch wünschte ein Jüngling wie ein Kind der unendliches Vertrauen in mich hat, ich wünschte du kentest ihn auch er würde dir gewiß gefallen, für mich ist er jezt alles, ich freue mich so an seiner Unschuld und liebe jedoch weiß niemand wie lieb ich ihn habe, wenn ihr herkommt so solt Ihr ihn auch sehen und lieb haben besonders Savigny, es ist Henry Gontard dem Jacob Gontard sein Sohn Sieh, Savigny was mir vielleicht die gröste Mühe gekostet hatte, mir mein Wildes Wesen abzugewöhnen hat dieser in wenig Minuten von mir hin weg genommen er ist nicht Geistreich, nicht ausgezeignet, nicht Schön, aber seyne Natur wendet sich so zum Edlen hin, und zieht alles was ihn erkennet so mit daß man werden muß wie er, hier kennt ihn niemand wie ich das heist innerlich, und ich halte es ganz Geheim, er wird für Dumm und Gut gehalten. Glaube aber nicht daß ich in ihn verliebt bin, obschon ich jetzt andere (ich mag sie nicht Nennen) nicht mehr leiden mag hier mag der guten Gundel ein Stein vom Herzen seyn sie soll mich lieb haben ich habe euch alle lieber als je ich begehre nichts als in deinem Schoos zu leben du liebe heilige Vamilie und es wird auch einstens noch so werden indessen will ich fleisig seyn und lernen und dich verdienen Lieber lieber Savigny schreibe mir bald wieder gieb Nachricht vom kleinen Kindgen, und Meline soll mir auch einen ledernen Hut machen lassen wie sie einen hat nur etwas kleiner, Schreibt doch auch ob ihr das Kindzeug erhalten habt welches Lulu mit eigner hand verfertiget euch vor 14 Tagen sendete Adieu Dein Budin Hier lese ich ein von Clemens geschriebenes Zettelgen welches ich einlegen soll worin er viel von Rührung spricht allein ganz lustig sieht er aus das kann ich euch versichern ich heise Catarina Elisabetha Ludovica Magdalena u werde Vulgairement genandt Bettina
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano in Paris Frankfurt, Ende April 1805
Lieber Guter Savigny und Gunda, und Meline, wie innig mich euer Brief gefreut hat, brauche ich gar nicht zu sagen, da ihr mich kennet. Mein einziger Wunsch ist, euch meine Seeligkeit über eure Seeligkeit recht lebhaft darzustellen daß heist in eigner Persohn, ich glaube doch immer daß Ihr dem Himmel am nächsten seyd zum wenigsten scheint euer Glück sehr Himmlisch zu seyn, in was besteht aber mit der gröste Theil des Glücks, oder was macht es himmlisch. darin daß man andere daran Theil nehmen läst, also lieber Savigny um dein eigen Glück zu erhöhen, so laß mich bald Theil daran nehmen, komm bald bald her damit ich dich dein Gundelgen dein Kindgen deine ganze Seeligkeit alle auf einmal umfassen und in den Armen halten mag. Die Haare von dem Kindgen sind mir als ein hoher Beweiß von Gundas liebe, unendlich werth, ich werde den kleinen Budin sehr lieb haben, nent es doch nicht lange Kindgen sondern gleich kleiner Budin, denn werdet ihr auch oft an mich denken und vielleicht kommt euch den um so eher das Verlangen den Dicken Budin, neben dem kleinen zu sehen. Lichtenberg, war 5 Tage hier und hat sich sehr über dein Glück entzückt, er wird in 4 Wochen zu euch kommen, er ist sehr lieb und Gut und Unschuldig und Past ganz zu euch, auch Bostel ist seit Gestern hier Günterrodgen läst euch grüßen sie kann nicht schreiben, wegen Augenschmerzen Ich schicke euch hier ein ganz Paquet Briefe welche mir vom Traijes überkommen sind, den vom Schönbeck hat Cristian und ich erbrochen Adieu die Post geht schon ab deswegen kann ich nicht mehr schreiben Meline soll mir doch Blumensaamen schicken Bettine
*124. Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. erstes Drittel Mai 1805 B an Christian Brentano, vmtl. zweites oder letztes Drittel Mai 1805:
sey nicht böse daß ich dir noch nicht auf deine zwei Briefe geantwortet. Die eigentliche Ursache davon ist weil diese Briefe eigentlich so ganz 106
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und gar nicht in mein Verhältniß passen, weil ich daraus ersehe daß du glaubst mich zu kennen und nun von deiner Meinung gar nicht wieder loßlassen willst 〈…〉 Sage lieber Cristian was willst du damit daß du sagst Clemens komme um mit mir an〈〈zuknü〉〉pfen weil ihn seine Frau langweilte wie ich ihn 〈〈xxx〉〉 schon gelangweilt hätte glaubst du ich ließ mich an und aufknüpfen wie ein zerrißnes Band 〈…〉 die Art wie du sie schriebst war treu und brüderlich 〈…〉 jezo da ich sie wiederlese bin ich erfreut daß ich dir so lieb bin als deine Briefe mich fühlen lassen (Nr. 128,2-20).
*125. Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. erstes oder zweites Drittel Mai 1805 Vgl. Nr. *124.
*126. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, vmtl. zwischen 1. und 5. Mai 1805, Mittwoch und Sonntag Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Heidelberg, vmtl. zwischen 5. und 10. Mai 1805: Betine läst dich grüßen sie schickte mir ein Glaß für dich (WAA XXXII, Nr. 375,8).
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Von Meline Brentano und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Paris, 9. Mai 1805, Donnerstag
d* 9t. May 1805. Lieber Butin! Ich muß dir auch einmal schreiben, und dir zugleich sagen wie es deinem Pathchen geht, besonders da es jetzo eine große Operation ausgehalten hat; es ist nehmlich vor 6 Tagen vaccinirt worden, und befindet sich recht wohl dabey, seit 8 Tagen bekömmt es abends Suppe, und weil sie ihm so gut schmeckt, und noch besser bekömmt hat 107
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es seit gestern auch Morgens Suppe bekommen. Getauft ist es noch nicht und wird es auch wohl vor 3 Wochen nicht werden. Ich bin in großer Verlegenheit, wie ich es alsdan nennen soll um es von Dir zu unterscheiden, denn es macht Ansprüche auch Dicker Butin zu heißen. Überhaupt wird es dir ähnlich werden, denn es ist schon so gerne wie du im Garten, wenn wir es recht ruhig haben wollen tragen wir es in die Sonne, die zum Unglück jetz nicht scheint da doch das Kindlein schreit daß ich davon laufen mögte. In 14 Tagen ungefehr kommt D. Harbauer (der die Gunda wie du wohl wissen wirst acoucirt hat) nach Frankfurt. Dir trage ich auf ihm recht artig zu seyn, und ihn im ganzen Hause herumzuführen und mit allen Leuten darin, bekant zu machen. Laß dir recht viel von uns erzehlen, er war oft bey uns, und weiß genau was wir treiben. Mache ja daß er recht gut bey euch aufgenommen wird, er ist gar brav, und war uns hier ein wahrer SchutzEngel. Deinen lezten Brief mit allen den Trageser haben wir bekommen, ich war recht böße daß in dem dicken Paquete gar niemand als du, geschrieben hatte. Du allein bist fleißig, von den andern hört man gar nichts, und ich glaube fast die Loulou ist so verliebt daß sie gar keine Zeit hat an andre als an den Herzgeliebten zu denken. Vieleicht ist sie wieder in Offenbach und vor lauter Kummer kann sie nicht schreiben. Wenn du die Großmutter und L. siehst grüße Sie von mir. Ich werde dir einen Ledernen Hut bestellen, wenn ich aber nur eine Gelegenheit hätte, um ihn dir zu schicken. Was du eigentlich für Blumensaamen | haben willst, mögte ich gerne bestimmt wissen, denn man hat hier keine besondre Blumen die nicht auch in Frankfurt zu haben sind. Denke dir daß wir schon wieder ein anderes quartiert suchen, zu meinem größten Herzenleid, denn ich deplaciere mich gar ungern und habe unseren schönen Garten sehr lieb. Adieu Butin, du kannst mir wohl auch einmal ganz apart schreiben. Der Savigny wird Dir bald scheiben. Meline oder Herr Linster wie ich jetzo heiße. 〈Kunigunde von Savigny:〉 Du bist recht lieb, gute Betin, daß du nun so fleißig schreibst, Savigny und wir alle freuen uns gar sehr darüber. Du wirst große Freude an dem kleinen Butin erleben, denn er nimmt gewaltig an Seelen- und körperlichen Kräften zu, er lacht bereits höchst liebenswürdig, schreit daß es jedermann hören kann wenn ihm etwas fehlt, schläft nicht au108
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serordentlich viel, weil er seine Zeit zu seiner sonstigen Ausbildung nöthig hat –; und denn auch aus großer Furcht er möchte sonst zu dick werden. Eine große Glückseeligkeit, die ich dir auch gerne gönnen möchte, ist alle Morgen wenn wir um seine kleine Badbütte herum stehen, und sie so vergnügt und ruhig drinnen liegt, und uns alle mit ihren Schwarzen, dennoch sehr schönen Augen anguckt. Lieber Butin du wirst Freude an dein kleinen Butin erleben, Du gehörst ja zu uns! Ich bin ein klein wenig confus denn ich werde gar sehr gestört, also nur noch herzliche Grüße an alle gute Seelen in unsern Haus, dem Clödchen sag daß sich sein Vatter nicht mehr sehen läßt daß ich aber bald einmal wieder Savigny zu ihm schicken will. Lichtenberg wird noch nach Frankfurt kommen vor seiner Abreise gieb ihm doch etliche Schächtelchen von dem Zahnpulver daß ich gewohnlich brauche mit. Auf dem Kornmarkt, Schneider Moor, Charlotte weiß es, grüße die Servieres die Günderode, und sag ihr daß wir erfahren haben daß Tian wieder etwas geschrieben hat. Gruß an alles. Gunda. Mademoiselle Betine Brentano à la tête d’or à Francfort
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An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zweites oder letztes Drittel Mai 1805
Lieber Cristian sey nicht böse daß ich dir noch nicht auf deine zwei Briefe geantwortet. Die eigentliche Ursache davon ist weil diese Briefe eigentlich so ganz und gar nicht in mein Verhältniß passen, weil ich daraus ersehe daß du glaubst mich zu kennen und nun von deiner Meinung gar nicht wieder loßlassen willst du kömmst mir vor wie ein Halb Tauber Pfarrer der seine Gemeinde Beicht gehört hat und etwa unrecht verstanden sich aber fest einbildet es sey so und den nächsten Sonntag eine scharfe Strafpredig über die vermeinte Sünden hält wovon sich aber niemand getroffen fühlt und mithin auch nicht bessert. Sage lieber Cristian was 109
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willst du damit daß du sagst Clemens komme um mit mir an〈〈zuknü〉〉pfen weil ihn seine Frau langweilte wie ich ihn 〈〈xxx〉〉 schon gelangweilt hätte glaubst du ich ließ mich an und aufknüpfen wie ein zerrißnes Band glaubst du, wenn ich einem die Hand reiche um ihm über den Graben zu helfen daß ich erst unter suche ob er aus Langweile oder aus Kurzweile hinüber springen wolle. mehr kann ich dir über deine Briefe nicht sagen, die Art wie du sie schriebst war treu und brüderlich die Art wie ich sie empfing war Leichtsinnig und kalt aber jezo da ich sie wiederlese bin ich erfreut daß ich dir so lieb bin als deine Briefe mich fühlen lassen schreibe mir wieder sey zufrieden mit meinen spärlichen Antworten denke deswegen nicht daß es in den Wind gesprochen sey wenn eine innige Freundschaft dir und mir etwas helfen könnte ja wenn Helfen helfen könnte gewiß dann solltest | du mir und ich würde dir helfen, aber sage selbst was braucht es vieler Freundschaft um wahrhaft Freund zu seyn Lebe wohl schreibe mir Bald wieder, ich bin froh daß ich mich noch nach Herzens Lust verlieben kann ohne deswegen meinen Frohsinn zu verlieren Bettine 〈quer zur Schreibrichtung:〉 Á Monsieur Christian Brentano à Marbourg
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano in Paris Frankfurt, 24. Mai 1805, Freitag
Lieber Savigny und Gunda und 〈〈Li〉〉nster Euren lezten Brief in welchem Ihr mir mit Recht das Lob eines fleisigen Correspondenten zukommen last besonders in Rücksicht auf euch, habe ich erhalten, über den kleinen Budin freue ich mich unendlich, so viel ich aus euern Nachrichten über denselben ersehen kann, schickt er sich ganz und gar an einmal der Trost und die Stüze meines Alters zu seyn. Mein Herz verlangt nach euch ihr Kinder Marie zieht in wenig Tagen nach Bergen, Tonie erwartet Fremde von Wien mit welchen sie diesen Sommer in der hiesigen Gegend herum ziehen wird und der Budin wird allein 110
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in der Stadt den Sommer verleben müssen, die Lulu, welche ohnehin Neigungen angenommen hat mit denen sich mein Herz nicht sehr vertragt obschon sie recht gut und Braf dabey ist, geht auch nach Bergen, wenn mich also eure Briefe nicht dafür entschädigen so habe ich mir vorgenommen zu verzweiflen, dieß werdet ihr allerdings nicht geschehen lassen und Savigny wird gewiß sein Versprechen in Erfüllung gehen lassen mir alle Woche ein mal zu schreiben ich werde dafür zweimal schreiben, wenn ich es auch in Rücksicht meiner selbst nicht werth bin so bin ich es doch gewiß in Rücksicht der Erkenntniß von Savignys Gemüth werth daß er mir schreibt, denn ich weiß wie sein Gemüth freier und leichter ist wie alle andern, wie es keinen Druck leidet von der Welt, und nicht im innern gestört wird von dem was äuserlich vorgeht, wie keine Kraft in ihm verlohren geht denn sein Geist und seine Liebe haben nicht Maaß noch Grenzen in welchen sie sich bewegen sie fühlen kein Gesez daß fremde Meinungen erschaffen hatten, er lebt um seiner selbst willen, und findet das waß des Besseren Menschen vorzüglich werth ist gewiß immer heraus, und ist gewiß auch von meiner Liebe zu ihm, die auch des besseren Menschen werth ist, überzeugt da er sieht und denken kann wie sehr ich sein edles Leben immer vor Augen und im Andenken habe obschon er weit von mir entfernt ist. Bettine Der Meline werde ich mit Lichten Berg eine neue Art die Haare zu tragen senden welche ich selbst erfunden habe und die gewiß Savignys ganzen beifall haben, es sind nehmlich 3 goldene Krappen welche ich dir schicken werde wo mann die haare hinein krapt und sie dann ganz plat um den Kopf legt und hinten zumacht grade wie einen einfachen Zopf Gunda soll sie auch tragen wenn es dem S gefallt
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〈alR außerhalb des Adressenbereichs:〉 Francfort le 24 may 1805 p Franc. Brentano
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Monsieur de Savignÿ Rue de la Loi, hôtel du Nord au Coin dela rue a neuve St. Marc Paris
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Von Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano nach Frankfurt Paris, 30. Mai 1805, Donnerstag
30. May Lieber guter treuer Butin! Deine lieben Briefe haben uns gar große Freude gemacht, mit unter auch ein wenig Kummer, denn Deine Einsamkeit thut mir gar leid. Wenn ich diese bedenke, so mache ich mir Vorwürfe, daß ich dir nicht öfter schreibe: glaube aber darum nicht, daß ich dich weniger lieb habe, es kommt blos von Schlampereÿ und Unordnung her. Nächstens aber schreibe ich dir recht viel, besonders von unsrem kleinen Engel, den du nur einstweilen in Gedanken recht sehr lieb haben kannst. Alles ist gesund und küßt dich herzlich. Besorge mir die Briefe. Ich habe den Franz um neuen Credit gebeten, erinnere ihn daran, wenn er es vergessen sollte. Lebe wohl und schreibe bald wieder. Dein Habihnnie. 〈Meline Brentano:〉 Lieber Butin! Du dauerst mich sehr daß du so ganz allein bleiben sollst, ich will den Savigny antreiben dir recht oft zu schreiben. Freue dich nur recht sehr auf das liebe Kindchen, es wird so schön, lieb und groß, daß du deine große Freude haben wirst. Gieb doch acht auf das Petschaft mit welchem ich das Paquet zusiegeln werde. Es ist ein Aliance Wappen welches Savigny hier hat stechen lassen und der Gunda auf den Jahrtag der Trauung gegeben, hat. Ich freue mich recht auf Lichtenberg wenn er nur bald kömmt. Adieu lieber Guter Butin Meline.
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Von Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano nach Frankfurt Paris, 31. Mai 1805, Freitag
Paris den 31. Maÿ 1805.
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Lieber Butin! Ich schreibe dir schon wieder, und wieder nur kurz. Moriz Bethmann hat hierher geschrieben, daß die Loulou einen jungen H. Jordis heurathe. Wenn das wahr ist, so ist sehr garstig auch von dir, daß du nichts davon schreibst, da du weist, wie wir Euch alle lieb haben. Schreibe mir doch sogleich, was davon zu glauben ist, und hauptsächlich recht umständlich historisch, ja sogar prophetisch wenn du willst. Der Loulou werfe ich nicht vor, daß sie nicht schreibt, denn wenn es wahr ist so ist sie wahrscheinlich so verliebt, daß sie keine Feder mehr halten kann. Adieu lieber Butin, der kleine Butin schreÿt eben gar sehr, das will sagen, daß er dich grüssen läßt. Dein Savignÿ. 〈Meline Brentano:〉 Die Gunda geht jetzo alle Tage mit Savigny auf die Bibliothek sonst würde Sie dir auch ein paar Worte geschrieben haben, um zu wissen ob die Nachricht von Loulous Heurath wahr ist. Es hat uns alle sehr betrübt, daß wir nicht davon wusten, ich habe eine schlaflose Nacht drüber zugebracht und befinde mich noch ganz krank. Butin, ich bitte dich gar dringend uns gleich zu schreiben wie es mit der Sache steht. Wenn der 〈〈g〉〉ute Mutsch glücklich wird soll es mich gar sehr freuen; er soll aber nicht zu sehr eilen, vieleicht kommen wir bald wieder 〈〈u〉〉nd können bey der Hochzeit sein. Doch was sage ich da alles 〈〈xxx〉〉 glaube ich daß es wahr ist sonst hättet ihr es uns geschrieben. | sage mir doch auch ob Harbauer bey euch war, und ob er viel von uns erzehlt hat. Ich habe schon seit 8 Tag Zahnweh und jezt eben kömmt es wieder, da vergehn mir die Sinne. Schreib Butin, ich bitte dich um Gotteswillen Meline.
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*132. Briefwechsel mit Volksliedfreunden Frankfurt, zwischen Anfang Juni und Ende August 1805 B an Clemens Brentano, zwischen 20. Juni und Ende Juli 1805: Ich habe jezt grosse Correspondence durch ganz Fuld durch ganz Hessen durch einen Theil von Saxen mit Pfarrern Advocaten und Schulmeistern, versteht sich, durch mehre Bekannten die ich dafür interessiert habe. (Nr. 134,450-453).
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*133. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, zwischen 20. Juni und Ende Juli 1805 B an Friedrich Carl von Savigny, vmtl. Anfang August 1805: Clemens dem ich
seit dem Tod seines lezten Kindes häufig geschrieben habe um mit meiner Theilnahme ihn etwas zu trösten (Nr. 141,27-28).
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An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, zwischen 20. Juni und Ende Juli 1805
Der Wächter auf dem Türmlein saß Er thut sein Hörnlein blasen Und wer bey seinem Schäzgen leid Der steh nur auf es ist schon Zeit Es ist schon Tag im Walde ja balde. Das Mädgen sprang im Hemdlein auf Und wollt den Tag anschauen Bleib du nur liegen lieber Knab Es ist für wahr noch lang nicht Tag Der Wächter hat uns belogen Betrogen. Und als die Sonn auf’s Bettlein schein Da nimt er seine Kleider 114
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Komm du heunt an die große Lind Wo alle schöne Jungfern sind Da biet ich dir verborgen Guten Morgen. 20
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Guten Morgen mein getreuer Schaz Wo hast du heut Nacht gelegen? Ich hab gelegen zu meiner Freud In deinen Armen ohne Kleid Ich denk daran mit Schmerzen Im Herzen. Laß dich’s nicht gereuen liebes Herz Geh dich am Bronnen frischen Wenn heunt die Stern am Himmel sind Lieg ich bey meinem Schönen Kind Da denkst du nicht der Schmerzen Im Herzen. Geh hin und nim ein Kühles Bad Thu dich im Thau erlaben. Wenn Feuer und Stroh beisammen leid Und auch der Schnee derzwischen Schneit So muß es dennoch Brennen ja brennen. Guten Abend Mein Schäzgen jezt hab ich dich lieb Sez dich auf mein Schwarz Pferdgen Reit mit mir in Krieg. Haben wir jezt kein Brodgen haben wir jezt kein Geld So hört man die schönen Trompeten, im Feld. Die schönen Trompeten Die schönen Schallemeyn Ach herze Lieb Schäzgen Jezt gilt dies am Rhein
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Geht’s an die Bagage Geht’s an die Armee So giebt es der schönen Soldaten noch meh. Die schönen Soldaten Die haben es Macht Ihr Schäzgen zu lieben bey Tag und bey Nacht. Das wär je meine Freude wenn ich es könnt haben Mein Schäzgen alleine
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Es reißt ein Knab ins Niederland Eine Bottschaft kam seine Liebste wär krank: Er sollte ja kommen recht eilend geschwind Auf daß er sein Schäzgen am Leben noch find Und als er nun in die Stub hinein kam Sein Herzallerliebste mit dem Tode rang Seyst du mir willkommen getreuer Schaz Der Todt will jezt wohnen an deinem Plaz. Er faßte sie wohl in seinen Arm Sie war nicht kalt sie war nicht warm Sie Thät ihm in seinem Arm verscheiden Und war eine reine Jungfer geblieben. Was zog er nun aus der Tasche sein Von Seide war es ein Tüchelein fein Er trocknet daran sein Augen und Händ Ach Gott wenn nimt mein Trauren ein End. Er ließ sich wohl machen ein schwarzes Kleid Von wegen seiner großen Traurigkeit Er trug das kleid wohl sieben Jahr Biß daß es gar zerrißen war:
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Er trug es kaum einen halben Tag Bis daß Sie unter der Erden lag. 9999999999999999
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Es ging ein Knab Spazieren Spazieren durch den Wald begegnet ihm ein adelich Machdelein Von 18 Jahren ald In einer so schönen Gestald. Er nahm das Machdgen gefangen Gefangen nahm er Sie Er zog ihr aus ihre Kleider Sie gab sich willig drein Gedacht was soll das seyn. Zu Anspach in dem Wirtshaus, Da er so saß und Trank Da kam seine Frauen Mutter Mein Sohn was machst du da Mein Sohn was hast du gethan. Was ich allhier thun machen das darf ich sagen Euch Ich hab ein Adeliches Mädelein beschlafen also sehr Gebracht um ihre Ehr
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Zu Anspach in dem Thurme Da er gefangen saß Da kam das Adeliche Mädelein und bracht ihm großen Dank Du kömst in Ketten und Band
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Ist denn die Briefschaft kommen Daß ich so Sterben muß so rüst mir auch kein Wagen nicht Will lieber gehen zu Fuß. Weil ich heut noch Sterben muß Ihr lieben Herren zu Anspach Ich hab eine Bitte zu Euch Den Kirchhof thut mir schenken Darzu ein golden Küssen weil ich drauf ruhen muß.
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Der Kirchhof hört nicht unser Der Kirchhof hört der Stadt Du bist ein reicher Kaufmannssohn must sterben solchen Tod Der Wellt zu Schand und Spotte 01. Ich habe mir eines erwehlt, mein Schäzgen das dir es gefällt, Ist hübsch und fein Von Tagen so rein Viel tapfer und ehrlich sich hällt. 02. Die Leute thun oftermal sagen, Du hättest eine ander Lieb Doch glaub es nicht, Bis daß es geschicht Biß daß mein Herzelein bricht.
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03. Mein Herze lebt annoch vergnügt Trau nicht den falschen Zungen Die mir und dir Nichts gönnen schier Nicht gönnen deinen seidenen Mund.
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04. Bleib Ehrlich und Fromm Biß daß ich wieder komm Es sind vier Wochen Ja bald herum Und wann ich gleich wiederum komm. 05. Mein Herze für Freude zerschreye Ein Äugelein klar Ein Schwarzbraun Haar Verliebet sich Tausendmal Verliebet sich Tausendmal. 999999999999 01. Frisch auf ihr Gesellen, es ist nun Zeit, Der Meister ruft zur Arbeit, Thut nur aufstehen und Thut arbeiten, Schüssel, Tiegel und Töpfe bereiten. 02. Ach Meister der Kopf ist mir zu schwehr, Der Beutel ist mir auch ganz leer Drum mag ich nicht mehr Arbeiten im Batschen Das Geld ist mir geflogen aus der Taschen 03. Ihr Gesellen Thut euch nicht mehr betrüben Ihr sollt euer Geld schon wieder kriegen Thut nur aufstehen und thut arbeiten Schüssel, Tiegel und Töpfe bereiten. 4.
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Und wann ein Kind noch nicht reden kann so muß es schon ein Tiegel hann Drum seind wir Haffner aller Ehren werth wir drehen ein Gefäß wohl aus der Erd.
05. Fürsten Grafen und grosse Herrn Die können einen Haffner nicht entbehrn Schüssel und Tiegel die müssen sie haben ein schönen Ofen mit Farb überzogen
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06. Wir haben Courage und haben das Recht Ein Krohn zu führen auf Adlers Geschlecht Eine Krone zu führen, eine Scheibe darbey Seid lustig Cameraden es stehet uns frey. 999999999999 Bruder ich bin geschossen, Der Feind hat mich getroffen, Führ mich in dein Quartier Daß ich kann ruhen bei dir.
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Bruder ich kann dir nicht helfen Helf dir der liebe Gott selbsten Helf dir der liebe Gott Wir müssen marschieren fort.
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Des Morgens um halber vier Müssen wir Soldaten marschieren Das Gässel auf und ab Mein Schaz komm zu mir herab Zu dir wollt ich gern kommen Doch ich fürcht ich böse Zungen Die mir abschneiden mein Ehr Und haben selbst kein mehr.
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Wann sie dein Ehr abschneiden Thu es nur geduldig leiden Halt dich nur Ehrlich und Fromm Schaz bis ich wieder komm. Schaz wann wirst wieder kommen Im Winter oder Sommer Sag mir die gewisse Stund Schaz wann du wieder kommst.
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Kein Stund kann ich dir sagen Weil ich kein Uhr hör schlagen Wir müssen ins weite Feld Wohl um das Königlich Geld. Es ging ein Mädel graasen, wohl graasen in den Klee Begegnet ihr ein Jäger der bat sie um die Eh
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Ach Mutter liebe Mutter was giebt sie mir vor ein Rath Es geht mir alle Abend ein schöner Jager nach.
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Ach Tochter liebe Tochter den Rath den geb ich dir Laß dir den Jager fahren bleib noch ein Jahr bey mir Ach Mutter liebe Mutter der Rath der ist nicht gut Der Jäger ist mir lieber denn all eur Hab und Gut
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Ist dir der Jager lieber denn all mein Hab und Gut So nimm du deine Kleider zieh nach dem Jäger zu. Ach Mutter liebe Mutter der Kleider seind nicht viel Geb sie mir Tausend Thaler so kauf ich was ich will
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Ach Tochter liebe Tochter der Thaler seind nicht viel Die hat dein Vater verrauschet bei Würfel und Kartenspiel
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Hat sie mein Vater verrauschet bei Würfel und Kartenspiel So thut mirs leid von Herzen daß ich sein Töchterlein bin Wär ich zum Knab gebohren so zög ich in das Feld. Und könnte hin marschieren wo’s meinem Herrn gefällt 9999999999999
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Lill du Allerschönste Stadt Die du bist fein und glatt Meine Lieb die brennt vor Flammen Dich lieb ich vor allen Damen Lill du allerschönste Stadt. Lieber Herr was Saget Ihr wer seid ihr was macht ihr hier was die Solldaten Eure Tapfre Cameraden Liebster das erzählet mir.
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Ich bin der Savoyer Held Bekannt genug in aller Welt Prinz Eugenius genennet Der in deiner Liebe brennet Lill mein allerschönste Braut
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Lieber Herr fort paket Euch gehet in das Teutsche Reich Denn ich habe zum Galanten Zum Gemahl und Caressanten König Ludwig von Frankreich
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Liebste deine Schönheit groß ziehet mich in deinen Schoos laß dich schröcken meine Waffen Mit Gewallt will ich bey dir schlafen Du magst sagen was du willst
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Wollt ihr handlen mit Gewallt lieber Herre der Gestallt schallten möget ihr und wallten Bouflore der kann mich erhalten Und beschüzen meine Ehr
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Liebe laß doch sagen dir Meine Stücke und Mortier Bomben und Granaten feuer Sollen seyn dein Hochzeit feier Daß ich dir zu Ehren halt Lieber Herr von grosser Macht Glaubet mir es ist gesagt Meine Werk und Bastionen Cidadell und halbe Monden lachen und verspotten Euch Halt das Maul und schweige still hör was ich dir sagen will hab ich nicht in Ungerlanden Die Türken gemacht zu Schanden hunderttausend noch viel mehr Lieber Herr das glaub ich wohl Daß ihr damal waret Toll aber ihr habt nichts zu schaffen jetzo mit den Türkischen Affen Sondern mit der Franzen blut
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Lill sey nicht so Stolz und Frech weise mich nicht von dir weg Sieh ich will dich bombardieren Deine Mauren ruiniren und zerschiesen Stein für Stein
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Ey so komm mein Prinz Berwill Der du auch noch liebest Lill Gott der seegne deine Waffen Die Holländer wirst du strafen Und sie schlagen aus dem Feld
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Ihr Constabler frisch daran Feuert hunderttausend Mann Donnert daß es kracht in Flammen Lill die schönste Stadt zusammen Lill das allerschönste Weib Meint Ihr denn daß mein Vandom mir nicht bald zu Hülfe komm Der mit hunderttausend Franzen Die Holländer wird lernen Tanzen Aus dem edlen Flander land Liebste denk an meine Macht alle Prinzen ungeacht glaube mir das liebe Mayland Und das auserwählte Teutschland hat quittird aus Lieb zu dir
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Lill mein Engel und mein Kind warum bist du doch so blind Daß du mich nicht willst annehmen Thust du dich denn meiner schämen oder sag was fehlet dir Lill mein Engel und mein Lamm Ich weiß dir ein Bräutigam Carolus der Weltbekannte ich bin nur sein Abgesandte und des Kaisers General Ey wohlan so lass es seyn Carolus sey der liebste mein Denn der Ludewig veraltet Und die Lieb ist ganz verkaltet Carl ist noch ein Junger Held
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Schwarze Zigeunerin Schwarze Zigeunerin mein Hand schau an mir hans mein Herzel gestohlen sag mirs doch unverholen wer es gethan wirst du mir sagen wer mirs davon hat tragen so glaube mir daß ich mit dir mein Herze theilen will ganz in der Still.
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Mir liegt zwar stets im Sinn das du dieselbe bist Die mir’s hat entwendt denn das du ihm nachgetracht daß hab ich längst gedacht Ich kenn die Händ Alldieweil ins Gemein der Herzen Diebin seyn Zigeuner Gestüd Sich wohl drin find Daß sie gern rauben thun auch die Herzen nehmen thun Seid so schwarz wie ihr wollt bin ich euch dennoch hold Und sieh euch gern wann ihr nur die Augen rührt wird schon mein Herz entführt nach eurem Begehrn Denn sogar eure Augen Trefflich dazu taugen Denn ihr Hexen seid Die Junggesellen verschreit Daß sie vor Liebsbegier Sich ergrämen schier
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Ihr kennt ein Zauberspiel Durch das der Herzen viel ihr heimlich raubt macht durch herblenderei Daß man Betrügerei vor Wahrheit glaubt Mit eingebundenen Haaren Machet ihr liebes Garn Locket mit der Gestaldt, biß mann drein fallt Und mitten oft im Scherz Verführt sein Herz.
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Ihr singt die Männer an Daß sich kaum einer kann vor euch entwehrn. Der euch nur reden hört Dem wird sein Gemüth verkert Läßt sich betöhrn wann er auch die Maschen sieht daß er deren Fang nicht flieht von euch gebannt haltet den Stand bis daß der Seidene Mund ihn richt zu Grund
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Schwarze Zigeunerinn Schwarze Zigeunerin bist du der Dieb der mir mein Herz gestohlen Sag mirs doch unverholen es ist mir lieb. hätt ich eher drauf gedenkt hätt ich dirs so geschenkt doch bitt ich dich lieb du auch mich Mein Herz laß dein jezt seyn Schenk mir das dein.
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〈im unteren Drittel quer zur Schreibrichtung:〉 Lieber Clemens ich habe dir hier alle Lieder hingeschrieben worin nur etwas war was dir interessant sein könnte und habe damit die Zeit verbraucht in welcher ich dir etwas von mir hatte sagen können, also mit nächstem Posttag Ich habe jezt grosse Correspondence durch ganz Fuld durch ganz Hessen durch einen Theil von Saxen mit Pfarrern Advocaten und Schulmeistern, versteht sich, durch mehre Bekannten die ich dafür interessiert habe. Adieu Bettine
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Von Ludwig von Lichtenberg nach Frankfurt Darmstadt, 24. Juni 1805, Montag
Montag den 24. Jun. 1805. Ich will Ihnen nur mit ein Paar Worten schreiben, daß das Schächtelchen da ist, und daß ich eine sehr große Freude darüber habe. Ich habe heute schon gemerkt, daß ich vor der andern Woche nicht werde kommen können; die Ursache davon will ich Ihnen in Frankfurt sagen. Meinem Vater hat es in Ihrem Hause außerordentlich gut gefallen, und er hat recht viel von Ihnen allen gesprochen, welches mich sehr freut. Übrigens hat er gestern gar nicht seinen brillanten Tag gehabt; wenn er Sie einmal wieder besucht, was er gewiß gerne thun wird, soll er Ihnen hoffentlich noch besser gefallen. Ich möchte Ihnen noch allerley erzählen, auch noch etwas recht Komisches von dem Schächtelchen, | es ist aber, glaube ich, besser, wenn ich damit warte bis ich selbst nach Frankfurt komme; bis dahin habe ich mir vorgenommen, auch noch recht gesund und und munter zu werden. Louis Lichtenberg.
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à Mademoiselle Bettine Brentano à Francfort
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Nr. *136
*136. Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Paris, vmtl. zweites Drittel Juli 1805 B an Sophie Brentano, vmtl. zwischen 22. und 25. Juli 1805:
Savigny schreibt mir daß schon vor 14 Tagen 3 Übersezungen von Günter: Dramen in Paris erschienen sind und die 4ten schon unter der Presse sey.
(Nr. 140,6-8.) B an Friedrich Carl von Savigny, vmtl. Anfang August 1805: Es giebt gewiße Fragen in der Welt die ich schlechterdings nicht beantworten kann 〈…〉 unter dergleichen Fragen gehort die deinige ob ich dein Kind Lieb habe 〈…〉 〈Caroline von Günderrode:〉 Fast fürchtete ich mich von Ihnen vergessen lieber Savigny! Daß es nicht ist, daß Sie mich durch Bettine so freundlich grüsen lassen freut das Günderrödchen herzlich. (Nr. 141,1-5+50-52.)
*137. Von Sophie Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. Mitte Juli 1805 B an Sophie Brentano, vmtl. Mitte Juli 1805: Ein beweiß daß mir dein Brief erfreulich und nicht langweilig war, wie du vermuthest, ist daß ich so schnell antworte. Die Zeiger meines Andenkens wie du sie nennst, verdienen keinen Dank 〈…〉 Du sagst mir in deinem Brief, »das Leben ist kurz der Tod gewiß die Zeit kostbar« 〈…〉 du sprichst mir von einem bestimten Ziel welches gewöhnlich auf den ewig wiederkehrenden Kreis der Lebenserhaltung sich bezieht. von dem Ziel der Wissenschaften. (Nr. 138,1-3+18-20.) B an Sophie Brentano, vmtl. zwischen 22. und 25. Juli 1805: Ich muß dir noch mehr schreiben über deinen Lieben Brief, soll ich dir die Wahrheit sagen er scheint, mehr aus Annährung zu mir, geschrieben zu seyn, als aus bestädigter Theilnahme, obschon er der vertraulichste ist unter all den Briefen oder vielmehr Gedanken die ich von dir kennen lernte (Nr. 140,9-13).
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Vmtl. Mitte Juli 1805
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An Sophie Brentano in Heidelberg Frankfurt, vmtl. Mitte Juli 1805
Ein beweiß daß mir dein Brief erfreulich und nicht langweilig war, wie du vermuthest, ist daß ich so schnell antworte. Die Zeiger meines Andenkens wie du sie nennst, verdienen keinen Dank, denn wahrlich ich gebe nicht um zu geben sondern um zu nehmen. Du sagst mir in deinem Brief, »das Leben ist kurz der Tod gewiß die Zeit kostbar« ich aber sage das Gegentheil »das Leben ist Unendlich und vermehrt sich noch oben drein den wer hier ein einfaches herrliches Leben führt wird bald ein doppeltes darin finden u. s. w., auch sage ich der Tod ist ungewiß maasen es nur bey uns steht denselben ewig zu verbannen. auch sage ich die Zeit ist überflüßig und zur Verschwendung gemacht, denn da das Leben in jeder Rücksicht unendlich ist so muß es auch Kraft seiner Unendlichkeit ohne Ausdehnung das heist ohne Zeit alles verrichten können was es jezt gemachlich in der Ewigkeit verrichtet ich schwäze hier Dummheiten wie du siehst blos um zu rechten Das Günderrödgen sehe ich alle Tage, 2 bis 3 Stunden wo ich bey ihm lerne in der Geschichte. Nun kommt ein Artikel in deinem Brief dem ich mich unfähig bekenne zu beantworten, du sprichst mir von einem bestimten Ziel welches gewöhnlich auf den ewig wiederkehrenden Kreis der Lebenserhaltung sich bezieht. von dem Ziel der Wissenschaften. ich will dir hier in aller Unschuld bekennen was ich mir für eine Idee davon mache, ich denke der Kreis an sich wie auch seine wiederkehrung ist unendlich wie das Leben, wo sich denn Leben und Ziel einander aufheben und auch nicht aufheben sondern mit einander fortgehen in Ewigkeit, dieß Ziel ist die Nahrung des Lebens, das Leben mithin das Leben seiner Nahrung des Ziehls der eine groß und edel der andere nur einen dünen Faden, der dritte bricht gar und giebt sich den willkührlichen Tod der im algemeinen Freilich | das wahre Leben ein bisgen beengt aber doch nicht aufhebt, hierauß kannst du auch schließen wie weit ich glaube daß die Weibliche Natur vorwärts gehen kann, nehmlich gar nicht eben so wie die Männliche, oder weist du einen der mit Gewißheit sagen konnte er habe die hälfte erreicht oder ein 4 tel oder ein anderes Maas, wir wandlen blind und unsere Blindheit ist vielleicht noch das einzige Mittel uns auf Wissenschaft zu leiten denn dadurch das wir manchmal blindlings auf etwas stoßen was uns Impression macht ahnden wir doch zum wenigsten wenn wir sehend wären würden wir der 129
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Nr. 138
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Ungeheuerheit der Wissenschaften ausweichen und uns fürchten wie vor einem Gespenzt, und daher nie zum Gefühl gelangen, aber ich merke eben das meine Worte wohl auch blind auf dem Papier herumwandlen und nicht wissen waß der Gedanke will, deswegen von etwas anderem. vor 4 Wochen erschienen zwei von Philipine Engelhard recomandierte Herrn. Von Führer und Königseck oder stein ersterer wegen ungewöhnlicher Länge des Oberleibes, machte mir bange da ich ihn von Ausen zum Fenster herraus guken sah er mögte das Gleichgewicht verlieren, er ist sehr remarquable wegen ungemeiner frischen Gesichts farbe welche etwas lackähnliches hat, und denn wegen seinen Waden die incognito mit ihm Reisen, und die er der Tante Möhn allein presentiert haben muß, weil sich dieselbe in dieselben verliebt hat, er bat mich sein Andenken bey Melle Engelhard zu erneuern welches ich durch obige Beschreibung hinlänglich gethan zu haben glaube. Dem Clemens sage doch daß eine Azel an die stelle des Adlers gekommen ist, die den ganzen Tag mit goldnen papiergen spielt aber nicht unter meiner Protection steht wenn Arnim herkömmt so soll er ja mit kommen ich will ihm | auch etwas sagen und etwas für dich mitgeben, aber er soll bald kommen, denn ich will dir unter dem Siegel des Geheimnißes sagen daß Franz eine kleine Reise ungefehr in 14 Tagen am Rhein machen will, und daß er mich vielleicht mitnimt, da könnte mir der Clemens den Spaß machen auch mit zugehen, besonders soll er hübsch freundlich seyn gegen Tonie denn Arnim grüße ich hier nicht besonders, denn da er wie ich vermuthe die Schönheit in seinem Gemüth begreift so ist mein Leben ohne hin ein Gruß an ihn Adieu erhalte mir Dein freundlich Herz Bettine Brentano Das Gedicht werde ich erst morgen mit Günterrödgen lesen.
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Von Sophie Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. etwa 20. Juli 1805, Sonntag
Du hast wirklich recht, liebe Bettine, und mehr als Recht, denn mein Brief war nicht allein mehr aus Annäherung zu dir geschrieben als aus Bestätigung, sondern vielmehr ganz allein deswegen; er war eigentlich 130
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der erste, wobei es mir einigermaßen bequem u behaglich zu Muthe war. Woher das kömmt mag ich weiter nicht untersuchen. Untersuchungen sind hier gegen die Landessitte; in Heidelberg sucht man, findet u stirbt, das Volk hier lebt so sehr in die Breite, daß an gar kein langes Leben zu denken ist. Doch ist es angenehm hier zu sein, weil ein aufblühender Ort immer einen sehr erfreulichen Eindruck macht. Seit einigen Tagen ist auch Voß hier angekommen. Er kam zu uns u hat mir beßer gefallen als ich vermuthete. Wenn er die Augen niederschlägt hat er etwas unstätes u trübes wie ein Nachtvogel, blickt er einen aber an, so ist er sanft freundlich, wie ein Flachsfeld voll heller, blauer Blumen. Du hast mir auf meine wichtigen Fragen, von wegen der weiblichen Natur, etwas schnippisch, etwas witzig u etwas gutmüthig geantwortet; es war mir aber gleichwohl rechter Ernst, deine Meinung zu wißen. Auch, was ich von der Günderode schrieb, meinte ich wirklich. Jede Frau, die sich zu irgend einer Kunst oder Wißenschaft berufen fühlt u sich ihr widmet, soll es auf eine ernste, feste u besonnene Weise thun – nicht etwa wie ich, die sich dabei einer Menge von Schicksalen u Neigungen preis gab –. Dies meine ich, könne der G. vorzüglich gelingen, u deshalb wünschte ich wohl, sie untersuchte einmal die Frage – da sie sich so sehr mit dem Orient beschäftigt, warum die Türken nie Kunstwerke gehabt haben u haben werden? Ich fragte Clemens, was er mir für dich zu sagen habe, er schreibt dir aber selbst. Auf jeden Fall siehst du die Beiden bald in Frankfurt, u wirst alle Veranlaßung haben, dich an ihrer Ausgelaßenheit zu ergötzen, die so groß ist, daß du sie eigentlich gar nicht einlaßen solltest. Leb wohl, du liebes, schreib mir bald, wenn du Lust dazu hast, u grüß die Brautleute, wenn sie anders vor Küßen das Grüßen hören können. Deine Sophie. Demoisell Bettine Brentano im goldenen Kopf in Frankfurt am Main.
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Nr. 140
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An Sophie Brentano in Heidelberg Frankfurt, vmtl. zwischen 22. und 25. Juli 1805, Dienstag und Freitag
Liebe Sophie Ich hatte in der Eile und Übereile meines lezten Briefs ganz vergessen dir über deine Angelegenheit von Willmans zu schreiben von welcher eigentlich nichts zu sagen habe als daß er hier und dein Brief besorgt ist, ich und Güntherrödgen haben dein Lied zusammen gelesen sie findet mit mir daß es den schönsten Trost für dich enthält. Savigny schreibt mir daß schon vor 14 Tagen 3 Übersezungen von Günter: Dramen in Paris erschienen sind und die 4ten schon unter der Presse sey. Ich muß dir noch mehr schreiben über deinen Lieben Brief, soll ich dir die Wahrheit sagen er scheint, mehr aus Annährung zu mir, geschrieben zu seyn, als aus bestädigter Theilnahme, obschon er der vertraulichste ist unter all den Briefen oder vielmehr Gedanken die ich von dir kennen lernte indessen hier waltet das Schicksal und unser Wille ergiebt sich, es wird wohl noch eine Zeit kommen wo unser Wille waltet und das Schicksal sich ergiebt. Daß ich dir auf die frage die Weibliche Natur belangend so barsch antwortete war Spielerey, es war mir nehmlich als würfest du mit dieser Frage einen Stein vor mir ins Wasser und das Wasser sey mir davon in das Gesicht gesprüzt, ich wollte mich rächen und warf wieder einen hinein. indessen kann ich deine Frage auch ernsthaft nicht beantworten, ich habe zu wenig Erfahrung, und denn meine ich daß um sie zu beantworten müße ich schon eine ganz reine Erscheinung der Weiblichkeit gesehen und gefühlt haben, ich glaube aber daß diese eben so wie die der Männlichen selten, ja nie zum Vorschein kommen, und daß beide von jeher so gemischt waren wie ihre Vorfahren und auch daß keine vor der andern, in sich selbst, mehr Vorzug hat. soll ich dir aber sagen wo ich denke, daß der Menschliche Geist am besten und kräftigsten wirken könne (versteht sich von Menschen die den Faden des Erlernens von Kindheit an mit sich führen) da wo jugend sich zum ersten und leztenmal mit dem Alter vereint bis sie nach und nach sich von dem Aüseren ablöst und nun eine innige Verbindung stiftet mit ihrem ineren Geist, ihre jungen Ahndungen als Brautschaz mit bringt und zu den gesamelten Schäzen und Erfahrungen ihres Bräutigams bringt, dieß ist auch wohl der süseste Genuß der Liebe den ich mir denken kann. Der Loulou ihr Brautschaz besteht in ganz anderen Dingen und ihr Genuß wird denke ich 132
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auch ziemlich von anderer Art seyn indeß dieß ist ja sehr kurzweilig und artig daß ein jeder Mensch sich seinen Himmel auf Erden nach eigner Idee und Art baut, schade daß so mancher nach mühseeligem erbauen, ganz ohne Müh wieder zusammenfällt, oder auch eben | so mühseelig aussieht als sein Schöpfer und Bewohner. Dem Clemens einen schönen Gruß ich lasse ihm gradulieren zu der Erhöhung seiner Büste bey mir welche jezt nebst dem Gefolge von 3 blumengläßern von dem 4 Schue hohen Comode auf den 6 Schu hohen Bureau gelangt sind, um dem Portrait der guten Frau (zur Zeit ihrer Abconterfayung aber noch 14jahrigen jungfer) Mama Platz zu machen. ich habe unlängst herzlich lachen müßen da ich sah daß der gute Clemens eine Perücke von Gips auf hatte, aber wie verwandelte sich mein Lachen in Schrecken als ich sah daß sein Gesicht Weiß und Weise und Weissagend wie ein Geist auch von Gips war ich wollte dir hiermit, nur Alegorisch begreiflich machen wie ein reelles Kunstwerk die zwei entgegengesezte Wirkungen in demselben Wesen hervorbringen können ich bemerkte aber nicht daß es zwei verschiedne Dinge nehmlich Perücke und Kopf waren die diese zwei Würkungen in mir hervorbrachten. Du siehst wie ich Schwazen kann und nichtig seyn kann und Dummheit schwäzen kann adieu grüße das Engelhardgen Adieu lieber Clemens und Arnim Bettine Der Brautigam betrübt am Krankenlaager seiner Braut sizend läst dich vereint mit ihr, grüßen unbekannterweise
A Madame Sophie Brentano Heidelberg
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An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, vmtl. Anfang August 1805
Lieber Savigny Es giebt gewiße Fragen in der Welt die ich schlechterdings nicht beantworten kann theils weil ich keine Worte habe um das auszudrücken was man verlangt theils weil mir auch Stillschweigen lieber ist, unter dergleichen Fragen gehort die deinige ob ich dein Kind lieb habe, aussprechen kann ich mein Gefühl nicht du must also erwar133
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ten mich zu sehen. Daß ich dein Gefühl für dein Kind ehre wie alles was du emfindest kann ich dir wohl sagen und auch das der Himmel sich in deiner Vaterliebe auf eine herrliche Weise geoffenbahrt hat, und auch daß ich nie etwas anders seyn mögte als dein Kind daß ich fühle es ware mir damit geholfen für immer, daß ich alsdenn alles mit leichter Mühe thun würde was mich sonst Überwindung kosten mögte, wahrhaftig lieber Habihnnie, wenn ich etwas lerne, wenn ich etwas erdenke, wenn mein Leben sich mehr von der Gemeinheit ablöset, so bist du schuld daran, denn ich thue es dir zu lieb, Meine Gedanken über die Geschichte waren zwar nicht für den Augenblick nur, denn ich glaube sie sind wahr vielleicht Kindisch, allein ich will sie dir doch nicht schicken ich habe sie alle zusammen geschrieben ich denke wenn du herkömmst so magst du sie lesen und ich mit. Dein Budin dein treuer Budin küst dich, herzt dich, liebt dich in seinem innersten Herzen, er wird sich dir unentbehrlich machen wie ein edles Glied deines Leibes, ich hab Dich sehr lieb Habihnnie Es steht mir etwas bevor, Arnim wird in wenig Tagen hier seyn Schön an Leib und Seele, es soll mich wundern ob ich ihn eben noch so lieb haben werde wie vor 3 Jahren, denn lieber Habihnnie ich habe mich sehr verändert seitdem ich dich nicht sah, ich habe jezt ganz andere Liebe im Herzen als sonst Arnim ist noch in Heidelberg bey dem Clemens dem ich seit dem Tod seines lezten Kindes häufig geschrieben habe um mit meiner Theilnahme ihn etwas zu trösten, du der du dein Kind so lieb hast wirst am besten einsehen können wie traurig es ist es zu verlieren und wirst daher ihm auch schon theilnehmend und tröstend geschrieben haben. Dem Mulin sage, daß mich Haarbauer sehr viel geküßt hat von wegen ihr, er sagte die Küße wären alle von dem Mulin 10000000000000 an der Zahl und in eigener Person ihm überlievert worden mithin wollte er sie auch alle selbst wieder geben, ei Mulin du hast dich angegriffen, der Lulster heurathet in 8 Tagen und der Budin wird in der Ganzen Stadt ausgelacht weil er sizen zu bleiben scheint, dem Lulster sein Brautigam ist gut aber dumm das heist Gemein der Lulster merkt es aber nicht er ist vor lauter Liebeley krank liegt im Bette und hat Nerven zuken der Brautigam sizt bey ihr und wird manchmal über ihre zwar unbedeutende Krampfe blaß und roth der lulster last die Gundel grüßen er hat schon einen Brief andich angefangen liebe Gundel kann ihn aber wegen bevorstehender naher Mariage nicht zu ende bringen, er hat sich ganz prachtig austafiert der Budin verharrt aber 134
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immer noch treu in seinen treuen Lumpen euer Freund und Gonner Budin Ich Glaube der Franz läst sich nie bewegen wenn ich nicht heirathe mir meine Hemden zu renovieren dieß nur neben bey bemerkt 〈Caroline von Günderrode:〉 Fast fürchtete ich mich von Ihnen vergessen lieber Savingnÿ! Daß es nicht ist, daß Sie mich durch Bettine so freundlich grüßen lassen freut das Günderrödchen herzlich. Denn es ist Ihnen von Herzen gut. Den Mahomed hab ich Ihnen nicht schikken wollen weil ich zugleich eine vortheilhafte Rezension mit anbinden lassen mögte, wie sonst große berühmte Gelehrte pflegen, allein auf eine solche Rezension warte ich immer vergebens, Sie müssen also noch warten lieber Savingnÿ. adieu Caroline a Monsieur de Savigny a Paris
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*142. An Sophie von La Roche in Offenbach Frankfurt, 14. August 1805, Mittwoch Sophie von La Roche an Meline Brentano in Paris, Offenbach, 15. August 1805: Meline! da du Liebe! mir selbst schriebest du würdest mich bald
sehen und Bettina gestern mir meldet – Ihr gute Kinder kommt in 6 wochen, so bleibt mir nichts als Euch glückliche Rückreise zu wünschen (Düringsfeld 1870, S. 296).
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Von Sophie von La Roche nach Frankfurt Offenbach, 22. August 1805, Donnerstag
d* 22 august 1805 Liebe Bettina! lehne mir nur auf 24 stund, das Expl von Voß, oder Stolbergs übersetzten Homer – ich muß nach einer Botanistin, um sehen – 135
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ist Frau Toni wieder zurük? u wenn seh ich dich wieder? adieu u schöns an alle von
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alt gut großmutter la Roche 2v
á Mademoiselle Bettina Brentano á franco Francfort
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*144. An Clemens Brentano in Wiesbaden bzw. Heidelberg Frankfurt, vmtl. 24. oder 25. September 1805, Dienstag oder Mittwoch Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Heidelberg, 27. September 1805: Heute Morgen erhielt ich Betinens Brief nach Wisbaden, es war
nicht Uebereilung, es war Instinckt, daß du ihn erbrachst, denn er spricht nur von dir, und ich lege dir ihn bei, um dir eine Freude zu machen, besonders aber bitte ich dich, herzlich in Erwägung zu ziehen, wie sie mich deiner Freundschaft, die mir nun in diesem Leben das einzig Bleibende ist, glücklich preißt (WAA XXXII, Nr. 392,2-7).
*145. Von Clemens Brentano nach Marburg Heidelberg, vmtl. letztes Drittel November/erste Hälfte Dezember 1805 Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Heidelberg, 20. Dezember 1805: Von Marburg habe ich noch keine Zeile gehört, wenn gleich geschrieben, die Leutchen stecken warm untereinander. (WAA XXXII, Nr. 406,170-172.)
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Vmtl. letztes Drittel November 1805
*146. Von Claudine Piautaz nach Marburg Frankfurt, vmtl. letztes Drittel November 1805 B an Claudine Piautaz, vmtl. erstes Drittel Dezember 1805:
mit Recht jammerst Du nach einem Bericht meiner Abentheuer 〈…〉 Wenn Du mir ein paar Strumpfbänder schenken willst, 〈…〉 so thue es bald
(Nr. 149,1-2+16).
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An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. letztes Drittel November 1805
Wenn die Sonne die herrlichste Gegend erleuchtet, die ich hier von meinem Fenster aus übersehe, und allen Nebel wegnimmt, so daß ich alle die Pfade und Bächlein, die kleinen Stege, Brückelchen und sonstige Anstalten zum Fortkommen des Wanderers fest und klar und gangbar vor mir sehe, wenn ich bedenke, wie ein jeder dieser kleinen Pfade in eine andere Gegend, in einen andern Ort und endlich in ein anderes Land führt, wie auf jedem dieser verschiedenen Wege eine verschiedene Begebenheit unser Leben erwartet und mit sich fortzieht, wie da schon vorher Ruhe oder Leidenschaft, Glück oder Unglück bereit ist, uns zu empfangen, je nachdem wir uns wenden, und wenn ich zugleich bedenke, wie herrlich der Leichtsinn ist, der den ersten dieser Wege lustig antritt, dem keine Zweifel, keine Ahndungen Unruhe machen, der mit Gott im Herzen sich freiwillig und mit Kühnheit dem allgemeinen Gewebe preisgibt, der das Leben aufsucht, wo es am schönsten blüht, und es genießt mit Kraft, so kann ich mir gar nicht denken, daß alle diese Wahrheiten Dir nicht auch einstens Deine Schüchternheit werden überwinden helfen, daß Du nicht wirst Sehnsucht haben, Herz fassen zu lernen. A c h , w e n n D u w ü ß t e s t , welche Seligkeit es ist, ein Herz zu fassen, besonders wenn man dies Herz liebt, – deswegen bin ich auch jetzt etwas unselig, weil ich das gel i e b t e H e r z n i c h t g e f a ß t h a b e . Kannst Du Dir nicht vorstellen, wie schon darin große Wollust liegt, wenn man mit jedem Schritt, den man ins Leben thut, die Kraft noch mehr zu thun, in sich vergrößert fühlt, wie man endlich Herr wird, wo man Sklave war, wie alle romantischen, unmöglich scheinenden Pläne nach und nach aus 137
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ihrem Dunkel hervorziehen, sich an dem Licht der Kühnheit deutlich und klar entspinnen und sich leicht und thunlich darstellen, ich sage Dir, wenn Du hier von meinem alten Festungsturme herabsehen könntest, dessen Aussicht vom Feldberg begrenzt ist und den ich alle Abend nach Sonnenuntergang ganz allein besteige, die Liebe Gottes, das feste Vertrauen auf ihn und der Mut, das Leben, welches er Dir darbietet, in seiner ganzen Fülle zu genießen, würden in stolzen Wellen aufbrausen und an die Brandung Deines Herzens schlagen, mit Gewalt, und es endlich mit sich reißen in die hohe Flut. Würdest Du dann Deinen Freund nicht freudig umarmen, der am Eingang Deines Kerkers Deiner wartete, um mit Dir Hand in Hand zu gehen? Wann einmal wieder die Oper »Axur« gegeben wird, so gehe mir zu lieb hinein und merke auf die Arie, die so anfängt: »Mich verlieren« bei den Worten, Bei drohenden Gefahren Will ich zum Trost dir eilen, Mit dir den Kummer teilen, Vertraue nur auf mich. Mir hat diese Musik immer das Gelübde abgelockt, die Gefahr einstens aufzusuchen, um sie teilen zu können mit dem Freund und ihn zu trösten. Mein Gott! ich habe niemand, mit dem ich ernstlich sprechen könnte, ohne daß er mir gerade ins Gesicht sagen würde, Du sprichst Kinderei, Du lügst, Du bist gespannt, Du extravagirst und meistens in den Augenblicken, wo mir Gott mehr die Gnade verleiht, mich in der Sprache auszudrücken, welches nur selten geschieht; Du allein, wenn Du auch nicht zu meinen Ideen eingingst, hättest doch eine Art von Achtung vor denselben, wie vor aller Phantasie der Dichter hat. Savignys Liebe zu mir scheint auch nichts Bedeutendes hervor zu bringen; er sagte mir zwar anfangs, daß ihn mein Zutrauen freuen würde, ja, daß er nicht vergnügt sein könnte ohne meine Liebe ( i c h glaube die Bitte um das tägliche Brot macht den W e i n v e r g e s s e n ) , indessen ist er doch immer der beste unter den Menschenkindern und man mag ihn mit Recht den Engel nennen, und wenn er mich auch nicht dazu auffordert, ihm meine Gedanken mitzuteilen, so fordert mich sein Anblick doch auf, gut zu sein und Gedanken zu haben, die seiner Teilnahme wert sind. Ich fühle eine gewisse Freude dabei, wenn ich so mitten unter den anderen in einer Art 138
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von Einsamkeit lebe, von der niemand weiß. Du warst mir in meiner Einsamkeit oft, was das Echo dem Dichter sein möchte, der sich seine eigene Poesie wieder darstellen will, das heißt, ich sprach bei Dir alles, als wenn ich allein wäre, sprach nicht um Deinetwillen, sondern um Gottes willen. und in dieser Hinsicht ist mir auch das Echo ein großmütiger Freund, ein lieber Freund, dem ich ewig Dank schuldig bin und den ich zum Teil an Dir abverdienen will durch Treue, Wahrheit und Teilnahme an Deinem Schicksal, durch Ehrerbietung gegen Dein Gemüt, wenn Du Dich mir nur nicht entziehen willst, wenn Du nur immer Dein Vertrauen zu mir stärken und erhalten willst. Wir haben ja doch nichts anderes auf der Welt als dies, aber dies eine ist auch ein Stamm, der einstens einen grünen Zweig hervorbringen soll (und lache nicht über das, was Ich hervorbringen will). Dem alten Klausner teile meine Briefe manchmal mit, wenn Du glaubst, daß sie bedeutend genug sind, um ihm Freude zu machen, und lasse sein getreues Herz nicht verschmachten, gib ihm etwas von unseren ehemaligen Zusammenkünften preis und unterhalte und bilde seine Liebe zu mir, er hat E n e r g i e . Von unserer Wohnung will ich Dir auch etwas sagen, Meline und ich haben ein sehr schönes Schlafzimmer, welches gleicher Erde mit dem daranstoßenden Garten ist und in welchem gerade eine Hecke dicht vor den Fenstern hergeht, aus dem Schlafzimmer geht man in das, worin wir lernen, welches aber von einem hohen Berge die Aussicht über die Stadt ins weite, weite Feld hat, gelt Du, sehr schön! Ich bin meistens allein in diesem Zimmer, und wenn Meline da ist, so merke ich sie nicht einmal, so lieb und gut und still ist sie, und ich bin froh, mit ihr zu wohnen. Savigny und Gunda wohnen in ihrem eigenen Häuschen, wo wir auch zu Mittag und zu Nacht essen, und wenn Savigny lustig ist, so bin ich immer sehr froh und glücklich; wenn er sein Kind betrachtet und Freude an ihm hat, so betrachte ich ihn und habe auch Freude an ihm und wünsche dabei, ich hätte auch einen Vater, der mich betrachtet und Freude an mir hätte; wie wollte ich mich ihm zu Gefallen so freundlich und artig geberden. Adieu, Gott sei mit Dir, wie habe ich mir zu Gefallen doch so viel mit Dir geplaudert. Von meinem Lernen schreibe ich Dir nächstens. Bettine.
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Die Bettine will haben, ich soll Dir sagen, daß ich diesen Brief gelesen habe. Ich sage noch mehr, nämlich, daß mir alles, was ich seitdem von Dir höre, über Erwartung wohl gefällt und daß ich Dir in diesen Tagen 105 ordentlich schreiben werde. Savigny.
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Von Caroline von Günderrode nach Marburg Frankfurt, vmtl. erstes Drittel Dezember 1805
Liebe Bettine! Dein Brief hatt mir Freude gemacht und ist ein gesundes, munteres Leben darin, das ich immer lieb in Dir gehabt habe. Wenn Du einige Stunden in der Geschichte genommen hast, so schreibe mir doch darüber, besonders in welcher Art Dein Lehrmeister unterrichtet, und ob Du auch rechte Freude daran hast. An den Mährchen habe ich die Zeit sehr fleißig geschrieben, aber etwas so leichtes, buntes wie mein erster Plan war, kann ich wohl jetzt nicht hervorbringen, es ist mir oft schwer zu Muth, und ich habe nicht recht Gewalt über diese Stimmung. Grüße Gundelchen von mir und sage Savigni, ich würde ihm bald antworten. Karoline.
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An Claudine Piautaz in Frankfurt Marburg, vmtl. erstes Drittel Dezember 1805
Lieber Clausner mit Recht jammerst Du nach einem Bericht meiner Abentheuer, da sie bey Dir so höchst selten sind, aber um Dich zu befriedigen müßte ich wahrlich meine Zuflucht zum Lügen nehmen, denn um doch einmal die Wahrheit zu sagen hier sind die Abentheuer weder für Geld noch für gute Worte zu haben, von seltsamen Menschen, wunderbaren Caracteren, könnte ich Dir vielleicht noch eher interessante Nachrichten mittheilen, z. B. ein Friseur sein eigentlicher 140
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Name ist zwar Picheri, sein Verhängnis aber hat (höchst merkwürdig) über ihn beschlossen, diesen Namen in den von Pichlern zu verwandlen, sein Stand ist zwar Menschen die Haare zu frisiren, sein Schicksal aber ist so planmäßig mit ihm verfahren (vermuthlich um seinem Caracter ins Gleichgewicht mit seinem verkezerten Namen zu helfen) ihm viel mehr Gänse und anderes Federvieh in die Hände zu spielen denen er die Flügel und zuweilen auch die Köpfe abfrisirt, dieser Art Menschen spielen hier in allen Farben doch ist er der grellste von allen. / Wenn Du mir ein paar Strumpfbänder schenken willst, lieber Clausner, so thue es bald denn ich bin derselben sehr benötiget, und laß die Farbe dunkelroth sein, sie steht am besten zu meinem Bein. / Ich kann mir denken lieber Clausner daß Du jetzt recht einsam und verlassen bist, Du hast jetzt wohl niemand mit dem Du vertraulich plaudern kanst, ich bitte Dich lasse Dich deswegen nicht hingehn wie ich oft that und werde nicht schlampig in Deinem Gefühl, gehe oft zum G ü n d e r , er wird Dich nicht verlassen ich habe ihm darum geschrieben, und lese meine Briefe an ihn sie sind auch für Dich, unterhalte ihn auch in den Gesinnungen, die ich ihm bey zu bringen suche. / Ich selbst bin im Wiederspruch mit Gott und der Natur, denn er läßt seine Winde brausen und ziehen von Westen nach Osten, und in mir ist aller Sturm gelegt, und die Ruhe logirt zum ersten mal n a c h l a n g e r Z e i t bequem bey mir, aber nicht f ü r l a n g e Z e i t denn eh sich dieß Blatt umwendet ist es vielleicht (hier endet im Manuskript die erste Briefseite) schon anders, in einem einzigen Punkt bin ich standhafter als die Natur selbst im Wetter, es mag Winter oder Sommer Frühling oder Herbst seyn, bey mir ist es immer Apprills Wetter, ja wenn die Sonne immer bey mir schiene bis Einer kömmt so würde ich mich in den Schatten laagern und da auf ihn warten, da ich aber noch immer Schnee und Kälte zu erwarten habe so darf sich die Blüthe meines Glückes noch nicht entfalten, damit der vogt nicht in den zarten Schoos der jungen Rose fällt das heißt, damit der Tod meine Jugend nicht überrasche und meiner Irdischen Seeligkeit den Athem benehme. / Clausner wenn Du mein Freund seyn willst, so darfst du nicht lau seyn, Du mußt warm seyn, ich wollt ich hätte Dich hier in Marburg, um Deine Freundschaft zu cultiviren, es ist hier ordentlich ein altes Gemäuer dazu eingerichtet um die lauen (unleserlich) wieder zu erwärmen, und wenn Du, blos und nackt in Wind und Wetter auf diesen alten Thurm steigest so wird Dein Herz mit warmer Andacht erfüllt, alles bessere treibt in Dir empor wie eine exotische Pflanze, die plötzlich wieder in 141
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ihr Vaterland versetzt wird, ich ermangle auch keinen Tag, diesen Thurm zu besteigen, meine guten Entschlüsse da zu befestigen, an den Arnim zu denken, und Gott um die Fortsetzung der Schönheit und Reinheit seiner Lebens Geschichte zu bitten. Auf der Gallerie ist noch ein angefangener Ofenschirm von mir wo Arnim hinein gezeichnet hat. Trenne ihn loß (aber Du selbst) und schicke ihn mir, die Handschue behalte noch in Verwahrung sie sind mir zu lieb als daß ich sie der Reise ausezen mögte, grüße die Marie der Tonie schreibe ich morgen. BETTINE BRENTANO. / Den Moriz diesen ehemaligen Ableiter meiner Herzensstürme grüße ich von Herzen, ich bitte Dich sorge für meinen Orangenbaum daß er zuweilen begoßen werde und daß er nicht zu warm habe.
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An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. zweites Drittel Dezember 1805
Ich mögte Dir zwar gerne eine Beschreibung unsers Studiums in der Geschichte geben, wenn ich nur ein mal so weit wäre, einen vesten Standpunkt in ihrer Ansicht zu erlangen, mein Meister scheint nach grade eine Klippe zu seyn, an welcher mein Studium wonicht scheidern, jedoch vest sizen wird, und – es hat mir noch nie so sehr an Mitteln gefehlt, es wieder flott zu machen, an die specielle Geschichte Griechenlands, ist nun ein mal gar nicht zu denken unser Lehrer ist von einem Religionsgeist besessen, der ihm keine andere gründliche Untersuchung und Auslegung erlaubt, als die der heilig. Schrift, – ich werde da her höchstens in dem Judenthum einige Kenntniß erlangen welches mir eigentlich lieb ist, zudem ich für mich allein gewiß nichts darin würde gelernt haben Musick lerne ich mit Gewallt, das heist die Mechanick derselben, mein Meister im Generalbaß ist wahrhaftig wie ein Blinder den der Lehrling jeden Augenblick in Koth werfen kann, zu Zeichnen habe ich auch wieder angefangen und wundere mich sehr 〈〈da〉〉ß ich in der Langen Zeit wo ich nichts gethan habe nicht nur allein nichts verlernt sondern vielmehr profitiert zu haben scheine. Dieß alles mag wohl von der großen Ruhe und Stille in mir und der Natur herrühren, dichten kann und mag ich jezt nicht, ich habe mehrere Recentionen von Göthe über jezige Dichter gelesen, und wenn er darin von vestem Gehalt, von 142
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reinem Ton, von ernster Tiefer Kenntniß spricht so emfind ich eben so wohl ernste Tiefe Ehrfurcht für die Dichter, aber wie sollt ich mich wagen ohne Vorbereitung, ja es kömmt mir sonderbar kühn vor, wie mancher nur seiner eignen durch Tausend böse Leidenschaften erhizten Phantasie folgt, wie Eitelkeit ihn Treibt nach falschem Ruhm zu haschen, muß da nicht die heilige Natur (welche doch allein den wahren Weg bezeignet) ihn verlassen, und ihn als einen verlohrnen Sohn betrachten, wenn in jedem Augenblick wo sie ihm ihre Tiefen erschließt, die Weltlichkeit ihn unfähig macht sie zu erkennen, ach wahrlich es ist keiner so groß sich von Verhältnißen nicht niederdrücken zu lassen glücklich der dessen Fuß über Gebierge schreitet, dem werden sie doch nicht | über dem Kopf zusammen wachsen, du sprichst mir von Schwermuth in deinem kleinen Brief, ich bitte dich, brühfe dich doch ob es nicht aus Mißmuth über deine Lage ist, ob es nicht Kleingläubigkeit ist, ob es nicht Mangel an einer der 3 Göttlichen Tugenden ist, das erste ist den Glauben an dein Schicksal nicht zu verlieren deine Lebensgeschichte nicht als begränzt zu denken, in dem lezten Augenblick wo das Licht zu verlöschen scheint, kann es ja noch herrlich und groß entflammen, und das Leben von allem Unrath und Schmach reinigen hier mit ist die Hoffnung auf das engste verknüpft, wie du wohl einsiehst, und die Liebe. – Die Liebe zu dieser Erschaffung, zu dieser Offenbahrung der Herrlichkeit und Weißheit Gottes ist jedem bessern eingepflanzt, und du wirst dich wohl hüten dein Gewissen darinn zu verlezen und Mißtrauen gegen dich selbst zu hegen, ich weiß zwar nicht ob du genugsames Gewicht auf meine 〈〈Fr〉〉eundschaft legst, (das heist so sehr als ich es verdiene), allein das macht mir um meinetwillen wenig Sorgen wenn du mich nicht vest glaubst, so werde ich dich einstens mit der Wahrheit meines Daseyns überraschen, wir müßen noch mit einander eine große Freyheit erringen, wir dürfen nicht als Vormünder unserer jugendlichen Natur sie um ihr Gut betrügen, werden wir denn die Scham ertragen die uns vielleicht in einem andern Leben befallen wird wenn wir sehen, welche Kleinlichkeiten uns Muthlosigkeit einflösten, glaube nur nicht das ich schwärme ich bin ganz bey Sinnen, ich will nicht alles durch einander werfen um mir einen Weg zu bahnen, ich will bedächtig und mit Gewißheit gehen, ich will den Respeckt für Philister nicht verlieren im Gegentheil, ich will die Zeit zu Rath ziehen, ich will warten ich will Klug und listig seyn. Gott ich könnte weinen wenn ich dächte das du bey Lesung dieses Briefs lachtest, wenn du mich für einen Narrn hieltest, indessen 143
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wünschte ich doch die Wahrheit | deiner Gesinnung über mich zu erfahren, zu erfahren ob du es nicht nur allein der Erfahrung sondern auch der hellen klaren Vernunft gemäßer hälst an alle dieß nicht zu glauben, keinen Enthusiasmus als Waffe gegen die Gemeinheit zu gebrauchen, sondern sich an den bisher Staduirten Exempel der verunglückten Waghälse zu begnügen, und Friede zu schließen mit den gemachten Menschen in dem wir einen Damm vor den gewaltigen Strohm (der Natur und Freyheit in uns) Bauen welcher sie vor überschwemmung ihres gemachten Eigenthums schüzet. Adieu, ich bin dir so gut, ich meine es so ernstlich, wenn alle dieß nur Blindheit in mir wäre, wenn es nicht das wahre wäre dann wäre die Jugend auch Blindheit und die Freude und die Liebe, und die Sehnsucht wäre lauter Lug und Trug. Ich bin dir zwar sehr Freund glaube aber nicht daß ich es aus Schwachheit bin, weil ich eine Stüze haben muß (obschon du mir wirklich eine seyn wirst, wenn du dich mir nicht entziehst) sondern weil ich es größer, besser, finde den Freund zu erhalten weil in der Beharrlichkeit die Größe aller Werke und Geschöpfe enthalten ist, in dieser Rücksicht rechne ich auch auf deine Freundschaft, denn wenn ich sie blos durch mein Verdienst hätte erhalten wollen, so hätte ich schon lange daran verzweifelt. Antworte mir bald, nicht ausführlich, nur will ich wissen ob ich die Wahrheit spreche, je nachdem ich mich dann zurück ziehen oder in Deinem Herzen verbreiten werde. Bettine Mademoiselle de Gunderode im Krohnsteder Stift auf dem Roßmarkt Francfurth
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Von Caroline von Günderrode nach Marburg Frankfurt, vmtl. zweite Hälfte Dezember 1805
Dein Brief hat mich gefreut u gerührt, auch glaube ich an den Ernst deines Willens, u deine Beharlichkeit; nur eins noch macht mir bange, es ist dies das in allem was du mir bis jetzt von deinem Plane gesagt hast, mir nichts ausführbar, wenigstens für mich ausführbar erschienen ist; ich weis nicht wie viel du thun kanst, aber so viel ist mir gewiß, 144
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daß mir, nicht allein durch meine Verhältniße, sondern auch durch meine Natur engere Gränzen in meiner Handlungsweise gezogen sind, es könte also leicht kommen, daß dir etwas möglich wäre was es darum mir noch nicht sein könte. Du must dies bei deinen Blikken in die Zukunft auch bedenken. Thue mir doch den Gefallen u schikke mir gelegentlich die Ubersetzungen | ins Französische von denen Savigni mir gesagt, u sie mir auch versprochen hat. Lebe wohl Liebe u ermüde nicht fleißig zu sein. Karoline.
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Mademoiselle Bettine Brentano chéz Monsieur Le Professeur de Savigny maison de M. le Professeur Marbourg Weis.
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*152. An Clemens Brentano in Heidelberg Marburg, etwa 27. Dezember 1805, Freitag Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, 1. Januar 1806:
Betinens Brief ist klarer und ruhiger, als irgend einer ihrer Vorhergehenden, aber er hat in sich etwas Trauriges, das durch seine Leidenschaftlosigkeit noch trauriger ist. Es ist so waß überreifes, mit den geistvollsten, schönsten, blühendsten Reden, mit voller Fantasie, Erfindung, Ordnung und Darstellung sagt sie das sie zu dichten keinen Muth habe, daß sie ruhig sei, aber nicht glüklich daß sie einsam sei, aber nicht gesammelt, sie hat den Willhelm Meister wieder gelesen, und sagt folgendes: / Als ich ihn zum erstenmahle laß, hatte mein Leben Mignons Tod noch nicht erreicht, ich liebte mit ihr, ich nahm mit ihr keinen Antheil an dem übrigen Leben des Buchs, sah nur ruhig zu, ergriff alles, waß die Treue ihrer Liebe angieng, nur in den Tod konnte ich ihr nicht folgen. – . Jezt fühle ich, daß ich weit über diesen Tod ins Leben hinein gerückt, aber auch um Vieles unbestimmter bin, schon so früh drükt mich mein Alter, wenn ich daran gedenke. Das schöne Erdbeermadchen ist jezt bei uns, es hat gestern zum erstenmal in meiner Stube geschlafen, und grüßt dich. Ich habe angefangen eine 145
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Nr. *152
Decke über Arnims Taufgedicht 〈Bey der Taufe Bettinens von Savigny, Mitte Oktober 1805 auf Trages; vgl. Arnim/W V, S. 870 f., 1526 f.〉 zu sticken, mit zwei schönen Kränzen von allerlei bedeutungsvollem Laub. Seine irdischen Lieder werden heilige Martirer unter meinem Musickstudium, wäre ich denn nur auch so glücklich ihre Seeligkeit durch das Nachspiel auszudrükken, allein Seeligkeit, hat nie eines Menschen Ohr gehört. Wir leben auf unserm Berg sehr einsam, selbst Christian, der Tag und Nacht studiert sehn wir selten. – Dies ist etwa waß dich im Briefe interessiren kann (WAA XXXII, Nr. 415,103-126). 1806 153.
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An Claudine Piautaz in Frankfurt Marburg, vmtl. Januar 1806
Lieber Clausner. Du bist ein recht lahmer Correspondent wenn ich nicht dächte, du begingst alle diese negativen Sünden aus Unschuld, so wüßte ich nicht wie ich dir so leicht vergeben könnte ohne Ungerecht zu seyn. Meline ist schon seit 4 Tagen im Bett sie hat ein starkes Halsfieber, woran hier fast alles krank liegt Gunda muß auch alle Tage vor Sonnenuntergang zu Bett, was es bedeutet kann ich nicht deutlich erkären Savigny ist bey ihr, und da diese beide in einem andern Hauß wohnen so bin ich jezt ganz allein mit Meline die ganz still und ruhig in einem Nebenzimmergen liegt. Diese Einsamkeit reizt mich sehr und ich fange an zu glauben daß ich gar nicht für das Gesellschaftliche gebohren bin, ich kann hier meiner Fantasie nachgeben ohne mich zu erhizen, durch den Wiederspruch meiner Umgebung; ich fühle mich so glücklich durch die Freyheit, die mir doppelt durch die herrliche Gegend wird, in deren Mitte ich wohne, ja mich selbst als einen theil derselben betrachten kann, wenn ich aus dem Fenster meines Schlafzimmers so grad auf den grünen d: h: winterlich Berg steigen kann und dann immer herunter und herauf, auf alten gefährlichen Mauern bis an den Wall eines alten befestigten Schloß, über Löcher und Hecken, wo nur Kühnheit und Leichtsinn sich hinwagen. so kann ich dir nicht sagen wie mich all dieser Beweiß meiner Jugend entzückt, wenn ich auch manchmal mit einem geschundnen Knie (wie z: B: heute) oder aufgerißnem Arm zu rück komme, das fühle ich gar nicht, ja wenn mir 146
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recht ist, so macht es mir noch Freude oben drein, und wenn ich denn wieder in meinem Zimmer bin, kann ich mit so ruhigem Gemüth recht aus Fassungskraft alles begreifen, und brauche nicht mehr die Einbildungskraft zu Hülfe zu nehmen, die doch gewöhnlich nur ein Aushelfer der Schwäche ist, man wird auch dadurch nicht allein dega: als auch detachiert, daß heißt man verliert das Sehnen nach einem Pfeiler um sich in der Welt anzulehnen zu stüzen oder nach einem Stock um weiter zu kommen, denn man sieht daß man auf ziemlichen Wegen recht gut allein gehen kann, auf steilem | Pfad läst sich durch Übung auch eine große Freyheit erringen die Ängstlichkeit und Unerfahrenheit verleitet einem doch nicht, gleich den ersten besten Strauch zu ergreifen, der nur zu oft sich durch bittere Dorne durch biegen und Brechen als ein Verräther an uns beweißt, und uns mit samt dem vesten Vertrauen auf Treu und Liebe und Ehrlichkeit in den tiefsten Abgrund stürzt, wo das Vertrauen zum wenigsten immer den Hals bricht, die menschliche Architectur aber fällt (wie du leicht einsehen kanst) dabey ganz weg Pfeiler, Stock, Balken, Krücke, ja selbst der bequeme Stuhl fallen dabey ganz weg, der erste Grundsaz der uns dabey begreiflich wird wie dem Kind die nahrung, ist daß auch herrlichen leichten Blumen und Pflanzen reine architectonische Figuren sind daß auch das feine Leben und Treiben in der Luft und in und unter der Erde uns Sittliche und Bürgerliche Geseze vorschreiben, daß auch das Brausen des Windes das Stürzen der Fluthen herrliche Lebens Melodien aus sprechen das jedes Wesen in sich jede Liebe jede Sehnsucht und jede Befriedigung in sich tragen ich kann dir sagen wenn unsere Emfindung so hinter dem Ofen heis wird und wir nun gewohnlich unsere Prätension an die Menschheit auf das höchste steigern, und wir kommen dann hinaus und fühlen wie eine leichtes Lüftgen diese heise gefühlen auf ein mal verschlingt wie allenfals ein Riese ein kleines Mädelgen welches er durch den Athemzug einzieht, so lehrt uns dieß die beste Methode algemein zu werden (und mithin an allem Theil zu nehmen, also uns durch nichts einzelnes fesseln zu lassen
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Nr. *154
*154. An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. erste Hälfte Januar 1806 Caroline von Günderrode an B, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar 1806:
Deine Briefe haben mir viele Freude gemacht 〈…〉 daß dein Lehrmeister in der Geschichte dich verlaßen hat (Nr. 159,2+10-11).
*155. An Dominikus Brentano in Frankfurt Marburg, vmtl. erstes Drittel Januar 1806 Dominikus Brentano an B, 14. Januar 1806:
Dein angenehmes vom / ohne Datum / 〈…〉 Grüße 〈…〉 auch den Bruder Christian, du hast mir eine ungemeine Freude gemacht wegen all dem guten so du mir von ihm erzehltest. (Nr. 156,2+48-50.)
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Von Dominikus Brentano nach Marburg Frankfurt, 14. Januar 1806, Dienstag
Liebe Schwester! Dein angenehmes vom / ohne Datum / habe vor mir, und mit selbigem zugleich die ermeldete Körnlein erhalten, jedoch ist das haarige schlecht conditionirt und vermuthlich erdruckt worden, also zum neuen Leben untauglich, jedoch muß man es erst probiren, ich danke dir recht herzlich dafür, und wünsche uns beiden viel Vergnügen davon. – Dein Orangenbaum wurde bey einfallender kalter Witterung in das sogenannte Speißzimmer transportirt, steht also temperirt, die große Orange ergelbte, und fiel unzeitig ab, / ist noch vorhanden / aus dem dießjahrigen neuen Ansatz wird nichts, er verdünnt und verkleinert sich zu unbedeutenden Kügelgen. – Hyazynthen habe viel ersteigt, viel gesezt, viel gestellt / auf Wasser / wird wenig daraus. – – Inzwischen hatten wir hier manche Sterbfälle – Die alte Madame Serviere ist im ersten December Drittel gestorben, die alte Madame D’orville unsere Nachbarin starb im Eingange des neuen Jahres. – Angekommen ist ein gewisser junger Herr Hegmann von Hamburg, logirt im servierischen Hause. – Herr Burkard von Basel ist auch hier. – Wir 148
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hatten ein Brillante christ Kindgens féte, da wurde stark bescheert, die Schwester Lulu bescheerte dem Jordis eine ansehn|lichen Theil garderobe, meistens Früchte ihres strickens, Herr Bethmann fand auch sein Tellerlein, der alte erschien weiß, u gieng nebst seiner trauernden / nicht traurigen / Schwester auch nicht leer aus, – am meisten freuten sich deine 4 Neffen beiderley Geschlechts welche sehr prosaisch bescheert bekamen, man sah daß sie weder in Sachsen zu Hause sind – wo der Christ Düten, Rosinen, und Mandlen bringt – noch daß sie Kinder von FrühlingsDichtern sind, welche ein oder zweisilbig bescheert bekommen – Flur, Spur, sonnig, wonnig, Lieder, Glieder, Mieder, daher: Schurz, Strumpf, Jack, Rock, Ruth, Schuhe, Aepfel, Mandeln, Anis, Paarweck, Haube, Clicker, Fibel p.p.p. – Die Neffen waren sehr prosaisch lustig, die vielen Lichter, die fröhliche Gesichter pp. Genug es ist nicht zu beschreiben wie glücklich sich jedes individuum fühlte, passende Neujahrs verse waren auch vorhanden, eine Szene die Scherz anfieng, und endete. – Inzwischen nehmen die Neffen in Künsten und Wissenschaften zu. – Der kleine George buchstabirt und corrigirt vor einigen Tagen war er bey mir und fand den Nahmen Joh: / Johann / da er nun meinte dieß müste Ja heißen so protestirte er stark gegen das o. und wollte ein a haben. – Die allerliebste Max weiß alles, sie will bey der Beschießung der Stadt 1796 gewesen seÿn, und wundert sich daß der georg gar nichts davon will, alle Speisen kann sie kochen, und spricht mit der Stine französch – die Stiel spricht französch und deutsch, und wird groß. – Die kleine caroline lauft und erzehlt den ganzen Tag sie explicirt und macht alles so deutlich mit Do. Do. Do. daß man meint sie wolle Schuhle halten. – – Mehr kan ich dir Heute nicht schreiben. Seit dem 2ten Januar liege ich hart darnieder, und leide izt noch sehr an den Augen. – Der Bruder George war krank, die Tony, ich, und der Franz. – Ich freue mich darauf mich nächstens wieder mit dir schriftlich unterhalten zu können. – Grüße den Savigny, Kundel, und Melinen freundlich von mir, wie auch den Bruder Christian, du hast mir eine ungemeine Freude gemacht wegen all dem guten so du mir von ihm erzehltest. – Von Schwaab fehlen uns Briefe, wir fürchten Podagra – von Lulu kann ich dir nichts melden, als daß sie mir sehr vergnügt und glücklich scheint / sie ist sehr häußlich / Dem Anschein nach hat sie sobald noch für niemand als sich und ihren Mann zu sorgen. Dein getreuer Bruder Frfurt d: 14t Jan 06 Dom* 149
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Nr. 156 2v
〈2v über Adresse:〉 Ich lege dir hier ein Zeitungsblatt bey, das mir wegen den sonderbaren Artikel Marburg aus der Fremde gesandt wurde – von wem mögt ihr rathen. Mademoiselle Mademoiselle Bettine Brentano ches Monsieur de Savigny Professeur a ches Monsieur le Professeur Weis Marburg
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*157. An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. zweite Hälfte Januar 1806 Vgl. Nr. *154.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Berlin, 26. Januar 1806, Sonnabend
Mein erster Gruß kommt Ihnen, Freundliche, Werthe, aus meinem Geburtstagsmorgen, ich zähle Sie unter meine Tage und Jahre, bekenne mich in Ihrer Schuld für die erhaltenen. Schicken Sie mir ein Paar Ihrer schönen Augenblicke, da mir die Stunden nicht werden, ich schicke Ihnen ein Paar Lieder von mir und viel Melodieen von Reichardt; meine Lieblinge habe ich mit dem Sternbilde des Wagens bezeichnet, lernen Sie nur eins davon ganz, daß ich in mir sicher werde, daß es nicht wie bei mir in Gedanken blos klingt, wie ich auf alle Tische fingre, sondern wird und gedeiht. Aus meinen alten Landschaften habe ich mir Ihren Fels zusammengesucht, ich sehe danach hin wie der arme Storch meines Hauswirths, der mit gebrochenen schmutzigen Flügeln gar ernsthaft sich in den hohläugigen | Gassen umsieht nach seinem Neste auf den atlantischen Gebürgen, übrigens lustig und wohl unter Musick und Masken, bey der Drehbank und bei der Schreibfeder. 150
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Etwa 6. Februar 1806
Hochachtungsvoll der Ihre Achim Arnim
Berlin d* 26 Jan. 1806 Viereck N 4
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Von Caroline von Günderrode nach Marburg Frankfurt, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar 1806
Deine Briefe haben mir viele Freude gemacht, zweifle nicht daran liebe Bettine weil ich dir selbst so sparsam geschrieben habe, aber du weist viel Denken u oft Schreiben ist bei mir gar sehr zweierlei; auch hab ich die Zeit schreklich viel Kopfweh gehabt. Du schreibst mir gar nichts von Gundel u Savigni tue es doch. Ich stelle mir Eure Lebensart recht still vertraulich u heimlich vor, aber ich fürchte nur du komst wieder eigentlich zu nichts, mir ist als hättest du zu vielerlei angefangen, u seztest nichts recht durch, das hat mir immer Leid an dir gethan, dein Eifer u deine Lust sind keine pereni|rende Pflanzen, sondern leicht verwelkliche Blüthen, ist es nicht so? sieh darum ist es mir wieder fatal daß dein Lehrmeister in der Geschichte dich verlaßen hat, die Begebenheiten unterstützen ordentlich deinen natürlichen Hang. Sei mir nicht böse liebe Bettine, u lebe recht wohl. Karoline.
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A Mademoiselle Bettine Brentano a Marbourg.
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*160. Von Clemens Brentano nach Marburg Heidelberg, etwa 6. Februar 1806, Donnerstag Keine Angabe zum Inhalt.
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano in Marburg Kassel, etwa 8. Februar 1806, Sonnabend
Lieber Savigny Gundel und Meline Einen Gruß aus Liebe und Theils auch aus Langeweile an Euch alle Wir befinden uns seit Gestern Abend hier auf dem Konigsplaze in dem besten Wirtshause au bel Etage. in zwey schönen Zimmer und zwar desswegen so prächtig logiert um alle Visiten von Exelenzen und anderen Nobilitäten mit gehörigem Anstand zu emfangen (heut zum Beyspiel erwarten wir den Mst v Weix). Auf unserer Reise war nichts erzählungs würdiges vorgefallen, den Tag unserer Abreise von Marburg, hatten wir unser Nachtquartier in Wabern wo wir um Mitternacht anlangten, den zweiten Tag kamen wir zum Mittagessen nach Cassel, wo wir auf das Zureden des Hrn von Firnhaber eines schönen wohlgewachsenen Officiers, blieben um den Abend ins Teater zu gehen, wir gingen in die Fremden Loge die voll vom neugierigen Militair ward. Der Kuhrprinz selbst schickte einen Expressen um zu erfahren wer die interessanten Damen seyen, den anderen Morgen machten wir unsere bagage vertig, und fuhren mit drei Rozinanten und schlechter Hoffnung nach Eschewegen zu, 10 Stund von Cassel, kaum waren wir eine Stunde gefahren wärend welcher Lulu mit allerley Übel geplagt war, so brach unser Wagen zusammen, wir stiegen aus, und allem Anschein nach ging die Aussicht unseres Schicksals den direckten Weg per pedes apostolorum nach Cassel zurück, o Jammer und Elend, es wurde zum Glück noch ein tüchtiger Strick entdecket vermöge welchem wir den Wagen wieder so zusammen knebelten, daß er uns mit Noth und Vorsicht an Ort und Stelle brachte, wo wir 3 Tage blieben wärend welchen Jordis morgens immer nach dem Ort seiner Geschäfte Ritt und Lulu und mich ganz allein ließ, und da das Haus voll Officire war so hatten wir den Jacob vor der Thüre als Schildwache | Dieser allein war unser Amüsement auf der ganzen Reise, und gab uns tausend Gelegenheiten zum Lachen, z: B: wenn die Wege sehr schlecht waren so stieg er gewöhnlich ab und ging zu Fuß voran, da er es nun auch einmal so gemacht hatte und als wir eine gute Strecke gefahren waren ihn als noch nicht antrafen besorgten wir er habe sich irr gegangen wir ließen also hallten und als alles Rufen und Schreien vergeblich waar liesen wir den Postillion blasen in der Meinung ihn hören zu machen wo wir seyen, 152
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Zwischen Mitte Februar und Mitte März 1806
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er ließ sich auch wirklich davon herbey locken wie die Küh vom Küh horn und machte uns dabei sehr lachen, in Eschewegen machte wir noch die Bekantschaft vom dasigen Kantor welcher uns ein Tüchtiges Stück auf dem Klavier prügelte und dazu fein hübsch brüllte. Dieß sind alle Abendtheuer unserer Reise bisher, aber der brillante Theil soll noch kommen denn wir gedenken noch ungefehr 8 Tage hier zu bleiben. Heute morgen weckte mich die Musick eines Preusischen Regiments aus dem Schlaf welches unter unseren Fenstern vorbey ritt. Es waren alle Officier schön und das ganze Regiment wunderschön gekleidet und was das schönste war, sie hatten alle mehr oder weniger etwas Preusisches in ihrer Figur. Adieu Lulu und Jordis grüßen Euch, sollte ein Brief an mich da seyn von Clemenz, so schicke ihn doch anmich unter der Adresse: von Firnhaber Rittmeister oder besser Jacque Roux für Herrn Jordis Bettine Monsieur de Savigny
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Marbourg
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An Sophie Brentano in Heidelberg Marburg, zwischen Mitte Februar und Mitte März 1806
Liebe Sophie Ich habe dir sehr lange nicht geschrieben, und auch dießmal scheint es nur durch veranlassung zu geschehen, allein ich denke jezt wieder oft an Clemenz zu schreiben, woran du theil haben sollst, die eigentliche Veranlassung meines Briefs, will ich nur Offenherzig bekennen, ist die Einlage, denn da ich nicht weiß ob Clemens in Heidelberg ist, so bitte ich dich, ihn zu befördern, ich weiß du bist gut genug mir dieß alle nicht übel zu nehmen, und auch nicht, die Kürze meines Briefs, wozu mich die abgehende Post drängt Mein Aufenthalt hier in Marburg ist mir sehr lieb, ich vermisse hier nichts als die Oper wonach ich mich den Sonntag, wo gewöhnlich eine in Frankfurth gegeben wird, besonders sehne, 153
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Deine Freundlichkeit wird mir gewiß bald Meldung von Clemenz jezigem Aufenthalt thun, ich habe gehört er sey in Nürnberg, Adieu, entschuldige mich bey dir Bettine 1v
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Madame Sophie Brentano Heidelberg
*163. An Clemens Brentano in Heidelberg Marburg, zwischen Mitte Februar und Mitte März 1806 Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, 18.– etwa 22. März 1806:
Betine war in Kassel mit Jordis und Lulu, ihre Beschreibung von dem Eindruk der Gallerie auf ihr Gemüth ist sehr rührend, sie hatte keine vorher gesehen, auch war sie oftens bei der Churprinzessin und in adlichen Societétén, und macht mir eine recht lustige Beschreibung von dem meschanten Zeug, das dort geschwäzt werde »z. B. Wenn Clärchen im Egmond doch nicht so gemein wäre ärger als eine Kammerjungfer! und seine Romanzen wie fade, der neue Amadis z. B., hätte er doch Wielands neuen Amadis vor Augen gehabt, – pumps stürzt ein Gemälde in der Nebenstube von der Wand, die Rezensenten werden blaß und stehn stum mit offnem Maul, Betine lacht laut, und ruft: da ist der Geheimeratt, da trit Göthe herein ect. (WAA XXXII, Nr. 435,51-62.)
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Marburg, vmtl. zweite Hälfte Februar 1806
Über dem Noten schreiben ist die Zeit vergangen lieber Arnim welche ich dazu benuzen wollte Ihnen für ihre Freundlichkeit (mir ihre Lieblingslieder zu senden) zu danken, wie auch dieses mein schlechtes Produckt mit gehöriger Bescheidenheit einzuführen. Ich erwarte alles von Ihrer Nachsicht. Bettine. Das Lied muß langsam und ruhig gesungen werden, 〈〈xxx〉〉
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17. Februar 1806
*165. An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. zweite Hälfte Februar 1806 Caroline von Günderrode an B, vmtl. letztes Drittel Februar/erste Hälfte März 1806: denke 〈…〉 nicht ich sei so bequem als Du mich beschuldigst 〈…〉
Du sagst, ich würde wohl Deine Beschäftigungen für ein Nichtsthun erklären 〈…〉 Ich werde sehr gerne mit Dir in Trages sein, denn ich sehne mich auch recht nach dem Frühling 〈…〉 Du sagst, du liebest Clemens (Nr. 168,2-6+13-17).
*166. An Philippine Engelhard in Kassel Marburg, vmtl. zweite Hälfte Februar 1806 Philippine Engelhard an B, 24. März 1806: Ich weiß, die Wahrheit zu sagen, nicht mehr recht, was eigentlich meine liebe Freundin noch zu wissen verlangt, über die von mir gewünschte Herausgabe meiner Lieder der Liebe. Auch hab ich jezt nicht einmal Zeit Ihren vorlezten Brief aus der Commode zu holen und nachzusehn (Nr. 173,2-6).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Berlin, 17. Februar 1806, Montag
Berlin d* 17 Feb 1806 Wieder etwas Musick, freundliche Muse, von einem Freunde H. von Schulz in Anspach, wo er mir beyde Lieder vorsang und zum Angedenken eines guten Tages mir überschickte. Eigentlich war es mir nur um die grüssende Maria zu thun, mir fehlt es an Bildern, die mich so begrüssen. In dieser Woche reise ich mit einem Onkel zu den Mecklenburgischen Barbaren nach Strelitz, wandlen da wie ich vermuthe, viel schöne Königstöchter unter den Fichten am See wie Elfen, so leihe ich mir ein Paar farbenäugige Schmetterlingsflügel und stehe einen Tag über den Felsen von Marburg wie der Falke über den Lerchen, bis ich eine von ihnen am Fenster gesehen. – Tausend Hochachtungen und Grüsse allen, der Ihre 155
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Achim Arnim 1v
M. Bettine Brentano
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Von Caroline von Günderrode nach Marburg Frankfurt, vmtl. letztes Drittel Februar/erste Hälfte März 1806
Ich habe Dir zuletzt geschrieben liebe Bettine! ich glaube aber Du warst schon in Cassel als mein Brief ankam; denke also nicht ich sei so bequem als Du mich beschuldigst; es scheint überhaupt als habest Du meine Art zu sein vergessen und ein fremdes Bild dafür untergeschoben, denn Du sagst, ich würde wohl Deine Beschäftigungen für ein Nichtsthun erklären, und da irrst Du doch gewiß, alles was das Gemüth anregt, erfrischt und erfüllt ist mir achtungswerth, sollte auch im Gedächtnis kein Monument davon zurückbleiben. So habe ich immer Biographien mit eigener Freude gelesen, und es ist mir dabei stets vorgekommen als könne man keinen vollständigen Menschen erdichten, man erfindet immer nur eine Seite und die Complicirtheit des menschlichen Daseins bleibt stets unerreicht; und diese so recht wahrzunehmen hat mir immer an der Geschichte ein großes Interesse gegeben. Ich werde sehr gerne mit Dir in Trages sein, denn ich sehne mich auch recht nach dem Frühling, und freue mich Dich zu sehen und um Savigni zu sein. Du sagst, du liebest Clemens, der Idee nach kann ich ihm auch herzlich gut sein, allein sein wirkliches Leben scheint mir so entfernt von demjenigen, das ich ihm dieser Idee nach zumuthe, daß es mir immer ein wahres Aergerniß ist, deswegen kann ich auch nie eine feste Ansicht über ihn haben. adieu Bettine Karoline. A Mademoiselle Bettine Brentano à Marbourg.
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Mitte März 1806
*169. Von Philippine Engelhard nach Marburg Kassel, vmtl. letztes Drittel Februar/erstes Drittel März 1806 Vgl. Nr. *166 (Datierung).
*170. An Philippine Engelhard in Kassel Marburg, vmtl. erste Hälfte März 1806 Vgl. Nr. *166 (Datierung).
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An Ludwig Achim von Arnim nach Berlin Marburg, Mitte März 1806
Ihr freundlicher Brief vom 3ten Fbr; ist erst den 12 dieses angekommen, und Ihrer Aussage nach, reisen die unsrigen eben so langsam, ich werde diese also nicht mehr der Obhut Gottes allein, überlassen, sondern sie noch besonders an die Postmeister recomandiren, Ihre Lieblingslieder, sind recht schön, ich würde diese gewiß auch öfter singen, wenn die Nachtigallenzeit überhaupt wäre. Ich habe seit sie weg sind meinen Gesang so oft dem Lob und Tadel anderer singenden und heischeren Vögel aussezen müssen, daß dieser mir gar nicht mehr recht zu trauen scheint, und der Augenblick selten wird wo meine Stimme mit Lust und Wahrheit aushauchen, und auch sogleich zu meiner Freud und Genuß einathmen darf. Ich habe die Kühnheit gehabt (welche zwar im vertrauen auf Ihre Nachsicht zum Vertrauen gemildert ward) ein Lied, welches von Reichard Ihrem Freund, Ihnen zur Genüge und Wohlgefallen componiert ward, auch auf meine Weise zu singen, ja wirklich dieß war Kühnheit von mir. Die beiden lezten Andenken eines schönen Tages kann ich auswendig, ich wundere mich nur daß Sie solge Andenken, der Gefahr in der Fremde aussezen, indessen reizten mich diese ebenfals, einem großmüthigen Moment der Tonkunst in mir, ein Andenken zu stiften, welches nur auf das Versprechen Ihrer Protection wartet, um zu Ihnen zu reisen. 157
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Ich denke der Mangel an grüsenden Bildern, worüber Sie klagen wird bald nicht mehr stadt haben. Der Frühling führt diese mit sich auf Wolken und Blumen und Strömen und den kleinen niedlichen Vögelskehlen, ich freue mich sehr diesen mächtigen Herscher und Eroberer hier durch ziehen zu sehen, ich habe auch den besten Plaz und stehe gleich vorne an, es wird mir gewiß nichts von seinem Glanz entgehen hier auf dieser edlen Spize über hängenden Gärten und vielen Bächlein und Brücken und Stegen für den Wandersmann und tausend kleine Tähler und Gebüsche voll wilder und zahmer Schöpfung, die Reise Lust hängt sich oft mit Gewalt an mein Herz, o es will was sagen, (wenn unsere Seele dem Gedanken folgt in die weite freie Natur) die Füsse und den Leib nicht zu gleich mit zu nehmen, und zumalen hier wo einem die Macht und Herrlichkeit Gottes von 4 Seiten begrüßt, hier Sonnen Aufgang dort Sonnen Untergang Mein Schlafzimmergen gegen Norden und wenn ich aus diesem trette die Braune Nacht noch im Herzen und in den Augen, lacht mich gleich der freundliche helle Tag mit milden röthlichen Strahlen an, überhaupt scheint unsere Wohnung von allen Elementen besonders beachtet zu werden, der Wind behandelt uns wie die jüngsten Kinder seiner Laune, oder viel mehr wie Wiegen kinder, denn er singt so manche kindische Fantasie so manche einschläfernde Ungereimtheit in die annoch düren Äste der Bäume und Hecken die in unsere Schlafzimmer herein schauen und in die losen Fensterscheiben, daß man denken sollte es sey ihm etwas an unserem Gedeihen gelegen Ich habe hier allerley kleine Sans Soucis mon repos und andere Arten von Lust örtgen angelegt auf alten Mauern und Türmen und Gebüsche und Dorne habe ich noch mit Rosen bepflanzt und So Rosen mit Dornen damit jede Freude ihren Reiz und jeder Schmerz seine Süßigkeit haben möge, es sind meistens nur kleine Bänke von Moos in dichtem Gesträuch wo man besser hineinkriegt und Hockt als Sizt oder steht, aber ich stehe auch dafür daß im heisesten Sommermittag kaum die Seele der Sonne durchblicken kann, wer also Schatten sucht und Kühlung, der nehme seinen Wanderstab und komme dahin ich verheise ihm Erfüllung seiner Wünsche, ich selbst zwar werde die Frucht meiner Arbeit nicht mehr geniesen, denn wir werden den May kaum hier erwarten. Göthes recention hat nun obendrein aller Herrlichkeit dieses Frühlings den Ausschlag gegeben, ich wundere mich sehr daß ich, die doch gar keinen Theil an dem Verdienst hat einen eben so großen an der 158
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Freude darüber habe wie Clemens und Arnim ich besize diesen Antheil mit gutem Gewissen da es diesen beiden nichts entzieht. Sie verzeihen daß ich so gekrizelt habe die warme Sonne die alles bewegt, die Schnee und Herzen Schmilzt die machte auch die Hand unsicher welche sich mit wahrer Innigkeit unterschreibt Ihre Freundin Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Neustrelitz, 18. März 1806, Mittwoch
Neustrelitz d* 18 März 1806. Sie erwarten alles von meiner Nachsicht? Sie erwarten zu viel, denn ich will nun einmal streng seyn; schont uns denn das Jahr und schneit es nicht in dem Augenblicke? Ich sehe das Notenblat von allen Seiten an, es ist mir aber wie die Inschrift von Rosette; ich möchte es in Gold stechen lassen, aber ich weiß nicht was es heist, kein andrer ist hier, der es mir vorspielen kann von dem ich es hören möchte und der Schluß ist nicht einmal ausgeschrieben. O welch ein schlechtes Produkt, und darum werden mir Briefe und Nachrichten entzogen, das nenne ich Bescheidenheit, mir wie einem bellenden Hund einen Brocken in den Mund zu werfen und nun ich zuschnappe, ist es ein Demant, der mir die Lippen zerschneidet. Sie Wortkarge, Silbensparende, Papierabschneidende, | Tintenichtvergiessende, Schönsiegelnde Barbarin, was beschäftigt Sie so unendlich, schürzen sie etwa Knoten in einem Spinngewebe, damit sich die Spinne ärgert, oder blasen sie Flaumfedern durch ein Schlüsselloch? Ich habe den Brief schon umgekehrt, ob etwa ein geheimer Sinn dann herauskäme, aber kein Wort, wie Sie leben und mein klein braunes Kindchen und die gesammte Herrschaft von Trages; auch über Kohlen habe ich ihn gehalten, ob Sie etwa von den Franzosen belagert um meine Hülfe und Schutz nachsuchen. Clemens schreibt mir, daß die arme Meline krank gewesen, auch davon kein Wort. Nach dem allen habe ich gesehen, weil Sie meine Nachsicht aufgefordert haben mit gehöriger Bescheidenheit; meine Nachsicht ist erschöpft, wie viel könnte ich Ihnen sonst erzählen von meinem | jezigen Hofleben, von einer treflichen Cantate, die gestern der hiesige Capellmeister Siebenkäs (ein wütender Blondin) zum Geburtstage einer alten 159
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Princeß gegeben, daß ich auf dem Punkt war den Blaubart zu spielen, aber der Klaus fehlte uns, aber ich habe fast nur zu einer Bitte Lust. Ich hatte den Plan mit Clemens eine Sammlung unsrer Lieder mit Melodieen herauszugeben; schreiben Sie wohl einmal die älteren auf, die neueren dabey und einige neue hinzu? Nur Eins schreiben Sie auf, wenn Sie jeden Morgen aufstehen; opfern Sie in der Zeit, alles was dazwischen kommt, dieser Beschäftigung und es wird Gott ein wohlgefällig Opfer seyn, die Melodie aber sei Ihr Morgengebet, das still für sich ganz ungestört ist, | wenn aber drey zugleich laut beten wie ein Zank mit Gott klingt, darum halten Sie die Arbeit in stillem Herzen für sich bis sie fertig; beym Schatz heben darf man nicht reden und was haben Sie davon gehabt, die Melodieen den andern vorzuspielen, als das die sie für alt erklärt, weil sie sich immer nicht überzeugen wollen, daß jeder Ton seine ewig gleichen Akkorde hat. Zu den älteren Liedern rechne ich besonders 1) Und der Morgen 2) Das macht mir Schmerz 3) Göthe’s Fischer 4) Lustige Musikanten u.s.w., wenn Sie es Sich gefallen lassen, daß wir andre Texte unterlegen, so würde ich auch jede andre Ihrer Melodieen zu bekannten Liedern fremder Leute uns zueignen. – In wenigen Tagen denke ich in Berlin zu seyn, um Ihre Melodie zu hören von geschickten Händen und Ihre Briefe schneller zu empfangen, ich mag nicht wissen, wann Frühlingsanfang, er ist in diesen Tagen, sonst würde ich ungeduldig. Achim Arnim.
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Vor drey Wochen habe ich an Savigny Geld und Briefe geschickt, Geld für meine Kupferstiche, Musick für Sie, meine Muse, und einen Brief an Sie meine Verehrte, ich hoffe, daß alles angekommen. Kur
A Mademoiselle Bettine Brentano à Abzugeben bey dem H. Pr. von Savigny Marburg en Hesse frey Luneburg
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Von Philippine Engelhard nach Marburg Kassel, 24. März 1806, Sonnabend
Cassel. Am 24. März 1806 Ich weiß, die Wahrheit zu sagen, nicht mehr recht, was eigentlich meine liebe Freundin noch zu wissen verlangt, über die von mir gewünschte Herausgabe meiner Lieder der Liebe. Auch hab ich jezt nicht einmal Zeit Ihren vorlezten Brief aus der Commode zu holen und nachzusehn, da eben ein Päckchen mit eiligen Säämereÿen an meinen Bruder gehen soll, dem ich dieß Briefchen beÿlegen will. Dieß weiß ich daß ich mir leider schon lange einen großmüthigen und sicheren Verleger wünschte, und da ich außer aller solchen Verbindung bin, mir schmeichelte Sie, meine Liebe! würden so gütig seÿn diese Sächelchen ins Publikum zu schieben als wisse ich nichts davon. Noch leben einige und grollen die die jezt Verblüthe um Adelheims willen abwieß; u. um ihretwillen ließ | ich die hier und da einzeln beliebt gewordenen Liederchen noch immer ungesammelt u. heimlich ruhen. Allein die Bedürfnisse unsrer Haushaltung sind ungeheuer und besonders seit einigen Jahren kosten die fünf ältesten Kinder, von meinen Zehnen, sehr sehr viel! Also muß u. muß ich wieder eine Einnahme haben die zu tilgen vermag was ich nicht ändern konnte. Noch einiges über das Büchlein. Klopstock und mehrere edle Dichter zieren oft ihre Sceenen, besonders Verzückungen jener Welt, mit den Lebensbäumen des Paradises. Auch ich setzte im Taumel d. Liebe: War ich in Eden unter Lebensbäumen? Es wankt mein Sinn – ich scheine nur zu träumen pp. Muß ich nun etwa lieber setzen: War diß Entzückung unter Edens Bäumen? Oder War Irrt ich in Pophos unter Mirthenbäumen?
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Warum ich die Stelle, wenn Sies für gut finden, ändern möchte? Das giebt etwas zu lachen für unsren lieben herrlichen Spötter Brentano! Ein solches unschuldiges Fräulein hatte, da man jezt oft beÿ solchen Gelegenheiten frisches Grün aufnäht, auf einem Ball mit den wunderschönen Blättern der glatten ausgezackten Tanne die der Lebensbaum heißt (der jezt häufig in Englischen Gärten steht) ihr weißseidnes Kleid garnirt. Einem bösen Buben fiel etwas dabeÿ ein – er kennt die-
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sen Lebensbaum als Sebenbaum durch dessen Absud die gemeinen Dirnen Versuche machen die Kinder abzutreiben, u. er ruft einen Cumpan nach dem andern, zeigt das Kleid mit den Blättern, rühmt ihre Kraft u. sie lachen u. spotten sich satt. Obs das arme Kind gemerkt hat weiß ich nicht. Seitdem haß ich den Nahmen, aber freÿlich das Wort Eden, und der Lebensbaum des Paradieses, den jeder noch v. der Schule her | kennt, verhütet hier wohl die Combination edler u. grosser Ideen. Beÿläufig zu sagen meine Liebe! Ehmals trug der Teufel doch noch Schu u. Strümpfe – jezt marschirt er aber, besonders in großen Städten, ganz barfüßig umher! Noch eins. Eine Zeile in einem andern Gedichte ist zu freÿ; u. noch dazu irrich, wie eine kürzliche wiederholte Lectüre des Othello mir zeigte. Schon waren wenigstens mehrere Wochen denk ich verstrichen als Othello sein göttliches Weib erwürgte. Darum ändern Sie doch meine Gütige, auch noch etwas in dem einen Liede, von d. Eifersucht, es ist eins nah am Ende u. darauf folgt eins welches anfängt: Wie bin ich doch so fest in Deinen Schlingen pp – – – Ich habe eben das Büchlein aufgesucht v. dem ich Ihnen eine Abschrift schickte. Das Lied ist überschrieben: In Leipzig. Und fängt an: Dein Schweigen mischte Bitterkeit pp Da heißts weiter hin: Nähm’ einer die als Mann die Ruh durch Lügen u. Verdacht / O wie Othello würgtest du / mich nach der ersten Nacht.
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An Ludwig Achim von Arnim in Neustrelitz Marburg, 8. April 1806, Dienstag
8ten Aprill Ich habe mich lange bedacht, wie ich wohl mit dem unartigen Arnim (der sogar den kalten Winter als Schuzwehr braucht, um recht nach Lust schimpfen zu können) vertig werden möge, ich denke es am besten anzufangen, wenn ich mich mit dem jungen Frühling vereine, der eben auch bald mit dem Winter vertig seyn wird. Also für’s erste den Sonnenschein meiner Milde über Sie, in beiliegender Melodie mögen die harten Hüllen Ihrer Freundlichkeit dadurch aufbrechen, und dieselbe in ihrem nächsten Brief in voller Blüthe stehn. übrigens war eine Melodie Ihnen zu Lieb componiert zum wenigsten eine dankbare Antwort, auf einen Brief mir zu Lieb geschrieben. 162
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Ich habe hier schon eine ziemlichen Beitrag zu ihren Liedern gesammelt worunter welche sind die meinem Bedünken nach, den Besten ihrer schon gesammelten beikommen, welches mir eine wahre Freude macht. Meline von welcher ihnen Clemens schrieb das sie so krank war empfielt sich ihnen bestens sie war nicht sehr krank allein jezt erst scheint sie sich von kleinen Kränklichkeiten zu erholen, dieß hat auch gemacht das ich weniger Musick gelernt habe als ich vielleicht sonst gethan haben würde, da sie diese durchaus nicht vertragen kann wenn sie angegriffen ist, und ich oft 14 Tage lang mein Clavier vor mir stehen sah ohne einen Ton davon berühren zu können Was Sie mit meinen alten Melodieen machen wollen lasse ich mir gern gefallen, sie werden denn doch in dieser Rücksicht merkwürdig werden daß sie erst so lange nach ihrer Geburth Leben emfingen. aber ich selbst werde sie schwehrlich auf andere Lieder sezen können, noch dürfen, da ich diese Melodien den Gedichten immer als Leibeigne übergeben habe, es kömmt auf diese an ob sie dieselben wieder freilassen wollen, oder auf Ihre List und Geschicklichkeit sie zu entwenden oder abtrünnig zu machen, und einem andern Herrn zuzuwenden wenn Sie sich anders des Betrugs nicht schämen. wenn Sie übrigens alletage eine Melodie von mir fordern so ist dieses gefrevelt, Gott läst zwar alle Tage Seinen Thau auf die Erde fallen und seine Gnade scheint täglich in fruchtbringender Wärme darauf, aber deswegen tragen Baum und Pflanze doch nur einmal im Jahr Früchte. Ich habe mir indessen fest vorgenommen keine Melodie die mir im Gleichgewicht mit dem Lied zu seyn scheint oder doch nur wenigstens kindlich strebt das auszudrücken was das Lied verlangt, unaufgeschrieben zu lassen, auch will ich mich üben damit ich recht vertig und bestimt Ihre Lieder Singen und spielen kann, und sollten sie auch kein besonderes interesse daran haben so gedenke ich doch dieß alles Ihnen zu Lieb zu thun Wir werden Bald wieder in Fr: seyn das heist im Anfang May, wo sich jezt alle Glieder unserer Vamilie vereinen als wenn ein ReichsTag gehalten werden sollte dort werde ich auch den Clemens sehen, das kleine Bettingen hat Zähne bekommen, und beist schon gern damit die Leute in die Finger. Bettine.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Neustrelitz, 9. April 1806, Mittwoch
Neustrelitz d* 9 April 1806 Daß der Frühling bey meinen Freunden sein Nachtlager und Vorposten nimmt, früher als bey mir, das ist nicht gegen meinen Befehl, vielmehr würde ich die Vögel nicht eben so sehr locken, wenn sie nicht etwas Neues und etwas Altes mir erzählen könnten. Das trift sich auch glücklich und ein Fink, auf den meine Flinte in Trages versagte, hat mir sehr viel Schönes gesagt von Ihnen aus Marburg, er wollte mir auch etwas vorsingen, (was bey Ihnen auf meine Protection und Nachsicht in Bescheidenheit als ein schlechtes Product wartet) was er bey Ihnen gelernt, aber da wurden wir durch eine Baßgeige gestört, die sich in dem wunderbaren stillen Meere, das unsre Stadt umgiebt, in langsamen Zügen hören ließ. | Es war ein heiserer Frosch, das schnell abwechselnde Wetter hatte seiner Stimme geschadet, der unendlich sing lustig an dem Ostertage geworden. Ich bitte Sie bey der heiligen Luft, lassen Sie Sich doch nicht von solchen Bestien stören, denn wenn Sie in Marburg singen, so regnet es hier blaue Blumen wunderbarer Art, alle Wege sind mir schön und ich schickte Ihnen gerne einige davon. In ihrem Briefe war auch ein Frühlingssegen, ich erhielt ihn mit einem halben Dutzend andrer willkommener Briefe, so daß ich mir den Tag mit tausend Gängen im Zimmer für alle die reisenden, ankommenden, abgehenden | Gedanken Luft schaffen muste. Also im May sind Sie in Trages? Und ich werde dann mitten im Sande mit Pächtern rechnen und streiten, mich ärgern über Politick, Lieder abschreiben, eine Art tantalisirender Freude, oder ich thue das alles auch nicht und gehe über Halle, wo ich einige Chöre von mir zum Geburtstage der Mutter Reichardt aufführen sehe, über Magdeburg, wo ich das berühmte Grabmahl sehe, nach Helmstadt, wo ich Beireis grossen Diamanten sehe, nach Braunschweig, wo ich A. Winckelmann sehe und mit ihm weine, daß aus uns nicht mehr geworden, nach Göttingen, wo ich mein altes Gartennest besuche, nach, nach, nach Trages, und da sähe ich Sie und alle, und wir müsten | es an der kleinen Bettine sehen, ob nicht alles wie im Herbste in ewiger, fester, starrender Unbeweglichkeit geblieben; von da könnten wir allenfalls weiter nach Michelsbach und Sicilien durch die Säulen des Herkules auf das Sandmeer fahren. Ich sehe das alles, höre die bräunlichen Tritone blasen und wie 164
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Kaninchen unter die Wellen schlüpfen, höre die Syrenen singen, dann sehe ich wieder meine Papiere rings, die weißgeschäumte Fluth, ich folgte den Syrenen gern, aber diese Fluth wirft mich immer auf den öden Sandstrand zurück. O setze Sie etwas von dem Syrenengesang auf Noten, damit ich es mir da vorsingen lasse, ich brauche kein Strandrecht; ich bin ein armer Wächter am Leuchtthurm, der vor lauter Lichtputzen zu nichts kommen kann, | aber sonst jedem seine Protektion, Nachsicht insbesondre, denn das ist sein Geschäft, giebt insbesondre aber nach Oehl in seiner Flamme verlangt, daß ihm sein Licht nicht ausgeht und die Schiffe ihm seinen Leuchtthurm in der Dunkelheit umstossen. Es kommen so viele freundliche gute Gesellschafter, daß ich einen Tag nach dem andern verleuchten lasse ohne Vorsorge für die Nacht, es ist so warm ohne Hitze, so hell ohne Blendung, daß ich die Stürme für vergangen halte, wie hell auch die Hähne krähen mögen, so liegen meine Geschäfte und ich füge mich gern in den Willen meines Onkels und meiner Tante, noch einige Tage auf ihrem Gute dem Ausschlagen der Bäume zuzusehen. In solchen Tagen war es, wo Diogenes den Alexander bat, aus der Sonne zu treten, in solchen Tagen, was hindert uns in die Sonne zu treten und einen langen Schatten über die Erde zu ziehen, mit dem man alle seine Bekannte begrüssen könnte, doch Sie können schon meinen Schattenriß nachzeichnen, das würde Ihnen keine sonderliche Ueberraschung seyn, lieber komme ich selbst einmal ganz unerwartet zu meiner Freundin zwischen Sonnenaufgang und Untergang. Höflich empfiehlt sich Achim Arnim An M. Bettine Brentano
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Neustrelitz, Karstorf, 19.–21. April 1806, Sonnabend-Montag
Neustrelitz d* 19 April 1806. Ich habe es schon in dem Kampfe gegen Bostel erlebt, wenn Sie recht schelten, sehen Sie Freundlichste besonders freundlich aus: wer könnte es dem Landmann verdenken, wenn er sich mit derben Flüchen von 165
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Gott eine heitre Saatzeit ertrotzen könnte, wenn er kein Blat vor den Mund nehme. So legte ich mein Blat hin, ungeduldig nicht unartig, denn die Ungedult hat auch ihre Art und Weise, wenn sie gleich nicht immer weise ist. Noch mehr, ich hatte einen merkwürdigen Traum, es kamen unzählige artige Geistergen an meinen Tisch, so daß ich immer aufblickte, ob sie mir in die Briefe oder ins Herz sähen, dann thaten sie aber weiter nichts, als daß sie eine zierliche Verbeugung machten, ich machte | die wieder und immer wieder, da kam aber immer eine andre, bald traurig, bald lustig, bald wild, bald mild, das ward mir zu arg, ich schnit allen zusammen ein entsetzliches Gesicht, den Mund zog ich bis an die Ohren, die Augen verdreht ich, mit der Zunge wackelte ich, da liefen alle weg und ich lachte, ich hatte mich nur so wild gestellt. Doch ist es weder das erste, noch das zweyte, was sich in meinem Briefe ausließ. Nein, sehn Sie, wenn zwey Schachspieler recht eifrig spielen, der eine legt die Hand an die Stirn, an den das Spiel, und sieht auf seinen Springer, der andre sieht es und zieht seine Königin, ehe jener noch angezogen, der andre läßt seinen stehen, um wieder dagegen zu repliciren, immer ist einer um etwas zu spät, | der andre um etwas vor. O du unselige Post, denken Sie daß Ihr zweyter Frühlingsbrief schon unterwegs war, als ich den ersten dürren Windhalm beantwortete, unterdessen gelangt das ganze Register meiner Artigkeit an Sie als Antwort des zweyten Briefes, während ich die Schläge – des Schicksals ruhig auf meinem Buckel für meine ersten Unarten aushalten muß. Aber denken Sie Sich meine ganze entsetzliche Lage mit Noten, die mir an und für sich schon wie schwarze eiserne Stangen mit buntem Zierrath vor der Himmelsthür aussehen, nun trag ich sie acht Tage in meiner Geldtasche, ehe ich es mir erlaube sie einem Petrus oder einer Heiligen zu zeigen, die den wahren Clavier- oder Violin-Schlüssel allein haben, den Himmel aufzuschliessen. Die Heilige hat aber soviel mit guten Werken für Putz und Gesellschaft zu thun, daß oft der | Bart vom Schlüssel in Eile abbricht, oder die Engel hinter dem Gitter poltern in Eile und Gleichgültigkeit und Zerstreutheit und Altersschwäche so ungeschickt heraus, daß ein Paar hängen bleiben, ein Paar quäken, ein Paar heulen, der eine lahm, der andre stumm ist. So ist es mir hier buchstäblich mit Ihrem Liede gegangen, ich muste es so abstümpern hören, daß ich mich noch jezt wie vor einer unbekannten Gottheit des Dunkels davor beuge, aber es kaum erkenne, viel weniger in den Himmel hinein konnte. Ein böses Schicksal, dasselbe was mich schlägt, will, daß die musikalischen Seelen allhier ausser meiner Bekanntschaft liegen, wäre ich nur ein Vo166
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gel, daß ich tagelang auf meinem Zweig sitzen könnte. Der Himmel ist oft hell. Und wenn die Leute dächten: Nun wird er doch was andres singen, etwas wollen wir noch warten! – Wiederum säng ich: Der Himmel ist oft hell! daß alle davonliefen und mich allein liessen. Mit dem frischen Bogen, den ich eben auflege, sey also weiß und klar die alte Feindschaft abgewischt und ausgelöscht, vielen Dank für die neue Freundschaft Ihrer Musick, Ihrer Liederwortsammlung, worunter ich mit wahrem Verlangen auch einiges von Ihnen erwarte, insbesondre aber, daß Sie nichtmehr feindlich Ihr Eigenthum in Rauch wollen aufgehen lassen. Mein Vorschlag einer Morgendiät ist von Ihnen misdeutet worden, nicht das unsinnige Ansinnen eines ewigen Sonntags machte ich, nicht daß jeder Morgen ein Küssen, sondern nur was fertig in Ihnen oder fast angefertigt, davon allmälig alles durch eines an jedem Morgen aufzuschreiben war mein Wunsch und mein Rath, es ist dieses Periodische des Kunstfleisses vielleicht der höchste Gewinn des Lebens, mir ist es gar nicht unwahrscheinlich, daß die Welt auf diesem Wege in kurzem fertig werden könnte. Ich habe manche Beyträge | zu den Volksliedern bekommen, aus Schlesien unter andern einige sehr schöne historische, wolle die gute Zeit daß wir unsre Schätze in gemeinsamer Auswahl bald sammeln können, und wenn mir auch das kleine Bettinchen einen Finger abbisse, ich würde wie Scävola vor dem grossen Bettinchen stehen und ungestört zuhorchen, was sie mir schönes sagt über den General Baß. Wir aber werden hier bald viele Generale und viel kleinen Krieg haben gegen den Rattenkönig von Schweden und die Englischen Seeräuber. Ich gehe noch vierzehn Tage aufs Land zu einem Onkel (Graf Schlitz), seinem kleinen Mädchen lehre ich, wenn ich ein Vöglein wär und nur zwey Flüglein hätt, flög ich zu dir. Das Kind ist aber ein Schalk und singt immer; Wenn ich ein Aeffchen wär, macht ich dir alles nach, blieb doch ein Aff, das aber nicht kann seyn ists nicht mein Fach. So dreht sie mir alles im Munde | um, sagt zu allem nein. Ich schreibe sehr bald von Karsdorf aus, unsre hiesige Hofgeschichte hat in einem Briefe nicht Platz, sagen Sie mir doch auch von Cassel kein Wort, wie Göthe da gespukt hat, kein Wort von der Gallerie, die ich noch gar nicht kenne. Gewiß überzeugen Sie Sich, daß ich in allen Vorwürfen so gerecht bin wie die Zunge im Wagebalken des jüngsten Gerichtes, darum nehme ich nichts zurück, ich bleibe bestehen auf meinem Kopf, es sey denn, daß Sie mir zur Strafe Ihre Briefe entziehen wollten, in dem Fall habe ich ganz unrecht, in allem unrecht und in jedem insbesondre nur in dem einen nicht, der Ihre hochachtungsvoll mich zu unterschreiben, Achim Arnim. 167
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Karsdorf. d* 21 April Ich habe meinen Brief als blinden Passagier mitgenommen, noch einen Grad nördlich, hier scheut er sich aber, der Himmel hat seinen grauen Pelz angezogen, der Garten liegt voll Kohlstrünke, die Bäume hängen voll alter Papilioten, weil sie sich noch nicht die Mühe genommen, sich anzuziehen, der Wald läst nachlässig seinen Schlafrock aufwehen, schlaftrunkene Welt, der May klopft an, nichts ist im Hause bestellt, kein Feuer, kein Kleid, kein Frühstück. Eine wunderbare Witterung, die mir aber nicht gefallen will. ich sehe dies Schloß, was ich nur im Grün kannte mitten im Braun und blättre in meinen Kinderbriefen, die ich hier zu Dutzenden fand, auch in den Briefen vieler Menschen, die mir jezt merkwürdiger scheinen als ich selbst und so verschwunden sind in der Welt, wie die erste ausgewaschene Sepia in einer Landschaft, oder landwirtlich gesprochen, wie der erste Dung, der das erste Grün erzeugte. Ich trotze der Kälte, ich werde doch froh.
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〈1r alR:〉 100 Ich habe Ihr Lied abstümpern hören, auch so ist es schön, recht schön. Mehr! Mehr! Mehr! M. Bettine Brentano
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Savigny fand in seiner Biblioteck, ein kleines Büchlein von den Wiederteuffern, wovon einliegendes die Abschrift ist, ich dachte, es mögte Ihnen wohl von Werth sein, er hat noch ein solges, welches er, sobald es abgeschrieben Ihnen senden wird, dieß habe ich die lezten Abende vor meiner Abreiße geschrieben, weswegen es ein bisgen undeutlich ist, wen Sie jedoch ihre eigne Handschrift leicht lesen, so wird Ihnen dieß auch nicht sehr schwehr werden, Ich habe mir die Freude gemacht Ihnen den Holzschnitt der dabey ist sehr ähnlich copiren zu lassen, nehmen Sie sich daher bei dem Aufmachen des Papendeckels ein wenig in Acht um denselben nicht zu verwischen, das Weise Blatt welches oben auf ist, ist der Tittel wie er um den Holzschnitt steht 168
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Ihr Brief vom 9ten Aprill, ist mir gestern zugekommen, er hat mir am meisten Freude gemacht von allen und zwar weil es der lezte und der längste ist. Heute antworte ich nicht darauf, weil ich viel viel zu thun habe da wir den Sonntag weggehen, dieß sage ich zu mir selber, um mich nicht in eine alzulange Conversation einzulassen. Sie werden jezt mein zweites Liedgen erhalten haben, ob es wohlgefällt mögte ich wissen. In Frankfurth werde ich eine Walfarth an Stallburgsbrünnlein machen; ich habe eine große Verehrung und Andacht zu ihm, seit dem lieblichen Wunder, da mir eines Freundes Bild in seinen Wellen erschien, von da aus gehe ich nach Trages und weiß nicht wie lange ich da bleibe, doch immer lang genug um Nachricht von der hohen und kleinen Jagd und allem übrigen einzuziehen, und alles dem Arnim zu schreiben. Bettine N.S. Wenn ich Cristian wäre ich würde dieß Abschreiben von Büchern u:d:g: die beliebte Insinuir Manier nennen.
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An Kunigunde von Savigny in Trages Frankfurt, etwa 30. April 1806, Dienstag
Der Linster hat Euch ja alles förmlich erzählt, auser das ich mich ganz gelind langweile, daß ich wieder übel aussehe wie immer in der Frankfurther Stinkluft, daß ich so bald als möglich zu Euch will, und daß ich beym Günder war und ein wenig über den Liebhaber gefummelt habe, besonders habe ich ihm vor gefummelt, daß er den Alten gar nicht lieb habe und kalt gegen ihn gewesen sey in Marb: worauf der Günder beiliegenden Brief bey allem was heilig ist an den Alten geschrieben hat. Daß Winckelmann Todt ist seit zwei Monat, an einem Nerven Fieber welches er von einem Kranken geerbt, ist auch so gewiß als die Sterne am Himmel stehen. Der Docktor hat den Rothlauf an der Nase, sonst ist nichts neues hier die Kinder haben sich auch sehr gebesert besonders George der sogar Anlage zur Gutmüthigkeit zu bekommen scheint. Ich will zu Euch und das ist alles Bettine 169
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Karstorf, 11. Mai 1806, Sonntag
Karsdorf d* 11 May 1806. Wir hatten gestern das erste Gewitter, ferne unhörbar, unser Feld war so bestäubt, daß es sich gern gebadet hätte, da musicirte ich gar gewaltig in die Ferne auf meiner besten Geige, verlor mich aber so darin, daß ich wahrscheinlich mit dem Bogen dem Gewitter das feurige Auge aus^gestossen; es war nachher still und ließ nichts mehr von sich hören und sehen. Ungefähr so ist es mir ergangen bey Ihnen, Sie lassen nichts von sich hören ungeachtet ich zur Versöhnung aller meiner Unartigkeiten ein paarmal erklärend geschrieben. Zuweilen, wenn ich aus meinem hohen Fenster in den Garten sehe, wie der Wind unten die Kaiserkronen, Rosenäste, Narcissen, oben die jungen Pflaumenbäume, Kirschbäume, Pappeln zusammentreibt, und wie die dann thun, als wenn sie sich einander zu beugten, sich viel zu sagen und mit einem andern sich abzugeben nicht Zeit hätten, da denke ich dem Familienconvent in Trages zugesehen zu haben und was dabey heraus kömt, daß jeder sich wieder fest auf seine Stelle hinstellt und warum ich allen Nachrichten von Ihnen entsagen muß, warum Clemens mir auf drey Briefe nicht antwortet. Was macht Christian? Wenn ich hier verzweiflungsvoll, mat und erschöpft einem Falken durch das Dickicht nachschleiche, so wird es mir zuweilen, als müste ich ihn ganz listig lauernd bey dem Teiche antreffen, wie er die Frösche todtschlägt, so wie einer seinen Kopf erhebt und mir ganz solide beweist, daß dies eine viel schönere Jagd, ja daß eigentlich keine andre, als diese geübt werden sollte. Wollen Sie noch etwas von meinen Beschäftigungen wissen, so erzähle ich Ihnen, wie ich täglich ein achtzehnjähriges auf einem Auge blindes grosses braunes Pferd umherjage, daß es vor Durst ganze Quellen bis auf den Grund austrinkt. Meine Flinte bleibt indessen mein kleiner Gott, mit silbernen Buchstaben auf braunem Grunde steht der berühmte Name Kuchenreuters darauf, ihr Styl ist vortreflich, sie spricht bestimmt und leicht, und treffend und versagt mir nie, so wenig sie sich verspricht, meinen Huth schmückt sie mit Federn. Bey der Feder fällt mir ein, daß diese demüthige Dienerin manches Blat beschrieben hat für Sie, was ich Ihnen gern vorlesen möchte, ob es gut ist will ich damit nicht sagen, es ist nur so nach meiner Art, die Sie zu weilen erlaubten. | Mein Zimmer ist so höchst wunderbar, daß es wohl einen Einfluß auf meine 170
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Arbeit haben kann, unter mir hesperische Gärten von Bergen beschlossen, an dem die Wagen wie an einem Chinesischen Schattenspiele wie Schatten gegen die helle Luft herum fahren, die Nachtigallen geben den Spatzen im Singen Unterricht vor dem Fenster, da ärgern sich die Spatzen so gewaltig, daß sie in den grossen Boden vor meinem Zimmer fliegen und immer im Kreise mir um den Kopf. Mir gegenüber wohnt in einer Bücherverschanzung einer der berühmtesten lebenden Juristen, Mösler, sonst in Wittenberg jezt Justitiar meines Onkels, der heimlich Bücher schreibt und erst neulich den fünften Band von Klagen und Einreden heraus gegeben, ein juristisches Lexikon, Werke, die Savigny kennt und verehrt, jezt spielt er auf seiner kleinen Orgel Walzer, die einzige menschliche Schwachheit an ihm, denn sonst ist er durchaus überirdisch, | so daß er neulich vom Pferde gefallen, in seinen Arbeiten voll kleiner Klugheiten und Pfiffe ohne Uebersicht des Ganzen, sonst ein magrer Stubensitzer, der aber in der Landluft, Bewegung und geräucherten Nahrung so ausgedehnt hat, daß seine Haut ihn kaum mehr fasst, so gespannt sitzen seine Backenknöpfe an ihm, daß man bald nicht mehr sagen wird, er ist in seiner Haut der schönste, sondern ausser seiner Haut. Ueber mir schlafen sieben Dirnen, die Röhre meines Ofens geht durch ihr Zimmer, und so lange ich Feuer machte, hatten sie etwas Rauch, über den Dirnen klappert ein Storch in seinem Neste ganz entsetzlich, über dem Storche ziehen die Wolken, über den Wolken wandeln die Sterne, über den Sternen sieht es sehr tief aus, so daß ich nicht hinein treten mag, und so bleibe ich still bey mir. Wie viel mehr liegt zwischen hier und Trages und doch soll mein Brief den Umweg über Marburg machen, um Sie nicht zu verfehlen, du armer Brief, mache noch tausend Grüsse allen, in deren Hauß du kömmst, empfiehl mich bestens der, die Dich eben weglegt mit meiner ganzen Ergebenheit Achim Arnim
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A Mademoiselle Bettine Brentano Abzugeben bey H Professor Marburg von Savigny en Hesse frey Cassel
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Trages und Frankfurt, 3. und 10. Juni 1806, Dienstag und Dienstag
Es sind nun schon 3 Wochen daß ich mir Täglich vornahm Ihre Neustrelizer Verdeutigung zu beantworten, und immer hat mich das herrliche Wetter davon abgehalten indem es mir nicht erlaubte zu Hauße zu bleiben; heut ist nun der erste Regentag und diesen will ich fest halten bis ich alle Schuld abgetragen habe. Ich war recht traurig meine Marburger Wohnung zu verlassen, Noch eine Stunde vor unserer Abreise, erstieg ich den alten Thurm (den ich schon fast zu jeder Stunde des Tags und der Nacht besucht hatte) man sieht von diesem weit herum bis auf den Feldberg, den auch Sie von Ihrer Frankfurter Wohnung aus sahen, ich wolte mir die Gegend noch ein mal recht ins Herz prägen, es war morgens halb vier grade um die Zeit da Gott die Welt aufs neue erfrischt mit Nebel und Thau sie anhaucht, es hatte die Nacht geschneet, das alte Schloß hoch hinter mir, schien noch in kaltem Morgenschlummer so thauigt so stumm und grau, die ganze weite Gegend war mit leichtem Schnee bedeckt, in dem Garten zu meinen Füsen wo das junge Grün unter den Flocken hervorschaute, sang eine Nachtigall, sie muß den Schnee für Blüthen gehalten haben, Gott gebe kein Thauwetter, bis ihre kleine Kehle müde ist, sonst muß sie ihre Freude in dem Augenblick ihrer Entzückung zerrinnen sehen. In dem Hof sah ich unsern bepackten Wagen stehen, der machte mich recht traurig ich machte die Augen zu und die vielen herrlichen Momente, in denen ich in manigfaltiger Beleuchtung ein freies Stück Welt beschaut und mich daran ergözt hatte, tratten mir lebhaft ins Gedächtniß, so ganz allein und doch so froh und ruhig war ich noch nie, wie dieses halbe Jahr, und es war doch Winter, nun muste ich grade in dem Momente, wo alles in seeliger Erwartung ist, von Schönheit und Genuß derselben, wegziehen, aus einer Wohnung, wo die Menschen über Blüthen hergehen, wie Engel über leichte Wolken, fort in die enge Straaß in mein dunkles Zimmergen, nach Frankfurth. Wenn ich das Leben eines Wanderers recht bildlich beschreiben wollte, so würde ich diese Gegend nehmen, so wie ich sie aus meinem Fenster sah, jung und alte Wälder zur rechten und zur linken, einsame stille Thale, wo es recht wild aussieht Brücken und Stege über groß und kleine Flüsse, schlänglender Pfad am Berg hinan, Bronen unter dem 172
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Baum, viele Dörfer hier und dort an Berge gelent, an denen das Abendroth hinauf klimt und alles vom Wind | von Sonn und Mondlicht in Bewegung und Leben gesezt. Und da war ich so froh, wenn ich mich an einem hellen Tag so recht müde geklettert hatte immer noch höher immer noch besser wollt ich sehen – ob ich wohl ferner im Leben noch diesen Eifer haben werde, immer noch höher zu steigen immer noch besser zu schauen und zu erkennen, was gut und schön ist. Sie werden wohl vor einem 4tel Jahr in der Braunschweiger Zeitung gelesen haben, wie daß der gute Winkelmann an einem biederen Nervenfieber, seinen Trepas erreicht hat, vielleicht haben Sie aber wie ich und andere diesem keinen Glauben beimessen wollen, ich kann Sie aber mit völliger Gewißheit versichern daß er nicht mehr unter den lebenden bessern Menschenkindern zu finden ist. Gall ist in Frankfurth und wird morgen seine Vorlesungen dort anfangen er hat sich in Claudinens schöne Augen verliebt, sieht den Ganzen Tag hinein und spricht von tausend Organen und Sinnen die in und um diese Augen liegen, Claudine last sich das alles nicht übel gefallen, und sieht zum wenigsten in Galls Augen sich als ein Lumen. es ist sonderbar ihre bisherige Kränklichkeit entstand hauptsächlich wegen Gall, und nun sieht sie den Leibhaftigen Gall, mit so viel Freundlichkeit an hat alle Aversion verlohren, die Frauen aus unserer Familie werden seinen Vorlesungen alle beywohnen, die Furcht welche ich vor den Raisonnements habe, welche deswegen beym Frühstück am Mittag und Abend essen gehalten werden, hat mir schon jezt einen gewaltigen Eckel vor dem Menschlichen Gehirn, nebst allen Organen gegeben. Dem Clemenz werde ich es schreiben der kömmt vielleicht nach Fr: und giebt dem Ding einen Politischen Schwung ins Possige, auch Cristian wird wahrscheinlich kommen wenn ihn nicht sein Fleiß abhält, der so groß ist daß er nicht einmal in der Ferien zeit abkommen konnte um noch einige Tage mit dem Savigny zu sein, welcher noch diese Woche nach Nürnberg zuseeglen wird mit seiner Gemalin, um dort das Ende einer zweiten guten Hoffnung abzuwarten, ich gehe nach Frankfurt, wo ich recht ernst nur allein der Musick leben werde, da sollen Melodieen ausfliegen von meinem kleinen Tauben^schlag, daß man glauben wird es sey ein Nachtigallenschlag | oder Triller oder Gesang wie sie es nennen wollen, und diese sollen alle nur ausfliegen wenn der Wind nach Berlin zu weht ich drehe wieder jezt welche zwischen den Lippen, wie die jungen Bursche die Blumen Sträußlein am Sonntag – 173
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wenn ich nur ein Clavier hätte oder sonst ein reines Instrument mit 75 dessen hülfe ich sie zur Welt bringen könnte, ich kann mir noch nicht recht helfen, und es kostet mich immer noch Mühe so etwas fest zu halten wie sie wohl wissen, aber den besten Willen hab ich. Nun bin ich in Trages, wenn Sie hier wären Sie würden gewiß schon manchen Guckuck geschossen haben; sie schreien einem den ganzen 80 Tag die Ohren voll in dem kleinen Birken wäldgen daß Sie wohl kennen treiben sie sich von Baum zu Baum und wetteifern mit dem benachbarten Froschteig. Die Nachtigall die mag sich wohl drüber ärgern die schweigt den ganzen Tag bis es Nacht ist und alle in festem Schlaf liegen, dann biegt sie sich mit ihrer kleinen vollen Gurgel ganz 85 vorne auf die kleinen Dünnen Aeste und wiegt sich und Trillert und Singt, als wolte sie ein neues Leben ersingen. Sie wundern sich daß ich Ihnen nichts von Cassel und der Bildergallerie erzählt habe – Ich verstehe gar nichts von Bildern, ich kann nicht sagen dieß war herrlich, und dieß hat mir gefallen, es war mir immer 90 als ob ich einer Versammlung von Gestaldten und anderer Darstellungen, dargestellt würde Die Art ihrer Entstehung war mir ganz verschwunden, und ich fragte mich tausend mal, wie sind diese Bilder hier, was haben sie für ein Leben was ist das, das ernste, traurige, freudige, entzückte, daß ewig sprechende, das verstummende der unendliche 95 Contrast in vielen, in einen stillen Frieden in höchster Ruhe verbunden, ja ich konnte die Lippen nicht bewegen und da einer sprach so war ich erschroken, und wenn ich mir dachte dieß alles ist Farbe mit Weisheit und Klugheit auf Tuch gemahlt so konnte ich es nicht mehr glauben, ich habe denn viel nachgedacht worinn wohl dieser ewige reine 100 Ausdruck im Bild auch den Betrachtenden so ewig fest hält zur Bewunderung, Ein lebendes Gesicht mit vollkommen edlen Zügen macht in der Beweglichkeit und Manigfaltigkeit seiner Geberden lange nicht so Tiefen Eindruck auf mich wie der Apoll den ich in Cassel sahe und wenn die Göttlichkeit die in einem solgen | Kunstwerk liegt, ins Leben 105 der Menschen geräth, daß sie sich aufdrückt, darstellt, wie ein Bliz, der die Welt erleuchtet und verblendet, so muß man lieben, ja ich stelle mir oft nicht anders, wie daß die Göttlichen Kräfte, die manchmal im Menschlichen Leben erscheinen, wie, Liebe, selger Enthusiasmus, Hoffnung, und Dichtung, ja selbst Stellungen und Geberden in Un- 110 schuld und Feuer, all von diesen Steinen ausging, kalt in der Berührung, im Geist warm, ewig warm in der Ferne; und warum sollte es nicht so seyn. Die Menschen übten sich in der Erschaffung, langsam bedächtig 174
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ging es von Stadten, in währender Zuversicht auf Gott, daß das Werk gelingen möge, und Leben kam hinein, aber nicht daß im Bliz erscheint durch den Gedanken Es werde – es ist in sich unzugänglich, aber mit Willen verbreitet es sich in Tausend Herzen und Schafft wieder, – alles, die Welt in Tausendfachem wiederschein, und erweckt und giebt daß was der Liebe werth ist. Und wenn ich nun gar an Musick denke, die so Augenblicklich erscheint und wieder weg ist, und so lebendige Beweise ihrer Erscheinung zurück läst in Dreyfach angeregtem Leben, so muß ich die Augen zu schließen, und darf nichts irdisches mehr schauen. Bettine Fr d* 10 Juny So eben erhalte ich einen Brief vom Arnim vom 11ten May, die Addresse schon ganz abgenuzt und der Brief schon ganz voll Sporflecken, ich kann es nicht begreifen da die Briefe sonst von Berlin hier ins Haus alle in 6 Tagen kommen, ich bitte sie die Briefe nicht mehr zu frankieren. Die Brüder sagen es sey dieß schuld daran, daher werde ich es auch nicht mehr thun. Ich merke an Ihrem Brief, daß wir beyde recht artig von Nachtigallen plaudern können, und wenn es darauf ankömmt | unser Brod zu verdienen so werden wir beide ein gut Stück Geld gewinnen. Cristian ist hier und hört dem Gall zu, wie auch alles aus unserm Haus was Mensch heist. Gall sagt von mir ich habe ein starkes Musick Organ, wie auch viel Gedächtniß, was ich aber in einem hohen Grad besize sey der Mordsinn. Meine große Beschäftigung hier, ist, meine Altan zu verzieren, ich habe jezt eine schöne Kreuz Tanne darauf gepflanzt die weht und dreht sich mit ihren feinen Zweiglein. Nun noch etwas vom Familien Convent. Savigny und Gundel sind in Nürnberg. Toni und Marie sind im Begriff die Familie zu vermehren, erste ist bey sehr guter Laune, ein seltner Fall in solgen Gelegenheiten. Franz hat einen Garten gemiethet von einem Zuckerbäcker, mit sehr herrlichen Partien, als da sind 1stens, eine Menagerie, worin ein Huhn welches Täglich ein Ey legt aber ein goldnes 2tens, eine große Bilder gallerie, welche in zwey lang und schmaalen Säälen besteht, und das Licht durch kleine Spiegel sehr schön dirigiert ist, es sind herrliche Landschaften darin, von den ganz alten, wie Sie welche in Kupfer haben. 175
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3tens. Eine Löwen Grube von Bronz im erhabensten Styl es fehlt nur der Daniel darinn, wes wegen wir Sonntags gewöhnlich den Anton in einem braunen Rock hinein plasieren, der sich als Daniel recht artig 155 geberdet 4tens. ein springendes Waser worin schöne Karpfen schwimen mit Staduen verziert, ist jezt mit Brettern zugedeckt, weil es zu Gefahrvoll für die Kinder. 5tens. ein Merkur zwischen einem jezt unbrauchbaren Bad haus und 160 einem pp: das ganze mit Rosen und Fichten umwachsen 6tens. ein Tempel der Minerva, mit kleinen Stülen versehen worauf man sich hin und her drehen kann, dieß ist Franzens Lieblings ort, es wird gewöhnlich Cafee da getrunken. 7tens eine Pyramide mit einer vergüldeten WeltKugel auf der Spize, 165 welche mit Lorbeer umwunden ist, eine Anspielung auf die Eroberung Bonapartes, wir brauchen sie indessen zum Scheiben schießen. 8tens ein schöner Bronnen. 9tens ein Frühstücks Cabinet eingerichtet wie ein Tempel auf dem Altar kann man trinken und essen, und in demselben das Geschirr auf- 170 bewahren. 10 Virgils Grabmal sehr schön nachgeahmt, mit wilden Thieren von Bronz verziert, die da liegen und stehen als wenn sie eben einbisgen zum Plaisir daher spaziert wären, 11tens ein schönes Vogelhaus, es sind zwar jezt keine Vögel da aber 175 es waren doch welche da daß kann man noch deutlich sehen 12tens ein sehr schönes Haus, ein kleiner Palast, mit einem Hof worin eine Wasser Pumpe, auf welcher ein Löwe in Stein aus gehauen, das Hauß besteht in zwey Antichambre und einer herrlichen Ausicht auf die Landstrase, ein Schorstein welcher darin befindlich ist, wird auf 180 eine künstliche Weise zur Küche gebraucht, es scheint das übrige vom Haus ist theils vergessen, theils nicht ausgebaut worden, sonst würde es allerdings sehr Geräumig und groß seyn. Die vielen sonstigen kleinen Altäre und Opferstäten in den Wäldern umher und dunklen Rosen Lauben, will ich gar nicht gedenken, wie 185 auch der verschiednen Staduen, herrlichen Ausichten auf das Bockenheimer Thor, schattigen Alleen, prächtiges Hunds haus, worin ein schöner schwarz und weis gefleckter Spiz, schöne Kirschbäume, Erdbeeren und was der gleichen mehr. Doch eins muß ich noch erwähnen, es ist eine schöne Laube von weisen Latten, worin die ganz Tischgenos- 190 sen schaft alle Sonntag speist, in warmer Sonnen hitze aufs aller ange176
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nehmste, der Daube Pater nicht aus genommen. – Von Clemenz hab ich in ewiger Zeit nichts gehört. Vor 8 Tagen habe ich 43 der schönsten Briefe Göthes abgeschrieben an F: v: Laroche voll Liebe zu meiner Mutter, und ein Gedicht, in kindlichen Worten, Gottes Wort nachahmend Bettine 〈1r aoR:〉 nächstens Lieder, von den gesammelten und componirten 〈3v quer zur Schreibrichtung über dem bereits geschriebenen Text:〉 Ist mein Johann von Leiden nicht bey Ihnen angekommen es wäre schade wenn er verlohren gegangen wäre
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Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Nürnberg, 11. Juni 1806, Mittwoch
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Lieber treuer Buttel! Vor allen Dingen muß ich dir sagen, daß wir jezt ohne Buttel sind, und daß wir diesen Mangel in allen Ecken lebhaft empfinden. Du darfst also ja nicht erschrecken, wenn ich etwa plözlich ankommen sollte, um die Buttel nachzuhohlen, sonst werde ich blos in Gedanken ankommen, was überhaupt weit leichter und bequemer ist. Beÿ dem Puller bist du in gar lebhaftem Andenken geblieben; so oft wir auf der Reise oder hier ein etwas unterseztes, dickliches Frauenzimmer gesehen haben, hat er laut gerufen: Tata. Hier wird das Andenken nicht lange dauern, denn die Glückseeligkeit, die ihm hier in der Unendlichkeit der Spielsachen bevorsteht, wird seine ganze Seele gefangen nehmen. Mir geht es darin ganz anders. Ich verspreche mir viele Freude von den schönen Sachen in Nürnberg, aber gerade dabeÿ denke ich am meisten an dich, und du fehlst mir dabeÿ am meisten. Bis jezt habe ich noch nichts gesehen, als aussen an der Sebalderkirche ein sehr schönes Cruzifix mit breiter gewaltiger Brust, und starken vollen Gliedern, ganz anders als alle Christusbilder die man sonst gewohnt ist. Nürnberg hat mir einen ganz andern Eindruck gemacht, als ich erwartete. Zwar hat die Stadt etwas ehrenfestes, alterthümliches, was mir ausserordentlich wohl gefällt, | aber sie ist nichts weniger als dü-
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ster und unfreundlich. Im Gegentheil, recht viele helle, angenehme Straassen, und im Ganzen viel besser gebaut als Frankfurt, wenn man in Frankfurt die lezten 20 Jahre abzieht. Was mir aber viel besser gefällt, sind die Menschen. So viel ich bis jezt davon gesehen habe, scheinen sie mir über die Maassen gutmüthig, dienstfertig und fröhlich, und wenn mich nicht diese Paar Tage ganz und gar getäuscht haben, so werde ich Nürnberg sehr lieb gewinnen. Meine Bekanntschaften sind bis jezt folgende: Gebrüder Utendörffer, sehr artige Leute, die sogleich mit der thätigsten Gefälligkeit allen unsren Wünschen zuvor zu kommen gesucht haben: danke dem Franz in meinem Namen herzlich für den Brief an sie. – H. v. Murr, ein alter, berühmter Gelehrter, der verwirrtste, närrischste Mensch von der Welt, über den wir uns schon bald todt gelacht haben, der ganze Mensch eine ungeheure Sammlung von allerleÿ Curiositäten, und seine Stube ein kleines aber getreues Abbild davon. Was ich so in der Eile beÿ ihm sehen konnte, war: ein kleines Basrelief von Benvenuto Cellini, Carl XII. von Schweden über den Kopf selbst in Wachs bossirt, alte spanische Zeichnungen aus dem 16. Jahrhundert, ja noch früher (unter andern ein gleichzeitiges Porträt des Columbus) ferner die Handschrift von einigen hundert berühmter Gelehrten, theils im Original, theils nachgezeichnet. | Er läßt sie jezt alle in Kupfer stechen, um sie in einem großen Werke bekannt zu machen. – H. v. Kospoth, gewesener Major, ein sehr artiger Mann, der mit seiner Frau aus Frankfurt und seiner Schwägerin, der Frau von Stockum, hier wohnt, und der mir schon alle Hülfe und Dienstleistung angeboten hat, die er und sein Hauß leisten kann. Wir werden die Damen heute kennen lernen. – Der hessische Gesandte, H. v. Schlotheim, ein feiner Mann, der sehr viel Welt zu haben scheint. Bis jezt wohnen wir noch im Gasthause, stehen aber schon wegen zweÿer Gärten vor der Stadt in Unterhandlung, die beide überaus reizend sind, jeder auf eigene Art. Ich freue mich sehr darauf, besonders auf die Stille, denn in der Stadt ist es nicht auszuhalten vor Lärmen, besonders für Leute die eben von Trages kommen. Wohlfeil übrigens ist es in Nürnberg gar nicht, im Gegentheil ist manches noch theurer als in Frankfurt. Nirgends ist es leichter, Bekanntschaften zu machen, als hier. Ein großes Hülfsmittel dazu ist die Harmonie, eine geschlossene Gesellschaft, die aber alles umfaßt, was in Nürnberg zur Gesellschaft tauglich ist, wozu jeder Fremde den Zutritt hat, und wo man von Morgens bis zum Abend Menschen findet. 178
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Schließlich muß ich mich noch über dich beschweren. Ich hatte dir noch in Trages erzählt, wie angenehm es seÿ, in einer fremden Stadt schon Briefe zu finden, und heute ist noch kein Brief da. Übrigens grüße herzlich Meline, Franz, Tonÿ, Georg, Marie, Christian, Claudine, lebe wohl und behalte lieb deinen alten Habihnnie 〈Kunigunde von Savigny:〉 Lieber Butin! bis jezt geht noch alles recht gut, auf unsrer Reise ist es uns wünschenswerth ergangen, das kleine Pullerchen war äußerst artig, das heist es hat sehr viel geschlafen, und nun sind wir a la recherche eines Garten Hauses. von einem das wir in der Auswahl haben muß ich dir eine kleine Beschreibung machen. Der Garten selbst ist vor 3 Jahren von einem Grafen Hatzfeld angelegt worden und das, auf das Luxurieuseste: er enthält zum wenigsten 6 kleine Gebäude; worunter eines ein Bauernhaus vorstellt und innerlich das schönste köstlichste, brillanteste, und dabey doch sehr heimliche Bad enthält, ich kann dir nicht beschreiben wie sehr anziehend das für mich ist, denn ich habe noch nichts ähnliches gesehen. Das Gartenhaus selbst das wir bewohnen sollen enthält zum wenigsten 10 Stuben, und verleidet mir darum alles übrige, denn ich konnte mich nicht erwähren bey dem Gedanken daß wir es allein bewohnen sollten eine solche Leere zu empfinden, das es mich ganz abgeschreckt hat. Mir kam dabey sogleich der Gedanke wie wohl könnte es hier dem dicken Butin werden, und dem alten Linster Das hat mich ganz traurig gemacht, so: würde es mir öfters werden wenn ich da so allein wäre. Der Garten ist übrigens merkwürdig wegen seinen ehemahligem Bewohner: dieser Graf nähmlich hat daselbst getrennt von seiner rechtmäßigen Frau, und Kindern, mit 4 a 6 Stück andern Frauen gelebt | mit einer natürlichen Tochter, und einem Docktor der sich entschlossen hatte diese Tochter zu ehlichen. auserdem wurde dieser Garten noch von 24 Pferde eben so viele Bediente bewohnt. Sonst durfte keine lebende Seele hinein, wenn er nicht risquiren wollte mit der Hezpeitsche herausgejagd zu werden. Mit seinen 6 Weibern (welche seit seinen Tod den französchen generals anheim gefallen sind) sperrte er sich in sein Bad. Hatte alles aufs köstlichste moeblirt, war aber so ein Menschenfeind daß das was seine Hunde nicht fressen konnten, vergraben werden mußte. Es sind uns noch viele komische Geschichten von ihm erzählt worden, die sich aber mit der heutigen Hize, und meinem Schreiblusten nicht vertragen. 179
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Schreib fleißig, Savigny wird die Correspondenz besorgen, denn auserdem daß ich sonst nicht gerne schreib befinde ich mich jezt beynah 100 ganz unfähig dazu, da ich beynah in keiner andern Stellung mich erträglich fühle als beym Stehen oder liegend. adieu Butin. Das Kind hat ein paar Tage immer Tatante gerufen besonders in Würzburg. Gunda.
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Berlin d* 14 Juny 1806 Nach dem ich mir durch Pfeifen, Singen und ein Paar Liedchen wie gährender Most Luft gemacht habe, glaube ich Ruhe genug gewonnen zu haben Ihnen lieber Mahler Müller, für alles Schöne recht viel Schönes zu sagen. Einmal Ihrer sehr glücklichen Hand, die ich mir neben dem Briefe mit der Feder abzeichne, um mir nur einige Anschaulichkeit von Ihrem Unternehmen zu machen. Ganz schämerlich sehe ich dann meine Hand an und zweifle, ob mein Johann von Leiden je so rein und vollständig daraus hervorgeht, wie hätte er sich träumen lassen, in später Zeit noch einmal so wiedergeboren zu werden; ja wenn ich zum Werke komme, es kann nicht fehlen, daß ihn dies in seiner Ungefügigkeit hält, daß er denkt sein Bild zu entstellen, was ihm das beste Schicksal des Lebens bereitet. | Wie baue ich dem Büchlein einen Schrank, dem Schrank ein Haus, dem Hause eine Stille, daß ich es immer und immer lesen kann, vorwärts und rückwärts, es ist wirklich an sich eins der merkwürdigsten, darum ist es aber nicht! – Ich fange von vorne wieder an, denn ich thue doch nichts als dahlen, während ich im Manuscripte blättre. Ja da hätte ich lange rathen können, welche Arbeit Sie für mich bereiteten, darauf wäre ich doch nicht gefallen! In Karsdorf als ich eben fortreisen wollte, schlug sich ein Engländer mit mir über aus Allegorie wegen der Kapereien der Engländer gegen uns, ich lag wie ein Titane unter dem Berge, der Berg stand auf, ich auch, aber ich war lahm, Nachts verjagte das lebendige Blut das geronnene, ich 180
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träumte ängstlich, da las ich mir Ruhe in einem dünnen geschriebenen Buche, das aus der Luft, jezt kommt es mir vor, als hätte | es gerade so ausgesehen wie dieses Buch mit der doppelten Thüre, wo mir der König immer muß Rede stehen. Ihre Majestät! – Was beliebt? – Um welche Zeit sind sie gemalt worden? – Was weiß ich davon, denn ich bin so zu sagen erst am Leben seit ich gemalt bin. – Ihre Majestät ich will Ihnen auch etwas mahlen, kommen Sie gefällig heraus. – Ach lasst mich, ich will aber nit, lasst mich in Ruhe. – Er klapt die Thüre zu und ich bin wieder so klug wie vorher. Zwischen den Reihen gehe ich nun recht langsam spazieren, es ist so angenehm heiß, welch ein prächtiger Schatten unter diesem B, es blüht eben, das ist ein sehr wundervoller Garten gleichsam ein in Reihen gepflanzter Wald, nun beleben sich die Bäume, fangen an zu tanzen, ich bin auch nicht faul dabey. So anmuthig spielt sichs mit Ihrer Güte, wie der grosse Alexander den Homer, so lege ich mein Manuscript | mir unter den Kopf um gut zu ruhen, ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhe kissen, nichts ist so gut, nichts so gewiß wie mein Manuscriptchen. Was soll ich dagegen schicken, ich Aermster, Lieder, ein Paar kleine neue Stücke, das lese ich Ihnen lieber selbst vor, daß Sie es verzeihlich finden, ich weiß nichts als dies Notenbüchlein, mein musikalisches Leben geht hier erst wieder an, ich bin entwöhnt worden, aber das Zahnen bringt mich wieder an die Brust, ich sauge wieder mich toll und voll in dem süssen Zeuge, auch Ihre Lieder höre ich zu weilen, doch vertraue ich sie nicht allen, seitdem sie mir einmal in ein verdammtes Scheerwerk mit Schnüffelaccompagnement versetzt wurden, ungefähr wie Circe die edelsten Helden verwandelte Wie ein schönes Gesicht mit einem grossen Feuermahl, so giebt es angenehme Frauen, die ganz bärtige Stimmen | haben, ich habe schreckliche Erfahrungen darüber in Mecklenburg gemacht auf einem Privattheater. Ich könnte Ihnen viel Anmuthiges von diesem Theater erzählen, aber ich erfuhr dort den Tod Winkelmanns, den Sie wahrscheinlich früher läuten hörte, ich las in langer Zeit keine Zeitungen, das plunderhaft ausgeflickte nachgeahmte Leben mit seiner spielenden Pracht und die stille Hütte so mancher Hoffnungen und Wünsche wechselten mir so unangenehm, als wie ein Hygrometer das ewig dem alten Kapuziner die Kappe abzieht und aufsetzt, mit seinen Prophezeihungen ärgert. In solcher Zeit ist aller Streit geschlichtet und die Erinnerung spinnt sich in allen guten Stunden ein, ich kann es ihm nicht vorwerfen, daß er vieles über seine Kraft unternahm, wer kennt seine Kraft, ich hätte nie gedacht über diese Heroengestalt hinzuschreiten, 181
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ich denke ihn in einer Auswahl des Besten aus seinen Arbeiten in unsern | Liederbrüdern ein Denkmahl zu setzen, so gut oder so schlecht als er sich die Steine gestrichen und gebrannt hat. In ihm ist mir Poesie zuerst menschlich erschienen, ich erkannte dieselbe Kraft in ihr wie in allem und dieselbe Mühe, so wagte ich es auch mit meiner Kraft in meiner Mühe; in ihm wurde mir klar, daß die Verkehrtheit allein das Wunderbare des Natürlichen aufhebt, er soll sich durch entsetzliche Wunderkuren zerstört haben, durch ewige Sehnsucht nach wunderbarer Empfängniß zerstörte er schon früher alle seine natürliche herrliche Bildung, doch das alles war nicht sein Fehler das war der Fehler seiner Schule, die Todten aber müssen erkannt werden, so gehören sie noch zu den Lebendigen. Gewissermassen ist er ein wahrer Wieder täufer und so trift er auch darin mit meinen früheren Planen | zusammen, auch in ihm das Ausplatzen von Bestrebungen, die erst später vielleicht zum gewissen Daseyn kommen, eben die Keckheit in Unternehmungen und augenblendendes Glück im Beginnen und stolzes Verschmähen des Unbewusten. Noch während Galls Vorlesungen in Braunschweig, so erzählte mir sein Todesbothe, soll er auf wunderlich überhebende Art nichts angesehen und wie eine Pagode mit dem Kopf geschüttelt haben. Ich sehe wieder nach ob mein Leidner König nicht den Kopf schüttelt, er steht aber noch unverändert. Erinnern Sie Sich noch des kleinen Gläschens, Ihr Meßgeschenk für mich, worin ein Paar Erbsen wie Weltkugeln, etwas Flittern wie Sonnen aussehen, warum sollten sie es nicht seyn, geben doch viele die Welt für ein Linsengericht hin, so soll auch Johann von Leiden jezt besser werden, ob er gut wird darum, das weiß ich nicht, niemals so gut wie ich Ihnen bin in aller Hochachtung Achim Arnim
*183. An Franz Joseph Gall im Rheingau Frankfurt, zwischen 16. und 20. Juni 1806, Montag und Freitag B an Friedrich Carl von Savigny, 21. Juni 1806: ich hab mit ihm Corresbon-
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*184. Von Franz Joseph Gall nach Frankfurt Rheingau, zwischen 16. und 20. Juni 1806, Montag und Freitag Vgl. Nr. *183.
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An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, 21. Juni 1806, Sonnabend
Lieber Alter aus deinem Plan mich zu Euch zu holen wird in den ersten 3 Wochen nichts, denn so lange Gall hier bleibt, will ich auch nicht weg, als denn bin ich aber bereit, mit in die weite Welt zu ziehen, kannst du dirs Denken, bin förmlich verliebt, in diesen Gall, in diese schönste Augen der Welt die so herrlich mit sprechen, in seinen Stunden, er war eine Zeit lang verreist und ist noch nicht wieder zurück ich hab mit ihm Corresbondiert, heute Abend kommt er wieder wenn du ihn über Göthe sprechen hörtest, du würdest entzückt sein über seine Demuth, über seine Erkentniß, im Guten ohne selbst an diesem Guten im mindesten theil zu haben er sagt noch, daß was er fast an den meisten Köpfen der Dichter als Carakterisierend wahrgenommen habe, nehmlich das Organ des Wizes, habe er an Göthe gar nicht gefunden – Dieser Gall hat einen Compagnon einen Arzt, einen Spurzheimer, einen Calvariberg von Frommheit. dieser Berg macht mir die Cour, denk, der findet mich Artig, aller liebst, und findet den Dicken Budin, »der keine Spanne hoch« fein und sehr zierlich gewachsen, was sagst du hierzu Alter. Ich wollt ich wäre bey dir ich kann eigentlich gar nicht schreiben und nur damit du siehst ich vergesse dich nicht, schreibe ich, du hast mich nicht gewöhnt dir ordentlich etwas zu sagen, immer Spaß und nie ein freundlich ernstes Wort, jezt fühle ich erst wie mir das nötig wäre, wenn ich mehr als liebäugelnd mit dir Correspondieren sollte – indessen bin ich doch dein treuster. 〈AoR kopfstehend:〉 Dem Schnundelus meinen Freundschafts Kuß, Moriz ist in Amsterdam, Loudo ist so mager wie ein Häring. Arnim erkundigt sich in seinen Briefen immer nach dem kleinen Bettingen du must mir also Nachricht von ihm geben, damit ich mich und ihn befriedige. 183
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An Caroline von Günderrode in Frankfurt Frankfurt, zwischen etwa 25. Juni und 10. Juli 1806, Mittwoch und Donnerstag
Die Aeren des Feldes schmiegen die jungen Halme auseinander und wenn sie reif sind so bewegt sie ein leiser Wind daß sie sich berühren, aber die Menschen berühren einander nicht, wenn sie auch noch so dicht gesäät sind wenn auch noch so heftiger Sturm durch sie fährt; so ist es, und das bindet die Zunge und tödet den Geist. eins drückt mir das Herz zusammen, daß ichs Dir nicht sagen soll wenn ich die Blicke wende nach den Sonnenstrahlen oder nach den Wolken.
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An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, 2. Juli 1806, Mittwoch
Lieber Alter – Gestern habe ich einen Brief von Arnim bekommen welches ein sehr schöner zierlicher Brief ist der mir grose Freude gemacht hat Allein von dir hab ich keinen erhalten welches mir sehr leid ist, und die ganze Freude über Arnims Brief aufgewogen hat. Gestern ist Clemens fort von hier, er sagte mir, daß er dir geschrieben habe, er wolle zu dir kommen, dieser hat mich mit dem jungen Docktor Schlosser bekannt gemacht, welcher mir drey noch ungedruckte Gedichte von Göthe gegeben hat, ich werde sie nächstens abschreiben und dir schicken. Was macht der Bauch beym Gundel. Was macht mein kleiner Fumler. Denke dir, wie mich die Freundschaft hinters Licht geführt hat, du weist doch daß die Günderrod im Rheingau war, mit Serviers – es hieß immer Sie ist noch im Rheingau, als eines Tags plözlich der Lange angestochen kömmt, was macht die Günderrod?, war meine erste Frage – Ey hast du sie noch nicht gesehen, sie ist schon 8 Tage hier – ich ging gleich hin mit der Meline, um zu sehen was dieß bedeuten sollte, als ich hin kam stand sie vom Tisch auf an dem sie geschrieben hatte – Guten Tag – du bist schon so lange hier und hast mich noch nicht besucht – keine Antwort – du hättest es wohl noch länger so anstehn lassen, wenn ich nicht von selbst gekommen wäre? – Kann seyn – Du scheinst ja sehr kalt. – Ich bin dir bös (aber 184
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alles ganz kalt von ihrer Seite.) – So? du scheinst auch nicht wieder gut werden zu wollen? – Zum wenigsten wäre es mir sehr leid wenn du darauf drängest denn ich habe mich in dir geteuscht und du teuschtest dich in mir. und so packte ich auf mit Freundschaft und Vertrauen und allen schönen Plänen alles durcheinander, habe sie auch seit der Zeit nicht mehr gesehen konnte mir die ganze Histori bis jezt auch noch gar nicht erklären, vor ein par Tagen habe ich erfahren | das Kreuzer hier seyn soll, ob dieser Schuld daran ist mittel- oder unmittelbar – das laß ich dahin gestellt seyn, genug ist, daß es mir anfangs zwar Schmerzlich weh that, jezt mögt ich aber um alles in der Welt nicht mehr bey ihr einrücken, auch hab ich einen solgen Abscheu vor einer Erklärung daß es mich Mühe kosten wird diese von ihr zu begehren, jedoch um nicht ungerecht gegen mich und sie zu seyn, werde ich es thun so bald der Kreuzer (der falsche Kreuzer der keinen Heller werth ist) fort ist. Adieu, mein treuer, laß dir diese Geschichte zur Warnung dienen bedenck daß du in meiner Achtung sehr fallen würdest, wenn du dir einfallen ließest dich in mir geteuscht zu haben. Dem Puller hab ich schon einen ganzen halben Strümpfgen gestrickt Adieu alter Gundler hat euch die Meline nichts geschrieben vom Fest auf Antons namenstag da wir seinen Wellenbaum auf das zierlichste mit Blumen und Geschencken Schmückten und Kränzten, und ihn aufgespant in einen grosen Radan Kuchen steckten mitten auf dem Esstische – mit schönen Versen in höchster Eil verfertiget und Anton uns zur Revanche mit Vilbler Wasser und Wasser Traktierte. Bettine
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An Caroline von Günderrode in Frankfurt Frankfurt, zweites Drittel Juli 1806
Ich hätte gern daß du der Gerechtigkeit und unserer alten Anhänglichkeit zu lieb, mir noch eine 4tel Stunde gönntest, Heut oder Morgen es ist nicht um zu klagen, noch um wieder einzulenken. beides würde dir gewiß zu wieder seyn, und von mir ist es auch weit entfernt. denn ich fühle deutlich, daß nach diesem verlezten Vertrauen, bey mir die Freude die Berechnung meines Lebens, nicht mehr auf dich an kom185
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men wird wie ehmals, und was nicht aus Herzens Grund, was nicht ganz werden kann, soll gar nicht seyn. Indessen fühle ich immer noch daß du Ansprüche auf meine Danckbarkeit machen kannst, obschon sie dir wenig nüzen kann. Ich habe manches was ich nicht für dich verlohren mögte gehn lassen, dieß alles hat ja auch nichts mit unsrem zerrütteten Verhältniß gemein, ich will auch da durch nicht wieder anknüpfen, wahrhaftig nicht! im Gegentheil, diese Ruinen (größer und herrlicher als du vielleicht denkst) in meinem Leben sind mir ungemein lieb, und wenn ich an Göthes Wandrer dabei dencke so wird mir ganz wohl und leicht dabey, ich versteh ihn dann dreyfach. Ich habe mir statt deiner die Räthin Göthe zur Freundin gewahlt, es ist freylich was ganz anders, aber es liegt was im Hindergrund dabey was mich selig macht, die Jugendgeschichte ihres Sohns fließt wie kühlender Thau, von ihren Mütterlichen Lippen, in mein brennend Herz, und hier durch lern ich die Jugend anschauen, und hierdurch lern ich daß seine Jugend allein mich erfüllen sollte eben deßwegen auch mache ich keine Ansprüche mehr auf dich. Du hast zur Clodin gesagt ich wüßte warum du dich mit mir entzweit hättest? ich weiß es aber nicht, und ich dencke du wirst es billig finden meine Fragen darüber zu beantworten, nicht um dich sondern um mich zu berichtigen, ich habe biß jezt geglaubt der Kreuzer hab was gegen mich, oder die Serviers hätten mir die Suppe versalzen | es sey dem allen nun wie ihm wolle, ich verspreche dir mich nicht weißbrennen zu wollen, wie du vielleicht denkst, oder dir Vorwürfe zu machen, erlaub also was ich fodern kann. Wenn mir mein Feind das Messer an die Kehle gesezt hätte und ich hätte so viele beweise seiner liebe, so freundliche so aufrichtige Briefe von ihm in Händen gehabt, ich würde ihm dennoch getraut haben, die Briefe must du mir wieder geben, denn du kömmst mir falsch vor so lang du sie besizest, auch leg ich einen Werth darauf, ich habe mein Herz hinein geschrieben, Bettine Brentano
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An Fräulein von Günderrode im Krohnsteder Stifft. so gleich abzugeben 186
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An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, zweites Drittel Juli 1806
Lieber Alter. was soll ich dir sagen? ich freue mich königlich auf den Brief den du mir versprochen hast, mit der Günderrod ist es ganz aus, ich hab noch ein mal bey ihr angepocht, und hab ihr einen Brief geschrieben voll Einfallt und Gutmüthigkeit, ich hab ihr gesagt wie daß es mich gar nicht traurig mache daß sie keine Freude mehr an meinem Umgang habe, aber sie solle doch nicht so wüthig verzweiflend, alles Verhältniß daß Zwei honete Menschen haben können, in die Luft sprengen, ich sey ihr immer noch danckbar für Vieles, sie will nichts von mir wissen auch nicht eine kleine 4tel Stunde die ich von ihr begehrte um das ganze auseinander zu sezzen hat sie mir erlaubt »sie will mich nicht mehr sehen, und niemand hat Antheil an diesem Entschluß, er ist aus tiefem Gefühl geflossen, daß ich ihr nichts bin, daß sie mir nichts seyn kann« »Sie hoffte zwar ehmals sich einiges Verdienst um mich zu erwerben, es war aber grundfalsch, und beruhte auf einer unrichtigen Ansicht ihres und meines Gemüthes« Bedenck! bedenck was das für sachen sind! und frag einmal was es für einen Eindruck auf mich gemacht hat, es hat aber ohne Spaß eine Epoche in meinem Leben veruhrsacht ich schrieb ihr in leichtfertigem Sinn ich habe mir die R Göthe stadt ihrer zur Freundin gewählt, und so lief ich auch zu dieser in peinlichem Muthwillen und bin nun bey ihr wie ihr Kind und laß mir wohl seyn bei ihr wie Göthe, und von ihren Mütterlichen Lippen fließt die Geschichte von Göthes May in herrlichen | Worten, mit jedem kleinen Umstand, Anecktoden tausendfältig, sie hat noch viele Briefe von ihm, obschon sie manchen zerrissen hat, vielleicht giebt sie mir diese zu lesen, und dann beweise ich dir sicher daß ich gern Genuß mit dir theile. Adieu Gundelus – mein liebster süsester kleinster Puller, mein Kind Du Mutter freuden erweckendes, sehnsucht Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Giebichenstein, 12. Juli 1806, Sonnabend
Giebichenstein d* 12 July Sie hatten ein Stücklein Welt sich angebauet und wurden losgerissen, als es Ihnen blühen sollte, doch wenden Sie noch beschaulich den aufmerksamen Blick auf ein Häuschen, wo selbst den armen Fischlein Luft und Licht zugeschlagen. Das nenne ich Frömmigkeit, meine gute Freundin, wer das nur immer könnte, aber freilich könnten es alle, so wäre die Welt in einem Jahre fertig, ich mag oft nicht säen, weil ich die Zeit nicht abwarten mag, daß es keime, es ist soviel für mich geschehen, daß ich für mich wenig thun mag. Da freue ich mich jezt des Gartens, als wär er mein, sitze zwischen den Felsen, als wäre dieser Bergbau wie eine verschüttete herrliche Stadt für mich zum Tage aufgeräumt, so einzig, so geschlossen ist der Kreis von der flachen Gegend rings und ich trage bey mir hinein, was mir ausserhalb lieb. So färbe ich meine Gedanken mit Ihrem liebwerthen letzten Briefe, und keine Witterung kann diese Farbe bleichen | und es ist mächtig heiß und kalt in dieser Zeit gewesen. Ein paar Tage besorgte ich die Angelegenheiten meines Guts, schoß Enten, nachher im kürzesten Wege über Wörlitz hieher, wo sich ein schöner Morgen durch die Gänge schlängelte, es war Geburtstag. Louise sang mir meine Lieder, neuere als Sie kennen, so klockenhell vor, daß ich mich für einen unwissenden Handlanger in einer Goldküche hielt; ich rühre ein, was ich finde, Sie und Louise geben der Masse Gestalt, hier hörte ich zuerst auch Ihre beyden neuen Lieder, wie ich es wünschte, meine Freude kommt spät, so geht es aber allem Herrlichen in der Welt, es muß sich erst darin erkennen, um von ihr erkannt zu werden. Louise hat in der Zwischenzeit ich sie nicht gesehen, das kunstreiche Geheimniß der alten Laute aufgelöst, worüber die Aller^weltsnoten | nichts vermögen, die nach der Tabulatur gespielt wird. Für jeden Ton muß sie umgestimmt werden, daher sie wie ein bestimmtes Gemüth jeden Tag rein und allein aus seinem Tone klingt. Mit meinem letzten Briefe schickte ich Ihnen Louisens gedruckte Lieder, mit mir selbst werde ich einige der geschriebenen Ihnen bringen, besonders schön sind ihr einige aus dem Wunderhorne gelungen, es wird dies Jahr ein schöne Weinlese geben. Ich möchte Ihnen so gern Merkwürdigkeiten von hier schicken und alles hängt so mit Ort und Stelle zusammen, gestern der herrliche Abend voll Lichter Gesang und Musick in Lauchstädt, dem ich noch mit ganzer Seele nachträume. Die 188
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Jagemann sang herrlicher als je, das bunte Gewühl der Schauspieler und Studenten, ich wurde so gewaltig angezogen, daß ich des ganzen Druckes | der Ueberlegung bedurfte um nicht für ein Vierzehn Tage da festgehalten zu werden. Es ist doch eins der reizenden Bäder der Welt, einer^ley ob es nichts wirkt, so hat es eben dadurch auch nichts verwirkt. Vor mehreren Tagen war ein prächtiger Vollmond, ich geleitete eine Gesellschaft durch durch hochspielende Korn mit einer Blumenfackel nach Haus und sie sahen alle recht gut dabey. Ich wollte damals, daß ein Steinregen gekommen wäre, Ihnen ein Zeichen zu überschicken von der wunderbaren Constellation. Alle Tage singt Louise und bedauert, daß hier kein Mädchen, welches herzlichen Antheil und durch und durch an ihren musikalischen Bemühungen nehme, das gelehrte Volk nimmt alles systematisch auf, das macht wenn der Vater abwesend, sie für lange Zeit verstimmt, könnte ich sie beyde nur einige Zeit zusammen spiegeln durch | Zauberey und doch leben Sie hier in einer gewissen Aehnlichkeit. Ein anmuthig Töchterlein aus Wetzlar, die Schwester des hiesigen Professor Froriep muß ich zuweilen Bettine nennen, es ist nur ein Schein, es ist nur ein Augenblick, was ist ein Name mehr, ich habe mit ihr ganz lustiglich getanzt wie der Federball zwischen uns tanzte. Wie nun das Mannigfaltige das Allerlei herbeyzieht, so hab ich auch wieder dazwischen geliedert und im Garten gearbeitet. Ich habe hier einen Sitz an dem spitzen Zwickel mitten am Abhang unter mir Wipfel der Bäume, vor mir alle Welt, und schlägt mir alles fehl, so setze ich mich doch noch darauf und bin vergnügt. Da wächst eine hohe blaue Blume, die nennen sie Eisenhütlein, weil jede einen Helm trägt | wenn ich den abreisse, so bleibt der kleine blaue Wagen mit Tauben bespannt, der hier umhüllt Ihnen den Brief überbringt, wenn er unterweges bricht, so schadet das nicht, ich habe noch ein tausend da. Darin fahre ich bey Ihnen selbst vor. Wenn Sie mich unter^wegs durch solch ein zierlich Wägelchen forthelfen wollen, so haben Sie die Güte nach Göttingen, abzugeben bey H. Dieterich, zu schreiben. Immermehr und Nimmersatt hängen sich stets an die Güte, wer die Fingerspitze hat, meint die Hand in dem Gebiethe. In ewiger Unbescheidenheit Ihr ergebener Achim Arnim. A Mademoiselle Bettine Brentano à
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Nürnberg, 14. Juli 1806, Montag
Nürnberg 14 Jul. 1806. Lieber guter Butin! Dein Brief hat mich doppelt gefreut, weil ich nach deinem vorigen Brief geglaubt hatte, es seÿ dir zu mühsam zu schreiben, und du würdest es nach und nach eingehen lassen. Mich hätte das auch nicht weiter gestört oder irre gemacht, und ich hätte wohl gewust, daß du uns darum nicht weniger lieb hättest. Doch ists so schöner. Beÿ uns ist es so freundlich, still und heimlich, und doch so lebendig um uns her, daß es dir gewiß gefallen würde, obgleich du hauptsächlich bemerken würdest, daß es in Schlangenbad und nun auch in Marburg ganz anders seÿ und viel schöner. Besonders geht hier die Sonne sehr schön unter hinter den Thürmen der Stadt und hinter der alten Reichsveste. Überhaupt, glaube ich, würde dir auch die Stadt nicht übel gefallen. Man hat in ihr nicht blos das Andenken alter Herrlichkeit, sondern viele sinnliche Spuren derselben in herrlichen Werken von allerleÿ Art. Unsere Haushaltung ist sehr einfach. Die Marie kocht (sehr vortrefflich, viel besser als wir je in Marburg gegessen haben) und ein junges Mädchen aus der Stadt hilft arbeiten. Die Hauptbequemlichkeit aber besteht darin, daß wir keinen Bedienten mitgebracht haben, dessen Beschäftigung uns unfehlbar viel | Nachdenken und Arbeit machen würde, die wir jezt sparen. Die Geschichte mit dem Günderrödchen ist allerdings sehr sonderbar, und du darfst nicht versäumen, mir den weitern Verfolg zu berichten. Du hast dir in Creuzers Gegenwart manche kleine Frivolitäten (dir selbst halb unbemerkt) über ihr Verhältniß erlaubt, die vielleicht die Ursache sind. Du schreibst mir nicht, ob Arnim die Kupferstiche und die Wiedertäufergeschichte erhalten hat. 190
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Die ungedruckten Gedichte von Göthe schicke mir doch ja, und recht bald, hörst du? sie werden mich recht erquicken. Lies, wenn du es bekommen kannst, Tieks »magischen Spiegel worin zu schauen die Zukunft Deutschlands und der umliegenden Lande«, und sage mir dann wie es dir gefallen hat. Der kleine Fummler ist wohl und der Gundel auch, ich wollte du könntest das selbst sehen. Adieu Buttel grüße das ganze Haus und behalte lieb den Alten.
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An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, vmtl. letztes Drittel Juli 1806
〈〈xxx〉〉 Du wirst nun wohl meinen lezten Brief erhalten haben, worinn der weitere Verlauf meiner abgebrochnen Freundschaftsgeschichte enthalten ist, siehst du! so gehts in der Welt, Gott wolle mich behüten und bewahren, für einen zweiten Fall. – Der Kreuzer war hier, und da wird dieser sie wohl überzeugt haben daß ich schwindlich bin, ich passe nicht in solche reine Freundschaften p p: Ich bin täglich bei der Göthe sie hat mir das ganze junge Leben ihres Sohns erzählt, und soll es mir erzählen so lange sie lebt, es giebt nichts schöners auf Gotteswelt, von dem Moment als er auf die Welt kam, wie er nachher anfing zu schreiben wie er in die Schweiz reißte, Berlichingen schrieb Egmont, Werther bey jedem Buch besondre Aneckdoten, was er sprach, dachte, wie und was er that, was er für Urtheile fällte, über die Urtheile von seinen Büchern. Sie weiß noch Verse von ihm auswendig die er über Werthers Tod machte und die nicht aufgeschrieben sind Die Lieder von ihm kann ich dir jezt noch nicht schicken, der Clemens hat sie mit nach Heidelberg genommen, so bald ich sie habe sollst du sie haben. Budin Grüß Gund Pul
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*193. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, erste Hälfte August 1806 Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, etwa 20. August 1806:
Weißt du, daß die Günterrode sich vor 3 Wochen zu Winkel auf einem Gute der Serviere Abends am Rhein erstochen hat. Ich sende dir hiebei einen Brief Betinens, der vieles Schöne hiervon sagt, es ist Kreuzers wegen, dieser wollte sich scheiden lassen und sie heurathen, vorher trennt sie sich von allen Freunden, mutterseelig allein, stößt selbst Betinen zurück 〈…〉 Den Brief Betinens einer meiner liebsten sende mir gleich zurück (WAA XXXII, Nr. 475,37-53). Arnim an B, 27. August 1806:
Schauderhaft ist mir die Section des Arztes gewesen, der ihren Tod aus dem Rückenmarke gelesen 〈…〉 ich möchte Sie durch Sich Selbst trösten und erfrischen, ich möchte sagen, wie der Christ die Wahrheit seines Glaubens an einen Kampf auf Leben und Tod setzt, der Physiker sein mühsames Lebenswerck an ein Experiment, so scheint Ihnen nur die Ansicht der Natur durch den Tod der Freundin, mit der sie so wahr und so launig wie mit der Natur spielten, verändert, zerrissen, sie glauben dadurch manches gelernt zu haben, es trennt sich von uns nur, was uns fremd war. Es ist hierin kein Vorwurf, sie hatten diese schöne Aufrichtigkeit es ihr zu sagen (Nr. 198,19-56).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Wolfenbüttel, 5. August, Dienstag, und Göttingen, 16. August 1806, Sonnabend
Wolfenbüttel d* 5 August 1806. Meine einzige Schriftstellerin, die ich lese und immer wiederlese und so viel lese, daß ich nicht schreiben kann, sondern sprechen möchte, ja ich verliere wirklich durch Sie dieses bewustlose Fortrollen in mancherley Gedanken, was wir schreiben nennen, ich bleibe immer stehen, wo Sie zuletzt waren, während ich wie ein Feuerwerker mit brennender Lunte immer bereit seyn sollte, aufzuschauen und zu sehen auf jedes Signal, was die neben mir fliegende und aufgehende Welt mir giebt. Bey den meisten schönen Gegenden sehe ich nur den Chaussee192
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einnehmer, der mir die lange Stange mit dem Beutel in den Wagen streckt, oder ich behalte nur ein Paar Köpfe und ein paar Namen, wie in den Bildergallerien, durch die der arme Liebhaber in drängender Eile von dem Inspector geführt wird, ordentlich wie ein Ringelrennen, wer da etwas absticht, muß ein besondrer Praktikus seyn. So eine drehende Farbenscheibe, die endlich doch nur einen weissen Schein giebt, sah ich gestern in Salzdahlen die Gallerie des Herzog von Braunschweig, vor mehreren Tagen in Helmstädt die Gallerie von Beireis. Könnte ich das alles nur recht gemüthlich geniessen; aber wie ich mich über^eile, so habe ich bald zu viel Brod, bald zu viel Butter darauf, so werde ich nie recht fertig. Heute sehe ich hier Lieder^bücher durch, die wahrscheinlich gar oft durch Lessings Hände gegangen und ich will doch noch etwas darin finden. Der Weg hieher erinnerte mich an das Frankfurter Stadtholz, viel junges grünes Holz, auch hier werden die Wälle abgefahren wie dort und ist auch die Aussicht frey, die Kinder denken sich doch nicht hinaus. Das Bübchen, was mich herum führte, zeigte mir die Lerm Kanone auf dem Wall, die gelöst wird, wenn Soldaten davon laufen, und sagte: Das hören die Bauern und sehen zu, wo der Soldat ins Korn gelaufen, wo es niedergetreten, und fangen ihn. Wäre nur die Welt so einfach, so eindrücklich, daß jedes Menschen Trit sichtbar! Göttingen d* 16 August Kein Brief von Ihnen hier und doch muß ich bleiben, das Schicksal hält hier vorsichtig die Zügel meiner | Pferde, um meinem Wege vorzuleuchten, wie umnachtete mich die Freude, als ich zu Ihnen hinsah, daß ich die blinkenden Waffen rings nicht sah. Noch vor wenigen Tagen feierte ich die Flitter^wochen eben des Freundes theil^nehmend mit, von dem ich Ihnen zwey kleine Lieder im Winter sandte, in Hannover fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wahrscheinlich sind wir von Frankreich aufgeopfert, es soll aber bey allen guten Geistern kein willig Opfer thier finden, die Armee ist voll Freude, unser Sand wirbelt von Lust, daß er getränkt wird, die Erndte ist reif, schneide sie wer die Sichel führen kann. Was sollte bestehen, was nicht die Kraft dazu hat, fort mit uns wenn wir nicht würdig dieser stolzen Erde, sonst wollen wir uns aber anklammern und einbeissen an dieses liebliche Eigenthum, der Teufel will sich nicht mehr brauchen lassen mit seinen Kräften, so muß er fallen. Ich spreche in so gutem Zutrauen, ich kann nicht dafür, aber bewahren Sie es wie meine liebste Hoffnung im si193
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chern Herzen, es kann auch wohl alles schlecht und mittelmässig werden, im Frieden ist kein Heil mehr, im Kriege Verzweiflung. Hochachtungsvoll Ludwig Achim Arnim A Mademoiselle Bettine Brentano à Goldner Kopf Sandgasse. Francfort s/M frey
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An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, etwa 10. August 1806, Sonntag
Lieber Savigny du must mir es in deinem Herzen nicht grade zum Schlimmen auslegen, daß ich dir über all die Ereigniße, die Gott über Euch gesendet hat, nichts geschrieben, nichts bezeugt habe, Du weißt vielleicht wohl jezt schon was mich bis her so ganz eingenommen hat, daß ich nicht auf rechts noch links acht hatte Der Tod, der fürchterliche Tod von der Günderrode, es hatt mich zwar nicht mit so vielem Schmerz ergriffen, denn was nie anders werden konnte, was immer so lang sie noch lebte zu befürchten war, darüber bin ich froh daß es vorbey ist. ich will dir auch weiter nichts davon sagen, denn wenn jemand mit dem Verlust eines solgen Zeugnißes, der innigsten ehlichen Liebe beschäftigt ist, und dabey ein Herz hat wie du!, du!, der die Welt schon fand in dem erhöhten leib von deinem Weib, so läst er auch die Welt untergehen, ohne weiter viel dabey zu denken, wir sprechen aber ein ander mal über alles lieber guter Savigny, wenn wir wieder im Glais sind, und wir recht ordentlich wieder bedenken, dürfen wie Schmerz und Freude einen nach dem andern trifft nach Willkühr, ich bin dir so gut und der Gundel und dem kleinen Pulletter, wenn ihr es nur wüstet, ja wenn mich eine solge Liebe an die heiliche Vamilie fesselte wie an euch, ich wäre gewiß nicht besorgt um meine Seeligkeit. – Lieber guter Savigny errinnerst du dich noch wie wir ein mal in der lezten Zeit auf dem Trages, mit einander gingen, wir zwey allein, und ich dir klagte daß dein Wesen mich so stumm gegen dich machte, wie ich dir nichts sagen könnte, wie du mich kalt 194
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machtest, damal war ich recht besorgt; um mich selbst, es war mir als sey ich nicht wür|dig deine Vortrefflichkeit zu erkennen und zu fühlen, jezt weiß ich aber doch daß ich sie damals erkannt habe recht innig erkannt habe, denn ich erinnere mich nun noch jeder Bewegung Deines Herzens, die sich zwar nur in halben Worten oder Geberden geoffenbart hatte, ich seh dich noch wie du mit Freundlichkeit, die Sonne auf und untergehen sahest über denen die du liebst und über dem was dir die Zukunft noch bringen sollte, und wenn ich daran denke so rührt dein Schmerz mich recht innig, daß dich der Tod hinterlistig hintergangen hat, das ist traurig recht traurig, er ist falsch der Tod das kann man ja auch an der Gün: ihrem schrecklichen Schicksal sehen, drum muß man auf keine Weise in Verbindung mit ihm tretten, nichts als Leben – und eben darum sollt ihr beide Euch auch dem Schmerz nicht überlassen, denn das ist Tod – sondern ihr sollt auf neues Leben Denken und an mich Denken ob ich euch in eurem Unglück zu etwas nüzlich und werth sein kann, dann sagt mirs und ich komme zu euch. Adieu, ich weiß daß ich euch meiner liebe nicht versichern darf. Bettine
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Nürnberg den 14. Aug. 1806 Du hast ein Herz, liebe Betine, darum hast du wohl gefühlt, daß Gründe und Betrachtungen nicht trösten, sondern nur warme lebendige Liebe, und darum hat mich dein Brief gerührt und erfreut. Denn der Schmerz ist kalt und lähmt alle Kraft, aber Liebe erschafft die Welt und alles was Leben hat, und in ihr muß der Schmerz selbst zur Rührung werden und der Freude begegnen. Mich freut es, daß du jezt an das denkst und erinnerst, was wir in Trages gesprochen haben. O zweifle nicht, daß ich dich immer lieb gehabt habe, auch wenn ich nicht geschickt genug war, es dich fühlen zu lassen. Auch jezt habe ich viel an dich gedacht und dein Schicksal über dem was mir begegnet ist nicht ver|gessen. Du wärst mir und der Gundel sehr, sehr tröstlich gewesen, wenn du in diesen Tagen hättest hier seÿn können. Schreibe mir bald wieder wie es dir ist, und 195
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behalte mich und die Gundel lieb, so wie wir dich von ganzem Herzen lieben. Savignÿ 2v
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Viel zu Vermögen, was man vermag, auch ausüben dürfen, das ist einzig ein würdig Leben, ich fühle nicht gar oft daß ich vermag, aber wohl daß ich nicht darf was ich vermag. Nur jezt in diesem Augenblick, mogt ich da seyn wo Sie sind, ich scheue mich nicht es zu sagen – ich konnte nie fort, ich wäre sonst lange schon an Ihrem Horizont her geflogen, ich hatte die Wolken getheilt, mit breiten Flügeln, die heißen Sonnenstrahlen hät ich mit Macht verhalten, und Schatten gewährt, und Kühlung mit treuem Herzen. Ich kann nicht das alles deutlich machen, was und wie ich will, ich mögte reizen mit Kraft und Muth, den, der mir werth ist, den Wächter zu überwinden, der ihn im engen Schicksal gefangen hält. Was heist das? Die Welt soll neu hervorgehen, und herrlicher? sie soll werden, ein höher besser Leben? – O last uns selbst doch neu aus uns hervorgehen, ein eignes Leben in jedem Moment, dann ist ja alles geschehen, dann mag der Lorbeer wachsen wie wilder Efeu – in Krohnen sich über Nationen herziehen, den sieht mein ernster Held nicht; der grünte und der der grünt, der wird vergessen, nur der noch grünen wird, ist einzig sein Verlangen »Was sollte bestehen was nicht die Kraft dazu hat, fort mit uns wenn wir nicht würdig dieser stolzen Erde, sonst wollen wir uns aber anklammern und einbeisen an dieses liebliche Eichenthum.« Nur der mit Leichtigkeit, mit Freude und Lust die Welt sich zu erhalten weiß, der hält sie fest, strengt Euch nicht zu sehr an meine Freunde, beist, klamert euch nicht an, spielt lieber Ball mit ihr, sie ist ja rund, wer sie inn gleichgewicht zu werfen weiß der fängt sie, immer wieder. Mir fallt hier in mancherley Rücksicht, das ernste, traurige Schicksal von Troja ein, wie seine junge Helden die Burg zusammen rissen, 196
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um die Burg selbst zu retten, dem König war aller Muth | geweihet, drum musten sie die Thürm und Giebel, vom Pallast nieder werfen um die Feinde zu zerschmettern, mit goldnen Balken warfen sie in der Zerstörer Schaar, um diese zu vernichten, solange bis alles zerstört und nichts mehr war, dann schrien sie Troja ist nicht mehr, die herrliche Burg, die wohnlichen Gemächer, wir haben sie aus ihren Grundvesten gerissen, um ihren Feinden abzuwehren. – So steht auch die unglückliche Günderode in ihrem Schrecklichen Schicksal da, sie wollte den Feind vernichten der ihre Freyheit einengte, und mit dem einzigen Versuch – mit dem einzigen Dolch zucken traf sie ihr eigen Herz, und warf das was ihr werth sein sollte, weit von sich, und traf mich auch mit dieser Unthat, ich werde den Schmerz in meinem Leben mit mir führen, und er wird in viele Dinge mit einwirken, es weiß keiner wie nah es mich angeht, wie viel ich dabey gewonnen und wie viel verlohren habe, ich habe Muth dabey gewonnen und Wahrheit vieles zu tragen und vieles zu erkennen es ist mir auch vieles dabey zu Grund gegangen, ich werd mich nicht so leicht mehr an den einzelnen fesseln, ich werd mich wohl an nichts mehr fesseln, und um dieses werd ich oft mit Schmerz und Trauer zu ringen haben. Sie wissen wohl gar nichts von allem, wie sie sich am Rhein auf einer grünen Wiese unter Weidenbüschen Abends um zehnuhr mit Lustiger Miene, das Starcke Messer durch die Brust gestosen, so nah am Rhein das ihre aufgeflochtne Haare in das Wasser hingen, die ganze Nacht blieb sie da liegen, bis Morgens der kühle Thau ihr auf die Brust fiel in die Tiefe tiefe Wunde hinein, die gleich im ersten Moment dem Leben so grosen Raum gab, schnell zu entfliehen, ich war grade auf einer Rheinreise begriffen, den Tag, nach dem es geschehen war, warf man mir | die schreckliche Nachricht ins Herz, ich fuhr in dem kleinen Nachen an der Stelle dicht vor bey, wo es geschehen war, wie mir es da ergangen wie ich gegen alles ein ganz ander Gefühl gehabt, und wie ich die Natur mit einem eignen Blick betrachtet habe – davon sprechen wir wenn wir uns sehen, es waren Gewitter am Himmel dunkle schwehre Wolken Sonnen blicke und doch war alles so herrlich ich hab einzig gefühlt, und ich bin froh das ich’s durch lebt habe ein augenblicklich Verlangen hat ich damals, eine Sehnsucht nach einem Haven (einem Herzen) worinn ich mit Sicherheit all meine Gedanken mögte landen lassen, ein jeder fände Plaz keiner dürfte den andern verdrängen, die leichte Barke mit wiziger bunter Wimpel fährt schnell dahin und ankert, wo auch das ernste Kriegsschiff mit Muth und Stärcke be197
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laden und mit Schicksal, ich würde alles dort hinsenden und verwahren den jungen Keim der Weisheit, den der lebhafte Sinn nicht aufkommen läst. Dem Savigny war ein junger Sohn gebohren auf 3 Tage, er ant- 70 wortete mir auf einen Brief den ich ihm um diesen Verlust schrieb: »Gründe und Betrachtungen trösten nicht sondern nur warme lebendige Liebe, und darum hat mich dein Brief gerührt und gefreut. Denn der Schmerz ist kalt, und lähmt alle Kraft, aber Liebe erschafft die Welt und alles was Leben hat, und in ihr muß der Schmerz selbst zur 75 Rührung werden und der Freude begegnen.« wie tröstlich für mich die ihn trösten wollte, denn all diese Worte sind nicht was er seyn könnte, und was er erkennt, sondern was er ist, und was ihm alles ist, darum sind auch alle herrliche Worte von ihm, unschäzbar, denn es sind eben so viel Zeigen von herrlichem Thun und 80 Gemüth, und soll es in uns auch sein | nicht augenblicklicher Enthusiasmus, der leicht hinweggeweht wird wie allenfals ein tanzender Fliegenschwarm, von einem herbstlichen Windstoß. Sie werden wenn sie meinen Brief durchlesen haben leicht einsehen daß es nicht Mangel an Lust war, warum ich Ihnen nicht schrieb. 85 Wenn Stille im Gemüth herrscht, dann mag wohl die Zeit seyn, daß sich die echte Gestaldt hinter dem Teppig oder Nebel leicht und wichtig dem werdenden Freund zu erkennen giebt durch Mittheilung – ein leichter Athem Zug vom Schicksal, der die glatte Fläche des Lebens berührt: so wirft er sich gleich in tausend Falten, leichte Umriße und Ge- 90 staldten, die sich unter einander bilden, mit Schnelligkeit und auch so wie der vergehn. – Wer soll sie erkennen und erklären, als der sich mit ziehn läst in die Erscheinung und sie waren so weit von allem entfernt was damals in meiner Seele vorging. ich selbst konnte dem entfernten diese Begebenheiten nicht vormahlen, bloß um ihm die Stimmung des 95 Augenblicks darzuthun. Jezt da ich am Ende meines Briefs bin, mögte ich dem Arnim noch so gerne! etwas sagen, es ist nur mein Werck daß ein Mensch mich rührt, mein Herz ergreift ich darf auch daher mich kühnlich gehnlassen, in allem, was ich thue, es hält mich ja nicht mit Fesseln, und hält auch 100 den andern nicht, ich bin dem Arnim Gut, wie ich der Welt, wie ich allem Gut bin, in dem Moment wo und wie sich Gott darin Spiegelt. Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Göttingen, 27. und 30. August 1806, Mittwoch und Sonnabend
Göttingen d* 27 August 1806. Der sanfte blaue Blick der armen Günterode begegnet mir sicherer, nun Sie nicht mehr sprechen kann, sie sieht freyer und ohne Zurückhaltung in die Welt, wir fühlen uns enger befangen, schlagen die Augen nieder und an unsre Brust, wir konnten ihr nicht genug geben, um sie hier zu fesseln, nicht hell genug singen um die Furienfackel unseliger, ihr fremder Leidenschaft auszublasen. Ich sage wir und doch war ich ihr gar zu nichts, aber ihr doch recht gut, und von dem Morgen wo ich ihr das Wasser in die Augen spritzte, von dem Nachmittage, wo sie so lachend kämpfte den Dolch zu verbergen, den Sie aus dem Schranke hervor suchten, womit wir spielten, recht wie Kinder mit dem Feuer, das ihr Bette ergriffen, bis zu unserm Umsturze, wo ich sie in meinen Armen gen Himmel hielt und bis zu dem Abschieds Abende, in Ihrem Hause, wo sie so hübsch aussah, daß | wir uns alle verwunderten, in all der lieben fröhligen Zeit war sie so mit wirkend zu allem Spiel, so sanft vertheidigend gegen die kritische Pflichtbosheit der censirenden Pädagogik von Clemens, daß ich immer bey ihr auf das Lamm komme, das nichts mehr zu opfern hatte und sich nun selbst opferte. Schauderhaft ist mir die Section des Arztes gewesen, der ihren Tod aus dem Rückenmarke gelesen, so etwas ist doch nur zu sagen möglich bey dem versunkenen Zustande dieser Wissenschaft, zu der kein Arzt und kein Kranker zum Arzt mehr Zutrauen hat. Mit der weichen schwachen Hand solche Gewalt um einem drückenden Lebensverhältnisse zu entgehen, das wohl so einem vereinsamten, gereitzten Gemüthe im Augenblicke unendlich hoffnungslos scheinen mochte, das ist mehr Lebenskraft als der vortrefliche Arzt verstehen wird, wenn er auch hundert Jahr darüber alt würde. Wer so etwas mit fremden Augen ansieht, der muß sich auch einen fremden Grund denken, er denkt die Krankheit hat einen Arm vorgestreckt um zu vernichten, was sie | nicht entstellen mochte, die gemeinste Bemerkung spricht dagegen, daß kein Gesunder so an jeden verlängerten Augenblick des Lebens hängt als alle abzehrenden Kranken. Fort also mit dieser entsetzlichen Erklärungswuth, was in sich so klar ist ohne Anspruch zu machen, gut oder böse seyn zu wollen, sondern lieber wie ein Bergschatten in die Tiefe des Rheins zu verlö199
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schen. Ich weiß nicht, wie nahe Sie Sich ihr verbunden fühlen, die Aeusserung ist so beschränkt durch zufällige Veranlassung, daß darüber kein andrer meinen sollte; wahrlich gehöre ich auch nicht zu denen, die andrer Menschen Zuneigungen herabsetzen mögen, es ist ja endlich unser einziger Trost, wo uns Menschen verschwinden, sie recht geliebt zu haben, so lange sie unter uns, doch meine ich, Sie äusserten damals Ihr näher in Beschäftigung, Richtung, Ansicht und Austausch von Kenntnissen als durch eigentliches Anschliessen an ihr einzelnes, eigenthümliges Wesen verbunden zu seyn, denn das ist doch wohl das eigentliche Wesen der Freundschaft, | nicht zu lieben den einzelnen Moment, der bezwingt, sondern die göttliche Kraft in allem zu erkennen, die den Gleichgültigen nur im einzelnen Momente überrascht. Ja ich möchte Sie durch Sich Selbst trösten und erfrischen, ich möchte sagen, wie der Christ die Wahrheit seines Glaubens an einen Kampf auf Leben und Tod setzt, der Physiker sein mühsames Lebenswerck an ein Experiment, so scheint Ihnen nur die Ansicht der Natur durch den Tod der Freundin, mit der sie so wahr und so launig wie mit der Natur spielten, verändert, zerrissen, sie glauben dadurch manches gelernt zu haben, es trennt sich von uns nur, was uns fremd war. Es ist hierin kein Vorwurf, sie hatten diese schöne Aufrichtigkeit es ihr zu sagen, vielleicht daher dieses Zurückstossen in der letzten Zeit, wo sie mit sich ganz einig seyn wollte und jene himmlische | Freundschaft finden, die auf Erden einzelne Glückliche zusammen belebt und mit ihren Sinnen und mit ihren sterbenden Wurzeln den Boden nicht verschliest, sondern auflockert, auch der Dolch wird in diesem himmlischen Elemente zur Pflug^schaar, die Unthat zum bösen Traume, über den wir uns die thränenden Augen auswischen und die That darin erkennen, sie weder vernichten noch darüber richten, – dazu ist keiner bestellt. Auch ich verlor einen Schulfreund und tägligen Bekannten auf gleiche Art vor sieben Jahren in Halle, lief nach ihm über die beschneiten Berge durch die strudelnden überschwemmten Wege, ein Fremder fand ihn, er hatte sich selbst erschossen, ich fühlte es, wie mir alles unerwartet schrecklich, daß der Zufall des Zusammenlebens, nicht nothwendiges Vertrauen uns verbunden, aber das tröstete mich freilich auch nicht. – – Das Zweifelhafte aller Zukunft hält mich hier noch fest, wäre nicht diese Qual, die immer in veränderter Gestalt sich bey mir einschleicht, bey jedem Zeitungsblatte meine Adern stocken lässt und den Athem 200
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hemmt, ich könnte sagen mir zum Genuß. Meine alten Bekannten haben mich nicht vergessen, fünf Jahre des Herumstreifens haben mich empfängliger gemacht für manche wunderliche Seelen, die ich sonst nur wie eine Curiosität einmal betrachtete, Wünsche rauben mir nicht mehr den Genuß des gewährten, gegenwärtigen; habe ich in der Wissenschaft verloren, so bin ich doch verständiger geworden, in der Bibliothek arbeite ich jezt gerade in dem entgegengesetzten Winkel wie sonst, die Bibliothekare lachen immer darüber, also etwas weiter bin ich auch da gekommen. | Clemens, der mir Ihre Nachrichten von der Günterode schickte, ich erhielt auch Ihren Brief einen Tag vorher, schreibt mir von einer Kunstwelt, wohin ich mich begeben soll, Sie tragen mir auf, mit der Welt Ball zu spielen. Woher wissen Sie, daß die Erde rund? Mir scheint sie ziemlich scharf und spitzig. Die Erde soll sich auch drehen, mir steht sie fest und die Sonne geht mir noch auf und unter, und in den ersten Flammen des Frühlings brennt mir noch aller Transcendentalismus wie ein Freudenfeuer rein auf, das Thier haart sich, der Mensch enthäutet, und diese ganze Masse abgestreiften Todes hindert die Erde nicht daß sie grün wird. Wir wollen nicht die faulsten seyn, Und schlafen liegen bleiben, drum dein Stimmlein laß erschallen, denn vor allen kannst du loben, Gott den Herren hoch dort oben. – Ich entsage nicht der Hofnung Sie recht bald zu sehen, ihr ewig naher Ludwig Achim Arnim. Gött. d* 30 August Kennen Sie Schlosser aus Frankfurt, ein Bruder des Schlosser, der dort Rechtsgelehrter, er ist heute als Doctor der Medizin von hier nach Berlin gereist, von ihm ist die Beschreibung der Kupfer zur Genovefa und zur Lesche, ein lebendiger, kunstliebender Freund, voll Anhänglichkeit an die Mutter Göthes, eine Art zutrauliger Mittelpunkt für eine Menge junger Leute hier. Göthe hat an Blumenbach geschrieben, daß er sich nach dem Bade sehr wohl befinde. Er lebe hoch und abermals hoch und immerdar hoch. Hier sah ich ihn zum erstenmal, ich kenne noch die Stelle auf dem Walle, er sah so groß und gewaltig aus, daß ich fürchtete, nicht vorbeikommen zu können.
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An Friedrich Carl von Savigny in München Frankfurt, Ende August/Anfang September 1806
Ja ja sie haben den Mäusethurm illuminiert, lieber Alter, auf Napoleons Tag, das Ding macht mir viel Spaß, er mag schön ausgesehen haben mit seinem Flammenbart in der dunklen Nacht, in den kühlen Wellen. Ich lerne jezt italienisch, bey dem Docktor Schlosser, wir übersezen den Ariost zusammen. ich ohne alle vorherige Kentniß, und es geht gut Über deinen Brief sage ich dir nichts, denn du sagst mir auch nichts darinn, du thust vor mir was du zu sagen scheinst, in innerlichem Verein mit mir, denn deine Rührung dein Schmerz ist meiner Liebe in deinen Worten sichtbarlich begegnet, und hat die Freude mit dieser erzeugt, die Freude? über den herrlichen Antheil den ich an Deinem Gemüth habe ich will auch nichts mehr und es macht mich nicht Neidisch wenn zehn Paquette an Meline kommen und keins an mich, und nicht ein mal ein Gruß an mich, auch nicht darum daß ich, die Pathe vom Pulletter, kein Bildgen von ihm habe, ich bitte indessen den Vater dieses Pulletters, jedoch Rücksicht darauf zu nehmen, daß ich die Pathe bin, und z: B: so zu sprechen: »es könte den Putel doch wohl verdrießen, ich denke ihm einen Ersaz aus, wenn Zeit und Gelegenheit komt, so laß ich mich wohl gar selbst für ihn abbilden, (auf welche Art es seye) denn ich weiß er liebt die Spuren des interessanten Kindes in dem Antliz des Vaters auf zu suchen.« Alter das Present was du mir zu meinem Geburtstag gabst war so vergänglich, erst Weig dann Hart dann Schimlich; und Lumpig wars nun durch aus, nichts hat ihm recht gesessen. Er hatte keine Achseln denn die Weste blieb ihm nicht sizen, er hatte keinen Hintern denn die Hosen fielen ihm herunter, er hatte gar keinen Kopf, nur ein abscheuliches Frazen Gesicht, er hatte kein Herz, denn wo hätte es denn Plaz haben sollen, die Brust war ihm ja mit Teig gefüllt | und die Hosen waren herunter gefallen, und wer sollte es seyn? O Plasphême Alter ich sage dir das Verdient Rache von meiner Saite, du aber sollst suchen mich wieder zu besänftigen (freilich komt meine Wuth etwas späth) und wie kannst du es besser als durch die freundlichen Züge deines lieben Angesichts das mir denn immer zurückrufen mag wie viel schönes wie viel Gutes ich auch durch dich genossen habe. Du must nur nicht dencken lieber Alter daß ich nicht auch Sorgen für den Puller habe, O ich habe manche Pflicht schon erfüllt in Bezug auf ihn, erst heute hab ich für den Abglanz von Pullers Augen, den 202
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Göttern ein kleines Opfer gebracht, es ist ein Kind das Quasi des Pullers Augen hat, noch schöner mögte ich sagen, denn es trägt den irdischen Tod und das ewige Leben darin zur Schau, es ist Kranck und Matt ich nähre es bis in sein Grab, und die Beute dieser wohltat soll im Himmel dem Puller als Erbtheil von seiner Pathe zufallen. Nun noch etwas von mir die Preusen, wollen ihren Sand mit Blut tränken, und Kriegerische Thaten sollen mit Eile und Weile, aus dem hochklofenden Herzen, durch den starcken Arm auf die immer klofenden Franzososen, mit Macht fallen, O Weh! Arnim O Weh! ja schiesen und Spiesen thut weh, er wird ganz sicher, hinein patschen mit seinem jugendlichen Muth, was hat er besser zu thun sag ich selbst, und dann gute Nacht O Jüngling Gute Nacht ihr blonden Locken, und scharfen Augen, und runde lächlende Lippen, was hat die Bettine für ein Schicksal, die Freundin überrascht den Tod, daß er sich ihr ergiebt eh er sich noch besinnen kann, und der Freund reizt und | lockt und Neckt ihn biß er ihn beym Zipfel erwischt haben wird, und ich die beide gefangen hielten, werde wieder Willen frey. Im Ernst, Savigny Günterrods Tod ist mir eine grossere Epoche im Leben als ihr euch vielleicht denkt darüber will ich dir bey Gelegenheit noch viel Sagen, wenn du erst alle Umstande wissen wirst wie und wo ich es erfahren habe Dem Gundel Gruß und Kuß Budin
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Bey der Göthe habe ich Briefe gelesen von ihm an sie unter andern über den Tod seiner Schwester – herrlich – ich konnte sie nicht abschreiben aber vielleicht mit der Zeit. Er schreibt wieder etwas man weiß noch nichts Bestimtes davon. Den Gündel grüß und küß ich nochmals und abermals,
200.K An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, 3. September 1806, Mittwoch
Fr: d* 3ten 7tember Da erhalte ich nun eben Arnims um 9 Uhr Abends, und durchlese ihn, einmal und noch einmal, und ich sehe, und staune, (der Brief ist nicht an mich geschrieben) und bin sehr traurig, ich will nun Singen, denn 203
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ich weiß wenn ich mich von den übrigen in der Welt, oft schnell zurück ziehe, und denn etwas bewegt mich allein liebe, so klingt meine Stimme Weiger, und ich singe mir dann recht zum Trost, aber die Kinder schlafen im Hause, und ich darf sie nicht wecken, mithin seid verschlossen ihr Lippen, und last allen Ton der dem Herzen Luft machen sollte zum Herzen hindringen – und so – fliesen Trähnen – Aber Arnim Ihr Brief ist an jemand gerichtet, der die Wahrheit nicht zu fühlen oder nicht zu äusern scheint, damals, wohin ihr Brief deutet, oder jezt wo er auch hin deutet, und doch war und ist alles Wahr. Ich schweige über alles Still, weil es mich nichts angeht das preiß zu geben, was sich mir auf Discretion überlassen hat – also über Freundin Freundschaft, Tod, und noch Wünsche, über alle dieß hinaus, um schnell den Ball zu fangen der Ihnen zu spizig ist, nun sehen Sie, ich forderte Sie blos auf die Erde für einen Ball zu halten in Bezug auf Ihre eigne Worte die da etwas verzweifelt. Thranen Trahn
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An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, 5. September 1806, Freitag
Fr: d* 5ten 7tbr Der Brief von Arnim scheint an jemand gerichtet zu seyn, der die Wahrheit nicht äuserte oder fühlte, damals, wo der Brief hindeutet Oder, Nachmals, wo er auch hin deutet. Und doch war und ist alles Wahr. Ich schweige nun über alles, geb nicht Gedanken und Gefühl preiß, die sich meiner Discretion überlassen wollen, also über Meinung, Freundschaft, und Tod hinaus, schnell den Ball zu fangen, der Ihnen nicht rund sondern zu spizig ist, und den ich doch nicht prahlend Ihnen zugeworfen hatte, sondern nur im Wiederspruch, im Bezug auf Ihre eigne Worte, die verzweiflend, im Friede kein Heil, und im Krieg Verzweiflung fanden, im Bezug auf die Zeitungsblätter, die dem mir lieben Arnim, den Athem hemmten in seiner jugendlichen Jugend, wo er oft schnell wie ein Pfeil rennt, nach irgend einem Ziel, und – des Athems bedarf. Es gehe Ihnen die Sonne noch immer auf und unter, es brenne Ihnen ein Freudenfeuer in jeder neuen frischen Farbe, und der Frühling sey 204
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Ihnen Frühling. Weit sey es von mir entfernt, darstellen zu wollen, wie es in dem Herzen seyn soll, daß vielleicht so weit und Breit sich umgesehen hat, und denoch seine Eigenthümlichkeit bewahrt, mein ist die leichte Schuld, daß ich mir keinen rechten Begriff, von Nord und Süd machen kann, daher drücke ich mich leichtlich unrecht aus und werde da für Falsch befunden, wo man mich in Wahrheit nicht Suchen sollte. Ich kenne diesen Schloser von dem Sie mir sprechen zwar nicht persöhnlich, aber denoch durch mich die R Göthe, die ich in meinen Geberden oft an ihn erinnere, erzählt mir sehr viel von ihm. Ich bin sehr glücklich mit dieser Frau, ich seh sie alle Tage, ich darf bey ihr Gut und böse Launen äusern, wie ein verzognes Kind, bey der liebenden Mutter. sie läst mich machen wie ich will, und es freut sie wenn ich mit ihr bin wie ganz allein. wie ich mich lezt in muthwilligem Lachen über sie ausließ, sagte sie tief seufzend. »Das ruft mir alte Zeiten zurück« Gestern ist M: Engelhard hier her gekommen von Heidelberg, die mir Lieder bracht und Sonette auf sich und auf mich, und auf die Unschuld und tausend Dinge. Heute hat unsere gute Marie mit einem Mädgen die Vamilie beehrt, das aussieht wie ein Saracene wenn einer abgeht so drängen sich hier und dort in jede Lücke so viel wie möglich wieder ein, So voll ist das Leben! Auch ich hab einen Brief gelesen von Göthe an seine Mutter, worin er seine Gesundheit preißt. in Bezug auf diesen, bin ich doch gewiß überzeugt, daß ich Ihnen wenigstens einen sehr frohen Tag machen werde wenn Sie kommen. Ich habe wieder Melodien gemacht, mit und ohne Text eins werde ich Ihnen schicken nächstens, oder besser hier geben | es ist auf Göthes Worte: »Tiefe Stille herscht im Wasser« Franz hat ein Gut in Winckel gekauft, am Rhein, die ganze Vamilie wird wohl den Herbst hingehn auf 2 Wochen oder länger, ich aber nicht. Adieu Arnim. alles was hier geschrieben ist, ist in der innigsten Gutmüthigkeit geschrieben Bettine Monsieur le Baron Achim Arnim chèz mrs: Dietrich Fro Cassel Göttingen
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Göttingen, 7. und 10. September 1806, Sonntag und Mittwoch
Ich lese Ihren lieben Brief wieder und finde, daß ich so manches verbindliche schöne Zwischenspiel über die zerreissende Wahrheit vergessen habe, es ist gar ein heller Sonntag heute gewesen, auch so ein schönes Zwischenspiel der nutzlos thätigen Unruhe, die mühsam herbeyschafft, was der Krieg in Augenblicken zerstört, ein Haven vieler banger Beklemmungen, wo die Segel trocknen und die Wimpel einander die Lüftlein zu weisen. Doch ist das gröste Kirchengebäude selbst wieder ein Schiff, worin die kleinen Kähne wie Menschenherzen spitzig und rund eingelaufen; während diese darin geankert haben, treibt sie selbst diese Kirche umher, jene wissen es nicht, bis sie an ein ander Schiff, an eine andre Kirche anstösst und zerschellt. So gehts noch weiter hin und sehn wir in unsern Tagen neue Planeten entdeckt werden, vielleicht entstehen, so sind das vielleicht die Trümmer unglücklicher Luftschiffer, die ihr Heil in der himmlischen Bläue suchten. Der sichre Haven, wo keiner auf der Wacht zu bleiben brauchte findet sich doch nirgend, aber auch nur ein Stündlein aus ruhen an befreundetem Herzen es ist das erste grüne Plätzchen nach langem Botenlaufen auf dem heissen Steinpflaster, da will ich mein Ränzchen hinwerfen, mein Feuerrohr und mein Schicksal. Ich war heute mit Blumenbachs nach Mariaspring, ein Felsenbusen voll prächtiger Eichen, ein helles Wasser füllt vorne ein ausgehauenes Becken, worüber ganz wunderbar eine Buche ihre breiten schattigen Arme deckt; den Felsen hinein wurde getanzt, quer über den Tanzenden von einem Wipfel zum andern flogen die Kugeln aus den Büchsen zum Ziele, ein wunderbarer Tackt des Schicksals, der doch endlich auch mit der Melodie des Tanzes sich zusammenfügte. | Der Drang von Menschen war so groß, daß es bald an allem fehlte nur nicht an Pulver und Bley. Meine Damen waren zu vornehm, um da zu tanzen, es wandelten manche verlorne Kinder mit umher, das that mir leid, ich habe selten soviel Lust zum Tanzen gehabt, ich hätte manchmal so einen alten Eichbaum beym Kopf nehmen können um ihn nach der Schwierigkeit herumzudrehen, daß er für Vergnügen gesprungen, ja, ja, hiebevor da wir Kinder waren, und die Zeit war in den Jahren, daß wir liefen auf den Wiesen, von jenen herwieder zu diesen, durch unsre Stunden Violen wunden, da sieht man nun so hinein! 206
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Göttingen d* 10 Sept. Ich erhalte Ihren Brief vom 5 Sept:, vielen Dank für jeden Gedanken, den Sie mir bewahren, ich lasse Ihnen keinen fallen, ich nehme auf, lerne und streite, nicht um zu streiten, sondern um zu lernen, es ist ein heilger Streit und so will ich denn hitzig der Fährte nachgehen, wenn ich auch endlich, da ich mein Gewild erreiche, statt es tödten zu können mich niederwerfen muß und anbeten. Also zum ersten Klagepunkte; ich verstehe nicht ganz die ersten Worte Ihres Briefes, ich hätte meine Worte wohl an jemand gerichtet, der die Wahrheit nicht äusserte oder fühlte, damals, wo der Brief hindeutet, oder nachmals, wo er auch hindeutet. Nein, liebe Freundin, wer die Wahrheit einmal nicht fühlt, der fühlt sie nimmer, versprechen kann man sich, nicht verfühlen, das gebe ich Ihnen nimmermehr schuld und that es nimmer. Ich meinte nur vermuthete nur nach Ausdrücken, wer ist deren Meister in dieser Welt der Mißverständnisse und wer es wäre, der könnte die Welt versöhnen, auch gab ich meine Meinung für nichts mehr aus als Gedanken eines entfernten, dem von einer zerrissenen Lebensbeschreibung einzelne Papiere zuwehen, ich thue was ich kann, ich halte zusammen, aber es bleiben immer Lücken. Ich glaubte Sie Ihrer Freundin nicht so nahe verbunden, wie Ihre Güte und der Schmerz Ihnen gerne eingeredet, ich kann leicht, sehr leicht darin unrecht haben; der Selbstmord ist immer ein Losreissen von seinen Freunden, und kann wohl den wahren Freund am härtesten beleidigen, daher vielleicht manches einzelne harte Wort von Ihnen darüber, was mich irre geleitet. All Fehd hat nun ein Ende. – Der Himmel erhalte alle jugendlichen neuen Sprößlinge Ihres Hauses so lieb und so gut wie die alten. Achim Arnim. A Mademoiselle Bettine Brentano à Koldner Kopf Sandgasse. Frey Francfort a/M
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An Ludwig Tieck in Gotha Frankfurt, zwischen 16. und 20. September 1806, Dienstag und Sonnabend
Ich mögte nicht daß Sie von Hier gingen, ohne daß ich nochmals sagen dürfte: – Ich habe Sie unendlich lieb. Und Abermals – Ich habe Sie Unendlich Lieb. Und doch was ist diese Liebe – als vom Zaune gebrochen. Ein frisch grünends Reiß, Um solg ein strahlend Haupt. Und desswegen bin ich es auch. Jung – im Frühling muß man es suchen wenn man es haben will. ein einziger Sonnenstrahl zu viel nimt die glänzende Farbe hinweg. Und hiermit Ihnen ans Herz lieber Tieck Bettine An Tieck Gotha Posterestante
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An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, 26. September 1806, Freitag
d* 26 7ber Schon 10 Tage liegt Ihr freundlicher Brief auf meinem Schreibtisch, und heut zum ersten mal denk ich daran ihn zu beantworten, so sehr zerstreut war ich diese ganze Zeit über, durch Seltenheiten auf der Messe, und unter den Menschen. Ich sage nichts über Ihre Entschuldigungen in Ihrem Brief, denn es müste Sie beschämen, zu wissen wie diese mich beschämt haben. Ich glaube die Welt ist wunderbar, und des Menschen Herz noch wunderbarer, ja wie von Wolcken, bilden sich oft tausend verschiedne Gestaldten von dem selben Stoff in uns, jezt ist es ein Meer, im Sturm, dann gleich ein angenehmer Wald, nun ein Feuer speiender Berg, dann wieder ein Löwe, ein Tieger oder sonst etwas, und wer kann sagen: wie, was, warum und wann. Oft wenn grosser Lerm um einem her ist, so klagt mancher daß er sein eigen Worte nicht verstehe, wem soll dann das eigne Gemüth vernehmlich werden, wenn er alles Gewirr, Lermen und Wiederklang des Lermens in sich verspürt. Tieck war mehrere Tage hier mit Clemens, ersterer war mir schnell recht gut geworden, und hat die Gut^müthigkeit gehabt es mir zu sa208
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chen, mir gleichsam, mit dieser Andeutung ein Geschenck zu machen. Clemens war wie eine Meernympfe, halb Fisch und halb Mensch, halb liebens würdig und halb unerträglich. wir waren fast alle Tage bey der Frau Göthe, welche auf Tieck einen sehr angenehmen Eindruck machte. Unter andern Merckwürdigkeiten der Messe ist hier zu sehen eine Lappländerin, dieser bringe ich oft farbige Perlen und Steine. Sie sollten sehen, wie sie sich da freut über die Farben, und wie sie mich darum lieb hat, wenn ich herein komme so blinckt sie mit den scharfen Augen, schlagt sich auf die Brust, vor Freude, und jauchzt ganz laut, dann macht sie alles was ich ihr mitbringe auf ihre Kleider, und auf die Wiege ihres gestorbenen Kindchens fest, tanzt mit der | Wiege herum und lacht und schreit daß es einem durch Marck und Bein geht. nun ist es sonderbar daß die Lapländerin wirklich mein Herz anspricht, ich kann keine zwei Tage sein, ohne sie zu sehen, wenn sie manchmal mit dem kleinen Pelzröckelgen ihres Kindes spielt und es hin stellt, das Käpgen oben darauf sezt und dann mit ihm spricht und singt und tanzt als ob es noch lebte, oder wenn sie ruft und lockt, wie man den Rennthieren lockt in ihrem Land, so ist sie Herzdurchdringend das Locken der Rennthiere hat an sich schon was sehr rührendes es lautet so wie in die Ferne in den Schnee und Eis, so gutmüthig weich, und wenn sie es endlich herbey gelockt hat, so thut sie, als streichelte sie es ganz freundlich. Für dießmal hab ich Verzicht darauf gethan Sie zu sehen, es geht so hart durcheinander in der Welt, daß man auf ein freundliches Zusammen kommen gar nicht mehr rechnen darf. Adieu für heute, ich werde unterbrochen. Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Göttingen, 28. September 1806, Sonntag
Göttingen d* 28ten Sept 1806. Als ich gestern aus der Keule des Herkules mühsam um blickte nach der Gegend von Frankfurt, da stürmte es so heftig gegen mich an, daß mir fast Thränen in die Augen kamen, und wär ich ein Eichhörnchen 209
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und müste von einem einzelnen Baum zum andern, die da über die Haide hingestreut, springen mit Seufzen, ich könnte es doch nicht lassen hin zu wandern, wo der lebendige Hauch aus dem Moste ausgegohren. Da sah ich vor mir zwey gewaltige Beine, die standen auch da ganz unwillig gedrungen, das war Herkules selbst, aber es war selbst für Herkules zu kühn dahinunter zu springen und so sieht er fast hundert Jahre wie verstarrt sehnsüchtig durch die Berge in die Thäler. Lieber Herkules dachte ich zu ihm herauf, als ich unten war und die Wasser stürzten im Mondschein aus der Waldnacht, wie von den Wipfeln der Bäume ausgetrieben, vom Aquadukt hinunter lieber Herkules, ich sehe hier viel Schöneres | als du, dem mancher rauhe Wind um die Nase gegangen, um den die Dohlen gar jämmerlich schreien, und doch möchte ich bey Dir hausen, um immer hinüber zu sehen; was brauchst du Claudes Tageszeiten, du siehst die ungebornen Tage und den letzten Strahl und wie ein Traum stehst du da über der Nacht, die uns deckt, hell und klar, wie der Traum des schlafenden Ritters in der Löwenburg was er seyn möchte, ein Mann der ganz Rüstung ist, ganz Metall und über allen steht. – Das ist der Traum der Zeit und wenn mich etwas trösten kann, nun da alles wandert und singt, daß ich zu alt bin um von unten auf zu dienen und zu friedlich gewöhnt bin an allerley Wesen und Genuß, der auf keiner Wachparade sich zeigen darf, und keinem Feinde blos stellen, dies ist es allein, daß ich mit meiner Gestalt so weit ich reiche den ungeheuren hohlen kalten, metallnen Rüsttraum der Zeit erfülle, anschlage an die Wände, daß sie sich erklingen, es verhallt, es war doch, so nehmen sie das Blättchen, was ich unter meinen Landsleuten vertheilt habe, keiner wuste woher es kam, da hört ich mit Tadel und Lob; die alten Soldaten meinten wohl, wenn es solchen Wisches bedürfte, da wär es schlecht bestellt. Freilich sie bedürfen es nicht, sie sinds, sie meinens, aber ich bedarf es und viele, die zusehen müssen ohne helfen zu können. Was kann die Mutter thun bey der Krankheit eines Kindes, das noch nicht sprechen kann, sie kann es doch nicht lassen, sie läuft und horcht und sieht und fühlt, das Kind indessen erdrückt selbst die Schlangen die es umwunden. Das that Herkules! – Sie errathen, daß ich in Kassel gewesen, auf Wilhelmshöhe, ich bin Ihren Tritten | nachgeschlichen durch die Bildergallerie und durch das Museum, ich dachte mir viel schöne Reden, die Sie mit der wächsernen Churfürsten^gesellschaft geführt, welcher Ihnen am besten gefallen. Ich stand vor denselben Bildern, die Ihnen mehr waren, als was Sie umgab und was mich da umgab, war gar nichts. Ein Bild von Rem210
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brandt hat mich vor allen erfreut, ein dunkles Zimmer, etwas Feuer in der Mitte, ein leeres Kinderbett, die Mutter hat das Kind herausgenommen, weil es so geschrieen und das Kind legt sich ans Ohr und kann vor Schluchsen nicht dazu kommen ihr sachte zu erzählen, was es quälte, doch ist es nun vorbey. Ich mag nicht Abschied nehmen von Ihnen für diesen Herbst, ich harre noch immer wie eine Festung auf Entsatz, stecke die Fahne auf den höchsten Thurm, während der Vorrath verzehrt; vielleicht sind unsre Soldaten bald in Frankfurth, das ist mein letzter Trost, dann komm auch ich Ludwig Achim von Arnim
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An Ludwig Tieck in Ziebingen Frankfurt, 3. Oktober 1806, Freitag
3. October (ohne Jahreszahl u. Ort). Schon lange habe ich geglaubt, über all den Schmerz hinaus zu seyn, den mir Entfernung, Vergessenheit von Freunden, verursachen könnte, und nun betrübt mich alles, die Karte, von Italien die jezt an der Wand hängt, überm Sessel, die kömmt mir so lehr vor, Sie sind nicht mehr da, was brauch ich das Land zu sehen; wahrhaftig meine Neigungen bringen mir kein Heil, wenn sie so innig ergebend sind, lieben soll ich, aber nicht dehmüthig, sondern großmüthig. Ich hab an Sie geschrieben vor 14 Tagen, nach Dresden. Sie haben wohl meinen Brief nicht erhalten, er war vielleicht zu kühn zu freymüthig, weil Sie gar nichts darüber sagen, wenn ein andrer verstehen könnte wie mich das all quält, ich kenne die Menschen nicht, ich weiß nicht wie viel sie vertragen von Liebe, ich kann die meinige nicht eintheilen, damit sie genießbar wird, entweder alles, oder kein Leben, kein Athemzug der das Herz erweitert. Wie wenige wissen, den echten Sinn des Lebens zu verstehen, und dieser wenigen ist keiner mir nah, und wer denn so recht die unergründliche Tiefe erkennt in der Liebe, und keinen hat um den er diese Tiefe ermessen darf, Ach das könnte einen zur Verzweiflung bringen. ich war so ruhig, so kalt wie Sie weg gingen, meine Liebe ist wie das Senfkörnlein, das in kurzem ein hoher Baum ward, in dessen Schatten Völker ruhn, und doch ein einzig freundlich Wort von Ihnen könnte mich so ruhig machen. 211
Nr. 205
Lieber Tieck, wenn Sie mir gut sind, so verkennen Sie all dieß nicht, jemand der so lebhaft, alles fühlt wie ich, der kann sich nicht weniger lebhaft ausdrücken, es ist keine Frage, daß mir Gott mehr gewähren muß wie andern, er muß mir alles gewähren, (denn er hat mir das Entbehren nicht anerschaffen) mithin auch Ihre Liebe, und desswegen bin ich auch wieder getröstet. Gestern war ich wieder zum erstenmal auf demselben Plaz im Garten, Sie waren auch da, einen Augenblick, Ihre Füsse sah ich deutlich auf der Treppe stehen, ich ging weg, mag auch in meinem Leben nicht wieder hin, ich mögte Sie wohl nie wieder dort finden, das könnte mich schmerzlich beleidigen. Ich bin so glücklich, Gott meint es so gut mit mir, er will mich erhöhen, er will mich bessern, durch das gröste auf Erden, durch die Liebe, und ich sollte wiederstehen wollen? Nein gewiß nicht, mit allem Leben was in mir ist, will ich mich ihm ergeben, es entstehe daraus was will, mir kann es keinen Schaden bringen, nur dem Zaghaften können irdische Verhältnisse was anhaben, was schadet es denn daß ich nicht bey Dir bin, ist mein Vertrauen so klein, daß es nicht bis Ziebingen reichen sollte, ich bin recht dumm daß ich mich betrübe, was schadet es endlich, wenn Sie selbst, dieß alle nicht annehmen, es ist als ob der Strom die Lieblichkeit der Gegend nicht annimmt durch die er fließt, die Gegend bleibt doch lieblich durch ihn, Troz ihm, die B e t t i n e bleibt doch liebend T r o z i h m , Ein Strohm ist übrigens auch nicht so wiedernatürlich, unnatürlich. Der Winter ist nah, es wird sehr kalt werden, lieber Tieck, wenn Sie mir nicht gut sind so erstarre ich, keine Heimath habe ich, wo Feuer mir zum Wärmen brennte, denn ich hab wohl emfunden, wer sich niederläst in Eigennuz, seinem eignen Leib aufopfernd die Welt, dem entflieht das Leben, kein freundlich Gespräch, kein Gesang, keine Fantasie und Farbe mehr, alles wird nach und nach stumme verlassne Einsamkeit, was wir uns selbst erschaffen wollen, kömmt uns nicht zugut, es muß aus der Liebe entstehen, was wir genießen sollen, drum will ich auch nie um mich selbst etwas thun, auch nicht ein Licht will ich mir anzünden, wenn es mir Nacht ist, denn irdisch Licht hat keinen Bestand und unsichtbares ewiges, daß muß durch Gottes Hand in Deinem Herzen mir zum Trost entzündet werden. Ich sage da viel Durcheinander, und wer diesen Brief in Händen hielte und ihn so sinnlich läse, wie er dasteht, dem würde er keinen Bestand haben, wer aber heimlich lauscht und aufmerkt, und mir gut 212
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ist, der wird einen einzigen Ton darin hören der alle andre Töne zur Melodie verbindet. Bettine.
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An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, 5. Oktober 1806, Sonntag
5ten October Sprechen Sie nichts von der Blüthenzeit, wenn der Frühling längst vorbey ist, das macht nur unnüze Unruh, und Betrübniß. Ich weiß nur zu gut daß ich Sie dieß Jahr nicht mehr sehe, aber warum denn nicht? bin ich so wenig fromm daß ich an keine Wunder glauben kann? das liebste Wunder wäre mir dennoch wenn ich Sie aufsuchen dürfte, stadt daß Sie mich hier finden müssen, wenn wir uns sehen sollen. Ich hab ein Herz für die Schwalben, jezt wo diese hier weg ziehen, will ich auch weg. Freunde und Brüder könnte ich verlassen nur um wie diese weiter zu ziehen, über Berg und Thal wie die Wolken ohne andern Plan als immer weiter, oft wird diese Sehnsucht so heftig stark in mir daß ich sie keinem Schmerz keiner Qual vergleichen kann, daß es mich recht verzehrt, daß ich nichts achten würde um mich zu befriedigen, und warum thue ich es denn nicht? Das weiß Gott. Claudine ist seit wenig Tagen von hier weg nach Nordhausen bey Erfurth zu ihrem Bruder, vielleicht haben Sie Gelegenheit sie dort zu sehen Adieu Arnim auf Wieder sehen. Bettine In der Caßler Gallerie waren Sie auch, und haben mich mitgenommen. wie Gutmüthig!
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Monsieur le Baron Achim de Arnim
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chèz Dietrich Göthingen
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Nr. 207
207.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Göttingen, 13. Oktober 1806, Montag
Göttingen d* 13 Okt 1806. Schade, daß der Schwalben Schicksal und Wege so dunkel, kein andrer Vogel hats verrathen, kein Mensch noch gesehn, ob sie je wiederkommen oder nur ihre Kinder, keiner weiß es; niemand hat sie ziehend angetroffen, sie sind da, sie sind weg, ob sie nach dem Monde fliegen oder zur Sonne, es kann keiner bestreiten. Mir flog eine in die Hand dieses Frühjahr, aber sie wurde bald ungeduldig über mich, ich konnte sie nicht genug unterhalten, solange ich lustig pfif, ihr Stimmlein nachmachte, das mochte sie, wurde ich aber stumm, unmuthig, unwohl, da schütterte sie sich ungeduldig sie wollte es nicht Wort haben, sie hatte keine Worte, aber sie sang, woher ich kommen, das Land war grüner, die Sonne kühner, durchschoß die Wolken, an Bohnenstangen da hingen Trauben, Und selbst die Tauben da lachend sangen, | Taubstumm du schauest, hier in die Weite, damit du heute ein Luftschloß bauest; ich baue Nester aus feuchter Erde, durch Thränen werden sie wohl noch fester. So sprach die Schwalbe in meinen Händen. Entfloh behende, ich stand da albern. Ich stand alleine, der Flügel Spitzen am Teiche blitzen, da streift die Kleine. Was bist du flogen mir in die Hände, das Blat sich wendet, wo du gezogen. Sie sagten einmal, wir könnten etwas Schönes zusammen bringen, wenn wir unsre Gedanken von Nachtigallen und Zugvöglen vereinigten, ich glaube wir brächten noch etwas Besseres zusammen, wenn wir mit einander zögen; nun wohin? Nach Italien. – Recht gern; werden Sie sagen. – Nach der Lüneburger Haide? – Reisen Sie allein, werden Sie meinen. Wenn ich nun gleich die Lüneburger | Haide und was sich daran schliest, für jezt zu meinem Aufenthalte wählen muß, so tröste ich mich mit den Millionen Bienen, die da umhersumsen: Suche weiter bist dus müde; wärs nicht heute, wärs nicht morgen, Immer bleibts beym alten Liede, wer will sorgen sorge morgen; ich tröste mich damit daß Rom gewankt hat wie niemals vorher, daß die Sommer wieder lang und warm werden, daß die ganze Richtung der Kräfte sich ändert, was hindert dann, daß sie an der Stelle vor Ihrem Hause, wo Sie uns im vorigen Jahre begleiten wollten, nicht mehr angezogen wirklich fortrollen mit uns in die goldne Weite. Wie freue ich mich auf Claudine, die ich in diesen Tagen zu sehen meine, ich will alles weiter leben und zusammenbringen, was zwischen dem 214
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Vmtl. zweite Hälfte Oktober 1806
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fortrollenden Wagen im vorigen Jahre und Göttingen liegt – jezt liegen zwey Armeen zwischen. Ich denke oft | an Savigny, vielleicht bin ich ihm nahe und weiß es nicht; denn das trifft oft so ein in der Welt, wo kein einfallender Strahl durch die Wälder lichtet. Zu weilen kommt es mir vor, so herrlich wir in Trages gelebt, wir hätten die Zeit doch emsiger benutzen sollen. In dieser zerstörenden Zeit sollte einer von uns immer daran denken, so ein ewiges abwechselnden Denken wie das Mainzer Gebet, das müste darüber wachen und ich bin gewiß kein Feind könnte da etwas schaden, so sind auch Sie meine liebe Freundin in Obhut gegen den Feind und wissen es nicht. Glück uns zum Kriege. Achim Arnim. Ihre liebe Lapländerin habe ich in Braunschweig gesehen, hätte ich gewust, daß sie so rührend locken konnte, ich hätte es gelernt, mich trieb die Art hinweg, wie sie gezeigt wurde in einem Käfig, der Mann hielt immer einen Stock in der Hand, als wäre es ein Affe, der Kunststücke machen sollte. 〈1r alR:〉 Meine Adresse ist jezt Giebichenstein bey Halle, abzugeben bey H. Kapellmeister Reichardt.
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Von Sophie Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. zweite Hälfte Oktober 1806
… ich denke oft an Dich und rede mit Dir, wenn ich gleich stumm bin 〈…〉 Du trägst das höchste Glück in Dir, die andern sehen es glänzen u. blühen, u. nur Du selbst siehst es oft nicht, weil das Auge sich nur in andern spiegelt. Ich will Dir auch, wenn ich wieder schreiblustig bin … recht viel von Clemens schreiben, denn das hörst du doch am liebsten … Gute Nacht, mein Engel.
*209. Von Johann Heinrich Christian Bang nach Frankfurt Goßfelden (bei Marburg), vmtl. zweite Hälfte Oktober 1806 Vgl. Nr. 213.
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Nr. 210
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An Friedrich Carl von Savigny in München Frankfurt, vmtl. 29. Oktober 1806, Mittwoch
Lieber Alter, Es ist eine geraume Zeit, daß ich dir nicht geschrieben habe, und dieß zwar, weil ich würklich keine Lust dazu hatte, gestern Abend schaute ich zum Fenster hinaus, Ach dachte ich, es geht doch heute grad eine Luft wie die milden Winter Tage über in Marburg, die Luft geht grad so, aber die herrliche freie Gegend, den herrlichen liebenswürdigen Savigny, den must du entbehren und must in engen Strasen wohnen, und must mit engherzigen Menschen seyn; und über diesen Gedancken nahm ich mir vor dir doch wieder einmal zu schreiben, und so ist es auch recht, nur wenn es mich mahnt will ich dir schreiben, nicht aus Gewohnheit, Ich könnte dir manches sagen von mir, mein Herz war eine Zeit lang so süß genährt, ich gäbe diese Nahrung nicht um mein Leben. Meline wird dir schon geschrieben haben daß Tieck hier war, ich weiß nicht wie ich es verdient habe, aber Gott hat sanfte Werckzeuge womit er mein Gemüth zur Ruhe lenckt, ich kann dir sagen es giebt nichts seeligers von Freuden, als ruhige fromme Anschauung des Vortrefflichen so ganz und gar dem Auge und der Berührung nicht entrückt. so in deiner Gewalt, wenn du in deinem Leben einen rauen wüsten Pfad zu wandern hast, worauf nichts ist das dich erquicken könnte, und es kommt plözlich von selbst zu dir herab, von Felsen die dir unerreichbar schienen ein Baum in voller Blüthe, und er läst dich in seinem Schatten ruhen, und er umkränzt dich mit seinen Aesten, und speist dich mit seinen Früchten, und schlummert dich ein mit seinem Duft. Tieck begehrte so herzlich so brüderlich mein Vertrauen, ja es schien selbst, als ob er es eben zu seiner, wie zu meiner Glückseeligkeit begehrte er legte zugleich so viel Weisheit an Tag mit aller Unschuld in der sein Gemüth eingebohren ist, ich mag nichts weiter sagen, aber wenn ich glaube, daß du je einen Freund haben könntest, der deiner Liebe werth wäre, so ist es dieser, ja dieser, seine Bücher sind nichts gegen ihn, und dieß beweist eben daß das was man in sich würdiget, nicht so leicht sich preiß geben läst, er selbst hat es mir auch gesagt, O sagt er, ich habe oft ein Verlangen mir die Brust aufzureißen, wenn Blut kömmt dencke ich »kommen auch die Gefühle die Gedancken, die ich in solgen Augenblicken nicht zur Sprache bringen kann« Dieß hab ich euch nun alles im Vertrauen gesagt lieber Alter und Gunda, Ihr sprecht nichts davon, Er hat mir begehrt ich soll ihm schreiben, dieß hab ich auch gethan, recht aus Herzensgrund lautere 216
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Vmtl. zwischen Anfang November 1806 und Ende Januar 1807
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reine Wahrheit denn er versteht die Kunst unendlich Vertrauen zu erwecken er hat mir aber nicht geantwortet, daß macht mich von Zeit Traurig, oft sehr dann wieder weniger, wie es kömmt. Ich habe jezt eine Lieblings Oper Fanisca, so oft sie gegeben wird hör ich sie, wenn Ihr Gelegenheit habt sie | zu hören, so gebt besonders du Gund〈〈el auf〉〉 das Finale des ersten Acts acht, und auf ein Terzet im ersten Act, worin vorkömt »Hat dir das der Herr geboten« ich muß dir sagen diese Musick bringt mich alle mal ganz auser mir selbst. und wenn ich über kein Unglück weinen kann, so muß ich darüber weinen. Adieu nichts neues ist mir sonst begegnet, die traurige Geschichte der Günderrode zieht manchmal noch wie ein Herbstnebel vor mir auf, und verzieht sich auch wieder wie ein solcher, durch die warmen sonnenstrahlen meiner übrigen Freunde. Arnim schreibt mir sehr oft, während dem ganzen Krieg erhielt ich alle 14 Tage Briefe von ihm, es sind wenige worin er nicht nach Euch und dem kleinen Pulletter fragt, er ist so freundlich herzlich daß es mir sehr viel Freude macht, ich glaube nicht daß ich je wieder in ein gespanntes oder besser Affectiertes Verhältniß mit ihm komme. Bettine Küßt mir den kleinsten Liebsten. Mein Orangen baum blüht von Kopf bis zu Fuß in meinem Zimmer, um diese Zeit, gelt, das ist ein Wunder. den Gundelus und Alten küß ich von Herzen. Monsieur de Savignÿ abzugeben, an die Herrn Gebrüder Nockherr in München
*211. An Ludwig Achim von Arnim nach Berlin Frankfurt, vmtl. zwischen Anfang November 1806 und Ende Januar 1807 Keine Angabe zum Inhalt.
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Nr. *212
*212. An Ludwig Achim von Arnim nach Berlin Frankfurt, vmtl. zwischen Anfang November 1806 und Ende Januar 1807 Keine Angabe zum Inhalt.
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Sie müssen verzeihen guter Bang, daß ich nicht gleich auf Ihren freundlichsten Brief geantwortet habe, die Zeit läuft immer schneller je beladner sie ist. Wenn Ihr Kind ein Mädgen ist, so geben Sie ihm zur Ehre Gottes die Namen Bettina Elisabetha Maria. Ist es ein Knabe, so mase ich mir allerdings nicht an sein Schicksal zu lencken, dann verharre ich biß Ihr eure Kinder, mit der Numer 3 zählt. Schreiben Sie mir gleich so wie das Kind auf der Welt ist Bettine Cristian hat recht! meine angenehmen Wege führten nicht zum Brautstand, und werdens auch nie An Herrn Pfarrer Bang in Gossfelden Bey Marburg
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An Johann Heinrich Christian Bang in Goßfelden (bei Marburg) Frankfurt, vmtl. Anfang November 1806
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Von Caroline Rudolphi nach Frankfurt Heidelberg, 7. November 1806, Freitag
Heidelberg. D. 7. Nov. 1806. Ich war am Sterbelager Ihrer Fr. Schwägerin den Morgen als ihr Geist seine Hülle verlassen hatte. Ich gelobte mir da, was ich jetzt angefangen, und was ich ausführen werde, wenn der Krieg, oder ein anderes Schicksal, oder der Wille der Familie es nicht anders gebieten. Hulda ist seit 3 Tagen bei uns und schickt sich gut. Der Wechsel von 218
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Spiel und Arbeit scheint ihr wohlzuthun, und in der Pflege der Liebe werden Geist, Herz Seele und Sinn gedeihen – denn das liegt tief in der Menschennatur. Theilen Sie (ich bitte darum) Ihrem unglücklichen Bruder diese Zeilen mit, auf daß er wisse wie es um Hulda stehe. Caroline Rudolphi in großer Eil. An Mademoiselle Bettina Brentano in Frankfurt a/m
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Von Johann Heinrich Christian Bang nach Frankfurt Goßfelden (bei Marburg), 8. November 1806, Sonnabend
Ihrem Verlangen gerne willfahrend melde ich Ihnen, dass meine liebe Frau am vorigen Donnerstag von einem gesunden starken Sohn glücklich entbunden worden sey, und dass meine Freude gar gross sey nicht sowohl über den Sohn, als über den lieben Menschen. Ja ich habe vielmehr gegen diessen Sohn als Sohn mancherley einzuwenden. Vorerst ist er Schuld, dass Sie jetzt noch nicht meine liebe Jungfer Gevatterinn werden, und zum zweyten lässt seine Verwegenheit viel für die Zukunft fürchten. Ists nicht verwegen, dass er gerade in dem Augenblick auf diesse Welt tritt, da ihm das Vaterland genommen wird? Er wird künftig nicht mal den süssen Nahmen Landsmann hören koennen. – Ich dünke mir, recht klüglich gehandelt zu haben, dass ich ihm die alten GrossOncles zu Pathen erwählt habe, die ihn mit dem alten, freylich jetzt verachteten |Familiengeist erfüllen, und stärken moegen. – Meine Frau ist recht gesund und stark, das wir der vorhergehenden und auf 3 Wochen lang daurenden Schwäche und Ermattung wegen nicht hoffen durften, das wir aber gewiss der unermüdeten Hülfe des lieben Christian zu verdanken haben, der sie auch entbunden hat. Ich segne mich und preiße mich unendlich glücklich, dass Ihr Bruder uns in unserer Einsamkeit so freundlich beystehet. – Melden Sie doch gelegentlich dem Savigny und der Gunda unsere Freude und unsere Grüße. Wir grüßen auch Sie aufs beste und denken oft an Sie und an Ihre Güte und Freund219
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lichkeit. Geben Sie doch mit wenigen Worten mir ein neues Zeichen davon. – Das was den Clemens betroffen hat, hat nach der uns gemachten Erzählung uns fürchterlich afficirt. J. H. C. Bang Gossfelden d: 8 Novbr 1806. 2v
Mademoiselle Bettine Brentano in Frankfurt bey Hrn: Franz Brentano
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An Friedrich Carl von Savigny in München Frankfurt, 11. November 1806, Dienstag
Lieber Alter, Gestern kam der Linster, und verkündigte mir mit Herzklopfen daß ein Kasten für mich angekommen sey, welchen ich aber erst auf meinen Namenstag erhalten sollte, ich verlegte also in Eil dieses Fest auf gestern, und wir öffneten den Kasten mit gutem Gewissen alles was ich dir darüber sagen kann, ist, daß ich schon lange gewünscht habe, irgend ein solges Bild zu haben, daß es mich also innig erfreute ich habe ihm einen Plaz an dem Bett angewiesen. – Das Bild selbst erscheint mir als eine Musick, welche zum erstenmal den Tackt annimt und sich ihrer Leidenschaften bedient Übermaas und Mangel, ineinander zu richten um so ein ganzes daraus zu bilden daß die Seele eines höheren (eines nach Kunst strebenden Gemüths) andeutet. denn ist dieß Bildlein nicht gemeint wie das Blöcken der Schaafe, wie das rauschen des Bachs und der Bäume, und das Gezwitscher der Vögel halb aus Instinckt halb aus Nachdencken, wie ein Mensch mit gutem Streben nach gutem Ziel. Wundre dich nicht daß ich all dieß mit dem Tackt vergleiche ich habe eben bey dem Hrn: Hofmann Stunde gehabt im Generalbaß, und da habe ich viel über den Ursprung des Tackts gelernt, daß nehmlich der Tackt, der Geist der Musick sey die Töne aber der Leib, daß dieser Geist den Tönen erst die Melodie eingieset u. s. w. diesse sonderliche Wahrheiten haben mich nun so ergriffen daß ich alles in dieser Ansicht beschauen muß. 220
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Zwischen Mitte November und letztem Drittel Januar 1807
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Ich habe vor einer halben Stunde einen Brief von Bang erhalten worin er mir schreibt, daß seine Frau ein Söhnlein gebohren hat und mich bittet dir es zu melden. Cristian hat das Kindlein geholt. und Bang schreibt, daß ohne Cristians Sorgfalt gewiß seine Frau nicht so glücklich gewesen seyn würde | indem sie 3 Wochen vor ihrer Niederkunft sehr schwach und krank war. Ich bin sehr in Sorgen um den Arnim von dem wir seit der Schlacht bey Halle wo er war keine Nachricht haben. Clemens der jezt in einer Lage ist, wo er sich auch nur zu ihm wenden kann ist darüber doppelt ungedultig und traurig. Der Dockt. Schlosser trippelt auch alle Tage aus und ein. Unser Dockter hat dem Primas mit lallender Zunge eine Visite gemacht. was daraus entstehen wird weiß ich nicht. Adieu Alter, ich bin Doad. Grüß den Gundel Grüß den Gundel! Bettine Brentano
*217. Von Clemens Brentano nach Frankfurt Heidelberg, zwischen Mitte November und letztem Drittel Januar 1807 B an Friedrich Carl von Savigny, etwa 23. Januar 1807:
Der arme Clemens hockt in Heidelberg und – bewegt sich nicht, schreibt von Zeit zu Zeit muthlose Briefe an mich, die ich mit wahrhaften Trostgründen aus der h. Schrift beantworte (Nr. 226,25-27).
*218. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, zwischen Mitte November und letztem Drittel Januar 1807 Vgl. Nr. *217 sowie Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Mitte Juli 1807: wenige Briefe von Hauß, sehr erhabene göttlich treulose von Betinen voll tödendem Trost (WAA XXXIII, Nr. 557,134-136).
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Nr. *219
*219. An Johann Heinrich Christian Bang in Goßfelden (bei Marburg) Frankfurt, vmtl. Mitte November 1806 B an Friedrich Carl von Savigny, 2. Dezember 1806: Mit dem Bang bin ich noch in Briefwechsel, ich sorge a Proportion für die Garderobe seines Kindes (Nr. 221,29-30).
*220. Von Johann Heinrich Christian Bang nach Frankfurt Goßfelden (bei Marburg), vmtl. Mitte November 1806 Vgl. Nr. *219.
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in München Frankfurt, 2. Dezember 1806, Dienstag
Obschon ich Euch nicht viel mehr als nichts zu sagen habe so schreib ich doch, um zu beweisen daß es nicht aus Vergessenheit geschieht wenn Ihr so selten Briefe von mir bekommt, indessen ist mir der Alte schon auf 2 Briefe Antwort schuldig. Ich habe heute wieder angefangen Zeichenstunde zu nehmen der Meister war ganz auser sich über meine herrliche Dispositionen und verspricht mir einen geschickten Landschaftmahler aus mir zu bilden. Der Mann selbst war 10 Jahr in der Schweiz wo er von Morgens 4 Uhr bis spät in die Nacht immer nach der Natur zeichnete und mahlte. ich gäbe etwas drum wenn ich mein Leben so zubringen könnte. der Sommer ist nun herum ich erinnere mich auch nicht einmal eines grünen Baums den ich gesehen hätte seit ich vom Trages zurück bin. und dabey soll man vergnügt und zufrieden fortleben, und so auf den Tod warten und keine Anstalden machen dürfen, so einen farblosen matten Zustand zu verändern, daß ist gewissermaasen gräulich für unser eins, und was würde mich alles Vertrauen in dich helfen, das mir die Gunda so freundlich und gutmuthig anrathet. du kannst mich | doch nicht in einen grünen Wald zaubern, wenn ich in alte Mauren gebannt bin, und 222
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2. Dezember 1806
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wenn ich es recht bedenke so kömmt doch all mein Schmerz und Melancholie bloß von meiner engen sehr engen Wohnung her ich bilde mir immer ein, wenn ich auf freiem Feld wäre, müste ich ganz glücklich seyn. Der Linster wird Euch schon viel erzählt haben, wie sehr der Luxus hier durch den Fürsten gestiegen ist es geht alles in Gold- und Silberstoffen herum. ich selbst gehe immer noch zur alten Göthe und zu keinem andern Menschen, ich hab mich nach und nach so sehr an sie gewöhnt, daß ich mir nicht mehr vorstellen kann wie ich ohne sie seyn könnte, Mit dem Bang bin ich noch in Briefwechsel, ich sorge a proportion für die Garderobe seines Kindes wie die Meline für den Puller, Es scheint der Puller hat mich ganz vergessen, in Euren Briefen steht nie daß er auch nach mir fragt, wie nach der Meline. Vom Arnim hab ich nichts mehr seit der Schlacht bey Halle erfahren wo er auch war, auch nichts von Tieck. ich drücke mir hierüber einen Daumen aufs Aug denn sonst würde ich manches sehen, was sehr traurig, und vermuthlich doch nicht wahr wäre 〈1v alR:〉 Adieu ich küsse Euch samt dem Puller von Herzen Bettine
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An Lulu Jordis in Kassel Frankfurt, 2. Dezember 1806, Dienstag
Es ist ein Lärmen hier wegen dem Hof und wegen dem Hof, davon hast du gar keine Idee. Der Moriz mit langen Pantalons Manschetten von Point de Maligne, nebst jabot der besser eine Windfahne vorstellen könnte. Die Fr: referendariusin Seegers in einem Silberstoffnen Talar mit Procat D’or eingefast. Der Hr: Doctor Schlosser mit haußmachen Spizen und sieben gülden Degen. ein Hr: Senator fuhr mit einem Haarbeutel nach Hof er der nicht gewohnt war einen zu tragen, vermeinte während dem Fahren immer es klopfe ihm jemand auf den Rücken, da er sich nun mehrmalen umsah und nichts im Wagen erblickte was dieses Klopfen veruhrsachte, so wäre er beynah in Aberglauben verfallen, noch einmal 223
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faste er sich ein Herz, hielt die Hand bereit um das Ding zu erwischen, es klopft; er greift hastig zu, und reist sich den Haarbeutel aus, Johann! geschwind wieder nach Haus mein Haarbeutel ist ab. Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 2. Dezember 1806, Dienstag
Königsberg d* 2 Dec 1806 bey H. Toussaint et Comp. Herr wie lange will du dich so gar verbergen, und deinen Grim wie Feuer brennen lassen, gedenke wie kurz mein Leben ist, will du denn alle Menschen umsonst geschaffen haben? 89 Psalm. –
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Ich drücke meine Lippen zum frischen Lebenszeichen auf Ihre Hand, denn sie müssen ohnedies schweigen, solch ein Schweigen aber mag schön und lang seyn, ein reines Stillleben. – Was hilft es, ein Unglück voraus gesehen zu haben! A. A.
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A Mademoiselle Bettine Brentano à Sandgasse, im goldnen Kopfe Francfort s/M
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Von Sophie von La Roche an Bettina und Meline Brentano in Frankfurt Offenbach, 7. Dezember 1806, Sonntag
offenbach le 7 xbr 1806 Cheres petites filles! Parée de vos jolis Mouchoirs, je vous embrasse et vous remercie du tout mon Coeur bons Enfants! de ma Max. Dieu Benisse votre vie, vos bons sentiments et vos occupations – quand je vous reverrais je vous dirais davan224
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tage – je vous souhaite beaucoup de Satisfaction, et d’honneur de votre apparitions demain à L’assembleé adieu de votre grand mere de la Roche
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt München, 16. Dezember 1806, Dienstag
München den 16. Dec. 1806.
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Lieber Butin! Ich habe dir und den übrigen Menschen sehr lange nicht geschrieben, weil ich sehr fleissig gewesen bin, und übrigens sehr einförmig gelebt habe. Wir würden jezt in Wien seÿn, wenn nicht zwischen der Gundel und dem Puller ein ausserordentlicher Wettstreit herrschte. Wenn du beÿ diesem Wettstreit gegenwärtig wärest, so würdest du sehr oft Gesichter schneiden und zur Stube hinaus laufen, und dann jedesmal sehr von mir gezankt werden wegen der Zimperlichkeit, von welcher nur der Eulenspiegel vollkommen freÿ ist. Unsere hauptsächliche, ja fast unsere einzige Münchener Freude ist der alte Jakobi. Die Gundel behauptet immer, wenn du den schönen, herrlichen, freundlichen Mann sähest, du könntest dich ganz still ihm gegen über sezen und ihn angucken, ohne zu hören, was um dich vorgienge. Wenn du beÿ uns wärest, würdest du oft erstaunen über die Liebenswürdigkeit und den Verstand des Pullers. Wenn er so fortfährt, wird er bald gescheuter seÿn als sein Vater, was gewiß viel ist. Schreibe mir doch, was du jezt thust und treibst und liest, und was dir gefällt. Sage mir auch, sobald du es selbst weist, etwas tröstliches über Arnim, an den | ich gar oft mit herzlicher Unruhe denke. Kanst du denn dort kein Mittel ausfinden, in Berlin Erkundungen über ihn einzuziehen? Adieu lieber Butin, behalte lieb Deinen Alten. 〈Kunigunde:〉 An den dicken Butin, der nun wohl gewaltig von mir abstechen wird, da ich nun schon seit 7 Wochen gar schlimme Handelsgeschäften mache, nehmlich unendlich mehr ausgebe als einnehme. Ich denke oft an dich, und habe dich wie immer innig lieb! 225
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An Friedrich Carl von Savigny in Wien Frankfurt, etwa 23. Januar 1807, Freitag
Ich muß Euch doch auch mein Compliment in eurem neuen Aufenthalt machen, obschon Ihr es nicht verdient, da ich schon auf zwey Briefe keine Antwort erhielt, indessen daß ich als Nebenzweig von Euch behandelt werde habe ich schon lange gemerckt, und nur die Idee daß durch und mit Euch mein Leben doch wohl nicht bestehen wird, kann mich ruhig dabey erhalten, der Linster hat Euch wohl viel von unsern Gaukeleyen und sonstigen Unterhaltungen erzählt, die freylich ganz unschuldig sind, aber wahrhaftig keine Seelen speise, und die ein Mattes Herz nicht erquicken. Wenn ich aufrichtig mit dir Sprechen soll und kann, so muß ich dir nur sagen ich fühle Täglich mehr den Drang meine Franckfurter Hülle zu sprengen, es ist was unerträgliches in der Gemeinheit zu leben, und zu fühlen wie diese so viel Gutes in uns erstickt, es ist unglaublich daß Gott einen Menschen erschaffen hat und erhält, damit er das Thue da sein muß, was ich thue, wo ich bin, das Leben fühlt sich so glänzend so feurig, wer es recht versteht muß einsehen daß es der einzige höchste Stand ist, und dieß herrlichste Gut so schlamppig zu verschwenden, 2 und zwanzig Jahr bin ich bald alt und das Schicksal hat mich noch keines Blickes gewürdigt, geseufzt hab ich gelacht hab ich, keine Spuhr ist davon zurück geblieben hab ich je emfunden daß eine Liebenswürdige Seele auch Genuß in mir gehabt hätte, Du selbst bist mir ein Beyspiel vom Gegentheil. – Nun man soll nicht Stolz seyn, nicht Hochmüthig seyn, und Antheil an etwas begehren, daß schon durch sein Seyn sich nicht mit uns vereinen kann Der arme Clemens hockt in Heidelberg und – bewegt sich nicht, schreibt von Zeit zu Zeit muthlose Briefe an mich, die ich mit wahrhaften Trostgründen aus der h. Schrift beantworte, er war glaub ich der erste aus unserer Familie der mit dir Bekannt wurde. der dich zu deinem Gundelgen brachte mit welchem du dir eine große Lebensfreude erzeugt hast – deinen angenehmen Pulleter, ich mögte demjenigen gerne helfen der mich nichts angeht, freylich geht dich der Clemens auch nichts an, denn deine Glückseeligkeit konnte kein Mensch bewircken, es ist dein reiner Sinn dein herrliches Gewissen, daß dich immer das Gute ergreifen lehrt, deswegen werde ich dich auch nicht beschul226
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digen wenn es dich nicht mahnen sollte dem Clemens Liebe zu erweisen. Die Gundel ist seine Schwester und ich weiß daß sie gerne etwas oder vieles dazu beytrüge ihn wieder froher zu machen, jedoch sieht einer Die Sache immer anders an wie Der andere denn dieser sieht in der Entfernung die Hindernisse nicht ein, wie jener der auf dem Plaz steht und alles zu berechnen weiß. ich habe Euch davon gesprochen weil ich glaube es ist meine Schuldigkeit ihm mit allen meinen Mitteln beyzustehen. daß er Euch in Wien vielleicht nicht wünschens werth, oder vielmehr unbequem seyn mag, mag ich glauben, aber daß eine Verdienstliche That nicht ohne Beschwerde vollzogen wird ist auch wahr. Unsere Gassen sind voll halbgeschmolznen Schnees die Dächer meine einzige Aussicht halb weis halb schwarz, die Nachbarsfenster angelaufen, dem Tag ist der Paß abgeschnitten, der kommt gar nicht in mein Zimmer, ein paar arme Hyazinten an meinem Fenster theilen gleiches Schicksal mit mir armen Gefangenen ich mögte wohl wissen da der Schnee doch ihrer Natur zuwieder ist ob es ihnen keine Emfindung macht wenn sie ihn hinter den Scheiben herunter wirblen sehn, meinetwegen – mögen sie denken was sie wollen, aus dem Ey sind sie gekrochen nun mögen sie sich mit der Welt halten, ich kann nicht immer den Theilnehmenden spielen, wer hat denn auf mich acht muß ich doch auch manches sehen und ertragen was mir nicht gefällt Hat dir der Linster geschrieben, daß ich des alten Thalbergs Eroberung gemacht habe, grad als ich in Betrachtung über seine Runzeln versunken war, das hat ihm nun freilich nichts genüzt und nichts geschadet. seitdem er hier Fürst ist, laufen die Gecken aus und ein wie ehmals, ob die Gescheuten nicht herein kommen, auch wie ehmals; daß weiß ich nicht. Er ist ein guter Mann er gleicht mir, es thut ihm alles leid. Die Liebes bezeugung der hiesigen Bürger thut ihm auch leid, zum wenigsten macht sie ihn Thränen vergiesen, es hat mir auch immer leid gethan wenn mir jemand Gut war. Ich werde ihm ein Suplick einreichen, daß er das Stallburgsbrüngen wieder mit Linden beflanzen soll, – hast du gehört Alter daß unser Marburger Schloß sein Haupt sich selbst zu Füsen legen soll, was wird die Sonne denken, wenn sie ihre Gewohnten Stuffen an seiner alten Mauer nicht mehr herunter klettern kann? ob wohl unser Thurm mit ins Grab gelegt wird? Weißt du dich noch zu erinnern des Morgens da ich im Grünen Schlafrock mit dir allein die Sonne aufgehen sah? da haben wir auch gesprochen über dein Verhalten gegen mich, ich war auf dem | selben Thurm, das resultat unsers Gesprächs war glaub ich? ich sey nicht recht Gescheut? Ach Alter was 227
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haben sich die Zeiten verändert, und doch bin ich immer noch nicht recht gescheut Denck nur wenn ich an den Frühling dencke, und dencke da bey daß ich ihn hier in Frankfurth zubringen werde, wo Baum und Mensch gleich enuyante formen haben, so zittere ich vor Boßheit, oder Zorn, oder weiß der Himmel was. Die Tonie wird wohl nach Winkel gehen; Sie will mich glaub ich gerne mit haben, ich weiß nicht was ich thun soll. in diesem Ort zu wohnen wo das Grausenste was mir je begegnen konnte vorgefallen ist, und noch dazu mit jemand der mir weder Vertrauen noch sonst etwas einflöst? Der Arnim hat mir vor 3 Wochen aus Konigs Berg geschrieben ich hab ihm nicht geantwortet, ich bin froh daß er lebt mag er nun an mich denken oder nicht. dem Cristian sind allerley Fata begegnet bey dem Aufstand in Marburg, die zu lang zum schreiben sind, erzählen will er sie uns so bald wir wieder ein mal zusammen sind, wann werden wir wieder ein mal zu sammen kommen Lieber Alter ich ahnde gar nichts darüber. jezt geh ich zur Alten Göthe drum brech ich ab, hab auch wirklich genug geschrieben in einem Rutsch. Grüß euch zusammen, bin dem kleinen Puller von Herzen gut, spielt er noch gern Versteckelges Bettine
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Wien, 31. Januar 1807, Sonnabend
Wien 31. Jan. 1807. Lieber treuer Butin! Ich habe gestern deinen lieben Brief bekommen, der mich auf mancherleÿ Weise gerührt und betrübt und gefreut hat. Zuerst muß ich dir sagen: Alter du lügst, wenn du sagst, du hättest auf zweÿ Briefe keine Antwort. Denn noch in den lezten Tagen in München habe ich dir einen recht angenehmen Brief (zugleich mit einem an den Linster) geschrieben, und seitdem keinen von dir erhalten. Ferner hast du unrecht, wenn du klagst, daß du als Nebenzweig behandelt würdest. Ich weiß wohl, daß du mit Negligiren den Anfang gemacht hast, und daß es mir recht leid gethan hat, wie ich es gemerkt habe. Aber ich klage nicht, und mache dir keinen Vorwurf, denn ich sage mit dem Dichter: Was da seÿn soll muß geschehn, dies beweist Hieronÿmus. Ich weiß doch, daß 228
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du mich eigentlich im Herzen recht lieb hast, und ich habe dich auch sehr lieb, und wenn wir wieder zusammen wären, könnte es uns auch wieder ganz wohl zusammen seÿn. Höre, Butin, es war doch im Grunde recht artig damals in Marburg, und ich denke recht mit Freuden daran. Deine Melancholie über Frankfurt kann ich begreifen und muß ich beklagen. Dein Blick ist wie billig nach dem Himmel gerichtet, aber dir fehlt das Talent, dir kleine Stuben- und Taschenhimmel zu erbauen. Das größere, allgemeinere Talent, das jenem zum Grunde liegt, ist die | stille, ruhige, innig zufriedene Selbstbeschränkung, für deren Urbild das Mädchen in Göthe’s Hans Sachs gelten mag. Du würdest freÿlich eine närrische Figur unter dem Apfelbaum machen, aber du seztest dich doch darunter, wenn gewisse Leute den Sachs spielen wollten. Was mir am deutlichsten ist, ist daß es dir viel wohler seÿn würde, wenn du nur auf dem Lande lebtest. Ich wollte, ich könnte Dir das verschaffen. Hast du denn gar keinen bestimmten Plan, Gedanken oder Wunsch hierüber? Der arme Clemens thut mir sehr leid. Ich habe ihm von München aus geschrieben, und würde ihm öfter schreiben, wenn ich nicht hier in solcher Zerstreuung lebte. Ich wünschte, ich könnte etwas thun, das ihn erheiterte und erfrischte. Du scheinst zu glauben, ich würde wohl thun, wenn ich ihn zu einer Reise nach Wien ermunterte. Ich bin darin anderer Meÿnung, und glaube, daß er hier wenig Freude und viel Langeweile finden würde. Ich glaube überhaupt, daß der Clemens nirgends weniger zufrieden und an seiner Stelle seÿn wird, als in sehr großen Städten. Sage mir, ob er dir den Wunsch geäussert hat, hierher zu kommen, und ob er vielleicht besondere Veranlassungen dazu hat, die ich nicht kenne: ich kann | ihm dann schreiben, und über alles Auskunft geben. Auch dir, glaube ich, würde es im Ganzen hier nicht gefallen, obgleich du an manchen einzelnen Dingen viele Freude haben könntest. Ich aber wollte, du wärest da, und hälfest dem kleinen Pulletter Spektakel machen, in welcher Kunst er so zunimmt, daß er dir bald über den Kopf wachsen wird. Besonders im Frühjahr wünschte ich dich hierher, du müstest mit mir auf den Bergen herum steigen, und die reiche herrliche Natur würde auch dein Herz erfreuen. Wahrhaftig, lieber Butin, du hast Unrecht, mich so zu vernachlässigen. ich habe dich wahrhaftig recht sehr lieb, und ich weiß, daß du kein Vertrauen an mir verschwenden würdest. Doch hast du noch weit mehr recht darin, daß du mir nicht schreibst, als wenn es dir gerade 229
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darum zu thun ist. So laß es immer seÿn, vor allem aber habe mich immer lieb. Das Gundelchen küsst dich herzlich, der Puller ist lieb und ich bin dein Alter. Sage dem guten ehrlichen Linster, ich schriebe ihm mit der nächsten Post. Auch der Tonÿ, die ich schönstens grüße. 2v
An Mademoiselle Betine Brentano im goldnen Kopf auf der Sandgasse zu Frankfurt.
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*228. Von Clemens Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. Februar/erste Hälfte März 1807 Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Mitte Juli 1807:
ich entschloß mich alle Bücher zu packen und waß ich von Sophie bewahrt und nach Fft zu gehen, ich that es wegen Betinen, ich schrieb ihr, sie erwartete mich (WAA XXXIII, Nr. 557,139-141).
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Von Kunigunde und Friedrich Carl von Savigny nach Kassel Wien, 4. März 1807, Mittwoch
〈Kunigunde von Savigny:〉 Liebe Bettine! Du hast noch nichts von der Freude gehört die uns dein Bild gemacht hat, und auch das Kleidchen daß du für den Puller gestickt hast. Zwey traurige Ursachen sind schuld an dieser Verspätung. Der Tod der Großmutter hat mich sehr angegriffen, viel mehr als ich es mir dachte, wenn mir vor Zeiten die Wahrscheinlichkeit aufstieß; seit dem lezten Sommer wo sie so sehr freundlich gegen Savigny und mich geweßen, es thut mir leid daß ich ihr und uns die Freude nicht gemacht habe ein paar Wochen bey ihr zu wohnen! Welche Schätze sind mit dieser Frau begraben! Das ist nun eine Ursache die mich abhielt dir zu 230
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schreiben, mein Kopf that mir weh weil ich viel geweint hatte. Die zweite Ursache war daß wir aus unserm Quartier ausziehen mußten, was uns viel Unruh gab; wovon die Folgen aber so angenehm sind, daß ich wollte ich könnte dich und Meline herzaubern. Du glaubst es gewiß nicht wie oft es geschieht daß wir nach dir verlangen; wenn ich nur ein Mittel wüßte wie ich Euch herzaubern könnte; schon oft habe ich mir gedacht Ihr könntet wohl ein Mittel finden zu mir zu kommen, und erwartete Euch zu Hause zu finden wenn ich abends heimkehrte. Du würdest manche Freude hier haben können; öfters recht gute Musick, manche angenehme Menschen, und viele schöne Blumen, mit welchen ich mir auch meine ganze Wohnung tapeziert habe. So früh als möglich werden wir aufs Land gehen, und da ging wohl erst dein rechtes Leben an, denn die Gegenden hier sind ganz göttlich. Meline schreibt mir du wärst krank; Bettine du angstest mich; mir kömmt da Heimweh an wenn ich so etwas höre. Und ich glaube daß ihr wahrhaftig daran schuld seyn werdet wenn | ich mich früher zu einem beständigen Aufenthalt entschliese. Betine kann es dir wohl einmal geschehen daß du aus Liebe oder aus Antheil den du an jemand nimmst thätig werden kannst? So laße es nun geschehen und schreibe Savigny und mir öfters; Deine Briefe sind so selten daß ich zuweilen ganz unruhig werde. Betine vergiß nicht, daß du mein Schmerzenkind bist. Heute ist mir wüßt ich kann dir nicht viel sagen. Savigny soll es statt meiner thun. Und wenn auch er nicht bey guter Stimmung ist, so erklär ich hiermit feierlichst daß von meiner Seite dieser Brief nicht zählen soll; doch eins muß ich dir noch sagen daß dein Patchen so ein gescheites Kind ist daß Wien in Erstaunen ist, es weiß vortreflich das Kleid von Tatante Betine, von denen der Tatante Meline zu unterscheiden und hat Große Freude an der schönen Bunden Bordure. Es fängt schon an zu lesen, nehmlich papa, mama, tata.
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〈Friedrich Carl von Savigny:〉 Da sizt der Puller auf meinem Schoos, lieber Butin, und sagt immerfort crines (soll heißen ecrire tatante Betine. Nun kann ich also freylich nicht dafür stehen, daß dieser Brief verdienen wird, mit denen der Frau von Sévigné herausgegeben zu werden. Aber dafür kann ich stehen, daß, wenn von dir der Puller ähnliche Dinge verlangte, du sie ihm eben so wenig abschlagen würdest, weil du ihn eben so liebenswürdig unwiderstehlich finden müstest als ich. Die Gundel hat sehr recht, daß sie über dich klagt, denn wenn schon | dein Bild auch 231
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spricht, und uns unter andern auch gesagt hat, daß du lieb an uns denkst, so kann es doch nicht so ins Detail gehen, wie ein Brief, und das Detail ist uns beÿ lieben Menschen gerade das beste. Die Meline schreibt, du seÿest zuweilen nicht wohl, das macht mich unruhig, und ich will durchaus von dir selbst wissen, wie es um deine Gesundheit steht. Gehe also in dich und wenn ich dir jemals sage, ich könne dich nicht leiden, oder du wärest mir gleichgültig, so antworte: Alter du lügst. Somit verbleibe ich Dein getreuer Alter. 〈Kunigunde von Savigny:〉 Mein Nahmenstag ist Gestern gefeiert worden, mit nächstem die Detail 2v
An Betine
*230. An Meline Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 9. März 1807, Montag Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 11. März 1807 (Briefteil): Eben bekomme ich einen unbedeutenden Brief von Bettine, die mir nur schreibt daß sie sich wohl befindet. (SPK/NS 104/13.) Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 17. März 1807 (Briefteil): Von der Loulou hören wir seid die Bettine mit ihr ist gar
nichts. Die Bettine schrieb mir nur sie seÿ wohl, und sonst auch nichts. (SPK/NS 104/13.)
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An Ludwig Achim von Arnim nach Giebichenstein Kassel, Ende März 1807
Das ist eine lange Pause Lieber Arnim in welcher ich nichts von Ihnen höre, Ich bin nun schon 4 Wochen in Cassel, ich bedaure bei jedem Augenblick, daß ich meine Zeit nicht in ein Symetrisches Verhältniß 232
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mit der Ihrigen rüken konnte, sonst wär mein jeziger Aufenthalt damals gewesen, wo auch Sie hier waren. Sie haben wohl immer noch Nachricht vom Clemens gehabt, das ist eine traurige Zeit, wo Dorne und Distlen so üppig wachsen, daß man nicht hinkann wo man will und nur den engen Pfad der vor uns liegt betretten kann, sonst wär der Arme Clemens gewiß Quer über zu seinem Freund geschritten. Ich habe kein rechtes Herz Ihnen so alles vom Herzen zu schreiben ich weiß nicht was aus Ihrem Gemüth geworden ist, ob es noch immer entgegen lacht wie ein grüner Baum, dem Laub und Frucht in jugendlicher Sonne wächst. wahrhaftig das Gemüth des Menschen ist zu Mißtrauen aufgelegt, und ich schäme mich daß ich es an mir erfahren muß, indessen nur einen Augenblick von Ihrer Gegenwart die Uberzeugung daß Mund und Nase und Augen noch am rechten Fleck stehen die kann mich wieder heilen, und dieser Augenblick wird doch auch wieder einmal kommen, (»denn was Gott will daß muß der König thun, und was er will, dem fügt man sich in Demuth«) Ich bringe meine Zeit hier sehr einfach zu, den Morgen bey einem Mahler, und den Nachmittag bey einem Bildhauer den Abend mache ich Musick, da laß ich Ihre Lieder und meine Melodien in schwesterlicher Vereinigung aus meinem Mund hervorgehen, dann leg ich mich mit meiner Fantasie zu Bett. O himmlische Nahrung Du Immer grün Durch Eis und Schnee Auf braunen Locken Tragt’s mit glühendem Haupt Der Dichter Biß der schlanke Wuchs Sich erhebt an dem Stamm Da des Ruhmes Sprossen In den Winden wehn. Da reicht er mit glänzendem Finger Und bricht die süsen Sprossen Die süsen! – die dieser Mit Harnisch, Mit Helm und Speer erreicht; Und jener mit der Stimme Laut, Und dem Klang der goldnen Saiten; Ein andrer mit dem Schwung Der leichten Glieder, 233
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In gelenkem Schritt über den Erdball. Baum voll süser Blüthen Hin drängt sich der Schwarm Und zieht sich dem Duft nach Denn dort ruht der König Am Maale des Geists Und macht gelblichen Hönig Süß für alle Zungen Ach den Zepter! Führst du Phantasie Meines Herzens Hüterin Da darf alle Kunst schwärmen In dem heisen Sommer Tag Und darf eintrinken Den fruchtbaren Blüten staub Und darf sich laagern Am Castalischen Quell Und darf spielen Mit dem Fuß und mit der Hand In den heiligen Wellen. Und so mit leg ich mich Eurer Liebenswürdigkeit zu Füsen, und lache oder weine wie es Euch beliebt – wie der Jüngling im allzubunten Rocke, der süse Mine zu saurem Spiele macht, Adieu beherzigt mein Andenken Bettine. Noch ein Wort Junger Mann, oder besser Alter Freund schreiben sie bald wenn auch nur wenig Worte.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 27. März 1807, Freitag
Königsberg am Charfreitage 1807. Noah ließ eine Taube von sich ausfliegen, auf daß er erführe, ob das Gewässer gefallen wär auf Erden. Da aber die Taube nicht fand, da ihr Fuß ruhen konnt, kam sie wieder zu ihm in den Kasten. I Moses 8. Kap. 234
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So fliegt mein Brief zu Ihnen, werthe durch tausend Erinnerungen um mich vielverdiente Freundin, ein Freund trägt ihn zu Schiff nach Kopenhagen, ich hoffe, daß von dort der Weg zu Ihnen offen; die Häuser rings um uns stehen offen, denn sie sind leer, aber den flüchtigen Menschen sind die Wege abgeschnitten, selbst die wüsten; es giebt nur einen offenen Weg den tausende wandeln. Der brave Doktor Schlosser aus Frankfurt, wahrscheinlich kenen Sie ihn denn er war mit Christian sehr genau, ist gestern als ein unbemerktes schönes Opfer seiner entusiastischen Thätigkeit in den hiesigen ungesunden Lazarethen | gestorben, ich sah ihn hier nur einmal, er hatte als Feldarzt die beschwerlichen Märsche der Armee mitgemacht; vielleicht daß ihn diese schon angegriffen hatten, es giebt ein guter Wille der die Verklärung des Menschen ist. Verwechseln Sie ihn nicht mit dem Schlosser, von dem ich aus Göttingen schrieb, seine Mutter war Göthe’s Schwester, sagen Sie auch nichts davon seinen Verwandten, böse Nachrichten kommen immer zu früh. Er hat mir eine Nachricht an jenem einzigen Nachmittage, wo ich ihn sah, gegeben, die ich aus einem geheimen Ahnden bezweifeln möchte und die mich doch hindert an Clemens zu schreiben, er sagte mir, dessen gute, liebe Frau, die ihm gern jedes Glück gegeben hätte, wenn das Glück sich geben liesse, sey gestorben, er habe es in einer Zeitung gelesen. | Nikolovius versicherte uns, daß er nichts davon gelesen, ungeachtet alle die Zeitungen durch seine Hände gegangen, ich hing mich an diese Ungewißheit, es war eine Klippe, ich wuste nicht, auf welchem Wege ich an Clemens schreiben könnte und verhungerte so in Zweifeln. Ich frage Sie darum, meine Gütige, trösten kann ich ihn nicht, ich weiß, daß ihn (wie mich überhaupt) in diesem Unglück meine Nähe erfreuen würde, ich könnte ihm nichts sagen, als diese Unmöglichkeit. Man muß sich nicht weich machen, sondern sich aufrecht erhalten; ich habe mich abgelöscht und gestählt an Schlachtfeldern. Eylau, wo Gott der Herr gerichtet, ist nur fünf Meilen von hier, Todte Blessirte bezeichneten den Weg, über zwölf Tausend liegen in den Lazarethen. | Ich war wenig Augenblicke traurig, es waren die wo ich an die Entfernten dachte, auch in der Zeit, wo man jeden Augenblick den Sturm und die Einäscherung der Stadt erwartete, hatte ich ein Zutrauen, ich war mit meinen Bekannten froh, ich hatte die innere Ueberzeugung, daß ich nichts mehr und nichts Grössers dabey nützen könnte, als gute Leute zu ermuntern, denn es geschah kein menschliges Werk die Russen gingen schon in Unordnung zurück, als das Preußische Korps unter 235
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Lestock wie ein Geist über sie kam und wer da handeln sollte, muste berufen seyn. Diese guten lieben Leute, mit denen ich diese Zeit zubrachte, und die meisten guten Abende, die uns nun werden, können mir am besten Ihre Briefe besorgen, wenn Sie über Kopenhagen nach Königsberg abzugeben bey H: Kommerzienrath Schwink schreiben wollen. | Wie gern möchte ich Sie in den Kreis meiner neuen Bekanntschaften einführen, ich fühle es wie weit Sie entfernt sind, und doch fühle ich auch Ihre Nähe in der ältesten Tochter des Hauses, sie heist Auguste und so ist mein A B C fertig aus Auguste Bettine und Clemens. Sie hat manche Aehnlichkeit mit Ihnen und das war wie ein guter Genius, der mich ihr gleich zu wandte, so zurück gezogen in sich sie auch aus sich herausblickte, sie erfüllt angenehm mein Daseyn, löscht in mir den verzehrenden Wunsch zu helfen, wo nicht zu helfen ist durch mich ein andermal von meinen vergeblichen Versuchen, wie eine dunkle nächtliche Himmelsbläue über einem Schlachtfelde, ist ihr Anblick meine Ruhe, sie stört keinen Eindruck, vielmehr scheinen die ewigen Sterne ferner Freundschaft heller und glänzender durch sie zu mir her. Sie möchte immer alle die Leute kennen lernen und die edlen Burgen im Weinlaube, von denen ich ihr erzähle und kann es oft nicht begreifen, wie ich so vieles gesehen habe und doch so leicht zu übersehen bin. Ich fühle, daß eine grosse Gnade mich | erhalten, die innere und äussere Verzweiflung von mir abwehrten, die mich auf den langen öden Wegen ansprach. Hier wurde das erste allgemeine Dankfest gefeiert, das ich erlebt habe und ohne Gepränge, aber wen die Orgel in die Kirche lockte, in allen war eine übermächtige Freude. Der Tod des unsterblichen Prinzen, dessen höhere Natur mich anzog, schnit im Beginnen des Krieges das einzige Band ab, welches mich wahrscheinlich sonst an eine mir verhasste Kriegsverfassung hingezogen hätte, vielleicht hätte seine Nähe mir alles überstrahlt; er liegt unter Lorbeeren von einer edlen Fürstin gewunden, er pflegte zu sagen, mein Körper versagt mir keine meiner Phantasieen; so ist ihm auch diese nicht versagt worden; er erlebte nichts von dem Jammer seines Hauses. Gott erhalte das Ihre und Sie und Clemens vor allen und mir unsre zutraulige Freundschaft. 〈1r alR:〉 Ich glaube einen Ihrer Briefe in Giebichenstein, es ist noch keine Gelegenheit gewesen, ihn zu erhalten.
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A Mademoiselle Bettine Brentano Abzugeben bey à H Franz Brentano im golde〈〈nen〉〉 Kopfe Francfort s/M
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An Meline Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 30. März 1807, Montag
Lieber Linster hier hab ich dir Den Henry hingezeignet, du kanst es ihm zeigen, als einen Beweiß daß ich ihn noch nicht vergessen habe Gelt ich hab dir lang nicht geschrieben, und hab dir nicht gedanckt für alle freundliche Besorgung meiner häufigen Aufträge, und bin nun so unartig schon wieder mit tausend Comissionen dich zu beschwehren, doch dies soll mich entschuldigen, erstens: hat Herr Hoffmann von mir noch einen Theil von Shackespear und einen von Ovids verwandlungen, diese beide mögt ich gern haben, dann hat er noch die 3 Erz-Narren, ich weiß überhaupt nicht ob er noch andre Bücher hat du kanst ihn ja fragen, und wenn etwas von meinen zurückgebliebnen Büchern ihm anständig ist, zu lesen, zum Beispiel Plato von Schleiermacher, so gieb es ihm, nun hab ich auch noch zwei Exemplare von Sternbald in meinem Bücherschranck daß eine davon ist neu in grün Papier eingebunden dieß schick mir. Dencke dir alter, aber behalte es für dich, ich habe hier eine sehr schöne Gelegenheit ob^zwar nur auf Zwei Tage nach Weimar zu gehen mit einer ungefehr 40 Jährigen Stiftsdame deren Gesellschaft zwar nicht die aller angenehmste besonders für mich ist, da sie sehr ernsthaft und gar nicht Spaßhaft aussieht, ungefehr so wie die Luise Piautaz ehe man sie genau kennt, doch aus allem dem mache ich mir nichts es dauerte nur 8 Tage und ich hätte die unendliche Freude diesen schon so alten sehnlichen Wunsch zu befriedigen, ich bitte dich und die Marie vor welcher ich mich so oft über diese Sehnsucht äuserte, und die immer so herzlichen Antheil daran nahm, wenn ihr beide etwas über den Franz vermögt, es zu thun, da die Dame mit welcher ich die kleine Reise mache 237
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hier einer algemeinen Achtung genießt und auch besonders in Rücksicht der Oeconomie sehr respectable ist worin ich mich ihr denn ganz überlassen würde, so kann ich mir nicht dencken daß mir es Franz abschlägt, nur in der Hinsicht zweifle ich noch, weil meine Freude und Glückseeligkeit gar zu groß wär, (wenn es der Franz erlaubt Meline so gehe zur Göthe und sage es ihr, ich weiß daß es ihr eine grosse grosse Freude machen wird, und sag ihr auch daß sie mir einen Brief an den Sohn geben soll, (Ach so weit sind wir noch nicht) 〈1r aoR, kopfstehend:〉 Dem Savigny schreib ich bald. noch eine Bitte, schicke mir doch einen Patentzopf dann wenn die Reise erlaubt wird, so lasse mir bey Hr: Baumbach auf das schleunigste, zwei paar Schue machen wie meine rothe Samtne, von schwarz oder grauem zeug und dann noch ein paar Schwarze Mannesschue.
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*234. An Franz Brentano in Frankfurt Kassel, Ende März/Anfang April 1807 Franz Brentano an B, 4. April 1807: Du wünschest mir bei Empfang deines Briefs guthe Laune. Die hatte ich, aber Sie verlohr sich bei Durchlesung desselben u bei Prüfung deines abendtheuerlichen vorsatzes 〈…〉 nenne die Erfüllung aller wünsche, nicht glück 〈…〉 Du legst einen auserordentlichen Wert auf eine Reise nach Gotha u weimar die nur Acht dauren soll (Nr. 236,3-12).
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den 3* Aprill Victoria, Victoria! Der Franz hat deine Reiße erlaubt. Ich erhielt deinen Brief wie ich just im Comptoire beym Franz war. Nachdem er den seinen, und ich den meinen gelesen hatte, so sahen wir uns eine Weile einander an. Nein, nein was Dummheiten; wir haben schon einen Reisepostillion im Haus, sagte der Franz! als ich sein witzig Gesicht sah, 238
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redete ich ihm zu, und er hat es mir endlich versprochen. Er wird dir selbst darüber schreiben. Beÿ der Göthe, ging es mir nicht so gut! Ich gieng zu ihr und traf sie nicht zu Haus. NB. ist die Frau von Göthe aus Weimar seit 8 Tagen beÿ ihr. / Der Lischen erklärte ich mein Verlangen, und sagte das ich heute früh wieder kommen wolle, um ihre Mündliche oder schriftliche Aufträge zu hohlen. Sie hat mir aber die Mühe gespart, denn sie ließ mir durch den Schlosser wissen, wie sie dir einen Brief an ihren Sohn geben könne da seine Frau abwesend seÿ. Deine Reiße seÿ ein toller Streich, und Sie würde mit dir darüber sprechen, wenn Du zurück kämst. Deine Schuh Aufträge habe ich so gut wie möglich besorgt, und ich schicke 〈〈sie〉〉 mit dem Sonntägichen Postwagen an dich ab. In unserm Haus ist noch alles auf den alten Fleck; nur ich bin dem Himmel um eine Stufe näher gekommen. Der Wheybischof war hier, und hat den 2ten Oster Tag gefirm. Er hat mich bewogen mich auch firmen zu lassen, und so bin ich denn mit 600 andern, beohrfeigt worden. Die Tonÿ hat mich geführt, und mir einen schönen Becher, und einen Halsschmuck geschenkt. Nach dir hat sich der Colborn gar eifrig erkundig, er läst dich grüßen und brachte auch einen unbedeutenden Auftrag vom Fürsten, an dich, den ich aber vergessen habe. Der Savigny hat mir neuerdings geschrieben, du sollest ihm doch antworten! Der Doctor hat wieder 6 Dutzend GraßBlumen gekauft. Deinen Bäumen geht es aller Sorgfalt ungeachtet sehr hinderlich. ich fürchte einer wird sterben. Wir erwarten schon seid Freytag stündlich die Claudine. Gott weiß wo sie steckt. Adieu Alter glücklicher Budin; schreibe mir wenn du wieder zurückkommst. Grüße den Lulster gar schön und auch den Jordis. Linster. Mademoiselle Bettine Brentano beÿ Madame Landré in Cassel en hesse
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Von Franz Brentano nach Kassel Frankfurt, 4. April 1807, Sonnabend
Frankfurth d* 4 Apl 1807 Liebe Bettine! Du wünschest mir bei Empfang deines Briefs guthe Laune. Die hatte ich, aber Sie verlohr sich bei Durchlesung desselben u bei Prüfung deines abendtheuerlichen vorsatzes, du weist wie ich das herum schwärmen von Mädgen, in der welt hasse, welches in den Augen aller vernünftigen Menschen für unanständig gehalten wird, nenne die Erfüllung aller wünsche, nicht Glück, denn die Erfahrung lehrt daß grade diejenige die sich die Erfüllung aller wünsche angelegen sein lassen, grade die unglücklichsten sind; ich hoffe u wünsche dich bald wieder hier zu sehen. Du legst einen auserordentlichen Wert auf eine Reise nach Gotha u weimar die nur Acht dauren soll, um dir einen Beweis von Liebe u gefalligkeit zu geben, will ich meiner seits unter gewissen Bedingungen nichts dagegen haben: es muß nehmlich deine Begleiterin, von tadellosem Ruff sein, der allgemeinen Achtung geniesen, Muttersorge über dich auf der Hin u Herreise übernehmen, dich nicht auser Obsicht lassen, und dich wieder in die Hände des Jordis zurück liefern, macht sie sich hierzu gegen Jordis | Anheischig, so kannst du die Reise mit ihr auf halbe Kosten die Du bestens menagirst machen. Aber ich wiederhole du must in 8 Tagen ohnefehl mit ihr zurück kommen, und dich unter keinem vorwand, er seye auch welcher er wolle, dich länger in weimar bei irgend jemand, es seye wer es wolle aufhalten wollen, es ergehe auch an dich welche Einladung da wolle, denn ein solches benehmen deiner seits würde mich im höchsten Grade empören, nur unter diesem festen versprechen deiner seits kann ich solches zu geben, versehe dich bei dieser so winderlich kalten Witterung wohl mit Kleidung, u sorge guth für deine Gesundheit; u schreibe mir wenn du zurück gekommen bist, u mache dann daß wir dich bald wieder hier sehen. Clemens ist über Rastatt nach Strasburg gereißt. Wir alle sind wohl u vergnügt, nur fehlst du uns, um die offt etwas schwehre Laune Lebendiger zu machen, auch hast du die heilsame Firmung des Herrn weihbischoff versaümt, meline ist damit versehen, u schreitet nun mit neuem | Tugend Glanz einher. 〈〈Jordi〉〉s u Lulu bleiben nun für nekste Firmung enreserve.
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Lebewohl, u gedenke meiner auf deiner Reise. ich umarme dich herzlich Franz An Bettine
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*237. An Meline Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 1. Mai 1807, Freitag Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 4. Mai 1807 (Briefteil): Ich bekam gestern einen Langen Brief vom Budin, der mir erzehlt
wie der Wieland so schmutzig, und der Göthe so freundlich seÿ. Lezterer hat ihr als Andenken unserer Familie, einen Ring geschenkt, und hat sie gar schön aufgenommen. Ich denke die Bettine wird euch das alles genau selbst schreiben wollen, daher will nichts mehr darüber sagen. (SPK/NS 104,13.)
*238. Von Clemens Brentano nach Kassel Frankfurt, etwa 4. Mai 1807, Montag B an Clemens Brentano, vmtl. 9. Mai 1807: Wohl hast Du recht nach mir
zu fragen, und zu begehren 〈…〉 Jezt einmal über Vogt, er gefällt Dir also nicht (Nr. 241,1-2+52).
*239. An Franz Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 5. Mai 1807, Dienstag Franz Brentano an B, Frankfurt, 8. Mai 1807:
Deine Reise Abentheuer sind freylich nicht orlandoforioso mäsig, indessen hast du doch schöne Städte u Länder gesehen u Berlin gesehen zu haben ist immer sehr angenehm, u daß du Carl u seine famille so guth u lieb gefunden hast freuet mich. 〈…〉 ob ich u Tony die Pfingsten dorthin 〈nach Kassel〉 gehen können ist sehr zweifelhafft 〈…〉 In deinen Wunsch nochein241
Nr. *239
mahl nach Weimar zu reisen kann ich ohnmöglich einstimmen (Nr. 240,11-23). Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 8. Mai 1807: Bettine hat auch gestern an den Franz geschrieben; sie wünscht noch einige Zeit in Cassel zu bleiben, und will den Clemenz auch dahin haben. (SPK/NS 104,13.)
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Von Franz Brentano nach Kassel Frankfurt, 8. Mai 1807, Freitag
Frankfurth d* 8 May 1807 Liebe Bettine! Ich erhielte deinen Lieben Brief, u das schöne Bild, daß mir und uns allen wegen seiner süßen Einfalt auserordentlich wohl gefellt, es wird sich unter Glas u Rahm besonders guth ausnehmen, eine schöne goldene Rahm ist schon unter arbeit, u es soll einen schönen Plaz im wohnzimmer aufziehren, wir sind ungeduldig es in seinem Glanz aufgehängt zu sehen, wo hast du nur dieses schöne Bild aufgetrieben, es ist noch nicht so sehr rein gezeichnet, als anmuthig ausgeführt u schön Colorirt. Deine Reise Abentheuer sind freylich nicht orlandofurioso mäsig, indessen hast du doch schöne Städte u Länder gesehen u Berlin gesehen zu haben ist immer sehr angenehm, u daß du Carl u seine Famille so guth u Lieb | gefunden hast freuet mich. Es wäre aber nun zeit liebe Bettine daß du zurük kämest, du wolltest nur 6 wochen aus bleiben u bist schon eine Ewigkeit entferndt, ob ich u Tony die Pfingsten dorthin gehen können ist sehr zweifelhafft, ich glaube daß uns so gern wir es auch thäten allerhand verhältnüße daran hindern werden wenn es aber geschehen kann so schreiben wir einige Tage vorher, grüse Jordis u Lulu herzlich von mir u sage Ihnen, ich werde seinen freundschaftl* Brief nekstens beandtworten. In deinen Wunsch nocheinmahl nach Weimar zu reisen kann ich ohnmöglich einstimmen, begnüge dich Liebe Bettine damit einmahl da gewesen zu sein, es würde ein sonderbaren effect daselbst machen dich nun gleich wieder, mit einer fremden Person erscheinen zu sehen, das publicum würde | dieses ein Abentheuerlich Betragen nen242
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nen dich u mich u die ganze Famille blamiren und es mir besonders übel nehmen daß ich zu gebe daß du solche wallfahrten machest, man ist dem guten Dirat’on auch etwas schuldig, besonders ein lediges FrauenZimmer, begehre nicht ferner meine Einstimmung hierzu, du würdest mir damit sehr wehethun, sprechen wir also nicht mehr davon, und denke daran wie wir dich bald wieder hier haben, ich thate und thue dir immer gerne was schicklich u thunlich ist, indessen giebt es gewisse Dinge, worüber man nicht hinaus kann, u du bist zu vernünftig u zu wohldenkend, um ferner was zu verlangen das mich kränken könnte. unsere Kleinen sind alle wohl, besonders Franzisca gedeihet nach den Kuhplattern prächtig, du würdest deine Freude an ihm haben. Dr. Lehr ist gestorben er wird allgemein bedauert, er hinterläst 70/m f & hat viel dem Senkenbg stifft vermacht. Tony grüset dich herzlich u ich um arme dich dein treuer Bruder Franz. a Mademoiselle Mademoiselle Bettine Brentano chéz Monsieur C. Jordis de Francfort chéz Madame Landré. à Cassel en Hesse
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An Clemens Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 9. Mai 1807, Sonnabend
Lieber Clemens. Wohl hast du recht nach mir zu fragen, und zu begehren, denn mein Wunsch, nach der Erfüllung meines grösten Wunsches, war dich zu sehen, und dir mitzutheilen, von Berlin kann ich dir wenig sagen, denn ich Hab weder Mensch noch Vieh gesehen welches mir interresant gewesen wär, ausgenommen die Pistor, die mich eigentlich zu lieb gewann, eine herrliche Oper hab ich dort gehört, und ein Gesicht hab ich aus einer Loge hervorguken sehen, mit schön gebogner Nase und tiefen schwarzen Augen wie dunkle Wolken am klaren Himmel, ein solg Herrlich Gesicht hat der Bettine so wohl gefallen, daß sie noch 243
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jezt mit Entzüken sich dran erinnert wie doch der Mensch ein Kind ist! und wie er es immer bleiben soll! Und jezt war ich in Weimar, in Wielands mir ganz lächerlichem Revier, ein Gemach voll Nachtlampen, und Nachtmüzen und er selbst im Schlafrock, ruft aus, als er mich sieht, O wunderbare Erscheinung! Sie haben sich darauf eingerichtet sagte ich ihm – mit dem Schlafornat; ich scherzte und lachte noch ein bisgen, begehrte ihm ein klein Zetelgen für Göthe, und wandelte meines Pfads. in der That lange könnte ich es nie bey ihm aushalten, und wär es auch nur wegen der alten Luft die bey ihm herrscht. Aber jezt kommen wir zu Göthe. Ey preiße mich glücklich Guter Clemens, nur erst einmal auf die Treppe, die zwei freundliche Marmorbilder die dir entgegen winken, und so still und würdig ist das Hauß – Ich wartete in einem Zimmer daß voll kleiner Holzschnitte und Zeichnungen hängt, ich blieb bey einer Madona in Holzschnitt stehen, und dachte so in meinem Sinn was Göthe wohl gedacht haben mogte daß er es so schön eingerahmt hatte, in dem tratt er herein, grüßt mich, führt mich auf sein Zimmer, nach dem ich saß, rückt er sich einen Stuhl herbey. Nun da sind wir ja, jezt wollen wir schwäzen bis Nacht ist, er sprach mir viel von Arnim, den hat er wircklich lieb, auch über dich sagte er mir mancherlei gutes und schönes, was mir sehr lieb ist, er ist doch sehr gerecht und mild, und auch Nachsichtig, er hat eigentlich den wahren Respeckt vor der menschlichen Natur, wer vor ihm steht ohne Pretension, mit aufrichtiger Liebe, dem muß es wohl gehen bey ihm | ich plauderte alles was mir auf die Zunge kam, und er war damit zufrieden, ich sagte ihm dass ich seine Lebensgeschichte schreiben wollte, dieß freut ihn, er eiferte mich ordentlich dazu an Er war so ehrend in allem was er sprach, ich konnte nicht begreifen, wie ihm alles so ernst war, was wir gegenseitig sprachen, ich fragte ihn darum, es ist einmal nichts anders und kann nicht anders sein, sagte er, nicht alle Menschen haben ein Recht auf mein Herz. – Lieber Clemens wer ihn einmal gesehen hat wie ich, und ihn nicht liebt wie ich, der ist seinen Anblick nicht werth, und wenn die ganze Welt ihn nicht erkennt so will die Bettine Jubel rufen über seine Herrlichkeit Und Arnim der ihn auch liebt ohne viel zu spindisieren der soll die Fahne schwingen. als ich weg ging, steckte er mir einen Ring an den Finger, und erinnerte mich nochmals an seine Biografie. sein Leben will ich nicht schreiben das kann ich nicht, aber den Duft seines Lebens will ich erschwingen und auffassen, und zum ewigen An244
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denken seiner, bewahren. Ach lieber Clemens, was mir so wohl gefiehl – ich war so ruhig bei ihm, er war mit mir wie mit einem Jugendgespielen. Jezt einmal über Vogt, er gefällt dir also nicht, und warum du verblendeter Bruder, ey freilich das weiß ich nur alzu gut daß es ihm ging, wie dem mit Fluch beladenen Kunstkenner er tadelt den schlechten unnatürlichen Faltenwurf des Mantels und sieht nicht die warme lebendige Gestaldt die dadurch hervorleuchtet, da ist nun er wieder nicht dran schuld indessen hat er doch nicht allein getadelt an mir, wie andre thun und mich stehn gelassen, sondern es gefiel ihm mir einen gewissen Eifer zu geben z. b. für Musick, er hörte doch nicht aus Eitelkeit und Windbeutelei meinen Gesang, sondern | um zu helfen u.s.w. auch ist ein Beweiß das er gut ist, daß er mit Vergnügen meinen Kindereien die ernsthafte Tolle langweilige Gespräche und Gesellschaften aufopferte, er gefällt dir vielleicht nicht weil ihm so viel über dich weiß gemacht wurde von mancherlei dummen miserabel singenden Menschen und wieder von miserabel athmenden, daß er nicht recht weiß wie er dran ist mit dir. wenn er durch meinen Enthusiasmus angeeifert sich hinsezt und ein ernsthaftes Gespräch mit der Lichtpuze oder dem Stuhlbein hält, so halt ich ihn ganz für würdig mein Spiel camerad zu sein Nach Franckfurth mag ich nicht gern lieber Clemens, ich kann meinen blühenden buschigen Garten wo alle herrliche Gegend mir zu Füsen liegt und schmeichelt wie einer grausamen Königin, nicht verlaßen, um mich unter die Obhut meiner ekelhaften Nachbarschaft von Schneider und Schuhlmeister zu begeben, du kann〈〈s〉〉t dir nicht vorstellen wie alles so lieblich hier ist schöne blü〈〈h〉〉ende Alleen führen zu Wasserfällen, Teigen mit Schwahne Wäldern mit Springbrunnen und Wiesen und Blumebeete, alles in seiner grösten herrlichkeit. Wenn ich an Franckfurth denke wirds mir übel, die Menschen sollen meinetwege〈〈n v〉〉ergnügt und lustig leben, ich mag nichts mit ihnen zu 〈〈thu〉〉n haben, ich bin Ihnen auch gut und und habe sie alle recht Herzlich lieb, aber die Dächer und Straßen und Langeweile und besonders mein Dortsein ist mir unerträglich, wenn ich könnte ging ich nie wieder hin, komm du her, es kostet dich hier nichts, du wohnst bei Uns in einem schönen Garten, bleib einmal ein paar Wochen ohne Bücher, und ha〈〈b〉〉 nichts als mich, Jordis last dir einen Aufenthalt bey ihm recht herzlich anbieten, ich dencke aber in 8 Tagen ungefehr mit einer hiesigen StiftsDame und noch einer alten Madame in einem sehr en245
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gen Wägelgen auf ungefehr 4 Tage nach Weimar zu gehn, du kannst indessen | doch gleich kommen, wenn du nicht befürchtest dich während meiner Abwesenheit zu langweilen, denn hier ist man auf den 90 Himmel und die Erde und die Wasser reduziert viele lustig webende und lebende Menschen findest du gar nicht, aber viele herrliche Nachtigallen, die nicht miserabel singen, gelt es ist den Franckfurtern ein rechtes räthsel daß ich hier so gern bin, sie meinen vielleicht ich genöß allerlei angenehme Verbindungen, und doch hab ich hier noch keinen 95 Menschen gesehn, mit dem ich nur von Herzen gesprochen hätte. willst du kommen lieber Clemens? schreib es uns vorher, du kömmst gewiß. Den einzigen Gefallen thue mir und geh zur alten Göthe sage ihr daß ich hundert mal ihrer g〈〈e〉〉dacht habe bei ihrem Sohn, daß ich sie 100 um seiner und ih〈〈r〉〉er Natur willen tausendmal lieb habe. sage ihr daß seine Liebenswürdigkeit, alle Erwartung alles Zutrauen weit übertroffen daß ich ihr die Freude all die ich bei ihrem Sohn genossen in Fr. wieder vergelten will. auch thue mir die Freude und geh zum Buchhändler Moor und 105 nehme mir die ersten Theile von der lezten Ausgabe von Göthes Werke für die du für 〈〈mi〉〉ch in Heidelberg prenumerirt hast, mi〈〈t.〉〉 Adieu lieber guter Clemens, unser armer Arnim, über den Gott walten Möge! Bettine 110
*242. An Franz Brentano in Frankfurt Kassel, etwa 12. Mai 1807, Dienstag
du willst noch dorten bleiben 〈…〉 Habe nur keine angst vor winkel 〈…〉 Dein armes Künstlerlein ist sehr zu bedauren (Nr. 245,3-12).
Franz Brentano an B, 16. Mai 1807:
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Zweite Hälfte Mai 1807
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An Catharina Elisabeth Goethe in Frankfurt Kassel, vmtl. 15. Mai 1807, Freitag
Eine Schachtel wird Ihr mit dem Postwagen zukommen, beste Fr: Mutter darinn sich eine Tasse befindet es ist das sehnlichste Verlangen Sie wieder zusehn, was mich treibt Ihr solge unwürdige Zeichen meiner Verehrung zu senden, thue sie mir den Gefallen ihren Thee früh Morgens daraus zu Trinken, und Denck Sie meiner dabey – Ein Schelm giebts besser als ers hat. Den Sohn hab ich endlich gesehen, aber ach? was hilfts, Mein Herz ist geschwellt wie das volle See〈〈gel〉〉 eines Schiffes, daß fest vom Anker gehallten ist am ausländischen Boden, und doch so gern 〈〈xxx〉〉 ins Vaterland zurück mögte. Adieu meine liebe Gute Frau Mutter halt sie mich lieb Bettine Brentano
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An Die Frau Rath Goethe zu frey Frankfurth a/M. auf der Hauptwache im Goldnen Brunnen.
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*244. Von Clemens Brentano nach Kassel Frankfurt, zweite Hälfte Mai 1807 B an Clemens Brentano, 6. Juni 1807:
daß du mich mißverstanden hast, in meinem lezten Brief, ist mir theils lieb, denn du hast dich da durch um so eher zu der schönen Reise entschlossen (Nr. 250,2-4).
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Von Franz Brentano nach Kassel Frankfurt, 16. Mai 1807, Sonnabend
d* 16 May 1807 Liebe Bettine! Ich glaubte sicher du würdest mit Clödgen her kommen, es war eine sehr guthe anständige Gelegenheit, allein du willst noch dorten bleiben, in gottes Nahmen, aber vergeße uns nur nicht ganz, ihr Mädgen habt gar keine anhänglichkeit, wenn ihr nur in der welt seid u offt neue gegenstände sehet, dann wird alles andere vergessen. Habe nur keine Angst vor winkel, es war ja nie die Rede dich zu nötigen Toni zu begleiten, also hieng es nur von Deinem Freyen willen ab. Nun gehet George u Famille mit Meline Lotte, pp auf 14 Tage hin, dann Tony mit den Kinder, u ich bleibe hier. Dein armes Künstlerlein ist sehr zu bedauren, der Fürst hätte ihn unterstüzzen sollen, er hätte es gewis verdient, von was für einem original hat er das gesendte Bild Copirt? ist er auch Stark im Öhl mahlen, portraitiren, und Landschafft mahlen? wenn einmahl das Bild in Glas u Rahm paradirt, wird es sicher viel Beifall finden noch ist es im schank wegverschlossen. meinen herzlichen Kuß Dein treuer Bruder Franz
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a Bettine
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Von Catharina Elisabeth Goethe nach Kassel Frankfurt, 19. Mai 1807, Dienstag
den 19ten Maÿ 1807
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Gute – Liebe –Beste Betine! Was soll ich dir sagen? wie dir danken? vor das große Vergnügen das du mir gemacht hast! dein Geschenk ist schön – ist vortreflich – aber deine Liebe – dein Andenken geht über alles und macht mich glücklicher als es der Tode=Bustaben ausdrücken kan. O! Erfreue mein Hertz – Sinn – und Gemüthe und komme bald wieder zu mir. 248
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Du bist beßer – Lieber – größer als die Menschen die um mich herum grabelen, den eigentlich Leben kan man ihr thun und laßen nicht nennen – da ist kein Fünkgen wo man nur ein Schwefelhöltzgen anzünden könte – sie spärren die Mäuler auf über jeden Gedancken der nicht im A.B.C. Buch steht – Laßen wir das, und kommen zu etwas das uns schadloß hält. Meine Freude war groß da ich von meiner Schwieger Tochter hörte daß du in Weimar gewesen wärest – du hast viel Vergnügen dort verbreitet – nur bedauerte man daß dein Aufenthalt so kurtz war. Nun es ist noch nicht aller Tage Abend. sagt ein altes Sprichwort. Was werden wir uns nicht alles zu sagen haben!!! darum komme bald – und erfreue die, die biß der Vorhang fält ist und bleibt Deine wahre Freundin Elisabetha Goethe. An Demoiselle Betina Brentano durch gütige Besorgung
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*247. An Catharina Elisabeth Goethe in Frankfurt Kassel, vmtl. letztes Drittel Mai/erstes Drittel Juni 1807 Cathariana Elisabeth Goethe an B, 13. Juni 1807:
Liebe – Liebe Tochter! / Nenne mich ins künftige mit dem mir so theuren Nahmen Mutter – 〈…〉 (Nr. 251,3).
*248. Von Antonia Brentano nach Kassel Winkel, zwischen Anfang und Ende Juni 1807 B an Friedrich Carl von Savigny, vmtl. 28. Juni 1807:
die Toni ist mit mir in einem Sonderbaren Briefwechsel, sie hat sich bemahlt und illuminirt wie ein Theater decoration die eine Stolze Ruine am Rhein vorstellen soll, wo allerlei romantische Scenen vorgehen die sich auf Einsamkeit 249
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und Abstracktion im ganzen beziehn wenn man im rechten Lichte steht sollte man schwöhren es sey die reine Natur, sieht man aber von der Seite hinein so entdeckt man das wahre Gerümpel. meine Antworten sind übungen in Demuth und Selbstverläugnung die mir denn gar nicht schwehr vis a vis d’elle. (Nr. 257,38-46.)
*249. An Antonia Brentano in Winkel Kassel, zwischen Anfang und Ende Juni 1807 Vgl. Nr. *248.
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An Clemens Brentano in Frankfurt Kassel, 6. Juni 1807, Freitag
6ten Juny Lieber Clemens! daß du mich mißverstanden hast, in meinem lezten Brief, ist mir theils lieb, denn du hast dich da durch um so eher zu der schönen Reise entschlossen. Die Frist von 6 Wochen die ich dir bestimte war auf die Langeweile berechnet die wahrscheinlich hier dein Looß sein wird, und ich dachte, nacher mit dir nach Fr: zurückzugehen, wenn es dir lieb sein würde, indessen bestimme ich dir jezt keine Zeit, du sollst hier bleiben so lang es dir gut dünckt und mich nachher mit zurück nehmen. nur komme bald, ja gleich! dem Menschen ist es nicht gut lange Einsam zu sein, und dieß bin ich hier gewißer Maasen denn das Leben das ich führe, hat ein fragiles tonloses Wesen an sich, so wie in Frankfurth leider auch, nur daß es hier nicht so viel rappelt wie dort. Das einzige worauf ich meinen Blick zu weilen noch mit inniger Liebe wende, ist der Ring den mir Göthe an den Mittelfinger meiner rechten Hand gesteckt hat eine Figur nicht größer als der dritte theil einer Stecknadel und auch nicht dicker welche halb nackt ihre Haare auf dem Kopf bindet ist in einen blauen Stein geschnitten so das war einmal schlecht geraten, nun du wirst ihn ja bald mit eignen Augen sehen, dann sehe ich auch noch sehr gern den Wiederschein einer sehr schönen Gegend in einem großen Spiegel der auf meinem SchreibTisch steht ich glaube sie gefällt mir einzig und allein weil ich 250
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mich immer im Vordergrund sehe, schreibend, an meine Freunde so wie heute an dich, oder auch an gleichgültige Menschen Da flog eben eine Partie Vögel hin ich sah es im Spiegel, wenn ich so sehe wie sie ihre glatte schwarzen Flügel Tacktmässig bewegen und mit jedem Ruder schlag weiter kommen, so mögte ich gar zu gern auch weiter kommen, wenn ich aber wieder sehe wie sie oft in Kraisen herumfliegen und immer wie der auf denselben Fleck kommen so kann ich mir lebhaft denken wie Göthe den Werther so fein mit allen kleinen und innigen Falten seines Gemüthes auffassen und ohne eine einzige zu verlezen uns darstellen konnte, ich liebe ihn gewiß recht wie man ihn li〈〈eb〉〉en muß, seit dem ich ihn gesehen habe Adieu komm 〈〈xxx〉〉 Bettine
Herrn Clemens Brentano adresse in der Sandgaße Francfort s/m a Coblentz
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Von Catharina Elisabeth Goethe nach Kassel Frankfurt, 13. Juni 1807, Freitag
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Liebe – Liebe Tochter! Nenne mich ins künftige mit dem mir so theuren Nahmen Mutter – und du verdinst ihn so sehr, so gantz und gar – mein Sohn seÿ dein inniggeliebter Bruder – dein Freund – der dich gewiß liebt und Stoltz auf deine Freundschaft ist. Meine Schwieger^Tochter hat mir geschrieben wie sehr du Ihm gefallen hast – und daß du meine Liebe Bettine bist muß du längst überzeugt seÿn – Auf deine Herkunft freue ich mich gar gar sehr, da wollen wir eins zusammen Schwatzen – denn das ist eigendtlich meine Rolle worinn ich Meister bin – aber Schreiben! so Tintenscheu ist nicht leicht jemand – darum verzeihe wenn ich nicht jeden deiner mir so theuren Briefe beantworte zumahl da ich weiß, daß 251
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Nachrichten von meinem Sohn dir das angenehmste und liebste sind und ich von seinem jetzigen Thun und wircken so wenig weiß – aber überzeugt daß sein Lob ob gleich aus frembtem Munde dir auch theuer ist; so schicke ich hir eine Recenzion aus den Theoloischen Annalen die dir wohlthun und dich ergötzen wird. Bekentnüße einer schönen Seele im 3ten Band von Goethens Wercken. dieses in das Fach der religösen Schrieften einschlagende Kunstwerck, ein mit Liebe gearbeites Meisterstück unsers größten Dichters, der Klahrheit mit Tiefe, Einfalt mit Erhabenheit wunderbahr verbindet, wird zugleich mit Iphigenie von Tauris und mit den Leiden des Jungen Werders in den Tempel der Unsterblichkeit eingehn. Villeicht ist es nicht allgemein bekandt daß der Verfaßer mit diesen Bekentnüßen einer schon seit länger als 30 Jahren zu Franckfurth am Main entschlafenen Freundin seiner noch lebenden Frau Mutter, einer Freulein von Klettenberg die Er wie eine Mutter verehrte, und die Ihn wie einen Sohn liebte, ein beyder Theile würdiges Unvergängliches Denckmahl gesetzt hat. Je öfftert man diese geistreiche Bekentnüße liest, um so mehr bewundert man sie, und der Verfaßer dieser kurtzen Anzeige wird sich, so lang ein odem in ihm ist, jedes der hohen Achtung, die einem solchem mit Gottes Finger als einzig bezeichnetem Geiste gebührt. so weit ists vor dich – wenn du her kommst reden wir ein meheres – Etwas beßereres kan ich dir vordißmahl nicht zukommen laßen – denn obiges ist gantz herrlich und was ich noch drauf hervor bringen mögte – wäre Wasser unter den vortreflichen Wein. Lebe wohl! Behalte lieb deine dich hertzlich Liebende Mutter Goethe.
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Kassel, 15. Juni 1807, Sonntag
Liebe Liebe Tochter! Nenne mich ins künftige mit dem mir so theuren Nahmen Mutter – du verdienst ihn so sehr – so ganz und gar – Mein Sohn sey dein innig geliebter Bruder – dein Freund – der dich gewiß liebt, und pp:
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Solge Worte schreibt mir Göthes Mutter; zu was berechtigen mich diese? – Auch brach es loß wie ein Damm in meinem Herzen. Ein Menschenkind das allein steht auf einem Fels, von allen Winden und reißenden Ströhmen umbraußt, seiner selbsten ungewiß, hin und her schwankt auf schwachen Füsen, wie die Dorne und Distlen um es her; so bin ich! so war ich da ich meinen Herrn noch nicht erkannt hatte; Nun wend ich mich, wie die Sonnenblume nach meinem Gott; und kann ihm mit dem von seinen Strahlen glühenden Angesicht beweisen, daß er mich durchdringt. O Gott! darf ich auch? und bin ich nicht alzu kühn? Und was will ich denn? Erzählen wie die herrliche Freundlichkeit mit der Sie mir entgegen kamen, jezt in meinem Herzen wuchert; alles andre Leben mit Gewallt erstickt? wie ich immer muß hinverlangen wo mir’s zum erstenmal wohl war? – das hilft alles nichts – die Worte Ihrer Mutter! – Ich bin weit entfernt zu glauben daß ich den Antheil besize den ihre Güte mir zu mißt – aber diese haben mich verblendet, und ich mußte zum wenigsten den Wunsch befriedigen, daß Sie wissen mögten, wie mächtig mich die Liebe in jedem Augenblick zu Ihnen hinwendet; | Auch darf ich mich nicht scheuen diesem Gefühl mich hin zu geben, denn ich war’s nicht die mir es ins Herz pflanzte. Ist es denn mein Wille, wenn ich plözlich aus dem augenblicklichen Gespräch hinüber^getragen bin, zu Ihren Füsen, dann seze ich mich an die Erde und lege den Kopf auf Ihren Schoos, oder ich drücke Ihre Hand an meinen Mund, oder ich steh und halt mich fest am Hals, und es währt lange bis ich eine Stellung finde, in der ich verharre, dann fang ich an zu plaudern wies meinen Lippen behagt, die Antwort aber, die ich mir in Ihrem Nahmen gebe, spreche ich mit Bedacht aus, mein Kind! mein artig gut Mädgen! Liebes Herz! sag ich zu mir, und wenn ich denn bedenk daß Sie vielleicht wirklich es sagen könnten wenn ich so vor Ihnen stände, dann schaudre ich vor Freude und Sehnsucht zusammen – O wie viel hundertmal träumt man! und Träumt besser als einem je wird. Muthwillig und über^müthig bin ich auch zu weilen und preiße den Mann glücklich, den die Bettine so sehr sehr liebt – dann lächlen Sie und bejahen es in freundlicher Großmuth. Weh mir wenn dieß alles nie zur Wahrheit wird, dann wird mein Leben das herrlichste vermissen – Ach ist der Wein denn nicht die Schönste und heiligste unter den Göttlichen Gaben? diesen werd ich vermissen; und werde das andre nur gebrauchen, wie hartes geistloses 253
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Wasser das nicht nach Noch Mehr schmeckt. Wie kann ich mich denn trösten? mit dem Lied etwa »Im Arm der Liebe ruht sichs wohl, wohl auch im Schoos der Erde« oder – »Ich wollt ich läg und schlief, Zehntausend Klafter tief«? Ich wollt ich könnte meinen Brief mit einem Blick in Ihre Augen schließen, schnell würde ich Vergebung der Kühnheit | heraus lesen, und diese noch mit einsieglen, ich würde denn nicht ängstlich sein, über das kindische Geschwäz, das mir doch so ernst ist; O Sie wissen wohl, wie über mächtig, wie voll süßen Gefühls das Herz oft ist, und die kindische Lippe kann das Wort nicht treffen: den Ton kaum: der es wiederklingen macht. Caßel den 15 Juni Bettine Brentano bey Hr Jordis
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 17. Juni 1807, Mittwoch
Königsberg d* 17ten Juny 1807. Adresse. Abzugeben bey Herrn Commerzienrath Schwink. Die Fluth ist über unsre Köpfe hingezogen, wir leben noch und sind zu dem Welttheil hingeworfen, der mir noch werth ist, weil er Sie, meine Verehrte, und Clemens und vielleicht noch einige liebe Wesen enthält; der Weg ist offen, schreiben Sie, ich bitte, ich flehe und wenn Sie mich auch ganz vergessen hätten, was ich nicht glauben kann und mag, geben Sie einige Worte Almosen einem un^bekannten Bettler, wer will fragen, wer er ist der seine Noth sieht, ich komme oft zu dem schrecklichen Glauben, daß ich mich allein an die Menschen hänge und allein Mensch bin unter seligen Wesen, die meiner sterblichen Zuneigung lächeln, Sie thun doch nicht so, ich weiß es, Sie werden vielfach zerstreut gewesen seyn, Sie leben in so glücklicher Gegend, nur ein Wort daher in diese verwüstete, ausgehungerte, abgebrannte Welt. Ich hatte mir hier thörig einen Garten gebaut und schöne Blumen gepflanzt, auch Ihnen ein Andenken von weissen Lilien und Feuerlilien, aber ich bin mit allen Bewohnern hineingeflüchtet in die Stadt, es wurde nichts gefunden als eine Kluke mit | zwölf Küchlein, die schlugen sie todt gegen 254
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die Wand, die Kluke verwilderte und keiner weiß, wo sie geblieben. So sieht es hier aus, die Erndte ist als Pferdefutter zerstört, viel aus Muthwillen, und wo vor ein Paar Wochen auf dem Schloßteiche noch die Königin mit Gesang umherfuhr, den hat jezt die Hitze mit grünem Schlam überzogen. Sie werden die Geschichte dieser Tage in allen Zeitungen lesen, die Russen, auf die der König blindes Zutrauen setzte, rannten blind in ihren Untergang, es war hier keiner, der nicht alles Geschehn voraussagte, nur sie wollten nicht daran glauben, von obenher war kein schneller Entschluß zum Frieden da und kein Sinn das Kommando der Armee zu ändern. Die Schlacht von Friedland war gleichzeitig während unsre Stadt bestürmt und beschossen wurde, der Sturm wurde abgeschlagen, einen Tag nachher ging die Stadt durch Uebereinkunft über, d* 16, den ich auf sonderbare Art seit vielen Jahren als eine Zahl im Gedächtniß trage, die mir lieber als jede andre einfällt, sah ich Morgens um drey Uhr den Einmarsch der Franzosen. Wie lange ist es her, daß ich ihn aus dem Englischen Hause sah und herunter^lief und über die Ketten am Markte fiel und mir die Beine zerschellte! Lauter schmerzliche Erinnerungen, und doch ertrüg ich sie willig, hätte ich Nachricht von Ihnen; mit welcher Wehmuth sehe ich jedes Blat von Ihrer Hand, Ihre Ahndungen sind erfüllt; schon sah ich die brennenden Vorstädte von Troja, die Bomben fielen in die Stadt und die Stürmenden wurden nur mit Mühe zurückgedrängt. Da entzweite sich General Rüchel, der Gouverneur, der diese unbefestigte Stadt durchaus vertheidigen und allmälig abbrennen wollte mit dem General Lestoq, der den Rest der Armee in der Stadt befehligte, er ritt allein in Wuth fort, es geschah ein ruhiger Abzug und die öde Burg von Troja blieb stehen, die Franzosen zogen ruhig gegen 7 Uhr vor der Statue Friedrichs des ersten vorbey und die stand fest und ruhig, als wenn ihr das nichts anginge, vielleicht hatte sie recht und wir leicht beweglichen Menschen hatten vielleicht un^recht, etwas zu fürchten, was lange schon vorüber war, den Untergang unsres Staats. Was mich hier festgehalten hat, ich kann es Ihnen wohl gestehen, was ich mir selbst verschweigen möchte, Sie sind | mein guter Engel, den ich am liebsten zum Richter über mich setze, nichts Grosses, nicht der Gedanke, hier aus zu dulden, wo der Preussische Name entstanden; ich habe wohl von so etwas mir vorgesprochen, als alle meine Bekannten zur Flucht riethen; es war eigentlich blosse Besorgniß um ein Mädchen, die auch davon nichts weiß, die auch nicht weiß wie gut ich ihr bin, die auch nicht ahndet, wo sie mir wohl oder wehe thut (die Ihnen recht ähnlich sieht); 255
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von der ich mich jeden Morgen solange ich mit mir allein bin losschwatze und es doch nicht lassen kann zu ihr zu gehen. Ich habe in meinem vorigen Briefe ihren Namen genannt, zu^weilen meine ich wohl, sie ist mir gut, aber meist ist sie gleichgültig, und manche Nacht verschlich in bittrer Verzweiflung an der Welt; daß ich nicht liebenswürdiger geschaffen. Diese Verzweiflung mag ihr Gutes haben, ich fühle mich wenigstens schuldlos, sie lehrte mich manchen Schmerz ertragen, sie hat keine meiner Thätigkeiten verschlungen und ich schliesse mit der Ueberzeugung, daß ich nicht helfen konnte, sondern daß das Schicksal grösser dachte als ich. Schreiben Sie, meine Gütigste, Verehrte, herzlichen Gruß allen in Ihrem Hause, warum muß ich so fern seyn und nicht fortkönnen. A. A. Kur
A Mademoiselle Bettine Brentano à Goldner Kopf, Sandgasse Francfort s/M bey H. Franz Brentano. Zur reitenden Post. frey
*254. An Franz Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. letztes Drittel Juni/erstes Drittel Juli 1807 Franz Brentano an B, 11. Juli 1807: Ich erhielte deinen Brief ohne Datum durch den Kleinen Künstler mit einem Datum 〈…〉 Daß du dich sowohl unterhaltest freuet mich. (Nr. 260,3-4+19.)
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Von Dettmar Basse nach Kassel Paderborn, 25. Juni 1807, Donnerstag
Paterborn d* 25t Juny 1807. ich wolte Sie meine gute Betina fragen; Ob ich Ihnen schreiben dürfe? Der Abschied von so lieben Menschen, wie Sie alle Sind, hat mich in den Augenblick des Scheidens, stumm gemacht, ich habe Sie nicht gefragt – Sie wechseln Briefe mit Gelehrten, würde es Sie nicht amusiren zu zeiten von einem Bauern einige Zeilen zu erhalten? – Von gelehrten Dingen kann ich Sie nicht unterhalten, ich würde Ihnen aber erzählen, was meine Schafe, Kühe, Pferde, u Geflügel aller Art machen – Wie dies alles unter einem glücklichen Himmel so fürtreflich gedeihet, u die wenige Mühe des Eigenthümers so reichlich belohnt. ich würde dabey einige Comische Auftritte unserer Harmonisten mit untergehen lassen. Und auf alle Weise Sie in der guten Meÿnung von America immer mehr zu bestärken suchen, damit Sie ja einmahl den schönen Vorsatz aus führen, dies Paradies, diesen Garten Edens – Selbst zu sehen. O wenn ich das erleben könte! O wenn ich Sie einmahl in mein großes Welsch=Korn=Feld führen könte!! – Doch beÿ dieser Gelegenheit solte ich fast bekennen, daß Sie mich bereits in Ihr Korn=Feld geführt haben – Wo ich hinsehe, finde ich das schöne Bild Ihrer Liebenswürdigen Schwester – Noch Ihre schöne Locke auf der rechten Seite pp – Lachen Sie nicht über mich, finden Sie Sich darzu gestimmt; so bedenken Sie, daß mann des Alten selbst mit Schwachheit ehren muß. – Bis hier ging meine Reise gut, abgerechnet, daß einer meiner Gesellschafter den Augenblick abpaßte, wo ich in Gedanken mit den Liebenswürdigsten Frauenzimmern auf Wmshöhe Nahmen in Bäume schnitt – ich freute mich ausserordentlich Dettmar unter Betine zu setzen, u fühlte mich glücklich, daß Sie vielleicht einmahl wieder dahin kommen, und dan Sich meiner errinnern würden – in diesen Augenblick sprang der Böse Bock von Wagen, u lief davon – ich ihm nach – eine halbe Stunde übten wir uns im Wettrennen, als endlich er im Gebüsch mit seinem Kopf=putz sich verhaspelte, u ich ihn wieder fing | Verdrießlich sich gefangen zu sehen, wolte er nun nicht mehr von der Stelle, ich muste ihn tragen bis am Wagen – ich gestehe diese Abwechselunge, von glücklicher Ruhe, von einem süßen Gedancken, zu der gewaltsamen Bewegung und Ermüdung, kam mir etwas hart vor. Wie wollen doch die Geschöpfe des Himmels zu ihrem Glück gezwungen seÿn, dachte ich – und dabeÿ an die meisten Menschen, die nur nichts 257
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wie Elend um sich herum sehen, von Nichts als Todt u Verderben hören, und die traurige Gewißheit vor sich haben, daß dieser schreckliche Zustand noch lange kein Ende nimmt – Die mit einem kleinen Opfer sich in eine ruhige, bessere, glücklichere, u schönere Welt in einen unabhängigen Zustand versetzen könten – u doch bleiben, weil sie nicht die innere Kraft haben von einigen Gewohnheiten sich los zu machen – weil sie nicht dieselben Mauren die sie immer sehen wieder finden werden pp. ich bitte Sie meine Gute beÿ Gelegenheit der Frau Rath Göthe zu sagen, daß ich beÿ ihr gewesen bin und mich ihrem Andenken zu empfehlen ich fand sie nicht zu Hause Grüßen Sie sie von mir recht herzlich. Meinen Americ: Poket Atlas ließ ich bey Ihnen, wollen Sie denselben nicht ein Plätzgen unter Ihren Büchern geben? ihn aber auch lesen u ein Bisgen studiren? Nun bitte ich sehr um Verzeihung über mein Ansinnen, finden Sie daran ein Ärgerniß; so sagen Sie mir’s, so auch ob ich Ihnen von America schreiben darf ? Übrigens halte ich wort: daß wenn Sie mir sagen, Sie wollen nach America reisen ich komme Sie dahin zu begleiten – Leben Sie vergnügt Ihr ganz gehorsamster Diener u Freund Dbasse
*256. An Meline Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 28. Juni 1807, Sonntag Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 1. Juli 1807:
Von Bettine habe ich Euch Gestern einen Brief geschickt; sie schrieb mir daß sie befürchtete in 3 Wochen hierher zu müssen. (SPK/NS 104,15.)
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An Friedrich Carl von Savigny in Wien Kassel, vmtl. 28. Juni 1807, Sonntag
Lieber guter Alter! Ach wie ist doch Entfernung eine starke hohe hohe Mauer, daß ich nicht drüber klettern kann, oder auch nur hinauf und dir winken mit dem Sacktuch: »es geht mir gut; wie geht dirs? freut 258
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mich daß du noch lebst« und denn zu Zeiten alles ausschütten was mir auf dem Herzen schwehr haftet. Ey guter Alter wie stellt sich das Leben an, zu weilen? rückwärts gehts und klemt ängstlich und Zornig mit den zwei Scheeren alles, was ihm in Weg kömmt; wie ein Krebs. Bey Göthe war ich! das hat dir Meline erzählt; das ist alles gut, aber Alter, ich muß bey dir seyn, auf deinem Schoos sizen, du must mich herzlich umarmen, wenn ich so weich werden soll, dir alles zu sagen, ich trage einen Ring von Göthe am Finger, der ist mir sehr lieb;. Ich sag dir du bist recht gut – du bist der beste – Aber erinnere dich wie oft mir nicht wohl war bey dir – daß ich wild und traurig wurde im Gemüth daß ich so recht fühlte, ich wußte nicht wo aus noch ein im Leben: all das war verschwunden bey Goethe, und doch hatte ich mich davor am meisten gefürchtet, er kam auf mich zu: gleich im ersten Augenblick, küßte mich auf die Stirn, und behandelte mich wie eine lang verheißene Freude die nun endlich erscheint. auch war er mir gar nicht fremd, wie zwei Prinzen die mit einander auf einer einsamen Insel erzogen sind, die an dem Ufer des Meeres ihren künftigen Lebensplan mit einander ersonnen haben, so war ich mit ihm, er selbst würdigte mich mit jedem Worte, was er gegen mich aussprach und ich durfte die Wahrheit meines Gefühls nur ausdrücken, um ihn zu erfreuen, Nun denk dir, er sagte mir, ich sollte bey ihm bleiben so lange biß wir uns ausgeschwäzt hätten, und das dauert lange sezte er hin zu, er wollte mich lesen lehren, und meine übrige Studien dirigieren, das durfte ich aber alles nicht annehmen, du weißt ja wie alles zusammenhängt Nun size ich hier in Cassel schon 4 Monath, nur um nicht in Frkt: zu sein wo mich die Luft drückt, wie die Menschen, wo ich immer miserabel aussehe und blaß werde hier studiere ich die hebräische Kirchenmusick sing in den Concerten die Altstimmen, lese in meinem Zimmer mir allein den Schaekspear ganz laut vor, declamire so arg daß oft das Ganze Hauß zusammen läuft und meint ich habe einen Streit. Ach gestern laß ich wie die Herzogin Gloster buße thun muß in ihrem Hochmuth »Geh führ! mich verlangt in mein Gefängniß« spricht sie nach gethaner Buße, wenn nur mir s mit der Zeit nicht auch so geht wenn ich nur nicht auch durch die Gemeinheit so befangen werde daß ich keine Freude mehr an der Freiheit des Lebens habe. Adieu Alter – die Toni ist mit mir in einem Sonderbaren Briefwechsel, sie hat sich bemahlt und illuminirt wie ein Theater decoration die eine Stolze Ruine am Rhein vorstellen soll, wo allerlei romantische Scenen vorgehen die sich auf Einsamkeit und Abstracktion im ganzen beziehn wenn man im 259
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rechten Lichte steht sollte man schwöhren es sey die reine Natur, sieht man aber von der Seite hinein so entdeckt man das wahre Gerümpel. meine Antworten sind übungen in Demuth und Selbstverläugnung die mir denn gar nicht schwehr vis a vis d’elle. – Alter sag mir nur was fang ich an? muß ich bald wieder nach Frkt: denn hier kann ich nicht bleiben, hab schon ein paar Köpfe in Oel gemahlt aus Verzweiflung über die lange weile, die ich ertragen muß. – könnte ich doch zu dir. es ist recht garstig daß ich nicht bey dir bin ich bitte Sinnt doch Ihr beide ein Mittel aus wie es auszuführen wär, wer weiß wie lang und wie oft man beysammen ist, und was hat man denn bessers zu thun in der Welt als sich von Zeit zu Zeit, die Zeit zu vertreiben in Gemeinschaft der treue Arnim schreibt mir immer noch, mitten aus seinen Kriegsverwirrungen, seine Briefe laufen oft 2–3 Monathe, ich antworte nicht weil es mich zu sehr rührt Tieks bildniß hab ich in Gips basrelief, sehr änlich in meinem Zimmer, ich hab ihm zwei mal geschrieben weil er mich darum gebethen, allein er hat mir nicht geantwortet. mit der Alten Goethe bin ich in Correspondence, eine einzige Frau ist sie, wie herrlich sind ihre Briefe Adieu Gunda behalt mich lieb – Adieu Alter behalt mich auch lieb – Adieu du kleiner kleiner Puller du klein Bettingen, Ach wär ich so klein wie du, und könnte mit dem Papa und Mama spielen und lachen das Ganze jahr Bettine An Savigny
*258. An Dettmar Basse in Amsterdam Kassel, vmtl. Anfang Juli 1807
Recht vielen Dank 〈…〉 für Ihren angenehmen Brief, er hat mir recht viel Freude gemacht, so viel, daß ich Ihre gütige Erlaubniß von America zu schreiben, nicht bis dahin abwarten kann (Nr. 255,2-5).
Dettmar Basse an B, 10. Juli 1807:
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Von Dettmar Basse nach Kassel Amsterdam, 10. Juli 1807, Freitag
Amsterdam d* 10t July 1807. Recht vielen Dank, meine werthgeschätzte Freundinn (darf ich so sagen?) für Ihren angenehmen Brief, er hat mir recht viel Freude gemacht, so viel, daß ich Ihre gütige Erlaubniß von America zu schreiben, nicht bis dahin abwarten kann; sondern mich gedrungen fühle solche auf der Stelle zu benutzen. Meine Kinder fand ich hier gesund u vergnügt, nachdem wir einige Tage beysamen zugebracht, machten wir eine Reÿse nach dem Helder, um uns ein Schiff zur Farth nach America auszusuchen. Wir hatten eine sehr angenehme Reÿse fast immer zu Wasser durch die schönsten Dörfer, wo überall die gröste Reinlichkeit, Ordnung, u Wohlstand herschen. Den Abend nach unserer Ankunft fuhren wir einige Meilen auf der See zu verschiedenen Schiffen von America, deren in diesem Augenblick mehr wie 30 sind. Welch ein prächtiger Anblick O Sie solten das sehen! Es läßt sich mit nichts vergleichen! – Meine Zelie war ganz gerührt über die große erhabene Sceene! Wir erinnerten uns Ihrer, u wünschten Sie in unserer Mitte. Gewiß eine Reÿse nach Holland würde Ihnen viel Vergnügen machen, da Sie Kunst u Natur so sehr lieben. Doch giebt es hier zu viel Kunst, alles ist Kunst, selbst die Bäume sind bemahlt. In America ist nur Natur ohne Kunst – aber in grösseren schöneren Massen, und die Menschen, das Edelste der Naturproducte sind beÿ uns schöner wie hier, wo mann sie unter den sonderbaren Formen kaum erkennt. Für meine Liebhabereÿ oder Gewerbe, habe ich viel Nahrung gefunden, ich sehe verschiedene Molckereÿen, u habe mich einige Tage beschäftigt selbst Holländischen Käse zu machen, so daß ich nun in meiner eigenen Käse Fabrique, mit Englischen, Schweitzer, u Holländischen Käse abwechseln kann u werde. Es ist doch eine gar schöne Sache, so die Vortheile u Eigenheiten eines jeden Landes mit sich nehmen, u selbst benutzen zu können, freÿlich muß mann dazu nicht wie eine Schnecke am Hause kleben, aus kleinen Ungemächlichkeiten sich nichts machen. Meine Schafe befinden sich munter u wohl, u lassen mir eine glückliche Überkunft ins gelobte Land hoffen. Mann hat hier sehr schönes Horn Vieh – und die Reinlichkeit der Ställe u Wohnung ist bewundernswürdig. Doch würde ich das Horn Vieh der Schweitzer dem hiesigen weit vorziehen. Es ist viel schöner u Mahlerischer wie das hiesige – die Engländer | haben durch die Mischung der beiden Raçen 261
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eine neue hervorgebracht, die sie alle übertrift. Eben diese habe ich mir in America auf meinen Gute angeschaft, u werde dabeÿ bleiben. Wenn Sie etwa zürnen wollen, daß ich Ihnen von solchen Dingen schwätze; so bedenken Sie, daß ein Bauer zu Ihnen spricht, u daß Sie mir erlaubt haben, von meinem Gewerbe mit Ihnen zu reden. Morgen reisen wir nach Harlem. Rotterdamm. Haag – In Chevelingen werde ich mir im schönen Walde an der See einen hübschen Baum suchen – Solte je der Zufall Sie dahin bringen; so werden Sie unsere Nahmen dort finden, u Sich überzeugen, daß wir an Sie mit Vergnügen gedacht haben. Wir haben bereits ein gutes Bequemes Schiff accordirt, werden aber vor den 25t Europa nicht verlassen. So sehr ich nach America eile; so sehe ich doch gern – daß meine Kinder sich hier noch einmahl satt sehen. es vermehrt den Stoff unserer künftigen Unterhaltung. Es scheint daß die Großen der Welt sich ein wenig ausruhen wollen, da werden Sie mit Ihrer guten Schwester wieder nach Ffrrth gehen. Sie leben dort in einem recht glücklichen Cirkel ich bedaure daß ich Ihre Geschwister nicht habe näher kennen lernen, die Wahrheit zu gestehen, sie haben mich zu sehr intressirt, um ihre Nähere Bekantschaft zu suchen, es macht einem hernach zu viel Kummer, solchen guten Menschen Adieu zu sagen – besser man vermeidet alles was uns die glücklichen Stunden trübt. Auch Ihre Bekantschaft gemacht zu haben, würde ich sehr bedauren, wenn Sie mir nicht Hoffnung gemacht hätten, Sie einst wieder zu sehen, u zwar in America – Und Ihnen traue ich ein solches Unternehmen zu weil Sie nicht den gewöhnlichen Gang – nicht das ewige alte Lied singen – O bleiben Sie dem Vorsatz treu, u gewiß Sie vermögen viel über Ihre gute Schwester Jordis u Ihren Bruder. Bereden Sie sie nach America zu gehen, sie werdens Ihnen ewig danken – Wie verdrießlich! so eben kommt Philipp u sagt die Post gehe ab die Briefe müssen zu. Leben Sie wohl theuerste Freundin, und schenken Sie Ihr gütiges Andenken zuweilen dem WaldBewohner von America Dettmar Basse Einige Minuten Langeweile von Ihnen verursacht würden mir sehr willkommen seÿn, 2v
Ms Bettina Brentano Cassel.
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Von Franz Brentano nach Kassel Frankfurt, 11. Juli 1807, Sonnabend
Frankfurth d* 11 July 1807
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Liebe Bettine! Ich erhielte deinen Brief ohne Datum durch den Kleinen Künstler mit einem Datum, so lange er hier war, nährten u Tränkten wir ihn, verschafften ihm Eintritt bei Städel, u liesen ihn dann weiter gen Paris wandern, er war sehr entzückt sein Bild hier geehrt zu finden, daß auch durch aus schön ist, auser daß er sich am Kindlein dahin rächte daß er ihm für seinen zu Kurzen Bauch, einen zu langen mahlte, so daß wenn sein zu weniges mit des Kindes zu vielem Summirt, ein vollkommenes ganzes heraus kommt; ich wolte ihm die Kleine Francisca mahlen lassen, da er aber für dieses Kleine Köpfgen 8 Tag zeit forderte, so fanden wir besser vor der Hand die Phantasie aufzugeben, u zu warten bis einer kommt der seine Kunst aufsoviel Stunden reducirt. – Dein neuer Stuben Boden ist fertig, u macht dein Zimmer sehr schön – Hierbei schicke ich dir einen Brief der schreiber hat wohl seine Pfoten bei der Preusischen feurigen Catastrophe nicht verbrennt, denn die Feder scheint noch sozimlich Spitz. Daß du dich sowohl unterhaltest freuet mich. Da wir keine so grose Philosophen sind, so entbehren wir dich immer, du gleichest einem jener Flug vögel die Keine Heimath haben, u wärst ein guther irrender Ritter geworden wenn du mit der Lanze des Brandimarte, u dem Horn des Roger versehen worden wärst, so aber hast du es höchstens zum irrenden Hasen Ritter gebracht. wir alle grüsen u umarmen dich herzlich Dein treuer Bruder Franz
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viel freundliches den Jordi –.
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An Ludwig Achim von Arnim in Königsberg Kassel, 13. Juli 1807, Montag
Den 13 ten Juli O Arnim! Wenn sie Wüßten wie Viel Liebe auch für Sie in mein ganzes Leben eingewebt ist, Alle Rosen die der Frühling noch übrig gelassen hat, die hier an meinem Fenster her auf blühen und verblühen ich möchte sie loßreisen und Sie mit Ihrer Wehmuth drin begraben ich mögte! – O was thät ich nicht um Euch Still zu machen im Gemüth wie ein Gebeth das man mit Vertrauen gen Himmel sendet. In Berlin war ich vor 8 Wochen – An Ihrer Wohnung vorbei getrippelt . . . . – . . . . In Weimar ward mir ein einziger Wunsch erfüllt, die 4 Stunde die ich dort zubrachte Schaute ich in Göthes Antliz, der mich wieder so freundlich Ansah, so freundlich! Kein Wesen in der Ganzen Natur war mir so angemessen, gab so, was ich begehrte, als eben das seinige. Es war nicht aus Zerstreuung daß ich nicht Schrieb, meine Gedanken waren so schwehr, das Papier schien mir nicht stark genug dazu – , und auch jezt! ich konnte noch nie Ihnen so recht mit Vertrauen Sagen – Aber bald wirds besser gehen! wenn wir uns wieder sehen, nicht wahr? wie ist das, Arnim! Sie haben das Mädgen so lieb, diese weiß es nicht, und ist auch nicht wie Sie? – Das schadet nichts | war mirs doch auch so mit Ihnen, und mit Allem was ich begehrte, in meinem Leben, die Natur war immer zu kräftig. ist es doch dem wohl Auch so der die Berge gethürmt hat und den Wasser strom in heiliges Leben stets bewegt. Der ewig spricht wenn alles schweigt, wenn er in seiner Erschaffung sich erfreut, und will den Danck dafür in einem Herzen erndten, ich glaub es würde sich auch noch sträuben. O Gott, wenn einer säh wie Erd und Himmel in einander schmolz bei Nacht. Ich lese Ihren Brief immer wieder und immer, er macht mich traurig ich werd nicht eher ruhig sein biß daß ich weiß daß Sie dies Blatt erhalten haben, und auch überzeugt sind daß mir Ihre Freundschaft immer und ewig ein Kleinod ist. – Ich wollt wir könnten uns bald sehen, ich habe mich verändert seit sie weg sind, äuserlich auch! Die Haare Trage ich seit dem Kriegssturm all nach einer Seite hin gelockt, da wo ich mir dachte daß Preußen müßte liegen, das war doch Euch zu Ehren – Mein guter, guter Arnim, – wo ich bin das wissen Sie noch nicht; in Hessen Cassel, schon ein ganz halb Jahr, in einem herrlich blühenden Garten, mahle oder besser schmiere in Oel. | Doch geh ich 264
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in einer halben Stunde nach Frankfurt wo Clemens ist der eben von einer Reiße nach Holand zurück kömmt die er mit George gemacht hat, er schmachtet nach Ihnen als nach seinem einzigen Gut in dieser Welt. Mit Goethe sprach ich viel von Ihnen er hat sie lieb er kann es sehr gut begreifen daß ich Sie auch lieb habe. ich wundre mich daß ich so ruhig war bei ihm, bei ihm allein, daß ich auf seiner Schulter lag; und beinah schlief, so still war die Welt um mich her, und er ließ sichs Gefallen und war auch still, und war so ehrend in dem wenigen was er zu mir sprach. ich trag einen Ring von ihm am Mittelfinger der rechten Hand, es ist eine kleine Figur in einen blauen Stein geschnitten die ihre Haare löst, oder bindet – so ist es mit der Freiheit des Menschlichen Herzens auch, man weiß nicht recht ob man löst oder bindet., aber so soll es bei mir sein, gebunden, fest, als ob es nie wäre getrent gewesen soll mein leben sein an allem was ich liebe, und lose recht lose daß was ich liebe Guter Guter Arnim wenn Sie nur wüßten wie um Ihrer selbst willen ich Sie lieb habe. Bettine
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt( ? ) Hietzing (bei Wien), 14. Juli 1807, Dienstag
Hizingen den 14. Jul. 1807. Betine, dein lezter Brief ist so lieb und gut, ich habe dabeÿ ganz vergessen, daß du so lange nicht an mich gedacht hast. Es freut mich herzlich, daß dein Leben um die Bekanntschaft mit Göthe reicher geworden ist, und ich kann mir recht denken, wie du diese Freude genossen und dir zu eigen gemacht haben magst. Was dich allein recht glücklich machen kann, und was dir die anderen Menschen so selten zu geben oder zu lassen wissen, die milde vertrauende kindliche Demuth, hast du gewiß ihm gegen über lebhaft empfunden. Willst du ihm denn nicht schreiben? hast du ihn nicht darum gefragt? du wirst mir viel von ihm erzählen müssen, wenn wir uns wieder sehen. Von diesem Wiedersehen sprichst du ja auch in deinem Brief, und daß du daran denkst, und mit Freuden daran denkst, ist mir sehr werth gewesen. Glaube mir, auch ich denke oft daran, auch ich freue mich darauf, aber wenn ich die Erinnerung vergangener Zeiten dazu nehme, 265
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mischt sich auch mancher Zweifel und manche Besorgniß in diese Freude. Sieh, was ein Mensch dem andern seÿn kann, ist meist sehr beschränkt, und wir sind meistens so thöricht, den engen Kreis noch enger zu ziehen, indem wir auf das schauen, was ausser ihm liegt, anstatt zu nehmen und zu genießen, was er in sich schließt. Ich hoffe, du nimmst das mit so treuem gutem Herzen, wie ich es sage. Eine Heimath suchen wir ja alle: es ist eine Umgebung von Menschen, worin alles Gute was in uns schläft erwachen, und in lebendiger Gestalt vor uns hin treten möge, uns und andere erfreuend und belebend. In dieser steten Zeugung eines neuen Lebendigen ist das einzige wahrhafte Leben des Menschen enthalten, und die Sehnsucht darnach ist es, was edle Gemüther mehr als alles andre drückt und verwirrt. Ich fühle wohl, daß wir beide uns gegenseitig vieles mittheilen könnten, was einem oder dem andern fehlt, aber ich weiß nicht, ob uns Gott jemals das rechte Geschick dazu geben wird. Eine Lectüre, die mich in dieser lezten Zeit sehr erfreut hat, ist die von Herders Schriften. Seinen herrlichen Cid hast du wohl gelesen, aber ich wünschte, ich könnte dich in seinen älteren gelehrten und kritischen Schriften (wovon nun ein großer Theil wahrhaft veraltet ist) unter den Stellen herumführen, worin eine wahre Inspiration unverkennbar ist: ich bin gewiß, sie würden dich ergreifen, wie sie mich ergriffen haben. Fällt dir etwa die Sammlung in die Hände, so must du dich ja nicht abschrecken lassen, wenn dir zuerst etwas vorkommt, das dich nicht anspricht. Ich wollte, du könntest mir etwas bestimmtere und ausführlichere Nachricht von Arnims Lage und Gesinnungen in der lezten Zeit geben. Was geschehen ist und noch geschieht, muß ihm tiefe und leider nur zu dauernde Schmerzen geben. Und nun lieber Butin lebe wohl, und schreibe mir recht bald wieder. Hörst du? recht bald. Es ist eine schlechte Freundschaft, die sich von der ersten besten Faulheit überwältigen läßt. Dein Alter. Der Gundulus küßt dich herzlich, und du must auch die Loulou und den Jordis schönstens von uns grüßen. Mademoiselle Betine Brentano
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An Bettine, im Brief an seine Mutter eingelegt von Goethe. Solcher Früchte, reif und süß, würde man gern an jedem Tag’ genießen, den man zu den schönsten zu zählen berechtigt sein dürfte. Wolfgang Goethe. 5
Liebe Mutter, geben Sie dies eingesiegelte Blättchen an Bettine und fordern sie auf, mir noch ferner zu schreiben.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, Ende Juli–6. August 1807, Donnerstag
Welch ein heisser Sommer, meine einzige liebe Freundin, es giebt nur vier Elemente, vier Welttheile, um uns damit zu viertheilen; alles reift; nur der Mensch, nur ich stehe unschlüssig zwischen den Saaten und weiß nicht, ob ich zu ihnen gehöre, die da grün sind, die da gelb werden, oder die vom Feinde abgeschnitten nur trostlose Blumen übrig lassen. Jeder Brief hat wie jede Kugel ein Schicksal das ihn treibt, ihr Brief war ein Leuchtkugel, welche die Oede meiner Gegend mir erhellte, wo ich kaum ein Ohr finde, das meine Worte anhören mag, und, was hätten Sie davon es mir weiß zu machen, (wenn Sie jezt gleich mahlen, mit welcher Freude habe ich diese neue Entwickelung erfahren) mit welcher | Freude habe ich immer wieder gelesen, daß Sie von meinem Wesen etwas halten, das mir selbst überdrüssig wird. Die Kinder sammeln an den Quellen, was sie Donnerkeile nennen, blos zum Spasse, wieviel hab ich gesammelt, was mich vernichtet, o daß ich die Kraft hätte das alles abzuschütteln, zu Ihnen zu flüchten, ich weiß es würde mir wie ehemals und ich riebe Ihnen die Farben und sie mahlten mir in den müssigen Stunden dafür, was ich gesehen. Vielleicht bin ich bald bey Ihnen und mit welcher Freude denke ich an dieses vielleicht, weil ich vieles leicht zu denken habe lernen müssen, täglich werde ich hier fremder und ich verwundre mich, daß die Häuser noch aussehen wie sonst, daß mich die Wellen noch tragen wie sonst, wie kann man sich selbst betrügen und wie so fest hinstarren | nach der Gegend, wo das 267
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Wolkenbild verschwunden. Gestern erhielt ich Ihren Brief, heute ging ich hin zu ihr mit meinem Stamm buche und bat sie sich einzuschreiben und zu vergessen, wenn ich ihr unangenehm gewesen, mir schnit das durch die Seele, sie lächelte und fragte: »Wie man so etwas reden könnte.« Ich löse diese Räthsel nicht, ich weiß nur daß ich etwas in der Welt bedarf, was ich lieben muß und so wandre ich in der Himmelsgluth in meinen Blumengarten und putze an meinen Blumen und Bäumen und giesse oft, wenn es noch zu früh ist und die Sonne hoch steht, aber es ist alles in guter Absicht und alles gedeiht und wird, nur die Menschen nicht, doch Sie wurden ja, aber Sie wurden durch Sich und sehen jedem vertrauend in die | Augen; nur eine der Locken wünschte ich mir von denen, die zu mir herwallen und ich wäre glücklich, meine Augen damit zu decken und in dieser Nacht meinen schönsten Tag zu finden. Ich kehre mit einem Einschnit in meinem Kahne wie die Lalenburger von ihrer Wasserfahrt zurück, wo sie die Glocke versenkt. Und die Glocke klang so hell und der Kahn war mein Herz. Es ist haarscharf darüber hergegangen. Freilich, sie hatten recht, es war zu viel Schicksal darauf gefrachtet, und was ich aufgeladen hatte kommt mir vor wie ein nachgemachter Ballen, um den wahren zu verbergen; ich kann es nicht beurtheilen, ich war nur ein armer Schiffer, dem das Schiff nicht einmal gehörte, der nur seine Fahrt macht und wiederkommt wie er weggegangen, nur daß er sein Leben gefristet. d* 6 August. Ich spiele den Gott, ich möchte es besser machen, als Sie verlangen; nach so vieler Güte, nachdem ich von Ihnen den ersten erfreulichen Zuruf aus froher Zeit wieder^gehört, werde ich Ihrem ersten Befehle unfolgsam, meine Antwort sogleich abzuschicken. Aber mir ist das Unbestimmte so unleidlich geworden, daß ich Ihnen für so viel Güte nicht so schlecht vergelten konnte und ich war wirklich mehrere Tage in einer so ängstlichen Schwebe, als wenn ich bald an den Sternen den Kopf stossen müsste, oder die Füsse an der Erde zerquetschen, ich schwankte, ob ich reisen sollte, wann und wohin. Reichardt wünschte mich zur Gesellschaft mit nach Giebichenstein, in Berlin warten meine Verwandten, bin ich aber einmal da, so kann ich nicht so schnell fort, denn meine Angelegenheiten fordern vielleicht meine Gegenwart, Giebichenstein hätte auf dem Wege zu Ihnen gelegen, vielleicht, da Sie einmal in die Reisebewegung gekommen, hätten Sie mit Clemens dahin eine Lustreise machen können, einen Singechor von 268
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14 Stimmen zu vermehren, das die Louise R. in ihrer schönen | Thätigkeit aus nichts gebildet hat, wenn man anders schöne Mädchen, die noch nicht singen konnten, für etwas rechnen kann; Mädchen die zum Theil in das Haus gegeben, weil die Aeltern in Geschäften abwesend. Wie würde sich Louise Ihrer Kunstfertigkeit gefreut haben, von deren Fortschrit mir Clemens so viel schreibt, sie ist ohne Eifersucht und Eitelkeit in der Kunst und Sie hätten vielleicht ein Paar schöne Wochen dazu gebracht, das ist alles nun möglich und Reichardt ladet Sie ein und Clemens. Am Sonntage sollte ich mich entscheiden, ob ich mit Re ginge, ich fühlte das Nothwendige, aber zu dem Sprunge fehlte mir noch der Ansatz, ich hatte kaum Raum mich zu bewegen, so hatte ich mich in meinen Hoffnungen eingesponnen, und so leer, so getäuscht von weiter Wanderung zu kommen, ist so schwer und könnte ich nur lügen, so wüste ich doch warum ich soviel Weg gemacht und so viel Zeit vernichtet, ich dachte immer noch, es muß sich zum Schlusse etwas ereignen, was Auskunft giebt und das war so ohne | Grund wie tausende in die Lotterie setzen um das grosse Loos zu gewinnen. Und doch kam diese Auskunft, worum ich alle Lebensgeister angefleht, ein Brief von Clemens, so schmerzlich, so liebevoll, daß mir die Augen übergingen, aber mein Entschluß war gefasst, ich wüthete mich los von allen Wurzeln und Ausläufern, die ich mir hier getrieben, ging bey meinem Garten vorbey ohne hinzusehen, sah ins Haus ohne hineinzutreten und ging zu meiner schönen Eisenquelle, nachdem ich in der auflösenden Hitze mich ganz ermüdet und beruhigt hatte. Hier in der Nüchternheit überdachte ich noch einmal alles und opferte den Verstorbenen und meinen sterbenden Hofnungen; es war so still, denn es war Sonntag, sogar die Vögel feierten und mein Entschluß war gefasst mit Reichardt fortzugehen. Als ich den Berg hinanstieg war ich noch der glückliche Held, der durch Hölle und Himmel durchgeschritten, seiner wohlerhaltenen Haut sich freut, ich sah mit Ingrim, was mir lieb gewesen, fand lauter Fehler, wo ich Vollendung glaubte und gab Reichardt mein Wort. Heute wollten wir abreisen, aber er fand in seinen Angelegenheiten ein Hinderniß, wir bleiben noch einige Tage, ich bin ungeduldig, ungeachtet eine Geburtstagsfeyer der Mutter mich gestern rührte. Ich fand daß sie mir eigentlich recht gut gewesen, während ich sie ganz gleichgültig gegen mich glaubte, ich brachte einige Verse, wie lebhaft erinnerte ich mich unsres Puppenspiels und Mahlerey zum Geburtstage von Franz. Den 3ten wurde des Königs Geburtstag mit Reden und Gesängen verherrlicht; Abends Erleuchtung, Und 269
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alles lacht von plumpem Schmerz und weint bey schalem Scherz, der 100 Sattel hat das Pferd gedrückt, wer Kronen trägt geht gern gebückt; bis sie herabfällt und zerbricht und wir besehn sie nun bey Licht, die aber todt, die schweigen still, und keiner weiß, was er mehr will. ✢ – Und da strahlt mir zum Schlusse aus Ihnen ein Wiederschein von Göthe und aus Göthe ein Wiederschein von ihnen und sie beyde spiegeln sich in 105 einander so unendlich, daß ich es nicht lassen kann, ausserdem wie ich jeden für sich liebe, noch jeden in dem andern zu lieben. O könnte ich sie beyde zusammensehen! Ich bitte um nichts, ich frage nur an Weimar ist von Halle nur eine Tagreise, da Sie in reisender Bewegung, ob Sie vielleicht nach Giebichenstein bey Halle im Saalkreise kommen 110 könnten wie nahe ist Weimar, Ihre Briefe würde ich dort an Madame Reichardt addressirt am besten erhalten, ich reise zu bald von hier um auf Briefe von Ihnen hierher hoffen zu können. 〈4v alR〉 Beym Reisen ist ja nur Zeitverlust und was ist die Zeit werth. St Lukas 115 führe ihre Reise den Entschluß will ich wohl nicht führen, denn wieviel Zufälle führen mich nach Weimar Dank für Schönes – Arnim
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A Mademoiselle Bettine Brentano à Abzugeben bey H. Franz Brentano in der Sandgasse im goldnen Kopfe Francfort s/M frey Duderstadt
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Von Carl Friedrich von Rumohr nach Frankfurt Unterwegs von Frankfurt nach München, vmtl. erste Hälfte August 1807
Das Einzige Blatt Papier, so ich besitze, wende ich gerne an, Ihnen noch ein Mahl zu 〈〈xxx〉〉. Ich wünschte täglich mit Ihnen beiden zu s〈〈ein〉〉 ...... denn ich gefalle mir besser, wenn ich 〈〈xxx〉〉 reden kann. Beide sind Sie so 〈〈xxx〉〉licht, sie stehn und leben so gesch〈〈xxx〉〉 fast an allen 270
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andern Menschen 〈〈xxx〉〉 wenn man nur vorbeigehn will. S〈〈xxx〉〉 so wie die Forellen im klaren 〈〈xxx〉〉 nach denen man so gerne greift, 〈〈xxx〉〉 gleich nie fängt. In Mellinen bin ich g〈〈anz〉〉 lebendig geworden, und doch kommen Sie mir vor als eine ältre Bekannte. Wenn ich nur ein Mahl sähe, wie sie ihren Namen schreibt, so wollte ich schon wagen an sie drei Zeilen zu schreiben. So, wie jetzt, wäre es mir gar unmöglich. Sie werden bemerken, daß ich diese Zeilen eigentlich gar nicht schreibe, und mir verzeihn. Sie wissen, wie sehr ich wünschen muß, mit Ihnen in Berührung zu bleiben, und thun darum das Werk des Christenthumes und schreiben mir nach meiner Heimath. Ich habe Ihnen Vieles zu sagen; aber in Bayern kann ich es nicht. Es ist hier sehr viel Tannenholz und das Schütteln im Wagen hat bestimmt auf mich einen bittern Einfluß. FRumohr in Krempelsdorf bei Lübeck Mademoiselle Pettine Brentano Adresse – Herrn Franz Brentano in der Sandgasse Frankfurth
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Von Christian Brentano nach Frankfurt Kassel, 1. August 1807, Sonnabend
Liebe Bettine Du wirst dich über mein, und des Clemens plötzliches Verschwinden gewiß recht gewundert haben. Die Ursache und die Beschaffenheit desselben sind dir jezt bekant, und ich brauche also über diese mir ohne dem wenig erfreuliche Geschichte nichts unstandlicheres zu erörtern. Wäre die Geschichte weniger weit avanzirt gewesen ich hätte sie vielleicht zu hindern gesucht; weil ich wenig Trost in Hintergrund sehe – Du weißt ja selbst, was ich von Clemens und seinen Empfindungen und Begebenheiten halte – Allein auf dem Punkt wie die Sache stand als sie mir eröffnet wurde, wo gar kein Ausweg aus dem grösten Unglück und Verwirrung war, konnte ich meinen Grund271
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sätzen nach den Unglücklichen meinen Beÿstand nicht versagen – Das Attachement einer Brüderlichen Blutsverwandschaft und mehr noch als diese die Verzweifelung und der unvermeidliche Untergang des Mädchens bewogen mich schnell (denn ich hatte nicht einmal zeit, noch einmal auf meine Stube zu gehen um effekten mitzunehmen; so daß ich sogar ohne Hut fort eilte) Ihnen meine Hülffe zuzusagen. Und so schnell oder man kann wohl sagen unbesonnen dieser Schritt scheinen kann; so hätte ich ihn doch mit meinem Leben verfochten, und bin noch immer bereit es zu | thuen, wo, wann und wie es verlangt wird. Denn so unglücklich mich auch eine unangenehme undankbare Last, die mir das Schicksal auflegt, machen könnte, so würde ich es doch vielmehr durch das Bewußtseÿn werden sie auf eine feige unwürdige Art abgewälzt zu haben, nachdem sie mir zur Pflicht geworden ist. Aber genug davon. Gott mache die Geschichte tröstlicher. Seÿ doch sogut und besorge daß die Effekten die ich in meiner Stube liegen gelassen, und die alle in ein kleines Dragoner Felleÿsen gepackt waren biß auf einen Rock also sehr gut in einen Sack gestopft werden können nach Cassel an den Jordis geschickt werden, der sie für mich in Empfang nehmen will. Jordis war im Anfang sehr auf gebracht darüber daß wir unsere Refuge zu ihm genommen haben. ließ aber nach her weil er kein anderes mittel sah, sich doch bereden, wie denn auch recht ist. Cassel 1 august 1807 Christ. Mein Pferd will ich durch einen Boten abholen lassen.
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An Friedrich Carl von Savigny in Hietzing (bei Wien) Frankfurt, etwa 10. August 1807, Montag
Lieber Savigny Seit 3 Wochen bin ich nun wieder hier, während dieser Zeit hat sich manches sonderbare in unserer Familie zugetragen welches sich wohl der Mühe lohnte es zu erzählen, wenn es nicht zugleich einen Eckel gegeben hätte der nicht gut zu läst, sich viel damit zu beschäftigen, Meline sagte mir auch daß sie in ihrem Brief dir davon gesprochen hatte. – ich darf nicht sagen welchen Eindruck Clemens bei dieser Geschichte auf mich gemacht hat; so viel ist gewiß besser ist es mir nicht dadurch geworden, und Frkf: ist mir verhasster als je. und ich kann mir eine Zeit denken, wo ich mich mit Gewallt aus allen Verhältnißen reiße, wenn mir Gott nicht auf andre Weise hülfe leistet. – Am Tag lach ich, und scherze mit jedermann, ja es ist mir als ob gar nichts andres im Leben zu verdienen wäre, aber wenn ich allein bin und frage mich was das ist? das mich so oft ergreift, von andern Menschen, bunt herum zu flattern, zu erschrecken vor Freude wenn ich die Nachricht erhalte es kommt jemand in die Nähe, der als Geistreich bekannt ist, wie mir da das Herz klopft – Sieh Savigny du hast so oft in mir getadelt wie die Heftigkeit mir aus den Augen heraus lermte, ich hätte beinah geglaubt damals, du hättest recht, ich verstand mich noch nicht, jezt weiß ich besser daß es nicht anders sein, tausend Dinge in mir, glaubte ich bekennen zu müssen, sie zu | sie zu erhalten, ach wenn man nicht schlechter würde wenn man nicht aufopferte was nicht wieder einzubringen ist O Jugend wie Kurz ist deine Zeit und wie viel tausend schmerzesbande halten dich gefesselt, während du der Freiheit begehrst. du willst alles mit deiner Kraft geniesen, und bist du in enge Mauern eingesperrt, der Halm der seiner Wurzel entsprießt, die Kräuter die am Ufer blühen die Sonne die sich in dem Flusse spiegelt die Wolken die am Himmel ziehen sie begehren deiner sie wollen von dir angeschaut und verherrlicht sein, allein du bist eingeschlossen die enge Straßen mit den schlechten Dachgiebeln die in deine Wohnung starren, machen dein Herz matt, die Menschen, die nur lermen und brasseln aber keinen Ton von sich geben, sie machen dich betäubt daß du dich selbst nicht mehr verstehst. O des unglücklichen Lebens das unsre Kraft von uns nimt, daß wir zusammen stürzen wie Kalkwände, ist es das? wofür wir Tausend Adern haben und Blutstropfen und Sehnen und Pulz273
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schläge. – Seit ich nun mit Göthe war und weiß was der Mensch dem Menschen seyn kann, was ich entbehre; hab ich gar keine Ruh mehr, hier ist mir alles zuwieder, jede Verändrung der Luft macht mir eine sehnsüchtige Spannung wenn die Sonne scheint, so denke ich; konntest du dich mit irgend einem Menschen der dich versteht besprechen, wie unerschöpflich wolltest du seyn, wenn es regnet wenn der Wind geht und Gewitter ist; ist mir als ob jede Verändrung mein Begehren schärfte und verdoppelte. und doch lieber Savigny was klag ich dir? Du kannst mir doch nicht helfen | obschon es deinem Herzen am nächsten liegt, obschon du mich wohl allein verstehst unter allen Menschen, mit denen ich in Verbindung stehe. Göthe hatte mich gebeten bey ihm zu seyn; ich sollte ihm vorlesen. ich sollte ein ganzes Jahr bey ihm seyn, und länger; so lang bis ich müde wäre, lieber Savigny wie schön und gut wäre daß für mich gewesen. wie hätte mir das Gewicht gegeben in meine ganze künftige Lebensart, aber Verschmerzen soll ich dieß in einem Daseyn, wo nicht nur gar keine Entschädigung sondern nur Beweise sich mir Darstellen daß ich so ohne Lust und Freude verkeimen muß. stellst du dir es auch recht vor wie ich mit ihm war? gleich im ersten Augenblick als ob ich in eine wohlbekante Welt wieder zurück käme, als ob ich nach langem Anschaun der Wolken in Dunckler Nacht endlich den Mond hervortretten sähe, nicht blendent, mild und wohlthätig erleuchtete er mir nun die ganze Gegend in stiller Harmonie die kaum sich von einander lösend mir bewieß daß Friede alles Schöne in Verein bringt. ich hatte es so erwartet, aber doch war ich überrascht er brach früher durch als ich geglaubt hatte, Ach wie lieb war er. Guter Savigny wie wohl that mirs wenn er mich Gutes Kind nante oder meine Seele! mein innig Herz! wenn er mir versicherte daß ich durch mein muthwillig Geschwäz und auch durch meine Rührung Saiten in ihm berührte die lange nicht wieder geklungen hätten. Ich aergere mich guter Alter daß grade wenn ich an dich schreibe; und nur an dich! mein Herz in Klagen ausbrechen muß und daß dir deswegen ein solger Brief selten Freude wohl eher Bekümmerniß erwecken muß. es kommt wahrscheinlich von meiner Überzeugung her daß du die Größe desjenigen einsiehst was ich entbehren muß sag selbst; wäre es nicht schön wenn ich diesen Winter eine Zeit lang bei Goethe sein könnte? was hat man denn für Ansprüche hier an mich zu machen? selbst das Glück kann mich in einer solgen Lage nicht erreichen. 274
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sollen denn Begeistrung und Sehnsucht die wechselweise ewig aus einem jungen Gemüth fliesen wie zwei Quellen, nur unfruchtbaren Boden wässern? – Lieber Alter soll denn mein ganzes Wesen ungenossen wieder vertrocknen, keinem Wohlthun, unbeachtet wieder schlafen gehen so wie es aufwachte. – Nach dem Miniatur bild welches du an Meline von deinem Kind geschickt hast hat es seelige Augen ich mag sonst nicht gern Theil an der Zukunft der Kleinen Kinder nehmen weil mir bei der steigenden Jugend immer meine sinkende einfällt, aber nie hab ich so schöne schöne Augen gesehen als die vom Bettingen ich freue mich auf ihr zwölftes auf ihr – 15tes Jahr, so weit denk ich noch zu erleben Bettine
*268. Von Auguste Bußmann nach Frankfurt Kassel, etwa Mitte August 1807 Auguste Bußmann an Claudine Piautaz, Kassel, 23. August 1807: Ich danke der Bettine für ihren schönen Brief, ich will ihn lesen wenn ich so bin wie sie es wünscht – in einer traurigen Stimmung schlägt er mich nur mehr nieder – aber so bin ich nicht oft, und ich würde bedauren ihr in einer solchen geschrieben zu haben, wenn mir nicht dafür der herrliche Brief geworden. Einige Bitten hat sie mir nicht beantwortet, ich wende mich nun an Sie, denn es liegt mir sehr viel daran es recht bald besorgt zu wissen. Bey der Küppern müssen noch Briefe von N. liegen – seien Sie so gut und schicken Sie mir sie liebe Claudine wie auch das Packet das ich am letzten Tag Bettinen gab, und die Briefe welche mir Clemens schrieb. (Enzensberger 1999, S. 37.)
*269. An Auguste Bußmann in Kassel Frankfurt, etwa 20. August 1807, Donnerstag Vgl. Nr. *268.
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An Carl Friedrich von Rumohr in Krempelsdorf (bei Lübeck) Frankfurt, etwa 20. August 1807, Donnerstag
Warum kamen Sie nicht wieder hier durch mein Freund? (Freund sage ich nur in Hoffnung daß Sie künftig meinen Nahmen besser schreiben nehmlich mit einem B und nicht P.) Also warum? läst sich Ihre Person nicht gut zwei mal kurz hinter einander bei Menschen sehen? Seit dem ich weiß daß der Glaube die schwehrste der 3 Gottlichen Tugenden, hab ich viel darin geleistet, ich glaub nehmlich alles Wollt Ihr mir also vertrauen Freund? und sei es auch noch so wunderbar! . . aber was? – erstens in welchem Welttheil liegt Krempelsdorf bei Lübeck? welcher Stern leuchtet dort? habt Ihr auch Sonn und Mond, raucht und schnupft man Taback? ißt zu Mittag und zu Nacht? hat Freunde und Musick an deren Herz man liegt? pp ach nein gewiß nicht? Meine Hoffnung wird mich nicht trügen! gewiß es ist dort anders meine Jugendliche Neugier wird befriedigt werden durch unsren zukünftigen eifrigen Briefwechsel Sie sind ja auch ein andrer wie alle andre Dieß wär nun das Locale, jezt folgt ein Vertrauen über über was mein Freund? man kann so viel vertrauen wenn man nicht aufrichtig ist und auf so mancherlei Art! zum Beispiel Wachend lachend weinend schlafend, schlafend ja wahrhaftig! es lebt sich oft so seelig besser im Traum, Ach bitte träumt mir ein Stück Leben, das Vertrauen wird dann so reizend blind. es macht die Augen zu. Blind! ein blindes Vertrauen in mich haben das thut mir wohl; und wird Ihnen auch nicht so viel Mühe kosten, sie brauchen die Augen nicht aufzureißen über jedes Wort; blinzelnd freundlich dammernd über die ganze Welt, so soll es sein. Ach ich mögte Ihnen gerne gerne auch noch ein paar Blüthen aus meinem Frühlingssturm zuwerfen könnte ich nur den Weg berechnen zu einem Herzen in – Krempelsdorf. und dann solge abgerißne Blüthen welken so schnell, tragen keine Früchte – Armes Herz! hats schon erfahren – Dem Tieck trug ich einen ganzen Hauptast zu mit Einsenkern und Keimen und doch konnte er keine Wurzel fassen Mußte verdorren So gut bin ich Ihnen, als Sie innerlich gut sind ich denke das ist der Mühe werth. … Im Hintergrund der Mond etwas blaß, entsteigt dem See, beschaut sich gleich emsig in dieser Wiege Mutter Natur legt spielend ihm die Wolkenhand vor die Augen, zieht sie leise wieder weg, schnell und 276
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lächlend blickt er wieder in den See, die Berge zu beiden Seiten ziehen mit Sehnsüchtigen Blicken, seinen Glanz auf ihr wellig Haupt, und so gehts weiter – er dringt in manche Dunkle Höhle manch Geheimniß heiliger Natur und – zieht sich zürück als bescheidner Freund. das ist mein Herz im Bilde – der Hintergrund. – nun kömmt der Vorgrund mein Geist mein Sinn oder besser mein Leicht^sinn; ein Wald von Tannen Fichten Biegen lauter Bäume die immer grün sind bedecken den ganzen Hintergrund von der Spize bis zur Wurzel hängen färbige Lämpgen, in Symbolischer Ordnung., Auser dem Bild sind die Zuschauer, nehmlich das Leben wie es mich anspricht in der Mitte auf dem besten Plaz siz Göthe auf einem gepolsterten Lehnstuhl mit einem Schehmel unter den Füsen, dem hab ichs Comod gemacht damit er nicht davon geht um anderswo mehr Bequemlichkeit zu suchen. neben im Perspecktif steht Tieck er kann durchsehen mit einem Blick kann die stille einsame Nacht hinter dem rauschenden Wald entdecken allein seiner Augen lieder sind gesenckt, und ich verzweifle endlich nach langem Harren, an der Gegenwart. Denke an die Zukunft wenn der Morgen thau in tausend goldnen Perlen auf jedem Blätgen, die künstliche Illumination beschämen wird, Arnim geht mit gehöriger Lebhaftigkeit hin und her nimt alles würdig auf, nur die Staare und Spazen die in der Luft hin und her schwirren stören ihn er hat eine Reitpeitsche um sie im Flug zu treffen, und haut manchmal dem Nachbarn ins Gesicht in der Meinung es sei eine Fleder mauß. Ruhmohr macht den Lampen die Kuhr, findet sie wunderlich lieblich – schöne Damen, süse Damen; ich höre seine Stimme, schicke ihm zu weilen ein laues Lüftgen über den Lampen Qualm herüber – nun stehen noch da blau Strumpf und rothstrumpf die beiden Schlosser, ich hab sie nicht zum Fest gebeten sind von selbst gekommen der blaustrumpf Stadt und Landrath zieht seine Beine zurück, weil er meint es schickt sich nicht – der Rothstrumpf stelt seins recht hervor weil er meint | es sei recht ansehlich brillant auch will er zugleich seinen Feinden ein Bein stellen, man hat aber kein Acht darauf und tritt ihm brav auf den Fuß nun kommen noch die Lämmer die im grünen Laub weiden sie wandlen gelassen durch den Wald kehren sich nicht an der illumination und ich denke an die Bibel weide meine Lämmer weide meine Schaafe sie kommen oft ohne die Gegend zu kennen in die stille Mondnacht meines Herzens, lagern sich hin in ruh und Frieden dieß sind die Kinder, kleine und große die Unschuldigen die Armen im Geist. 277
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Und nun hab ich Ihnen ein ganzes Bekentniß abgelegt von einer oft wiederkehrenden Seite meines Wesens. Dieß ist der Anfang zum Vertrauen. Adieu guter Ruhmohr. Bettine Brentano Pla bum bum badabum
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〈Meline:〉 Melina Brentano heiß ich, keinen, der mir schreibt beiß ich. 〈B:〉 nun dürfen sie ihr auch schreiben da sie Ihnen auf meine bitte ihren Nahmen geschrieben hat
*271. Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt München, etwa 25. August 1807, Dienstag B an Ludwig Achim von Arnim, Ende August 1807:
Savigny war bis vor wenig Wochen in Wien, von da ging er nach Sals burg, er schrieb uns mit kindischer Freude daß er und Gunda sich ins Bergmannskleider ins Bergwerk habe fahren lassen, nach her ging nach München 〈…〉 er begehrte in seinem lezten Brief an mich eine Relation über die Heurath von Clemens (Nr. 274,120-127).
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Von Carl Friedrich von Rumohr nach Frankfurt Krempelsdorf (bei Lübeck), Ende August 1807
Am Abend meiner Rückkehr Ihr Freund Rumohr grüßt freundlich die ihm milde Bettine. Aufgeschlossne Pforten des lustig erleuchteten Himmels, eines sage ich euch, ich bin nicht würdig zu euch einzutreten. Wäre ich so rein in mir, als ich sicher bin, daß du, liebe Seele, klares Wasser der Unbefangenheit bist, so scheute ich mich nicht zu dir einzutreten. Aber an eueren Schwellen will ich bleiben und eure Riegel küßen, daß sie mir so seltne Herrlichkeit aufgethan. 278
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Sein Sie mir lieber so gut, als ich etwa noch werden mag; ich habe ein andres Dasein, ein andres Verhängniß als Sie bei mir entwickelt sich alles Rückwärts aus dem Verderben heraus. Einen Blick sollen Sie thun, weil Sie wollen, auf mein armes Leben! Da bin ich nun wieder zu Haus. Da sind Stackete, Brücken, Hünerhöfe, Dächer und Zimmer fertig geworden, die ich habe bauen lassen. Bäume und Blumen sind gediehn oder ausgegangen, die ich im Frühjahr gepflanzt. Mein Haus und mein Garten sind so groß und hübsch, daß Sie mir nur desto einsamer vorkommen. Von Briefen war ein ganzes Packet vorhanden, darunter nur der Ihrige erfreulich. Ich habe ihn recht zärtlich geküßt. Ich habe Sie beide Lieben so lieb als Sie gut sind; das will viel sagen. Ich wollte mit Ihnen leben dürfen, aber beiden, und mich begnügen Sie wunderlich lieblich zu finden, mir ist bei Ihnen mehr wohl als bei andern Frauen, wären sie noch so lieb; – Taback schnupfen die Damen leider. Herrn sehe ich gar nicht und die rauchen hoffentlich, | der Verdauung wegen. Denn gegessen wird hier mehr als billig. Eine Schwester habe ich, die steht dem Hause vor, und ist verständig und kann für den Freund etwas aufopfern. Sie ist viel bei mir. sonst Bekannte; nirgend wird es mir wohl wie bei Ihnen. Wenn ich an die Meline denke, die so sehn kann, und in stiller Anschauung lebt, in selten vernommener Seeligkeit; an den klaren Quell zu Bergen und die seltsame Wahl der Köpfe in ihrem Zimmer, so wird mir wohl das ich Sie kenne und wehe daß ich nicht bei ihr bin. Hier giebt es wieder neue Langweiligkeiten, dumme Sorgen. Ich will mich verschließen und Niemand bis zum Winter sehn noch hören. Viel studiren möchte ich, von Ihnen viele lustige Briefe empfangen. Wenn Sie mich rangiren! ich könnte stolz werden, daß Sie mich dem Rothen und Blaustrumpf vorsetzen. Wollen Sie wissen wie bei mir die Menschen stehn? – so wunderlich vermischt, daß ich oft die Wölfe für die Lämmer und umgekehrt, ansehe. Ich gebe keinem ein Fest; aber Gott und die Natur laden mich in einem herrlichen Saal; dort steht vorne an ein antickes Marmorbild, ein alter Philosoph von parischem Marmor, so ruhig eben so grade in sich als herausgerichtet. Erst ist alles glatt und Stein; allmählig thut sich eine Unendlichkeit feiner belebter Züge hervor. Neben ihm steht etwas Rückwärts eine Matrone, besonnen und ruhig wie man nach großen Schicksahlen sein muß, wenn man nachbleibt. Der Mann ist Schelling. Gegen über steht, | ein bronzenes Bild voll Würde; es scheint nicht, giebt aber einen hellen Klang wenn man mit Metall 279
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daran schlägt; Man sagt es sei aus Gold und habe sich selbst überkupfert. Es ist Fr Baader darin abgebildet. Dann folgt ein Bild auf dem ist Ludwig Tieck gemahlt; der sitzt sinnend in einem Hayn von Gewächsen aus Norden und Süden. Sein Leben ist gerechte Trauer; sein Gedicht süße melodische Klage; nur die Tiefen der Musick rufen ihn zum lauten Entzücken auf, aber immer im klaren Bewußtsein des Schmerzes. So wie die Bäume rauschen, die Quelle klingt, vergißt er sich augenblicklich in ihrem Leben. immer kehrt er wieder in sich selbst zurück. An einem lustigen Rasen sitzen Sie daneben und schaun mit Lust die Welt an, und Sie die Welt; eine ungelöschte Sehnsucht blinkt ganz heimlich aus den hellen Augen; Sie will zufrieden sein selbst mit den Schwächen der individuellen Herrlichkeit; und sehnt sich doch nach dem, was ewig harmonisch ist. Sie sieht, und komponirt selbst, was Sie euch singt; und da dringt die geheime Klage erst recht hervor. Göttliche Bettine, sie setzen sich dem Göthe so comode entgegen, weil er Ihnen recht 〈〈xxx〉〉 tüchtig entgegengesezt ist. Sähe er Sie viel, würde er wohl verwirrt werden. Oder er ist wieder jung geworden, wie Tieck behauptet. – Einen sehe ich noch er kämpft mit der Noth, weil er liebt, und überschwenglich gütig ist, und ihn Gott bitter prüft. Ein trauervolles Bild. – Stände die Welt in meinen Händen, und könnte ich die Welt zurückrufen zur Frömmigkeit in Wissenschaft und Kunst; ich glaube als Kraft der Erde richtet jetzt nur der Zerstörer Großes aus. August tödtete human die Alte Welt: Karl Magnus erweckte mit Mord und Todtschlag die neue. | Ich liebe den Mann, weil er mir so klar vor Augen steht, mit dem kupfrigen Antlitz, den blonden Haaren, der Haußhohen Gestalt, und dem Magen bereit ein gebratnes Kalb zu verschlingen wie Algoin meldet. Ich habe ihn bestäubt, wie er ist in die Ecke stellen lassen – Sonst stieß ich auf einige Gemälde, die bei genauer Betrachtung sich als Kopien ergaben. – Ein Bild, es ist mir um mein Leben werth es zu sehn; ist zugehängt. Es ist ein grün seidner Vorhang davor; mir ist als hänge mein Leben an diesem Leben an diesem Bilde. – Sollte es ein Lionardo sein? – Die Vertiefung der Natur in sich selbst, von so einem bestimmten Umriß eingeengt, daß der Rothstrumpf der sagt: die Bettine ist ein göttliches Geschöpf; nicht weil sie göttlich ist, sondern weil sie viel spricht, und also auch mit ihm, mit dem nur göttliche Menschen zu thun haben dürfen – aber von der innern Wahrheit keine Ahndung hat, so wenig als bei Ihnen, die er so tölpisch verehrt, worüber ich böse bin. – Diese alle sind Bilder der weil Sie noch Fleisch und Bein haben. Dann treten die Geister der Todten lebendig 280
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in den Saal als Shakespeare u Servantes, Raphael, Antonio Allegri, Leonardo, du göttlicher Pater Buonarotti. Bald sehe ich Sie klar, und dann verdunkelt der Tod in mir ihr Angesicht. Da sitzt in einem schwankenden Schiffe gemahlt meine arme Schwester Emilie. Sie theilt mit weiblicher Tapferkeit den läppischen Krieg, dem ihr Mann und Geliebter beiwohnt, wo man seit Jahren immer in der Erwartung stirbt und nie in der That wieder auflebt. In dreien Jahren ist ihm erst eine Gelegenheit gekommen, Etwas des Mannes Würdiges zu thuen. Eine Mutter hatte ich, Sie war schön und liebevoll; aber die Zeit hatte Sie unterjocht, so daß ihr Tod ihr wohl that, und ich mich dessen freuen muß. Adieu süße, schöne Dame. Bald mehr nicht erheucheltes Vertrauen. Für Sie bin ich wahrhaft so, wie ich mich gebe; denn ich glaube, Sie verstehn u. dulden meine Liebe zu Ihnen. Ich stelle den Göthe, der Bücher geschrieben hat, auf einen Lehnstuhl; nämlich sein Bild von Buri gemahlt, im blauen Frack, und anticken Purpurmantel, mit einer Rolle in der Hand aber einer Hemdekrause am Hals. Sie sehn ihn nun als Menschen, als göttliches Kind, das Sie bewundern, lieben und belachen. Ich lese den Werther, und bin entzückt über die anticke Tragödie ohne Costum. Wie nahe dort der ewigen Liebe, aber wie befangen nachher im Meister in der Eugenia – und wo sonst noch – von Begriffen, die sein verwaistes Gemüth in seinem äußern Menschen hat aufkommen lassen, die seine spätern Schriften den Schwachen gefährlich machen. Sollte es denn nicht sein können, daß Solch eine Natur, solch eine Jugend in die Natur zurückkehre die ihn gütig aus Gott empfangen hat. Warum den Judas machen an Gott und Natur? – Er ist noch ein andrer Göthe; so kennen Sie ihn. Sie haben mehr Recht als ich, denn Sie haben Recht ihn zu lieben und in ihm lustig zu sein. Ich habe Unrecht gegen mich, daß ich’s so genau nehme, und mir die Lust an dem göttlichen Kinde raube, weil mich dessen Sünden angefeindet haben. Ich fühle wohl, es kann Erbitterung werden, was nur Schmerz sein sollte. – Ach mir wird wohl wenn ich mir denke, daß dies wohl der Anfang sein mag von einem Briefwechsel – mehr vertraulichem Geschwäz; nur schlechter, weil geschrieben, – mit Ihnen süße; liebe Freundin, Gott befohlen.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 25. August–1. September 1807, Dienstag–Dienstag
Warum giebt es noch keine Telegraphen für gute Freunde? Wie gerne hörte ich von Ihnen, meine Verehrte, ein Paar ahndende Worte über die zweyte Heirath von unserm Clemens. Mir machte sie eine freudige Ueberraschung, sein Brief hatte mich so traurig um ihn gemacht, auch sehe ich nicht nicht gerne mehr voraus, sondern mit an, und alles was er thut ist mir lieb und recht und gut, blos weil er es thut. Unangenehm war es mir diese Neuigkeit durch einen fremden Mann H. von Firnhaber zu erhalten, angenehm war es mir jemand zu sprechen, der Sie und ihn wohl gesehen; bald wird es mir auch so gut werden. Ich reise über morgen mit Reichardt von hier nach Dresden, wo ich meine Nachrichten durch die poste restante erhalte, ob meine Gegenwart in Berlin nothwendig, auch in diesem Falle bleibe ich nur kurze Zeit da, ich muß noch in diesem Jahre den edlen Rheinischen Wein keltern, es ist meine erste Weinlese, der ich beywohne, denn jene bey Genf | war durch den Aufstand unterbrochen, und jene, als wir um Trages fischten und jagten, wurde in dem schlechten Wetter nicht reif. Wenn wir nach Michelsbach wandern werden! Lustig auf! Der Kapuziner Unser kleiner Wettermann, Macht mit blossem Kopf den Diener, Nimmt den guten Morgen an; Gutes Wetter fühlt er tagen Und die leichten Schritte tragen, Uns so lustig auf das Land, Ein Schrit gegangen, dreye gesprungen, Wie es die Grillen uns vorgesungen. –––––––– Ich bin wirklich fröhlig, seit dem ich entschlossen bin, seit dem ich Gelegenheit gehabt der Mutter von Auguste, alles aus einander zu setzen, und die Wärme, die mich überkam, die Freyheit, die Zuversicht mit der ich redete, selbst der Beyfall dieser herrlichen Frau, haben mich im Entschlusse der Trennung gestärkt, ungeachtet sie mir versicherte, daß sie und ihr Mann eine Verbindung mit ihrer | Tochter gern gesehen, aber sie muste es mir eingestehen, daß diese mich wohl nie geliebt und andre vielleicht lieber, ja sicher lieber gehabt, wenn es auch nur flüch282
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tig sie übernommen, sie nannte es freilich Stolz von mir, was ich Demuth nenne, daß ich jeden künstlichen Weg verachtet, mich gefällig zu zeigen, sondern im Gegentheile recht keck in meiner Eigen^thümlichkeit aufzutreten, sie nannte es Stolz, daß ich nicht wettrennen mochte mit andern, in Diensten, Ausdauer, Klugheit, äussern Verhältnissen, wie ich es doch in tausend kleinen Verhältnissen des Lebens tun müste. Aber hier fiel mir Napoleon ein, der in allem Grossen seinem Schicksale traut, in allen kleineren Verhältnissen seiner Klugheit, und mein Leben ist nicht groß genug, um die Ehe als etwas Kleines zu behandeln, und sie soll mir ruhig vom Himmel kommen, ohne Nebenwege oder ich werde als ein Einsiedler sterben. Verlorne Liebe, nein sie ist | nicht verloren, wer kann mir nehmen meine Glücksträume, meine Schmerzen; und Strahlen und Thränen, die mein Auge ausgesendet, springen sie zurück von den spiegelnden Steinen, sind auch nicht verloren, sie sammeln sich alle in mir und ich bin noch nicht verloren; ich wage es vielleicht bald, mir deutlich zu versichern, sie war es nicht, die ich in ihr verehrte; ich wage es zu glauben, was mir ihre Hofmeisterin versicherte, daß mein Umgang nicht ohne Einfluß auf sie gewesen, daß sie ihr hübsches Talent zum Gesange zum Zeichnen mit einiger Ausdauer entwickelt, auch manches gute Buch achten und manches schlechte verachten gelernt denn ich fand sie recht im Wuste schlechter Romane. Nein verloren ist meine Liebe nicht, wenn sie auch unsichtbar, unfühlbar in wenigen Tagen wie ein Traum hinter mir liegt, und andre sich einstellen, | die mich sogar aus der Erinnerung vertreiben; ich fühle, was mich zu ihr hingezogen, diese heilige Unschuld ihrer Stirn, wird über sie wachen und wird sie nicht unglücklich werden lassen, das Bedürfniß der Rache schweigt in dem Gedanken der Trennung, ich sitze wieder bey ihr mit den ersten Gefühlen der ersten Tage unsrer Bekanntschaft, ohne Hoffnungen nur geizig über jede Stunde wachend, die ich mit ihr zubringen könnte, ich führe sie noch einmal in die Gegenden umher und denke doch kaum daran, daß ich sie nicht wieder mit ihr besuche und säe in meinem Garten, als wenn ich noch zu erndten denke. Die Mutter hat mir versprochen meinen Garten zu erhalten. Es ist nichts verloren in der Welt, was aus unserm Herzen quillt, die Verzweiflung läst sich bezweifeln und Schmerzen verschmerzen und welche Leihbibliothek gebe | endlich nicht ihren Thaler für einen Roman, wo der Held um seiner Bestimmung gewiß zu werden, einem Nebenbuhler im Zweykampf sekundirt, und einen andern in seinen Bewerbungen forthilft, einem dritten durch Lob aufzu283
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helfen sucht, und doch konnte ich wahrlich nicht anders thun und wenn ich die Zeit noch einmal leben müste, wofür mich Gott behüte und so oft ich sie auch wieder durchleben muß in meinen strudelnden Gedanken. –
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d* 1 September 80 Reichardt ist noch immer krank und meine Reise bleibt aufgeschoben. Gestern habe ich zum ersten mal Ihre Stimme wieder gehört, aber nur im Traume, es war ein so neues Lied, daß ich mir gestern den ganzen Morgen die Stirne rieb, wie es eigentlich gelautet. Doch war es so schön wunderbar und mannigfaltig, als wenn ein Blitz^strahl in ein Feuer- 85 werk geschlagen und alles auf einmal | sich erschliest, dreht, färbt donnert und spielt. Dann war es auch wieder so sanft, als wenn sich Morgens die Halme und Blumen auf^richten und man glaubt es fällt ein unfühlbarer Regen. Dann sah es wieder so tief in sich hinein, als wenn eine Blumenkrone von ihrer Schwere ganz umbogen sich nun im 90 Wasser spiegelt. Dann hatte es wieder so viele Schichten von Aether und Wolken als in den Blitzen erschienen und woher alle die Blitze dahinein kommen, das entstand von einem Gewitter, das ich über den Traum verschlafen hatte; wenn die Welt nicht einmal allegorisch wäre, was bliebe dann noch, was bliebe den Entfernten. Wenn mein Muth, 95 mein Uebermuth und Unmuth, die drey ähnlichen sich immer einander verwechselnden Drillinge, von denen ich immer den Unrechten aufnehme für den rechten, alle in meinen Armen ruhen, dann singe ich so recht mit Sehnsucht: Eilende Wolken, Segler der Lüfte, wer mit euch wandelte, mit euch schiffte, ich rief es oft aber nun singe ich es 100 mit Zumsteegs Melodie, die Sie kennen müssen, die ich hier kennen lernte. | Dabey freue ich mich, daß Maria Stuart, Helena, Kleopatra todt sind, daß ich mich nicht in sie zu verlieben brauche, daß – ich wollte einmal recht lustig seyn, und da macht mir wieder der Gram den Hals enge, daß ich nicht lachen kann. Die Moralisten sprechen im- 105 mer von zwey Wegen in der Welt, die das Gehen verwirren, ich finde gar keinen, vielmehr einen so weichen Wiesengrund, daß ich nirgend fest auftreten darf. Mein Garten ist noch immer der einzige Punkt hier, wo ich mit Zutrauen stehe, könnten Sie ihn doch sehen, wie mich die Blumen und die Brennesseln da begrüssen, die ich für die Schatten der 110 Blumen halte; so eifersüchtig ich selbst auf ihre Huldigungen seyn mag, so vertrauen die Blumen mir doch alle ihre Liebesgeschichten und ich muß das alles verschlucken und noch edelmüthig seyn; muß ro284
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then zu ihrem Besten; ordentlich wie man Blumenblätter abpflückt, um das Schicksal zu erfahren, so entblättern sie meinen Kopf, worin freilich Kraut und Rüben genug bleiben. Königsberg d* 1 Sept. Reichardt ist kränker geworden, er hat einen Anfall von Ruhr, ich fürchte länger aufgehalten zu werden; schenken Sie mir den Trost einiger Zeilen., ich werde dafür sorgen, daß sie mir nachgeschickt werden, wenn ich indessen reisen sollte, meine Adresse bleibt Abzugeben bey Herrn Commerzienrath Schwink. Meine Haut wird jezt schon hart, nicht vom Guitarrespielen, sondern von den Schlägen des Schicksalshammer ich glaube er will mich nur härten, mich nicht in die Erde schlagen, aber hilft es dem der die Schläge empfängt, daß ich ihm erzähle, daß es alles zu seinem Besten, der meint immer man habe ihn nur zum Besten. Der Himmel erhalte sie und erfrische Sie mein guter Genius, in Ihrem Schutze finde ich doch allein Ruhe, herzlichen Gruß allen den Ihren; recht neu möchte ich Sie begrüssen und doch kann ich nur immer das Alte sagen, wie ich Sie verehre. Achim Arnim. Ist Clemens in Ihrer Nähe? Was macht Savigny? A Mademoiselle Bettine Brentano Abzugeben im Hause des H. Franz Brentano in der à Sandgasse im goldenen Kopfe. Francfort s/M frey Duderstadt
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An Ludwig Achim von Arnim nach Giebichenstein Frankfurt, Ende August 1807
Ihren Brief lieber Arnim erhielt ich in einem Anfall von Krankheit der mich beinah 8 Tage im Bett hielt; so ungedultig ich dabei war, nicht gleich mit allem Vertrauen das durch Ihre freundliche Worte erweckt ward antworten zu können, so schwehr wird es mir nun, da ich bedenke was ich Ihnen alles erzehlen Muß. von Clemens dessen Schicksal, sich gedreht hat wie ein Wetterhahn, Sie haben den Brief von ihm worin er 285
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Ihnen über seine Frau schreibt vielleicht noch nicht in Händen gehabt, da er durch eine andre schon wieder seinen Verlust ersezt hatte, Gott weiß eine Liebesgeschichte von 8 Tagen, die sich mit einer Entführung nach Hessen Cassel endigte,, seit dem 20ten August ist er verheirathet mit einer Nichte von Moriz Bethmann (Sie kennen sie vielleicht) Auguste Bussmann. und ist weiter nichts merkwürdiges dabei vorgefallen Clemens wird Ihnen gewiß selbst darüber geschrieben haben oder noch schreiben, meine Reiße nach Weimar und Gibigenstein mit ihm ist also nicht wohl möglich er hat sich in Cassel eingerichtet um dort noch eine Zeit lang zu bleiben, und wenn mir das Glück nicht besonders schmeichelt, so wird noch manche Welle dem Main hinunter fliesen eh ich Sie wieder Sehe, dieß macht mich denn auch traurig wenn ich den Strohm ansehe, und ich blicke den Wellen mit besondrer Wehmuth nach, und allem was sich bewegt und weiter zieht, und denke, könnte ich auch weiter, ich wäre sicher Arnim entgegen gezogen, wie viel mal stelle ich mir innerlich dar, wie Sie wieder kommen, was ich sagen will, pp es ist mein Spielwerck mit dem ich mich ergöze so oft ich allein bin es ist mein Lieblings Kind das mir Sorge und Freude macht es ist ein Zwillings Bruder von der Begierde, wieder mit Goethe zu sein wenn ich an diesen denke, so mögte ich ewig um ihn herumstreichen ihn zart anspielen wie kühler Wind, in der Sommerhize, ihm frisches Wasser reichen, ihn wärmen und Pflegen im Winter, ein Tribut meines erfüllten Herzens, seine Büste steht auf meinem Tisch, oft leg ich die Hand an die kalte breite Stirn | so lebendig ist das Bild das ich glauben muß er winkt mir, er la〈〈cht, er〉〉 scheint traurig,, je nachdem ich es selbst bin, alles wie unter ei〈〈nem〉〉 Schleier, ein alter Glaube befällt mich dabei, das ein Bild l〈〈ebendig〉〉 sein müsse, so geht es »wenn man etwas in der Welt beda〈〈rf〉〉 was man lieben muß« und so wie Sie in der Himmelsgluth in Ihren Blumengarten wandren und an ihren Blumen putzen und giesen wenn es noch nicht Zeit ist, und die Sonne noch zu hoch am Himmel steht, so wandre ich in der Erwartung herum daß es doch bald Zeit sein wird, wo der milde freundliche Abendstern hinter dem Herzensgebürg hervorsteigt wo der Himmel kühlen Thau in die gesenkten Blumen gießt, und alles sich wieder zu frischem kraftigen Leben stärckt, – oft reißt mir doch die Gedult, und ich breche in Thränen aus, wenn ich so grade dieß Bild anschaue, und ich weiß daß er immer mit weiter geht und keinen Schritt zurück thut und doch endlich den lezten thun muß, und wenn ich ihn bis dahin nicht wieder gesehn hätte! – warum wir dieß nicht bedenken wir würden die Zeit die wir 286
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mit Freunden sind besser anwenden, ihnen echte Liebe und Wahrheit geben, und wir müsten nicht erst durch Trauer und Verdruß ins Gleis gebracht werden. – wenn ich an Sie denke so thut mirs leid daß ich nicht gleich kann meine Reitstiefel anziehen, mein Pferd besteigen und in vollem Gallopp dem lang ersehnten Freund entgegen, ihm dann alles erzehlen, und jezt beieinander bleiben, alle Gefahren und Abendtheuer getheilt, in der That ich wollt ich wär ihr Bruder oder Freund, wir könnten denn innig verbunden, recht unabhängig von einander leben. – Zuweilen sehe ich meine Kleider an in denen ich nach Berlin gereißt bin, es sind Bubenkleider, ein gelbes Westlein, graue Beinkleider, und | brauner Ueberrock, die Loulou war auch so gekleidet, auser daß sie eine grüne und ich eine schwarze Kappe hatte, in einem grossen Fichtenwald vor Brandenburg kletterte ich auf einen Baum und sah mich in der Gegend um, ach wie ergözte mich jede kleine Freiheit ja ich habe mich mit innigem Wohlbehagen mit dem Postknecht in den Stall begeben, und die Pferde helfen bereiten ich langte den Sattel und die Steigbügel von der Wand, und lief mit der Peitsche voran in einem andern Ort ging ich Arm in Arm mit einem alten Preußischen Soldaten durch etliche Straßen, er führte mich an die Schmiede wo ich ein neues Eisen bestellte, ich dachte mir, diese Promenade mache ich dem Arnim zu Ehren, er war recht gutmüthig und wunderte sich daß ein kleiner Junge von 10 Jahren wie ich schon so weit reiße, und diese kleine Freiheiten machten mich so froh und kindisch wie ich nicht leicht sonst war. Guter Don Quixote dir und mir gehts übel, ich glaubs daß dir in deinem grünem Wams und Rother Cappe nicht wohl ward, und daß es dir lieber war mit einer rostigen Barbierschüssel und beschmuzter Hünerstange Verändrung und Abendtheuer zu suchen, als Hundert Eiersüppgen zu essen. Oft ist es mir unerträglich in unserer matten engen Stadt eingeschlossen zu sein; in kühlen Felsspalten mögte ich herum klettern, den Quellen nach wo sie hin und her kommen mit dem Mond durch die Wolken ziehen, das ging nun nicht, aber doch drunter her; sehen wie er aus dem See steigt den Bergen hinauf. – ich wollte ja gerne aufgeben das Recht mit Menschen zu sein, die das Fenster zumachen wenn der Abendwind kömmt, die nicht über die Wiesen gehen wenn der Nachtthau darauf glänzt, warum denn nur mit der Welt Menschen sein, warum nicht auch mit ihren Bergen, und Blumen und Wäldern, mit ihren Schatten und Lichtern innig und vertraut leben. – | zusehen wie die 287
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Sonne niedersteigt, die Nacht den dünen Mantel, in Falten zusammen 85 zieht, und wieder leicht und durchsichtig fliegen läst, wie die Morgen luft ihn zurückweht die Lerchen in den aufgedeckten Himmel steigen, die Wasserfälle den nächtlichen Nebel vom Berg hinunter drücken und in den grünen See wälzen, das hohe Himmelsroth mit weisem schaumigem Arm umfangen, das zart und küssend hinaufsteigt von tausend 90 Perlen geschmückt und umstrahlt. – wie Wohl thut die Herrlichkeit, die Pracht, die Größe, dem Herzen – mitten im Meer auf einer duftenden Insel stehen, von freien Winden erfrischt, von allen Frühlings zweigen umstrickt; wie ein junger Meeres Gott alles mit herrschendem Aug über blicken, oder mit der Sonne das höchste Gebirg ersteigen, mit 95 ihr auf allen Gipfeln flamend durchdringend alles berühren, wie ein Sturmvogel sich nieder stürzen gegen den Strohm und den Wind seeglen, die aufgewehten Schwingen in den wellen nezen die große Brust ausdehnen, seelig überfüllt in allen Tiefen und Höhen der Kräftigen Natur wühlen, und dann wenn Herz und Geist erfüllt ist wie eine 100 schwehre Wolken, eine einzige Brust, in die wir unsre Entzükung ausgießen ein Auge das mich dankbar erfreuend anblickt, das auch mir wiederum wenn ich arm bin reichlich giebt meine kalten Schmerzen erwärmt und heilt. – O du gekrümtes dürres Menschen Leben!! still! still! 105 Luise Reichard grüßen sie Herzlich von mir, und selbst vertraut, wenn sie es gerne annehmen will; Ach daß ich nicht mit Euch allen sein kann ich glaub ich könnte ihr recht gut werden, jezt besonders wo ich so alleine steh, wenn Clemens sich wohl befindet, bin ich ihm vielleicht wohl werth aber doch leicht entbehrlich. – | er schreibt Ih- 110 nen von meinen Fortschritten in der Musick? er irrt sich ich Tändle noch immer, besonders im Gesang, die kalte rauhe Hessen luft plagte mich stets mit Brustschmerzen und Halsweh, und selbst jezt bin ich noch nicht ganz davon geheilt. – Guter Arnim Sie werden bald Goethe sehen – ich bitte denken sie meiner wenn Sie vor ihm stehen so wie 115 ich Ihrer gedacht habe, fragen sie nach mir, nur ganz leicht, und wenn er dann freundlich wird, das schreiben Sie mir. seine Mutter sehe ich alle Tage, und erquicke sie in diesen heisen Tagen mit Trauben und Melonen Savigny war bis vor wenig Wochen in Wien, von da ging er nach Sals 120 burg, er schrieb uns mit Kindischer Freude daß er und Gunda sich ins Bergmannskleider ins Bergwerk habe fahren lassen, nach her ging nach München, vielleicht sehen wir ihn den Herbst wieder und da 288
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wird es eine Wandrung aufs Trages geben wenn Sie da auch hier wären so konnten wir alte Zeiten mit schönerem Glanz erneuern. er begehrte in seinem lezten Brief an mich eine Relation über die Heurath von Clemens, ich habe ihm aber nichts geschrieben, ich glaube wohl daß auch sie gerne über seine Frau so wohl als über die Entstehung des ganzen manches wüßten, jedoch kann ich meinen Wiederwillen dieser so oft wiedergekauten Geschichte nicht überwinden, so viel kann ich ihnen sagen daß sie nur sechzehn Jahr alt ist, mir kein angenehmes Antliz hat, denn es hat keine Straffe reine Züge sondern vielmehr etwas angeschwollen – sie war versprochen mit einem Mann der wunderschön sein soll, auch dieses Bündniß war gegen den Willen ihrer Aeltern, und auf eine eclatante Weise geschehen | in dem sie der Konigen von Holand hier auf einem Masquen ball (in deren Diensten er steht) einen Fußfall that, Sie können sich also vorstellen daß sie viel Energie hat. sie war noch in vertrautem Briefwechsel und nente ihren Geliebten Mon cher epoux als sie sich in Clemens verliebte, den Tag da Bonaparte hier durch verschiedne Triumpfbögen zog, ging sie mit Claudine, Clemens, und mir, in den Palast, um ihn bei seiner Abreiße in Augenschein zu nehmen, wir standen in einer Nische an der Stiege hier wurde in erwartung Bonapartes die erste Liebes erklärung gemacht, Clemens versicherte mich nach her daß er alle mögliche Mühe gehabt sie zurückzuhalten ihm einen Fußfall zu thun. – ich war nur mit gegangen dem Clemens zu lieb, der ohne mich nicht gehen wollte. als aber der Kaiser kam die Treppe herunter, die Faklen leuchteten ihm ins Gesicht, ich hatte mich übergebogen aus der Nische, und hing wie ein brauner Eichen Ast dicht über seinem Kopf, er blieb stehen blickte in die Höhe und sah mich starr an, es stürzten mir die Thränen aus den Augen ich zitterte, und konnte mich nicht erhalten, er fuhr durch die beleuchtete Straßen die Trommlen wurden geschlagen, und als er aus den Thoren war, wurden die Canonen gelöst, bei jedem Schuß fuhr es mir durch die Seele ich hatte die Hande ringen mögen auf offner Strasse. als ich zu Hauß war allein, und der Schlaf mir endlich die Pein stumm und kalt, gelöst hatte, so fürchtete ich mich vor der Erinnerung. ich frage Sie was ist das, so einen plözlich ergreift ohne Ursache ohne Vorbereitung, und so wieder verschwindet. Guter Arnim ich hab Ihnen gar kein Wort von Ihrer Liebe gesprochen, als wenn ich keinen Theil daran nähme, und wohl so viel unnüze Worte, sie verzeihen. Bettine.
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Von Wilhelm von Türckheim nach Frankfurt Winnweiler, 7. September 1807, Montag
Winnweiler le 7 7bre 1807. Depuis hier au Soir, ma chere et digne Amie, je suis de retour dans mon Exil que j’ai retrouvé plus triste et plus insupportable, que je ne l’ai quitté; je possède trop peu l’Art de bien peindre par la plume ce qui m’a fait trouver ce changement mais vous ne L’ignorez pas. Depuis Francfort jusqu’ici j’ai bien Senti tout ce que peut produire une Passion malheureuse sur le Cœur humain; mais aussi quelle Douce Consolation n’éprouve–t-on pas de se rappeller? qu’on possède une Amie, qui prend part aux malheurs, qu’on a, et qui par son Amitié et par ses Sages Conseils en adoucit les rigueurs, et que, si je serois assez heureux d’être toujours dans sa société, elle me feroit par la grandeur, par la Noblesse des son âme et par ses sublimes sentimens oublier. tous les infortunes, que j’ai deja éprouvés en ce bas monde. O quel Bonheur! d’avoir trouvé dans ma triste situation une Pareille Amie, je ne concois encore, Comment je vous ai pû dès le premier abord inspirer de l’interêt et obtenir votre Amitié, tandis que peutêtre Cent autres plus dignes que moi auroient tout sacrifiés pour une pareille faveur, mais mon malheureux Amour a touché votre Cœur, et il a senti que la rigueur dela Décision de Meline me porteroit à des Excès, si je ne pourrois puiser des Sécours et de la force dans les Douceurs de l’Amitié pour me faire supporter ma Vie malheureuse. Je vous jure sur mon honneur, si j’etois parti de Ffort sans votre Amitié, je ne sais ce que je serois devenu, mais c’est la Prevoyance de Dieu qui veille aux Destinées de tous les mortels, qui m’a fait faire ce Voyage pour faire votre Connaissance dans un moment que je Commencais à être mécontent de moi même, ce qui est le Comble du Malheur et du desespoir. L’idée même de me conserver pour mes Parens, que j’aime et que j’adore ne pouvoit presque plus m’attacher à la vie. Il n’y a que Vous, mon adorable Amie, qui ait pu me sauver sur les bords de L’abyme, dans lequel j’allois me precipiter: Voyez ce que vous avez fait, | et Comment aquitterai je jamais le Prix de tant de Bontés.? Que me resteroit–il à desirer si je pourrois seulement passer tous les Jours une heure dans la Société d’une Amie que je revère. Non, je n’ose y penser, mon bonheur seroit trop grand. Comme mes Principes et ma Franchisê me defendent de ne rien avoir de Caché pour une Amie de Cœur, vous me permettrez de vous entretenir de tout ce qui me Concerne: Vous Savez déjà que Lors des mon Séjour à Paris je fis Connoître à Meline plus d’une fois mes sentimens et mon 290
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Amour pur Elle, je reçus toujours des réponses évasives et je crûs, que la raison en étoit de ce, qu’alors j’étois sans Etat et de ce que décemment on ne peut demander la Main d’une Demoiselle sans être fixé et sans avoir un etablissement, qui assure une Existence honnête. C’est aussi la Raison qui m’empecha de m’ouvrir à Monsieur de Savigny, Craignant qui il ne me donne cette reponse. A cette Epóque la Guerre récommença et les Circonstances m’engagérent de rentrer dans le Militaire, mais mon bût étoit toujours dirigé à obtenir une Place Civile et en effet à la Paix avec l’Autriche, ma Place d’officier avec la Protection de mon General me servit à obtenir la Place Civile que j’occupe aujourd’huy, j’etois heureux, parce que je me disois, tu oseras maintenant plutot demander la main de celle que tu aimes. – J’appris, qu’elle aimoit Charles; c’est par Délicatesse et par discrétion que je ne sois allé la voir, tandis que je n’etois qu’a quinze heures de Francfort. Mais quand j’ai su que cet attachement étoit totalement rompu par le Mariage, j’ai recommencé à esperer et me suis resolu à faire ce Voyage, et dans l’espoir que Me Meline seroit moins cruelle avec celui qui ne pouvoit etre heureux que Par Elle. Depuis plusieurs mois mes Amis et mes Protecteurs m’avoient fait des nouvelles Propositions pour rentrer dans la Carrière Militaire avec avantage, mais jusqu’ à ce moment | j’ai toujours refusé dans L’Espoir que peutêtre maintenant son Cœur ne seroit pas sourd à mes vœux les plus chères; mais helas! je me suis trompé, et jamais elle me montra plus de froideur; et jamais alle ne se prononça comme cette fois. Sa Résolution fut bien Cruelle pour moi, mais elle me fut nécessaire; aumoins ne me ferois je plus illusion d’un bonheur, dont j’étois indigne. Aujourd’huy que je suis tiré de L’incertitude, il faut que je prenne un Décision, qui doit fixer mon sort futur. Dois je rester dans mes forêts? ou je suis seul et toujours abandonné à moi même, ou je vis parmi des sauvages. Existe t-il chez L’homme une plus grande Privation que Celle de ne pouvoir se Communiquer, et vivre loin de ses Amis; Dois je rentrer dans L’Etat Militaire? où je trouverais facilement l’occasion de terminer ma Vie, qui ne peut que de me devenir de jour en jour plus à charge. Dois je aller errer de Pays en Pays, mais ou pourrais je trouver du repos en ce monde, à moins que vous ne me permettiez de venir un Jour habiter le Lieu, que vous choisirez pour vous fixer, mais encore ceci tient à tant de Difficultés, que j’en desespère; car je ne doute pas que vous ne vous attachiez un jour à quelqu’un, qui soit digne de votre Cœur, et alors cet ami malheureux, qui voudroit toujours se trouver dans votre Société, porteroit ombrage. Il deviendroit peutêtre la première Cause d’un sujet des Cha291
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grin on de Soupçon. ah! pourquoi ne suis achez heureux de pouvoir acheter par mon sang le bonheur d’une Amie, avec quel Plaisir ne verrai je pas alors couler la dernière Goutte de mon Sang. Voilà ma situation, quel Parti me Conseillez vous de prendre? Pour une aussi belle Ame que la vôtre ce doit être une bien grande Jouissance que d’être le Seul soutien d’un Malheureux, qui sans votre Amitié seroit perdu et ne connoitrait jamais plus le bonheur. Ne l’abandonnez pas, ce n’est pas un ingrat, il sent trop bien tout ce que Vous faites pour lui, mais il ne trouve pas assez d’Expressions pour vous dire tout ce que son Cœur sent pour vous. Comme notre Correspondance pourroit exciter la Curiosité de quelques Personnes, Vous pourriez de tems en tems adresser vos Lettres à Monsieur Trommler à Winweiler, Par Mayence. Je vouz prie de dire à L’aimable Meline, que je lui ecrirai bientôt, et quand mon Cœur se guerira du Coup de Poignard qu’il a reçu de ses mains, il faut que mon Ame se Calme. Comme les autres Personnes à cette maison unique n’ont pas besoin de connaître notre Correspondance, je ne vous charge d’aucun Compliment pour Elles. Adieu, ma très chère et digne Amie, ècrivez moi bientôt, car le jour, ou je recevrois une Lettre de vous, sera pour moi un Jour de Bonheur; j’envie le sort de la mienne, car elle va être près et moi Loin de vous. Adieu je vous remercie et vous adorerai toute ma Vie Guillaume
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, vmtl. 8. September 1807, Dienstag
Es wird in der Jahrszeit wo die Sonne heiß scheint der blaue Himmel oft dunkel, man ahndet Sturm und Regen und doch geht endlich die Sonne wieder ruhig und golden unter so war mir’s, da ich Ihnen geschrieben hatte, ich ward oft roth über den Gedanken, daß Sie es wohl unrecht fänden; und, endlich ward mein Mißtrauen, nur durch wenig Worte, aber so lieb gelößt. Wenn Sie wüßten wie schnelle und große Fortschritte mein Zutrauen in demselben Augenblick machte, da ich erfuhr daß Sie es gern wollen. O dürfte ich jezt bei ihm sein dachte ich, so glühend und hell sollte meine Sonne jezt vor ihm auf und unter gehen wie sein Aug sich freundlich auf mir bewegte ja wohl herrlich, ein 292
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Purpurhimmel mein Gemüth, ein warmer freudiger Liebesthau meine Rede, die Seele müßte wie eine Braut aus ihrer Kammer tretten, ohne Schleier und sich bekennen. O Herr in Zukunft will ich Dich oft sehen und lang am Tage, und oft soll ihn ein solcher Abend schließen. Was haben wir anders, als daß wir das was von der ganzen Welt nicht erkannt oder nicht gewußt, still und gewissenhaft mit dem theilen, der gern Theil an uns selber nimt, das Gemüth hat ohne Vertrauen, ein hartes Loos, es wächst langsam, wie heiße Pflanzen zwischen Felsen, zwischen Freud und Schmerz auf, so bin ich! – Meine Sehnsucht mein Gefühl waren Melodien die sich ein Lied suchten dem sie sich anschmiegen. darf ich mich anschmiegen? dann sollen diese Melodien so hoch steigen, daß sie Ihre Lieder begleiten können. Ihre Mutter, schrieb, wie von mir, daß ich keinen Anspruch an Antworten mache, daß ich keine Zeit rauben wollte, die | ewiges hervorbringen kann, sie hat Unrecht gehabt, denn ich mögte gern alle Zeit alle verflossne und alle Zukünftige Ihnen rauben wenn mirs möglich wär, ohne böses Gewissen zu haben, bedenken Sie indess daß nur wenig Worte, von Ihnen, mir mehr Freude machen werden als man in langer Zeit zu haben pflegt. Bettine
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Die Mutter ist sehr heiter und Gesund sie ißt viele Trauben und Pfirsing, sie trinkt, noch einmal so viel Wein wie vorm Jahr, geht bei Wind und Wetter ins Theater, protegiert die Anfänger und wenn sie recht lustig ist, so singt sie mir »Zärtliche getreue Seele, deren Schwuhr kein Schicksal bricht« oder »Amor legt die Flügel an, weil er nicht länger warten kann« sie hat ihren Enkelsohn Wilhelm sehr lieb, und sagt von ihm er habe auserordentlich schöne Augen, aber keinen so hübschen Mund wie ihr Sohn, – »denn mein Sohn hat einen wunder^schönen Mund« sagt sie, von der Tochter erzählt sie mir viel Treue die an Ihnen ausgeübt, wenn diese meinen Gruß annehmen will, so biet ich ihn herzlich an. An Hr. Geheimenrath von Goethe Weimar
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Von Johann Georg Daniel Arnold nach Frankfurt Heidelberg, 12. September 1807, Sonnabend
Heidelberg Donnerstag 12.7br 1807. Da es mir leichter vorkommt Ihnen, verehrungswertheste Bettine, einen Stock zu schicken, als Ihnen den ersten Brief zu schreiben, so erhalten Sie zuvörderst von mir eine prächtige Epheuranke als Ergänzung zu den zwei Stäben welche das Glück gehabt haben von dem Braunfels aus in Ihren Besitz zu gerathen. Dieser ehrwürdig bärtige u belaubte Stab wird in den Händen einer Zauberinn wie sie eine wahre Wunder u. Zaubergerte vorstellen. In den meinigen wäre es fast der Flügelstab mit welchem Merkur die abgeschiedenen Seelen in die Unterwelt treibt, geworden. Nemlich als ich auf der Heidelberger Burg an einem Thurme wo alte Kaiserbilder in Nischen die ganz mit Epheu überzogen sind, stehn, diese schöne Ranke gerade gegen einen dieser alten Wittelsbacher Helden emporstrebend erblickt hatte u. auch hinauf kletternd mich an derselben festhielt u. nachher durch Zerren u. reißen sie von dem mütterlichen Gemäuer losbrechen wollte (was mit der blosen einen Hand nichts leichtes war), so krackte mit entsetzlichem Gekrach plötzlich der obere krumme ansatz u. ließ den armen Schopen der seine Ranke nicht fahren laßen wollte u. deßen Fuß von der schmalen Steinspalte abgewichen war, wie ein Bierschild frei in der Luft schweben; eine Lage die dem Schopen so unnatürlich vorkam daß er Gott u. seine Heiligen worunter die heilige Bettina zuerst, anrufend, nebst seinem Ast in die Tiefe hinabsprang, wobei ihm seine Kanarienvogels Natur so sehr zu statten kam daß er unversehrt in dem Graben unten in Hollunder gebüschen anlangte und über die Freude die schöne Ranke zu haben ganz vergaß daß er wunde Hände und einen langen Schlitz in der Buchse oder Beinkleid mitgebracht hatte. Dieser Stab ist also nicht blos seines Alters u. seines kaiserlichen Ursprungs wegen, sondern auch in Hinsicht auf die Art wie Ihr unterthänigster Knecht seiner habhaft wurde eine nicht geringe Merkwürdigkeit | Auch denke ich daß er Ihres Wohlgefallens nicht ganz unwürdig seyn darf. So viel ist gewiß daß nicht der mindeste Firniß darauf zu bemerken ist und daß alles an ihm die Zwinge u. den Knopf ausgenommen von unsrer aller Mutter, der Natur, oben im Heidelberger Schloße erschaffen worden. Dem Schopen ist’s aber jezt nit genug den Stock nach Frankfurt zu schicken er will halt auch noch daß es der blaugekleideten mit der orientalischen Haarlocke 294
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nicht entgehn möge wie aus dem Stabe oben u. unten, und in der Mitte u. aus jedem Blättchen u. aus jedem Astchen u. aus jeder Spitze der bärtigen Flechten die ihn bedecken, der Beweiß hervorgucken thut daß er der Bettine mit gewaltigem Leben gedenkt und daß es für ihn ein stattlicher Genuß (Weg〈xxx〉) ist die ersten besten Proben davon abzulegen. Was wäre aber jetzt nicht zu sagen, u. wie manche noch viel längere Periode würde erfodert wenn unser einer sich expliziren sollte über die Eindrücke welche man von jenen acht in dem Hause zugebrachten Tagen als süße vielleicht aber auch herbe Ausbeute gewonnen hat. Wißen Sie liebes Blaues Mädchen daß in den beiden ersten Tagen Ihre überwiegende u. überall hervorströmende Geisteskraft mich in Erstaunen gesetzt und in schüchterner Entfernung von Ihnen gehalten hat, daß aber bei den ersten, den Schopen in seinem Innern berührenden u. rührenden Aüßerungen Ihres Hertzens, von dem mir’s scheint daß nur wenige Erdenkinder ein solches haben, alle Entfernung verschwunden u. ein wohlthuendes Neben hin zur Seite stellen und noch wohlthuenderes Beobachten darauf gefolgt ist. Hab ich doch so, eine mich nicht wenig tröstende Bemerkung an mir | selbst gemacht die darinn besteht daß ich noch alte Reminiszenzen oder Rückerinnerungen von dem habe was ein Herz in seiner vollen Bedeutung ist. So habe ich erfahren u. gefühlt daß wenn ich mir auch mit Recht als ein ausgebrannter Vulkan wo oben schon Schneeluft als Vorbote des Eises u. Schnees waltet, vorkomme dennoch in den verhärteten Tiefen, fremde Feuerfunken hinab steigen und wenn schon nicht mehr, aus Mangel an brennbaren Stoffen, anzünden, dennoch erwärmen und erleuchten können. Kömmt Ihnen dieß Bild etwas seltsam u. vielleicht aus den altklugen Regionen gegriffen vor, so müßen Sie aber doch glauben daß es paßend ist, denn der Beweiß dazu, deßen Anfang mit meiner Geschichte selbst beginnen würde kann u. soll nicht geführt werden. Das Resultat also ist daß der Schopen sein Zusammentreffen u. seine Annäherung mit Ihnen unter die glücklichen Begebenheiten seines Lebens zu zählen Ursache hat. Und nennt der Schopen eine Begebenheit glücklich so muß sie es in besonderm Grade auch seyn da in seinem Wörterbuch dieser Ausdruck so klein gedruckt steht u. so schwer zu finden ist daß er sich unter allen Ausdrücken deren sich der Mensch in seiner Sprache bedient dieses Wörtleins vielleicht am wenigsten hat noch bedienen können. Wollen Sie aber nun über dieses neue Bild mit mir hadern, so werde ich mich mit donnernder Redseeligkeit vertheidigen u. meine 295
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Defension mit dem beliebten Schnaltzen zwischen den Zähnen (was ich noch nicht recht nachmachen kann) u. mit dem heraustreken der Zunge (was mir im Gegentheil meisterhaft gelingen thut) schließen müßen. Drei Seiten wären also vollgeschrieben ohne daß viel gesagt worden 80 wäre. Bedenken Sie aber nur meine liebenswürdige Wahrsagerinn daß man im Wirthshause nicht viel sagen kann, u. daß wenn schon Kopf u. Halsweh etwas nachgelaßen haben dennoch ein gewaltiger Nebel von übler Laune schwer über mein Gehirn sich hindehnt. Darum geh ich auch morgen weiter denn hier sterbe ich vor Langer weile. Sonst anima 85 mia steht Ihnen zu wißen daß der Bastoncino ederaceo oder Epheustock Ihnen durch den Postwagen im Täxischen Hofe wo alle Postwagen sind, zu gesandt wird. Vi mendo questo a ciòche possiate fare cercarlo, se forse Si dimenticarebbero i officiali della posta, del portarvelo nella Strada della Sabbia. Auch schien mirs vernünftiger diesen Brief durch 90 die Post zu schicken damit wenn der Stock sollte verloren gehn doch das eine Lebenszeichen salvirt werden möge. Ich muß schließen; Ich höre den Brückenbauer (diesen Namen haben Sie erfunden) kommen. Ich frage Sie ob der nicht auch zu einer andern Zeit sich hätte her bemühen können? So ists aber. Das à propos will sich 95 bei mir nie einfinden und dieß kann einen schon etwas in Harnisch bringen. Meine herzlichsten u. ausgedehntesten Empfehle an die Leute im Haus. Die Kinder küßen Sie in meinem Namen. Gestern schrieb ich an Melinen u. ich hoffe daß meine zarte u. vortreffliche Freundinn das Schreiben wird erhalten haben. Hier habe ich nun an Sie geschrieben 100 u. hoffe auch etwas nemlich daß Sie gerne u. mit Freundschaft gedenken Ihres ergebensten oder Schopens – –
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Von Johann Georg Daniel Arnold nach Frankfurt Heidelberg, 12. September 1807, Sonnabend
Explikation den einliegenden Stock betreffend
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1. Dieser Stock ist seiner Natur nach von Epheu u. es ist daher das Holz daran sehr spröde springt wie Glas deßhalb man sich weder mit zu vieler Gewalt auf ihn stützen noch ihn zu stark biegen darf. 2. Das zweite Stück so dabei liegt, gehörte zu derselben Ranke die man aber wegen ihrer zu großen länge entzwei schneiden mußte. Der schnurgerade Wuchs dieser Ranke ist eine ungeheuer seltsame Natur erscheinung. 3. Die Zweige u. Wurzel aus wüchse sind ganz natürlich. Die Kunst hat nichts für die wesentliche Gestalt dieses Stabes | gethan. Übrigens war er so fest an das Gemäuer angewachsen daß die Gewalt die Schopens rechte Hand anwenden mußte um ihn zu trennen den ganzen Thurm wanken machte u. Schopen in Gefahr war unter den Ruinen deßelben begraben zu werden, was sehr merkwürdig ist. 4. Die Zeit gestattete nicht der Namens schiffre der künftigen schönen Besizerinn auf den Knopf graviren zu laßen. Dieß ware in deß unnöthig gewesen indem die aus tausend* Zweige, wenn man den Stock umdreht, ein unverkennbares in die länge geschobenes B ungefähr so bilden thun; was auch außerordentl. merkwürdig ist. 5. Was aber dem Wunderbaren am nächsten ist besteht darinn daß – auf der Rückseite aller am Stabe befindlichen Blätter entweder die verschlungne Chiffre B B oder sonstige Motto’s sich sehn laßen. Keines selbst das kleinste Blatt nicht ausgenommen entbehrt eines so köstlichen Zierrathes.
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Mademoiselle – Bettine Brentano – Zuvor zu lesen ehe auf gemacht wird
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An Ludwig Achim von Arnim in Königsberg Frankfurt, Mitte September 1807
Nein wahrlich die Zeit war nicht verlohren in Ihrer Liebe; Werden Sie es lächerlich oder Uebermüthig finden? wenn ich sage daß auch um meinetwillen, diese Liebe seyn mußte, ehmals wußte ich nicht recht was es in mir war, daß ich Ihrem Schicksal nachziehen mußte – und doch nie zur Erkentniß kam, jezt ist mir die lezte Zeit – die lezte Briefe, ein wahrer Hintergrund, von dem mir Ihr Gemüth wie das meinige gleich hell zurück strahlt, ich war oft entzweit mit mir, daß ich nichts anders ins Aug fassen konnte, während Sie vor mir wie im Nebel standen, den ich doch bei aller Sehnsucht, um der Welt willen, nie durchdrungen hätte, zu kalt wars mir wenn ich nur die Hand darnach ausstreckte. – Also mein Freund, ist dein grünes Kleid erblaßt, die Flammen sind zusamengesuncken, und düstere Asche fliegt im Nordwind hin und her; wie leer, wie kalt die Welt mir wird, als hätte ich selbst eine Liebe verlohren, es ist mir als hätten Sie etwas von Ihrer Jugend dabei eingebüßt von Ihrer feinen Fröhlichkeit die, wie der Morgenduft auf den Früchten, auf Ihrem ganzen Wesen ruhte, ein so zarter Beweiß, daß man in Gottes freier Natur lebt, daß er uns würdigt mit seinem Seegen, ins Leben einzugehen, Ach wenn Wir uns wiedersehen wird alles anders seyn Aber wie? – Göthe hat mich durch seine Mutter bitten lassen ihm zu schreiben er will mir Antworten, diesen hab ich so lieb! so ganz ohne Wache, ohne Ringmauer, ohne Schloß und Riegel; viel mehr sind die Thüren ausgehoben wie in Italien; seht, so muß es seyn, bei solg einer kräftigen Natur, ich kann mir mein Wesen gar nicht mehr denken, ohne diese Seule um die meine Lebenskette sich schlingt. es wär ja dem schönen Land, dem herrlichen belebenden Strohm abgeschnitten, wenn ich ohne dieße himelichsche Freude im Irdischen Leben sein müßte. Von Clemens hab ich Ihnen in einem Brief den ich nach Giebigestein Addressierte geschrieben, aber ich gestehe | es, mit Unmuth sprach ich von seiner Heyrath, dieß sollte nicht sein, ist es nicht besser ich sehe dieße dumme Streiche für Schicksal an, und bekümere mich weiter nichts darum? indessen gehört doch viel Selbstverläugnung dazu, besonders wenn man wie Clemens einem ewig plagt mit Wieder holungen von Schmerzen und und Trauer, die eigentlich nur aus langer weile existiren, und die doch eine Wichtige Rolle spielen sollen, ich erscheine Ihnen vielleicht hart in solgen äuserungen mangel an Freundschaft an sorgfältiger schwesterlicher Liebe ist es dennoch nicht. Aber 298
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mein eigen Gemüth kommt immer so mit ins Spiel; wenn ich Tröste, und wenn ich denn sehe daß es eben so gut gewesen wäre wenn ich gar keinen Theil daran genommen hätte da wird mein Herz erzürnt und will keinen Theil mehr daran haben. Adieu guter Arnim ich wünsche Ihnen unendlich viel Glück, so daß Sie nicht anders glauben können als daß die Himmlischen Mächte mit besonderem Fleiß über Sie wachen, aber stark und Muthig Schmerzen ertragen können, mit geläutertem Glanz, aus einer drückenden Epoche des Lebens hervor gehen, das nenne ich auch Glück, das Nenne ich göttlich leben. Ich bitte halten Sie Ihr Versprechen, wenn nicht Ihr Schicksal sich noch glücklicher wendet, warum muß denn Reichard grade mitreißen? sein Sie den Herbst hier, wir haben ein Gut am Rhein, ich war noch nicht da es war der Günderrode ihr Sterbeplaz aber in Ihrer Bekleidung will ich hingehen. – ich glaub gewiß daß meine Stimme bei Ihnen war in der Nacht vor dem ersten 7ber, ich in diesem Tage keine Stimme konnte kein lautes Wort sprechen sie war wahrscheinlich zu Ihnen gereißt. Bettine Brentano.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 20. September 1807, Sonntag–Sandow, 3. Oktober, Sonnabend
Königsberg d* 20 September 1807. Ich fürchte die Weinlese ist vorbey wie unser warmes Wetter, der Sturm hat schon die Aepfelbäume geschüttelt, was noch von der Erndte auf den Feldern steht ist verregnet; meine Erndte geht jezt an, ich hetze zu Pferde mit Wind^hunden, schiesse auch wieder Bachstelzen, Goldgänschen und Buchfinken wie in Trages. Meine werthe Freundin, ich erlaube mir nicht zu bemerken, wie viel ich versäume, es ist doch amende die einzige Tugend, die uns über das Unabänderliche frey hin wegsetzt, und giebt es einen Enthusiasmus, so ist es dieser; Reichardt bessert sich, aber langsam, er ist sehr empfindlich gegen die Luft, ich besuche ihn täglich und bringe ihm Geistesprovision an Büchern und Neuigkeiten mit. Wir sind jezt mit ganzer Seele in der Corinne von der Stael, ich habe einen Theil gelesen, der mich mannigfaltig angezogen; es ist doch schön in Italien, selbst unglücklich zu seyn 299
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und glücklich da zu seyn ist Liebe und Freundschaft ist fast zu schön und es wundert mich nicht, daß der gute Lord Nelville, es sich | nicht zutraut, daß es ihm je so gut werden könne. Die Stael hat sich in diesen beyden, in Corinna und Nelvil dividirt, wodurch sie sehr gewonnen, man lernt manches in ihr verstehen und rechtfertigen; der Mensch braucht nur den bessern Theil seines Lebens aufzugeben um allen erträglich zu werden und vielen sogar lieb. Geht es mir hier doch auch so, nun scheinen mich alle lieb zu haben, nun es zu spät ist. Sandow d* 3 Oktober
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, vmtl. 6. Oktober 1807, Dienstag
Ich habe heute bei der Mutter einliegenden Brief abgeholt um doch eher etwas schreiben zu dürfen ohne unbescheiden zu sein. Ich mögte gar zu gern recht vertraulich Kindisch und selbst ungereimt an Sie Schreiben dürfen, wie mirs in Kopf käme darf ich? – z. B. daß ich verliebt war, 5 Tage lang, ist das ungereimt O nur einen Augenblick in die eigne Jugend zurückgestiegen. Was Himmel und Erde großes hat: Sonne Wolken Bliz Donner Regenbogen Nebel und Erdbeben zerrißne Tempel und stehende Wasserstrudel und Felsen: alles steht da in hoher heiliger Ordnung und dieß alles wird doch nur bewegt durch ein einzig lebend liebend Herz O Wie liegt Vor und Nachwelt oft so schön und eintrachtig beisammen in ein paar Zeilen Ihrer Bücher, wie umfaßt das all ein warmes Herz wie meines daß sich in der unendlichen Fülle verlieren muß wenn ich in derselben Natur stehe, an der sich Ihr Herz erfreute, wenn mich wieder die Berge umgeben, die Wetterbäche vor mir nieder stürzen, Wald und Gebürg ertöhnen, Wenn die Sonnenstrahlen muthig um mich hertanzen, und ein jedes Ihrer Worte mir das innere glühende Leben der Natur eröffnet das Sie erkannten, da Sie so ergreifend niederschrieben, Wer kann da glauben daß das was ein^mal recht erkannt und ergriffen ward, wieder verlohren geht? – Sehn sie wohl; mit all diesen Gedanken will ich mich Trösten und überzeugen, daß ich nicht verlieren kann was ich liebe, und wenn es auch noch so weit entfernt ist. –– Was ist reizender und herrlicher, als der Mensch wenn er wie eine junge Pflanze, unbeschädigt und voll biß zur Blüthe gelangt, dem 300
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selbst noch nicht ein^mal die Samenblätter verwelkt sind, auf dem der Finger Gottes jeden frischen Morgen den zarten Thau fallen läst und seine Blätter mit Duft bemahlt, ein Zeugniß daß keine freche Berührung ihn verlezt. O wer doch wie eine Biene in die Blüthenkelche eindringen könnte und den Honig sammlen Es ist der Sohn einer Frau von Türkheim die Sie kennen müßen. Ihre Mutter hat mir viel von dieser erzählt. er ging zur Armee zurück von welcher er nur entfernt war um seine Wunden zu heilen. Ich spreche heute zu Ihnen als ob ich es von Jugend auf gewohnt wäre, erzehle Sachen die mir lieb sind, und darf doch nicht glauben daß sie auch Ihnen lieb sind, ich bin recht unartig, Oder Sie sind wie ein Gott der mir aus eigner Macht die Kraft mittheilt ihm ungehindert ins glänzende Antliz zu schauen. Ich habe manchmal den Glauben, als müßte Ihnen meine Kühnheit unangenehm auffallen, und manchmal schmäle ich mich aus daß ich nicht noch viel vertraulicher seyn kann, ich mögte wissen wann ich recht habe, in der Mutter ihrem Brief steht viel vom Gehirn in dem meinigen, ist viel vom Herzen, oder besser, viel von der Leber weg. Die Frau grüßen wenn ich bitten darf, und dem Sohn sagen daß er mich verehren soll weil ich ihm gut bin. Bettine Euer Kind, Dein Herz, und Gut Mädgen, das den Göthe gar zu lieb hat, allein über alles lieb hat,und sich mit seinem Andenken über alles trösten kann.
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bitte bitte den Dockter Schlosser nicht mehr grüßen lassen in Ihren Briefen an die Mutter, daß kann ich durch aus nicht vertragen denn ich kann ihn selbst nicht leiden, und es thut meinem armen Hochmuth so weh.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Giebichenstein, 7. Oktober 1807, Mittwoch
Giebichenstein d* 7. Okt: 1807. Ich bin Ihnen hundert und zehn Meilen näher meine werthe, meine getreue Freundin, ich fühle es ganz nun der Weg zurückgelegt und fühlte es schon auf dem Wege, den mir ihr letzter lieber Brief verkürzte, wäh301
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rend ein früherer von Ihnen noch zwischen hier und Königsberg wandert. Ich erhielt ihn in Sandow, wo mir auch Tieck soviel Schönes von Ihnen sagte daß mir zuerst in diesen altneuen, altvertrauten, neugesicherten Freundschaftsversicherungen wieder mein Antheil Hoffnungen und Wünsche zuwuchs. Meine Reise unter dem Wüthen aller Elemente in mir und ausser mir, hat in dieses Hauß die schöne Ruhe eines glücklichen Kreises hergestellt, ich stand da in meinem Mantel im Winkel und sah die Freude, mit der alle an Reichardt hingen, und wagte nicht zu sagen, was ich fühlte, denn es wagte keiner von | allen zu sagen, heute ist es schon ein gewohntes Glück, denn ein Jahr stört ja nicht das Leben und sollte es wenigstens nicht stören. Aber alle Jahre sind sich nicht gleich. Mein Abschied von Königsberg hat mich sehr verstört, das Eis schien da zu schmelzen, war da Verstocktheit so muß ich sie hassen, war es Kälte, so darf ich sie nicht lieben. Der Geburtstag von Auguste war der letzte Tag, die Aeltern gaben ein kleines Tanzfest, ich hatte einen wunderlichen allegorischen Schottischen Tanz erfunden, als ich den mit ihr ausgetanzt, küsste ich Ihr die Hand, es ward mir dunkel, aber ich behielt die Richtung meines Ganges wie ein Mensch, den man schnell den Kopf abhaut sie behalten soll, es ward mir so dunkel. Am Morgen überbrachte mir der Bediente eine kleine seidene Schreibtasche mit getrockneten Blumen und Haarlocken | der ganzen Familie, ich muste eben in den Wagen steigen. Reichardt fragte mich, ob ich mir ans Auge gestossen, an beyde stösst man sich nicht zugleich, oder der Stoßseufzer kommt von innen. Sie kennen nicht die Macht der Gewohnheit, Sie sehnen Sich nach Neuem, ich vergaß in den ersten Tagen, was mir noch so lieb und werth in dem Einen, was ich vermisste und erst in Sandow, ich erhielt Ihren Brief, es war der erste schöne Tag, es war da Tieck und tausend Anmahnungen zum lieben Berufe, Reichardt fand da seinen Sohn, der in Franzos: Diensten Rittmeister und dann muste ich so viel Höflichkeit üben gegen langweilige Leute, daß aus Gutem und Schlechtem mir wieder ein neues Leben zusammen gerann, wie beym Schöpfungstage. Ihre Nachrichten von Clemens haben mich betrübt, ich fürchte die beyden Leute kennen einander noch gar nicht und werden | sich sehr verwundern, wobey er aber wieder vielmehr leiden wird wie sie und das wird schon mit dem widrigen Aufsehen der ersten Ereignisse anfangen, und wozu diese Entführung, bedurfte es dieser Würze um sich in einer Verwirrung zu betäuben, ich hoffte so sicher, daß ihn der mannigfaltige Schmerz endlich davon geheilt haben würde, im Gewöhnlichen ungewöhnlich zu scheinen. Oder waren Hindernisse vorhanden, die Sie ver302
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gassen mir zu schreiben? Von Clemens habe ich noch kein Wort seit der Zeit, sein Casseler Aufenthalt ängstet mich, denn es ist kein Ort für ihn diese Raritäten kammer. Vielleicht führt mich mein Weg dahin, ich erwarte hier Nachrichten aus Berlin, um meine Reise möglich zu machen. Louise R. grüsst herzlich wieder, sie hätte Sie so gern gesehen, die Pistor Alberti haben Sie so un^endlich gerühmt, Sie Sind wenige Meilen vorbeygereist | und wären hier so liebreich aufgenommen, wie ich es nur seyn kann, mehr als ich, denn Sie geben gern und reichlich sich hin, ich aber bin verschlossen. Sie hat einige Lieder von mir wunderschön musicirt. Ihr Singechor habe ich in einer Abtheilung schon gestern gehört. Ich bin hier von lauter Bräuten umgeben und die alle haben noch so viel Güte und Freundschaft für mich übrig, und die an niemand hing dort in Königsberg hatte kaum soviel Gewalt über sich, mir nur ein wenig zu danken für tausend Mühen, die mir freilich keine Aufopferungen kosteten, weil es zu ihrer Freude, das mochte sie wohl merken. Ich hasse mich über meine alte Schwachheiten und das ist eben eine neue, das Rechte überspringe ich meist; von grimmen Haß gegen Napoleon raffte mich sein Anblick | fast zu einer Art Gottes furcht gegen ihn hin, ich kenne Ihr Gefühl und habe es getheilt, es ist etwas Uebermächtiges in ihm, was mich besiegt hat, nicht sein Glück oder seine Macht, es ist eine Atmosphäre. Und Sie wollen, daß solch ein Gefühl bleiben soll, wo sollten wir bleiben davor. Bewahren Sie Ihre Gesundheit, denken Sie daß mit Ihrem Halse auch Ihre Stimme leidet, Sie leiden dann nicht allein, sondern wir alle. Was ist die Stimme und wem gehört sie, doch dem der sie fühlt, wie alles, der hat sie, so besitze ich Ihre Stimme, ich wache über mein Eigenthum. Sind vielleicht in F. feine Lautensaiten zu bekommen, Louise hat vergebens an mehrere Orte danach geschrieben, ihre Laute hat so ihre Stimme verloren. Darf ich Sie bemühen Sie Allgütige, werden Sie bald recht wohl! Achim Arnim A Mademoiselle Bettine Brentano à Abzugeben in der Sandgasse in dem goldenen Francfort s/Mayn Kopfe bey H. Franz Brentano.
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*283. Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Giebichenstein, 15. Oktober 1807, Donnerstag Vgl. Nr. 283.E. Arnim an B, 28. Januar 1808: War es nicht sehr ungeschickt von mir, daß
mich der verhinderte Brief so tief ärgerte, aber wer kann aus seiner Haut, wir müssen erst viel miteinander tanzen um mit einander in Tackt zu kommen, bis endlich Muthwille und Ernst sich verstehen, wie Messer und Gabel, sodaß wir die Gabel nicht mehr zum Schneiden brauchen wollen. (Nr. 294,59-64.)
283.E Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Giebichenstein, 15. Oktober 1807, Donnerstag 14r
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Giebichenstein d* 15 Okt. Der dritte Donnerstag, ich bin warm von Gartenarbeit. Meine Mitarbeit, das beste Lob mannigfaltiger Bildung. Sie war in schlechter Umgebung Es ist aber eine eigne Wirkung ausgezeichneter Menschen, wahrend man glauben sollte, daß ihre vorstechende Fehler verderben, fast nur die Energie ihrer Gesinnungen ihre Umgebung erziehen zu suchen. Sie ist hübsch, aber ich denke daran so wenig wie an die Schönheit der Gegend, solche neue Entdeckungen von Anmuth Luftwölkelein, die der Wind bewegt, Schiffe die Ankommen, Frühlingsblumen, die wiederkehren, Vögel die ziehen. Wie eine Ziege weide ich Trauben von meinem Fenster mit dem Munde ab. Alles liegt voll goldner Aepfel wie im Garten der Hesperiden und die glücklichen Seelen hoffen nicht, auch den unglücklichen ist der Eingang durch keinen Drachen verschlossen. M. Puttmann gehört heute dazu, weil ein Brief ausgeblieben, kaum kann ich begreifen wie in dieser abgetragenen rohen alles betastenden, niemals ergriffenen Welt solch ein frisches Blümelein wachsen kann. Sollte ich meine eignen Nägel zu Federn spitzen ich schrieb an seiner Stelle, er denkt aber an Vieh und Schafe, Gott geb ihm Viehsterben. Wie lieblich singt sie Singe Vögelein. Neckchen. Wahrend ich fürchte, daß die Musik in der Flegeley und Hungerleiderey der Welt untergeht, wird sich der Funke in den Fraun fortpflanzen, – Ich muß zu bald fort um dir zu schaden. Sie scheint morgen nicht zu wissen was sie heute schien gefühlt zu haben, sie will was wissen um 304
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sich noch mehr weiß zu machen. So enden nun des Lebens Mühen, wenn an dem Sarg die Kerzen glühen. Doch Göthe schrieb an dieser Stelle | beym Rauschen dieser Bäume. O gieb vom weichen Pfühle. Könnte ich Sie doch zu ihm über fliegen lassen, daß er die Hände auf Sie legt, und sagte du bist ein Kind an dem ich Wohlgefallen hab – Sie fürchten Unsinn zu schreiben weiß Papier ist nur Unsinn, denn das hat keinen Sinn Es ist die Erlaubniß der Mahrchen welt wie der Worte jedem zu Gebrauche, aber nur dem zu eigen, den sie im Sinn. Mir ist es indem ich ihnen solche Kleinigkeiten schreibe, und so vieles übergehe, als wenn sich ein Paar duelliren und einer, um seine Gleichgültigkeit zu zeigen, vom Wetter anfängt Ihr erster Brief ließ alle meine Empfindungen wie die Muhle wie in einem Wasserrade umherlaufen, ihr zweyter ließ mit seinem Trübsinn das Wasser ab, ich finde mich im Trocknen. Mein Vergnügtseyn ein Vorhang über dem 〈Kreis〉 .......... dessen Fackeln blenden und stande sein Klavier 〈xxx〉 länger man mich wie Tasten noch so lange berühren als seine Haut, neues Streben, uber dies Tonblatt. Hielten sie doch ihr Kind wie ich meinen Empfinden verschlossen.
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An Ludwig Achim von Arnim in Giebichenstein Frankfurt, vmtl. 20. Oktober 1807, Dienstag
Ich emfange Ihren Brief in dem Augenblick als ich in den Wagen steigen will um Nach Cassel zu reißen und dort die Savignys zu erwarten; welche 3 bis 4 Wochen dort bleiben wollen, wenn Sie brav sein wollen so kommen Sie auch hin. für Lauten Saiten hab ich gesorgt Sie werden mir nachgeschickt wo ich sie Ihnen senden werde Bettine
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C Herrn Achim von Arnim abzugeben bey Hr Reichard in Gibigenstein bei Halle.
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München den 22. Oct. 1807. Wie kommt es doch, liebe Betine, daß wir so oft das bedeutende und würdige auf die Seite stellen, um einstweilen gleichgültige und alltägliche Dinge zu beachten und zu besorgen? ich glaube, es ist kein bloser Eigensinn der menschlichen Natur, sondern es kommt aus dem dunklen Gefühl, daß uns jenes in unsrem Herzen bleibend gewiß ist, und daß wir es haben und fest halten ohne unser Zuthun, während diese Dinge blos durch unsre Beschäftigung mit ihnen ein vorübergehendes Daseÿn erhalten. So ist es gekommen, daß ich dir auf deinen Brief so lange nicht geantwortet habe, obgleich mir dieser Brief als ein besonders reiner Spiegel dessen was gut in dir ist, und dessen was dich unglücklich macht, besonders werth war. Es war aber doch schlecht, denn ich weiß aus eigner Erfahrung, daß eine herzliche Offenheit, auch wenn wir ihrer herzlichen Aufnahme ganz gewiß sind, dennoch ein leibliches Zeichen dieser Aufnahme verlangt. Was du über Göthe und deine Freude an ihm schreibst, verstehe ich sehr wohl, und alles, was du davon sagst, gefällt mir ganz und gar. Jeder tüchtige Mensch hat die Sehnsucht nach Menschen, in deren Anschauung und Berührung er sich selbst wie ergänzt fühlen könne. Je größer in ihm die Anlage, und je weniger diese Anlage | in harmonischer Ausbildung zur Ruhe gekommen ist, desto heftiger wird jene Sehnsucht seÿn. So beÿ dir. Tritt ihm dann ein solcher Mensch entgegen, wie er ihn bedarf, so ist es ihm kein Fremder, kein Unbekannter. Was er sieht und hört, ist ihm als ob es aus einer alten Heimath wäre, und das längst gewohnte erscheint ihm fremd dagegen. So war es dir mit Göthe. Du weist, daß wir nach Weimar gehen. Eine der erfreulichsten Hoffnungen dabeÿ ist mir die, daß auch du wieder dahin kommen mögest. Ich brauche dich nicht erst zu bitten, alles was an dir liegt dazu zu thun. Ich freue mich recht herzlich darauf, dich wieder zu sehen. Ich war fest entschlossen, wenn wir hier in München geblieben wären, dich und Meline hierher zu hohlen. Das hat sich nun nicht machen lassen, aber das Wiedersehen wird sich bald machen. In Wien habe ich dich nicht sonderlich zu mir gewünscht, du hättest dort zu viel Gelegenheit gehabt zu schwadroniren. Aber in Salzburg und Gastein hättest du beÿ mir seÿn sollen, etwas ähnliches habe ich nie gesehen. Auf | und zwischen diesen Bergen wird man ganz still und fromm, dir wäre es innig 306
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wohl gewesen, und dein Genuß hätte meine Freude verdoppelt. Vielleicht wird es mir noch einmal so wohl, da oder wo anders, eine Berggegend mit dir zu bereisen. Ich kenne kaum etwas, das mich so ganz gefangen nehmen kann, wie dieses. Lebe wohl, liebe Betine. Dein treuer Alter. An Betina
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Kassel, 26. November 1807, Donnerstag
Warum muß ich denn wieder schreiben? Einzig um wieder mit dir allein zu seyn, so wie ich gern kam in Weimar um mit dir allein zu seyn, zu sagen hab ich nichts damals hatte ich auch nichts zu sagen, aber ich hatte dich anzusehen und innig froh zu seyn, und war Bewegung in meiner ganzen Seele. – Und wenn ein Dritter meine Briefe sähe; er würde sagen hier ist einzig von Liebe die Rede, es ist ein Herz voll Liebe das hier geschrieben hat, es ist ihm nicht mehr zu helfen.Ist dem zu helfen der die Augen einmal ins Leben auf geschlagen hat? – Er ist gebohren, und muß die Welt anschauen mit Schlechtem und Rechtem, bis in den Tod. – Seelig wer beym ersten Blick gleich das herrlichste erblickt und es so fest anblickt daß kein Lärm und fremder Schein ihn abzuwenden vermag. bin ich zu Tadlen Herr meiner Seele; soll von Liebe nicht die Rede seyn? so muß ich wahrlich verstummen, denn ich weiß nichts anders. So wie der Freund Anker löst nach langer Zögerung und endlich scheiden muß; ihm wird die lezte Umarmung was ihm hundtert Küße und Worte waren, ja mehr noch, ihm werden die Ufer die er in der Entfernung ansieht, was ihm der lezte Anblick war, Und wenn nun endlich auch das blaue Gebirg verschwindet, so wird ihm seine Einsamkeit seine Erinnerung alles, so ist das treue Gemüth beschaffen das dich lieb hat, das bin ich! die dir von Gott gegeben ist, als ein Damm, über welchen dein Herz nicht mit dem Strohm der Zeit Schwimmen soll, sondern ewig jung in dir bleibt und ewig geübt in der Liebe – Und wenn du stehst als ein Gott auf dem Altar und wenn sie alle rufen du bist herrlich! herrlich! wir opfern dir; und wenn dein Sinn wäre 307
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von Stein wie dein Bildniß, so müßte ich doch rufen umarme mich, weißer Cararischer Stein Bettine. 1v
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Savigny reißt morgen nach Frankfurth ich bleibe noch 3 Wochen hier werde also die Comissionen nicht so bald ausrichten können es wird jedoch nichts vergessen werden. Grüß alles was du lieb hast von mir und dann mich vor züglich. Bettine.
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Herrn Geheimenrath von Goethe Fr: in Weimar
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Kassel Weimar, zwischen Ende November und Mitte Dezember 1807
Ein Strom entrauscht umwölcktem Felsensaale War unersättlich nach viel tausend Küssen 1r
I. Ein Strom entrauscht umwölcktem Felsensaale Dem Ocean sich eilig zu verbinden, Was auch sich spiegeln mag von Grund zu Gründen Er wandelt unaufhaltsam fort zu Thale.
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Doch stürzt sich Oreas mit einem Male, Ihr folgen Berg und Wald in Wirbelwinden, Herab zur Flut, Behagen dort zu finden, Und hemmt den Lauf, begränzt die weite Schaale. Die Welle sprüht und staunt zurück und weichet Und schwillt bergan, sich immer selbst zu trincken, Gehemmt ist nun zum Vater hin das Streben.
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18./19. Dezember 1807
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Sie schwanckt und ruht, zum See zurückgedeichet. Gestirne, spiegelnd sich, beschaun das Blincken Des Wellenschlags am Fels ein neues Leben.
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III. War unersättlich nach viel tausend Küssen Und musst’ mit Einem Kuss am Ende scheiden. Bey solcher Trennung herbempfundnem Leiden War mir das Ufer dem ich mich entrissen,
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Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen, Solang’ ich’s deutlich sah ein Schatz der Freuden, Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden An fern entwichnen lichten Finsternissen. 25
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Und endlich als das Meer den Blick umgränzte Fiel mir’s zurück in’s Herz mein heiss Verlangen, Ich suchte mein Verlornes gar verdrossen. Da war es gleich als ob der Himmel glänzte; Mir schien als wäre nichts mir, nichts entgangen, Als hätt’ ich alles was ich je genossen.
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Kassel, 18./19. Dezember 1807, Freitag/Sonnabend
Wer auf der ganzen Welt weiß es wie ich Dich achte und liebe und ehre, als ich allein? Ich bin glücklicher jezt im Andenken der Vergangenheit, als ich damals in der Gegenwart war, meine eifrige Liebe hatte so schnell eindringend Wolken gesammelt an meinem Himmel, und er mußte durch meine zu große Nähe zugleich meinen Schatten aufnehmen, so wie er auch immer dunkler ist wo er an die Erde gränzt, jezt in der Entfernung wird er mir so mild so hoch und glar. Ich mögte deine liebe Hand mit meinen beiden an mein Herz drücken, und dir sagen wie Hier und Dort ich dich immer lieben werde, wie Friede und Fülle über mich gekommen ist seitdem ich Dich weiß. – Ich weiß, daß es nicht der Abend ist der mir jezt ins Leben herein däm309
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mert, wenn das wäre, so würden sich alle meine Wünsche und Freuden an dir hinauf^bilden, daß Du mit überdeckt wärest und bekränzt wie mit immer grünem Laub. Ich werde noch oft mit leichtem Herzen Scherz und Lust durchwühlen, ich werde mich müde Tummeln, so wie ich in meiner Kindheit mich aus Ubermuth auf den Blühenden Feldern herum wälzte und alles zusammen drückte, und die Blumen mit den Wurzeln ausriß um sie ins Wasser zu^werfen. – aber auf süsem warmem festem Ernst will ich ausruhen, und der bist Du – Ich sag es noch einmal, Wer weiß es auf der weiten Erde wer kann es begreifen? wie ich Dich innig verehre und liebe, und wie ich so ruhig in dir bin, als ich ganz allein? ich könnte wie die Berge Nächte und Tage in die Vergangenheit tragen, ohne nur zu zuken in deinem Andenken. Wenn aber der Wind zuweilen von der ganzen blühenden Welt den Duft und Samen, zusammen trägt, und ihn auf der Berge Wipfel hängt so werden sie auch berauscht, so wie ich gestern, da hab ich die Welt geliebt, da war ich seelig, wie eine aufsprudlende Quelle in die die Sonne zum erstenmal scheint, leb wohl du guter großer herrlicher Freund, ich steh auf einem Felß in meiner Liebe, auf den ich mit Lebensgefahr gekommen bin, ans herunter klettern ist gar nicht zu Denken, da bräche ich auf allen Fall den Hals Bettine Gestern hab ich hinterm Ofen gesessen auf der Erd, und Arnim auch ganz allein, da haben wir viel von Dir gesprochen, er ist wie ein Kind, er will dich mit mir lieb haben ewig. 1v
Und so weit hatte ich gestern geschrieben, saß heute morgen auf dem Sessel und laß Still und andächtig in Carls des großen Jugendjahren, ohne nur mich zu bewegen, denn ich wurde dabey gemahlt, so wie Du mich bald sehen solst, da brachte man mir das blaue Couvert, und ich brach auf, und fand mich darinn in Göttlichem Glanz wiedergebohren, und zum erstenmal glaubte ich an meine Seeligkeit. – Was will ich denn? ich begreife mich oft nicht, jeder Lärm ist mir zuwieder, ich wollt es wär still in der Welt, es gäb nichts mehr ausser mir. (Dem Arnim machte ich ein Bett von Rosen und ließ ihn im Mondschein schlafen, und ließ ihm alle Ruhe angedeihen) dich wollte ich oft und warm ansehen, wollte dich begleiten in dein stilles Hauß, und wollte dich ausfragen über dein ehmaliges und jeziges Leben, so wie ich dein Angesicht ausgefragt hab über seine vorige und jezige Schönheit, auf der 310
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Bibliotheck da konnte ich nicht umhin mich zu deiner jungen Büste auf^zuschwingen, und meinen Schnabel gleichsam wie eine junge Nachtigall daran zu wezen, du breiter voller Strohm wie du damals durch die üpige Gegenden der Jugend durchbraußtest, und jezt eben ganz still durch deine Wiesen zogst. Ach und ich stürzte dir Felssteine vor, und wie du wieder dich auftürmtest, wahrlich es war nicht zu verwundern denn ich hatte mich tief ein^gewühlt. Siehst Du! ich spreche heute ernster mit Dir als je, und weil du Jung bist und herrlich, und herrlicher wie alle, so wirst Du mich auch verstehn. Ich bin ganz Sanft geworden durch Dich, am Tag treib ich mich mit Menschen mit Musick und Büchern herum, Abends sehe ich den Arnim, und unter unsern Gesprächen rauscht die Fluth meiner Liebe Gewaltsam in mein Herz, ich hab ihn gelehrt wie man dich lieben soll und war am Ende erstaunt wie er geübt war, ja wie er es beinah besser kann, als ich es ihm sagen konnte. wie kommt Dir das alles vor gellt närrisch, gellt Du meinst – aber ich hab dich einzig Lieb – in der Art. Den Tag als ich Abschied nahm von Dir mit dem einen Kuß, mit dem ich nicht schied von Dir, da war ich Morgens beinah eine ganze Stunde allein im Zimmer wo das Clavier steht da saß ich auf der Erd im Eck, und dachte es geht nicht anders du mußt auch einmal weinen, und Du warst ganz nah und wußtest | es nicht, und ich weinte mit lachendem Munde, denn mir schaute das feste grüne Land durch den trübsinnigen Nebel durch, Du kamst, und ich sagte Dir recht kurz (und ich schränkte mich recht ein dabei, im streichlen und küssen,) wie Du mir werth seyst. Ich frag Dich? bist Du nicht wieder ganz jung bei mir? oder soll ich mehr als wahr seyn? soll ich täuschend wahr seyn? – Bettine Morgen reiß ich nach Frankfurth, da will ich der Frau Mutter alle mögliche Sorgfalt angedeihen lassen und will sie verehren denn »Seelig ist der Leib der Dich getragen hat« pp.
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Von Auguste Brentano nach Frankfurt Kassel, 25. Dezember 1807, Freitag
Cassel Freytag Nacht 25 December 1807 Ich hätte sehr gewünscht liebe Bettine dich noch den letzten Morgen zu sehen – und daß du so spät abreisest erfuhr ich erst nachher von Clemens. Du könntest jetzt erst eigentlich in mich vertrauen – dies Wort von dir ist mir so werth: du hast es wohl vergessen und denkst nicht mehr an mich? Es ist auch nicht anders möglich. Ich begreife jetzt gar nicht mehr wie ich dich sonst intereßiren konnte – oder war es bloß weil man mich von dir entfernte? Du hast jetzt gesehn was an mir zu finden ist – nichts. Clemens hat mir an dem Morgen nach dem schrecklichen Tage viel Wahrheiten gesagt; er meynte es herzlich gut, sprach ruhig besonnen, und ich fühlte es selbst in dem schmerzlichen Augenblicke wahr von mir: er glaubte ich wolle mich bessern, aber wenn ich auch ein Engel der Güte würde, könnte ich doch nie sein Leben erheitern – Geist, Phantasie Anmuth, Lieblichkeit seyen mir versagt. (seine Güte ließ ihn dies nicht einmal so bestimmt sagen) Das fühlte ich nun all wohl und konnte ihn unmöglich länger bitten mich nicht zu verstoßen – es war mir zu niederträchtig ihm eine drückende Last zu bleiben. Ich glaube daß ich es einsah hat ihn gerührt ohne weitere Erklärung scherzte er mit mir, und seitdem leben | wir – wie soll ich sagen? Er seufzt oft – und sagt dann er sey für alles erstorben – aber so sah ich ihn von Anfang an, und es kömmt mir wahrscheinlich vor daß er immer so war. Uebrigens ist er außerordentlich freundlich und zart mit mir. Einigemal wann ich ihn unschuldig ärgerte und er heftig ausbrach hat ihn Arnim durch ein Wort schweigen machen. Für diesen ist meine Dankbarkeit ohne Grenzen. Ich glaube nicht Bettine daß ich es ihm werde sagen können – wir sind auch in einem so ruhigen unbefangenen Verhältniß daß es mir albern vorkäme wenn ich ihn an jenen Tag erinnerte – es geht gar nicht – es schaudert mich wenn ich daran denke. Sag du ihm daß ich seine menschliche Güte tief fühle – er war gegen mich eingenommen und doch – ich will erhalten was Gott und er mir wiedergegeben haben. Von Savigny habe ich heute einen Brief erhalten, er sagt mir Clemens werde mich mit der Zeit lieben und ehren können – er schmeichelt nicht – und so will ich | diesen Glauben fassen. Ich wünsche wohl ich möchte es bald erleben – denn irrt er sich, so darf ich bey Clemens nicht bleiben. Spreche mir offen Bettine – Berühre nicht meine Wünsche – sage mir nur, die du Clemens am besten 312
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kennst – ob ich ihm je mehr als leidlich oder gleichgültig seyn kann? Ich sage dir so gering du meinen Werth schätzen wirst, er wird immer höher seyn als ich ihn selbst achte. – Clemens weiß es nun daß Marie seine Briefe an mich zurückhält; er findet es niederträchtig, und will sie bestimmt fordern – aber für sich. In diesem fühlst du richtiger wie er. Du weißt es Bettine ob mich diese erloschene Liebe stolz machen kann – die Worte schon sind Unsinn. Gieb mir die Briefe – einzelne Ausdrücke weiß ich noch auswendig und beschäftige mich die Nächte mehr zu ersinnen – da schwebt mir manches dunkel vor, und ich gäbe alles drum wenn ich | manches Wort nur genau wüßte. Mein ehemaliges Selbstgefühl hat mich verlassen – ich habe nur was andre mir geben – und wenn ich nun recht arm bin, so weine ich um die kurzen Tage wo ich so schöne Liebe erhielt. Clemens tadelt es oft an mir daß ich keine Kraft in mir fühle und deswegen mir nicht genügen könne. Hätte ich seine Briefe so könnte er mir den Vorwurf nicht mehr machen. Christian ist gestern eben noch zur Bescherung angekommen. er reißt in wenig Tagen mit Arnim zu euch. Moriz hat mir sehr schöne Geschenke geschickt – so schön daß sie mich in der vorigen Zeit überrascht haben würden. – Auch die Anhänglichkeit die er für mich hat erhält mich oft – Bettine bist du glücklich in deinem Glauben daß man auf keinen Menschen nur auf Gott bauen muß? – Was ich dir schrieb könnte ich auch Savigny gesagt haben – du magst es ihm zu lesen geben, – wie du willst. ich danke ihm herzlich für seine Theilnahme. Grüße alle Brüder und Schwestern und schreibe mir was du von meiner Mutter weißt – ob sie wirklich hart ist? – Auguste. 〈1r aoRl:〉 Wie geht es Christian?
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Von Friedrich Wilhelm Riemer nach Kassel mit dem Sonett Ritterschlag Weimar, 3. Januar 1808, Sonntag
〈I〉 Mademoiselle! Sobald ich nur dieselbe mit ihrer Schönheit und Wunderwürdigen Charme von fern erblickt, hat solche in meinem Gemüth soviel vermögt, daß mein Willen gleich sich der süssen Liebe unterworffen, und mein Herz nach derselben anfangen zu seufzen. Weil ich dann in mir selbst spüre derselben ganz gewidmet zu seyn, so beliebe dann meinen Gehorsam zu prüfen durch einige Befehle, und authorisiren sie auch mit geneigten Willen die Qualität, so ich trage, und zu bleiben immer verlangt Dero Diener R
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〈II〉 Ritterschlag Belehnt bin ich von Eurer Majestæt Anizt mit Ehrenkreuz und Ritterorden, Und was bisher ich leider nur verschmæht Ist nun mein höchster Schmuck geworden. Ich fühle ganz die neue Dignitæt Und liesse mich für Euch mit Freuden morden. Was jemals nur Euch zu Befehle steht, Ich fass es an und zieh’s an allen Korden. Der schöne Beutel, der ist goldeswerth, Den Schein mit würdigem Gehalt zu schmücken, Das Kreuz den Menschen schöne Tugend lehrt. Was Eure Huld und Gnade mir gewæhrt, Es fuellt den treuen Diener mit Entzuecken Und wird von ihm ganz wie Ihr selbst Verehrt. 314
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8. und 16. Januar 1808
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Weimar d. 3. Januar 1808
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*291. An Johann Daniel Engelhard in Kassel Frankfurt, etwa 6. Januar 1808, Mittwoch
Heute 〈8. Januar〉 habe ich Ihren Brief erhalten und bin wunderbar und schrecklich dadurch bewegt. Ich weiß ja schon, daß Sie mich nicht wiederlieben, und konnte es nimmer glauben und bin so unglücklich darüber. 〈…〉 Sie erschüttern mich aber auch so sehr durch Ihre unbegreiflichen religiösen Ideen. Es ist mir als hätten Sie sich auf dem Wege der Erkenntniß von schönem griechischen Lande plötzlich verirrt in erhabene fürchterliche Caledonische Eisgegenden und könnten sich nicht wieder finden, weil Sie einmal irrten, sondern stürzten sich in grausen Wahnsinn, und das macht mir so unendlich bange, weil ich glauben muß, es sey Ihnen selbst schrecklich dabey zu Muthe. Sie sagen, ich glaube keinen Gott 〈…〉 〈16. Januar:〉 Nach dem Schlusse Ihres Briefes muß ich beynahe fürchten, daß sie nicht erwarten noch einen Brief von mir zu sehn (Nr. 292,1-5+41-43). Johann Daniel Engelhard an B, 8. und 16. Januar 1808:
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Von Johann Daniel Engelhard nach Frankfurt Kassel, 8. und 16. Januar 1808, Freitag und Donnerstag
d* 8ten Januar 1808. Heute habe ich Ihren Brief erhalten und bin wunderbar und schrecklich dadurch bewegt. Ich weiß ja schon, daß Sie mich nicht wiederlieben und konnte es nimmer glauben und bin so unglücklich darüber. Thuen Sie sich aber deshalb nicht selbst unrecht, Sie haben gewiß ein liebend Herz u Geist. Wenn Sie mich aber gleich nicht lieben so liebe ich Sie doch immerfort und das soll mir keine Gewalt verwehren. Sie erschüttern mich aber auch so sehr, durch Ihre unbegreiflichen religiösen Ideen. Es ist mir als hätten Sie sich auf dem Wege der Erkenntniß von schönem griechischen Lande plötzlich verirrt in erhabene fürch315
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terliche Caledonische Eisgegenden und könnten sich nicht wieder finden, weil Sie einmal irrten, sondern stürzten sich in grausen Wahnsinn, und das macht mir so unendlich bange, weil ich glauben muß, es sey Ihnen selbst schrecklich dabey zu Muthe. Sie sagen ich glaube keinen Gott, haben Sie mich auch nicht mißverstanden? ich glaube ebenso wenig einen als keinen, aber ich glaube auch nicht daß zwey mal zwey vier ist, und nichts gewiß. Es muß aber jeder Mensch selbst fühlen, wozu er bestimmt ist und sein Leben anwenden mag, beweißen kann ihm das sonst niemand. Bey mir ist das irrdische Glückseeligkeit und es ist mir unbegreiflich und undenkbar und unmöglich wie der Mensch zu einem andern Dinge bestimmt seyn soll. Aus dem Triebe zur Glückseeligkeit, der angebohren und in nichts gegründet zu seyn scheint, entstehn hernach alle andern Triebe und Leidenschaften. Jede Leidenschaft kommt aus der Vorstellung, daß ein Ding uns glücklich oder unglücklich mache. Wenn wir nun Lebenskraft oder | Hoffnung auf künftiges Glück genug besitzen, um ein Glück in der Gegenwart wonach wir heftig strebten aufzuopfern, so beherrschen wir die Leidenschaft. – Ich kann aber nimmer die Ideale des Glücks, immer bey Ihnen zu leben, nicht vergessen. – d. 16ten Januar. Ich sende Ihnen hierbey eine Skizze von dem Grundrisse des Göthischen Landhaußes (das ich bey Ihnen componirte), ich habe nicht immer daran zeichnen können und dann, wenn ich daran zeichnete, vergaß ich immer über dem lieben Wesen, das mir soviel von Göthe erzählt hat, Göthen selbst und ließ Bleyfeder und Cirkel liegen in Träumereyen versinkend. Wären Sie noch eine Zeit hier geblieben, so hätten sie mir noch vieles über Göthes inneres Hauswesen mittheilen müssen. Deshalb wünsche ich aber auch daß Sie die Skizze eher sehn als ich sie ausführe, senden Sie mir aber dieselbe recht bald zurück, weil ich nicht eher die Ausführung beginnen kann. Göthe hat ja Kinder, sind deren mehrere und sind sie erwachsen? – Nach dem Schlusse Ihres Briefes muß ich beynahe fürchten, daß sie nicht erwarten noch einen Brief von mir zu sehn, gönnen Sie mir die einzige Freude doch nur noch diesmal – und noch einmal wenn ich Ihnen die vollendeten Zeichnungen sende. – Ach es ist mir so still und doch so wild, so leer und so todt zu Muthe. Nimmer habe ich Ruhe. Heil und Frieden der, welche mir ihn raubt Ihr D. Engelhard. 316
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Kassel Weimar, 9. Januar 1808, Sonnabend
Sie haben Sich, liebe Bettine, als ein wahrer kleiner Christgott erwiesen, wissend und mächtig, eines jeden Bedürfnisse kennend und ausfüllend. Ihre Schachtel kam kurz vor Tische, verdeckt trug ich sie dahin wo Sie auch einmal saßen und tranck zuerst Augusten aus dem schönen Glase zu. Wie verwundert war er als ich es ihm schenckte! Darauf wurde Riemer mit Kreuz und Beutel beliehen. Niemand errieht woher. Auch zeigte ich das höchst künstliche und zierliche Besteck, da wurde die Hausfrau verdrieslich daß sie leer ausgehen sollte. Nach einer Pause um ihre Geduld zu prüfen zog ich endlich den Gewandstoff hervor, das Räthsel war aufgelöst und jedermann im Lob und Preise Bettines fröhlich. Wenn ich also noch umwende; so habe ich immer nur Lob und Dank Da Capo vorzutragen. Das ausgesuchte zierliche der Gaben war überraschend. Kunstkenner wurden herbeygerufen die artigen Balgenden zu bewundern, genug es entstand ein Fest als wenn Sie eben selbst wiedergekommen wären. Und nun hoffe ich bald Nachricht wie Sie die gute Mutter gefunden haben, wie Sie ihrer pflegen und was für Unterhaltungen im Gange sind. Der lieben Meline Mützchen kam früher. Ich darfs nicht laut sagen es steht aber niemand so gut als ihr. Hr. Stollens Attention auf dem blauen Papier hat Ihnen doch Freude gemacht. Adieu mein artig Kind! Schreiben Sie bald daß ich wieder was zu übersetzen habe. W. d. 9. Jan. 1808. G.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 28. Januar 1808, Donnerstag
Heidelberg d* 28ten Jan. Da liegen schon wieder ein Paar Blätter an Dich, liebe Bettine, die ich nicht abschicke, weil sie Dir allerley Kleinigkeiten erzählen, die Dir gleichgültig seyn werden, weil Du nicht dabey gewesen; ich schreibe endlich einmal wirklich an Dich, weil Du mich sonst wieder einmal mis^verstehen möchtest. Ich habe recht viel an Dich gedacht, wie Du mich einmal angesehen, als Du vor mir standest am letzten Abende in Frankfurt, ich habe fast allein an Dich gedacht; hätte ich jezt nur eine von den süssen Feigen, die ich so in Gedanken bey Dir heruntergeschluckt habe, du lieber reicher Fruchtbaum. Es möchte mich wohl sehr unglücklich machen, wenn ich Dich immer so lieb hätte wie in diesem Augenblicke, denn Du hast Vergnügen am Abschiednehmen. Unendlich rührend ist mir König Theodor, der ehrliche Westphälinger, wie er nach uns〈〈äg〉〉liger Mühe mit seinen geworbenen Leuten, mit seinen aufgeputzten Schiesgewehren und dem heimlich beym Exercieren der Soldaten aufgesammelten Patronen um Corsika herum schiffte, wo er so oft gefochten, seine Freunde endlich zu befreyen, wie er die alten Felsen, die Bäume seines kühnen Reiches sieht, auch die Wohnungen seiner Freunde an den Ufern, aber keiner kommt ihm entgegen, keiner winkt ihm als die ewig winkenden Bäume und die ewig wankenden Wellen. Seine Freunde hatten ihn vergessen und hatten Frieden gemacht, er durfte nirgend landen und mag noch wohl auf den Wassern schweben. Vorgestern war mein Geburtstag, es hat mir | kein Mensch Glück gewünscht, denn es wuste niemand, ich hatte den Stolz wie ein Fürst, den Ueberrock über meinen Stern zu ziehen um der über lästigen Höflichkeit zu entgehen; denn ich bin hier sehr artig aufgenommen; weil mir die innern Kriege der Leute rein lächerlich sind, so bringe ich meine Worte allerwärts an. Der meiste Streit kommt aus der Furcht sich deutlich zu machen. So stand Clemens hier mit den meisten in der letzten Zeit, ich bezweifle darum die Möglichkeit seiner Rückkehr, er ist fast mit allen verhetzt, weil er es nie der Mühe werth hält andre zu begreifen, sondern damit zufrieden ist, was er sich von ihnen weiß macht. Wäre das nicht, ich hatte mir Hoffnung gemacht, daß er hieher ziehen könnte, es ist ein werther Kreis von Menschen, der einem das Leben recht achtbar machen kann. Bey Görres war ich ein 〈〈p〉〉aarmal, ich möchte sagen es ist das erste Talent ohne äussere ab318
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sichtliche Sonderbarkeit, das mir vorgekommen, aber freilich hat er eine gute Schule durchgehen müssen in der Revoluzion und so ist ihm das deutsche Ungeziefer der scheinbaren Genialität rein ausgekämmt worden ohne daß seine Haare gelitten haben. Seine Frau (Clemens ehemalige Verehrte) ist recht hübsch und freundlich, aber wunderschön seine Kinder, ich wollte, daß das Goldhaar des kleinen Buben wirklich Gold wäre, wie es scheint, so möchte ihm wohl gar nichts fehlen. – Ich hab mich in möglichste Enge gebracht, ich wohne hoch am Himmel, Zimmers Buchhandlung gegenüber, ich esse bey Zimmer in recht bunter Gesellschaft von jungen Docenten, Studenten, Buchdruckern, Ladendienern. | Gestern war Ball, ich ging nicht hin, um an Dich zu schreiben, es wurde aber nichts daraus, Nachts erwachte ich von Musick, die Wagen mit Fackeln rollten, ich hörte viele Stimmen, die Musick hielt vor meinem Fenster stille und nun wurde mir – kein Ständchen gebracht, sondern die Musick ging weiter und die Leute aus^einander, es war nur ein Zufall, daß sie anhielt und ich konnte im Bette bleiben und brauchte mich nicht zu bedanken. Wie mir das lieb war! – Hast Du von meinem Journale nichts gehört, ich weiß nichts davon, es sind so viele entstanden, daß ich erst einige muß abstehen lassen, ehe mein Klapperstorch ziehen kann. Wenn Du jezt beym Faust sitzest und singest, ich möchte Dich hören oder noch lieber stören, um dich zu fragen, ob Du auch die Lauten^saiten an Louise Reichardt geschickt, Du brauchst ja nur einen Gruß beyzufügen. War es nicht sehr ungeschickt von mir, daß mich der verhinderte Brief so tief ärgerte, aber wer kann aus seiner Haut, wir müssen erst viel miteinander tanzen um mit einander in Tackt zu kommen, bis endlich Muthwille und Ernst sich verstehen, wie Messer und Gabel, sodaß wir die Gabel nicht mehr zum Schneiden brauchen wollen. Ich möchte Dir eben noch viel Schönes | schreiben, da fürchte ich aber kommt irgend ein schwärmender Schäfer, dem Du es zum Frühstück vorliesest. Ach du liebes Kind sag mir wo kauf ich das Vertrauen, Wehe! da kommts mir vor, als drehtest Du Dich eben auf einem Absatz herum und sagtest: Es ist doch all nichts! Oder du hättest zur Erhabenheit einen Trieb und fändest es schöner einen Brief nicht zu lesen, worin man etwas Liebes erwartet, weil man es sich besser denken könne. Oder zum Muthwillen und Du machtest daraus eine Papierknalle. Siehe, wie kommt das, es muß mir doch schon so manches kleine Unnatürliche der Art mit Dir begegnet seyn, daß mir dies einfällt, was mir noch nie bey Mädchen eingefallen, die viel ungütiger gegen mich gewesen sind als Du, Du reine heilge 319
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Güte, Du naiver Tyran. Du bist es nicht, aber Du hast den Anschein zuweilen von der Freundschaft und Liebe unsrer öden Zeit, die nicht freyer macht in sich wie der Anblick des Himmels, den wir athmen, sondern wie ein Strom, der verbunden der Erde sich nicht halten kann und keinen den er ergreift und sich endlich das noch für Macht und Herrlichkeit anrechnet. – Warum soll ich das nicht denken, ist mir doch Berg und Thal hier so nahe, es sind dieselben Füsse mit denen ich zum Schlosse hinauf steige und herunter, ich wollte Du wärest hier und ich würde Dir zeigen, daß ich doch eigentlich nicht so denke, das ist das Dunkel wenn ich meine Fackel putze und ich habe dich lieb, mich hat niemand lieb wie Du. Achim Arnim.
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An Fräulein Bettine Brentano Abzugeben bey zu H. Franz Brentano im goldnen Kopfe, Sandgasse. Frankfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 30. und 31. Januar 1808, Sonnabend und Sonntag
Was den Lippen gegönnt ist, gönnt man nicht leicht der Feder lieber Arnim, sonst hätte ich dir schon viel früher geschrieben. Auch hier war Ball die ganze Familie war dort, die Bettine nicht, sie blieb zu Hauß um an dich zu schreiben es wurde aber auch nichts draus, sie saß am Ofen und hatte das Tischgen mit dem Schreibzeug vor sich, (Goethe lag auf dem Sessel) da kam Besuch – rath wer? – Der Anton der sezte sich zu mir sprach viel von der Almacht Gottes, von schönen Gegenden, und von meinem guten Herzen, ich wär doch gewiß die beste unter den Geschwistern, und schien er mir ganz gescheut, als er weg war nam ich die Biebel laß die Epistel Pauli an die Römer, es war schon 11 Uhr ich lag im Bett wollt eben mein Lichtlein aus-löschen, da kam Savigni herein erzählte mir das Gunda sehr besorgt um ihr Kind sey, es habe einen rauen Hals und Husten, so ging ich den mit, 320
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und blieb die Nacht bei ihr, da sie nun mancherlei brauchte so ward ich oft geweckt, und weil ich denn gewohnt bin immer mit Gedanken an den einzuschlafen den ich lieb hab – es war Montag Nacht, weißt du nichts davon? Wie wenig kennst du mich Arnim! Ach wie wenig wenig kennst du mich: sieh wenn ich das nicht wüßte, ich würde über deinen Unglauben erzürnt seyn, willst du auch die Hand in die Wunde legen eh du an Gott glaubst, – Seelig sind, die nicht | sehen, und doch glauben. Ei freilich drehte ich mich mit deinem Brief auf einem Absatz herum und flog damit vom Comtoir in mein Zimmer, denn was konnte mich flincker machen als die Begierde ihn zu lesen; freilich ward der Trieb zur Erhabenheit (wie Du dich ausdrückst) recht machtig in mir, denn ich mußte mit flüchtigen Gedanken einen Stoßseufzer zum Himmel schicken, noch eh ich den Brief erbrach, aus Freude daß du mir zuerst geschrieben hattest, freilich freilich ward mein Muthwille im höchsten Grad rege, was kann mich lustiger machen was kann mich mehr ergözen, als der Augenblick in dem du mich liebst, und denn du mir so freiwillig gestehst. – und dieß dauerte bis hier an dieß Capitel, wo du mich ordentlich herunter machst; schäm dich! weist du warum dir nur bei mir ein fällt was dir nie bei andern Mädchen eingefallen ist. weil ich dich nicht lieb hab wie andre Madchen, und weil du das noch nicht verstehst, und weil Du mich nicht lieb haben sollst wie Andre sondern ganz allein wie mich. Ich hab Musick lieb sie ist mir werth wie das Leben, sie kann mich erfüllen, so auch die freie Natur der Sommer draußen wo keine Menschen^hände gearbeitet haben sondern nur Gottes Hand sichtbar ist, so auch Goethe dem ich werth und erfrischend bin, keines dieser 3 könnte dich mir ersezen oder mich trösten, wenn du mir verlohren gingst, du aber auch nicht über sie; so treu bin ich, und will ich ewig sein Ihr steht wie Seulen aufrecht in meinem Herzen wenn eine sinkt stürzt der ganze Tempel ein und zerschmettert mich, was willst du nun mehr; wenn ich dir sag, daß an Dich, Pfeiler! mein Altar erbaut ist, geh! glaubs doch daß ich dich lieb habe mehr als von einem menschlichen Herzen erwartet wird. mach mir den Kummer nicht mehr, daran zu zweiflen, weil es doch wahr ist, der Todt ist ohne dem ein blinder Simson. Wenn du mich um nichts anders stören willst als um die Saiten, die sind schon abgeschickt an Reichard, denn ich wußte ihre Addresse nicht, wir haben Briefe von Claudine über Clemens es ist nichts Tröst321
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liches darin sie meint es würde nie etwas gutes oder viel mehr nur erträgliches werden, es fing alle Tag von vorne an, immer die alte gelt die ist gut gemahlt. ich war gestern bei Voigt, hab seine Zeichnungen gesehen da ist unter andern ein Bildgen; ein dunkel blauer Vorhang davor steht ein Ruhbett, worauf Sie sizt, die Füße grad aus gestreckt, auf ihrem Schoos liegt Er, auch grad aus gestreckt und schläft, die Arme um ihren Leib, die Hände gelöst vom Schlaf und Traum, Sie schläft auch, den Kopf auf den seinigen gebeugt und umfängt seinen Hals träumt aber nicht, schläft recht sicher, auf dem Tisch stehen die Blumen, das Licht mit dem Schirm, die sind vergessen, von Denen, diese aber von der Welt, und sind allein glücklich in der Ruh, und wissen nicht daß ihr Bild noch alles auf dieser Erde verrathen kann was ihnen alles im innern wohlthut, denn sie schlafen ja und sind im Traum glücklich, und nicht auf Erden. – Arnim ich mögte viel geben, um daß Du ruhig schliefst und nicht mehr (mir das Herz) so schwehr träumtest, überhaupt hab ich den unwillkührlichen Zweck dir in meinem Herzen eine sichre Wohnung zu erbauen wenn ich nur recht reich wäre an allem was du bedarfst, aber man giebt ja Doppelt wenn man annimt von dem, dem man geben will, und so werde ich ja nie zu arm werden, und einer von Uns wird sagen: »Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein Du hilfst mir daß ich sicher wohne.« – aber welcher?? Sonntag den 31ten Heute ist mir nicht wohl lieber Arnim, ich wollte du wärst hier, im Zimmer, und sprächst mit mir, daß ich recht gewiß wüste, daß ichs recht ernstlich fühlte, daß wir uns Lieb haben und Freunde sind; heute Morgen hörte ich von einem Armen Mann dessen Frau ihm einen Knaben gebohren hatte, er war bei der Toni gewesen um Sie zu bitten ihn taufen zu lassen, da diese nun krank war so wollte ich gern es thun, ich ging mit Cr: Schlosser der mir grade in Weg kam zu den Leuten, als ich hin kam starb das Kindgen es hatte die Nothtaufe bekommen, der Vater weinte so bitter daß ich noch davon beklommen bin, und in meiner Traurigkeit dachte ich immer wenn Du nur da wärst! Warum bist Du nur fort! weißt du nicht daß die Zeit auch fort eilt, und nicht wieder kömmt; für mich nicht! gewiß nicht. Du gingst aber immer weg wenn ich dich lieb hatte, daß ist nun so mein Schicksal. Ich mögte wohl mit mehr Recht als die Israeliten fragen: Was war dir, du Meer daß du flohst? und du Jordan daß du dich zurück 322
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wandtest?, denn ich wollte ja nicht wie diese, trocknen Fusses durchwandern, um in ein besser Land zu kommen, ich wär gern drin versunken. man sieht doch daß ich viel in der Biebel lese. Bettine 95
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〈2v-2r aoR kopfstehend:〉 lieber lieber Freund! ich habe keine Papier knalle aus deinem Brief gemacht, ich hab ihn oft gelesen; schreib bald wieder, ich hab ihn mit genommen wenn ich zu Bett ging, wie Goethes Sonnette; schick mir auch die Blätter, die du mir nichts schickst weil du glaubst es mache mir keine Freude, alles alles von dir ist mir Liebe.
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Was soll ich dir denn schreiben da ich traurig bin, und nichts neues und freundliches zu sagen weiß, daß du mein guter, immer guter Freund bist, so wenig ich auch meinem Wesen nach Anspruch darauf machen kann; das weißt Du ja, und das muß so seyn, Da ich noch an deinem Arm durch die Straßen ging, (Ey was dünckt mich dieß eine geraume Zeit) da war ich zufrieden; alle meine Wünsche waren schlafen gegangen hatten wie die Berge ihre Gestaldt und Farbe in Nebel eingehüllt, ich dachte: so ging es, und weiter ohne große Mühseeligkeit vom Land in die hohe See, Aber Göthe im Feuer der Jugend ist man gewohnt an die Sitten des warmen Landes, man will nicht, daß wenn die Schattenfurchen sich über die Länder ziehen, daß die Nachtigallen schweigen, nein! singen soll alles, und was nicht singt soll freudig das Leben herbei ziehen und schwatzen, die Welt soll uns werden ein üpiger Fruchtkranz, glühen sollen wir; und nicht umsonst! alles soll sich drängen im Genuß, und aller Genuß soll Plaz haben im Leben, er soll sich ausgießen über den Menschen, wie gährender Most der braußend arbeitet biß er zur Ruhe kommt, indem wir dann unter gehen, wie die herrliche Sonne unter die Wellen geht aber auch wieder kommen wie sie, Du hast es mehrmal so gemacht Göthe, keiner weiß wie du mit Gott vertraut warst und was du herrlichen Reichthum von ihm erlangt hast. da sehen wir gern zu wenn die Sonne untergeht, wenn sie liebesbrünstig auf den Gebirgen Zuckt, und die Erde | alle ihr Gluth ein saugt ihre 323
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feurigen Flügel leise zusammen faltet und sie die Nacht durch gefangen hält, dann wird es still auf der Welt, und wir sehnen uns und begehren in allen Ecken, der eine will ein edles Herz, der andre einen schönen Leib, aber wie diesem so jenem, es zittert das Herz wenn man seelig soll seyn, denn dem irdischen Leben wird der Kopf abgehauen und wir scheiden eh wir den Willkomm gewagt. Hier in Fr: ist es schmuzig kalt naß Ungesund Verucht und abscheulich, und kein guter Kristenmensch bleibt gerne hier. Ich bin in Compositionen von Faust versuncken gestern schrieb ich das Lied »Ach neige du schmerzenreiche« – ich meine es müßte gut sein denn es hat mich innig gerührt – wenn es fertig ist will ich dir schicken – O wie viel hast du nicht für mich gethan noch eh du etwas von mir wußtest du tröstest mich über viel viel was ich begehr und nicht erlange, O wie bist du Gut Die Frau grüß ich. Riemers Sonnet kracht wie neue Sohlen, er soll meiner Geschäfte gewärtig sein und seinen Diensteifer nicht umsonst gehabt haben, könnt ich reimen, ich wollt ihn so verzäunen mit Reim daß Riemer nie durch konnte. Der Schneck ist und bleibt ein schmuziger Fantast Gelt ich machs grad wie Dein Liebgen schreib, krizel, mach Tintenkleckse und Orthografie^fehler, und denck immer es schadt nichts. hab ihn ja lieb. Du hast mir doch so einen artigen zierlichen Brief geschrieben. Bettine
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, zwischen 1. und 4./5. Februar 1808, Montag und Donnerstag/Freitag
Wenn sich alles so vom Herzen in die Feder buchstabieren ließ so würdest Du manches Blatt von mir bei Seite legen, denn immer wieder von mir und immer wieder von dir und einzig von meiner Liebe zu Dir das macht Langeweile, Oft hab ichs in den Fingerspizen ich mein ich müßte Dir erzählen was ich Nachts von Dir geträumt hab, und Denck nicht daß Du für anderes in der Welt bist. Wir lesen im Egmont, und sagen: Herrlich, und unter Tausenden versteht einer, daß du die Liebe erkanntest wie sie selbst selten den 324
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Zwischen 1. und 4./5. Februar 1808
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Menschen erkennt. O wie ist alles so schön in Dir, wie rauschen die Lebensströme so kräftig durch dein erregtes Herz, und stürzen sich mit Macht in die kalten Wellen deiner Zeit, und brausen auf, und befruchten die Thäler, und die Berge, das sie rauchen von Lebenswuth, und die Wälder stehen mit glühenden Stämmen an deinem Gestade, und alles was Du nur anblickst, wird herrlich und Lebendig (Gott wie gern mögt ich jezt bey dir seyn, wie gern wollt ich die Fittige senken, und mich gelassen der stillen Almacht deiner Augen ergeben,) nur der dir am nächsten ist, der fühlt dich nicht, der Mensch! Der Mensch ist aber auch zu jeziger Zeit, ein wahrer Gerning der immer spricht wir übrigen Gelehrten, und ganz wahr spricht, denn er ist übrig Ich wollte mich lieber Tod wünschen, als übrig seyn, ich bin es aber nicht, denn ich bin Dein, weil ich dich erkenn in allem Ich weiß daß wenn sich die Wolken vor den SonnenGott lagern daß er doch bald wieder mit glänzender Hand sie Nieder^drückt, ich weiß daß er keinen Schatten duldet als den er under den Sproßen und Bäumen seines Ruhms sich selber sucht, ich weiß daß wenn er sich über den Abend weg^beugt, so erhebt er wieder in Osten das goldne Haupt – Du bist Ewig! – drum ist es gut mit dir seyn. Wenn ich Abends allein in meinem Zimmer bin, und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand werfen, zu weilen auch deine Büste erleuchten, oder wenn es schon still in der Stadt ist, in der Nacht, hier und dort ein Hund bellt ein Hahn schreit, ich weiß nicht warum es mich oft mehr wie menschlich ergreift, ich weiß nicht wo ich vor Schmerz hin will ich möchte anders als wie mit Worten mit Dir sprechen, ich möchte mich an Dein Herz drücken, ich fühl daß meine Seele lodert; wie die Luft so fürchterlich still ruht kurz vor dem Sturm, so stehen denn grad meine Gedanken kalt und still, und das Herz wogt wie das Meer. Lieber lieber | Goethe dann löst mich eine Rückerinnerung an Dich wieder auf, die Feuer und KriegsZeichen gehen langsam an meinem Himmel unter, und Du bist wie der herein^strömende Mondsstrahl. Du bist groß und herrlich und besser als alles was ich biß jezt erlebt hab, Dein ganzes Leben ist so gut. Arnim ist in Heidelberg, wo er den Druck des zweiten Theils vom Wunderhorn besorgt, wir schreiben uns oft, Liebesbrieflein, er hat mich sehr lieb um mein und Deinetwillen, ich hab ihn auch lieb, aber um sein selbst willen, denn er hat ein frisch lieb Angesicht, und ein tapfer Gemüth, und ein edel Herz was kann man anders machen, hinten und vorne steht der Tod, da muß man sich freilich das Leben herbei 325
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ziehen, um ihm zu trozen, und er ist so friedlich er besänftigt mich wenn ich stumm und traurig bin, und hat ja auch ein lieb Lied gemacht »Lieben und geliebt zu werden ist das gröste Glück auf Erden« Adieu mein Herr und Meister, über die Angelegenheit der Fr von Schoppenhauer werd ich nächster meinem Minister Riemer Auftrag und Aufklärung geben. Bald werd ich Dir auch Musick schicken. Bettine
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Küß mir deinen Sohn und meine es wär ich. Die Frau grüß ich von Herzen. 2v
An Geheimenrath von Goethe fr. Weimar
298.K An Johann Daniel Engelhard in Kassel Frankfurt, erstes Drittel Februar 1808 1r
Ich habe Sie eine Weile warten lassen mit der Rücksendung Ihres Plans und dieß zwar nicht aus Mangel an Zeit, sondern weil es mir hart ankam mich über Liebe, und Gott, und Wahnsinn, von welchen Sie mir in Ihrem Brief sprechen zu erklären, Ich muß Ihnen sagen mein Freund Ihre Art mein Gemüth zu begreifen und dennoch zu lieben ist mir unbegreiflich Sie glauben an nichts; und leiten alles Herrliche (mithin auch die Liebe) aus nichts. Ich glaub an alles weil ich Berge versezen will und liebe, weil ich ohne die Liebe nichts hab. Daß ich mich verirrt habe wie Sie meinen, glaube ich nicht, denn ich bin auf der großen Heerstraße der Cristlichen Religion, auf welchem Tausend Völker mit mir wandern, und Trost und Freude erlangen, schon um meine Zeit nicht zu schwächen mögte ich keinen andren Glauben haben. – Griechenland ist und bleibt Griechenland, abgeschloßen und fertig ein herrliches Kunstwerck, dessen Meister zeitlich abgestorben, und ewig in Ruhm erblüht. – ein jedes einzelne Ringen noch mit hinein aufgenommen zu werden, ist durchaus untüchtig, ein Verachten unserer Zeit, unseres eignen Herzens, ein Nichterkennen der Almacht Gottes die sich überall herrlich wohlthuend 326
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gnadenreich erweist, ein Diebstal an fortstrebender Bildung des Lebens. – Was kann ich noch sagen? O daß doch jeder aus
*298. An Johann Daniel Engelhard in Kassel Frankfurt, erstes Drittel Februar 1808 Johann Daniel Engelhard an B, 11. Februar 1808:
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Warum soll ich glauben, daß Sie in Wahnsinn leben und sprechen? 〈…〉 Sie sagen, daß ich alles aus nichts leite 〈…〉 Ihre eigenen Worte, als: »ich wandre auf der großen Heerstraße der christlichen Religion, auf welcher Tausend mit mir wandern und Trost und Freude erlangen«, ferner: »ich liebe weil ich ohne die Liebe nichts hab« 〈…〉 Am meisten schmerzt es mich, daß Sie nicht begreifen können, wie ich Sie nach meiner Ansicht Ihres Wesens lieben könne 〈…〉 Ihre Anmerkung zu dem Plan, Göthes Familie betreffend konnte ich anfangs nicht begreifen (Nr. 307,5+20-43).
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 1. Februar 1808, Montag
Siehst du da bin ich wieder, und plag dich, hab doch gar nichts zu sagen als was ich alle Tage sag: Arnim lieber Arnim! Ich bin seitdem Du weg bist, noch nicht aus dem Hauß gewesen, auser bei der Fr: Goethe in meinem Zimmer, scheint es mir dich so nah zu haben, daß ichs nicht wage, einen ganzen Abend weg zu bleiben, Ach die Liebe ist eine Gabe Gottes seelich wer Doppelt erndtet was er gesäet und immer wieder säet was er erndtet. und immer die Fülle hat, und nie genug. Wenn der Gärtner eine Blume recht schön und in voller Pracht erziehen will, schneidet er das überflüssige Gezweige und Wurzel ab, ja er läst sogar nur eine Knospe zur Blüthe kommen soll ich auch mir das überflüssige Leben abschneiden? um das die eine Blüthe, die ich so werth und lieb halte, recht einzig schön und herrlich werde? wenn aber als denn die einzige Blüthe mißglückt so ist die ganze Pflanze hin. Gestern hab ich an Goethe geschrieben, mit mehr Eifer als je, was will das heisen? Ich denke wenn man ein Herz recht ernsthaft liebt so 327
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liebt man die ganze Welt, und sie wird nur ein Spiegel für das geliebte, wie der Strom für seine Ufer. Du lieber bester, du wunderbarer – dem ich gern noch viel sagen mögte da kömmt Hofmann Bettine 1v
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An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei Hrn Zimmer Heidelberg
*300. Von Claudine Piautaz nach Frankfurt Kassel, zwischen 2. und 8. Februar 1808, Dienstag und Sonntag B an Ludwig Achim von Arnim, vmtl. 9. und 10. Februar 1808: Claudine schreibt daß Auguste recht ordentlich alle Tage mit einem Halstuch erscheine, und ziemlich dehmüthig aussehe daß sie einen musikalischen Thee gegeben habe, wo sie sehr schön gespielt Clemens sey da bei gewesen und habe sich sehr darüber gefreut. das bedeutet wo nicht, ganz gut Wetter; doch zum wenigsten daß es nicht mehr in’s Hauß hinein regnet, dafür sollen sich Lulu und Jordis zuweilen wie die Kazen aufführen. (Nr. 305,73-79.)
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 2. Februar 1808, Dienstag
Heidelberg d* 2 Feb. 8. abzugeben bey H. Buchhändler Zimmer. Ich bin vielleicht ungerecht, liebe Bettine, aber Du bist nicht gerecht, daß du so lange nicht schreibst; ich glaube, wenn Du es Dir nicht vorgenommen hättest, du wärst – wahrhaftig ich mein, Du bist mir nur aus Eigensinn gut und wenn Du glaubtest, daß ich Dich recht lieb hätte, so würdest Du mich bald vergessen haben. Die Frau Kreutzer fragte mich neulich in der Folge ihrer Fragen über Dein ganzes Haus, ob Du noch so lebhaft wärst? Weist Du, daß Du mir beym Abschiede 328
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sagtest, daß ich dein Leben wäre, da wäre ich ja sehr lebhaft, und Kraft dieser Lebhaftigkeit sage ich Dir, daß Du nicht zu leben weist, da Du nicht schreibst; ob es wahr ist, weiß ich nicht, es ist nur gesagt weil ich sehr lebhaft bin, man kann erstaunlich viel thun u〈〈nd〉〉 noch mehr unterlassen, wenn man sehr lebhaft ist, besonders das Schreiben. Ich habe kein Versprechen vergessen, daß ich aber noch keine Kringel gesandt, das entschuldige bey Meline mit der Unmöglichkeit sie aufzufinden und finde ich sie, so fürchte ich immer ich bring sie nicht ganz nach Hause. So geht es mir immer, wenn ich den Kindern von Görres was bringe, je länger der Weg, je schlimmer für sie. Wenn der Himmel es nur mit seinen Wohlthaten nicht auch so macht, – wissen wir es doch nicht 〈mehr〉. ........... Morgen ist grosses Concert, wo ich den Flor hiesiger Frühlingsluft in lebendigem Weltathem schweben sehe; wie selten hast Du mir etwas vorgesungen und wahrscheinlich singst Du Dir jezt wieder ein Fieber um in Georgs Concerte ausserordentlich zu seyn. – Schone Dich, liebe Bettine, sey einmal ordentlich und schreib; ich küsse Dich doch in Gedanken Achim Arnim. No 2
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An Fräulein Bettine Brentano zu Frankfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 4. oder 5. Februar 1808, Donnerstag oder Freitag
Ich kann nicht begreifen warum mich der Himmel so straft? sollten meine zwei Briefe verlohren gegangen seyn? es ist unmöglich! ich öffnete mit klopfendem Herzen dein leztes Blatt, ich dachte du würdest erfreut über meine Liebe recht viel freundliches schreiben, nun find ich aber nur unverdiente Vorwürfe, und Unglauben, der mich mehr kränkt, als wenn du gar nicht geschrieben hättest, wenn du denn so geringe Idee von meinem Herzen hast, als hätte ich dich nur aus Eigensinn lieb, so sollst du mir gar nicht mehr gut seyn so will ich nichts von dem Liebhaben wissen, bilde dir nur immer ein was du willst, fas329
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sest du doch nicht einmal ein Herz das sich dir fest anschmiegt. Gestern den ganzen Tag war ich ungedultig die Post war ausgeblieben, Abends dachte ich noch; gewiß hat er dir geschrieben, hättest du nur den Brief jezt, du könntest so froh einschlafen könntest so recht alles durchträumen was er dir liebes sagt, warum Die Post nur heut ausbleiben mußte? nun weiß ich’s wohl warum sie ausgeblieben ist, ich sollte nur eine traurige Nacht ersparen. Zweimal hab ich dir geschrieben; eine Antwort auf deinen ersten Brief, und gleich den andern Tag, schrieb ich auch, da kam Hoffman und ich schickte den unterbrochnen Brief so fort, an Hrn Büchhändler Zimmer addressirt, frag ihn, vielleicht sind sie bei ihm liegen geblieben, und es wird dir dann leicht werden, einzusehen daß ich nicht ungerecht bin, daß ich nicht so leb haft bin, um nicht schreiben und leben und lieben zu können, was dir sonst schwehr werden mögte, ich kann dir gar nichts mehr sagen, ich bin so aergerlich; es braucht nur diesem Brief auch so zu gehen wie den beiden andern, um daß Du mich für recht leichtsinnig für eitel, ja für etwas hälst was ich gar nicht sagen mag | und doch! ich muß dich noch lieb haben, ich muß dir noch um den Hals fallen und dir tausend mal Adieu sagen, ehe ich diesen Brief fort schicke, ja du bist mein Leben! lerne nur auch so lebhaft lieben, als du lebhaft unrecht thun kanst du böser Guter, der mir doch wohlgefällt, weil er so böse seyn kann, es ist ja um meine Liebe um die du zankst, gelt du hast mich lieb? gelt du hast mich recht recht lieb? ach was läst sich sonst viel fragen? Wär dein Himmel nicht weiter von Dir, als der meinige von mir seitdem ich dir gut bin, so brauchtest du auch nicht zu fürchten daß die Länge des Wegs, seine Wohlthaten zertrümmert wie Die Kringel für Meline. kömmst du denn bald wieder? morgen sind es 14 Tage daß du weg bist; Arnim Arnim! es ist dein eigner Wille daß Du nicht bei mir bist, wenn es nun endlich ein mal des Schicksals Wille wird ach ich fürchte mich vor der Zeit, wenn wir beide Den Bann nicht aufheben können werden, und ich mir nicht sagen kann; Er kann so leicht wieder hier sein, in einer Nacht. Ach du weißts nicht wie ich lieben kann, und wirst auch nie erfahren mit deinem Mißtrauen, geh nur hin, hör singen und klingen, ich hab erst zweimal gesungen in diesen Tagen, und sing mir kein Fieber um ausserordentlich zu seyn, du hörst ja nicht, ich hab dir so selten etwas vor gesungen weil ich keinen Muth hatte und keine Stimme; 330
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»denn gleich im ersten Augenblick »flog dir mein Herz entgegen ich war noch nicht im Concert noch nicht auf dem Bal nicht in der Oper während du weg bist, ich war zu Hauß bei Dir, und zu weilen bei Goethe dem ich geschrieben hab von Dir, ich war in stiller unbeweglicher Erwartung der Zeit die dich mir wieder bringen sollte, und sammelte mir alle freund | freundliche Erinnerunge〈〈n wie〉〉 ein Baum den Maythau, und ich war ruhig, und dachte es all ein^zusaugen nach und nach, und eine recht erquickliche kräftige Nahrung mir zu geben da kamst du aber wie ein recht bitterer scharfer Sturm, und schütteltest die bedächtigen und stillen Aeste, und wußtest nicht warum ich so still und bescheiden that, und alle Seegens Tropfen fielen wie Thränentropfen zur Erde. siehst du’s nun? dann sagst du zu mir schone dich liebe Bettine, und hast mich doch erst weg gestossen; Nein nein, ich kanns nicht verzeihen daß du mein Herz so schlecht glaubst daß es dich vergessen könnte wenn ich dächte daß du mich lieb hättest; ich frag dich; warum bist du mir denn Gut? wenn du so etwas glauben kannst? ich mag deine Freundschaft nicht wenn ich sie dir nicht abverdienen kann ich mag sie nicht wenn du mir nicht gut sein mußt um meinetwillen, sondern nur gut seyn willst. Ach lieber lieber Arnim wärst du nun hier, so könnte ein einziger Blick von Dir mich trösten. ich bin nicht von Schlossers Meinung der behauptet die Liebe soll keinen Plaz für alle übrige Beschaftigung eines edlen Lebens wegnehmen; ich will im Gegentheil sie soll uns ganz in sich verwandlen, es soll ausser ihr nichts, und nie was geschehen, es soll durch sie und in ihr alles wirken was uns herrlich macht. Du bist ja herrlich du bist ja gut du bist ja mein, was war ich denn sonst? Adieu ich nehme Deinen Kuß in Gedanken recht gern an und geb ihn treu wieder und nehme ihn aber auch wieder und heb ihn dir auf Bettine An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei Hr. Buchhändler Zimmer in Heidelberg
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, zwischen 5. und 20. Februar 1808, Freitag und Sonnabend
Mit nächstem Postwagen wirst Du einen Pack Musick erhalten beinah alle 4stimmig; also für dein Hausorchester eingerichtet ich Hoffe daß Du sie nicht schon hast, es ist alles was in dieser Art gestochen ist, sollten in Zukunft noch andre heraus kommen so schick ich sie nach, wenn Du Wohlgefallen daran hast. Stabat Mater von P: ist das was bis jezt von aller Kirchenmusick, (ich habe zwar wenig noch gehört) mir am meisten gefallen hat wenn Du Dir’s vorsingen lässest so denck an mich; Denckst Du noch zu^weilen an mich? – Ach wie kann ich’s begehren, mein Leben ist gar^nichts anders, als immer wieder durchleben was ich erlebt habe, bis endlich wieder neu gelebt wird, aber Du! Alle Juden schreiben; seit den neuen Gesezen ihrer Stättigkeit, von welcher die Frau Mutter schon Meldung gethan hat, es kommen oft lächerlich wizige Sachen dabey heraus. Alle Cristen schreiben aber über Erziehung es kömmt beinah alle Woche ein neuer Plan von einem neu-verheuratheten Erzieher heraus; mir machen diese Neuen Schulen vielen Spaß, ich geh bei^nah in jedes öffentliche Examen derselben, ins Judeninstitut geh ich sehr oft sie fangen an sich sehr zu bilden nennen sich Adele und Corrine, sprechen französisch, geben der Conversation ekliche Drucker mit italienischen Phrasen pp: Und Du mein theurer Herr wie lebst Du? Darf ich dich grüßen? nimst Du mein Zutrauen freundlich auf ? das von Deiner Güte gegen mich überzeigt ist. werd ich dich bald wiedersehen? mein Leben wieder fortsezen? Du schönster bester unbegreiflich liebenswürdiger, mächtig anziehend, und doch frei machend, der alle Liebe sorgsam bewahrt und doch in Fülle hat, immer sparsam und überfliesend großmüthig denn siehst du mit einem Blick kanst du Freude erwecken, kanst trösten, kanst befriedigen, weißt du das? – aber wer bin ich daß ich dich loben will. Bettine An Herrn Geheimenrath von Goethe Weimar
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 6. und 7. Februar 1808, Sonnabend und Sonntag
Heidelberg 6*. Feb. 8. Wie Stammernde plötzlich in eine lange Periode ausbrechen, so erbreche ich nach langem übeldeutigem Stillschweigen zwey liebe Briefe von Dir, meine liebe neue . Das sind drey Linien für heute. Für morgen schreibe ich gleich drey Linien dazu. Was erzählst Du mir vom Tode, du kleines lebendiges Wesen, ich habe genug Todte gesehen um Dir noch langes Leben zu versichern, genug, damit ich so lange ich lebe darauf keine grosse Rücksicht nehme, ich habe ganz andre Dinge zu fürchten und zu bedenken, inbesondre wie ich Dich lieben soll, wie keine andre und daß ich das noch nicht verstehe. Wär ich doch bey Dir Bettinchen, Du müstest mir Unterricht geben, sieh ich wäre so gelehrig in diesem Augenblick und wenn du mir beföhlest, ich sollte ein Pfund Federn durch ein Schlüsselloch blasen Dir zu Liebe, ich thäts nicht sondern ich küsste Dich, daß Du kein Wort sagen könntest. Sag mir nur, was soll ich denn so besondres thun, ich bin doch auch nur ein Mensch, wenn ich gleich wunderbar seyn soll. Ich hab es immer den Weibern angesehen, sie haben besondre Geheimnisse, einen geheimen Bund, es ist mir oft unheimlich geworden, wenn ihr euch so über uns weggesetzt habt, daß ihr uns nicht versteht, daß wir euch nicht verstehn. Da rede ich nun im Allgemeinen ganz artig, aber käme ich nun zu Dir und es begegnete mir so etwas, so würde ich ganz trotzig in mir, weil ich meinte Du kämst auf einmal mit einer geheimen Wissenschaft zum Vorschein, nach der Du um die Ecke sehen oder in die Ferne fühlen könntest, du kannst schreiben | und da fürchte ich, daß Du mich verrathen möchtest, wenn ich einmal was zu verrathen habe. Du bist eigentlich die Klügste unter deinen Geschwistern, nicht wahr? Und dabey hast du noch die Art sogleich damit in die Religion überzugehen. Laß mich doch gehn! Ja so sind alle Heidelberger, ich kann hier nicht anders, es kitzelt mir allerwärts, bald spreche ich wie Antönchen, bald wie die Erfahrungsseelenkunde, das macht, es ist Abend, ich will mich zu Bette legen, da wirst du mir eine ganz dramatische Person. Das sage ich Dir in meiner Person, um diese Zeit bist Du mir ganz besonders nahe, ich werde gleich eine neue Bücherschanze aufwerfen. Da lese ich eben wie die Brunhilde ihren 333
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Mann lebendig als ein Bildniß in ihrem Zimmer aufhängt. So sind die Weiber! –
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Ich bin heute einsam den heiligen Berg hinaufgestiegen zu den Mauern, die nichts umschliessen und nichts bedecken, und wollte da die Natur suchen, an der keine Menschen hände sichtbar sind, wo Gottes Hand alles gemacht haben soll, von der du mir schreibst. Und ich sah alle Ufer der Ströme und das Land zwischen den Bergen und ich sahe in die Berge wo sie herkamen, wo die Wege sich verloren, und alles war voll Menschenwerk, die Bäume waren von Menschenhand gesäet, die Steine gesammelt, die Flüsse gelenkt, und | ich sahe Gottes Hand in der Hand des Menschen, der sein Ebenbild ist, – verachte den Menschen nicht und was er geschaffen, denn was ganz menschlich ist, das ist auch ganz göttlich, und das ist das Gesetz, was mehr ist als die Uebertretung. Auch die Natur ist nur gegen den wahr, der sie kennen will; dieses Lernen in Demuth ist das Glauben ohne Sehen, aber glaubet, so werdet ihr sehen. O ihr armen Eingesperrten, die ihr aus der Natur nichts als eine Verachtung gegen das heilige Alltäglige mitbringt, was euch umgiebt und die ganze Qual ewiger Betrachtung über euch, die Gott in seinem Schöpfungs^werke selbst in Verlegenheit setzt, weil ihr ihm unwillkührlich zuruft, wird es denn nichts weiter, wie hab ich das schon besser gedacht. Das alles ist wiederum keine Strafrede, es kann nur so sein und soll nur zeigen wie empfänglich ich bin für alles Unmittelbare, was in der Welt vorhanden, was da nichts will, sondern durch sein Daseyn in der Welteinigkeit ganz und vollständig vorhanden, das in seiner Liebe alle erkennt. Gebt dem | Keiser, was des Keisers ist und Gotte, was Gottes ist, das heist macht euch erst allen Menschen gleich, eh ihr euch über sie erhebet. – Kein Baum kann sich selbst beschneiden, das wirst Du mir zugeben, ein solcher Schneiderbaum wäre so merkwürdig wie ein Mensch, der sich selbst erzeugte, jeder Baum hat alles lieb, was an ihm treibt, die Blüthe, die ihn verherrlicht, das Moos das ihn verdirbt, aber der Weltathem zieht hindurch, er stürmt das Moos ab und die trocknen Zweige, daß der Baum nicht verderbe, und die Blüthen, daß Früchte kommen. Mit der Blüten und Wurzelabschneidung laß es also bewenden, das ist unmöglich, ich bin auch kein Gärtner für Menschen, die ihre Blüthen darauf ansehen, ob es nicht eigentlich besser wäre sie abzuschneiden. Sieh ich leg Dir alles zum Schlimmsten aus und das macht, weil ich Dir so gut bin, ins Meer sieht man bey gutem Wetter viel tiefer als in irgendein stehendes Ge334
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wässer, so mag meine Liebe entweder ein Vergrösserungsglas seyn, oder Du so groß und mannigfaltiger daß viel darüber zu sagen wäre, wenn ich nur Zeit hätte. Kaum habe ich noch Zeit Dich zu küssen, Achim Arnim No 3 An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. Franz Brentano in der Sandgasse Frankfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim nach Heidelberg Frankfurt, vmtl. 9. und 10. Februar 1808, Dienstag und Mittwoch
Es ist alles im Haus schon schlafen lieber guter Freund! und nun hab ich mir den Tisch an Ofen getragen, um dir noch zu schreiben gelt du hast jezt meine Briefe, und nicht mehr daß ich dich nur aus Bequemlichkeit und Eigensinn liebe? gelt wir denken beide an einander und haben uns fest lieb im Herzen, gar manches ist in dem meinigen schon erschienen und wieder verschwunden und wieder erschienen, du darfst nicht entlaufen, mußt ewig in Galla (mit lebendigen Farben) drinn stehen. Lieber Arnim! jezt wo alles still ist; wärst du hier! – könnt ich deine Hand küssen! könnt ich es mit eignen Augen sehen, daß du mir gut bist, und grad in dieser Stunde recht gut bist. – Was will der Mensch? – ich frag dich? was will er? – das was er will darf er nicht sagen, denn was das Herz verbirgt, das hat es gewiß, aber was es mittheilt, das hat es nur noch zum Theil, und wohl am End wird es ihm ganz entrissen, drum will ich dir nicht sagen, was ich gern will, weil ich lieber will, was ich nicht hab, als hab was ich nicht will. gelt du meinst ich mach da Possen? – Deinen lieben Mund, deine Augen, deine Hand, die oft gern von meiner sich fest halten ließ, die hab ich lieb, denn sie sind mir werthe 335
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Freunde sie haben mir das Leben so süß gemacht, während ich mit ihnen war, so süß wie du es gar nicht glaubst und hab noch Freud dran, und mein oft noch ich hielt die Hand, wenn ich grad so still size und in Gedanken mit dir sprech. Deine Lieder o die sind mir ein wahres Heil, in meiner Liebe, das weißt du auch nicht, wie ich oft alles überdenck was ich von dir gehört hab, wie ich erst mitten drinn bin, während ich sie höre, wie ich mit springe, reite, lache, tanze und weine, und wie ich nachher an die kräftige Zeit denk in der ich so wohl gelebt hab. Deinen Ernst hab ich lieb, dein Brummen hab ich | lieb, dein Mißtrauen hab ich lieb, aber dein Lachen und scherzen nicht immer, nicht immer! hörst Du! wenn ich dir dienen kann zu Trost oder Freud so laß es geschehen es macht mich glücklich, und nehm mich an so wie ich bin, und laß meine Liebe gedeihen in deiner Hut daß sie groß und herrlich werde, wie die größte Ceder auf dem höchsten Berg. und Gute Nacht, jezt hab ich genug geschwäzt, will dir zuhören im Traum und du sollst mir heut Nacht einmal die Wahrheit sagen wie es steht mit deinen Träumen, ob du immer noch dich in Norden träumst, so natürlich, daß du ordentlich einen grössern Aufwand von Wärme, brauchst, als wir in unserm Klima bedürfen. Bettine.
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O du brummiche Natur! da erbreche ich eben deinen lezten Brief in dem du doch so ziemlich geneigt seyn solltest mich freundlichst zu behandlen, mir Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, da hältest du dich aber über allerley Gedanken von mir auf, und behandelst meine Worte noch so vielseitig als wenn ich alle Wissenschaften und Philosofen studirt hätte, da ich doch nichts weiß (und zwar ganz von mir selbst ohne deine Weisheit) als das Lieben, wenn ich Dir von den Werken der Hand Gottes spreche, so sind es angenehme Schattige Wälder in denen mirs wohl zu Muth ist wie bei Dir; so sind es schöne klare Wasserströme, in denen ich mich baden mögte und untertauchen und untergehen, wie ganz in deinem Andenken; so sind es grüne üppige Wiesen, auf denen ich als ein Lamm weiden mögte Nahrhafte Kräuter, wie von deinem Mund wahre herzernährende – Worte und Lehren., – du bist ja so lehr^reich, sonst hätt ich lieber einen Kuß als eine Predich. – so sind es mir endlich schöne ferne blaue Berge, wie du mir ein blauer Berg bist dort in Heidelberg nach dem ich alle Morgen mit neuer Sehnsucht blicke, hinter dem mir alle Abend meine Sonne untergeht, zu weilen trüb zu weilen glänzend, von dem ich immer sagen muß; ach wär ich ein
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mal dort oben. und endlich werd ich mich auch ein mal auf machen und werd ihn erklettern. diesen heilichen Berg auf dem doch nur Gottes Hand sichtbar ist und alle Wege sich in seine Seeligkeit verlieren, Du Kurzsichtiger. die Kraft wird mir der Himmel verleihen daß ich dein Herz ersteige, und jezt sey still und ruhig hier von, Du meinst ich wär am klügsten unter meinen Geschwistern; ich bin gar nicht klug, wenn mich jemand sähe, wie ich Papier küsse, deine Briefe so recht herzlich, er würd mich Unglug nennen, ja total Närrisch. Adieu es kommt gleich ein neuer Musickmeister zu mir den ich noch angenommen habe. um die Zeit schneller um zutreiben die dich von mir entfernt hält, wenn du wieder da bist, wird mein Herz wie Eisen^gewicht, sich an jede Minute hängen. und wenn sie denn auch schnell vorüber geht, so wird sie doch mehr Kraftvoll seyn müßen. Mein Lied aus dem Faust ist jezt fertig mit Accompagnement es hat mich viel Mühe gekoßtet. Clemens schreibt nicht, Claudine schreibt daß Auguste recht ordentlich alle Tage mit einem Halstuch erscheine, und ziemlich dehmüthig aussehe daß sie einen musikalischen Thee gegeben habe, wo sie sehr schön gespielt Clemens sey da bei gewesen und habe sich sehr darüber gefreut. das bedeutet wo nicht, ganz gut Wetter; doch zum wenigsten daß es nicht | mehr in’s Hauß hinein regnet, dafür sollen sich Lulu und Jordis zuweilen wie die Kazen aufführen. sie kommen her in drei Wochen. hast du noch was zu fragen so sags sonst mach ich zu! Ich hätt noch manches zu fragen und zu sagen, du lieber LebensAthem der mir so nah ums Herz weht das er mir den Athem versezt man sollte ja denken, ich sey ganz vermooßt so stürmt deine Liebesbezeigung in mich hinein. Eben kommt mein Meister Adieu; da hast du auch ein schön Bäumlein zum moosigen Andenken Bettine
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*306. Von Clemens Brentano nach Frankfurt Kassel, vmtl. zwischen 10. und 13. Februar 1808, Mittwoch und Sonnabend B an Ludwig Achim von Arnim, Mitte Februar 1808: Clemenz hat mir einen
traurigen Brief geschrieben er sagt mir daß es seit jener Hauptscenen schon wieder einige mal auf dem selben Fleck war, daß sie nun mit grosser Erfindung neue unmöglichkeiten an fängt. (Nr. 309,52-53.)
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Von Johann Daniel Engelhard nach Frankfurt Kassel, 11. Februar 1808, Donnerstag
d* 11ten Februar 1808. Ich muß Ihnen um so eher wieder schreiben, als ich sehe, daß ich in meinem letzten Briefe durch meine Schuld Misverständnisse veranlaßt habe, welches mir sehr wehe thut. Warum soll ich glauben, daß Sie in Wahnsinn leben und sprechen? wegen jenes Gleichnisses von Griechenland und Caledonien? – ich habe es schon bereut, als ich es kaum niedergeschrieben hatte, auf jeden Fall wollte ich statt Wahnsinn, Irrthum sagen. Ich verstehe Sie freylich zum Theil nicht, aber deshalb werde ich nicht an Ihnen irre werden. – Auch habe ich durch jene Gegensätze nicht behaupten wollen, daß wir gerade ein treues Abbild der Griechen seyn und werden müßten, oder auch nur seyn könnten, das was aber bey ihnen am vortrefflichsten ist, bleibt auch uns erreichbar, wenn es gleich bey uns ein anderes Gewand anzieht, – und ich kann mir nicht denken, daß Sie hierüber anderer Meynung sind. Wo ich dieses vortrefflichste nicht finde, habe ich Muth genug es hervorbringen zu helfen und verlaßen mich dabey meine Kräfte, so laufe ich ihm nach, wo ich es sonst in der Welt finde. – Sie sagen, daß ich alles aus nichts leite, vielleicht deswegen weil ich schrieb, daß der Trieb zur Glückseeligkeit in nichts andern gegründet zu seyn scheine, ich habe damit ausdrücken wollen, daß er seinem Ursprunge nach nicht weiter von Menschen erkennen laße. Wie sehr übrigens dieser Grundtrieb die | Ursache alles menschlichen Thun und Trachten ist, beweißen zum Theil Ihre eigenen Worte, als: »ich wandre 338
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auf der großen Heerstraße der christlichen Religion, auf welcher Tausend mit mir wandern und Trost und Freude erlangen«, ferner: »ich liebe weil ich ohne die Liebe nichts hab« – warum wollen Sie denn etwas haben? – Wenn in meinem Briefe steht ich glaube überhaupt an nichts, so stände besser, ich glaube überhaupt nicht. An nichts glauben, heißt gewißermaßen doch an etwas glauben. – Doch laßen wir das. – Am meisten schmerzt es mich, daß Sie nicht begreifen können, wie ich Sie nach meiner Ansicht Ihres Wesens lieben könne, Sie erscheinen mir außerordentlich gut, außerordentlich geistvoll und sehr edel, welche drey Dinge auf eine wunderbare Weise in Ihrer körperlichen Bildung ausgedrückt sind, deshalb liebe ich Sie und das stimmt auf das vollkommenste mit den Grundsätzen, die ich gegen sie geäußert habe. – Aber der Himmel weiß, was Sie jetzt von mir denken, es ist mir als hätten Sie alles Zutrauen zu mir verlohren, ach! werden Sie nicht an mir irre, ich bin Ihnen so unendlich ergeben. Ich wollte, Sie könnten ganz in meine Seele sehn. – Ihre Anmerkung zu dem Plan, Göthes Familie betreffend konnte ich anfangs nicht begreifen, denn ich habe ja den größten Theil der linken Seite des Landhaußes zum Ge|brauch der Frau von Göthe bestimmt (wozu also auch das Stübchen ihrer Kammerjunfer gehörte), als ich aber nach sah, bemerkte ich, daß ich den Buchstaben M, welcher das Haupt- und Wohnzimmer der Frau von Göthe bezeichnete, in der Beschreibung vergessen hatte. – Leben Sie wohl – ach! wenn ich nur wüßte, was Sie jetzt eigentlich von mir denken. Ihr D. Engelhard.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach in Frankfurt Heidelberg, vmtl. 12. Februar 1808, Freitag
Heidelberg ich glaube d* 12. Feb 8. Liebe Bettine, was hast Du für eine unglaubliche Kunst Dir selbst alles gut zu machen und die Schuld dem andern ins Gewissen zu schieben, Du kannst nie unzufrieden seyn. Wie du lachend sagst: »Gelt heute bin ich einmal wieder recht unartig gewesen, aber Du bist ja heute wie von Holz!«, so muß ich am Ende die ganze Schuld tragen, daß Du nicht ge339
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schrieben; werde ein bittrer, scharfer Sturm genannt, als wenn ich Dir die Feder aus der Hand geweht. Du machst es mir zum Vorwurf, daß ich dich strenger beurtheile, beschwatze, beträume, als Du Dich selber, das zeigt, daß ich Dich lieber habe als du dich selbst. Was ist die Liebe, die weichlich nur immer dahin strebt, sich das Schönste vom andern einzubilden, leerer vergänglicher Schaum, wie die Arbeiten der meisten Mahler unsrer Zeit, Mahliaden; was nicht in der Gesammtheit geistiger Kräfte in der Fantasie wahr geprüft worden, das lebt noch kein eigenthümliches Leben. Ich habe gegen die Art Einbildungen, von denen die Leute nachher sagen; es war ein schöner Rausch, ich bin nun über die Liebe hinaus, es war ein Fieber, einen unüberwindlichen Ekel bekommen, nachdem ich mich selbst auf dergleichen Eitelkeit in früher Zeit befangen; ich will einen Freund lieber für schlechter halten als er ist als für besser, so lerne ich gewiß sein bestimmtes besseres wahres Daseyn kennen, während ich dort nur meine Seifenblase immer weiter blase, bis er hinein greift und alles verloren. Das Beste ist freilich ihn ganz zu kennen, wie er ist. Wenn ich Dich nicht so ganz, wenigstens nicht immer erkenne, so gieb mir nicht ganz die Schuld; es läst sich freilich aus mir die Erfahrung eines mannigfaltigen Lebens nicht wie Spinngeweb mit einem flinken Rauhkopf frischer einziehender Bewohner abnehmen, die mir das Festeste in thörigter Vergänglichkeit und Nichtigkeit zeigte. Das gesteh ich, gesteh Du mir aber auch, daß ich nicht der Einzige | bin, der Dir unrecht gethan, ja daß in denen selbst, die Dich umgeben, und in den meisten, die Dich kennen, viel grössere Mißverständnisse über Dich vor walten. So äusserte ich Dir meine Verwunderung über die Art, wie Du von der Günterrode sprachst Tieck vielleicht nicht, aber er hatte es doch vielmehr gefühlt als ich und fing mit mir davon an. Nun fand ich freilich, daß eigentlich dieser scheinbare Leichtsinn nichts als ein Abstumpfen jenes Gefühl war in manchem andern zwischentretenden, vielleicht auch die Schwierigkeit es gegen andre auszudrücken die sie nicht kannten, oder gegen andre, die es nicht verstanden; aber wahr ist es doch, daß Du in diesen Augenblicken alle diese vergessen, als gingen sie dir gar nichts an und das gehört nicht zu der Liebe, von der Du im Briefe sagst, daß sie in sich alles verwandle, daß ausser ihr nichts und nie was geschehe, es soll durch sie und in ihr alles wirken, was uns herrlich macht. | Eine Sinnesart die ich achte und die recht verstanden der Schlosserschen ganz gleich ist, daß die Liebe keinen Platz für alle übrige Beschäftigungen eines edlen Lebens wegnehmen soll, denn wo sie das thäte, sie 340
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störte, da ver^wandelte sie nicht alles in sich, so wie sie dann überhaupt eine höllische Verführung und eigentlicher Sündenfall wäre, ich würde mir jeden Augenblick vorwerfen, den ich ihr in diesem Sinne nachhinge und wäre nicht schon die jezige Bedrängtheit meiner Einnahmen durch den Krieg ein hinlänglicher Grund gewesen, mich von Frankfurt hieher zu begeben; der innere Vorwurf hätte mich schon bestimmt, daß ich meiner Freude Dich zu sehen, Dich kennen zu lernen, ein mir achtbares Geschäft aufgeopfert hätte. {Es ist solcher Drang in der Druckerey, daß ohne meine Anwesenheit nichts zustande gekommen.} Daß ich herrlich mich mache, daran liegt gar nichts, wenn ich ganz herrlich muß ich in die Erde, daß ich ich aber möglich gut mache, was länger lebt als ich und in seiner Wirkung unendlich daran liegt alles, Seel und Seligkeit. | Du wirst mich darum keinen Kaledonischen Eisberg nennen (Engelhardt); was ich will und kann, das muß ich und wie der Magnetisirte durch Mauern sieht, so seh ich durch der andern Menschen Willen wie durch Glas und er beschränkt mich nicht und ich beschränke keinen andern. Die Zeit hetzt ihre Hunde auf mich, ich steh wie ein Eber allein sicher in einem Welteckchen und hauen auf die Nächsten, die mir zu nahe kommt; an ein Lager und Ruhestelle darf ich nicht denken, denn weil ich müd bin würde ich darauf einschlafen und wenn ich mich auch schützen könnte, so machte es doch diese Ruhestelle unruhig. Alle Noth die uns allein trift ist erträglich, aber unerträglich die gemeinschaftlige, die wir mitveranlasst. Des Ajax Tod auf dem Felsen ist erträgliger als das Leben des Ulysses, als er seine Gefährten fressen sieht. Sieh noch eins in meiner Natur. Ich habe einen Haß gegen den Dresdner Hof, weil ich da vor dem Essen der Churfürstin | vorgestellt wurde, die Speisen sah, roch, und fortgehen muste um erst über acht Tagen davon zu essen. Wo ich Speise wittre und Hunger fühle, da will ich mich gemüthlich satt essen, was mir Seele und Leib zusammenhält, nicht Seele und Leib mit Begierde, Anstand, Sehnsucht, Pflicht entzweyen. Sieh, das empfinde ich, wenn Du mich küssest, erst gefällts mir, daß mich jemand nach seinem Willen lieb hat, dann ergrimme ich, daß ich nicht meinen Willen auch üben soll. Ueberhaupt so wenig ich herrschen mag, so wenig kann ich dienen, ich hab es oft versucht, aber es ist etwas in mir, was die Leute nennen, der hat wohl einen Knochen im Rücken, daß er sich nicht bücken kann. Ich kann nicht erziehen und kann auch nicht erzogen werden. Du wirst es wissen, daß ich Dir oft gesagt, wenn Du mein Vertrauen fordertest, ich fürchte Dir manchen Kummer zu machen; | weist Du auch, wenn Du 341
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Vertrauen forderst, ob Du es ertragen kannst? Ich habe nie Vertrauen gefordert und habe mich nie eines freywilligen Vertrauens unwürdig gemacht, wenn es mir gleich hart angegangen fast wie Regulus, dem man dafür die Augen ausgehackt. Ey wie bist Du mir bös nach den Augen gesprungen über ein paar ernsthafte Worte – und da ist eben dein 90 zweyter Brief gekommen, da werd ich gar als Prediger abgefertigt, als eine brummichte Natur, als ein Philosoph, der an Worten knaupelt, {und wirst doch dabey selbst so philosophisch, daß Du von meinem Scherz und meinem Ernst ganz allgemein redest wie ein kleiner Schlegel.} Liebes Kind, du sagst, du magst meinen Scherz nicht; magst 95 du meinen Ernst nicht verstehen, was ist dir denn noch lieb an mir, du küssest das Papier um das zu verwischen, was darauf geschrieben. Was ich Dir geschrieben habe kann alles leere Einbildung seyn in meiner Einsamkeit eine Art unterirdischer Pflaze, die nicht grün, sondern weiß, beweise das, halt Licht gegen, zeige daß du fröhlich bist 100 unter Göttern ein Gott, | dann darfst Du des menschligen Ernstes und seiner Sorge spotten – davon fühle ich aber nichts in Deinem Briefe. Du schickst mich fort wie Du es oft gethan, wenn Dir irgend ein Ausdruck von mir ungelegen kam und magst mich in diesem Augenblicke schon verketzern, wie damals als Du mir keine Frage an Hoff- 105 mann erlauben wolltest, wie er seine extemporirten Clavierspiele entwerfe, Du hieltest die für göttliche Eingebung, ich fand darin nicht mehr göttliche Eingebung als in den meisten Predigten, die ich habe gehört! – 110
Weil nun das Zarte, das Moos, die Welt beherrscht auf ihren himmelnahenden Punkten, so sey tausend^fach gedankt für dein liebes Andenken, mag ich alles Unzarte gut machen und Dein Wohlwollen wiedergewinnen mit dem Büschel von den Platten des zerbrochenen Kaiserstuhles, den ich vorgestern bestiegen habe, es ist der höchste 115 Berg dieser Gegend und ich glühte da einsam in recht starrender Kälte, es war so klar, daß ich tief in Frankreich hinein lauschen konnte, zwischen Frankfurt lag der Odenwald. O du Wald! Aber ich sah den Wald vor lauter Bäumen nicht und warf Dir eine Kußhand. Beym Herabspringen ritzte ich mir etwas den Fuß sonst hätte ich gestern getanzt, 120 der Ball war zahlreich und belebt unter andern von H. Trot aus Kassel, der Legationsrath in Studtgard geworden; die Mädchen haben hier sehr lächerliche Beynamen, eine heist der Grüne Teppich, weil sie zu einem Invaliden im Schloßgarten gesagt: Grausamer Krieger, warum 342
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hindert er mich den grünen Teppich der Wiese zu betreten! – Und doch möchte ich auch so sagen! Doch küsse ich Dich in deine Briefe Achim Arnim. No 4
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, Mitte Februar 1808
Du hast recht wenn Du nicht nach meinem Willen woltest geküßt seyn, so mußtest du fort gehen, und doch; hätt ich ganz nach meinem Willen handlen können! siehst du so hatt ich dich fortgezogen, ganz in einen dichten Wald, ich hätte dich vor keinem Menschen mehr sehen lassen ich wär eine Nixe geworden, und hätt dich unters Wasser gezogen, ja unters Wasser, ach wie lieb wie lieb wärst du unter den glaren Wellen! im grünen Meergras! Ach Arnim! spielen mögt ich mit dir immer^fort, so ernstlich lieb hab ich dich, aber dieß darf nicht seyn Du hast die Welt noch auf dem Herzen, die Du befriedigen mußt und wirst keinen Diebstahl an ihr begehen, um keines Willen ich hab dich auf’m Herzen mit samt dieser Welt, aber ich bin wie eine blinde Nachtigal die nicht weiß wann es Tagt und ewig um Liebe singt, weil sie sich immer im dunklen Wald glaubt in der Nacht. du wirst ja Mitleid mit mir darum haben und meinen Irthum mir nicht zur Last legen. Wenn der Bergmann plözlich eine reiche Goldader findet, freut er sich, obschon sie nicht sein eigen wird blos um des Fundes willen; wenn ich vor Zeiten fröhlich war oder betrübt, um deinetwillen wenn Du schriebst, und ich alles nach lebte was Du erlebt hattest, so war ich ja doch nicht mit gemeint; was soll ich aber jezt sagen wenn so ein Brief kommt der blos um mich geschrieben ist, gelt du wirst es nicht Einbildungen nennen, wenn ich dich dann besser und herrlicher finde als al343
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les, wenn ich dich über alle Maaßen lieb habe, und dir es sag. was sind die Leute die von ihren Einbildungen sagen müssen: »es war ein Rausch ein Fieber« diese wurden aus dem Paradies gestossen, um der sünde willen, die Liebe selber ist für sie wie das Leben vor der Geburth, von dem die Menschen auch nichts mehr wissen, wenn sie einmal dasind. sie verläßt nichts wenn es ihr nicht mit Gewalt entzogen wird. Es mag wahr seyn daß du mich mehr liebst als ich mich selber, es muß wahr seyn; drum hast du auch mehr Recht auf mich, was denn mein Glück ausmacht, für immer und ewig. Nein ich wußte nicht wenn ich Vertrauen begehrte ob ich es ertragen könnte, war es also ein kindisches Begehren oder ein frefelhaftes? aber gewiß hatte ich doch alle Nahrung, so wie die Erde, da gesammelt wo der Baum gepflanzt ward, und nach meinem Willen, aber vielleicht nicht nach meinen Kräften, lieber den Tod erlitten als ihn verdorren lassen man hört sich oft selber und kann sich doch nicht aussprechen, so wie man sich sieht ohne sich mahlen zu können; so geht mirs jezt. Warum mußten mir damals als du mir von Gottingen aus schriebst, »du hättest die alten Eichen aus ihrer Wurzel reißen mögen um mit ihnen zu Tanzen, die Thränen ausbrechen? warum ergreift es mich so wenn ich dich auf dem Hohen Berg denke ganz allein? ich habe deinen Brief vielmal durch gelesen, und lese immer noch alles mit Liebe und Glauben durch, aber wenn ich | ich an diese Stelle komme, schlägt mir’s Herz: gelt ich bin dumm daß ich dir so was sage, aber es ist doch wahr; so oft ich wußte daß du im Wald warst auf dem Trages, hatt ich dich immer solieb; wenn der Wind ging fühlte ich wie er dich anwehte wenn es dunkel wurde eh du nach Hauß kamst sah ich immer wie du in der Dämmerung ein her gingst, und wenn du denn in’s Zimmer kammst und ich konnt und durfte dir nichts sagen und du warst der fremdeste unter allen! soll ich denn jezt nicht Seelig seyn, ich hab ja alles was seit Jahren her mein einzig Verlangen war. Clemenz hat mir einen traurigen Brief geschrieben er sagt mir daß es seit jener Hauptscenen schon wieder einige mal auf dem selben Fleck war, daß sie nun mit grosser Erfindung neue unmöglichkeiten an fängt. Die Tante welche einige Zeit in Cassel war erzält auch allerley selbst öffentliche Scenen von Schlägereien, ich bin wahrhaftig betrübt darum. lieber lieber Arnim behalte mich lieb. morgen schreib ich dir wieder heut ist es zu späth, Bettine 344
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es scheint daß die Briefe oft auf der Post liegen bleiben, deinen hab ich um einen Tag zu späth erhalten der Caledonische Eißbergler hat mir geschrieben wieder sehr viel von denselben Gebürgen ich küß dich von Herzen 65
An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bey Hrn Buchhandler Zimmer. Heidelberg
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Die ganze Familie ist schon seit mehren Tagen in Consultationen begriffen ein Fest auf Savignys Geburtstag der bis Sonntag gefeiert wird, zu ordnen. wärst du dabei so würde es mir ein recht freudiges Fest seyn, es soll gesungen und getanzt werden hast du denn noch nicht getanzt? wie steht’s mit deinem Fuß Denk nur! es aergert mich daß du tanzen willst, ich weiß gar nicht warum; aber meine erste Idee war Freude das Du dich verwundet hattest, aber thu mir nur immer den Willen nicht, und tanze so viel du Lust hast, sag mir’s nur nicht denn ich aergere mich doch. Du bester liebster, der mir immer so liebreich scheint als wenn ich von jeher deine Güte verdient hätte, nie fremd und neu, und doch nie alt und bekant scheinst, der meine Liebe bewahrt, sorgsam, obschon Du im Ueberfluß liebend bist. der gar sanft meinen Ungestüm zurecht weißt, dessen Liebe ich nie vergelten kann, mein Leben, mein freudigster Gedanke der mich trösten kann über alles, durch den ich nichts entbehre, in dem ich ruhen mögte ewig, den ich in mein Herz schließe! alles alles mögt ich gern vergessen mögt dich’s sagen hören: Ich bin dir Gut mehr wie allen. Bettine
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Liebe Bettine, ich wollte Dir so viel über unsern Aufenthalt unter den klaren Wellen schreiben, das kalte Bad kam mir ganz wohl an, aber ich lag in meinem süssen Bette und da verwandelte sich immer eine Art zu Schwimmen in die andre, bis ich endlich durch lauter Goldgluth rauschte, da erwachte ich spät und sprang zur Arbeit, die Du in der einliegenden Ankündigung lustig verzeichnet findest. Gleich darauf kam schon ein Censurstreit über die Ankündigung, ich hatte gesagt, ich könne auch grob seyn, wenn ich wollte in der Ankündigung, ironisch auf andre natürlich. Mein frommer Censor Wedekind hatte das in seliger Unschuld für Ernst genommen, schrieb mir, ein neues vaterländisches Institut dürfe sich nicht als grob verkündigen, man müsse mit Humanität die Irrenden belehren. Ich setzte nun statt grob »höflich«, das wollte er noch nicht zugeben. Da setzte ich ausstreichen können, für grob seyn können, so mag er das grob seyn für das Ausstreichen für sich hinnehmen. Die Zeitung ist eine Fundgrube von Lustigkeit, ich glaube immer sie zieht den Clemens hieher, wenn er nur seine häuslige Plage von sich schütteln könnte. | Ich freue mich herzlich, daß Du meinen letzten Brief so gut aufgenommen hast, das erhebt Dich über sehr viele andre Mädchen, daß Du so etwas fassen und mitfühlen kannst, wir lernen uns sicher noch einander so gut kennen, daß wir uns nicht mehr stören oder einander misverstehen können. Du bedauerst mich, daß ich allein den Berg bin angestiegen, bist Du nicht auch gern allein und möchtest du auch das Liebste stets um dir haben, nein daran erkennt man das Liebste, daß man es nur in ganz würdigen herrlichen Stunden zu besitzen wagt, daß es in dem Leben eine Feyerstunde ist; wo aber die Gedanken un^bestimmt und un^ruhig in uns walten, und sich aus wirken, wo wir lernen und thun, da sollen wir das Liebste nicht entheilgen, indem wir es gewaltsam hineinreissen. Und so von abwechselnden | Gedanken bewegt steige ich gern Berge hinan, die Gegend liegt klar unter mir; die ich in Krümmungen durchschritten, da oben wünschte ich wie ein fallender Stern so unter mir dir ins Auge küssen zu können, aber nur einen Augenblick, denn auch solche Sternen Einsamkeit ist in ihrer Art selig. Auf solchen Wegen ist auch meine Zeitung entstanden, die ausser der komischen Larve noch ein ernsthaftes Gesicht hat, das sie damit nicht verbergen will, nur die Leute anzureitzen. Wie freut mich dein Eifer und Dein Gelingen in der Musick, ich 346
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mag Dein Bemühen und Dein Talent in keine Oeffentlichkeit hinein ziehen, die dich vielleicht irgend einem Tadel von elenden Notenschmierern aus setzt, aber wenn Du ein Lied hast, als etwa das Und der Morgen war ein Küssen, was in die meisten Kehlen passt, so schick es mir von Hofmeister durchgesehen, solche Leute achten genauer auf kleine Schreibfehler als Dilettanten, ich geb es dann mit Deinem Vornamen, wenn Du Deinen lieben rechten Namen, in dem mir viel Freundliches | geworden ist, nicht geben willst. Gieb das Lied aus dem Faust. – Du schreibst mir nichts von Savignys und so erfahre ich weder was die machen, noch wo Du Deine Tage zubringst, ich hatte da so manche angenehme Berührung, grüsse sie alle und erzähle ihnen von meiner Zeitung. Zimmer würde bald zu Savigny kommen, sag ihm das, nothwendiges Geschäft hält ihn noch auf. – Wenn Deine Briefe sich verzögern so bin ich unruhig, ich meine, daß es mir an Zeit fehlen wird, Dir zu antworten und ist er da, so möchte ich rechtviel Zeit haben und meine Begriffe recht sammeln um Dir gar nichts Flüchtiges, Gemeines zu sagen und von diesem Flüchtigen Gemeinen kommt doch das lichte weisse Gewand, was hier in grossen gebrochenen Falten, dort in die Ebene herab schlicht anliegt und ihr so wohl ansteht. – Es wird Dir Freude machen, daß es mir wohl geht, Mittags bey Zimmer und Abends bey Görres sind wir froh und frey ohne Scham und Gram, wie ich seit lange nicht gewesen bin, es ist uns so eben recht wie es in der Welt geht. Wärst Du doch hier, Du liebreiche Achim Arnim No 5
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Wie lieb Du, Bettine, daß Du so kurze Frage vorlegst, Zimmer will eben fort und hat es mir nicht vorausgesagt, also: Ob ich Dir gut bin, mehr wie allen? Daß ich Dir gut bin, das ist bald gesagt; wie gut, das ist schon schwerer und wenn ich an alles und alle in der Welt denke, so vergeht mir alle Ueberlegung, ich denke an alle Verstorbene und an alle Nachgeborne, an alle die ich gesehen und nicht gesehen, sogar an die Dichterfiguren, die mich je angezogen, an Helena, an Chrimhilde, an das schöne Element des Feuers, wie es das Chaos geordnet, nach Norden denke ich seltener, es ist mir jezt beynahe etwas Ueberlebtes, nicht etwas Vergangnes oder Untergegangnes nur etwas das bis zu seiner Abendröthe ausgeblüht hat wie eine Passionsblume. Giebt es schon frische Blüthen in meinem Geiste? Ich frage mich, aber siehe ich weiß es nicht, denn alles blüht | anders unter seinem eignen Gestirn, so daß die Blumen untereinander sich wohl nicht kennen. Sieh da schick ich das Bildniß einer, die ich sehr lieb habe, damit Du kannst merken, wie viel ich Dich lieb habe; sie war auch Philosophin und Juristin, wie Du aus der Unterschrift siehst, und konnte sicher auch so spitzfindige Fragen vorlegen wie Du, aber ich schreib doch zu keiner andern Du, als zu Dir, es sey denn in poetischer Rede, das mag auch etwas bedeuten. Wenn Du ohne massen mir gut bist, wie Du schreibest, wo soll ich ein Maaß finden! Dein Achim Arnim.
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So hast Du denn nebst tausend Vorrechten und Eichenschaften auch noch die, (und zwar einzig du) mich durch einen jeden deiner Briefe aufs neue seelig zu machen. Du willst wissen wo ich meinen Tag zubringe? Ey zu Hauß, hab sehr viel zu thun, hab gar nicht einmal Zeit mich umzusehen Morgens um 10 fang ich an zu sticken nachher ist Singstunde, wenn ich dann nicht gar zuviel zu thun hab, so geh ich zu Savignys zum Essen, Nachmittags zur Goethe, zuweilen zu einer bekanten von mir die du nicht kennst, und die mich auch singen lehrt; sehr schön Clavier spielt und schon mancherlei componirt hat . . wenn ich dann nach Hauß komme ist es Teezeit, nach her kömmt noch ein Musickmeister zu mir den ich angenommen, während du weg bist, dieß dauert bis halb 8 dann spielt Toni mit demselben Meister gewöhnlich auf meinem Clavier und er accompagnirt sie, weil unten im Zimmer um diese Zeit Leute sind, während dieser Musick schreib ich öfters an meine Neben correspondenten, und so ist der Tag herum, da hab ich denn noch nicht an Dich geschrieben, noch nicht mit Dir geplaudert, noch nicht componirt, bei Hoffmann spiel ich jezt bezieferten Baß welches ich schon Lange wissen sollte. dieß nimt mir auch Zeit weg, es ist aber etwas was man in ein paar Monaten lernen kann, und mir viele Beschwehrniß im Noten schreiben heben wird. Mein Lied will ich dir gern schicken, es muß erst abgeschrieben werden, dazu hab ich heute keine Zeit den die anordnung von Savignys Fest beschäftigt mich den ganzen Nachmittag; aber zum heraus geben hab ich keine Lust, wenn ich wirklich mit der Zeit | noch was ordentliches lerne, so magst du meinetwegen auch diese herausgeben, aber da jezt ich nicht vermögend ein Lied nur in Tackt zu bringen oder leserlich zu schreiben, oder richtig in Die Accorde zu sezen, und dieß alles mein Meister thun muß, so wäre es sehr unrecht ein Lied das ich zwar gedacht aber nicht gemacht habe, für mein Werck auszugeben, es wäre grad als wollte der, der ein Bild ganz nach seiner Idee mahlen läst, sagen er hab es gemacht. ich habe wohl Den Sinn aber nicht die Ausübung, mit der Zeit denck ich, auch noch diese zu erlangen, und Dir Freude mit zu machen, dann wollen wir mehr darüber sprechen. Die Ankündigung deiner Zeitung wurde am Teetisch vorgelesen Savigny freute es sehr und meinte daß es ganz was neues für ihn wär daß Du so lustig seyn könntest Friz Schlosser war darüber entzückt 349
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und wird sie dem Cassino vorschlagen. George sagte nichts, Franz glaubt ganz gewiß daß kein honeter Mensch auf diese Anzeige Lust haben wird die Zeitung zu halten. Tonie nent es eine rhapsodie auf meine Frage was dieß Wort heise, sagte Sie, ein großes Gemenge von allerlei, Marie ergözte es ganz kindisch und will Die Zeitung ganz in cognito für sich halten, du mußt es daher nicht wissen; Crist: Schlosser, bleibt dabei daß ich es geschrieben habe pp:; mich verwunderte es daß du Dich auf Jahre verbunden hättest guter Humor zu seyn, dieß fanden nun Alle wirklich merckwürdig | es wurde beinah den Ganzen Abend, viel über dich hin und her gesprochen, ich saß dabei und durfte nichts sagen, mogte auch nichts sagen, denn ich bin neidisch auf den, Der wissen kann wie Gut Du bist. mit Engelhard hab ich schon wieder Briefe gewechselt immer wieder über die Caledonischen Eisgebirge; er will immer wissen was ich von ihm Denke, das fällt mir nun niemals ein, und so muß ich ihn unbefriedigt lassen. Adieu mein lieber Freund, leb wohl denck an mich, ich wollte ich hielt dich fest in meinen Armen, daß ich sähe daß Du es wärst, und daß ich wüßte daß Du mein wärst in diesem Augenblick nur! Ach was kann ich Dir schreiben, das was die Wärme des Herzens genoß, gefriert mir in der Feder Bettine An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Buchhandler Zimmer Heidelberg
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Ich hab ihr einen Ehrenplaz gegeben, mit 4 Nadlen hab ich ihr ein Quartier unter Tieck an meinem Bett aufgeschlagen, beim schlafengehen und beim Aufstehen werd ich ihr jezt mit Fragen nachstellen wie es war, da sie noch bei dir war, sie scheint mir zwar stumm wie ein Bildniß, und meine Mühe wird vergebens seyn, sie wird mir nicht sagen; Wie, Warum, Wo, und Was, jezt hör! Gestern war Savignys Geburts Tag. Eh die Sonne noch aufgegangen war, schlug mir das Blut schon 350
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festlich in allen Adern, ich träume nicht oft von dir, und noch seltner so lebhaft wie dießmal mein Bett war mir wie ein Höhle durch welche man, in eine andre Welt kann, ich kann mir nie anders denken als daß es mit deinem Willen geschieht, wenn ich dich so deutlich seh, mit dir spreche – wir hatten große Musick bei Tafel, die Alte Goethe saß oben, sonst war alles aus der Familie, es war ein großes Gewirre von Lustigkeit von Gläsern und Tellern, und von 6 blasenden Instrumenten wir ließen den Fürst Primas so oft hoch leben, daß die Musikanten uns eine halbe Stunde nachher für echte Fürstenliebhaber in der ganzen Stadt ausschrien, endlich sangen wir Savigny ein ganzes A.b.C. von Glückwünschen, nach Tisch erzälhte uns die Rath Göethe ein Märchen, wobei ich einschlief, Abends hatten wir ein kleines Concert ich sang; aber schlecht, um 10 Uhr wars aus, eine junge italienische Tänzerin trat nun auf machte dem Savigny ihr Compliment und tanzte wunderschön mit Castagnetten, nach dem Abendessen wurde getanzt es endigte sich endlich in dem wir allerlei Tänze von der Italienerin nachahmten. Die Goethe blieb bis Nachts 1 Uhr welches ein Wunder zu nennen, Goethes Gesundheit wurde | getrunken dieß machte sie so lustig daß sie gleichsam wie in einem Paradies von Seeligkeit war, und uns alle versicherte sie könne nicht älter seyn als Zwanzig Jahr, ihre 77 seyen nur fingirt sie fühle daß sie noch Kraft habe 30 und mehr Jahre zu leben. um 2 Uhr schlüpfte ich in meine Höhle, und dachte nun schnell noch hinüber in die andre Welt zu kriegen wo du meiner wartetest, aber der Zauber war geschwächt, ich konnte mich nicht zum Schlafen bringen, und mußte mit offnen Augen noch einen großen Theil der Nacht an dich denken, den ich nicht erreichen konnte, siehst du ich konnte nicht im Bett bleiben, ich mußt mich auf die Erd legen, und mit dir sprechen, und dir tausendmal rufen, um nichts und wieder nichts. wer hat die Lieb gerufen? sie kömmt treibt die alten Regenten aus; keiner wiedersezt sich; sie nährt sich von unserm Athem, sie wirft Dinge die wir als Schäze bewahrten, mit leichtem Sinn zum Tempel hinaus, sie giebt mit einer Großmuth die man Verschwendung nennen mögte sie treibt Wucher; geizt um einen Deut, hat nie genug, und doch kann die Welt nicht ihren Reichthum umgränzen, sie fürchtet einen Blick und ist so tapfer, daß sie mit verbundnen Augen neben Abgründen auf steilen Felsen wandelt, was aber das wunderbarste ist sie macht bei ihrem ungeheuren Reichthum Schulden, die sie nie abtragen kann, sie läst sich bei ihrer großen Kühnheit binden wie ein Lamm um dieser Schulden 351
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willen! daß kann dir mein Herz beweisen daß an Dir zum Schuldner ist geworden, daß sich doch so reich fühlt. siehst du so ist es mit deinem Kind Nach Norden denckst du seltner? du hast es beinah überlebt und ich könnte beinah wieder drüber weinen, wenn ich nicht wüste daß all dein Leben sich wie Edelsteine zum Schmuck sammelt, wo mit Du dich endlich als friedlicher Held zierst, alles macht dich schöner alles macht dich geliebter, du bist ein gut gelungnes Werck Gottes der alles zu immer währender Verherrlichung erschaffen hat, das ist eine Ahndung von mir; ich glaub je länger du leben wirst, je lieber wirst du werden, und hoff doch daß Du mich nicht zurück lassen wirst sondern daß ich durch dich und um deinetwillen auch erwerbe. Daß du mir gut bist daß ist bald gesagt! siehst Du, wie wunderbar die Lieb ist, all ihr Gut schnellt sie wie einen Pfeil durch die Luft und es trifft den, auf welchen es gezielt war, nur mit neuem Leben, wie Gut du mir bist ist freilich schwehrer; wer kann zählen wer kann berechnen, hier wo kein End ist, gewiß kein End! halte diesen Brief für eine dieser Stunden, wo ich mein Leben hergäb um mit Dir zu seyn, aber nur dir, daß Du mirs wiedergiebst. Adieu ihr schönen Frauen all Adieu Frau Helena, Adieu Frau Chrimhilda, Adieu Nordschein Adieu all ihr verblühten Passionsblumen, ihr ausgesezten Pflanzen! willkomm ihr jungen Blätter und Knospen hütet euch vor Frost Bettine ich will auch nicht mehr du sagen als zu dir. ich will mein ganzes Leben verwenden dir ein Maas für deine Liebe zu bauen und mein leztes Werk soll seyn, den lezten Stein ein^zu^sezen, damit sie auch nach der Zeit als etwas Kostbares bewahrt bleibe. An Herrn Baron von Arnim bei Hrn Buchhändler Zimmer Heidelberg
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 23. Februar 1808, Dienstag
Nun sind es beinah 6 Wochen, daß ich auch nur ein Wort von Dir erfahren habe, weder durch die Frau Mutter, noch durch irgend eine andre Gelegenheit. Ich glaub nicht; wie viele andre sind, Du auch bist; und dir durch Geschäfte und andre Wichtigkeiten, den Weg zum Herzen versperrst, darum muß ich doch fürchten, daß meine Briefe dir zu häufig kommen, und muß mich zurück halten, was mich doch seelig machen könnte, wenn es nicht so wär und glauben dürfte, daß dich meine Liebe, die so anspruchslos ist, daß sie selbst deinen Ruhm vergißt und zu dir wie zu einem Zwillingsbruder spricht; erfreut. Wie ein Löwe mögt ich für dich fechten mögte alles mit den Zähnen zerreissen was nicht werth ist dich zu berühren, muß um deinet^willen Die ganze Welt verachten muß sie um deinet^willen wieder verehren weil du sie verherrlicht hast, aber weiß nichts von Dir! sag nur, ob du’s zufrieden bist, daß ich schreibe, sag nur: Ja Du darfst, wenn ich nun in etlichen Wochen denn da haben wir schon Frühling hier, ins Rheingau gehe, dann schreib ich dir von jedem Berg aus, bin dir so immer viel näher wenn ich auser den Stadtmauren bin, glaub manchmal ordentlich mit jedem Athemzug dich zu fühlen, wie Du Drinnen arbeitest und hämmerst: und nur wenn es recht schön ist draußen, wenn man sich erquickt an jedem Grashalm fühl ich dich so deutlich, du mußt doch unendlich gut seyn, aber was willst Du nur bei mir? du sagst ja gar nichts, in dem Brief den Du mir schriebst, den ich zwar so lieb habe wie meinen Augapfel da nenst du mich nicht einmal, wie Du es gewöhnt warst; grad als ob ich deiner Vertraulichkeiten nicht werth wäre, es geht ja von Mund zu Herz bei mir, würde nichts von Schaz und Herz und Kuß veräusern, und wenn ich auch am Hungertuch nagen müßte. Vorgestern hatten wir ein kleines Fest im Haus, wegen Savignys Geburtstag, die Frau Mutter kam Mittags um 12 Uhr und blieb bis Nachts um 1 Uhr, fand sich auch den andern Tag ganz wohl darauf, bei der Tafel hatten wir große Musick von blasenden Instrumenten, zum theil wurden auch verse zu Savignys Lob abgesungen, sie sang mit 24 Personen immer so laut, daß man sie allein Durchhörte, da wir nun endlich mehr^mal deine Gesundheit und die ihrige trancken wobei die Musick sich so wacker hören ließ, daß Mensch und Hund auf der Gasse stehen blieben, um den Jubel im Hauße zu vernehmen, so ward sie ganz feierlich vergnügt, nach Tisch erzählte Sie der ganzen Gesellschaft ein 353
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Märchen, wobei ich ganz gelind hinter ihrem Rücken einschlief, nicht weil es langweilig war, sondern weil ich es schon ein^mal gehört hatte, und auch sehr schläfrig, endlich verwandelte sich die Fete in ein Concert nach demselben Trat eine junge italienische Tänzerin auf, die mit Castagnetten sehr schön tanzte, beim Souper ward deine Gesundheit abermals auf verschiedne Weise getruncken, nach Tisch ward getanzt, die Frau Rath hatte mich lieb wie den Joseph, ich hatte dazu auch einen rothen Rock an. wenn Du also einen Überfluß an Gesundheit verspührst, so denck daß er vom Hauß Brentano herkömmt. übrigens ist noch ein Gesez gemacht worden | daß nie ein Fest soll gegeben werden in der Familie, ohne die Mutter, ich hab mich gewundert wie sie schnell die Herzen gewinnen kann, blos weil sie mit Kraft genießt, und gewißermaasen dadurch die ganze Umgebung auch zur Freude bewegt. Deiner guten Frau die für Dich sorgt, Grüße! recht herzliche! sag daß ich nicht vergessen hab, was ich ihr in einer Gesellschaft bei Schoppenhauer versprach, nehmlich ihr ein Kleid zu sticken daß ich schon die hälfte beinah fertig hab. nur diese Frau von Schoppenhauer selbst mußte ich schändlicher weise vergessen mit dem Tuch, nun was ist zu machen, mein Minister denck ich, bekömmt hier eine schöne Gelegenheit, seine Negotiationsfähigkeiten an Tag zu legen, und ihr es so bei^zu^bringen daß sie nicht verdrüßlich auf mich wird, ich kann jezt auch gar die Sache nicht ändern denn es sind keine Tücher zu haben wie die Dame sie wünscht und auf meine Bestellungen bei den hiesigen Kaufleuten sind nur lauter rothe angekommen die ihr wohl nicht behagen. gelt ich mißbrauch deine Gedult? guter! bester! dem mein Herz ewig dient. Bettine Meinen Gruß an unsern Sohn er wird bald sein Bündel schnüren, nur nicht zu fest, denn ich will ihm bei seiner Durchreiße noch einen Pack guter Lehren mitgeben, die er auch noch hinein schnüren muß.
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Weimar, 24. Februar 1808, Mittwoch
Weimar den 24. Februar 1808 Sie haben, liebe kleine Freundinn, die sehr grandiose Manier uns Ihre Gaben immer recht in Masse zu senden. So hat mich Ihr letztes Paket gewissermaßen erschreckt. Denn wenn ich nicht recht haushältisch mit dem Inhalt umgehe, so erwurgt meine kleine Hauscapelle eher daran als daß sie Vortheil davon ziehen und uns Freude dadurch machen sollte. Sie sehen also, meine Beste, wie man sich durch Großmuth selbst dem Vorwurf aussetzen könne. Lassen Sie sich aber nicht irre machen. Zunächst soll Ihre Gesundheit von der ganzen Gesellschaft recht ernstlich getrunken und darauf das Confirma hoc Deus von Jomelli angestimmt werden, so herzlich und wohlgemeint als nur jemals ein Salvum fac Regem: Und nun gleich wieder eine kleine Bitte, damit wir nicht aus der Uebung kommen. Senden Sie mir doch gelegentlich die Jüdischen Broschüren. Ich möchte doch sehen wie sich die modernen Israeliten gegen die neue Städtigkeit gebehrden, in der man sie freylich als wahre Juden und ehmalige kaiserliche Kammerknechte tractirt. Mögen Sie etwas von den christlichen Erziehungsplanen beylegen, so soll auch das unsern Dank vermehren. Ich sage nicht, wie es bey solchen Gelegenheiten gewöhnlich ist, daß ich zu allen gefälligen Gegendiensten bereit sey; doch wenn etwas bey uns einmal reif wird was Sie freuen könnte, so soll es auch zu Ihnen gelangen. Grüßen Sie Arnim vielmals und sagen ihm er möchte mir doch auch einmal wieder schreiben Goethe
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Demoiselle Bettine Brentano nach frank* Frankfurt am Main
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 24. Februar 1808, Mittwoch
Heidelberg d* 24 Feb 1808. Dein Brief, liebes Herz, kam zu mir wie ein Arzt, denn mir war unwohl jezt bin ich ganz wohl, ich hatte mich erkältet, ich dachte, als Du mir schriebest, wie selig Dich mein Brief gemacht, wie unselig ich Dich würde machen, wenn Du da bey mir wärest. Glaub nur darum nicht, daß ich Ansprüche auf Geselligkeit mache, wenn ich krank bin, im Gegentheil, sie ist mir unbequem; aber ich dachte mir du wärest da aus Güte, hättest das aber vergessen und fingest Dich an entsetzlich zu langeweilen, das finge mich an zu ängstigen. Da fiel mir eine Geschichte ein und ich sage sie Dir um sie los zu seyn, weil sie mich damals tief gekränkt hat, ungeachtet ich jezt darüber lache, weil ich es selbst in der Zeit erfahren habe, wie leicht ein Scherz allzu ernsthaft aufgenommen und gedeutet werden kann. Du kamst von Wisbaden und erzähltest mir und andern lachend, daß es mit dem Clemens aus wäre, der sähe aus wie ein alter Mann, hustete, ginge ganz gebückt, spräche ganz langweilig. | Clemens war in dem Sommer ernsthaft krank, ich hatte ihn oft um eine Viertelstunde Sitzen lange Zeit ächzen gehört, das trieb mir das Blut damals so ins Judicium, daß ich in mir dachte: So ist doch mehr Liebe in jeder Magd, die für wenig Geld dient, als in solcher Schwester, die noch vor kurzen ihren Bruder vergöttert hat. Nun weiß ich wohl, daß ich Dir damals unrecht gethan habe, als ich dich für so unmenschlich hielt, Du hast Deine Schwester gepflegt in Marburg, Du hast beym Clemens gewacht, als er in Frankfurt um seine Frau weinte, das weiß ich nun, ich wollte Dir nur wieder ein altes Mißverständniß alter Zeit aufdecken, damit Du mich daraus verstehen kannst; ich laß mich nicht so bitten wie Du vom Engelhardt, Dir zu schreiben, wie ich von Dir gedacht habe. Bringe doch diesen Liebesbrieffabrikanten zu einem Plane des grossen Einsiedler Pallastes, worin viele tausend Gelehrte, Liebhaber, Sechswöchnerinnen, ungestört neben einander wohnen können, ein Pallast der immer noch als | Babylonischer Thurm anwendbar wäre, das soll er aber bey tage zeichnen und nicht Nachts. Daß Du mir Beyträge verweigerst, dagegen habe ich nichts, aber gegen Deine Gründe, daß Du es meinst besser zu machen, wenn du bezifferten Baß kannst. Du wirst mehr schreiben, es wird Dir leichter werden Deinen Gedanken auszudrücken, aber was einmal da war, das kommt so nicht wieder; die Götter lagern sich freilich da wieder, wo man ihre Geschenke mit Demuth und Feyer bewahrt, aber 356
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nie schenken sie dasselbe wieder. Du bist jezt recht fleissig, thu Dir nicht Schaden, daß ich Deine Finger wiederfinde unabgespielt – Gestern war auch eine Schriftstellerin hier, Frau von Krüdener, ich zeigte ihr soviel von der Gegend, als der schamhafte Winter zuließ. Sie hat eine Geschichte der Gräfin von Westerburg | bearbeitet, aus dem vierzehnten Jahrhundert. Sie wurde von ihrem Vater wegen einer Liebschaft in ein tiefes Gefängniß gesperrt, worin sie viele Jahre lebte, als ihr endlich Luft und Liebe gegönnt wurde starb sie an der eindringenden frischen Luft im Hinauftreten der obersten Treppenstufe. Eine Gräfin von Schauenburg trägt noch ihr Armband, das in dem Gefängnisse späterhin entdeckt worden. Ich habe nichts davon gelesen, es kann aber recht schön seyn nach der Gemüthsart der Krüdener, ich muste ihr allerley Bücher aus dem Mittelalter zusammentrommeln, die sie zum Gerüste der Zeit beyfügend benutzen will. Ein deutscher Aesthetiker hätte erst alle Werke durchgelesen, ehe er sein Werk angefangen, und darüber seine drey Ideen allesammt verloren und vergessen. Sie ist fort nach Karlsruh und was mir Spas machte, sie weiß kein Wort, daß ich über sie geschrieben. – Wegen Deines Fleisses auch wegen Deiner wunderbaren Liebhaberey an der Erde zu sitzen erhältst Du einliegende Prämie. – Der Platz ist zu eng um Dir zu sagen, wie gut ich Dir bin. Achim Arnim.
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〈1r aoR kopfstehend:〉 Dank Marie für ihr Interesse an meinem Einsiedler, von den andern weiß ich wohl, das jeder zufrieden ist, wenn er selbst seine Art Einsiedeley bauen darf. 〈1v aoR kopfstehend:〉 Von Beaumont und Fletschers Schauspielen ist eine hübsche Uebersetzung von Kannegiesser. Berlin Braunes 1808 erschienen. No 7
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Abzugeben bey H. Franz Brentano in der Sandgasse im goldnen Kopfe.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 25. oder 26. Februar 1808, Donnerstag oder Freitag
Grad damals nahm ich recht traurigen Abschied in Wisbaden von Clemens und wär gern bey ihm geblieben – in dem selben Augenblick als ich von ihm ging, nicht weil ich glaubte daß er sehr krank sey, sondern weil er mir so allein vorkam, aber Du hattest doch recht dich über mich zu aergern, es war recht unwürdiger Leichtsinn, mich meinem Gefühl, was mich zuweilen zu ihm trieb, grad entgegen zusezen, es ist doch eine Schuld, die ich nie mehr abtragen kann, denn wird eine Liebe die sich oft meldet, und die man zum theil aus Faulheit aus Schwachheit mögt ich beinah sagen, nicht anhört, bei dem jenigen dem sie zugehört uns nicht verschulden. siehst du, ich muß gestehen daß es sehr gering von mir war, ja wahrhaft schwächliche Natur, ich kann es aber auch leichter, weil ich dir dadurch beweiße, daß es gewiß nie wiedergeschieht; durch solg eine Erinnerung wirst Du mir so lieb. ich fühl dann daß ich vertrauter gegen dich bin, als ich je gegen mich selbsten war, daß unsere Freundschaft, einen herrlichen Zweck hat indem Du mich besser machst; gelt du wirst aus Liebe zu mir immer recht recht streng gegen mich seyn, nicht denken: sie meints anders, sondern mit Gewalt nichts leiden was dich stört, weil dich das Gute nie stört, und ich will dir dafür auf das innigste vertrauen, und soll meine gröste Sorge dabey, die Einfalt seyn, daß ich dir nichts verbräme oder bemäntle, sondern grade zu, sag wie es um mich steht, und Gott soll mir seinen Beistand dazu verleihen, denn ich meine es ernsthaft, und für die ganze Zeitlichkeit, Ich glaube auch fest, daß meine Liebe nur so die Höhe erreichen wird auf die ich einst stolz seyn werde, und die mich so stark machen soll daß ich mich, um dich vor nichts fürchte, vielleicht kommt es mit der Zeit, daß ich recht kühn auf engen Felswegen zwischen Abgründen, herum wandle, und keiner wird mich frech nennen, weil | mich sichtbarlich die Hand Gottes, die Liebe, leiten wird. bin ich nicht Hochmüthig?? Nun muß ich dich noch mit einer andern wunderbaren Liebhaberey von mir bekant machen; nehmlich, daß ich ungemein gern mit Kranken bin, und daß ich selbst recht angenehm bedienen kann, daß ich daher schon desswegen keine Langeweil bei Dir würde gehabt haben, wie kannst Du nur die Vermuthung haben, daß wenn ich bei dir bin ich nur an etwas anders Denken könnte als grade Die Zeit zurück zu halten aber nicht zu vertreiben; wie oft hab ich bey Claudine gesessen wäh358
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rend sie krank war, und die andern waren indessen spazieren oder auf’m Ball und Die Zeit ward mir doch nicht lang, ich hatte auch keine besondre Lust dabey sie anzusehen, wie dich. recht einsam mögt ich mit dir seyn, meine Seel! meine Lieb! dann ist auch oft der Augenblick, wo sich alles leichter und herrlicher entfaltet, als wenn von den Umgebenden die Luft mit eingeathmet wird zu unnüzen Reden, von der ich wie heilige Speiße zehren mögte, weil Du mit dabei bist. ich werde meinem Liebesbriefler, den Plan des Palastes als erste herculische Arbeit auftragen, schreibe mir nur noch etwas Deutlicher darüber. ich glaube nicht daß ich mit der Zeit noch Lieder mache die besser sind wie diese ersten, das wär Aberglauben, aber daß ich sie mit der Zeit allein mache, und sie daher mit mehr Recht dir schenken kann, denn jezt könnte zum Beispiel Hoffmann sagen: wer hat Ihnen erlaubt, mein Accompagnement stechen zu lassen? | indessen will ich doch gewiß, so gut als möglich alles auf schreiben was mir einfällt hilf mir nur auch ein bisgen, rede mir von Zeit zu Zeit zu! ich soll nicht Faul seyn, und predige mir es recht ein, daß es Sünde ist auf einen Gedancken, der doch wie vom Himmel kommt, so wenig zu achten. Gestern war ich den ganzen Nachmittag bei Savigny, weil Zimmer zu ihm kommen sollte, den hätte ich gern gesehen weil du bei ihm ißt und ihn alle Tage siehst, er kam aber nicht, ich las indeßen in Müllers Briefen an B: der sagt zu seinem Freund: »Du bist mein Selbst mehr als ichs bin, und was bist du nicht! da Du mein einziger Freund bist!« so sage ich auch, und noch sage ich: was werd ich noch werden, wenn Du mein Freund bleibst, siehst du darauf baue ich Piramiden von Hoffnungen, und rechte Wunderwercke von hängenden ewig blühenden Gärten. – Es wird jezt schon viel gesprochen von unserer Auswanderung ins Rhein gau, es hat sich ein Umstand dort ereignet, der die Reiße gewissermaasen noch lustiger macht; die Moeble die dort im Hauß waren sind gelehnt, und wurden vor ein paar Tagen von dem Eigenthümer verkauft, da müssen wir nun ein jeder sein Bett einen Stuhl und Tisch hin besorgen. vielleicht seh ich dich dort, hm! lieber Arnim! ich muß jezt schliessen, nicht weil ich wie du niemals Plaz hab dir zu sagen wie lieb ich dich hab, sondern weil ich dir noch mit umgehender Post den Brief schicken will. Bettine. noch muß ich dir danken für Dein Arnim in deinem vorlezten Brief. das hat mich gefreut dein Bildlein hab ich bei die Jungfrau Morella gehängt. 359
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hast den verschämten Winter compromitiert bei einer Dame, du unverschämter!
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 27. Februar 1808, Sonnabend
Heidelberg ich glaube d* 27 Feb Ich habe zwey Briefe von Dir, beyde so voll Liebe und Zutrauen, daß ich sie Dir abschreiben und zuschicken möchte, um Dir einen recht guten Tag zu sagen. Kaum weiß ich, womit ich in der Welt das gute Geschick verdient habe, daß mir so viel Güte wird und das rührt mich sehr, daß ich fast weine und ich nehme es kurzweg als ein Geschenk an, brauch es wie Gottesgabe. – Von Clemens hab ich einen sehr traurigen Brief, er fühlt sich in einem unnatürlichen, widersinnigen Elende, in einem ekelhaften Leben, erkundige Dich doch genauer bey Deiner Schwester Jordis, was die alte sumpfige Grundmasse in diesem eheligen Teiche umgerührt hat, ob ein alter oder ein neuer Karpfen gewirbelt hat. Ob sie nicht reif ist in sich zur Scheidung? Ich sehe jezt nach so tausendfachen Streitigkeiten, Versöhnungen keine andre Rettung. Böse ist es, daß Clemens immer das Aergste und Verzweifelndste mit dem Munde zuerst ausspielt, wenn es zum Schluß kommen soll | fehlt es ihm am Trumpf. Er will, daß Du mir Briefe einer Einsiedlerin für meine Zeitung schreiben sollst, hast Du Lust? Du must wissen, was er meint, vielleicht hat er Dir darüber gesprochen oder geschrieben, vielleicht meint er damit manches, was sich Dir so in einsamer Betrachtung vorgebildet hat; macht es Dir selbst Vergnügen so etwas aufzuschreiben und hindert es Dich nicht in Deiner ernsteren Beschäftigung mit Musick, so wird es mir wie sehr willkommen seyn? So sehr, als wenn Du eben in das Zimmer tretest und ich Dich gar herzlich küsste. Du könntest jezt mancherley finden als Zugabe zu mir, ich habe getauscht mit Kupferstichen und manches Schöne bekommen. Ein trauerndes Weib nach Dürer von Sadeler, nie ist Traurigkeit so gemalt worden, die müste am Himmel wie 360
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Abends der Mond dastehen, daß sich die Menschen daran gewöhnten sie zu sehen. Einen heiligen Franziskus | der eben die Wunden von Christus als Gnade bekommen und ein frommer Bruder der sie ihm auswaschen will, ein wunderbares Bild, denn wie die Vorstellung des Heiligen groß im Gemüth und doch äusserlich unnütz nicht wie die Martyrer zur Bestätigung einer Wahrheit nothgedrungen quälen, so ist die ganze Felsengegend, lauter Felsen, wie sie wohl seyn könnten, die man aber nicht findet, eben so Einsiedler Hütten hat in schönem Verhältniß aber ohne Fenster, das Gesicht ein Wunder von Schwärmerey, die sich selbst doch zwischendurch belächeln muß und doch ihr Wesen und Werth fühlt. Das Bild hatte Clemens besonders gefallen, wenn ich mich einmal davon trennen kann will ichs ihm schicken. Noch ernster ergreift eine Einsiedlerlandschaft von Wilson, es scheint ein Prachtgarten gewesen, ein mächtiger Löwe liegt zerbrochen im breitblättrigem Kraute am Wasser, ein Einsiedler liest vor sich, ein andrer hört ihn zu, fern durch Stämme über Felsen hinaus steht ein einsames Kreutz hellerleuchtet von vielen Pilgern knieend umlagert, der helle Schein durch die feuchte kalte Waldung ist wunderschön. Ich freue mich Dir das alles einmal zu zeigen, von meinem Einsiedler Pallast kann ich Dir aber nicht mehr sagen, als daß ich gelegentlich wie Du auf deinem Unterlegpapiere daran zu arbeiten denke, eigentlich beschäftigt mich aber ein andrer Plan nach dem Traume eines alten Gedichtes, ein weltliches Kloster, das aber der Mann nie wiederfinden konnte, ich denke das am Rhein zu erbauen, will auch mein Stuhl und Bett hinzutragen und zum Tisch tapfer anrucken. – Grüß die Frau Göthe aber noch mehr ihren Sohn, Dein, Dein, Dein Achim Arnim.
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〈2v aoR kopfstehend:〉 In Seckendorfs Musenalmanach für 1808 manches Schöne von Hölderlin Crisalin. No 8
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, vmtl. 29. Februar 1808, Montag
Um nur Deine Antwort nicht zu verzögern, schreib ich dir gleich mit umgehender Post und versäume eine Singstunde nebst einem Besuch bei der Alten, mit Clemens ist es sehr traurig, ich meine, es sey ganz in der Ordnung wenn man ihm endlich den Strick vom Hals los machte aber wie! ich sag dir, ich wollte gern alles Elend einst verantworten, das aus dieser Scheidung entstehen könnte; aber wie und was kann man thun?, da fühl ich nun wahrlich eine totale Onmacht, bei ungebundnen Händen. Clemens hat mir nichts über diese Einsiedler Briefe geschrieben, ich werde ihn darum fragen, aber Du brauchst mich nie zu fragen, ob ich Zeit habe, Dir etwas zur Freude zu thun, denn ich hab kein ernsteres Geschäft, als ein solges, an Goethe hab ich in einem Zug 3 mal geschrieben, es überfällt mich oft wie ein fliegend Feuer, und dann ists wieder still. Nun Gott wird wohl alles noch kräftig machen, und ich sage mit Goethe es wird die Zeit kommen, da man Weinberge auf Steinwegen pflanzt, und daß die Arbeiter dazu pfeifen. Den 14 ten März haben wir ein Geburtsfest von George da es Fasten ist so werd ich ihm wahrscheinlich Stabat Mater von Pergolese singen, ich wollt, ich wollt, du wärst dann hier, aber bleib denn immer noch, noch kans die Sehne vertragen, endlich wirst du doch herbei fliegen wie der Pfeil, und um so größer wird meine Freude | seyn wie ists denn? ich Denck wir gehen auch bald an den Rhein, wir werden dort zusammen gehen und laufen gellt Du? hast doch einen guten Athem, aber hast auch ein gut Kind, das dir doch heute nicht mehr schreiben kann, aber Morgen erhaltest Du einen ausführlichen Bericht, wie ich es verstehe mit Den Briefen, und dann sollst Du mir Deine Ansicht melden, nach welcher ich dann mein bestes thun werde, du aber must die Orthographie besorgen du glaubst nicht wie groß oft Die Sehnsucht in mir ist; zu thun ja wenn ich es recht bedenke, so war manche Ausgelassenheit, Muthwille, Unwille, Schmerz, pp. nichts anders als Mangel, an Thun, in welches ich mein Leben hätte ergießen sollen, das wird hoffentlich alle noch werden, und zum Theil durch dich werden. Bettine Du hast Freud an meiner Liebe, unser Capital multiplizirt sich lieber Arnim, der Reichthum wird mir noch über dem Kopf zusammen stürzen Adieu mein mein mein Arnim 362
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auf ein ander mal nehm Dichteres Papier zum Umschlag deiner Briefe, das lezte war aufgerissen, und dieß machte mir nicht wenig Schrecken.
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Heidelberg d* 2 März 1808. Ich wünsche, daß Du die Fastnacht fröhlig mit Fröhligen zugebracht; ich saß ruhig bey Zimmer und bey einer Flasche, da erzählten wir uns von alter Zeit bis Mitternacht; die ganze Stadt war fast nach Manheim ausgewandert, wo allerley Maskenball Schauspiel; von meinen Bekannten ging keiner hin, so blieb ich auch zur Gesellschaft allein. Von Clemens erwarte ich sehnlich Briefe. Du sprichst von Scheidung, er sagt davon kein Wort, wenn er entschlossen ist diene ich ihm mit Freuden, die Sache zu besorgen; anregen dazu kann ich ihn nicht, das ist gegen alles göttliche Recht, ich kann dadurch wohl den Fluch mit auf mein Haupt ziehen, aber nie das Elend ihm abnehmen, was daraus entstehen könnte. Du willst es verantworten, liebe Bettine, das Elend, freilich wenn es sich in Briefen beantworten liesse, um einen lieben Brief von Dir gebe das Schicksal schon etwas von seinen Rechten auf, aber da ist keine Adresse und keine Post zu finden. | Weist Du nicht, daß dieses ganze Kriegselend davon über unser Land gekommen, daß einige alles Elend wollten über sich nehmen, was daraus entstände, wenn der König aus seinem lethargischen Zustande schiede, diese Häupter sind meist gefallen, der König in seine Lethargie zurück und das Land in Elend. Jeder Mensch hat nur zu dem ein Recht, was er mit seiner eignen Kraft erreicht an Glück und Daseyn, wird er gehoben, so stösst er an alle die unsichtbaren Schicksalsbalken an, die er sonst immerdar von ferne wie Himmelsglas bewundert hätte und die freilich zum Ganzen nothwendig. Das ist nicht blos in äusserer Thätigkeit, auch bey innerer und was von Jean Paul durch englisch Bier, von Fried. Schlegel durch Opium erreicht worden, das hat ihr reines in sich ruhig wie jede Begeisterung | schwebendes Talent gebrochen und gestürzt, sie liefern 363
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jezt nur Stoff der Zukunft, während sie selbst etwas seyn konnten. Ohne Christians und Jordis Stärkung hätte Clemens nie entführt, wir lebten in diesem Augenblicke wahrscheinlich sehr vergnügt hier und er wäre mannigfaltig thätig, während ihm diese verfluchte Ehestandzankschaft alle Gedanken und Beschäftigung zu Küssen und Prügeln wegzehrt. Aber eben so wenig und eben darum soll er durch meine Stärkung sich nicht scheiden, wer kann vorauswissen, wie er sich nach der Scheidung die Frau denkt, ob er nicht tausend Vortreflichkeit in ihr entdeckt und eine dreyfach Schlechtere nimmt um die Lücke zu füllen: Ehe er nicht die geistige Grösse alles Wirklichen fühlen und achten lernt, von dem er sich doch nicht los reissen kann, mit dem er aber noch immer | wie ein Kind spielen möchte, während es der Zweck unsres Lebens ist älter zu werden, was hätten wir sonst davon, ehe er nicht dieses Wirkliche vielleicht durch dieses muthwillig sich bereitete Elend achten lernt, wird er auch im Schönsten und Grösten endlich nur Ueberdruß finden. Darum verhehle ihm nicht Dein Gefühl über seinen Zustand nur rathe ihm nicht, wenn Du Dich nicht in allem mit ihm und zu jeder Zeit über einstimmend gefunden, sonst übersiehst du leicht Folgen. Hat er an Savigny nicht geschrieben? (Mein Brief an Savigny war doch nicht aus Deinem verloren?) – Nun meine liebe Einsiedlerin noch ein Wort über Deine Schriftstellerey? Was Clemens darunter versteht hat er mir nicht geschrieben, wie ich es meine will ich dir ganz kurz sagen, denn bedürfte es mehr, so hätte er das Ansehn als wollt ich Dir wie einem Gesellen oder Handlanger eine Arbeit aufdrängen, die Dir fremd ist. Ich verstehe unter Briefen einer Einsiedlerin alles das etwas geordnet und gekürzt, was Du gern von Deinen Anschauungen, wenn Du in bewegter Stimmung hie und da, in Marburg auf deinem Thurme, in Cassel bey deiner Grafin Bohlen im goldnen Kopfe bey Tische gewesen, anderen erzählst, was Dir merkwürdig ist, daß Du es gefühlt hast und wie Du es gefühlt, dahin gehören auch Deine Fabeln; das schreib | auf, wie es Dir einfällt, Du brauchst kein besondres begeisterndes Feuer zu erwarten, denn das ist es, daß es einfällt und daß Du es erlebt hast, hast du selbst nicht Lust es anzuordnen, so thu ich es recht gern, schreib es in diesem Fall nur auf einzelne kleine Blättchen, fändest Du ein fremdes geschichtliges Band woran sich dies wie bunte Winde umringelte so wäre es recht schön aber nothwendig keines wegs, im Gegentheil würde Dir vielleicht manches Reizende verloren gehen auch ist meine Zeitung für keine Leser, die eine geistige Berührung nicht ertragen können, wenn sie ihnen nicht ge364
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schichtlich genau deducirt worden. Die Umgebung müstest Du etwas unkenntlich machen, gieb Dir auch einen falschen Namen, etwa Morella, weil Du das liebe Bild gewürdigt hast Dir ins Bett zu sehen. Wenn Du erlaubst gebe ich gelegentlich unter diesem Namen auch einiges von Deinen Versen, die ich aus früherer Zeit besitzen, einige würden auch andre erfreuen, wir sprechen dahinter wie durch Masken ungestört | mit einander, blinkten einander zu und nickten, von mir sollte gewiß niemand erfahren, wer sie gemacht, oder ich bildete den Leuten ein, es wäre von einer Dame in Weimar. Lebst Du doch so halb und halb dort. Hat Göthe nicht wiedergeschrieben. – Deine Einladung ist mir sehr liebreich, aber ich fürchte, daß zu der Zeit ein Drang von Druck seyn wird, doch geb ich es noch nicht auf und sehe das einliegende Bildchen an, wo ich mich für einen von denen halte, die im Hintergrunde des Schiffes nicht recht zu sehen sind, gute Sache führt doch endlich zu etwas und diese Leute gingen nicht unter wegen der guten Sache, die sie fuhren. Trallalaideidaa, Trallalaideidum, schon seh ich das Land, schon sehe ich das Land! Es ist Reichardts Melodie, die mir da einfiel, solltest du sie nicht wieder erkennen, so laß Dir seine Lieder der Liebe und Einsamkeit geben. Ich habe jezt ein Bild, das mich auf eine wunderbare Art an Dich erinnert, ohne daß es Dir irgend ähnlich ist, es ist die Tochter Pharaonis, wie sie den kleinen Moses findet, darin begrüsse ich Dich sehnlich Achim Arnim No: 9 Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben in der Sandgasse bey H. Franz Brentano Frankfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 3. März 1808, Donnerstag
Nun sind mir wieder beinah 3 Tage herum gegangen, in denen ich kaum im Flug Zeit hatte an dich zu denken, und daran war eigentlich das Singen schuld, bei all dem Lernen fühl ich doch keineswegs daß 365
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ichs besser mache, das aergert mich zu weilen, aber wenn die Sonne scheint, so muß ich pfeifen, so kömmt mir die Gedult wieder; vielleicht wirds noch mit der Zeit, daß ich Euch in die Seele singe wie ein Frühlingsschauer, das Stabat Mater ist so schön daß es mir durch Marck und Bein geht, so oft ich dran lerne, aber auch so schwehr daß wir es wahrscheinlich nicht auf George seinen Geburts Tag sondern wohl erst gegen Ostern singen können vielleicht bist Du bis dahin hier. es ist so viel gebohren worden in unserm Hauße, daß wir gar nicht aus diesen Festen heraus kommen, heut ist der Gunda ihrer. an meine Einsiedelei hab ich auch noch nicht gedacht, ich muß dir sagen daß ich auser mir selber nicht für einen Heller Vermögen hab, was ich also denck und thue ist manigmal ganz, manigmal zum theil dein, was du also damit treibst geht mich nichts mehr an, wenn ich dirs gegeben habe, deswegen thut es mir auch nicht leid daß du es willst drucken lassen. so eben hab ich deinen lieben Brief, so ist es grad recht wie du meinst. in Marburg hab ich oft Fablen erdacht, die mir jezt noch so fest im Gedächtniß sind, als wie die Kinder Märgen, das will ich all aufschreiben. Clemens dauert mich, und kann ich doch nichts dabei thun, so mögt ich denn bei ihm seyn und ihm die Zeit vertreiben, du aber hast wieder recht, darin daß man ihm nicht vorgreifen soll, mein theurer lieber Freund, der so gut ist! gestern hab ich wieder eine neue Melodie im Faust componiert. »Was ist die Himmelsfreud in ihren Armen« – aber so verwirrt daß es Zeit kosten wird biß sie in Ordnung gebracht ist. an Goethe zu schreiben ist mir ein wichtiges Geschäft; gellt so solls auch?, wenns einmal aus ist, so mögt ichs bereuen, vor ein paar Tagen hab ich einen Brief von ihm gelesen den er vor 30 Jahren an seine Mutter geschrieben hatte, um sie über seine Gesundheit zu beruhigen, wenn man ewig mit dem Zweck umgeht, sagt er, das Rechte zu befördern, wenn man dabei nicht auser Gefahr ist es gar zu verfehlen so kann man nicht immer fröhlich seyn, und einen Bauch und fette Backen haben. – jezt ist ihm Der Dicke Bauch und das Doppelkinn nach gekommen. Du wünscht mir daß ich die Fastnacht fröhlich zu gebracht habe, ich habe mit einer Balanzier stange einen Tanz executiert, aber nicht weil es Fastnacht war, dieß habe | ich nachher erst erfahren, dann hab ich mit einem tapfern Corporal, Heinrich dem IV. eine Vestung weg genommen durch die gröste Kühnheit die man sich denken kann zwischen dem Himmel und dem Tief aufbraußenden Meer hing ich nebst 50 andern an einem Seil mit Knebeln, und kletterte so einen hohen Thurm hinauf ich träumte die ganze Nacht von dieser Geschichte. 366
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Die Frau rath Goethe hatte denselben Morgen Franckfurth im Morgenroth erblickt, da sie früh um 6 Uhr aufgestanden war, wir sprachen denselben Tag viel von der Biebel von der Katolischen Religion, und sie war mir wieder ein mal am liebsten, du glaubst nicht wenn sie ungestört, durch Unbekantschaft oder andre Dinge ist, wie ihr oft herrliche Dinge von den Lippen gehen. Adieu mein lieber Freund ich werde deinem Bild wieder ein neues Kleid machen lassen, eine Kutte, damit kein weltlich Bild in der Einsiedelei hängt, du bist sicher Du hast dich fest gesezt im Sturm, bei Meeres stille, magst Du gar die Flügel in den Wellen nezen, wie der Windvogel, Adieu du Bester du Guter, wenn ich den Moses nicht finde, so finde ich doch immer einen Gesezgeber, in deinem Andencken dieß befiehlt mir streng, dich zu lieben. Bettine Savigny wird dir heut oder Morgen schreiben, heut wird etwas an die Gebrüder Vatermörder zu Gelnhausen geschickt, in allen Zeitungen ließt man, daß die | Leute angestellt werden, nur von diesen nicht, Savigny meint, man würde sie Kraft ihres neuen Titels wohl bei dem Galgen anstellen, Melina ist krank, sie und Marie lassen dich grüßen, Marie lernt italienisch mit mir
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 5. oder 6. März 1808, Sonnabend oder Sonntag
Wer draußen auf der Taunus^spize, wohnte, und die Gegend und ganze liebe Natur, von Schönheit zu Schönheit sinken oder steigen sähe, während ihm dein herrlich Gemüth so in die Augen leuchtet, wie mir, der würde freilich auch besser wie ich, sagen können, was er zu sagen hat. aber mein Aug hat einen kleinen Umfang, meine Liebe einen großen, kommen nie ins Gleichgewicht. – O Theures Haupt! trinke nur immer meine Gesundheit, laß keinen Tropfen übrig, ich gönne sie dir, wenn sie dir wohl bekömmt, mogt mich selber so in dich ergießen, und dir wohl schmecken. Dir muß ich schreiben muß dich meinen Freund nennen, während andre die wohl gescheuter als ich sind sich scheuen mit dir zu sprechen, also schaut die Kaz den Kaiser an, wenn ich das nicht bedächte mögt ich mich wohl frech nennen Dir mögt ich sagen, was mir in der Welt begegnet, begegnet mir doch auf allen Weg kein anderer als du selber; 367
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Dir mögt ich oft sagen: Wir müssen beieinander seyn, müßen uns unsere Herzen vertrauen! siehst du so einfältig bin ich. Es hat sich hier eine Bande Gelehrter und Künstler zusammen gerottet, Poeten, Musicker, Mahler, Redner, Geschichtschreiber, Schauspieler, Kunstkenner, Kunstsammler Kunstliebhaber, Berg und Thal Theoretiker pp: sie schreiben Theorien über die Erd und den Himmel, doch keiner weiß wo sein Nachbar wohnt. ich wollte mich auch als Geschichtsforscher zu einem Mitglied dieser Gesellschaft machen lassen, ich hätte ihnen dann die Geschichte des Kaiser Carls VII vorgetragen, in Hinsicht der Liebschaft die Goethes Mutter mit ihm gehabt hat in ihrem 13ten Jahr, und auch diese, wie sie in ihrem 77ten die Alba morgens um 6 Uhr über Frankfurth aufgehn sieht. sie wollen deine Büste in ihrem Versammlungssaal aufstellen, nun was gehts mich an. Die Erziehungsplane und Judenbroschüren werd ich mit nächstem Posttag senden, ob schon Du nicht sagst daß du zu allen gefälligen Gegendiensten bereit bist aber doch mir schicken willst was reif ist und mir behagt, so bitte ich: geb mir einen Kuß, der recht in meinem Andenken gereift ist. und laß mich Ruh bei dir finden. Wenn der Mensch auch spricht | in seiner Sehnsucht Ja oder Nein! und weiß keiner warum, so giebts doch ein Gott im Himmel, der ihn versteht und mit der Zeit befriedigen wird. Leb wohl mein Gut! mein Herr! laß mir Deine Augen und deinen Mund die mir immer freundlich waren, annoch freundlich sein, ich will im Glauben an dich sterben, und mein Glauben ist der rechte so wird er mich also seelig machen. Ich bin jezt eifrig will oft alles ergreifen, die Neugierde plagt mich, ich kann nichts lebendiges wirkendes sehen ohne daß ich in Flammen auffahre. aber ich weiß daß ich mich noch an dein Knie schmiegen werde und ruhig seyn. Bettine Grüß Kind und Weib. Frd: Schlegel wird Goethes Werke in der Heidelberger Litteratur Zeitung rezensieren. hat doch der Wolf den Hirten, endlich selbst fressen wöllen. Adieu deinen Brief mußt ich küssen, ich mein ich müßt dich Zwingen mir freundlich zu seyn.
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*324. Von Louise Reichardt nach Frankfurt Giebichenstein, etwa 6. März 1808, Sonntag B an Ludwig Achim von Arnim, 11. März 1808:
Gestern hat mir Luise Reichard geschrieben sehr lieb und freundlich dankt sie mir für die Saiten.
(Nr. 330,82-83.)
*325. Von Claudine Piautaz nach Frankfurt Kassel, 6. oder 7. März 1808, Sonntag oder Montag B an Ludwig Achim von Arnim, 8. oder 9. März 1808:
Claudine schreibt auch von Clemens und seiner Frau daß es unerträglich wäre 〈…〉 Claudine schreibt er wolle sich durchaus von ihr scheiden lassen, und sagt auch zu gleich daß sie und Lulu der Auguste beinah alle Tage bei Zwei Stunden Sanftmuth Gedult Sitsamkeit pp predigen (Nr. 328, 14-27.)
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 7. März 1808, Montag
Heidelberg d* 7 März 1808. Dich begrüsse ich vor allen du irrender Ton des Weltgeists, der sich im Gemüthe zurechtfindet und dann dich Du liebes Gemüth, das den Flüchtigen bindet und sich gesellt und mir zuführt, denn wie ich den Ton liebe, so liebe ich dich auch, – aber laß mir keine Kutte anmahlen, der Reichardt meint sonst ich wäre wirklich toll geworden. – Freilich trage ich ein härenes Gewand, unscheinbar und die Luft zieht durch, aber mich deckt der Himmel und der Himmel ist hell – mein grüner Mantel ist freilich abgetragen und fadensichtig, eigentlich nur für gutes Wetter eingerichtet, das allein macht ihn aber noch zu keiner Mönchskutte. Eng ist mein Gemach, kein weiblicher Fuß hat es betreten und was das Leben zerstört liegt bey dem Lebenden auch heilige Bilder zwischen uns – es ist aber eigentlich um nicht in meinen Papieren beunruhigt zu werden, daß ich der Magd nicht erlaube auszufegen 369
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nicht als ob ich meine Wohnung beym Becker | Müller für eine Klause hielte, lebst Du doch darin in mir und ich bin vielleicht Deine Klause, damit Du auch einsam leben kannst zuweilen aller Unruhe im goldnen Kopfe zum Trotz, wo Anton der einzige Karthäuser und Dein Marder der einzige Martirer werden kann. – Ich freue mich auf das Stabatmater von Pergolesi, es ist jezt eine ganze Zeit, daß ich es nicht mehr gehört habe, wann man es öfter gehört vergeht der Schauder und es kommt einem sehr fromm vor. Dem armen Clemens singt ein Canarienvogel und ein Blutfinke was vor, er schreibt mir, daß er an Moritz Bettmann über sein Verhältniß ausführlich geschrieben, er scheint einem Endschlusse nahe sich wenig mehr um seine Frau zu kümmern; ich habe zuweilen eine Ahndung als käme er urplötzlich hieher um | meine Kupferstiche zu besehen, die sich täglich vermehren. Ich habe einzige Sachen eingetauscht, jezt macht mir erst der Kauf bey Baldinger Freude, ich habe beynahe den ganzen Wust von Blättern, die mir gleich^gültig waren gegen andre, die mir lieb vertauscht, dazu hilft mir die Liebhaberey der Leute an glatten so genannten malerischen Arbeiten und meine Gleichgültigkeit gegen einzelne Risse und Flecken, sobald mich das Ganze anzieht. Kreutzer habe ich erst in dieser Zeit kennen gelernt und finde ihn ein gar angenehmes empfängliches Gemüth mit vielem Geist und Gelehrsamkeit, aus dieser letzteren erkläre ich mir jezt sein Verhältniß zur Günterode, nun er wieder zur Gelehrsamkeit zurückgetreten, hat er das alles ruhig überlebt. Ich hatte ihn sonst immer in Gesellschaft mit Clemens gesehn, der ihn wie die meisten, die ihn nicht näher kennen, durch seine Art alles vor allen zu sagen, zurückhaltend und vorsichtig machte. Seine Einwirkung auf Studenten ist recht schön. Es giebt hier viele junge Genies, die ich aber noch nicht kenne, ein Graf Löben aus Sachsen unter andern, der ein Buch Guido vom Wachsthum der Bibel herausgeben wird; wenn es nur nicht der Bibel wird weh thun, wie den Kindern der sogenannte Wachsthum. Zwey wunderliche Menschen sind um ihn, die ihn mit allen Dichtern Tieck, Novalis usw zusammenhalten und ihn immer noch ein Stückchen grösser finden, sie verbrauchen sein ganzes Wachsthum zu Wachslichten um seinen Ruhm zu illuminiren. Gott weiß es warum sich den armen dichtenden Menschen so tausend Dinge, Verachtung und Verehrung von seiner stillen Beschäftigung wegdrängen, es soll vielleicht nur immer eine gewisse Zahl geben, die geistige Weltgeschichte möchte sonst früher als die Planeten zu ende laufen; zu viel wäre es dann doch um einen 370
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Menschen die Welt frisch aufzuhöhen. – Ich küsse Dich herzlich, gieb allen Bekannten das Ihre davon Achim Arnim No: 10
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An Fräulein Bettine Brentano Abzugeben bey zu H. Franz Brentano in der Sandgasse. Frankfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 7. oder 8. März 1808, Montag oder Dienstag
Goethe hat mir geschrieben; er läßt dich grüßen vielmals, und bitten ihm doch wieder einmal zu schreiben. Ich wollt ich wär bei dir; recht von Herzen wünsch ich dieß manchmal, wenn ich fühl daß mir un möglich ist zu schreiben, was mir so leicht vorkommt in einem Gespräch dir zu entwicklen, es kommen solge Augenblicke wo man Gern die Augen über seinem Gemüth zuschließt aus Furcht vor der Einsamkeit darinnen, so war mirs gestern nach dem ich an Goethe geschrieben hatte, der Brief hatte mich so kalt und hart gemacht, er selbst schreibt mir so kalt und steif als ob er sich scheute, eine Leidenschaft in mir zu reizen, siehst du! so versteht er mich! er ist nicht Gewöhnt, seinen eichnen Werth so tief und fest in der Seele eines andern zu sehen, und das, warum er sich selber schäzte wenn er sich über Lob und Tadel am Unrechten Ort hinaus sezte, auf ein mal erkannt zu wissen, er kann sich das nicht vorstellen, und so werde ich wie jeder andere mit Politick, mit Sittlichkeit, behandelt, es thut mir leid daß es nicht anders ist, aber ich habe kein Recht auf etwas anders, mein ganzes Leben kann bis jezt doch wohl nur für eine Art blenklen gehalten werden, so was man nent tirallieur, die zum reizen der Feinde gebraucht werden, aber nie wenn es Ernst gillt in der Schlacht. Es ahndet mir, ich seh dich bald wieder, ists wahr Arnim? ich träume zu weilen davon, willst du mich vielleicht überraschen? was das doch ist mit dem Auge, daß es immer sehen will | was das Herz liebt, o die Neu371
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gierde ist kein schlimmer Fehler sie lenkt, auf Ehren bahnen, drum wird sich auch die meines Auges nie sättigen aber wohl erweitern. ich habe in zwei Tagen wieder zwei glückliche Melodien zum Faust gefunden, da der Hoffmann, sich jezt die große Mühe giebt mir solge Melodien zu entwirren, so schreibe ich immer so was gleich auf damit es mir nicht verlohren geht, jedoch geht um so mehr Zeit hin beym einrichten. ich versichere dich daß ich manchmal eine halbe Stunde bei einem Vers zubringe. ich bin jedoch belohnt, nur mit der Idee, daß etwas hervorgebracht wird. ich erfülle mich oft mit großen Gesinnungen und Dingen, besonders wenn ich von Politik sprechen höre, oder Geschichte lese, ich mögte dann etwas thun daß das Gemeine Wohl befördert, eine Wissenschaft treiben die edel und wichtig ist, die mich unüberwindlich macht gegen alle Lampalien des gemeinen Lebens. siehst du! das lautet kurios, etwas lächerlich! nicht wahr? und doch ist es nicht anders; wenn ich von Carl dem großen, lese wie er Heiden geopfert hat aus Religionseifer so mögt ich lieber damals gelebt haben wo man die Zeiten roh nennt, als jezt, wo keiner mehr Gott zu Ehren etwas thut, mit solgen Ideen plag ich mich oft aergere mich daß wir keinen König haben, dem wir mit Enthusiasmus unser Leben als Schuzwehr vorstrecken können, was kann man mit Gedanken und Gefühlen machen wenn sie nicht bauen, und arbeiten daß etwas dabei erscheint, daß es sichtbar und fühlbar entsteht, die Schweizer waren glücklich, es hatte da Mann wie Weib etwas benebst ihrer Hauslichen Sorge, daß sie noch ausserdem im Leben Tüchtig und wichtig machte, wo für sie mit Leib und Seele Standen | die Freiheit und ihr Herkommen, so denk ich zu weilen nach und kann mich über aller hand betrüben mögte überall seyn und gewesen seyn, wo was großes und herrliches zu thun war, mögte in einem großen Beruf mein Leben aufopfern, und wenn ich mich umsehe, hab ich doch nichts zu schaffen. daß meine Liebe zu dir herrlich rühmlich und wo möglich über alles andre hinaus wachse, ist jezt mein sehnlichstes Verlangen. Mein Herzens freund, was will ich denn? an dich denken, dich kennen ist schon ein Vorzug vor allen meines gleichen. Leb wohl! schreib mir bald es ist alles gut, wenn ich dir dem liebsten was ich hab auch lieb bin. ich denck ich thue nichts klügers und bessers, als mich dir immer mehr und mehr zu ergeben, dich immer weniger zu entbehren, es wird wohl auch niemand mehr so vorzüglich Gut gegen mich seyn, mich so freundlich und nachsichtig beurtheilen wie Du. Bettine. schreib bald! heute hatte ich einen Brief von dir haben sollen 372
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A Monsieur le Baron de Arnim abzugeben bei Hrn Buchhändler Zimmer Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 8. oder 9. März 1808, Dienstag oder Mittwoch
Nun meine Freud, mein innig geliebter mögt ich Dich umarmen, nicht aus besondern Ursachen, sondern blos weil ich mögte. so ists mir zu weilen, wenn man etwas herrliches ausspricht oder Thut, so mögte ich immer Die Handlung unterbrechen und beendigen mit einem festen ans Herz schließen die Ungedult der Liebe wächst zu schnell, sie kans nicht abwarten, und wenn sie fühlt daß der Werth der Umarmung in ihrem Geliebten liegt, so will sies garnicht mehr bewiesen haben, zum theile auch aus Furcht vor ihrer eignen Hefftigkeit, kann sie diesen Beweisen nicht zuhören, als welche der Liebe die Ketten lösen, und sie frey und Gewaltig machen. so geht es mir mit deinen Briefen zu weilen; mitten im Lesen mach ich ihn wieder zu und drück dich in Gedanken ans Herz und will kein Wort mehr wissen, weil du mir zu lieb wirst, zu lieb! Claudine schreibt auch von Clemens und seiner Frau daß es unerträglich wäre, ich wolle der Teufel mischte sich einmal drein, und stiftete, wenn auch mit einigem Fracas Ordnung, denn unserm Herr-Gott, kann man es nicht zumuthen, besonders da jezt die Idee Glaubwürdig wird, daß nur die Schwarz|Kunst dem zerrütteten Zeitalter wieder auf die Beine helfen wird, wobei ich nun grade keine Rolle spielen mögte, ich will alles meiner Annehmlichkeit zu verdanken haben, zu förderst bei dir. Moriz ist mir durchaus unerträglich in hinsicht auf Clemens. er meint Clemens mit Recht unter einer Art von Vormundschaft zu halten als z: B: daß er nicht leiden will von Kassel ohne seine Erlaubniß weg zu gehn, daß ist ja dumm und geht ihn nichts an. Claudine schreibt er wolle sich durchaus von ihr scheiden lassen, und sagt auch zu gleich daß sie und Lulu der Auguste beinah alle Tage bei Zwei Stunden Sanftmuth Gedult Sitsamkeit pp predigen und stell dir nur die Ungeheuren viele Predigten vor die dieß Mädgen, die vielleicht in ihrem ledigen Stande nie eine gehört hat, nun seit ihrem Ehestand hören muß. es kommt mir lächerlich vor daß sie sich selbst durch diese 373
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exaltation diese herunterkanzleien verschaft hat, und sonst auch nichts, Mein Freund gestern hab ich dir auch geschrieben, es war Sonntag in meinem Gemüth, ich hatte aufgeräumt die Werkzeuge der Werktage, waren bei Seite geschaft, aber kein Freund besuchte mich deswegen und dieß machte mich eine Gewisse Art von Einsamkeit | so tief fühlen, grad als wie ein Mensch der sich in einem Wald verirrt hat, sich allein wach fühlt in der finstern Nacht und in allen Ecken die Wilde Thiere schnarrchen hört, so bin ich allein wach, fühl aber daß noch Kräfte (mögt ich es nennen) in mir einen Dumpfen Athem hohlen, vor derem Erwachen mir das Herz klopft. ich scheu mich wie jener Mann, allein zu seyn, aber zu furchtsam, und unwissend darf ich nichts erwecken. Du allein, sollst nun alles was ich denke von mir erfahren, ich werde mich immer mehr bestreben, dir in dem einfachsten Ton meine ganze Seele darzugeben, nicht weil ich glaube, daß sie selbst hoch an Werth ist, sondern daß es das einzige ist was Werth hat, und wenn du nach Gottes beispiel annimst, so ist dir der Heller des armen werther als der goldne opfer pfennig des Reichen. ich hab jezt Monlidor, einen Freund von Clemens der die Judenschule dirigiert kennen lernen, ich glaube, es giebt wenige die so naif und absichtslos, alles Gute thun, blos weil es ihm so in den Weg kömmt, ich will irgend etwas bei ihm lernen denn er ist arm, so kann uns dieß beiden zu stadten kommen. auch laß ich mich gern von der Judenschule unterrichten, Goethe will auch alle Erziehungsplane der Juden und Christen von mir gesendet haben. Nun geht es grad vom Briefschreiben, zum singen, ans Stabat Mater. Leb wohl mein lieber einziger bester | wann werd ich dich wieder sehen ich muß dich wohl bald wieder sehen? mein Herz sagt mirs, wenn ich jezt an die Zeiten Denke wo ich Tausend Umwege machte nur um Dir ein Wort zu sagen oder neben dir zu sizen da ich mich scheute dich anzusehen, da ich mich fürchtete von tausend Dingen zu sprechen, weil ich glaubte du könntest es unrecht verstehen. und jezt darf ich so offenherzig sagen, daß ich dich lieb hab, daß mein Leben dein ist. so sezt unser HerrGott einen Damm damit der Strohm der Freude und Glücks, mit so grösserer Kraft sich ergieße, wenn er die Höhe des Dammes überstiegen hat. – wir haben auf George seinen GeburtsTag ein Fest erfunden, daß dem Goldnen Kopf einen ziemlichen Rappel geben wird, wir wollen nehmlich die ganze Familie und alle Anhänger derselben verkleiden, in Hofleute, die Marie als Königin, George wird von 374
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seinen Diener auch als König gekleidet. und so gehn wir den ganzen Tag herum essen, trinken, sprechen, und handlen nach Hofsitte. Savigny wird Marschall, die beiden Schlosser; Güldenstern, und Rosenkranz, die Meline Page, der Belli Hofnarr, die Gunda Koch, Kästner Hofarzt die Bettine Hofprediger, und hält dem König eine schöne Anrede, die kleine Sophie wird Hofpauker. Adieu dein treues Kind Bettine
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Heidelberg d* 10ten März 1808. Zwey so liebe Briefe mit einem zu beantworten scheint säumig, aber sieh ich schreibe so vielerley, muß mich mit dem elendesten Spuck in der Literatur mit der Morgenzeitung noch vor der Morgenröthe um den Platz zanken sie anzusehen, daß mein Schreiben und mein vieles Schreiben Dir kein Zeichen seyn kann von der auszeichnenden Liebe, in der ich Dich verehre und ein Paar Tage Zögerung mir kein Vorwurf werden kann. Wenn ich Dir aufschriebe, wie oft ich in Momenten Dir so nahe seyn möchte wie meinen Gedanken an Dich, es würde mein Brief wie ein astronomisches Journal einer sehr fleissigen Sternwarte aussehen: Was ich Dir aber in Gedanken gesagt ist so weitläuftig wie die allgemeine Deutsche Bibliothek. Daß Du Göthes Brief kalt und steif nennst, weiß ich nur mit sehr künstlichen Brücken mit Deiner Verehrung seines Werths zu verbinden, – ich gestehe Dir, daß ich alles was mir von Göthe käme mit Ehrfurcht | annehmen würde, gedenke daß bey dem Reichthume seines Lebens es eine schöne Gutmüthigkeit von ihm ist Dein und auch mein Vertrauen zu wünschen, aber es zu erwidern würde ich fast unnatürlich finden, denn er hat einen grössern Kreis des Lebendigen umschlossen, wo wir schon genug seines Vertrauens genossen. Ich bewahre Briefe von ihm, die mir nicht mehr sagen, als daß er die meinen mit Vergnügen empfangen, wie ein Heiligthum; daß du nicht so denkst verwundert mich nicht, Mädchen werden verwöhnt, aber du hättest wohl die Kraft Dich von der Gattung in ihren Fehlern loszureissen. Daß Du dein bisheriges Leben nur wie ein Blänkeln ansiehst gegen einige Momente guten Willens zu allem Grossem ist dasselbe unter andrer Gestalt, die Kraft etwas zu thun kommt aber 375
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erst dann, wenn wir unsern Willen nicht mehr so überschauen können, und ein Ende der | Welt setzen, wo wir nichts zu thun haben, was je ausserordentlich war kam sich selbst sehr natürlich vor. Voß hat gegen Göthe ein Sonnet im Morgenblat gemacht, weil der auch Sonette macht, daran bist Du schuld, denn die heimlichen Literarspione hatten hieher geschrieben, er mache jezt nichts als Sonette, wahrscheinlich jene zwey an Dich. So machst Du den alten Mann unglücklich, bringst ihn um Ehre und Reputation und dann stösst Du ihn von Dir. – Voß hat auch gegen mich geschrieben, Du wirst bald in den Zeitungen eine Antwort lesen, wo ich den Herausgeber des Einsiedlers für einen vereinsamten Vater mit sieben Jungen ausgebe, die Fama groß zu säugen vergessen um ihm falsche Nachrichten einzuraunen. Er meint nämlich, Görres wäre mit mir zur Zeitung verbunden. Es vergeht hier kein Tag ohne literarischen Scherz, welche Erquickung während mein Herz von Schmerzen um mein Vaterland zusammengedrückt ist. | Welche Erquickung dazwischen, wenn sich die Quellfürsten aus der dreyeinigen Sanftmuth, die Musicker sich hören lassen. Spohr der Violinist hat alles ergriffen, ich wünsche er käme nach Frankfurt, er ist Meister in Höhe und Tiefe des Adagio, er hat sich in den drey Jahren, wo ich ihn nicht gehört habe, noch sehr nachgebildet. Seine Frau spielt Harfe. – Da Du Molitor kennen gelernt hast, so sprich ihm doch einmal von einem gewissen Nenny, der, denke ich, auch bey der Judenschule ist und den Zimmer rühmt, auch wegen mancher poetischer Arbeit. – Von Clemens habe ich kein Wort, dämpfe nur den Moritz etwas mit seinen wunderlichen Ansprüchen über ihn, freilich hat Clemens wohl so etwas ihm eingeräumt. Ich wünsche viel Freude zu dem Feste an Georges Geburtstag, aus dem aber wahrscheinlich nichts anders werden wird als die Vorbereitung und die Nachrede, ich kenne schon des goldnen Kopfes Art, den ich dessen ungeachtet herzlich küsse. Achim Arnim An No 11 Fräulein Bettine Brentano Abzugeben in zu der Sandgasse bey H. Franz Brentano Frankfurt a/M
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Ich kann nie über Dich klagen daß Du mich vernachläsigst im schreiben, du thust viel mehr als ich erwarten konnte, ein jeder Brief von Dir, so Treu so wahr, so lieb, daß er die Ewigkeit aushält, warum sollte ich deren noch mehr begehren, es wäre ja ihren Werth nicht schäzen. Du siehst ja auch daß ich mich nicht abhalten lasse, wenn deine Antwort sich verzögert, dir doch immerfort zu schreiben, Du schriebst mir einmal, es mache dich ängstlich wenn meine Briefe sich verzögern, die Liebe, die Du in dieser Ängstlichkeit mir spendest, mögt ich all in Dir aufbewahren, um sie mit der Zeit in deinen Augen, auf Deinen Lippen, in Deinem Herzen aufgehäuft zu finden. Drum schreib ich nun so oft daß Du kaum Athem dazwischen hohlen kannst – Der Brief den ich von Goethe erhielt, hatte mich wohl erfreut, und sogar glücklich gemacht, ich ließ ihn Savigny lesen der fand ihn kalt, ich bedachte nun wie ich eigentlich an Goethe schreibe, mit aller lebendigen Liebe, mit aller Ehrfurcht die sich in mir mehr wie ein wildes ungeregeltes Genie ausweisen, als wie eine Frucht meiner Erkentniß. mit einem unwillkührlichen Begehren mich an ihn zu drängen, alles Gute von ihm erschüttert mich bis aufs Gebein aller Schmerz und Unglück was er erlitten hatt, liegt ewig vor mir, und es kann mich immer wieder rühren. da ich nun überdachte einen solgen Brief, gegen den seinigen, so war mirs als könnten ihm meine unangenehm oder ängstlich seyn. und in diesem | zurückstosenden Sinn konnte ich Savignys Worten Glauben beimessen, aber nur einen Augenblick, in welchem ich sie dir schrieb. Glaube nicht daß ich diesen pretensionsfehler, mit andern Mädgen gemein hab, ich hatte nie Gelegenheit denselben zu cultivieren keiner hat mir je um meiner selbst willen Recht gegeben oder Ehre angethan, oder einen Werth beigelegt, der Der Mühe werth gewesen wäre, von Goethe ist es nur Natur die überall erhebend und Großmüthig seyn muß, daß er mich freundlich anhört daß er mir die Hand reicht wenn ich sie ans Herz drücken will Du erhebst mich und giebst mir großen Werth dadurch, daß Du alles so gütig in mir zurechtweisest. daß Du mir Minuten schenkest, die in Zeiten deiner Jugend, ja auch auf tausend fältige würdige Art, könnten verwendet werden, was mich auch ewig an dich bindet, und meiner Liebe eine Nahrung ist, die ihr Löwenstärke wird geben, ja! ja! eher will ich nicht ruhen, bis ich um deinetwillen, die ganze Welt zurük drängen kann, und biß ich dich auch so 377
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fest halten kann wie du mich. Und doch hab ich dich nicht lieb genug. Dreimal mehr, hundert mal mehr muß ich dich lieben mit der Zeit. Von Clemens sind gräuliche ekelhafte Briefe an Savigny gekommen, an Moriz hat er auch geschrieben, und hat die Briefe Savigny zum Durchlesen geschickt, sie sind so, daß wir uns schämen sie Moriz zu geben. es ist nichts als ein völlig kriegendes Elend drinn, ist es vielleicht Gewohnheit sich an allen Menschen zu halten, wenn er unglücklich ist, die ihn so macht? Moriz weiß wohl daß Klemens ihn hundert mal, einen Hund einen | elenden Dummen Menschen geschimpft hat, in diesen Briefen aber Nent er ihn; verehrter Mann, theurer geliebter Oheim. sagt ihm »bedenken Sie daß es die Ihrigen sind die so unglücklich sind helfen Sie bester Mann« Der Brief ist übrigens undeutlich und höchst ungroßmüthig um nicht zu sagen schlecht von allen schon verziehnen Thorheiten und Unthaten der Auguste zusammengesezt. Zwey Briefe von Auguste hingegen, die auch Bitten um Scheidung an Moriz sind, sind in einem viel edlern Styl aber wohl auch um so boßhafter und lügenhafter diese hatte Klemens zurück gehalten und sie mit seinen Anmerkungen durchschrieben, auch an Savigny geschickt um sie dem Moriz zu geben. dieß ganze erscheint nun so betrübt unedel, schwach, daß es einem leid thut ihn so blos zu geben. Ach glaub nicht daß es Hartherzigkeit von mir ist, daß ich ihn so beurtheile ich hab Vertrauen in Dich, und sag dir rein heraus wie er erscheint! nicht wie er ist, denn ich glaube immer daß sein Elend wie ein Gift ihn herunter gebracht hat und so wie der Körper bei wiedriger Nahrung zu Grunde geht, so auch die Seele, ich weiß nur nicht wie und ob man ihm helfen soll, oder ob es besser ist, daß man ihm Klar mache, wie er selbst sich betragen soll, und wo er Unrecht hat, denn so sich den andern in die Arme zu werfen, muß doch immer Krank und Matt machen. ich glaube das beste wäre wenn sie eine Zeit lang von einander kämen, doch nicht gewaltsam, sondern wie unwillkührlich | Clemens zu Dir nach Heidelberg, oder sonst wo es ihm wohl würde, und Auguste zu Menschen, die ihr nicht den ganzen Tag vorpredigen sondern sie ganz ordinär behandlen, dem Taglichen Wesen nachleben, ihre Extravaganzen nicht verstehen oder nicht bemerken, denn da Clemens Savigny gesagt hat daß er mit ihr eine Correspondence führen will, so will ich wetten beinah alles, daß er wieder mit ihr zusammen kommt. Adieu mein Herz mein bester bester Freund ich hätte dir noch viel viel zu schreiben allein die preparationen auf das morgige Fest halten mich ab. adieu du guter lieber Arnim, denck an mich recht innig daß ich es 378
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hier in meinen einsamen Stunden durchfühle, und mit dir zusammen lebe. Gestern hatten wir ein Concert hab aber nicht gesungen meine Stimme hatte eine Reiße gemacht wahrscheinlich zu Dir, zu dem ich selbst immer reiße in Gedanken, und endlich ankomme, in seine stube trete ganz leise auf den FussSpizen, und ihn plözlich umarme. Bettine gestern hat mir Luise Reichard geschrieben sehr lieb und freundlich dankt sie mir für die Saiten.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 14. März 1808, Montag
Heute Morgen ist der aelteste Grimm von Cassel hier angekommen, wieder mit Neuen Briefen von Clemens an Moriz und Savigny, die auf eilige Trennung Dringen. diese sind wirklich viel besser und consequenter geschrieben, Savigny hat mit Moriz gesprochen Dieser findet (und muß wohl) es nöthig, auch der Sache eine andre Richtung zu geben, um allen Scandal zu verhüten, George arbeitet auch an Dieser Trennung, ich hoffe daß es in wenig Tagen so weit gebracht ist daß Auguste in Verwahrung und und Clemens etwas mehr Luft bekommt. Denn lange darfs nicht mehr anstehn, Savigny beträgt sich sehr schön dabei, voreilig sind wir auch nicht, denn Clemens und Auguste dringen darauf, und bitten selbst um Gotteswillen, die lezte Scene, die die Veranlassung von Grimms Reiße hier war ist eine Erstechungs Comödie, sie hat sich nehmlich mit einem Federmesser eine Wunde gemacht und Clemens der grade bei Grimms war das blutige Messer geschickt. Clemens lezter Brief an Moriz ist sehr deutlich und vernünftig, ich glaube gewiß daß eine Trennung sehr bald bewirkt wird. Nun meine frohe Nachrichten! heute Morgen | hat Savigny einen kleinen Sohn bekommen, er hat dir und George die Ehre ihn zu heben zu gedacht, die Gunda ist ziemlich wohl. sag mir guter Arnim wird es noch lang währen bis wir und ich dich wieder sehen. Bettine in Eil! in kürzester Zeit geschrieben.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 15. März 1808, Dienstag
Heidelberg d* 15 März 1808. Glück zu jedem Auge das zu erst die Sonne an blickt und möge es uns mit seinem Glücke anblicken, daß wir unser Theil bekommen aber die, von denen es stammt, die leben darin! So brauche ich Savigny und seiner Frau nichts zu wünschen. Doch so wie alles sein Gegengewicht hat, so muß der gute Savigny mit einem Sohn sich bekannt machen, und von einer Schwägerin sich scheiden, frag ihm, ob ich bey beyden helfen kann, ich meine aber nicht, da alles nach Gravitation regelmässig erfolgt. Daß das ganze Petermännchen des Aufsehens, was Auguste noch zu ihrer Anständigkeit nöthig glaubte, endlich mit einer kleinen Blutflecke verflogen ist macht mir viel Freude; ich war vor ganz andern Scenen besorgt, ich dachte an Fußfälle vor dem Könige, Flucht u.s.w, ich habe in dieser letzten Zeit gar nicht des wegen | an Clemens schreiben mögen, zu entfernt um das obwaltende Wesen zu kennen, hätte ich durch Rath ihn nur zerstreuen können, auch schrieb er mir nichts Einzelnes von seiner Lage in den letzten Briefen. Es ist mir merkwürdig, wenn ich sie sah, fiel mir immer der Vers ein; dies ist ein Tag, an dem man noch manches erleben mag. Wenn ich nur wüste, wo Clemens jezt mit angenehmen Gefühle leben könnte, Heidelberg ist ihm nicht mehr erquicklich, Cassel wird ihm verhasst seyn, Frankfurt bringt ihm dem regierenden Hause Bettmann zu nahe. Ich schreibe heute noch an ihn, so schreibe ich auch mancherley in Vorbereitung den Tauftag in Frankfurt zu bringen zu können, wenn das Kind dazu so alt werden muß wie die kleine Bettine, so habe ich freilich lange Zeit noch, ich wünschte es wäre grün dazu in der Welt, der Schnee verzögert seine Dekorationsänderung unendlich lange und die Schauspieler wissen kaum mehr womit sie die Scene vollsprechen sollen. Wie mich die Begebenheiten hinreissen, verdenkt man es noch der grösseren Zahl von Leuten, wenn sie gar nicht auf das sehen was gedacht wird; darum habe ich doch nicht Deinen längeren Brief mit allem Lieben vergessen, was er enthielt. Was Du von Clemens sagst und von der Art wie ihn solche unselige Begebenheit wie ein Gift ergreift und seine bessere Natur entstellt, das Schicksal theilt er mit allen Menschen, die Vögel können schwimmen und werden nicht naß, denn ein Oehl aus den Wolken überzieht ihr Gefieder, nicht so der Mensch und wie er mit dem Quellwasser und der Luft der Stadt die ihn geboren, den Keim mancher | 380
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Krankheit mit allen theilt und ihn bewahrt, wenn er nicht Endschluß genug hat und himmlische Gewalt sich los zu reissen, so ist jede Berührung des Lebens nährend oder störend, keiner mag sich davon ausschliessen. Das Gift ist nie allgemein Gift, da wo es sich bildet ist es oft eine schöne farbige gesunde Natur, wer sagt dem Menschen, daß er alles koste, da er doch nicht alles begreifen kann. Wäre ich nie in Preussen gewesen, wie manche giftige Erinnerung hätte ich mir erspart; freilich auch manches Wohlthuende auch nicht erlebt, wozu ich Deine Liebe vorzüglich rechne. Wer will aber so rechnen wie Franklin der gern sein Leben noch einmal leben mochte, wenn er nur Einiges ändern könnte, das heist aber als Buchdrucker denken und nicht als Schriftsteller. Ich freue mich, als wenn ich schon bey Dir wäre, liebe Bettine! Achim Arnim An
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 20. und 21. März 1808, Sonntag und Montag
Sonntag Abends 10 Uhr Schon einen ganzen Tag bist Du wieder in deiner Wohnung, Und ich – seh dich immer noch vor mir, obgleich deine Erscheinung wie Traum war, jezt wo ich dran denke daß Du vor meinen Augen warst, erschreckt es mich bis zum Weinen, ja wie im Traum gingst Du vor mir her, ich wollte dich ergreifen, konnte aber nicht erreichen, wollte mit sprechen, du hörtest nicht, warst mit tausend Dingen beschäftigt, nur ein paar Augenblicke wo ich dich küßte, und doch schienst du dabei wie abgehalten, wie abgewendet und nur Zur Noth in Eil. so hab ich grad zuweilen von Dir geträumt, warst Du’s denn auch? hab ich deine 381
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eigne Augen gesehen? hast du mir die Hand gegeben? Du! an den ich schreib, für den ich voll Liebe bin, um den ich alles gäbe, so viel: nur um in diesem Moment vor Dir zu stehen und Dich anzusehen, ich hab dich ja tausend und wieder Tausend Momente vor Augen gehabt in diesen 3 Tagen und mein Herz war still; warum habe ich dich denn nicht fort geführt in Wald, warum hab ich dir keine Einsiedelei dort gebaut, und dich vor keines Menschen Antliz mehr gelassen, deinem Gott hättest Du dienen müssen, und ich hätte dir gedient. Ich hab dir eine Einsiedelei gebaut in meinem Herzen, ich mag diese nicht verlassen weil alles mich an dich erinnert, ich warte deiner, und wenn Du kömmst will ich dich bedienen. An meinem Ofen siz ich und schreib auf einer | großen Bibel, in der ich vorher gelesen hatte. Ach ich mag deinen Nahmen nicht schreiben, Du weißt ja wie ich dir rufe, mein Lieber! lieber! – aus dem tiefsten Herzen. Gute Nacht. Bettine Montag früh in zwei Stunden reiß ich mit der Toni nach Mildeberg zum Herrn Schwaab. bin aber am Donnerstag zuverlässig wieder hier, da werd ich einen Brief von Dir finden. Es sind jezt 3 Jahr da stand ich in Marburg an der Lahn, es war kein Boden der Steinich war, und Unfruchtbar, aber doch waren die Ufer kahl, denn es war im Winter, die Wellen zogen schnell mit dem Eis den Fluß hinunter, ich hatte Steine und Moos auf dem Weg gesammelt, aus keinem Grund als weil ich’s so in den Mauern wachsen sah Ach was man anblickt, dem giebt man leicht ein Leben in sich und ungern mag man sich von ihm scheiden so ist das Kind, was es sieht begehrt es für sich so bin ich; Ach! wie hing ich an dir da ich dich gesehn hatte. aber mir ward der Eichen sinn gebrochen, du gingst fort. damals hatte ich nur Gott, wie tief fühlte ich ihn in dem kalten Nebel der in dem Fluß schwankte, wie fühlte ich ihn und begriff die Worte die geschrieben stehn »sein Geist schwebt über den Wassern« kalt ist er, und wie mit gebrochnen Fittig starrt er die Welt an, daß sie auch in ihm erstarrt, und warm glühend schwingt er sich mit unermüdlicher Kraft, und die Wasser treiben Dampfseulen, und alles ergiebt sich in Fruchtbarkeit die Erde treibt ihre innerste Liebe, in kräftigen Pflanzen ans Licht und alles wendet sich zu seinem Schöpfer und opfert die Frucht, aber ich will kein Latein lernen und kein Griechisch sondern will dich nur ewig lieb haben, damals must ich manchmal meine Betrübniß laut ausrufen, 382
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und ich sagte auch einmal. O Gott! weil Du Freuden bereitest die stärker sind als das Leben und weil du harte und grausame Schmerzen erschaffen hast, so muß ich zwischen beiden leben aber dem, den ich so lieb hab; mögt ich die Freude wie Gift ins Gebein einflösen, wenn Du nur ewiges Leben daraus erwachsen ließest. Stelle Dir vor lieber Arnim daß ich tausendmal um dich betrübt war und eben so oft still und ruhig und alles ertragen konnte, daß ich dich auf deinen Reißen begleitete, daß ich an all deiner Liebe deinem Kummer den wärmsten Antheil nahm, ja oft war mirs als sey ich selbst die Unglücklichste, wenn Du es warst, nun all das hast Du drei fach gelöst an dem ersten Abend in Cassel, wo wir zusammen am Ofen saßen, und seitdem tausendfach wieder. und mehr hast Du gethan, an mir von Glück und Freud | als dem Menschen gewöhnlich in seinem ganzen Leben wird. und ich muß dirs sagen wie lieb lieb ich dich hab, immer und ewig, es ist eine Quelle die nie in mir versiegen wird, Adieu mein liebster ich kann nichts mehr schreiben, und doch mache ich meinen Brief ungern zu, weil ich mich nicht von Dir trennen mag. nenne mich dein lieb Kind dein Herz! und gebe mir viele liebe Nahmen, das macht mir so viel Freud, und dann sey nachsichtig gegen mein Andringen und Anklammern, an Dich, es bricht manigmal alle schon verwundene Leidenschaft so plözlich wieder heraus, verzeih mir alles. Bettine.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 22. März 1808, Dienstag
Heidelberg d* 22. März 1808 Dieses Papier ist etwas zerdrückt, das ist nicht aus Mangel an Achtung gegen Dich, liebe Bettine, sondern weil es das Vergnügen gehabt hat, in meiner Tasche nach Frankfurt mitzureisen, und schon habe ich ein neues Vergnügen daher, einen Brief von Dir. Weist Du denn, daß Du nahe an Heidelberg vorbeyreist um nach Miltenberg zu kommen, wirds nicht einen Nordschein für mich geben, wenn Du da quer durch den Odenwald reisest? – Es war eine furchtbare Nacht, als ich von Frankfurt reiste, ich schlief mit allerley Betrachtungen ein und wachte beschneit auf, was ich dachte hatte mich aber warm gemacht, denn ich 383
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Dachte Deiner vielen Lieb und Güte und daß ich Dir gut bin ungeachtet Du ganz anders bist, als ich der Idee nach in mir Mädchen, denen ich gut seyn könnte dachte, Du versöhnst mich also mit einem Theile der Natur, der mit mir im Streite war, habe Dank; doch Gewöhnung ist langsam und was soll ich Dir leugnen, da Du es selbst bemerkt, daß mich erneutes Wiedererkennen solcher Verschiedenheiten in Deiner Nähe zurückhaltend | macht. Sieh liebes Kind ich schaudre noch jezt vor zwey Dingen, wie Du mit Savignys Kind herumsprangst und Dich nicht abhalten liessest und nachher darüber lachtest, als sie Dir vorstellten, wie Du in diesem Taumel vernichten konntest, was keine menschliche Kraft herzustellen im stande gewesen; dann wie Du gar nicht von Savignys Zimmer weichen wolltest, der nothwendig beschäftigt war und Dich darum bat, sieh da fürchtete ich immer ihm würde die Gedult ausgehen, wie mir das in ähnlichem Falle sicher geschehen wäre. Es thut mir immer leid, daß ich Dir so manches tadeln muß, was ich eigentlich an mir tadeln sollte, daß ich mich nicht darüber hinaus setzen kann und doch schreibe ich es Dir aus einer Art Tugend, solch einen Tadel zu verschliessen hilft nicht, er sieht doch hervor wie die Schneidergesellen Dir gegenüber in die Fenster sehen, während Du sie zu beobachten meinst; ich bitte Dich, tadle mich eben so offenherzig wieder, kennen wir uns doch so lange, so bekenne ich Dir daß ich in mir dachte, als ich Deinen Brief voll Güte las, es war eigentlich | schändlich, ich wollte, daß die alle nicht lebten, die ich lieb habe, um Dir ganz allein gut zu seyn. – Von Clemens habe ich keine Nachricht, einen kurzen Brief von ihm fand ich hier, der aber nichts über Seine grosse Verhandlung enthielt; er kommt mir erstaunlich unglücklich vor seitdem ich die verschiednen Stimmen über ihn im goldnen Kopfe gehört habe, ich kann jezt manches von ihm begreifen was er mir sagte, wie da der Keim zu mancher Verwirrung seines Lebens liege, ich fühle hier in der Ruhe, daß er bey aller Ungeschicklichkeit, womit er sich alles verleidet, doch tiefmenschlicher und also edler sein Leben führt als ihn die andern beurtheilen. Wenn sie geradezu sagten, sein Wesen ist mir unangenehm, er verletzt auf barbarische Art wo ich Zartheit fordre, so hätte ich nichts gegen, wer so etwas nicht ertragen kann, wird ihn nicht lieben; aber die Ansichten die sie sich von seiner Seele machen, um ihren Wider^willen gegen | ihn zu erklären, das ist eine Lüge gegen sich, zu der man aber bey Brüdern und Schwestern leicht kommen kann, weil man sich den Wider willen nicht zugeben will. Darum sind die verschiednen Tragödien über feindliche Brüder sehr lehrreich, wo 384
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das gröste Unglück entsteht, wenn die Brüder wegen der Erinnerung ihrer Verwandtschaft ihre wirkliche gegenwärtige Feindschaft aufgeben. – Nun noch kurz von mir, daß ich meine Freunde alle wiedergefunden, wie ich sie verlassen, das ist ein rechtes Zeichen von Freundschaft, übrigens bin ich fleissig und möchte mancherley treiben, was mir hier fehlt; kannst Du mir Schelmufsky und die drey Erznarren schicken, so wär es mir lieb und den Gesang der Mignon. Ueber Thal und Fluß getragen. Die Sonne scheint, ich gehe aus und soviel Schritte, soviel Grüsse an Dich Dein Achim Arnim 〈1r aoR kopfstehend:〉 Vergiß nicht Savignys herzlich an mich zu erinnern.
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An 13 Fräulein Bettine Brentano Abzugeben zu bey H. Franz Brentano im goldnen Kopfe Sandgasse. Frankfurt a/M
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Daß dein bisheriges Leben mit deiner Frau sehr unglücklich war, Lieber Clemens, ist keineswegs zu bezweiflen, auch arbeitet Hier alles daran der Sache eine andre Wendung zu geben indessen fällt mir es doch oft auf’s Herz, ob Du selber ganz frei zu sprechen bist, und wahrlich es ist besser eine ganze reihe von Elend als eine einzige Ungerechtigkeit, welche dich durch ihre Folgen eben so elend machen kann als dein jeziger Zustand; in irgend einer Laage des Lebens verzweiflen, heißt: entweder sehr schwach seyn, oder an der Ewigkeit zweiflen. denn wer an dieser nicht zweifelt, wird gewiß nie sein Schicksal verdammen, wenn er damit, noch ein anders in Abgrund stürzt, ich weiß zwar, daß gewiß nie mit Einsicht Du Augusten Unrecht gethan hast, aber da sie selbst, vielleicht oft blind dich gereizt hatte, konntest Du für das echte 385
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Maas deines Gefühls stehen? deine Freunde sind lauter vortreffliche Menschen, ja gewiß, ein jeder andre, der nicht um deiner Eigenschaften willen dir gut gewesen wäre, würde Dir immer Unrecht geben. Eigenschaften sag ich! denn es liegt in dir nichts von Gutem was Du selbst in der Gewallt hättest, das Gute was in dir liegt bestreitet Dich, wie auch Augustens Verkehrtheit du selbst aber wiederstrebst ihm zu weilen, wie sie auch | Du; weil dir die Last der Ketten zu schwer wird, mit denen es deinen freien Willen bindet, – weil eine Art von Übermuth, wie eine Gährung in deinem bessern Gemüth aufbrauset, um sich von der Gemeinheit los zureißen welcher aber immer im Verhältniß zur ganzen Welt, zuerst tausend Ungerechtigkeiten ausübt, und von dieser nieder geschlagen, noch tiefer in seinen vorigen Zustand zurück sinket. darum fühl ich auch deutlich daß dein Leben mit Auguste dir nicht Gut ist, weil es dich täglich zu nichts anders als zu solgen Explosionen reizt, ohne deine zerstreite zersprengte Kräfte, (die an und für sich rein und herrlich aus des Schöpfers Hände gekommen sind) wieder auf dem Schlachtfeld zu sammlen und dich immer nur mehr schwächt. Auguste wiederstrebt dem Guten, daß Du nicht einmal durch eignen Willen ihr entgegenstellst, aus wahrhaft schlechter Natur, die auf keine Art Gewallt hat irgend etwas zu halten was man ihr dar reicht, die Hände ihres Gemüths sind lahm worden, durch ein Convulsivisches Klettern und Klammern, am Gemeinen, das öftere Zurückkehren und Bitten, und Bessern, ist Poltronerie, denn Gott läst solge Thränengüsse nicht sich zu Ehren fliesen, ohne Barmherzigkeit und Gnade zu gewähren
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Ja wohl muß ich dich tadlen, daß Du bei mir sizen konntest und mich sehen, mit aller Lieb, mit allem Eifer zu Dir, daß Du dabey etwas aufm Herzen hattest und doch still schwiegst, wärst du so gerecht gewesen wie Du erst nach meinem Brief wardst, so hätt ich dir auch beweisen können, wie es mich auf der Stelle, am meisten gekränkt hatte, daß ich so leichtsinnig mit dem kleinen Kind war, wie mein Lachen nur Verbergen meines Schreckens, und zurücktreiben meiner Thränen war, die mir darüber nah waren, du hättest dich denn früher beruhigt und 386
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ich hätte einen schönen Beweiß Deiner liebendsten Sorgfalt um mich erhalten. Ich hab mir oft vorgenommen, meine Liebe Unabhängig von Deinem Schicksal zu erhalten, ich hoff auch es gelingt mir so mit der Zeit, daß ich durchaus nichts mehr von dir begehre, mein Lieben ist ja mein Wesen, und was will ich denn von Dir mir zueignen, du gabst von jeher das ganze Vermögen deiner Seele, so herrlich aus, daß es schändlich wär mehr von dir zu verlangen, doch bin ich zuweilen so traurig über dich. In Miltenberg hab ich bei Hrn Schwaab unter vielen HeiligenBildern dieß eine für Dich aus gesucht. mein Herz zieht die geringsten wie die grösten Leiden mit Dir, allen Freuden der Welt vor, es will für dich seyn, und ich frag nicht, Ist Dein Herz, wie das meinige, sondern sag gleich mein Herz will mit dir und für dich alles leiden. Ich bin in Miltenberg aufs alte Schloß geklettert, hab mich da umgesehn, hab tausenderlei Gedanken gehabt, hab die Welt angebethet weil sie so schön war mit ihren unzählichen Hügeln und Wassern, hab mich da oben frei gemacht von Dir und aller andern irdischen Lieb, und war doch im tiefsten | Sinn recht irdisch in die Erde Verliebt, eine 4tel Stunde lang, so gehts wenn man selten in die freie Natur kommt, die Welt von welcher einem gesagt wird, sie ist schlecht betrübt, ruchlos, erscheint endlich wie die Bajadere, die sich aus Liebe durch den Flammentod von ihren Sünden gelöst, und mit dem neu erungnen Gott schöner und herrlicher als je aus der Asche steigt, ja so scheint der Frühling eine heilige Versöhnung, eine neue Ergießung des Göttlichen Seegens, ein neuer Reichthum, von übermäsiger Liebe, in der das geheimste heilichste Vertrauen, (das sonst selten sich wagt), sich überfüllt, so auch meins, Arnim nenne meine Lieb, in meinen Briefen, nicht Güte, nenne es den reichsten Seegen Gottes, womit er mich vor allen andern auszeichnet. ja ich bin überglücklich daß ich dich und was ich lieb, so Lieben kann. und könnt ichs wahrlich nicht ohne besondern Beistand. ich hab zu weilen Augenblicke wo ich jauchzen muß vor Liebe, und vor Freude an dir, besonders wenn ich manchmal, in gering scheinenden Dingen, deine Tiefe Seel erkenne. Aber Arnim du scheust dich, mir zu vertrauen. denn Du sagst, wer weiß ob ich es vertragen könne du hast wohl recht, denn wahrhaftig, wer weiß ob ichs vertragen kann. ich mögte nicht um alles, diesen Damm los reißen der dein Vertrauen hält, aber an ihm will ich mich fest halten, daß wenn er ein bricht, ich gleich vom gewaltigsten Strudel | ergriffen wird, und drinn untergeh, oder Dir eine Probe meiner Stärke ablege. Adieu! sonne dich 387
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recht auf deinen Spaziergängen, und laß deine Schritte deine Grüße an mich zu deinem Wohlseyn und Munterkeit gedeihen, gestern machten wir auch einen theil unserer Reiße zu Fuß, meine Schritte waren immer so nah zu deinem Herzen, als die der Maulthiere zu der Mauer wenn sie auf der andern Seite einen Abgrund haben, du bist mir auch eine Schüzende Mauer; kein Mensch wird mich so von Bösem zu rück halten und bewahren, wie du durch dein tadlen meines Unrechts, sey nur versichert daß ich es allzeit als das herrlichste Zeichen deiner Liebe erkenne, daß ich mir einen ewig Frucht tragenden Schaz daraus sammlen will. und wisse nur, daß mein ganzes Gemüth sich daran erhalten will, und es mir eine heilige Hülfe zum Himmel werden soll. Wenn wir uns erst mehr erkennen, dann wirst Du auch Gelegenheit haben mir die herrlichste Seite deines Gemüthes angedeihen zu lassen, und ich will mich dir dagegen ergeben wie das glarste Wasser das zu Deinen Füssen fließt, indem du den tiefsten Grund, und dich selber erkennen magst. Die Erz Narren und das Lied will ich dir schicken, Schelmufsky hab ich nicht, vielleicht hat ihn Savigny ich werd ihn darum fragen. An Clemens schreib ich immer noch an einem langen Brief, Savigny meint ich soll ihn ihm nicht schicken, weil ich ihm meine Ansicht über Auguste so mit getheilt, als ob er dabei gar nicht zu schonen oder freundschaftlich zu betrügen sey, ich meine aber, daß da ich durch Spizfündigkeit nichts durchsezen mag und kann, und es mich doch drängt an ihm theil zu nehmen, die überzeichende Wahrheit das allein erlaubte ist. Auguste hat wieder Zwei Briefe geschrieben, wovon einer an Moriz der das elendeste schändlichste ist was ein solches Weib die doch schlechter ist als alle Menschen mit denen sie von jeher gelebt hat schreiben kann. aber Moriz hat einen Wohlgefallen, an diesem Brief, und jezt ist es Clemens der Unrecht bei ihm hat. Auguste schreibt ihm nehmlich unter andern daß er zwei Freunde in Cassel habe die Grims, die eichentlich allein an seinem Verderben schuld seyen, Moriz soll doch Clemens hier her kommen lassen, allwo er durch dich und Savigny hoffentlich wieder gebessert würde pp: grad als ob Clemens der Sünder sey, Savigny sagte dem Moriz daß die beiden Grims zwei vortreffliche Menschen sind und es nur Einbildung von Auguste ist, ich aber glaube daß dieß ganz geheim gesponnene Pläne sind, auch hier her zu kommen welches schon lang ihr geheimer Wunsch war. Adieu ich küße dir die Hände die Stirn und auch die Lippen wenn Du es erlaubst. Bettine 388
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Hier hast Du einstweilen das Lied, welches durchaus so fertig ist bis auf die f: und p: und cres: und dimi: die du nach Belieben und Gutdünken anschreiben magst Ich hab Dich immer noch so lieb wie sonst, wenns so fort geht immer und immer, so wirds bis in den Tod gehen, Aber Arnim, wie sind denn die Madchen, denen Du deiner Idee nach Gut seyn kanst, und was ist denn Gutes und schlechtes in mir daß sich mit dieser Idee nicht verträgt. Ich habe mir nie ein Bild gemacht von Männern noch von Weibern, die ich hätte lieben können aber ich dachte oft: hätt ich nur jemand, kein Mensch hat noch einer instinktmäsigen Ansicht die ich von Freunden habe, beinah wie ein noch verschlafnes Gefühl, so entsprochen, wie Göthe, er war mit mir wie mit einem Kinde, das an denselben Ufern wie er erzogen ward, fühlte meine Unerfahrenheit, meinen Unverstand nicht als Beleidigung für ihn, indem ich mich ihm so nährte als sey er meines gleichen, das Gefühl meiner Unwürdigkeit schluch mir vor ihm nicht im Herzen, aber die Gelegenheit hätte beweisen können daß ein Blick von ihm auf mein Leben, mir werther war, als dasselbe, frei war ich vor ihm, wie die Tanne vor der Sonne ist, die mit Gelassenheit, ihre brennende Strahlen in sich saugt. Du Arnim! Du! dich hab ich gar zu lieb gehabt, im ersten Augenblick, wie im lezten, und weil eines Tags, es | mir gelang dir auf das aller herzlichste, meine ewige Theilnahme, an deinem ganzen Leben anzutragen nehmlich nur in Gedanken, welches Leben mir so besonders edel vorkam, im Abglanz aller deiner Bewegungen deiner Worte pp: so ward es mir zum festen Gesez nie dich zu verlassen. nur damals in Königs berg, wie ich mit jedem Brief die Nachricht zu erhalten glaubte, daß es aus mit deiner jungen Freiheit wäre, schwankte ich, und gedachte nur noch so lang dießes heimliche Leben mit dir zu führen, biß du eine Frau hättest, siehst du, ich kann dir schwöhren daß ich in Gedanken das seeligste Leben mit dir führte, das nur auserwählte in Wirklichkeit so leben, immer noch freu ich mich wie in der ersten Zeit, an Dir, du wirst vielleicht bemerckt haben daß ich Stunden lang dein Gesicht ansehen kann ich freu mich über eine jede einzelne Bewegung desselben, als ob ich sie erschaffen hätte, Du sagst ich soll dich tadlen, ich emfinde nie was von dir was ich dir benehmen mögte, wenn mir auch zu weilen etwas fremdartig vorkömmt, so hab ich eher Respeckt davor, ich sag dir ich bin jezt nicht vertrauter mit dir als ich es von jeher 389
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mit dir war, nur daß ich jezt von Angesicht zu Angesicht mit dir bin, was ich ehmals nur im Spiegel schaute. jezt bist du | ja daran dir es anzugewöhnen, was mir angebohren war du bist viel tausend mal gütiger wie ich, denn ich würde vielleicht nicht so viel gethan haben, aber glücklich bin daß ich das herrliche erkenne, und nicht von ihm lassen kann. dein Angewöhnen geht langsam sagst du, und beharrst dennoch, ach Du bester liebster Freundlichster. Bettine Die Erznarren und Schelmufsky schick ich mit dem Postwagen.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 28. März 1808, Montag
Hier die Nachrichten die wir von Clemens erha〈〈lten〉〉 haben, Savigny bittet den Brief mit Umgehender Post zurück zu schicken, indem ihn noch niemand gelesen und er sehr Nüzlich zu Grims Rechtfertigung kann angewendet werden, die von Augusten in einem Brief an Moriz sehr verläumdet worden. Sie scheint wieder ausser allem Eifer zu seyn, sich Clemens beliebt zu machen, im Gegentheil wünscht sie das Moriz sie hier her kommen lasse um ihm seine Pflichten, gegen sie vorzuhalten. Savigny und Gunda sind wohl auch der kleine Prinz heute Abend geh ich in Spohrs Concert. Adieu bis auf den Nächsten Brief. Bettine An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Buchhändler Zimmer Heidelberg
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Heidelberg d* 29 März Liebe Bettine! Ich wollte Dir erst recht ausführlich schreiben mit der Uebersendung des Einsiedlers und der verzögerte sich ein Paar Tage, jezt greift wieder durch alles Märzgrün Deiner lieben Briefe die grimmige Hand der Nothwendigkeit und zerreist was ich für Dich in meinem Kopfe geflochten und verbunden, damit ich keine Zeit verliere, sondern gleich die Schlüssel zu dem brennenden Hause heraus gebe. Und dieser Schlüssel ist nach meiner Ueberzeugung, Auguste ist endlich entschlossen sich scheiden zu lassen, sie wird nach Frankfurt kommen und Moritz in der Abwesenheit ihrer Aeltern in die Nothwendigkeit setzen, sie bey sich zu behalten, ich sehe jetzt kein andres Mittel die eheliche Verwirrung zu lösen, die Scheidung wird auch nach Frankfurter Gesetzen leichter seyn als in Cassel. Werden sich Deine Brüder mit ihr belästigen wollen? Ich zweifle. Oder die Jordis, nachdem diese sie so mächtig gerühmt hat. Ich habe in diesem Augenblicke einen unsägligen Ueberdruß an der Welt durch diese Geschichte und die heilige Ehe, die mir sonst oft wunderbar herrlich erscheint, | kommt mir wie ein eisernes Halseisen vor, das mit Myrthen umwunden ist. Und wenn ich mir nun denke, das ist Gesetz, daß sie die beyden einander ihre Existenz abfoltern, und ich sehe die Natur rings in ewigen Gesetzen, wie mag der erst zu muthe seyn die grünen möchte mit Lust und Willkuhr wenn hier der Winter sie einfängt, der der Frühling sie peitscht ihr Wesen schnell zu endigen. Muß man das auch fühlen neben aller Freude und Herrlichkeit? – Du fühlst ich bin nicht gestimmt Dir auf Deine lieben Briefe zu antworten. – Hast du nicht in Miltenberg den armen Teufel von Horstig kennen gelernt, der das Schloß gekauft hat, das dir viel Freude gemacht hat ihm aber viel Sorge. Er wollte mit seiner ganzen lächerlichen Familie, Du kennst sie wohl | durch Clemens, dahinziehen, hatte es vom Fürsten gekauft, nun macht man ihm zur Bedingung das Geld gleich zu schaffen, oder der Kauf würde rückgängig, er hat da seine Bäume hingeschafft, sah sich schon im Geiste dort als König; nun muß er in die ganze Welt herum schreiben nach Geld und jammert am Fusse des unersteigligen Berges. Es ist nicht viel an den Leuten und doch thun sie mir leid, ich hab sie schon an H. Schwab gewiesen. Es braucht wirklich nicht so viel Zimmerzeug in der Welt als auf Deinem kleinen 391
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schönen Bildchen, um für die Menschen ein Kreutz zu finden. Hab auch dafür Dank, ich fasse alles zusammen, nehme es an und einen Kuß dazu Achim Arnim Kur
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Kleine nicht vorhergesehne Reißen, in die nachsten Gegenden, um den Winter noch vor seinem Tod einmal in seiner Pracht zu bewundern haben mich abgehalten so gleich meines einzigen Herrn, und Liebsten auf der ganzen Welt, Wunsch zu befriedigen, hierbei sende ich alles was bis jezt erschienen, ausgenommen, ein Journal, welches die Juden unter dem Nahmen Sulamith heraus^geben, welches aber sehr weitläufig ist, wenn Du es begehrtst, so werd ich es senden, da Die Juden es mir als ihrem Protecktor und kleinen NothHelfer verehren, sie bringen tausend Dinge Kreuz und Quer hinein, besonders aber zeichnen sich, die Oden die sie dem Fürst Primas widmen darinn aus, indem es meistens deutsche Worte sind die man so wenig als hebräeisch versteht. Ja ich war während dem, im Oden wald, bin auf des Göz altem Schloß herum geklettert, ganz oben auf den Mauren wo beinah kein Menschlicher Fuß mehr sich stüzen kann, über Mauerspalten die mich doch zu^weilen schwindlen machten, als immer, im Gedanken an dich, an deine Jugend, an dein Leben bis jezt, das immer wie ein lebendiges Wasser sich fortstürzt, siehst du, es thut so wohl, wenn einem das Herz, so ganz ergriffen ist, von etwas | so herrlichem wie Du, wie ich mich drehe und wenden mag so spiegelt es mir ins Gemüth, ich geh unter den Menschen herum erfreu sie durch Erzählung durch Mitheilung, 392
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vergleich mich mit Ihnen, aber im Hinterhalt hab ich etwas was mir wie ein seeliger Traum nachgeht, und das bist Du. Dort war es wunderschön, ein Ungeheurer Thurm, worauf ehmals die Wächter saßen um die Frankenschiffe in dem kleinen Miltenberg zu verkünden, mit ihren Trompeten auf diesem wachsen Tannen und Fichten die beinah halb über seine Höhe hervorragen. zum theil waren die Weinberge noch mit Schnee bedeckt, ich saß auf einem abgebrochnen Fensterbalken, und fror, und glühte vor innerlicher Liebe zu dir, und zitterte vor Angst hinunter zustürzen, und mußte doch noch höcher, weil mir einfiel Dir zu Ehren wollt ich es wagen, so machst Du mich oft kühn, ja ich glaube daß ich um nichts willen, blos weil Du mir dabei einfälst mich mit den wilden Wölfen im Odenwald hätte balgen können, es scheint Unsinn, aber so ists ich fragte nie wie soll der seyn, wie muß er seyn, wenn ich ihn lieben will, ich fragte, nur, wo ist jemand den ich lieben kann, als ich dich sah, pochte mir das Herz nicht im Gefühl meiner Unwürdigkeit, aber die Gelegenheit, hätte ausweisen können, daß der Blick den Du mir gönntest, mit Deinen Augen, mir | Lieber war als die ganze Welt und mein eignes Leben. nun hab ich dich lieb über alles, weil es deinem Wesen nach so seyn muß Bettine Die Frau Mutter kömmt oft zu uns wir machen ihr Masqueraden und alle mögliche Ergözlichkeit die in einer zahlreichen Familie nur angeht. Sie hat uns alle in ihren Schuz genommen, ist frisch und gesund.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 30. März 1808, Mittwoch
Gestern war ich in Spohrs Concert, und war wirklich seit langer Zeit nicht so von Musick durch drungen, wie durch die seinige. Dein Brief hat mich dennoch befriediegt obschon er mir nicht antwortete, ich bedarf nur der Gewißheit, daß Du meine Liebe, annimst, du sprichst ja auch wenig wenn Du bei mir bist, ich sag dir daß ich manchmal traurig darüber war aber keines wegs verlang ichs anders, sondern seze vielmehr ein Mißtrauen, in mein Wesen, das dich zurückhält, von allem dem wird in der Zukunft nicht mehr die Rede seyn, ich bin dir zu gut, erkenn deinen Werth zu viel, als daß wir nicht einst noch die besten Freunde würden, und nicht die Überzeugung daß ich es werth bin, son393
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dern der Muth den ich habe, dich auf immer mir zu erhalten, macht mich dessen gewiß. Grimm schreibt, daß sich in Cassel alles wieder besser anläßt Clemens hat von seiner Reiße die Nachricht gebracht, daß der Pfarrer, sehr gern Augusten zu sich nehmen will, diese ist es auch zufrieden, selbst auf unbestimmte längere Zeit zu ihm zu gehen, deswegen steht sich auch Clemens wieder etwas besser mit ihr, er will sie in drei Wochen, hinbringen weil dort noch allerhand darauf eingerichtet werden muß, es wäre besser es geschähe früher, da mit nichts neues ein fällt, nach her will Clemens selbst nach Heidelberg. man kann sich indessen, hier über noch nicht freuen, weil es schon zu oft so war. Es ist beinah nicht möglich daß wenn man eine Zeitlang | in der Nähe eines Ehstandes lebt, er nicht diesen Reiz aller Reize, verliert, ich glaub daß es etwas großes ist, wenn zwei ihr Leben, so ineinander verschlingen dürfen daß es eins wird, und allerdings mögt ich es nicht auf mein eigen Verdienst wagen, je zu Heurathen, Clemens spielte mit verbundnen Augen, und mit den Händen auf dem Rücken, um sein Glück, es war frevelhaft, aber man darf ihn darum nicht strafen. was ist es, das für sich begehren was man liebt? Adieu mein guter heut bin ich nun auch sehr zum schreiben verdrossen, die Feder zittert mir in den Fingern, ich hab heut gar viel gesungen, aber morgen bring ichs wieder ein. auf Ostern soll der kleine Sohn getauft werden, Gunda läst dich fragen, ob du dann hier seyn wolltest, ich frag dich nicht, denn ich wünschte durchaus daß du thust wie dirs am besten behagt. Bettine An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Buchhändler Zimmer Heidelberg
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 1. April 1808, Freitag
Heidelberg d* 1 April 1808 Wie es wieder schneit! Du lieber Himmel und – meine Zeitung kommt bey Dir an, liebe Bettine, nun will ich sehen, was da siegen wird, Him394
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mel oder Erde. Die gute Nachricht von Clemens hat mich erheitert, vielleicht wird alles noch gut, ich verzweifle meist eher in andrer Namen als in meinem eigenen, wozu ich doch eigentlich keine Vollmacht habe. Denke dir, ich bekomme einen Zahn, ist das nicht sehr spashaft mit der Weisheit, ich muß das vor Voß sehr geheim halten, sonst zieht er mich im Morgenblatte damit als Einsiedler auf. – Ich habe heute an Göthe geschrieben und ihn um allerley gebeten, gilt die Wette, er schickt was. – Dein Lied, wofür ich noch nicht gedankt, habe ich mir noch nicht vorspielen lassen, weil ich es noch ganz kann ob ich unterdessen wieder bey Dir | bis ich es wieder verlernt habe, das wissen die Buchdruckergesellen, aber bestimmt zusagen kann ich Deiner Schwester nicht, die ich herzlich grüsse so wie alle die Ihren, ich hoffe aber auf einen Tag, wenn ich nur bestimmt weiß, daß die Taufe angeordnet. Aus Grims Briefe erfuhr den heimlichen Schatz, der in der Frau Lehnhartin verborgen, o wäre ich ein guter Bergknappe und Steiger um diese Kinder^mährchen aus ihr loszuhauen, laß Dir doch welche davon erzählen, es finden sich wahrscheinlich ein Paar gute darunter und du spielst immerdar mit diesem Daunenkissen und wustest nichts von dieser Herrlichkeit! – Da mach mir nun keinen Vorwurf, wenn ich statt zu reden Dir lieber zu höre, denke einmal wie wenig Dir ausser Deinem eignen Treiben ausserhalb merkwürdig, gestehe mir | ein, daß du bey meinen merkwürdigsten dramatischen schreienden Aktionen eingeschlafen, nach meinen meisten Redensarten erst am Schlusse gefragt, was ich gesagt hätte, da Du doch die subtilsten Geister am Maynstrom nach Gefallen citirt und beschwichtiget hast, also an meiner Art Dir nichts schwerverständlich seyn konnte. Das schadet aber gar nicht, denn ich habe kein besondres Bedürfniß zu reden, das geht so weit, wenn ich einem ansehe, daß er mir nicht zuhört, so erspare ich mir sogar die letzten Schlußworte; nie hat ein so antikes, echt lakonisches Verhältniß in der Welt bestanden, als das zu meinem Bedienten. Du fragst mich einmal, wie ich mir die Mädchen gedacht hätte, denen ich gut seyn könnte. Da wär viel von zu sagen wenn ich nur Zeit hätte | Jezt nur ein Wort dafür, wie Elfenbeinthürme. Lege mir einmal aus, was ich darunter verstanden habe. Ferner habe ich eine Flaumfeder darunter verstanden, die immer ganz leicht und sanft in der Luft schwebt und nie zum Boden kommen kann. u. s. w. Ferner habe ich darunter eine Tausendkünstlerin verstanden, die alles im geselligen Leben, was die Männer durch andre Verhältnisse gezwungen, stören scheiden zerbrechen, in müssigen Nebenstunden leimen, flicken in Draht spinnen kann. Unnatürlich aber ist es mir immer vorgekommen, 395
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wenn der Mann muß die Rolle der Bedachtsamkeit über sich nehmen – Unter uns gesagt, ich habe aber auch niemals alles das, was ich unter einem Mädchen mir dachte zusammengefunden; ich wünsche, daß wir uns wenigstens recht bald wieder zusammenfinden, Du Liebreiche Achim Arnim Kur
〈1r aoR kopfstehend:〉 Wünscht Marie ein eignes Exemplar so kann ich es schicken, sonst ist es keine Mühe, es von Mohr abholen zu lassen. An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H Franz Brentano in der Sandgasse. Frankfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, vmtl. 2. April 1808, Sonnabend
Um dir noch mit umgehender Post zu antworten muß ich’s um ein paar Stunden verspahren deinen Einsiedler der dem Ansehen nach so liebenswürdig scheint zu lesen, ich freue mich darüber, wie über ein neu gebohrnes Kind, werde gewiß nicht mit so vielem leichtsinn, wie Savigny seins, behandlen, sondern mit wahrer Ehrfurcht. Mich freut aber am meisten die Nachricht daß Du einen Zahn bekömmst dieser ist zu meiner Zeit gebohren, ich profezeihe dir daß er der längst herschende unter den 32 Tyrannen seyn wird, ja daß er dich selbst überleben wird. Es ist hier alles krank: nur ich nicht, deswegen kommt es auch daß ich dir weniger schreib, weil ich bald hier bald dort die Zeit vertreiben mußte heute geh ich zu Savigny der Halsweh hat, da werde ich die Fr: Lenhart, welche ich schon mehrmal, wegen den Mährlein; geplagt hatte, scharf examiniren. Ich weiß dir deinen allegorischen Elfenbein thurm nicht aus zu legen, aber wenn ich eine vornehme schöne Fürstin wäre, deren Liebling auf ihre Frage wie die Mädgen seyn müsten, die ihm gefallen sollten, antwortete, wie Elfenbein thürme, oder wie 396
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Pflaumenfedern oder wie Tausendkünstlerinnen so würde ich sagen zu ihm: sey still! und ging in mein Gemach, und legte mir Purpur Kleider an und schwehres Gold daß ich nicht aussähe wie Elfenbein, und sezte mich auf die Erde daß ich nicht schwebte, wie eine leichte Feder, dann brächte ich ihm seine Lieblings speisen, und gäb ihm vom besten Wein zu trinken, sagte ihm aber: sey bedachtsam und merck auf alles was um uns her geschieht denn ich bin in deine Lieblichkeit vertieft und die Welt geht mich nichts mehr an seit dem mir ausser dir nichts mehr gefällt, und mit solchen Schmeichelreden wollt ich ihn gewinnen, daß er seinen selbst erfundnen Bildern untreu würde und mir dem Gegentheil davon, mit herzlichem Vertrauen anhinge. da ich aber keine Königin bin, und auch keinen Purpur hab und keine Speise und keinen Wein, dir zu reichen, so würde es auch schwehrlich meinen Schmeichelreden gelingen. dich untreu zu | machen. mag ich also nur Gedult haben, denn: worauf verlaße ich mich? und was ist mein Troz? Gestern haben wir Musick gehabt, von Hofmann, er spielte schöner wie je, ich sah ihn während seinem Spiel an, und er kam mir mit seiner Mislichen Gestaldt, vor wie eine alte rostige Leiter, welche aber an einen prächtigen Palast angelehnt ist, worauf man in die herrlichsten Gemächer klettert, zu Jung^frauen wie Elfenbein thürme, wie leichte Federn, wie schöne Palmbäume, deren Zweige man ergreifen muß, und liebkosen. Adieu so eben kommt ein Goetischer Liebhaber Schnegans den ich zur Fr: Rath bringen soll. den Tauftag werd ich dir bestimmt schreiben. Bettine.
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An Herrn von Arnim abzugeben bei Hrn Zimmer Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, zwischen 3. und 6. April 1808, Sonntag und Mittwoch
Es wäre Unrecht, wenn ich über der Krankenpflege, versäumen sollte, dir zu schreiben Marie liegt im Bett! Gunda ist nicht wohl, Savigny, erst seit ein paar Tagen wieder auf der Besserung dieser hat mit mir 397
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gestern abend den Einsiedler durch gelesen es hat ihm alles Freude gemacht, nur das von J: P: weniger eins muß ich dir aber tadlen, nehmlich das schlechte Papier; in den 3 Blättern, die Du mir geschickt hast waren allemal die Zeilen wo es umgebogen war zerrissen und aus Furcht sie mögten ganz zu Grunde gehen, hab ich es verschiednen abgeschlagen, sie zu lesen. von Clemens hör ich nichts mehr, ich denck also es geht gut, dieß macht Moriz so guter Laune daß er bei nah alle Tage bei uns ist, und keine vergnügte Stunde zu^bringt, als im Hauß Brentano, das Haus Brentano aber will bald in die frische Luft, ins Rheingau da wird Arnim sich so fest in den Einsiedler eingebissen haben daß er nicht loß kommen kann, und wird nicht wie er uns versprochen hat, bei uns seyn. ich weiß nicht wie das ist; ich hab dich immer noch so lieb, ich mögte sagen immer noch lieber jeden Tag, wie sonst, und doch hab ich nicht mehr so eine betrübte Sehnsucht dich zu sehen, ich denk es kömmt von meiner Schwalben natur her, jezt ist es Frühling, und ich mögte gern ziehen, so weit mir die Sonne leuchte〈〈t〉〉 unbekümmert um die Freunde die ich zurück lasse es geht mir alle Jahr so, es hat mich dieser Lusten schon Thränen gekostet dieß Jahr. hast du auch die Mädchen gern die wie die Schwalben sind? – du sagst mir in deinem lezten Brief: ich habe ausser meinem eichnen Treiben, an nichts Antheil, und desswegen seyst du immer still, und ließ mich sprechen, was ist denn mein Treiben? – ich sage d〈〈ir〉〉 | es sind wenig Dinge in der Welt, die mich nicht biß in die tiefste Seele erregt hätten, und noch; wenn ich mich also von einem Gespräch abwende, so ist es gewöhnlich nicht weil ich keinen Sinn dafür habe, sondern weil ich nicht zur Sprache bringen kann, was in mir erregt wird, und weil mich das martert, ich bin früherhin so oft nieder gedrückt worden, wenn ich mein Glaubensbekenntniße ablegte daß mir dieß nicht zu verargen ist. Savigny ist der einzige mit dem ich bis jezt über alles sprach was ich verstand, oder besser wie ichs verstand und in ihm spiegelte sich mir dann erst meine Liebe zur ganzen Welt; ich hab; da ich noch jünger war, nicht unrecht meine Melancolie, die ich zuweilen hatte, so aus gedrückt: Ach ich mögte zuweilen die ganze Welt umfassen und weil ichs nicht kann bin ich so traurig; wenn ich nur so meine Freude an meinem Treiben hätte, so würde ich vielleicht eher eine Begierde haben, mir dasjenige, was mich reizt eichenthümlich zu machen, ich würde mir einen Zirkel bilden der mir gewiß wäre, ich würde nicht die Menschen die ich so lieb habe wie dich, auch gern so ganz frei von mir, und allem Verhältniß das sie auf eine oder andre Art an mich bindet, haben, ich würde wie die 398
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Kinder den Vogel der ihnen Freude macht mit seinem Fliegen in der Luft, gern in Händen halten blos damit er mein wäre ohne zu bedencken, das grade seine Freiheit mich entzückte. Adieu mein bester liebster, verzeih meinen Unwiz, ich konnte dir hier auch nicht mit Worten deutlich sagen was ich alles will, aber lauter Gutes für dich will ich: und dieß all um mein selbst willen. Das Kind von Gunda wird am Osterfeiertag getauft wenn du also kannst so komm. Bettine
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Weimar, 3. April 1808, Sonntag
Die Documente philanthropischer Christen- und Judenschaft sind glücklich angekommen, und Ihnen soll dafür, liebe kleine Freundinn der beste Dank werden. Es ist recht wunderlich, daß man eben zur Zeit, da so viele Menschen todtgeschlagen werden, die übrigen aufs beste und zierlichste auszuputzen sucht. Fahren Sie fort mir von diesen heilsamen Anstalten, als Beschützerinn derselben, mir von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben. Dem Braunschweigischen Juden Heiland ziemt es wohl sein Volck anzusehen, wie es seyn und werden sollte; dem Fürsten Primas ist aber auch nicht zu verdenken, daß er dieß Geschlecht behandelt wie es ist, und wie es noch eine Weile bleiben wird. Machen Sie mir doch eine Schilderung von Herrn Molitor. Wenn der Mann so vernünftig wirkt, als er schreibt, so muß er viel Gutes erschaffen. Ihrem eigenen philanthropischen Erziehungswesen aber wird Ueberbringer dieses, der schwarzaugige und braunlockige Jüngling empfohlen. Lassen Sie seine väterliche Stadt auch ihm zur Vaterstadt werden, so daß er glaube sich mitten unter den Seinen zu befinden. Stellen Sie ihn Ihren lieben Geschwistern und Verwandten vor und gedenken Sie mein, wenn Sie ihn freundlich aufnehmen. Ihre Berg-Burg-Kletter- und Schaurelationen versetzen mich in eine schöne heitre Gegend und ich stehe nicht davor, daß Sie nicht gelegentlich davon eine phantastische Abspieglung in einer fata morgagna zu sehn kriegen. Da nun von August Abschied genommen ist, so richte ich mich ein von Haus und der hiesigen Gegend gleichfalls Abschied zu nehmen und bald möglichst nach den Carlsbader Gebirgen zu wandeln. 399
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Heute um die 11te Stunde wird confirma hoc Deus gesungen, welches schon sehr gut geht und großen Beyfall erhält. Weimar den 3 April 1808. G
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An Demoiselle Bettine Brentano zu Frankfurt am Main.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 7. April 1808, Donnerstag
Heidelberg d* 7 April 1808. Du arme Krankenwärterin! Das glaube ich, daß Du nun davonfliegen möchtest wie die Schwalben! Das war Spas. – Ich fliege schon munter umher, gestern war ich mit Kreutzer und Bökh zum ersten mal wieder beym Wolfsbrunnen, es waren wieder Bäume abgehauen, unterwegs hieben wir literarische Namen ab, eine schöne Arbeit und doch war es schön Wetter, wir waren lustig und froh, man kann doch wirklich in aller Unschuld viel sündigen. Sieh so hat Werner ein schlechtes Ende in Weimar genommen, er hat sich müssen fortmachen, weil er eine Kammer^jungfer durchaus gewaltsam hat küssen wollen; Voß und seine andern Gegner hier freuen sich dieses Sturzes aus dem Himmelreich, ich muß darüber lachen, ich behaupte doch noch, hätte der Mensch nicht eine Frömmigkeit in sich er wäre noch zwey Etagen tiefer gefallen. Es steht sehr wunderlich in der Welt, nichts ist aber wunderlicher, als daß gerade die Prediger alle Religion verdammen, ich habe mich eben mit einem Theologen darüber gestritten. Ausser diesem Streite habe ich auch eine Feuers^brunst erlebt. Ich war bey meinem Schreibtische und wunderte mich, wie mein Licht so eigen rieche beym Brennen, auf einmal hörte ich auf der Strasse rufen daß es brenne, das konnten weder meine Haare, noch mein Licht seyn, ich fragte zum Fenster hinaus. Beym Becker Müller meinten einige. Da wohn ich. Ich trat zur Thür hinaus, da war ein er400
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stickender Dampf, ich ging eine Treppe herunter weckte meinen Bedienten und die Beckerknechte, es brannte im Keller, meine Papiere waren in drey Handgriffen eingepackt, das Feuer war indessen bald gelöscht, aber | die roten Karfunkel leuchteten noch lange durch den Dampf. In diesem Augenblicke kommt es mir vor als wenn ich Dir das alles schon einmal geschrieben, ich muß es Dir wohl in Gedanken erzählt haben. Ich schicke Dir ein andres Exemplar von der Zeitung mit dem vierten Stücke, sag mir doch, wie Dir die Kupfer gefallen, die Frau auf dem ersten Bilde mit ihrer Sanftmut habe ich gar sehr lieb. Die Einlage gieb doch gefälligst an Schlosser. Ich danke für die überschickten Bücher. Von Clemens und von Grimms weiß ich nichts, ich glaube sie sind alle unter die neuen Regimenter gesteckt mitsamt der Auguste. Wie himmlisch Wetter ist heute, ich wollte ich wär Landprediger, um in der Sonne recht faulenzen zu können oder einen wüsten Berg zu roden und Steinmauern zu ziehen und Erde aufzufahren | und Wein zu pflanzen, jezt kann ich Dir nichts schicken als ein Paar Veilchen, die an meiner Weste verdorrt sind. Wohl dem Lande wo noch Landprediger und Einsiedler sind, wie ein Murmelthier möchte ich jezt aus meiner Höhle kriechen und fände goldnen Wein vor meiner Klause, wohl dem Lande wo sich die Einsiedler betrinken können und wo der Landmann sie sorgfältig unter ein Dach trägt, daß ihr Bart nicht vom Regen seine Locken verliere, hier aber ist der Wein zu schwach und zu sauer, und die Leute zu hart und die Einsiedler zu viel unter den Leuten und die Landprediger zu viel in der Stadt, wo die theologischen Professoren nicht einmal an Gebet glauben. Du aber bist gläubig und fromm, ich aber bin Dir gut. Achim Arnim No 16
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An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H Franz Brentano in der Sandgasse. Frankfurt a/M
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*347. An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 9. oder 10. April 1808, Sonnabend oder Sonntag B an Ludwig Achim von Arnim, 10. April 1808:
Eben hatte ich einen Brief an dich zugesiegelt, worinnen ich mich über dein stillschweigen ein wenig ängstigte als ich das Paquet bekam mit deinem Lieben Brief, mithin behielt ich ihn zurück. (Nr. 348,1-3.)
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 10. April 1808, Sonntag
Eben hatte ich einen Brief an dich zugesiegelt, worinnen ich mich über dein stillschweigen ein wenig ängstigte als ich das Paquet bekam mit deinem Lieben Brief mithin behielt ich ihn zurück. Die Kranken sind nun alle nach und wieder gebessert und doch will mich die Sehnsucht fort fort nicht verlassen, jezt kommen sie ja die Schwalben, vorGestern ist der Junge Goethe hier angekommen, hat mir einen freundlichen Brief von seinem Vater mit gebracht, dieser scheint sehr über den Abschied seines einzigen Sohns gerührt zu seyn, in dem er mir schreibt: daß da einmal Abschied von August genommen sey; er auch nicht länger in diesem Jahr in Weimar bleiben wolle, sondern ehestens nach den Carlsbader Gebürgen wandlen wolle, um ihn nicht gar zu sehr zu vermissen sein Sohn schreibt ihm alle Tage, was mag Göthe ihm schön antworten? Lieber lieber Arnim was kann ich dir anders sagen als daß ich dich erkenne für meinen innigsten liebsten Gedanken; Gott heut ists wieder Sonntag – da ruht ein Ball in der mitten Stube, mit dem ich vormittag ganz allein gespielt habe, die Sonn scheint auf meinen Goethe; vor ein paar Tagen war mein Geburtsfest da haben die Geschwister ihm einen Kranz von lebendigen Blumen aufgesezt um mich zu überraschen, jezt stehen | die Blumen in einem Becher halb verwelkt vor ihm auch von der Sonne beschienen; sie bescheint dich wahrscheinlich auch; jezt mogt ich wissen (sie bescheint alles Gesund oder Krank Lebendig oder Tot, alt oder Jung) was sie will; ich bin kindisch, aber denck: so was kann mich zu weilen ganz melankolisch machen, daß ich nicht weiß, was alles in der Welt will. 402
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Am Char Freitag, werd ich wahrscheinlich das St. Mater in der Fürstlichen Capell singen, es soll mir ein andächtiges Fest werden, und ich will deiner dabei gedenken, wie auch der theologischen Professoren welche nicht an Gebet glauben, damit sie Gott belehren möge Vor ein paar Tagen war Rumohr einen ganzen Tag hier, ließ sich aber nicht bei uns sehen sondern war immer während bei F. Leonhardi der ihm das Herz ein wiegen mußte. Ein Märchen von Hans ohne Bart, hab ich von Frau Lehnhart zum theil schon aufgeschrieben es ist ein Jüngling welcher 21 Jahr von seiner Mutter milch genahrt ward und deswegen keinen Bart, jedoch eine groß Stärke überkam, kenst du die Historie vielleicht schon, so schreib mirs in Stolls Journal ist ein Stück von seiner Geschichte unter dem Nahmen der große Hans hast Du gelesen den Anfang von Goethes Pandora darin? mir ist die lezte Rede von Epimetheus sehr rührend; ich glaubte erst Stoll habe aus eigner Willkühr das Ding so verstückelt, um in jeden Journal etwas zu haben, allein der junge Goethe versicherte mich daß Goethe es so bestellt habe die beiden Schlegel haben zwei Gedichte aneinander gemacht, wie das großmüthigste Pantherthier, und der über alle Schwachheit erhabne Loewe, die da sprechen: laß uns doch, um das Uebrige Gethierzel und Geviezel, keine Graue Haare wachsen, sie sollen uns nicht in die Klauen bekommen stirbst du zu erst so werde ich deinen Leib verbrennen, und deine Asche mitsamt dem Weihrauch Dampf zur Unsterblichkeit auffliegen sterb ich zu erst, so wirst du mein Gebein begraben und Lorbeer bäume darinn pflanzen, und wurzeln lassen; und so ist ja für unsern Werth und unsere Würde gesorgt, wenn die zwei würdigsten einander erkennen. Deine sanfte Jungfrau gefällt mir auch, ja sie gefällt mir recht wohl! gewiß. indessen mögt ich doch heut zu meinem eigensten Sonntags Pläsir, dich nur eine 4tel Stunde, hier haben und Wiedersehens spielen Bettine. Das Geringelt ums Wort, heist: ganz allein Herrn Baron von Arnim bei Hrn Zimmer Heidelberg
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An Christiane von Goethe in Weimar Frankfurt, 10. April 1808, Sonntag
Erinnern Sie sich noch, da Wir zusammen Abends zu Frau von Schoppenhauer gingen, ich Ihnen sagte, daß ich diesen Winter für Sie ein Kleid sticken wollte? daß ich damals nicht gelogen; beweißt beikommendes Rockelein; ich hab es so schön gemacht, als mir möglich war, aber freilich ist mir in dieser Art nicht viel möglich, da ich wenig Handarbeit mache; oft ganze Jahre keine Nähnadel in Händen hatte, ich bitte also die Arbeit mit Nachsicht zu betrachten, und es nur als einen Beweiß meines Wunsches anzunehmen Ihnen so viel Freude zu machen, als immer in meiner Gewallt steht. August scheint sich hier ziemlich zu gefallen, gestern wurde der Corsar gegeben, und wirklich zum Theil vortrefflich, wir haben einen Schauspieler dabei, der sich immer in der Rolle des Capellmeisters über^trifft, ja wenn er vor einem Spiegel spielte, so glaub ich, würde er immer aus seiner Rolle, ins Erstaunen über die Macht des Capellmeister in seiner Person, und aus diesem wieder in seine Rolle übergehn ich sehe heut August und werde erfahren wie es ihm gefallen hat. er schwärmt zum Theil auch auf den StadtThürmen mit den Gebrüdern Schlosser herum weswegen ich bei meinen beiden Schwächerinnen oft Verdruß habe, die mich stets Zerren, um ihn zu sehen, die Ursache, ist wircklich dieße bewundrungswürdige, daß beide in gesegneten Umständen sind und sich gern in Augusts Augen vertieften, um den zukünftigen dieselbe einzupflanzen, beilie〈ge〉nde Granaten, hab ich aus Salzburg, noch ganz roh erhalten, und sie hier schleifen lassen tragen Sie dieselben zu meinem Andencken. Vielleicht sehn wir uns bald wieder einmal da Sie alle Meß so leicht Gelegenheit, haben können Ihren einzigen Sohn hier zu sehen Bettine inliegende Büchlein für den Geheimenrath.
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 10. April 1808, Sonntag
August war heute Morgen schon bei allen Verwandten, Bettine war nicht zu Hauß, als sie aber kam, bestürmten sie alle, wegen seinen schönen Augen besonders die beiden Jungen Frauen, die den Seegen unter dem Herzen tragen, und ihn immer ansehen wollen um ihren Kindern, die Augen abzustehlen nun heißt es immer Bettine bring mir ihn er war schon lang genug bei der Schwägerin u: s: w: Du kannst also denken, daß wenn er auch nicht Dein lieber Sohn wäre | um dessentwillen ihm alle gut sind, so würde er doch, blos wegen der Propagation auf Händen getragen. Dein Kind küst dich, liebt dich hält dich ewig fest im Herzen.
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So ist er unbewust entschwunden Der Tag war mir nicht trüb, nicht klar, Der Dich, du Schwalbe, neu gebar, Der Becher Wein wollt mir nicht munden. Die Trauer hält nur Ahndungsstunden Und droht Gewißheit und ist wahr Und stellt sich keck und kühnlich dar, Die Freude hielt mein Aug gebunden. Nicht frage, da du weggesprungen, Wem diese Hand gehören thät, O wehe dem, ders nicht erräth, Er würd von dir nicht mehr umschlungen. Ganz unbemerkt fällt ein das Hohe, Ganz heimlich schleicht sich ein der Scherz, Ganz ungewarnt schlägt ein der Schmerz Und alles brennt schon lichterlohe. Nach langem einsam harten Winter Ich kroch aus meiner Höhle aus, 405
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Ich sah das liebe Gotteshaus, Wie Murmelthierlein und die Kinder Ich träumt als Einsiedler zu liegen Die Schäferinnen schenkten Wein, In Frühlingssonne schlief ich ein Zur Rosenlaube sie mich trügen. Es giebt gar unsichtbare Reiche Bey Tag entschlafen, Nachts erwacht, Das Flammenreich im Balken kracht Und macht sich Tag, treibt lichte Zweige. Sinds Rosenzweige die mich halten? Hart stoß ich an den Liebes baum. Leer scharfes Licht erfüllt den Raum Und will mein Haus mit Flammen spalten. Die frommen und die schlimmen Geister Sie schlagen sich auf meiner Brust Die Splitter bleiben mir zur Lust Wer ganz zertreten, wird zum Meister. Ich kann nicht diese Streiter tragen, War doch die Erde auch zu schwach; Als sie den Herrn mit Dornen sah, Die Stein sich an einander schlagen, Des Meisters Narben sind geschlagen, Daß Thomas Auferstehung glaubt, Mir ist der Glaube nicht geraubt, Sein Lächeln konnt mir alles sagen. O Glaube heilges Mittlerwesen Der uns des Leids vergessen macht, O schaffe daß mein Herze lacht Und glaubt, die Mutter sei genesen, Die bittern Thränen muß ich weinen Und kann sogar nicht durch sie sehn, Ob noch der Schnee auf unsern Höhn Ob draus die Frühlingssonn mag scheinen, Ob mir die Freundin ist geboren Es kann nichts ändern, kann nichts thun, Ich bin entfernt und kann nicht ruhn, In Zweifelwuth bin ich verloren. Und soll ich reisen, soll ich bleiben 406
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Die feste Bahn ergiest den Fluß. O Herz des Menschen dein Erguß Will mich auf zweyen Bahnen treiben Schenk mir die Ruh ich kann sie brauchen, O könnt ich Schwalbe mit dir seyn Ich fürchte mich, wenn ich allein, Daß Schreckensstimmen mich anhauchen.
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Ich hatte ein paarmal die Feder angesetzt um Dir zu schreiben, daß zu der Zeit wo Dir die Sonne so hell schien ich die Nachricht erhielt, daß meine Großmutter, die mich in erster Kindheit als Mutter pflegte, einen Anfall von Schlage gehabt, es ging aber nicht in fliessender Rede, ich schrieb es in Versen und bin dabey ruhiger geworden. Der Himmel erhalte Dich. Ich muß hier bleiben, ich bin durch mancherley gehalten, auch die Entfernung zu groß, entschuldige mich, wenn ich in Erwartung von Briefen nicht nach Frankfurt zur Taufe komme. Dein Achim Arnim No 17.
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An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben, bey H. Franz Brentano in der Sandgasse Frankfurt a/M
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, etwa 12. April 1808, Dienstag
So mögte ich denn Heute recht mit Zuversicht schreiben, weil ich erzehlen kann wie der einzige Sohn, sich hier wohl und lustig befindet, er findet sich alle Tage im Theater ein welches wegen der Messe grade sehr glänzend ist, Frühmorgens spaziert er schon auf den Stadtthürmen herum, um die Gegend seiner Väterlichen Stadt recht zu beschauen; Wir schlendern zusammen über die Straßen, und sind recht einig zusammen (er küßt mir zu^weilen die Hand) Heute Nacht hab 407
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ich einen Traum von dir gehabt, der mir bleiben wird auf lange Zeit, so wie einem zu weilen eine Erinnerung bleibt, von der sonderbaren Beleuchtung einer Gegend; es war mir nehmlich, als lief ich in Weimar durch den Parck indem ein Starker Regen fiel, es war grade alles im ersten Grün und die Sonn schien dabei als ich an deine Thür kam hörte ich dich ganz von weitem sprechen, ich rief; aber du Hörtest nicht, ich kletterte über die Mauer, da sah ich dich auf derselben Banck sizen hinter welcher im vorigen Jahr | die schöne breite Malve noch so späth gewachsen war gegenüber lag auch die Kaze, und als ich zu dir kam, sagtest Du wieder: seze dich nur dort üben zur Kaze, wegen deinen Augen, die mag ich nicht so nah; und hier wachte ich auf, aber weil mir der Traum so lieb war, konnte ich ihn nicht aufgeben, und träumte in meinem Herzen fort wie mirs lieb war, ich ließ dich meine Locken wieder ringlen die vom Regen aufgegangen waren, und trieb allerlei Spiel mit Dir, und bedachte dabei wie unendlich groß deine Guthmüthigkeit seyn müßte solche Zutraulichkeit zu erlauben. Du der einen Kreiß des Lebendigen umschloßen der uns nicht zu ermessen ist wo Wir alle dein Vertrauen in so mächtigen Zügen schon eingesogen haben. Herr ich hab zu weilen eine Art von Kunst die Liebe die sich schnell in meinem Herzen aufhäuft bei Dir zu ergießen wenn auch nur in Gedanken, aber so ein Traum stürz wie ein angeschwollner Strom über den Damm hin, und ich trette dann kühn vor dich hin, sag dir wie viel tausendmal dein Andenken ein | kräftig Leben in mir erregt, von dem ich ehemals nichts gewußt. es mag sich einer schwehr entschliessen eine Reiße nach der Sonne zu thun, weil die Erfahrung ihn davon abhält, mir ist in solchen Augenblicken Erfahrung keine Gefahr mehr denn ich hab den Glauben an Dich so daß ich Berge versezen kann, und hab die Liebe dabei. und so scheint mir denn; dein Herz zu erreichen, in seinem Glanze nichts unmögliches. siehst Du wenn ich dirs ein^mal nur sagen könnte wie das in meiner Natur ist ich weiß Du würdest dieses mein Leben in Dir nicht verschmähen, sondern herzlich aufnehmen, dahin geht meine Sehnsucht einmal, einmal nur meine Liebe vor Dir auszusprechen. Molitor war gestern bei mir ich laß ihm die Worte über ihn aus deinem Briefe vor, dieß hat ihn ergözt; er selbst ist höchst unschuldig im Gemüth, und ist der Meinung daß da er einen Leib für die Juden zu opfern habe, und einen Geist ihnen zu widmen, – beide auch recht nüzlich anzuwenden, es geht ihm übrigens nicht | sehr wohl, auser in seinem Vertrauen auf Gott bei welchem er jedoch fest glaubt daß die Welt 408
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nur Durch Schwarzkunst wieder ins Gleichgewicht zu bringen ist, er hat ein großes Vertrauen auf mich, und glaubt daß ich mit der Divinations Kraft begabt bin, weswegen er mir auch unlängst rieth mich magnetisieren zu lassen er ist übrigens unendlich brav, und will ernstlich etwas gutes, bekümmert sich deswegen nichts um die Welt, ist mit einem Stuhl einem Bett und mit 5 Büchern die er im Vermögen hat sehr wohl zufrieden Adieu mein Herr! ich geh jezt zu deinem Sohn, werde ihn von Dir grüßen und küssen denn ich sah dich heute Nacht recht freundlich von mir Abschied nehmen, als ich meine Träumereien endigte, und da gabst Du mir auch einen Kuß für deinen Sohn.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 13., 14. oder 15. April 1808, Mittwoch–Freitag
Es sind der Wunden noch keine geheilt die der Herr um des Menschen willen erlitten hat es sind der Schmerzen noch keine gestillt, die er um unser Heil getragen hat, und wo ein Herz zu gewinnen, da fließt sein Blut immer noch um dasselbe. aber die seine Kinder sind, die leiden auch um ihn, und wollen ihn trösten, und die so leiden emfangen Trost von ihm, und liegen an seinem Herzen, und sind beneidungswert wie die Sterne die an seinem Firmament glänzen, denn Die Anmuth Gottes glänzt ihnen ins Antliz und macht sie lieblich, und darum so dir Schmerzen gegeben werden, so achte dich gewürdigt durch den Herrn, der Dir mittheilen will ein weniges von dem zu schmecken, was er um deinetwillen genossen hat. Ach Arnim wenn das alles sich deinem Herzen so andrängt, die Freunde zu verlieren, die deine Kindheit gepflegt haben, die um Dich besorgt waren, oder auch, die deiner Jugend gleich gelebt haben, so bist du immer glücklich daß sich das Band, noch im lezten Scheiden noch einmal fest um dein Herz schlingt | daß Du berechnen kanst wie werth und theuer wie reich dir das Leben durch ihn geworden aber da sind Menschen, die nie zum eigentlichen Selbstgefühl ihrer Liebe kommen denen der Tod ist, wie ein Wind der ihnen den Frühling weg weht aber sie wissen nicht anders als daß er im nächsten Jahr wieder kömmt und trösten sich. – es war eine Zeit da hab ich ordentlich mit Sehnsucht einer Last begehrt die ich tragen mögte. 409
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Es ist mir viel werth, daß Du gern mir deine Trauer mitgetheilt, ich glaub und hoff für die Ewigkeit, daß meine Liebe zu dir, sich einst noch in Dein Leben einflicht, und dasselbe nicht in geringem Maaße sich mit meinem besten heiligsten Willen für dich; vereint Ich habe diese lezte Zeit über mit mehr Eifer an Dich gedacht, ich bin während den lezten Nächten Durch Gedanken an Dich geweckt worden, es haben fromme Gedanken schnell mit Liebe zu Dir, in meinem Herzen gewechselt; bedenck dieß all, wenn Du einstens überzeugt seyn willst daß es auch in meinem Gemüth | kräftig geblüth hat. Adieu ich werde unter brochen hätte dir sonst noch viel zu sagen. Bettine Dein Ausbleiben will ich entschuldigen, es ahndet mir daß wir uns doch bald und recht froh sehen
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 16. April 1808, Sonnabend
Heidelberg d* 16 April Ich komme eben von Zimmer, wo ich im Garten eine artige Mädchenstimme zur Gitarre hörte, ein Ziklein auf dem Arme trug, das heute noch sollte geschlachtet werden und der ganze Garten war wie beschneit mit Papier, das im Rhein durch einen Unfall genässt worden, es kommt mir ganz träumerisch vor, was die Sonne nicht alles hervorruft Papier, Gesang Ziklein und Menschlein. Ich danke Dir, liebe Trostreiche, für allen Trost, den Du mir schenkst, der Wille trösten zu wollen ist das Trostreichste von allem und zähmt den Aerger. Du wirst mich bey Savigny nach Deinem Versprechen entschuldigt haben, ich schrieb ihm meine Ankunft gestern ab. Der Weg führte mich nachher zufällig in die Katolische Kirche, wo gesungen wurde, ich dachte recht oft ob Du wohl in | der Zeit auch Dein Stabat mater gesungen und da gefiel mir alles recht wohl. Ein Paar Gebräuche fielen mir auf, die ich noch nicht so gesehen, die Mütter besprützten alle ihre Kinder der Reihe nach mit Weihwasser, die noch nicht groß genug 410
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waren um selbst hinein zu langen, Männer drückten die Hand ihrer Frauen um sie damit zu bestreichen. Es mag wohl gut thun das Kirchengehen nicht zu mißbrauchen, daß einem alles noch etwas bleibt, was die Gewohnheit abstumpft. Als ich nach Hause kam that ich wie Magdalena, die sich ihres Schmucks entledigt, ich nahm die kleine rothe Kette, die Du mir einmal schenktest, nicht um sie zu zerreissen, sondern in frischer lebender Freude der | Hulda anzubinden, die mit gar besonderer kindischer Hochachtung Clemens und mich verehrt. Ich fand die Rudolphi; wie sie den Kindern die Messiade vorlas, mir war es wunderlich daß den Leuten meist das aus zweyter Hand lieber ist denn aus erster, die Messiade lieber als die Bibel, Wielands Oberon lieber als ein altes Rittergedicht. Mit dem Theologen streit ich mich täglich, neulich über das Lied von Clemens in dem fünften Stücke, was ich Dir schicke und das er zu verstehen zweifelte, vergebens war mein Erklären, wie die Gedanken so anders würden, wenn man durch einen wilden Wald ginge und dann zu einem Hirten ins offene Feld käme, da sah ich daß der Knüppel beym Hunde lag, freilich wer nicht beten kann, der kann auch nicht singen. – Ueber meine Großmutter bin ich noch in gleicher Ungewißheit – Bleib recht wohl und freue Dich der schönen Zeit, so möchte ich Dich begrüssen können. Achim Arnim An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. Franz Brentano in der Sandgasse. Francfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 16. April 1808, Sonnabend
Eine einzige Minute deiner Einsamkeit, lieber Arnim, die Du mir zuweilen, in Deinen Briefen mit lieblicher Treue beschreibst, kann mich so erfreuen, daß ich dieß Gefühl nicht um Deine Gegenwart tauschen mögte, und Gott weiß doch, wie lieb ich dich hab, und weiß wie ich täg411
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lich darinn fortarbeite, und es mir fest versprochen hab, nie zu rasten in dieser Liebe, mag auch geschehen was will in deinem Leben; so geht mirs auch mit deinen Liedern ich gewinne diese Täglich lieber, sie sind mir wie Strahlen in deinem Gemüth, die sich durch ihre Kraft, fest vor das innere Aug gepflanzt haben und wer das äusere Aug zuthut und dich seinen Freund bedencken will, wie ich oft Thue, dem stellen sie sich also dar, und erleuchten ihm die Lieblichkeit deiner Seele –. Ich habe gestern das St: Mater gesungen, da waren mir alle Leute sehr Freundlich, und lobten meinen Gesang, ich dachte immer dabei: wär einer Dagewesen den ich lieb habe wie viel besser hät ich noch gesungen; ich wollte doch immer Du wärst bei mir, und ich könnte dich mit tausend Armen umfassen, und ich könnte alle Gedanken, in Dich hineinspiegeln, und könnte deine Trauer und Deine Freude ergreifen, könnte sie ansehen, erkennen, wie ein edles Bild, Gottes Herrlichkeit Doppelt in mir fühlen | durch Dich; könnte dein Vertrauen genießen, recht ohne Hinderniß und Sorge, könnt Dich lieben wie ich wollt, lieber lieber Arnim, während ich dir hier schreib, bin ich so recht einfältig wie ein Kind das bei jedem Ereigniß meint, wenn es nur den ihm bekannten Freund, oder die Mutter beym Kleid hält, so sey es vor jeder Gefahr geborgen. so mein auch ich: Betrübniß Einsamkeit und diese Anregung zum Leben, die das Frühlings Kind, der laue warme Wind der alle Knospen spaltet, erweckt, ja selbst Freude die mir noch zu entfernt liegt, als daß ich sie zu erreichen vermögte, alles alles glaube ich durch meine Liebe zu Dir, zu beherrschen, ja auch die Wolken die in Heer schaaren am Himmel fliegen, und mich mit bewegen. Du leb wohl, der du mir so wohl gedeihst, und laß mich immer so fort gedeihen. Gestern war ich draußen auf dem Land, wo George ein kleines Gut gekauft hat, ich stieg aufs Dach des Hauses, und hatte die runde Aussicht weit umher, war ganz allein da oben; auf der einen Seite sah ich blaue Berge recht mitten im Schoos der Thäler ruhen, unter mir lagen Grüne Wiesen, dicht an einem Fluß, der die dürren Weiden in seinem Beet | befruchtet, bald wird alles, sich in voller Pracht erweisen, ein Schmetterling flog dicht an mir vor bei einer Aelster nach, was die miteinander hatten weiß ich nicht. Adieu mein guter bester Freund, wenn es warm wird dann sehn wir uns vielleicht wieder, und erwarten zu sammen, den Kühlen Abend. Adieu mein lieb Leben, das ich theuer achte; Adieu Hand und Mund die ich drück und Küsse. Bettine.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 20. April 1808, Mittwoch
Heidelberg d* 20 April 1808 Ich danke Dir herzlich, daß Du soviel Gutes an mir zu erkennen glaubst; ich werde Dir aber heut aus Zeitmangel wenig Gutes sagen können, ich wollte doch ohne einen Grus die Zeitung nicht senden, die immer das Merkwürdige hat daß der Malespini von Clemens und seiner Frau abwechselnd übersetzt wenigstens geschrieben, also durch seinen Mund in ihre Feder übergegangen. Du kannst mir ohne Mühe einen Gefallen thun, wenn Du Dich gelegentlich bey Hofmann erkundigen wolltest, was der Bogen vier Blätter Noten in 4° bey Andre im Steindruck kosten, wahrscheinlich weiß er es und kann es Dir wohl auf ein Blätchen schreiben. Du schreibst mir gar nichts von der Taufe, nichts von den Meßfreuden. – Gestern ging ich mit Kreutzers und Zimmermanns nach Kloster Neuburg, es war sehr | heiß, ich kletterte mit ein Paar andern eine steile Höhe hinauf und schlug mich dann durch einen dicht verwachsenen Wald durch, wo vielleicht lange kein Mensch gegangen, als ich im Kloster war kam es mir vor, ich wäre aus den nordamerikanischen Wäldern nach Europa über den Nordpol gedrungen, ich meinte die Vögel wären ebenso zahm gewesen, weil sie keinen Menschen gekannt, daß sie sich auf die Hand gesetzt und die Fußtapfen als eine Curiosität betrachtet und nach dem Schatten gepickt hätten, unten war aber wieder echt Europa, es war nicht erlaubt auf dem Hofe sein Gläschen zu trinken, das litten die reichen Weber nicht, sondern wir musten uns vor den Hof wegelagern | Dessen ungeachtet futterten wir den Schaafbock mit Weißbrodt im Hofe, es ist das schönste Thier, was mir je in der Art vorgekommen, er hat zwey Wunderhörner von so ausserordentlicher Krümmung, eine so schöne gebogene Nase, feine Ohren, Augen so träumerisch, Wolle so dicht und so viel Zutraulichkeit, daß ich wenigen Menschen, mich erinnere, so schnell gut geworden zu seyn, wie diesem 413
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Schafbock. Bat auch Rottmann auf dem Rückwege dieses Meisterstück in Zeichnung zu verewigen. – Die Kreutzer und die Zimmermann fürchteten sich vor diesem harmlosen Thiere und wollten ihn nicht anfassen; er schien mir aus der Odyssee von der Polyphemischen Heerde entlaufen. – Ich küsse Dich vielmals Achim Arnim No 19
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Weimar, 20. April 1808, Mittwoch
Weimar den 20 April 1808. Auch gestern wieder, liebe Freundinn, hat sich aus Ihrem Füllhorn eine reichliche Gabe zu uns ergossen, Gerad zur rechten Zeit und Stunde: denn die Frauenzimmer waren in großer Ueberlegung, was zu einem angesagten Fest angezogen werden sollte. Nichts wollte recht passen; als eben das schöne Kleid ankam, das denn sogleich nicht geschont wurde. Nehmen Sie recht vielen Dank von uns dafür. Da unter allen Seligkeiten, deren sich meine Frau vielleicht rühmen möchte, die Schreibseligkeit die allergeringste ist; so verzeihen Sie, wenn sie nicht selbst die Freude ausdrückt, die Sie ihr gemacht haben. Wie mager es bey uns aussieht fällt mir erst recht auf, wenn ich umherblicke und Ihnen doch auch einmal etwas freundliches zuschicken möchte. Darüber will ich mir nun also weiter kein Gewissen machen, und auch für die gedruckten Hefte danken. Es war mir sehr angenehm zu sehen, daß man den Finanzgeheimeräthlichen, Jacobinischen IsraelsSohn so tüchtig nach Hause geleuchtet hat. Können Sie mir den Verfasser der kleinen Schrift wohl nennen. Es sind treffliche einzelne Stellen drinn, die in einem Plaidoyé von Beau414
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marchais wohl hätten Platz finden können. Leider ist das ganze nicht rasch, kühn und lustig genug geschrieben, wie es hätte seyn müssen, um jenen Humanitätssalbader vor der ganzen Welt ein für allemal lächerlich zu machen. Nun bitte ich aber noch um die Judenstädtigkeit selbst, damit ich ja nicht zu bitten und zu verlangen aufhöre. Was Sie mir von Molitor zu sagen gedenken, wird mir sehr angenehm seyn. Auch durch das letzte was Sie von ihm schicken wird er mir merkwürdig, besonders durch das was er von der Pestalozzischen Methode sagt. Leben Sie recht wohl! Haben Sie tausend Dank für die gute Aufnahme des Sohns und bleiben den Eltern günstig G Demoiselle Bettine Brentano nach Frankfurt frank: am Main
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 22. April 1808, Freitag
den 22 ten Aprill Einmal trägst Du das Geißlein spazieren ein andermal verweilst du bei einem SchaafBock und vertreibst Dir so die Zeit, die Dir doch so schnell vergeht; bald wirst Du aber einen andern Gesellen zur Unterhaltung haben, Clemens, der endlich seine Bürde bei Pfarrer Mannel abgelegt wird am Sonn oder Montag hier durch kommen, um mit der Diligense nach Heidelberg zu gehen, ich mag dir nicht alle andre Neuigkeiten die bei dieser Gelegenheit vorfielen, erzehlen, Du wirst sie von Clemens deutlich genug hören; Du willst von Meßrariteten erzehlt haben; zum Glück hab ich gestern alle Merckwürdigkeiten gesehen 1stens 4 junge Hirsche die Kanonen und Pistolen mit dem Mund losschießen, die auf Befehl den Vorderlauf biegen, und so 4tel Stunden lang stehen bleiben pp; 2tens 4 Zwerge; 2 Manlein, und 2 Weiblein, die ihre Haußhaltung mit einander treiben, und eine Riesin zur Aufseherin haben. 3tens eine Bande Springer, die sehr Starck ist, wobei ein kleines Mädgen, nicht grösser wie | Franziska, das jüngste Kind von Tonie, von einem Mann bei den Füsen gehalten, bald wie ein Meer415
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weibgen daß Schwimt, den Leib hervorstreckt, dann wieder mit seinen Ärmchen in der Luft herum flattert wie ein Vogel; 4tens das so genante Unglückskind, ein Wilder ich weiß nicht woher, welcher Steine frißt, und lebendige Tauben, und viele Narben am Leib hat, von wilden Kazen und andern Thieren, die er gefangen, und lebendig gefressen hat; 5tens eine Dame welche auf glühenden Eisen spazieren geht 6tens ein schöner Loewe, ein weiser Bär, ein Tieger, viele WaldTeufelgen pp: dieß alles hab ich gestern Abend gesehen, hätte das Unglückskind gern mit den Wilden Thieren, deren Melancholisches Ansehen und Geheul ich wohl verstand, gar gern wieder in ihr Vaterland geschickt, und den 4 Hirschlein die Freiheit geschenckt. hab heut Nacht von Dir geträumt, daß ich dich hätte an einem Wald auf einem Sandweg liegen sehen, dein Angesicht war verdeckt mit langen Locken, die von deinem Scheidel herunter hingen, ich wolte sie dir aus dem Gesicht streichen, da war es lauter schöne weiße Wolle; und hattest auch einen | weisen Bart, und nach einer kleinen Zerstreuung im Traum, warst Du es nicht mehr, sondern ein gar schöner Schaafbock, da ist nun dein Brief Schuld daß stadt Dir; mir solche Thiere erscheinen. Da ich dir eben weiter schreiben wollte, emfand ich große Lust einmal alle deine Briefe wieder Durchzusehen, ich habe sie in 3 Paquete eingetheilt, das erste während deinen Streifereien, das 2te von Königsberg und 3te, seitdem wir uns Du nennen, es würde sonderbar seyn, wenn Der Mensch alle Eindrücke die er mit andern Durchlebt, als eichne Geschichte behielt ich glaube, er würde am End daran ersticken, so wie ich die Anfänge Dieser Briefe Durchging, drängte sich Bild an Bild, und ich fühlte daß sich im Herzen alles Drängte um Plaz zu machen, einmal schreibst Du mir vom ersten Gewitter, das kam, der Wind kam weit übers Feld her und hob den Staub, und den Donner hörte man nur ganz ferne, bei nah unhörbar, Du sangst und pfifst dabei, es war in Kars^Dorf, d. 11. May 1806 dann beschreibst Du mir deinen Garten, voll tausend Blumen und Bäumen, schleichst den Falken nach, siest sie auf fliegen; dann las ich wieder manches aus hartem Winter geschrieben, und endlich von unwegsamen Gegenden, fürs Herz die es ermüdeten bei jedem Schritt, und immer | war es dasselbe Leben wieder, daß überall sich durchzwang, mit seiner Kraft, hier und da breit und Muthwillig genoß, niemals die vergaß, die dir immer nachsah, wo Du wandeltest. Mein theurer lieber Freund Deine Lebensbahn von 3 Jahren hab ich offen vor mir liegen, wie vor Gott das Junge grüne Feld liegt, so dein jugendliches Leben, vor ihm in diesen Briefen; ich kann mich dei416
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ner nicht mehr entwöhnen, Du must nun so immer fortwachsen in Deinem Zutrauen, oft überfällt mich eine Art Furcht wenn ich z: B: die Briefe von Müller lese, die auf die Ewigkeit seiner Freundschaft geschrieben sind, und die doch endlich erblaßte bis sie ganz verschwand; Gestern waren wir auf dem Rödelheimer Land^Hauß, zu Fuß, wir kochten uns drauß ein Mittagessen, ich holte mit der Schwester, von Schlossers, Wasser am Bronnen kaufte Brod kehrte Die Küche; nach der sehr frugalen Mahlzeit, machten wir, ein jeder für sich einen Spaziergang fanden uns endlich alle an der Nida wieder zusammen, die durch den Garten fließt, wir waren alle sehr vergnügt, sezten uns am Ufer nieder, und ein jeder sang da ein Lied für sich, in das | Gebrauße des Flusses der grade hier einen starcken Wehr hat die Gänse und Enten tumelten sich im Schaum und in der Sonne, unsere verschiedne Musick, die ganz in den Lärm des Flusses eingewiegt war, schien vom jenseitigen Ufer zu kommen, es lautete, als wenn ein fremd Volke angezogen käm das eine sehr melodische Sprache habe, ich habe mir aus dem Garten einen Carolinianischen Wachholder Zweig, einen Weihmuth, und einen Lebensbaum^zweig mit gebracht, und hab sie in das Wasser vor die Büste seiner Excelenz gestellt; aufs Dach bin ich auch gestiegen, hab alle Berg und Thäler wieder übersehen, hätte aber leicht sehr unglücklich sein können den die Schifer waren Naß vom Regen, und so Glatt daß ich zweimal fiel ich ging nach her allein mit Savigny und Prof: Arnold, der seit ein paar Tagen hier ist nach Hauß, die andern fuhren, weil es regnete das Gewölck senkte sich almählig auf die Berge und über die Wälder hin, so, daß wir wie in einer Kapsel eingeschlossen waren, es erhob ein so starker Wind daß er mich oft seit^wärts trieb, die Lerchen liesen sich von ihm in den Lüften um her jagen, und sangen dabei hell ihr Lied, endlich drang die Sonne nach einem milden Regen wieder Durch und wir traten Durch einen Regen Bogen in das Frankfurter Gebiet, bei solchen Witterungen die Durchaus gemüthlich und angenehm sind denckt Der Mensch gewöhnlich nicht viel, sondern ist eher wie ein junges Vieh, welches lange im Stall war, er springt hier und dort hin, schlenkert mit der Gerte in der Luft herum tritt in die Wasserpfüzen zum Zeit vertreib pp: ich habe zwei schöne Erdrauch auf diesem Weg gefunden, einen weisen und einen rothen die eben von dem warmen Regen, ihre Kelche zum ersten mal eröfneten, und den feinsten Duft aushauchten, diese Blume hat einen sehr lieben Nahmen, ihr Grün ist so zart, daß es mehr einem Dunst gleicht der über der Erde schwebt, und die Blume steigt dran hinauf wie eine kleine Wolke also daß sie mit Recht Erdrauch heißet. 417
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Das Stück aus dem Helden Buch von Grim in dem lezten Einsiedler, ist wunderschön; Malespini | hat der Gunda am besten gefallen, von allem was bisher vorkam; deine liebe LiebesLieder hab ich denn freilich immer sehr lieb, ich bau mir immer eine Geschichte dazu, wie die Gedanken endlich im Reim reif bei dir wurden. – es streckt dehnt und 100 schüttelt sich hier alles, um aus der Winter^höle nach dem Rheingau zu wandern nach der Messe werden wir wohl alle ausziehen, Savigny weiß noch nicht ob er aufs Trages geht oder mit uns, und ich weiß nicht wann und wo ich dich wieder sehen werde, aber ich dencke, daß wenn Du einen Wohlgefallen daran haben wirst, so wird es geschehen. Adieu 105 mein Gut! schließ mich in Dein Herz. Bettine A Monsieur le Baron d’Arnim chez Zimmermann Heidelberg.
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Wir haben ein kleines Landhauß gekauft bei Rödelheim, Du mußt es kennen, es ist von Basset der jezt in America haußt, ich fahre bei nah alle Tage dahin gestern kletterte ich aufs Dach, die Sonne schien so warm, man hatte die weite Aussicht, konnte so recht die Berge im Schooß der Thäler liegen sehen, o Jammer daß ich nicht fliegen kann; was nuzt’s all, daß ich Dich so lieb hab, daß mein Herz wenn es so voll ist, daß es wieder die Brust sich anstemmt, endlich einen freien Erguß, in deiner Betrachtung erreicht, und wieder leicht wird; jung und kräftig und Stolz, bin ich oft in Dir, – ich mag nichts sagen! die Welt schiebt doch alles Gefühl, in ihr einmal gemachtes Register ein; du bist über alles herrlich und Gut, daß Du meine Liebe Dultest und ich bin überglücklich darinn; wie das Weltmeer ohne Ufer, scheint mir oft mein Gemüth, in dessen Schooß alles versinckt, das nichts über seinen Wellen zu erhalten vermag, was nicht von selbst schwimmen kann, dich aber, hab ich mit Gewallt, ins tiefste Geheimniß meines Lebens gezogen, und Freue mich der Gewißheit, deines Besizes, indem ich dich im 418
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innersten fühle; wenn ich mich sonst im Spiegel betrachtete, und merkte auf meine Augen, wie sie Bliz schnell hin und her fahren konnten, und wie sie sich selbsten so feurich anschauten, so hatte ich immer das Gefühl | wie einmal, da ich beim Mondenschein auf dem Rhein, durch die Rüdesheimer Weinberge, und Ruinen fuhr, alles in dem kleinen Nachen schlief, oder machte wenigstens die Augen zu um zu träumen, ich stand allein auf der Banck ganz frei, und hatte einen Römer mit Wein in der Hand, den man mir gegeben hatte, und den ich vergaß auszutrinken und weil ich denn so zusah, wie der Mond unserm Schifflein folgte, hinter den alten Mauern, und immer durch ein Fenster und Mauer^loch, nach dem andern, mich wieder anblickte, grad als wollte er erwecken die da schliefen, damit sie die Herrlichkeit der Natur die in diesem Augenblick überschwenglich herrlich war, nicht verschlafen mögten, und doch alle Bemühung umsonst war, so goß ich meinen Wein, recht mit stillem dehmüthigem Herzen auß, und dachte Dabei wie viel tausendmal er schon diese Gegend beleuchtet hatte, und im Verein mit Wolken und Wetter und Sternen, das ganze vielleicht zu einer Pracht erhoben, die, die Verschlafensten hätte zu ihrem Schöpfer erwecken müßen, und doch grad in diesem Moment, wohl von keinem menschlichen Auge angeblickt wurde. Herr wenn alles | Schläft, thut sich Gott oft, so überreich dar, breitet seine Schäze aus, über die Fluren, und ergießt alle Schönheit über die kleinsten Gewürme über die Vögel im Nest, über alle Geschöpfe die unter seinem freien Himmel in seinem heilichsten Schuz schlafen, aber der Mensch deckt sich mit seinem Federbett zu, und weiß den andern Tag nicht wo er die Begeisterung für die aufgehende Sonne hernehmen soll. Nun so ging mirs auch mit meinen Augen wenn sie manchmal recht schön glänzten von allerlei lieblichen Gedanken, und ich fühlte daß sie in diesem Augenblick hätten durchdringen müßen, so musten sie sich allein anschauen und ich hatte niemand dem ich einen Blick gegönnt hätte, da war mirs leid, daß alle Jugend verlohren ging; jezt aber denk ich an Dich. Bettine
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gelt du nimst mirs nicht übel daß ich dir wie ein närrisches Kind vorplaudere Sr Exelenz Herrn Geheimen-Rath von Goethe Weimar 419
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, zwischen 24. und 30. April 1808, Sonntag und Sonnabend
Die Stattigkeits und Schuz Ordnung der Judenschaft, wird hier von einem edlen Gewächs begleitet; nicht allein um dir eine Freud zu machen, sondern weil dieß Bild mir lieb ist hab ichs von der Wand an meinem Bett genommen an dem es seit 3 Tagen hing, und seine Schönheit, dem Postwagen anvertraut, Du sollst nur sehen was mir oft einen lebendigen Schauer abzwingen kann, was mich reizen kann, zum liebhaben; Häng dieß Bild vor dich – schau ihm in die Augen; in diese schöne Augen! in denen der Wahnsinn, seiner Jugend schon überwunden liegt – dann fällt es dir gewiß auf was Sehnsucht erregt – dieß unwiederbringliche, was nicht lang das Tageslicht verträgt und schnell entschwindet, weil es zu herrlich für den Mißbrauch – Diesem aber ist es nicht entschwunden es ist ihm nur tiefer in die Seele gesunken, denn zwischen seinen Lippen haucht sich schon wieder aus, was sich im erhellten Aug nicht mehr darf sehen sehen lassen, wenn man das ganze Gesicht anblickt! – man hats so lieb – man mögt mit ihm gewesen seyn um alle Pein mit ihm zu dulten, um alles ihm zu vergüten, durch tausendfache Liebe – und wenn man den breiten vollen Lorbeer erblickt, scheinen alle Wünsche für ihn erfüllt; sein ganzes Wesen – das Buch was er an sich hält, macht ihn so lieb; hät ich damals gelebt ich hätt ihn nicht verlassen. Siehst Du so liebt man dich nicht allein, aber doch bist Du schöner viel viel schöner, deine Augen sind ganz wunderschön! – herrlich sind sie, wer sie erkennt wie ich, der muß sich hinein verlieben, alle Leut sagen auch: du bist in Goethe verliebt; Freund jezt muß ich Lachen. Bettine August ist weg, ich sang ihm vor: Sinds nicht diese sinds doch andre, die Da weinen wenn ich wandre holder Schaz gedenck an mich; und so wanderte denn zu den Pforten unsers republikanischen Haußes hinaus; hab ihn wahrlich, auch 3 Mal auf | seinen lieben Mund geküßt; hab ihn geküßt zur Erinnerung für mich – an Dich, weil Du’s aber vergessen zu haben scheinst, daß ich auch den mit den schönern Augen geküßt habe, und mir nur immer von dem Volk schreibst welches verflucht ist und es Dir lieb ist wenn Jacobson heim geschickt wird, aber nicht wenn ich heimlich mit Dir bin, so schrieb ich dieß, zur Erinne420
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rung für dich an mich, die dich doch immer lieb haben muß – halt weil sie muß bitte bitte, steck das Bild an die Wand, mit 4 Nadlen, aber in dein Zimmer, wo ich das einzige mal drin war, und hernach nicht mehr. Die Frau grüß ich – ganz unten in Die Schachtel waren Granaten befestigt hat sie dieselben vielleicht nicht gefunden? ich hab es nicht selbst gepackt und weiß nicht ob sie sichtbar waren, die Frau Mutter versichert mich auch, daß schon manchmal so etwas verlohren ging in Schachtlen die sie nach Weimar geschickt;
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Offenbach d* 24ten April 1808. Und André antwortete: »Das kann ich nicht sagen; es kömmt darauf an, ob die Sach leicht oder schwer zu stechen – ob es pur Noten – ob Noten und Text – dann was von Beidem das Meist’ – auch wie stark die Auflage /: je stärker desto wohlfeiler nach Verhältniß:/ – so bald ich das manuscript sehe, kann ich’s so gleich und werd es möglichst billig bestimmen.« Durch Applizierung mehrerer Fragartickeln bracht ich noch heraus, daß, wenn es nur Noten, die Platte in quart beiläufig 1 fl 30 xr – wenn es aber Text und Noten, 2 fl oder etwas höher, und je nachdem des Textes mehr als Noten, auch auf 3 bis 4 fl kommen könnte. Es will sich Ihnen hiemit bündigst empfohlen haben Ihr Ergebenster P. C. Hoffmann
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 24. April 1808, Sonntag
Heidelberg d* 24 April 1808 Wie kannst Du in einem so lieben Briefe auf Müllers Freundschaftsgeschichten kommen? Je grösser der Mensch ist der fällt um so schreckliger oder lächerlicher ist der Fall, nachdem ich nun in mir ordentlich groß gethan hatte mit der traulichen festen Freundschaft, die Du mir zeigst, kommt mir das fatale Saufell (, der Müller) zwischen die Beine, das vor der Thüre der Freundschaft liegt, damit sich jeder die Stiefel daran putzt. Ist es Dir denn nicht an dem ganzen gezierten, reflectirenden alles verschönerndem Wesen in den Briefen Müllers klar geworden, daß seine sogenannte Freundschaft nicht anders war als ein Bedürfniß seiner moralischen Weichlichkeit, Augenblicke wo er seine versteckte Neigungen frey gehen ließ und sich von dem guten Ernste seiner Studien erholen konnte. Das Studierende in den Briefen ist wie überhaupt in Müllers ganzem Leben das Einzige was werth hat. Diese Erwähnung des Müllers brachte mich auf den Gedanken, daß Deine Beschreibung von der Messe ein Scherz sey, aber einige Putz^macherinnen aus Schwaben mit denen ich gestern zu speisen hatte, bestätigten alle die Wunder. Da bin ich nun sehr arm Dir etwas gegen zu setzen, es sey denn eine merkwürdige Geisterhistorie die sich eine Stunde von hier ereignete. Der Pfarrer Wundt starb während eines Streits mit seiner Gemeine, sein Nachbar hält ihm die Leichenrede und zeigt ihnen das Fortleben des Verstorbenen durch Lehre und Beyspiel unter ihnen, in der Begeisterung ruft er: Sein Geist lebt unter euch: – Bey diesen Worten wendet sich in der Bibel des Verstorbenen, | die aufgeschlagen über dem Redner auf der Kanzel lag, ein Blat langsam um, die Gemeine eilt hinauf, sie lesen oben an die Worte Hesekiels 38,13: »Und habt euch wider mich gerühmet und heftig wider mich geredt, das habe ich gehöret.« – Das war sehr wahr und alle waren getroffen und erschrocken, so selten geschehen manchen Menschen Wunder und um Geister zu sehen müssen sie erschreckt werden. – In dem beyliegenden Blatte wirst Du ein Stücklein Deines Geistes vorblicken sehen, sag mir ob Du zufrieden bist wie ich es zusammen gebaut habe, Du kriegst noch wunderliche Gesellschaft in der Fortsetzung dieses Aufsatzes. Wenn ich die wunderbaren Hiazinthen rieche, die hier blühen, so möchte ich sie Dir eigentlich lieber schicken, als das bedruckte Papier 422
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doch für Blumen muß der Doktor sorgen. Was macht der Marder? Alle Bekannte grüß herzlich, Dich aber allein grüß ich herzlich Achim Arnim 40
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 25. April 1808, Montag
Es mag so seyn, wie Du sagst, daß Müller ein S.fell ist, solche Anstöße an fremde Geschichten, in meinen Gedanken, hab ich oft, ohne sie legitimiren zu können, so kann ich auch selten wenn ich etwas Gutes erkenne das Böse welches nicht bekräftiget und öffentlich ist, vom Guten Abscheiden, indessen war es nur ein durchfallender Gedanke in meinem Brief, so wie in den Melodien die durchfallenden Noten sind, und es wundert mich wie Du ihn mit einem so tüchtigen Accord belästigen kontest, da doch keiner hingehört, und die ganze Melodie meines Briefes, durch diese Unrichtigkeit deiner Beziefrung aus dem Schwung kömmt. ich habe so eben gemerckt daß nichts leichter als dieß geschieht, indem ich eine Begleitung zu einer Melodie aufschrieb, wodurch sie ganz aus dem Gleichgewicht kömmt, worüber ich mich denn nicht wenig aergere; Gestern wurde hier die Oper Medea von Cherubini gegeben, welche nur in 3 Wochen Zeit, einstudiert wurde, sie ist eine der schwersten Musiken, besonders für den Gesang, du glaubst nicht, was das noch uneingeengte Genie und die Wahrheit, dieser Musick für Wunder that, den sie ging besser, als | alle seit langer Zeit einstudierte, auch glaube ich nicht daß sie in der Zukunft so gut wird gegeben werden, ich war voll Enthusiasm, während der ganzen Musick, ich muste in die Chöre jauchzen alles ging so geschwind so bedeutsam als wär die Geschichte in diesem Augenblick geschehen, und als hätte der Schmerz und die Gewalt, die im ganzen liegt, all diese Melodien in demselben Augen 423
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blick gebohren, siehst Du was ich da oft Lust hab, auch heraus zu treten und mein Gefühl, das in höchster Fülle, durch die Musick erregt wird, auch in lautem Gesang mit zu theilen, und weil ich nicht kann, so geht dieß Herzklopfen in Thränen über, und ich kann Minuten lang eine Art von innerlicher Wuth darüber haben. Läßest du meinen Brief nicht, so mögt ich jezt in tausend Schmeicheleien und Liebkosungen, mich ergießen, denn ich hab dich über alle Maasen lieb und kann nicht genug in dich hinein dencken und mich an dich halten, mit Worten, und allem freundlichen Thun, aber du antwortest mir | nie auf mein liebendes Benehmen, das beschämt mich, und benimt mir zum theil eine Art Zutrauen ich schweich also still! hörst Du’s und sag Dir nicht, daß ich oft um alles in der Welt, einen Moment, dir ins Gesicht sehen mögte, oder vor dem Schlafen gehen dich an mein Herz drücken, und dir Gute Nacht wünschen daß wenn wir zusammen spazieren gehen, ich oft voraus laufe, um in Gedanken an deiner Seite zu gehn. ich erzehl dir besser ein Märgen: Es war einmal ein König, der hatte ein herrliches Land, und seine Burg stand auf einem hohen Berg, von wo aus er weit sehen konnte, hinter der Burg waren schöne Gärten zu seiner Lust erbaut die waren mit herrlichen Flüssen umgeben, und mit dichten Wäldern die ganz mit wilden Thieren erfüllt waren, Loewen Tiger hatten ihre Wohnung da wilde Kazen saßen auf den Bäumen, Füchse und Wölfe sprangen im Dickicht umher Weise Baeren, und auch mit Goldnen Fell schwamen oft paar weiß über die Flüße und kamen in des Königs Garten, auf dem Gipfel der Bäume nisteten die StoßAdler Geier und Falken, es waren diese Wälder ein wahres Reich der Thiere | welches des Konigs seins begränzte, und war als ihr Eichenthum angesehen. Der König aber nahm ein Weib um ihrer Schönheit willen, und daß er Kinder bekomme da sie mit dem Seegen ging da freute sich das Volk, daß sie sollten einen Thron erben haben, und sie ehrten das Weib darum sehr hoch, die Zeit des Gebährens verstrich aber, ohne daß sie eines Kindes genesen wäre, da ward der König traurich weil er glaubte sein Gemahl sey kranck und müßte bald sterben, aber sie nahm Speiß und Tranck zu sich wie ein gesundes Weib, aber sie ging 7ben Jahr eines hohen Leibs, der König aergerte sich an ihrer Misgestaldt, und glaubte daß sie sich an Gott versündigt habe weil er sie so hart strafe er ließ ihre Kammer von der seinigen Trennen, und sie mußte in der hintern Seite der Burg wohnen, hier truch sie langsam und traurig, 424
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ihre schwehre Bürde durch die einsamen Gärten, und sah die wilden Thiere aus dem Wald an das jenseitige Ufer des Flusses kommen, um sich zu tränken, wenn es dann um die Frühlings Zeit war, und es kamen die alten Leuen oder Tieger mit ihren Jungen und tränkten, da wünschte sie oft, in schwehrer Verzweiflung, auch ein reißendes Thier zu seyn im Walde ihre Nahrung mit wütigem Kampf | Kampf dem Leben zu entreißen, wenn sie nur ihre Kindlein mogt ernähren, aber so, sprach sie, muß ich mit schwehrem Tritt und schwehrem Jammer hier durch die Gärten wandlen, ich seh euch jährlich eurer Frucht genesen, und wie ihr eure Jungen in eurer wilden, unwürschen Natur erzieht, aber ich die Fürsten Tochter, die Konigin, soll keinen meines edlen Stammes erziehen, soll unglücklich seyn, und vor dem Könige meinem Gemahl verhaßt; als sie eins mals, auf einem einsamen Ort, unter einer Palme saß, fühlte sie schmerzen, und sie gebahr einen Sohn, der gleichsam die Kräfte eines 7ben jährigen Knaben zu haben schien, denn während er zur Welt kam, hatte sich eine wilde Baerin über den Fluß gewagt, und als er kaum frei war jagte er dießer nach er kriegte sie beim Fell das Thier schwamm zurück und truch ihn mit sich in Wald; da schrie die Konigin mit gewaltiger Mutterstimme: mein Sohn! mein einzig gebohrner, ist in dem Wald, und wird von den wilden Thieren gefressen; die Wachen des Königs kamen herbei, und stürzten durch die Flüsse nach den Wäldern, mit Streitkolben mit Pfeil und Bogen und wollten ihres Herrn Sohn wieder haben aber da die Thiere merkten, daß man mit | Gewallt in ihr Gebiet einfalle, kamen sie aus den Wäldern an das Ufer um sich zu wehren, die Baeren sezten sich aufrecht und streckten ihre Tazen aus die Leuen fletschten ihre Zähne und wedelten mit den Schweifen, die Tieger liefen auf und ab am Ufer mit feurichen Blicken, die Wölfe heulten, die Elefanten wühlten die Erde auf und stürzten Felsen ins Wasser, die Vögel flochen aus ihren Nestern, machten die Luft schwehr und hielten ein gräuliches Geschrei, also daß keiner der kühnen Ritter es wagte ans Ufer zu steigen, sie schwammen also zurück zur verlassnen Königin, weil sie doch glaubten der Konigs sohn sey verlohren, da sie aber zu ihr kamen, fanden sie daß sie im Gebähren war und noch 6 Kindlein zur Welt brachte, um welches eins immer fröhlicher und stärker schien als das andre, man trauerte daher nicht viel um den verlohrnen Sohn, sie wurde mit den 6 Säuglingen, als eine Glohrreiche Mutter, vor den König gebracht der sie mit Ehrenbezeugung und Freuden aufnahm. Adieu die Post geht ab; morgen das Ende, 425
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inliegender Brief, wird dich über das belehren was Du vom Noten Druck wissen willst. Bettine Goethe hat mir gestern wieder geschrieben, als wie^der wegen den Ju- 105 den 〈1r aoR kopfstehend:〉 Die Zeitung hab ich wegen Mangel an Zeit noch nicht ganz gelesen, ist aber das wo der Einsiedel vorkömt recht schön
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 26. April 1808, Dienstag
Heidelberg d* 26ten April 1808. Gute Nachricht von meiner Großmutter, sie bessert sich! Clemens kommt auch bald! Darf ich da noch streiten, wer recht hat. Du hast einmal gewolt, daß ich Dir zutraulich schreibe, kaum zeige ich Dir offenherzig, welchen Eindruck es auf mich macht, wenn Du mein Leben zu Dir übersiehst und mich zum Schlusse mit Müller zusammenstellst, so ist Dir gleich alle Melodie gestört. Mein Unmuth, daß Du so wenig Aufmerksamkeit auf die Leute verwendest, daß Dir solch eine durchgreifende Lüge wie in Müllers Freundschaftwesen und Unwesen sich nicht ausscheidet, hat doch auch seine Melodie, muß ich denn nicht meinen, wenn Dich gedruckte Briefe so täuschen können, wie viel mehr lebende Menschen und wie einer sich Deinem Tone fügt, wirst Du mit ihm die Freundschaft theilen, die ich nur Würdigen | gönnen kann. Hätte ich nun erst allerley Artiges gesagt, was mir doch in dem Augenblick entfernter lag, weil man jede Liebe wie das gute Wetter verleben muß in glücklichem Gefühl oder Arbeit, aber im bösen Wetter Zeit zum notiren des Barometers erhält, so wäre Dir meine Bemerkung über Müller nicht aufgefallen, aber so mit der Thür ins Haus zu fallen, es ist entsetzlich, das beste Kind fressen die wilden Thiere, und die sechs Schreyhälse bleiben übrig. Das Mährchen ist recht artig, hast Du es unverändert so von der Fr Lenhardt, ich meine im Wesentlichen, nicht die Worte? Mir schwebt so eine Geschichte vor. Schick doch auch die Geschichte vom starken Hans, es vermischt sich darin der Christo426
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phel und der Siegfried. Im Prometheus habe ich den Anfang der Pandora gelesen – ich wollte es wäre die Fortsetzung der Eugenie. | Hat man so einen Geschmack im Munde und es werden noch so gute Weine vorgesetzt, wahrhaftig ich bitte immer noch um ein Glas von dem bewusten. Der junge Göthe ist angekommen, den Vossen in die Hände gefallen, ich begegnete ihm auf der Strasse, er ist hübsch ausgewachsen; ich brachte ihn zum Essen zu Zimmer, er war lebendiger als in des Vaters Hause, nichts scheint aber weniger seine Liebhaberey zu seyn, als was der Vater treibt und was ihn treibt, das zeigt wenigstens, daß er auf eignen Füssen steht und ist mir recht lieb. Im Allgemeinen ist ihm wohl alles zu leicht gemacht worden im Vaterhause, alles ist ihm fertig zu getragen, es wird ihm Zeit kosten ehe er selbst erwerben lernt. Viel werde ich ihn wohl nicht sehen, | die Streitigkeiten nehmen Ueberhand, mein Theologe hat den Tisch bey Zimmer verlassen, wahrscheinlich meinetwegen; ich fühle, daß man nichts ernstlich meinen kann und wollen ohne eine Menge Leute zu verfeinden, die in des Lebens gewöhnlicher Leerheit und Spashaftigkeit sehr verträglich sind. Hab es denn seinen Lauf. Ich fühl mich so leicht von Sorgen, wie ein Mohnkopf von Klappern, der seinen Samen durch eingeschlagene Luftlöcher ausgestreuet hat; ich war in der Zeit bis ich Nachrichten von Hause hatte in einer unangenehmen Bewegung. Herzlich grüst Dich Achim Arnim An N 21 Fräulein Bettine Brentano Abzugeben bey zu H. Franz Brentano in der Sandgasse Frankfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 26. April 1808, Dienstag
No 1 Da wuchsen die Kindlein, die Königin pflegte ihrer mit großer Gedult, und gab ihnen Nahrung, aber wenn es Abend wurd, daß sie sich zur Ruhe gelegt hatte, da ging sie hinter die Burg, auf dem Fleck wo sie ge427
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sessen, und die Baerin ihr das Kind geholt sie lief am Wasser hin, ob sie ihren Sohn wohl mögt aus den Gebüschen locken, sie bekümmert sich auch im Herzen ganz wenig, um die andern Kinder, denn allein um diesen, und konnte nicht glauben, daß er sey umgekommen, also wie ein Schäfer sich mehr bekümmert um das eine Lamm, welches verlohren, denn um die ganze Herde, und glaubt, das dieses Lamm das beste und einzige war. – Sie fürchtet sich auch nicht mehr vor den wilden Thieren, wenn sie die in der Nacht heulen hört, wenn sich eins in dem Garten verlauft, da lauft sie ihm nach und fragt nach ihrem Kind, die wollen sie aber nicht verstehen, da wird sie ungedultig und verzweifelt, sie droht und bittet, und kriegt die Baeren beim Fell; sagt: »Ihr habt mir meinen Sohn gestohlen« die wollen sich aber nichts drumm kümmern, und thun nach ihrer Art, sie kennen die Frau an ihrem Ansehen, und thun ihr nichts zu leid, wenn sie dann wieder in die Burg | kömmt, so wischt sie ihre Thränen ab, und beugt ihr Gesicht auf die Kinder die unruhig seyn, und verbirgt so ihre Thränen, und spricht: meine arme Kinder seyn Unruhig, und frieren, ich muß sie wärmen, und muß sie nähren, das sie wieder ruhig werden; also, daß sie ihre Traurigkeit den ganzen Tag vor den Leuten verbircht, und ihr Gesicht nicht gegen das Tagslicht wendet, denn sie schämt sich daß sie allein mehr Lieb zu dem verlohrnen Sohn spührt, denn zu den andern Doch erzieht sie dieselben mit großer Gedult und Weisheit am Tag; aber am Abend wenn die Kinder schlafen, forscht sie ihrem Sohn nach, da redet sie die großen Raub vögel an, die in den hohen Lüften schweben, herüber und hinüber fliegen, ihren Jungen Speiß zu bringen, da spricht sie oft: O ihr beflügelten Thier wenn ich so wie ihr könnt in der Luft schweben, und in die Gebüsch herunter blicken meinen Sohn suchen o sagt mir doch ob er noch lebet, oder ob ihr ihn Tod gesehen habt; wenn die Vögel nun unverständlich schreien in der Luft, so meinet sie etwas zu verstehn und streicht das Haupthaar zurück um besser zu hören, da glaubte sie oft, die Vögel rufen | ihr zu daß er noch lebe, und bald zu ihr komme sie giebt sich müh das Geschrei auszulegen, sie redet auch selbst die Bienlein und summende Käfer an, die über dem Wasser schweben, die schwärmen um sie her, brummen und summen ein jedes nach seiner Art, fliegen dann wieder fort; – O Arme Königin, es wird dir kein wildes unverstandiges Thier, Rath geben, die wissen nicht was Menschenklag ist, denn die Menschen verfolgen sie, und haben ganz keine Gemeinschaft mit ihnen, sie trachten ihnen nach dem Leben um ihr Fell, oder um ihr Fleisch zu essen, aber nie hat sich ein Mensch an sie ge428
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wendt, um Trost bei ihnen zu hohlen; es hat aber manch edel Wild geklagt, um die Freiheit, die ihm der Mensch listig geraubt hat, daß es hat müßen Sclaven dienste thun, daß es doch nicht schuldig war zu thun, und auch keine Natur dazu hat und muß Trocken Heu für seine Dienste fressen da es doch hat können im Wald frisch Laub fressen, und muß um sein Maul lassen einen Zaum binden, und sich mit einer Peitsche regieren lassen, – darum trauen sie auch dem Menschen nicht, und gehen ihm aus dem Weg, wenn sie sich | aber nicht zu helfen wissen, dann packen sie oft den Menschen an und zerreißen ihn auf eine gräuliche Art, blos um ihre Freiheit oder ihre Jungen zu erhalten. – Nun wurden aber die Kinder recht groß, und auch zu aller Weisheit gut erzogen, sie hatten sehr einträchtige Gesinnungen und ließen sich in allem auf eine edle Weise an, der König wuste nicht welchem er die Krohn sollt lassen, denn man konnt nicht sagen welcher früher gebohren war, oder daß einer weniger Tauglich sey zum herrschen, ließ er sie in Spielen um den Preiß werben, so kam es oft daß alle den gleichen Preiß gewannen, oder daß ein jeder in einer besondern Art, vorzüglich war, der König konnt auch keinen mehr lieben, denn es war ein jeder schön, und ihr Wesen war zu vergleichen mit dem Hals eines edlen Federspiels, wenn es in der Sonne steht, dreht es sich so, da spiegelt sich die rothe oder grüne Farbe am herrlichsten dreht es sich wieder anders, so strahlt wieder eine andre, oder geht es auf und ab, und bewegt die Flügel, so wechseln die Farben schnell wie der Bliz. ein so schön wie die andre, man weiß nicht welche am schönsten, oder auch waren sie, wie | wie der Regen bogen, wo alle Farben schön vereint stehen, und sich über den weiten Himmel spannen daß eine immer aus der andern hervorgeht; Der König aber hatte nicht das Recht sein Land zu theilen, oder ihm mehr denn einen Herrn zu geben, er ließ daher eine Krohne machen, aus lauterem Gold, die die Häupter seiner 6 Kinder umfaste, und er sagte ihnen, so lang euer Sinn so rein bleibt wie dieß Gold, und daß Ihr so einig seid, daß Ihr eure Häupter all mögt in diesen Ring fassen und Euch liebend Küssen so mag ich wohl sagen, mein Leben hat nur einen Herrn, und obwohl viele Leiber, hat es doch nur einen Geist; – da ließ er ein großes Fest bereiten, an welchem das Volk solt die neuen Könige sehen, es versammelten sich alle Edle am Hof, da war unter freiem Himmel ein großer Thron von Gold, darauf saßen die Königs Söhne, und sezte ihnen der König die Krohn auf die Häupter, die stille einsame Mutter war in vollem Schmuck und Pracht, mit goldnen schleiern und Mäntel angethan und es war ein Jauchzen 429
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zu ihr; man nent sie die Glohrreich Mutter, und spielt ihr vor auf allen Instrumenten, eine herrliche Musick zu ihrem | Lob, sie aber verbirgt ihr Angesicht hinter den Schleier, und weint bittere Thränen, um ihr 85 verlohrnes Kind; da steigen die Söhne herab von ihren Sizen, fallen auf ihre Knie, und begehren der Mutter seegen, da steht sie auf und ertheilt mit ihrer rechten Hand den Seegen ihren Kindern; die linke hand hält sie aber aufs Herz und gedenkt ihres Sohnes. – Die Wilden Thier hatten das Frohlocken gehört durch das ganze 90 Land, und waren unruhig geworden, sie schwammen über die Flüß zu großen Schaaren; Da brachten die Wachen, die Gräuliche Bothschaft, alles floh in seine Wohnung die Mutter nur wollt nicht weg denn sie hatte keine Furcht Die Söhne wolten ihr Mutter nicht verlassen, da sie auf ihr Flehen nicht weichen wollte, um sie zu beschüzen, Die Schaar 95 der Thiere kam heran und mitten unter ihnen ein schönes Antliz das aufrecht zum Himmel blickt, und schien ein Mensch zu seyn, nur daß er schöner und edler war, er reitet auf der Leuen und Tieger Rücken, er springt anmuthig von einem zum andern. Da das Die Mutter sieht so spricht sie: Es ist mein Sohn, und geht mit muthigem Wesen ihm ent- 100 gegen sie legt sich an seine Brust, und sie spührt wie einen Felsstein sich von ihrem Herzen wälzen, die Thiere | Thiere kennen die Frau, an ihrem Ansehn und thun ihr nichts zu leid, der Jüngling hat aber keine menschliche Sprach er konnte nur seinen willen durch zeichen kund thun, daher nimt er die Krohn und dreht sie 7ben fach um sein 105 Haupt, auch riß er mit seiner Starken Hand, einen Oelbaum aus dem Erdboden, und gab den 6 Brüdern, einem jeden einen Zweig, sich selbst behielt er den Stamm welches heisen soll; Ich bin der Herr! aber Ihr sollt in Frieden mit mir Leben, Und er ward ein König über Thiere und Menschen, im Geist; sonder Sprache, 110 Adieu mein lieber Arnim nicht einmal hab ich mehr Zeit Dir noch eine freundliche Zeile zu schreiben, ich hab Dir das Märgen so hingekrizelt, und wird Dir vielleicht mehr Mühe kosten es zu lesen, als es werth ist. Bettine 115 An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Zimmer Heidelberg
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Nein! ich mag diesen Unmuth ja nicht entbehren er ist mir werth und theuer du hast immer recht wie Du es meinst, aber ich begreif niemals geschwind genug, wie ichs zu verstehn hab, besonders da Die Sachen, die du rügst gewöhnlich nur Durch Zufall bei mir eine so wichtige Stelle einnehmen, denn wie könnte aus meinem Herzen, und mit ernster Überlegung etwas geschrieben seyn, was dich aergert oder kränkt, versprech mir nur daß dich so was nicht zurück halten soll mir doch immer die Wahrheit zu sagen Savignys Kindgen war auf den Tod krank vorgestern, jedoch hat es sich so schnell gebessert, daß es jezt so ist als ob es gar nicht kranck gewesen wäre, indeß mußte es Gunda abgewöhnen und ihm eine Amme geben, hierüber ist sie sehr melancholisch, da muß ich denn viel bei ihr seyn, weil sie behauptet es könne sie kein Mensch beruhigen, als nur ich allein, ich hab aber eine innerliche Freud wenn ich seh daß das arme Kind eine so angenehme Krampflose Nahrung bekömmt und nicht so heftig wird werden wie das kleine Bettingen. Das Kind wird sehr hübsch, und ich glaube, ich habs so lieb, weil Du mir einmal einen Verweis darüber gabst denn ich nehm es selten auf den Arm ohne daran zu denken. Clemens wird jezt bei Dir seyn, als ich ihn wieder sah, ward mirs auf einmal leicht ums Herz, da er noch wie sonst spassen konnte, und recht freundlich und angenehm war. Das Märchen ist von mir, daß es dir etwas Dunkel vor schwebt wird wohl seyn, weil ich dir einmal sprach daß ich ein solches schreiben wolte, die lezte Hälfte schrieb ich grad so in deinen Brief, und ich weiß nicht einmal, ob es so recht an die erste Hälfte paßt, die ich gestern verlohren hatte. Die Geschichte von Hans ohne Bart geht so an Es war eine arme Frau, die hat einen Sohn den konnte sie wegen ihrer Armuth nicht mit Speiß ernähren must ihm also die Brust reichen bis er 7ben Jahr alt war, da sagt sie ihm geh hinaus in den Wald und rüttel einen Baum, wenn Du ihn kanst ausreißen, so must du fort in die Welt, den ich bin arm und kann dir nichts zu essen geben, der Sohn ging in Wald, und wollt einen Baum rütteln, konnt aber nicht, ging daher wieder heim und sagt seiner Mutter: Ich kann den Baum nicht rütteln. Da reicht ihm die Mutter wieder ihr Brust, biß 7ben Jahr um waren und schickt ihn wieder in Wald, und sagt nehm den Baum bei seinen Aesten, und schüttel recht mit Gewalt, wenn du den Baum kanst 431
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aus reißen, so mach dich fort und bring dein Leben durch denn ich bin arm und kann dich nicht ernähren, da geht der Sohn in Wald, wie ihm die Mutter gesagt hat, kommt auch wieder heim und schlept einen großen Ast mit sich, und sagt: Mutter Ich kann den Baum nicht um reißen, aber wohl einen Ast den hab ich abgerissen, Da gibt ihm die Frau wieder zu trincken bis 7ben Jahr um waren, und schickt ihn in Wald, er soll sehen ob er einen | Baum kann ausreißen, und soll weiter gehen in die Welt sein Brodt verdienen, pack ihn bei der Wurzel und zieh recht kräftig sagt sie ihm, der Sohn thut wie ihm die Mutter gesagt hat, und reißt einen Starken Baum mit seiner Wurzel aus der Erden, da geht er nun weiter und kommt nimmer heim, in demselben Wald war eine Mühl da wars nicht sicher also daß kein Mühlknecht da bleiben wollt, und die blieben, die sind um kommen. Der Hans find die selbige Mühl, darin war eine Witfrau, denn ihr Mann war auch umkommen, zu dieser Frau spricht er, daß er will Mühlknecht bei ihr werden, ohne Lohn, nur für das Essen darüber war die Frau recht froh und sagt ja, aber der Hans will nicht anders, als daß ihm die Frau verspricht, daß keiner von beiden darf dem andern den Dienst aufsagen, und welcher ihn zuerst aufsagt, den darf der andre schlagen so viel er Lust hat, das war die Frau zufrieden denn sie meint, er würd leichtlich fort wollen wenn er die Gespenster merckt, sie kocht ihm auch gleich eine Suppe zu essen, der Hanz schütt aber die Suppe ins Feuer, und sagt er wollt sich selber eine Kochen stelte sich ein groß Butt mit Wasser auf den Herd holte sich alles Brod was da ist, und brockts hinein und da es gar war holt er sich den Fleischarden stadt einem Löffel, und frißts all hinein, der Frau stehn die Haar zu Berg wie sie das sieht, und hat gar angst er würd sie arm fressen, wenn er beim Leben blieb sie schickt ihn daher Abends in die Mühl er solte mahlen | und hoffte, die Gespenster würden ihn umbringen als es gegen Mitternacht war, so kommen drei Irwisch in die Mühl und wollen ihn erwürgen da erwischt er eins und wirft es unter den Mühlstein und mahlt ihm die Nas ab und ein Stück vom Bauch, und schickt es wieder heim, als es nun Morgen war da verwundert sich die Müllerin daß er noch lebt, sie schickt, ihn am Abend wieder in die Mühl und meint er soll umkommen Da es aber Mitternacht war und, die Irwisch kammen, da erwischt er zwei und wirft sie unter den Mühlstein mahlt dem einen den Schenkel ab und dem andern den Backen, am Morgen sagt er zur Müllerin: habt Ihr nichts mehr zu thun. ich hab das Korn all gemalen, die Frau schickt ihn in den Wald weil es Holztag ist er solle Holz hohlen da spannt er die 432
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4 schöne Hengst von der Frau, an den Wagen, und fährt in Wald er war aber der erst im Weg, so daß die andern Bauern musten warten, er gab sich auch kein Müh die Bäum abzuhauen sondern reißt sie mit samt der Wurzel aus der Wagen war aber zu schwehr die Pferd konnten ihn nicht ziehen, er schlug eins nach dem andern tod und warf es auf den Wagen zum Holz, | wie er sie all todgeschlagen hatte, ging er hinter den Wagen, und macht einen großen berg da konnten die Bauern nicht durch und konnten kein Holz holen, er zog aber seinen Wagen allein nach Hauß, da ihn die Frau kommen sah mit den 4 todten Hengsten, fürchte sie sich und machte ihr Thor zu, er warf aber den Wagen über die Mauer, mit den Bäumen und den Pferden, und schmiß ihr das Haus ein, da hat die Müllerin Angst, und schickt ihn in eine Höle wo sie wuste daß der Teufel war, er soll ihr da ein Kraut holen; – nun weiß es die Frau Lehnhart nicht weiter sie meint es endigt sich mit einer Schazgräber Geschichte, daß der Teufel ihm viel Geld giebt. und er geht damit zur Frau Müllerin, und entschädigt sie für seine Unarten. mir gefällt am besten daß er die Irwische immer erwischt. Arnold hat mir Sagen aus dem vogesischen Gebürg versprochen, worunter sehr schöne seyn sollen; Leb wohl mein lieber Arnim Bettine An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Zimmer Heidelberg
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Heidelberg d* 29 April 1808. Herzlichen Dank, liebe Bettine, für beyde Mährchen, die Trauer der Königin ist sehr wahr und sehr natürlich, manchen möchte die Idee darin stören, daß sie eine böse Sieben erst in sich getragen, mich nicht, sie kommt mir vor wie eine Ameisenkönigin, die ihr ganzes Volk geboren. Wunderlich ist es, daß hier gerade auf Veranlassung von Zwillingen, die dem Pr. Fries geboren, eine Menge Historien von vielfachen 433
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Geburten erzählt wurden, ließ ich es jezt abdrucken, die Leute würden meinen es ginge auf ihn. Eine dieser Geschichten must Du an Göthe schreiben, der nach Clemens immermehr Judengeschichten von Dir haben will; ein Jude bekommt in einem Kaffehause die Nachricht, daß seine Frau eine Tochter bekommen, er ärgert sich, daß es kein Sohn ist und weist die Magd nach Hause und bleibt da. Die Magd kommt wieder: Noch ein Mädchen, komm er heme! Der Jude wird noch ärgerlicher und bleibt. Die Magd | kommt zum dritten mal: Noch ein Mädchen, komm er heme! – Nu Gott bewahre, wenn ich nit heme komm, so werd ich wol gar nit mehr hnein könne. – Von meiner Großmutter hab ich einen eigenhändigen sehr liebevollen Brief, er hat mich sehr gerührt; ein Onkel von mir, eben der, von dessen Gute ich so oft an Dich geschrieben, von Paris kommend, bestellte mich nach Manheim, ich begleitete ihn hier durch bis Weinheim, wäre Clemens nicht in der Zwischenzeit angekommen, ich glaube, daß ich auf einen Tag mit ihm bis Fr: gereist wäre. Ich hing in meiner Kindheit an ihm wie an einem Heiland und wie mich Zuneigung niemals ganz getäuscht, er hat sich in dieser Zeitenverwirrung treflich in öffentlichem Geschäfte gehalten. Ich konnte ihm keinen Brief und keinen Grus an Dich | auftragen, weil er sich nicht lange in Frankfurt aufhalten wollte und dort beschäftigt war. – Clemens wohnt bey mir und so bevölkert sich die Einsiedeley mit allerley Nebengästen, er ist noch in frischer Sonntagsstimmung, hat mir versichert, daß kein Mensch die Zeitung lese, weder Du noch Savigny, daß die alte Göthe dafür einen Titel alle Tage producirte, aber die Stücke nicht ausgebe, mir macht das viel Freude, denn wäre der erste Monat gar zu gut gewesen, so meinten die Leute ich wolle sie damit anführen. Er sagt mir viel von Voigts Arbeiten, von Molitors, weist Du etwas von ihnen? Auf Arnolds Mährchen bin ich begierig, wir haben nun mancherley beysammen, auch von Runge. Stoß doch Savigny an, ich weiß so bestimmt, daß er mir von sehr lustigen Briefen der Mamselle | Cujare erzählt hat, die er in Paris abgeschrieben. Vom alten Göthe höre ich nichts, ich habe so mancherley von Herzen gesprochen weg gesprochen an ihn, daß er die Lust verloren zu haben scheint drauf zu antworten; ich will ihm doch nächstens wieder schreiben. Der Sohn erinnert mich so lebhaft an ihn und doch so traurig, denn er scheint so unjugendlich stumpf, wie es eigentlich kein echter Sohn von Göthe seyn sollte; ich schiebe es auf die Mutter, die den Funken in eine blinde Laterne gesteckt hat. In jungen Leuten kann man sich indessen leicht irren, doch hab ich ihn bis jezt von nichts mit Interesse reden hören wie 434
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von ein Paar miserablen Schauspielern. Vielleicht war Wilhelm Meister auch so, als er die Mariane liebte? – Liebe Milesierin und Persianerin, Dein Achim Arnim No 22
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An Fräulein Bettine Brentano zu Sandgasse, bey H. Franz Brentano Francfurt a/M
An Johann Daniel Engelhard in Kassel Frankfurt, vmtl. Ende April/Anfang Mai 1808
So freue dich, Jüngling, in der Jugend, und laß dein Herz guter Dinge seyn in deiner Jugend. Thue, was dein Herz gelüstet, und Deinen Augen gefällt; und wisse, daß dich Gott um dieß alles wird vor sein Gericht führen. Prediger: 12. C. V. 9 – soll so viel heißen als weil Sie es denn einmal nicht anders thun so lieben Sie mich nach Belieben, aber bedencken Sie, daß einstens einer wird wissen wollen für was Sie den Aufwand von Gefühl gemacht haben, ob eine solge Liebe nicht mehr eine betrügerische Entführung Ihres Herzens für die Kunst ist denn in Ihrer Jugend solte es nicht nur allein für dieselbe empfänglich seyn, sondern auch blos allein um dieselbe buhlen, es sollte mit Eifersucht an ihr hängen, und keine Untreue weder in noch ausser sich dulden, ohne Leidenschaft kömmt nichts tüchtiges heraus, und welche Leidenschaft muß es seyn! Ihr müßt vor euer Göttin auf den Knieen liegen müßt mit Dehmuth euch früher eurer Fehler zeihen als sie selbsten, müßt mit doppeltem Eifer mit doppelter Liebe zu ihr aus dem gemeinen Leben zurück, und nur wenn Ihr in ihr erglüht, daß Ihr fühlt daß Ihr in diesen Augenblicken nicht mehr der Welt angehört, sondern Gott, und heiligsten Ausbildung seiner Erschaffung dürft Ihr euer Werk ihr als würdig opfern, aber dann auch mit Zufersicht wie froh emfand ich oft in Momenten, daß ich durch 435
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meine (nicht einmal ausübende) Liebe zu ihr, fähig war allem Schicksal entrinnen zu können. und Sie die den festen Plan haben | ihr Ihr Leben zu weihen, können schon so früh auch Augen für andre Dinge haben, nach Menschen sich sehnen, die Sie blos wie die echten Ritter zu gewinnen sollten suchen, um sie dem Einzigen zuzuwenden, am End wirds doch so heraus kommen daß sie mich mit Ihrer Leidenschaft compromitiren wie tausende es thun die da sagen: »Ich kann es nicht begreifen, ich war wie blind ach alle Menschen müssen wohl so eine Epoche haben pp. Nicht wahr? und das wär mir am End noch das liebste, denn wenn Sie mir so in ihren Briefen schreiben, z. B. »Ich bin wunderbar und schrecklich durch Ihren Brief bewegt« – »Sie erschüttern mich so sehr« – »Ach es ist mir so still, leer, wild, todt zu Muthe« – was soll ich dazu sagen, soll ichs bedauern? soll ich mich drüber hinaus sezen? soll ich Freude an Ihren Huldigungen finden? Soll ich Sie im Irthum über meine Gesinnung lassen? – Sie wollen wissen was ich von Ihnen dencke; war mein Brief nicht der lezte und stand darin nicht deutlich was ich dachte? und ist hier in meiner Antwort auch wieder deutlich was ich dencke, hinten nach spindisire ich nicht viel, auch bin ich nicht der Art meine Gesinnungen gegen irgend Jemand dem ich Antwort auf seine Frage gebe zurück zuhalten, und mehr bin ich geneigt eine Leidenschaft oder was es auch sey das extemporirend in dem Menschen auftritt, für eine Natur erscheinung als für sonst etwas zu halten mit hin kann mich auch wenig die Art aus meiner Ruhe bringen ich sehe zwar mit Aufmerksamkeit zu, überlasse es aber ganz seinem Wesen, um die Natur nicht in ihren Planen zu stören Deswegen kann ich jedoch nicht umhin unsere Correspondence über Caledonien etwas zu erweitern; Sie sagten im vorlezten Brief »die Caledonischen Eißgebürge« so viel ich weiß giebt es in Caledonien | keine Eisgebürge sondern sehr schönes fettes Gras wo die Schafherden den grösten Theil des Jahres unter offnem Himmel wohnen, das Moos besonders wächst dort so kräftig und so eigen daß selten ein Baum verfriert. Leben Sie wohl, und glauben Sie nicht daß ich toll bin, wenn ich einen Brief in der Unschuld meines Herzens geschrieben habe der nicht für einen Kezer ist, grüßen Sie die Schwestern. Bettine
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*369. Von Johann Georg Daniel Arnold nach Frankfurt Koblenz, Ende April/Anfang Mai 1808 Johann Georg Daniel Arnold an Friedrich Carl von Savigny, Koblenz, 29. April 1808: Meine Reise hieher war mit einigen Abentheuern verwebt an deren Erzählung ich für die Bettine gegenwärtig arbeiten thu. (H: UBM/NS 225,25-35.) B an Ludwig Achim von Arnim, Frankfurt, etwa 5. Mai 1808:
Arnold schreibt uns er habe ein Nerven fieber wenn das ist, so fürchte ich sehr ich bekomme die Sagen und Märchen die er mir versprochen, entweder sehr späth oder gar nicht (Nr. 373,24-26).
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 30. April, 1. oder 2. Mai 1808, Sonnabend–Montag
Ich schreibe Dir in einem Kranken Zimmer, das kalte Fieber und die Wasserblattern herrschen im Hause, da legt sich einer nach dem andern ins Bett wer weiß wenn die Reih an mich kömmt; Deinen Oncle hab ich gesehen beim Fürsten, er sprach viel von Dir, erzehlte mir daß er Dich von deiner zärtesten Jugend herzlich geliebt habe; ich kann Dir sagen, es that mir ordentlich wohl, einmal jemand zu sehen der Dich in deiner Jugend gekannt, Du, der immer so allein war, ohne alle Geschwister, und Verwandte, oder diese doch sehr entfernt; Cristian Schlosser hat mir einliegendes gegeben, welches mir eine völlige Nachahmung mehrerer Goethischen Gedichte zu sein scheint, die nicht zum besten gerathen ist z: B: der Anfang scheint ganz aus: Gränzen der Menschheit, wenn der Uralte heilige Vater pp: das Mittelstück gleicht sehr einer Stelle in Iphigenie, wo sie auf Wolken stühlen sizen, und das ende einer Stelle in Euripides, die ich dir nicht zu nennen weiß, dieses gillt für keinen Brief lieber Arnim, Morgen schreib ich erst ernstlich. Bettine Lieb ist mir doch daß Du mit deinem Oncle nicht gekommen bist, sonst wärst Du jezt schon wieder weg 〈〈un〉〉d ich hätte nicht Hoffnung dich so bald wieder zu s〈〈ehen.〉〉 437
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〈aoR kopfstehend:〉 auch Friedrich Schlegel hab ich gesehen der hier durchreißt, mir aber g〈〈ar〉〉 nicht gefallen.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 3. Mai 1808, Dienstag
Heidelberg 3 May Ich danke Dir für die Augenblicke, die Du mir zuwendest, wie für jeden Sonnenschein der mir wird, ich rechne seit lange beständig auf Regen, so kommt mir alles Gute un^erwartet. Auch Schlossern danke ich, das Nachahmende darin, was Du bemerkst, fühle ich wohl, aber wie ist es anders bey der Mythologie eines bestimmten Volks möglich, Göthe und Euripides suchten beyde diesen Sinn darzustellen, es kommt also nur auf die nähere oder entferntere Ueberlieferung an, sag ihm doch, daß es bald erscheinen würde. Werde nicht krank, liebe Bettine, es ist sehr unbequem; ich hatte in diesen Tagen so starken Schnupfen, daß mir ein Auge wie einem Schneck herausgetreten war, jezt ist alles wieder ins Gleiche, ich habe im | Aerger eine Masse Briefe geschrieben. Clemens ist sehr lustig, es ist ihm hier alles wieder frisch und neu geworden, – er hat noch keine Briefe von seiner Frau, das verwundert ihn, mich nicht, ich glaube sie spinnt da auf dem Lande keine Seide, sie denkt wahrscheinlich an Scheidung. Du schreibst mir wenig von meinem Onkel, wie gefällt er Dir, Krankheit und Sorge haben ihn wohl verändert, doch blickt noch oft seine gute Natur hervor, er wollte mich durchaus zum Landedelmann und Gutsverwalter bilden, das ärgert ihn zu^weilen an mir, daß ich mich nicht fügen wollte, haben doch soviele an mir gearbeitet und in meinem Kopf einen bildsamen Stoff geglaubt, weil weiches | Haar darauf wächst und doch kann ich nicht anders als nach meinem Gesetze leben. Lebe recht wohl, ich küsse dich freundschaftlich Achim Arnim No 23 An Fräulein Bettine Brentano Abzugeben bey zu 438
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H Franz Brentano in der Sandgasse Frankfurt a/M
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Weimar, 4. Mai 1808, Mittwoch
Da sich nun der durchreisende Passagier entfernt hat, so ist es billig, daß der Vater Ihnen den besten Dank sage für alle das Freundliche und Gute was Sie ihm erzeigt haben. Ich hoffe, er wird Ihnen bis zu Ende werth geblieben seyn. Möchten Sie denn nun auch, meine liebe kleine Freundinn, gelegentlich meinen Dank, meine Verehrung unserm vortrefflichen Fürsten Primas ausdrücken, daß er meinen Sohn so über alle Erwartung geehrt und der braven Großmutter ein so einziges Fest gegeben. Ich sollte wohl selbst dafür danken; aber ich bin überzeugt, Sie werden das was ich zu sagen habe viel artiger und anmuthiger, wenn auch nicht herzlicher vortragen. Und nun, da Sie einmal wohl meine Dankträgerinn seyn wollen, so sagen sie Herrn von Arnim auch recht viel Schönes. Er hat mir seine wunderliche Zeitung geschickt, worin mich manches gar freundlich anspricht. Ich wünsche, daß er wohl damit fahren möge. Wenn ich in Carlsbad zu Ruhe bin, so soll er von mir hören. Ihrer wird oft, besonders neuerlich bey den schönen Granaten öfters dankbar gedacht, und wenn ich allein bin wird mir ein Brief von Ihnen in Carlsbad bey den drey Mohren ein willkommner Besuch seyn. Erzählen Sie mir ja recht viel von Ihren Reisen, Landparthieen alten und neuen Besitzungen und erhalten Sie mir ein freundliches Andenken. Weimar G den 4 May 1808.
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An Demoiselle Bettine Brentano nach Frankfurt frank. am Main.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, etwa 5. Mai 1808, Donnerstag
So eben hab ich mir einen Strohhut gemacht, und nun geh ich in Wald spazieren; willst Du mit? den 1sten May hat sich alles umgewandelt, alle Blütenknospen sind über Nacht aufgebrochen, die Nacht war so warm; als ich am Fenster lag weil ich nicht schlafen konnte es war noch nicht 3 Uhr, hörte die Vögel schon die andre Woche gehn wir an den Rhein, da will ich recht wachen und oft vor Sonnenaufgang lauschen es ist ungemein lieblich den Tag kommen zu sehen George hat mir gesagt daß er dich bitten wolle mit ihm nach zu kommen, Du wirst es thun wenn Du Zeit, und Lust hast ich mag dich nicht darum bitten, denn es würde mich mehr schmerzen, wenn es dir dort nicht wohl gefiel als wenn ich dich gar nicht sehn sollte; Krank bin ich nicht und werde es auch wohl nicht werden, denn ich hab mich seit langer Zeit nicht so gesund gefühlt, auser daß ich eine Unruh habe, die mir kaum erlaubt, eine 4tel Stunde an einem Werk zu verharren, es ist eine Sehnsucht aus der Stadt zu kommen, so daß es mich oft bis zum Weinen bringt vor Ungedult, dieß hab ich aber alle Jahr gehabt die ich in der Stadt zubrachte. | Die Kinder sind jezt wieder Wohl, auch alle andre bis auf Lulu die ein starkes Fieber hat welches gar nicht nachlassen will; Gott bewahre deine Augen vor Schmerzen, und aller Art Krankheit, ich hab ein einzig mal daran gelitten ich weiß, wie weh es thut. Dies lezte Blatt des Einsiedlers ist recht sehr lieb wenn kommt denn das Lied von der Zauberin, so viel ich mich erinnere ist es was mir am besten gefiel, Cristian Schlosser ist am Rhein, er wird erst in 4 Wochen wieder kommen Arnold schreibt uns er habe ein Nerven fieber wenn das ist, so fürchte ich sehr ich bekomme die Sagen und Märchen die er mir versprochen, entweder sehr späth oder gar nicht, er hat mir einige davon sehr kurz erzehlt, die will ich dir doch hier her schreiben, das eine ist von einem König der eine sehr schöne aber blinde Tochter hat, er hatte sein Schloß in den Vogesischen Gebiergen, die Ruine steht noch, aber den Namen des Konigs wie den der Tochter hab ich vergessen, in diese verliebte sich ein Page eines großen Fürsten Sohn, da er nun auf gewachsen war so muste er zu seinem Vater | zurück, und mit ihm in den Krieg ziehen, ehe er Abschied nimt gesteht er der jungen Prinzessin seine Liebe da er nun schon eine Weile weg war, hörte der König von einem Einsiedler den man den heilichen Bruder nent, und welcher schon viele Wunder durch sein Gebeth bewirkt hatt, er ge440
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denkt daß dieser wohl auch seiner geliebten Tochter helfen könne, er ließ also alles zur Reiße bereiten, und suchte den Einsiedler im Walde auf, der Einsiedler war in selbiger Nacht im Gebeth begriffen, da er einen fernen Lermen hörte er weckte seinen Waldbruder auf, und beteten beide fleisig in freier Nacht im Monden schein, da aber der Lerm immer näher kam so versteckten sich in die Hütten, und beteten fleisig, nun kam der König mit vielem Gefolg und Lichtern vor die Thür des Einsiedlers dieser meint es sei der Teufel und wollt ihn nicht einlassen bis er ihn seine Sünden beichten gehört, und ihm den Ablaß ertheilt, und der König ihm auch versprochen sich der Welt Freuden zu enthalten, da er ihm nun sein Anliegen gesagt hatte, so verharrte der heiliche Bruder in stetem Gebeth biß der erste Sonnen Strahl hervorbrach, da legte er der Konigs tochter die Hände auf das Haupt, und sie ward wieder | sehend, beinah zu gleicher Zeit kam ihr Geliebter wieder aus dem Feld zurück und zog durch den selbigen Wald, die Prinzessin ging hin um den Zug zu sehen, sie kannte aber ihren Geliebten der auf einem schönen weisen Pferd ritt mit vielen Zeichen des Siegs umgeben, und dem alles zujauchzte, nicht da er sie aber sieht erschreckt ihn die Freude so gewaltig daß er tod vom Pferd sinkt, sie ward eine Klosterfrau oder Einsiedlerin; Die Geschichte muß sehr lieblich sein, besonders gefällt mir die stille Einsamkeit des Wald bruders, der bei dem Lerm seine Glocke läutet und betet, im Monden schein wo von ferne schon der prachtvolle Zug des Königs kömmt mit vielen Fakkeln, mit der blinden Tochter das Herz voll Hoffnung und Zutraun zu dem Bruder es deutet auf die damalige Zeit wo wenn man eine Zeit lang sich umsieht nach dem Glück des Lebens und alles versucht hat, man endlich beschließt mit der Ergebung des ganzen Gemüths in Gott so endigen beinah alle Geschichten von denen mir Arnold erzehlt hat, heut hab ich keine Zeit mehr grüß den Clemens. gewiß hat mir dein Oncle sehr wohlgefallen, er sprach mit solcher Lieb und Zärtlichkeit von deiner | Kindheit, daß ich ihm schon deswegen gut war, und jezt wo du mir selbst schreibst, daß er dich so oft erfreut habe sollte ich ihn da nicht auch lieb haben, es gelingt so selten daß man grade denen die man recht lieb hat, so wohl thun kann, wie mans wünscht, so muß man also denen Danckbar sein die es anstadt unserer gethan haben, so ich deinem Oncle. Adieu lieber Arnim Bettine.
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An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Zimmer Buchhändler. Heidelberg
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Von Johann Daniel Engelhard nach Frankfurt Kassel, 5. Mai 1808, Donnerstag
Ich fühle wohl, liebe Bettine, daß Sie recht hatten mir nicht bald zurück zu schreiben, aber deshalb können Sie es mir doch nicht verdenken, wenn ich mich über den Empfang Ihres Briefes außerordentlich freuete, ich sehnte mich solange darnach. Einige Tage vorher hatte ich gerade daran gedacht, daß ehe ich Göthes Landhauß vollendete, ich Sie doch billig erst unter Dach und Fach bringen müsse, und war daher mit der Composition eines Gartenhaußes für Sie sehr beschäftigt. Ich überschicke Ihnen hier das eben fertig gewordene, wenn es Ihnen gefällt, so bitte ich Sie, machen Sie mir die große Freude und behalten Sie es, mir zum Andenken. Es ist zwar so klein und einfach, aber vielleicht errinnert es Sie an die Allee, wo unser Garten liegt und wo es Ihnen ja einmal so wohl gefallen hat. Sie können sich daraus eine Vorstellung von der Art und Weise, wie G-’s Landhauß componirt ist, machen, sogar unter den Verzierungen werden Sie darin vieles ähnliches finden. Was letzteres Hauß betrift, so muß ich offenherzig gestehn, daß ich, ob ich gleich viel daran gearbeitet habe, noch gar nicht weit vorgerückt bin. Ich habe nemlich eines Theils die Arbeit daran wohl um das vierfache dadurch vergrößert, daß ich es ganz und gar perspectivisch zeichne und dabey der ersten angefangenen Ansicht, der Gesichtspunct nicht ganz vortheilhaft gewählt scheint, noch eine zweyte Ansicht zeichnen werde, woraus Sie aber doch auch sehn, daß der Eifer noch nicht erloschen ist. Andern Theils bin ich nicht ganz Herr meiner Zeit gewesen, indem ich, um mich hier jemand zu empfelen, einen Plan von einem königlichen Residenzschlosse zeichnen mußte. Andere Arbeiten machte | ich seit der Zeit nur wenige, mein Portrait habe ich gemahlt. Ich wünschte Sie gäben mir noch recht lange Frist weil es ermüdend ist, anhaltend an einer einzigen auch der angenehmsten Composition zu arbeiten und ich auch selbst nicht weiß, wie viel Zeit mir von öffent442
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lichen Geschäften bleiben wird. Es ist aber etwas anderes, wenn Sie aus irgend einem besondern Grunde wünschen, daß ich bald fertig werde. Ich habe noch eine Bitte zu Ihnen, Liebe, damit Sie sehn, daß ich nicht uneigennützig bin, bitte ich mir auch ein Andenken aus, schicken Sie mir doch jenes Lied der Mignon aus Wilh. Meist. wie Sie es componirt haben; Sie spielten es an dem Morgen wo Grimm ihr Portrait mahlte und haben es mir schon damals versprochen. Leben Sie recht wohl. Wie wäre es möglich, daß ich Ihre Aufrichtigkeit übelnehmen könnte, wie Sie glauben, aber meine Liebe zu Ihnen ist gewiß kein bösartiger Seelencatharr, gewiß nicht liebe Bettine, und sie hält und wird sich auch halten an der freyen Luft. Adio. Cassell den 5ten May 1808.
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N.S. Ich habe noch immer vergessen Ihnen meine Addresse zu schreiben, ohne welche die Briefe an mich umständlicher besorgt werden, ich wohne vor dem Schlosse bey dem Schwerdtfeger Semmler.
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 7. oder 8. Mai 1808, Sonnabend oder Sonntag
Ich weiß wohl wie groß das Verlangen eines Menschen seyn kann dich zu sehen, und wie oft Schüchternheit dieses Verlangen es mag noch so groß seyn unterdrückt, ich weiß auch daß Du Gut genug bist mir die Kühnheit zu verzeihen welche auf diese Güte sündigt in dem ich dem Überbringer dieses, einem frommen Mann, die Mittel dich zu sehen erleichtere, er ist Buchhändler in Heidelberg, und wahrlich in seiner Art einzig durch Bescheidenheit Ehrlichkeit und Geist ausgezeichnet jedoch unbeholfen in seinem Enthusiasmus drum nehms ihm nicht übel wenn er vor dir verstummt ich ergreife zugleich die Gelegenheit dir etwas zu schicken was man hier Neu nent, nicht für Dich, sondern für einen deiner Lieblinge (denn bin ich nicht der einzige bin ich doch auch einer) ich meine sie müßten keinen üblen Efeckt auf dem Theater machen; heißt sie nicht Elsermann, die einmal mit uns an deinem Tisch gegessen hat, und die Du alles selbst lehrst, und deren Gegenwart mich beym Abschied verhinderte Dich | recht nach Willkühr zu küssen, 443
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aber nein! Du warst selbst Schuld, Du standest da, wie zwischen Wasser und Feuer und mogtest keine Probe aushalten nun Gott verzeih Dirs! aber wenn ich nun wieder einmal zu Dir komme, und schmeichle Dir Küß dir Die Händ und Lippen, wirst Du da auch sagen: wie befinden sich die Juden, und sonst nichts? O nein ich kenn Dich besser, du wirst Die Lieb nicht mehr vor Liebe hüten wollen, Du wirst sagen: lieb lieb Kind, wie bist Du so artig pp und – Du siehst recht hübsch aus, mein Gut Mädgen Küß mich, und umarm mich; da werd ich dich küßen, ganz gewiß, und vergehn vor Freude in 4 bis 5 Tagen fahr ich auf einem Schifflein den Rhein hinunter und wohne etliche Wochen Dort, grade an Dem Ort, wo meine Günderode ihr Leben geendet hat; vor einigen Wochen kam mir Der Gedanke an sie zu schreiben. als wenn sie noch lebte, und siest Du es über^fiel mich | dabey eine Wehmuth, als wenn Dieses Unglück noch ganz frisch und neu wäre, man glaubte damals ich sey etwas hartherzig, denn es war mir selber als konnte ich keinen großen Antheil daran nehmen, aber wahrlich des Menschen Herz ist ein Abgrund, dessen Tiefe nur die Almacht ergründet, denn ist es mir manch mal noch als lebte sie wieder, und steht das ehmaliche Verhältniß wieder ganz in dem Augenblick den ich durch^lebe, es soll mich doch nicht hindern, recht fröhlich am Rhein zu seyn, und auch fröhlich von dort aus an Dich zu schreiben wenn Du es erlaubst. Vor etlichen Tagen hat der hiesige Theater Genius ein Meisterstück gemacht eine Oper von Cherubini Medea wurde zum Theil während der Messe, wo noch obendrein alle Tage gespielt wird, in Zeit von 3 Wochen einstudiert, und über alle Maasen herrlich aufgeführt, so geths wenn der Enthusiasmus manchmal, die Flügel reckt, ich weiß | nicht, ob Du Die Oper kennst die Musick ist eine der schwehrsten, vorzüglich zum Memoriren, denn das Orchester hielft nie fort, sondern arbeitet vielmehr immer dagegen, das Accompagnement ist wie ein reißendes Wasser über den die Melodie als ein schmahler Steg höchst gewagt gebaut ist, der Sänger muß zu gleich mit Kühnheit, und Behutsamkeit über diesen Steg, darf keineswegs den Geist auf das Wasser richten um nicht zu schwindlen es war mir Leid das August sie nicht mehr sah, er hätte Dir gewiß einen treuen Bericht davon gegeben, die Kleidung war ganz Neu und so viel möglich nach griechischem Geschmack sehr prächtig, das Theater war feurig hell erleuchtet alles ging so rasch und da die Musick wunderbar carackteristisch in der Declamation ist, so war es durchaus für 444
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kein Spiel mehr sondern für echten Erguß der Emfindung anzusehen, ich lachte und weinte dabei, nie hat mich eine theatralische Vorstellung, mehr ergriffen ich glaube auch nicht das sie zum Zweiten mal so gut gegeben wird denn es war hier die Enerchie der Anstrengung, die das Wunder that, diese Art Perlen nent man hier Chinesische Früchte, ob es welche sind, weiß ich nicht, aber ihre Farben sind schöner wie die der Corallen, macht es Freude, so macht es mir wieder Freude Adieu Dein Kind Bettine Sr Excellenz der Herr Geheime Rath von Göthe in Weimar
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 10. Mai 1808, Dienstag
Heidelberg d* 10 May 1808 Ich habe einige Tage gezögert Dir zu schreiben, liebe Bettine, wir haben nach Quartieren umher gesucht in dem wunderbaren Frühling und so viele gefunden, daß wir dastanden in Zweifelmuth zwischen allen. Jezt ziehen wir in ein herrliches kleines Haus am Schloßberge, mitten im Grünen, über uns Apfelblüthe, unter uns die lustige Bürgerschaft beym Biere, Horstigs haben darin gewohnt und das machte uns die Wohnung etwas verhasst. Nächstdem quälte uns Hüsgens Nachlassenschaft, wie die Juden^witwe beym Zerreissen des Tuchs, ob sie heirathen soll, sich mit den Anverwandten dispetirt Reiß ich? – Reiß nit! – so drängte es uns auf der Versteigerung unser Glück zu suchen, bis endlich die Vernunft und bey mir die Correctur siegte und wir unsre Paar mässigen Aufträge an einen Commissionär sandten. Es wäre mir widrig gewesen, die Tage, die ich mir | frey mache in öden Zimmern zu durchlauern, ob etwas sehr wohlfeil verkauft würde, jezt wo die ganze Welt mir allzu theuer ist, jezt freue ich mich schon mit Ungedult auf die schönen Tage in Winkel und sollte mich auch Dein Bruder nicht 445
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einladen, ich komme doch. Was wird denn aus Savigny? Geht er nach Trages? Schon habe ich einen wunderbaren Ritterrock aus Sommerzeug mir bestimmt um beflügelt in den hohen Wein bergen mit den Eydechsen in Beweglichkeit zu wetteifern. Was macht Lulu? Ich habe wieder eine Menge Dinge entdeckt, die sie mir von Clemens vorgelogen, das ist gar entsetzlich von einer Schwester. Von Auguste B. ist bisher nur ein sehr kurzer Brief mit einem Messer eingegangen, sie schreibt aber, daß sie sich auf dem Lande gefällt. Wer möchte sich auch nicht da gefallen | Von dem Reize dieser Gegend giebt es wenig zu sagen, mehr zu sehen, wie die Gewitter mit den Blüthen spielen, die Reben haben ausgeweint und grünen herrlich, nur meine Correcturen sehen mich schwarz an, ich werde zuweilen ungeduldig und hätte ich nicht so mancherley in der Welt ertragen ich hielt es nicht aus in dem gemauerten Haus, wie die Zigeuner sagen. Dein Mährchen von Arnold ist sehr schön, ich danke Deinem Gedächtnisse, worin soviel Schönes ruht und Deiner Hand, die soviel Gutes thut, es ist dieses Mährchen eine Veränderung der alten Legende von der Ottilie, die aber reicher ist und ich künftig in der Zeitung | bekannt zu machen denke. Clemens ist endlich über die Neuen Volksmährchen der Deutschen zu meiner Meinung übergegangen, er findet den Hiolm, den Ottbert so meisterhaft, daß ihm die Zunge von Lob überströmt nachdem er sich überwunden hat weiterzulesen. Ich fühle immermehr, das nichts so leicht verholzt als die Idee, daß alles so oder so gemacht und bearbeitet seyn müsse, sey es in altem oder göthischen Costume, ich habe Leute dadurch so weit gebracht gesehen, daß sie auf ein Buch z. B. Gothes Meister beschränkt waren. Ich habe in diesen Tagen an Göthe geschrieben, den Sohn sehe ich gar nicht mehr, er geht mit sehr ledernen Menschen um, so weit ich sie beobachten konnte. Im Mayen an Reihen sich freuen alle Knab und Madlein. Dein Achim Arnim.
*377. An Karl Joseph Hieronymus Kolborn in Aschaffenburg Frankfurt, vmtl. zweites Drittel Mai 1808 B an Johann Wolfgang von Goethe, etwa 27. Mai 1808: Deinen Auftrag an Fürst Primas 〈vgl. Nr. 372,5-8〉 konnte ich nicht mehr persöhnlich ausrichten, er war den Tag vorher nach Aschaffenburg abgereißt, ich habe
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daher dem Bischoff Kohlborn geschrieben, der es gewiß sehr exackt ausrichten wird (Nr. 384,65-68).
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, etwa 12. Mai 1808, Donnerstag
Ich hätte Dir gewiß auch schon Früher geschrieben lieber Arnim wenn nicht die Zeit durch tausend unvorhergesehne Dinge wäre vergangen, unter andern war ich zwei Tage in der Auction von Hüsgen, wo meist lauter schlechte Sachen für ungeheures Geld versteigert wurde, Du hattest unrecht deine Comisionen Savigny nicht zu geben, ich ging blos hinein um die Sachen alle zu sehen, es war aber kaum der Mühe werth; Goethe hat mir vor einigen Tagen geschrieben, für dich: »Sagen Sie Herrn von Arnim auch recht viel schönes. Er hat mir seine wunderliche Zeitung geschickt worin mich manches gar freundlich anspricht; Ich wünsche daß er wohl damit fahren möge, wenn ich in Carlsbad zur Ruhe bin, so soll er von mir hören« Ich gab dem Zimmer bei seiner Durchreiße etwas für ihn mit damit er seine Begierde ihn zu sehen und zu sprechen um so eher befriedigen könne, – Cristian ist seit 2 Tagen hier, er wird vielleicht auch ins Rhein gau kommen, wohin wir alle den nächsten Montag | in einem großen Schiff nebst Betten und allen Moebels und Hausrath ab segeln, es soll uns alle sehr freuen Dich dort zu haben, komm auch bald, ehe es zu heiß wird, laß deine schwarze Arbeit ein klein bisgen ruhen; – Lulu ist besser, sie geht schon wieder aus hat viel von Hüsgens Kunstsachen gekauft heilichen Bilder in Gersten körner pp: Voigt der bisher an schwachem Nerven gelitten, hat ganz das Ansehen als habe er den Verstand ein wenig verlohren, er will mit ins Rheingau da haben wir denn auch ein wenig Furcht, er mögte ihn ganz verlieren von Auguste laufen sehr sonderbare Briefe bei Moriz ein, unter andern einer worin sie ihn bittet dem Clemens doch 3 tausend Gulden von ihren erspahrten Weihnachtsgeschencken zu schicken, damit er das Cabinet von Hüsgen kaufen könne, ich glaube sie will ihn mit Großmuth schlagen, weil sie es nicht mehr mit der Hand kann, doch weiß ich nicht ob es rathsam ist, daß Du es Clemens erzählst, weil er doch niemals weiß, was alles | zu bedeuten hat, und leicht wieder eine unbillige Idee von ihr haben könnte, was du mir von Lulu sagst, sie hat dirs vielleicht nicht vorgelogen, sondern ist 447
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es ihr von andern vorgelogen worden; auf alle Fälle wäre es gescheuter von ihr still zu schweigen, wenn sie nichts gutes von dem Jüngling Clemente zu sagen hat, gleich wie Wieland auch. jezt wär ich mit meinen Neuigkeiten fertig und könnte dir noch ein Märgen erzählen, wenn meine Feder nicht gar zu stumpf meine Tinte zu Dick, und meine Zeit zu kurz wär, und wenn ich dirs nicht bald mündlich erzählen könnte, diese Erwartung macht mich ohnedem schon etwas faul zum schreiben, so sage ich dir also nur ein recht freundliches Lebe wohl. Bettine schreib mir doch wenn Du ungefehr zu kommen denkest, damit ich mich mit meinen Briefen in Winkel richten kann, denn von dort machen sie immer 3 Tage bis zu Dir, und geht auch nur 2 Mal 2v
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Heute ist ein großes Schiff angekommen worin bis Mitwoch aller Haußrath nebst uns nach Winkel gebracht wird, schreib mir doch, lieber Arnim wann Du zu uns kommen wirst, ich fürchte weil Du jezt solch eine schöne Wohnung hast, wirst Du Winkel verschmähen Savigny hat zwei sehr schöne Landschaften, in der Auction gekauft ein Finkenbaum, und ein Elsheimer, ein sehr schöner Holbein wurde für einen Gulden verkauft, ich war grade nicht da, sonst hätte ich an Euch gedacht, da ich aber Eure Comisionen nicht kannte so hätte ich nur immer fürchten müssen sie immer höher zu treiben, überhaupt waren sehr viel schöne Bilder da, die alle merkwürdig wohlfeil weg gingen, ich hab mich ein klein wenig geaergert über Savigny daß er nicht mehr kaufte. Lieber Arnim Du bist so gut und machst immer unverhofte Freuden, wieder mit diesem Liedgen im Einsiedler, an das ich mich kaum mehr erinnerte, so gehts, wenn man liebe Freunde hat, sie bewahren, einem das Liebe so lang, Adieu, wenn du mir 〈〈mi〉〉t um gehender Post schreibst, so erfahre ich noch hie〈〈r xxx〉〉 Du zu uns kömmst. Bettine 448
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 16. Mai 1808, Montag
Heidelberg d* 16 Mit aller Frühlingsfreude möchte ich mich hin zu Dir drängen, aber wann ich ankomme, weiß ich nicht, kommen doch all die Bäume, unter denen ich lebe mit ihrem Blühen nicht weit von ihrer Stelle und ich möchte sie alle Dir mitnehmen. Alles ist sehr reizend, ich habe wieder ein Gärtchen was ich baue und das kalte Reich der Regenwürmer mit feurigen Blumen verdränge, mein Schweiß begiest sie und die Sonne erweckt sie, die Waschweiber beschwätzen sie und legen die Kinder aus der Hand ins Grün als wären sie von den Bäumen geschüttelt; vor den Fenstern sitzen allerley Abentheurer unter den Weinlauben, da lerne ich Weltgeschichte und so kommt über mich ein grosser Ernst, durch den ich kaum durchsehen kann. | Vor dem Ende Mays bin ich gewiß bey Dir, genauer kann ich nichts bestimmen. Savignys Ruf nach Bayern hat mich sehr überrascht, es muß euch doch allen leid seyn, daß er so weit von euch fortgerissen wird, wie schön wäre er hier in der Nähe der Seinen und seines Berufes mit Bekannten froh geworden. – Hast Du Dir nichts erstanden in Hüsgens Auction? Auf die Gemälde wagte ich nicht zu biethen. Ich wüste in dieser Zeit nicht, was ich mit Gemälden und Kupferstichen sollte, ich sehe in die Welt und weiter mag ich nichts, doch ja, ich möchte zu Dir. Lebe recht wohl Achim Arnim.
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An Fräulein Bettine Brentano zu Frankfurt a/M
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Mitwoch Morgens 4 Uhr Ich schreibe dir in der Morgen dammrung noch ein Lebe wohl aus meinem Zimmer das schiff ist Seegel fertig, Savigny und Cristian begleiten uns Bis Mainz, du fragst ob ich nichts gekauft habe, jawohl aber nicht bei Hüsgen, ein Bild! das Herz wird dir klopfen wenn Du es siehst, es ist von Lucas Kranach, aber gewiß eines der schönsten entweder eine Lukretia oder eine Arria, das Bild selbst ist ungefehr 3 Schu hoch, mit dem Albrecht Dürrer, den Du bei Morgenstern sahst mögt ich es noch lange nicht vertauschen. Grüße den Clemens, ich freue mich unendlich dich wieder zu sehen, ja unendlich, jezt wo ich weiß daß Du kommen wirst, muß ich dir gestehn daß eine große Sehnsucht darnach hatte. Adieu Bettine. An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei hrn Zimmer Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 18. Mai 1808, Mittwoch
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Winkel, 21. Mai 1808, Sonnabend
Da bin ich nun schon zwei Tage, komme eben von einem heisen lieben Spazier gang über den Johanisberg siehst Du es ist ganz Göttlich hier; die Bäume schüttlen eben noch ihren lezten Blüthenschmuck über die Wandrer unser Hauß ist sehr freundlich die Zimmer haben etwas Zellenartiges, ein jedes hat immer nur ein Bett ein Fenster einen Tisch und einen Stuhl. es ist niemand hier als Meline Marie, ihre Mutter Claudine Cristian der aber Morgen weg will, und den wir eigentlich nur so weg gestohlen haben, dann die zwei Kinder drei weibliche Dienerschaften, eine Geiß mit zwei Jungen, und ein Goldrabe, den wir gestern in Geisenheim gekauft haben, die andre Woche will George kommen mit Menschen und Vieh mein Clavier hab ich mit gebracht da werden Concerts auf geführt mit Flöthe, wenn ich dir rathen soll, so 450
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verlege deine Einsiedelei aufs baldigste hier her, man braucht, zwar keinen Menschen hier, aber ich hab dich so lieb, will dich gern so bald sehen, du sollst mir eigentlich die Stafage in die herrlichen Gegenden hier seyn, so wie der einzige große Adler in den hohen Eichen zwischen den Felsen der Landschaft ein Ansehen giebt als sey sie um seinetwillen da, so werden die Berg und Wälder dich emfangen, als seyen sie um dich hier; sage doch dem Clemens daß Savigny ein großes Bild von Scheiflin gekauft hat um | 20 f: der Mann bei dem er es kaufte, soll noch zwei sehr schöne alte Bilder haben, auch ist ein Bild von Spranger zu verkaufen, ein Olymp, mit einem Reichthum von Ideen dargestellt, der Stoff zu Hundert Bildern geben könnte, es gefiel mir ungemein wohl, ich ärgerte mich nicht wenig über Savigny, daß er es für den geringen Preiß nicht kaufen wollte, indessen hab ich doch das schönste Bild, was seit langer Zeit vor meinen Augen war, 5 bis 6 Lucas Kranach hab ich gesehen, aber keinen, der nur mit diesem könnte verglichen werden, die reizensten Farben, das Lieblichste Gesicht was man sich denken kann, die zwei Hände so schön und lebendig gemahlt, ich freu mich unendlich es dir zu zeigen, das Bild ist ungefehr 3½ Schuh hoch; ich hätte es nicht missen können, da ich es einmal gesehen hatte, ich mußte weinen vor sehnsucht und Angst, da ich merkte daß mein Lob Savigny Lust gemacht hatte es selbst zu haben. Leb nun recht wohl der Bothe spaziert jezt mit meinem Brief nach Rüdesheim, damit er von da aus Morgen wieder hier durch nach Mainz gebracht, dort bleibt er einen Tag liegen und wird dann erst weiter spediert. Cristian erzählt mir, daß Auguste sich sehr wohl in Altdorf befinde, auch der Pfarrer sey | sey sehr zu frieden mit ihr, sie hat einen jungen Geißbock den schlept sie mit großer behendigkeit die hohen Berge hinauf, er darf keinen Augen blick von ihr, sie ruft ihm den ganzen Tag Selim! Selim! Selim! ich glaube daß Sie sich den Clemens drunter vorstellt, denn Selim und Clemens gleicht sich doch sehr im Klang, sie schneidet auch in alle Bäume des Clemens seinen Nahmen und spricht, er sey doch ein Gott Jezt lieber Freund komm bald ich bitte dich Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Winkel Heidelberg, 22. Mai 1808, Sonntag
Heidelberg 22 May 1808. Ich denke, Du bist jezt in Winkel eingewohnt und erfreust Dich des guten und bösen Wetters, wie es der Himmel giebt. Heut ist es düster. Clemens ist zum Onkel Hessen, den ich ausserordentlich bewundre wegen seines wunderbaren Lebens und kaum begreife, wie er bey euch ein Becker^knecht und der Bruder Graf genannt worden, er hat uns oft so in das wüste Rußland hinein erzählt, daß er mir wie der Geist Peters vorkam, wegen dessen Ermordung ihn Clemens in Verdacht hat. Heidelberg gefällt ihm so wohl, Manheim noch besser, er hat Lust in diese Gegend zu ziehen. Mir ist die Stadt fast ganz verhasst durch den Wirths^tisch, an dem ich seit Zimmers Abreise mit Clemens esse; er hat darin eine glückliche Behaglichkeit sich mit einer Menge Leute gern zu unterhalten, ja ihnen vertraulich vorzuerzählen, die er eigentlich nicht leiden mag, mich ärgert jedes | jedes Wort, was ich so einem zur Antwort sagen muß und mir gerade gegenüber speisen drey verhasste gelbe Rüben. Noch eins ist mir verhasst an den Wirthstischen hier, die Menge Reisende, die alle dasselbe suchen unter denen oft Bekannte, die einem die kaum abgeschüttelte Wucht der Politick zuwälzen, die man herum führen muß, wo man lieber allein geht oder wenigstens mit andern Gedanken. Sonst gehen meine Saaten gut auf, meine Blumen blühen und Clemens hat mir eine schöne alte Landschaft ins Zimmer gehängt, die er hier auf einer Auction erstanden. Der Onkel Hessen hat ihn ganz trostlos gemacht mit der Nachricht von der Gemälde Auction seiner Großmutter, | insbesondre, daß ein Stück das Stadionsche Schloß mit einer Jagdgesellschaft für einen Gulden an einen Juden gekommen, er hatte mir früher oft davon gesprochen. Es sind unendlich geringe Preise, wofür die Gemälde verkauft sind und es ist doch eigentlich eine grosse Ungerechtigkeit seiner Brüder, ihm als Erben nicht einmal das Verzeichniß überschickt zu haben. Ich kann ihn nicht bereden, mit nach Winkel zu kommen, er hat Lust in der Zeit andre Reisen zu machen, ich werde über Manheim den Rhein herunter schiffen und eine besondre Flagge aufstecken, wie bald ich aber komme, weiß ich nicht, ich meine vor dem Ende Mays. Ich habe in den letzten Tagen mit vieler Rührung manches aus dem Leben der verstorbenen Frau des Clemens mit ihm durchgesehen, es hat für mich etwas Erdrückendes | solche eine Menge ausgestorbener Lebens^verhält452
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nisse, die von hoher Ahndung von allen Seiten bewacht wie ein Paar tausend Briefe die einem trunknen Postknecht ins Wasser fallen, allesamt zu Wasser werden. Eine Ausbeute war darunter, eine Reihe sehr väterlicher Briefe von Schiller, die ich für den Einsiedler ausgezogen habe. Sehr beschämt bin ich, daß ich die gute Frau so wenig kennen gelernt habe, aber die verfluchte Disputazion die immer zwischen beyden obwaltete, nöthigte mich zu einer Art Zurückgezogenheit, dazu kam noch das Wochenbett, die fleissige Arbeit, Ihre Gewohnheit die Vormittage gern allein zu seyn, so daß ich sie eigentlich fast nicht gesprochen habe, während die edelmüthige Welt mir die Ehre angethan hat, mich für ihren Liebhaber zu halten. Ich sehne mich nach einem Briefe von Dir. Sey recht froh meine liebe Winkelanerin. Achim Arnim
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An Johann Wolfgang von Goethe in Karlsbad Winkel, etwa 27. Mai 1808, Sonntag
Schon 8 Tage bin ich in der lieblichsten Gegend des Rheins, und konnte, wenn ich recht sagen soll, vor lauter Faulheit, die mir die liebe sonnige Natur einflößte, keinen Augenblick finden, deinem freundlichen Brief eine Antwort zu geben. Was ist da auch zu thun? –, eine halbe Welt schaut mir zum Fenster herein, und recht wie ich sie liebe, lauter hohe Merkmaale der Almacht Gottes und der Lieblichkeit in seinen Werken. Gestern Abend ging ich noch späth an den Rhein auf einen kleinen Damm – ganz an der Spize liegen noch Felssteine, die die Wellen von Zeit zu Zeit, überspühlen, ich kletterte mit einiger Gefahr auf den aller fordersten, die Nebel die hier und da auf dem Rhein ruhten sahen aus, wie die Nachtlager der Himmlischen, es flogen ganze Heere von Zugvögeln über mir, und drehten sich im Kreis, ich wagte nicht über mich zu sehen aus Furcht, ins Wasser zu stürzen, und wie’s denn so geht, da ich mich | mich umwendete, um zurück zu gehen, konnte ich kaum begreifen wie ich so weit gekommen war, und fand meinen Weg erstaunlich kühn, weil ich denn so im Bedenken stand, in höchster Zaghaftigkeit fuhr ein kleiner Seelenverkäufer, vorüber dem ich winkte, mich mitzunehmen, der Mann wollte kein rechtes Zutrauen zu mir fassen es kam ihm etwas sonderbar vor, eine weise Gestaldt trocknen Fußes mit453
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ten auf dem Fluß stehn zu sehen, bis ich ihm begreiflich machte wie ich da hin gekommen war, ich legte mich im Nachen auf ein Brett, und sah Himmel und Sterne so weit ich meinen Blick schweifen ließ; Herr wie leidenschaftlos wird der Mensch wenn er sich so frei und einsam befindet, wie ich in diesem Augenblick, wie ergießt sich die Ruhe übers Herz, sie ertränkt einem mit sich selbsten, sie trägt das Gemüth, mit allen Bedürfnißen, so still und sanft, wie der Rhein meinen kleinen Nachen unter dem man auch nicht eine Welle plätschern hörte; nicht mehr begehrte | ich in diesem Moment, wie sonst oft, wenn ich bewegt war, vor Dir zu stehen, und Dir meine Gedanken zu sagen, wie sie alle an Dir wie an der Brandung einer Insel die Wellen, sich anstemmen und dann gestärkter weiter ströhmen, ich sagte nicht, wie Arm bin ich, daß ich so selten auf diesen Wegen gehn kann, ich überdachte, da ich am Ufer war, im nach Hauße gehn den Reichthum meines Lebens, und siehe, ich fand einen unendlichen Schaz von Glückseeligkeit, in mir denn ich ganz durch Dich erlangt habe, ich nahm mir daher auch gleich vor, dir es heute Morgen, zu erzählen, und mich deinem Andenken und Freundlichkeit, auf das Kindlichste zu emfehlen denn wärst Du nicht; – ich weiß nicht was ich dann wär, aber gewiß unstäht und unruhig, würde ich suchen, was ich jezt nicht mehr suche. Es sind hier noch tausend herrliche Wege die alle nach berühmten Gegenden des Rheins führen, auf der einen Seite unseres Hauses liegt der berühmte Johanisberg, auf dessen steilen Rücken wir beinah täglich Prozessionen hinaufklettern sehen, die Seegen um die Weinberge erflehen, die Sonne geht auf dieser Seite unter und wirft gewöhnlich einen Dunklen Purpur beim Abschied, über unsere Wohnung nicht weit davon liegt Vollraz eine ungeheure Burg mit großen Meyerhöfen, wo Schaafe Kühe Eesel Schweine und Gänse alles durcheinander weidet in einem großen Eichenwald; wenn man dahin kömmt sollte man glauben daß es hier ein End mit den Menschen und einen Anfang mit den Thieren habe. Es sind mehrere Geistreiche Männer die ich zum Theil persöhnlich kenne, zu einer Raths^versammlung (die Napoleon in Paris errichtet um die Erziehungs^anstaldten auf die beste Grundveste zu bringen) berufen worden, wobei auch welche sind die das Erziehen als etwas höchst ekelhaftes und sclavisches ansehen, zum | zum Beispiel Professor Arnold aus Coblenz; meint man nicht der Teufel sey in sie gefahren mit diesem Erzieher, und am End giebt es doch weiter nichts als ein Pour et Contre, so daß sie in der Mitte zusammenstoßen und sich entweder die Köpfe einstoßen, oder die Erziehung 454
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so ballen daß sie erstickt; in Frankfurt ist auch wieder ein anders Genie rege geworden, welches den Plan von einer Kunstschuhle heraus gegeben, dieser soll aber so unendlich genialisch seyn daß es allen Menschen schwindelt und er hat allein die Ehre, die Höhe seiner Ansichten ohne Schwindel ertragen zu können. Deinen Auftrag an Fürst Primas konnte ich nicht mehr persöhnlich ausrichten, er war den Tag vorher nach Aschaffenburg abgereißt, ich habe daher dem Bischoff Kohlborn geschrieben, der es gewiß sehr exackt ausrichten | wird oder ich reiße wohl auch selbst nach Aschaffenburg, ich werde Dir Nachricht darüber geben Deine Mutter hab ich sehr wohl in Frankfurt verlassen, sie war sehr herzlich beim Abschied, so daß ich fühlte, ich sey ihr etwas gewesen durch meinen kindischen lustigen Umgang, von deinem Sohn erhalte ich zuweilen Nachricht durch Arnim, er selbst aber läst nichts von sich hören. Und nun leb wohl! dein Aufenthalt sey dir im Karlsbad ein wahrer Seegen der Gesundheit, ich wünsche es eben so sehnlich um mich als um dich, wenn Du Krank wärst, wenn Du Schmerzen littest, ich würde sehr mit Dir leiten, ich hab doch manches Leiden, noch nach fühlen müssen, das Du wohl längst verschmerzt hattest noch eh ich Dich kannte, so groß ist meine Liebe, daß ich dich auf Händen tragen mögte, und so weit umfassend ist sie, daß ich hier viele Meilen von dir | entfernt, dich eben so innig und mir fühlbar ans Herz drücke, als ständest Du vor mir und hör alle liebe Worte die Du mir je sagtest Deutlich noch vor meinen Ohren schallen sähst du mich auch nur ein einzig mal Deutlich, wie ich in den Gedanken an Dich aufblühe also daß meine Liebe mir nicht schädlich sondern eine Götternahrung ist Leb wohl! leb 3 Mal wohl! und bitte ich dich; weil ich dir gut bin so sage nicht Nein! sondern wie Damals nenn mich: dein Herz dein gut Kind. auch schreib eine einzige freundliche Zeile an mich wenn Du in Ruhe bist Bettine Adieu! ich kann mich kaum von Dir trennen weil ich seh daß Du allein bist – nun aber ist es das aller lezte mal – leb wohl! deine Hände an mein Herz drücken, erlaubs; und auch den Mund küssen.
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Von Catharina Elisabeth Goethe nach Winkel Frankfurt, vmtl. zwischen 3. und 5. Juni 1808, Sonntag und Dienstag
Liebe Gute Betina! Da ich überzeugt bin, daß ich dir keine größe Freude machen kan als durch gute Nachrichten von meinem Sohn; so schicke dir inliegenden Brief der mir das Hertz froh und das Angesicht frölig gemacht hat – Auserdem ist deiner so danckbahr und freündlich darinnen gedacht, daß ich mich Sünde gefürchtet hätte dir ihn biß zu deiner Rückkunft vor zu enthalten – dancke Gott mit mir – d e r immer noch an den Weinbergen zu Sammaria pflantzen und dazu Pfeifen läßt! Daß ich dir die Freude gönne den herrlichen Frühling recht und vollauf zu genüßen – daran Zweifelts du wohl nicht – Grüße die Lieben Freunde die mit dir genüßen, und glaube daß ich ewig bin deine Wahre und treue Freundin Goethe. N. S. Den überschicken Brief der mir so lieb ist – hebe wohl auf, und bringe mir ihn wieder mit.
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An Friedrich Carl von Savigny in Trages Winkel, zwischen 5. (Dienstag) und 10. Juni (Sonntag) sowie Mitte Juli 1808
TagTäglich finde ich es von dir lieber Savigny und von deiner lieben Gemahlin etwas einfältiger, daß Ihr so viel Bekümmerniß gehabt hier her zu kommen, und es doch nicht gethan, Vollraz liegt kaum eine 4tel Stunde von uns, und der Weg dahin geht nicht einen Steilen Berg hin auf in der Sonnenhize, sondern eine schattige Weidenallee die an einem kühlen Bach hergeht führt dahin, so oft ich es seh, aergere ich mich daß Ihr nicht da wohnt, indem es alle gefürchtete Übel nicht besizt, hierbei wünschte ich daß Du Dir die Goldne Lehre zu eigen machtest »Die Welt ist gangbar für Menschen und Vieh« Es ist unglaublich wie das Rheingau, auch bis ins innerste Mark herrlich ist, wenn man daher den Fluß, als die Seele der Gegend be456
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trachtet, so kann man wohl sagen, daß dieselbe einen ebenso schönen Leib hat, eine halbe Stunde von Vollraz liegt ein Nonnen Kloster, in einem Thal, mit Eichen und Ulmen ganz verwachsen, die umgebenden Berge stürzen tausend Bächlein nieder die alle ums Kloster her fließen, auch ist es | so mit Nachtigallen und andern Singvöglen bevölkert daß sie den Lärm der nah gelegnen Mühlen ganz übertäuben vor dem Eingang der Kloster kirche liegt in einem Erker eine Magdalena in grauem Stein schlafend, hat einen Todenkopf im Arm, obschon es ein gewöhnliches Bild ist, macht es doch eine sehr fromme Wirkung, vor etlichen Tagen schiften wir an einem stürmischen Abend auf dem Rhein hin und her, ich hatte meine Guittarre und George seine Flöthe, der Wind trug uns die Lieder von den Lippen weg ans Ufer, wo sie die Bauern, mit vielem Beifall auffingen, an dem selben Abend kam Arnim, ich hatte auf dem Schifflein immer geglaubt, ich müßte ihn auf dem Rhein her fahren sehn, und nun war er da, und es war um nichts besser, der Mensch bleibt ein Mensch und kann sich deswegen doch wieder einem Menschen, nicht so zu eigen machen, so mögt ich aber auch von allem andern sagen, was sinnlich oder Geistig, das Leben berührt, Wasser und Felsen und Wolken, und alle Dinge | die einen schönen Anblick in sich zusammen tragen bleiben doch was sie sind, sie geben wahrlich keinem Antwort, der ihnen Rechenschaft begehrt, um den Schmerz, der ihnen Dank sagt um das Entzücken was soll man also anfangen mit diesen Stummen Gästen die sich oft mit prächtiger Gewalt an die Pforte des Herzens lehnen, oft auch heimlich einschleichen, denen wie den Geistern aus dem Weg geht. Christus hat es ausgeführt er ging durch viele herrliche Länder schlief unter Wolken des Himmels, es blieb ihm kein Bild in der Natur verborgen, kein Lichtstrahl der sich durch die Felsensplitter drängte verfehlte sein Herz, er laagerte seine Zöglinge ans Herz der Natur, und sie war ihm ergeben, da er sie erkannte, und so dehnte die Welt mit ihrer innigsten Bewegung seinen Geist Daß er erhöht mit den Gliedern seines Leibes, in den heiligsten Schmerzen nach allen Seiten derselben reichte, und sie ganz genossen hat in seinem Tod, das gemahnt einen wenn man die rothen Abendstrahlen | ins Wasser sinken sieht, oder sonst eine eindringende Wirkung der Natur, man mögte grad sterben vor dem Genuß der sich in unsrer Seele ausdehnt. Adieu, leb wohl! Bettine
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Alter! Diesen Brief hab ich noch in meiner Schublade gefunden, als ich wieder hier her kam, ich schick ihn dir obschon die Zeiten lang vorbey sind; ich bitt Euch kommt uns doch bald nach ins Schlangenbad, wenn Du diesen Brief hast sind wir schon dort in Frankfurth erhielt ich einen lieben lieben langen schönen Brief von Goethe, er hat mich etwas getröstet über mancherlei Unfälle, von Arnim hab ich immer noch keine Antwort, obschon ich ihm noch zweimal in Frankfurth geschrieben habe, ich bitte dich inständig schreib ihm recht dringend daß er dich in Schlangenbad noch besucht, ich hab noch keine Ruh bis ich ihn wiedersehe manchmal mein ich er wäre krank, wenn das wahr wäre ich reißte wahrhaftig zu ihm! Nun denk Dir, auch Sismondi hat mir geschrieben und bittet mich um einen Briefwechsel, nun sind mir aber 3 Dinge unausstehlich erstens daß er bei diesem Weib ist, zweitens daß ich ihm französisch schreiben müßte, wo ich doch nie sagen kann was ich will, und dann glaub ich auch gar nicht, daß er mich versteht ich müßte also Briefe componieren. Adieu! Bettine
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An Johann Wolfgang von Goethe in Karlsbad Winkel, 16. und 20. Juni sowie 13. Juli 1808, Donnerstag und Montag, Mittwoch
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d* 16 Juny Wenn ich Dir alle Ausflüge beschreiben sollte; lieber Herr, die wir von unserm Rheinaufenthalt aus machen, so müßte ich jede Minute benüzen, die mir noch übrig blieb; daß wär mir sehr lieb denn wenn mein Herz voll ist, mögte ich die Lippen immer am liebsten vor Dir überströhmen lassen; aber es geht so nicht. Wenn man den ganzen Tag im heisen Sonnenbrand, seines Pfads gewandelt ist, bis in die Dunkelheit, und hat einen Berg um den andern überschritten alle Herrlichkeit der Natur, mit hastiger Begierde in sich getrunken, wie den kühlen Wein, zur Labung in der Hize, so mögte man am Abend einem lieber ans Herz drücken, und sagen: ich hab Dich lieb; als noch viele Beschreibung von Weg und Steg machen es liegt ohne dem, mehr in meiner Natur, Dich innigst anzusehen, und zu küssen als Dir vorzuplaudern; was können dir meine einfältige Reden seyn? 458
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Wer sich nach der schönen Natur sehnt, der wird sie am besten beschreiben, er wird nichts vergessen was einem so reizend anzieht, keinen Sonnenstrahl der Durch die Felßsplitter bricht, keinen Windvogel der die Wellen streift, kein Kraut, kein Mückelgen das in der Einsamkeit sein Wesen treibt, we〈r〉 aber wirklich mitten drinn ist und mit glühendem Gesicht eben ankömmt der schläft wie ich, gern auf dem grünen Rasen ein, und Denkt weiter nicht viel, manchmal giebt mirs einen Stoß ans Herz, da seh ich mich um, und suche, aber finde nicht, wem ich mich vertrauen soll; Was sollen mir all die blauen Berge, die Seegel die hin und her auf dem Rhein ziehen die braußende Wasserstrudel, es drückt einem doch nur; und – keine Antwort, nie^mals, wenn man auch noch so begehrend fragt. 〈II〉
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d* 20 Juny Warst du schon auf dem Rochusberg? er hat in der Ferne eine sonderbare Gestaldt; wie soll ich es dir beschreiben? so als wenn man ihn gern befühlen, streichlen mögte. Wenn die Capelle die auf der Spize liegt, von der Abendsonne beleuchtet ist; und man sieht ganz deutlich, in die weichen grünen runden Thäler, die sich wieder so fest aneinander schließen, so scheint er sehnsüchtig an das Ufer des Rheins gelaagert mit seinem sanften Anschmiegen an die Gegend, und mit den geglätteten Furchen die ganze Natur zur Lust erwecken zu wollen. Er ist mir der liebste Plaz im Rheingau! er liegt eine Stunde von unserer Wohnung ich habe ihn schon Morgens und Abends im Nebel Regen und Sonnenschein besucht. Auch die Capelle hat mir etwas liebes, sie ist erst seit ein paar Jahren zerstört, das halbe Dach ist herunter, nur die Rippen eines Schiffsgewölbes stehen noch, in welches Weyhen ein großes Nest gebaut haben die mit ihren Jungen ewig aus und ein fliegen, ein wildes Geschrey halten das sehr an die Wassergegend gemahnt. Der Hauptaltar steht noch zur Hälfte, auf dem selben ein hoches Kreuz an welches unten ein | ein heruntergestürzter Cristus festgebunden ist, ich kletterte an dem Altar hinauf; um den Trümmern noch eine lezte Ehre anzuthun, wollte ich einen großen Blumenstrauß den ich unterwegs gesammelt hatte zwischen eine Spalte des Kopfes stecken, zu meinem grösten Schrecken fiel mir der Kopf vor die Füße, die Weyhen und Spazen und alles was da genistet hatte flog durch das Gepollter auf, und alle Einsamkeit des Orts war auf Minu459
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ten lang, auf eine sonderbare Weise gestört. Durch die Oeffnungen der Thüren schauen die entferntesten Gebierge auf der einen Seite der Altkönig, und auf der andern der ganze Hundsrück bis Kreuznach vom Donnersberg begrenzt, rückwärts kannst Du so viel Land übersehen als Du Lust hast wie ein breites Feyergewand zieht es der Rhein schleppend hinter sich her, den du vor der Capelle mit tausend grünen Inseln wie mit Schmaragden geschmückt liegen siehst der Rüdesheimer Berg der Scharlach und Johanisberg, und wie all das edle Gefelß heißt wo der beste Wein wächst liegen von verschiednen Seiten, und fangen die heisen Sonnenstrahlen wie blizende Juwelen, auf, man kann da alle Wirkung der Natur in die Kraft des Weines deutlich erkennen wie sich die Nebel zu Ballen wälzen und sich tief in das Erdreich senken, wie die heisen Winde drüber | her streifen, es ist nichts schöner, als wenn das Abendr〈〈oth〉〉 über einen Solgen benebelten Weinberg fällt, es ist als ob der Herr mit neu belebendem Finger, die alte Schöpfung wieder angefrischt hätte, ganz kraftvoll erscheint sie wieder ja als ob dieser benebelte Weinberg vom eignen Geist benebelt wäre. und wenn denn endlich die Helle Nacht heraufsteigt und allem Ruhe giebt! und mir auch; die vorher wohl die Arme austreckte und nichts erreichen konnte, die an dich gedacht hatt deinen Nahmen wohl hundertmal auf die Lippen gefast hat ohne ihn auszusprechen. müsten nicht Schmerzen in mir erregt werden, wenn ich es einmal wagte – und keine Antwort, alles still? ja wer so innig mit ihr Vertraut wäre daß er an ihrer Seeligkeit genug hätte; aber ich nicht – lieber lieber Freund! erlaubs doch, daß ich dir jezt beide Hände küsse, zieh sie nicht zurück wie Du sonst gethan hast. 〈III〉
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d* 13 July Alles hat seine Zeit! sprech ich mit dem Weisen und darum muß ich dich auch nun bald verlassen Du stiller stiller Rhein! noch gestern Abend alles war so herrlich aus der Dunklen Mitternacht trat mir eine große Welt entgegen, als ich von meinem Bett aufstand in das enge Fenster meiner Zelle trat um die Kühlung einzuathmen, der Mond war schon eine halbe Stunde aufgegangen, hatte die Wolken alle unter sich getrieben, und warf einen fruchtbaren schein über all die Weinberge, ich nam das volle Laub eines Weinstocks der an meinem Fenster hinaufwächst, in die Arme, und herzte es, weil ich allein war, oder auch weil ich meine Liebe in diesem Augenblick niemand gönnte wär ich 460
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bei Dir gewesen, ich hätte recht freundlich recht schmeichelnd gebeten, und geküßt. 〈IV〉 95
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d* 13 July Überall wo es gut ist, da muß man zu früh verlassen, so war es mir wahrlich gut bei Dir, und ich muste Dich viel zu früh verlassen, ein guter lieber Aufenthalt, ist für mich, was das fruchtbare Land einem Schiff ist, das eine unsichre Reiße vor hat, es wird Vorrath einsammlen, so viel ihm die zugemessne Zeit und die Mittel erlauben; Ach wenn es auf der einsamen weiten See ist, wenn die frischen Früchte schwinden das kühle Wasser! – es sieht kein Ziel vor sich; wie sehnsuchtsvoll wird die Erinnerung ans Land. jezt geht mirs auch so; in zwei Tagen muß ich den Rhein verlassen um mit dem ganzen Familientroß in einem Bad zusammen zu treffen. Ich war indessen nicht immerwährend hier; ein lieber Brief von Dir erwartete mich in Franckfurt bei deiner Mutter den ich dort selbst abholte; Die Mutter ist nun immer gar zu vergnügt und freundlich wenn ich von meinen Streifereien komme, sie hört mit Lust alle kleine Abentheuer an; ich mache denn nicht selten aus Klein Groß. und dießmal war ich reichlich damit versehen, da nicht nur allein Menschen, sondern Ochsen Esel und Pferde sehr | ausgezeignete Rollen dabei spielten; du glaubst nicht wie froh es mich macht, wenn sie recht von Herzen lacht Mein Unglück führte mich grade nach Frankfurth als Frau von Stael durch kam, ich mußte einen Abend mit ihr zubringen, sie sprach von dir; so oft dein Nahme von ihren garstigen Lippen kam überfiel mich ein innerlicher Grimm, sie erzehlte mir daß Du sie Amie in deinen Briefen nentest pp: nun riß mir aber die Gedult – wie kannst Du, einem so unangenehmen Gesicht freundlich seyn? sie hat auch wohl nur gelogen; wär ich bei dir; ich litts nicht daß Du so freundlich wärst, so wie die Feen mit feurichen Drachen so würde ich mit feurichen Blicken meinen Schaz bewachen. Nun siz ich aber weit entfernt von dir, weiß nicht was Du all treibst, und bin nur froh wenn mich keine Gedanken plagen. Unsere Haußhaltung hier, ist sehr seltsam eingerichtet, wir sind zu 8 Frauen, kein Männliches Wesen ist im Hauß, da es nun sehr heiß ist so wird alles so bequem eingerichtet als möglich, zum Beispiel sind wir alle nur mit zwei Hemdern angekleidet wovon das oberste auf ein Griechische Art drappiert mit einem Band aufgebunden wird, die Thüren der Schlafzimmer stehen Nachts offen, und je nachdem | eins Lust 461
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hat schlägt es sein Nachtlaager auf dem Vorgang oder sonst einem küh- 130 len Ort auf, am Tag geht es in einer großen Finsterniß her, um die Hize abzuhalten es wird auch meistens theils während dieser Zeit geschlafen und nur bei untergehender Sonne, gehen wir heraus wo wir denn selten vor Mitternacht nach Hauß kommen. Du schreibst mir, meine Briefe versezen dich in eine andre Gegend; – 135 Versezen sie dich denn auch zu mir? kannst Du mich auch in Gedanken sehn? wie ich mit einem langen Hackenstock auf die Berge klettere? und kanst Du in mein Herz sehen? wo Du Dich sehen kanst von Angesicht zu Angesicht, diese Gegend mögte ich dir doch am aller anschaulichsten machen. 140 Arnim war lange nicht mehr hier, als ich deinen Brief erhielt, er hielt es nicht lange im edlen Müssiggang aus er machte während seinem Aufenthalt kleine Reißen von 5 bis 6 Stunden mit mir, die ich zu den lieblichsten Vergnügen rechne, einmal gingen wir durch ein Thal einem Fluß entlang den man die Wisper nent, wahrscheinlich wegen 145 seinem Rauschen, da er sich über lauter platte Felßsteine sich windet auf beiden Seiten gehen hohe Felsen her, auf denen alte Burgen stehen, die mit alten Eichen umwachsen sind, das Thal wird oft so enge daß man genötigt ist im Fluße zu gehen, es wird immer enger und enger die Berge umklammern | sich endlich, die Sonne kann nur noch die 150 hälfte der Berge beleuchten die Durch schwarze schlagschatten der über gebognen Felßstücke abgeschnitten wird aus der Wisper stehen etliche Steine wie harte kalte Heilichenbetten her^vor, Arnim fragte mich auf diese Bemerkung ob ich nicht auf eins mich ein wenig legen und ausruhen wollte, ich thats, eine Welle schlug über mich, und ich 155 muste mit nassem Gewand weiter wandern, die Berge drängten sich endlich nesterweiß aneinander die nur von Zeit zu Zeit durch schroffe Felsen geschieden wurden, und so kühl wie es auf unserm engen Pfad war, (denn ein Thal kann man es nicht nennen) so kühl war mir es auch innerlich, ich trippelte immer vorne her und dachte wenig, sprach 160 noch weniger, das Ziel unserer Reiße war ein Sauerbronnen, der in einer wüsten Wildniß liegt, als wir dort an kammen, schlug Kukucks Uhr in dem Hauße das dabei ist und mahnte mich an den Rückweg, ich marschierte also gleich wieder zurück ohne auszuruhen und kam Nachts um 1 Uhr zu Hauß an, in allem war ich 12 Stunden unterwegs 165 gewesen und durchaus nicht ermüdet, auf dem Rückweg schrieen eine Menge Eulen und Käuzlein im Wald, das machte mir bang ich hatte es noch nie gehört. 462
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Noch 6 Wochen werde ich wohl in allerley Gegenden herum streifen, im September mit Savigny erst auf ein paar Monat nach München und dann nach Landshut gehen wenn es der Himmel nicht anders fügt. Bettine
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Von Kunigunde von Savigny an Bettina und Meline Brentano in Winkel Trages, 21. Juni 1808, Dienstag
Trages d. 21 Jun. 1808. Meine liebe Betine, und Meline! Alldieweilen die Kaiserlichen Papiere so sehr im Abschlag sind, ja sogar zu befürchten ist daß sie bald auser allem Werth seyn werden, so hat Savigny so wohl für seine als für meine Oblig. beschlossen sie in Gesellschaft mit Herr von Motz, und Hr. v. Stockum, (beyde in Hanau,) zu einem Güter Ankauf in Östreich zu verwenden, allwo sie noch in Bezahlung angenommen werden. Christian ist schon entschieden beyzutretten, wollt Ihr auch von der Compagnie seyn, so ist es Franz mit welchem wir gesprochen sehr zufrieden. Ihr habt alsdann nichts anders zu thun, als Euern Willen hierüber sogleich dem Franz und Savigny schriftlich zu wißen zu thun. Franz wird Euch denn alle übrige nöthige Schritte besorgen, und Euch davon instruiren. Dieses alles muß aber sehr schleunig besorgt werden, also berathet Euch Beyde mit Euerm GewissensRath wenn Ihr einen habt und schreibt mit erster Post. Daß Betine, Claudine et Arnim Ihr Versprechen mich hier zu besuchen nicht halten werden, habe ich von Schlosser gehört, mich gehörig darüber betrübt, und es wie mein übriges Hauskreuz als eine Schickung Gottes angesehen, es größtentheils dem Esel zugeschrieben, der die Betine auf ihren Spaziergängen trägt, mir deshalb hier ein Reitpferd zugelegt auf welchem ich Gestern in Gesellschaft von Savigny nach Hüttengeses geritten bin. Ich denke das könnte sie vielleicht reitzen. Meine Kinder sind abwechselnd krank und wohl, ich selbst etwas empfindsam schwachnervigt, und im übrigen mit Savigny einsam und so vergnügt als es sich unter diesen Umständen seyn läßt. Grüße mir recht herzlich die Marie küßt die Kinder, vergeßt mich nicht ganz, und werdet in Euerm Glück nicht übermüthig. Gunda v. Savigny.
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Mademoiselle Meline Brentano à Winkel
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Von Friedrich Carl von Savigny nach Winkel Trages, 21. Juni 1808, Dienstag
Du verdienst es zwar nicht sonderlich an mir, lieber Buttel, aber ich muß dir doch auch einen schönen Gruß von dem kleinen Erbprinzen schreiben. Nimm ihn in deine Protection, du sollst sehen, er wird sie verdienen. Naiv ist er jezt noch ganz erstaunlich, daß er es ganz in dem Grade bleiben wird, bezweifle ich, damit er aber nicht ganz aufhöre es zu seÿn, laß ihm den Glanz deines Beÿspiels vorleuchten. Besonders aber hab’ ihn lieb, der arme Junge wird ohnehin viel zurück stehen müssen, weil des Pullers Liebenswürdigkeit schon zu viel Terrain occupirt hat. Adieu. Dein Alter.
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Karlsbad, 22. Juni 1808, Mittwoch
Carlsbad den 22. Juny 1808. Ist es wahr, was die verliebten Poeten sagen, daß kein größeres Vergnügen sey, als das Geliebte zu schmücken; so haben Sie, vortreffliche kleine Freundinn, das größte Verdienst um mich, indem Sie mir so oft Gelegenheit geben, irgend Jemand, dem ich wohl will, mit Ihren Gaben auszuputzen, die so mannigfaltig sind, daß ich wirklich nicht einmal weiß, ob ich Ihnen schon für die chinesischen Früchte gedankt habe, die beynahe in meinem Kreise zu Zankäpfeln geworden wären. Ihren liebenswürdigen Dichter, dem, wie es mir scheint, Zeichner und Kupferstecher an Form und Ausdruck manches Gute geborgt ha464
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ben, mußte ich mit hieher nehmen, um recht wohl begleitet zu seyn. Es ist gewiß eine schöne edle Gestalt, und man mag sich den Mann gern so denken, dem man manchen Genuß schuldig ist. Ihr freundlicher Brief hat mich hier bey Zeiten aufgesucht und mich freylich in eine andre Gegend und unter einen andern Himmel versetzt. | Auch ich erinnere mich am Fuße des Johannisbergs schöne Tage gelebt und vortrefflichen Wein getrunken zu haben. Auch ich bin den Rhein hinuntergeschwommen in einem kleinen lecken Kahn, und so habe ich also ein doppeltes Recht an Ihr Andenken. Vielleicht ist Arnim bey Ihnen, wenn dieser Brief anlangt. Danken Sie ihm für das Heft, das er mir geschickt hat. Ob ich gleich den Nifelheimischen Himmel nicht liebe, unter welchem sich der Einsiedler gefällt; so weiß ich doch recht gut, daß gewisse Climaten und Atmosphärn nöthig sind, damit diese und jene Pflanze, die wir doch auch nicht entbehren mögen, zum Vorschein komme. So heilen wir uns durch Rennthiermoos, das an Orten wächst, wo wir nicht wohnen möchten; und um ein ehrsameres Gleichniß zu brauchen: so sind die Nebel von England nöthig um den schönen grünen Rasen hervorzubringen. So haben auch mir gewisse Aufschößlinge dieser Flora recht wohl behagt. Wäre es dem Redacteur jederzeit möglich dergestalt auszuwählen, daß die Tiefe niemals hohl, und die Fläche niemals platt würde; so ließe sich gegen ein Unternehmen nichts sagen, dem man in mehr als einem Sinne Glück zu wünschen hat. Grüßen Sie Arnim zum schönsten und entschuldigen mich, wenn ich nicht direct schreibe. Wie lange werden Sie noch im Rheinlande verweilen? Was werden Sie zur Zeit der Weinlese vornehmen? Mich findet ein Brief wohl noch einige Monate hier, Zwischen den alten Felsen neben den heißen Quellen, die mir auch dießmal sehr wohlthätig sind. Meinem August geht es bis jetzt in Heidelberg ganz wohl. Meine Frau besucht in Lauchstädt Theater und Tanzsaal. Schon haben mich manche entfernte Freunde hier brieflich besucht; mit andern bin ich ganz unvermuthet persönlich zusammen gekommen. Da ich so lange gezaudert habe will ich dieses Blatt gleich fortschicken. Ich schlage es an meine Mutter ein. Lassen Sie mich bald von sich hören G An Demoiselle Bettine Brentano
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 23. Juni 1808, Donnerstag
Franckfurt d* 23 Juni Als Du mich verlassen hattest, mein Freund, hab ich innige Freude emfunden, über den Schmerz den mir dein Abschied verursachte, so geht mirs ein jeder Beweiß daß ich dich ernsthaft liebe ist mir die reinste Erquickung, solte es auch mit so traurigem Opfer errungen sein als deine Trennung. Das Schicksal ist mein Orakel, mein Wille ist der arme Agamemnon, der gezwungen ist sein bestes dem besten zu opfern, Du selber bist Iphygenia, Dein Gutes freies vestes Herz, der Schuzgott der dich mir erhält, meine Doppelt tief fühlende Liebe, ist das befriedigte Volk, das mit bescheidner Freude, meinem gezwungnen gekränkten Willen seine Erlösung danckt; und so wäre mit Gott alle Pflicht erfüllt, und mir nur in dieser Hinsicht, das Herz erleichtert. ich habe mit George zum theil aus Muthwillen | zum theil aus Unwille die Reiße hier her gemacht, wir gingen den Abend vor unserer Abreiß noch auf den Rochus wir fuhren gegen 6 Uhr auf dem Stuhlwäglein nach Rüdesheim ließen uns von Da über fahren, es war der erste warme Abend den ich dort erlebte. Gott weiß warum es mir auch am wärmsten ums Herz war, ich dachte Deiner, und freute mich so meiner Sehnsucht daß ich sie kaum um deine Gegenwart getauscht hätte, auch an Göthe dachte ich mit wahrem Eifer, Euer beider Andenken loderte in meiner Brust wie zwei Kräftige Vulkane, vor deren Gluth, alles andre lebendige flieht, und Land und Besizthum ihrer Macht überläßt; ich sang laut, und schlug lange Triller vor regem Leben in mir was ich lange nicht so starck gefühlt hatte. wir nahmen aus Unbedachtsamkeit einen viel steileren | Weg auf den Rochus, als der erste war, wir musten grad auf, über die Hecken, bei allen Mühseeligkeiten unterließ ich doch nicht noch einen großen Blumenstrauß zu brechen, den ich nach deinem Beispiel opfern wollte, als ich aber auf den Altar stieg fiel mir das Haupt Jesu in zwei Stücken vor die Füsse, welches mich nicht wenig erschreckte, George band es mit Zweigen wieder vest. auf meiner kleinen Reise hierher begegnete mir auf ebnem Weg kein andrer Unfall als ein totaler Umfall, des Wagens, bei welchem aber niemand schaden gelitten, gestern war ich in Rombergs Concert, war es die Länge der Zeit daß ich keine Musick gehört habe die mich so emfänglich dafür machte? weder bei Freundschaft noch bei Liebe war mir Leib und Seele so bewegt; ein jeder Strich machte mir das Herz stärker 466
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klopfen, ich muste meine Brille aufsezen, daß die Leute das Feuer und Wasser meiner | Augen nicht bemerckten; Er spannt den Bogen über die Saiten und trift ohne Pfeil; – bei der alten Goethe war ich, welche mir einen Brief vom Sohn mittheilte worin er meiner am freundlichsten Dachte, mich seine erste Freundin nent, die vor allen andern Nachricht aus Carlsbad von ihm haben soll; auch preißt er seine Gesundheit und sagt, er brauche das Bad aus Lebens Lust, denn an Gesundheit habe er Überfluß. Tonie ist kräncklich und verlassen ohne irgend eine Weibliche Gesellschaft, dieß hält mich vielleicht eine Zeit lang hier, wenn Du mir also bald antwortest so hab ich deinen Brief hier noch, Leb jezt wohl, mein Guter Lieber, bester! den ich gewiß nicht mehr so oft küßen will, und ihn Doch in jedem Moment, innerlich ans Herz drück, aber daß soll auch nicht mehr sein, das ist Kirchen raub, das ist Gottes- | Gottes Raub, Du sollst dabei sein wenn ich dich küße, ich glaube davon kömmts eben, von diesem hundertundtausendmal in Gedanken, nein ich will sie ausrotten, will from und ernsthaft auf dich warten, Du! »gedenk der Guten Stunden und nicht der bösen«, die Worte wollen mir nicht in der Brust verhallen, Du Menschen freundlicher! Heilsamer, der alle Wunden, sanft zusammen^drückt, mit solchem liebe vollem Ausruf, deine Worte sind so viele Balsame, Gesundheits Kräuter, die aus Deinen Lippen sprießen. Bettine An Herrn Baron von Arnim Abzugeben bei Hrn Zimmer Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 25. Juni 1808, Sonnabend
Fr: d* 25 Juni Gestern hab ich mit Fr: Stael bei Bethmann zu Nacht gegessen sie hat mich mit Fragen verfolgt über Dich, Morgen geht sie nach Heidelberg mit A. v. Schlegel, und Suismond um dich und Clemens zu sehen, nun weiß ich nicht warum es mich geaergert hat so oft das Weib deinen Namen aussprach, es ist doch wohl keine Eifersucht? ich wollte nur ich wär bei Dir, wenn sie mit dir spricht, ich würde mich vor dich stellen, 467
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damit ihr Athem dich nicht berührt, sie ist zu garstig, und dann geht sie immer so nah. hüt dich schön’s Blümelein Bettine 1v
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 26. Juni 1808, Sonntag
Heidelberg d* 26ten Juny Ich lasse mich gern von denen beschämen, die ich liebe, und so ist mir dein Brief kein Vorwurf, liebe Bettine; doch war es nicht Nachlässigkeit von mir daß ich noch nicht geschrieben, ich wollte Deinem frohen Ueberblicken und Uebersehen nicht mit meinem Hinstarren begegnen, Du hättest sonst meinen können ich hätte Dich gar nicht gesehen oder Dich schon vergessen und doch dachte ich viel an Dich und konnte es darum nicht sagen: Du hattest mich durch Deine Betrachtungen übers Betrachten in eine solche Oede von Betrachtung geführt, durch die ich mich erst mühsam durch^suchte ehe ich den Ausweg sah und ich bin noch nicht ganz heraus, ich merke aber schon woran es liegt, ich habe mich in der Zerstreuung unter das Bette nicht in das Bette | gelegt und wenn ich mir die Nase stosse und hart liege so ändert sich das bald, käm ich nicht immer wieder an einen Bettpfosten, wo ich mich überschwingen will. Ich lag einmal im Bette und wollte daß ich da Gewalt angethan, wo ich geneckt wurde – der böse Geist in mir lacht mich tausendmal aus wegen meiner Tugend und der gute weiß nichts darauf zu antworten, denn heimlich meint er jezt, wer weiß was guts daraus entstanden wäre. Dazwischen trit der Genius und schlägt sie beyde ins Gesicht, daß sie weinen und sagt mir: Thor hab ich dich darum so wunderlich geführt, daß du bey einer halben Schlechtigkeit stehen bleiben willst und bey einer halben Tugend, | mit halber Ueberzeugung, halber Lust, mehr zagend vor dir selber als vor der Welt, hab ich mich darum dir in Fels und Wald im regen Strom in wilder Vögel Stimmen mit keckem Blick entgegenhingestellt, daß du des 468
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Arbeitzimmers Dunst und stets erhitzte Brunst in meiner Grösse schauend konntest stillen, sey schlecht, wenn du es willst, sey gut, wenn du’s vermagst doch steig nicht weniger als du gefallen, sonst bist du Wasser, und werd nicht dünner, wie du höher bist, sonst bist du Luft, sey fest wie Erde, treulich, nimmer von uns lassen, sey wild wie Feuer, das nie rück^wärts sieht und vorwärts bricht, zerstöre oder schaffe, ich diene dir, nur sey es ganz und du hast recht gethan, | und du hast recht gethan, mein lieber Sohn und wie du dich auch nichtig eben fühlst, du bist mir lieb und das sey dir genug. Erwacht Dein alter Adam gar zu mächtig, sey kunstreich in Verführung, des Genusses lachend, ein Weib hat einen Körper wie die andre; kannst du die Welt vergessen und du bildest Dir aus ihnen was du magst und Venus reisst du aus dem Himmel nieder und Helena vom wüsten Heldenstrand mit etwas Geist in einer schönen Lüge dich abwüthend, helllaut in Selbstvernichtung dich erfreuend, dann flücht ich fort mit deinem bessern Leben, damit es Dir kein Vorwurf in dem Herzen, und du liegst da ein Beyspiel für die andern. Doch kannst du stehn bey meinem Flügelschlage allein, versuchs, ich will dir wohl die Hände führen daß du 〈xxx〉 und wo du still zu stehen meinst, da fliegst du eben ja eben fliegst du, sieh der Wälder dürre Wipfel. Es ist mir lieb, daß das Blat aus war, wohin wär ich gekommen vielleicht zu dir nach Frankfurt und hätte mich in Rombergs Baßgeige versteckt, auf die ich fast eifer süchtig werden könnte und wie Du Dich darüber den Leuten magst erklärt haben. Fast hätte ich Lust Dir zum Gegenstück eine Beschreibung der Mad Bürger zu machen und ihrer Träume, (wie Clemens jezt seiner Frau immer schreibt, als wär er in Strasburg und bestiege den Münster) aber sie ist wirklich früher abgereist, als ich hier angekommen. Es steht übrigens alles blümerant zwischen Clemens und seiner Frau, Liebesbriefe eigentliche begegnen sich auf der Post, es ist mir sehr ängstlich dabey, ich fürchte sie werden einander so viel Staub oder Puder zuwerfen, daß sie sich beym Wiedersehen garnicht | wiedererkennen oder anfassen mögen. Er war fast entschlossen, als ich so lange ausblieb, sie zu besuchen, ich habe ihm sehr gerathen sich mit ihr in Winkel zu begegnen, ihr könnt dann den Onkel Moritz bestellen, Umarmungen, es regnet Gold, daß alle Taschen platzen, die Ziklein und die Eslein sind schon da zur Bewillkommung des kommenden Selim. Ich kann die Geschichte nicht mehr ernsthaft nehmen, nehmen sie beyde doch nur wie Schnupftabak davon um zu niesen und daß ein andrer sage, wohl bekomms oder Prost. 469
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L. Grimm ist ein fleissiger guter Junge und die Gegend, was im Garten aufgewachsen und erblüht ist hat mich wie ein neues Geschenk überrascht, ich wünschte Du könntest es mitgeniessen. Winkel ist noch frisch in meinem Gedächtnisse wäre über uns ein heller Himmel gewesen und kein böser Geist von | einem Hunde um uns, es wäre zu dem Guten vielleicht auch das Beste gekommen. Wie möcht ich doch so mannigfaltig alle begrüssen, die mir so wohl wollten, von Claudine die Träume von Klödchen die Thränen, von der Frau Rentmeisterin die dicke Backe, von ihrer Tochter die Hand wegheben, die letztere um sie zu küssen. Von so lieben Küssen wie zischt es in den literarischen Koth einzutauchen, doch es muß seyn und meine Ohren quälen sich wieder ab alle leere Streitigkeiten abzuhören, die in der Zeit die Zeitungen beschäftigt haben, da hat Voß alle Sonette in der Jenaer Zeitung vernichtet; der Bericht dieser Schlacht von Görres und Clemens wird im Einsiedler erscheinen, von mir erscheint die Geschichte des Herrn Sonet und des | Fräuleins Sonette in neunzig Soneten. – Was soll ich Dir wieder erzählen, woran ich gern denke, hast du es vergessen, so hilfts nicht, auch eilts zur Post und mich zum Jahrmarkt nach Neckargemünd. Herzlich dir Dein Achim Arnim
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Offenbach, 27. Juni 1808, Montag
Offenbach 28ten Juny Da siehst du nun wie ich in der Welt verschiedne Nachtquartiere habe, so eben steige ich aus meiner Großmutter Bett, und in einer halben Stunde werd ich mich mit dem Oncle Hessen, auf den Weg begeben um mir eins Bei Savigny zu suchen, wer weiß wo ich übermorgen schlafen werde, wenn es meinen Wünschen nach ging so wär es in der Bergstraße, es ist mir sonderbar ergangen mit Fr. v. Stael, Sismondi den Du schon kennen wirst wenn Du meinen Brief liest, besuchte mich gestern und erzählte mir mit einer sanften Stimme, daß sie unendlich gutmüthig sey, meine unwissende Ungerechtigkeit fiel mir dabei aufs Herz, ich ging zu ihr, sie nahm mich mit einer Art Begierde nach Freundlichkeit auf, sie drückte mich mehr mals ans Herz! das war mir zu arg, ich erzehlte ihr daß ich sie bis auf den selben Augenblick nicht habe leiden 470
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können und verständigte mich mit ihr darüber, sonderbar glaubte sie, es sey aus Eifersucht über – Dich gewesen, welches sie aus allerlei dummen Spässen | von Moriz schloß, der ihr unter andern weiß machte ich werde immer roth so oft sie Deinen Nahmen ausspräche, sie versicherte mich daher daß ich nicht Eifersüchtig zu seyn brauche indem sie Dich so selten sähe, dieß kam mir nicht wenig possierlich vor, auch bat sie mich dringend Dich zu heurathen, wahrscheinlich um mir meinen Verdacht ganz zu benehmen ich sezte ihr auseinander Du seyst ein lieber Vogel in Der Luft, dem man Die Schwingen nicht rauben Dürfe, um ihn in der basse-cour ein zu sperren pp: Wenn ich jezt bei Dir wäre so wollte ich dir wohl viel erzehlen, wie mein Herz in wenig Tagen mehr Unruhe und Klopfen und poltern erlitten, als seit langem, lieber guter Arnim es geht mir nicht, wie unserm schlechten Sommer, der Die Trüben Wolken mit unedler Beharrlichkeit auf dem Rücken trägt, ich habe meinen Himmel mit Gewittern gereinigt die zwar schwehr durch meine Brust gezogen sind, denn sie zittert noch von den heftigen schlägen, siehst Du nicht alles begreif ich was Du mir bist, aber | ein guter Engel bist Du mir zuweilen, wenn ich wahrhaften Trostes bedarf, was sprichst Du von bösem und Guten Geist, was von Neckerei? – lasse daß unruhige Mädgen doch laufen, und sei gütig zufrieden, daß Deiner Großmuth, der Essig in die Wunde zu theil ward, und mir die Heilung; wenn du wustest wie es mich an dich bindet, daß Du so nachgebend warst. und wenn es anders geworden, ich glaub – ich weiß nicht was ich glauben soll. Flieg nur lieber Vogel von der Ulme zur Tanne und zur Linde, bis zu den Cedern von Libanon, finde einen jeden seiner süsesten Bevölkerung der Blüthe auf, nur sei mir treu im Vertrauen, laß mich der wahre Fels seyn auf den Du deine Kirche baust die Götter die Du im Tempel verehrst, seyn alle herrlich so daß sie auch mich durchdringen, deine eigne Seeligkeit und Freude, wird mir dann bis ins innerste Mark dringen | du hast dich mit mir selbst erzeugt, und ich hab dich in mein Herz gebohren, wird der Mutter Die Welt, nicht das Hauß ihres Kindes? und was es drinnen treibt und thut, geschieht es nicht ihr selber? – Und Du! Der besser ist, der die Mutter würdigt mit Gestaldt und Leben und allem; – Adieu mein Freund ich küße deine Hände, und lasse es so, so ist es gut, ich fühle die Kraft, diese Liebe mit mir Durchs Leben zu führen, aber meinen Leib geb ich in den Schuz der Natur so wie sich das Reich am besten dem Herrscher anvertraut, Adieu ich wünsch dir, leichten Schlaf in den Nächten und süse Träume die Dir das Unglück des Tags, wegräumen wenn welches 471
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über Dich verhängt wäre, und mir wünsch ich daß dein Herz recht lieblich erregt wird durch meine veste Freundschaft. – unter den Weiden hab ich mich am lezten mal, an deinem Antliz geweidet, der Baum soll mir wenn ich in den Olymp versezt werde, heilich seyn Bettine
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Trages den Hier bin ich; etwas mißvergnügt über meinen Aufenthalt besonders wenn ich bedenke, daß vielleicht ein Brief von Dir in Frankfurt meiner wartet; es hat sich von jeher, eine Art Faulheit hier eingeschlichen, die beinah zur Melancholie reizt, das Hauswesen ist zerstreut, Fenster und Thüren stehen immer zugleich offen, die Kinder schreien, das Ganze macht einem einen sehr unangenehmen Eindruck, gegen welchen ich mich bis jezt mit lesen zu wehren gesucht habe, allein es wird nicht lange Dauern das einzige was ich bei meinem Aufenthalt in Landshut befürchte, ist ein ähnliches Gefühl, denn es befällt mich sehr oft in Savignys Gegenwart, nun es geht uns beide doch nichts an, denn während ich an dich dencke, emfinde ich ganz anders; ich werde auch so bald wie möglich wieder weg gehen, ins Rheingau mag ich nicht mehr dort ist mir ein geliebter Freund entgangen grade als die Sonne kaum aufgegangen war, und der ganze Tag brachte ihn nicht wieder, ich bin mit einem Gefühl von Eifer von Dort weg, es kommt mir jezt hart an alles zu entbehren, in Franckfurth ist es wie abgebrannt, eine Krancke Haußfrau ein lehres Zimmer, keine Musick, ich mögte gern – ich weiß nicht was ich gern mögte, meine Unruhe hat mich hierher getrieben, und treibt mich | auch weiter; wo werd ich noch hin kommen, vielleicht gar nicht weit, aber doch gewiß in die weiteste Weite meines Lebens mit der Liebe zu Dir, mein Bett steht an der Wand wo Dein Bild gemahlt ist mit der geliebtesten Laura, die mir gar nicht gleicht, mit der Wahrheit welche stumm ist, und mit Dafniß, die sich das Recht anmaaßt, dich zu über^schatten, und dir Trost seeligste Ruhe und Ruhm zu gewähren, was soll ich mit diesen Dreyen? wo ist meine Stelle? – meine Stelle ist grade zu deinen Füsen wo ich Nachts liege, und der Ruhe genieße die mir des Tages hize er472
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zwingt, wo ich nicht der vergangnen Zeiten gedencke, und auch nicht der Zukunft, sondern – ich weiß nicht – ein feines schmeichlen weht oft meine Sinne an, ich fühl den Gedancken dann besser in den Fingern, auf den Lippen im Blick, als daß ich ihn aussprechen könnte. Adieu heute Abend werde ich einen Ritt machen aber nicht auf einem Esel sondern auf einem hohen ordentlichen Gaul, Gunda näht mir zu diesem Behuf Beinkleider, und Savigny schnizt mir eine Peitsche, beide so eben damit beschäftigt grüßen dich herzlich. – Ich aber, ich küß dich tausendmal, weil ich ja ganz weit von Dir bin, also wirds auch nichts Schaden Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 30. Juni 1808, Donnerstag
Heidelberg d* 30 Juny 1808 Ich erhielt Deinen Brief als ich von Fr v Stael Abschied genommen, wie überraschte es mich Dich dort in grosser Vertraulichkeit mit Leuten zu finden wie die Stael und Sismondi, die Du eigentlich kaum leiden kannst, die Dir das auch wohl anmerken und mir nichts von Dir vorzutragen wusten, als daß Du bisar wärst, was ich ihnen nach einander aus dem frühen Tode Deiner Mutter erklärte und wie du früh zwischen Brüdern, die nach allerley gestrebt, Dir selbst überlassen gewesen. Die Stael wollte sich aber gar nicht zufrieden geben, sondern brach wieder die Gelegenheit von den Worten und versicherte, wer das Ausserordentliche achten könne dürfe das Bisare nicht lieben. Ich versicherte Ihr, daß wenn das Bisare auch das Ausserordentliche in der Welt meist nur nachäffe, häufig doch auch das Ausserordentliche in dieser Bettlergestalt erscheinen müsse wie Odysseus, weil ihn die stolzen Freyer sonst nicht duldeten. Dies oder so etwas | sprachen wir, es kommt nicht auf die Genauigkeit nur auf den Sinn an, ich schreibe das hin um dir zu beweisen, daß Dich ein wenig Eitelkeit mit Leuten (femme célèbre et homme de lettres) da in Berührung gebracht und Vertraulichkeit, die Du nicht leiden kannst, die Dich nicht verstanden – und so verschwendest Du die Gaben, die ich schätze. Warum vertraust du Dich nicht lieber der Frau Böhm, der J. Welst, nun lach nicht, ich 473
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stehe dafür daß sie doch immer bewährter sind und daß sie doch immer einen grösseren Antheil an Dir nehmen können als eine Durchreisende, die Erinnerungen einer halben Welt, Plane, Beobachtungen mit sich trägt wie eine Rüstung. Nun erst kann ich mir erklären, wie sie wuste, daß mir in Königsberg ein schönes Kind begegnet, das sein Angesicht von mir gewendet. Und dann forderst Du Treue von meinem Vertrauen, was kann es Dir werth seyn, wenn Du es nicht bewahren magst. – Danke | mir nicht für diese Bemerkungen, wenn Du sie auch anerkennst, liebe Bettine, für etwas was jeder selbst fühlen kann braucht man keinem andern zu danken. – Nun das wär also soweit recht gut, nun will ich Dir Relazion abstatten, was sich sonst zugetragen. Ich begleitete Clemens, der seine Frau heimsucht und nachdem er sich die alte Aergerniß hier auskurirt sich neue sucht, Grim war mit mir und ich fuhr mit ihm über den Necker, wir gingen dem Gartenhause vorbey, wo Clemens mit seiner vorigen Frau wohnte, da stand der versoffene Kaufmann, sein Hauswirth in vollem ehemaligen Rubinenglanze in der Abendsonne, selig lächelnd, da ging ich mit Wehmuth vorüber und durch eine schmale Gasse, als wir in die Hauptstrasse kamen, rief der Grimm: Das ist sicher die Hauptstrasse! Der war noch nie vor dem Thore gewesen, ungeachtet er vier Wochen hier auch nicht bey Fries, wo die einzge gute Gemäldesammlung, da führte ich ihn auch hin und ließ ihm die Bilder vorübergehen, denk Dir daß | seine Brüder ihm nie die Casseler Gallerie gezeigt. Nachher gingen wir zurück zum Görres, der mir etwas von Clemens erzählte, was ich nicht wuste und was mich ärgerte, mir ward die Welt so fremde, als säh ich sie zum erstenmal. Da fand ich um eilf zu Hause ein Billet von Fr. v. Stael, sie hatte in der ganzen Stadt herumgeschickt, und ich hatte es versäumt. Am Morgen war ich gegen acht dort, lernte Schlegel kennen, der mich durch eine gewisse Aehnlichkeit mit Bouterweck ärgerte, sonst aber freundlich meinem Einsiedler Unterstützung versprach. F. v. Stael war sehr gütig, ich bewundre das ausdauernde Gleiche in ihrer Gesinnung, ich habe sie eigentlich so wenig gesehen und doch war es als war ich nicht abwesend gewesen, sie wollte daß ich nach Copet zöge, sprach von aller Lebensweise dort, ich solle dort mein Journal schreiben, sprach mit vieler Achtung von meinem Vaterlande, vom Prinzen Louis; ob ich viel durch den Krieg verloren, alles gar ernst und würdig Wenn ich nach Strasburg dies Jahr noch reisen sollte geh ich auf ein Paar Tage da hin, doch ist das so ins Blaue gesprochen, wenn es dies Jahr noch blaue Luft giebt. Ich führte sie nachher aufs Schloß, es reg474
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nete doch war sie recht vergnügt über alles, wir waren ungefähr drey Stunden beysammen, da fuhr sie in einem ungeheuren Wagen fort, die Leute sagten in der Stadt, er gehöre dem dicken König von Wirtemberg. Unterdessen war die Görres von einem Mädchen glücklich befreyt, ich besuchte sie und sie war munter und gesprächig. Am Mittag gewann ich eine Bouteille Champagner in einer Wette, daß ich eher vier Bisquite aufessen wollte, als ein anderer einen Schoppen mit einem Strohhalm aussaugen würde, die Wette scheint günstig für mich und doch waren alle Kenner gegen mich, ich gewann sie indem ich nicht zuviel auf einmal in den Mund steckte und der | andre verlor sie, weil er aus Eifer, als er meine Fortschritte sah, sich verschluckte, daß ihm der Wein zur Nase hinausdrang. – So liebe Bettine sind die Ereignisse des Tages, erzähl mir auch etwas von Deinen Begebenheiten mit dem Onkel Hessen, ich wette der will dich zum Russischen Spion machen; ehe Du in den Olymp versetzt wirst, spioniere doch auch einmal hieher, es ist hier viel zu entdecken nun Clemens fort ist kannst Du und der Onkel und die Tante in meinem Hotel logieren und ich komme mir vor wie der alte Erz vater Gleim mit seinem Hüttchen. In diesen Tagen denk ich nach Erbach mit Grim zu gehen, Erzähl mir doch von dem grossen Klopfen und Poltern in Deinem Herzen, was wars denn? Herzlichen Kuß Achim Arnim Da Du Dich neulich für eifersüchtig hieltest, so muß ich schließlich bemerken, weil ich viel von der Stael geschrieben, daß ich von Stahl bin und daß sie keine Blitze wirft, sondern einen milden Hauch der mich blank macht, also von Verliebtseyn ist nicht die Rede zwischen uns. Ich schick dir ein neues Blat des Einsiedlers bin aber ungewiß ob Du das Vorhergehende hast, schreib es mir
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Von Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi nach Frankfurt Basel, 1. Juli 1808, Freitag
Mademoiselle J’avois besoin de prendre congé de vous d’une manière et plus expressive et plus tendre que je ne pouvois le faire dans votre loge; permettez moi donc de vous écrire, puisque je n’ai pu vous parler à mon aise. Je ne veux pas m’éloigner de vous sans vous dire quelle impression vous avez fait sur moi par un mélange inconcevable de naiveté, de grâce, d’esprit, même de malice, et si j’ose le dire d’étourderie ; vous jouiez sur mon âme comme un habile musicien sur un clavecin. Toutes les ideés que vous faisiez naître étoient imprévues, vous les changiez aussitôt, et elles m’échappoient déjà avant que j’eusse eu le tems de les considérer. Je riois, puis j’étois touché, étonné, puis je riois encore. Je ne savois jamais bien dans quel monde j’étois, ni ce que je devois croire de vous; je ne le sais pas mieux à présent, et la seule chose qui me soit prouvée c’est que vous êtes fort aimable. Peutêtre cette émotion que vous excitiez en paroissant la ressentir, n’étoit-elle qu’un jeu de votre esprit, peut être vous êtes vous moquée de moi, je ne sais . . . . mais quand il seroit vrai, l’avez fait avec tant de graces que même cela je vous le pardonne. Cependant s’il y a quelque vérité, comme je m’en flatte, dans les sentimens que vous m’avez laissé voir, ils ne doivent pas ne durer que trois jours; vous vous êtes appelée mon amie, vous devez l’être encore | apres que j’ai quitté Francfort. Je vous écris sans vous en avoir demandé la permission, et cependant je me flatte que vous me répondrez, rien n’est plus innocent qu’une correspondance à la distance où je serai de vous, et puis nous ne nous connoissons pas assez et il faut bien que nos lettres nous révèlent un peu plus l’un à l’autre. Il faut que j’aie en moi une disposition à la jalousie que je ne me connoissois point. J’avois d’abord beaucoup de curiosité de voir Mr. d’Arnim, comme un homme à qui je pourrois parler de vous; tout au contraire, nous avons senti l’un pour l’autre, à ce qu’il paroît, un repoussement mutuel; il a été à peine honnête pour moi, et de mon côté, je le regardois avec un secret dépit, comme un homme que vous aimiez plus que tous les autres. Je ne voulois pas seulement convenir qu’il ait une jolie figure, et cependant il paroît que c’est l’avis universel. Au reste nous avons à peine échangé quatre paroles ensemble, et je lui ai dit que vous étiez une charmante personne, plutôt pour satisfaire le besoin que j’avois à parler de vous que pour m’entretenir avec lui. 476
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Je quitte aujourd’hui M. de Stael, et je vais faire un tour à cheval dans la Suisse orientale que je ne connois point encore, je vais à Zurich par Schaffhausen, et j’en reviendrai par Soleure et Berne. De la société la plus animeé je passerai pendant ces huit jours à la plus absolue solitude. Je n’en aurai que plus de tems pour penser à vous, et repasser dans ma mémoire ces conversations si animées, si variées que nous avons eu ensemble. Elles m’étonnent ces conversations par la relation étrange qu’elles ont établie entre nous; il me semble que désormais je connois fort bien et votre esprit et votre coeur, il me semble que vous devez avoir acquis sur moi le même genre de connoissances; à tout autre égard nous sommes demeurés complètement étrangers, je ne connois ni vos études, ni vos projets, ni vos liaisons, ni votre famille, enfin votre vie toute entière m’est demeurée étrangère. Si vous avez lu quelque chose de ce que j’ai écrit, vous êtes il est vrai un peu plus avancée à mon égard, cependant nous n’avons jamais dit un mot sur tout ce qui y a rapport lorsque nous avons causé ensemble, et les idées qui m’ont le plus occupé sont peut-être celles auxquelles vous attachez le moins d’intérêt. N’importe, par un point tout au moins nous avons senti que nous nous rencontrions; il m’en restera un long et préc〈〈ieux sou〉〉venir, et j’espère que le mien ne s’éteindra point non plus chez vous. Adieu 〈〈Ma〉〉demoiselle recevez de nouveau l’assurance de mon tendre et respectueux attachement. Basle 1er juillet 1808 Mon adresse sera cet été chez Made de Staël à Coppet, Canton de Vaud, en Suisse. Votre tr. h. ob. servit. J. Ch. L. Simonde de Sismondi à Mademoiselle Mademoiselle Bettina Brentano chez Messieurs les Frères Brentano nég.tr à Francfort s. Meyn
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Trages, 4. Juli 1808, Montag
Trages den 4ten July Ich ging heute mit etwas schwehrem Herzen dem Bothen entgegen der uns Briefe bringen sollte; ich hätte so gern Nachricht von Dir gehabt, daß ichs kaum hoffte; nun hab ich auch einen Brief erhalten, der mir die Thränen aus der Brust aufjagt in die Augen wo sie doch nicht fliesen dürfen, sondern ich muß sie verschlucken. – ich kann es dir nicht übel nehmen, daß dir die ganze Welt fremd erscheint, nachdem sich alles so vor dir erwiesen hat – und nun weiß ich nicht wo ich den Muth hernehme, mich über Dinge, vor Dir zu erklären, die mich so betrüben, nur wenn ich jezt bedencke wie unangenehme Gedancken Du dabei über mein Wesen gehabt, und daß ich noch mehr, vieleicht einsame und recht Herzlich betrübte Gedancken werd haben bis ich weiß und ganz gewiß bin, was ich von dir zu erwarten habe, Du! Dem sich so harte und eichentlich erniedrigende Beschuldigungen gegen mich aufdringen, und doch so leicht schreibst von Deinem übrigen Leben, und mich aufforderst desgleichen zu thun; – ich sag Dir, wenn ich etwas von Dir gegen mich glauben könnte, ich wär ernsthafter. Obschon ich nicht glaube daß Du Eichensinnig in deinen Meinungen bist, besonders wenn sie gegen jemand sind, dem Du gut bist, und der dich lieb hat, so fürchte ich dennoch Dir lange Erklärungen zu machen, die du abermals misverstehen könntest. | Nichts über mein bisares Wesen, über meine Eitelkeit, mich mit berühmten Leuten vertraulich zu machen, (obschon mir dieß lezte auffällt als ganz fremd meinem Carackter, und mich kränckt indem man meinen könnte, daß ich nur mit denen Menschen spielte, die mein Herz und Sinn in Schwung bringen, die mich stehts anreizen, das Leben als herrlich durch sie zu erkennen, und ihnen liebes zu thun, obschon es mir selten gelingt, wenn ich dir also nur erzähle, nicht weil es mich am aergsten trift, sondern dich am meisten beleidigen muß, wie diese Frau, von Moriz durch allerley Erzählungen angereizt, mich neckte mit Liebschaften von dir, und sagte daß sie selbst ein Weib kenne die recht liebenswürdig und Geistreich sey, ich wußte nicht wen sie meinte und sagte ihr, daß ich in keinem Verhältniß mit dir sey das mich eifersüchtig machen könne, und daß Die Ungebundenheit deines Herzens mich eichentlich fester an Dich bänd, daß ich Antheil nähme an Deinem 478
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Schicksal wie an dem meinigen, und daß es wahrscheinlich immer so bleiben würde, dieß fand sie vielleicht bisar in mir, denn sie wunderte sich darüber sehr | und wollte es nicht glauben, was ich sonst noch sprach, weiß ich durchaus nicht mehr, kann nicht behaupten daß ich nichts gesprochen was einer Entschuldigung bedürfe mithin lasse ich mirs gefallen daß Du dein Vertrauen jemand entziehst, bei dem es so leicht in Gefahr kömmt wenn auch nur scheinbar verlezt zu werden. von Vertraulichkeit mit Ihr kann gar nicht Die Rede seyn, denn ich war höchstens eine 4tel Stunde bei ihr im Hauß, wenn sie es also behauptet, so bildet sie sichs nur ein, freundlich und schmeichlend, war ich in dem Augenblick, da ich bedachte, wie ich sie niemals leiden konnte und oft über sie geschimpft hatte, ohne sie je genau zu kennen, dieß begegnet mir unwillkührlich bei ähnlichen Fällen und kömmt von einer Art Gutmüthiger Reue. Daß ich dich plagen muß mit solgen Dingen! die Dir gewiß selbst unangenehm zu lesen sind. Es ist hier sehr kalt seit einigen Tagen die Sommers Gedancken vergehen einem ganz; übrigens ist mirs hier nicht recht heimlich, die Hunde bellen des Nachts, und machen mir Angst vor Spizbuben, besonders da mein Fenster nicht recht schließt, die Wandschräncke und Gebälke krachen dabei mit einer Gewalt, daß sie mir allerlei | Gedanken von Ahndungen und Geistern geben, meine Unruhe treibt mich Morgen wieder nach Franckfurth; Savigny war diese 8 Tage sehr freundlich mit mir, er hat mir manches interessante zu lesen gegeben, Gundel hat mich so lieb daß es mich oft wundert. Vorgestern ritten wir zusammen auf 3 hochen Pächters Pferden spazieren, durch ein schönes Tal in einen Wald, ich saß zum ersten mal auf einem Pferd, und hatte recht meine Freude, ich tauschte das meinige mit Gunda, weil das ihrige viel muthwilliger war und so sprang, daß es ihr bang machte, es mogte meine Ungeschicklichkeit wohl merken, denn da wir kaum mehr eine halbe Stunde von Trages waren, schlug es aus und warf mich ab, der Fall benahm mir den Athem auf einige Minuten, und seit dem emfinde ich daß ich auch Rippen habe. Ein schöner großer Stier ist auf dem Hof; mit dem hab ich mich ganz bekannt gemacht, er frißt mir Brod aus den Händen, und leckt sie aus Danckbarkeit wenn ich in den Stall komme. Es ist schon bald 1 Uhr in der Nacht, die ganze Welt schläft um mich her; – ich wünsch dir eine gute Nacht! und wünsch noch manches andre; Ach Arnim, ich kann so nicht schlafen gehen es ist mir grad als 479
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gingst Du Dort in Winckel aus dem Zimmer schlafen, ohne mich vorher angesehen zu haben oder die Hand zu reichen. Bettine
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 5. Juli 1808, Dienstag
Frankfurt d* 5 Juli Es war mir lieb daß ich hier her gekommen war, um den etwas sonderbaren Verläumdungen von Augusten ein End zu machen, diese hat vor etlichen Tagen an Bethmann geschrieben daß Clemens nach Straßburg gereißt sey, sie habe nicht Lust in einem Eck stecken zu bleiben, und würde daher nächster Tag in Franckfurt seyn: pp: mit tausend Liebesbezeugungen für ihren Oncle, Moriz will sie aber nicht, und war deswegen sehr in Verlegenheit Clemens ist unterdessen hier durch und hat bei dem Modehändler der ihn allein hier gesehen hat, allerley Puz, wahrscheinlich für Augusten aufgepackt es ist ganz wahrscheinlich, daß sie es nicht 14 Tage mit einander aushalten werden, ich habe auf dem Trages auch den Sohn des Pfarrers gesehen bei dem sie ist, er war mit Cristian einen Tag dort, der sagt daß sie sich ganz wohl dort befinde, aber noch lange nicht genug von Clemens getrennt sey. Ich gehe wahrscheinlich Morgen oder über Morgen nach Winckel und von da nach Schlangenbad, Savigny bleibt noch 8 Tage auf dem Trages denn kömmt er auch zu uns. Cristian Schlosser ist nach München. Ich muß gestehen daß ich heut sehr unglücklich bin; ich hab nicht das Herz dir nur etwas freundliches zu sagen, weil ich glaube daß ich in diesen Augenblicken nicht innig genug mit dir bin, und so brennt mich ein jedes Wort, daß ich | zurück halten muß, nun werd ich vermuthlich während meinem Hierseyn keine Antwort mehr von dir erhalten so muß ich denn 16 Stund weiter ohne Trost, währt also wieder länger, und wer weiß wie lang, bis es ganz wieder so ist wie vor diesen Tagen, denn es hat mich seit Zeiten nichts so sehr betrübt. wenn Du zu ihr gehst, so thut es mir auch nicht leid denn da lernst Du sie besser kennen, Eifersüchtig bin ich nicht, das ist ja nicht das erste bei der Liebe, ich aber fange erst an. nenne mich nur auch nicht »liebe Bettine, und schreib auch nicht »ich küß dich herzlich« das thut 480
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mir jezt immer mehr leid als daß es mich freuen sollte, ich sehe dir selbst jezt in Gedanken nicht eher ins Angesicht, als bis dieß kalt und vergessen ist. bis diese femme célèbre die mich kränkt, und dieser homme de lettres ganz aus meinem Gedächtniß geschwunden sind, so wie jezt aus meinen Augen, wärest Du hier gewesen und hättest mich gesehen, wie ich mit ihnen war, du hättest nicht daran gedacht mir vorwürfe zu machen, allein ein andrer Mund ist wie eine andre Fabrike, und kömmt der Stoff daher auch oft wieder ganz anders bearbeitet zum Vorschein. Savigny läst dich grüßen, er sagt er habe dir viel zu sagen was er freilich lieber mündlich abthun würde als schriftlich. Der Wunsch Görres in Landshut anzustellen gefällt ihm wohl ich weiß auch gewiß daß er sein mögliches darum thun wird er glaubt jedoch daß es mit Schwührigkeiten verbunden ist in dem Jacobi gegen seine Art Gelehrtheit ist, und Schelling der dafür ist, seine Person nicht leiden kann, Clemens hat dem Savigny geschrieben, daß es auch Kreuzers Wunsch sey; so würde sich ja ein sehr angenehmer Kreis von Freunden in diesem Landshut für ihn bilden das ihm vorher so oed war; Von meinen Begebenheiten mit dem Oncle Hessen kann ich dir nicht viel erzehlen, er sagte mir viel von seinen sehr schnellen Reisen als Courier wie daß er da immer zu langsam reißte von wegen sonderbaren Abendtheuren, ob schon er sich alle geringsten Bequemlichkeiten versagte. ich will ihm und der Tante deine Einladung zu Wissen thun vielleicht überrascht er Dich in deiner Einsamkeit, ich selbst will warten bis mich das Schicksal oder Dein Wille wieder mit Dir zusammen bringt ich glaub wenn ich den Savigny drumm bäte, er brächte mich nach Heidelberg, denn als ich gestern nur so oben hin Anspielung darauf machte, schien er geneigt dazu ich weiß aber doch daß es ihm allerlei Aufopferungen kosten würde, und Gunda allein bleiben müßte mit den | den Kindern. Ich scheue mich wieder zurück ins Rheingau zu gehen, selbst vor den Stuben, wir gingen da so friedfertig aus und ein, wenn ich nur meinem Herzen Luft machen könnte, wenn ich mich nur in Gedancken an Dein Herz Drücken könnte! – Ist den der Görres recht froh über sein neu Kind? ist er recht Freund mit Dir? Das 25 Blatt vom Einsiedler hast Du mir nicht geschickt, vergess es nicht das nächste mal, heut will ich noch zum Boye gehen und mir das Bild Salvator rosa zeigen lassen. Adieu leb recht wohl. Bettine
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Nr. *400
*400. Von Lulu Jordis an Bettina und Antonia Brentano in Frankfurt Bad Ems, etwa 5. Juli 1808, Dienstag B an Ludwig Achim von Arnim, 7. Juli 1808:
Lulu hat uns aus Ems einen sehr komischen Brief über ihre Abentheuer, in Versen geschrieben Toni und ich haben ihr wieder so geantwortet ich mögte dir ihn mitschicken, wenn nicht allerley Explicationen nötig wären, um ihn ganz zu verstehen (Nr. 402,40-43).
*401. Von Bettina und Antonia Brentano an Lulu Jordis in Bad Ems Frankfurt, etwa 6. Juli 1808, Mittwoch Vgl. Nr. *400.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 7. Juli 1808, Donnerstag
Vielleicht ist Arnim bey Ihnen, wenn dieser Brief anlangt. Danken Sie ihm für das Heft, das er mir geschickt hat. Ob ich gleich den Nifelheimischen Himmel nicht liebe, unter welchem sich der Einsiedler gefällt; so weiß ich doch recht gut, daß gewisse Climaten und Atmosphären nöthig sind, damit diese und jene Pflanze die wir doch auch nicht entbehren mögen zum Vorschein kommen. So heilen wir uns durch Rennthiermoos, das an Orten wächst, wo wir nicht wohnen möchten; und um ein ehrsameres Gleichniß zu brauchen: so sind die Nebel von England nöthig um den schönen grünen Rasen hervorzubringen. So haben auch mir gewisse Aufschösslinge dieser Flora recht wohl behagt. Wäre es dem Redacteur jederzeit möglich dergestalt auszuwählen, daß die Tiefe niemals hohl und Die Fläche niemals platt würde; so ließe sich gegen ein Unternehmen nichts sagen, dem man in mehr als einem Sinne Glück zu wünschen hat. Grüßen Sie Arnim zum schönsten und entschuldigen mich, wenn ich nicht Direckt schreibe
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Dieß alles hat mir Goethe in einem lieben, trostreichen Brief, geschrieben, er freut sich meiner Erzehlungen vom Rhein lande, erinnert sich der schönen Tage die er am Fuße des Johannisbergs gelebt und des trefflichen Weins den er dort getrunken | und wie er oft in einem kleinen lecken Kahn den Rhein hinunter geschwommen, und so meint er, er habe ein Doppeltes Recht auf mein Andenken weil ihm eine Zeit seiner Jugend wieder durch dasselbe zurückgerufen werde. Es hält mich ein Zufall noch bis Morgen Freitag auf; vielleicht erhalte ich noch einen Brief von Dir da ich willens bin erst nach angekommner Post zu gehen. Voigt der schon beinah 3 Wochen in Winkel ist, soll sich von seiner Krankheit sehr erholt haben, und auch wieder sehr liebenswürdig geworden seyn. Franz hat jezt Winkel ganz für sich, George hats ihm abgetreten, nun wird bald der Weingarten zu einem englischen Garten umgeschaffen werden, und die Weinlaube, die Dir niemals gut genug war; auch. Franz ist so unendlich vergnügt über diesen Besiz daß er den ganzen Tag davon spricht, mich immer fragt wie es mir gefällt, da hab ich ihm denn gestern alle Annehmlichkeiten mit Poetischen Farben geschildert, er hörte genau zu, und war so in meine Beschreibung vertieft, daß es die übrigen beinah zum Lachen reizte, endlich sagte er: Nun! es sind die ersten Früchte die ich durch meine viele Arbeit erworben; – Lulu hat uns aus Ems einen sehr komischen Brief über ihre Abentheuer, in Versen geschrieben Toni und ich haben ihr wieder so geantwortet ich mögte dir ihn mitschicken, wenn nicht allerley Explicationen nötig wären, um ihn ganz zu verstehen; Adieu lieber Arnim lebe recht wohl, ich wollte ich könnte mit dir Mündlich sprechen; ich bin immer noch unruhig obschon mein Herz sehr erleichtert ist, durch manches was ich hier erfahren habe von gewissen Menschen das beinah noch aerger und zu gleich höchst unwahr ist, mich aber gar nicht kränckt, weil es nicht Durch Dich kömmt. Bettine An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Zimmer Heidelberg
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Nr. 403
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Heidelberg d* 9 July 1808 Liebe Bettine! Ich hatte mir vorgenommen Dir nicht eher zu schreiben, bis ich von einem kalten Fieber, das mich bisher täglich heim^suchte, frey wäre; ich wollte Deiner Freundschaft alle Besorgnisse ersparen, aber der Schalk neckt mich länger als ich erwartete und nun fürchtete ich, daß Dir mein längeres Stillschweigen besorglicher würde als mein Bekenntniß. Vielen Dank für Deine Briefe, sie geben mir mitten im Trübsinn, der alles vergist, indem er alles von sich stösst, die angenehme Versicherung, daß ich an so vielem theil nehme: Deinen Fall vom Pferde wuste ich nach den beschriebnen Anstalten voraus, Du hast Dir doch keinen Schaden gethan? Hessen ist hier, ich hab ihn aber nicht gesehen. Werner der Theaterdichter hat mich mitten im Fieber in Bewegung gesetzt, er ist ein grund^guter liederlicher Bruder. Bleibe recht gesund. Dein Achim Arnim.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 9. Juli 1808, Sonnabend
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An Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi in Coppet Winkel oder Schlangenbad, vmtl. zweites oder letztes Drittel Juli 1808
L’ame a tant besoin de multiplier ses Joussances, et surtout la mienne, que peut-être j’ai paru étourdie ou je n’ai fait que montrer la liberté d’un coeur vraiment pur qui n’avait d’autre intéret vis a vis de vous que de gouter la grace et la douceur d’une familiarité innocente. Vous prétendez connaitre mon coeur et mon esprit, et vous ne savez pas, si je me suis moqué de vous! J’avais lu votre histoire de l’italie; l’enthousiasme qui y regne m’avait prevenu pour vous, quoique je n’y avais pas trouvé ce que j’aime le plus dans une narration historique: plus de faits que de pensées, plus d’individualité de faits, que de resultats moraux. voyez comme je suis franche! je vous conjure prenez cela pour de la naïveté; après votre [lettre] j’ai repris avec un noveau plaisir ce livre pour y demeler un peu votre caractere, j’y trouvais un esprit de bonté, qui très souvent vous a fait manquer au devoir d’un historien, l’orsque vous ne pouvez surmonter l’horreur que vous inspirent les cruautés des guerres; pourquoi montrer de la repugnance contre des 484
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faits qu’on ne peut pas proprement appeller moraux! Mais je demande pardon de tout ce que je vous dis la, je ne possede pas assés la langue française pour exprimer mes pénsées entieres, et je ne sais jamais dire que la moitié de ce que je voudrais. cest juste parce que je vous crois | audessus de ce que je pense, que je vous parle sans y penser. Je n’en sais rien, mais je crois que si je vous parlais, au lieu de vous ecrire, je n’aurais aucun scrupule de vous dire bien davantage au lieu qu’en vous ecrivant; ces peu de mots me paraissent deja trop hardis; quoique je vous suppose avant tout, un fonds d’indulgence pour moi. Dans une connaissance neuve il est impossible meme à la meilleure volonté de mettre dans la conversation toute la verité necessaire à la communication des idées un peu intimes; il faut qu’un certain tems se soit écoulé, et il est impossible de franchir les bornes que cette nécessité nous impose surtout quand on est reduit a la correspondance. Me comprénés vous, Monsieur? – je ne crois donc pas, que nos lettres nous serviront a nous reveler plus l’un a l’autre comme vous souhaité, cependant je serai flattée si vous voudrès bien, de tems en tems me donner de vos nouvelles, et garder de la bienveillance pour moi. Votre lettre m’a tant plu, que comme j’en peu faire ecrire, je ne me refuse pas de vous en demander davantage, et je vous repondrai si vous vous contentés de mon mauvaise français. Bettine. A Monsieur Monsieur de Sismondi. ches Made de Staël a Coppet franche ord Canton de Vaud en Suisse
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 12. Juli 1808, Dienstag
Heidelberg d* 12 July 1808 Mein Fieber ist ausgeblieben, liebe Bettine, und von der einsamen tiefen Nacht, der ich meinen Geist zu gewöhnen trachtete, scheint mir das Tages^licht um so heller. Ich überlese Deine Briefe und finde man485
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ches zu sagen, was uns nahe angeht. Du willst also nicht eitel seyn – und doch wärst Du vor ein Paar Jahren nicht so eitel gewesen, Dir alle Eitelkeit abzuleugnen. Vielleicht nennst Du es jezt Muthwille oder Spiel mit den Leuten, die dich stets anreizen, das Leben als herrlich durch sie zu erkennen, ich bin kein Moralist am wenigsten in Worten, ich wünsche aber – Deinem Muthwillen innre Freudigkeit, daß er andre zu ergreifen vermöge, Deinem Spiele mit den Leuten Glück, ohne welches kein Spiel lange gnügt, Deinem Leben aber ausser dem Herrlichen das Weibliche, was das Leere ordnet und frommt, ich wünsche das, nicht weil ich es bey Dir vermisse, nur weil des Besten nie zu viel gewünscht werden kann. Es ist viel zu heiß um über dergleichen viel nachzugrübeln, jeder sorge nur für sich, und wer wacht, daß er nicht schlafe. Ein alter wunderbarer Kerl, der beständig in einem zerrissenen Kleide von der Natur redet und von tausend Karlinen die er hätte, er rechnet nämlich alle seine Arbeit, die er ein leblang an einen kleinen Garten gewendet, brachte mir heute Kirschen von der Churfürstin, so beliebte er sie zu nennen, sie waren die schönsten, die ich je genossen und fragte mich, ob ich der Baron wäre und er hielte mich für einen rechtschaffenen Mann und er wäre auch einer könnte | wohl auch in guten Kleidern kommen, genug der Mann hat meine Eitelkeit sehr gerührt, ich schickte Dir gern von den Kirschen, wenn es anginge. Mit Werner habe ich den letzten Tag seiner Anwesenheit eine wunderliche Unterredung auf dem Schlosse gehabt, er hat mir sein System der Liebe aus einander gesetzt, tief ergreifend, weil man immer fühlte, wie er sich das Ganze nur wie einen Galgen aus Verzweiflung über Unglück erbaut hat. Daher immer die gräßliche Gewißheit mit der er zwischen ausrief: »Sie werden mich für einen Narren halten, es ist doch wahr, was ich sage, Göthe spricht von allem von Kunst und Wissenschaft, daß ich dabey ganz dumm zugehört habe, aber in mein System hat er doch nicht hineinreden können, er hat mir oft gesagt; sobald ich Ihnen zugebe, daß die Liebe das Höchste | so haben sie mich fest, das gebe ich aber nicht zu, sondern alles ist das Höchste. Nun nimmt er jede Natur als eine Hälfte an, die eine ist Kraft, die andre Zierde oder Zartheit, die suchen einander, und dieses ist die erste Periode des Suchens, während welcher nach ihm die meisten Irrthümer statt finden, wo Meisterschaft und Jüngerschaft sehr oft für Liebe angesehen wird. Das Erkennen soll nun immer gegenseitig seyn und bildet die zweyte Periode der Liebe, die eigentlich von Glück nichts weiß, diese schliest sich mit der Brautnacht und dann trit die dritte Periode der Meisterschaft und Jün486
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gerschaft, je nachdem eins von beyden Gemüthern in sich grösser. Ich übergehe eine Menge Betrachtungen, er kam aber mit einer Art Zuversicht darauf, daß seine Frau, die von ihm geschieden, ihn durchaus noch einmal lieben müsse. Von Göthe meinte er, daß er vielleicht nie geliebt, sondern immer in einer Art Meisterschaft | stehengeblieben wäre. Dann ging er zu den Liebessubstituzionen über, wobey er alle Art unnatürlicher Laster als blosse Bemühungen des Aufsuchens vertheidigte, ja über die Geschichte Christi mit der Magdalena und Johannes ganz verruchte Aufschlüsse zu geben meinte. Ich schwebte immer zwischen entsetzlichem Lachen und grosser Traurigkeit, wie er wieder von sich selbst anfing und versicherte, er schreibe eigentlich blos um dieses System zu entwickeln. Um ihm doch etwas widerzugeben, denn von meiner eignen Geschichte hatte ich nicht Lust loszulegen, gab ich ihm ein durchgeführtes System der Ahndung, das hatte wenigstens den Vortheil nie abzureissen und wo es trog, da war die Schuld nicht am Einzelnen sondern an der Weltgeschichte Herzlich der Deine Achim Arnim Fräulein Bettine Brentano zu Sandgasse bey H. Franz Brentano. Frankfurt a/M
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Winkel, 14. Juli 1808, Donnerstag
Winkel d* 〈〈1〉〉5 July Warum ich keinen Brief von Dir habe? ob Du mir nicht gut bist? oder ob Du krank bist? wenn das wäre; wenn ich es gewiß wüste, so wollte ich mir schon einen Weg zu Dir bahnen. kannst Du Dir denn nicht vorstellen daß es mich sehr traurig muß machen hier bei jedem Schritt an deinen ehmahligen Aufenthalt zu Denken. und nichts von Dir zu wissen, ja es kommt mir hart an hier still auf einem Fleck zu sizen, und zu warten, wenn ich auf diesen Brief keine Antwort bekomme so geh wahrhaftig wieder nach Franckfurth, denn hier ist mirs unmöglich so fort immer auf den Bothen zu warten, und immer umsonst, man kann 487
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Nachts nicht schlafen es ist zu heiß; da stehe ich denn, manchmal bis späth am Fenster und spinne mir Geschichten aus, die zwar nicht wahr sind die mich aber doch betrüben, wenn ich einen Brief von Dir hätte so wär ich Ruhig. Lieber lieber Arnim verzeih daß ich so kindisch bin, wenn ich nur weiß wie dirs geht so bin ich zufrieden und warte bis sich alles besser aufklärt. Morgen gehn wir nach Schlangenbad Savigny wird wohl auch bald dort eintreffen Lulu kömmt den Sonntag. Leb recht wohl! sey gesund und Vergnügt nur lasse michs auch wissen, küße mich weil ich bitte, und laß mich deine Hände küssen, lieber lieber Arnim! Bettine. Ich war noch einen Abend auf dem Rochusberg, und hab an dich gedacht, ich war allein in der Capelle, wenn Gott mein Gebeth erhörte, das recht aufrichtig war, so bleibst Du mir noch lange recht Gut, und ich behalte dich immer lieb. 1v
An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei hrn Buchhändler Zimmer in Heidelberg
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So ist denn der lezte Abend da, ich will vom Rhein Abschied nehmen, und in wessen Person kann er mir besser zu hören als in deiner, du der mit mir war der ihn mit mir von allen höhen begrüßt hat; Der Mond ist heut ganz späth und kaum halb erschienen Es ist alles ganz still und ruhig, nur ich nicht, mich kümmerts daß ich fort soll, ach dießmal ist es schnell strohm abwärts gegangen mit mir, wen grüße ich denn, wen küß ich denn, den Rhein oder Dich? wer ist denn mein lieber Freund, von Dir hab ich ein paar abgeschnittne Haar^locken, und ein Halstuch das sich nach deiner Abreiße noch vorgefunden hat, die hab ich schon hundertmal an mich gedrückt, Vom Rhein werd ich auch allerlei Andenken mit mir nehmen; den Morgen auf dem Rochus nach der betrübten Nacht. die Strafpredig auf der Premserin nun so nim 488
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doch alle Liebe an die Du mir in seinem Nahmen, und auch durch dich selber erweckt hast laß nichts verlohren gehen was ich hier gesammelt habe wie gut ich ihm jezt bin der dich auf seinem Rücken getragen hat den du so oft mit dem Ruder antriebst nehm allen allen Danck den ich ihm schuldig bin für ihn und tausend zärtlichkeiten und Küße; und sey mir gut in dieser stillen Nacht, vergesse; hab mich im Traum lieb Bettine An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei hrn Buchhändler Zimmer Heidelberg
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Winkel( ? ) Heidelberg, 16. Juli 1808, Sonnabend
Ich habe seit lange keinen Brief von Dir, ich habe inzwischen zweymal geschrieben, auch von Clemens weiß ich kein Wort, bald meine ich er ist bey Dir, dann wieder, daß er in Cassel den Staat organisiren hilft, damit seine Frau keine Stimme bekömmt. Deine Nachricht von ihrem Briefe an Moriz war sehr überraschend, denn einmal hatte ich ihm den Spas mit der Straßburger Reise oft wider^rathen, weil er für beyder Verhältniß ganz unziemend ihr späterhin Mißtrauen gegen alles, was er sagte geben muste und am Ende der Buchdruckergesell Treviranus der mit seiner Afrikanischen Reise alle gelehrte Gesellschaften anführte viel mehr leistete, zweytens aber ist es ein wunderbarer Abstich zu der ungeheuren Ergebenheit, die sie ihm in ihren Briefen log. Der glühende Sommer mag sie zusammenschmelzen, sonst seh ich keine Hoffnung. Ich suche meine Kühlung meist einsam an den Ufern unsres fast verschmachtenden Neckars, dem alle Knochen vorsehen, es ist ein ungeselliges Land hier, Zimmer ist krank, seine Frau kommt in Wochen | so macht sich jeder seine Gesellschaft selbst und ich werde nächst mit einer gelehrten Berliner Jüdin Bekanntschaft anknüpfen, die sich hier seit ein Paar Jahren umtreibt. Die Studenten sind ein eignes bequemes Völkchen, man fühlt ihnen gleich an, daß es ihnen lästig ist mit jemand umzugehen, der hie oder da um einen Stich tiefer in das gelehrte Wasser eingetaucht ist. Grimm ist ein guter einfacher Mensch, aber so sehr jung und unentwickelt geistig, daß er zuweilen 489
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das Symple berührt, nun habe ich eine Art Ehrfurcht vor solchen Characteren, weil eine räthselhafte Möglichkeit in ihnen zu schlafen scheint und ich mag so einen nicht gewaltsam wecken. Lieb wäre es mir, wenn ich fände, daß Kunstwerke ihn lebendiger berührten, aber die Brüder haben ihn so an das Nachahmen gewöhnt, daß er das Eigene kaum zu schätzen weiß, wo es schön ist.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Winkel( ? ) Heidelberg, 16. Juli 1808, Sonnabend
Heidelberg d* 16 July 1808. Von Savigny habe ich einen Brief, daß er gegen das Ende July’s nach Schlangenbad kommt, vielleicht tref ich auch ein mit Kreutzer, ich träume mir allerley Freude davon, träume ich doch alle Nacht und laß es mir wohlgefallen, denn da geht es mir gut. So oft ich mich anders wohin wünsche fühle ich doch, daß ich diese Berge immerdar vermissen werde, an denen ich so oft mein Auge und mein Gemüth gehärtet habe. Ein Engländer, der mit seiner Frau hier angekommen (der vermeinte Onkel Hessen, weil er in Hessens Quartier gezogen) hat sich an den Bergen einen Garten angelegt, den unten ein zierliches Lattenwerk, eine Art von Saal ließ, in dessen Mitte ein Springbrunn kühlt, die Aussichten sind hier selten so weit wie am Rhein, aber dieses | saftige Grün und die schönen Umrisse findet man dort nicht. Ich muß lachen, wie ich allmälig ein Stoiker werde, ich arbeite mit solchem Ernst an mir alle Unruhe, Sehnsucht, Schmerz zu ertödten, daß kein Feldherr so beschäftigt seyn kann, du wirst es mir deswegen zu keinem Vorwurf machen, wenn ich Deine Unruhe nicht sogar ernsthaft nehme, in einem Briefe sagst du, daß du nie wieder nach Winkel möchtest, im nächstfolgenden, daß Du mit Vergnügen hingehst. Ich weiß jezt was Worte sind. Es giebt einen Ausdruck der Zuneigung und der widerspricht sich nie und wie der Tag im Fortgehen sich erhitzt und dann wieder erkühlt und wieder erwärmt, so geht sie in gleicher Nothwendigkeit und sie steht über dem Menschen wie das Wetter und der Gläubige meint, daß jedes doch endlich wohlthätig sey der Welt. – Weil ich Dir keine andre Art von Grüssen bestellen soll, Achim Arnim Meinen Dank für die Notiz von Göthe. 490
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, 16./17. Juli 1808, Sonnabend/Sonntag
Schlangen^bad d* 16 July So war meine Ahndung doch richtig, daß Du Kranck seyst nun bin ich aergerlich daß mich diese Ahndung nicht noch mehr kümmerte; denn warum soll ich vergnügt seyn, wenn Du leidest? Ich habe heute deine beiden Briefe kurz hintereinander erhalten, bei dem ersten war ich schon halb entschlossen mit der Pauline Serviere die heute mit Lulu von Ems hier ankam, morgen nach Franckfurth zu reißen, und dort den Savigny zu plagen, mich nach Heidelberg zu bringen, ich dachte gar keine Schwührigkeiten dabei, in 2 mal 24 Stunden bei Dir zu seyn das war meine einzige Idee; wie hätte es mich erfreut, wie hätte es mich ergözt! ich hatte dir dein böß Fieber wohl durch die Ueberraschung vertrieben. jedoch bin ich immer froher daß dein zweiter Brief meinen Entschluß geändert, denn ich dachte erst Du habest mir nur sehr oberflächlich von deiner Krankheit gesprochen und du seyst wohl recht sehr Kranck. einen großen theil der lezten Nacht in Winkel hab ich am Rhein zugebracht, sie war über die Maasen schön, und ich hab dich sehnlichst zu mir her gewünscht wenn Dein Ahndungs System auch darauf besteht daß ein Mensch den andern mit Gedancken an sich ziehen | oder ihn rühren kann, so hast Du in der Nacht vom 14ten auf den 15ten, es gewiß durch mich gefühlt es war halb zwölf der Mond ging eben auf, ich saß allein auf dem feuchten Gras die noch mit waren gingen weiter weg; ich weiß nicht wie ich so Tief in Gedancken saß, daß ich dich bei mir sah daß ich mit Dir sprach und spielte, und daß ich so glücklich war dabei, daß ich den andern Tag noch mit Freude dran dachte, und jezt noch. Einen langen langen Brief hab ich indessen an Goethe geschickt nebst vielen einzelnen Blättern die ich während meinem Aufenthalt in Winkel an ihn geschrieben aber ich war so gestört dadurch daß ich keine Nachricht von Dir daß mein Brief selber, trocken ja beinah kalt war; er ist doch unendlich! unendlich – wie soll ich sagen, nun wenn er auch Ahndungsvermögen hat, so weiß ich, daß er oft an mich denkt. – Dein System von Werner ist mir wieder eine von diesen Unbegreiflichkeiten, wie das System der Naturansicht, das Schlosser von Tieck begehrte zu wissen, sehr sonder bar scheint es mir daß er gleichsam damit herum reißt wie ein Virtuos und darauf als auf einem Instrument über 491
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all spielt, denn schon in Frankfurth haben die Leute wo er gewesen von diesem Liebes System viel gesprochen. Es ist auch jezt wieder Mitternacht, und alle Leut | schlafen, und schnarchen sogar; soll ich dir denn schon gute Nacht sagen? oder soll ich noch bei Dir bleiben? soll ich noch schmeichlen – warum sagst Du denn heut nicht: es ist genug; warum schickst Du mich nicht fort, es ist schon so späth; wenns jemand merkte daß ich noch bei dir bin: – lieber lieber geliebter Arnim – sag in welche Periode gehört denn Dieser Kuß? und noch einer – Ich hatte den Kopf auf das Blatt gesenckt und – war ganz bei Dir. weil du kranck bist so muß man ja bei dir wachen, ich bleib noch – ach wie die Zeit so schnell vorübergeht – denn während ich dir ein Wort schreibe, denck ich 10 Minuten an dich. und nun machen die Mäuse so viel Lärm hier im Zimmer daß ich mich fürchte, und nicht allein seyn mag, deswegen bleib ich hier sizen bei Dir, obschon ich schläfrig bin. Es ist recht schön hier, Voigt ist auch da, heut waren wir lang draußen und haben zu sammen gesungen, Savigny erwarten wir alle Tage kommt den Kreuzer auch noch? dich schäm ich mich zu fragen. Jezt noch einen langen Abschied will ich nehmen, und dann ins Bett gehen. Gute Nacht mein lieb Leben, gute Nacht Arnim; deine Hand – und dein Mund – und dein Herz – Ach gelt es ist zu viel – es ist wohl grad wieder wie bei deiner GroßMutter! aber jezt zum lezten zum aller lezten mal: schlaf recht wohl – daß das Fieber nur nicht mehr kömmt, ich leg mich vor die Thürschwelle und laß es nicht ein. – ja ich lieg vor der Türschwelle meiner Freude aber wenn ich bei dir bin, dann bin ich auf genommen in das Hauß meiner Glückseeligkeit Dein Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 17. oder 18. Juli 1808, Sonntag oder Montag
Liebe Bettine. Zwey liebreiche Briefe von Dir erhalte ich an einem Posttage mich für die lange Entbehrung zu entschädigen; ich sehe daraus, daß Du keinen meiner drey Briefe erhalten hast, das macht das wunderbare Winkel, ich glaube die Posten nehmen da immer wie Göthe einen lecken Kahn, wenn sie überfahren, da gehen die Pakete verloren. Unter uns gesagt, das ist Göthes Geschichte von der Ratte mit dem lecken Kahne, die er vielen gern erzählt ungeachtet es eigentlich 492
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keinen Kahn giebt, der nicht einiges Wasser ein läst, es ist wie mit den Augen. Soll ich wiederholen, was in jenen Briefen stand, ich war vierzehn Tage am kalten 〈〈F〉〉ieber krank, nachher kam die grosse Hitze, so daß ich eigentlich noch immer einige Ermattung dav〈〈on〉〉 spüre und mein Leben hier ist jezt meist unerquicklich, die literarischen Arbeiten laufen zuende, wenn ich es einrichten kann komme ich mit dem Ende Julys nach Schlangenbad, das Heldenbuch, Brantome und das mythologische Wörterbuch sind meine Gesellschaft. Von Clemens weiß ich nichts, auch von hause habe ich keine Nachricht. Vorgestern ging ich an dem heissesten Tage so in Gedanken auf der Landstraße immer zu, ich wollte sehen, ob ich keinen bessern Ort zum Anbau entdecken könnte, so ging ich halb geröstet ein Paar Stunden, die Berge wurden immer schöner, die Hitze beschränkt eigen kaum konnte ich fortkommen von einem Hause, wo ich saure Milch fand, ich streckte mich auf die Bank, und wärst Du dagewesen, ich hätte Dich nicht fortgelassen. Weine nur nicht. Dein Achim Arnim An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben in der Sandgasse bey Frankfurt a/M H. Franz Brentano.
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An Johann Wolfgang von Goethe in Karlsbad( ? ) Schlangenbad, etwa 16.–30. Juli 1808, Sonnabend–Sonnabend
Nur das sey mir gegönnt – Und Ach es wird mir nicht leicht, es auszusprechen, was ich will, wenn mich manchmal der Athem drückt, und ich gern laut schreien mögte. es überfliegt mich zuweilen in engbegränzten Gegenden, wo die Berge übereinander klettern und den Nebel tragen, und in den tiefen kühlen Thälern die Einsamkeit gefangen halten; eine Art Jauchzen das wie ein Bliz durch mich fährt. Nun ja – das sey mir gegönnt: daß ich dann mich an einen Freund schließe, er sey noch so fern, daß er mir freundlich die Hand aufs klopfende Herz 493
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lege und sich seiner Jugend erinnere. – O wohl mir daß ich dich gesehen hab, jezt weiß ich doch wem ich angehöre, wenn ich suche und kein Plaz mir genügt zum Ausruhen. Etwas weist Du noch nicht, was mir eine liebe Erinnerung ist, obschon sie seltsam scheint; Als ich Dich noch nie gesehen hatte, und mich die Sehnsucht zu deiner Mutter trieb mancherlei von Dir zu erforschen – Gott wie oft hab ich auf meinem Schehmel hinter ihr auf die Brust geschlagen um meine Ungedult zu Dämpfen – nun ja! wenn ich da nach Hauße kam so sanck ich oft mitten im Spielen von Scherz und Wiz zusammen, sah mein Bild | vor dem deinen stehen, sich dir nähren, auf verschiedne Weise; ließ dich so gütig seyn bis mir die Augen vor freudigem Schmerz überflossen so hab ich dich durchgefühlt daß mich dein Andenken mit dem stillen Bewustseyn einer innerlichen Glückseeligkeit vielleicht manche stürmische Zeit meines Gemüths über den Wellen erhalten hat. Damals weckte mich oft dieses Bewustseyn aus dem tiefen Schlaf ich verpraßte denn ein paar Stunden mit selbsterschaffnen Träumen und hatte am End was man nennt eine unruhige Nacht zu^gebracht ich war blaß geworden und mager, ungedultig ja selbst selbst hart wenn eins von den Geschwistern zur Unzeit mich zu einer Zerstreiung reizen wollte dachte oft daß wenn ich dich jemals selbst sehen sollte was mir unmöglich schien, so würde ich vielleicht viele Nächte ganz schlafloß seyn. Da mir nun endlich die Gewißheit ward, fühlte ich eine Unruhe die mir beinah unerträglich war. In Berlin wo ich zum erstenmal eine Oper von Gluck hörte (Musick fesselt mich sonst so daß ich mich in diesen Augenblicken von allem loß machen kann) wenn da Die Paucken schlugen – lache nur nicht – schlug mein Herz heftig mit, ich fühlte dich im Triumpf einziehen, es war mir festlich wie dem Volk das dem geliebten Fürsten entgegen zieht, und ich dachte: in wenig Tagen wird alles was Du so ergreifst von Ausen in dir selbst erwachen, das Ringen nach Gefühl bei dem Schönen wird sich auflösen in seiner Gegenwart, und das Leben tausendfach in dir aufsprudlen – aber da ich nun endlich endlich bei Dir war – Traum! jezt noch – wunderbarer Traum! – da kam mein Kopf auf deine Schulter zu ruhen da schlief ich ein paar Minuten nach 4 bis 5 Schlaflosen Nächten, zum ersten Mal. siehst Du! siehst Du! Da soll ich mich hüten, vor Liebe und hat mir nie sonst Ruhe geglückt. An andre, an die ich mich angeklammert hatte und die ich glaubte zu lieben das wars nicht. – aber soll keiner sich hüten oder sich um sein Schicksal kümmern, wenn er das rechte liebt. seyn Geist ist erfüllt – was nüzt das andre? 494
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Wenn ich nun auch zu dir kommen wollte, würde ich den rechten Pfad finden unter tausenden die neben einander herlaufen. Ach Ihr Tiefen tiefen Gedancken kommt aus meiner Brußt hervor! sag ich mir oft; und meine ich hatte dir viel zu schreiben; aber ich fühl es in allen Adern ich will dich nur locken ich will ich muß dich nur sehen. Wenn man bei der Nacht im freien geht, und hat die Abendseite vor sich; am äusersten Ende des Dunklen Himmels sieht man noch das lezte helle Gewand, eines glänzenden Tags sich langsam abwärts bewegen; so geht mirs bei der Erinnerung an dich | wenn die Zeit noch so Dunkel und traurig; weiß ich doch, wo mein Tag untergegangen ist. – Ich habe selten eine Zeit in meinem Leben so erfüllt daß ich sagen konnte sie habe mich ergözt ich fühl nicht wie andre Menschen die sich amüsiren wenn ihnen die Zeit schnell vergeht, im Gegentheil es ist mir der Tag verhaßt von dem ich sagen kann: er ist mir vergangen, ich weiß nicht wie. Von jedem Augenblick bleibe mir eine Erinnerung, Tief oder luftig freudig oder Schmerzlich, mein Gemüth wehrt sich gegen sonst nichts, als nur gegen Nichts. – Gegen dieß Nichts das einem beinah überall erstickt – Vorgestern war ein herrlicher Abend! ganz mit dem glänzenden frischen Schmelz der lebhaftesten Farben wie sie nur in Romanen gemahlt sind, so ungestört Der Himmel war besaet mit unzähligen Sternen Die wie blizende Diamanten durch das Dichte Laub der blühenden Linden funkelten. Die Terraßen welche an dem einen Berge hinauf gebaut sind zu dessen Füsen die großen Badehäußer liegen, (die einzigen in dem engen Thal.) hat etwas sehr festliches und giebt zu gleich eine Art Ruhe, durch die Regelmäsigkeit ihrer Hecken die auf jeder Terraße ein Boßquet von Linden oder Nußbäumen umgeben, die vielen Quellen die unten rauschen machen es nun gar reizend. alle Fenster waren erleuchtet, die Häuser schauten wunderbar belebt unter dem Dunklen einsamen Wald des übersteigenden Bergs hervor. Die junge Fürstin von Baaden, saß mit ihrem ganzen Hof auf der untersten Terrasse und trank den Tee; drey Waldhornisten vom Manheimer Orchester hatten ihr eine Überraschung gemacht, und bliesen ganz herrlich in den Wald hinein, mir zugleich alle weltliche Gedanken aus dem Kopf, ich schlich mich leise hinauf zu ihnen, ließ mir nun die Instrumente so nah als möglich durchs Ohr in die Brust schmettern 495
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und dröhnen, recht mit Gewalt der Ansaz ihrer Töne war so weig die Verstärkung so almählig doch so mächtig daß es einem wahre Wollust war. Ich hatte allerlei Gedanken die man verwirrt nennen mögte; mir selbst wars als läge mir das Geheimniß der Schöpfung auf der Zunge, 90 der Ton den ich lebendig in mir fühlte gab mir den Glauben wie durch die Macht seiner Stimme, Gott alles hervorgerufen. – Ich ward endlich so ruhig! – so ruhig daß ich mich vielleicht selbst bei einer großen Gefahr nicht vom Plaz bewegt hätte; das Hofgeschwirre und die vielen Lichter von deren Wiederschein die Baume in grünen Flamen brenn- 95 ten trugen nicht wenig dazu bei; endlich ging alles weg, die Häußer wurden Tod, ich war allein auf der Bank sizen geblieben – ich wünschte mir nun einen schönen Springbrunnen unter die Bäume, mich und dich beisammen da niedersizen und unter dem Schuz des Geplätschers allerlei miteinander schwäzen was andre nicht hören sollen. 100 gelt ich meine es Gut mit Dir? – Warum Dir schreiben? warum nicht lieber vor dir stehen und dich küßen? wäre besser; – wär doch nicht so unbescheiden dir die Augen anzustrengen | gefiel Dir gewiß auch besser; Wie? 105 Kann ich doch nicht aufhören hab immer noch was zu erzehlen. Den lezten Tag den ich am Rhein zubrachte, ging ich am Abend späth noch, mit Begleitung der Haußleute in ein nahgelegnes Dorf um da noch etwas für die Abreiße zu bestellen. als ich am Rhein hinschlenderte sah ich von Ferne etwas flammendes herunter schwimmen, ich entdeckte 110 bald, daß es ein großes Schiff war, mit Facklen erleuchtet, sie erleuchteten bald hier bald da ein Stück Ufer, oft verschwand die Flamme auch ganz und ward alles Dunkel, es gab dem Rhein eine magische Ansicht die sich mir tief einprägte, an die sich selbst alles schließen wird, was ich dort erlebte, es war Mitternacht; der Mond stieg trüb hinter ei- 115 ner kleinen Anhöhe hervor, trug mit seinen zwei Hörnern eine Wolke die sich nach und nach über ihn ergoß. Dieß erschien ein paar Augenblicke sehr wunderbar, das Schiff dessen Schatten in dem erleuchteten Rhein wie ein Ungeheuer mit^segelte warf ein grelles Feuer auf eine Waldige Insel der sie nah^steuerten, hinter welcher sich der Mond so 120 mild bescheiden hervortrug, und almählig sich um die düne Nebelwolke wie in einen Schleier wikelte. man sieht so selten der Natur ruhig und bedächtig zu; erschreckt einem dann Marck und Bein; und nun sagt man daß es keine Zeigen giebt, und keine sichtbare Wirkung der Herrlichkeit Gottes! – Wie hätte er meinen Sinn sich inniger zuwen- 125 496
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den können? wie mich mehr von dem unbedeutenden was mich drückt lösen können? | als durch die höchst einfache scheinbar zufällige, aber kräftige Wirkung seiner Natur, die so ist, daß wie es der Zufall auch lenkt, er ihr immer eine große edle Erscheinung ablockt. auch hab ich gebetet in diesem Augenblick, und soll ich mich nicht schämen dir zu sagen daß dein Bild dabei heftig in meiner Seele brennte, daß mir dabei war als streckte ich nur für Dich die Hände nach Seegen aus, Ach lieber lieber! – wie soll ich dich denn nennen? aber wahr ists Du strahlst in mich wie die Sonne in den Cristal und kochst mich wie diese immer reiner und klarer aus. Ich hörte nun die Leute auf dem Schiff schon deutlich sprechen und zur Arbeit anrufen, sie ankerten an der Insel, löschten die Fakeln und wurde alles still, bis auf den Hund der bellte und die Flacken die sich in der frischen Nachtluft drehten. nun war auch ich besänftigt und wenn Du es erlaubst so legte ich mich in deinen Schooß um auszuruhen, streicheltest mich, hast mich recht gelockt wenn Du’s nicht übelnehmen willst, hasts recht gut gemeint wenns nicht Falschheit war; Wer wollte nicht an Erscheinungen glauben? hab ich doch noch am andern Tag mit innigem Genuß an diese Erscheinung gedacht. Nun wehr dich nur immer; schreib mir gar kein Liebeswörtgen. Du siehst du siehst. – O! O Ihr Engel des Himmels, O Ihr Geister aller Elemente haltet Ihn! haltet mir Ihn fest im Leben daß ich Ihn wieder seh; daß ich ihn nach meinem eignen strengen Willen lieben kann. Ich hab Dich lieber wie der Sohn die Mutter, wie | wie den Freund in dem Augenblick als er Dir das Leben rettet; Nun wie lieb hab ich dich denn? Leb auch wohl! Bettine Brentano Die Frau und alles grüße ich herzlich. von der Mutter hab ich die beste Nachricht. Schlangenbad: 30 July.
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Von Antonia Brentano nach Schlangenbad Frankfurt, 18. Juli 1808, Montag
Frankfurt den 18t July 1808. Du hast nun Liebe Bettine einen der schönsten Winkel der Erde mit einen der schönsten Bäder der Welt vertauscht, also wird dir ein Reitz eine Freude nach der Andern in stäten Wechsel zu Theil – Auch mir bringt jeder Tag etwas neues aber von andrer Art wie dir, denn wenn ich alte Zeiten zurückdenke finde ich sie bewährter und besser als die neuen, das mag aber daher kommen weil die alte Tony gesünder war, und weniger klug sein wollte als jetzt – Du hast auch wohl manches gelitten liebe Bettine aber du leidest allein, ich aber stehe in so natürlichen Zusammenhang mit meinen Kindern und was diese berührt ergreift das innigste meines Herzens, darum tadle es ja nicht wenn ich so bedächtig wähle und prüfe wenn es meine Liebste auf Erden betrifft deren Wohl ich so gerne ganz begründen möchte. Du hast recht Bettine ich habe mir alles, ja noch mehr gesagt als du mir über meinen George sagst, denn ich bin ja seine Mutter er ist mein Kind, ich habe alle Weege im Geiste gesehen die ihm offen stehen, es sind zum Theil englische Anlagen die sich schlängelnd wie Labyrinthe bilden, wenig Ruhplätze bey seinen Lebhaften Treiben, einige Aussichten ins freye Chaos von Disteln und bunten Pflanzen, und zuweilen auch | Abgründe die sich an seiner Seite öffnen, er geht zum Theil behutsam daran vorüber, stolpert über Steine und Wurzeln, auch reicht ihm ein gut meinender die Hand ihn von diesen Irrweeg zu führen, und unversehens ist er wieder auf den unrechten Weeg, bald fliegt ein bunter bald ein schlichter Vogel, bald eine Ephemeride an ihm vorüber die er haschen will oft auch hascht, und rechts knurrt eine Katze, links bellt ein Hund so war es bisher Bettine, so fürchte ich wird es leider noch bleiben George fühlt weit mehr als er denkt, denn sein Dencken ist jetzt nur ein vorübergehendes Spiel der Fantasie, oft ohne deutlichen Bewußtseyn, nicht aber ohne deutlichen Folgen, er hat Macht, fühlt übermacht und kann auf einen Boden wo ein im Leben geübter Erwachsener nicht immer fest stehen kann nicht gedeihen und seine Kraft entwikeln, denn die Sandgasse ist sein Clima nicht, wenn auch ein Wiesengrund sich ihm öffnen könnte ist die Aussicht durch Berge gehemmt, und die Naturregel wird durch hundert Dinge gedrängt die Ebbe zur Fluth, die Fluth zur Ebbe. Seine Anlagen, seine Neigungen bedürfen eine andre Richtung, H. Had. ohne das Ideal eines Pädago498
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gen zu sein ist doch fähig diesen Edelstein die erste Schleifung | zu geben, ihn von manchen unrath zu reinigen, ihn zu andern Fügungen vorzubereiten, ich habe mein möglichstes gethan, er will und kann ihn aber vor den Herbste nicht nehmen, weil sein Hauß über und über besezt ist, ich habe alle Beredsamkeit angewendet, und ich glaube mein Eifer und mein Heißes Verlangen meine Liebe, gab mir die Sprache eines Cicero und Demosthenes, aber er kann nicht früher denn er hat 15 Zöglinge im Hauße. Meine Begriffe über Religion muß ich dir nicht so geläutert gegeben haben wie ich es gewünscht hätte weil du mir sagst ich habe Besorgniß darüber bey Had. Glaube, Hoffnung und Liebe ist der Inbegriff aller Religionswahrheiten, und die Gründliche feste ueberzeugung dieser göttlichen Tugenden, die den Menschen allein zum Menschen machen, ist eine Wesenheit die ich um vieles nicht bey einen meiner Kinder besonders bey einen lebhaften Knaben vermissen möchte. Und mit so vollen Herzen und von Trähnen überströmenden Augen, einer Art von Krampfhaften Bewegung die durch die reizbarkeit meiner Nerven heftiger wird je mehr ich sie bekämpfen will stehe ich da, und du willst /was ich so gerne möchte!/ daß ich Franz beglücken soll da ich selbst so wenig beglückt bin – Dulden und Tragen und schweigen führt hier nicht zum Ziel, und der Zustand meines Gemüths mahlt sich immer ohne das ich es will in meinen Zügen – Morgen wenn ich ruhiger bin spreche ich mit Merkel, versteht er sich /woran ich sehr zweifle/ dennoch nach Winkl zu gehen so mache ich mich reisefertig, aber wie sehr ich mich für mich erhohlen kann um für die Kinder zu leben das weis Gott, es ist mir als würde vielleicht dort manches für mich zur Vollendung kommen, vielleicht ich und alles mit mir zur Ruhe. Gehe nicht, sagst du mit G. ohne respectirte Aufsicht nach Winkl, du müßtest ihn den ganzen Tag wegen der Hitze im Zimmer halten seine ungeduld würde aufs höchste steigen seine Faulheit grenzenlos werden, das muß dich zur Krankheit reizen, und wenn du krank bist sind deine Kinder verlassen und der ganze Zwek verfehlt – ja Bettine du hast das Buch meines Schicksals aufgeschlagen, ich habe nur zwischen diesen Bild zu wählen das du mir hinstellst, oder so zu bleiben wie du mich hier gesehen hast – Lebe wohl Bettine, ich zittre und bebe, und die Haare stehen mir zu Berge – o möchte dir nie so zu Muthe sein denke an Crothswith, unsre verirrungen im Wald, deine Guitarre auf der Strasse, die aventu499
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ren mit Gerning, Leonhardy Lache von Herzen, und wende deine Gedanken von mir ganz ab da sie dich so gar nicht erfreuen, ja vielleicht betrüben könnten Tony
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, vmtl. 19. Juli 1808, Dienstag
Lieber Arnim Ich wünschte nicht allein zu meinem Vergnügen sondern auch zu deiner Gesundheit daß Du sehr bald zu uns kämst, denn ich glaube immer daß du noch krank bist, hier wird dich das reizende unserer Wohnung sehr erquicken wie auch die Kühle, die in dem engen Thal ist Savigny ist ganz entzückt davon, deine Träume können sich auch wohl realisiren hier unsere Zimmer sind grade der Fürstlichen Wohnung gegen^über, worin jezt die schöne Prinzess Stephanie wohnt. – Von Clemens weiß hier auch niemand was, in Frankfurt behaupten sie für sicher daß er nicht bei Augusten ist, Moriz soll erst vor zwei Tagen Briefen von ihr erhalten haben worinn sie sich sehr beklagt daß er nicht bei ihr ist, das seltsamste aber ist daß Jordis ihr den Vorschlag gemacht hat, sie nach Cassel zu nehmen wenn sie kein Vergnügen an ihrem jezigen Aufenthalt habe, ich glaube dieß hat er gethan um die Lulu zu aergern Auguste aber die ihn nicht leiden kann hat es ihm abgeschlagen und gesagt sie dürfte nicht gegen den Willen ihres Mannes. Es geht übrigens hier nichts besonders vor da wir den ganzen Tag im Garten sind so werden sehr oft neue Bekanntschaften gemacht die mich indessen gar nicht interressieren, Lieber Feldherr trete Dich nur nicht mit Füsen wenn Du so arg mit Dir umgehst, ich selbst will keinen Spaß mit Dir treiben und will Dich nicht stöhren in dieser ernsthaften Arbeit, ich fürchte nur daß wenn du allen Schmerz und Unruhe und Sehnsucht ertödtet hast, so wird es dir großen Schmerz und Unruhe bringen solge Lieben ins Grab gebracht zu haben und die Sehnsucht nach ihnen wird Dich Doppelt quälen. Ich wollte Dir eigentlich einen langen Brief schreiben, da steht schon der Bothe hinter mir obschon es kaum 6 Uhr ist. Komme nur her Manheim ist kaum 12 Stunde von Mainz und Schlangenbad nur 4 Stunden von Da Morgen schreib ich ordentlich Bettine 500
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So eben hat Lulu Briefe von Jordis bekommen daß Clemens schon zwei Tage bei Grims in Cassel ist also nicht bei Auguste, was das zu bedeuten hat weiß ich nicht, mir scheint die Geschichte wie von jeher sehr langweilig fort zu fahren. Es macht mir Vergnügen dir so jeden Morgen ein Blättgen zu schreiben, Gestern hab ich einen der herrlichsten Abende erlebt, so wie ich sie mir oft vorgemahlt und in Romanen gelesen hab der Garten hat hier so was Festliches und doch so Still und so ruhig es ist eigentlich nur eine Terrasse mit großen Linden und beschnittnen Hecken^alleen, wir waren gestern in Schwalbach gewesen hatten uns da fürchterlich gelangweilt, als wir zurückkamen war es schon Nacht auf der Terrasse waren Lichter die Prinzesse Trank den Tee da und 3 Waldhörner in der Allee, es sind die von Manheim du wirst sie schon oft gehört haben aber so lieblich noch Nie der Himmel voll Sterne ich stand oben sah die Großen Linden nur von Unten in Grünem Feuer, neben mir stand ein junger Mann denn ich zwar noch nie gesprochen, aber von dem ich wuste, daß er ungeheuer reich geworden | war, durch das Unglück seine ganze Familie unter der Guillotine verlohren zu haben, solgen weichen Tönen schmiegt sich alles Unglück! das Hauß das ganz Tief in den Grünen Bergen liegt durchaus erleuchtet, die vielen Quellen die unten rauschen ich sag dir ich hab nie eine ähnliche Ruhe emfunden zu dem das Hofgeschwirre das sich auf der untersten Terrasse bewegte nicht wenig beitrug, ich hab dich auch hergewünscht nicht so wohl um mich sondern um dich. George ist so eben angekommen und hat die Prinzess auf ihrem Spazierritt auf Eseln begegnet dieß hat die alte Sehnsucht bei ihm wieder erweckt. der Both unterbricht mich schon wieder Nun leb wohl viel Worte darf ich ohne dem nicht mehr machen, denn Du weist waß worte sind. aber doch leb wohl Guter Guter Arnim, und komme her daß dirs noch besser als Wohl werde. Bettine 501
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 23. Juli 1808, Sonnabend
Heidl* d* 23 July 1808 Ich schreibe noch in aller Eile, liebe Bettine, Dir für so gütige Zeichen wie zwey Briefe kurz nach einander, wenigstens ein Lebenszeichen zu geben. So schnell, wie ich wünschte, kann ich nicht nach Schlangenbad kommen, unter manchen Gründen ist ein dringender die Correctur, nicht einmal ein Paar Tage kann ich mir abmüssigen um zu einem Bekannten auf das jenseitige Rheinufer zu wandern. Grüß Savigny und dank ihm für die Einladung, sag ihm auch, daß Kreuzer schwerlich kommen würde, sag ihm auch den Grund, nur möchte er nicht verrathen, daß ich es wiedergesagt, es ist nur, daß er ihn vielleicht durch die Versicherung mit ihm die Paar Tage ausschließlich sich beschäftigen zu wollen, noch zur Reise bewegt. Er sagte mir in seiner gutmüthigen zutraulichen Art: Ich bin ein alter Gelehrter und wenn ich zu Savigny komme so ist es eigentlich doch mein Vergnügen über allerley Dinge unsres Treibens zu reden, ihn ruhig und gemächlich zu hören, nun schreibt | er mir, daß die Brentanos alle da sind, da weiß ich schon aus meinem letzten Aufenthalt in Marburg, daß die um ihn her sind und ich ihn eigentlich nicht zu sprechen bekomme. Das habe ich ihm denn treflich zu widerlegen gesucht, daß Ihr alle durch Felder und Wälder laufen würdet, daß Savigny seinetwegen doch zuhause bleiben würde, aber es verschlägt nicht, nun wünschte ich beyden das Vergnügen sich noch einmal zu sehen, und so muß ich mich, um keine Zeit zu verlieren, gerade an die angeklagte Partey wenden. Du wirst seinen Grund nicht so unnatürlich finden, da er durch sein abgeschlossenes Leben immerdar alle Galanterie so eingeschlossen erhält, daß sie bey solcher Gelegenheit ihn nothwendig ganz und gar erfüllt und er dann eher von einem Unterrocke als von einer Ausgabe in der Verlegenheit reden würde. Gestern hatte ich ein besondres Vergnügen eine dicke prächtige Schauspielerin in unserm grösten Tanzsaale vor sieben Zuhörern deklamiren zu hören, denn leider hatten sich nicht mehr eingefunden, deswegen wurde auch kein Licht angezündet und zuletzt sah ich nichts als das Blitzen ihres Diadems, die Bewegung ihrer Arme und die trotzende Stimme. Noch drey Kinder, die mehrstimmig allerley Lieder mit der Begleitung in Lala durch Stimme absingen, die Kinder sind aus Speyer und kommen aus Ungarn hieher, sie geben nächst das Milch502
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mädchen. Noch einige Hamburger Damen, die sehr reinlich sind und immer Milch bey Essen trinken. Noch ein Jude, der mit seiner Bildung sehr lange schon beschäftigt ist, jezt aber die Welt construirt und zuverlässig den Christian Schlosser im Kunstgespräche zu Grund und Boden reden würde. Noch – ist kein Brief | von Clemens eingegangen, so daß ich wirklich besorgt werde, nicht weil ihm was übles zugestossen seyn kann, da hätte er sich wohl gemeldet, aber ich meine, er ist an einem Orte, wo es ihm sehr wohl ergeht und wo er alles vergist, vielleicht in Cassel. Meine Balsaminen blühen röthlich an dem klaren Stengel, einzger Lohn für tausend Mühen; schreib mir oft du guter Engel Achim Arnim Grimm, der die schöne Stephania hier gesehen, sagte mir eben als ich nach ihrer Schönheit fragte: Ach die ist garstig und wie hat sie geschrieen, sie ist mir und H. Brentano in alle Höhlen nachgelaufen beym Schloßgraben, so daß wir zuletzt thun musten, als besähen wir die Steine, der H. Brentano hat auch noch lange über sie geschimpft. Nein die ist ganz häßlich. – Ich muß doch wohl dem Mahler glauben, aber du bist auch eine Mahlerin. Neuer Zweifel! Gleicht sie der Feddinande An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben im goldnen Kopf bey H. Franz Frankfurt a/M Brentano.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, vmtl. 25. Juli 1808, Montag
Ein Tag vergeht nach dem andern, Morgens und Abends lauf ich bei jedem Wagen auf die Terrasse, und muß immer fremde Gesichter aussteigen sehen. wenn Du nicht hier her kämst so würde ich am End abreißen müßen ohne Dich gesehen zu haben, das würde mir sehr leid seyn und würde mich hindern den Savigny mit frohem Herzen zu begleiten 503
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Gestern ist Cristian hier Durch gekommen, er geht nach Wien er erzehlte daß der Pfarrer Mannel sehr viel von den schlechten Scenen zwischen Auguste und Clemens habe leiden müssen, er habe sich gleich nach zwei Tagen von ihr getrent und sey im Unmuth nach Cassel gegangen Cristian glaubt nun selbst nicht mehr daß je was daraus werden könne. Dem Savigny hab ich den Faust vorgelesen er hat seine Rührung dabei zum theil durch reflectionen verwunden. so eben hör ich daß Kreuzer ihm geschrieben er würde nicht nach Schlangenbad kommen konnte Dieß für dich auch ein Anlaß seyn? Lieber Arnim wer weiß wenn Du uns je wieder so beisammen trifst? Savigny hat schon ein Zimmergen für dich zurückbehalten das kleinste aber auch das einzige was noch zu haben war es hat 3 Fenster, ein jedes geht in eine andre Waldgegend. die Bäder sind so lieblich die Häuser stecken ganz in Linden und Nußbäumen es ist kühl auch bei der grösten Hize, weil es so tief im Thal liegt und auf den Spizen der Linden brummt und Summt es voll Bienen. Du hast ja so liebe Träume von deinem hiesigen Aufenthalt? ich bin selbst begierig wie wohl es Dir werden wird; Du bist auch noch Matt es ist dir selbst nötig daß Du Dich wieder erholst in einem lieben Umgange. ich will von mir nicht sprechen, aber die | andern alle haben Dich so lieb, bei jedem Brief den ich von Dir bekomme werde ich gefragt wann Du ankämst, sie laufen alle wenn sie eine Postkutsche sehen, und rufen daß ist Arnim! ja es erstreckt sich sogar bis auf die Mägde Apropos unsere Lisbeth! sie dauert mich allein sie wird wohl bald abziehen müssen, Meline ist nicht so Nachsichtig wie ich in solgen Fällen, sie hat nehmlich allerlei Galanterien mit einem Kammer Diener der Prinzeß und Du weist die Liebe macht Stolz; da will sie denn nichts mehr thun und ist auch zuweilen ein bisgen schnippisch wenn er hören kann wie sie von Meline zu recht gewiesen wird. Daß ist nun ganz Natürlich, aber Recht geht vor Natur, es thut mir nur leid, weil sie dich immer so freundlich bediente; das war aber auch nicht umsonst. vielleicht ändert sichs noch Adieu lieber Arnim, Adieu lieber Freund, gelt ich seh dich bald Bettine.
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27ten July So bin ich einfältig 〈〈un〉〉d meine immer wenn ich nicht gleich Antwort von Dir habe, Du müstest Krank seyn, so bitte ich Dich darum geb mir ein paar Zeilen Antwort. Toni wird in ein paar Tagen in Winkel seyn wenn Du nicht her kömmst, so besuche ich sie denn sie ist sehr melancholisch und dauert mich. lieber Freund ich kanns nicht glauben daß ich dich nicht mehr hier sehen soll, es ist ja die ganze Reißse in 8 bis 10 Stunden gemacht, nun laß mich nur wissen daß du gesund bist. Bettine
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An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei hrn Zimmer fr: Francford Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, 27. Juli 1808, Mittwoch
Von Ludwig Achim von Arnim nach Schlangenbad Heidelberg, 27. und 28. Juli 1808, Mittwoch und Donnerstag
Heidelberg d* 27 July 1808. Ich habe wieder einen Brief von Dir mit der Erzählung eines angenehmen Abends, ich brauche die Kühlung des Abends um an Dich zu schreiben und so wird sie mir angenehm. Reitst du jezt auf schönen Eselinnen, oder gehst Du mit der Stephanie? Oder mit dem Unglücklichen? Denk Dir heute ist eine ganze Damengesellschaft mit Ochsen auf den höchsten Berg gefahren, als sie oben gekommen, hat die eine ein Paar Ochsenhörner für die Monds sichel angesehen. Ich war nicht dabey, denn man kennt mich hier nicht viel, ausser in der Druckerey und am Wirthstische, dies geht so weit, daß in einem dicken Buche was unter andern auch gegen die Einsiedler Zeitung gerichtet ist, alles, was ich gemacht habe, der arme Görres entgelten muß, so daß ich endlich genöthigt werde, mich öffentlich zu nennen, nun ich sie bald aufzugeben denke. – Tieck will in kurzem hier seyn | es macht mir Freude, daß 505
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einmal einer wieder herwill, sonst will alles nur fort, ich habe eine mächtige Sehnsucht nach Schlangenbad und die schönen Berge mit ihren dunkelgrünen Wipfeln und hellgrünen Füssen vor mir scheinen mir wie ein böses herabgefallenes Meteor, das den Weg verschüttet.
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Ich hatte den Brief einen Tag liegen lassen, um Dir etwas mitzuschicken, was aber doch nicht fertig geworden, da kommt Kreuzer morgens und sagt mir, daß er am Mittag fortwill, ich bin den Morgen gelaufen von Pontius zu Pilatus, hoffend und fürchtend, muß es aber endlich aufgeben, weil ich sonst genöthigt gewesen wäre so wie Kreuzer nur einen Tag bey Dir zuzubringen, das wäre doch härter als gar nichts gewesen, den vierten denke ich bey | Dir zu seyn, alles Unvorhergesehene abgerechnet, in diesem Augenblick fühle ich mein ganzes Gemüth beruhigt, aber erschöpft, nachdem ich mit dem Schicksale mit dem Wunsche hier fortzugehen, ausgerungen habe, wie Jakob hab ich gerungen mit Gott, aber nur einen Vormittag statt einer Nacht. Ich beneide Kreuze〈〈r〉〉 um die Freude euch alle schon morgen zu sehen. Eben erhalte ich ein kurzes Brieflein von Dir, Du bist besorgt, daß ich krank bin, Du hast also meinen unterdeß abgesendeten Brief erst später erhalten. Dein Dein Achim Arnim An F. Bettine Brentano zu Schlangenbad
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, 1. August 1808, Montag
Schlangenbad d* 1 Aug Zu jeder Stunde wünsche ich dich her Arnim und reut mich jeder Tag, der ohne dich hier vorübergeht. Die Prinzeß Stephanie ist schon seit ein paar Tagen weg, und der Prefeckt von Mainz in ihr Logis eingezogen. wenn Grimm sagt daß sie garstig sey so glaube ich eher daß er eine alte Hofdame für Sie angesehen hat, vorgestern sind wir auf Eseln nach 506
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Rauhenthal geritten ein Ort von wo man alle Rheingauer Orte und Pläzze endeckte, wo man zum Theil so vergnügt mit einander war; Voigt ritt voran, Marie, Gundel Lulu und ich, wechselten auf zwei andern ab, es sah wircklich ganz lustig aus; ein jeder Esel hatte noch einen Führer wenn eine Wasserpfüze kam fürchtete sich jeder der Esel mögte ihn abwerfen, die Reise ging durch einen lustigen Eichenwald. in Rauenthal auf der Aussicht reizte uns der Rhein so, daß wir zum theil beschlossen nach Winckel zu gehen die Tonie besuchen. es war schon Abends 6 Uhr Gundel Savigny ein Freund von ihm, Meyrers; und ich, kletterten die Berge herunter gelangten nach Sonnen^untergang in Erbach an, sezten uns aufs Schiff, waren alle Wolken blau und rot und weise Schäfgen recht wie ein Kristkindges Himmel bei Mittelheim hielten wir ein groß Gespräch auf dem mitten Rhein vermittelst eines Sprachrohrs mit der Lote Serviere die am Ufer war, in Winkel war niemand zu Hause wir versteckten uns in die 3 Zellen im Saal, als sie kammen, kam eins nach dem andern heraus es ist nicht mehr so schön wie damals – ich seufzte wieder weg zu kommen und bereute den schlechten Einfall, denn auch hier verfolgte uns wie Malborough den Engländer, die Kinderzucht von Tonie, die beinah einem jeden unausstehlich ist, in großem Sonnenbrand fuhren wir gestern zurück, stiegen in ein Bad tanzten und lachten darin spielten Comödie, (die Bäder sind wie Cabinete) warfen das helle Wasser mit den Füsen in die Luft daß mans vor Vergnügen lachen hörte, als wir heraus kamen, wollte der Mond eben hinter den Bergwald steigen ich ging mit Savigny auf der Terrasse hielt allerlei angenehme Gespräche mit ihm Er mit mir wünschten dich sehnlichst zu Uns, Savigny behauptet nun noch nie einen Ort gesehen zu haben der so viel Caracter und feste Bildung habe der Ort mache ihm einen Eindruck, wie in den Kinderjahren sich einem Gegenden unendlich reizend einprägen, wir wünschten immer du mögtest Nachts ankommen weil es dann gar lieblich hier ist. also bis Donnerstag? An Goethe hab ich vorgestern einen langen Brief abgeschickt. Adieu nur auf kurze Zeit Bettine
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Von Catharina Elisabeth Goethe in Frankfurt Frankfurt, 28. August 1808, Sonntag
Liebstes Vermächtnüß meiner Seele Das ist einmal ein gar erfreulicher Tag für Uns, denn es ist unseres lieben meines liebsten Sohnes, und deines Bruders Geburtstag ich weiß zwar gar wohl daß du es gar nicht leiden kanst daß ich dir als Bruder schenk aber warum? – ist er dir zu alt? – da sey Gott vor, denn ein so kostbarer Stoff wie in diesem seinem Leib und Seele verwirkt ist der bleibt ewig neu, und ja sogar seine Asche soll einst vor andern das beste Salz haben an die eine Mutter absonderlich am Geburtztag zu denken Bedenken Tragen möcht, aber wir zwei sind nicht Abergläubig, und für seine Unsterblichkeit schon dergleichen Ängstlichkeit überhoben. Ich vorab hab gewonnen Spiel denn in diesem Jahr zähl ich 76 jahr und hab also den Becher der Mutterfreude bis auf den letzten Tropfen gelehrt; mir kann nicht unklücks-Schicksal aufgeladen mehr werden. – Doch ich muß dir zutrinken, denn mein Lieschen hat mir alleweil den besten Wein heraufgebracht und eine Boutelle Wasser, denn du weißt daß ich ein Wassernympf bin; und zwey Pfyrsich sind daneben, der ein für dich, der ander für mich, ich werd sie beid verzehren in deinen Nahmen, – und jezt stoß ich mit dir an, E r s o l l L e b e n ! Dann wollen wir weiter sprechen. Du wirst doch auch wohl heunt an irgend einem plaisirlichen Ort seine Gesundheit Trinken. – Jetzt sag ich dirs, es hat geschmeckt – ja es ist recht einsam in deiner und meiner Vatterstadt! – das hab ich mir heunt überlegt beim Aufwachen; die Sonn hat geschienen aus allen Kräften, und hat mir bald zu heiß eingefeuert, aber sonst auch nichts hat geschienen; Heunt Morgen kommen ein paar – keiner denkt daran daß ich Mutter bin Heunt. – Nun! – dacht ich, was ist das vor ein ärgerlich geschicht daß meine Bettine nicht da ist – denn die hätt mir gewiß den schönsten Strauß heunt gebracht, – so ein recht herrlicher Strauß wie im vorigen Jahr da warst du noch nicht 3 Wochen mein Täglich Brod, und warst doch schon meine beste Bekanntschaft von allen die ich aufzählen kann. – Den Federkiel in die Hand nehmen und mühsam zackern, das ist nicht meine Sach da ich lieber im vollen Waitzen schneiden mag und lieber erzehl als schreib; aber für den heutigen Tag und diese Emfindung in meiner Brust ist Kraut gewachsen dem muß einmal mit einem verdienstlichen Schweiß sein Recht gethan werden. Die Plapper Elstern die Stadtmadamen was verstehen die von unsern goldnen Stunden die wir mit einander verplaudern, die sol508
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len daran kein Theil haben, aber du sollst und must dein Theil genießen sonst könnt mirs Herz bersten, jetzt hab ich schon in der Früh wie meine Stube ganz vom Morgenroth durchschienen war an dich gedacht und da ist die Lieschen an mein Bett gekommen die hat gesagt wie Schad es ist daß du in der Ferne bist an so einem schönem Tag; ich hab ihr aber Bescheid gesagt daß einerlei ist wo du bist wirst du deiner Freundin deiner Mutter die dich gern zu ihrem Sohn zehlt und schon daran gewohnt ist schriftlich wie mündlich es dir zu repetiren an die wirst du denken heut und mit ihr Gott danken daß der sie so gnädig bis ans End in ihrem Antheil an den Himmlischen Freuden einer Mutter geschützt hat. – was kann ich dir noch hinzufügen? – – – daß ich Gott auch für dich dank als meine Beste Freud hier auf Erden in der mir alles genossene aufs neue lebendig geworden ist; das ist, Erstens – und dann zweitens hab ich dich in mein Herz geschlossen; apart, weil du nicht zum Narrenhaufen gehörst und hast dich zu mir retirirt als weil ich allein einen rechten Verstand von dir hab denn du gehörst zu der Art die mir Seel und Blutsverwandt ist; – die wird aber nicht so leicht gefunden und auch nicht gekannt. so nehme doch meinen Dank daß du deinem Wegweißer der Gott ist gehorsam warst, und hast dich nicht gewehrt bei einer alten Frau, so jung wie du auch bist dein Lager aufzuschlagen; – und erkenne in diesen schwachen Zeilen mein zu volles Herz, das mit Sehnsucht deiner baldigen Ankunft entgegen schlägt. Ich kann nichts mehr hervorbringen und verspare alles auf eine baldige köstliche mündliche Unterhaltung. Behalt Lieb deine dich ewig liebende Mutter Goethe Frankfurt am acht und zwanzigsten August 1808. Adresse: An meine Liebe Tochter Bettine Brentano abzugeben durch Güthe in Winkel.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 28. und 29. August 1808, Sonntag und Montag
Sontags Kaum kann ich die Feder halten und ob meine Zeilen gerade werden mag das Schicksal vorsehen, auch daran bist Du schuld, ich muß dir nun einmal vorpredigen, weil es Sontag ist, du weist wie sparsam ich sonst damit bin. Auch daran bist Du schuld, daß ich Clemens verfehlt habe, der in der Nacht wie ein schwarzer Stern unsichtbar mir vorüber gefahren, denn wärst Du nicht in Frankfurt gewesen, ich hätte mich eilendes Fusses auf die angespannte Postkutsche begeben einen Tag früher und wäre vielleicht morgen oder über morgen wieder bei Dir. Was habe ich hier für die liebe Gewohnheit Deines Umgangs, für die gute Sitte der Gegenden sich immer neu zu zeigen, wenn Du auch Lust hattest sie in eine Farbe der Betrachtung zu stecken. Glaube nur, daß ich alles genossen, wo ich auch kein Ausrufungszeichen beygesetzt habe, ja ich möchte | das erst grazios nennen, was bey alles Schöne erinnernd vom Winterschlafe erwacht und sich daran fest hält, o ihr tausend bunten Fliegen der Wagen ist euer Himmel und darum wollt ihr nicht weichen, wenn ihr auch lästig und störend seyd. Heute bin ich doch der Erste der schreibt, aber weiß ich denn, was du machst, abwechselnd denke ich dich, wie ich dich so abwechselnd gesehn habe, vielleicht muß ich es thun, vielleicht thu ich es aus gutem Willen. Ja so gehts in der Welt, wirst Du sagen, ich will Dir aber sagen, wie es geht; Clemens hat nach Ansicht eines Merianischen Kupfer stichs von Landshuth keine Lust dahin, wenigstens ist er sehr zweifelhaft; Hin und Rückreisen mit Sack und Pack (die Frau ungerechnet) würde ihm vielleicht tausend Gulden kosten, und die braucht jezt für | acht Thaler Haarwickeln, isst nichts als Quetschenkuchen, geht im Hemde umher, über alles das sind tägliche Prügeleyen ausgebrochen, in dieser Gattung Tacktes war auch die Abschiedsmusick. Dies ist der ausgepresste Saft aus sehr faserigen, verwickelten Historien, Gott weiß daß mir Clemens dabey sehr leid thut, aber wo Hülfe als in ihm. Wahrscheinlich nimmt er die beyden Stückfaß Wein an, da auch Görres durch allerley Geldrücksichten gezwungen ist nach Coblenz zurückzugehen, was mir herzlich leid thut. Vieles in Deutschland kränkt mich bitterlich, vor allem aber, daß so viel brave Leute nicht an ihrer rechten Stelle stehn – 510
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Montags Ich habe meinen Brief noch einen Tag liegen lassen, weil ich einen ganzen Luftsack kühner Pläne und Hoffnungen mir vollgeblasen hatte, der in allerley | wunderliche Musick ausgeströmt wäre. Schwarz reist morgen nach Trages und ich wäre gar gern mitgereist (wenn ich es irgend möglich machen kann thu ich es gewiß noch) vielleicht könnten wir Dich mit dahin entführen, mich hält es aber an tausend Enden Es kamen hier viele Franzosen durch, die freilich für jezt nach Frankreich zurückzugehen scheinen, aber wenn der Krieg ausbreche wäre ich bange um euch, Savigny sollte seine Reise noch aufschieben, bis er nothwendig dort seyn muß oder die Umstände sich entschieden äussern; auch darum möchte ich gern zu ihm, diese Nothwendigkeit ihm zu beweisen. Mein Kopf arbeitet sich an diesen Plänen ab und daran bist du wieder schuld. und so kann ich Dir durch aus nicht freundlich schreiben. Doch bring ich meiner Lieben einen guten Tag Arnim
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 29. August 1808, Montag
Ein paar Worte muß ich dir schreiben, es dürfte wohl sonst noch zwei Tage dauern bis Du Nachricht von mir hättest, in diesem Augenblick will ich nach Trages um den Clemens Dort zu sehen komme aber wo möglich heute noch zu rück, nachdem Du fort warst ist mir dein Geheimniß noch von andern Seiten offenbart worden. Es sollte mir in mancher Hinsicht leid seyn wenn er es annähme der alte Flavigny hat immer so auf ihn geschimpft und er kann sich gegen ihn nur erhalten, so lang er in keine Verbindlichkeit mit ihm kömmt, wenn er aber erst ein halbes Jahr seinen Wein getrunken hat so wird das übel enden. Die Alte wird wohl sterben ihr Ansehn ist sehr betrübt es macht mich immer traurich sie zu sehen, und doch kann ich es nicht lassen. es wird bald heisen sie ist todt seit dem Du weg bist hab ich noch keine Nacht geschlafen, die Durchwandernten Truppen haben mich verhindert da hab ich viel an dich gedacht es hat mich gefreut wieder ein511
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mal mich so bestimmt nach dir zu sehnen. Adieu lieber einziger! ich muß fort Bettine 1v
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 30. August 1808, Dienstag
Gestern war ich in Trages hab da Den Clemens geholt welcher von hier nach Allendorf gereist ist um da seine Frau zu hohlen er will von Flavignys Vorschlage nichts wissen und hat auch sehr recht denn es ist sein Brief so merkwürdig Grob geschrieben daß er gleichsam Die Annahme der Anbietung verbietet Ich habe deinen Brief heute Nacht bei mir schlafen lassen weil so viel Guter Wille darin ist ich will lieber diesen annehmen als das Muß. wenn Du wiederkömmst so wird mir es doch seyn als ob ich dich in Ewigkeit nicht gesehen hätte; die zwei ersten Nächte ließen mich die durchwandernden Truppen nicht schlafen sie machten schöne Musick durch die Straße und zogen meine Gedanken mit sich in den Krieg wo ich Feldprediger ward und die halbe Nacht eine herrliche heroisch fromme Rede hielt ich war selbst so entzückt daß ich am End mit Thränen die Kanzel verließ, und mich endlich höchlich betrübte mich in meinem Bett zu befinden, stadt drausen im Dunklen Morgen ungedultig den Tag zu erwarten an dich hab ich auch viel gedacht aber nicht weil ich wollte sondern weil ich mußte, besonders vorgestern Abend wo ich ganz allein war, das Licht flackerte in meinem Zimmer, die Thüre Stand offen, ich ging von dem Zimmer auf die Altan, da saß der Docktor und betrachtete eine Raupe im Mondschein von da ging ich der Stieg herauf durch das ganze Hauß über den Hof wieder in mein Zimmer zu sehen ob mein Licht noch ordentlich brenne, dann | fing ich meine Wandrung aufs neue an nur um mich vor Gedanken zu hüten welche mir den Tag alle sehr schmerzlich waren es fiel mir diese Art mich zu trösten auf, da ich mich erinnerte in der ersten Zeit wo ich hier war 512
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beinah ein halbes Jahr die Abende so zu gebracht zu haben da es mir unmöglich war nur ein paar minuten in der Gesellschaft zu seyn und ich immer die Ecken des Hauses mit Schritten maaß. Arnim ich glaube Du hast ein eigensinniges Echo im Leibe daß Dir immer nach Willkühr gewiße Worte die du von andern hörst repetiert so hab ich zum Beispiel gewiß nicht so oft Gratios gesagt, und nun läst Du es noch schallen von Heidelberg bis Frankfurt. – Heute Morgen habe ich den Jungen Türckheim wieder gesehen von dem ich dir erzählte daß ich 4 Tage in ihn verliebt gewesen war, er ist noch eben so hübsch und Gut und rennt mit aller Unschuld den Spaniern in den Rachen. ich glaub wir werden ihn nicht wieder sehen. heute Nachmittag fahre ich mit ihm und einem Amerikaner welcher von da nach England gereist war um einen verrathnen Freund zu rächen, nach Rödelheim, dieser sieht sehr sonderbar aus, mit scharfen weisen Zähnen, und einem einzigen Strich über den Kopf von schwarzem wolligem Haar übrigens ganz kahl. Meine Neuigkeiten sind alle nun hab ich noch zwei Seiten um Dir lauter Lieblichkeiten zu sagen, lieber lieber Arnim, ist dir das | nicht zu viel, hab ich es nicht hundert mal mehr gesagt als: grazios, meine zudringliche Ausrufungen, mögen dir oft langeweile verursachen, sie kommen mir manchmal vor wie Die Ephemeriden auf dem Rhein die mit ihrem hin und her fliegen einem die ruhige Ansicht der Landschaft oder des Sonnen untergangs durch schneiden so kommen mir auch meine überflüssige Liebkoßungen vor; und doch! will ichs lassen so kann ich nicht. komm doch und laß mich nicht so lange warten, alle Morgen solltest Du da seyn zum Früstück, daselbe paßt mir ohne dich an wie ein paar neue Schue und behagt mir nicht; Du solltest auch da seyn Abends zum Nachtessen und dann zum plaudern und dann zur Guten Nacht. ohne gute Nacht geh ich schlafen und ohne Guten Morgen steh ich auf, wenn du nicht Da bist, wie kann mir der Morgen gedeihen wenn er nicht Gut ist und wie kann ich die Nacht ruhig schlafen wenn sie nicht gut ist, ich bin nicht an allem schuld daran bist Du schuld, und deine Schuldigkeit ist es das zu bestehen was Du schuldig bist, ich werde mich aber am End mit Wucher so bezahlen daß ich mich aufs aller äuserste gegen Dich verschulde; Ich will lieber doch zurück halten mit meiner Zärtlichkeit und will die lezte Seite zum Couvert brauchen, leb indessen wohl annehmlichste Erquickung meines Lebens werd mir nicht überreif du liebe herzlabende Frucht dort an deinem heidelberger brandigen Schloss, fall 513
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nicht zu früh herab warte besser bis ich da 〈〈xxx〉〉 du sollst dich nicht anstossen. Clemens wird in 3 bi〈〈xxx〉〉 daseyn Bettine 2v
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, Anfang September 1808
Weil Du nicht schreibst so glaube ich, daß Du bald wieder hier seyn wirst; es wird mich sehr freuen das ganze Hauß ist so wüste hochstens sieht man zuweilen noch den Dockter Schlosser wie eine verlöschende Nachtlampe in einer Ecke bei Claudine oder Meline gestern erzehlte er mir es sey ihm ein Schrecken Durch alle Glieder gefahren er habe einen Brief von seinem Bruder, der sey schon seit zwey Tagen auf dem Weg nach Rom, mir fuhr darüber der Aerger durch alle Glieder. Komm doch nur bald daß ich mich noch zum aller aller lezten mal in deine Arme lege und leb wohl, was soll und kann ich dir noch von Liebe sagen was Du nicht gewiß von mir weißt alle liebe Nahmen in der ganzen Welt hab ich dir schon geben nur Küsse kann man wiederholen und daß war dir ja zu weilen schon zu oft Bettine An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Zimmer Heidelberg
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Von Wilhelm von Türckheim nach Frankfurt Windesheim, 7. September 1808, Mittwoch
Windesheim bei Kreuznach den 7ten September 1808 Ich benuze einen Augenblick Ruhe in einem kleinen Baurenhause, um Ihnen zu beweisen wie viel ich Werth seze auf Ihre Erlaubniß, an Sie zu schreiben. Es ist unterwegs, ungeachtet der Müdigkeit die mich offt überfällt, der einzige Trost für mich, mit Personen mich zu unterhalten die mir so viele Beweise von Theilnahme und Freundschafft gegeben haben. Unter diesen Personen spielen Sie Bettine, eine große Rolle; und ich habe es obendrein so wenig um Sie verdient, daß ich offt nicht begreifen konnte wie ich dazu kam Ihre Freundschafft zu erwerben. Das Schicksal hat mich vielleicht durch diese Art von Glück entschädigen wollen für die vielen albernen Streiche die es meiner Meinung nach, mir schon gespielt hat. Und freilich ist diese Art von Entschädigung die genügendste die ich nur erwarten konnte. Seyen Sie überzeugt daß ich nie glauben würde sie theuer genug erkaufen zu müßen. Aber ich spreche immer von mir; es giebt ja nichts egoistischeres und langweiligeres. Mein Brief wird Sie vermuthlich nicht mehr in Frankfurth antreffen, nach dem was Sie mir von Ihren Reiseplänen sagten. Wenn Sie Ihrer Idee folgen so entfernen wir uns immer mehr, Sie gegen Osten und ich gegen Westen. Möge mich mein guter Stern bald wieder in diese Gegend führen an der alle meine Wünsche und Gedanken hängen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen wie ungern ich über den Rhein gieng, und dies zum ersten mal. Es kömmt mir alles so engbrüstig, kalt und unfreundlich vor, ob wir gleich noch in einem teutschen Lande sind; und dies wird immer zunehmen, je tiefer man ins innere Frankreich eindringt. Daß diese Nation die eine der verdorbensten ist, die ganze Welt demüthigen muß, und daß die ehrlichen Teutschen so ganz ihre Existenz einbüßen müssen! Ich ärgere mich alle Tage darüber, mehr wie vielleicht mancher Teutsche. – Wir ziehn nun gerade zu nach Spanien, wo vermuthlich noch weit mehr Elend auf uns | wartet, wie in Polen. Sagen Sie Madame Jordis ich werde mein Möglichstes thun, um ihren lieben Spaniern so wenig wie möglich Uebels zuzufügen. Indeß fürchte ich daß wir weniger mit Feinden in offenem Feld werden zu thun haben, als mit Messern und Gifft; und so gleichgültig mir sonst das Leben ist, so ungern würde ich es doch auf einer der beiden lezten Arten einbüssen. 515
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Ich bin heute so beschäfftigt und so müde, liebe Bettine, daß es mir unmöglich ist fortzufahren; weit besser wäre es gewesen ich hätte gar nicht geschrieben, um Ihnen doch wenigstens keine schlechte Idee von mir beizubringen durch meinen Brief. Sie sehen aber daß ich weniger Eitelkeit als guten Willen habe, und aus dieser Rücksicht hoffe ich noch einigen Anspruch auf Ihre Freundschafft und Nachsicht machen zu können. Wenn Sie je wieder durch Weimar kommen, so bitte ich sie inständig um einen großen Dienst den Sie mir leisten könnten. Sie haben mir einen Beweiß von Freundschafft gegeben der mich unaussprechlich gefreut hat, indem Sie Goethe von mir sprachen. Ich habe noch nie gegen jemand eine so starke Sehnsucht gefühlt, als nach diesem Manne, und unglücklicher weiße hat mich der Zufall schon mehrere male bei Weimar vorbeigeführt, ohne mir je zu erlauben mich aufzuhalten, und die Bekanntschafft von Goethe zu machen. Sagen Sie ihm doch daß wenig Sachen mich so geschmerzt haben, als nie eine Gelegenheit finden zu können, und daß der Gedanke ihn noch je zu sehn, zu meinen Lieblingshoffnungen gehört. Leben Sie recht wohl, liebe Bettine, und beten Sie doch ja für mich daß ich den lieben Rhein wiedersehn möge. Im Falle Sie mir antworten wollten, was ich mir nicht erlauben darf zu hoffen, so bitte ich Ihren Brief nach Versailles poste restante zu adressieren, und zwar durch die Militair post | Meline hat meine Adresse. Empfehlen Sie mich Ihrer ganzen Familie, wenn ich bitten darf, und seyen Sie überzeugt daß niemand Sie mehr schäzen kann, und stolzer auf Ihre Freundschafft ist, als Ihr ehrlicher Wilhelm An Mademoiselle Mademoiselle Bettine Brentano Im Kopf, in der Sandgasse Frankfurth
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Würzburg, 17. September 1808, Sonnabend
Würzburg d* 17 Septem 11 Uhr Da bin ich; hab keinen Moment Zeit gehabt meiner Trauer über unsere Trennung nachzuhängen, Auguste hielt mich mit unnüzen Erzählun516
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gen sehr peinlich davon zurück aber Die zurückgehaltnen Thränen haben mir heiß aufs Herz gebrennt. ich hab dich oft mitten im Gespräch durchgefühlt; jezt aber wo ich allein bin, und wo die Stunde geschlagen hat, da wir gewöhnlich zu Trages uns freundlichst küßten jezt bin ich ganz in Gedanken und deine Arme versunken jezt lieg ich noch einmal zu deinen Füsen, jezt küß ich noch einmal deine Hände, und bin dein, die scharfen Töne des Posthorns haben das Gewebe unseres Umgangs zerschnitten, und meine Erinnerung hat alles wieder so lieblich angeknüpft freu Dich lieber Arnim daß ich durch diese noch einen herrlichen Moment von Liebe errungen habe, freu Dich meiner Liebe und bleib deinem schläfrigen Kind deinem treusten besten Kind gut Bettine Monsieur le Baron d’Arnim abzugeben bei Hrn Buchhändler Zimmer zu Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Nürnberg, 18. September 1808, Sonntag
Nürnberg d* 18ten Bin ich nicht einfältig? es ist schon 2 Uhr in der Nacht die Luft hat mich erhizt und halt mich jezt noch wach, während alle andre schlafen gehen, so muß ich noch mit Dir sprechen, Denck daß es Nachts zwei Uhr und daß ich nun ganz in tiefsten Gedanken an dich versunken bin, daß ich nicht aufhöre wenn es auch noch so späth wird eine 4tel Stunde dem Schlaf zu rauben um mit dir in vollem Ernst zu spielen, mein theuerster Freund! und doch kann ich nichts sagen als gute Nacht und Tausend mal gute Nacht, und träume von mir, nicht von 〈〈a〉〉ndern, Du aber bist weit über die Gränzen hinaus 〈〈u〉〉nd mehre Nächte sind vergangen, nach Dieser für Die ich jezt meine Wünsche mache; O! Wir waren sehr unbarmherzig daß wir uns trennten! O Wir müssen uns an diesem Beispiel bessern, nicht mehr Du dort hin und ich hier hin, hab ich dich nicht fliegen lassen wie einen zahmen Vogel in dessen Treue allein ich Vertrauen sezte, wer weiß nun, was ihn abhält wieder zu 517
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kommen. ob er das Hauß noch findet in dem ihm eine Wohnung bereitet ist (mein Herz). pp: Mein Leben! leb wohl! nehm mich in deinen Arm, nehm mich an Deine Brust auf, die einen Schaz von Güte enthält, und wolle meine Liebe anerkennen – Bettine ich halte mich wärmer auf der Reiße als gewöhnlich, weil ich weiß daß du mich daran mahnen würdest, wenn du bei mir wärst; thue es auch, mir zu lieb und hüte dich vor dem krankwerden. 1v
An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Buchhändler Zimmer in Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Neumarkt, 20. September 1808, Dienstag
Neumarck d* Wieder ganz schläfrig, lieber Armin aber doch kann ich mich nicht überwinden nicht noch mit Dir zu plaudern aber Du must nachsichtig seyn da ich nicht ganz Meister meiner Gedanken bin sondern nur so hinschlummre. heute Morgen waren Wir bei Frauenholz und sahen da die Muttergottes von L: von Leiden, der lieblichste Kuß den sie dem Kindgen giebt konnte ich hier Stunden lang ansehen, ja ein Kuß ist gar lieb wenn Die vier Lippen so unschuldig schön sind wie Diese. Ach Arnim ich wollte ich hatte mit Dir vor diesem Bild gestanden damit ich mir doch den Vorwurf hätte ersparen können Dich in diesen Augenblicken vergessen zu haben, Lieber Arnim einzelne Stunden die ich mit dir zubrachte heben sich hervor wi〈〈e〉〉 die Perle in der Krohne und machen mich glücklich wenn ich in Betrachtung über diese unschäzbare Kleinode versinke. gelt ich schwäz recht durch einander, bedencke meinen Schlaf behalt mich lieb in deinem Herzen und warm ja recht warm denn ich hab einen rauhen Hals bekommen und der muß warm gehalten werden, Adieu ich bin dir innigst ergeben und glaube dich herrlich und Gut wie niemand anders ich hab große Reue gehabt daß ich dir am Aschaffenburger Thor nicht noch einen lezten Kuß gab mich gelüstet immer dar518
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nach und meine wenn ich es nur gethan hätte so war ich ganz vergnügt Bettine Auguste und ich fahren immer noch in einem Wagen, sie hat bis jezt noch nicht einen Moment Unart gezeigt, allein er hängt ihrem Wesen Gewichtsteine an, ich 〈〈xxx〉〉 sehr er versündigt sich an ihr selbst gegen mich ist er zu weilen sehr 〈〈xxx〉〉gen ichs auch nicht wagte einen | einen Tag allein mit ihm in Nürnberg zu bleiben da er sich weder vor Koch noch Keller enthaltet seiner bösen Laune und unartigem Witz freien Lauf zu lassen. An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei hrn Zimmer Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Regensburg, 21. September 1808, Mittwoch
Regensburg d* 21 So eben hat Deine Tante Savigny und Gunda abgeholt, ich konnte nicht mitgehen, weil ich meine Brust schonen will, die vom Cathar leidet, aber auch weil ich sehnlichst begehre mit dir zu seyn. Clemens und Auguste sind ins Theater um das Lustige Beilager eine Oper aufführen zu sehen; so sind wir denn ganz allein komm also nur herein und sez dich auf den lehren Sessel der für dich dasteht, warum muß er nun grad lehr seyn, Da wir uns so gut verstanden haben in diesen lezten Tagen, Diese lezte Tage waren so schön, warum kann ich dich nicht vergessen wie Du kamst und wie Du gingst, wie wir auf dem Kasten vor deiner Thür zusammen saßen, ich bin Dir so gut Arnim, ich bin ganz bewegt über Dich; Deine Tante ist eine Gute liebe Frau; Du willst ja wissen was mir Eindruck macht, nun höre etwas aus alten Zeiten, Sie erzehlte mir daß Du meine Stimme sehr bei ihr gelobt, daß ein Lied das Du schon von mir gehört hattest Dir nie gut genug von andern sey gesungen worden das unverdiente Lob machte mich roth aber wahrlich auch die Freude. – Ich hab eine Weile auf dem Bett gelegen und an Dich gedacht; es geht besser Denken als schreiben – und hab recht emfunden daß ich so ziemlich über Die Welt und Schicksal ruhig bin Du nur machst noch 519
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Sorgen wie ich ferner dich mir erziehen an mich ziehen will; das fehlte wohl noch daß Du Unglücklich würdest, um mich mit Gewallt ausbrechen zu machen, wie Die Mutter würde ich in ewiger tiefer Betrachtung dich auf den Armen halten. In den Spiegel hab ich eben gesehen aber nicht wie in Trages; ich habe Gott gebeten daß der freundliche Brand der Durch dein | Andenken in meinen Augen leuchtete nicht blos auf der Oberfläche des Gesichts sondern aus der tiefsten Seele unverlöschlich auflodern mögte, Ich wäre sehr glücklich wenn ich dich lieben könnte wie Du es verdienst. Ich hab dir schon drei Briefe Geschrieben von allen Stationen wo wir Nachtlager hielten und wenn Mitternacht auch schon vorbei war; ob Du sie wohl all erhalten hast, und ob Dir es nicht zuviel ist. Clemens Da er sah daß ich Dir unterwegs schrieb, wollte mich versichern daß Du Dich oft über die Menge meiner Briefe bei ihm beklagt hättest, obschon ich ihm keinen Glauben beimaß hat es mich doch verdroßen, auch daß hat mich verdroßen daß Du Augusten einen Kuß auf ihren Mund beym Abschied gabst der schon so oft ist geküßt worden, obschon ich ihr wieder auf einer andern Seite, bei ihrer unglücklichen Laage diesen Trost gönne; sie ist höchst sonderbar; unterwegs erzehlte sie mir ununterbrochen und unaufgefordert ihre ganze Geschichte mit Clemens, aber wie mit einer Umständlichkeit und Aufrichtigkeit die man verachten muß, Dinge Die mir Ekel beibrachten weil sie Das Licht nicht vertragen und Die in einer verschloßnen Brust vielleicht ein Schaz wären, bei Diesen Notizen war sie immer während in einem zweiten Genuß begriffen, siehst Du; ich war vor Erstaunen Starr da sie immer tiefer in den Text gerieth halb vor aerger und Langerweile an Diesem verzerten Carackter und halb weil ich es vor Sünde hielt so etwas anzuhören, hörte ich das meiste nicht ganz an, und das andre hab ich Gott sey Lob und Dank beinah auch wieder vergessen. im übrigen war sie äuserst sanftmüthig und ordentlich gegen Clemens, so daß er auch | nicht im 〈〈xxx〉〉en über sie klagen könnte, er selbst war von solg einer brutalen Lustigkeit, daß ich mich immer fürchtete wenn es ihm einfiel in unsern Wagen zu kommen denn da führte er zuweilen mit dem Postillion sehr abscheuliche Reden über Uns, deswegen blieb ich auch nicht in Nürnberg mit ihm; ich hab aber Doch Dort das Grab des heiligen Sebaldus gesehen, welches mir über alle Maasen wohl gefallen; bei Archenholz die Muttergottes ist zu schön als daß ich dir nicht noch einmal davon sprechen sollte, sie küssen sich die Mutter drückt ihren Mund in die Lippen des Kindes, das ihn wie 520
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liebliche Himmels Manna kostet. Die Liebe die Darin liegt scheint zu Zuken so lebendig ist sie. Erinnerst Du Dich wohl an ein Thal zwei Stunden von Regensburg daß sich auf der ganzen Reiße sehr durch die schöne Laage auszeichnet als wir dahin kamen sanck die Sonne mit einem ungeheuren Prachtfeuer hinter die Berge, ein Gewitter zog ihr mit Gewallt nach, wie ein drohender Tyrann der Die Brautnacht stören will und laagerte seine Wolken zu beiden Seiten drohend auf die Spizen der Berge, wir stiegen aus, und gingen durch einen Fichtenwald, ich wendete mich oft um und sah hin dann muste ich Durch laufen die andern wieder erreichen es war mir zuwieder daß ich nicht da bleiben konnte und nicht sehen wie es mir beliebte, der Mensch sollte immer bleiben wo es ihm behagt, denn da ist er am meisten fähig die unermeßliche Liebe Gottes zu erkennen, am meisten fähig sich zu erheben und würdiger zu machen, und ist es Sünde um kleiner Schwiehrigkeiten willen so etwas zu versäumen wenn Das ist. warum hab ich dich denn da verlassen? – Arnim lieber Arnim, muß ich mirs nicht vorwerfen Heute hab ich hier auch Claviere gesehen wovon ich eins kaufen werde, da mir Deine Tante verrathen hat daß dir meine Stimme schon von Zeiten her gefallen hat, so werde ich viel um Dich lernen und dir hoffentlich noch besser in dieser Hinsicht gefallen. Gunda ist soeben nach Hauß gekommen die alte Gräfin Görz besonders, und alle andre haben ihr aufgetragen wenn wir Dir Nachricht gäben dir zu sagen daß sie Dich tausendmal grüßen und sehr wünschen Dich bald zu sehen, wenn Du aber kömmst so muß ich dich zum voraus bitten, ja nicht zu lange hier zu verweilen schon jezt brennt mich die Ungedult die ich dann in Landshut ausstehen werde. Morgen sollen wir bei Deiner Tante zu Mittag essen. Leb nun wohl Du Leben meiner Lust und Lust meines Lebens. wie soll ich wieder Abschied nehmen? – wenn der Postillion mit seinem scharfen Horn dazwischen bließ so wüst ich daß wir scheiden müsten; Wer sagt mirs aber jezt? was zwingt mich? drum sez dich noch einen Augenblick und schließ mich in deine Arme die zwar fest halten aber nicht so fest wie dein Blick, wie dein Herz, wie Deine Lieder. drum haltest Du mich dennoch fest fest wenn mich schon deine Arme nicht erreichen können, drum bin ich nie nie von Dir getrennt. Bettine. Soll ich denn dieß Stück Papier noch lehr lassen; daß wär ja grade als wenn ich dich zu früh verließ; nein nein! lieber will ich dich noch viel 521
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mal rufen. Arnim! Guter Freund! komm, und sey mir gut, immer denn ich bleib dir auch Gut. und jezt einen Gedanken strich 100 siehst du ich hab immer noch Plaz dich zu grüßen und zu küßen; Du aber nicht.
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Regensburg, 24. und 25. September 1808, Sonnabend und Sonntag
Regensburg d* 24ten Arnim! mein lieber Guter Arnim! Morgen Früh um 8 Uhr gehen wir nach Lands Hut. ich Hoffe zwar mit einiger Unwahrscheinlichkeit, einen Brief dort von dir zu finden hoffe mit mehr Sehnsucht als je. Wie wirst Du mir freundlich schreiben? welch lieb geliebtes Wort wird mirs sagen daß Du emfindlich bist über unsere Trennung oder Dich freuest auf deine Wiederkunft. Ich sollte Dir eigentlich viel erzehlen von Deiner Tante, sie hat so viel von Dir gesprochen; ja immerwährend, so daß es mich am Ende Eifersüchtig machte besonders da sie mir ihren glücklichen Umgang mit Dir in Meklenburg mit ganz eigner Lebhaftigkeit schilderte, die schönen Abende in Der Einsamkeit, wo Du ihr bis Nach Mitternacht vorlasest, wo sie deine Herzensgeheimniße auszuspähen suchte. während dieser Zeit war ich in Marburg und zehrte mit eifriger Sehnsucht an Den lezten Worten und Blicken die Du mir gegeben hattest. Arnim! warst oft so freigebig mit deiner Liebenswürdigkeit, Deine Tante sagt ja, keine Dame hätte Dir wiederstehen können, und gegen mich grade damals wo ichs am meisten verdient hätte warst Du so sparsam, ich muß es Dir noch verdenken, jezt mögt ich dich noch aus Troz vor allen verbergen, jezt gönne ichs Deiner Tante nicht daß sie dich sehen mögte, lieber die alte Großmutter deren Kuß Du oft mit dem meinigen verglichen hast, geh nur nach Berlin, geh nur hin in die weite Welt, und vergeße es, zu mir zu kommen, es wird vielleicht ein Unfall, dein Herz wieder fest an das meinige Drücken. meins das nie vergaß dir auf jedem Pfad zu folgen, wie Du Damals in den tiefen Strudel warst gerissen wie wo Daß tiefe Wasser sich hefftig um Klippen und Felsen dreht, da war ich mit denn obschon unser Sinn wie unser Leib weit von einander getrennt war, so hab ich doch in einzelnen Stunden deinen Schmerz so mit emfunden als ob er 522
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eben mein wäre Du bist mein, Arnim; Gott mag gestreng richten ob ich Dich nicht errungen habe Durch ungestörte Sorge um Dein Glück, und er wolle Mild verzeihen, wo ich dich verkannt wo ich dich nicht genug geehrt habe, ja: mein bist Du auf meine Art, komm leg deinen Kopf auf meine Knie; ich will die ganze Nacht aufrecht sizen und für dich wachen, schlaf Du, ich will leise mit den Geistern sprechen und will sie verjagen daß sie dich nicht wecken noch im traum beunruhigen; O! mein, mein! Leben, sey ruhig. Wenn Du bei mir bist, dann bin ich verblendet, aber wenn Du weg bist, find ich meine Liebe wie ein stilles häußliches Feuer brennen, das mich vor aller Kälte schüzt, mich für alles tröstet; Mein Guter! mein Herz! hab ruh, schlaf jezt | es geht Drauß der Wind es regnet und ist schon späth; sag liegst du gut so, ganz umgeben von meiner Liebe ganz verdeckt? Nun dann geb mir noch die Hände an meinen Mund. Bettine
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d* 25 Morgens Deine Tante will Dir schreiben ich hab ihr Die lezten Blätter vom Einsiedler gegeben, sie ist aüserst begierig dich wieder zu sehen sie meint; nach diesen Gedichten, Du müßest viel erlebt haben. Göthe soll in Franckfurth seyn; ich glaubs aber nicht sonst wär ich sehr unglücklich, und hätte eine harte Büßung für meine ewige Unruhe zu erdulten. – Mit Clemens und Auguste geht es einen harten Weg, er ist wircklich im ganzen Sinn des Worts fertig mit ihr geworden das heist sie interessiert ihn in keiner Hinsicht mehr. Sie dreht und wendet sich in Hochmuthsgrillen und Herablassung, so wolte sie nicht mit uns gehen, wenn Wir irgend eine Merkwürdigkeit der Stadt besahen, und ging lieber mit einer Magd alleine hin, um nicht unsern Grobheiten ausgesezt zu seyn. Leb wohl guter Freund Morgen schreib ich dir von Landshut wir werden nur einen Tag da bleiben, und dann nach München gehen. Leb wohl sey vergnügt Denck an mich Gott möge deine Wege so lenken daß sie zu mir führen. Bettine Einen sehr schönen Gruß von Savigny. Monsieur le Baron d’Arnim bei hrn Buchhändler Zimmer Heidelberg
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Heidelberg, 25. und 26. September 1808, Sonntag und Montag
Heidelberg d* 25 Sept. 1808 Haben Dich meine Gedanken die ersten Tage Deiner Reise und Deinen schmalgeleisten Wagen festgehalten, so ist mir auch der Lohn dafür geworden in zwey Briefen aus Würzburg und Nürnberg, die Deine glückliche Ankunft mir ansagen und viel Freundliches dabey. Ich denke mir wie Du unter der Pracht jener unvergeßlichen blauen Trauben fenster wandelst oder von der Burg herab bey den zerhackten Kaiserbetten das alte Lustlager aller der unzähligen Soldaten, Kanonen, Zelte und Wagen siehst, die wir in unsrer Kindheit zerbrochen haben. Nenne mir, was Dir besonders gefallen; du brauchst es nicht zu beschreiben, ich habe noch das meiste im Kopfe, besonders das Pellersche Haus. – Daß ich die ersten Tage nicht geschrieben war nicht sowohl Nachlässigkeit, als vielmehr der Wunsch zu einiger Ruhe und Uebersicht zu gelangen, und ich danke deiner Art von Betrachtsamkeit und Untersuchungseifer Anlaß und | Kraft dazu, ich fing an uns bey lebendigem Leibe zu seciren und dabey wurde mir recht wohl und gleichgültig zu muthe, wie wir zusammengewesen auf einige Bilder und Reflexionen gebracht, diesen oder jenen Moment ausgehoben an jeden ein kleiner Haken gemacht, zierte mein Zimmer recht angenehm und wir beyde waren eigentlich die Stafage von unsern Gedanken. Der Weg ist eigentlich nicht der rechte, aber Du hast mich zu oft dahin geführt, so daß ich in Gedanken oft darauf gerathe. So bin ich denn auf ihm zu einer Art Apathie gekommen, zu welcher die Chausse bey Aschaffenburg mich nicht hinwies. Ich ging euch noch eine zeitlang nach mit sehr beklemten Athem, Dein Wagen hielt, ich glaube du stiegst aus und gingst nebenher. Als sich der Wagen in der Krummung des Wegs verlor ging ich zurück in den Garten voll schöner Orangen mit herrlichen Früchten, der dicht am Wege doch | vielleicht im Vorüberfahren übersehen hast. Nach ein Paar Stunden war ich des Gehens überdrüssig, bestellte einen Wagen und Windischmann beschloß mitzufahren. Ein Paar Stunden von Aschaffenburg bis zum schönen Busch fuhren mit uns seine Frau, u Schwägerin und Kind und bis dahin dauerte die Unterhaltung, bemerkte ich, daß ich während des unruhigen Morgens die kleine Hemdnadel einzustecken vergessen und fast wäre ich umge524
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kehrt, ich glaubte endlich, daß es so seyn müsse, daß dieser Verlust mich an diesen Morgen erinnern sollte. Doch das war falsch, Windischman hat nach seiner Rückkehr suchen lassen und sie ist wiedergefunden. Der Windischmann ist das wunderlichste scherzende Gemisch aus Wohlgezogenheit und körperliche Beschwerlichkeit, Bequemlichkeit, Angewöhnungen und Ahndungen, der mir viel Abwechselungen machte. | In Darmstadt trafen wir einen Tabledhotenerzähler, der für alle sprach, wobey er von zweyen unterstützt wurde, er erzählte von den Feierlichkeiten in Frankfurt zu Napoleons Ehren, von der schimmenden Illumination, wie jede Lampe auf einen Korkstopfen gesetzt vom Oberkork angekührt den Namenszug bilden würden von illuminirten Mühlenradern, von leuchtenden Luftbällen mit zerriebnen Johanniswürmern bestrichen. So wenig Spas es den übrigen machte, so viel machte es mir, ich erinnerte mich daß ich mit dem Clemens, er als Erzähler, ich als Bestätiger ähnliche Aufschneiderey ausgeführt, das wurde aber vollständig als der sogar von Schelmufskys Reise anfing und ich endlich bemerkte daß doch eine verfluchte Aehnlichkeit in der Welt geboren wird. Spät Nachts muste ich noch mit Windischmann warmen Wein trinken, Morgens gingen wir mit kaltem Winde bis Renzheim, wo wir bey einem seiner | Verwandten zu Mittag assen und Windischmann sein nasses Hemde wechselte. Hier erinnere ich mich noch einer vergessenen Erzählung aus Aschaffenburg. Als ich am Morgen den Darmstädter Offizier nach dem Briefe fragte, erzählte er mir, daß er neben eurem Zimmer geschlafen, daß ihr noch sehr lange und zwar von mir gesprochen. Ich fragte ihn, ob es auch lauter Gutes wäre gewesen? – Allerdings, meinte er, und zwar so gut, daß, wenn ich Empfehlungen an irgend jemand seiner Bekanntschaft in Darmstadt wünschte er mir gleich dazu mitgeben wollte. Nimm dich in acht in Wirthshäusern, folgt daraus, ihr hättet doch leicht etwas erzählen können, worum nicht alle mit wissen sollen. – Der ganze übrige Weg hatte weiterhin nichts Merkwürdiges, als daß Pr. Bökh um dessenwillen Windischmann nach Heidelberg reiste seinet wegen nach Aschaffenburg denselben Tag neben uns vorbeygereist war uns unbewust, | während wir doch aus Vorsicht in alle Kutschen kukten, die nicht zugemacht waren. Hieraus folgt die Lehre, daß man nicht alle Kutschen zu machen soll. Nun ich nach Heidelberg gekommen bin, vielmehr ich den Weg ziemlich lang beschrieben habe, komme ich auch an das Heerlager neuer Thorheit. Denk Dir, ich war kaum einen Abend hier und gab die mitgebrachten Geschenke der Hulda, die grosse Freude 525
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und vielen Dank äusserte, so ist mir zum Tort auch eine M. Claus aus 75 Aachen angekommen, die ihre alte Pensionswirthschaft wiederbesucht, ich hatte sie schon vor drey Jahren gekannt, aber in der Zeit hatte sie sich so verschönert, daß ich sie kaum wieder kannte und nebenher muste sie noch meiner Königsberger Grausamen so ähnlich geworden seyn, daß es kein Wunder war, wenn es mir den Abend im 80 Kreise herum ging und hab ich sie auch seitdem bey Tage gemieden, mich | umgiebt es doch Nachts wie eine feste Schneewolke, die in meiner Wärme niederthaut und mir nichts als die Sonne zeigt, die ich oft gesehen und doch nie recht sehe, weil sie mich nicht bescheint, sondern ihr stolzes Rad über die Berge schlägt mir gegenüber. Es ist sehr 85 kalt und feucht in meiner Wohnung, sollt ich mich darum nicht härmen, kein Arm will mich erwärmen, kein Mund sagt guten Morgen, die Sonne ist verborgen, und ich, ich steh in Sorgen, die Blumen sind verwehet, ich habe nichts zu erndten, wie früh mein Wunsch erstehet, er geht zu den Entfernten, auf den Bäumen in den Zweigen wie ein 90 Eichhorn möcht ich steigen und von einem Stamm zum andern möcht ich wandern, und mit einem Mandelkerne, ging ich in die grüne Ferne, weil er wie ein Herz gestaltet ließ ich still ihn niederfallen, in den Busen voll von Träumen, der da wandelt unter Bäumen, ach mein Zimmer ist erkaltet und die Aepfel unreif fallen und ins enge weiche Bette 95 ich mich rette. Meinen Herbst will ich nun machen, Und der lieblichen Gedanken lachen, Und sie brechen wie die Trauben, recht mit Glauben, Und sie keltern; daß sie gähren und durch lange Winter währen. 100 – Diese Verse sind wirklich an Dich mir eingefallen, aber das kann ich Dir versichern, ich verliere alles Zutrauen zu mir selber, es ist eigentlich schändlich, während ich den Jahrestag meines Abschieds von Königsberg mit tiefer Trauer feire, mich zu Dir sehne, gefällt mir wieder ein andres Mädchen so gut, daß ich sie alle Tage sehen möchte und 105 das kommt alles vom Teufel, der mich in der Arbeit stören will und ein Catarr, den ich vor Gram bekommen. Ach Gott, wie that es mir leid, daß ich vor dem Thore von Aschaffenburg vor dem Kreutze nicht niederfallen konnte, wie thut es mir jezt leid, daß ich nicht wallfahrten kann und doch seh ich aus meiner Fehlerhaftigkeit, daß ich recht hatte 110 mir nur selten in erster Aufwallung zu folgen. Dein Achim Arnim
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Heidelberg, 27. September 1808, Dienstag
Heidelberg d* 27 Sept. Ich habe erst gestern einen langen Brief an Dich geendet der mit einer grossen literarischen Umgebung zu Dir reist, doch der Verzögerung aller Pakete unterworfen schreibe ich schnell noch einmal. Wohin ich von hier gehe, bin ich noch immer ungewiß, da ich gar keine Briefe gefunden habe von Hause; es ist mir nicht unangenehm, daß mich nichts drängt, die Weinlese und Straßburg möchte ich gern noch sehen. Ich erhielt wieder einen lieben Brief von Dir aus Neumark, du klagst darin über Clemens, daß er sich vor Koch und Keller nicht scheue, denk daran, wie oft Du so etwas auch übersehen und es endlich wohl noch gar für treflich ausgegeben. Denk nicht, daß ich in diesem Augenblicke Dir damit einen Vorwurf mache, ich bin sehr heiter und es ist mir nur eine neue Bestätigung wie Ihr Geschwister unter einander euch etwas zum Vorwurf macht, was ihr jeden Augenblick selbst macht, lernt euch einander ertragen oder bessern. Boisseret und Arnold waren nach einander hier, mit dem ersten hätte ich gute Gelegenheit gehabt zu Dir zu kommen, er geht nach München – | wenn der Wagen die Gelegenheit allein ausmachte. Arnold erzählte mir, daß George an einem schlimmen Hals leide und daß die Lulu einen heftigen Streit mit Weinen vermischt gegen Kestner gehabt worin sie sich beklagt hat, sie sagte doch niemand ein böses Wort und würde von ihm so schlecht behandelt, es ist beydes eigentlich nicht wahr, das letzte deswegen nicht, weil der Kestner nach seiner plumpen Traumhaftigkeit eigentlich nie einen guten von einem schlechten Spas zu unterscheiden weiß. Göthe’s Sohn war recht krank an der Ruhr, ich wuste ihm nichts andres zu gut zu thun, als daß ich ihm den Periander gab, der Gedanke war mir entsetzlich wenn der Alte zugleich Krone und Wurzel verloren hätte; er kommt vielleicht her, seine Frau kommt sicher nach Frankfurt. O was hast du versäumt und Napoleons Durchreise dazu. Heute war eine Mordthat in meinem Hause, eine Kuh hat einen Hammel mit dem Horne erstochen, der auf ihr Kalb stutzen wollte. Grüß Clemens und dränge ihn, daß er bald über Grimm disponirt, ich habe dessen Brüdern gerathen wenn es irgend möglich ihn nach Rom zu schicken, in den andern Ländern ist doch auch jezt gar nichts für Mahlerey und in Paris alles zu theuer und zu sehr zerstreut. – Die Schicksale meiner ersten Tage hier habe ich Dir erzählt, wie ich mich 527
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beynahe verliebt hätte und wie ich die Todtenfeyer meiner Abreise von Königsberg ausgerichtet und daß ich einen Catarr vor lauter Gram bekommen eins hab ich doch vergessen, daß mich die Professor Wilken gemalt hat in Miniatur in altem Costum, ich wünschte es Dir schicken zu können, vielleicht macht Grim noch eine Copie oder er muß mich selbst zeichnen. Da ich jezt ein Sopha in meinem Zimmer habe, so ist es mir einerley um alle Traurigkeit, ich denke mir, wie wir zusammen gesessen haben zuweilen etwas zu lange zuweilen etwas zu kurze Zeit, es giebt eine Vertraulichkeit die alles giebt indem sie nichts giebt und eine die nichts giebt, indem sie alles zu geben scheint. Du schreibst mir, daß du mit mir spielst, laß das, wenn ich dann selbst komme, bin ich nicht dazu geeignet; ich wiederhole dir, was ich so oft sagte, beym ersten Gewinn in dem Spiele will ich auch mitspielen, wer aber noch beym ersten Verluste weinen muß, soll nicht mitspielen. Ich kenne meine Zeit und weiß, daß es dazu gehört und sehr gefällt, aber dies wie alles, was der Pöbel Genialität nennt, heist bey mir der Teufel; ich ehre alle Eigenthümlichkeit, aber ich bin ein Fels gegen jede, die sich über die Welt als ein Gesetz ausbreitet; dies ist derselbe Flügel, der die Kirchthürme niederstürzt und dem Armen Staub statt Zimt auf seinen Reis bläst, damit die andern was zu lachen haben. – Ich bitte Dich nimm das alles auch nicht ernsthafter, als ich es Dir würde gesagt haben, denn ich hätte Dich dazwischen geküst und gestrichen. Achim Arnim
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 29. September 1808, Donnerstag
München den 29ten Sept* Die Gegend in Landshut ist so angenehm lieber Arnim daß ich nicht glaub dir abrathen zu dürfen, obschon manches andre dir vielleicht nicht behagen würde, Die Straßen sind breit, am Ende sticht der Schloßberg mit großen Bäumen sehr schön hervor, Savignys Wohnung hat zwar nicht sehr viel Annehmlichkeiten, besonders ist sie nicht heimlich durch die vielen Thüren ich aber werde in meinen zwei Zimmern alle übrige Thüren zu machen mit Tapeten, dein Zimmer hat Gunda schon bestimmt Clemens bekömmt eine viel schönere Woh528
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nung mit ungemein lieblicher Aussicht auf die Isar er war im Anfang so traurig und muthloß daß er gleich wieder fortwollte und sogar weinte ich hab ihn aus allen Kräften getröstet, er findets auch jezt schon viel besser und wirds bald, herrlich finden. Ich weiß nicht, ob es der Gedanke ist, daß Du wohl zu uns kömmst der mir alles erträglich macht, da wir so harten Abschied nahmen, wars mir auf einmal als würden Wir uns so bald nicht wieder sehen, jezt glaub ichs anders, und, bester Arnim laß die Zeit kurz werden bis dahin; wenn Du nicht willst so will ich; wenn ich dich im Frühjahr nicht wieder habe, so geh ich zurück, keinen Brief hab ich noch in Landshut von dir gefunden; warum nicht? – ich hätte gleich wieder zurück gehen mögen, weiß ich doch jezt nicht, ob Du meine Briefe hast | ob Du mir gut bist; ich hab keine Freude an den Bildern an nichts, wenn ich denke daß vielleicht ein Brief von Dir verlohren ist; so geht mirs auch mit Göthe, gestern waren wir bei Jacobi, da dachte ich recht an ihn, und sein kleines Arbeits Zimmer, in dem großen Saal wo eben die zwei garstige Schwester von Tempelfort, sizen und den Tee einschenken Jacobis Person flöst keinen Enthusiasmus ein, ich habe nichts mit ihm gesprochen Cristian Schlosser scheint nicht sehr bei ihm in Gnaden zu stehen. Ach Arnim was soll daß Schreiben all, wenn ich nur einen Moment alle Tage, dich haben könnte, wenn wir nur Abreden nehmen könnten, uns in unseren Träumen zu besuchen, warum kann ich meinen Leib nicht Nachts auf meinem Bett verlassen und zu Dir kommen, daß wär so ganz herrlich, wenn ich dich ruhen säh; ja schlafen, ruhig athmen, mögt ich dich nur gern sehen, ich wollte dich nicht berühren nicht mit dir sprechen ich komm auch zu Dir; ich sprech die lieblichsten Dinge mit Dir, du antwortest immer daß es mir tief ins Herz brennt, Du mißverstehst mich so gar nicht mehr, Du bist so Gut, lieb, giebst mir alle Abend den freundlichsten innigsten Kuß. was klag ich denn fliegst Du Abends nicht schneller zu mir her, als Die Nacht herauf kömmt, und Morgens, find ich dich nicht wie Manna Nahrung für Den ganzen Tag, liebes Himmelsbrod. Bettine Monsieur le Baron Achim d’Arnim chèz Zimmer. a Heidelberg
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Heidelberg, 1. Oktober 1808, Sonnabend
Heidelberg d* 1 Okt 1808 Sag Clemens, daß er gelogen, ich habe mich weder beschwert bey ihm über Deine Briefe, noch ihm oder sonst jemand was davon gesagt; oder sags ihm viel mehr nicht, denn es würde doch dabey nichts herauskommen als ein Zank zwischen euch, denn er hat dich wahrscheinlich geneckt, oder es gehört zu seiner Art Leichtsinn, wo er die andern Leute blos als Verzierung seiner Geschichte braucht, es ist nichts Böses in ihm. Zwey Briefe von Dir aus Regensburg sagen mir viel Schönes, hättest Du nur nicht vergessen, warum ich Dich befragt habe, wie es meinen Angehörigen dort geht, Du sagst mir nichts weiter, als daß meine Tante eine gute Frau ist, was ich allerdings so lange zu glauben berechtigt bin, so lange das Gegentheil nicht erwiesen; die Leute standen aber alle in einem viel näheren Verhältnisse zu mir als alle Bilder der Welt, als Morgen und Abendröthen. Tröste Dich übrigens wegen des Göthe Vater, er schickt blos seine Frau nach Frankfurt, er selbst empfängt die Kaiser, sein Sohn ist ganz hergestellt. Wie lange mein Aufenthalt hier dauert, weiß ich nicht, | mir fehlen alle Nachrichten von Hause, doch wenn die Umstände durch die Erfurter Zusammenkunft sich nicht ändern, so werde ich bald wegen des Landstags zurückmüssen. Was gedenkst Du an Unfälle, die mich zu Dir zurück bringen, ich verwundre mich immer mehr wie wenig Du mich kennst, nichts entfernt mich mehr von den Menschen als Unglück, nur das Glück macht mich zutraulich, nur im Glück brauch ich Menschen um es zu theilen, das Unglück verzehr ich für mich und wenn ich mich damals aus Königsberg mit recht ernstem Gemüthe zu Deiner Freundschaft hin sehnte, so war es mehr in dem Strahlenmeer meiner Hoffnungen und Wünsche als aus der dunklen Nacht, in der ich verschlagen. Wie nichtig ist menschlicher Trost und wie viel ist menschliches Mitleben, so ist mir der herrlichste Gesellschafter nicht der, welcher über die Genüsse und Herrlichkeiten hinüberspringt und die Welt übersieht mit schönen Worten, sondern der, welcher in seliger Trägheit sich gewaltsam losreissen muß, | weil es ihn so ganz erfüllt, in solchen Menschen lebt die ganze Welt. – Görres geht morgen fort, ich bin dann ziemlich allein hier, hätte er nicht so viel in der Welt anatomirt, er wäre durchaus herrlich, mein Pathchen ist wunderschön, wenn ihm nur die Reise nichts schadet, es steckt immer sein Zünglein raus, als wollte es die Luft kosten 530
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und die Backen beben ihm, wenn ich dran rühre, ich habe zuweilen meine schwache Stunden, wo ich mit Kindern spielen kann. Ich möchte ihm gerne was schenken und merke leider, daß ihm no〈〈ch〉〉 nichts lieb wäre, als wenn ich ihm noch ein Paar Brüste zugeben konnte denn mit den beyden der Mutter geht es furchtbar um und was da seit dem Herbste eingefüllt ist, das mochte es in einem Nachmittag einsaugen. Das Kind ist sehr liebenswürdig und was die Tante von meiner Liebenswürdigkeit gesagt hat, das ist wohl nichts als so ein Stück kindischer Vielfrässigkeit. – Ich seh Dich in Gedanken recht oft und führe Dich herum und zeige Dir alle Merkwürdigkeiten. Achim Arnim An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. Hofrath und Professor von Savigny Landshut in Bayern
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 1. Oktober 1808, Sonnabend
München 1sten October Daß ich nicht verzweifle 〈〈ke〉〉ine Briefe von Dir zu haben alle andre Briefe von Frankfurth kommen an, von Dir nichts Ich weiß nicht was ich Denken soll, Krank wirst Du doch nicht seyn Und Doch hab ich so sehr gebeten um baldige Nachricht, über alles alles, Sey überzeugt daß ich keinen vergnügten Augenblick haben kann biß ich etwas von Dir weiß, ich wollte ich wär bey Dir im engsten einsamsten Winkel, und dann mögte alles Gut seyn. Wir haben auch Nachricht Daß Meline sehr Krank war, George hatte eine starke Brustenzündung, Tonie mit ihren Kindern ist auch noch nicht hergestellt. kurz es ist eine Art von Haußkreuz in Frankfurth, das mich wünschen läst nicht weggegangen zu seyn um Dort hülfreiche 〈〈xxx〉〉stand zu leisten, im ganzen macht mich Dieß alles sehr traurig 〈〈d〉〉abei hab ich noch eine Unzutraulich531
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keit die mir wie vom Himmel geflogen ist, so daß ich mich hüte meine Noth zu klagen, und lieber alles auf Rechnung übler Laune kommen lasse, ich weiß daß wenn ich Briefe von Dir hätte, ich alles von einer bessern Seite nehmen würde, Aber Da, keiner! keiner, vor Unglück bewahret ist so muß ich ja schon um Dich Weinen, ich Darf Dich selbst nicht Bitten mir zu schreiben, Du thust es gewiß, wenn Du kannst. Was die Einbildungskraft für einen Ungeheuren Weg macht, von Mir bis zu Dir, was sie alles erschaffen kann auf diesem Weg, vom Untröstlichsten; und wie sich das alles häuft, von Augenblick zu Augenblick, keiner Der mir nur wiederspricht, wenn ich daß voraus gewust hätte, so lange lange nichts von Dir hören; ich hätte mich wahrlich nicht trennen können Meine Addresse ist bei Savigny in Landshuth Bettine. 1v
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vielleicht hab ich einen Brief von Dir wenn Du diesen erbrichst und bin fröhlich, und ängstige dich nicht An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei hrn Buchhändler Zimmer in Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 5. Oktober 1808, Mittwoch
München d* 5 October Nein Nein ich nehme dieß alles nicht ernsthafter als wenn Du mich dazwischen geküßt und gestreichelt hättest, ein Kuß ist ja so ernsthaft, daß aller Ernst vor ihm zu nichts wird. Lieber Arnim! so wie Der Tag langsam aufsteigt und ein Ding nach dem andern beleuchtet, und deutlich macht ach so steigt dein Lieber Sinn über mir auf und erhellt mir einen Gedanken nach dem andern, macht mich fühlen was mich Drückt was mich selbst beleidigt; so sind mir Deine Lieder wahre Strahlen des Tages Die in das dunkle Gebüsch deines Gemüths fallen, es sehr warm und deutlich vor meinen Augen erhellen ich will damit nicht zu viel sagen, was ich in Dir erkenne ist für mich: Gott weiß, und 532
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Du fühlst welche Kraft noch verborgen ist. Clemens hat sich während seinem Aufenthalt hier sehr um Louis Grimm bekümmert der Kupferstecher Hess hat ihm sehr ehrliche Vorschläge gethan ich glaub daß er sich an Diese halten wird, er wird ihm nächstens selbst darüber schreiben. Zu Jacobi gehen wir beinah alle Tage dem Clemens gefällt er über alle Maasen, vorzüglich durch sein sehr bescheidnes freundliches Wesen gegen ihn, so gleiche ich in seinen Augen meiner Mutter in Die er auch verliebt war so sehr, daß ich ihm ebenfals eine sehr angenehme Erscheinung bin. Dein Paquet mit dem langen Brief ist noch nicht Da ich erwarte es mit Begierde, ich stell mir vor daß ich in etliche Dornen werde tretten müssen nun ich habe Muth; wie viel hab ich dir zu Danken, wenn Du willig, geheime Blätter deines Herzens vor mir entfaltest. Wenn Göthe in deine Nähe kommt, so erfrische mein Andenken ich war schon sehr oft in dieser Zeit bewegt ihm zu schreiben, doch hält mich die Furcht zurück, es möge ihm in den jezigen Umständen nicht gefallen. Lebe wohl; ich emfehle mich deiner Güte, deinem treuen ernsten Sinn. Bettine A Monsieur le Baron d’Arnim bei Hrn Buchhändler Zimmer Heidelberg
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 9. Oktober 1808, Sonntag
München Den 9ten Obre Ich glaube Du wirst jezt einen Brief von mir in Händen haben worin noch viel von Deinen Verwandten steht, doch bin ich nicht ganz sicher ob ich dir wirklich so geschrieben, so wie ich mirs vorgenommen, Wir waren einmal beym Gr: Görz zum Mittagessen, der mir, und vorzüglich dem Clemens vor allen andern wohlgefallen hat, seine Frau wohnt in einem schönen Gartenhause, mit deiner Tante und ihrer Schwester, nebst allen Kindskindern die den Ganzen Tag vor der Großmutter herumspielen, sie selbst macht mit einem unglaublichen Fleiß und Gedult Tapeten Arbeiten, Es versammlen sich alle Abend zum Tee vieler533
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ley Menschen bei ihr von denen ich dir nicht einmal die Nahmen zu sagen weiß, denn sie hat so oft ich dort war, immer fort mit mir gesprochen und zwar von Dir, daß Du nach Berlin gehen wolltest fanden sie alle nicht am Plaze aus vielen Gründen die wahrscheinlich bei Dir zum Theil nichtig gewesen wären, sie begehrten alle Nach deiner Gegenwart in Regensburg wie nach Sohn und Bruder Besonders behauptet der alte Graf ein Recht auf dich zu haben, da er der einzige von deinen Verwandten sey, der Dich so sehr liebe wie alle andre ohne Dich je gesehen zu haben. Dein Liebling die Tochter der Gräfin Schliz wird ihrer jezigen Bildung nach, sehr schön, sie ist noch immer ganz Kindisch obschon sie schon sehr groß ist, man hat uns mit Freundlichkeit überhaüft so daß Savigny wünschte daß die Universität hin versezt werden mögte. Clemens hat hier mit dem Kupferstecher Heß gesprochen, über Grimm, welcher ihn unentgeltlich leh〈〈ren wir〉〉d ihm auch die Werckzeuge leihen will, dieser 〈〈xxx ge〉〉naueste Berechnung gemacht, daß er mit 〈〈xxx〉〉 400 Gulden des Jahrs, hier seinen Aufenthalt | bestreiten kann, in 18 Monaten will er ihn so weit bringen daß er sein Brod selbst verdienen könne, Heß ist sehr brav so wohl in seiner Kunst, als auch in seinem Carackter, ich glaube nicht daß man leicht eine ähnliche vortheilhafte Art ihn zu unterrichten wird finden, er würde im ganzen 600 hundert Gulden haben Müsen Savigny hat sich erboten ihm jährlich 100 fl: zu geben, seine Brüder, Die gewiß nicht so viel haben ihn einige Jahre in Rom zu erhalten, (wo er ohne dem sich ganz überlassen seyn würde, ohne Erfahrung im Leben mit der Ungeschicklichkeit und Mattigkeit seines Wesens daß immer der Aneifrung bedarf,) würden leicht eine so kurze Zeit auch besser beitragen können ihn zu unterstüzen, ich werde auch thun was ich kann, da ich in dem einsamen Landshut, sehr in der Laage bin, zu spahren, übrigens lernen würde er auf alle Fälle, da es nur an ihm liegen könnte, den freien Eingang in die Gallerie täglich zweimal, dann in Schleußheim welches zwei Stunden von hier ist, worin eine Sammlung altdeutscher Bilder ist von unendlichem Werth, müßte für ihn sehr nüzlich seyn; Clemens wird bald alles ins reine bringen und ihm darüber schreiben, nach Rom kann er nachher immer noch, und mit mehr Zuversicht. Das wären also meine Geschäfte von meinem Aufenthalt weiß ich nicht viel ergözliches zu sagen, ich wollte hier noch singen lernen, allein die man mir als die beste Lehrer angab, waren so unerträglich methodisch in der Musick, daß ich mich mit dem besten Willen nicht un534
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ter das 〈〈xxx〉〉 begeben konnte, Sonntags wird in der königlichen Ca〈〈pelle xxx〉〉 gemacht ich gehe immer im grösten Rege〈〈n xxx〉〉 | es ist mein einziger Genuß, und da Denck ich auch zuweilen an Dich, ich mögte Dir noch mancherlei schreiben, darüber wie Du Glück und Unglück zu ertragen gewöhnt, allein meine Gedanken sind dabei so schwehrfällig, daß sie das dünne Papier nicht ertragen kann; man schmeichelt der Freundschaft wenn man ihr sein Glück mittheilt, man ehrt sie wenn man ihr theil am Unglück gönnen will, das erste und schönste Geschenck, ist das Opfer des Stolzes der durch Unfälle erregt wird, es kann allein in würdiger Absicht einem Würdigen gemacht werden; ich weiß Daß Du nicht unbillig bist daß Du mir nichts entziehst was ich verdiene; was ich nicht verdient habe, kann ich vielleicht mit Der Zeit noch erwerben; wo Der Geist sich hinwendet, da folgt 〈〈da〉〉s Schicksal nach, besonders bei Menschen deren Gemüth 〈〈un〉〉d Neigung sich so frei von Schlacken und vermischung anderer Erze zeigt, wie bei Dir, wo Der Dichter so grandios hervorgeht, daß sich selbst dein Urtheil in allem frei von Umgebung und Umständen steths mit gleicher Kraft erhält, ich habe schon öfters zu bemerken geglaubt, daß Du Dich mit Sorgfalt vor allem Fremden bewahrst, ich Drücke mich kindisch und undeutlich aus, Du verstehst mich doch wohl deine Lieder waren mir von jeher ein Ahndung deines Schicksals, ich kann mich nicht so ausdrücken wie ich will leb wohl, behalt mich lieb, begehr nach mir oder nicht ich werde Dir doch immer innigst ergeben bleiben. Bettine ich bin sehr begierig deinen großen Brief mit den andern Sachen zu erhalten er bleibt über die Maasen lang aus. An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei hrn Zimmer Heidelberg
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Heidelberg, 10. Oktober 1808, Montag
Heidelberg d* 10 Okt Zwey Briefe von Dir, die ich nach einander erhielt berichtigten einander, ich glaube, daß inzwischen auch meine beyden andern Briefe zu Dir gelangt sind. Gestern war Weinlese in unserm Garten, die wird mich entschuldigen wenn ich das gleiche Beantworten unterließ; ich ließ den Buben zu gefallen meine Pistolen krachen, sie hatten zwey Stück schwere Artillerie aufgefahren. Ein entsetzlich dicker Bachus wüthete unter den kreischenden Mädchen, nachdem wir die Luft klar geschossen hatten, Himmel und Erde war mannig faltig gefärbt. Heute wird in Rohrbach geherbstet, wo wir uns neulich am schönsten Abendroth über den grünen Bergen Kartoffeln gebraten, versteht sich nicht am Sonnenfeuer sondern an alten Reisern, die im Weinberg zusammengelesen. Von Hause bin ich ohne alle Nachricht und meist sehr niedergeschlagen, Görres ist fort und ich bin | nun wirklich ein Einsiedler, am Thore brachte ich ihm mein Lebewohl. Wie war ich am andern Tage erstaunt ihn in Manheim wiederzufinden, wohin ich mit dem Mahler Tischbein reiste, es ist eigentlich über flüssig, sich noch einmal wiederzusehen, wenn man einmal abgeschlossen und darum sind auch die Geistererscheinungen unnütz. Manches schöne Kunstwerk lernte ich dort kennen. Zum erstenmal sah ich einen Abguß der Pallas von Velletri, ihre kolossale Gestalt passt zu ihrer Weisheit und ich muste dem Göthe recht geben, der einmal dem Werner gegen seine Liebestheorie einwandte, er glaubte wohl, daß ihn die Marienbilder auf solche Gedanken bringen könnten, aber er wollte ihn einmal vor eine Pallas bringen, ob er da noch an so etwas dächte. Die Zimmer hat gerade solch ein Frauenzimmer zu ihrer Aufwartung, | und die heisse ich den Dragoner und so nennt sie jedermann, für keine Gottheit ist im allgemeinen so der Sinn verloren, als für die Pallas, sie ist fast so verrufen wie ihre Eule. Manches schöne Bild sah ich noch in den verschiednen Sammlungen, ich mach Dich auf Schönbergers Arbeiten aufmerksam, Du wirst deren in München sehen, die ferne Luft, Wasser und Erde mögen wenige mit solcher Sehnsucht gemalt haben, dafür sind aber seine Vordergründe seine Gegenwart, steif und wie durch eine Brille angesehen, eckig und in sich ohne Zusammenhang. Die großherzogliche Gallerie hat gute Niederländer, auch einige leicht gemalte Florentiner, voll schöner Farben^anlage, aber es fehlte 536
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so ein Hauptbild, das so in jeder Gallerie so wie ein Hauptgebirge alles hält und begründet, was sich angelegt hat. | Ein unangenehmes Gefühl muß ich Dir doch machen, ungeachtet ich mir vorgenommen, Dir jedes zu sparen, du würdest es doch erfahren, daß Göthe in Frankfurt, sein Sohn, der hergestellt, ist dahin gereist; ich habe keine grosse Lust dahin, denn ich würde ihm viel vorhusten müssen. Heute wollen wir lustig seyn, morgen kommen Franzosen, schlachten unser fettes Schwein, nehmen unsre Hosen u.s.w. es ist das Corps des Herzogs von Treviso. – Ich küsse dich nicht, damit du mir keinen Husten bekommst. Achim Arnim. An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. Hofrath u Professor Landshut von Savigny. in Bayern
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An Friedrich Heinrich Jacobi in München München, 15. Oktober 1808, Sonnabend
Ja ich will mich einmal zusammen nehmen, will ganz gegen den Trieb meines Herzens thun das mich mehr drängt in diesem Augenblick mit Ihnen zu sprechen, als zum schreiben und zwar mögte ich nicht so wohl mit Worten, als mit freundlichem Blick, und Umarmung. O Jacobi! ich mögte so gerne beweisen, daß mein zuthunliches Wesen, nicht von einem äusern Spiel meiner Laune herrührt; daß meine scheinbare Schmeicheleien, keine Waffen sind, um ein Wohlwollen zu erringen, daß einen jeden theilnehmenden adlen muß; Es hat mich zuweilen mit schneller Ahndung vor dem Antliz eines Menschen eine Liebe ergriffen, die ich nicht zu deuten wuste, mit welcher ich nichts erreichen wollte; unabhängig von allen übrigen Verhältnißen meines Lebens. Doch konnte ich vor dem Gegenstand meiner Neigung in brennender, vielleicht begeisterter Sehnsucht, nach etwas anderm glühen, was gar keinen Zusammenhang mit ihm hatte; so, in dem innigsten traulichsten Zusammenseyn wand ich mich mit Gewalt mit Schmerz loß, ich 537
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rang nach etwas was mich grad in diesem Moment berührte, bis ich mir in Thränen Luft machte, diese Stunden kann ich wohl meine bittersten nennen aber auch die wohlthätigsten; ich war nach dem Sturm, immer bereit, wie Das fruchtbare Erdreich, den Saamen alles Guten zu emfangen, ich fühlte mich fähiger, aller Tölpelhaftigkeit meines Schicksals geschicklicher zu begegnen; meine Seele war weit und gedehnt durch den Schmerz, und das Große ward mir angemeßner; aber wie leicht verschwindet dieser Schwung und läst nichts zurück, als den Hochmuth, der nachher um so mehr erniedriget. Wenn je Leidenschaftliches Andenken in meinem Herzen gezükt hat, so ist es das von Goethe, eines Abends hatte er mich ins Theater gebracht, es war Tasso; Er ging weg; die Vorstellung ward mir langweilig, Die Kraftworte, die sprudlenden Feuerquellen des Geistes, wurden als Zierde der Darstellenden gebraucht ich ging mit Freude nach Hauß, weil mir Goethe versprochen noch eine Stunde mit mir zu bleiben allein er ward verhindert, nun fühlte ich den Enthusiasmus den mir Die Hoffnung ihn noch zu sehen erregt hatte, mit schwehrem Fittig sich niedersenken meine bunte Welt löschte ihre Lichter aus, alle Bilder und Gedanken schwanden, nur ich war noch wach; alles schlief im Hauß; ich ging kalt im Zimmer auf und | nieder, mein Herz das sich selten regt, klopfte starck, ohne daß mein Gemüth bewegt ward, ich stand an der Nachtlampe still, schaute in die kleine Flamme wie sie kümmerlich ihre Nahrung in sich sog; ich weiß nicht welches erweichende Gefühl mich in diesem Augenblick berührte; eine Thräne folgte langsam der andern; Da der Schmerz den ersten Damm überwunden hatte brach er mit Gewallt loß; eine Nachtmusick ließ sich auf der Straße hören, ich legte mich ans Fenster, ich fühlte daß mein Schmerz in der üppigsten Gährung lag ich starrte mit den Augen gegen Die Thränen die sich loßringen wollten, ich trat vor Den Spiegel, ein Schmerzvoller Geist der alle irdischen Züge überwunden hatte, schaute heraus, mitleidsvoll beleuchtete ich die Gestaldt, mitleidsvoll blickt es mich wieder an, nun war ich auch biß ins innerste ergriffen, die brennenden Lippen legte ich auf das kalte Glaaß; und küßte, so inbrünstig, so Treue schwöhrend, meinem eignen Wesen. Sonderbar fiel mir der Monolog aus Goethes Iphigenie ein. »Heraus in Eure Schatten rege Wipfel« pp. ich declamirte ihn mit großer Wärme, laut und kraftvoll | (nun lachen Sie nur nicht) Aller Enthusiasmus war wieder erwacht, tiefes Leben wallte in meiner Brust, ich kniete nieder bat Gott mir keine solge Stunde mehr zu ge538
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ben, und schlief den übrigen Theil der Nacht freier und beruhigter als gewöhnlich. Lieber Jacobi! da hab ich Ihnen nun etwas erzehlt, wovon ich keine Rechenschaft zu geben weiß, so etwas hab ich mehr mal erlebt, besonders wenn ich eine Zeitlang zerstreuet war, und wieder in mich zurück kehrte befiel es mich plözlich. Eine theure Hand wie die Ihrige zu küßen thut mir sehr wohl, ich erscheine vielleicht leichtsinnig; ich vergesse doch nie den Seegen, den mir Gott in einer oder andern Gestaldt will angedeihen lassen. Was ich von ihrem Geist begriffen habe; lieber Jacobi! darf ich sagen? wie er sich mir Darstellt; – Auf schwingt er sich vor meinem Blick wie die schlanken Säulen eines gothischen Tempels; unendlich edel, tragen sie frei und heilig das Gewölb so hoch, daß die Engel des Himmels drinn wohnen mögen. Was befällt uns wenn wir in die Mauern eintretten die nicht mehr | nicht mehr dem irdischen fröhnen? wo Einheit herrscht alles sich zu einem Zweck edel wendet, um alle Leidenschaft alles Drückende der Menschen wegzunehmen zu entwirren zu trösten; O ich hatte so unrecht nicht, wenn ich sagte, daß Sie nicht für den Ruhm gebohren sind, es giebt etwas, was den Ruhm in sich begreift, und grade Deswegen nicht darnach strebt. Wer hat es uns gegeben? daß wir in tiefster Dehmuth so vertraulich seyn können, Ihm ohne Scheu die Sünde bekennen, vor dem allein Die Sünde Doch Scheu hat weil hier, Verstand, Vernunft, Wissenschaft, Menschliches Werk, nicht mehr wirken können weil der Geist dasteht entblößt von ihrer Stärke, herrlich und überweisend wo ein Funke des Guten ist wird er ihn zur Flamme anschlagen, es wird nichts zu Grunde gehen. Die Menschen haben sich ihrer Schlüße, ihrer eitlen Ideen entledigt, haben ein Hauß für Gott gebaut, worin sie sich ihm nähren Durften, wer in diesem einfaltsvollen Glauben an Ihn eintritt, der wird Ihn gewiß auch darinn finden. Nun Jacobi! so glaub ich fest; daß Der Geist, in Ihnen erhaben über alle Hülfsquellen des Ruhms, seinem Gott ein Hauß erbaute, in dem Er gern wohnen mogte | Warum hätten Sie sonst, nie was anders geschrieben als Die tiefste Wahrheit das innigst erwießne in Ihnen? Ein solches Vertrauen giebt man nicht her, um bewundert zu seyn; sondern weil sich die Seele gedrungen fühlt, den Geist ins Leben ausgehen zu lassen. Es mag seyn daß Ihre Werke ein edles Maaß und Verhältniß der Kunst besizen, ich verstehe dieß nicht bis zum Beurtheilen; allein dieß fühl ich als Wahrheit, daß Ihre Seele gewiß das Maas ihrer Schönheit 539
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dabei ausgedehnt hat. Nun wie kühn bin ich etwas aussprechen zu wollen dem die Worte weh thun, als könnte man Die Frucht berühren 95 ohne den Thau zu verletzen, der da zeugt von Gottes milder Hand, die ewig beachtet bewahrt was unter ihrem Schuze gedeihet. Ich gesteh es; nur zerstückt und unvollkommen hab ich wieder geben können, was mich so innig durch Sie berührt. Nun soll ich noch sagen wo ich her komme und wo hinaus ich will; 100 wahrlich das weiß ich selbst nicht. Den Kreiß der sich durch meine Ansichten, nach und nach im Stillen um mich bildete, zerstörte ich oft schnell und kalt, bis endlich die empöhrungs Flamme wieder in Asche versanck, dann fing ich von | neuem an; las viel, besonders Geschichte bei der ich mich am allerbesten befand, denn Da lebte ich 105 mitten in Begebenheiten die mir das Leben schäzenswerth machten mein Herz übte alle seine Fähigkeit in diesem mächtigen Strohm mit fort zu schwimmen, dessen Ufer so mannigfaltig so kraftvoll sich in seinen Wellen spiegelte; daher mag wohl auch meine Sehnsucht zum Reißen ihren Ursprung haben ich ergriff von jeher jede Gelegenheit 110 aus zu wandern, und so kam es, daß ich mit Savigny hierher kam; ich war so freiheitsbedürftig wie des Athems, keine Erziehung wollte an mir gedeihen, was nur an mir zur Gewohnheit werden wollte vernichtete ich so gleich; Es ist wircklich nur oberflächlich was ich von mir hier gesagt habe, aber wer kann mit gewisser Hand so in sich hinein- 115 wühlen. Ich weiß Daß Sie der beste sind von allen, daß Ihre Umgebung Sie begleitet, wie das Laub die Blüthe, daß ihre Gutmüthigkeit zugiebt daß selbst das Laub die Blüthe Deckt. Die Lieb ist wie ein fliegender Götterbothe wo er seinen Stab schwingt in den Lüften da bricht der Frühling aus auf | Erden, Er blüht und gedeihet bis auch 120 das lezte Gewand der Erinnerung wie der Tag am Himmel niederzieht; lassen Sie sich den Frühling meines Herzens wohlgefallen, und Gönnen mir freundlich die gute Wirkung die es zeitlebens auf mich haben wird Bettine 125
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 16. Oktober 1808, Sonntag
Lieber Guter Arnim! Ich mögte nur wieder etwas hören von Dir, Zwar aus keiner Art von Besorgniß, Denn Du selbst bist zu fest zu treu in deinem ganzen Wesen, und dann beschüzet Dich Gott. viel viel könnte ich dir erzehlen, wenn Du hier wärest; Clemens ist nach Landshut, er ist dem Jacobi mit einer ungewöhnlichen Dehmuth und Achtung begegnet. in einer Sizung der Academie war ich auch, Schlichtegroll trug alle verdienstvolle Thaten vor die während einem Jahr von ihren MitGliedern war verübt worden, unter anderm erzehlte er, daß eine gewiße Person, eine schöne Wiese an die Academie geschenckt hat, Prof: Jacobs ein Liebling von Clemens hatte noch etwas von dem alten Process mit Griechen^land, diese konigliche Weisheitsschule ist ein wahres Löschhorn alles Geistes; ich glaube wenn noch irgend ein Gutes Mitglied da wäre es müste an dem Dunst ersticken den Die ganze Versammlung macht, Jacobi klagt auch sehr über Augen weh er hat ein freundliches Zutrauen zu uns gefast, schon ein mal hatte er mir von deiner Schrifft über ihn, aber nur verblümt gesprochen, Gestern wo er allein bei mir im Zimmer war, sagte er auf ein mal daß es ihn unaussprechlich gekränkt habe, indem er sich bewust sey nie einen unterdrückenden neidischen Gedanken gehabt zu haben, er fühle selbst daß das Alter ihn Schwach gemacht habe, daß es ihm leid sey erfahren zu müssen, da | da er geglaubt habe in Der Jugend durch seine Kraft sich einen Schaz für das Alter gesammelt zu haben, daß ihm nun alle Frucht in Spreu zerfliege pp. ich schwieg zu allem, da er ausgesprochen hatte, machte ich ihm eine Schilderung deines Carackters so wie er mir Enthusiasmus für dich einflöst; du nimst mir dieß doch nicht übel lieber Freund, denn er ist (doch mehr wie viele andre die sich um dich bekümmern), werth; was gut ist zu erkennen. hierzu sagte Er nichts als; daß er es recht schön fände, daß wir treu aneinander handelten pp: – Tieck wird in jeder Stunde hier erwartet nebst seiner Schwester und Knorring noch haben wir einen gewissen Docktor Klinger kennen gelernt der viel mit Frd: Schlegel war, und einmal aus lauter Liebe sich für ihn aufopfern wollte; jezt aber überlegt und anders besonnen hat, er hört bei mir unter Die Rubrick von Friz Schlosser; Cristian Schlosser hat nicht viel Glück gemacht, deswegen wird er so bald abgezogen seyn, er hat merkwürdige Decorationen seiner selbst hier aufgestellt. Man will behaupten daß 541
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Tieck sich in Landshut fest sezen will, auch haben etliche Nachricht aus Hamburg daß Du nach Landshut kommen würdest, ich weiß zwar daß es nicht wahr ist, doch erfreut es mich allemal wenn ich es höre, ich frage immer woher Die Nachricht kömmt. Mein lieber Freund! was Darf ich dir | freundliches schreiben? ic〈〈h wü〉〉nsch dir alles gute, alles beste, ich wünsch dir, mich an die Seite, so wie ich am besten bin, daß ich dir erfreulich seyn möge, ich wünsch Dir daß Du fortfahren mögest mit Ehrfurcht vor deinem Gott in Dir, ihn mit Kraft auszusprechen; nein ich wünsch mir dieß alles, denn Da hab ich ja mein Glück ausgesprochen. Bettine. Bald Nachricht, ich bitte sehr darum. Professor Hess zu welchem Grimm soll ist einer Der angenehmsten Menschen im Umgang, sehr Geistreich über Kunst dabei unendlich Mild in seinem Wesen. Clemens hat schon an Die Brüder darum geschrieben, es wird sich wohl bald über Grimm entscheiden. Die Portraitmahler Die hier sind, sind alle so schlecht daß ich es nicht gewagt habe mich mahlen zu lassen aus Furcht dir einen Schrekken einzujagen.
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, etwa 16. Oktober 1808, Sonntag
Die Nachricht, die ich Durch Arnims Brief erhielt, daß Goethe in Fr: ist hat mich so betrübt daß ich fürchte aus der Haut zu fahren; indessen hab ich mir einen Trost erwählt, nehmlich ich hab mir geschwohren, ihn binnen einem Jahr zu sehen; es koste was es wolle. wenn er stürbe ohne daß ich ihn noch gesehen hätte, ich wäre untauglich für das ganze Leben. An Jacobi hab ich einen 7 Seiten langen Brief geschrieben, worauf er zu uns kam, Gunda ging einen Augenblick hinaus, nie mals hab ich geglaubt, irgend jemand so in Verlegenheit sezen zu können Wir schwiegen beide 20 Minuten, endlich fing ich an ihm etwas nachdrücklich ins 542
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Gewissen zu reden über Arnim, allein diesem ist der Stab gebrochen so auch Kreuzer und Daub, er sagte, er würde lieber alles thun als einen von Diesen Dreien sehen; es sey schlecht von den beiden solch eine Sauerei, Schlüffeley pp. unter ihrer Firma drucken zu lassen. Nun mein ich, daß wäre doch ein bisgen zu arg von dem Alten. | ich habe mir vorgenommen, ihn zu bessern ihm zu lehren daß ein solcher Kroll ihm nicht ansteht dann ihm nach und nach beizubringen daß ein jeder sein Recht in der Welt hat, und daß er gar nicht unrecht daran thun würde, grade solche Menschen doch kennen zu lernen, ich weiß nicht wie bald, und ob diese Bekehrung mir gelingen wird. Max finde ich alle Tage samt Frau u. Kindern liebenswürdiger, selbst über diesen ist Jacobi im Irthum, er glaubt dieser habe eine sehr mißtrauische Natur, das ist nun gar nicht wahr, sondern weil Max die allerzutraulichste Natur hat, muß er wohl verstummen in einem Kreis wo alle Zutraulichkeit verbannt ist. Jacobi hat mir noch ferner gebeichtet daß Tante Lene mich nicht leiden kann daß er ihr aber schon ziemlich ein besseres beizubringen gesucht, er schickt mir heute seinen Altwill ich soll ihm aber dafür mein Urtheil geschrieben schicken, geb acht bald kommt eine Sammlung in Briefen über Jacobis Werke und Carackter heraus. Bettine Monsieur de Savigny bey Prof. Michl à Landshuth
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*443. Von Clemens Brentano und Friedrich Carl von Savigny an Bettina und Kunigunde von Savigny in München Landshut, zwischen 17. und 20. Oktober 1808, Montag und Donnerstag B an Ludwig Achim von Arnim, 21. Oktober 1808:
Savigny und Clemens schreiben uns aus Landshut daß sie Wunder von prachtvollen alten Bildern für ein Spottgeld gekauft haben, und taglich noch auf^finden während Rothmänner und Malmann über Kunst schrieen wurden vor ihren Augen mehrere der herrlichsten Bilder zerschlagen. (Nr. 444,22-26.)
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 21. Oktober 1808, Freitag
So kommt denn endlich alles an Tag; wie lang auch Dein Brief auf der Post sich versteckt haben mag, so kam endlich Die Stunde wo er erbrochen wurde, und gleich einem zu rückgehaltnen Strohm, ströhmte mir alle Freundlichkeit über den gebrochnen Damm Des Siegels entgegen, also war Der 25te September ganz mein und ist noch mein auf zwei vollgeschriebnen Bogen fest gelaagert, lieber Freund; an den Orangen Garten bei Aschaffenburg erinnere ich mich noch recht wohl, da sah ich hinein im vor bei fahren, und schluckte die lezte Betrübniß nieder um sie zu besserer Zeit ganz zu verdauen. jezt ist alles ruhig und gesezt in mir, Daß ich Dich verlassen muste, so grausam, das hab ich überwunden ich bereite nur alles in mir zu neuem Emfang indessen thut es mir auch leid daß mich von Diesem Leid Zeit und Gewohnheit trennen wollen, daß ich nicht mehr mit derselben Sehnsucht dir Gute Nacht rufe, als die erste Nacht nach meiner Abreiße. Boisseret ist vor 4 Tagen angekommen und Tieck vorgestern Abend, wir waren heute Morgen miteinander in der Gallerie; Tiecks Schwester ist auch da, ich soll sie sehen, ich fürchte sehr; nun was? – das sie mir nicht gefällt im ganzen geht es mir hier nicht nach Wunsch | ich habe kein Zimmer für mich allein, und ist kein Augenblick Ruh um mich die Kinder lärmen Gunda treibt Haußhaltungs^geschäfte und zieht mich alle Augenblick zu Rathe, so daß recht ausführlich an Dich zu schreiben mir eine Unmöglichkeit ist. Savigny und Clemens schreiben uns aus Landshut daß sie Wunder von prachtvollen alten Bildern für ein Spottgeld gekauft haben, und taglich noch auf^finden während Rothmänner und Malmann über Kunst schrieen wurden vor ihren Augen mehrere der herrlichsten Bilder zerschlagen. Schelling hab ich auch gesehen man wollte ihn mir vorstellen da er aber so ein fürchterliches Gesicht hat konnt ich mich nicht entschließen mit ihm zu sprechen bin ihm daher ausgewichen. ein gewisser Dr. Gries den Du wohl kenst ist auch hier. er ist taub dieß wuste ich nicht; da er neben mir saß und mich sehr leise etwas fragte, antwortete ich auch nicht laut, er wurde immer leiser und ich auch, so daß wir eine Conversation führten, wovon keiner etwas verstand. Über Deine Liebschaft sage ich nichts, es ist | Schickung Gottes wenn er ein Dunkles Andenken wieder einmal so klar aus dem Bronnen der Erinnerung schöpft und ihn dem ErdenPilger als Trunck darreicht. – Nur das wünschte ich daß dein Husten dich nicht hinderte, 544
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mich zu küssen; recht gern will ich den Husten erben, wenn Du nur ohne weiteres Bedenken mir um den Hals fallen willst. Lieber lieber Arnim ein Kuß von Heidelber〈〈g〉〉 hierher den wehen die kalten Nordflüg〈〈el〉〉 so mächtig an daß alle fremde Krankheit sich gewiß von ihm trennt und blos die Natur des Kusses ansteckt nehmlich daß man wieder küst. wie ich es denn mit ungemeiner Herzlichkeit jezt thue. Adieu Die Nacht bricht ein; ich bät Euch länger hier zu bleiben allein – Allein, ja allein wollt ich wärst Du bei mir. mein bester lieber Freund. sey nicht mißmuthig und immer gut deinem Freund. Bettine An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Zimmer Heidelberg
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Heidelberg d* 22 Oktob 1808. Zwey Briefe von mir sind unterweges, liebe Bettine, mein erster hatte sich mit dem Paket in der Buchhandlung so lange verspätet, daß ich ihn heraus nahm und beydes seinen eignen Weg gehen ließ. Ueber den Irrthum des letzten, als ob Göthe in Frankfurt sey muß ich mich rechtfertigen, in einem Briefe an den jungen Göthe, der ihn nach Frankfurt berief, hieß es, wegen der Ankunft seiner Aeltern, jezt scheint es blos die Mutter gewesen zu seyn. Wir haben es hier alle geglaubt; es war also wahrhaftig nicht um dich durch einen kleinen Schrecken aus Deiner Beurtheilung der Bayrischen Akademie aufzustören, doch Du warst schon in einem Abend damit fertig geworden. Der Clemens hat mir viel wunderliche Sachen von Dir erzählt, aber ich sag sie nicht wieder; Du scheinst mir viel in der französischen Malerschule gethan zu haben, ich meine mit Effektstücken, laß es Dir einmal von ihm wiedererzählen. Laß Dich des an Dir nicht so sehr verdriessen, denn wenn unser einer als gesetzter Mann das gleich mißbilligt am Schreibtisch, so hat man doch | auch seine schwache Zeiten, wo einem so etwas über die Zunge springt und das ist eben keine Klinge, die es niederhaut, son545
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dern da klingt es eben recht laut daran wieder. – Daß ich Jakoby gekränkt habe ist ohne Absicht, das muste er auch selbst einsehen, von Alterschwäche habe ich gar nicht geredet, wohl aber, daß er etwas unternommen, was er nicht kannte; jämmerlich scheint es mir aber von ihm herumzuträtschen, wie ihn das gekränkt und ein sehr abgenutztes Mittel, gegen meine Ueberzeugung einzunehmen. Seine Ehrlichkeit mit sich selbst ist mir aus mehreren Geschichten verdächtig, und ohne die ist der Mensch doch keinen Pfifferling werth. Du hast mir gar nichts weiter von seinen Schwestern geschrieben seit dem ersten Briefe, bist Du ihnen gar nicht zu Collet gestiegen, die eine soll doch ausgezeichnet seyn, nur mögen sie freilich alzu tiefe Geleise von der Gewohnheit erhalten haben. – Deine letzten Nachrichten von Görzens waren mir sehr erquicklich, Du hattest wirklich in den früheren Briefen mir nichts erzählt, als daß meine Tante viel mit Dir gesprochen über mich und dich. Dein letzter Brief hat mich in den Kreis zurück versetzt; ich hörte den Abend mit besondrer Andacht ein Fräulein Winkel harfenieren, die hier ein Concert gab. | Sie spielt in einem sehr edlen Style, oft ossianisch und malt in Oehlfarben, wenigstens copirt sie mit wahrer beendigter Fertigkeit, spricht viel Sprachen, kennt die Literaturen, ist dabey ohne alle Ansprüche munter und gar nicht häßlich und wie schändlich der Ruf mit Mädchen von einigen wirklichen Talenten umgeht, sie ist mir von sehr braven Leuten als ein Scheusal verkünstelter, moderner, naseweiser Bildung ausgeschrieen. Die Mutter hat ihr Vermögen verloren und das Mädchen erhält jezt sie und sich durch Concerte u durch Copieren ausgezeichneter Gemälde. In ihrem Concerte fand ich den alten Voß mitten unter seinen Adjudanten, erhaben als säß er auf dem Trojanischen Pferde, oder wie die Leipziger Stadtsoldaten wenn sie auf dem spitzen Esel sitzen, seiner Physiognomie nach wie ein Leineweber, der Garn gestohlen, und deswegen noch Handschellen trägt, er protegirte sie auch, das ärgerte mich und drum gab ich mich viel mit ihr ab. Baggesen sprach ich dort, den klystirt er gegen die Romanticker zu feuern; die Rudolphi sieht mich auch feindlich an – ich bin ein verfolgter Edler! Uebrigens habe ich hier noch eine Weibliche Merkwürdigkeit entdeckt, aber noch nicht gesehen, eine Correspondentin von Göthe aus alter Zeit, eine alte Jungfrau, die fast männliches Ansehen haben soll und die mit der halben Welt korrespondirt. Er hat ihr erstlich wieder durch seinen Sohn geschrieben und zwar hatte dieser Befehl, den Brief selbst zu übergeben. In der Einsamkeit macht mir diese Neugierde einige Unter546
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haltung, ich laure ihr auf, es wird amende ein wüst Gesicht seyn und altklug wie eine Schildkröte. Wenn es aber die wäre, für die sich sein Herz noch regt, wenn die Rosen wieder blühn? – Ich werde dir nächstens eine Musick zu diesem Göthischen Liede von Zelter schicken, die mich einige Abende ganz selig gemacht hat, es war aber auch die einzige Musick die ich seit lange hörte. – Kaum hab ich noch Platz ein Wort über meinen Stolz zu sagen, den Du in Deinem vorletzten, mir sonst sehr werthen Briefe opfern lassen willst, durch mich selbst, liebes Kind man kann sich wohl ganz aber nicht stückweis opfern, und wie der Korporal im Wallenstein von einer zerhauenen Hand sagt, es ist keine Hand mehr, es ist nur ein Stummel, das gilt überall. Nur das Schlechte läst sich abgewöhnen, gehört jener Stolz auch dazu, so wird er sich endlich wohl ablösen, da ich hier zur Strafe ganz eng in den Winkel gestellt werde Achim Arnim. An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H Hofrath u Professor von Landshut Savigny in Bayern
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 25. Oktober 1808, Dienstag
Ich schreib zu selten, und hab zu selten Nachricht von Dir; lieber Arnim! Die Entfernung erkältet doch wirklich den Eifer zum Schreiben; wie ich in Frankfurth war und wuste daß wenn ich heute den Brief weg schickte Du ihn morgen lesen könntest und ich über^morgen eine liebe Antwort von Dir haben konnte, da muste ich beinah jeden Tag wenn auch nur Dummheiten schreiben. jezt mein ich immer so weiten Weg müste ich doch auch etwas wichtiges zu sagen haben, dieß mangelt mir nun freilich. Savigny und Gunda sind nach Landshut haben mich mit Den Kindern allein hier gelassen Poisseret und Tieck kommen entweder Abends mir Gesellschaft leisten, oder ich gehe mit beiden zu Jacobi, wo gewöhnlich ein gewisser Graf Westerhold ist, du must auch schon von 547
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ihm gehört haben, er ist von Regensburg. ist sehr viel mit Mystikern umgegangen, zwar thut er hier nichts als die Menschen mit der Lorgnette betrachten, im ganzen geht es dort durch das Strenge Wesen der beiden Schwestern Jacobis so langweilich zu, daß man oft den ganzen Abend | um Die Wette gähnt. Den Tag durch beschäftige ich mich mit Musick und mit Lesung einer Geschichte des englischen Hofs. im Anfang ging es mir mit dem Gesang sehr übel, ich war an eine Lehrerin gerathen die für sehr gut gehalten wird allein sie versicherte mich daß ich nie würde singen lernen, weil ich mich zu krumm hielt jezt hab ich einen Lehrer, der nächstens eine große Musick mit mir aufführen wird versteht sich nur unter den Hausfreunden. ich bin wircklich unglücklich gar keine Poesie hier zu haben die mir lieb wäre, ich mögte so gern etwas componieren, und hatte mich schon auf die Sachen gefreit mit denen dein langer Brief kommen sollte, nun ist er da, aber sonst ist nichts mitgekommen. aus Verzweiflung hab ich endlich selbst ein kleines Lied machen wollen um es in Musick zu sezen allein ich wurde Drin gestört, es ist also nicht fertig worden. es geht so an »Die Perle ruht in fest verschlossner Schaale so ruht dein Herz in meinem fest verwahrt.«. – es sollte an Dich seyn lieber Arnim. nun wurde dieß auch unterbrochen, wie so Manches unterbrochen | ward was immer hätte währen sollen. Deine Gesundheit währt doch noch? deine Freundschaft und gutes theilnehmendes Herz währt noch? nicht wahr? – Ach ich hab noch den ganzen Sommer im Herzen mit jedem Spaziergang mit jeder Labung in der Hize, mit jeder Laune und Unart von mir, alles Wasser, wolken, und Wetter regiert noch immer (beinah mögt ich sagen) noch deutlicher in der Erinnerung meine Brust, als damals in der Wirklichkeit. und hier schauen die die Scharfen Tyroler Berge schon über die Stadtmauern und glänzen im Schnee. wie schnell wie schnell fliegt aller schöne Glanz, der Tag ist auch schon weiter, und ich muß mich während dem schreiben in seine müden halbverschlossne Augen blick drangen, um noch zu sehen. Leb wohl mög es dir recht recht gut gehen da ich nicht bei Dir bin, mögst du keinen Verdruß und Kummer haben immer auf einem lieben frischen Weg fortwandlen. Bettine An Herrn Baron von Arnim abzugeben bei Hrn Buchhändler Zimmer Heidelberg
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 25. Oktober 1808, Dienstag
Die beiden Kinder sind über alle Maasen wohl das Bübgen hat heute Nacht gar nicht geschrien. Die Pulette hat sich gestern, nach eurer Abreiße zu mir gesezt und hat den ganzen Morgen gemahlt Männer und Kinder ohne Köpf und Leiber, nur von Beinen und Ärmen zu sammen gesezt. Gestern Nachmittag war ich mit Poisseret bei Heß, welcher sich über alle Erwartung freundlich bewiesen hat, er machte Poisseret sogar eine Sammlung alter Kirchen zum Geschenck, da dieser Lust daran zu haben schien; Den Abend hab ich mit Tieck zugebracht, in dem aller Traulichsten Gespräch, ich wollte | ihm meine viele Liebes geschichten in Cassel erzählen und fiel mir sonderbar nichts ein als von zwei Zicklein die ich dort auferzogen, und einem Kirschen Dieb der mich einst bei Nacht im Garten ängstigte Diese Entwiklungen machten ihn so lachen daß alle Melancholie, die ihn den Tag im höchsten Grad geplagt hatte, von ihm wich. Apropos, es war doch recht gut daß ihr grade gestern weg gingt. Den eine halbe Stunde nach eurer Abreiße kamen 4 Mann Einquartierung M: Moy mußte Gundels Bett für sich nehmen und ihres hergeben, die Felix muste bei der Lisett schlafen die Bessel in unserm Zimmer pp Dies würde Euch doch sehr in Verlegenheit gesezt haben. ich weiß nicht wie lang die Einquartirung dableibt. Adieu! Poulette hat heute Nacht nicht gelutscht, sie hat gleich mich gebeten es doch dem Vater zu schreiben. Lisete hat ihr gestern eine Schehre gekauft. Die Gundel soll doch nicht vergessen dem Savigny das über Tieck und Clemens zu sagen warum ich sie den Abend im Bett gebeten habe. dann sollt ihr fragen lassen auf der Post ob kein Paquet für mich da ist. dann wollte ich ihr schicktet mir meine große Rothe Brieftasche wohlverwahrt. Lebt recht wohl und seid wegen der Kinder unbesorgt der Bub hat sich heut an meinem hals band in die Höh gehoben und aufgestellt. Bettine An Herrn Proffessor von Savigny abzugeben bei Hrn P: Michel im Jonner ischen Hause Landshuth
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*448. Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach München Landshut, 26. Oktober 1808, Mittwoch B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 27. Oktober 1808: Ihr seid doch rechte Plaggeister; jezt soll ich schon wieder schreiben (Nr. 449,1).
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 27. Oktober 1808, Donnerstag
Ihr seid doch rechte Plaggeister; jezt soll ich schon wieder schreiben und weiß nichts als grade das nehmliche wie gestern 1stens das beide Kinder gesund sind 2. das Poulette heute Nacht nicht gelutscht hat und es dem Vater melden läst, der wohl sagen würde: Ey was hab ich ein lieb Kind. gestern Früh hat sie mir einliegende Karte gestickt welche sie Vater und Mutter zum Andenken schickt. Das Bübgen hat rothe Backen und ganz ordentlich Oeffnung. gestern war Poulette Spazieren heute soll sie zu Soemmerring gehen; dieser war gestern bei mir, meiner Idee nach, ganz betrunken denn er schwazte so tolles Zeug daß mir himmel angst wurde nachher kam Poisseret welcher sich hier gar nicht wohl befindet und nächsten Montag schon in Landhut seyn will aus lauter Langerweile haben wir uns vom Heurathen unterhalten und blos um Euch etwas wichtiges schreiben zu können hab ich mich mit ihm versprochen Tieck war den ganzen Tag nicht bei mir, dieß machte mich etwas Schwehrmüthig, ich ging zu den Kindern spielte den ganzen Abend mit ihnen. sie sind in der That so gesund und Munter daß ich beinah auf meine Rechnung schreiben mögte Poulette ist so geschickt, dieß kömmt aber gewiß von mir ich rathe daher de〈〈r Gund〉〉el, gar nicht wieder zu kommen. Bettine 〈aoR kopfstehend:〉 Den Jacobi hab ich jezt in 8 Tagen nicht gesehen.
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Freitag Gestern hab ich Euch geschr〈〈ieben〉〉 zwar nur wenige Zeilen, allein da ich Morgens ein Fußbad genommen hatte war es um 5 Minuten zu späth auf die Post, und Ihr müst nun um einen Tag ohne gute Nachricht seyn. Es ist dem Bübgen ein Violen wurzel gekauft worden, sie will ihm aber nicht schmecken schon seit einer halben Stunde ist er am Fenster und jauchzt daß alle Gassenbuben über das Freuden geschrei zusammen laufen O es giebt ein gewaltiger Kerl er hat gestern seiner Amme eine Ohrfeige gegeben daß ihr die Zähne noch davon wacklen. Puletter war bis auf diesen Morgen geschickt, allein von Ungefehr meint sie; sey ihr der Finger wohl in den Mund gekommen, sie hat heute Nacht laut von ihrem Vater getraumt »Lieber Vater ich schreib Dir, daß ich dir schreiben will, ich bin geschickt«. – Gestern um halb eins kam der alte Jacobi zu mir, ich sprang ihm an den Hals und kam späther in ein tiefes Gespräch mit ihm über Allwill, er forschte mit Sorgfalt nach meinem Urtheil über manche Sachen darin, ich muste ihm versprechen den Nachmittag zu ihm zu kommen, wie ich hin kam hatte er sich schlafen gelegt und befohlen wenn ich käme soll man ihn wecken, die Tante Lehne war so liebreich gegen mich, daß sie mich bat, mich doch auf die Erde zu sezen wenn es mir Spaß mache, endlich begleitete sie mich bis an die Haußsthür. Jacobi ist übrigens mit mir einverstanden daß Fr: Keppen in Gr: Westerhold sehr starck verliebt ist. Adieu Lissette ist sehr ordentlich, sowohl mit dem Kind als was auch meine Bedienung betrifft. Tieck kommt nicht so oft zu mir, er wird erster Tag in Lands huth seyn, Bettine
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〈alR:〉 Das einzige was ich fürchte ist, daß dem Buben die Backen plazen, vor Gesundheit er schreit Nachts gar nicht mehr. 30
An Herrn Baron von Savigny. Abzugeben im Jonerischen Hauße Landshuth
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*451. Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach München Landshut, Ende Oktober 1808 B an Ludwig Achim von Arnim, Ende Oktober 1808: Mit Clemens und Auguste geht es auf den schlimsten Pfaden der Kümmerlichsten Reiße sie sind in einer kalten Erbitterung gegen einander in Landshut, wie mir Savigny schreibt (Nr. 452,16-19). B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 30. oder 31. Oktober 1808:
Was die tapeten belangt wollte ich wohl welche schicken, wenn ich welche könnte holen lassen, aber ich habe leider Niemand (Nr. 454, 17-19).
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, Ende Oktober 1808
Wenn der Brief nur von Dir ist, mag nachher auch mancherlei drinn stehen worüber man sich verdeutigen müste mancherlei was man selbst nicht versteht, und mancherlei was man nicht billigt. ich verdeutige nehmlich nicht, was Clemens Dir von mir erzehlt hat, weil ich nicht weiß was es ist, und werde ihn auch nicht darum fragen, weil er wahrscheinlich selbst nicht wissen wird was es ist. ich verstehe nicht was du von meiner Kunst in Effecktstücken schreibst, und wundre mich daß Du den Worten eines Menschen traust der aus einer Fliege einen Elepfanten machen kann und dem ich nie getraut habe wenn Die Rede von Dir war; ich billige nicht daß Du Dich entschuldigest über Deine falsche Nachricht von Goethe, als könnte ich glauben Du wolltest mir eine Betrübniß machen, da ich doch im innersten Herzen überzeugt bin, daß niemand auf Gottes^erdboden ist, der mir mehr Freude gönnt als Du, der lieber eine Betrübniß von mir abwenden mögte als Du, was wären Wir miteinander, wenn nicht ein jeder Dem andern gern Freude für Betrübniß und Sorge austauschte. Mit Clemens und Auguste geht es auf den schlimsten Pfaden der Kümmerlichsten Reiße sie sind in einer kalten Erbitterung gegen einander in Landshut, wie mir Savigny schreibt Tieck ist immer noch hier, er kömmt oft Abends zu uns hat Den Savigny und Savigny ihn schnell liebgewonnen ich weiß nicht ob Du einen Grafen Westerhold aus Re552
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gensburg kennst, denn ich beinah Tagtäglich sehe aber noch | nie ein Wort mit ihm Sprach, er soll ausserordentlich interressant seyn, Tieck sagte mir daß er vorzüglich wegen ihm in Diese Gegend gekommen sey Dieser Mann hat große braune Augen und sehr majestetisches Angesicht, das Gicht so in den Beinen daß er kaum Drei Schritte allein gehen kann, er macht den beiden Schwestern Jacobis die Cour und küßt Jakobi immer beim Kommen und Gehen. Du willst wissen wie ich mit diesen Schwestern stehe; sie sind beide ausserordentlich freundlich gegen mich, besonders die Helene, hart und unangenehm für Den, Dem sie nur die äusre Schaale weist, aber Der Geist der ins innre ihrer Natur dringen darf, wird vielfältig belohnt; wie man mir vielfältig versicherte ich war noch nicht so glücklich, indessen erlaubt sie mir doch mancherlei Freiheiten, ich brauche nähmlich nicht auf einem hohen Sessel zu sizen und mit den Beinen zu bamblen während Die Großen mit den Füsen auf Der Erde stehen, sie giebt mir daher immer ein Schehmelgen. Ich komme so eben von einer Singstund wo ich mich ganz lustig getrillert habe, ich glaube es würde Dir hier recht wohlgefallen, es sind so viele Sängerinnen in allen Gesellschaften zu finden die meist recht schön singen ich gehe zwar selten aus aber mehrere kommen zu mir, und da machen wir Musick miteinander, da bin ich denn wie ein Fisch im | Wasser; Denke Dir, es sind 30 Liebhaber Theater, hier vom ersten Minister bis zum Perückenmacher und Lampenpuzer spielt alles Comedie, keiner will dem andern zusehen, ein jeder will selbst spielen heute werden zwei deutsche Stücke vor dem König und Krohnprinzen aufgeführt, in zwei Tagen eins, bei Minister Otto, dann wird während dem Spielen immer noch einstudiert Iphygenie in Aulis von Racine für den nächsten Sonntag, kurz so bricht die Bildung in allen Ecken loß und wenn sie auch nichts sind, so stellen sie doch viel vor. ich bin auch eingeladen zuzusehen, allein ich hab mich bis jezt noch enthalten. ich glaube, das wäre etwas für den alten Meister. Bleibt Fr: Winkel lange in Heidelberg? es ist mir leid daß ich sie nicht kenne, grade weil ich so verschiednes Urtheil von ihr gehört habe, z: B: Friz Schlosser war in sie verliebt, später ward sie ihm zu wieder man hat mir auch gesagt, sie sey falsch und boshaft man kann aber sehr sehr leicht die Unwahrheit gesagt haben, denn wie Du so mein auch ich, da Sie einmal genötigt um Mutter und sich zu ernähren ihre Talente an Tag treten zu lassen, so konnte sie leicht verläumdet werden, um sie auf der andern Seite wieder ins Gleichgewicht mit den An553
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dern Damen zu bringen. Ich bitte Dich mache Bekantschaft | Mit der Göthischen Schildkröte, ich bilde mir ein daß sie vieles zu erzehlen hat von ihm, und auch schöne Briefe haben mag. Laß Dirs wohl gehen mein lieber lieber Arnim aber nicht so wohl daß Du nicht Zuweilen Dich nach mir um siehst. mag auch Clemens sagen was er will, sey nur immer überzeugt daß ich Dich vest im Herzen mir zur Erquickung halte, ich glaub nicht daß es so lang Dauern wird bis wir uns wiedersehen; bis dahin bin ich dein innigster Dein bester Freund dem Du ganz vertrauen Darfst. der ein harter Stahl vor Deiner Lieben Brust, ist, zur Gegenwehr alles unheimlichen Schicksals, ein blancker Stahl der keinen Rostflecken der Liebe leiden wird (alte Liebe rostet nie). ein glänzender Stahl, der sich würdigt ein edel Gemüth wie Deins zu begleiten; und ists Gut, ich bin dir verbunden für jede Freundlichkeit, auch für Die Zwei Briefe die von Dir unterwegs sind es ist mir hier das liebste, dein Patgen befindet sich sehr gesund, bekömmt einen festen Manlichen Carackter. meine große Freude; hier, ist die Sonntagsmeße in der Hofcapelle wo immer eine schöne Musick aufgeführt wird. Da kann ich zuweilen Andachtig seyn. Dein Bettine
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 29. Oktober 1808, Sonnabend
Als wieder die alte Leyer. Die Kinder sind gesund und lustig wie die Fisch im Wasser ich wollte sie machten ein mal etwas sonderbares daß ich doch etwas zu melden hätte Zum Beispiel wenn Puletter flöge und der Bub Ducaten sch:–. Gestern war ich von Morgens bis Abends ganz allein, endlich ward ich es müde und schlenderte mit Mlle Rossi und ihrem Bruder über die Gassen, die Moÿ ist eine Frau welche einem durch ihre Unterhaltung das Leben recht sauer machen kann, sie hat sichs nun einmal in den Kopf gesezt mich zu bessern und auf Heurathsgedanken zu bringen, ich darf mich nicht sehen lassen, daß sie mir nicht von ihrem eignen Carackter spricht, der in ihrer Jugend grad so war wie der meine, Gott behüte, daß mein Carackter nicht einst in einen so dicken Bauch ausartet. Gundel sag doch der Friedrich daß die Lisette mich so gut bedient, daß ich mich schämen würde wenn sie nicht ein gleiches bei dir thäte. Die Pulette traumt sehr oft von ihrem 554
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Vater heute Nacht rief sie zweimal aus: Vater! Vater Savigny und Mutter Gundel. Sie ward wach und erzehlte mir daß sie getraumt habe, der Vater hätte der Gritt in den Bauch getreten. Adieu lebt recht wohl und seid ohne Sorgen. auch die Amme verhalt sich ordentlich, ich hab noch nicht klagen könen Bettine 〈aoR kopfstehend:〉 soltet ihr allenfals Bestellungen haben wege Überzüge, so bitte ich vertraut es mir, ihr sollt gewiß 〈〈orden〉〉tlich bedient werden.
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 30. oder 31. Oktober 1808, Sonntag oder Montag
Ich glaube daß wenn Ihr zurück kommt, Ihr die Kinder auffallend verändert finden werdet, zum wenigsten den Bub, denn mir kommt er alle Morgen beinah um einen Zoll dicker und stärker vor die Pulett nent ihn einen Bierkrug, ich fragte sie warum: Ey weil er den ganzen Tag Bier bei der Amme zapft. Gestern war Graf Stadion nebst Tieck und Boiseret den ganzen Abend bei mir, Pulett war auch da, sie nente Ihn aber nicht Schwarzer Friz noch sonst etwas daraus merkte ich denn daß sie ihrer Eltern beifalls lächlen wohl kennt. nur an Tieck wendete sie sich um ein Stückgen Zucker, weil sie glaubte er sey der beste, und würde es ihr nicht abschlagen. Gestern Nachmittag war ich wieder bei Jacobi er war sehr melancholisch allein es gelang mir in kurzer Zeit ihn so aufzumuntern, daß er über die Maasen lachte, ich fragte ihn um Schelling, ob er ihm gut sey; dieser Mann hat für mich so unendlich viel anziehendes, sagte er, daß ich mich vor ihm in Acht nehmen muß wie vor den verbotnen Reizen einer Dame. Die Tante Lehne läst übrigens sich allen Muthwill von mir gefallen, und daran ist der alte schuld. Was die tapeten belangt wollte ich wohl welche schicken, wenn ich welche könnte holen lassen, 555
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aber ich habe leider Niemand, Lissette muß durch aus bei den Kindern bleiben, sie kommen gar nicht mehr aus der Kinder stube, heraus, Puletter frühstückt selbst nicht mehr im Küchenzimmer und bei die Mlle Rossy kommt sie auch nicht mehr damit ist sie vor unrichtigen Corecturen und Unarten mehr bewahrt, ihre Spielsachen hab ich ihr gleich nach Eurer Abreiße in das Schlafzimmer gebracht, dadurch wird es nun eine ordentliche Kinderstube, den Saal hab ich aufgeräumt das Kanapee Stühle und Sessel alle Nach der Reihe geflickt, also daß es sehr ordentlich und Wohnlich aussieht, Puletter kommt nur Morgens herüber zum Frühstück, und ist den übrigen Tag bis gegen Abend unter Lissette wo ich sie denn oft besuche, ich sage Euch, daß sie jezt weit weniger Unarten begeht, grade weil sie sehr lebendig ist, so ist die höchste Ruhe in ihrer Umgebung ihr sehr zuträglich. ich wollte gern mehr schreiben allein die Post geht ab. Da Gundel wohl nie nie an die Kurzbeck schreiben wird so werde ich mich doch genotigt sehen nach Regensburg zu schreiben. Bettine
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 1. November 1808, Dienstag
Wohl sind Die Kinder Die Kinder sind wohl. Und seid nur überzeugt daß sie wohl bleiben es kömmt mir ganz lächerlich vor daß ich alle Morgen um halbacht aus dem Bett muß um immer das nehmliche zu schreiben. Puletter hat heute Nacht geträumt es seyen zwei große Hirsche zum Küchenfenster herein gesprungen, und das sey Vatter und Mutter gewesen, sie nimt jezt alle Abend bei der Lisette von 6 bis 7 Uhr Abc stunde, ich schicke die Kinder so oft es schön wetter ist um die Mittags Stunde spazieren der Bub wird in eines von meinen Schwales gewickelt weil er kein überröckgen hat, und Puletter sezt mein schwarz sammt Unglücks Käpgen auf daß nach allen änderungen nun grad so groß ist, daß es auf ihren Kopf paßt. Die Gundel war so gut mir meine Musick zu schicken, allein beim Stabat mater hat sie mir nur die Partition ohne Text geschickt welches mir gar nicht helfen kann, und von der Partitur nur das Titelblat mit der ersten Seite, der Musick, ich bitte sie also inständig mir das übrige noch zu suchen. und sogleich zu schicken, auch erinnere ich sie nochmals an die Kurzbeck. Tieck und Poi556
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seret werden im Anfang dieser Woche in Landshut seyn, vielleicht früher als dieser Brief. Bettine 20
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Drrrrm buh-zths dh. dh. dh. thrz. – So hat Euer Sohn gesprochen als ich ihn heute Morgen fragte was ich dem Vater und Mutter von ihm schreiben soll. Puletter war gestern bei Sömmering, Er wird ordentlicher maasen geschickt unter meiner Zucht, nun sagt noch einmal ich habe keine Art mit Kindern umzugehen und keine Consequence. er lutscht nicht mehr, lügt nicht mehr und ist bei Tische ziemlich artig, was will man mehr in Acht Tagen. Tieck ist gewiß auserordentlich brav und Ehrlich, er ist besorgt um alles was ihm werth zu haben schien, auch so seine Schwester, ich Glaube, daß obschon sie etwas unangenehmes im äusern Wesen hat sie bei näherer Bekantschaft, besonders Dir Savigny gefallen würde, wenn sie ernsthaft ist, so hat sie eine eben so feste bestimmte Art sich auszudrücken; beinah noch bestimmter noch reiner als Tieck, obschon ich nun weder mit ihr, noch mit ihm über manche Dinge einverstanden bin, so hat es doch einen unglaublichen Reiz für mich, aus dem Leben mit ihnen, mir ein edles Geschäft zu bilden. und so wie ich denn hundert mal gefühlt habe, daß wenn ich mich meinen Launen überließ, mein Schicksal allezeit eine mir günstige Wendung nahm, so muß ich auch jezt Dir und dem Zufall Danken das ihr mich hier her geführt habt, ich kenne wenig Menschen, die Durch ihren Geist so bestimmten Einfluß auf mich haben, als Tieck, er hebt meine Natur, die zum Theil durch eigne und fremde Zufälle sich oft verwühlt und vergraben hat, wieder hervor. ich glaube selbst, daß in seiner Nähe ich etwas durchsezen könnte, ohne daß grade ich ihm in seinen Gesinnungen sehr nahe wär〈〈e. A〉〉dieu Bettine
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〈aoR kopfstehend:〉 soll man nicht die Roßhaare hier, nach Landshut schicken?, wann kommt ihr wieder, nach dem Schreiner ist geschickt. 1v
Monsieur le Baron de Savigny im Jonerischen Hauße abzugeben Landshuth
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 2. November 1808, Mittwoch
Der Teufel wär wohl los wenn ich ein mal nicht schriebe; nicht wahr, und deswegen mögt ich den Teufel wohl ein mal los binden, denn Der Teufel soll mich holen, wenns nicht wahr ist, das es mich zuweilen sehr langweilt Euch immer wieder sagen zu müsen daß die Kinder ausserordentlich wohl sind. ich werde mir eine Waage anschaffen und alle Morgen die Schwehre ihrer Zuname auf sezen, sie Euch zu überschicken, da wär ich doch das Preampel loß. Puletter scheint sich das Sucklen ganz abgewöhnt zu haben, Der Bub schreit nicht mehr des Nachts. alles ist im besten Vernehmen, Fr: Moye herz hab ich auch gewonnen, Tante Helene ist aufs beste mit mir einverstanden, sie giebt mir Garn zu wicklen. Welche Zutraulichkeit! sie bringt mir ein Fußschehmelgen zum Sizen, Welche Herablassung. Sie hält mir zuweilen kleine Predigten, Semoncen, Cavassen, Kristliche Lehren; tonlose Menschen freundlichkeit! – Wilhelm Humbold ist hier, ich werde ihn heute Abend bei Jacobi sehen. ich bin meistens zu Hause, da lese ich vor. Tieck besucht mich selten, Boisseret kömmt am Donnerstag zu Euch, vielleicht geht er da mit. Adieu die Post geht ab. Bettine Monsieur le Baron de Savigny abzugeben im Jonerischen Hause in Landshuth
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 3. November 1808, Donnerstag
Ich habe mir eine Stange Siegelwachs auf Eure Rechnung gekauft, denn es ist wahrlich gar zu arg, was ich mit dem Täglichen Briefschreiben verthue. Eure Kinder sind ganz wohl, dem Bub wachsen Die Haare sehr stark und die Backen werden ihm so dick daß Ihr ihn kaum kennen werdet. Die Pulette wird obendrein recht artig Sie lernt alle Tage Abc. von Tieck kann ich nicht sagen, wann und wie er kömmt, er hat noch mancherlei andre Projeckte und ich seh ihn seltener als sonst. ich glaub daß er erst darüber sich entscheidet wann Knorring kömmt, den er alle Tage erwartet, sage dem Clemens daß ich es ihm dann schreiben will. Gestern war ich bei Jacobi am Abend, da fand ich Humbold auch. Die Conversation war doch zum erstenmal Menschlich animiert. ich hab dem Jacobi Grüße von Euch gebracht. Adieu lebt wohl es ist schon ¾ auf Zehne. Bettine Der Bub hat sein Pot de Chambre verbrochen ich muste ihm ein neues kaufen.
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*459. Von Friedrich Carl von Savigny nach München Landshut, vmtl. 4. November 1808, Freitag B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 5. November 1808: Was hat dir Arnim für einen eilfertigen Brief geschrieben lieber Savigny. ich hab Jacobi nichts davon gesagt. (Nr. 462,21-22).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Heidelberg, 4. November 1808, Freitag
Heidelberg d* 4 Nov 1808. Liebe Bettine! Kaum hab ich noch Zeit Dir zu sagen, daß ich Dir herzlich gut bin, aber Du erhältst einen längeren Brief wahrscheinlich früher mit der reitenden Post als durch Grimm, der mit der fahrenden geht. Ich habe Dir recht viel zu erzählen, und Grimms Abreise ist erst gestern spät Abends beschlossen. Ich war vier lustige Tage in Manheim und das lustige Schauspieler^leben spielte um mich mit seinen närrischen Colophonium Blitzen. Die Bertinotti hat wie ein verkleideter Castrat gesungen, so ganz Stimme und Instrument, die Hendel bis zum dreyfachen Schauder tragirt, Essler ist jezt der einzige tragische Schauspieler in Deutschland voll Ernst und Würde und ohne Quecksilberey, die Ahls und Dickhuth haben Abends zu unsern Punschfesten musicirt, auch – war die vortrefliche Schönheit angekommen, die mein Bruder mir damals empfohlen, die aber für mich wenig Reitz hatte und alles Fatale des Berliner Geschwätzes. Und denk Dir das Glück im ersten Augenblick, wo mir die Geschichte nicht mehr mit erstem Reitze zusprach fand ich einen Heidelberger Kutscher auf der Strasse, der mich hieher versetzte. – Ich will jezt recht viel an Dich denken | bis zu meiner Abreise, es macht mir das Herz schwer, daß ich nicht über Landshuth nach Hause wandre, aber aus mancherley Gründen will sichs nicht thun. – Ist es denn Dein wahrer Ernst, daß Dir meine Lieder gefallen; Tieck hat erst neulich wieder versichert, daß ich gar kein Dichter sey, ich denke dabey an meine Hofmeister, die mir alles das verboten, woran ich eine einsame stille Freude hatte. Wohl dem, den noch eine Seele hört, er ist noch nicht verloren, ich will dir allerley schicken; wenn Tieck so viel schreiben will, daß wir beyde keine Zeit übrig behalten, ich Deine Briefe und Du meine Liedlein zu lesen so wird es mit unsrer Poesie von selbst aus seyn. So lieb mir Tieck ist, so würde es mir doch leid seyn, wenn Du ihm in traulichen Stunden Briefe von mir mittheiltest, wie Du schon gethan, ich meine, daß meine Freundschaft für ihn grossentheils nur auf meiner Seite gewesen, es ist mir oft so ergangen zu weilen auch das Gegentheil und es | geht mir ein traurig Bild im Kopf herum von einem Becher, der oben und unten ausgehöhlt, so wie man die obere Schale gefüllt und der andre ihn nicht ausgetrunken wird er umgedreht und während sich die andre füllt wird jene am Bo560
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den verschüttet. – Ich küsse Dich zum guten Morgen, mag mein Brief bald bey Dir seyn. Achim Arnim Ist mein Bücherpacket noch nicht angekommen, Grimm kann Dir in diesem Fall die letzten Stücke der Einsiedlerzeitung zeigen An Fräulein Bettine Brentano
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Heidelberg, 5. November 1808, Sonnabend
Heidelberg d* 5 Nov 1808. Ob es dem alten Meister gefallen würde? Die Privattheater? Alles nur das nicht, weist Du so wenig von Deinem alten Freunde, er hat einen unauslöschlichen Haß gegen alle Privatkomödien, sein Grund ist, weil er fühlt wie wenig bey aller Anstrengung und Uebung von eigentlichen Schauspielern geleistet werden kann, was soll da von leichten beschäftigten Liebhabern geschehen. Mit grimmigem Haß hat er solche Unternehmungen in Weimar verfolgt und ist er bey allen Einladungen doch nie erschienen, früher in Ettersburg hat er freilich selbst gespielt, aber immer in Verbindung mit den bessern Schauspielern wie die Corona Schröder. Ich bezweifle daß er recht hat, die wenigsten Schauspieler haben Kunstsinn genug sich durch die Uebung bilden zu lassen, die mehrsten stumpft sie ab und faltet sie in einer gewisse Manier, wie alle Tafeldecker die Servietten. So sah ich neulich | den Brand, jenen alten Frankfurter Feuergenius, als Burgund in der Jungf v Orleans ganz wie ein Ritter aus Klara von Hoheneichen; er hatte vielleicht seit Jahren nichts der Art gespielt und doch steckte es ihm noch im Halse. Ungeschickt ist er und arrogant wie wenig Direcktoren, bey der Probe muste ihm die Hendel das Mittel erst lehren wie die Chöre zusammenzuhalten, nämlich durch Tacktschlagen, da sie sonst immer durch^einander brummen, als wenn eine Katze auf der Orgel^klaviatur herum läuft. Ich wollte Dir gestern noch manches aus Manheim erzählen, als Grimm von hier weg gedrängt wurde, heute hat schon vieles sein frisches Interesse verloren. Ich sah die Hendel als Jungfrau von Orleans, als Mutter in der Braut von Messina und als die allgemeine Weltgeschichte in pantomimischen Darstellungen die sie eines Abends gab, 561
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wo sie nach einander das Leben der Maria nach Raphael | und Correggio, dann nach Dürer, Gemälde aus der Sündfluth, Sabiner, Antigone u. s. w. in beweglichen Gruppen vormalte, sie hatte ein Dutzend weiß gekleidete Jungfern, und ein halbes Dutzend schwarz gekleidete Jünglinge zu Gehülfen, die sie mit unglaublicher Gewandtheit in recht herrliche malerische Verbindung brachte, ungeachtet diese gar nichts von dem Wesen verstanden, sie machte das so schnell wie die Mahler auf Theatern, die ein vollgestäubtes Bild durch blosses Abwischen malen. Die Männer waren viel ungeschickter als die Damen und konnten sich heimlicher kritischer Blicke, des Lächelns, des Umschauens, wie es ihnen lasse, nicht enthalten, auch nahm sich die bürgerliche Kleidung am Christus sehr lächerlich aus, der ihr bey der Grablegung auf dem Schooße ruhte. Die Beleuchtung war recht sinnreich, der ganze Saal dunkel, aber eine gewaltige Lichtmasse warf | sich von einem dunklen Schirm auf die Spielenden. Ein sehr lächerliches Ereigniß bey der Empfängniß der Maria hat mich noch lange gekitzelt, es war die erste Vorstellung und niemand hat noch den gehörigen Aplomb erreicht, worin man stille seyn kann, die Hendel mitten in der Feyerlichkeit fuhr auf einmal in die Höhe wandte sich zum Publikum und erklärte, es sey ihr unmöglich, wenn dabey nicht die vollkommenste Stille wäre, der Faden ihrer innern Vorstellungen würde zerrissen und sie ermangelte aller Begeisterung. Nun dachte ich sicher, es würde allgemeine Stille herrschen, aber o Wunder nun, hielt sich jeder verpflichtet, alles Nasenputzen und Räuspern für den Abend voraus abzuthun, es war ein fürchterliches Schornsteinfegen, nachher tiefe Stille; da erfolgte die Empfängniß. Ich war mit einigen andern den Abend bey ihr zum Thee, wo sie uns manches aus ihrer merkwürdigen | Lebensgeschichte erzählte. Sie ist seit dem zweyten Jahre auf dem Theater, wo sie zu erst als Pierrot in komischen Pantomimen spielte, zuletzt als Colombine und Harlekinette, als Pierrot wurde sie unter andern aus einem Mörser geschossen, muste oft in Wolken hängen, so wuchs sie herauf in immer edlere Rollen, bis sie zuletzt auf diese mimische Darstellungen aus Leidenschaft kam. Den andern Morgen gab sie mir ein Stammbuchblat und ich suchte diese Biographie als ein Räthsel in ein Sonet zu bringen das ich ihr mit samt der Auflösung flugs machte, ich schreibe es her nicht weil es mir besonders gefällt, sondern weil es zu einer so ausführlichen Reisebeschreibung wie die meine gehört:
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Räthsel Ich spielte gern man hielt mich ernst zum Spiele Zum Spiel sie mich aus einem Mörser schossen, Am Himmel bin ich ruhig angestossen, Ich hing daran, wie eine Frucht am Stiele Mild reifend hat die Sonn mich da umflossen Sanft röthend mich mit wachsendem Gefühle, So drang ich wie ein Wandrer durchs Gewühle Die Wolken wurden mir zu Himmelssprossen. Ich fand Genossen, Kronen und auch Heerden, Es ging zum Kampf mit tückischen* Gewalten, Kaum weiß ich, was ich alles war auf Erden Bis ich zu Allem ward, in den Gestalten Ein Reich mir schuf auch ohne die Gefährten, Durch alle Weltgeschicht’ als Gott zu walten. *bezieht sich aufs Morgenblat
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Auflösung Nein ich errath dich nicht du Weltgeschichte In dem Verwandeln schwindet mir dein Wesen, Was ich in mir gedacht, was ich gelesen, Das stellt mir alles dar ein lieb Gesichte
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Und wie der Seher, der von Gott erlesen Die Zukunft sieht in einem blauen Lichte, So lese ich in ihm vergangene Geschichte, Was groß und schön, was wirklich ist gewesen
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Wie nenn’ ich dich du wechselndes Gesicht Heut werd ich dich als Fürstin noch begrüssen Als Bauermädchen möcht dich jeder küssen Du bist die Fantasie, du bist wie Licht, Du zeigst uns alles, was wir Armen missen Nichts fehlt der Welt, fehlst du den Freunden nicht.
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Meine nicht, daß ich nur einen Augenblick in sie verliebt war, der Aus- 95 druck bekommt in Versen oft unwillkührlich eine Verbindlichkeit, die man der Stimmung gegen andre an warmen Sommerabenden, oder im Wiedersehen vergleichen kann. Es war mir lieb einen recht werthen eifrigen Kunstcharacter in einer Frau kennen zu lernen, die mir erst besonders in der Gesellschaft von Clemens blos lächerlich erschienen, 100 du weist seine Art durch gewisses Ueberraschen der Leute, die ihn zum ersten mal sehen, sie in allerley Verlegenheit zu setzen, woraus sie sich dann oft sehr lächerlich ziehen. Sie weiß eigentlich alles, was gegen sie gesagt werden kann, z. B. daß sie gelehrt thue, ihre Lieblingsgeberden, aber sie kann auch wieder mit Vollendung der ganzen Welt nachspre- 105 chen, dabey ist sie unverwüstlich wie ein polnisch Pferd, und hat stillend die Jungfrau von Orleans vierzehn mal in drey Wochen gemacht. Höchst lächerlich sticht sie gegen das meiste | Mannheimer Volk ab, doch genug vom Schauspiel, sonst wäre noch sehr viel zu sagen. Ich gehe zu Deinen Effektstücken über, die Du gar Dich nicht erin- 110 nerst z. B. dem Präsidenten der Akademie in öffentlicher Versammlung auf den Kopf spuken zu wollen, dem du Abends bey ihm die Hände drückst. Und du meinst, ich möchte dich nie betrüben, sieh dafür möchte ich Dir recht wehe thun können. Freude sey Freude, Sorge sey Sorge und wo man in der Seele uneins da suche man nicht äusserlich 115 einig zu scheinen, die Schmeicheley ist wie Vogelleim worin man stecken bleibt. Luftklang 1. Flüchtet nun die Luft mit Brausen, Wie ein Unthier, das ergrimmet, Sonst da mochte sie hier hausen, Als die Saiten noch gestimmet, Die an Aesten aufgezogen Oft die Flüchtige gefangen, Ach sie hat mich nie betrogen, Züchtig sang sie ihr Verlangen. 2. Lauschend sah ich rings die Wiesen Drehte langsam meine Augen Tausend Blumen sich da wiesen, Tausend wollten lieblich hauchen; 564
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Ihnen fehlte nur die Stimme Und um meine Silbersaiten Wand ich sie in farbger Krümme, Wie sie gern um Bäche schreiten. 3. Luft, die sehnlich erst erklungen, Schlich nun seufzend zu den Farben, Die da brennend sie umschlungen Und in Düften um sie warben; Ach da mochte sie hier hausen Die im goldnen Lichte flimmert, War bald drinnen, war bald draussen In den Kelchen unbekümmert. 4. Will das Glück auf Erden hausen, Mag es sich nicht gern verrathen, Denn das Unglück horcht mit Grausen Thut dann in Gedanken Thaten, Reisst die Blumen von den Saiten Fährt mit allen Nägeln über, In den Tönen wird ein Streiten Und die Saiten reissen drüber.
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Erinnre Dich dabey an Deinen Achim Arnim
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 5. November 1808, Sonnabend
Gestern hab ich bei Fr: Bernhardi Baader gesehen und auch nicht gesehen denn es war zwischen Licht und Dunkel aber gehört hab ich ihn vom Magnetismus sprechen und ist mir ganz Grau geworden so wie er mit kräftigen Worten die Wahrheit beschrieb, wie sie einem ewig eine Lüge bleiben könnte, es ist ungemein, was es mir die Nerven angreift so etwas zu hören, ich war Schwindlich für beinah den ganzen Abend. Vorgestern war ich bei Jacobi und sah dort Humbold der sehr häßlich ist. gestern Morgen besuchte er mich mit Jacobi, 565
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sonst ist nichts Neues vorgefallen; Jacobi entspinnt sich immer liebenswürdiger seitdem ich mehr Freiheit habe ist auch die Steifheit weit mehr verbannt, und alles geht in gutem Gleiß. Meine Musick geht gut, wenn Ihr kommt so müssen wir sie Probieren mit Orchester, Jezt will ich denn endlich von den Kindern anfangen da ich bis hier eurer Gedult einen Damm gesezt hatte. Sind immer und ewig wohl, der Bub nimt auffallend Zu, an Leibes stärcke. Er war noch nie so gesund als seit dem sein Muttergen fort ist, hat die Lissette heute Morgen gesagt und Pulette nimt auch zu an Geschickt seyn, sie ist recht Artig, denckt nicht mehr ans Lutschen, grade deswegen überlasse ich sie immer mehr sich selbst, weil ich weiß daß dies ihre Ausgelassenheit dämpft, wenn ich Euch sage daß ich sie seit eurer Abreiße noch nicht 3 Mal hab schreien hören, so ist dieß nicht übertrieben. – Was hat dir Arnim für einen eilfertigen Brief geschrieben lieber Savigny. ich hab Jacobi nichts davon gesagt. Bettine 1v
Monsieur le Baron de Savigny Jonerischen Hause abzugeben, bei Hrn Rath Michel in Landshuth
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 5. November 1808, Sonnabend
Ein Unglück ist geschehen, Die Kaze hat in meinem Zimmer die Uhr umgeworfen; Poulette war gestern bei Sömmerring sie küßt Papa und Mutter Bub leckt beide; ebenfalls. heute hab ich mich durch ein Fußbad verspäthet und kann Euch also nicht anders sagen, als daß ich Euch herzlich grüße. Bettine Lissette ist sehr ordentlich und sorgfältig mit den Kindern so wohl, als gegen mich die Amme führt sich auch exemplarisch auf sie ist ganz gut Freund mit der Lissette. –
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Monsieur de Savigny. Jonerischen Hause, abzugeben bei Herrn Rath Michel in Landshuth
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 6. November 1808, Sonntag
Der Bub ist wie ein kleiner Schooßhund der gleich vor Freude und Lust bellt und mit dem Schwanz wedelt wenn man ihn nur freundlich ansieht, heute Morgen kam ich an seine Wiege da machte er einen großen Sprung mit den Hinter füsen und lachte ganz Menschlich. Pulette hat mir heute Morgen ein Ständgen gebracht, sie sang mir eine berühmte Romanze: »Heinrich schlief bei seiner neuvermählten«. Jacobi erwartet einen Freund Seiler den 8ten. auf den er sich sehr freut; Tieck und seine Schwester leben und weben unter dem hiesigen Gelehrten brodem wie es der Koch angiebt. gestern kam ich zu Ihnen da fand ich Mdm Schelling häßlich wie eine abgetragne Wildschuhr, Sie lud mich ein, auch mit der Bernhardi den Abend zu ihr zu kommen, allein da ihr Mann nicht weniger schön als sie ist, so dachte ich daß meinen Augen diese Weide zu üppig sei, und sich wohl in einem Abend an diesen Angesichtern überfressen mögten. von Arnim lang keinen Brief; indessen es ist recht; es läst sich nicht alle Woche die Wahrheit schreiben. Kalt ist es hier, die Gundel soll mir nur immer meine Pelze mitbringen. Bettine O Ihr Brieffressende Thiere
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Monsieur de Savigny Jonerischen Hause, abzugeben bei Hrn Rath Michel Landshuth
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Gott schickt mir doch alle Tage etwas neues, so wie er die Raaben auf dem Feld füttert, so wie er den Juden alle Morgen frische Manna sendete so schickt er mir auch alle Tage ein evenement um meine häufigen Briefe an Euch damit zu ernähren sonst würden sie wahrlich Hungers sterben, gestern zum Beispiel hat ich ein Capital abentheuer nehmlich ich fiel mir ein Loch in den Kopf. Die Kinder sind wohl Pulett hat heute Nacht geträumt der Vater sey zurück gekommen mit einem ledernen Rock. Bettine Monsieur le Baron de Savigny Jonerischen Hauße abzugeben a Landshuth
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 7. November 1808, Montag
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An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 7. November 1808, Montag
Wir schreiben uns seltner, lieber Arnim und dieß wäre schon recht wenn dann auch die Briefe um so wichtiger und gehaltvoller würden, zum wenigsten meine von welchen ich bekennen muß, daß besonders, die lezten wenig bedeutendes sagen, allein mein Leben hier, ist auch darnach einem durchaus einzuschläfern. schon seit 14 Tagen size ich beinah von Morgens bis Abends in einer lehren Stube allein alle zwei Tage kömmt Tieck einmal er klagt über Gicht und invitationen die ihn abhalten öfter zu mir zu kommen. ich lese gewöhnlich den grösten Theil des Tages und dann singe ich. München ist traurig und langweilich im höchsten Grade ich mögte nicht da abgemalt seyn es spannt mich ab, und das lesen dazu, so daß ichs noch nicht einmal so weit bringen hab können an Goethe zu schreiben da es mich doch Morgens und Abends mahnt, es zu thun. Zuweilen bin ich doch recht lustig als z: B: gestern Abend mit unserer Hausfrau die den schwehren Kummer hat ihren Mann schon seit 6 Monaten zu erwarten ohne daß er kömmt, ich also, um sie zu erheitern spielte mit ihr, ich rollte mich nehmlich mit 568
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gröster Geschwindigkeit im Zimmer herum, und sie sollte mich fangen, unversehens Stieß ich mir an einem Tischbein ein Tüchtiges Loch in den Kopf welches denn gar nicht zum lachen war; und mich | belehrte daß ein Frauenzimmer von 23 Jahren, leicht Schaden nehmen kann wenn es wie Kinder spielt. ich lese oft Abends vor, aus Moliere oder Schaeksp. der dicken Hausfrau der sehr breiten aber guten Schwester der sehr hübschen Puzmacherin welche hier in der Kost ist, und dem Sohn von 11 Jahren. oft blizt mir während dem Lesen das Gedächtniß aus dem heisen Sommer hervor den ich am Rhein verlebt in den kahlen nackten baierischen Winter. ich werde dann zerstreut schlage das Buch zu, gehe ins Neben^zimmer und durchdenck mir manches herrliche Bild, was sich in meiner Seele rein erhalten hat Ja! Schiff, und Ruder, und Wellenschlag, heises Ufer, Herden Holzschlag der am Strohm liegt, was sind es, Nur Worte und doch jagen sie mir einen lieben Frühling durch das Revier meines Busens wie gut abgerichtete Jagdhunde. Nun was jammre ich denn um meine Einsamkeit, recht ist es so, es ist wie Stroh worauf die jungen Früchte der Erinnerung recht reif und Schmackhaft werden, man glaube nicht daß wenn man die Gaben Gottes mit dem Strohm des Lebens durchschwimmen läst daß sie dann genossen sind, sie baden sich darin wie junge Nymfen, sie können auch gegen den Strohm schwimmen, kommen oft unversehens Plätschernd | und scherzend zurück wenn alles schon längst in kalte Stille versuncken ist. nein nein das echte vergeht nicht so vergehn die vielen Thäler nicht, besonders das vom Werkerbrunnen, der lange Gang im Dunklen Wald wo wir so eilfertig hinter einander her liefen, und endlich der klare weite Mondhimmel vor dem Wald so vergehn die vielen Berge nicht, besonders der alte Rochus, so vergehn alle Hecken und Bäume nicht die ihren Blüthen seegen über mich geschüttet haben in diesem ersten Frühling den ich auf dem Land zubrachte, so vergeht mir nimmer nimmer, selbst der Duft der schönen Mayrösgen die Bellys zerkrazte Hand mir auf den Hut steckte; und die noch weniger, die ich von dir erhielt, denn ich steckte sie in den Mund um sie länger frisch zu erhalten besonders aber erinnere ich mich innig, des Abends da wir alle wie die Musen^kinder auf der Felsen spize von Schlangenbad gelaagert waren und ich endlich auf Rumohrs Esel durch den engen Waldpfad ritt und wie wir zurück gingen da war es so schön in den Thälern das ein Nebel uns umhülte, weil man nicht fähig ist solge Schönheit in dem Augenblick als man sie sieht, auch zu emfinden; denn es fordert zuviel Gefühl im Auge als daß noch welche für die Erkenntniß blieb. 569
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aber so, in der Erinnerung theilt sich alles in schöne Ordnung zum Genuß. Der kleine Bub von Savigny, wird schön und groß. Die Pellett wird auch recht artig; dieß ist ein Kind welches mir weniger gefällt, als viele andre sie sind, seit der Abwesenheit ihrer Eltern meiner Pflege übergeben, und Du glaubst wohl nicht daß ich mich damit abgebe, Ihnen unarten abzugewöhnen. Adieu! ich denck und hoffe dir geht es wohl; recht wohl. wirst Du wohl dieß Jahr noch nach Straßburg reisen, Poisserèe ist seit ein Paar Tagen weg er hat vor seiner Abreiße noch einen Contract gemacht mit Aretin über das Werck vom Kölner Dom welches in 6 großen Platten soll gestochen werden, es werden nach dem jezigen Plan die Platen iluminiert und was besonders schön seyn wird die Fenster so wie sie dort gemalt sind, so viel möglich wieder dargestellt, Poisserée lievert gratis eine schöne Beschreibung dazu wenn du jeh herkömmst so must Du den Kupferstecher Heß kennen lernen, welcher in allen Hinsichten so wohl der Kunst als des gesellschaftlichen, einer der liebenswürdigsten und bravsten Menschen ist. Leb recht wohl behalte mich in ungetrübtem freundlichem Andencken. ich küß dich herzlich Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Heidelberg, 9. November 1808, Mittwoch
Heidl d* 9 Nov. 1808 Die arme Schildkröte, sie hieß Mansell Delphi ist weggestorben ehe ich sie noch besuchen konnte, was man nicht mit Bescheidenheit alles versäumen kann! Ich habe einige Leute sehr angeregt ihre Briefsammlung sich zu verschaffen. Sie ist übrigens nie die Geliebte von Göthe gewesen, sondern bey einer kleinen Leidenschaft die er hier für eine Stadtrichtertochter hatte blos Vermittlerin gewesen; sie wird für einen Hermaphroditen gehalten. Also ganz antik. Es thut mir doch leid daß ich sie nicht gesprochen, es ist schmählig wenn ein Interesse welcher Art, das man an jemand genommen, gar zu nichts wird. So thut es mir weh, daß der junge Göthe eine wunderliche Entfremdung gegen mich hat und nachdem ich mehrmals ganz vertraulich zu ihm gekommen mir neulich auf der Strasse sagte, wenn ich es erlaubte, würde er mir 570
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nächstens seinen Besuch machen. Zwey Ankommende haben mich wunderlich bewegt. Einer | aus Königsberg, ein junger Schwink, Neffe meines alten ehrlichen Freundes, der hier studieren will und den ich dort fast täglich gesehen, er war mir empfohlen, ich sollte ihm guten Rath geben, wer aber guten Rath benutzen kann, der kann auch derohne fertig werden. Der andre war Wallenberg, der Dich in München und Clemens in Landshut gesprochen, er rühmte Dich sehr und erzählte mir manches über München, was ich noch nicht kannte, besonders über die Gallerie, Schelling dessen Frau u. s. w. Von Epp hatte er eine brav kopirte Gruppe aus der Kreutzigung von Dürer, da kann Grimm doch viel lernen, wenn es solche Schüler giebt, wenn auch die Meister nicht taugen. Ich vermisse ihn wie einen stillen freundlichen Hausgeist, grüß ihn herzlich wenn er angekommen und sag ihm er möchte nicht vergessen neben dem Kupferstechen sich auch im Oehlmalen zu üben, wenn Du ihm willst eine Wohlthat erweisen, so frag ihm was ihm dazu etwa fehlt an Geräthschaften und Farben, es wird so viel | nicht kosten, schenk es ihm. Mach ihn doch auf ein und das andre aufmerksam, was er skizzieren oder kopieren soll, ich habe in der letzten Zeit, wo ich ihn ganz sich selbst überließ, häufig bemerkt, daß es ihm an Gegenständen fehlt, die ihn beschäftigen; aber rede ihm ja nicht modern künstlerisch zu, das ist gar nicht seine Natur, es verwirrt ihn, wie ich häufig bemerkte, wenn Görres oder Wallenberg ihm so zusprachen. Dem Tieck mußt Du eine sehr lächerliche Geschichte erzählen, es gehört aber dazu, daß man die Leute alle kennt. Der alte Voß hatte irgendwo vernommen, daß Tieck in München wäre und wahrscheinlich hieher komme. Gleich zieht er den alten Flauschrock an und klabastert über die alten Steine in grosser Heftigkeit zur Rudolphi. Da er nun beynahe dreymal so lang ist wie die, auch ein Auge mehr hat, so meint er die gewiß zu übersehen, erzählt ihr seine Nachricht und erinnert sie, daß sie den Tieck doch jezt nicht in ihrem Hause logieren würde, wie sie ihm damals bey seiner ersten Anwesenheit angeboten. Die Rudolphi in grosser Verlegenheit fasst sich doch eine spanische Courage und sagt: Sie wüste gar nicht, warum sie jezt anders gegen Tieck gesinnt seyn sollte, als damals, sie würde ihn bestimmt aufnehmen. Meinem Voß steigt die Kollerader, er stapelt wieder erzürnt davon. Sein Calcul ist, daß nach der Abreise des Görres Clemens, Isidorus und meiner, die Romantick hier aus sterben müsse und er nachher den Kreuzer am besten abtödten könnte. – Wenn Tieck sich will einen Hauptspas machen, so muß er einen Brief des Jakoby an Voß mitbrin571
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gen, Voß hat nämlich versichert, er würde ihn nie in seinem Hause dulden, da kann er den Alten auf glühendem Fußboden tanzen lassen und sich am Ende zum Spas bei ihm einschmeicheln. Der Voß hat hier wieder viel Schlechtigkeiten ausgehen lassen. Waldgeschrey 1. Im Walde, im Walde, da wird mir so licht, Da es in aller Welt wird dunkel, Da liegen die trocknen Blätter so dicht, Da wälz ich mich rauschend drunter, Da schwimm ich, da schweb ich in trockner Fluth, Das thut mir in allen Adern so gut, So gut ists mir nimmer geworden 2. Im Walde, im Walde da raset das Wild Da es in aller Welt so stille, Da trag ich ein flammend Herz mir zum Schild Ein Schwerdt ist mein eiserner Wille So steig ich als stieß ich die Erde in Grund So sing ich mich recht von Herzen gesund, So wohl ists mir nimmer geworden. 3. Im Walde, im Walde, da schrei ich mich aus Weil ich in aller Welt muß schweigen; Hier bin ich so frey, hier bin ich zu Haus, Es muß sich die Sonne mir neigen, Ich stehe allein wie ein festes Schloß, Ich stehe in mir, ich fühle mich groß, So groß als noch keiner geworden. Ein ganz Theil kleiner legt sich Dir zu Füssen
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An Ludwig Achim von Arnim nach Heidelberg München, zwischen 10. und 15. November 1808, Donnerstag und Dienstag
Zwei Briefe von Dir sind mir zugleich gekommen, einer von Grimm, und einer welcher voll von Schauspiel ist; mit einem mir sehr lieben Liede schließt. ich hab es schon mehrmal mit der Guitarre abgesungen; Du fragst mich ob ich deine Poesie ernstlich liebe? ich liebe dich in deinen Liedern; mehr kann ich nicht sagen. mit Tieck kann ich nicht sagen, du seyst kein Dichter, zu dir mögt ich nicht sprechen du seyst ein Dichter, was Der Mensch thut; thut er es denn um des seyns willen?, wenn das ist; freilich dann bist du kein Dichter; wenn aber ein Lied aus dir hervorquillt wie Die Begierde nach etwas wie der Genuß, in etwas, wie der Beweiß von etwas, was selbst stärcker ist, als daß es Gefangenschaft erleiden mögte, auch in der lieblichsten edelsten Wohnung, wie allenfalls dein Herz; – wer kann von diesem Liede sagen daß es von keinem Dichter gebohren ist? wer kann überhaupt sagen von Liedern, sie seyen da oder dort her | ein Lied ist wie die leichte Spuhr, des flüchtigen Geistes der nimmer zahm wird. der Doch seine Bahn bezeignen muß, »daß nicht seyn Leben sey wie der Pfeil der schnell die Lüfte theilt oder wie die Wolke die zergeht wie ein Nebel von der Sonne Glanz vertrieben und von ihrer hize verzehrt.« Buch der Weisheit 2 C: 4 V: Sieh, es thut einer jenes und dieses und weiß nicht warum, und so tadlen sie und loben nach ihrem eignen Maas und bedencken nicht daß doch einem jeden einzlen Geist (deren sie mehre mit dem Ausspruch schlagen) am Ende der ganze Weltkreiß zu eng wird, und daß ein jeder früher oder späther seinen eignen Kreiß zerstört oder verläst und sich einen neuen baut. aber daran denken sie nicht, daß nichts verwerflicher als das Verwerfen, und nichts verächtlicher als das Verachten, und nichts besser als die Güte sey. Es hat ja noch keiner sagen können von allem was in ihm war und die Worte sind doch das geringste; der eine stirbt in sehnsucht, der andre lebt drinn. O Ihr – die Ihr das Leben herbei ruft, mit gewaltiger Stimme, und es in Euch fühlt | was könnt ihr vernehmbares von seinem Rauschen sagen, was ist der Lärm der brausend und knatternd durch die Kruft fährt? Was hat das Leben noch gesagt in des toden Ohr? Sprecht ihr kahlen Felsen; – wie hat das Licht der Nacht Euch gesegnet, daß Ihr die Strahlen des tags in Euren kalten Schooß aufnehmt. Sprecht Ihr; die Ihr die Häupter vor den Winden 573
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senket; Ihr Wolken wer hat Euch ein Herz gegeben da ihr von dieser zu jener Seite triebt. Du Stahl und Eisen in vereinsamtem Laager; Du Einsiedler der Welt, wie schlägt sich das Feuer Durch dein Marck und welcher Geist ist in dir erweckt der vernehmlich in dir spricht; oder geht das Leben durch den Tod, wie die Kühnheit geht, mit gesencktem Schwerth, durch die verlassne Pforte. Wisse oder nicht wisse du stein, daß die Gottheit schwebt in deinen härtesten Adern, wer mag also gegen dich sprechen. Das Leben will locken, mit falscher verstellter Stimme; lockt immer doch nur sich selber hüllt sich in sich selbsten, wie die Wärme sich hüllt in Wärme vor dem Frost. Was willst du ewig mit dir selber? – O laß auch wenns deine Kraft vermag, einmal die Ewigkeit ein Ende nehmen, damit sie sich spieglen könne, und beschauen | und fühlen, daß sie selber es ist; was nüzt es sonst, ewig zu seyn; der Ewigkeit. ja wenn einmal der Tod aufrasselt mit kaltem Herzen, Machtig aber bewustlos hart und fest. bewußtlos gegen das Leben, tief bewust in sich, durch und durch sich selber fühlend, stärker sich und dem Leben überwiegend. aber das Leben unterliegt. denn es fühlt vor allem den Tod in seinem wesen. dann verstecke dich O Menschlein, hinter den Dornbusche. Also O Herr Erbarme dich über ein bewegtes Herz. laß den Fruchtknoten springen, der seit langem die verwüstende Witterung ertragen muß; laß die Kinder aus ihrem verberg treten, und den Kampf mit dem Leben wagen daß sie endlich zur Mutter zu^rück treten, mit verschlossnen Augen.
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Geschrieben an einem einsamen Abend, weiß nicht ob es zu verstehn ist, ich dachte an Dich und mich und mein ganzes Leben hab noch mehr diesen Abend geschrieben, ich kann heute aber nicht alles mittheilen. Leb indessen Wohl, so weit die Welt ist und wenn du weiter gehst leb glücklich immer dar behalt dein treustes Herz im Andenken Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Heidelberg, 15. November 1808, Dienstag
Heidl d* 15. Nov Welche vergebliche Sorge machst du Dir, liebes Kind, als wenn Deine Briefe mir nicht bedeutend wären, machen denn ein Paar Bilder mehr oder weniger in einer Gallerie viel aus und welcher Mensch, den wir lieb haben, ist uns nicht lieber als alles was er sagen kann, so werthe Zeichen uns auch dieses seyn mag wie mir Deine Briefe und wie wehe thut es mir, daß sie nun ein dreissig Meilen Weiter bis nach Berlin reisen müssen. Viereck N 4 Ich reise morgen und bin heute noch von Bestellungen aller Art umgarnt, dazwischen kommt ein Brief von Fr. v. Stael, der mich einladet den Winter in Copet zu verleben, wo Sie Ihr Werk über Deutschland beendigen wollte, wo ich Ihr rathen und beytragen sollte; da könnt ich mir und meinen Freunden einen grossen Namen machen; aber die Götter wollen es anders, es scheint allerley zu entstehen in meinem Lande, meine Angelegenheiten fordern meine Gegenwart bald, auch kann ich kaum mit meinem Gelde auf geradem Wege bis Berlin durch kommen, Du wirst darin die zwingende Klaue des Schicksals sehen, die es mir gar unsanft in den Nacken setzt, nicht auf dem Olymp sondern im Sande mich niederzulassen. So muß ich denn wieder doppelt von Dir Abschied nehmen, vielleicht schreibe ich Dir aus Frankfurt, vielleicht halte ich mich dort nicht auf, es wird mich so vieles an Dich erinnern und so vieles ohne Dich fehlen. | Ich hoffe daß dir nicht viel fehlt, denn das gewaltige Loch im Kopfe wird wohl ein wenig abgerissene Haut seyn, soviel ein Tischbein abküssen kann. Nun ade du altes Schloß, das da über mir gehangen, all mein Hoffen und Verlangen, war doch nur ein luftig Schloß, Nun ade ihr ewgen Quellen, die ich öfter angesehen die da springen, die da quellen, wenn hier meine Feinde gehen, höret nicht zu fliessen auf, denn die Welt hat ihren Lauf, Herzlich geküßt noch einmal in Eile Nun Ade. Achim Arnim
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An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben
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Nr. 469
bey H.Pr.v. Savigny Landshut in Bayern
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Mit Kunigunde von Savigny an Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 16. November 1808, Mittwoch
Lieber Alter! Deine Gundel liegt noch zu Bett nun will ich indessen den Brief anfangen und ihn ihr nachher bringen daß Sie ihn fortsezt. ich war noch in der halben Stunde nach deiner Abreiße bei der Bernhardi, sie schien noch in derselben Stimmung zu seyn als da Du bei ihr warst, sie sprach mir unendlich viel gutes von Dir, und wieder von ihrem Unglück in ihrer Ehe, so daß sie mein Herz welches doch über ähnliche Schicksale hinaus ist, recht sehr bewegte. sie hat einen guten scharfen Blick denn sie hat deine liebenswürdigsten Eichenschaften alle recht tief durchgefühlt so auch Tieck der recht eichentlich dich in jeder Art würde zu schazen wissen wenn er mit dir umgieng ich glaube daß je mehr Menschen gedacht haben je mehr sie wissen und fühlen, je behutsamer soll man sie beurtheilen, und man wird dann immer weniger Ungerecht seyn. ich kann nicht weiter meine Gelehrsamkeit auseinandersezen, Tieck ist schon eine Weile da, und ist ungedultig. Bettine 〈Kunigunde von Savigny:〉 Lieber Savigny! Der Bub war sehr unruhig Heute Nacht, aber was haben wir entdeckt,? Einen Zahn. Ich habe es niemand gesagt, auch Lisette die es zu erst sah verboten es weiter zu sagen, daß man nicht über das abgewöhnen spricht. Nach den Einlagen wirst du sehen, daß eine Anweisung nach Wien zu schiecken ist, auch in Regensburg anzeige zu machen daß das Clavier kommen wird. Bey den Möbel war ich doch ohne resultat, die schönen Braune Commode sind fort. Betine gieng erst mit mir als es schon zu Dunkel war. Was sagst du zu Meline? sie jammert mich. Adieu alter Poulette ist nachts sehr unruhig, der Bub ist wohl, ich habe dich lieb, und darum bin ich nun betrübt. Gunda. 576
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Mit Kunigunde von Savigny an Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 17. November 1808, Donnerstag
〈Kunigunde von Savigny:〉 Lieber Alter! es ist sehr wüst hier zu Lande. ich komme nicht dazu dir einen ordentlichen Brief zu schreiben dann ist dieses Hinderniß, dann ein anderes. Die Kinder sind wohl; man hat mir viel von der Unart des Poulettchen erzählt, darum mahnt es mich um so mehr zu Dir in die Ruhe. Savigny, ich bin so traurig von dir geschieden, so unfertig mit dem Gespräch mit dir. es war recht häßlich, daß ich von dir mußte, bevor es dir wieder an meinem Herzen wohl geworden war, ich hatte dich doch gestört, dich unruhig gemacht, es war wohl vielleicht eine schlechte Gesinnung von mir, wenn es an dem ist, so mußt du sie kennen; daß du sie mir besiegen hilfst, alles was in mir vorgeht mußt du kennen. ich schiebe jeder Empfindung etwas Gutes unter, lehre es mich recht kennen du überzeugst mich so leicht. Meine lezte unruh und traurigkeit, die dich angesteckt, mag wohl aus etwas zu viel Stolz auf dich, Hoffart nenn es, wenn du willst, mache daraus was du willst, unverstand wäre mir am liebsten. tröste mich vor allem damit daß du wieder froh und muthig bist. Tieck ist wieder da. Die Moy soll ich begleiten zu dem Mahler, das heißt um 9 Uhr. Stadion hat den Brief nicht bekommen 〈B:〉 Gundel hat diesen Augenblick weg gehen müßen mit der Moy. sie läßt dich bitten ihr doch so gleich ihre Lorgnette zu schicken, der Fridericke sag daß sie uns gleich unsere zwei Schwanen Pelze schickt und mir mein rothes Kleid mit den Gold kordlen nebst einer goldnen Bordüre die als Gürtel um den Leib dazu gehört. Bettine Stadion käme diesen Morgen läst dir Gundel sagen er hat den Paß nicht bekommen. An Herrn Baron von Savigny Abzugeben im Jonerischen Hause Landshuth
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Nr. 472
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Frankfurt, 17. und 18. November 1808, Donnerstag und Freitag
Frankfurt d* 17 Nov 1808 Ich schreib Dir auf Melinens Zimmer, wir haben da oft zusammen gesessen, in Deinem Zimmer bin ich noch nicht gewesen, doch weiß ich daß es gewissenhaft bewahrt wird, ungeachtet wegen der Anwesenheit der Frau von Altenstein mit einer Fräulein Braut, einer Frau Witwe und zwey Kindern das Haus sehr besetzt ist. Doch etwas habe ich daraus gesehen, ein sehr artig Bild, das Meline aus der Gothischen Auction für dich erstanden, die alte Göthe sitzend, als wenn sie eben in ganzer Pracht eine Geschichte erzählt der Alte steht neben ihr als Schäfer eine Hand auf der Brust in die Jacke gesteckt, während er die andre an den Rippen herunterschleichen läst, er macht ein Gesicht, als wenn er mit der Erzählung nicht ganz zufrieden, denn es thut gar zu stark seinen Effekt. Der alte junge Göthe steht in der Nähe, giebt aber auf beyde nicht | Achtung, sondern bindet ein rothes Band um ein Lämmchen, seine Schwester steht daneben und im Hintergrunde als Genien die verstorbenen Kinder der Göthe. Fast möcht ich Dir das Bild beneiden, nicht daß du es hast, sondern daß es jezt vielleicht ein halbes Jahr ungesehen in Deinem Zimmer steht. Meine Ankunft in eurem Hause war sehr romantisch und sah einer Entführung sehr ähnlich, ich bringe nämlich Savignys erste Liebe, Ernestine nach Marburg, hier meinte sie bey Meline wohnen zu können, also von dem Wagen herunter brachte ich sie auf heimlichen Treppen hinauf, Franz begegnete mir ich bat ihn nur schnell Meline heraus zu schicken u. s. w. man glaubte im Hause ich hätte gemordet und entführt. Du siehst aber wie viel Zutrauen die Leute zu mir haben, daß mir also | eine Braut anvertrauet ist, aber zwischen uns steht eine dicke Mappe mit Kupferstichen und uns gegen über sitzt Frohreich und lächelt und schneidet Gesichter gegen die Buben, die uns anbetteln. Es fehlt mir hier sehr viel, nun Du nicht hier bist, deine Jungfer ist mir fast das vertrauteste Gesicht; da sie mich immer an Dich erinnert, sie geht bald von hier fort. Meline ist viel wohler, sie hat den bösen Husten verloren leidet aber an Kopfweh, was ihr viel un^angenehmer ist. Alle andre sind wohlauf, Marie hatte sich aus Ueberfluß guter Gesundheit und guter Hoffnung zur Ader gelassen. George hat mir versichert, er hätte es mir gleich gesagt, 578
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daß der Einsiedler nicht gehen würde, o Wunder, daß die Menschen immer glauben können, daß man das gar nicht bemerken kann, was ihnen im ersten Augenblick einfällt. | Sonderbar war nachdem ich hier Abends angekommen aus der Bewegung des Wagens, so sahen mir alle aus, als ob ein Unglück sich ereignet hätte ich dachte schon auf die Handlungsgeschäfte, es war aber wie immer, nur hatte ich noch einen Ball im Kopf in Heidelberg, wo mir zur Ehre ein halb Dutzend Professoren getrunken. Während wir so da in vollem Jubel in einem Seitenzimmer vom Ballsaale sassen brach ein Kampf zwischen den Offizieren und Studenten aus, es wurde ein Degen zerbrochen, die Thüren besetzt, mir war erzlächerlich zu muthe, wir drängten uns durch um den Obersten zu holen, als wir dem Prorektor begegneten machten wir solche laute lächerliche Beschreibung, daß er fürchtete mit uns gesamt arretirt zu werden; beym Abschiede küsste mir Böckh die Hand und ich ganz ernsthaft ihm wieder. Ich küsse Dir auch die Hand, morgen mehr. d* 18 Ich setze mein Schreiben in stolzer Uebersicht der schwarzen Dächer fort, aus denen der Frost in weisser Gespenstform zum Himmel aufsteigt, wo wir ihn in ewiger Liebe erwärmen lassen. Des jüngsten Gerichtes Wage ist jezt niedergelassen, unzählige Seelen mit gestohlnem Heu beladen warten unten auf die Stunde des Gerichts, die Ketten klirren, die arme Seele zagt, wie schwer das Heu gefunden werde, neben mir wird schon eine Seele von einem Engel auf Franzosisch entsetzlich ausgescholten, der Engel sagt, er müste sterben, wenn er noch ein Jahr mit ihr sollte zusammenbleiben. Wo sind aber meine lieben Berge geblieben, der Feldberg mir gegenüber, der ist schon versunken, denn die Berge sollen sich spalten und die Ströme ansteigen. Lassen wir das, ich habe Dir allerley von gestern Abend zu erzählen, wir waren allesamt gestern Abend bey Previllier zu einem Concerte. Fr. Winkel; willkommen im Grünen gelt, die hier bey der langen Grethel wohnt, muste sich zweymal mit dem Tamburin zum Fortepiano hören lassen; es ist ihre schwache Seite, denn es gehört dazu, was ihr fehlt, schöner Wuchs Einige Terzetten von Liebhabern sahen sich besser an als sie sich hörten, die hübsche Metzler sang mit. Recht ausgezeichnet spielte die Tirinanzky Variationen sang Barthold von einem Bauer, der einem Fürsten sehr ernsthafte und bedenkliche Vorstellungen wegen der Hetzjacht auf seinem Felde macht, es kann seine Wirkung nicht verfehlen, wenn der Fürst nur nicht allzu schnell reitet. Von Ferrari schaff 579
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Dir zwölf Terzetten an, die bey Breitkopf erschienen, vielleicht hast Du sie schon, sie sind sehr zierlich. Das Beste war die Harmonie, die zuletzt recht viel Schönes sehr brav spielte. Aber das alles war nichts gegen ein allerliebstes kleines Mädchen, von etwa vierzehn Jahren, sie heist Thurneisen und war wie ich nachher erfuhr, noch in der Mädchenschule und fast zum erstenmal in grösserer Gesellschaft. Nun trommelts wieder unten beym jüngsten Gerichte, wie mir das leid thäte, wenn die vor dem Anfang des jüngsten Tages nicht noch heirathen könnte. Sie gleicht einem sehr bekannten geschnittenen Steine von einer Muse und hat noch dabey so allerley artige Mienen und Gesichter geschnitten, wie der geschnittene Stein nimmermehr thut. | Doch genug von dieser Schönen, die ich vielleicht nie wiedersehe, die Wildniß ist der Blumen so voll die doch von niemand gesehen, die Schönheit also gedeihet sowohl, doch selten in den Ehen, der Himmel spiegelt sich gern darein und thut es am liebsten ganz allein und was der Mensch mit den Augen erspäht, was nachklingt in den Ohren, das ist was nimmermehr vergeht und nimmermehr verloren. Alle klagen, daß Du keinem schreibst, da fühle ich recht wie Du mir wohlwillst, daß ich mich Deiner Gegenwart so oft erfreue, Du must jezt nach Berlin abzugeben an Fr: v Labes, Viereck N 4 schreiben ich muß lange fasten, ehe ich wieder etwas von Dir höre. Kaum habe ich Zeit Dich noch einmal zu begrüssen, so war es recht, ich dachte als wenn ich in einer weiten Aussicht den Kopf springend in die Runde drehe an alle Stunden, die wir hier zugebracht. Dein Achim Arnim An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. Hofrath u Professor v. Savigny Landshut in Bayern
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Gunda schläft noch, ich mag sie nicht wecken obschon sie befohlen hat, daß man es thun soll weil sie dir schreiben will, wenn sie nun auch heute einmal die Post verschläft, so wisse daß deine beiden Kinder sehr wohl sind, daß der Bub so leicht zahnt, daß es eine Schande für ein so adeliches Blut ist, die Gefahren nicht mehr zu suchen. Gestern waren wir mit Tieck und seiner Schwester bei Jacobi, es wurden verschiedne Landshuter Proffesser durch gehechelt der Münchner Morgenstern, oder Praier war auch da; er versicherte, daß Gönner ein sehr liebenswürdiger Mann sey Gundel behauptete das Gegentheil und beide führten den Streit sehr decent aus. Doch ich höre daß Gundel erwacht ist, und schließe, um ihr den übrigen Plaz zu lassen. Gunda läst dir sagen daß sie Consol tischgen und auch Consol schränckgen gefunden habe die beide sehr schön gearbeitet sind und ganz zu eurem übrigen Moeblen passen die Tischgen sind wohl feiler allein die Schränck Nüzlicher, sie läst dich bitten ihr deine Meinung darüber mitzutheilen die Breite derselben hat ungefehr 2 Schue 3 Zoll
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An Herrn von Savigny Abzugeben im Jonerischen Hause Landshuth.
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 18. November 1808, Freitag
An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, letztes Drittel November 1808
Ich hab eine einzige Liebe Hoffnung, guter Arnim, und die ist nehmlich, dich nächstes Frühjahr, in Berlin zu sehen, wenn Du mich fragst mit welchen Gründen ich diese Hoffnung hege, so sage ich: keine als daß ich will. es ist wircklich jezt ganz an mir die Reihe dich aufzusuchen und warum sollte ich dich nicht finden. Ich bin im Grunde froh daß deine Finanzen nicht erlauben dich diesen Winter bei Fr: v: Steal aufzuhalten und daß dein Name nicht durch ihr Werck über Deutschland groß wird, er mögte bei so schneller Beförderung zu schnell ins Kraut schießen. Tieck hat sich bei Jacobi ein Zelt aufgeschlagen, er ist seit mehreren Tagen von Morgens bis Abends 581
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bei ihm, um allerlei Briefschaften und Manuskripte durchzulesen, besonders von Haman von welchem Jacobi eine große Menge Briefe besizt und auch andre Sachen sie waren eine Zeit lang miteinander, und er weiß sehr schöne interesante Anectoden von Haman unter andern eine die mir so wohl gefällt daß ich sie dir schreiben muß Haman hatte einen Sohn der Hanz michel hieß, er liebte diesen unaussprechlich, jedoch fürchtete er immer es mögte nicht viel aus ihm werden, einmal fand er eine Gelegenheit ihn eine Reiße machen zu lassen, und da er glaubte es könne eine Gute Wirkung | auf Hansmichels Geist haben, die Welt ein bisgen zu sehen, so war es im sehr angelegen. Am Tag der Abreiße da er Morgens ganz frühe des Sohnes Koffer packte, kam er in Jacobis zimmer der noch im Bett lag, und verkündete ihm sehr traurig daß er glaube Hansmichel habe einige Anlage zur Narrheit, denn beym Einpaken seyen ihm so sonderbare Papiere in die Hände gefallen, worauf lauter abgebrochnes Zeug stehe und lauter fablende Gedanken, Jacobi lachte ihn aus, allein er war ganz trostloß, und zwang ihn aus dem Bett um die Papiere miteinander Durchzusehen, sie fanden viel was zum theil ganz unbedeutend war aber nirgend war etwas fertig, Hamans betrübniß ward immer größer, auf einmal fiel er Jacobi um den Hals, weinte laut und sagte,: A Gott ich habe immer geglaubt der Junge sollte ein Beispiel an mir nehmen aber er wird doch wie sein Vater. Die Geschichte hat mir etwas ungemein rührendes, ich dencke sie gefällt dir auch gut. Nun Adieu mein liebes Gut, alles zieht heim im Winter ja sogar auch die Freundschaft will fort da sie nicht mehr in der Sonne sich lenzen kann, ach ich hoffe und Wünsche mit dem nächsten Frühling ziehen alle Lustgedanken wieder her vor, und indessen vergessen wir beide nicht, all des Seegens den | Gott dieß Jahr über unsern Häuptern hat wachsen lassen, ich erinnere mich ewig der Lehre die Du mir einmal beym Abschied gabst, wie ich dich morgens noch begleitete »Denke nicht der Bösen Stunden, sondern nur der Guten« so mahne ich jezt dich auch; wenn Du diesen Winter böse und traurige Stunden hast, so denke in denselben der Guten die wir mit einander hatten, und hoffentlich noch haben werden, so wirst du mir ein unendlich liebes und würdiges Opfer bringen. Diese Luftschlösser glaube mir doch; werden nicht in Luft zerinnen, sie sind zwar jezt ungreifbar und schwebend, nur in der Erinnerung noch fasslich; aber mein und Dein Leben haben doch in manchen Minuten zusammen geblüth, und ich bin froh um des Genusses willen den ich dabei hatte, denke doch, denke doch daß die Sonne über zwei Menschenkindern, wie oft auf und nieder ging 582
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die nichts als inniges Wohlwollen und Liebe für einander hegten, denke doch, daß wir manchen Pfad zusammen erstiegen haben, daß Die Natur auf uns beide vereinigt gewürckt hat, da wir oft vereinsamt und abgesondert von der ganzen Welt mit einander waren, und ist dieß nicht ein Glück, Stunden Tage zu verleben mit der alten Kinder unschuld, so haben unsere ersten Gedanken, wie treue Freunde, wieder sich in dem Rhein^gau besucht. Leb wohl mein Leben reiße recht glücklich, möge der Ton des Posthorns dir nicht so schneident traurig in die Ohren blasen, leb wohl, daß Deine Vaterstadt nur recht freundlich dich emfange, deine Großmutter wird gewiß noch viele viele Freude haben alles möge so werden, daß die Zeit recht schnell vergeht. bis wir uns wiedersehen. Bettine viele Küsse von mir mögen dich warm halten auf der Reiße. Meline hat im Ausruf von der Alten Goethe in Franckfurt ein Andencken für mich gekauft; ein Familienportrait; die Alte und ihr Mann als Schäfer und Schäferin, der Sohn und die Tochter im Walde spielen mit Schäflein.
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 23. November 1808, Mittwoch
Vostri figlio ha dormato gli tutti Notti, mio caro Schwagero. & la vostra figlia darvi una buonna Mattina. Io voglio que la Signora Bestola siete in buon humore, & que non ha afflicta perque siete non con me, Io son veri contenti, senza la sua Personna, la Signora Muy siete tutto sannita. ella voglio aller al quanto questo bal di Museum con me absolumente, ma jo non voglio. si la Guntela voglio rinvoyar la Gretela al sua Patria non soll vergessen da riportar un paar alte weise Strumpf & un paaro blaue, con un poco di leinewand quand questo est per far un Schurzo voi voglio trover il con gli mattrazi de Trages. Io son la vostra tantreza Schwageria Bettine jo prego la vostra Personna di far il mio servitore al mio fratello Celmenza, & di dir a lui que voglio fare quanto est scribendo in sua lettera domani o apres domani, ma non ho tempo quando questo jorno di ris ponsar. 583
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An Herrn von Savigny im Jonerischen Hause in Landshuth
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Der Bub hat 2 Zähne, die Lisette ist wieder gesund, deine Commisionen sind besorgt; sonst sind mir noch mehrere Merckwürdigkeiten begegnet, die ich all mündlich erzehlen werde meine Bekanntschaft mit dem Kronprinzen pp: heute hab ich zu lange geschlafen um dir mehr freundliches zu sagen. Auch Winter habe ich kennen gelernt, der mir sehr gut ist und mich umsonst singen will lehren, mir auch Musick versprochen hat, englische die über 2 hundert Jahre alt ist. Bettine An Herrn von Savigny im Graf jonerischen Hause in Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 25. November 1808, Freitag
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 26. November 1808, Sonnabend
Der Schreiner Kramer läst dich ersuchen, doch die Kiste in welcher er Dir einen Transport Moeble geschickt hat, nebst Kordel und Papier wieder so gleich zurück zu senden, weil er mit denselben dir abermals die noch zurückgebliebenen will senden. Der Bub scheint bald einen Dritten Zahn machen zu wollen man sieht ihn schon durch, jedoch ist er ganz wohl schläft die Nacht Durch ohne ein einzig mal aufzuwachen als nur gegen 6 Uhr morgens, Pulletter läst auch die Hände Küssen, Fr v: Alarmi hab ich kennen lernen, die Schlichtegroll hat mich in meiner Einsamkeit besucht. pp ich wünsch Euch einen Guten Morgen. Tieck 584
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war gestern bei mir und las mir etwas von sich vor, was mich entzückt hat, allein dieß bleibt unter uns denn ich habs ihm selbst nicht ein mal gesagt die Moy läßt Euch grüßen. Bettine An Herrn Baron von Savigny Abzugeben im Jonerischen Hauße in Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 27. November 1808, Sonntag
Die Gundel welche Heute ein Fußbad nimt und deswegen nicht schreiben kann, laßt dir sagen daß sie ganz wohl hier angekommen ist daß die Kinder sich sehr wohl befinden. pp: Ich wünschte wohl dich wieder auf einen Nachmittag zu sehen ich könnte dir allerley erzehlen z: B: von der Bernhardi; auch bei Jacobis hatte sie Humbold sehr angeschwärzt und die beiden Tanten kamen eines Abends wo sie sie allein glaubten, wahrscheinlich um sie in etwas auszuforschen. Das waren traurige Geschichten die die Bernhardi blos um sich zu rechtfertigen erzehlen muste, mir stunden dabei die Haare zu Berge und sie bekam endlich vor Anstrengung ein Fieber; ich war mit der Moy Malgré bon gré auf einem Museum und habe da den Kronprinzen über eine halbe Stunde gesprochen, er sagte in höchster Unschuld unendlich viel Geistreiches, und versichert mich immer dabey daß es ihm eben den Augenblick erst einfalle, und er vorher nie diese kluge Gedanken gehabt. Adieu ich grüße dich herzlich. Bettine
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An Herrn von Savigny abzugeben im Jonerischen Hauße Landshuth
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Lieber Tiek, sogleich wird mich Clemens ablösen, um Ihnen den Zwek dieses Briefes deutlich zu machen. Wann kommen Sie hier her, wahrscheinlich wenn ich weg gehe, dann können sie in meinem Zimmer wohnen, ich werde eine Kaze anschaffen zu Ihrer Gesellschaft; Der Überbringer dieses Briefes, ist ein unschuldig in Sie verliebter, wie ich höre. Freund ich bitte, sind Sie kriegerischer Natur 〈di〉eß einzige mögt ich nur wissen, wegen gewißen Ursachen, ob Sie nehmlich im Stande Sind ein Gewehr ohne Zittern abzuschießen. oder gehen Sie lieber mit Pfeil und Bogen um, weil es nicht knallt, es ist mir sehr wichtig dieß zu wißen. –– Herrn Ludewig Tiek Maxplatz no10. oder im Adler zu erfragen. München
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An Ludwig Tieck in München München, 27. oder 28. November 1808, Sonntag oder Montag
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 28. November 1808, Montag
Einliegenden Brief hab an Tieck geschrieben sie haben mir sagen lassen daß sie mir Heute die Antwort schicken werden. ich kann Euch heute nicht mehr schreiben. es finden sich hier manche Menschen, die keine Kleider haben, wenn ich nur irgend ein wohlfeiles Zeug wüste, sie zu bekleiden Euer Freund kann froh seyn, seine Familie bekomt täglich mehr Mittel in die Hände sich emporzuarbeiten. Bettine An Herrn von Savigny Joners Hause Landhuth
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Mit Ludwig Tieck an Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, Ende November/Anfang Dezember 1808
Die Kinder seyen Wohl, läst dir Gundel sagen Bettine Der Alte Jakel ist mich ganz Müde, und die Schwestern haben mich verbannt da hab ich sie ausgelacht. Der Tieck ist in die Fräulein Wibekind verliebt, und kann mich deswegen weniger leiden, und so wäre ich dann verstoßen und verschimpelt dein treu dir ergebener Pudel mit Sehnsucht harrend. 〈Ludwig Tieck:〉 Ich grüsse Sie herzlich, und Sie werden sich gewiß mit mir wundern, daß eine geistreiche Bettine so albern sein kann. L. Tieck An Herrn von Savigny im Jonerischen Hauße Landshuth
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 2. Dezember 1808, Freitag
München d* 2t December Ich habe gestern Durch einen Brief den Kreuzer an Savigny schrieb erfahren, Daß Du bei Marburg ein Unglück erlitten hast; ein Schaden am Fuße; heist daß nicht ein Sichtbarer Winck Gottes Du sollst Dich nicht so eilig entfernen wenn nur Die Zeit nicht lange wird bis du wieder Da bist, jezt sind es bald 3 Monate, daß wir Uns sahen, und wie viele werden noch vergehen? Obschon Gundel und Savigny sehr viele Mühe gehabt haben während dieser Zeit, sich einzurichten haben sie’s doch noch nicht so weit gebracht daß man da wohnen kann ich denke daß wir erst in 14 Tagen hingehen; Savigny ist schon dort, und liest er hat ungefehr 120 Studenten Clemens ist seit etlichen Tagen hier, er hat schon einige Mal Streit gehabt mit Tieck über deine Lieder auch mir ist darüber daß ich Tieck ein Gefühl dafür erwecken wollte ein noch tieferes Licht in manchem aufgegangen und ich hab manches so innig 587
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gefast, wie ich dich ins Auge fassen würde wenn Du vor mir stündest. Mit Tieck ist hierüber nichts anzufangen er aergert mich aber nicht, denn er meint es Gut, und das edle Wild weiß nicht in seinem Behaagen wie eng die Gränzen des Reviers um seine Freiheit gezogen sind; aber seine Schwester die meinem Gefühl nach wenig Strahlen des Genies von sich gegeben hat, spricht so aufgeklärt leuchtend darüber, das es einem erbittern würde wenn man lang zuhört. Jacobi hat den Einsiedler zum König gebracht, um ihm die bairische Jugendgedichte zu lesen, da meinte | der König auf diese Seite würde sich wohl sein Sohn der Krohnprinz schlagen; ich habe leztern kennen gelernt auf einem Bal, der einzige den ich besucht habe, er kam gleich sehr tief ins Gespräch, erzehlte mir manches von Rom mit einer Sehnsucht die rührend war; so sehr München mir mißfällt so thut es mir doch leid in Landshut ganz von aller Musick abgeschniten zu seyn; erst seit ein paar Tagen hab ich den Capellmeister Winter kennen gelernt, es hat mich ordentlich geschaudert, da er mir sagte, nachdem ich ihm etwas gesungen hatte, ich habe eine Aenlichkeit in der Stimme mit der Grassini, und wenn ich hier bleiben wolle, so würde er mich alle Rollen die er für sie geschrieben hat, lehren. Der Mann mag sich vielleicht irren lieber Arnim, indessen bin ich ihm ganz gut darum geworden. Ich wünsche mir recht sehnlich bei dir zu seyn; und hab eine sonderbare Hoffnung diesen Wunsch im Frühjahr auszuführen jedoch ohne rechten Grund. ein einzig mal war ich im Teater, und habe nichts als Kopfweh und Augen^weh davon gehabt dieß hält mich auch ab öfter hinein zu gehen, keinen Freund hab ich der es mit mir anhören und sehen mögte, da ist denn weiter nicht viel Freude dabei. Baader hab ich kennen lernen, aber nur von weitem, wenn alles wahr ist was er erzehlt, so ist es sehr merck|würdig und sehr viel; dein lezter Brief aus Franckfurth war so lieb und schön wem wirds nicht wohl dem aus der fernsten Ferne solge heimlich heimische Töne zusprechen, jafreilich hab ich noch an niemand geschrieben seit meiner Abreiße, als nur an Dich, und würde Dir mehr geschrieben haben wenn ich ein Zimmer für mich hätte; aber bald hier bald dort eine Zerstreiung hielten mich oft zur Unzeit ab. das kleine schöne 14 Jährige Mädgen, daß Dir so wohl gefiel kenne ich auch sie war von klein an immer sehr schön, und – Eichensinnig. von demselben Eb, wovon Du die schön gemalte Copie eines angeblichen Dürers bei Wallenberg gesehen, hab ich Dürrers Portrait von ihm selbst gemahlt in seinem 28ten Jahr; copieren lassen, aber ganz vortrefflich hat er es gemahlt. ich 588
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wollte es eigentlich an Goethe schicken für die nächste Ausstellung, damit einem jungen Talent welches sich erst seit 3 Jahren übt; doch in etwas Gerechtigkeit wiederfahren möge der Mensch ist so auserordentlich Arm, daß es eigentlich schimpflich ist. jezt fürchte ich aber, es gefällt dem Goethe zu gut, und er schickt es mir so bald nicht wieder. Auf der Bibliothek hab ich auch das geschriebne Gebethbuch von Dürrer gesehen es ist ein himelweiter Unterschied von den Kupferstichen, du kannst dir die Kraft, die | Zartheit die Genialität, die Frömmigkeit nicht dencken und so leicht hin geschrieben wie inspiriert. Grimm schwelgt in diesen ersten Tagen in der Bildergallerie, er ist sehr Naiv alle Gesichter die ihm auffallen spottet er gleich nach, am besten hat ihm ein Hünerstück gefallen, weil sich zwei Hüner so gar lustig und Natürlich beisen. nun muß ich gestehen daß die Gallerie gar nichts anziehendes hat, daß unter vielen schlechten Sachen oft nur ein gutes ist und gewöhnlich so unbequem hängt daß man es nicht gut sehen kann. Grimm hat mehr Freude an Kupferstichen, deren sehr schöne hier sind, besonders von Martin Schön, und die mir auch besser gefallen. er hat mir gesagt es sey ihm noch weniges so hart gewesen, wie dich zu verlassen, er habe dich auserordentlich lieb, doch habe er es nie gewagt alles dir zu sagen, was er gedacht und gefühlt habe, obschon er immer den grösten Drang dazu gefühlt. ich habe es über mich genommen alles was er fürs Malen nötig hat zu besorgen. nun hab ich den ganzen Bogen mit fremden Nachrichten vollgeschrieben, dir nichts gesagt von meiner herzlichen Liebe; sey überzeugt davon | es ist der freun〈〈d〉〉schaftlichste Beweiß den Du mir geben kannst; leb recht wohl denck mit Liebe an Mich Bettine Monsieur le Baron Achim Arnim ches Mde de Labes Viereck Nor 4 Berlin
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Mit Kunigunde von Savigny an Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 7. Dezember 1808, Mittwoch
〈Kunigunde von Savigny:〉 Lieber Savigny! Die Kinderchen sind recht wohl. 〈B:〉 Die Feder schreibt gar zu schlecht deswegen kann Gundel nicht fortschreiben sie wird alle Comisionen besorgen, wenn nichts vorfällt so ist sie es zufrieden am Samstag zu kommen, Jacobi hat noch keine Antwort vom Minister über Zimmers Brief welchen er ihm gab. Das theure Tuch beiliegendes Muster ist 8 4tel breit folglich zu Stühl und Sesslen keine Sieben Ellen nötig; der Tapezierer soll berechnen wie viel er braucht. es giebt keine Flecken und ist sehr gut im Stück soll es sehr schön ausehen schicke das Muster zurück Gundel per procura 〈Kunigunde von Savigny:〉 Die Post geht jezt immer so früh daß ich mich immer verrechne, besonders wenn mir nicht wohl ist. Das Tuch macht mir große sorgen, es wird alles so theuer kommen, das da wäre wohl das wohlfeilste aber es ist noch nicht angekommen. Der Tapezierer muß sich in der Zahl der Ellen laße es ihn noch einmal berechnen. An Herrn Baron von Savigny im Jonerischen Hauße Landshuth
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Kassel, 8. Dezember 1808, Donnerstag
Cassel d* 8 Dec 〈〈xxx〉〉
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Liebe Bettine! Savigny wird Dir meinen Unfall oder vielmehr Unsprung erz〈〈ählt〉〉 haben, so unbedeutend der Schade war, so unbequem war er, 〈〈xxx〉〉 jede Bewegung öffnete die abgeschundene Stelle, weil es am Kn〈〈ie〉〉 war, und doch ward ich des ruhigen Sitzens überdrüssig und ging we590
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nigstens alle Tage zu Reichardts und las mich aus der Insel Felsenburg müde, die ein gar vortreflich Buch ist. Nun ist es fast ganz gut, es war schon ganz geschlossen, als ich auf einem Wege nach Göttingen, wohin mich ein Streit mit dem alten Voß führte, es wieder aufgerieben, es liegt mir aber nichts daran, mir war jeder Tag verhasst, ehe ich mich gegen den Schelm rechtfertigen konnte, ich hätte nicht eine Stunde mit dem Aerger hier leben können. Gern wäre ich noch ein Paar Tage bey der herrlichen Bibliothek geblieben und ich bedauerte herzlich meine politische Blendung vor zwey Jahren, wo ich halbe Tage in der ungewissen bangen Erwartung, in Plänen die ich nicht erfüllen konnte, im Gebet, das nicht erhört wurde zu brachte und meine Hoffnung an jeden Pferdeschweif der vorüberziehenden Reiter band, die sie dann in Koth schleiften und traten, und dieses Beben des Hauses, wenn die schweren Kanonen fuhren, wie hoffte ich, daß alle Schande der Welt davor zurück beben sollte und dann kam gar eine Schiffbrücke vorübergerollt, lieblicher konnte dem Orpheus der Charons-Nachen nicht scheinen, als er seine Geliebte zurückholen wollte, ich sehe noch die schwarzen Schiffe auf den Rädern und dachte sie auf den Rhein hin und doch war immer eine feste Ahndung alles Unglücks in mir, die mich noch jezt befiel, als ich den Marktbrunnen wieder rauschen hörte, so lustig ich übrigens lebte nachdem ich mein Geschäft ausgerichtet. Die Leute dort vergessen gern alles drückende Mißgeschick der Zeit und erinnern sich der alten, viel hat sich auch mir nicht verändert, ein schönes Mädchen M. Köhler, der ich wohl vier Wochen brennend gut war, fand ich leider sehr verändert, der Arzt hatte ihr | das 〈〈Tan〉〉zen verboten, die sonst Königin aller Bälle war und 〈〈xxx〉〉 strotzender Fülle aller Gesundheit, o Schönheit was bist 〈〈d〉〉u für ein lächerlicher Schneemann, den ein paar Sonnen schmelzen, und kaum sieht man an etwas zurückgebliebenen Koth wo die glänzende Gestalt gestanden. M Dietrich fand ich recht angenehm beschäftigt, sie zeichnete ihren Sohn und hat es, ungeachtet sie erst spät vor einem Jahre angefangen, recht weit in der Kreidezeichnung gebracht und machte auch einige Versuche in Oehlfarben. Blumenbach ist ein herrlicher Mann, es thut mir leid, daß du ihn nicht statt des Hugo kennen lerntest, der sich euch allen empfehlen läst. Lebe recht wohl und vergiß nicht Deinen Freund auf der Fuchsjacht. Achim Arnim. An F. Bettine Brentano 591
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 8. Dezember 1808, Donnerstag
Du wirst zwei Briefe von mir in Berlin finden nebst diesem; dann wird Dir noch einer von Heidelberg nachgeschickt werden, den ersten dieser Briefe hab ich unrecht addressiert quartier 24 – anstadt 4 und hab auch deiner Großmutter Nahmen nicht dazu geschrieben, ich denck aber doch daß er nicht verlohren seyn wird. jezt will ich dir von meinen Freuden und Leiden erzehlen. der Capellmeister Winter hat großes interesse an meiner Stimme gewonnen und mich versichert daß wenn ich ein halbes Jahr bei ihm lerne ich es weit bringen kann, allein nun gehen wir in zwei Tagen nach Landshut – welches mir in tausend Rücksichten sehr lieb ist, da mir Land und Leute in München sehr zuwieder sind, in Landshut hört man nicht einmal die Mäuse pfeifen so unmusikalisch ist es dort, das macht mich wieder traurig. Menschen sind da wie Die Bärnhäuter, einen einzigen hab ich kennen lernen Seiler; der das berühmte Gebetbuch geschrieben hat, er erzehlt sehr einfach aber nachdrücklich und schön, ich dencke daß er mir in manchem stadt der alten Göethe dienen soll, dieser Frau Verlust, fallt mir noch oft recht schwehr, besonders wenn ich so wie hier einsehe wie wenig mich Menschen interessieren können, da sie die so viel unwissender war ja nur aus eignem Gefühl und erfahrung lebte; mich so lange fesslen konnte. An Goethe hab ich jezt seit drei Monat nicht geschrieben, und kann auch nicht, obgleich ich ihm immer noch wie vordem, gut bin, es geht so gar nichts hier vor, wie nur lauter plates | Geschwäz für und wieder, mir, sehr unintressante Dinge. Gestern Abend saß ich hier im Dunklen am Clavier, und sang so allerlei was ich wußte, das war wieder ein Augenblick wo ich vor Lieb um dich weinen muste, ich emfand so starke Sehnsucht dir mancherlei was sich in meinem Herzen erhob, zu sagen, wenn ich dich nur immer so lieb hätte, aber es vergeht mir in der Zerstreuung mancher Tag in dem ich mich nicht einmal gesammelt hab um an Lieb und Trost und Freundschaft zu dencken die ich von dir genossen habe. einen solgen Tag muß ich mir für verlohren achten, an dem mein voriges Glück mir keine Zinsen trägt. Sag mir Arnim; hast Du gar kein Verlangen nach mir? – auf dem lezten Spaziergang auf dem Trages, im wald bei der Einsiedlerhütte, da warst Du mir so gut, es war nach einem Regen, die Bäume schüttelten noch Tropfen auf uns, und ich auch, ich hing an deinem Hals und schüttelte einen warmen Herzens Regen aus Meinen 592
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Augen. jezt ist er mir so weit der liebe Hals ich kann ihn nicht wieder in jeder Minute umfassen, warum es mir nur so emfindlich ist daß Du nach Berlin bist, grade als hätte ich noch einmal Abschied von Dir genommen das Stück Bart von Dir das die Reiße mit nach Cöllen gemacht hat habe ich noch die blauen Federn von dem Markolfen den Du in Trages geschossen hab ich auch noch dann noch das Rohr mit den Hopfen das Du gezeichnet, und endlich die lezten Blumen aus dem Aschaffenburger Garten | Lafendel und Rosmarin, die hab ich auch noch, lauter magische Dinge denn sie zaubern in einem Augenblick mir ganz lebhaft, vergangne Dinge wieder vor. schreib mir ja wie es mit deinem Fuß gegangen ist, dann auch, was deine Großmutter gesagt hat bei deiner Wiederkunft, ob sie recht erfreut war. Grimm läst dich grüßen und dich seiner Anhänglichkeit und Treue versichern, mit Proffessor Heß bei dem er jezt zeichnet ist er sehr gut, das einzige was nicht zum besten, ist sein Logis bei zwei alten Weibern die sehr knoterig und zänkisch sind wenn er nicht Abends um 6 Uhr zu hauße ist, so bekömmt er nichts zu Nacht zu essen; es wird aber schon für ein anders gesorgt. Tieck hat mir allerlei Poesien vorgelesen, worunter mir manches sehr gefiel. seine Schwester ist sehr kräncklich und wird wahrscheinlich nicht lange mehr leben; Jacobi hat Tieck mehrere Manuskripte von Haman zu lesen gegeben besonders seine Lebensbeschreibung von ihm selbst, zwar nur bis in sein 30stes Jahr, ich glaube nicht daß diese gedruckt wird, oder doch nicht so wie Er sie schrieb, sondern mit großen Auslassungen und umändrungen, besser wär es, man unterließe es ganz; als mit diesen. Savigny hat jezt hundert und 70 Studenten, die meisten zwar umsonst, und noch dazu bekommen sie die Nötigen Bücher von ihm. Lebwohl behalt mich lieb. Bettine An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei Frau von Labes Quartier Nro. 4. Berlin
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Kassel, 15. Dezember 1808, Donnerstag
Cassel d* 15 Oct 1808. Liebe Bettine! Ich will einmal so zierlich schreiben, als wäre ich Grims, dies sey Dir ein Zeichen, daß ich beyde recht lieb gewonnen in den Wochen, die ich bey ihnen war, eine Zeit mir in vieler Hinsicht merkwürdig und lehrreich. Seit ich wieder auf den Beinen bin habe ich den Lepel besucht um dein Zimmer wiederzusehen, er hat darin ein ungeheures Bette von Mahagony aufgeschlagen, Ey zum Teufel, das ärgert mich und dabey kann kein Mensch mehr gut schreiben, ein Trit wie zu einem Tempel läuft rings umher, es ist um die Furien abzuhalten, die ihn wegen der erschoßnen armen Seele umlagern. Uebrigens ist er noch der alte unverändert. Vor meinem Sommerschloß ist ein Mooshauß erwachsen auf dem Hügel, auf dem die Tauben genistet haben, als es noch warm war. Bey der Bohlen war ich noch nicht, sie ist mir unangenehm in ihrer vollblütigen Lustigkeit, auch feindet sie Reichardt an in Folge Großheimischer Einflüsterung. Engelhardts sind noch alle vergnügt über Natusius, du hast doch die Männerfeindin von der Caroline im Cottaischen Taschenbuche gelesen, diese Männerfeindin soll die zweyte oder Hannchen seyn, die jezt an einer dicken Backe leidet, weil sie sich neulich erkältet, während die Mutter das Fenster aufmachte, um sich zu übergeben, da sie den Morgen nichts | Bittres ungenommen, ungeachtet sie den Natusius begleitete, der nach Magdeburg reiste, was aber niemand wissen soll. Frau von Bigot giebt Bälle unter langen Pummeranzenalleen, die Engelbrunner singt, die Juden essen Zuckererbsen, aus der Schloßkirche ist ein Theater gemacht. Soviel von alten Bekannten, Augustens Schachtel an die Mannel ist angekommen u.s.w. – Einen Brief hab ich von dir erhalten durch Zimmer, o Menschlein hinter dem Dornbusch warum zeigst du mir lauter Dornen und dich selbst gar nicht. Du frägst, ob es zu verstehn ist, gewiß ja, aber ob ich nicht etwas ganz andres darin verstehe, als du meinst. das wäre die Frage, denn du hast entweder aus Angewohnheit, zum Spiel oder aus Bosheit alle Fußtapfen umgekehrt oder vielleicht wie die wilden Stämme Amerikas alle Fußstapfen weggeblasen und weggekehrt, damit ich Dir nicht nachsetzen kann, oder gar wie die Schlitten in Preussen ein langes Strick angebunden, damit der nachfolgende Wolf sich fürchtet vor dem unbekannten Thiere, das so wunderbare | Spur im Schnee hat. Immer sieht es etwas feindlich aus, daß du mir auf allen 594
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Seiten die Spur abschneidest. Liebes Kind, Du willst mich mit entweder oder, mit Satz und Gegensatz mit Leben und Tod trösten für manche kränkende Erscheinungen unsrer Zeit, ich danke herzlich Deinem guten Willen, bin aber kein Braunianer, so wenig wie ein Antibraunianer, das habe ich entweder überlebt oder überstorben und ich stoß bey jedem, der diese Feuer und Wasserprobe mitmacht, immer zuerst in die philosophische Trompete wie die Priester in der Zauberflöte, denn sey es ein Königssohn oder ein Gemeiner, es wird keinem etwas anhaben, das Wasser ist von Cindel und das Feuer von geöltem Papier mit abwechselndem Colophoniumglanz, in Wien werden sogar ein Paar ausgestopfte Puppen statt der Schauspieler hineingestürzt. Was ich an andern schätze und in mir zu erreichen strebe, ist die Auszeichnung im Gewöhnlichen, in der selbst das Höchste nicht ungewöhnlich und ausserordentlich scheint, mag jeder so nahe kommen, als es die Bewegung der Erdscheibe erlaubt, ich achte jedes Bestreben. | und achte nicht viel darauf, wenn mich dies oder jenes in meinem Bestreben abspannt, es findet sich alles wieder und ein guter Mahler versicherte mir, daß er immer besser mahle, wenn er eine Zeitlang feire, man lernt oft unbewust. Uebermorgen geh ich von hier zu Göthe, ich werde ihm recht viel von Dir erzählen, aus Berlin schicke ich dir ein Paar neue Melodieen von Louise Reichardt, es sind trefliche Leute voll ruhigen Daseyns und darin ohne Trägheit oder Stillestand. Den halben Tag bin ich hier bey alten Büchern, die andre Hälfte bey ihnen, esse und lese und geh in die Comödie, ich wünsche meinen beyden lebenserhaltenden Familien heimlich alles Glück, denn um es ihnen öffentlich zu wünschen sehe ich noch nicht ehrwürdig genug aus. Grüß herzlich, was ich zu grüssen vergessen, dich aber nenne, ich wie du es willst, mein treues Herz Achim Arnim.
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Landshut, 18. Dezember 1808, Sonntag
Da Ich Dir zum leztenmal schrieb war es Sommer ich war damals am Rhein und reiste später, noch mit einer lieben lustigen Gesellschaft von Freunden und Verwandten auf dem Rhein bis Köllen, als ich zurückgekommen war verbrachte ich noch die lezten Tage, mit Deiner Mutter 595
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wo Sie freundlicher Trostreicher leutseeliger war, wie je, ich war den Tag vor ihrem Tod bei ihr, küßte Ihre Hand, emfing ihr freundliches Lebewohl, in Deinem Nahmen, denn ich habe Dich in keinem Augenblick vergessen und vorzüglich hier nicht, da ich wohl wuste, sie hätte mir gern deine beste Liebe zum Erbtheil gelassen. Sie ist nun Tod, vor welcher ich die köstlichsten Schäze meines Lebens ausbreitete, sie wuste warum, wie, und wie unendlich ich Dich lieb habe, sie wunderte sich nicht drüber, Sie allein war mir vertraulich, wenn andre Menschen Klug seyn wollten, so ließ sie mich gewähren und gab dem Wesen keinen Namen. Noch enger hätte ich damals deine Kniee umschließen mögen, noch fester Tiefer dich in Die Augen fassen, alle andre Welt vergessen, und doch hielt dieß mich ab, Dir zu schreiben später warst Du so umringt, daß ich wohl schwehrlich hätte | durchdringen mögen. jezt ist es ein Jahr vorbei, daß ich Dich gesehen habe, Du sollst schöner geworden seyn Carlsbad soll dich erfrischt haben; Du lieber Gott! wie geht es mir Doch so übel, muß ich die Zeit so kalt und tod vor mir weg streichen lassen, kann nicht einen Funcken erhaschen an dem ich mir eine Flamme anblasen könnte. Doch soll es kein halb Jahr mehr währen bis ich Dich wieder seh, dann will ich nur einmal dich immer und ewig in meinen Armen festhalten Diese lezten Monate hab ich mit Jacobi beinah alle Abende zugebracht, wenn ich sie hätte aufspahren können, so würde ich sie zu etwas anderm verwenden seine beiden Schwestern verpalisadieren ihn auf eine unangenehme Art. Ich wünschte von Herzen wieder einmal ein Wort von Dir selbst zu hören, ja es beruht ein großer Theil meiner Zufriedenheit darauf; in diesem Augenblick ist mein Aufenthalt in Landshut, in kurzem werde ich wieder nach München gehen | wegen der Musick, und besonders wegen dem Singen, welches ich mit Capellmeister Winter studiere. Ich habe Dir heute wenig geschrieben, da ich doch so lange nichts von mir hören lassen, es giebt oft Zeiten, wo sich jeder Gedancke, viel mehr in Mienen und Geberden ausdrücken mögte. Ach besonders bei Dir, geht mirs immer so, ich mögte Dich anlächlen ich mögte Dich rühren mit meinen Augen, und endlich mögt ich Dich, Still, beruhigt, vergessen gegen alles andre, über mich sehen; Leb wohl, bleib mir geneigt, ja neige Dich einmal zu mir, schreib mir wieder, daß Du mich lieb hast, daß Du es erkennst, wie ich dich lieben muß, daß es einzig herrlich in meinem Gemüth ist, wie ich jede Nahrung tief aus Dir genieße daß keine Saite unberührt von mir bleibt, zum wenigsten, ahnde 596
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ich jeden Klang, und Harmonie in Dir, welcher ich mich gern anschmiegen mögte, Dein Gemüth ist mir ein Thron, auf dem sich meine Erinnerung seelig niederläst, ich bin so glücklich in Dir. Aller Menschen Sorgen und Beginnen, geht zwar auf unterschied|nen Wegen, aber trachtet all nach einem End nehmlich die Glückseeligkeit zu erlangen, wie schnell bin ich zur Ruhe gelangt, wenn Du mir gut und meiner Liebe ein treuer Bewahrer seyn willst. Ich bitte Die Frau zu grüßen, so bald ich nach München komme werde ich ihrer gedencken Landshut d* 18 Dzb:
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Dir innigst ergeben Bettine Brentano bei Profesor Savigny. Landshut
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Die längste Nacht ist nun vorüber, Das Kriegesfeuer ausgebrannt, Doch weisse Asche deckt das Land Des Kindleins Sterne weinen drüber Und dieses Morgenroth ist trüber Als jene Nacht von unsrer Schand, Wer reicht dem Kindlein Brust und Hand Die Mutter ringt mit Schreckensfieber. x Kind du weinst in harter Krippe Wie kommst du in so kalte Zeit, Der Mutterleib war eine Klippe Ein Abgrund ist die Welt so weit; Gieb Milch der Brust, gieb Lieb der Lippe, Sonst schmachtest du zur Ewigkeit. Diese traurigen Worte hat mir manche traurige Erinnerung, Erzählung hier eingesprochen, sonst bin ich hier froh und rufe mir selber zu: Vergolde die Nüsse, sie bleiben doch hart Und esse was süsse, und 597
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küsse, was zart. Und putze das Bäumchen und zünde es an, schlaf goldene Träumchen, du kindischer Mann. Heut träum dich in Eisen und Liebe getaucht und laß dir was weisen und wie es verraucht’ und machs nur wie alle und sey nur geschickt, trit auf hoch mit Schalle, trit ab tief gebückt. Ich bin wirklich hier hoch aufgetreten, morgen fahre ich still zum Thor hinaus, ich möchte aber gern hier bleiben, es gehen mir allerley Pläne durch den Kopf, es wird ja alles noch werden. Doch kurz zur Uebersicht. Die erste Bewillkommung von Göthe waren zwey Küsse, er fragte mit vieler Freundlichkeit nach allen Ereignissen, besonders nach Dir und meinte, Du hättest aufgehört ihm zu schreiben, seit er Dir widergeschrieben, vielleicht weil die Hoffnung grösser als die Erfüllung gewesen. Ich widersprach ihm nach Deinen Briefen, versicherte ihm daß nur Mangel an guter Laune Dich abgehalten ihm zu schreiben, daß es immer dein Vorsatz gewesen, er versicherte, daß Deine Briefe aus Winkel ihm besondre Freude gemacht, er habe sie oft gelesen, sie hätten ihn in alle Gänge wieder eingeführt. Nun komme ich zu meinem Ruhm und ich sage Dir es lohnt für allen Schimpf den Liebsten zu gefallen. Er versicherte mir daß es wohl nie eine Zeitung gegeben habe, wo auf so wenigen Bogen solch eine Fülle von Gutem und Curiosen zusammengehäuft worden, er entdeckte täglich etwas Neues, das ihn erfreue, er hoffte auf eine zweyte Auflage, die Herzogin, die Prinzeß und alle am Hofe | hätten das Aufhören bedauert u. s. w. u. s. w. In der Streitigkeit mit Voß erklärte er sich ganz gegen ihn, sagte aber, ich hätte besser gethan, gar nicht zu antworten, er wäre noch besser hineingelaufen. Es that mir leid daß er gegen Görres sprach. Den andern Tag war bey ihm zum ersten^mahl Gesellschaft der ersten Frauen der Stadt unter andern der Frau von Stein bey seiner Frau, er bat mich, ob ich nicht etwas vorlesen wollte und zeigte meine Kupferstiche herum. Ich las etwas, das du noch nicht kennst, eine Novelle erst etwas beengt, aber nachher mit einer Art Dramatick, die ich noch nie geübt habe mit solcher Keck〈〈heit,〉〉 so las ich auch was andres gestern vo〈〈r〉〉 der Prinzeß bey Fr. von Wollzogen, die eine gar herrliche Frau ist. Dazwischen denk dir Schauspiel, bey der Jagemann herzogliche Gesellschaften, bey Schoppenhauer deklamatorische Thees; Mahlerei Kügelchen über mir, Werner in der Nähe, Falk mit Schattenspielen, die er vordeklamirt, und du wirst mich entschuldigen, wenn ich nicht mehr schreibe. Ich schicke Dir ein sehr ähnliches Bild Basrelief v. Kügelchen von Göthe. Es ist unendlich viel Gut598
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müthigkeit hier und von der niederträchtigen literarischen Kritteley und Witzeley die alles beschmutzt, weil sie nichts kennt, gar keine Spur. Herzlichen Gruß, ich küsse Dich vielmal Achim Arnim An Fräulein Bettine Brentano Abzugeben bey zu H. H. von Savigny Landshut in Bayern
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 30. Dezember 1808, Freitag
Berlin d* 30 Dec 1808. Liebe Bettine! Vier Deiner Briefe haben mich die erste Nacht, die ich hier zubrachte, wach erhalten soviel Zeilen, soviele liebe Erinnerungen, ich dank Dir für alle gesamt mit einem Vaterunser. Ich bitte Dich, gieb Dir keine Mühe den Leuten, denen sie nicht gefallen, meine Lieder anzuempfehlen, ich habe oft auch so etwas übernommen, was hat man am Ende davon, die Leute meinen endlich, daß es doch etwas Curioses sey und zum Schlusse daß es curios sey, wie so viel Curioses in der Welt sey. Kleines mit Grossem verglichen so hatte ich neulich in Cassel mit einem Franzosen den Fall, daß ich ihm Fausts Göthen nicht anders als durch nähere Betrachtung des Westphalischen Wesens erläutern konnte, als ich nun sein Interesse sicher gepackt zu haben meinte, sagte mir die edle Seele, was ich darüber gesagt, sey allerdings viel besser als der Faust. Was ich Poesie nenne, die braucht keine Erläuterung, und es schadet gar nichts, ob man darin manches Einzelne nicht versteht | Amende ist es wohl eben so unmöglich einem von etwas die Poesie zu beweisen, als Dir darzuthun, daß du Dich in München sehr wohl gefällst, während Du Dich fort wünschest. – Mein Arm ist mir ordentlich müde, ich habe die halbe Nacht gepumpt und Eimer getragen, es brannte die zweyte Nacht meines Hierseyns mir gegenüber, trotz aller Hülfe sind doch mehrere Hinterhäuser und ein Mensch verbrannt. Es war mir sehr 599
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schauerlich, daß ich das Hauß von Schickler, dessen Frau ich vor drey Jahren schon krank verließ und die in der Zeit gestorben nun zum erstenmal mit Feuerlärm erwecken muste und die Kinder in dem rothen Schein des Feuers wiedersehen, wie sie in der Zeit gewachsen, das Hauß blieb unbeschädigt ungeachtet das ganze Nebengebäude abbrannte, in Schweis und Eis brachte mich Schickler, der mich bey den Spritzen erkannte zu einem guten Thee mit Kirschwasser | das heiterte unsre Gemüther auf, ich traf ein Dutzend alter Bekannte, ich war sonst täglich in dem Hause und mit ihnen in England viel gereist, wir vermieden das Traurige, suchten auf das Lustige, das Feuer war eigentlich aus und nun war ein Ueberfluß von Menschen da, die noch des Spektakels geniessen wollten, ich legte mich zu Bett, konnte aber wenig schlafen. Pistors und Albertis haben sich viel nach Di〈〈r〉〉 erkundigt, die Tieck ist hier, ich gab ihr 〈〈die〉〉 ersten Nachrichten von ihrem Man〈〈ne,〉〉 sie scheinen jezt wirklich ganz v〈〈on〉〉 einander zu seyn. Meine Großmutter fand ich wenig gealtert, das Sprechen ist ihr ein wenig erschwert, sie bewillkommte mich gar freundlich mit einer kleinen Pastete, die sie mir in den Mund schob; dann kamen gleich Leidensgeschichten, endlich Streitigkeiten mit Einquartirten, die ich zu heben suchte. Mein Bruder ist wohl, die Geldnoth groß, die Hoffnung klein, der Himmel trüb und Du sehr lieb. Dein Achim Arnim. Ich bleibe Dir noch manche Erzählung aus Weimar und Leipzig schuldig. An Fräulein Bettine Brentano zu Bey H. Hofrath von Savigny Landshut in Bayern frey Mühlhausen
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An Carl Friedrich von Rumohr in München München, zwischen Anfang Januar und Ende September 1809
Guter Rumohr schicken Sie mir den ersten Theil von der indischen Reise ich will nicht mit dem zweiten anfangen und schwöre daß ichs mit Dank zurückgeben werde. B.
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Wenn es Ihnen recht ist werthe Freundin, so komme ich den Nachmittag um vier oder etwas früher zu Ihnen. – Den Morgen hindurch bin ich noch in meinem Geschäfte denn Sie müssen wissen daß meine Seele nun bald in Papp und Leder gebunden wird, das ist noch schlimmer als SchmetterlingsPuppendeckel; Pupp und Papp mag am Ende wohl auf Eins herauskommen. Leben Sie wohl – fast hätte ich Sie gestern bei Savignys nachgesucht konnte doch nicht zum Entschluß kommen. Ihr treuer Rumohr
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Von Carl Friedrich von Rumohr in München München, zwischen Anfang Januar und Ende September 1809 1r
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, Anfang Januar 1809
Die Borden sind bestellt, allein der Bordenmacher wollte sie vor dem Neuen Jahr platterdings nicht mehr anfangen im Vorrath waren nirgends welche zu haben; Ihr müst Euch also schon gedulten ich werde alles gewiß sobald möglich besorgen. Die Moy hat mich sehr freundlich emfangen. Bei Tieck war ich den selben Abend als ich ankam, so groß hatte ich mir das Elend nicht gedacht Tieck ist aus schrecken und Zorn ganz Contrackt geworden, nehmlich an Gicht. er konnte nicht einmal das Licht puzen oder das Schnupf tuch aufnehmen, gestern wurde es schon besser. Die Bernhardi liegt auch zu Bett, ist aber lange nicht so krank. indessen ist die Geschichte nicht so übel abgelaufen sie 601
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haben einen Vertrag mit einander gemacht, und die Bernhardi hat sich mehr aus Raison dazu entschlossen als aus Muß, denn Er muß das Kind nach einer gewissen Zeit zurückgeben, er hat gestanden daß es nur wegen dem Vater sey. Adieu lebt recht wohl, eine Schachtel die in meinem Schlaf zimmer steht, und vergessen wurde bitte ich, mir doch gleich zu schicken, den Brief der Lissette habe ich gelesen, er ist abscheulich verliebt, sie schreibt: Carl, Guter, Engel, süße, angenehme Stunden pp 〈aoR kopfstehend:〉 Ihr könntet dem Moy einen großen Gefallen thun, ihm den Brief von Carl an Lissette zu verschaffen, weil er glaubt Carl hab ihr etwas g〈〈esch〉〉enckt, aus dem Laden, welches er jezt läugnet, sucht also mit List 〈〈xxx〉〉ne ihn zu bekommen. Bettine 1v
An Herrn Baron von Savigny im Jonerischen Hauße abzugeben Landshuth
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 3. Januar 1809, Dienstag
München, d* 3. Januar Seit 4 Tagen hab ich Landshut verlassen um hier noch Singen zu lernen alles hab ich wohl und vergnügt verlassen. Auguste welche jezt auf dem Fuß ist, den Clemens wiederzugewinnen, hat ihm den Abend vor Cristtag, ein sehr schönes Kripgen gekauft mit Felsen, Bergen, und Wasserfällen Palmbäume alte Ruinen Paläste und Hütten Muschelkrotten ungemein viele Figuren die mit Gold, perlen, und Edelsteinen geschmückt sind, kurz alles was Du Dir Denken kannst vom kleinsten biß zum grösten, Du kannst dir also vorstellen wie sehr es ihm Freude macht, die 3 Wochen welche ich Dort zubrachte waren recht Angenehm, ich lernte alle Abend zum Zeitvertreib Spanisch mit Clemens, er brachte in den lezten Tagen alle Abend eine von seinen Romanzen, die er ausgearbeitet hatte, und laß sie nach dem Nacht^essen vor, ein jeder sagte ihm denn seine Meinung, dieß eifferte ihn an, daß wenn es so fort geht sie gewiß bald fertig werden. 602
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Hier lerne ich mit meiner Haußfrau alle Morgen eine Stunde Italienisch dann sing ich 2 Stunden bei Winter der einen wahren Eifer hat und mich sehr muthig macht, Nachmittag gehe ich zu Tieck welcher jezt in dem Elendesten Zustand ist, er hat die Gicht in einem so hohen Grade daß er sich nicht bewegen kann und oft häufige Tränen vor Schmerz vergießt, dabei ist er sehr Schwehrmüthig und beinah immer allein, also hab ich mirs zur Pflicht gemacht ihm einen theil des Tags zu schencken, da erzehle ich ihm denn allerlei Märgen und Abentheuer, die Ursache dießes starken Anfalls der Kranckheit ist ein großer Schrecken und Unglück, Bernhardi kam plözlich von Berlin und nahm seiner Frau mit Hülfe Der Polizei ein Kind, es kostete Tieck zimlich viel Anstrengung die ganze Sach noch dahin zu bringen daß sie das Andre behielt, und das es noch zu einem honeten Vergleich kam. Rumohr ist auch seit einigen Tagen wieder hier, er hat mir aufgetragen dich zu grüßen, dir zu sagen daß er Dich recht sehr lieb habe. was will das bedeuten ich hab dich lieb, ich allein, so lieb, wie ein andrer nicht, sey wo Du willst, du bist doch mein Augapfel alles Unglück das Dir wieder fährt, ist mir also sehr emfindlich, ich bitte also schone meine Augen lieber Freund | Von Cristian Schlosser vernehmen wir zuweilen einen fernen Ton des Entzückens aus Rom, in Landshut hab ich etliche von der Ringseisischen Companie kennen gelernt, die bescheidensten höflichsten Menschen, die man sich Dencken kann, Clemens nimt sich ihrer sehr an und weist sie oft in ihrer ungewißheit recht lieb zurecht von Creuzer hab ich einen Brief gelesen über Dich, der mir beweißt daß er wircklich deiner Freundschaft sehr entspricht, und daß es wohl einer Der Menschen ist die Dich am meisten erkennen ehren und ohne Vorurtheil lieben, es macht mir grade, von ihm unendlich viel Freude weil ich wircklich etwas Schwankend über ihn war. schreib mir bald lieber Arnim wie Dirs geht ich denck Du bist jezt schon in Berlin, von Weimar schreib mir recht viel, von Deiner Gesundheit auch, wir wollen gegenseitig einer um des andern willen für unsere Gesundheit sorgen. Ich gehe beinah gar nicht aus, zu Jacobi gehe ich auch nicht mehr, oder Doch höchst selten. Leb wohl behalte mich lieb. Bettine Monsieur le Baron Achim de Arnim abzugeben bei Fr. von Labes Quartier N. 4 Berlin
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 4. oder 5. Januar 1809, Mittwoch oder Donnerstag
Die Schlüssell sind in einem der Verschläge in weis Papier eingewickelt angenagelt, der andre ist in einem der Schubladen des Comodes auch in weis Papier eingewickelt oder in dem Secretair, es kann also sehr leicht sein daß er beim Auspacken ist verworfen worden. Herr von Bodmer macht einen Ausruf von seinen Mobilien weil ihm die Schuldleute zu sehr drängen, man kann Da unter Andern 1 Canapee und 12 Stühle von Mahoni sehr gut Conservirt haben, vielleicht auch einen Tee tisch, sehr wohlfeil wird es indessen nicht werden, da sich die Gläubiger nur davon bezahlt machen konnen, so glaub ich werden sie es eher selbst ankaufen als unter dem Preiß weggehen lassen Sago 2 £ Macaronen 1 £ nebst 16 Ehlen Bordure sind besorgt, allein unglücklicher weise zu späth auf die Post getragen worden. bis Samstag hat man mir den Rest versprochen, ihr werdet also im Anfang der nächsten Woche alles haben, wenn Die Messe der italienische Mann kommt so will ich Der Gundel Noch Macaroni und Sago kaufen wenn sie es verlangt. kein Roßhaar zeug ist in Der ganzen Stadt zu haben. Zu Jacobi will ich dieser Tage | einmal war ich schon bei ihm, er hat mich recht freundlich aufgenommen, von Butmann getraute ich mir nicht Nachricht einzuziehen, ich mögte zu unvorsichtig seyn. Daß Rumohr hier ist hatte ich vergessen Dir zu schreiben Dies ist auch sehr natürlich, er ist und bleibt immer Der alte. bei welchem nicht viel Trost zu holen. Mit Tieck geht es besser. von Arnim hab ich die lieblichsten Nachrichten aus Weimar. Goethe war so ungemein liebreich gegen ihn er hat sich ganz gegen Voß erklärt, jedoch dem Arnim sehr unrecht gegeben daß er ihm geantwortet, nicht weil ihm das was Arnim sagt mißfiel sondern weil er meint daß sich Voß dann von selbst so tief hineingerennt würde haben, daß es keiner Erklärung bedürft hätte seine Schlechtigkeit der ganzen Welt zu entdecken. also glaube ich gewiß das Goethe auch die andern Bände des Wunderhorns recensieren wird. übrigens hat er ihm ein liebes Lob über den Einsiedler gemacht, er hofft daß eine zweite Auflage gemacht wird, er sagt daß es wohl nie eine Zeitung gegeben | wo auf so wenigen Bogen solg eine Fülle von Gutem und Curiosem zu sammen gehäuft sey er entdecke täglich etwas Neues das ihn erfreue. Die Herzogin die Prinzess und alles hätten das Aufhören bedauert usw. Winter kömmt alle Morgen zu mir und hat grossen Eifer, Mit Tieck geht es viel besser mit der Bern604
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hardi auch, sage der Auguste daß die silbernen Löffel noch nicht fertig sind. Adieu. Bettine 40
An Herrn Baron von Savigny im Graf Joners Hause Landshuth
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An Christiane von Goethe in Weimar München, 8. Januar 1809, Sonntag
Gerne hätte Ich nach dem Beispiel der Guten Mutter mein kleines Andencken zum Weihnachten, recht präzis und ordentlich, gesendet, allein ich muß gestehen das Mißlaunen und Tausend andre Schwächlichkeiten meines Gemüths mich eine Zeitlang, ganz, wie vor meinen Freunden verpalisadierten. Die kleine Kette war Ihnen schon gleich nach dem Tod der Mutter bestimmt, ich dachte Sie sollten Diese in Der Trauer Tragen, und immer verschob ich die Sendung, zum Teil weil es mir wircklich unerträglich war, auch nur mit der Feder den Verlust zu berühren, der für mich, ganz Franckfurth zu einer Wüstenei gemacht hat. Das kleine Halstuch hab ich noch bei Der Mutter gestickt, und hier in Den müssigen Stunden vollendet. bleiben Sie mir freundlich, erinnern Göthe in den Guten Stunden an mich, es ist ein Gedancke von Ihm an mich, mir eine strahlende Zierde, die mein inneres Gemüth mehr | mehr schmüket und ergözet, als die köstlichsten Edelsteine – Sie sehen also welchen Reichthum Sie mir spenden können; Auch für Ihn habe ich etwas, es ist mir aber so lieb daß ich es ungern einer Gefahrvollen Reiße ausseze und hab ich Hoffnung ihn in der ersten hälfte Dieses Jahrs, noch zu sehen wo ich es denn selbst geben werde. Erhalten Sie sich gesund, und sind recht lustig in diesem kalten Winter. meine Schwachheit Ihnen Freude machen zu wollen, behandlen Sie wie immer mit gütiger Nachsicht. München d* 8 Jan. Bettine Meine Addresse ist bei Savigny Landshut Graf Joners Hause.
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Es thut mir leid, daß Ihr in den sauren Apfel beißen müsset, es ist leider nicht mehr zu helfen die Borden sind fertig, allein lange nicht so teuer, als ich gemeldet habe ich glaube nicht das es auf die Hälfte kommen wird, so eben hab ich die Friedericke geschickt um noch einmal zu accordiren ich bin indessen getröstet denn ich weiß daß Euch die Borde mit der Zeit noch gefallen wird. Wir haben unter vielen Borden ausgesucht und keine gefunden die so gut zu dem Tuch stehe, im Stück sieht es viel schöner aus, in Landshut wär es gewiß nicht besser gemacht worden und dann hättet ihr noch die Noth des Aussuchens und wäret vielleicht durch Zufall auf eine schlechtere Farb gerathen, die lezte Partie ist Dunckler gerathen dem Augen schein nach, solltet ihr es nicht zu sammen brauchen können, so schickt die 16 Ellen zu rück die Cordel kommt auf 6 X und die Borde auf 12 Kreuzer die Elle. wenn die 16 Ellen zurück geschickt werden so sollt ihr in gröster Geschwindigkeit 16 andre bekommen Bettine
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An Herrn Baron von Savigny im jonerischen Hauße. Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 8. Januar 1809, Sonntag
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Landshut, etwa 10. Januar–1. Februar 1809, Dienstag–Mittwoch
Arnim war glücklicher als ich; er Durfte doch das Jahr nicht umgehen lassen, ohne Dich gesehen zu haben; er hat mir geschrieben wie sehr liebreich Du ihn bewillkommt. Wie das heise Wild, nach der Quelle, also sehnt sich mein Herz nach einer so freundlichen Umarmung von Dir. seit mehrern Wochen bin ich in München; Treib die meiste Zeit Musick singe viel mit Capellmeister Winter, die Stunden die ich übrig habe bringe ich am Krankenlaager von Ludwig Tieck zu, er hat die Gicht; eine Krankheit die allen bösen Launen allem Überdruß und Melancholie stehte Audience giebt; daher ich nicht sowohl aus Ge606
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schmack als vielmehr aus Menschlichkeit bei ihm ausharre wenn Gesellschaft bei ihm ist so lege ich mich in eine Ecke des Zimmers zum Schlafen, denn das Münchner Menschenwesen ist mir durchaus zuwieder, selbst Jacobische Himmelsleiter macht mir keine Neigung daran hinauf zu klettern, die beiden Schwestern sehen ohnedem aus wie morsche Quersprossen denen nicht zu trauen ist. Es sind hier während dem Carneval so viele Feste das sie ganz in einander übergehen, und ein wahrer Strudel daraus wird, es werden wöchentlich neue glänzende Opern gegeben in sehr brillantem Costume, indessen kann ich wenig Antheil daran nehmen, die Sänger und Schauspieler sind zum Theil so häßlich, daß ich mehr Aergerniß als Freude daran emfinde. Der einzige Mensch der etwas zusprechendes freundliches und wohl auch originel Geistreiches zu haben scheint unter allen die ich kennen gelernt habe, ist der Krohnprinz, sein ganzes Wesen scheint zwar mehr, mit Gewallt die Freiheit eringen zu wollen als mit ihr gebohren zu seyn seine Stimme, seine Sprache, seine Gebärden haben etwas angestrengtes wie ein Mensch der sich mit grosem Aufwand von Kräften an glatten Felswänden anklammert um ihre Spize zu erreichen oder nicht zu Stürzen, in allen Gliedern eine zitternde ängstliche Bewegung hat. Dem Wunderbaren Frühlingswetter konnte ich nicht | wiederstehen, der warme Mailiche Sonnenstrahl der das harte eisige Neujahr ganz zusammenschmolz war wircklich überraschend, es hat mich hinaus getrieben in den kahlen englischen Garten ich bin auf alle Freundschaftstempel Chinesische Thürme, und Vaterlandsmonumente geklettert um die Tyroler Bergkette zu erblicken, die Tausendfach ihre gespaltnen Häupter gen Himmel ragt. Ach auch in meiner Seele – kannst Du die ungeheuersten Bergmassen finden, die tief bis in die Wurzel gespalten sind, und kalt und kahl ihre Spizen bis in die Wolken raagen, was will ich damit sagen? – es stehen einzelne schmerzhafte harte massen in meinem Gemüth die gleich den Bergen auch das milde warme Clima verschließen das oft wie reiner Seegen sich über mich ergießt. Dann kann ich sprechen offenherzig und frei, ich fühl mich begeistert besonders zu Dir, die Lieb ist unermeßlich, schon unendlich tief, bin ich in solgen Augenblicken Durch Dich bewegt worden, bei der Hand mögt ich dich | nehmen und weit wegführen; es liegt mir an Allem nichts, aber daran liegt mir daß ich um Dich nicht betrogen werde, daß mir kein Wort kein Blick von Dir gestohlen wird Siehst Du ich hab Dich so unaussprechlich lieb und das ist alles; darum 607
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vergeht mir manche Zeit so kalt und hart wie Dieser Winter, darum blühts wieder, und drängt von allen Seiten aus; darum hüt ich oft meine Gedancken vor Dir; diese ganze Zeit konnte ich kein Buch von Dir anrühren wenn ich eine Zeile laß bracht es Thränen oder Schauder hervor oder auch große Schmerzen daß ich nicht bei Dir seyn, wenn Du nicht mehr auf der Welt wärst; Nein! dann würde ich keine Hand mehr regen; Ach es regen sich so viel tausend Hoffnungen und wird nichts drauß. wenn ich nur manchmal bei Dir sizen könnte eine halbe Stunde lang; da wird vielleicht auch nichts drauß. Mein mein Freund! während den wenigen Wochen, die ich in Landshuth zubrachte, hab ich troz dem Schnee und Eis, alle nahe und ferne Berge bestiegen, da lag mir denn das ganze langweilige Land im blendesten Gewand vor Augen, so viele tausend Farben waren Durch den Winter getödet und mit Schnee überdeckt; nur mir röthete die Kälte die Wangen; wie ein stilles einsames Feuer in der Wüste – Brennt so der einzige Blick, der erkennt und beleuchtet während die Welt schläft; ich hatte so kurz vorher den Sommer verlassen in seiner höchsten Pracht. Wo war’s doch, wo ich den lezten Berg am Rhein bestieg? – in Godesberg; warst da auch oft? – es war bald Abend, da wir auf mancherlei Wegen auf den Gipfel stiegen, Du wirst Dich noch erinnern es steht oben ein einziger hoher Thurm, und rund auf der Flache stehen noch die alten Mauern. Die Sonne in großer Pracht senckte einen | dunklen Purpur über die Stadt der Heiligen der Dohm von Köllen dieß zarte, mächtige Gebäude glänzte so schön, da sah ich ihn auch zum lezten Mal, der gute Arnim saß mir gegenüber, er mag auch mancherlei gedacht haben; ich weiß nur daß ich in diesem Augenblick alles, Glück und Unglück verwarf, daß ich zerflossen war in dem Ungeheuren Brand. – Und das kühle ruhige Wasser des Rheins, den man viele Stunden weit sah. es sind auch dort die sieben Berge hoch über den Ufergegenden des Rheins noch zu sehen. Im Sommer; in dem ewigen leidenschaftlichen Leben und weben aller Farben, wo die Natur, die Sinne, als hochste Bezauberung und Reiz ihrer Schönheit festhält, wo der Mensch durch das tiefe Mitgefühl selbst der höchsten Schönheit theilhaftig wird, da ist er sich selbst oft wie ein Traum, der vor dem Begriff wie ein Duft verfliegt; Das Feuer des Lebens verzehrt | verzehrt alles; den Gedancken im Gedancken; und bildet sich wieder in allem, was das Auge erreichen kann, gewinnt er nur, um sich wieder ganz dafür hinzugeben. und so fühlt man sich frei und keck, in den höchsten Felßspizen in dem kühnsten Wasser608
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sturz, ja mit dem Vogel in der Luft; gleich wie man sich ängstlich fühlt in einer engen gedrückten Höhle pp – Im Winter fühlt man sich auch oft kalt und stumpf äuserlich man wird durch wenges Berührt und erweckt, die Gedancken graben heimlich und Unsichtbar in der Seele fort wie Die Arbeiter in einem Bergwercke, (indessen kann man an sich verzweiflen) wo sie Metal finden sammlen sie Schäze; plözlich bricht ein lichter Strahl in dem tiefsten Dunkel des Gemüths hervor, und mit ihm eine Fülle noch ungeahndeten Lebens. Hier, in dem Schloß ist in einem der Nebengebäude ein kleiner Hof, in der Mitte desselben steht ein | kleiner Springbrunnen, Perseus der die Medusa enthauptet in Erz, es ist von Peter Candid, es ist von einem Rasenplaz umgeben, ein Gang von Granitsäulen Getragen führt dahin, Meerweibgen von Thon und Muschlen gemacht halten große Becken in die sie ehmals Wasser spieen Moorenköpfe schauen aus der Mauer die Decke und Seiten sind mit Gemälden geziert die freilich schon zum Theil herunter gefallen sind – unter andern, Apoll der auf seinem Sonnen Wagen sich über die Wolken bäumt, und seine Schwester Luna im herunterfahren begrüßt, der Ort ist sehr einsamlich und öde, selten daß manchmal ein Hofbediente durchgeht, die Spazen hört man schreien und kleinen Eidexen und Wassermäusgen seh ich da oft zu, es ist hinter Hofcapell manchmal höre ich am Sonntag da auch das hohe Amt, oder die Vesper mit großem Orchester; Du must doch auch wissen, wo dein Kind ist, wenns recht treu und fleisig an Dich denckt. Adieu leb recht wohl, ich | ich glaub gewiß daß ich dieses Jahr zu Dir komme und vielleicht bald, Denck an mich, wenn Du Zeit hast so schreib mir, nur daß ich Dich so fort lieben Darf; mehrere von meinen Briefen müssen verlohren gegangen seyn, denn ich hab zum wenigsten 5 bis 6 mal geschrieben. Die Frau bitt ich, herzlich zu grüßen ich weiß nicht ob eine kleine Schachtel die ich ihr unter deiner Addresse schickte, verlohren gegangen ist. München d* 1 Februar Bettine meine Addresse ist Landshuth bei Savigny
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 13. Januar 1809, Freitag
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Alle Morgen um halber 8 auf, früstücke mit der Moy dann Clavier gespielt bis 11, vor lauter Hunger und Eifer eine Tasse Ciocalada getrunken kömmt Winter, wird gesungen bis halb 1 Uhr. Nach Tisch wird gestickt ein klein Halstichel für Fr: Bernhardi, läst sich Dir empfehlen, um 4 Uhr kömmt Herr Pop: wird Clavier gespielt bis 5 dann zu armen krancken ganz verlassnen Tieck selbst von seiner Schwester welche selten aus ihrem Zimmer geht, wegen vermeintlichen Krankheiten, bei Tieck wird gewöhnlich vor lauter Langer weile und Hize eine halbe Stunde geschlafen im Eck des Zimmers, er ist so Mismuthig daß einem alle Gedancken vergehen. Abends um halb 8 nach Hause, da wird noch geschrieben an Arnim oder Goethe. Die Moy ist so herzlich und guter Humor, seit ich wieder Da bin, das man nicht glauben sollte, auch war es damals, nicht ganz Miß laune, sondern mancherlei Klätschereien | die mir nun nach und Nach zu Ohren kommen. Die Borde werdet Ihr jezt bekommen haben, das sie dunkler ist hat nichts zu sagen sie wird bald sich durch Zeit und Schicksal, herab stimmen lassen. Stadion hab ich noch nicht gesehen auch bei Jacobi war ich noch nicht wieder, ich hab keine Zeit, denn einmal ist es mir Gesez geworden, meine Stunden nicht auszulassen, mit dem Singen geht es eifrig aber langsam, ich hab mir noch viel Mühe gegeben Dem Tieck hab ich aus Barmherzigkeit ein Paar Wollne Stiefel gekauft für 8 Gulden, das Postgeld hat gemacht 13 f: – nebst dem Trinckgeld, Schulden hatte ich 12 f: – an die Friedericke, für Wäsche hat sie – – 6 f: ausgegeben, für Sagon und Nudlen 2 f 28 x dem Tieck hab ich gekauft Blumenkohl für – – 24 x dann Wachs lichter und einen, für 〈〈x〉〉f 20 x Leuchter zusammen, nehmlich – kurz ich habe im Ganzen noch 3 fl: kann also Die Borden nicht bezahlen bis ich Geld habe, die Frau Borden macherin aber will ihr Geld haben, und ich werde noch wegen Euch in Schuld thurm gesteckt | werden. ich bin übrigens recht gesund, hab ausserordentlichen Apetit und sehe recht wohl aus. wenn Der Clemens ein gut Werck wollte verrichten so sollte 610
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er mir die Bairische Sommer Gesellschaft schicken, ich habe Tieck von dem Buch gesprochen um ihn zu erheitern, ich mögte es ihm gern ganz vorlesen und er könnte überzeugt seyn daß ich es recht sorgfältig und exackt wieder schicken würde, der arme Tieck ist so Melancholisch und steht so schrecklich viel aus. grüßt Tiedemann. Euer in einem sehr Würdigen Lebenswandel begrifnen Pudel An Herrn von Savigny im Jonerschen Hauße Landshuth
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Berlin, 15. und 16. Januar 1809, Sonntag und Montag
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Liebe Bettine! Ich komme eben aus einer Abendgesellschaft im Thiergarten bey Wolf, wo Humboldt mir erzählte, daß er Dich gesehen und daß Du eins der wunderbarsten Frauenzimmer und was denn so die Leute sagen, die ihre Erde nach allen Graden und Wendekreisen eingetheilt haben und können sich doch nicht gleich darauf zurecht finden. Seit den vier Briefen, die mich hier empfingen habe ich nichts von Dir gehört, so war es mir erquicklich einen zu finden, der dich gesehen, wenn er gleich nicht viel von Dir wuste und ich bin ihm dafür recht gut, seinem Buben wurd ichs ohnedies Du hast den Sohn doch gesehen? Er ist zu hohen Würden berufen, er soll Minister der Gelehrsamkeit und der Kirche werden, zweifelt aber noch, ob er es annehmen soll, ich würde nicht zweifeln, wenn es mir angeboten würde und doch muß es hart seyn das gewohnte freye Leben mit den Geschäften zu vertauschen; die Gewohnheit ist das Grausamste, nimt sie den Reitz von jener freyen Art so nimmt sie doch nicht das Beschwerliche des Wechsels, ein rechter Marder, der das Blut blos aussaugt und würgt ohne zu verzehren ganze Geschlechter. Und wer möchte glauben, daß ich mich über Gewohnheit beklage, der aller | Gewohnheit mit Extrapost ausgewichen bin und doch doch, hat doch jeder seine Art Tabackspfeife und wenn sie auch aus^gebrannt, raucht er 611
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noch daran in Gedanken. Du wirst vielleicht manches von hiesigen Parteyungen in der Zeitung gelesen haben, ist es auch nicht gerade so so ist doch das andre nicht viel besser, mit Steins nothgedrungener Entfernung ist die allgemeine Noth sehr gestiegen, weil die Hoffnung an ihm geankert war, diese bringt viel Dinge zur Sprache, die sonst nur geseufzt haben und die gedrängten Seelen nachdem sie alles übrige verloren, möchten endlich einmal sehen, ob es denn wirklich einen Gott giebt. Ich habe wirklich grosse Sehnsucht nach einem Briefe von Dir, daß Du vom Herkommen sprichst, ist liebreich; aber wenn ich jezt einen Brief von Dir hätte, so wär es sicher und ich möchte auf Jupiters Scepter nicht sitzen, wenn ich nicht auch darauf schlafen könnte und die Flügel sinken lassen.
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Nach einem Abend, wo ich mit der Pflugschaar über eine ausgebrannte Stadt meiner Entwürfe hin gefahren, denn wisse, sobald ich hier in diese | unseligen Mauern komme, ergreift mich eine Lust zum Einrichten des Staats, die sich auf alle Art anbaut und sich an jede Möglichkeit schwalbenartig anhängt, so hing ich auch mein Nest wieder an Humboldt machte mich zu seinem geheimen Sekretär endlich fand ich, daß mit dem allen noch nichts wär und da sank ich in die Leere, wie ein Seiltänzer, der von einem Thurm zum andern sein Seil gespannt zu haben glaubt und findet es ist nur ein Sonnenstrahl gewesen durch ein Thurmfenster. Nachts ärgerten mich lauter Canaljenträume; am Morgen fiel mir der Godwi in die Hände und ich wollte von Brentanos sämtlichen Arbeiten eine Recension für die Heidelberger machen um mir eine andre Zeit und ihm eine kleine Freude zu machen. Da kam dein Brief und rührte mich sehr tief, du wanderst also jezt einsam wie ich in der Welt umher, weh Dir, daß Du ein Mädchen bist! Weh uns, daß zu nichts mehr Zeit in der Welt ist, als rechtschaffen zu seyn und die Wahrheit zu sagen; es geht die Welt in Sprüngen und wer den Tackt nicht hält, auf seine Nase fällt, mag er kurios sich stellen, was hilfts in solchen Fällen, zum Zusehn fehlt die Zeit, die Welt ist gar zu weit, es geht die Welt in Sprüngen. Seit Gott nun genialisch, ist es die Welt nicht mehr, der Herr ists gar zu sehr, o aller Welt Specktackel, was macht er für Mirackel, und was wir Grosses thun lief ab von seinen Schuhn seit Gott nun genialisch. Die Welt wird gar zu müde, sie steht auf einmal still, was das bedeuten will? Nachdem so viel geschoren, so klingts ihr in den Ohren: lebst du noch alter Gott, so zeig dich ohne Spott? Die Welt des Spotts wird müde. 612
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Erlaub mir diese Reimerey zum Spas, es ist nicht ernsthafter gemeint, als alles was ich Dir sagen kann und ich fühle zu oft, daß meine beste Weisheit nur ein Tausch von Thorheiten war, es kam mir im ersten Augenblick ängstlich vor, daß Du da in München ganz allein bey einer Putzmacherin hausest, es kann sich aber leicht anders verhalten. Wo meine Briefe stecken, weiß ich nicht, ich habe viermal geschrieben, wovon Du mir nichts sagst unter andern lag ein Brief an Grimm darin, voll guten Willen und voller Freundschaft sind meine Feinde in München heimlich beschäftigt sie aufzufangen, habe ein wachsam Auge. Tieck rechne ich nicht dazu, ich bin ihm recht gut und seine Krankheit thut mir leid, Fichte liegt hier an der Gicht schon beynahe sechs Monat darnieder, fast blind und sehr unglücklich. Bernhardi must Du nicht nach dem, was Du von ihm hörst beurtheilen, er ist von der Frau schrecklich mißhandelt worden, er sollte sie im Namen des gesammten Publicums, das dazu keine Lust hatte, verehren, sie ist heimlich mit den Kindern entwichen und was für Unglück ließ sich für diese bey der kränklichen, thörigten Mutter erwarten, abgesehen von aller Rechtspraxis konnte er als verständiger braver Mann nicht anders handeln. Tiecks Frau sehe ich oft, sie wohnt mit ihren beyden Kindern bei Pistors und ist viel lustiger als sonst, Burgsdorf hat geheirathet. Da meine Briefe nicht angelandet, so muß ich wenigstens kurz den Inhalt wiederholen. Von Cassel reiste ich in strenger Kälte | in der mein Wagen Schottische pfiff bis Weimar zwey Tage. Den ersten Mittag empfing mich Göthe mit zwey Küssen, was ihm Gott segne mit zwey Küssen höherer Liebe, seine Lippen wie die Finger grosser Musiker haben eine eigenthümliche Rundung, Bildung und Beweglichkeit, so dann man schon darin sehen und fühlen kann wie er die Sprache wunderbar erregen und verbinden kann. Ueber meine Zeitung sagte er wiederholent so viel Schönes, eben so die andern, was mir besonders herzstärkend war, Voß erkannte er ganz genau. Wolf erzählte mir, daß er dem Voß, wenn er bey ihm gegessen, nie das Delikate präsentirt. Ich muste bey ihm vorlesen in einer Abendgesellschaft, ich fragte ihn, ob es nicht zu verliebt würde seyn; er antwortete: Wir sind alle verliebt; Da laß ich denn frisch los, erst gar beklommen, nachher gut. Er sagte nachher, es wäre alles, was es seyn sollte, es wäre gut. Den andern Tag las ich bey Frau von Wollzogen der schönen, was sage ich, schön ist ein Dreck dagegen, | der sehr angenehmen Princeß andre Dinge vor, und führte sie in den Wagen, sie sagte mir beym Abschiede, ich möchte bleiben, ich wäre ein Jahrhundert geblieben, hätte ich Geld gehabt. Den letzten 613
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Tag lernte ich Dalton kennen, entweder sehr verändert oder er hat sich 100 in Frankfurt besonders interessant machen wollen, jezt ist er gutmüthig, theilnehmend und voll Geschick für die Kunst, er hatte ein mir unvergeßliches Bild vor sich von Correggio, ein kleines Mädchen im Stufenalter zur Weiblichkeit, dem eine kluge Alte wahrsagt, eine andre horcht zu, das volle Kopfchen lachte so artig auf den schmal〈〈en〉〉 105 Schultern und die Haare hatten so einen angenehm〈〈en〉〉 Nachschuß unter sich, ich möchte dieses Lebensalter göttlich verehren, denn es ruht darin die Schöpfung des Lebens, mit lauter Schäferspielen es umzäunen, daß Trauer und Wildheit ihm erst begegnen könnten, wo es alle überwinden könnte. – Mahler Kügelchen hat ein Bild von Göthe 110 bossirt, davon ich Dir einen Gipsabguß bewahre, Göthe wünschte sehr Briefe von Dir, ich suchte Dich gegen ihn zu rechtfertigen, daß Du ihn nicht vergessen. Nun zu tausend malen leb wohl und grüß den alten Rattenfänger, den verliebten Winter, wenn er noch von mir weiß. Achim Arnim. 115 4v
An Fräulein Bettine Brentano zu Landshut in Bayern
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〈1r alR:〉 Meine Adresse ist nicht Quartier N 4, sondern Viereck N 4
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 18. Januar 1809, Mittwoch
Ja beinah hätte ich vor lauter Geschäfte vergessen, Dir auf deine Briefe zu Antworten ich hab meinen Tag so mit Musick besezt, daß ich gegen Abend immer so müde bin immer die Correspondenz auf den andern Tag zu verschieben, Winter Der alte Eisbaer kommt alle Morgen richtig 2 Stunden, wo ich nichts wie Scala und alte Lamentationen singe, nach her Spiel ich gewiß noch 2 Stunde Clavier auch mancherlei seze ich auf Noten, Tieck ist jezt sehr kranck an der Gicht, da hab ich denn gewohnlich den Abend bei ihm zugebracht; und so geht der Tag schnell 614
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herum oft dencke ich bei mir selber, daß es gewiß bei dem ernsten Lernen geht, und bei meinem Enthusiasmus mehr als was gewöhnliches aus meiner Stimme werden soll. wenns wahr wird, so ist eine meiner höchsten Freuden dabei, dich zu überraschen und ergözen, Rumohr ist wieder hier, er kömmt oft zu mir und | führt mich zuweilen meiner Gesund wegen spazieren, über die kalte Iserbrücken an das hohe Ufer wie man es hier nent es ist so hoch daß Du mit einem tüchtigen Sprung drüber weg sezen könntest. Rumohr ist mir hier lieber geworden, und zwar deswegen weil er mehrmal mit edler Sorgfalt, in einer Gesellschaft, wo Menschen die dich nicht verstehen und von Dir sprachen deine Partie ergriffen hat. er ist noch immer eingedenck der herzlichen Umarmung von dir beym Abschied in Köllen, es geht ihm hierin wie mir so ein Zeigen, ein unwillkührliches von Herzlichkeit rührt mich tief, Du hast dieß sehr in deiner Natur und wenn Du auch von tausend abwendenten zerstreiten Dingen umgeben wärest, Du würdest Deiner Freunde nicht vergessen. der Alte Winter hat eine Kristkindges Krippe, da muß ich ihm den ganzen Tag wo ich eine Minute Zeit Kleider für die Könige und Engel mit Perlen und Gold sticken, das Ding | amüsiert mich, wenn Du hier wärest könntest Du mir Neue Modelle erfinden, oder was dabei vorlesen, ja wenn Du hier wärst – das hab ich schon hundert mal gedacht. da gingen wir zwei in dem kalten Winter spazieren und streckten uns recht um die spizen der Alpen zu sehen, nach denen ich wahrlich oft mit Sehnsucht hin blicke, ach wenn es erst grün wird, und die Zeiten kommen wieder wo wir im Rheingau und schlangenbad wieder, dann befallt mich gewiß das alte Leben wieder und macht mich traurig, so wie einem eine Ahndung von der vorjährigen Krankheit befallt bis dahin will ich es noch aushalten Dich nicht wieder zu sehn, aber dann weiß ich daß ich dich plagen werde oder gewiß werde ich traurig. Adieu machs nicht wie ich, sondern schreib mir recht viel und bald, so lieb hab ich dich doch gewiß, so sehr lieb daß ich recht lang und oft in Gedancken mit Dir spreche. Dein treues Kind Bettine An Herrn Baron Achim von Arnim bei Frau von Labes Quartier No 4 Berlin
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*501. Von Friedrich Carl von Savigny nach München Landshut, vmtl. 27. Januar 1809, Freitag B an Friedrich Carl von Savigny, 28. Januar 1809:
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hab ich erst deinen Brief erhalten (Nr. 502,1).
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 28. Januar 1809, Sonnabend
Lieber Alter! heute Morgen im Bett hab ich erst deinen Brief erhalten, die Wege von Lands hut sind so schlecht das die Posten nicht mehr ordentlich ankommen, bei Jacobi war ich vor zwei Tagen, er gab mir sehr trocken zur Antwort daß der Minister ihm noch keine Antwort gegeben habe, und daß er ihn auch nicht so grad heraus fragen könne ich gehe beinah nie aus, ich hab den ganzen Tag mit Stunden besezt, ich führe recht ein Leben, wie es mir behagt, ich habe mir allen Besuch verbeten, damit ich nicht in meinen Lehrstunden gestört werde, bei Winter singe ich zwei Stunden, er hat noch keinen Tag verfehlt, der Gundel sage daß sich meine Stimme ganz ändert, sie bekömmt viel mehr Discant, zu Tieck gehe ich alle Abend von 3 bis 7 und enuire mich herzlich, die zwei Geschwister sind so sonderbar gegeneinander, das es kaum zu glauben ist, ich zanke mich oft mit ihm weil ich ihn gern bessern mögte. wenn er wieder gesund ist, so gehe ich gar nicht mehr aus. Die Moy ist so ganz freundlich und gut gegen mich, das es mir eine Freude ist, bei ihr den Abend zu zu bringen einmal war ich mit ihr auf der Academie. Adieu grüße den Clemens viel mal. Bettine An Herrn Baron von Savigny abzugeben im Jonerischen Hauße in Landshuth
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 29. Januar 1809, Sonntag
München 29 Januar Es war freilich unrecht von mir lieber Arnim daß ich dir keinen nähren Bericht über meinen hiesigen Aufenthalt gegeben, indessen mögte ich dir doch Die Bemerkung machen daß Deine Ängstlichkeit auch nicht am rechten Plaz ist, so leicht es mir auch wiederfährt, etwas in der unschuldigsten Absicht zu thun oder zu sagen, worüber die Leute sich aufhalten, so wenig würde ich doch etwas thun was gründlich leichtfertig wäre; die Frau bei welcher ich wohne ist eine alte Freundin unsers Haußes, besonders war sie es von meiner Schwester Sophie; sie genießt hier die algemeine Achtung, besonders die Der Königin, welche sie oft als eine fromme rechtschafne Frau gelobt hat auch ihre Besuche bei öffentlichen Gelegenheiten annimt, sie ist eigentlich nicht von dem Stand, welchen sie hat, denn ihr Mann ist von dem ersten Französischen Adel und nur durch Noth gezwungen; selbst in seinem Waarenlaager wenn er verkauft genießt er einer ausgezeigneten Achtung Du kanst auch überzeigt daß Savigny und Gunda meinen Aufenthalt bei ihr nie zugegeben hätten wenn es für mich Nachtheilich oder zweideutig wäre; also sey beruhigt. – jezt; warum ich dir nicht geschrieben habe, glaubst Du wohl, daß es vor lauter Arbeit ist; ja, ich mache den ganzen Tag so viel Musick, daß ich Abends immer so Müde und Faul bin die Briefe auf den andern Tag zu verschieben, indessen will dieß nichts entschuldigen denn wenn es so herrliches Wetter ist, wie seit einigen Tagen, daß die Sonnenstrahlen bis Späth, durch alle Winckel dringen und die Spazen Frühlingsgezwitscher halten, so laß ich alles stehen und liegen, lauf spazieren gestern war ich von Morgens 9 Uhr bis Abends 5 vor der Stadt. man profezeit auf dieses wunderbare Wetter ein Erdbeben, auch ist in allen Journalen angekündigt daß der Mond den nächsten Donerstag auf die Erde fallen solle ich wünschte doch vor allen Dingen daß ich mit allen meinen Geschwistern und Freunden besonders mit Dir auf einem Fleck wäre, wenn es wahr werden sollte, damit ich mit Euch zugleich meine Hütte im Mond aushöhlen könnte. – mit Tieck und der Bernhardi geht es mir seltsam wie ganz eigen kann man sich doch über Menschen Täuschen je mehr ich ihn kennen lerne je mehr fühl ich daß er nicht eine Spuhr von dem in sich trägt was ich in ihm schäzte nicht daß ich ihn weniger vortreflich halte, aber seine ganze Natur ist mit der meinigen in gar keiner Berührung 617
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wenn ich bei Dir wäre so würde ich dir viel darüber sagen, allein dem Papier mag ich etwas nicht anvertrauen was durch Schicksal könnte zum Schaden für ihn werden | ich besuche ihn alle Abend, mehr aus Menschlichkeit als aus Neigung, es ist immer so heiß bei ihm wegen seiner Kranckheit, das es meine Gesundheit beinah angreifen könnte, es bildet gewöhnlich ganz unwillkührlich ein Gespräch zwischen beiden, eine Critick die sehr oft in Lästerung manches Guten ja meinem Gefühl nach des besseren als sie selbst sind, ausartet. so kömmt es denn das ich manchen Abend ernsthaft mit ihm zancke, mit ihm denn er ist es werth daß man zum wenigsten sucht ihn auf das bessere zu bringen, mit ihr gebe ich mir die Mühe gar nicht. übrigens sind sie gegeneinander grade wie die Kinder die sich um Aepfel und Nüße zancken. Zu Jacobi gehe ich gar nicht mehr – höchstens wenn ich eine Comission von Savigny habe, er ist so Dünn im ganzen Wesen wie eine Oblate, und dann erkühnt er sich bald über dieß, bald über jenes von Goethe, sich aufzuhalten. er hat das, was Voss ins Morgenblatt schrieb, recht wizig gefunden der Dumme Esel. Rumohr bewährt sich recht in einem treuen tüchtigen Wesen, er kömmt alle 3 bis 4 Tage um mit mir über der Welt Händel zu raisonieren, den Grafen Stadion den Du vielleicht | von Wien aus kennst, der ein alter Freund von meiner Mutter ist, besucht mich auch zuweilen übrigens bin ich ganz einsam. Beinah auf allen Seiten von München sieht man das Vorgebierge von Tyrol, wenn ich zuweilen Spazieren gehe, so erregen mir diese oft eine Sehnsucht die kaum bezwingbar ist. nur der alte Winter mit dem Gesang kann sie etwas dämpfen. Du sagst es mit so vieler Wärme mit so vieler Liebe daß Göethe Dich zwei mal geküßt hat, ach ich weiß es wohl das nichts wohler thut als seine unendlich lebendige Milde und Freundlichkeit, noch hab ich keinen Brief an ihn abgefertigt, aber hab schon viel an ihn geschrieben wenn ich ein Buch von ihm in die Hand nehme, wenn ich ihm schreiben will, oder von ihm Spreche, so geschieht es selten ohne eine so tiefe Rührung daß ich mich ihr nicht überlassen darf. Leb wohl, deinen vergnügten Aufenthalt in Weimar gönne ich dir 3fach, nur hätte ich, wie damals auch dabei seyn müssen, Du ließt den schönsten Prinzessen vor nimst zärtlichen Abschied, last dir die freundlichsten Dinge sagen, und Ich – freilich unterhalte ich mich auch mit Prinzen im Concert, und auf der maskierten Academie, aber es will keinen so großen Eindruck auf mich machen. Bettine 618
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noch ganz eigens auf dieß Blatt schreib ich dir einen liebes gruß, emfehle dir mein warmes Herz; bitte dich auch es stehts warm zu halten Arnim lass die Welt biegen oder brechen, bleib mir nur gut; Um deintwillen lern ich auch mit, so eifrig singen, wenn ich einmal dazu kommen könnte dir wie andre mit meiner Stimme das Herz zu rühren Bettine
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An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei Fr: v: Labes Viereck N 4 in Berlin
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Von Christiane von Goethe nach Landshut Weimar, 30. Januar 1809, Montag
Meine liebe Freundin, empfangen Sie meinen Dank, für die schönen Geschenke, welche ich von Ihnen erhalten habe, es hat mich auserordentlich gefreut, weil ich daraus ersah, daß Sie würklich noch meiner gedenken. Ich war acht Wochen in Frankfurt, und die gute Meline, wie auch Marie, und alle übrige Freunde haben mir viel gutes erzeigt, doch habe ich Ihre Gegenwart sehr vermißt, denn in diesen traurigen Tagen, wünschte ich mir sehr eine herzliche und theilnehmende Freundin, die mit mir dies alles empfunden hätte. Sie machen mir Hoffnung uns zu besuchen, der Geheimerath und ich sehen diesen schönen Tagen mit Freude entgegen, nur wünschen wir, daß es bald geschehe, da der Geheimerath wahrscheinlich in der mitte May wieder nach Carlsbad | gehen wird, ich aber denke bis Ende Juny in Weimar zu bleiben. Goethe befindet sich diesen Winter auserordentlich wohl welches er doch der heilsamen Quelle zu danken hat. Bey meiner Zurückkunft kam er mir ordentlich jünger vor, und gestern weil große Cour an unserm Hoff war, sah ich ihn zum erstenmal mit seinen Orden und Bändern geschmückt, er sah ganz herrlich und stattlich aus, ich kann ihn gar nicht genug bewundern, mein erster Wunsch war, wenn ihn doch die gute Mutter noch so gesehen hätte, er lachte über meine große Freude. Wir sprechen viel von Ihnen, er trug mir auf Sie herzlich zu grüßen so wie auch den Hr. von Savigni und seine Frau, 619
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Nr. 504
unsere beiden Wünsche sind Sie alle bald bey uns zu sehen, dieses mal aber müssen Sie sich gefallen lassen, bey mir zu Logieren, ich will es Ihnen so bequem machen als ich kann. Leben Sie wohl und denken mein. C v Goethe. 2v
An Demoiselle Bettine Brentano bey H* von Savigni in Graf Joners Hause franc. Coburg Landshut
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 31. Januar 1809, Dienstag
Ich weiß nicht ob mein Brief so bald zu Euch gelangen wird da eine große Überschwemmung bei Freisingen seyn soll, ich werde also nichts hierzu schreiben weil es überflüssig seyn könnte, und warte bis es schön Wetter ist, ich dancke für die Mittheilung der Briefe, es scheint Ihr habt zwei von meinen Briefen nicht bekommen. Heute Nacht hat man hier das End der Welt erwartet, der Wind hat unsere Fenster geöfnet und die Bestel aus dem Bett gejagt großer Schreck; – Tieck kann immer noch nicht ausgehen, ist über die Maasen langweilig die Bernhardi hat sich bei D’alarmi nach dem Termin der Zahlung erkundigt. Der Preis von Cafee das £ 216, Zucker das £ 22 Bazen. Gestern war ich mit Rumohr im Tiergarten sind mir weise und Braune Hirsche nach gelaufen. Bin recht wohl geh gar nicht mehr aus, besonders nicht zu Jacobi, sie haben Wize auf mich gemacht, z: B: Betine Betise, auch über Gundel haben sie sehr raisoniert. Bettine An Herrn Baron von Savigny abzugeben im Graf Jonerischen Hause Landshut
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, Anfang Februar 1809
schickt mir Geld für den Schreiner, der Clemens soll schreiben dem Goethe hab ich einen langen Brief von 9 Quart seiten geschrieben. Moy grüßt Euch sie befindet sich sehr wohl und guten Humors. Rumohr grüßt auch alle, er ist g〈〈anz au〉〉sserordentlich gutmüthig und freundschaftlich geg〈〈en xxx〉〉 So eben hab ich in Gedancken das Tinten faß, stadt dem Sandfaß auf den Brief geschüttet, nehmts nur nicht für den Arm eines Moren der aus dem Brief reicht besonders wenn Gundel in andern Umständen ist, soll sie sich in Acht nehmen daß ihr Kind nicht mit einem Schwarzen Arm auf die Welt kommt. Den Tidemann und Sailer von mir gegrüßt. wenn doch Savigny ein gutes Buch über die Mytologie hatte recht ausführlich, ich bin wenn ich nicht Musick mache den ganzen Tag hinter dem lesen, dann wollt ich, ihr schicktet mir den Plutarch, den großen Band, und Tucidides von Max Jacobi, beide Bücher liegen im Kasten in dem Zimmer worin der Schranck steht. und auch den Euripides.
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An Herrn Baron von Savigny abzugb: Jonerischen Hause. in Landshuth
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wenn Sailer die Volkslieder gelesen hat, so schickt mir sie denn ich habs noch nicht gelesen
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Berlin, 3. Februar 1809, Freitag
Berlin d* 3. Feb 9. Liebe Bettine! Du scheinst in München angenehm beschäftigt, ich erhielt deinen Brief vom achtzehnten Januar, du lebst in Musick und die Musick lebt in dir, daß es euch beyden wohl zusammengehe und daß ihr immer zusammenbleiben mögt, traulich und zart. Mir wird Musick 621
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Nr. 507
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hier selten, viele der Besten sind fort, Righinis Tedeum, das er zur Ankunftfeyer des Königs komponirt hat, war ein neues Ereigniß, die Proben waren in diesen Tagen. Ich wollte, daß es so angenehm dem Trommelfell in den Ohren als es nachgiebig dem Paukenfell ist, die ein furchtbares Wesen darin treiben; sowie die Menge schneller Sätze dem Ganzen mehr den Ton eines kriegerisch ernsten Opernstücks geben als einer Kirchenmusick. Die hiesige Singakademie ist darüber sehr aufgebracht, sie hatten schon Hendels Tedeum einstudirt und musten nun aus Gefälligkeit gegen Righini seine Arbeit ausführen. Du kennst schon meine Art Musick^freude, es ist mir nichts thörigter, als sich über irgend eine zu ärgern, denn die Schleteste ist noch besser als keine, auch finde ich zu seiner Rechtfertigung, daß in jeziger Zeit, wo Kirchenmusicken nur von so wenigen gehört werden, eine solche Gelegenheitsmusick den Character dessen tragen muß, was in musikalischer Hinsicht am allgemeinsten ergriffen hat also von allen verstanden wird. | wie die Oper, nur sollten sie lieber die ganze Festlichkeit im Opernhause geben. In den Proben sangen zwey Princessinnen, die Oranien und Hessen mit, das Chor ist etwa zwey hundert stark, die Geigen siebzig, u.s.w. Du kannst dir denken, daß ziemliche Effekte herauskommen müssen, selbst wenn die Musick nicht ausgezeichnet wäre, wo man über so viel Masse zu gebieten hat. Die Probe war in dem Rittersaale auf dem Schlosse, ich sah ihn zum erstenmal wieder seit der Vermählungsfeyer unsres Königs, der ich da als Kind beywohnte mit kühner Sicherheit auf mein Land, als ich mich in den leeren Durchgängen bey den Bildern aufhielt, die uns die Franzosen übrig gelassen, da meinte ich ordentlich ich sehe die Züge wiederkommen und stellte mich in Ordnung, wenn die Augen der hohen Häupter etwa auf mich sich hinwendeten. Indem ich mich aber so stellte, merkte ich, daß mir das Knie, worauf ich gefallen, wieder weh that, es ist fatal, wenn ein Mensch ganz gesund lebte müste er nach Gefallen innerhalb oder ausserhalb der Welt leben können. Es war aber eine recht schöne Welt hier innerhalb versammelt, wie das alles heranwächst, das liebe Unkraut! | Hast Du wohl Himmels Musick zu zwanzig Liedern aus dem Wunderhorn? Wenn ich sie bekomme leg ich sie bey, ich muß so ein Paket an Dich absenden, ein Auftrag von Tiecks Frau an mich, um dessen Ausrichtung ich dich bitten muß. Du hast wohl die Güte das gerichtliche Instrument und den Brief ihm zu übergeben und ihn anzuhalten, daß er es gleich unterschreibt und hieher an Pistors oder Albertis zurückschickt, sie hat mich um die Besorgung gebeten, weil sie von ihm durchaus keine Nachricht erhält, und 622
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dieses Instrument ihrer Mutter jezt sehr wichtig ist. Sie bat mich noch um recht ausführliche Nachricht von Tiecks Gesundheit, sie hat ihm manches zu schreiben, das ihn afficieren könnte und was sie ihm bis zu seiner Herstellung aufspart, weil schon einmal seine Gicht durch Gemüthsbewegung in eine Nervenkrankheit übergegangen ist.
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Doch weg mit Geschäften, die liebe Sonne scheint wieder warm in mein Zimmer, manches Gras ist unter dem Schnee noch grün geblieben und die rieselnden Bäche, die ungeduldig das Land durch^brechen und mit allen Tönen sich in den Fluß drängen und die Kriegsnachrichten | aus Oesterreich, aus Spanien und eigne Sorge und eigne Lust es ist ein gewaltiges Orchester und alle Stimmen statt einander zu helfen, mit einander im Wettlaufe, wer zuerst aus seyn wird. Buri hat ein Paar sehr nachdenkliche Bilder gemacht, eins ist die Churprinzessin von Hessen, wie in einem Garten von Schlangenkraut und jede Windung endigt sich mit einem furchtbaren Insektenkopf sie sind aber ganz leise in dunklem Grüngrau nur angedeutet. ein andres, worauf sie mit ihrem Kinde und die Princeß von Oranien vorgestellt sind wie sie im Botanischen Garten unter einem Palmbaum stehen, während ein drohendes Gewitter den Hintergrund Berlin furchtbar erleuchtet. Wenn bey euch ein Gewitter aufzieht such den Palmbaum auf. Rumor viel Grüsse es wird noch jezt jedermann im Westphälischen angehalten, der ihm ähnlich ist. – Von Clemens habe ich lange keine Nachricht, als durch dich. – Herzlich Dein Achim Arnim
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, zwischen 5. und 8. Februar 1809, Sonntag und Mittwoch
Nun Ihr Maulaffen, antwortet mir nicht; bin ich keiner responsa würdig? – Moriz Bethmann ist vor 10 bis 12 Tagen hier Durch, ich hab ihn aber nicht gesehen wahrscheinlich wuste er nicht daß ich hier bin, auch Clemens schreibt mir nicht ob er ein Logis haben will; der Schreiner turmentirt mich um sein Geld; ich bin jezt so sehr ins Spahren ge623
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kommen, daß ich einen Trompeter der hier ein Concert gab, und nach Aussage aller Künstler ganz vortreflich bläst, nicht gehört habe, es noch obendrein kein fleischerner Mensch, sondern eine Lumpenseele, mit einem Lumpen Leib, und einem Trompeter Genie in mitten, ein sogenanter Automate; lieber Savigny, ich weiß gar nicht wie ich es mit Jacobi verschorzen habe, er hat mehrere öffentliche Beweise abgelegt daß er mich nicht leiden kann, ich hab doch durchaus nichts gethan was ihn hätte beleidigen können auser daß ich sehr selten zu ihm ging, und zwar weil ich keine Zeit mehr habe, es ist doch gewiß wegen meiner Vertraulichkeit mit Arnim und wegen seiner, mit seinen Schwestern oder desswegen weil ich einmal vor Ihm sagte, daß derjenige welcher Goethe über seinen persönlichen Carackter tadelte, ein Neidhammel und VerdienstMangel sey. kurz ich weiß, daß er öffentlich gesagt hat, es freue | ihn sehr, er dancke Gott daß ich ihn mit meinen Besuchen nicht mehr belästige, er will mich stürzen, er will mich stürzen, dieser Genie verachtende Gottlose Alcide er wälzt Berge auf Berge und wirft Felsstücke nach meinem Ruhm, es würde ihm vielleicht auch gelingen wenn er schon Männliche Kräfte besäße, allein Apoll erlegte ihn noch ehe er einen Bart hatte, und dies ist nur sein Schatten. Nun Ihr Gott vergeßnen, bald ist Ostern, da wird ein neuer Lebens wandel eingeschlagen, da wird hübsch tugendhaft und Sitsam gelebt da wird nicht mehr gelogen; ich hab unlängst bei Tieck um die daselbst herrschende Langeweile zu verjagen einen ganzen Sack voll politischer Neuigkeiten erlogen, unglücklicher weise kam Graf Stadion und demolirte mir meine ganze Festung, also giebts kein Krieg meine Liebe Gundel, und dein Unruhspürzel muß in Landshut sizen Bleiben. schreibt mir doch etwas über Cristian. Du würdest dich verwundern Gundel wenn Du mich jezt singen hörtest, obschon es nur ein Monat ist, hatt sich meine ganz verändert grüßt die Kinder Bettine
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*509. Von Clemens Brentano nach München Landshut, zwischen 5. und 9. Februar 1809, Sonntag und Donnerstag B an Ludwig Achim von Arnim, 10. Februar 1809:
Clemens schreibt mir daß er herkommen werde ich soll ihm ein Quartier ausmachen
(Nr. 512,21-22).
*510. Von Friedrich Carl von Savigny nach München Landshut, zwischen 6. und 9. Februar 1809, Montag und Donnerstag B an Ludwig Achim von Arnim, 10. Februar 1809: Savigny schreibt, daß Auguste einpackt um nach Franckfurth zu gehen (Nr. 512,23-24).
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 9. Februar 1809, Donnerstag
Du bist ein kurioser Kerle, weil Du behauptest, ich schrieb nicht hab ich dir nicht bei Zurücksendung der Briefe einen Rechnungsformigen Bericht über meine Thun und lassen abgelegt und hab ich eine einzige Zeile Antwort darauf erhalten?, nun will ich doch so gut seyn, mehre interesante Nachrichten Euch mitzutheilen. Ich – hab mich mahlen lassen in Miniatur um dem Arnim eine Freude zu machen von einem jungen Menschen der wirklich recht schöne Portraits gemacht hat; meines ist auch ganz gut gerathen, bis auf das Kinn; welches etwas zu lang, der Mund auch nicht gut; – ich würde es Euch zum betrachten schicken wenn ich nicht fürchten müßte Ihr behieltet es zu lange; da muß ich nun natürlich in meinen Beutel steigen und in dem selben ist nichts, ich kriege also ganz mühsam wieder heraus, (denn er ist ganz glatt und nicht etwas um wieder dran heraus zu Klettern, also daß ich beinah Gefahr laufe in dem Dunklen Loch ewig sizen zu bleiben) und bitte Euch recht sehr mir etwas Beistand zu Gewähren; ich versichere Dich, Gundel, daß ich im übrigen auserst Oeconomisch verfahre, daß ich mir alles versage, ja 625
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selbst das Vergnügen in ein Concert zu gehen, blos um zu spahren | nur dem Herrn Popp hab ich zu seinem Geburtstag eine schöne färbige Weste gekauft, für 8 fl: es ist ein gar ehrlicher alter Mann und die Weste steht ihm gut, er kommt alle Tage mir lection im Clavier geben, dann hab ich auch dem Grimm eine Weste zum Neu jahr gekauft, für 3 f 30: um ihm ein Plaisir zu machen; mir aber hab ich auch nicht einmal eine Weste gekauft. ich befinde mich ganz wohl und werde nach der Aussage aller Menschen dicker, ich esse alle Tage sago Suppe auf meine Kosten, macht alle 6 wochen 30 x dann hab ich auch zu meiner Stärkung eine Bouteille Madera getrunken für 4 fl: da hat aber Rumohr zu weilen geholfen während dem schönen Wetter bin ich alle Morgen mit der Friederike spaziern gegangen dann hab ich Clavier gespielt, von 11 Uhr bis halb 1 kommt Winter, meine Stimme erweitert sich sehr so wohl in die Höhe als in die Tiefe, er studiert mir jezt die Proserpina ein, Morgens wird imer noch lauter Solfege gesungen, Abends | kommt er auch, von halb 7ben bis 8 Uhr, er hat einen Accord mit mir gemacht, für 12 Billets 11 f: es ist nicht zu theuer, allein da ich 2 Stunden nehme kömmt es den Monat auf 44 f: indessen lerne ich wirklich viel; und muß da ich nicht ewig hier bleib die Zeit so viel möglich benuzen ich werde bei Gelegenheit hoffentlich wieder Spahren was es mich jezt kostet. Der Brief aus Weimar ist nicht von Goethe sondern von seiner Frau sie ladet mich dringend ein von seiten des Alten zu ihnen zu kommen und ja recht bald weil er in Mitte May wieder nach Carlsbad gehe, ich soll so gut bei ihr logieren als sie es einrichten könne, und auch Ihr, wenn ihr hinkomt. Sie schreibt es sey sein herzlicher Wunsch wie auch ihrer uns alle bald wieder zu sehen. es freut mich ungemein von dem Goethe daß er Euch auch so lieb gewonnen hat; wenn ich nun nicht fühlte daß ich hier was lerne und wenn Musick | nicht eine eingewurzelte tiefe leidenschaft von mir wäre, wenn ich auch nicht hoffte selbst dem Goethe (der doch unsichtbarer Weise das leben meines Lebens ist,) ein mal mit meinem Gesang das Herz zu rühren, so würde ich jezt keine Ruhe haben, ja ich würde verzweiflen vor Sehnsucht, anstadt das mir jezt die Zukunft in welcher ich unendlich viel Genuß zum voraus sehen das Herz sehr erfrischt. Du, lieber Savigny bist doch Mittelbar und Unmittelbar, an unendlich vielem guten für mich Schuld. zu Tieck gehe ich gewöhnlich noch alle Tage von 3 bis halbs 7ben, er kann noch nicht ausgehen, über diese Familie ließ sich viel sprechen, was ich dem Papier nicht anvertrauen mag, es ist unendlich schwehr besonders als 626
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Autor, seinen Charackter edel und ohne intrigen zu behaupten Goethe wird mir alle Tage Schäzbarer, je mehr ich die verschiednen kleinen Triebfedern erkenne, mit welchen andre ihren Ruhm zusammen halten, von den Jacobis hab ich durch eine dritte Person vernommen daß sie, wie Flegel auf | Schlegel, so Bêtise auf Betine gereimt haben auch über Gundel sollen sie raisonniert haben ich glaube, nicht er, sondern die beiden Schwestern. Grim sieht sich nach einem Quartier für Clemens um, ich wollte, er fände eins er hat mir gestern von Hesse die Abdrücke von Dürrers Zeichnungen für Savigny gebracht sie sind vollständig, und mehr wie meine, was soll ich damit machen; das Bübgen mögte ich allerdings einmal wiedersehen, ich habs ausserordentlich lieb, auch den Pouletter. Adieu Bettine Goethe soll viel jünger und schöner geworden seyn. vielleicht den Sommer im Carlsbad – nicht lieber Savigny?? wenn wir nach Bucowan reißen? – gebt mir doch Nachricht von Cristian – ich war mit Rumohr im Thiergarten spazieren da hab ich den Hirschen Brod gegeben, da hätten sie mich bald aufgefressen. An Frau von Savigny abzugeben im Graf Jonerischen Hauße Landshuth
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 10. Februar 1809, Freitag
Lieber Arnim! Eine Uberraschung hab ich dir machen wollen, aber nun kann ich nicht schweigen; ich habe mich in Miniatur für Dich mahlen lassen, ich werde es mit nächstem Postwagen schicken; beinah würde es gleichend seyn, eine starcke Erinnerung an meine Züge ist es immer; bedenck nur daß es ein eifriger Wunsch von mir ist Du mögtest Dich meiner recht oft erinnern; es geht mir ein Tag hin wie der andre, ich sehe niemand auser dem alten Winter der jezt alle Tage zweimal zu mir kömmt, er weiß von Dir gar nichts mehr, hat mir aber selbst gesagt daß er heftig in die Crassini verliebt war. Grimm läßt Dich vielmals 627
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grüßen so auch Rumohr, mit diesem bin ich während dem schönen Wetter oft spazieren gegangen, einmal war ich mit ihm im Tiergarten und haben die Hirsche gefüttert mit Brod, da waren zwei weise und zwei braune die unter den vielen andern ganz zahm waren, sie liefen mit Uns bis ans End vom Parck wollten immer gestreichelt seyn, ich dachte recht an Dich, da Du im Rheingau die Geißen so lieb hattest, wie viel mehr, diese schöne Hirsche. mit Clemens und seiner Frau will es nimmer Ruh geben alle Elemente sind in stehter Regung bei ihnen, sie Speien Feuer vor Zorn alle Tage giebt es Überschwemmungen von Trähnen | sie stossen ganze Windstöße und Stürme von Verwünschungen aus, so daß sich die Erde ihrer erbarmen mögte, allem Anschein nach wird sich die Haußhaltung in kurzem auflösen Clemens schreibt mir daß er herkommen werde ich soll ihm ein Quartier ausmachen, und Savigny schreibt, daß Auguste einpackt um nach Franckfurth zu gehen, wenn Clemens kommt so lerne ich Spanisch mit ihm. Alter ich bin wirklich recht fleisig du hättest deine Freude an mir wenn Du hier wärst, ich bitte auch Gott alle Tage um seinen Segen, daß mein Eifer gedeihen möge. wenn Du hier wärst ich hätte dir gar viel zu sagen; wie hat sich Goethes gerechtes recht tief eindringendes Gemüth, auch wiederum bei dir bewiesen, es hat mir den herrlichsten Triumpf heimlich gegeben, denn ich habs dem Tieck nicht gesagt, ich habs keinem Menschen gesagt, denn Sie verstehen alle nicht wie Er, das beste, auch selbst in der sonderbarsten Hülle, und verstehen ihn selber nicht, oder müssen die eigne Schwachheit an ihm ableiten, ach lieber Arnim wie traurig ist einem das, wenn | man sieht daß das worauf man baute, bei einem Menschen, worauf man Glauben und Treue hergab; am Ende nur so »altes aufgesammeltes Wesen« ist. Tieck dauert mich sehr, er ist immer noch Kranck, und sieht sehr elend aus. ich gehe alle Tage noch 1½ Stunden hin von 5 bis halb 7, er hat gewöhnlich ein paar schlechte Romane aus der Lesebiblioth. auf dem Tisch liegen (weil ihn gute Bücher zu sehr angreifen) woraus ich ihm zuweilen ein Stück vorlese wenns nicht gar zu langweilig ist. – Goethes Frau hat mir geschrieben, einen recht freundlichen Brief, er läst mich einladen zu ihm zu kommen und bei ihm zu wohnen; bis in Mitte Mays wo er wieder nach Carlsbad geht, wenn ich nun mich unterbrechen dürfte im Lernen, so würde die arme Seele keine Ruhe haben. ich weiß nicht ob ich dir geschrieben habe, daß ich die Copie, von einem Portrait Dürrers im 28ten jahr seines Alters von ihm selbst gemahlt, gekauft habe, schon lang, ich hatte es eigentlich bestimmt um es Goethe zu geben, aber nun ist diese 628
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Copie so sehr schön und das Bild mir selbst so lieb geworden daß ich mich nicht leicht davon Trennen | kann, ich hab mir vorgenommen, es zu behalten bis ich ihn selbst sehe, denn ich halte es für Sünde da es ihm einmal bestimmt war, es ihm nun vor zu enthalten, oder wollen Wir beide Du und Ich es ihm zusammen geben? – Denn im Grund mögt ich es dir auch geben und auch wieder für mich behalten; es könnte ja recht gut kommen daß wir uns in Weimar wieder treffen, wie damals, das Bild ist auch von dem Jungen Eb, copiert, aber besser wie das, was du bei Wallenberg von ihm gesehen hast; nun ja daß könnte wohl wieder so kommen daß wir beide mit einander bei Goethe wären in einer Kutsche führen pp: halt dich doch Gesund arbeit gegen alle böse Streiche die das Schicksal mir spielen könnte, besonders bleib mir ja gut, vor allen andern das gut seyn ist so eine Sache, lieber Arnim, ich leg mich Abends oft zu deinen Füsen und schlafe ein, in voller Zuversicht daß Du in meiner Nähe bist. hier in der Residenz ist ein einsamer abgelegner Hof, in den ich oft gehe, es steht ein Springbrunnen in der Mitte, die Staduen sind von Peter Candid in Erz gegossen, stellen vor Perseuß der der Medusa das | Haupt abgeschlagen hat, auf ihrem Leib steht unter einem Bogengang auf der einen seite ist eine WasserGrotte von Muschlen, Meerweibgen von lauter Muschlen die ehmals Wasser spieen lehnen an der Mauer viele Corallen und Seekräuter wachsen aus den Felsen große Schnecken kriegen dran hinauf Mohren mit Perlen und Edelsteine geziert halten hoch das bairische Wapen, rechts vor dem Hof, liegt ein großer Stein an Ketten den vor vielen Jahren ein bairischer Prinz nach dem Ziel geworfen, es scheint jezt nicht möglich ihn nur vom Fleck zu bringen, der Hof ist eingeschlossen von der rückseite der Kirche. er ist mir ein Lieblingsplaz, ich werde im Frühjahr öfter hingehen besonders am Sonntag zur Vesperzeit wo alle mal große Musick in der Kirche ist. einliegendes Blatt ist von Grimm, ich bitte schreib mir recht bald. behalt mich lieb Dein – Bettine An Herrn Baron Achim von Arnim bei Fr. von Labés Viereck No 4 in Berlin
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jezt sagt noch einmal, ich schrieb Euch nicht Ihr Racker!!! Der Schreiner Cramer will noch 50 fl: haben die Ihr ihm schuldig seid. – gelt davon schreibt Ihr nichts.! Mein Portrait kostet 3 Carolin; Denkt Nur, die Leute sagen der Winter sei in mich und ich in ihn verliebt; ich mache so viel Musick, daß ich beinah gar nicht zum Lesen komme. Der Bernhardi hab ich ein Halstuch gestickt in Gold und chenille auf der Academi masq: war ich auch zweimal. Die Pantomimen ergözten mich herzlich, besonders da Pierrot eine Spinne fing die an der Wand saß. er holte sie erst mit dem Besen herunter dann fing er sie mit seinem Hut, endlich unter demselben hervor mit der Hand, und nun graußte und kizelte es ihn sehr, endlich wurde er in einer Canone in die Luft geschossen welches traurige schicksal ich sehr beklagte Grimm hat bei der Moy 60 fl: aufgenommen auf die 100, welche sein Bruder dir geschickt hat. Adieu Bettine An Herrn Baron, Professor von Savigny abzugeben in dem Graf Jonerischen Hauße; in Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 11. Februar 1809, Sonnabend
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 19. Februar 1809, Sonntag
Ich hab mich Sorgsamlichst eingepackt, packe Du mich ebenso sorgsam aus, damit deinem kleinen Freund kein Unheil passirt; warum hab ich keine Briefe von Dir, Treuloser! wenn Du wieder gefangen bist so schreibs du Prinzessinen Sclave. Ich singe den ganzen Tag und esse den ganzen Tag, und befinde mich den ganzen Tag, und sehe niemand und leb in ruhe den ganzen Tag, aber in der Nacht träume ich von Dir, du seyst Krank, oder hättest mich vergessen (und doch was Winters und 630
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Sommers wächst und Treibt, ist meine Liebe zu Dir,) nur einmal wieder dich sehen, nur eine | halbe Stunde, nicht anrühren will ich dich, nur sehen hier auf dem blauen Sessel sollst Du sizen am grünen Tisch, Abends bei Licht, und ich will gegen über stehen und gar nichts Sagen, aber die Thränen Stürzen mir aus den Augen vor Freude. – Bettine
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 19. Februar 1809, Sonntag
Schon wieder auf die Post geschickt, und kein Brief jezt sind es schon 3 Wochen daß ich ohne Nachricht von Dir bin wenn Du anders keine erhebliche Ursache hast; ist es dann verzeihlich? wenn Du Krank bist so will ichs wissen. Du sollst es nicht abwarten. Du sollst mir schreiben. Goethe antwortet mir nicht, es schlägt mich nieder ich weiß daß er andern schreibt, nun, mags seyn; ich habe nicht so großen Muth von ihm geliebt zu seyn, als ihn zu lieben mehr weit mehr, wie andre es vermögen, es geht mir hier so still als möglich; Savigny hat mich unlängst besucht, wir haben viel von Dir gesprochen; ich könnte dir mancherlei erzehlen, aber es verlohnt mir des Schreibens nicht wenn ich denck daß ich keinen Brief von Dir habe, am andern liegt mir all nichts. ich habe heute mit dem Postwagen mein Bild an dich geschickt, ich hab Dich so lieb, aber Du bist Nachlässig und schreibst mir auf 3 Briefe nicht einmal. Bettine
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An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bey Fr. von Labes Berlin
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Ich mögte nur Wissen ob Arnim noch nicht an Euch geschrieben hat, es sind jezt bereits 3 Wochen daß ich keine Briefe von ihm habe, und ängstigt mich gewissermaasen. fragt doch den Clemens auch hierum kein Logis hab ich für ihn genommen weil ich nicht wissen kann wie lange es dauert bis er kömmt, ich bitte ihn mir ausführlich zu schreiben, wann er kommt, wie viel er bezahlen will pp und dabei zu bedencken daß man die Logis immer von Anfang eines Monats nehmen muß Pantoflen Wein und Goute de Mande hab ich durch Hrn Carl wohl einpacken lassen. Der König hat das Commando über den hiesigen Theil der Armee unter ihm Lefevre und Buonaparte in Italien. Adieu Bettine An Herrn von Savigny im Graf Joners Hause Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 21. Februar 1809, Dienstag
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Landshut Weimar, 22. Februar 1809, Mittwoch
Du bist sehr liebenswürdig, gute Bettine, daß du dem schweigenden Freunde immer einmal wieder ein lebendig Wort zusprichst, ihm von deinen Zuständen, und von den Localitäten in denen du umherwandelst einige Nachricht giebst, ich vernehme sehr gern wie dir zu Muthe ist und meine Einbildungskraft folgt dir mit Vergnügen sowohl auf die Bergeshöhen, als in die engen Schloß und Klosterhöfe. Gedencke meiner auch bey den Eydexen und Salamandern. Eine Dancksagung meiner Frau wird bey dir schon eingelaufen seyn, Deine unerwartete Sendung hat unglaubliche Freude gemacht und ist jede einzelne Gabe gehörig bewundert und hochgeschätzt worden. Nun muß ich auch schnell für die mehreren Briefe dancken die du mir geschrieben hast und die mich auch in meiner Carlsbader Einsamkeit | angenehm überraschten und unterhielten. Damals schickte ich ein Blättchen an dich meiner Mutter ich weiß nicht ob du es erhalten 632
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hast. Diese Gute ist nun von uns gegangen und ich begreife wohl wie Franckfurt dir dadurch verödet ist. Meine Frau war dort, es ist ihr wohl gegangen, doch hat sie dich recht eigentlich vermißt, dagegen hat sie dein Andenken von München her gar sehr erfreut. Hr. v Humbold hat uns viel von dir erzählt. Viel das heißt oft. Er fing immer wieder von deiner kleinen Person zu reden an, ohne daß er so was recht eigentliches hätte zu sagen gehabt, woraus wir denn auf ein eignes Interesse schließen konnten. Neulich war ein schlanker Architect von Cassel hier, auf den du auch magst Eindruck gemacht haben. Dergleichen Sünden magst du denn mancherley auf dir haben, deßwegen du verurtheilt bist Gichtbrüchige und Lahme zu warten und zu pflegen. Ich hoffe jedoch das soll nur eine vorübergehende Büßung werden, damit du dich des Lebens desto besser und lebhafter mit den Gesunden freuen mögest. Laß uns von Zeit zu Zeit ein Wort vernehmen, es thut immer seine gute und freundliche Wirkung wenn auch der Gegenhall nicht bis zu dir hinüberdringt. Meine Frau höre ich hat dich eingeladen, das thu ich nicht und wir haben wohl beyde recht. Lebe wohl, grüße freundlich die Freundlichen und bleib uns Bettine. Adieu! W. d. 22 Febr G 1809
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 25. oder 26. Februar (Sonnabend oder Sonntag) und Anfang März 1809
Ich habe, Tieck, das bewuste Paquet übergeben, lieber Arnim, mit der Dringenden Bitte, es sobald wie möglich zurück zuschicken, er hat mir auch versprochen es zu thun. Kranck ist er noch immer, kann noch nicht gehen, und ist manchmal fürchterlich mit Melancholie geplagt, mithin wird es immer besser seyn, die afficierenden Nachrichten zurück zu halten. Clemens ist seit ein paar Tagen hier, seine Frau nach vielen sehr argen Extravaganzen, hat es endlich damit beschlossen, ihm, dem Savigny, dem Arzt, und vielen andern weiß zu machen sie habe Sich vergifftet sie wurde zu Bett gelegt und allerlei Gegenmittel angeordnet, wovon sie aber keins nahm weil sie platterdings sterben wollte; endlich 633
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die Comedie selbst müde ward, und sich wieder ganz gesund, sonder zurückgelassnen Schwächen, darstellte. Savigny gab darauf dem Clemens den Rath, Landshut zu verlassen worauf er hier^her kam, ich fürchte nur sie wird bald nachkommen, er wohnt gegen mir über bei einem Schneider über 3 Stiegen in einem recht hübschen Zimmergen für 5 fl: den Monat welches ich recht wohlfeil finde, ich wollte Du wohntest mir auch so nahe. Gestern war ich in einem Concert | seit langer Zeit hatte ich keine vollständige Musick gehört, ich saß hinter einem Krohnleuchter, die Lichtstrahlen die durch die Cristalle fielen spielten in schönen Farben, ich dachte viel an Dich; ich wünsche mir manchmal du wärst bei mir und ich könnte mich an Dich lehnen, während ich manches Bedencke, oder ich könnte mit deiner Hand spielen; wenn man so fühlt, wie das Leben einen Tag nach dem andern fortzieht. wie Die Zeit Gedancken und Gefühle frißt, von denen man dem vertrauten Freund auch keine Spuhr zuweisen kann. ach wenn Du hier wärst, ich wollte zu keinem andern Menschen ein vertrautes Wort Begehren, als ganz allein zu Dir. Seit diesem Strich da oben, ist mir manches wiederwärtige begegnet was ich Dir gern verschweigen mögte, blos um den Kummer nicht zu haben alles mir wieder ins Andenken zu bringen. Auguste verfolgt den Clemens wie ein böser Geist, er hat bis jezt noch keine Ruhe gehabt und wird auch keine mehr haben bis sie beide völlig auseinander sind. vor ein paar Tagen weckte man mich aus dem Schlaf in der Früh, weil jemand mit mir sprechen wolle, es war ein Abgesandter von Savigny aus Landshuth der dem | Clemens berichten sollte, daß Auguste heimlich nach München in verwichner Nacht gereist war, mit dem festen Vorsaz, sich in seiner Gegenwart zu vergifften, Nun sollte ich einen Paß für ihn, bei Graf Stadion holen, für Salzburg, allein dazu wars zu früh, er beschloß also, nach Landshut zu gehen und dort den Pass abzuwarten er bat mich zu ihr zu gehen und sie wo möglich von einem bösen Streich abzuhalten, ich ging mit meinem Mädgen zu ihr, sie that als wollte sie sich (aber mit der größten Kaltblütigkeit) in meiner Gegenwart vergifften, ich muste bei einer 4tel Stunde mit ihr ringen, bis ich ihr die Flasche nahm allein die Gewallt die ich mir antun müssen zog mir Krämpfe zu, meine Kleider waren mit Gifft überschüttet, und ich war in dem elendesten Zustand meines Lebens, wie viel, wie ungeheuer viele Boßheit, dieß elende Wesen in diesem Augenblick, gegen mich blicken ließ ist nicht zu begreifen. indessen bereitete sie sich doch 634
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ganz, als würde sie in einer halben Stunde sterben sie legte sich ins Bett, hatte Ohnmachten schlaf und Convulsionen, gab vor, für zwei fl: Opium genommen zu haben, ich muste Ärzte holen, sie sollte Gegenmittel nehmen sie weigerte sich, sie begehrte einen Priester, weil sie gleich sterben müße, die Ärzte zeigten es bei | der geheimen Polizei an, sie sollte augenblicklich gezwungen werden, indessen war Die Zeit vergangen und keine Wirkung von Gifft war zu spühren die Polizei drohte ihr mit dem Narren hauße, dieß machte sie etwas stuzig sie zog ihre Klauen ein, und ging nach einem 3tägigen Aufenthalt wieder nach Landshuth, man hat von dieser Aufführung einen Bericht an die Familie gemacht, und hofft daß dieses beide trennen wird. die Ärzte und Pfarrer und alles was zu ihr kam hat Sie künstlich mit Schmeichelein und Lügen auf ihre Seite gebracht, man giebt dem Clemens eher unrecht wie ihr, und dieß Kränckt mich noch am meisten. Kurz lieber Arnim es ist die ekelhafteste Geschichte, und ich will davon stillschweigen, aber siehst Du, so übel gehts dem armen Clemens. Ich bin jezt manchen Abend Mutterseelig allein, die Einsamkeit macht traurige schwehre Gedancken, oft denck ich an Dich, viel sprach ich schon von Dir, mit Graf Stadion, der zu Zeiten meine Einsamkeit unter^bricht, es ist wohl einer der edelsten besten Menschen unserer Zeit, er war ein sehr guter Freund meiner Mutter, und mag deswegen gern Die Tochter anhören, über mancherlei Geschwäz durcheinander. 〈1r aoR kopfstehend:〉 so eben erhalte ich einen Brief von Goethe, aber einen lieben lieben Brief, wie noch keinen
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 28. Februar 1809, Dienstag
Auguste hat hier eine ähnliche Geschichte gemacht wie in Landshut mit Vergiften, nur das es hier in einem Wirtshause war und daher mehr Aufsehen machte, als ich zu ihr kam fragte Sie mich nach Clemens nach Abredung sagte ich ihr, er sey vor zwei Tagen nach Frankfurth, da rauf nahm sie eine Strohflasche schüttete mit Bedeuten in ein Glas mit Malaga und sezte es an, in diesem Augenblick übernahm mich Zorn 635
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und Angst so, daß ich ihr das Glaß aus der Hand schlug (welches ich nicht hätte thun sollen weil es lauter Treck war) sie nahm die Flasche, wollte trincken mit Gewallt, wir ich und Friedericke wurden ihr endlich Meister, jedoch hatte es mich so angegriffen daß ich eine Art Krämpfe davon bekam die mich laut schreien machten und zittern am ganzen Leib, das ganze Hauß versammelte sich ich ließ den Hausarzt kommen, und den Gift unter suchen, er sagte es sey sehr starck, darauf ging ich zu Stadion bei dem ich den Paß für Clemens zu holen hatte, und fragte ihn um | rath, er sagte ich soll ihr einen Arzt holen der sie untersuchen müsse und wenn sie Gift genommen hätte sie zwingen so, oder gerichtlich Gegenmittel zu nehmen. sie lag in Clemens Zimmer, welches sie sich hatte öffnen lassen Harz ging hin richtete aber im guten nichts aus, er nahm das übrige Gift, um es als Corpus delickti zu gebrauchen, er sagt, er habe es auch bei der Polizei an gezeigt, Sömmering untersuchte das Gift, fand das es nichts war unterdessen, wuste ich nichts davon sie paradierte daher mir allen möglichen Krankheits zufällen, endlich begehrte sie einen Geistlichen weil sie fühle in einer halben Stunde müsse sie sterben, ich schickte ihr den Hofprediger Schmidt, alle Leute riethen mir, es auf der geheimen Polizei anzuzeigen, indessen befolgte ich Stadions rath und sagte, jezt müsse der Arzt dafür Sorgen, dem Sömmering spielte sie Convulsionen vor, er verstand sie recht gut | der Abend kam herbei, keine Wirkung von Gift zeigte sich, nun hat sie noch gar die ganze Nacht geschlafen wie ein Mehl sack; sie will Morgen oder überMorgen nach Landshuth um sich Wäsche zu holen und will dann hier bleiben, es ist aber unmöglich weil die ganze Stadt mit Fingern auf sie weisen wird, am End, wenn es durch den Arzt Penar der auch davon weiß an den König kömmt so wird ihr die Stadt verwiesen denn er kann die Selbstmörder nicht leiden. Graf Stadion meint auch, Clemens könne von der geheimen Polizei begehren, daß sie unter sicherer Begleitung nach Franckfurth gebracht werde, ich werde von heute mich ganz von ihr abziehen Sömmering mags übrigens mit ihr ausmachen, mir vernichtet es die Gesundheit; sie hat durch unerträgliches lügenhaftes Geschwäz alle Menschen die sie nicht kannten, gerührt wenn ich es nun hörte, so hat mich mein Zorn immer so übernommen, bis ich Matt | und Krank zusammen fiel, kurz es war wohl der elendeste Tag meines Lebens sie begehrte mich zu sehen, so oft ich zu ihr kam überfiel mich ein Schwindel (Mal au Coeur) pp. sie eckelte mich so daß ich sie nicht hätte anrühren können, wenn ich ihr auch das vermeinte Gift wieder aus dem Leib gejagt 636
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hätte. sie sagte mir,: Dir verzeihe ich, und besonders der Gundel, in kurzem werde ich sterben pp: es ist die verdrießlichste Geschichte meines Lebens, geht sie von hier nicht weg so werde ich weg müssen, es wäre doch nicht der Mühe werth um dieß Unthier, ich bitte Euch überlegt was ihr thun wollt, aber bald Moy war auch bei ihr, dem hat sie einen ganzen Stiefel voll weis gemacht, soll dieser allen fals (als ein alter bekannter von Flavigny diesem nicht schreiben und vorstellen daß er sie holen müste um allen fernern Scandal zu vermeiden, denn wenn wir schreiben so könnte die Familie meinen es sey eine intrigue von uns um sie loß zu werden Clemens kann immer nach Salsburg gehen, obschon es ihr auch einfallen könnte denn dahin kann sie weder zu Fuß noch zu Wagen kommen ohne Paß, und diesen kann sie sich nicht verschaffen. auf alle Fälle wenn er noch dort bleibt nehme er sich in acht weil sie Morgen oder über Morgen nach Landshut rutschen will, um sich ihre Kleider zu holen. Adieu lebt wohl, ich bin jezt ganz wohl, und hoffe das es keine Folgen hat, aber sie sehen werde ich auf keinen Fall mehr; die Seel dreht sich in mir herum vor Eckel. sollte sie noch Tentationen oder Schnurren zum Umbringen machen, so wird sie durch die Ärzte von der Polizei eingesperrt. nach Franckfurth wohin ich glaubte das sie von selbst gehen würde, will sie durchaus nicht. Bettine hat Clemens noch Bücher von der Stadt bibliothek in seinem Zimmer so schreib er mirs damit ich zurück schicken kann.
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Von Friedrich Lothar von Stadion in München München, vmtl. 28. Februar 1809, Dienstag
Voici, chere Dame, le passeport pour Monsieur Votre Frere. J’espère que vous êtes tranquilisée sur les effets de l’opium. Je suis convaincû que ce n’est q’un peu; vu que vous en avez eu plus de mal que la personne en Question. Agréez mes hommages. FStadion
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 1. und 2. März 1809, Mittwoch und Donnerstag
Einliegendes Paquet an Clemens ist mir in die Hände gekommen, ich habs erbrochen weil ich dachte es könnte allenfals etwas drinn was schnell befördert seyn müste, bei der Einsicht aber gleich wieder zugemacht ohne einen Buchstaben zu lesen. Blos das Ansehen von Sömmering und sein Versprechen für alle Extravaganzen der Auguste zu stehen haben die geheime Polizey dahin vermogt ihr nicht zwei Mann Wache zu geben, und bei Wohl sein einzusperren, er hat hierüber Brief und Siegel, wird dieß an ihre Familie nach Franckfurt schicken, damit dieselbe Maaßreglen nimt um sie vor aller öffentlichen Beschimpfung zu hüten und so war dieser lezte boßhafteste aller Streiche, (denn Ihr habt keinen Begriff von der Greuelhaften Schändlichkeit ihrer Lügen, die mich noch jezt vor Zorn zittern machen. auch muß ich die Erzehlung biß auf mündliche Unterredung spahren denn es würde mich zu sehr angreifen, sie zu schreiben) vielleicht der welcher uns von Ihr erlöst Savigny ich würde Dich und Gundel für die schwächsten aller Menschen halten, wenn Ihr irgend einen Schritt in Augustens Angelegenheiten thätet, als nur den sie loß zu werden und so viel möglich alle Schuld von Clemens abzuwälzen, den sie ohnehin genug verläumden wird. sie | hat ohnehin mit gleißnerischer Sanftheit bei Menschen die sie nicht kannten, genug Schuld auf uns zu schieben gewußt. jezt ist sie Munter und allert und thut als ob nichts geschehen wäre; Morgen geht sie nach Landshut, wo sie (nach ihrem Versprechen an Sömmering so lang bleiben wird biß er Antwort erhält von Franckfurth er hat als sehr rechtschafner Mann dabei gehandelt und mir viel Trost gewahrt (Stadion ist ein Engel von Güte ohne Diesen wäre ich zu Grund gegangen vor Zorn und Aerger Bettine Sagt dem Clemens nichts von diesem Brief dießponiert ihn nur sich zurückhaltend und herzhaft zu betragen – mein Brief ging unglücklicher weise gestern nicht fort, Ihr werdet ihn also erst erhalten wenn Sie schon dort ist. Sie begehrte den Tag der Vergiftung einen Geistlichen da ich nun fest glaubte so wie alle Ärzte, sie habe sich vergiftet (denn sie spielte Ohnmachten, Convulsionen, Wahnsinn pp) so ging ich zu Hofprediger Schmidt, erklärte ihm die Sache, und bat sehr alle seine Kräfte anzuwenden sie zu einem Gegenmit638
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tel zu bewegen, allein sie hat ihn ganz auf ihre Seite zu bringen gewust er schwöhrt nicht höher | als auf sie und glaubt ich thue ihr un recht. Adieu lebt wohl. was soll ich mit Clemens Logis anfangen ich bitte auch Savigny mir eine Anweisung auf Geld zu schicken, denn ich muß heute 7 Carolin an Winter zahlen, für zwei Monate, ich rathe dir selbst an Tieck wegen dem Geld zu schreiben, obschon ich auch fragen will. Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Berlin, 2. März 1809, Donnerstag
Berlin d* 2 März 9. Zwey Deiner Briefe liegen vor mir, l. B., und eben soviel Antworten von mir, die ich aber zurückbehalte, weil Sie nicht die Ehre haben sollen von Dir gelesen zu werden, ich hatte sie in trübsinniger Zerstreuung geschrieben. Einige Tage brachte ich in weitläuftiger Arbeit zu, was sich seit meiner Kindheit an Papieren Büchern angehäuft zu ordnen und zu vernichten, manche Bücher, die mich nicht mehr interessirten, gegen altdeutsche auszutauschen, in diesem Kramen blieb ich mehrere Tage zuhause, meine Luft war Staub, mein Gras Bücher und meine Sonne der Ofen, was kann dabey herauskommen. Nachher hetzten mich eigne und ständische Gedanken, Vorschläge, Angelegenheiten, ich sah wieder eine künstliche Einrichtung durch Nachlässigkeit einiger zustande kommen, wodurch die meisten von allem Antheil an den Geschäften ausgeschlossen, ich konnte nicht anders wirken, als wenn ich einzelne wenige, die ich kannte, anhetzte. Gleich drauf erfuhr ich von einer Verwandtin, daß Auguste Schwink aus Convenienz ihrer Aeltern mit einem Präsidenten Wißmann versprochen – man sagt, es sollen zuweilen noch die Stellen schmerzen, wo ein Zahn ausgezogen. Sieh da meine Abhaltungen, warum ich nicht geschrieben, doch ist noch ein Brief von mir mit Papieren für Tieck von seiner Frau unterweges, von dessen Ankunft ich gerne wissen möchte, weil die Tieck gar sehr auf die Antwort ihres Mannes wartet; schreib mir doch gefällig bald darüber, die Angelegenheit ist ihrer alten Mutter sehr wichtig. Daß dir die Leute alle zu nichts werden, wie Tieck, Jacoby die Du erst verehrt, davon miß ihnen nicht unbedingt die | die Schuld bey; es ist 639
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sehr viel werth, etwas ganz und gar in der Reinheit des ersten Verhältnisses zu bewahren, vor allem ist aber göttlich die Achtung vor den Menschen, nach der sie immer mehr und besser geachtet werden, als alles, was wir in sie hinein geträumt und gedacht haben. Aber um Gottes willen, geh mit niemand um aus Barmherzigkeit, denn es ist dem eine Last der es thut und dem keine Freude, der es empfängt. Daß ich Deiner Wirthin eine falsche Rangordnung angewiesen, verzeih mir, ich könnte mich aber durch frühere Briefe rechtfertigen. Deines Gesanges erfreue ich mich in Gedanken, je weniger ich hier singende Gesellschaften, Theater u d gl besuche, doch bedarfst du dieses Zusatzes an künstlicher Uebung nicht um mich singend zu erfreuen, besser ist besser, schade nur nicht deiner Stimme durch zu grosse Anstrengung, es ist mir bedenklich, daß es Dich so ermüdet; die Götter lassen sich nicht zwingen sie wollen ihre Zeit haben und so werde ich auch als Mensch meine Zeit haben, wo ich Dich wieder^höre und wiedersehe. Ungeduldig wart ich auf Dein Bild, nicht weil ich Dich vergessen nur um zu sehen, wie ein andrer dich gesehen, auch ist so ein Bild so folgsam zärtlich dem Willen, wartet und weilt und trägt in des Menschen Ruhe seine stille Bedeutsamkeit, der Mensch aber verwandelt sich stets vor einem. Es thut mir leid, daß ich es nicht wie eine Ehrenmedaille im Knopfloch tragen kann, daß ich es keinem zeigen darf ohne allerley Geschwätz aufzurühren, daß es noch auf dem Wege allen Zufälligkeit ausgesetzt ist es ist mir als wäre ein Manuscript unterwegs, woran | ich selbst lange gearbeitet. Du bist sehr gut gegen mich, ich möchte etwas haben, das ich Dir schicken könnte, doch müste es Dir nicht minder lieb, als mir Dein Bild seyn. – Das radierte Blätlein von Grim ist sehr artig, hin und wieder hat er die Bestimmtheit der Zierlichkeit aufgeopfert, schaff mir doch noch einen Abdruck ich habe dies verschenken müssen. Frag ihn doch, was er für die Platte haben will ist es nicht sehr theuer, so möchte ich sie gleich haben, es würde vor meinen Wintergarten passen, eine Novellensammlung, die ich jezt drucken lasse in diesem Falle müste er sie mir aber gleich schicken. Wie gehts mit seinem Oehlmalen? Grüß ihn herzlich so wie Rumohr. – Der Krieg macht mich euretwegen besorgt, in Frankfurt wäret ihr besser aufgehoben, macht soviel Charpie, daß ihr euch darin verstecken könnt an Wunden wird es nachher doch nicht fehlen, 〈〈xxx〉〉 Charpie zu verbrauchen, Oesterreich mag aber 〈〈xxx〉〉 eiserne Hand des Götz von Berlichingen dazu 〈〈xxx〉〉hen, denn die ruhigen Leute, werden doch noch nicht genug Charpie zopfen können. Das waren mir schöne Conjuncturen am 640
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Himmel! Ich habe für mehrere astronomische Bücher mir Rüxners Thurnierbuch angeschafft. – Dein Onkel LaRoche fragt zuweilen nach Dir, es ist ein sehr guter Mann, über allen kindischen Muthwillen seines Sohnes, worum ich eingesperrt wurde, darüber freut er sich wie über Ritterthaten, die Tochter ist völlig erwachsen; Humboldt hat seinen Sohn zu ihm in Pension gegeben, hast du ihn wohl gesehen, ein hubscher Bube. Nun so leb wohl und singe so gut, daß sich Erd und Luft bewegt, so komm ich auch zu Dir. – Im Grunde habe ich wenig geschrieben nach so langem Schweigen, reden möchte ich noch weniger. Dein Achim Arnim. An Fräulein Bettine Brentano zu
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An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. H. von Savigny Landshut in Bayern
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 3. März 1809, Freitag
Lieber Savigny es ist noch nicht gar lange das Frau von Bernhardi bei D’alarmi nach dem Tag hat fragen lassen wo sie bezahlen müste, um wie sie mir selbst sagte recht exackt seyn zu können indessen mögte ich hieran nicht grade als an ein Evangelium glauben, da könntest Du doch einen Mahnbrief schreiben recht honet aber Deutlich besagend daß Du dich platterdings auf Tiecks Ehrenwort verlässest, und wircklich nicht vermögend bist es über Dich zu nehmen; denn es könnte doch seyn daß sie ordentlich bezahlen dann würde es dir leid seyn sie vielleicht zu hart gemahnt zu haben, ich werde heute hingehen und auch mit ihnen sprechen, gestern wars mir nicht möglich wegen der Kälte, denn seit der Geschichte mit Auguste hab ich keinen Überrock mehr, wie ich ihr das vermeintliche Gift entreißen wollte hat sie mirs 641
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über den Leib gegoßen und also kann den Überrock nicht mehr tragen. Adieu grüß Gundel und Kinder. Bettine 1v
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An Herrn Baron von Savigny abzugeben im Graf Joners Hause Landshuth
*524. Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach München Landshut, 4., 5. oder 6. März 1809, Sonnabend–Montag B an Friedrich Carl von Savigny, 7. März 1809:
ich habe nach der Comission an mich über das geliehne Geld mit Tieck gesprochen, ich sagte ihm nehmlich daß Du mir darüber geschrieben hättest mit besorgniß 〈…〉 Was mir Goethe geschrieben hat wollt ihr wissen (Nr. 526,11-13+32).
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Landshut, 7. und 8. März 1809, Dienstag und Mittwoch
Wenn Deine Einbildungskraft, geschmeidig genug ist, mir durch alle Weg und Steg, Berg und Klüfte zu folgen, so will ich’s auch noch wagen dich zu mir zu führen; ich bitte also komm – nur immer höher – drei Stiegen hoch – hier in mein Zimmer; sez Dich auf den blauen Sessel am grünen Tisch – mir gegenüber – ich will Dich – nicht küssen, nur ansehen – das Licht hier blendet mich – sez es bei seite – so; nun reich mir Die Hand herüber, und laß mich meinen Mund drauf Drücken, und – Goethe? folgt mir deine Einbildungskraft immer noch? – dann must Du die unwandelbarste Liebe in meinen Augen erkennen, must jezt liebreich mich in deine Arme ziehen; sagen: »so ein liebes treues Kind, hat mir der Himmel beschehrt zum Lohn für Manches; es ist mir werth, dieß | dieß Kind, ein Schaz ist mirs, ein Kleinod das ich nicht verlieren will – siehst Du und must mich küßen. Nun führ ich Dich noch weiter – tritt sachte auf – in meines Herzens^Kammer, – hier sind wir in der Vorhalle; – Dunkel und still – kein Hund, der bellt – ganz einsam kein Häußlich gezämthes Thier – wo sonst doch Herzen gern sich mit beschäftigen, geh hin, poch an – 642
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es wird allein seyn, und wird Herein! Dir rufen, Du wirsts auf einem kühlen stillen Laager finden ein freundlich Licht wird Durch die Fenster scheinen und alles wird in Ruh und Ordnung seyn, und Du willkommen; – Was ist das? Himmel! Das Zimmer ganz voll Dampf, die Flammen überm Bett zusammen schlagend; woher Die Feuersbrunst? wer rettet hier? – mein Herz mein armes | nothgedrungnes Herz! – kalt und starr muß ich hier stehen, die Arme sinken lassen und kann nicht helfen, mitfühlend die Qual und kann doch nicht helfen. Kalt und unbedeutend geht das Leben entweder so fort, das nent man einen gesunden Zustand, oder wenn es wagt, auch nur den einzigen Schritt mehr in die Tiefe, mehr ins Gefühl; dann greifen Leidenschaften brennend mit Gewallt es an; und dann verzehrt es sich so in sich selber; Zu, muß ich Die Augen machen, und darf nichts ansehen was mir lieb ist; ach! die kleinste Erinnerung macht mich ergrimmen in sehnendem Zorn um das Entbehren, und darum darf ich auch nicht immer in Gedancken um Dich hergauklen; wenn ich Die Hände ausstrecke, so ist es doch nur nach den lehren Wänden, wenn ich so spreche, so ists doch nur in den Wind; und wenn ich endlich dir schreibe so empört sich mein eigen Herz, daß ich nicht | die leichte Brücke von 3 mal Tag und Nacht überfliege und mich in süsester Ruhe zu Deinen Füsen lege. Sag! wie bist Du so mild, so reichlich gut in deinem lieben Brief; mitten in den hartgefrornen Winter, sonnige Tage die mir das Blut warm in den Adern rinnen machen; was will ich mehr? Freilich so wie der Baum, wenn erst die harte Rinde vom Sonnenstrahl ist belebt und die Knospen angeschwellt, begehrt in Blüthe auszubrechen und dann in Duft und Farb die angeregten frischen Sinne auszuhaugen; also begehr auch ich vor Dir, mein Herz das ganz von deiner Güte von etwas in Dir, was Du selbst vielleicht nicht kennst angefüllt ist; ruhig erblühen zu lassen, und so lang ich nicht bei Dir bin so werd ich unstehdt seyn in allem was ich treib kein Seegen. Ja Täglich seh ich ein das alles nichts ist was mir etwas schien Du bist immer der einzige, der mir im unschuldigsten Begehren, unwissend was man nicht verlangen | darf doch völlig Gnüge leistete. Ach ich mögte so oft ich Dir wieder einen Brief schreibe, auch wieder von neuem anfangen Dir zu sagen Wie, und Warum, und Alles; ich mögte Dich hier auf dem einzigen Weg leiten, den ich nur einzig will, damit es einzig sey, und ich nur einzig sey, Die so dich liebt, und so von Dir erkannt wird. Ob Lieb die gröste Leidenschaft sey und ob zu überwinden, versteh ich nicht, Die Lieb ist Willen mächtiger Unüberwindlicher, gegen 643
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nichts ist zu streiten in Der Leidenschaft, als gegen Unwahrheit, denn Wahrheit ist und bleibt; und kann nicht ausgerottet werden, wer aber die Unwahrheit bekämpft der befestigt die Wahrheit; und also auch die Leidenschaft; und wer resignirt und sich zusammen nimt, der beweist nur daß er mehr Tod als Lebendig ist, ich bin aber nicht tod, ich hab einen festen Starcken Willen bis in Ewigkeit, – Und was hast Du Dagegen? – Dich zu lieben. und nun, | gute Nacht; bis Morgen; gute Nacht! – soll ich so fort gehen? – keine Hand kein Blick? – Ach höre! – es ist alles still; schläft ein jeder im Hauße, hängt träumend dem nach, was er wachend am meisten begehrt – ich aber bin allein wach mit Dir; hörst Du draußen auf der Straße – kein Laut mehr – ich mögte wohl versichert seyn, daß in diesem Augenblick keine Seele mehr an Dich denckt, kein Herz einen Schlag mehr für Dich thut; und ich allein auf der weiten Erde, siz an dem Boden, zu Deinen Füsen, das Herz in vollen Schlägen geht auf und ab, und wie auch alles schläft und ruht, so bin ich wach, dein Knie an meine Brust zu drücken und eines Blicks von Dir, mich zu versichern – Und Du? reichst mir die Hand – sind wir denn miteinander? – brauchts die Welt nicht zu wissen das Du mir Gut bist? – Leb wohl mein irdisch Leben, und mein Himmlisch Leben; jezt will ich gehn – und kann doch nicht, lieber lieber Goethe; so lange hab ich mir den Augenblick gewünscht, mit dir allein zu seyn, sags: – jezt sags, daß du mich lieb hast. – Gelt Du meinst ich wär nicht recht gescheut? weil ich Dir gestern so dummes Zeug dahin geschrieben hab, meinst Du? heute spricht man von Krieg mehr wie jemals die Biblioteckar Diener rennen umher, um ausgeliehne Manuscripte und Bücher wieder einzusammlen denn alles wird eingepackt, Hamberger, ein zweiter Hercules, denn wie dieser die Ställungen der 20 000 Rinder so mistet er die Biblioteck von 80 000 Bänden aus; dieser seufzt und jammert daß alle gethane Arbeit umsonst ist. auch die Gallerie wird eingepackt, kurz die schönen Künste sind in der ärgsten Consternation, mit Opern und Musick gehts auch schlecht, denn Der erlaugte Liebhaber der prima Donna zieht ins Feld. Die Academie | steckt Trauer Amplen aus, und bedeckt ihr Antliz bis der Sturm vorbei. und so wäre alles in stiller müder Erwartung des Feindes, der vielleicht gar nicht kömmt. Du kennst vielleicht oder erinnerst dich doch gesehen zu haben, einen Graf Stadion kaiserlicher Gesandter; er ist mein einziger Freund, hier, wir sprechen oft und viel von Dir mit einander, ein Mann von kluger freier Einsicht, von unge644
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mein edlem Wesen in Sitten, hat viel aufgeopfert aber nichts dabei verlohren, im Gegentheil, sein Carackter ist hierdurch frei geworden von der Steifheit, die das Gemüth doch immer mehr oder weniger angreift, so bald man mit der Welt in einer nicht unwichtigen Verbindung, wo man sich zum Theil auch künstlich anwenden muß; er ist so ganz rein und einfach wie ein Kind, und giebt mir und meinen Launen in meiner Einsamkeit manche Wendung es ist der einzige Mann den ich oft sehe, Jacobi hat mich jezt in 4 Wochen nicht besucht, obschon | ich ihm über seinen Woldemar den er mir hier zu lesen gab, einen langen Brief geschrieben habe; warum hab ichs gethan? – aus Langerweile, und weil ich mich auch üben wollte, die Wahrheit sagen zu können ohne daß sie beleidigt der Brief hat ihm gefallen wenn ich an einem Husten den ich jezt habe sterben sollte, so kommt er gewiß noch als Anhang zu Allwills zweitem Theil heraus – wie bin ich doch so Naseweis. Schelling kömmt auch selten zu mir, er hat etwas an sich, das will mir nicht behagen, und dieß etwas, ist seine Frau, diese will mich immer eifersüchtig machen, auf Dich sie ist in Briefwechsel mit einer Pauline G: aus Jena, von dieser erzehlt sie mir immer wie lieb Du sie hast, wie liebe Briefe Du ihr schreibst pp: es ist einerlei, ich kann nicht wollen daß Du mich am liebsten hast, aber es soll sich niemand unterstehen Dich so lieb zu haben wie ich. Bettine d* 8ten März
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Die Fr: bitt ich zu grüßen herzlich, und ihr zu dancken für den lieben Brief
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 7. März 1809, Dienstag
Stadion der gestern (dem ich euern Brief geschickt hatte) noch zu mir kam, hat mir gesagt, daß er mir bei der Sache keinen Rath wisse, keinen Pass für Cristian kann er selbst mir nicht geben; einen Pass muß er von Kraißcomissiriat haben und dieser darf höchstens autorisirt sein durch die seinigen, welches in Prag sehr leicht geschehen kann, sonst bedarfs nichts, er meinte erst, ich könnte mich an das Kraißamt hier wenden um einen Pass zu haben, es würden aber doch Schwürigkeiten daseyn weil man mich nicht kennt, und Cristian gar nicht. auch hab ich 645
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keinen Menschen weiß nicht wo aus noch ein, noch an wen mich wenden. auch wird Christian auf alle Fälle keinen hiesigen nötig haben, noch braucht der seinige von dort hier rewidirt, sondern nur dort selbsten, autorisirt zu werden. mithin schreib ihm dieß lieber Savigny ich habe nach der Comission an mich über das geliehne Geld mit Tieck gesprochen, ich sagte ihm nehmlich daß Du mir darüber geschrieben hättest mit | besorgniß, und daß ich dir gleich geantwortet hätte Du mögtest dich nicht darüber ängsten, weil ich für ihn und seine Schwester, die schon mehr mal vom früheren Bezahlen gesprochen habe, stände und daß ich auch überzeugt wäre daß ein Mann wie er dich nicht für deine Güte an der Nase herum führen würde. – auf diese meine Anrede antwortete er mir nichts, als blos mit einem Kopf nicken, war aber ganz freundlich und munter, zwei Tage darauf brachte ich ihm euren Brief. er laß ihn, gab ihn seiner Schwester, sie sagten beide abermal nichts, liesen indessen auch keine Verlegenheit blicken, sie luden mich ganz freundlich zum Mittag essen ein, ich schlug es aber aus, während dem war ich noch ein mal bei ihnen wo sie mir nichts sagten, zwei Tag hält mich jezt ein Cartar fieber im Zimmer es hat schon wieder nachgelassen; ich kann indessen nicht singen und sehe keinen Menschen ausgenommen den Stadion, dem ich so gut bin wie keinem Menschen hier, er ist von Güte Gerechtigkeit, Treue des Gemüths Klarheit der Einsicht, wahrheit im Herzen und Betragen, zusammen gesezt Was mir Goethe geschrieben hat wollt ihr wissen O liebe Kinder, den liebsten den himmlischsten freundlichsten Brief hat er mir geschrieben, auch Euch grüßt er freundlich, ich weiß nicht wie nach so langer Pause sein Gemüth so herzlich freundlich so innig mild, sich gegen mich ergießt, lieber Savigny wenn ich ihn nicht bald wieder seh – so legt sich die Bettine hin und ist ein toder Mann. einen Kazen buckel wird sie dir aber machen über den andern, wenn sie einmal mit dir hinreißt, es wär doch recht von Der Gundel wenn sie dem Stadion ein klein billet schrieb und ihm dankte für seine Güte gegen uns alle sie soll mir den Brief schicken ich will ihn besorgen. wenn ich dennoch für den Pass was Thun kann, so zeugt mir nur den Weg es soll mit möglichster Schnelle ausgeführt werden Bettine An Herrn von Savigny im Jonerischen Hauße Landshuth
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Es ist nicht recht mich so zu schmälen und noch dazu bis ans Ende des Briefs für die erste Vergessen heit (Nr. 529,1-2).
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 10. März 1809, Freitag
Eine manche halbe Stunde kommt mir, wo ich sehr traurig bin so lange ohne Nachricht von Dir bleiben zu müssen, es ist jezt eine Zeit der Krankheit hier, viele junge Leute sterben, und wer steht mir dafür daß mein Freund mein Bruder mein alles auf dieser Welt, keine Gefahren läuft. Ich hab nun seit 8 Tagen eine Husten der mich im Zimmer hält, da bin ich denn gar einsam, kann nicht singen; das macht mich auch sehr traurig wenn man so gar keinen Menschen um sich hat; aus deiner Tasse Trinke ich, und den Einsiedler hab ich mir auf den Tisch gelegt, den mache ich manchmal auf, blättere drinn, und erinnere mich, das wir uns damals näher waren, zuweilen beisammen zu weilen in der Hoffnung uns bald wieder zusehen. jezt? – wann kann ich auf den Augenblick rechnen? – O mein theurer lieber Freund, mein lieber Arnim, hast Du nicht auch das Verlangen nach mir? – es vergeht ein Tag und Nacht, und dann wieder einer – und der Mensch läst die Zeit gewähren, will nicht bedencken daß sein Leben am End nackt und Kalt dasteht, entblößt von aller Zierde der Lieb und der Freundschaft, und des Wohlthuns was Dir einmal werth war, laß es Dir immer werth bleiben, wenn du freudige freundliche Erinner | Erinnerungen hast, laß Dir Die Zeit nichts dran verderben oder auch andre Gegenstände nicht, wenn Du einen Kummer hast so gieb deinem Freund das Recht, ihn mit Dir zu tragen, denn Dadurch fühlt er sich erst, und wird sein Leben selbst ihm wichtig, so wie der Mutter das ihrige durch ihre Kinder; ja Arnim! vergess mich nie bei irgend etwas was Dich betrifft ich sage Dir, bedencke sorgfältig, daß ich und Du Freunde sind, und daß es meinen ganzen Lebenszweck enthält alles zu erfüllen was die Freundschaft begehrt ich 647
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will alle Tage an Diesen Vorsaz dencken und will ihn befestigen, denn Dieß macht mich ruhig ja zu weilen gar Fröhlich wie nichts anders thut. Du hast mein Portrait; wie gefällt Dir’s denn gleichts mir? und willst Du es auch immer auf^heben? zum wenigsten so lang bis ich dir ein besseres schicken kann. Wir erwarten jezt den Cristian von seiner Böhmer^reiße ich werde wenn er hier durch München kömt mit ihm auf einige Tage nach Landshut gehn es werden hier alle Anstalden wegen dem Krieg gemacht, die Gallerie und Bibliotheck werden eingepackt, ich weiß nicht was Gundel welche eine sehr ängstliche Natur in Hinsicht des Kriegs hat; anfangen wird, | vielleicht bleibt sie nicht in Landshut, wenn das ware, und uns das Schicksal wieder näher zusammen führte; man kann nichts voraus sehen; Clemens hält sich versteckt vor seiner Frau die wieder in Landshut ist, wo, weiß ich selbst nicht, kurz er ist in einem Zustand als wenn er Vogelfrei wäre, ich hoffe sehr dieser lezte Streich bringt die beiden auseinander. Goethes Brief an mich ist ziemlich lang, und ungemein liebreich, gütig, daß es mich überrascht und ehrt, er bittet mich, ich soll ihm wieder oft schreiben ein jeder meiner Briefe, sagt er, thue seine gute und freundliche Wirkung wenn auch der Wiederhall nicht immer bis zu mir herüber dränge; Nun leb wohl! Gott gebe Dir ein, mir recht bald zu schreiben, und befördre mir auch deine Briefe ohne Hinderniße hier her. was begehrst Du noch zum Abschied? – ich umhalse Dich und drück dich fest an meine Brust. Bettine An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei Fr. v. Labes Viereck No“: 4 Berlin
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Es ist nicht recht mich so zu schmälen und noch dazu bis ans Ende des Briefs für die erste Vergessen heit. Du hast auch manches schon vergessen mein lieber Alter z: B: die Bücher von mir, mir zu schicken um welche ich dich gebeten habe; – in diesem Augenblick als ich dir schreibe, ist die arme Fitie Gelb so kranck, daß man glaubt sie wird sterben. Die Mutter ist ganz trostloß, auch macht es die Moy so traurig daß ich wircklich für ihre Gesundheit fürchte; ein Carthar der aber jezt beinah ganz vorbei ist, hält mich schon seit länger als 8 Tage ab zu singen; wie sehr mich dieß Melancholisch macht, und wie ich mich sehne wieder einmal bei Euch zu seyn kann ich gar nicht sagen. Stadion läst Euch viel herzliches sagen, hier wird Gallerie, Schaz des Königs, und Biblioteck eingepackt wegen dem Krieg; wenn der ausbricht, wird da die Gundel ruh haben in Landshut? von Arnim hab, seit langem keine Nachricht dieß macht macht mich sehr ängstlich, besonders weil hier so viel junge Menschen Kranck sind. Adieu Gott erhalte Euch gesund. Bettine
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An Herrn Baron von Savigny abzugeben Jonrischen Hause Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 10. März 1809, Freitag
Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 10.–12. März 1809, Freitag bis Sonntag
Berlin d* 12 März 1809 Liebes, liebes Kind! so ruf ich oft vor mir, wenn ich vor Deinem Bilde sitze, die Knie über einander geschlagen, die Hände drauf gefalten, da liegst du vor mir und ich verwundre mich wie die Stunden so schnell umgehen. Das Glas ist so angenehm kühl, so angenehm glat und jeden Morgen und jeden Abend siehst du mir anders aus. Es muß ein guter Mann gewesen seyn, dein Maler, er hat wirklich manches von Dir recht gut aufgefasst, den Kopf so frey hingestellt, selbst die Bernsteinperlen sind recht ähnlich. Du weist nicht wie viel Freude Du mir mit dem 649
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Bilde gemacht hast, ich lief selbst nach der Post, wo ich mit Angst zusah, wie ein Kerl, der es visitirte, künstlich aufmachte, sich die Brille aufsetzte und sagte: Ist gut gemacht. Ich riß es ihm weg und hätte darüber beynahe Deinen eingehefteten Zettel liegen lassen, den ich erst nachher bemerkte. Er ist die einzige Seele, die es gesehn hat, das thut mir gar leid, ich möchte es meinen Bekannten zeigen dürfen, doch das geht nun einmal nicht! – Deinem Kettchen steht grosse Gefahr bevor, ich trage es beständig am Halse, aber der Staat, der für seinen Hals fürchtet, wenn die Contributionen an Frankreich nicht abgetragen sind, will es mir abreissen, er verlangt alles gearbeitete Gold und Silber, Edelsteine und Perlen, aber ich meine sie sollen mir eher meinen Hals, als meine Kette nehmen. Dieses neue Edickt macht es endlich den Menschen fühlbar, daß dieser jezige Zustand gänzlich unerträglich ist, daß kein Krieg so verderblich | wie dieser Friede, der bis zum Aermsten selbst das Nothwendigste des Lebens aufzehrt. Der Landtag, der sich hier versammelt, ist klüglich nur aus den gewöhnlichen Abgeordneten zusammengesetzt, man hat nicht gewagt eine allgemeine Versammlung zu machen, da muß unser einer lauter weitaussehende Plane besprechen und durchfechten hören, die beym Himmel alle ganz überflüssig sind, ohne ein Wunder, das uns allein retten kann; mitreden kann ich nicht, da ich nicht zu den Abgeordneten gehöre und um mir nicht die Zunge abzubeissen, mag ich gar nicht mehr hinaufgehen. Mich ergreift meine alte Trauer, die mich in Königsberg quälte, das Gefühl, vielleicht etwas Unrechtes aus Versehen ergriffen zu haben, statt des Buches hätte ich das Schwerdt nehmen sollen, jezt ist es doch eigentlich zu spät, die Gewohnheit hat mich mit Millionen unsichtbarer Fäden so fest angezogen, daß ich nicht mit völliger Freyheit je davon trennen könnte, mitten in einer Schlacht würde ich bedauern, daß sie nicht vorbey und daß ich sie nicht dargestellt lesen oder sehen könnte, und nun habe ich gar so manches schönes Buch eingetauscht, besitze aber vor allem dein Bild, wenn mir das zerschlagen würde, den Riß könnte kein Lorbeerwald decken. Aber wehe mir, daß ich Dich selbst jezt so nahe der Unruhe wissen muß und Clemens und Savignys, wenn es gar zu wild hergeht, flüchtet euch allzusammen auf mein Gut, ich habe wenig mehr daran und auch das vielleicht nicht lange, das Nothdürftige können wir uns immer noch erjagen, erfischen von den Bäumen schütteln aus dem Backofen stehlen; die Langeweile würde euch alle vortreflich machen und mich durch Euch. – Dem allen zum Trotz soll es heute noch lustig hergehen, weil der Geburtstag unsrer 650
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Königin ich bin zu einem Balle beym Guvernör Lestoq geladen, wieviel lieber wäre ich mit Deinem Bilde allein und beym Froissart, dessen Chronik mich einige Tage festgehalten, aber denk Dir, daß Humboldt mir zur ersten Bedingung machte, als ich mich um Anstellung bewarb, daß ich die verfluchten Gesellschaften besuchen sollte, um den Leuten einen andern Begrif von mir zu geben, die mich für einen Wilden halten, der mit Gott und Welt trotzt, da ich doch eigentlich den Hauptfehler habe, daß ich zu weich bin. Und was wird diese Anstellung seyn, nutzlose Mühe, wenn ich noch dazu komme! – – Nur Du bist mir gut und anstellig mir allerley Freude zu machen | und fühle es mit welcher Rührung ich das gedacht habe, ich wollte, daß ich dies in Deiner Nähe immer so gefühlt hätte, wie in der Entfernung; von Dir allein strahlen mir zuweilen Stunden, deren ich gedenke im Herzen. Wenn ich zu^weilen mit Briefen zögre, wie Du mir im letzten vorwirfst, es ist freilich Nachlässigkeit, aber nicht die schlimmste, indem ich mich so hinsitze an Dich zu schreiben fällt mir dies und jenes von Dir ein und da nehm ich lieber etwas andres gleichgültiges vor, was mich darin nicht stört, doch must Du inzwischen zwey Briefe von mir haben, deren Du noch nicht erwähnst, bey dem einen waren Papiere für Tieck, seine Frau ist wieder nach Sandow. Tiecks Kinder wissen dem Vater zum Trotz mehrere Lieder aus dem ersten Theile des Wunderhorns auswendig, die gerade von mir ergänzt und vermehrt sind, die jüngste etwa 3 Jahr sagt alles mit einer wunderlich lächelnden Manier her, daß es mir vorkam, als hätte sie schon was von des Vaters Kritick geahndet. – Nun Du liebes Urbild sey in Deinem Bilde nochmals geküsst, Du bist heute sehr lustig, ich sehs dir an dem Munde an und wie kanns anders seyn. Achim Arnim Der Ball zu Ehren der Königin dauerte bis sechs Uhr Morgens, es ist einem lächerlich bey eigentlicher Pracht mitten im allgemeinen Elende | In dem Hauptsaale, wo die Fürsten versammelt, öffnete sich während des Abendessens eine Thüre, alle sahn verwundert hin, da erschien die Königin ganz weiß in einer Laube von Blumen aller Art, die Musick spielte God save the king, ein schauervolles Lied, wenn es besonders langsam gesungen wird. Das weisse Bild war von Gyps. Am Morgen war ein grosses Kriegsspiel von Schill, der ohne alle Uebertreibung ein recht tüchtiger und sehr guter Kerl ist, da bin ich einige Stunden herum^gelaufen, so daß ich nun fast müde bin. – Ich habe gestern viele schöne Mitbürgerinnen zum erstenmale gesehen, die in der Zeit 651
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meiner Abwesenheit nachgewachsen sind, ich sehe doch noch Dein Bild viel lieber, nehme von ihm und von Dir Urlaub und gute Nacht. A. Arnim 3v
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Landshut in Bayern
An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 13. März 1809, Montag
Ich habe Euch in meinem lezten Brief schon gemeldet daß Freulein Gelb so kranck sey, was ich Euch damals als vermuthung der Ärzte geschrieben nehmlich daß Sie sterben würde, ist jezt wahr geworden, die Eltern sind natürlich ungemein Traurig, es liegen ungemein viele Menschen hier, an derselben Kranckheit, sie ist ansteckend; eine Art Gallen und Nervenfieber Bei Tieck ist der Hofmeister, der Sohn und die Haußhälterin daran Kranck, und wahrscheinlich wird die Bernhardi es auch noch werden, wie es mit dem Geld steht weiß ich nicht sie thut gar nicht dergleichen als ob sie in verlegenheit wäre. Brennt immer fort ihre 4 Wachslichter ißt alle Tage ihre 6 Schüsslen, wenn ich nach der Ankunft von Knorring frage, sagt sie: »Ich werde wohl Morgen Briefe erhalten wenn er bestimmt kommt«. Die Person enuirt mich ich glaub sie ist aus großen und kleinen Intriquien zusammengesezt. Ich muß Euch bekennen mein Aufenthalt hier ist mir zur Last geworden, besonders seit der Zeit als mich ein rauer Hals verhinderte Singstund zu nehmen von Morgens bis Abends, ganz Mutter seelig allein, ohne Bücher, Stadion, der einzige Mensch, der mich besucht; so oft er kommt, ist | er mir wie ein Trost vom Himmel, unser Gespräch ist so vertraulich geworden, wie das von zwei Kindern; noch etwas hab ich was mich ängstigt schon seit länger als 3 Wochen hab ich keinen Brief von Arnim und doch hab ich ihn so sehr darum gebeten, hab ihm mein Bild geschickt, und immer keine Antwort; 652
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Ich hab Euch wohl schon geschrieben das die Biblioteck hier wegen dem Krieg eingepackt wird. Adieu haltet Eure Kinder in dieser Merz Zeit sorgfältig warm denn es liegen hier eine Menge wegen Verkältung an demselben Nevenfieber Krank, und es ist vorzüglich um Euch zu mahnen daß ich Schreibe. den Tiedemann und seine Frau grüßt herzlich, ich gratuliere beiden zu dem neuen Ankömmling. An Goethe hab einen Brief von 3½ Bogen geschrieben, voll Zärtlichkeiten, sein Brief ist aber auch so lieb, Ihr habt keine Idee davon, ganz anders wie die vorigen er nent mich Du, und ist ganz geschrieben als wie er mit mir sprach. Bettine Wenn Cristian kömmt, hier Durch, dann komm ich mit ihm nach Landshut, und bring den Brief mit. An Herrn von Savignÿ abzugeben im Jonerischen Hause Landshuth
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 15. März 1809, Mittwoch
Ich muß Euch immer Dancken für eure freundliche Lieb und Sorgfalt, die Ihr mir (ich kanns nicht anders sagen) noch bei jeder Gelegenheit bewiesen habt, auch werd ich gewiß auf Euch stets am sichersten bauen, ich versichre Euch, daß ich noch mit andrer Lieb; als blos mit schwesterlicher Euch zugethan bin. Du must nicht denken Gundel daß ich einen Mißbrauch von der Gelegenheit hier seyn zu können (der Musick wegen) mache, im Gegentheil da ich weiß wie leicht Menschen von mir sprechen selbst wenn ich ganz unschuldig bin so nehme ich mich hier, in einem fremden Ort mehr in Acht, als irgendwo, seit Savigny hier war bin ich noch nicht aus dem Hauße gekommen, weder ins Concert noch ins Theater noch zu Jacobi, zu Tieck ging ich alle Tage eine halbe Stunde um 4 oder 5 Uhr, jezt auch nicht mehr so oft, die langen Abende war ich allein in meinem Zimmer um zu Singen oder Generalbaß zu studieren, selbst zu Moys gehe ich nicht ins Zimmer wenn Leute bei ihr sind. wenn man wiedersagt was ich mit dem Krohnprin653
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zen gesprochen habe, so ist dieß meine Schuld nicht, er ist harthörig und ich habe müssen unter einem haufen Menschen mit ihm sprechen die mich zum theil mißverstanden haben mögen und nach Gutdünken wieder erzehlt. darum lasse ich mir also kein graues Haar wachsen der Kr:p: ist mir der sicherste Bürge daß mein Betragen gegen ihn nie unanständig war ich war freilich nicht in Verlegenheit, sondern hab ruhig und selbst gescheut mit ihm gesprochen. was ich thue und spreche ist auffallend, sagt die Gundel, ich kann Euch sagen daß ich hier noch mit keiner seele ausgenommen Stadion ernstlich gesprochen habe und niemand sehe; also seid über den Abus dieses Talents sicher. aber um Euch doch zu beweisen wie man nothwendig in Geträtsch kommen muß, auch wenn man gar keine Gelegenheit dazu giebt, und wie es nie auf Uns sondern nur auf andre ankömmt; so muß ich dir sagen lieber Savigny daß ich vor mehr als 3 Wochen einen zimlichen Verdruß wegen dir ausgestanden habe, wo ich länger denn anderthalb Stunden weinen müssen, der launige Rumohr kam zu mir, mir die hartesten Sachen zu sagen besonders über Dich, Du habest ihn behandelt wie eine alte Frau seyst der Parthei süchtigste Mensch, von dem niedertrachtigen Jacobi | eingenommen, gegen Langers habest Du mit Frechheit und Grobheit gesprochen und gehandelt du seyst auf dem Ball mit ihm (rumohr) umgegangen wie mit einem Wickelkind er hab sich vor allen um stehenden geschämt pp: also sag’: wo ist man in der Welt sicher vor Geschwäz? und glaubt nicht, daß ich an irgend etwas schuld bin was von mir gesagt wird, sondern die Unthatigkeit der Menschen und ihr Neid und Vorwiz. so hättet ihr mir nicht Melinens Brief schicken sollen er hat mir gewaltig böß Blut gemacht, erstens wegen, dem was mich Sömmering beschuldigt ich hab auf Auguste geschimpft das ist war, ich hab sie weder eine Kanaille noch Vettel geheißen, übrigens hat er den Bericht ganz falsch gemacht, denn sie hat weder Gift genommen noch ein Brechmittel von ihm es ist bloß Boßheit von ihm daß ich ihn nicht zuerst gerufen hatte, er spricht mit zwei Zungen, was mir am leidesten thut, ist, daß die in Frankfurt glauben, ich hätte mich unedel | betragen können, Stadion ist mein Zeuge in allem und selbst Sömmering muß es sein wenn ich will, denn er hat mir gesagt er habe einen wahren respect vor mir so brav hätte ich mich benommen ich wollt Ihr schriebt der Meline, daß ihre sorge um mich nicht gegründet ist, da ich in die Sache gar nicht verwickelt bin, und nach dem Rath von Stadion da ich einmal ihr einen Artzt und ein Mädgen zur Bedienung geschickt hatte gar mich nicht mehr um die Sache bekümmerte. 654
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Stadion ist heute Morgen nach Wien, er war gestern noch bei mir, und sehr gerührt er drückte mich an sein Herz mehr mal und küßte mir Hand und Stirn versicherte mich seiner innigsten Theilnahme und Freundschaft er sagte mir daß er mich wahrhaft achte und nicht gern ganz von mir getrennt seyn möge deßwegen bitte er, ich soll ihm von Zeit zu Zeit schreiben. also siehst du daß Menschen von wahrem Werth mich in | Schuz nehmen, und schlechte allein mir nicht gut sind, ich dencke dieß ist Euch genug für mein Wohl. Stadion grüßt und umarmt Euch herzlich. Die Sachen für Clemens kann ich erst in ein paar Tagen besorgen, Friedricke ist kranck und ich kann mich nicht bewegen um etwas zu besorgen Kriegsnachrichten, die herrlichsten eine Milion Menschen auf den Beinen 〈〈A〉〉ll〈〈e〉〉s glüht in Wien im stolzesten Feuer der Kaiser 3 Mal hunderttausend in Boehmen, Herzog Carl eben so viel in Galizien, H: Johann in Italien Ferdinant hier, ungarische regimenter auf eigne Kosten entstanden pp: Bettine An Herrn Baron von Savigny abzugeben im Jonerschen Hauße Landshuth
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*533. An Meline Brentano in Frankfurt München, 16., 17. oder 18. März 1809, Donnerstag–Sonnabend B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, München, 19. März 1809:
Der Meline hab ich geschrieben, sehr gelassen ihr versichernd daß ich glaubte meine Schuldigkeit gethan zu haben und mehr, daß ich nach dem Rath von Gr: Stadion gehandelt habe und daß ich mich nur rechtfertig um der Geschwister G: F: T: M: an deren Achtung mir 〈〈xxx lie〉〉ge. (Nr. 537,18-23.) Meline Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Frankfurt, 24. März 1809:
Bettine hat mir selbst geschrieben, und ist in den Augen unserer Familie ganz gerechtfertigt (H: SPK/NS 104/13). 655
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Meline Brentano an B, Frankfurt, 23. Juni 1809: Daß ich deinen Brief erst Heute beantworte, ist keine Nachläßigkeit noch Kälte gegen deine herzliche Äuserungen. 〈…〉 daß ich dir 〈…〉 recht von Herzen sagen kann wie mich dein Brief erfreut und gerührt hat. Ich fühle, wie du, daß wir uns beyde sehr nahe sind, wenn wir schon im Täglichen Umgang nicht immer zusammen passen. 〈…〉 Du bist sehr gut, indem du sagst mein Mitdirseyn, könne dir nützen 〈…〉 Nach deinem Brief zu urtheilen hälst du mich für sehr Melancholisch 〈…〉 Versauern, wie du glaubst, kann ich auch nicht hier (Nr. 586,2-24+58).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 16. März 1809, Donnerstag
Berlin d* 16 März, 9. Arme gequälte Bettine! Die Begebenheiten, die mir Dein letzter Brief gedrängt erzählt, hatte mir Savigny ein Paar Tage früher berichtet, du hast wohl aus Versehen zum Priester geschickt für Augusten, ich hätte einen Henkersknecht mit einer Karbatsche kommen lassen, die Sache wär sicher schnell beendigt. Ich hoffe Bettmann wird sich überzeugen, was er mir ableugnete, so wie die Jordis, daß für beyde die Trennung nicht blos das Beste, sondern das einzig Mögliche sey, wenn er nicht noch tausend Skandale für sein hohes Haus miterleiden will. Es thut mir nur Leid, daß sie sich nicht scheintodt gestellt hat, da hätte man allerley fürchterliche Mittel, ungeheure elektrische Ladungen, Brennen unter der Nase, Blasenpflaster angewendet, vielleicht wäre ihr der Teufel ausgefahren. Ich habe als Kind ein verruchtes Buch gelesen, Lottchens Reise nach dem Zuchthause, das fällt mir oft bey ihr ein, sie kann es noch weit bringen. Wunderlich denk ich es mir in München, wo jedermann nach der Oesterreichischen Grenze sieht, wenn da auf einmal so ein wüthendendes Frauenzimmer auftrit und immer von sich spricht und von ihrem Gifte und alle Aerzte der Stadt zusammenlaufen müssen und denken, daß sie bald mit halb so vieler Mühe ein Dutzend brave Leute verbinden und herstellen können, es ist doch unendlich dumm, wer sich in jeziger Zeit das Leben nimmt, da so viel Gelegenheit ist, drum zu kommen. Sorg für Dich, liebes Kind, wenns durch die Stadt trommelt, vielleicht wäre es doch besser, Du wärst in Frankfurt geblieben; ich muß Dir jezt bekennen, daß ich damals, wo 656
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Du so ernsthaft davon sprachest, wie nothwendig und nützlich Du Savignys bei ihrem Winterhaushalte in Landshut seyn wolltest, voraus nie daran geglaubt habe und daß es mir recht leid that, daß ich durch deine Abreise einige Tage Deiner Gesellschaft beraubt wurde, die ich noch in Frankfurt zubringen wollte. Noch wegen einer andern Angelegenheit ist es mir leid, daß du nicht in Frankfurt bist; Louise Reichardt, will um ihre Familie unterstützen zu können, nach irgend einem Orte ziehen und Singunterricht zu geben, hätte ich irgend etwas über meine dringendste Nothdurft, so suchte ich diesen gute Leuten zu helfen, es ist aber diese Bestimmung ihren Neigungen und Beschäftigungen angemessen, ich möchte es ihr möglichst erleichtern. Hier ist nichts für sie zu machen in diesem Jahre, es denkt kein Mensch ans Singen, viel weniger Geld dafür zu geben, nun hat sie Clemens auf Frankfurt sehr aufmerksam gemacht, ich meine selbst daß sie an guter Methode und Kenntniß die Singmeister dort übertrift. Weist Du niemand, bey dem sie dort wohnen könnte, wem Du sie empfehlen möchtest, schreib mir darüber, kann sie wohl 2 fl für die Stunde fordern? Sie spielt Guitarre Laute Clavier mit Fertigkeit. – Ich küß Dich im Bilde, Arnim. An Fräulein Bettine Brentano
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〈Savigny:〉 bey Madam Moy in der Rosengasse wohnhaft zu München.
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 19. März 1809, Sonntag
Gott sey gelobt und gebenedeit, einen lieben sehr freundlichen Brief von Dir, hab ich in Händen du bist gesund, daß ist es was ich vom Himmel begehrte und mein Wunsch ist mir erfüllt. indessen ist es doch sonderbar, daß Briefe die ich schon vor länger als 3 Wochen und mein Portrait daß ich schon vor 4 Wochen abgeschickt habe, noch nicht soll angekommen seyn. es würde mir sehr sehr leid thun, wenn deine Freude, die mich innigst rührt, zu Wasser würde, und dem Bild unterwegs ein Unglück zugestoßen wäre, auch über den Brief worin du mir die Tieckische Papiere schickst hab ich dir schon länger als 14 Tage geantwortet, gleich nach dem Emfang desselben. was Du über Tieck schreibst, ist gerecht, und mehr als gerecht, darüber sprechen wir ein Mal zu Fuß neben einander. Graf Stadion Kaiserlicher Gesandter, von dem ich dir schon in andern Briefen gesprochen habe hat um Ursachen des auszubrechenden Kriegs, München verlassen seine Freundschaft hatte mein Leben geschmückt und ausgeziert, ich habe ihm zulieb manches gethan und unterlassen wie er es besser fand, er war recht gegen mich wie ein Vater gegen sein Kind ist da er Abschied von mir nahm bewieß er mir den wahrsten Antheil an meinem Schicksal, und da hab ich | empfunden was der Vater seinem Kind sagen mag wenn er es in der Welt allein lassen muß, Du glaubst nicht, wie wohl das einem thut. wenn man von der Früh bis Späth, in der Fremde allein in seinem Zimmer sizt, wenn dann das Licht Abends kommt, die Vorhänge zu gemacht werden, und endlich durch die Ankunft, eines Freundes, alles freundlich, ruhig, belebt wird. ich erinnere mich seiner da ich 3 Jahr alt war, er war oft bei meiner Mutter, wenn ich im Zimmer war, sezte er mich auf seinen Fuß, und schauckelte mich in die Luft, der Mann ist Geistlich, must du wissen, während ich keinen Brief von Dir hatte, war ich niedergeschlagen, selbst Kranck must du wissen es sterben rund um mich her so viele Menschen junge, das macht traurig, man sieht die trostlose Eltern, man geht in die Kirche die Seelenämter zu hören ganz schwarze Wolken zogen sich durch mein Gehirn, der arme alte Winter muste viel von meinem üblen Humor leiden, du glaubst nicht wie viel Einfluß dieß alles auf meinen Gesang hat, gestern, weil ich deinen Brief hatte ging alles gut von Stadten; auch Savigny und Gundel waren sehr besorgt um dich 658
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ich hatte sie mit meiner Furcht angesteckt. meine Kammerdoncella hat das Fieber ich schürze alle Morgen mein Röckelein auf, nehme den Besen und kehre das Zimmer aus, an der Thür^schwelle ist ein Mäuseloch, was ich nicht drüber hinauskehren kann wird all da hinein gestopft nach her gehe ich in die Küche koche mir eine Suppe, das hab ich gelernt, dann schreib ich mittler^weile an Savigny oder auch Generalbaß. um 11 Uhr ist meine Supe fertig, Winter kömmt kurigiert mir was ich geschrieben habe, und ich esse, dann singen wir bis 1 Uhr nach Tisch wird Clavier gespielt bis 4 Uhr, dann wird geschrieben an dich oder an andre, um 5 zu Tieck, um 6 schon wieder zu Hauße, und wieder etwas gesungen, und so alle Tage, indessen bin ich viel gesunder als seit langer Zeit, einen Husten hab ich gehabt, der ist schon wieder vor^bei; ins Theater gehe ich nur Sonntags. Grimm ist recht wacker, sein Lehrer und wirklich ernstlicher Freund, (wie er wohl nie wieder einen ahnlichen haben wird) Hess, ist sehr zufrieden mit ihm, bis jezt zeichnet und radiert er nach Oelgemälden, jezt erst fängt er an in Oel zu malen, da die Tage etwas länger werden die Kupferplatte bekömmst du in wenig Tagen schicke ich sie ab. viele politische Neuigkeiten Treiben sich hier im Lande herum, die einem oft das Herz zittern machen für Hoffnung und wieder aus Furcht, indessen hat Baiern weniger vom Krieg zu fürchten (wenn es dazu kömmt) da es wahrscheinlich von beiden Seiten überflügelt würde und keine Scene hier sein würde von Humbolds Sohn von Dem Du mir schreibst, hab ich gehört daß er Durchaus verderbt und sehr leicht, zum heimlichen Verderben anderer Kinder beitrüge, und dieß für gewiß, obs Wahr ist weiß ich nicht, und glaubs auch lieber nicht, doch wünschte ich, Du machtest Den Oncle dem ich die Hand küße darauf aufmerksam. Jawohl ein alter Krieger kann nie seines Ruhms vergessen wenn er Narben hat, jede Jahrszeit erinnert ihn mit Schmerz an die Wunde und diese wieder mit Freude an Den Lorbeer pp: Du aber wenn Du deinen Schmerzen treu bleibst so bleib es auch deinen Freuden, und wenn die Betrübniß dir die Feder aus der Hand schlägt so laß die Fröhlichkeit sie wieder aufheben, und schreib mir, nur will ich wissen ob Du gesund bist, dann kann ich schon leicht athmen. in Franckfurth machen sie schon wieder Köllner reise projeckte | dießmal wollen Meline und Tonie den Rhein herunter, ach wär ich auch dabei!! Ach wär ich dabei, ja wenn ich ans Reisen denke da brechen alle Stricke der lezte lebendige Abend mit herrlichen heisen Farben war in einem Thal in einem Tannen^wald der sich oft lichtete zwischen Nürnberg und Regensburg. da659
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mals war ich recht betrübt daß du mich verlassen hattest, wir gingen zu Fuße Savigny war entzückt, über die Herrlichkeit der Gegend, von weitem sahen wir ganz nebligt die Donau, es wurden Kanonen daran gelöst wegen einem Feste, wir sahen die Blize durch schimmern; Savigny rief uns immer zu wie herrlich! – aber ich sage Dir, ich hatte den Kopf gesenckt um deinet^willen weil du nicht mit dabei warst, und sprach auch kein Wort. es ist so gütig von Dir das Du vom Wieder^sehen sprichst, so lieb; was soll ich anders in der Welt hoffen? was kann mir gewisser wahr werden? und was kann mich mehr mit Freude erfüllen? Adieu Deine d* 19ten Merz. Bettine 3v
Monsieur le Baron Achim de Arnim bei Fr: v: Labes Viereck Nr: 4 Berlin
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 19. März 1809, Sonntag
Gott sey gelobt 〈〈und〉〉 gebenedeit, der Mensch lebt noch, und ist ganz frisch und gesund; seine Addresse ist noch immer die nehmliche, jezt erst kann ich Euch sagen daß ich wahrhaft, um diß Stillschweigen gelitten habe ich glaube gewiß daß wenn ich so bald keinen Brief erhalten hätte, ich wäre Kranck geworden ich war schon so reizbar daß ich mich mit jedem sogar mit dem Moy über den mindesten Spaß der mir nicht behagte, ganz erzürnte, sogar der alte Winter der gedultigste aller Menschen hat von meiner Laune zu leiden gehabt, ja da ich Euern vorhergehenden Brief mit der Papiercomission, in der Hoffnung erbrach einen von Arnim zu finden so hab ich wircklich ein kleines Fieber bekommen wenn es grade nicht in der Zeit wäre wo rund um mich so viele junge Leute sterben, so würde es mich nicht so geängstigt haben, mein Portrait und 3 meiner Briefe hat Arnim noch nicht, obschon sie über 4 Wochen unterwegs sind. Das Papier ist unterwegs Friedericke hat ein Schleimfieber, ist auf starker Besserung gestern war ich bei Jacobis; einen schwarzen Überrock hab ich mir machen lassen; Goethes Brief ist noch immer mein Trost, meine Er660
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quickung, von Graf Stadion hat es mir heute Nacht getraumt. Der Meline hab ich geschrieben, sehr gelassen ihr versichernd | daß ich glaubte meine Schuldigkeit gethan zu haben und mehr, daß ich nach dem Rath von Gr: Stadion gehandelt habe und daß ich mich nur rechtfertig um der Geschwister G: F: T: M: an deren Achtung mir 〈〈xxx lie〉〉ge. Sie
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An Herrn Professor Savigny abzugeben Jonerischen Hauße Landshuth
*538. Von Friedrich Carl von Savigny nach München Landshut, 20., 21. oder 22. März 1809, Montag–Mittwoch B an Friedrich Carl von Savigny, 23. März 1809:
Es thut mir herzlich leid lieber Alter daß ich Dir in deinen Aufträgen nicht willfahren kann so schnell als Du es wünschest (Nr. 539,1-2).
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 23. März 1809, Donnerstag
Es thut mir herzlich leid lieber Alter daß ich Dir in deinen Aufträgen nicht willfahren kann so schnell als Du es wünschest, kein Geld hab ich um den Schreiner zu bezahlen denn ich hab manches auslegen müßen für Clemens, wovon ich dir die Rechnung schicken werde, dann für Auguste welches sie auch bezahlen soll um eine Erinnerung zu haben das Böse Streiche auch Geld kosten nehmlich die Visiten von D: Harz, ungefehr eine halbe Carolin, und eine Bouteille Essig a 4 Voleurs für 3–4 f:, die Moys in diesem Moment auch kein Geld; meine Friederick liegt schon seit 8 Tagen im Bett, sie hat das Schleimfieber, sage der Auguste ihre Comission sei erst am Mitwoch Abend angekommen der Bothe gehe erst am Freitag ab, und so würde sie die Liquers pp erst am Samstag erhalten haben, welches Moy nicht riskiren wollen da sie es ausdrücklich am Freitag begehrt habe Clemens Sachen sind unterwegs 661
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Moy gesund und Schwanger; glaub die Bernhardie ist etwas intriquien voll, Canailleus und wird Mühe kosten wegen dem Geld, dann 〈〈r〉〉athe ich aber ohne alle Rücksicht zu verfahren. Bettine 1v
An Herrn Geheimen Rath von Savigny abzugeben im Jonerischen Hause in Landshuth
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 24. oder 25. März 1809, Freitag oder Sonnabend
Arnim hat mir einen sehr treuen freundlichen Brief geschrieben er will, daß wir uns alle auf sein Gut flüchten wenn der Krieg hier zu Arg wird; vorgestern ist eine Arme Bürgers Frau aus Wien hier angekommen ihr Sohn ist hier Uhr machers geselle sie hatte die Reise gemacht um diesen per extrapost nach Wien zu holen daß er soldat würde, oder, wenn er nicht wolle ihn auf der Stelle zu enterben; Gott sey ihnen gnädig. meine Friedericke wird bis Morgen ausgehen Dürfen sie hatte ein Schleimfiber dann muß ich den Arzt der alle Tage 2 mal kam bezahlen, auch den Winter für den Monat März. dann auch einen italienischen Sprachmeister, pp, heute ist’s zu späth dir alle Rechnungen zu schicken, eingelegte für Clemens, und die andre von Moy’s. – Moy sagt mir daß er hier keinen Menschen wisse wegen der Angelegenheit von Tieck, daß alle Advokaten und Nichtadvokaten dumm und sehr Geld gierig seyen, er selbst hat für seine Angelegenheit, einen Besten nach seiner Einsicht genommen, und ist von ihm betrogen und überfordert worden. beygelegtes Muster ohne Werth, ist ein Beweiß meiner Affecktion für den Alten und kann Dir daher von großem Werth sein; denn er kostet auch 5 fl: nehmlich von einer armen Frau gekauft. bis den 4ten Aprill ist mein Geburtstag, du wirst mir doch mit ein paar freundlichen Worten gratulieren? – es fliegt oft eine Wurst in der Luft herum und Trifft die Speckseite nicht, sondern fallt in Koth, besonders wenn der Speck so rar ist wie jezt. aber mein Beutel wird in deine Hand fallen 662
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und dieß ist kein Koth. Adieu ihr lieben Geschwister ich bin recht froh daß endlich das Arme Landshut von der Auguste entsezt ist. Bettine
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 25. März 1809, Sonnabend
d 25 Merz. Wärest Du Doch hier! so nah, dem Enthusiasmus eines Volkes daß nach langem ermatten wieder sich fühlt, schlägt einem das Herz oft sonderbar; manchmal scheints als wollte ein ersterbendes Licht, wieder mit mächtiger Kraft in Flammen ausbrechen, Gott gebe Seegen; mögte doch alles Gedeihen des Frühlings in das Gedeihen des Muths und der Liebe des Vaterlands übergehen pp: wenn ich in die Kirche gehe und es wird ein prächtiges Oratorium über mir angestimmt mit Pauken und Trompeten; dann gehen mir oft die Augen über, vor Eifer; ach und ich meine, weil ich bete so müste wohl alles gut gehen; – Monarque qui ne releve que de Dieu et de son epée, hats bei Carl dem großen, bei Otho, bei den Heinrichs, geheisen. Deine Freude war groß über mein Bild, ich seh es deinem Brief an der bei 14 Tagen auf seiner Reiße war, und sehr fatigiert und aufgerieben bei mir ankam, indessen sind die Worte Deiner treuen Anhänglichkeit und Freundschaft, ganz unbeschädigt geblieben, mir sogleich mit aller Macht ins Herz gedrungen wo sie kein Ungemach, keine Noth, kein Sturm und Gewitter loßreißen wird, nimmer, nimmermehr. Arnim! warum machst du Dir Vorwürfe über das was Du thust, und nicht thust, bist Du nicht, was du bist, mit Leib und Seele willst Du daß Gott zwei Seelen in Deinen Leib gebe | von dir sagt sichs, il ne relève que de Dieu et de la Poesie, ein Dichter lieber Arnim, ergiebt sich in den Schuz Gottes, und in die Würde seines Schicksals, er fragt nicht, thust Du recht, Thust du unrecht oder besser, es ist unter seiner Würde ein Ruder zu nehmen oder ein Seegel, um seine Bahn zu leiten, er weiß ja daß sein Lied, ihn über den Stürmischsten Wellen trägt, und ihm die Ufer herbei lockt, die er betreten will, ein Dichter ist am reichsten in der Armuth, und hier beweist er recht, das Armuth ein Laster ist, daß nur die Unwürdigen packt. sein edler Sinn wird nie davon befleckt. Warum solltest Du wohl gegen deine Neigung eine Anstellung anneh663
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men ja wohl würde es nuzlos seyn, wer dich nicht vernehmen kann, nicht will, wenn der Geist Gottes und seiner Herrlichkeit aus dir spricht, wird er dich vernehmen, wenn Du in dem Sinn der Welt die jezt so elend durch ihren Sinn geworden, sprichst? vielleicht ja! allein Du! was für eine Schuld wird dich ängstigen; ewig kräncken; Ach und lieber lieber Arnim, Poesie ist wahrlich das sicherste Gegengifft gegen alle Kranckheit, jeziger Zeit. mein guter Arnim laß Dich nicht irren, Du bist so mit ganzer Seele – nicht wahr? – und Goethe lockt Dich wie Der Sonnen Strahl die Blüthe lockt, gelt | so kann sichs nicht mehr ändern, ich kann Dir nicht sagen wie Diese Worte von Dir mich rühren, wo Du sagst, daß Millionen unsichtbarer Fäden dich festhalten, dich nie mehr freylassen würden, also bist Du Ihr gefangener der heiligsten aller Künste, die nur das Reinste Herz aufnimt, wie muß ich Dich ehren, wie lieben. Der Krohnprinz ist ein guter lieber Mensch, ich habe Gedichte von ihm gesehen die er mit 20 Jahr gemacht hat ungehobelt, aber voll Feuer, er liebt den Schiller und würde sich scheuen ihn zu Tadlen auch da sein Urtheil jezt reifer geworden, weil er ihn in frühren Jahren begeistert hat, und machts nicht wie Tieck, der sagt,: »ja wie ich 13 Jahr alt war, da fand ich den Wilhelm Meister, den Göz, Werther, pp: schön, aber nicht umsonst hab ich gelernt mich und die Welt und ihre Wercke verstehen, jezt da ich das Urtheil habe zu critizieren, warum sollte ich mich dessen nicht bedienen« ich glaube Du würdest Sehr gut Freund mit dem Krohnprinzen werden, so unschuldig ist er, so fähig daher, dich und deine Dichtungen zu verstehen. Die Auguste ist von Landshuth weg, wieder nach Allendorf mit Bewilligung ihrer Familie, diese ist jezt auf einer ganz herrlichen Meinung, sie will alles dazu beitragen die Scheidung zu befördern, Savignys sind wohl die Kinder auch, Kristian wird Täglich erwartet, mit diesem | gehe ich wahrscheinlich auf einige Zeit nach Landshut, mein Gesang verbessert sich mir zusehends, dieß macht mich manchmal so froh, recht aus dem tiefsten Herzen der Umfang der Kunst ist nicht zu übersehen, da ich nun täglich mehr eringe so meine ich mit der Zeit könnte mich wohl mein Gesang in den Lüften tragen, wie Die Vögel könnte ich durch die Wolken schießen, mich ins Grüne Laub laagern, (was doch von jeher mein Vergnügen war) und könnte damit hin wo ich wollte, Arnim wenn noch eine Zeit lang herum ist, dann wollen wir mit einander fort in die Welt, nach Italien und wollen Singen und Dichten, ach wenn nur Gott seinen Seegen giebt, wenn er meine Mühe 664
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nur gedeihen läst. Es ist sonderbar, daß wir beide Durch Zufall grade um die^selbe Zeit wahrscheinlich eins und dasselbe treiben Du sizest oft bei meinem Bild,? nun wohl Clemens hat hier dein Bild restaurieren lassen, ich hab es ungefehr seit 8 Tagen auf meinem Zimmer, Abends stell ichs in Schatten aufs Kanapee und plaudre mit ihm du antwortest mir durch Zeichen bald freundlich bald still, ernst, p: wenn ich singe sehe ich durch denn Spiegel wie Du mir ernsthaft zuhörst, dieß erhöht meinen Enthusiasmuß, zuweilen macht es mich auch den Tackt versäumen; und weil du denn | so frei warst mich im Bild zu küssen, so erlaub daß ich es auch bin, auf deinen Mund, auf die Stirn, auf die kurzen wolligen Haare, die Du dir auch auf dem Bild selbst geschnitten zu haben scheinst. der Alte Winter hat sich bei demselben, deiner wieder vollig erinnert, er sagte mir daß Du sehr verliebt in die Crassini gewesen er habe Dich desswegen nicht leiden können. die Platte von Grimm bekömst du recht bald. er grüßt Dich herzlich. ich lege dir einige Rosenblätter bei die ich in meiner Stube gezogen habe. Adieu Du! du lieber Arnim. Bettine
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wegen dem Krieg mache Dir durchaus keine Sorgen über Uns, Baiern wird, allem Anschein nach kein Schauplaz desselben werden, übrigens ist Gundel so furchtsam, daß sie gewiß bei der geringsten Idee von Gefahr aus dem Felde rücken wird, vielleicht nehmen wir Dich dann bei dem Wort, und kommen wie eine Zigeuner Horde auf dein Gut. höre betrachte mein Bild zuweilen nicht, legs als ein paar Tage in die Schublade, damits neu bleibt, und eben so werth wie im ersten Augenblick, und dich zu gefährlicher Zeit zerstreuen möge. An Herrn Baron, Achim von Arnim abzugeben bei Fr: von Labes Viereck Nr. 4 Berlin
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 25. März 1809, Sonnabend
Berlin d* 25 März 9. Liebe B! Es ist sehr tückisch von der Krankheit, daß sie Dir gerade Deine schöne Freude am Gesange verkümmert, ich bin gewiß, wenn Du gerade leidenschaftlich tanztest, Du bekämest einen bösen Fuß, ich kenne das recht gut, so oft ich im rechten Zuge einer erfreulichen Arbeit gewesen, hat mir immer der Teufel so einen Stock zwischen die Beine geworfen, der mich wenigstens aufgehalten, wenn ich nicht gefallen bin. Ich hoffe Du bist ganz hergestellt, ehe mein Mitleid zu Dir kommt, da Du eine blosse Pilgerin in Bayern, so werden Dir die Krankheiten nichts anhaben, welche die Nationalsünden darüber verhängt haben. Deine Besorgnisse für mich kann ich aufrichtig beruhigen, einige Schmerzen in dem zerstossenen Beine abgerechnet, worin wahrscheinlich die Winterreise einigen Frost eingeschmuggelt, bin ich selbst von der gewohnten kleinen Winterbeschwerde, vom Schnupfen ganz frey geblieben, es ist als wenn sich in mancherley Sorge der Krankheitsstoff der zerstörenden Natur auswittern läst. Was hilfts Dir, daß ich zu diesen Sorgen auch Deine Enfernung rechne, vielmehr schadets, da Du mir die Zukunft kalt ohne Liebe und Freundschaft schilderst; so endet keines tüchtigen Menschen Leben, laß mir die Ueberzeugung, daß ich nicht zu den schlechtesten gehöre. Einen wunderlichen Brief erhielt ich gestern von der Mutter Schwink als Antwort auf mein Glückwünschungsschreiben zur Verlobung ihrer Tochter, worin ich ihr auch die Neige meines Schmerzes nicht vorenthalten hatte, so wie ich mit vollem Becher einst an ihr Herz angestossen, daß es mir wie Erz und Stein erklungen ist, es ist bey vieler Güte eine harte Natur. Da schrieb sie mir, wie sie bey meinem Briefe mit einiger Traurigkeit eingeschlafen, da hätte ihr geträumt, wie ich in Verzweiflung in ihr Zimmer gestürzt, mich bey ihrem Stuhle niedergeworfen und | wie sie mir die Backen gestreichelt um mich zu trösten, aber da wäre ihre Tochter lustig hereingetreten, habe mir einen Spiegel vorgehalten, worin ein Mädchen abgebildet, das mit kleinen weissen Rosen auf dem Kopfe, mit einer Bernsteinkette um den Hals geschmückt gewesen, das mich freundlich gewinckt, und sie hätte mich bald gesehen, wie ich der die Hand gedrückt und sie alle drüber vergessen. Als sie aufgewacht, habe ihr kleinstes Kind an der Stelle gelegen, wo ich gesessen und Auguste vor 666
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ihr gestanden. – Ich kann solche Fabrickträume im wirklichen Lebensumgange der Menschen nicht leiden, was ist denn ein Traum, wenn er nicht einmal wirklich ist, sie giebt noch einige Aehnlichkeiten dieses Mädchens mit Dir an, nämlich ein Mädchen in Königsberg, das Dir in etwas für den rohen Anblick geglichen, es ist zu deutlich, daß Du ihr von irgend einem Durchreisenden beschrieben bist, ich habe Dich ihr wohl oft als meine beste Freundin genannt, aber von solchen Wahrzeichen wie die Bernsteinkette nie etwas erwähnt. Die kleinen weissen Rosen erinnern mich an Schlangenbad und da habe ich auf eine Mad. Abech gerathen, die aus Preussen dahin gegangen Dich vielleicht gesehen hat. Was aber weder die Abeg die Schwink, noch sonst jemand wissen konnten, ist das sonderbare Zusammentreffen mit Deinem Bilde, das ich etwa zwey Tage nach jenen Verlobungsnachrichten erhielt und das nun immer noch gar trostreich ist und voll guter Gesinnung. Du wirst inzwischen zwey oder drey Briefe von mir erhalten haben, da ich mir immer Gewalt anthue, nichts über die verzweiflungsvollen öffentlichen Angelegenheiten zu schreiben, während wir hier vor lauter Frieden absterben, noch weniger etwas Schmähendes über den Bestienhaufen von Franzosen zu sagen, so werden meine Briefe wohl ungestört zu Dir gelangen. Schill, von dem Du wenigstens etwas gehört haben wirst, so wenig die Zeitungen Dich im Allgemeinen unter ihren regelmässigen Lesern zählen, ist ein treflicher | unbefangener Mensch, ich seh ihn jezt fast täglich, seine Lebendigkeit läst noch viel erwarten, aber seine Wunden haben ihn geschwächt, er leidet sehr bey allem Wetterwechsel, er ist mit allen Kindern in der Stadt bekannt, das alte steife Militärvolk hat einen gründlichen Neid und Haß gegen ihn, der russische Keiser der Dutzende von unsern Offizieren Orden vertheilt, gab ihm keinen. Sonderbar ist es in ihm, daß er die Pferde mehr liebt als die Menschen, so lieb er auch seine Soldaten hat. Soll ich so^vieler Untergang wünschen, um Dich hier zu sehen, wahrlich, wenn ich viel bey der Weltregierung gelten thäte, ich würde manchmal in Verlegenheit seyn, doch giebt es auch wohl friedliche Wege, die uns zusammenführen, vielleicht zieht es Dich einmal zu Göthe, von dem es mich freut, daß er Dir endlich schriftlich ausgedrückt hat, was er mir mündlich so ganz herzlich versicherte. Er hatte sich vorgenommen, gewaltig fleissig zu seyn, da wird ihn inzwischen der Krieg wieder stören, es muß alles gestört werden, damit die ganze Welt ihre grausame Gefangenschaft fühlt, in der sie nicht ein667
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mal schlafen darf, sondern von den anschreienden Wachen zwischen Schlaf und Wachen mit zusinkenden Augen erhalten wird. Ich habe Dich in meinem letzten Briefe um einige Nachrichten gebeten von Frankfurt wegen Luise Reichardt, aber vergessen Dir das Geheimniß darüber aufzuerlegen, es ist bis jezt noch völlig ihr eigner Einfall, der Vater weiß nichts davon, dem es übrigens in Wien wohlergeht, da seine neukomponirte Oper Beyfall findet. Du hast mir so unbestimmt geschrieben von Deinen musikalischen Arbeiten, was hast du aufgeschrieben an neuen Compositionen? – Gott pflege Dein in Gesundheit, richt Dich in allem nach der Witterung nur nicht gegen mich, bleib mir immer heiter udgl Herzlich Dein Achim Arnim 2v
An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. H. u P. von Savigny Landshut in Bayern frey Leipzig
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 26. März 1809, Sonntag
Ich würde mir recht behagen lassen, wenn ganz unvermuthet Clemens bis den Donnerstag oder Freitag käme mich abzuholen, ich blieb denn bei Euch bis über die Feiertage, und käme dann geschwind wieder her, an meine Arbeit die mich jezt mehr als je interesirt, ich fürchte nur immer für so wenige Tage ist es Euch nicht der Mühe werth; allein da Winters engagement immer fort geht, und ich zahlen muß, ich mag lernen oder nicht, so darf ich nichts versäumen, hauptsächlich auch weil ich anfange Alt zu werden und noch nichts kann; Winter wohnt jezt im Garten ich muß alle Morgen um 5 Uhr aufstehen, eine halbe Stunde weit bis zu ihm um 6 Uhr Singen um 8te komm ich wieder in die Stadt, ihr kennt sehen wie sehr ich dran hänge, da mir dieß all nicht hart ankömmt. also wenn Ihr es bequem und der Mühe werth findet, so er668
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warte ich daß Ihr mich abholt, dieser Tage, wo nicht, so müßen ich und Ihr uns Gedulten Adieu lebt wohl. Bettine An Herrn Baron von Savigny abzugeben in Graf Joners Hauße Landshuth
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 1. April 1809, Sonnabend
Berlin d* 1 April 9 Dein Schweigen macht mich sehr unruhig, Du warst nach Deinem letzten Briefe nicht ganz wohl, alles ist in Eurer Gegend im Reisen begriffen. Schone Dich, ich bitte Dich, bleib gesund. Zuweilen täusche ich mich und meine Dich wohl gar auf dem Wege hieher mit Savigny. Von Savigny und Clemens erhalte ich kein Wort, jenem hatte ich doch manches Nothwendige geschrieben; beschäftigt euch Christian, hat er Euch auf die Böhmische Herrschaft geführt? Dein Bild sieht zu dem allen ganz unbekümmert aus, am Himmel wechseln Sonnenschein und Regen, alles ist, wie es der Monat fordert. Ungewiß, wo Du bleibst, weiß ich selbst nicht wohin ich ziehe und meine Wohnung aufschlage. Mir werden ein Paar hübsche Zimmer angebothen zu billiger Bedingung in Pistors Hause, ein Garten ist dabey; aber wenn ich so auf ein Jahr voraus denke, daß ich hier bleiben muß und von Euch allen nur ein Paar geschriebne Blätter haben soll!! – Mein Frohreich verläst mich in ein Paar Tagen, von meiner Seite aus Ersparniß, von seiner Seite, weil er einen kleinen Gartenbesitz dem Reisen vorzieht, es macht mir keinen Unterschied, als daß ich meine Briefe an Dich künftig selbst auf die Post trage, da bin ich noch gewisser, daß sie abgegeben werden. Allmälig verwickelt mich der Zufall hier in mehr Geselligkeit, als mir lieb ist, die letzten Wochen war ich meist den Spätabend von 10 Uhr an in einem gar artigen politischen Kreise bey einer Gräfin Voß, die heute abgereist, der von einer sogenannten eleganten Gesellschaft die aesthetische genannt wird, sehr lächerlich, wir haben fast immer von Saragossa und niemals von Schlegel oder Kotzebue gesprochen, ein Postwagen hat alle auseinander getrieben, die Würfel werden 669
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frisch umgeschüttelt und man macht wieder mit andern eine neue Nummer oder Niethe. Heute bekam ich eine Einladung Komödie zu spielen, dabey fällt mir ein, ist es wahr, daß Tieck Theaterdirecktor in Wien geworden? Schlegel, weist Du, ist im Kriegsbureau angestellt, statt der Recensionen wird er nun Bulletins schreiben; sein Bruder ist wieder fleissig und hat einen Richard aus dem Shakespeare auch eine Fortsetzung des spanischen Theaters hergeschickt. Es ist hier erstaunlich viel junge Schriftstellerwelt, so sehr ich sie vermeide, traf ich doch neulich damit zusammen, sie erzählten soviel Aneckdoten, daß ich den Schluckauf davon bekam. Sontags bin ich regelmässig in einer Abwechselung bei Pistors u Albertis, lese die Altigkeiten der | Literatur vor, mein Herz verlangt indessen gar sehr bey aller Geselligkeit sich zu erfrischen und ich fühle zuweilen mit dem Tannenhäuser die unerklärliche Sehnsucht nach den Gebürgen, besonders nach den kernfesten Felsen, mir ist hier der Boden zu weich, ich tret ihn wie gar nichts zusammen. Stallburgs Brünnchen hängt an einer Seite meines Zimmers, wohin ich so im Auf und Niederschreiten gerade treffe, du kennst doch das alte Blat von Hollar und du weist doch, wo wir zusammen hinaus gegangen, mache ich mir abwechselnd Gegenden, ich habe keine andre lustige Aussicht, als mir gegenüber eine Pension von kleinen Mädchen und auf demselben Hause ein Taubenschlag, wo die jungen Tauben täglich mit einer langen Stange und Fahne zurückgelockt werden. – Ich schreibe nicht mehr, denn es glänzt einmal wieder hell an den Fenstern gegenüber. Herzlich der Deine Achim Arnim. An Fräulein Bettine Brentano Abzugeben bey H. Pr. v Savigny Landshut fr Leipzig
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 5. April 1809, Mittwoch
Dieß eine thut mit recht leid, daß ich nicht in Franckfurth seyn kann wenn Luise Reichard hin^kömmt, ich hatte gern die Gelegenheit ergriffen meine Freundschaft für Dich, auch auf andre Menschen aus^zubreiten, indessen würde es mich mit ihr vielleicht gekränckt haben daß es ihr nicht so gut gehn würde, wie ich mit ihr wünsche. Franckfurth ist eigensinnig, ist übersezt mit Singmeistern die zwar alle sehr schlecht sind, aber deswegen auch keine Mühe im Lernen machen und sehr behagen. einen Aufenthalt für sie weiß ich gar nicht, bei den Geschwistern hab ich keinen Credit und es wäre genug daß ich sie recomandiere, um ein Vorurtheil gegen ihre Kunst zu erregen; auch können Diese in Hinsicht des Unterrichts ihr wenig Vortheil verschaffen da sie beinah mit niemand bekannt sind; sollte sie aber nach Franckfurth gehen so werde ich an Meline schreiben und an Tonie und diese bitten ihr eine freundliche Aufnahme im Hause zu verschaffen; und alles zu thun was sie befördern kann; der Preiß die Stunde zu 2 fl: ist nichts alle Dortigen Singmeister, selbst die besten nehmen nur 1 fl:, es müste denn seyn, daß man sie dann aus Luxus und nicht aus Einsicht ihrer Kunst befördere; so würde der höhere Preiß allenfals dazu auch etwas beitragen, doch ist dieß sehr dem Zufall unter^worfen. Cristian ist aus Böhmen angekommen und schon nach Franckfurth wegen Geschäften abgereist, gegen die Pfingstferien kömmt er wieder, dann Wird Savigny | wahrscheinlich mit uns eine kleine Reiße nach Bukowan machen; ich freu mich vielleicht führt uns der Zufall nach Carlsbad, wo Goethe sein wird. Gestern war mein Geburtstag da bin ich alt worden, ich sag dirs nicht wie Alt. von Schelling den ich beinah gar nicht kenne bekam ich einen Blumenstrauß, die Ehre fiel mir wie vom Himmel, wir haben Die Charwoche voll heiliger schöner Musick gehabt, ich hab sie recht genossen und rechne sie unter die vergnüglichsten meines Lebens, übrigens Einsam ganz einsam, keinen Freund keinen Menschen, nach dem ich mich umsehe, der Kronprinz war der einzige der mich interesierte, ist jezt auch fort, dieser scheint ein so edel Gemüth zu haben, in allem und jedem was er thut, daß sein Anblick ganz erquicklich ist, ich weiß nicht ob ich dir schon geschrieben habe, daß ich von seinen Gedichten gelesen habe, einfach beinah roh, aber ganz kräftig und wahrhaft, ein Gefühl daß sich kolossalisch an den Tag wälzt. Der alte Jacobi kann mich nicht austehen, doch hab ich ihm 671
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nichts gethan; ich lasse es gut seyn denn es fügt mein Glück nichts an, aber der arme Lew von dem Du Gedichte im Einsiedler hast, daß dieser (dem alle Proffesoren in Landshut daß Zeigniß eines sehr gescheuten fleisigen gelehrten Menschen geben) auch von den Launen dieses Menschens leiden muß, ist zu arg, mann hat ihn nehmlich für unfähig erklärt, je eine Stelle Baiern zu erhalten, es ist sehr kränckend, für ihn der | so echt bairisch gesinnt ist, er getraut sich nicht nach Hauße zu gehen weil seine Eltern die von dem Dummen Wesen keinen Begriff haben, ihn für schlecht halten könnten, daß Jacobi schuld dran ist, glaub ich gewiß denn er hat einen Haß auf alle und vielleicht ist die Erscheinung im Einsiedler auch Schuld, indessen hoff ich doch wird sich mit der Zeit alles noch ändern, wir haben jezt die betrübte Zeit einmal kömmt auch die fröhliche biß dahin leb so wohl als möglich und behalte mich in treuem Andenken Bettine An Herrn Baron Achim Arnim abzugeben bei Frau von Labes. Viereck No 4 Berlin
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 5. April 1809, Mittwoch
Cristian ist gestern um 5 Uhr angekommen und heute Morgen um 5 Uhr mit meinem Wagen fort. Du hast ihm Geld mitgegeben, aber keine Anweisung für mich, da ich doch den Winter bezahlen muß, und auser was Du mir von Clemens geschickt hast, nur 3 Bazen und einen großen Heller habe. meine Friederick ist erst seit 2 Tagen wieder auf den Beinen und ich habe noch nicht getraut sie so weit bis zum Schreiner in dem Bösen Wetter zu schicken, während ihrer Kranckheit hab ich sie von meinem eignen Geld ganz ernährt; ich bitte dich mir so bald als möglich Geld zu schicken. Rumohr ist fort, man weiß nicht wohin, ohne mich seit der Geschichte die ich dir erzehlt habe, wieder zu besuchen, ich hab ihm also die Schuld nicht abtragen können, Gestern auf meinem Geburtstag hab ich einen Blumenstrauß von Schelling erhalten, weiß nicht wie ers erfahren, noch wie ich zur Ehre gelange pp. 672
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ohnlängst hat Ruhmor seine geliehnen Möblen bei Tieck durch seinen zurückgelaßnen Bedienten fordern lassen, sie gaben die Möblen nicht zurück, sondern schimpften den Bedienten und Rumohr tüchtig aus und wollen sie behalten so lange sie hier sind, bei dieser Gelegenheit hab ich geahndet daß sie nächster Tag einpacken werden Cristian hat mit D’alarmi gesprochen der auch gleich Anstaldten getroffen sie zu verklagen, ich werde also heute mein blaues Wunder von Jammer hören. Also wollen wir zusamen nach Carlsbad über Bucowan nur Geld, nur Geld. mit meinem Singen geht’s immer tiefer in Texte Bettine An Herrn Baron von Savigny abzugeben im Jonerischen Hauße Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, zwischen 5. und 10. April 1809, Mittwoch und Montag
Die Schlappen und die Karte haben den Jacobi glücklich hier her gebracht, die Mamsell Krohnschaabel wird gleich neue machen, auch ich lasse mir eine ganze Armee neuer Schue machen, weil ich sie all in Landshut zertanzen will, man muß die schlechten Zeiten Treiben sonst gehen sie gar nicht vom Plaz und ich hab von einem berühmten Artzt gehört daß wie unter vielen Gegenmittlen für die Würme das Korsische Moos am besten befunden sey, so sey das Tanzen und lachen am besten gegen betrübte Zeiten. einen Schaden hab ich aber der ist nicht so leicht zu curieren und das ist, daß wir den Arnim nicht unter unseren Bäumen herumer führen Sollen schreib ihm doch noch einmal recht Dringend, Savigny, daß wir alle ihn bei uns wünschen vielleicht kömmt er, ich muß dir sagen daß wenn er nicht kömmt so holen wir ihn du und ich, das hab ich lezt geträumt und auch daß wir 6 wochen bei Goethe geblieben wären, der Dir so viel Freude gemacht hat, daß du mir zu Füßen fielst und mir hundert mal gedanckt, daß ich Dich zu dieser Reiße persuadiert ich aber die da hatte alles was ich wünschte, war ganz anders geworden, war überfüllt in Glückseeligkeit, ein segnender Thau Strömte von meinen Lippen, und alles was mir nahe war blühte. – jezt allons, wollen wir gehen, oder nicht? – gelt 673
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Alter in 8 Wochen; wenn Du mir schreibst. ja, so komme ich gleich und harre bei Dir aus, wenn wenn es auch noch länger dauert; wenn aber nein, so siehst | du mich deinen Lebtag nicht wieder, ich gehe dann, hinten um Baiern herum, und komme dann vorne wieder heraus, und leg mich hin, als ein Toder Mann, was aber das rührendste seyn wird so werde ich einen Tüchtigen Kazen pukel machen, und Du wirst dann den doppelten Verlust tief fühlen. – es scheint als ob Euch der Schwal gefalle, für das Geld, schreib mir darüber, denn wenn ihr ihn nicht behalten wollt so weiß ich jemand der gar noch 5 fl: mehr als er gekostet hat, dafür geben wollte, dieser wird ihn dann wohlfeiler gewiß auch nehmen. Adieu ich bin und verbleibe, Magd Ochs Esel Knecht, alles was sein ist, nur nicht sein Weib Herr Schwager, in unterthänigster Gewogenheit Euer geneigter Pudel von Brentano di Palazzo
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Berlin, 6. und 10. April 1809, Donnerstag und Montag
Berlin d* 6 April 9. Liebe Bettine! Zwey Briefe, die ich an einem Tage erhielt ungeachtet sie fünf Tage nacheinander geschrieben, haben meine Besorgnisse zerstreut, doch die Hast, zu der sie mich beym Erbrechen der Briefe anregten, hat mir einen sehr rohen Streich gespielt. Die Blätter, die Du sorgsam in Monaten auferzogen, fielen ungesehen hinaus, ich ging auf meine Schritte zurück, als ich sie drin erwähnt, aber der Kobold des Selbstversteckens, froh einmal etwas Gutes aufgefangen haben, hatte es längst in seine wunderbare Schatzkammer getragen, die viel wunderbarer seyn soll als alles, was der Meeresgrund verbirgt, zu der ich schon mancherley habe hergeben müssen, was ich lange nachher vermisst. Haben sich die zarten Blätter von Deinen Händen begossen von Deinem Gesange in ihrem ersten Blute durchbebt, von Deinen Lippen zerknallt, vor dem neuen Winter gefürchtet, der eben beginnt? Mir sind diese Schneeflocken ganz fremdartig und ich meine es sind geheime Briefe des Himmels, die in kleine Stücke zerrissen; ich hatte 674
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eine Wohnung in Pistors Hause gemiethet, um des Gartens froh zu werden und | jezt werde ich nicht einmal des ausgekälteten Zimmers froh. Ich wohne in den Zimmern, die Tiecks Frau bewohnt hatte, du aber bist täglich bey ihm; über mir schwebt an der Decke ein Amor, der ungeheuer in die Ferne zielt und ich muß diese Liebespfeile zwischen Tieck und seiner Frau durch dich überschicken, weil sie nicht so weit tragen wollen. Tieck hat neulich bey der Unterschrift des Dokuments seiner Frau kein Wort geschrieben, dagegen spricht sie wieder zu ihren Verwandten, als wenn sie gar nicht getrennt wären. Sie ist jezt wieder zurückgereist zu Burgsdorf, der sich diesen Winter verheirathet hat. Die Nähe von Pistors ist mir sehr werth, auch schon wegen mancher Besorgung, da ich meinen Frohreich abgeschafft habe und also ganz allein bin. Ein altes Weib eröffnet mir Morgens den Sonnenschein, giebt mir Wärme und Erquickung, Heitzung und Thee. Auch über mir wohnen Bekannte. Zwey Zimmer hab ich bis jezt zuviel, denn ich brauche nur eins, es war aber so wohlfeil, als würde nur das eine bezahlt. Ich freu mich der Maymorgen im Garten, der recht artig verwildert ist, seit Pistor seine Leidenschaft für Blumenzucht auf messingene Instrumente gewendet, die er jezt in grosser | Vollkommenheit macht. Den ersten May an diesem verrufenen Blocksbergtage soll ich in einer Comödie einen alten Liebhaber machen, ein Dr Wolfart aus Hanau ein alter Bekannter der Günterode hat sie aus dem französischen recht gewandt übersetzt, es sind zum Unglück gereimte Verse, worin jedes Vergessen auffällt, es wird mir erbärmlich gehen, doch macht mir der ganze Versuch einigen Spas. Vorigen Abend habe ich schon mit der ganzen Liebhaber^truppe heidnisch getobt, diese Art Lustigkeit ist doch nur hier zuhause, in ewiger Abwechselung von Spielen ging es von Musick zum blossen Lermen über wo jeder auf den Tisch mit den bloßen Ellenbogen schlug, mit den Füssen stampfte, jeder sein Lied besonders sang, die Bilder von den Karten ausschrie, Geschichten aus Worten zusammensetzte, vor allem war uns das Schicksal günstig in einem Spiele, wo der eine ein Gemälde, der andre eine Unterschrift giebt, doch ohne etwas davon zu wissen, leise in die Ohren, dann in einem andern, wo der eine in eine Verlegenheit gesetzt wird und der andre ihn heraus helfen muß, ohne zu wissen, welche es sei. Ich kam ziemlich spät nachhause und da ich in meiner | neuen Wohnung kein Feuerzeug finden konnte, so war ich froh meine Kleider im Zimmer umherzustreuen und schnell mein Bette zu finden. Es ist mit der Gewohnheit eigen, seit meinen ersten Jahren hat immer ir675
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Nr. 548
gend eine unglückselige Seele auf mich warten müssen, wenn ich lustig war, jezt komme ich allein ebenso weit. d* 10 April 9. Da war ich eine selige Stunde in Palermo (natürlich im Panorama) ich stand da im Klostergarten und sah über das blaue Meer nach Deutschland, wärst Du doch auch mit dort gewesen, es sah aus wie Dein Vaterland seyn müste und wir sehnten uns doch hinüber in Dein Mutterland und in mein Vaterland, Deutschland, aber es schmerzte nicht dieses Sehnen, es war nur wie eine nothwendige magnetische Richtung. Alles kam mir wieder in Sehnsucht und Erinnerung, der Rhein, wie wir ihn zusammen umirrt, Genua, Mailand, wie ich es einsam genossen, selbst der Luftstrom der Alpen strich mir aus den Bergschluchten bey Palermo entgegen, wie viel hat der Mensch und weiß es nicht, ein Blick in dies selige Thal ist schon soviel und tausende hab ich genossen und trage in mir, über denen die Sonne launig aufgeht, dies zeigt, jenes versteckt, vor allem grüsse ich dies, wo Du mir entgegen tritst und Du begegnest mir oft wo ich die rauschenden Wasser unter Felsen hinan gehe und ich trage Dich durch. Achim Arnim.
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 10. April 1809, Montag
Du bist mir schuldig lieber Savigny ein Capital von 20 Kreuzern, für überrest an bezahlten Nudlen, wenn du mir indessen die Zinsen richtig bezahlen willst, so laße ich mich auch noch bewegen sie dir noch zu leihen auf etliche Jahr. Clemens ist mir schuldig 5 fl: für sein Haußzins und Auguste werde ich noch eine Rechnung für den Gift dockter schicken. die Rahm für Arnims Bild hat mir Cristian bezahlt. Geld hab ich nötig für Winter 4 Carolin, für italienischen Sprachmeister 1 Carolin, und denn für mich ungefehr 30 fl: für diesen Monat, und denn für den nächsten Monat, eben so viel pp: Alter ich bin so einsam und allein hier daß sogar jezt dieß Aufmercksamkeit erregt, und ich habe gehört daß der Alte Jacobi gesagt hat, er könne nicht begreifen was ich nur mache da man mich nirgends sähe, als nur Sonntags in der Kirche ich habe jezt noch einen sehr braven Mann kennen gelernt, er ist angestelt bei dem Cadeten corps um unterricht zu geben in der Kriegs wissenschaft Matematick, 676
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pp, dieser will | mich den Polyp in einer guten Übersezung lesen lassen, und wenn es seine Zeit hier und da erlaubt mich auch zu gleich ein wenig darin leiten. Die Vollmachten vom Cristian hab ich unterschrieben hab ihm auch Carte blanche gegeben um das zu thun was er für sich thun würde, das Geld hab ich an Artaria abgegeben, bei Tieck geht alles seinen alten Weg er hat auch nicht ein Wort gegen mich geäusert, so viel ich weiß hats Alarmi bei der Polizey angezeigt, ich hab mir aber sagen lassen daß wenn ihnen dieser Fall wiederführe, wie es schon oft geschehen, so betragen sie sich immer ganz ruhig und still wie es honeten Leuten zu kömmt bis sie sich endlich ganz heimlich entfernen um gar kein Aufsehen zu machen, diese Ordentlichen Leute. auch soll sie Schrobenhauser schon verklagt haben wes wegen sie auch ganz ruhig sind doch müssen sie bis den 15ten das Logis räumen, und da sie sich nach keinem andern Umsehen, so glaub ich gehen in bestmöglichster Geschwindigkeit davon, von Knorring ist gar keine Rede mehr, das er her kömmt. Ruhmor der | der schon seit einiger Zeit weg ist, hat durch seinen zurück gelassnen Bedienten seine Moeblen Wäsche pp fordern lassen 2 mal, und alle 2 mal haben sie es mit der grösten Gemüthsruhe abgeschlagen. welche Grösse des Carackters!. Adieu lieber Alter und Gundel, ich verbleibe Euer Buttel; mit einem etwas geschwellten Herzen, man Sagt, Herzog Carl hab einen Adjutanten als Courier an den König geschickt um ihn über seine Residenzstadt zu beruhigen wenn es also loß geht so kommt getrost hierher, Arnim hat mir recht lieb geschrieben aber meine Blicke richten sich wo anders hin, Ach Herz! Herz! Bettine
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A Monsieur de Savigny abzugeben Jonerischen Hauße Landshuth
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Nr. *550
*550. Von Friedrich Carl von Savigny nach München Landshut, 11., 12. oder 13. April 1809, Dienstag–Donnerstag B an Friedrich Carl von Savigny, 14. April 1809: Deinen Brief lieber Alter, hab ich mit samt dem Geld erhalten ich habe die Nachschrift nicht an D alarmi geschickt (Nr. 551,1-2).
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 14. April 1809, Freitag
Deinen Brief lieber Alter, hab ich mit samt dem Geld erhalten ich habe die Nachschrift nicht an D alarmi geschickt und auch nicht mit ihm gesprochen da ich jezt für gewiß weiß, daß Tiecks nicht vor dem May aus ihrem Logis gehen, und für später ein Haus vor dem Carlsthor bewohnen werden es wäre also noch Zeit damit, indessen werde ich mich nach deinem Willen richten und wenn Du es so willst so werde ich mit D’alarmi sprechen. ich glaube Tiecks gehen nicht weg weil sie kein Geld dazu haben, enfin sie sind wircklich wie eine Festung durch ihr eigne Umstände belagert so daß sie weder Lebens mittel noch sonst etwas trinken können; Moy’s sind wohl, obschon ich in einem recht guten Vernehmen mit ihnen bin so wird mir, besonders er täglich unerträglicher durch mancherlei ausübende Ungerechtigkeiten so wohl gegen die gute arme Pestel, als gegen das ganze Hauß, ich nehme mich sehr in Acht, bin so höflich und zurückhaltend als möglich, kauf mir alles selbst, Leuchter und Lichter für mich und Friedericke. für diese auch das Frühstück. Friederike macht mir | manche Unannehmlichkeiten sie ist meinem Einsehen nach in den Geistlichen Herrn Hofmeister von Ernest verliebt, sie lernt bei ihm rechnen und obschon ich es ihr ausdrücklich verbothen habe, so ist sie doch manchmal noch Abends um 10 Uhr bei ihm auf dem Zimmer, dann hat ein paar mal sehr grob gegen mich gesprochen worauf ich sie weggeschickt habe, sie ist wieder zu Kreuz gekrochen mir aber seit dem unerträglich, ich sag Euch, täglich sehne ich mich mehr nach einem Aufenthalt wo ich menschliches Vertrauen finde, wenn mich Winter nicht Morgens und Abends belaagert hielt, wenn er mir nicht immer sagte daß ichs noch weit bringen könnte, und wenn ich nicht fühlte daß es Unrecht und durchaus Carackterloß von mir wäre und ich in Landshuth grade deswegen 678
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keine Ruhe haben würde, so war ich schon bei Euch, und doch muß ich bald zu Euch kommen, ich muß sehen was mein klein Bübgen macht und | der Puletter und der Bauch von Gundel ja ich muß durchaus mich selbst überzeigen wie sich der schöne Stamm von Bukowan schon in seinem Beginnen sich in so herrlichen Ästen ausbreitet. Bettine An Herrn von Savigny abzugeben bei Gr: Joner: Landhuth
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Berlin, 18. und 19. April 1809, Dienstag und Mittwoch
Berlin d* 18 April 9. Liebe, ernsthafte Bettine! Ich lese in Deinem Briefe alles was in Deiner Gegend geschieht, ohne daß ein Wort darüber von Dir ausgesprochen, sage mir, wo, wie, wann ich Dir dienen kann; ich habe Dich doch wahrlich sehr unschuldig lieb, denn es wird mir jezt erst gewiß, wo ich so wenig Hoffnung habe, Dich so bald wiederzusehen. Dein Brief ist ernster, ist härter vielleicht als die früheren, du sprichst von Altwerden, in Deinen Augen brennt ein Wunderlicht, das Dich immer jung erhält, mich aber ergreift eine Ungedult, ein Mißbehagen, ein Ueberdruß, daß ich in diesem Nothstalle von Stadt jenes lieben Feuers entbehre und daß ich es oft so nachlässig verträumt habe. Einmal nur die Jahre zurück gedreht, wie viel liesse sich bessern, als ich Dich zum erstenmal sah, wäre ich meiner Neigung am Rheine zu bleiben gefolgt, hätte mich dem Osteine gegenüber das Gütchen auf dem Berge angekauft, das damals in Handel war, von schönerem Standorte hätte ich die Welt übersehen, denn Du wärst mir näher gewesen – nun aber bin ich auf rauhen Wegen einsam umhergetrieben, manches an mir ist trauriger, ungefälliger entwickelt und das Sonderbare hat sich meiner oft ermächtigt, aber was schlimmer, gegen manche Eigenthümlichkeiten bin ich unduldsamer geworden und von dem Augenblicke lernte ich wenig Glück verdienen, empfangen und bewahren. Ich glaubte mein Leben reichlich ausgestattet, wo mir ein Mädchen mit ganzer Seele zugewandt; hab ich es glauben wollen, als Du es mir versichert? Ich spüre 679
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Nr. 552
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etwas Teufeley in mir, hüt Dich davor, einen Unglauben in mir gegen meine schönsten und liebsten Ueberzeugungen so meine ich, daß Du in den Kronprinzen verliebt bist und da buhle ich mit der Traurigkeit und liebkose den Schmerzen und weiß doch nicht warum, da sie doch nur wieder den Jammer gebären. – – – Es war mir gestern über dem Schreiben finster geworden, ich habe die Nacht getanzt, es ist ein trüber Morgen, aber es wird einem doch im Gewühle der Menschen ganz wohl. Der Onkel von mir, dessen Du Dich aus Frankfurt wohl erinnern magst, war seit 16 Jahren in der Gesellschaft nicht gewesen, die sich allen Revoluzionen zum Trotz erhalten hat, während nun alle schönen Statuen verrückt | sind und verschlept nach Paris, sind die hübschen Figürchen der Mädchen ruhig nachgewachsen, nur zwey waren noch in Bewegung, die er damals gekannt, alles andre war spätere Conscription, diese spätere ist aber merklich kleiner schon und, wenn es so fortgeht, so wirds unendlich zierlich in der Welt seyn. Da haben nun die Mädchen eine sehr wunderliche Gewohnheit, sie hängen sich zudrey aneinander, die hübscheste voran und so drängen sie sich durch die Männer, sprechen unter einander, als wenn es viel zu sagen hätte und horcht man zu, so kann es keinen von allen erfreuen, es ist doch ein sehr wunderliches Geschlecht. Andre wieder, die noch jung und tanzlustig seyn konnten, sassen mit Stolz an Spieltischen und gingen zuweilen nur mit erhabner Ruhe den Tummelplatz der gemeinen Freude zu übersehen, sie wollten schon viel erlebt haben und marterten sich ab geistreich zu seyn. Unter den Tanzenden waren nun auch artige Gruppen. Eine fing an im Herunterschassieren des Schottentanzes etwas zu kniksen bey jedem Takte, der Mann machte ihr das nach, sie tiefer, er noch tiefer, endlich fielen sie beyde um. Eine andre tanzte ganz stramm bey beyden Beinen, hatte aber alle Freiheit in den Oberkörper gebracht, der nun wie Raupen die über ein Blat steigen hin und her schwankten, wo er sich anlehnen könnte, andre konnten den Pas im Takte und den Takt im Pas nicht finden, einige setzten an wie zum schliddern, andre hoben die Hände und klatschten mit der Zunge, als wenn sie reiten wollten. | Es war nämlich sehr viel junges Volk da, theils Offiziere, die im Kriege erst aufgewachsen, theils Mädchen, die während des Krieges eingeschlossen gehalten, – vorüber, ihr Schafe, vorüber, dem Schäfer ist gar zu weh! – Schelling hat Dir einen frischen Blumenstrauß zum Geburtstage schicken können, das kann ich nicht einmal, ich kann Dir nichts als meinen Wintergarten geben, der Dir ohnedies zugeeignet ist, sowie er sich im Schlusse an Clemens wendet, 680
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ich wünsche, daß er Dir ein Paar Stunden mit mir Gesellschaft leistet, wenn ich Dir auch einiges schon vorgelesen, es ist durch die Verbindung zum Ganzen wieder geändert, derselbe Fall ist mit den Erzählungen aus Büchern, die Du etwa gelesen, ich meine sie mit Geschick umgestaltet zu haben und so wage ich es sie Dir zu schicken, der Geschicktesten unter allen Mädchen in aller Kunstbeurtheilung und der Strengsten. Dieses Urtheil zu bestechen, lege ich Göthes Kopf dabey und ein sehr trefliches Buch über Kunsttheorie, worin § 76 wo sie stehen konnte gar keine Regel über die Novelle gegeben, weswegen ich mich auch vor keinen Fehlern in acht nehmen konnte, ich schicke es Dir als eine Curiosität aus meinem früheren Leben, es ist ganz von mir abgeschrieben und ich meinte damals, ohne | daß mir ein Wort darin gefiel, einen grossen Schatz daran zu besitzen, weil es niemals gedruckt. Noch sende ich Dir Deine drey klügsten und närrischten Leute zurück, ich habe ein Exemplar bekommen, worin sie verkehrt gegen einander gebunden so daß die Enden von beyden zusammen treffen – Mit Wehmuth denke ich, wie lange diese Nachricht und manche spätere durch den Krieg aufgehalten werden kann, benutze gute Gelegenheiten, Reisende, Gesandte, um mir zuweilen ein Paar Worte zu senden, wirds mir zu lange, so reisst mir die Gedult und ich komme zu Dir, wie mir leicht wird, indem ich denke, daß ich zu Dir eintrete, wie oft bin ich ein Thor gewesen aber immer der Deine Achim Arnim Der Göthe und die Erznarren hat sich mit meinen Büchern nicht fugen wollen, ein schlimmes Zeichen, ich sende es ein andermal mit ein Paar Büchern, die ich noch von Clemens habe
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, etwa 20. April 1809, Donnerstag
Lieber Alter; Ich habe manche verschiedne Bewegungen der Seele ausgestanden, weil ich keine Nachrichten von Euch habe, vorzüglich wegen Gunda und noch immer bin ich in großer Unruh, wenn es mir möglich gewesen wäre, so würde ich gewiß zu Euch gekommen seyn um jedes Schicksal mit Euch zu theilen, auch glaub ich da meine Natur gar nicht furcht^sam ist, ich hätte der Gundel von Gutem Trost seyn können, das einzige was mich beruhigt über Euch, ist daß ich weiß Ihr 681
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seid von der Parthei, die Gottes ist; und diese hält aufrecht, solltet Ihr nicht suchen hierher zu kommen? – zum wenigsten Gunda. denn wenn allenfals noch etwas vorfällt so ist es gewiß näher bei Landshuth, als hier wo es so ganz ordentlich zu geht, als ob gar kein Krieg wäre, oder soll ich zu Euch kommen?, und wie?, denn ich kann nicht läugnen, gar gern mögt ich zum wenigsten mit Gunda seyn und will ja lieber die Psalmen von Marzzello welche mich jezt entzüken in meinem Leben nicht wieder ansehen, als von Euch entfernt seyn, wenn Ihr bekümmert und unruhig seid. hier wär Gundel gut aufgehoben, Moys nehmen einen recht ernstlichen Antheil an Euch und sind mir dadurch viel lieber geworden, soll ich vielleicht mich nach einem Logis umsehen, auf etliche Wochen? oder einen Monat? kurz schreibt mir mit dem Bothen, oder auf irgend eine Art was ich soll; ich stehe ganz zu Eurem Befehl; Gundel soll sich tapfer halten über allen Schrecken hinaus; vielleicht giebts dann ein Held. Adieu Eure treue Schwester, wenn es darauf ankömmt Ungemach und Noth mit Euch zu leiden; Tiecks Bruder ist angekommen dieser soll dasjenige Glied der Familie seyn welches sich dadurch auszeignet, sein Geld zu verdienen und nicht zu leihen, und seine Schulden zu bezahlen aber nicht sie, als eigne echte Kinder wie ein Raben vater zu verstossen und nichts von ihnen hören wollen; der Mensch wird ja ordentlich groß durch diese ausgezeignete Sitte; Gestern war ich in der Academie hab die Büste vom König von Baiern gesehen von Spalla in Marmor gehauen Colosal auf einer gelben Säule mit einem grünen Sockel, und einem Genius welcher ziemlich in die Stammbücher gleicht. Knorring wird nicht aus Wien kommen, aber wohl Geld schicken, wie man mir versichert, Tieck kann sich immer noch nicht regen das Gicht will nicht weigen, ich habe unter der Hand gehört daß die Bernhardi den Knorring heurathen wird. Meine Friedericke wird täglich wiederspenstiger ich wollt ich hätte sie vom Halse, und alles kömmt von der Liebe, nur ich verharre in Starrer unbeweglichkeit stets treu; aber ich bitte Euch gebt mir nachrichten, recht beruhigende; haltet mir meine Kindergens warm in meinem Andenken. Bettine
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München d* 25 Aprill Heute ist die erste Post offen, und ich benuze sie, um dir alle Angst, Die Du durch erlogne, falsche Nachrichten haben könntest, abzuschneiden, ausser den Schrecknißen eines algemeinen Schicksals ist uns nichts widerfahren, und selbst diese hab ich, die entfernt war nicht so sehr empfunden aber Savigny und Gundel musten wircklich Augenzeigen von Ungeheuren Dingen seyn, indessen ist es jezt vorbei, und alles ruhig, lieber Arnim die Sorge welche Du um uns haben magst ist mir auch sehr schwehr, erleichtere mir diese, daß du an kein Unglück glaubst, ohne daß ich es Dir vorher melde, es wird so unmenschlich viel gelogen, wir haben hier in München gelebt wie mitten im Frieden, und alle andre Nachricht ist falsch, Gundel kömmt auch jezt her biß alles eine andre Wendung nimmt, sey nur immer sicher über Uns, wir we〈〈rd〉〉en uns durchaus nicht exponiren. Adieu leb wohl, bleib mir Gut die Post geht, morgen bekömmst Du mehr Nachricht Bettine
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An Herrn Baron Achim Arnim abzugeben bei Frau von Labes. Viereck no: 4 Berlin
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 25. April 1809, Dienstag
An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 25. April 1809, Dienstag
Ich weiß nicht lieber Savigny ob du meinen Brief durch den Bothen erhalten hast, ich bin ungemein begierig zu wissen was Euch wiederfahren ist, ob ihr, besonders Gundel alle Schreckniße der Zeit glücklich überstanden habt, ich wollte daß ich mit Euch gewessen wäre und mache es mir zum Vorwurf, indessen hab ich ein Logis hier auf gefunden von 2 Zimmern vorne in eine schöne Straße, und 2 hinten nebst einer Küche und Bedienten zimmer, es könnte nun sehr leicht seyn daß wieder Noth und Unglück, bei dem unseeligen Landshuth vorfiel, und wäre vielleicht besser das Gunda in diesem Fall hier wäre, schreibt mir 683
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darüber. Bernhardi wollte vor wenig Tagen nach Wien, jezt ist ihr es durch veränderte Kriegsumstände nicht mehr möglich, doch bleiben in jedem Fall die beiden Brüder ich bitte mir so bald wie möglich zu schreiben. Die Moys grüßen herzlich; sie waren sehr bekümmert um Euch
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An Herrn Baron von Savigny im Graf Jonerischen Hauße Landshuth
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*556. Von Friedrich Carl von Savigny nach München Landshut, zwischen 25. und 27. April 1809, Dienstag und Donnerstag B an Friedrich Carl von Savigny, 26., 27. oder 28. April 1809:
wenn Ihr nach
Franckfurth geht (Nr. 558,26-27). B an Friedrich Carl von Savigny, 2. Mai 1809:
Ich weiß nicht ob Ihr es für gut achtet, einen Tag mir zu schreiben daß Ihr kranck unglücklich pp seid und mich dann auf 3 Briefe ohne Antwort zu lassen 〈…〉 habt Ihr immer noch die ausserordentliche Idee nach Franckfurt zu gehen um wieder her zu kommen? 〈…〉 was Du mir in der Eile von Cristian gemeldet hast, hat mir ausserordentlich weh gethan (Nr. 560,1-8).
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 26. April 1809, Mittwoch
Lieber Arnim, die wenige Zeilen, welche ich Dir gestern geschrieben, um Dich wircklich ganz über Die Lage deiner Freunde zu beruhigen konnen vielleicht das Gegentheil bewirckt haben, denn es war so schnell das ich mich gar vielleicht nicht verständlich ausgedrückt habe. alles was Du vorzüglich zu beachten hast bei dem was ich dir melde, ist: daß sich die Kriegsscene sich mit jedem Augenblick mehr von uns entfernt. Hier in München war in nichts der Anschein von Krieg Feind wie Freund zog in gröster Gelassenheit, ich wollte das den 684
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armen Savignys mit denen ich gerne alle Gefahr getheilt hätte (wenn nicht alle Gelegenheit dazu abgeschnitten war) auch so leicht gegangen wäre; indessen muste Gunda doch ein paar Tage in Schrecken verleben jedoch ohne persönliche Unannehmlichkeiten, einige Tage war in Landshut von der Ankunft des Feindes gesprochen worden, als am Sonntag den 16 Aprill, die ganze Armee vor der Stadt und in der Stadt erschien, die Brücken waren | abgebrochen und in den Vorstädten standen unsre (nehmlich bairische) Truppen. Nun wurde während der Herstellung der Brücken 4 Stunden lang in der Stadt herüber und hinüber kanoniert, und ein Theil der Vorstadt zusammen geschossen, die Gundel hatte Angst vor dem Schießen aber Gefahr war nicht da. Nun ging zwei Tage lang der Durchmarsch der feindlichen Armee ununterbrochen fort Tag und Nacht, dann eben so die ungeheure Bagage und Magazine. Die gewaltige Maße so schnell bewegt, machte an sich schon einen großen Eindruck, und nun kamen ganz unerwartet mit der Armee eine Menge, Bekannte von Savigny zu ihm, in schnellester vorübergehender Erscheinung alles war berauscht pp: so ging es von Sonntag bis Donnerstag ununterbrochen denselben Nachmittag gehen plözlich die Wagen rück^wärts anstadt for^wärts, alles in großer Unordnung, in Landshut, ein Dumpfes Gerücht von Rückzug oft wiedersprochen, und erneuert eine wahrhaft schreckliche und erwartungsvolle Nacht. Den andern Morgen (Freitag) der Rückzug vor der Thüre Anstaldten zur Vertheidigung, auf alle Speicher muste | Wasser geschaft werden. Nun rings um die Stadt das heftigste Kanonenfeuer und Musketen^feuer die Kuglen pfiffen selbst arg an Savignys Hauße hin, nach einigen Stunden kamen unsere Soldaten wieder in die Stadt, noch in den Straßen wurde hin und hergeschossen. Gleich darauf der Kaiser in der Stadt und wieder eine ganze Armee durchgezogen, und so ist alles mit Schrecken davon gekommen ohne persönliche Noth, der brave Professor Sailer war den Savignys in dieser Zeit ein recht wahrer Freund, Gundel wird nun in wenigen Tagen hier herkommen mehr um sich zu zerstreuen, als um Gefahr aus^zuweigen in dem gar kein Anschein da ist, daß es sich wiederholen sollte. Auch der junge Love den Du durch die Lieder im Einsiedler zum Theil kennst, hat sich Savigny ganz zum Freund gemacht durch sein herzliches Betragen. Mein Guter Arnim, ich mache mir zum theil ein Gewissen daraus, hier zu seyn, weil ich dir wahrscheinlich auch Sorgen gemacht habe, bei Regenspurg ist auch etwas vor^gefallen keine besondere Detail kann ich dir doch nicht darüber geben, lieber Arnim die eigne Gefahr des Au685
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genblicks und die Freude über ihre Entfernung wie gehen sie unter in dem ungeheuren zermalmenden Schicksal. Leb wohl lieber guter Arnim bleib uns ein treuer der treuste Freund ich werde Dir jezt recht oft schreiben um Dich zu beruhigen. Dein Bettine
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 26., 27. oder 28. April 1809, Mittwoch–Freitag
Es ist allerdings wahr; die Seele des Menschen, muß sich für Schmerz und Leiden ausweiten gewaltsam wie für den Genuß der Freuden und dieß ist das einzige worin der Mensch sich thätig erzeigen muß, des wegen ist dieß dazu erforderlich was wir Genialitet nennen, ein jeder andrer Zustand ist ein schlummernder, sey es in Wissenschaft oder Kunst, oder nichtsthun, was uns daraus weckt ist uns unerträglich, so wie man den Fisch nicht aus dem Wasser thun darf ohne daß er die unbegreiflichsten Qualen spührt, kurz jedes Wesen aus seinem Element, so darf der Mensch aus seinem Seyn nicht durch ein Ereigniß geweckt werden, ohne daß es wie ein Gift an ihm nagt, die echte Seelen Kraft trägt dieß und lernt dabei; ein Gott im Himmel dem alle Seelen angehören, der vielleicht aus einer Masse solgen Unglücks ein neues herrliches Organ seiner ewigen Schöpfung bildet; und kurz: es ist ein solges Schicksal am Ende immer wieder der Anfang aller Dinge, so wie geschrieben steht: vom Chaos da alles in Dumpfer Verwirrung lag, und | stuffen weis hervorging in großen mächtigen Maßen, bis es hieß: und es ward Licht: und dieser Augenblick wird auch für uns kommen so oder so, wir sollen und können uns gegen kein Ereigniß sträuben daß wir darüber zu Grunde gehen ist unsere Schwachheit, und so wir diese erkennen sollen wir sie auch bestreiten daß was man zu Grunde gehen heist im algemeinen; geschieht uns freilich einmal aber . . die Sache unsers ganzen Daseyns ist es, dahin zu streben aus innerer Herrlichkeit vergehen und nicht aus Elend. Ich hab wohl gut sprechen nicht wahr lieber Savigny denn ich war nicht dabei, und habe hier in gröster Ruhe gelebt; indessen alles was ich dir da sage geschieht aus innerm Herzens drang; wenn Ihr nach Franckfurth geht, so thue ich wie es Euch beliebt, und gehe gern mit; indessen muß ich Dir doch meine Meinung darüber sagen, daß der Krieg wieder 686
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in unsere Gegend kömmt, ist durchaus unwahrscheinlich; sollte er aber wieder in die hiesige Gegend kommen, so wird es allerdings schnell an uns | vorbei gehen und grade erst gegen den Rhein zu; wird es länger dauern, nicht nach meiner Einsicht, sondern nach der von vielen andern gescheuten Menschen, solltest du nun die Gunda nach Franckfurth bringen und wieder hierher kommen. wie unglücklich wärst du wenn sich der Krieg dazwischen drängte; wärt ihr aber alle beide Dort, und ihr hättet die große Reiße für nichts gemacht, wie ich für gewiß glaube, und kämt dort erst in die Predulle das wär ja zum verzweiflen, über dieß weiß ich nicht ob es dir grade gelegen seyn kann so viel Geld für nichts auszugeben. ich glaube das ganze würde meiner Ansicht nach auch auf eine Reiße hinauslaufen, und auf sonst nichts indessen wie ihr wollt; ich bin bei allem, ich glaube nur daß Ihr es recht überlegen sollt weil es Euch hintendrein wohl gereuen mögte; daß ein Lazareth in der Stadt ist ist allerdings höchst unangenehm, meiner meinung, sollte Gunda gar nicht verzögern hier her zu kommen, und nicht so nieder geschlagen | seyn, es ist hier auch so ganz ruhig ich warte nur auf eine Nachricht von Euch um ihr hier ein Quartier zu miethen, und denn hier mit allem Schwesterlichen Trost, und Liebe sie wieder aufzurichten, welches ich glaube daß für dießmal die zuträglichste Anstalt seyn wird; will sie nicht herkommen so komme ich zu ihr, doch ist es viel besser für sie hier her, und du in deiner Pflicht fortarbeitend deine Seele stärkend über dem was Du gesehen hast, und so die bessern Zeiten Abwartend ihr selbst zuvorkommen, mit der Erheitrung deines Gemüths, und mit der Austilgung der Niedergeschlagenheit, die von allem Elend das gröste ist. Adieu lebt wohl, ich hab eine wahre begierde, die Kraft meiner treuen Anhänglichkeit an Euch zu erbroben. Bettine
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 29., 30. April oder 1. Mai 1809, Sonnabend–Montag
Ihr Seid aber wahrhaft faul im Schreiben, besonders wenn man recht sehnlich auf eine Antwort wartet; ich mögte Doch nun immer wissen wie es Euch geht ob ihr ernsthaft gesonnen seid hierher zu kommen ob ich daher das Logis nehmen soll; ich will hoffen daß Ihr Euch nicht 687
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lange noch berathschlaget; wenn ich für sicher gewust hätte das Gunda kömmt so hätte ich ihr ein Logis von 3 Zimmern in einem Garten mit einem Springbronnen ganz nah am englischen Garten ausmachen können, in einer stillen abgelegnen Straße der Hauß herr hätte für sie gekocht, und wär alles ganz gewesen wie für sie eingerichtet, Die Tieckische Familie hat auch nun durch das Kriegs schicksal alles Reisen abgeschnitten, und müssen hier bleiben; der Krohnprinz hat während seinem 2 Tägigen Aufenthalt hier 3 Marmorbüsten von Wallenstein, Bernhard von Weimar, und Lessing bei ihm bestelt nebst einer Liste von etlichen 20 für die Zukunft. Adieu schreibt mir ob ich die Gundel abholen soll. Bettine 1v
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An Herrn Baron von Savigny abzugeben in Graf Joners Hauße Landshuth
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Ich weiß nicht ob Ihr es für gut achtet einen Tag mir zu schreiben daß Ihr kranck unglücklich pp seid und mich dann auf 3 Briefe ohne Antwort zu lassen, es ist ganz natürlich, daß wenn Ihr Euch nicht entschließt irgend etwas zu thun ich auch nichts thun kann, die Wohnungen die für Euch bestimmt waren werden genommen werden, habt Ihr immer noch die ausserordentliche Idee nach Franckfurt zu gehen um wieder her zu kommen? schreibt mir doch darüber; was Du mir in der Eile von Cristian gemeldet hast, hat mir ausserordentlich weh gethan, dieß fordert mich noch mehr auf, den Brüdern zu beweisen daß ich alles Vertrauen in ihn seze und ihn so viel in meiner Gewalt steht über meinen Besiz nach Einsicht walten zu lassen. Lieber Savigny man lernt jezt täglich mehr Schlechtigkeit unter den Menschen, die welche Durch edle Beschäftigung auch in ihrem Gemüth über andre sollten erhaben seyn sind grade die schlechtesten. Ich bitte Euch sehr, entschließt Euch doch zu etwas, laß Doch die Gundel herkommen ich glaub gewiß daß es ihr dienlich ist, eine Zeitlang aus ihren Zimmern und selbst von Dir zu kommen, denn Ihr seid zwei Menschen, die sich einander immer schwehr müthiger machen 688
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die schwerlich zusammen sich über das hinaus sezen, was ihnen einmal weh gethan hat, und doch muß es seyn; auch Clemens ist nicht dazu Dienlich Muth und Fassung hervorzubringen. Adieu – seid Herz haft, Ihr habt mehr Ehre davon, wie ich. schreibt mir Bettine An Herrn Baron von Savigny im Graf Joners Hauße Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 3. Mai 1809, Mittwoch
Ich bin im vollen Ernst böse auf Euch; mich so ganz ohne Nachricht zu lassen; ist nicht erlaubt; gestern hab ich bey Tiecks gehört, daß Jacobi ihnen gesagt habe Du habest um Urlaub nach Franckfurth angesucht, und Tiecks mögten sich doch bei mir erkundigen was Das von Deiner Seite zu bedeuten habe; es kommt dem Jacobi nicht recht just vor, daß Du Deiner so eifrig angefangnen Arbeit so plözlich Einhalt thun willst; er meint Du seist etwas launig und habest den Lust verlohren, und würdest am Ende wohl gar nicht wiederkommen, weil er nicht einsehen kann warum Du grade jezt weggehen willst; jedoch dieße Meinung hat er nur im vertraulichen Gespräch mit Tieck geäusert, und ist daher von Deiner Seite keine Notiz davon zu nehmen. indessen glaube ich; jedoch unmaaßgeblich daß Diese Reise zu nichts als zu einer großen Geldausgabe verleiten wird, und vielleicht gar, Euch grade zu dem entgegengesezten eures Zwecks führt, denn sollte Das Schicksal sich wenden, so ist grade erst gegen Rhein zu Der Standpunkt eines 〈〈sc〉〉hrecklichen Kriegs; ist dieß der Fall nicht, so haben wir hier nichts zu befürchten; ich bin so ein schlechter Politicker daß mir gar in einer solgen Ansicht nicht zu trauen ist wenn ich dir aber sage du sollst die Gunda auf alle Fälle hierher bringen und das gleich, so hab ich ganz recht; ich kenne Euch gar gut, ihr seid nicht dazu gemacht Euch gegenseitig aufzuheitern noch die Gegenstände um Euch her; ein Lazareth in der Nähe, hat gegen den Sommer zu, etwas unerträgliches; Sie soll kommen, soll mit mir und der Melle Bobb italienisch lernen, alle Morgen um 6 Uhr mit mir in den englischen Garten gehen, und die frisch 689
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gemolckne Milch Kuhr trinken, Abends die Psalmen von Marzello hören singen, oder auch mit singen sie klingen lieblich wie Gold; und ich will wetten sie wird munter und froh; jezt seht ihr aller Wahrscheinlichkeit nach aus wie die Leichenbitter in Zeit von 4 Wochen sollt den Hochzeitbittern gleichen und hab ich noch so allerlei mit der Gundel zu Plaudern | zu schwätzen zu pablen zu dahlen zu plapern zu kühren zu brummen zu knurren zu humsen zu pispern pppp: Bettine ich hab abermals einen rauhen Hals; Schwehrnoth; Ihr Rozbuben schreibt mir! 〈quer zum Brieftext:〉 An Herrn Baron von Savigny abzugeben im Graf Jonerischen Hauße Landshuth
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 3. Mai 1809, Mittwoch
Bist und bleibst Du mir denn immer Gut? – dieß ist die einzige Frage die ich frage und dann kann ich Dich auch bekräftigend versichern, daß es mit gut geht daß keine Kranckheit mich plagt daß mein Herz gesund ist, ja recht übermäsig gesund; Du wirst jezt meine Nachrichten über Savignys erhalten haben; sie werden alle Tage mehr niedergeschlagen wie es scheint, obschon nichts weiter vorgefallen was sie hätte kränken können aber Du wirst Dich noch aus alten Zeiten erinnern, daß wenn beide miteinander allein sind sie sich gegenseitig auch über geringe Anlässe sehr melancholisch machen, Savigny hat um Urlaub gebeten er wollte Gundel nach Franckfurt bringen, nicht um auszuweichen, den etwannigen Gefahren, denn Diese sind auch ganz vorüber sondern aus blosem Mismuth; allein er hat kein Urlaub bekommen; Du hast recht Arnim; nicht auf ein Jahr voraus denken zu wollen, ein Jahr ist gar zu lang. ich dencke, bis dahin zieht dich vielleicht wieder etwas aus dem alten Kreiße in einen noch ältern, recht lieb gewohnten, der Dir von Herzen freundlich winckt, und zum Theil, Dich im innersten liebt wie sich selbst; und das bin ich unter den andern | Geschwistern und Freunden; jezt wünscht ich recht sehr dich hier zu haben; ich 690
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hab niemand mit dem ich vertraulich spreche, und manches hab ich was ich recht mit Eifer und Verlangen dir vortragen mögte; lieber Arnim Du fehlst mir manchmal. Tieck ist noch immer kranck, ich hab ihn ganz ausstudiert er ist nicht Tief in seinem innern aber doch Grund und bodenlooß. es bewährt sich immer mehr daß ein jeder in seiner Art matt wird; wenn ihn auch schon zuweilen der Flügel des Geniusses jugendlich berührt jede Kraft geht zwar aus sich selbst hervor, aber das Selbst muß von der weiten breiten Natur und Weltgeschichte angeregt werden, um kräftig seyn zu können und so kömmt es daß wenn hundertmal der Bogen auch gespannt ist; und kein edles Ziel hat, er auch nichts edles trifft, wenn er aber auch ein edles Ziel hat und dasselbe gut visiert, und ist nicht tüchtig mit Kraft und Muth gespannt, dann wird der Pfeil Menschlicher Schwäche, immer vor Göttlicher Höhe nieder sincken. O Heil dem, der so steht daß er sich und dem was er erkennt, sich nicht unbedeutend fühlt dessen Arme so weit reichen daß sie immer etwas grosses erlangen; dessen Eifer wie der Wind in die Seegel seines Herzens bläst, und ihn immer weiter in die hohe See treibt. Ach kühne Thaten! jugendliche Unternehmungen wie seid Ihr in Liebe und Zorn in Friede und Krieg in Kunst in Wissenschaften immer so reizend; aber der Mensch ist in einem stehten erblühen und hinwelcken, was sich klar und einfach in der Natur erweißt, und deutlich macht; tausendfach bildet es sich in der menschlichen Seele wieder und geht kein Lichtstrahl von der Sonne aus er gehe denn auch aus von des Menschen sinne, und der tausendfache ewige Wechsel der Wolken, so wie er am Himmel her zieht, so zieht er auch durch die Seele, über jedem Gedancken hin, wie jener über der Erde, und wie der Wind die Wellen des Strohms hebt, wie er die Blätter und Aeste abbricht und jagt; wie er den Samen der Gewächse auf nimt und trägt und bildet einem jeden Stäubgen sein eigen Schicksal, so reinigt er auch vom dürren Gezweig den Frühling unssers Gemüths so treibt er welle auf welle und Stürmt dunckel und schwarz die Gewitter herbei die oft dahin fahren ohne uns zu berühren und treibt den Herbst herbei und nimt mit wie es kömmt. Da bringt mir der Wind ja gleich auch einen Brief von Dir her den hat er gar langsam getragen bis auf den 3ten May vom 6ten Aprill an; und Du schreibst aus dem Unbeständigsten Wetter immer steigend in Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit, ich glaub Du willst mich ganz zu dir locken; Marzellos psalmen die legen goldne Fesseln an mich sie 691
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klingen aber auch wies reinste Metall; und doch lieber Arnim so sehr ich durchdrungen bin vom innersten Geist vom Leben Dieser Musick, so daß mir die Töne schon in der Gurgel beben so gelingt es mir doch höchst selten sie so zu singen daß sie mich wieder ansprechen, wie oft ganz hart Tod wie dürres Holz. daß kränckt mich dann nicht wenig; ich meine gleich nie was zu lernen für opern Musick bin ich nun gar verdorben keine gehörige Geschmeidigkeit keine Pasagen und Läufe, wollen durch die Kehle; höchstens Triller, und die noch so rauh so un^verständlich wie das junge Rabengeschrei; Apropos über die rosen Blätter die verlohren zu haben glaubst; lieber Arnim wie rührt mich dein suchen nach den selben; ich fühle mich Strafbar wie einer der einem Blinden etwas hinweg^nimt um ihn zu necken und läßt ihn denn noch hin und her darnach suchen denn stell Dir vor; der Schußbardel Bettine hat denselben Brief zu^gemacht und auf die Post geschickt ohne die darin gemeldeten Blätter mitzuschicken die sich am andern Tag noch vorfanden und auch in den Wind gestreut wurden, nun siehst Du, hat mein Versehen alle die lieben Gedancken die Du darum zu mir gehabt | betrogen, und so wie ich diese Stelle deines Briefes wieder überlese fühle ich mich schuldiger; gern mögte ich die Schuld wieder ersezen allein alles hatt abgeblüht; die Lorbeern haben ihre Blätter noch aus vorigem Jahre sind mit Staub bedeckt. und da ich der schönsten Hoffnung daß auch bei Dir wie bei allem was ich liebe ein neuer junger Keim aus der jährigen Hülle, mit zarten spitzen hervor^bricht, so taugt dieß nicht für dich; ja ja es geht nichts über das grün der ersten Tage kein Regen und Duft giebt ihm wieder den glanz wenn er einmal vorüber; und wenn ich denn guter Laune bin, alles aufs beste ansehe, so dencke ich oft auch, was wird meinem Arnim dieß Jahr erblühen, wie weit wird er ins Kraut oder in die Blüthe treiben? – ich hab mehrere kleine Vögelgen in meinem Zimmer von der zartesten Zartheit, sie sind ganz Zahm, fliegen mir oft um die Nase herum und eben hat eines vor mir auf dem Brief gesessen ganz artlich; ich weiß nicht ob Du sie kennst, man nennt sie hier zu Lande Motten sie machen ihre Nester im Pelzwerck und in den Stuhlkissen man jagt sie oft mit Terpentin und Raute, wenn sie zu sehr über^hand nehmen, Adieu leb wohl; ich schicke dir hier doch etwas, was ich sorgfältigst gepflegt habe Bettine
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〈1r aoR〉 noch etwas will ich dir sagen; meine Haare fallen mir jezt um den Kopf in lauter Locken, und seh ich aus wie ein wahrer Pudel Monsieur le Baron Achim Arnim abzugeben bei Fr: von Labes Viereck No: 4 Berlin
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, zwischen 4. und 8. Mai 1809, Donnerstag und Montag
Anstadt meinem Brief, wäre ich beinah selbst gekommen, Bopp war entschlossen mich zu begleiten wir hatten schon alle Anstaldten getroffen, hätten aber den Andern Tag wieder zurück gemust nun ist dem Bopp aber ein Geschäft dazwischen gekommen und ich muß es unterlassen auch ist es Besser so; ich habe ein Logis gefunden das mir wie gegossen für Gundel scheint es ist zwar in einer gangbaren Straße, allein dieß ist aus vielen Ursachen viel besser als auf einer abgelegnen es sind 4 Zimmer (kleine recht gut Moeblirt und eine Garderobe über 3 Stiegen, das ehmalige Logis von Ruhmor, sie kann sich das Essen unten in der Harmonie nehmen wo es billig seyn soll, oder auch bei Moy in die Kost gehen, welche es wahrscheinlich gerne thut ich hab noch nicht gefragt. das Logis kostet 40 fl: monatlich diese kann sie doch wohl anwenden, sich | ein wenig zu zerstreuen, ich hab so viel mit ihr zu plaudern, man hat doch immer ein gewisses Vertrauen nur zur Schwester wenn es auch manchmal stockt, auch bin ich muthiger, ich hab noch allerlei kuriose Hoffnungen ich weiß daß ihr mein Umgang hier seyn wird was der Regen der Pflanze ist, last mir den Glauben, daß ich Euch tröstlich seyn könne, sie muß von Landshut hinweg, die Straßen müßen ihr ja düster und melancholisch dort seyn, ich weiß daß ihr ein Aufenthalt hier gut ist. Savigny wenn Du Sie nicht her schickst, so bist du dumm, schreib mir gleich, damit ich das Logis behalten kann, seid keine Umstandskrämer, schreibt mir auch ob ich Euch holen soll, ich könnte ja allen fals den Grimm als begleiter mit nehmen; daß uns lie693
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ber guter Freund mit seinem Rausch getäuscht wurde, und so schrecklich erwachte, ist was mich grämt, allein allein oft war der Stamm mit samt der Krohne abgehauen, und doch hat die Wurzel alles wieder ersezt. Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 4. Mai 1809, Donnerstag
Berlin d* 4 May 9. Wie freudig springt meine Feder von träger Arbeit, die verdrießlich unter ihr fortschlich, zu diesem Blatte über, alles war also unwahr, was hier erzählt wurde, daß München geplündert und von einem Gefechte zerwühlt sey. Du lebst, Dir ist nichts geschehen und ich sehe nach oben, mir ist doch noch viel Gutes geblieben und ich kann noch viel verlieren! – Meinen letzten Brief legte ich in den Wintergarten, so heisst meine Novellensammlung, Du wirst sie über Leipzig erhalten, ich bat meinen Buchhändler die möglich schnellste und sicherste Gelegenheit aufzusuchen; später wollte ich nicht schreiben, ich hatte von Dir nur zu hören, nur deinetwegen zu fürchten und meine Briefe hätten Dich leicht zufällig in irgend eine Nachfrage bringen können. Eine Aufschrift von Dir bey Grims Kupferplatte war das Letzte, was ich von Dir erhalten, sie kam zu spät zu den Novellen, aber ich hoffe sie ein andermal zu benutzen, mein Dank dafür und meine Anfrage, was ich G. schuldig bin? – Die arme Gundel, soviel zu sehen, was sie nicht einmal hören mochte! Da sind die Würfel fürchterlich geflogen und mancher Würfelbecher ist zersprungen, aber das Spiel ist nicht zu ende und wer am wenigsten mehr zu verlieren hat, mag das am wenigsten bewahren. Wie soll ich Dir mein Mitgefühl beschreiben, es war mir als wenn abwechselnd eine Hand mich an den Haaren an den Meeresgrund drückte, daß ich vor Qual kaum athmen konnte, und dann auf eine Alpenhöhe stellte, von leichter Luft und spielender Sonne umgeben; aber da sah ich, daß die andre | Hand Dich untertauchte und ich sah dir jammervoll nach; so abwechselnd wie auf russischer Schaukel verdrängten sich die entgegengesetzten Nachrichten. Was unsre Stadt inzwischen beunruhigte, werden Dir die Zeitungen gesagt haben; Schill 694
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hat ohne Wissen des Königs oder irgend eines Menschen einen Kriegszug unternommen, als die Nachrichten hier ankamen, daß der Erzherzog Karl geschlagen. Er musterte seine Husaren und Jäger vor dem Thore, sagte ihnen, er wolle Deutschland einen freyen Dienst thun, er ritte in den Krieg, wer mit ihm ziehen wollte, könnte ihm folgen, er forderte keinen dazu auf. Bey diesen Worten wendete er sein Pferd und ritt seinen Weg, alle aber mit Jubelgeschrei hinter ihm her. Dies war spät Abends, denn er hatte bis 10 Uhr exercirt, am Morgen wurd es erst in der Stadt kund, die übrigen Soldaten waren in Aufruhr, daß er sie zurückgelassen, der Gouverneur nahm die ernstlichsten Maaßregeln, ließ andre Reiterey und Artillerie einrücken, dessen ungeachtet schlugen sich bey Tage einzelne Reiter durch die Thore, Nachts gingen darauf ein 250 Infanteristen mit Gewehr und Munizion durch ein eröffnetes Thor, viele andre ziehen ihm nach aus allen Ständen, der | Gouverneur ließ unmittelbare Todesstrafe auf diese Abentheurer setzen, vielleicht daß diese Maaßregel mehr fruchtet. – Du schreibst mir kein Wort von Clemens, so lieblos er mich seit Monaten vergessen, ich kann ihm doch nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, grüß ihn herzlich und ermahne ihn doch, nur ein Paar Worte mir zur Auskunft über sich zu schenken, sein Hauskobold ist doch fort, was kann ihn noch molestieren, ich fürchte, daß er dieser Gallenbewegung schon zu sehr gewöhnt war, um sie nicht zurück zu wünschen, es wird ihm gehen wie den beyden Offizieren, die sich einander duellirten, ihr lebenlang, bis einer den andern erstochen, worauf jener in Gram und Langeweile verging – Hoffnung des Lebens, du gaukelnd Federflüchtige, des Athems Beben, verscheucht dich Ungewichtige; fliehst 〈〈du〉〉 Untüchtige von den Vernichteten? Nimmermehr 〈〈xxx〉〉 dein Flügel Zerschmetterte, was sie vergött〈〈erte〉〉 keiner mehr fühlet! Himmlische Taube, seliger Glaube, zeige den brechenden Augen, den stockenden Herzen, die rächenden Schwerdter frohlockender; daß sich im Glanz zeige der Kranz, der von dem Haupte geraubte! – Bewahr Dich treulich, du mein einziges Schiff, das noch mit frohem Hoffnungswinde segelt, will aber Savigny und Ihr alle mich besuchen, ich hab in meinem Hafen Raum, ich zöge in ein Nachbarhaus und meine Wohnung bliebe euch. – (Von der Tante in Regensburg habe ich noch keine Nachricht.) – Und wär ich Dein u〈〈nd Du〉〉 wärst mein, so könnten wir beyde beysammen seyn. A A.
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An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. Hofrath von Savigny Landshuth frey Mühlhausen in Bayern
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 9. Mai 1809, Dienstag
Ich mögte wahrhaftig auf ein paar Tage zu Euch kommen, um allerlei mit Euch aus zu machen und zu plaudern; wenn meine Kasse nicht ganz geleert wäre so hatt ich Euch auch schon einen Besuch gemacht, entweder mit Bopp oder mit Ruhmor der seit wenig Tagen von einer 2 Monat langen Reiße wieder hier ist, seinen bösen Humor bereut und freundlicher ist wie je; ich weiß nicht ob ich Euch vor 4 Wochen geschrieben habe daß der Vater von Pestel und Moys gestorben ist; dieses veranlast nun daß ein theil ihrer Geschwister wahrscheinlich in kurzer Zeit hier eintreffen wird; daß ich dann nicht mehr im Hauße bleiben kann ist ganz natürlich, weil es ihnen selbst an Plaz mangelt; nun bin ich aber wie ein Kind am Gängelbande einer etwas Dummen Amme (die jedoch ihr Amt versteht) an dem des Alten Winter, und ich muß Euch gestehen daß ich recht im festesten Sinn habe, es mit dem lernen so weit zu bringen als möglich, leider gehts aber sehr langsam, und ich mag dran ziehen oder dran Stossen und Drücken so bin ich nicht vermögend es aus seinem gewöhnlichen Gleiß zu bringen, es hat mich seit 4 Tagen ein rauer Hals und Husten befallen, vergeht schon wieder; die Schmalz würden mich wohl aufnehmen allein sie kramen mir gar zu viel in den Lumpen. sie sind recht gut indessen, und würden vielleicht die Gundel um ein billiges hier versorgt haben ich hab allerlei Nachricht eingezogen wie man am wolfeilsten leben kann, und hab erstaunens würdige Dinge erfahren. indessen schickt mir geld daß daß ich die Meister bezahlen kann und der Friedericke | Friderke kann Reisegeld geben für nach Franckfurth nebst ihrem Lohn, wahrscheinlich schicke ich sie in ein paar Tagen fort, nicht zwar weil ich sehr unzufrie696
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den mit ihr binn sondern, aus Ursachen ich Euch ein mal mündlich erzählen will; dann auch noch etwas Geld für mich um nach Belieben Euch einen kleinen Besuch abzustadten, willst Du Savigny mir auf einen Sonntag bis Freising entgegen kommen so schreib mir Bettine 〈quer zum Brieftext:〉 An Herrn Baron von Savigny abzugeben im Graf joners Hauße Landshuth
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 10. Mai 1809, Mittwoch
Antwortet mir bald auf meinen gestrigen Brief, besonders ob Savigny mich auf ein paar Tage in Freisingen abholen will dann muß er vorher Geld schicken denn ich hab keinen Heller. Die armen Gefangnen die hier bald verschmachteten hatten meinen Beutel in Beschlag genommen. Nun die ganze Welt steht jezt Elend aus ich will mit Dir wetten; in kurzem findest du keinen Fuß breit in ganz Europa 〈〈der〉〉 nicht dem Krieg angehört; Rumohr läst Euch grüßen Bettine
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An Herrn Baron von Savigny abzugeben in Graf Joners Hauße Landshuth
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*567. An Joseph Janson von der Stockh in Augsburg München, vmtl. zweites Drittel Mai 1809 Joseph Janson von der Stockh an B, Augsburg, 25. Mai 1809:
Auf meine einsamen Weeg, und Steege wo ich alles hinschleppe, was mir theuer ist, flüchtete ich mich mit dem Briefe, schlug drausen mein Lager auf, und rede freudig mit Ihnen unter dem freyen Himmel. Wo ist wohl eine Entfernung groß genug, für die allgegenwertige Seele, die unge697
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theilt da ist, wo sie seyn will, in ihrem Element, bey einer andern Seele. Eben dieß ist Ihre Trauer, in der ich Sie schon öfters erblickte. (Nr. 573,7-12.)
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, vmtl. 11. oder 12. Mai 1809, Donnerstag oder Freitag
Für Winter für den Monat Aprill 44 fl. Für mich ungefehr für den Monat Mai 33 fl: der Moy bin ich schuldig zum theil für Steuren der Armen abgebrannten pp und für mich 38 f: 30 x wenn ich nun nicht im Hauße der Moys bleibe so weiß ich nicht ob ich die Friedericke wegschicke denn irgend jemand muß ich doch haben, der mich begleitet auf der Straße, und meine Sachen in Ordnung hält; auch ist die Geschichte ihrer wegsendung so sonderbar, daß ich sie Euch nur mündlich erzehlen kann; indessen müste ich lügen wenn ich sagte daß ich im mindesten an sie attaschiert wäre und nicht lieber eine andere hätte; mit meinem Kommen hat es noch einige Schwürigkeiten. ich hab in diesem Augenblick einen tüchtigen Cartar; nun hab ich ein sehr subtiles Studium angefangen, wo ich gewöhnlich den Abend vergesse was ich des Morgens gelernt habe, also kannst Du denken wie viel ich vergessen würde, wenn ich gar nicht mehr dran dächte; doch würde ich vollkommen entschlossen seyn, mir die Freude nicht zu versagen wenn nicht Rumohr, mich aufhielte, der gern mit will, aber nur in den ersten Tagen noch nicht also dencke ich, vielleicht im Anfange der Woche vor Pfingsten, wo ich den Winter doch nicht viel haben kann, dann geht Rumohr wohl mit, und wir bleiben da, bis nach Pfingsten; das Geld must du aber früher schicken, denn Winter der sich einen Taubenschlag baut braucht das Geld dazu, will Clemens vielleicht früher kommen das Zimmergen bei dem Schneider ist wahrscheinlich noch zu haben, mit Grimm kann er täglich für 14 x ein gutes Mittagessen einnehmen. Adieu mein alter Italiener ist da. Bettine
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An Johann Wolfgang von Goethe nach Weimar München, 15. Mai 1809, Montag
Die Sonne geht mir launig auf, zeigt mir manches im hellen versteckt mir wieder anders; mit schwehren Wolken zieht sie abwechselnd über mir hin, bald stürmisch Wetter; dann wieder Ruhe; es ebnet sich und auf dem glatten Spiegel; schau an, was sich da bildet; hell und glühend steht immer wieder des liebsten Mannes Bildniß auf der Fläche; wanckt nicht; – warum vor allen andern nur Du! – warum nach allen immer wieder Du! und doch; bin ich dir nicht werther mit all der Liebe in der Brust? – frag ich dich? – Nein; ich weiß recht gut daß Du doch nichts antwortest; – und wenn ich auch sagte, lieber geliebter einziger Mann; Ich mögte meinen Kopf an deinem Hals verstecken ich mögte meine Arme um dich schlingen, und die böse Zeit verschlafen; ich hab keine Ruhe, und ist doch kein bös Gewissen was mich treibt, die Menschen sind mir nicht recht, hab ich auch keinen einzigen gesehen mit dem man sich nicht anstrengen müste, um es nur auszuhalten, und will ich an Dich schreiben so verträume ich die Zeit, oder so tiefe bittere Betrübniß kömmt über mich, das ich es nicht wagen Darf, die Papiere die in | solgen Stunden geschrieben sind; abzuschicken; glaubs aber Goethe, kein Tag vergeht, den ich nicht mit dem Gedanken an Dich beschließe; ich bin so gewöhnt deinen Nahmen zu nennen Abends eh ich einschlafe, dir etwas freundliches zu zu rufen Dich zu umarmen – ach und Die Zeit vergeht, und es bleibt immer so, es ist jezt schon im zweiten Jahr, daß ich stehts mich nach dem lezten Augenblick umsehe, wo ich bei Dir war, lieber Goethe, es wird einem manchmal so eng so eng – nicht mehr zum Ertragen nun die lezte Zeit hab ich recht selten geschrieben, das ist, weil es mir mit so viel Schm〈〈er〉〉zen verknüpft ist, diese innigsten Gedancken an Dich von mir loßzureißen; Sag, Du stehst zwar in Der Welt ganz anders wie ich; aber sag, hast Du nicht zu^weilen eine Sehnsucht, alles was Dich bis auf den Augenblick berührte, von Dir zu werfen und nur blos aus lieber Lust, dich so ganz zu einem Wesen zu wenden, das meine Natur hat, mir geht es so, mitten im Entzücken über Marcellos Psalmen ganz enthusiastisch; die ich singe, und die herrlich sind fühle ich oft einen Trieb grade mit Dir mich zu beschäftigen. | Dann spreche ich mich gegen Dich Aus, wie es Die Stunde mit sich bringt, allerlei Papiere liegen um mich her tragen das Gepräge meiner Treuheit meiner Sehnsucht, es sind Zeigen nach 699
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dem Rausche, einer üppigen Blüthe wie Blumenstaub den ein vorüberstreifender Genius aus vollen über^reifen Kelchen schüttelt; daß Die Freude einmal mein Herz bewegte vor Dir! Friedrich Tieck macht jezt Schellings Büste, sie wird nicht schöner wie er, mithin ganz garstig; die Menschen machen mich oft lachen: Schelling will den Kopf prächtig viereckig und breit haben, weil das die Stärke seiner Natur andeute Tieck will es nicht breiter machen weil er einen eleganten Schelling machen will, und nun schimpft einer über des andern bornierten Geschmack, nur dem Jacobi ist Schelling nie breit genug, diese beiden Parodieen auf einander, auf Baiern, auf Gott und Die Welt, können, denk einmal an sich gar nicht ausstehen. Adieu Du einziger reicher Frühling meines Lebens, in einer Zeit wo keine Wälder Wiesen grünen, mein geliebter Bettine 2v
Sr Excelenz Den Herrn Geheimen Rath von Goethe fr. Weimar
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An Johann Wolfgang von Goethe nach Weimar München, 18. Mai 1809, Donnerstag
Der Kronprinz von Baiern, ist die angenehmste unbefangenste Jugend, ist so edle Natur daß ihn Betrug nie verlezt, so wie den gehörnten Siegfried, nie die Lanzenstiche verlezten ist eine Blüthe auf welcher der Morgenthau noch ruht, ist mein Liebling; und so sammelt sich nach und nach in der Schazkammer des Herzens manches herrliche Kleinod; so hab ich: um Dich edler Stern meiner Liebe zu zieren noch manches schöne Bild neben Dir aufgestellt; doch alle ehren Dich. Gestern bin ich zum ersten mal, wieder eine Strecke weit ins Freie gelaufen. mit einem capriziosen Liebhaber der Wissenschaften und Künste, mit einem sehr guten gehorsamen Kinde seiner eignen Launen, eine warme lebendige Natur, breit und schmal, wie Du ihn willst, dreht sich schwindellos über einem Abgrund herum, steigt mit Vergnügen auf die kahlen Spizen der Alpen, um nach Belieben in den 700
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Ocean, oder ins mittelländische Meer zu speien; macht übrigens wenig Lärm; wenn Du ihn je siehst und | erkennst nach der Beschreibung; so ruf ihm nur: Ruhmohr wenn ich nicht irre so wird er sich nach dir umsehen mit diesem also hat es meine unbefangne Jugend gewagt sich das Ziel einer Reiße von anderthalb Stunden gefallen zu lassen; der Ort unserer Wallfarth; heist Harlachingen, auf Französisch Arlequin; ein heiser Nachmittag recht um melancholische Blicke in Brand zu stecken meine Augen glühten auch unter dem Strohhuth den tausend goldnen Blumen auf der Wiese entgegen; wärst Du mir da entgegen gekommen, so hätte ich allerdings dein Füsse zuerst erblickt, und so immer weiter, bis endlich die zwei Duncklen Lauben deiner lieben Augen mir Schatten genug gewährten, Dich zu erkennen, und dann würden vielleicht die Freudenthränen den heisen Brand der Schwehrmuth und – Sehnsucht gelöscht haben. Wir verlassen den grünen Teppig, schreiten über einen schmalen Balken auf die andre Seite des Ufers, wandern zwischen Weiden, Mühlen, Bächen weiter; – wie nimt sich nun ein Bauer in einer rothen Jacke gut aus, gelehnt an den hohen Stamm der edlen Populus alba, dessen feine Aeste mit kaum entsproßnen Blättern einen sanften grünen Schleier | gleichsam ein Frühlings Liebesnez nieder spinnen in welchem sich die tausend lebendige Wesen, Käfer und sonstige Bestien fangen und liebkosen, scherzen und ganz lieblich haußhalten; jezt! warum nicht – da unten ist genugsam Plaz – seinen Gedanken Audienz geben – Die Iser ist ein sonderbarer Fluß; von verschiednen Berges^klippen stürzen sich mit Pfeiles^schnelle herab, frische Quellen, einen sich unten in ein tiefes reisendes Beet, wie ein Schaumender Drache mit aufgespertem Rachen stürzt er sich hier und da über hervorragende Klippen und Felsstücke verschlingend her; und – Weh! in so karger Gegend, schauderhaft anzusehen ein schmaler Steg von zwei Brettern eine 4tel Stunde lang schräg in die Länge des Flusses, nun wir gingen keine Gefahr ahndend, Hand in Hand drüber hin, die schäumenden Wellen brachen sich unter uns über dem Weehr; auser das die Bretten mit meiner Leichtigkeit scherzend hin und her schwanckten und Rumohrs Fuß zweimal durchbrach, kamen wir glücklich auf die andere Seite, ein Dicker Bürger mit dem Verdienstorden an der Seite, war alles was wir auf dem einsamen Weg antrafen, im Grase sizend mit einem Schnaps, wir erkundigten uns ehrerbietigst nach der Ursache seines Verdienstes – er hatte einen Dieb eingefangen; unter einen Castanienbaum ließ ich mich nieder, träumend gräbt man mit einem 701
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Steingen mit einem Reis in die Erde Rumohr machte mir mit Stock und Huth einen Weg durch die Maykäfer die, wie viele Flintenkuglen um mich her schwirrten nah an Der Stadt auf einem grünen Plaz am Ufer steht von schönem Marmor der heilige Johann von Nepomuck, ihr Wassergott 4 Lanternen werfen einen fromen Glanz auf ihn, die Leute knieen nacheinander hin verrichten ihr Gebeth stört keiner den andern, gehen ab und zu, die Mondes Siegel stand oben; in der Ferne hörten wir Paucken und Trompeten, Signal der Freude, über die Rückkunft des Königs, auch war die Stadt schon beleuchtet als wir hineinkamen, und mein Herz ward bei dem allem schwehr, sehr schwehr wollte gern mit andern Felssteinen in die Tiefe hinab rollen, der König fuhr durch die Straßen das Volk jauchzte und Freudethränen rollten über die Wangen der harten Nation, ich warf dem König auch Kußhände zu und lächelte ihm ins Angesicht, und theilte so als Fremdling den Seegen der Kinder – Adieu hab dein treues Kind lieb, sag ihm bald ein paar Worte d* 18 May München Bettine
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, 22. Mai 1809, Montag
Landshut d* 22. May Clemens wird sich schon bei Dir durch einen Langen Brief über alle Gelegenheiten und Ungelegenheiten seines Schicksals, gerechtfertigt haben. seit 2 Tagen bin ich hier wo es herrlich ist so ungemein schön mild anschmiegend hätte ich mir die Gegend des Barbaren Landes nicht gedacht, ich kann Dir sagen das hundertmal, Savigny und auch der faule Clemens ausrufen nach Dir verlangend, um dich alle schöne Abende mitgenießen zu machen, es scheint in diesem Loose schüttlenden Zeitpunckt ein algemeines Bedürfniß zu sein sich mit Freunden zusammenzurücken so eng als möglich; indessen hab ich ein sonderbares Zutrauen auf die Zukunft auch in Hinsicht deiner, von Dem ich ja weiß, was alles zu seiner Befriedigung nötig ist; deine Sorge um mich lieber guter Arnim, haben sich in meinem Andencken in Dunckle duftende Blumen verwandelt, als gleichsam in Nachtviolen, die ich immer werde fort blühen sehen, es sind hier viele Nachrichten die einan702
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der den Hals brechen, mancher prostituirt sich malgré lui, es ist jezt keine Zeit mehr sich zu besinnen und wer nicht dem Guten folgen muß aus instinckt | der wird gewiß nicht mehr aus Wahl, hochstens aus Zufall, es treffen, drum lasse man Der Natur freien Lauf und lasse aber auch Gott den einzigen Richter seyn. Ein großer Fels ein ungeheures Gebürg wird lange stehen und wenn es in sich zusammenstürzen soll, muß es erst von manchen Seiten noch hin und her wancken und zittern pp: ein Mensch der, Der Weltlichkeit nach, in großem Unglück lebt, dem alles mißlingt, hat oft einzelne Minuten wo er zu Gott beten kann, wo er mit Ihm in reiner Verhandlung steht, dieß ist der Lohn der reinen Absicht, wenn auch nichts gelingt, und dieß ist das was den Guten vom bösen unterscheidet, ich freue mich den Wintergarten in den schönen Frühlingsgarten der waldigen Berge um Landeshut zu tragen; und da, alle einzelne produckte deselben als winterliche Moose und in dem Schnee versteckte Eisblüthen, in das zarte Grün hinein zu schüttlen, soll ein rechtes Gemisch der Naturen werden, in diesen Feldern wo vor kurzem noch der Schlachtgesang ungeheurer Macht Tönte, welche der 〈〈xxx〉〉 hall der Felsen eben so groß gegen die Wolken des Himmels tönte | wo sie in dem allmachtigen Busen der Schöpfung verhallten, und wohl manches Neue Schicksal das noch kommen wird dadurch gebildet haben. Adieu mein guter lieber bester Arnim Grimm war beglückt das du Die Kupfer^tafel annehmen willst, und will nichts dafür haben. Es müsen noch etliche Briefe an Dich unterwegs seyn. Von der Gräfin Görz hab ich erfahren, daß bei der ganzen Affaire von Regensburg sie nebst allen ihren Angehörigen höchst glücklich ohne die mindeste Beschädigung durch gekommen sind Bettine An Herrn Herr Baron Achim von Arnim abzugeben bei Fr. von Labes Viereck: N 4 Berlin
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 25.–etwa Ende Mai 1809, Donnerstag–Mittwoch
Berlin d* 25 May 1809. Kaum dem Dunkel tiefer Nacht gestattet die rastlose Wärme Kühle und Erfrischung, und wie jene mich in tausend schlechte Gedanken auflöst, so wendet diese mich innig zu Dir, in solcher Zeit reift so mancher gute Entschluß, aber der Himmel verlieh mir einen vergeßlichen Sinn und ein unstätes Glück und richtete beyde gegen einander in Eigensinn bis beyde wie freundschaftliche Schiffe, die Nachts auf einander feuern, sich gegenseitig in die Luft sprengen. Ich habe zwey sehr liebreiche Briefe von Dir, aber Du sagst in keinem von Deinen Sommerplänen, die Böhmische Reise ist abhängig vom Kriege und mir deswegen unwahrscheinlich; wird es von Franzosen eingenommen und besetzt, so ist der Jammer die Zerstörung aller innern Verhältnisse zu groß, als daß sich jemand aus blosser Reiselust dahinein stürzen möchte, zu groß, als daß der Einzelne helfen kann, träte der entgegengesetzte Fall ein, – aber das ist bis jezt die Unwahrscheinlichkeit. Von Clemens habe ich endlich einen ausführlichen Bericht erhalten, über Fr. Schlegel drückt er sich sehr gut aus, er hätte sich als Kapuziener gehabt, der zum erstenmal Hosen getragen, mir kommt er vor wie der Prediger, der sein Licht nicht ausblasen konnte, weil er nicht wuste, daß ihm der Mund schief gewachsen, wenn man den zum Lampenputzer beym grösten Theater machte, übrigens ist es von ihm, daß er es angenommen und von jenen, die ihn angestellt, sicher gut gemeint. Ich habe Dir in meinem letzten Briefe einiges von Schills unerwartetem Ausmarsche gesagt, da die Zeitungen von dem allen wenig sagen, so wird es Dir vielleicht lieb seyn, etwas mehr davon zu hören, was immer zu beachten, daß in einer Zeit, wo Millionen gegen ihre liebsten Ueberzeugungen ihr Blut und ihre Thätigkeit hinwenden, ein einzelner Mensch seiner Idee ganz unwandelbar treu in tausenden dieselbe Gesinnung erweckt. Und wirklich ist sein Heerhaufen nach zwey glänzenden Gefechten über zwölftausend angewachsen. Nachdem er bis gegen Magdeburg alle Zeichen der früheren Regierungen beym Jubel des Volks wieder aufgesteckt hatte begegnete ihm bei Todtendorf ein Westphälisches Regiment mit drey Canonen und Cavallerie, der steilen Anhöhen ungeachtet warf sich seine Cavallerie mit solcher Wuth darauf, daß alles in kurzer Zeit beendigt war, der französische Oberst 704
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Gautier schwer verwundet, und wenige Mann kamen allein nach Magdeburg zurück, wo die Westphälischen Autoritäten am Thore warteten, wie Schill eingebracht würde, er selbst verlor in Verhältniß nicht viel aber ein Paar sehr geachtete | Offiziere. Ein Paar Tage darauf fragte ihn einer seiner Offiziere, der ihm sehr ergeben, was denn eigentlich sein Plan sey, da doch die Oesterreicher geschlagen wären, Schill antwortete darauf sehr ruhig, dieselbe Frage hätten ihm jene beyden bey Todtendorf gebliebenen Offiziere einen Tag vorher gemacht und da hätte sie schon ihr Schicksal erreicht. Diese Zuversicht zu sich selbst wie manches andre ist sehr wunderbar an ihm und ergreift alle seine Leute. Die Mecklenburgische kleine Festung Dömitz, die in der Elbe liegt wie die Pfalz im Rhein, aber viel grösser und bey den flachen Ufern rings sehr gut zu vertheidigen, wurde von einigen seiner Leute, die in Kähnen versteckt dort an^landeten, mit ein Paar Ohrfeigen genommen, die einer der Schildwache am Thore gab. Zuletzt hat er am Himmelfahrtstage ein glänzendes Gefecht gegen die Holländer gehabt, die er bis Hamburg versprengt. – Er kann vielleicht traurig enden, nie schlecht. – Was ist der Enthusiasmus unsrer Zeiten! – Wien, das volkreiche, durch seine Lage recht wohl zur Vertheidigung geeignete, in dreyen Tagen genommen! Eben erfahre ich, daß Wien noch nicht übergegangen, sondern nur die | Vorstädte, daß Schlachten bevorstehen: Holde Frühlingstrahlen, weckt in frommen Herzen alle bittre Schmerzen, alle tiefe Qualen, keime alles Gute aus dem heilgen Blute, schwinde alles Böse in dem Kriegsgetöse, weiche alles Rohe, wachse alles Hohe, holde Frühlingssonne rette uns vom Schlechten, daß wir’s nicht verfechten thörigt unbesonnen, laß uns nicht erfreuen was wir nach bereuen, laß uns nicht beweinen, was gethan die Deinen, laß uns untergehen wenn wir Unrecht säen holde Frühlingsstrahlen, zeiget uns das Rechte, löset dieser Nächte bange Zweifelsqualen, blendet die Verruchten, leuchtet den Versuchten, wandeln wir nun heute zu dem letzten Streite, für den schönern Morgen, frey und ohne Sorgen. Dies Morgengebet habe ich eben aus ganzem Herzen und aus der Seele jedes armen Deutschen gethan, der in diesem Gewirre streitiger Wünsche seine Augen zu dem grossen Himmel erhebt und den der jugendliche heitre Glanz wie mich bis ins Innere durchdringt. Ich habe ein Gärtchen hinter meinem Hause, wo ich furchtbar unter den Raupen wüthe, die unsern deutschen Baumen das Grün abfressen, doch ist die Welt allen Raupen zum Trotz noch sehr schön im Kleinen und sehr häßlich im Grossen Ach es überfällt mich unter diesem aufstrebenden 705
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Grün, unter diesen aufsingen Grasmücken | eine Sehnsucht nach Lieb und Freundschaft, als wenn ich sie noch nicht hätte, noch nie genossen hätte, eine träumerische Trägheit lähmt jede Thätigkeit und ich bin mit nichts zufrieden und mit allem; wohl möchte ich zu Dir, wenn es nur nicht so weit wäre und so unsicher euer Aufenthalt bey der Melan- 80 choley der Savigny und der Hypochondrie des Krieges. Unnütz bin ich übrigens hier, ich versuchte vor einigen Tagen, ob sich etwas auf den Kreistagen unsrer Provinz thun lasse, da fand ich aber alles so verschwägert vervettert, und verbast, daß es wie in allen Familien herging, der langweiligste Schwätzer behielt recht, übrigens war ich dieses 85 erstemal blos Zuhörer, meine Wünsche suchte ich den Leuten einzeln deutlich zu machen. Nachdem nun einen Vormittag so blutwenig zum Besten des Vaterlandes gethan, wurde den Mittag ungeheuer gefressen und gesoffen, was sein Gutes hatte, denn alle erklärten, sie wären mit diesem Landtage besonders zufrieden. Den andern Tag besah ich mein 90 wüstes Schloß auf Friedenfelde, das durch Feinde und freundschaftlichen Einbruch noch mehr gelitten, es ist unsägliche | Noth. Die Dorfbuben hatten inzwischen vor dem einsamen Schlosse ihren Spielplatz aufgeschlagen, da war mancher Stein in die Fenster geflogen, andre hatten den ganzen Gartenzaun in kalten Winterabenden verbrannt um 95 dabey Novellen zu erzählen, ich ließ alle Streitkräfte spielen, die ich in dem Kriege gegen Voß gewonnen habe, ich drohte ihnen mit der Literaturzeitung und ich werde künftig sehen, was es geholfen. In meinem Zimmer voll alter Reste aus meines Vaters Zeit, Landkartenhaufen, Siluetten, Spazierstöcke, Gemälde von französischen Aktri- 100 zen wurde es mir langweilig ich ging zu einem benachbarten Vetter, der eine recht artige Frau und eine schöne Ruine von alter Burg hat, die Frau hatte ihm einen artigen Garten dazu angelegt, einen Weinberg, es überraschte mich mancherley Hübsches so nahe zu finden und bey mir so viel Wüsteney. Hätte ich mich wie ein andrer früher be- 105 schränken gelernt, vielleicht wäre bey mir manches ähnliche entstanden, wie hundertmal denk ich, nun bin ich ergeben in eine gewisse Lebensart, gebunden an einen gewissen Ort, aber ein Tröpflein Honig, daß mir wieder herniederthut bringt das ganze Gefäß meiner | Wünsche wieder in Gährung, die Blasen steigen farbig auf; im Grunde wie 110 wenig verlang ich und doch find ich es nicht! – Meine Abende bring ich jezt meist in Gärten in einem recht angenehmen Kreise zu, den eine Gräfin Voß um sich versammelt, aber die Politick zerquält jezt die Menschen fürchterlich und ist je eine Feindschaft gründlich ausge706
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glichen so ist es die zwischen Oesterreichern und Preussen; Haufen von Menschen stehen mit banger Erwartung stundenlang vor dem Hause des Oest: Gesandten und kommen endlich ein Paar fröhlich blickende Augen heraus, so entsteht ein Horchen ein Schwatzen und ein rasches Auseinanderlaufen, um die gute Nachricht eilig zu verbreiten, daß man mit Verwunderung der Jahre gedenkt, wo ein Herrscher alle Anstrengungen, alles Blut eben dieses Volks gegen diese Richtung gegen Oesterreich gedrängt hat und das Herrliche und Traurige der ganzen Menschheit und das Schreckliche des Einzelnen trit einem sehr nahe.
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Mein Brief hat sich ein Paar Tage auf meinem Tische verspätet, ich wollte Dir noch viel, recht viel schreiben, und erhältst bald einen andern Es blüht, es grünt, es treibt das Blut, Es geht im Freyen sich so gut, Hier bey der Tangerhütte Tret ich mit Freunden ein, Es soll nach ihrer Sitte Ein Schiessen heute seyn Ins Schwarze soll ich zielen? Schwarz deine Augen spielen, Ich laß das Schießen seyn Es singt, es springt die Vögelbrut, Wie hebt der Ball mit freyem Muth, Sich von dem grünen Platze, In Hemdesärmeln frisch, Da gehts mit schnellem Satze Fort über Bank und Tisch, Es zieht mich mit der Haufen, Doch sollt ich also laufen, Ich liefe gleich zu dir. x Es rauscht, es schäumt so voll der Bach, Und alles Grüne sieht ihm nach, Den Fischer ihr ansehet Der seinen Hamen senkt, Und wenn das Fischlein stehet Und wenns an gar nichts denkt, 707
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So hebt er Netz und Stange, Da springt das Fischlein bange, 155 Und glänzet doch schön hell. So springt und glänzt es in mir hell Wenn ich Dein denke liebe Well, In der ich gern geschwommen, Und wo du hingekommen bist, 160 Ich hab es nicht vernommen, Wohl durch des Schicksals List; So stille wie die Fische Ich schaue in die Frische Daß sich die Wange färbt. 165 Laß dir dieses unbedeutende Liedchen eine Erinnerung seyn, wie mir zumuthe war, ehe ich wuste, daß du gesund geblieben. Kur
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Von Joseph Janson von der Stockh nach München oder Landshut Augsburg, 25. Mai 1809, Donnerstag
Augs. den 25ten May 1809 Den Namen bloß, die Spur der Hand glaubte ich am Pförtchen bloß zu finden, und war schon traurig, über die par karchen Worte, als Sie verborgen hinter unsern Ritter mit reicher Gabe, aus der Thüre tratten; Auf meine einsamen Weeg, und Steege wo ich alles hinschleppe, was mir theuer ist, flüchtete ich mich mit dem Briefe, schlug drausen mein Lager auf, und rede freudig mit Ihnen unter dem freyen Himmel. Wo 708
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ist wohl eine Entfernung groß genug, für die allgegenwertige Seele, die ungetheilt da ist, wo sie seyn will, in ihrem Element, bey einer andern Seele. Eben dieß ist Ihre Trauer, in der ich Sie schon öfters erblickte. Wär ich doch der Brakenburg wie wollte ich den reichen Vicompte d’Egmond an sein Klärchen mahnen! Aber unwillkührlich dringt sich iezt eine Gestalt auf | die mich seyd gestern verfolgt. Sie sagt mir, daß es gut ist, recht verwaist zu seyn, damit wir fröhlich schlafen gehen können, und niemand traurig nachsieht, wenn wir keine Antwort mehr geben können, auf seine Fragen? Eine ganz alltägliche Erscheinung ich weiß nichts ungewöhnlicheres, aber was die Seele erschüttert kan ich nicht gleich wieder verbannen, gerade der Nehmliche, der mir kurz erst seine Arbeit frey von allen Sorgen übertrug, den werden heute wohl, die Blätter an den Baeumen lange überleben; er kan für seine Seele nimmer beten, seine Wärter fürchten sich vor ihm, stum steht die blasse Mutter, bey den Kindern, die unschuldig spielen, sie wissen nicht, daß bald der müde Vater für immer schlafen gehen wird, der unschuldige ist zu bedauern, nicht der, der aus der Losungsurne sich Orden hohlen will, in dieser ehrewüthigen Zeit, und sich dafür ein | Leichentuch herauszieht, und statt des Goldes, eine feuchte kühle Erde in die Hand bekömmt. So werden sie bezahlt, die schönen Pfaffen Baals, das Feuer fällt anstatt auf ihre falschen Opfer, auf sie selber. Es lebt der Mensch allein von seiner eignen Erzeugung, und es giebt kein tödend Gift, als was aus unsrer eignen Brust kömmt; die armen Kranken hingeschlepten Opfer, dieses iunge Blut, es vergiftet nicht; belastet sie die ewge Gnade, durch ein einzig offenes Gemüth, so leben sie von neuem auf, mit allen Lebenskräften, und hängen sehnlich, an den abgesannten vielbeglükten Retter, der selber unverletzlich sie bewacht, und immer neugebohren, sie verläßt. Sie sind zu gut mit mir, wenn Sie mich hören wollen, an niemand darf, und kan ich treulich mich sonst wenden, denn viele alle hab ich fast verlohren, die mir theuer waren. wenden Sie sich nicht ganz ab von mir, auch wenn Sie weiter ziehen, hätte ich doch nur Ihr Bild, ich will ia damit nichts weiter, als es zuweilen sehen, Sie können es vorher zerreisen, wenn ich nur die Trümmer davon hätte. Ohne dieses alles würde ich wieder, eben so verstummen, wie ich vorher war, denn was ist die menschliche Rede den Winden? was ist sie dem Raum den öden in dem kein Ohr ist? sie zu vernehmen. So selten ist der Mensch in Gnaden, daß er über aller Sehnsucht, seinen Gott al709
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lein verlangte, deshalb schuf er seine guten Engel, seine Mittler. Eine gute Nacht dem heitren Sonnentage, dem ich wer weiß es wo, und wann einst wieder sehen werde. Joseph Janson.
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Gott grüße Sie! beschämt steh ich vor Ihnen, ich habe fast nichts erlebt bisher, was ich Ihnen sagen könnte, ich gehe Ihnen aber deshalb doch offen entgegen. Meine Function hab ich begonnen, ich steh auf den alten gewohnten Kampfplatz, und regiere meine lieben Waffen; kome ich durch die nahe Gefahr, so ist es mein gutes Schicksal /:denn noch keinen hat die Epidemie unangetastet gelassen:/ Gottvertrauend war ich von ieher, wenn ich aber zweifelloß bin, so bin ichs durch Sie, Mächtige! Diese Meinung findet Gnade, über alle Hindernisse der neuen Form hob ich mich schnell hinweg, ich hänge mit allen genau zusammen, habe Vertrauen, Gehorsam. Wenig bedarf der Kranke, um neues Leben zu schöpfen, nur darauf kömt es an, wo es ihm herkömmt! Nur solche, die weder etwas wollen, noch etwas zu verliehren haben, stehen hier sicher an diesen Ort, so ist oft Armuth, großer Reichthum. Aber ganz allein bin ich, und das schmerzt mich, die, welche mich riefen hatten mich nur nothwendig. Ihr! Angedenken grünt, und lebt in mir und würkt unsterblich fort, das ist | mein größter Schatz, so wie alles, was ich bekommen habe, meine wahre Habseeligkeit. Augspurg ist alt teutsch vormahls und frey, iezt furchtsam und eingezogen. Geister die sonst hier hauseten sind ausgezogen, und haben ihre Wohnungen öde und leer zurück gelassen, ein trüber Anblick. Das Buch kömmt in ein paar Tagen nach, ich kan mich nicht loß reisen davon. Wie ein Bruder küsse ich Ihnen die Hand, und gehe zurück, auf meinen kleinen Weeg, Ihnen in weiter Entfernung sehnsüchtig folgend, doch gläubig, denn ich zweifle nicht an der Gemeinschaft der Seeligen. Sie antworten mir, Gnade hoffe ich auch, die richtet mich auf, ohne Ihren Ernst zu fürchten, den zermalmenden. Nur noch ein710
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mahl wenn ich um wenden könnte, um noch ein mahl zu scheiden von meinem theuren Leben, das immerdar leuchten wird, dem geringen Unbekannten. A. Janson Med: du l’hospice milit: a rue de Maximilian lit: A. Nro 35.
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ich schicke das Buch doch, weil ich fürchte Sie möchten einpacken
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 3. und 4. Juni 1809, Sonnabend und Sonntag
Wie ich so vor mir rede in guter und böser Zeit, so schreibe ich Dir, ohne Hoffnung, daß Du es hörst oder liesest, von meinen Briefen scheint Dir noch keiner zugekommen, von Dir erhielt ich heute den ersten aus Landshut der meine Sehnsucht zu euch allen aus der Asche aufrührt. Und doch giebt es auch hier Tage, die Himmel und Erde und alle Ansprüche an gute Gegend ausgleichen, so war mir gestern, heute ist der Himmel eingestürzt und die Kinder waden aufgeschürzt in dem Wasser vor meiner Thüre, das gestern in prächtigen weissen Wolken droben hinschwamm. Ich ging ganz allein in dem Thiergarten, das unendlich abwechselnde Grün aller Art von hohen Eichen bis zu dem mannigfaltigsten amerikanischen Gestrüpp, durch Platanen, blühende Akazien durchgeführt, spielte wie alle Welttheile durcheinander vor den römischen, franzosischen, hollandischen, gothischen Landhäusern, das Vaterland ließ sich recht angenehm vergessen. Bald gingen die Eßglocken in den Landhäusern, die Kinder sammelten sich aus allen Gartenwinkeln, die Lichter zündeten, der offenherzige Sommer hatte alle Thüren geöffnet, die Mädchen sangen einander was vor zur Guitarre, und verkrochen sich, wenn ich sie behorcht hatte und die Fasanen flatterten in den Gebüschen auf. Jeder Athemzug war Wohlgeruch | jeder Schrit ein Vertiefen und eine wandelnde Fülle freundlicher Bilder umlagerte mich bald, daß ich kaum hinausfinden konnte. Fand ich dich doch darin.
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d* 4 Juny 9. Ich bin sehr traurig, abgespannt und tief gekränkt und dieser Frühling ist mir wieder verleidet – Schill soll todt seyn, wenigstens schwer verwundet, und dieses Vorbild aller Edlen, woran Natur und Glück sich viele Jahre froh gearbeitet liegt wie ein Garten nach einem Erdsturz zerstückt und unkenntlich vielleicht mit allem was er trug im Staube. Ich könnte mit erhabnen Worten groß thun, wie er würdiger gestorben, als wir alle lebten, wie er bis zum Meere hin seinen siegreichen Weg verfolgt, und wirklich sind seine letzten Tage noch aus^gezeichnet merkwürdig, er schlug mehrere Truppenabtheilungen, erstürmte Stralsund, worin er 300 Kanonen, 10,000 Flinten 7000 Centner Pulver nahm, aber dieser plötzliche Zuwachs soll sein Untergang gewesen seyn, alle die Vorräthe in Sicherheit zu bringen verweilte er zu lange in Stralsund und mit getheilter Macht, frische Holländer die sich mit den geschlagnen vereinigt, eine Corps Dänen und Westphalen, die dazugekommen näherte sich der Stadt, er ging ihnen mit sechs Hundert der Seinen entgegen, das Gefecht dauerte einen halben Tag und ungeachtet der grossen Uebermacht, wäre es vielleicht glücklich geendet, wenn er nicht schwer verwundet | worden. Wenige Tage vorher hatte er seinen guten Genius in einem Gefechte verloren, ein Junge von vierzehn Jahren, der hier zu ihm kam und als er ihn wegen seiner Jugend vom Dienste zurück wieß, seine Büchse sich selbst umzubringen auf sein Herz setzte, da nahm er ihn an und der Junge hatte in allen Gefechten Wunder gethan. Wehe, daß eine elende Ueberzahl geldgeworbener Wichte von denen auch der Beste nicht gegen den Schlechtesten seiner Treuen auftreten und ihm in die Augen sehen konnte, so den schönen Anker unzähliger Hofnungen ausreissen konnte. Ich bitte Dich lies den Schluß des Götz von Berlichingen, es ist eine erschreckliche Wahrheit. Heute als ich im Garten dem Raupenfrasse jammervoll zusah, wie sie mit allerley Listen au〈〈f〉〉 die edlen Bäume sich schwenkten und nur da〈〈s〉〉 elende übrig liessen, da ließ sich im Hofe ein blinder Mann mit einer Violine und seine Frau zur Zitter beyde mit einem Kriegsliede auf Schill vernehmen – das nun alles nicht mehr passte, denn da liegt er jezt vielleicht von dem elendesten Volke angespieen, oder er seufzt auf seinem Marterlager über das flüchtige Meer von einigen Freunden gerettet, denn auch diese Sage ist in Umlauf, daß er sich mit dem Reste seines Corps eingeschifft hat. Da besof ich mich in den Schmerzens^wein, ließ mir auch von Prinz Ludwigs Tode und Colberg singen mitten unter Waschweibern, die ihre | Waffenzuber verliessen 712
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und die Hände in die Seite stellten, es ist entsetzlich, wo gar nichts mehr stört und die ganze Seele nur einen grimmen Gedanken erfasst, es ist alles vorüber und es kommt eine andre Zeit, hoffnungslos trostlos und die Menschen werden darin scherzen und keine Ahndung haben vom Besseren, wie sie waren – Lebe so wohl so froh du kannst, schreib mir ob Du sicher in Landshut oder München den Sommer bleibst. A. A. An Fräulein Bettine Brentano zu frey Leipzig Landshut in Bayern
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 11. Juni 1809, Sonntag
München d* 11ten Juny Es ist mir sehr traurig, keine Nachricht von Dir zu haben jezt sind es 3 Wochen das Dein lezter Brief ankam; ich hab etwas davon dem Savigny vorgelesen woran er großen Antheil nimt unterdessen hab ich manches in der Zeitung, von deinem Land erfahren, was mich unruhig macht, mich bewegt, besonders um Dich, von dem ich nicht weiß wie – das Posthorn das damals so zerschmetternd mir in Die Ohren klang, wie ich dir die Hand zum leztenmal gab, kommt mir immer wieder in den Sinn, sollten wir denn noch lange von einander seyn? jezt wo die Welt sich umdreht und alles durch^einander geht, vielleicht könnte aus Zufall dadurch auch zwei Freunde wieder zu einander kommen, daß ich Stillschweigen muß, und nicht so meine Lust dir aufs Papier schreiben kann, ist mir sehr leid, jedoch magst Du dadurch erkennen wies steht; – Savigny Gundel und Kinder hab ich sehr wohl verlassen, auch den Clemenz, der von seiner Frauen zurückgelaßnem Wein Trinckt der so sauer und schlecht ist wie die Frau selber; Cristian erwarten wir alle Tage von Franckfurth, wo er Geschäfte macht, dann geht er nach Böhmen wenn es noch so wie jezt möglich ist, es könnte seyn daß man einen kleinen Rutscher mitmachte, Projecte in Wind. Meline Die das ganze Jahr kranck war, und das kalte Fieber hatte, hat sich in einer 4tel 713
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Stunde entschlossen mit Franz der schon bereit war in den Wagen zu steigen, nach Bremen zu reißen sie ist ganz Gesund und Fröhlich dort angekommen von deiner Tante aus Regensburg hab ich noch verschiednemale Nachricht gehabt, der ganze Vorfall der Kriegszene hat keine nachtheilige Folgen | gehabt für sie, ihr Kind soll aber gar nicht Wohl seyn, jedoch weiß ichs nicht bestimmt; mit meinem Gesang geht es soso mir haben Husten und Schnupfen viel Zeit weggenommen, erst seit wenig Tagen bin ich wieder ganz wohl, ich hab mir jezt ein Chor zusammengebracht 2 Sopran Alt Baß pp; Ich hab oft an Luise Reichard gedacht, wenn sie hier wäre so würde ich mir ein Logis für uns beide miethen, und würden unsere kleine Haußhaltung zusammen führen, zum Singenlehren, glaub ich zwar nicht daß es ein guter Plaz wäre; aber als Kammer sängerin bei der Königin oder Lehrerin für die Prinzessinnen doch würde ihr dieß vielleicht gar nicht anstehen, auch glaub ich gar nicht daß solge sehr gut bezahlt werden; mir wäre es immer ein Vortheil in meiner großen großen Einsamkeit ich sehne mich Täglich nach jemand, nur ein freundlich Wort mit ihm zu wechseln, und wenn ich mir wählen sollte so wärest Du es, und wenn ich mir wählen sollte so müstest Du alleweil (das heist: immer) bei mir seyn; denn nie wär ich zufrieden, wenn ich auch alle Tage Nachricht von Dir hätte ich müste Dich denn selbst sehen, aber so muß ich mich drein schicken; lieber Arnim! soll denn meine Mutter Erde sich nicht einmal dehnen oder recken, oder mich und Dich auf einen Arm nehmen daß wir zusammen spielen könnten, müßen wir uns immer Durch Wind und Wetter und Wolken, nur von weitem zurufen; sag mir siehst Du zuweilen mein Bild noch an? ganz gewiß; Abends | beym Schlafen^gehen? oder Morgens beim Aufwachen? Adieu mein guter Arnim; hast Du nun niemand mehr, keinen Frohreich, keinen Hund oder Kaze oder Vogel der dir Treu ist? so gehts dir wie mir, denn Du hast doch in der Ferne eine Seele, die dich so lieb hat wie sich selbst aber leider sie hat sich nicht sehr lieb und ich hab auch eine, von welcher ganz gewiß überzeugt bin daß sie mich lieb hat, allein bin ich auch »auf mich selber steh ich da ganz allein, obschon ich im Felde nicht viel werth bin Dein treuer Freund und geschworner Gesell im Leben bis an Tod. Bettine.
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d* 12 Juni München Die Bettine ist sehr vergnügt und Froh über Arnims lezten Brief, der ihr ans Herz spricht mit unendlich viel lieb, Ey Ihr Briefe, was steigt Euer friedlicher freundlicher Werth in dieser Zeit der Zerstörung, ich mag den wohl einen großen Herrn nennen der eine solge Goldgrube in den Herzen seiner Freunde hat noch dazu in fernen Landen; sage Denen auf dem Landtage die so gut zu essen und zu trincken wissen: Ihr Männer! wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet Ihr nicht ins Himmelreich eingehen, ja es wäre besser diese wären einfältiglich wie die Wizbürger, welche einen Krebs für einen Schneider halten, und endlich darauf hinaus^kommen das wenn es keine Taube oder Storch ist, es doch gewiß ein Hirsch seyn müsse; als das sie den Krebs nicht der Werth achten, und nicht wissen daß ein fressender Schaden am Ende das Leben weg frißt. Mein guter Arnim das Feuer ist ein Ding welches aus viel schlechtem schon manches gute gemacht hat, denn also kommt es, daß aus Eisen Stahl werde das sich eher brechen als biegen läst, Nationen stehen jezt im Feuer, und werden gehärtet und geklopft wenn endlich das kalte Wasser drüber her Dampft, dann tritt die neue Natur an Tag und bewährt sich, und so hat ja die Donau die Esse plözlich überschwemt; man hoft allerdings daß der niebesiegte Napoleon auch dießmal glücklich zu rück kehren werde, deswegen ist auch alles ruhig bei Uns, und Du darfst dich keines wegs um mich angstigen auch ist der König hier | dessen Gegenwart eine Garantie gegen alle Gefahr ist es hellen sich der Sonne dunkle Strahlen, will eine bessre Zukunft bildlich mahlen, die Uns befreien soll von allen Qualen. wenn man ein Wetter sieht von weitem kommen, das ganz in eigner Gluth sich hat entglommen so kann es schwehrer nur zum Ausbruch kommen, Die Dunkle Heeres Wolken mit ihm ziehen, und nicht gar leicht vorm Ge715
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genwinde fliehen, Verzweiflungs^wuth hat ihnen Kraft geliehen, sie stoßen hart die Häupter sich mit Krachen, und donnernd fährt der Bliz aus ihren Rachen, muß eine schnelle Bahn durchs Dunkel machen, und wie im Traume, sich das Schicksal wendet, und wechselnd, Glück und Unglück jedem sendet, doch weiß noch keiner wie es mit ihm endet; – lieber Gott wenn jezt bald Die Strahlen deiner lieblichsten Sonne wieder durchbrechen, und mancher Stamm mit Samt der Wurzel aus seinem treuen Erdboden losgerißen Da^liegt, von der Gewalt des Sturmes wenn wir die herrlichen Aeste, und Giebel der majestätischen Felsen zersplittert und zersprengt, den weichen Erdboden mit ihrem Fall bedrücken sehen, dann wird noch einmal die Wehmuth die Herzen tief erschüttern und dann wird Ruhe seyn, und wenn dann unser Held, auch ruht, der da kam allein, ohne irdische Macht nur mit Gott und sich selbst, das wird der Bettine nah nah ans Herz gehen; viel läst sich nicht schreiben lieber Arnim, aber Rumohr der eben während ich einen Augenblick aus dem Zimmer war, gekommen ist, hat Dir da unten eine recht artige Novelle von einem großen Hemde hingeschrieben; darüber fällt mir ein daß Du viele zerrißne Hemden hast, die mögten jezt gute Scharpie für die verwundeten geben und deine Großmutter könnte eine reforme in den Staatsangelegenheiten deiner Garderobe machen, 2tens fällt mir dabei ein, daß Du von Grund aus großmüthig seyn must, weilen Du damals auf der Reiße dich dieses schönen Hemde entübriget, um es einem Freunde zu geben, dieß nenne ich wahre Freundschaft, drittens erinnert mich dieß Hemde an eine ziemlich kalte regnichte Zeit von ausen, aber recht warm u lieb von innen, denn wir waren beisammen und dieß war Gut und besser als alles was nachher geschah; drum will ich 4tens dieß Hemd suchen in meine Gewallt zu bringen, und wills auch tragen als ein Kleinod und Talisman unserer ewigen Freundschaft und sollte so das Schicksal wollen, daß man sich fort^schwinget, in Ruhm und Würde, so könnte es kommen daß dieses Hemd, noch mit der Zeit, einen Plaz im Römer zu Franckfurth, gleich wie die Stiefel von Carl dem großen (oder im Rathhaus zu Prag wo ich jezt auch ansäßig bin, oder im Museo zu Berlin oder im knopf des Kirchen^thurms zu K–stethen) bekäme, und daß man es allen Fremden zeigte, und dann könnte Rumohr bei dieser Gelegenheit auch auf die Nachwelt kommen, er hat zwar schon eine Leiter angelegt nehmlich mit einer Abhandlung über Geschichte, weiß aber nicht ob sie die Leiter lang genug ist. 716
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Grim der ehrliche Junge grüßt dich herzlich, freut sich wenn Du die Platte als seine erste Hiesige Arbeit, zum Andencken annehmen willst, der arme Teufel, wird hier blaß und mager, doch sagt er daß ihm nichts fehle ich glaube er nährt sich zu sparsam, ich hab ihm hierüber ernstlich zu gesprochen es sind vor kurzem Verwandte von Professor Heß, aus Düsseldorf hier angekommen, die ehmals recht gut Freund mit unserm Hause waren, auch mit Görres, Laseau, Lins, Corbach pp verwandt und bekannt sind, sie heißen Schmidts und scheinen recht liebe Menschen zu seyn, da ich nun niemand hier kenne so hab ich mir vorgenomen mit der Tochter die ungemein sanft und gut zu seyn scheint, näher bekannt zu werden; Arnim warum kömmt dein Wintergarten nicht an, ich bin doch überzeigt daß er schöner blüht als der hiesige Sommergarten, und daß er mir die Ganze Gegend meines Aufenthalts schmücken würde, nein die Jahreszeit ist wircklich unerträglich in diesem südlichen Land, es thut noth, daß man nicht mit der Nase noch in Schnee fällt, denn rund im Umfange von 10 Stunden schneits noch zuweilen da muß man sich gewaltig vorm Verkälten hüten, besonders da ich alle Morgen um 6 Uhr schon meinen Wanderstab auf die bethauten Felder seze, um zu dem alten Eisbär dem Winter zu gehen, welcher eine halbe Stunde vor der Stadt in einem Taubenschlag wohnt, wenn ich morgens komme so sizt er gewöhnlich auf dem Schlag und ähmt die jungen, die Tauben fliegen zu hunderten um mich her, auch kommen sie wenn wir singen zum Fenster herein geflogen; ein langer Cartar hat mich während 4 bis 5 Wochen abgehalten zu singen, während | dieser Zeit war ich höchst unglücklich und ungeduldig, obschon ich die Zeit auch zur Musick verwendete; so wars mir unerträglich meiner stimme so feste Ketten und Bande angelegt zu wissen, und geberdete sich diese wie ein ungezähmtes eingefangnes Tier, das in allen Ecken nach Freiheit sucht, ich fühle doch daß diese Neigung zum Gesang noch in keiner Laune meines Schicksals untergegangen, und wenn mir alles verdrießlich war so konnte dieß mich wieder wecken, trösten, pp. ob ich Fortschritte mache kann ich gar nicht bemercken, denn von der Musick wenn ich sie verstehe, bin ich gleich entzückt; und dieß ist mir genug; allein Genuß hab ich davon, und, dieß macht mich glauben, daß es gut gehe, ich wollt ich hätt jemand zum zuhören, wärst Du Da, könntest mich allemal hinausführen Morgens und Abends, und würdest mir gern zuhören und würdest mich loben; singe jezt Dueten von Durante, Marcello, Hasse, Adieu leb wohl, schreib oft, der lezte Brief hat mich wieder mal so sehr gefreut, säßen wir hier neben einander, Du könntest nicht inniger gemüthlicher 717
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zu mir sprechen; Arnim ich weiß Dir Danck, daß Du so glänzend den Frühling in eines Menschen Brust erhälst während alles in sich zertrümern und zerschmettern mögte, den Krohnprinz (von Bayern, von dem 110 ich dir wohl schon geschrieben habe) hab ich zwar persönlich nicht genauer kennen gelernt, allein in dem was ich von ihm höre, entspricht er ganz der Idee die sein Wesen mir gab, Mild und auf eine großartige Weise Gutmüthig, hat er sich in diesem Krieg bewiesen, er war bis jezt noch immer gar nicht in Der Laage zu wissen was es für Menschen giebt 115 in der Welt, weder gute noch böse, weiß selbst nicht einmal von sich, hat noch kein Gefühl wie der Umgang mit der Jugend ist, ich hab auch unter andern Gedichte von ihm in Händen gehabt, die zwar nicht in der Sprache gebildet sind, allein voll Kraft und Wahrheit im Gefühl, ich wollte, er sähe einmal z.B. Dich, würde dich gewiß ungemein lieb ge- 120 winnen denn ich weiß, grade die Vögel die beym ersten Erwachen aus dem | Neste schauen, und dich pfeifen hören, denen erweckt gar ein großes Wohlgefallen, die Frische deines Gesangs, siehst Du, es ist mir immer leid wenn ich ihn sehe unter tausenden herum gehen, die er nicht begreift, und die ihn nicht verstehen, die ihn alle für ganz ge- 125 wöhnlich halten da er doch das Herz voll ungewöhnlicher Güte den Kopf voll ungewöhnlicher arbeitender Ideen hat, er hat auch niemand der ihm nur recht geben könnte, weil man nicht leicht versteht was er will, Du nun würdest ihn erfreuen weil du Treu bist und weil Deine Fantasie einen sanften Schlag im Schwung des Flügels hat, der nicht er- 130 schreckt, und dem man sich ergiebt; ich ergebe mich ihr auch, besonders wenn du mich zu Dir hin fantasierst, und mit mir gehst schmal und Breite Wege. Bettine An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei Fr von Labes Viereck No. 4 Berlin
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〈1v auR Rumohr:〉 Gott grüße Dich lieber, guter Junge. Ich habe noch ein Hemd von Dir 140 zum Angedenken in Cölln behalten. Es ist schön groß und weit, daß ich es jederzeit mit besonderer Andacht anziehe. Nim dir nicht zu Herzen, ob mich die Leute aus Liebe oder H festhalten 718
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, vmtl. 14. Juni 1809, Mittwoch
Mein guter Arnim; gleich den andern Tag nachdem ich meinen lezten Brief an Dich abgeschickt hatte, wärs mir ein großes Bedürfniß gewesen, mich mit Dir auszusprechen, und hättest vielleicht einen Der längsten Briefe von mir erhalten, wenn nicht ein Gedancke in dem andern ertruncken und so fort endlich die Nacht darüber eingesuncken und die Post abgegangen wäre noch ehe ich mich von meiner nachdencklichen Unterhaltung mit Dir erholt hatte, lieber Arnim was wollen Wir anfangen? oft ist mirs als müste ich reißen in ganz enfernte Lande, wo vielleicht Gräber stehen öde und wüst, und müste diesen vergessnen vor Der Welt, ein Denckmal stiften, den grünen Raasen und junge Sprößlinge Hüten, vor dem Übermuth, der alles zerstört, bis sie heranwachsen und sich selber festhalten mögen. Ach ich mögte gar vieles Thun und lassen, wenn sich nur alles immer so ineinander fügte. Wem mein lieber Freund, wem tretten die Gedancken die neugierigen, nicht auf die Thür schwelle des Herzens, versäumen das innere Haußwesen und schauen sich nach allen Seiten um Neues um, Schwühl ist es daß einem Die Luft den Athem benimt, man blickt nach einer Sturmwolke mit Sehnsucht, und wenn sie auch Schwarz den Tag um^zieht wenn sie auch die bebauten Felder mit Haagel Deckt, wenn die Winde auch die herrlichsten Bäume auswurzeln; die Kirchthürme wegtragen, wenigstens hat die beengte Brust wieder Luft, und muß nicht mehr schmachten, eben lieber Arnim erhalte ich einen Brief | von Dir, vom 4ten Juni, die Ursache deiner Trauer hab ich zu Herzen gefaßt, und wenn ich um die ganze Welt nichts mich bekümmerte, so muste ich um Diesen meinen Helden weinen und ich will mich auch nicht zufrieden geben, daß er so herrlichreichlich dem Leben entsagt, denn da Die Hoffnung mächtig grünt, bei Uns, so muß ich betrauren wenn der Garten erblüht; daß Er sich nicht am Duft weiden möge, der am würdigsten war, wenn aber alles Neue Leben in Schmerzen in Der Geburth muß ersticken, so muß ich verzweiflen daß diese Kraftnatur im Augenblick der Entscheidung, schon zu Grabe gegangen war. Es ist mir leid daß ich einen dichten Schleier über meine Gedancken muß ziehen, wenn ich Dich könnte, Klar sehen lassen du würdest in deinem Innern vielleicht die Welt noch einmal umarmen, sie fest ans Herz drücken in der süsesten Überzeigung daß sie noch ein gutes Kind werde. verspreche Dir und mir Arnim, daß Du nie etwas in der jezigen 719
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Laage ergreifen willst, ohne deinen rechten Arm, oder ohne deinen Augapfel; (das ich bin) mit theil nehmen zu lassen, ich bin zu allem aufgelegt, was wachsen macht; und wäre ich dort gewesen, ich hätte, gewiß gleich dem 14 Jahrigen Knaben zum wenigsten Liebe genug gehabt für ihn, wenn auch nicht Muth genug gegen andre. siehst Du, was ich da sage; ich kann es nicht rechtfertigen, aber Du verstehst mich. gestern hab ich gesungen bei Winter, die Profezeihungen der Cassandra von Marzello componiert, aber, groß und herrlich ewig | in die Höhe schwebend über alles Menschliche Elend (wenn es auch mit Zentnerschwehre sich an uns hängt) ist die Kunst und schweigt nicht in diesem Tumult und Verwirrung, sondern thut gleich andere ihr theil gewaltsam, sie wirft nieder alle verschanzungen der Noth, sie macht die Freiheit zur Luft die wir einathmen sie macht den Enthusiasmus zur Hüte in welcher wir wohnen ach und nun fehlt noch daß sie uns ihre Frucht (nehmlich Thaten der Überzeigung des Willens) zur Nahrung gebe, so mögte ja das Haupt in den Wolken wandlen, und Die Füse auf Erden, die Brust aber müste ein Abbild in sich tragen der reinen Wahrheit. die Poesie der Cassandra ist sehr einfach, erzehlend, Sonne! ruft sie am Ende ihrer Begeistrung aus,: warum hast Du die Strahlen dem Tag gegeben, daß er Hell dieß Unglück ansehen müse, schreien wird Minerva vor den Festen Brüllen wird Mars in der Stadt ihr entgegen, Jupiter wird seinen Donnernden Arm in die Wolken Drücken, Du aber Pluton geb acht, daß mit deinem unterirdischen Stürmen und Tosen, du nicht die stillen Häußer der Toden zusammen schüttelst. Die ganze Musick hat mich so bewegt, daß ich etwas zu heftig sang, (obschon sie so schwehr daß wohl mehrere Monate dazu gehören, um ihr ganz alles zu geben was die Composition fordert, aber dann muß sich durch^dringen) und ich habe wegen dieser Heftigkeit nun nötig ein paar Tage aus zuruhen – in Landshut befindet sich alles wohl, du | wirst jezt einen Brief von mir aus München haben, ich habe mir vorgenommen noch so viel Zeit als möglich aufs Singen zu verwenden, solltest Du aber nach Landshut kommen, so würde ich dieß aufgeben, und auch hingehen oder mit Dir, in ein Land wo man die gekränckten nicht schmäht; Adieu mein guter Arnim leb wohl, ja es sind keine Ursachen da, so ganz niedergeschlagen zu seyn richte deine Briefe nach meinem Beispiel ein, Du der mir jezt recht fühlbar unendlich mehr werth ist ach so musten die Schmerzen groß werden daß man den tröstenden Arm des Freundes der einen stüzt, nicht mehr vermißen mag. Bettine 720
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warum soll ich denn schon Stillschweigen hab ich doch noch Plaz hier dir manches liebe Wort zu sagen wenn wir wieder zu einander kommen, wir würden ja auch nicht eher auseinander gehen, bis die Noth uns zwänge doch; was hätten wir einander zu sagen? ich glaub wenig was man aufs Papier schreibt, einen unsichtbaren Geist einen Kuß, oder zwei? nun willst Du? so nehm sie ab, da wo die beiden Kreuze stehen hab ich sie hinbegraben leg deinen Stab nieder und thue ein freundliches Gebeth. Wandrer
〈1r aoR kopfstehend:〉 Laß dich die herabhängende Gewitterwolke nicht stören, die über den Kreuzen hängt, wenn du auch auf dem Grab ruhst, so solls dich doch nicht erschlagen
*579. An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, etwa Mitte–20. Juni 1809, Donnerstag–Dienstag Clemens Brentano an B, etwa 20. Juni 1809:
Von deinem lezten Brief an Savigny, den man stumm gespeist hat, sind mir doch einige Brosämlein unter den Tisch geworfen worden, und ich habe daraus gehört, wie sehr traurig Arnim sei, und wie du wünschtest bei ihm zu sein (Nr. 584,2-5).
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar München, 16. Juni 1809, Freitag
Gott laße mir den einzigen Wunsch gedeihen, Dich wieder zu sehen! Dieser Ausruf kömmt mir daher, weil ich so eben vernehme, daß jemand von meiner Bekanntschaft nach Weimar geht, und glaubte ich Dich nicht ganz sicher in Carlsbad, so ging ich mit; – nicht jeden er721
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freut Nebel, und Gewölke und Wind Regen pp: mich auch nicht, aber mich erfreut dein Andenken das mir als ein Sonnenstrahl, all diese traurige Witterung wieder erhellt, ich hab Dich diese ganze Zeit über bedacht, mit Gedanken Wort, und Wercken; und nun will ichs gleich aus einander sezen; Es ist auf der hiesigen Gallerie ein Bild von Albrecht Dürrer, in seinem 28ten Jahr, von ihm selbst gemalt, es hat die graziösesten Züge eines weisheitvollen ernsten Tüchtigen Antlizes, aus der Mine spricht ein Geist, der die jezigen elenden Weltgesichter niederkracht; wie ich Dich zum erstenmal sah, war mir es auffalend, und bewegte mich zugleich zu inniger Verehrung zu Liebe, daß sich in deiner ganzen Gestaldt äuserte, was David von den Menschen sagt: ein jeder mag König seyn über sich selber; so meine ich nehmlich: daß Die Natur des innern Menschen die Oberhand erringe über die Unzuverläßigkeit, über die Zufälle des äusern, und daraus entsteht, die edle Harmonie, das Wesen, was so wohl über Schönheit hinaus ist | als der Häßlichkeit trozt; und in dieser Art bist Du mir vorgekommen glaub auch nicht daß ich mich geirrt habe. obschon nun Dürrers Gesicht ein ganz anders ist, so hat mich doch die Sprache seines Caracters mächtig an Die Deinige erinnert, ich habe mirs Copieren lassen, aber wie? – wenn es nicht Frefel wäre, so würde ich sagen, daß diese Copie keinen Unterschied mit dem Original hat, ich hab es den ganzen Winter über auf meinem Zimmer gehabt, und war nicht allein, hab viel mich in meinen Gedancken an Diesen Mann gewendet, hab Trost und Leid von ihm emfunden bald wars mir traurig zu fühlen wie manches, worauf man doch in sich Stolz ist, zu Grunde geht, vor einem solgen der recht wollte, was er wollte, bald flüchtete ich mich zu diesem Bild als zu einem Haußgott, wenn mich die jeztlebenden, mit ihrem Wirken und Streben, langweilten, und daß ich Dirs recht sage; mein Herz war in manchen Stunden so tief von dem reinen scharfen Blick gerührt, der aus seinen edlen Augen dringt, daß er mir mehr im Umgang werth war, als ein Lebender; dieses Bild nun hatte ich eigentlich für Dich copieren lassen, ich wollte Dirs, als einen Sachwalter meiner Herzensangelegenheiten senden, und so Verging eine Woche nach der andern, immer mit dem festen Entschluß, es die nächst folgende abzusenden ohne daß ich es je dazu bringen konnte mich von ihm zu trennen, mein lieber Goethe! ich hab noch weniges gesehen in Der Welt, so wohl von Kunstwercken, als sonst Dinge | die mich herzlicher interessieren, daher mögte man wohl meiner Kindischen Art verzeihen, das Bild kann ich nun nicht mehr, von mir loßsagen, so wie man sich von 722
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einem Freund nicht mehr loßsagen kann, dir aber will ich es schicken, meinem geliebtesten unter den Menschenkindern, doch wie es das Schicksal führt, soll es nicht in andre Hände kommen, und sollt Zufall oder sonst etwas es von Dir Trennen, so müste es wieder zu mir kommen; ich dachte die ganze Zeit, ich würde vielleicht selbst es bringen können, indessen ist gar keine Wahrscheinlichkeit in diesem Augenblick; wenn ich nicht stets auf die Kommende Zeiten hoffte, so würde ich verzweiflen Dich bald wieder zu sehen, allein daß nach der Zukunft immer wieder eine ist, dieß hat schon manchen Menschen alt gemacht. – Du bist mir lieb Du bist mir werth ungemein, der Frühling den Deine Gegenwart in mir erschaffen hat dauert lange, denn schon sind 2 Jahre um und noch hatt kein Sturmwind ein Blättgen vom Aste gerissen noch hat der Regen keine Blüthe gewelckt, und alle Abend hauchen sie noch den süsen Duft der Erinnerung aus; ja wahrhaftig kein Abend ist bis jezt zum Schlafen gekommen, daß ich mich nicht an Dich erinert hätte, dich bei Nahmen genent, und mich der Zeit gefreut, da Du mich auf meinen Mund geküßt, mich in deinen Arm genommen, und will steht hoffen daß Die Zeit wieder kömmt | da ich keine Liebe Dir vorziehe, so glaub ich es auch von Dir Sey du so alt und unklug wie ich, laß mich so jung und weise seyn wie Du. und so mögten wir füglich die Hand einander reichen, und seyn wie die Jünger die zwei verschiednen Propheten in einem Lehrer folgten. Schreib mir wie Du glaubst das ich das Bild ohne Gefahr schicken könne, aber bald und recht freundlich, recht vertraulich – wenn Du mir keine Gelegenheit angeben kannst, so werde ich selbst schon eine finden. hab niemand lieber wie mich, Du Goethe wärst sehr ungerecht, wenn Du andre mir vorzögest, da so meisterlich so herrlich, Natur mein Gemüth mit Dir verwebt hat; denn Daß Dich einer besser kennt, besser fühlt, besser genießt, durch und Durch mehr ehrt, liebt, daß ist nicht wahr. Wenn kein Krieg kein Sturm und verwüstende Zeitung die alles bildende Ruhe im Busen des Menschen verstört, dann mögte ein leichter Wind der Durch die Graßhalmen fährt, der Nebel wie er sich von der Erde löst, die Mondessiegel wie sie von den Bergen fährt oder sonst einsame Blicke und Geberden der Natur ihm wohl tiefe Gedancken erregen, jezt aber in dieser beweglichen Zeit, wo die Grundvesten ein rechtes Krachen und Gliederreißen haben, da hat keiner Zeit, und will keinem Gedancken den Raum gestadten, aber daß woran ein Freund Theil genommen, daß man | sich auf seinen Arm gestüzt hat daß man 723
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auf seiner Schulter geruht, dieß einige äzt tief eine jede Linie der Gegenstände ins Herz, so weiß ich jeden Baum des Parks noch, an dem Wir vorüber^gegangen auch die kleine runde Quelle an der Wir ge- 85 standen die so ewig über sich sprudelt, und die Laube mit der Steinernen Banck, wo eine Kugel an der Wand, da haben wir eine Minute gesessen und hab ich gewünscht nur einen Frühling mit Dir zu seyn, hast Du mich ausgelacht Ey glaub mir nur, ist nichts lieblichers in der Welt als ich im Frühling. weis nichts – kann also nichts unnüzes plau- 90 dern was du anhören müstest, könnt dich, Du mich, freundlichst anblicken – O du! – wärst Du gleich da müst ich Dich beißen vor kindischer Fröhlichkeit; und wärs nicht gar zu sehr gesündigt, auf Dich so mögt ich so noch fortplaudern bis am Ende des Blattes, ich liege hier auf dem Sofa und schreib dießen Brief auf einem Kissen (deswegen ist er 95 auch so ungleich) daß doch alle vergehen wenn ich dich ansprechen will, diese Gedancken, die so in Hülle und Fülle vor mir auf und nieder gehen. Jacobi hat Augenweh, Tieck leidet die Hölle auf Erden, und besuchen ihn die Teufel immer noch in Gichtischer Gestaldt, Schelling der 100 sich dein Freund nent verachte ich er ist zu häßlich für dich, viel mehr noch seine Frau, Arnim schreibt viel ungereimtes | gereimt und viel gereimtes ungereimt, er ist der beste er hat Dich lieb ohne Rücksicht ohne Aber ohne Auserdem, er hat dich lieb mit ungeschwächter Liebe er darf keinen Sinn leiten sie gehen all von selbst zu Dir, so wie meine 105 auch darum sind wir beide höchst einig miteinander, und werden es ewig bleiben, wenn ich wieder zu Dir komme so werde ich dir manches von ihm erzehlen wie ungemein groß edel diese Neigung zu Dir ist, wie Du erschaffen hast in ihm, mit einer Kraft deren Du selbst nicht wissend bist. oft hat er mir den Willen geäusert, mit mir in dei- 110 ner Nähe zu seyn, er selbst weiß nicht daß er zwischen mir und Dir, so wie ich zwischen Euch beiden keine Ruhe hab. Lebwohl mein geliebtes Leben, meine Freud meine Hoffnung, so wie ein vom Wind getragner Flockensamen, auf den Wellen hintanzt ohne je drinn unterzugehen so spielt meine Fantasie auch auf diesem mächtigen Strohm 115 deines ganzen Wesens, und fürchtet nicht, daß sie einmal drinn ertrincken mögte; mögte sie’s doch! welch ein Seeliger Tod. oder daß nur aus Muthwill Du einen Sturm erregen mögtest, mir die Fittige nezen, würde ich dann nach verwehrtem Wetter, sie gegen die Sonne hinwenden, sie zu trocknen? ey nein, ganz mit ungewöhnlicher Lust, 120 wollt ich mich baden und plätschern, und hin und wieder rauschen im 724
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Laub | am Gestade; komm ich mir doch vor, wie eine Ente oder sonst ein Wasservogel. Bettine geschrieben am 16ten Juni. bleib ihr gut in München an einem Regentag schreib ihr bald wo ich etwas Faul und schläfrig grüß auch deine Frau von ihr war und so kam es weil sich der Seele Gestaldt regt und Wandelt, je nachdem sich der Wind regt und die Gewölke sich wandlen,
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An Sophie Bernhardi in München München, vmtl. zwischen 20. und 25. Juni 1809, Dienstag und Sonntag
Die Comision von Savigny welche ich schon sehr lange unter meiner Direktion habe, ohne je etwas drinn gethan zu haben; wird mir jezt eben so drückend auf dem Herzen zu behalten, als mir bisher drückend war, sie auszurichten, obschon es nie mein Vorsaz war das Ganze mit Stillschweigen zu übergehen so mogte ich doch nicht früher mich derselben entledigen als bis mir es höchst nötig schien, obschon ich mit allem möglichen Vertrauen (zwar gegen die Überzeugung andrer) zu Ihnen sprechen konnte, so bringt doch eine Erklärung dieser Art, immer eine Spannung zwischen Menschen hervor die sich auserdem Freundschaftlich behandlen. Man hat mir gesagt daß Sie alle nächstens München verlassen werden, ich bin in meinem Innersten vom Gegentheil überzeugt, und würde also auf diese Nachricht selbst, nicht Ihnen, das sagen was mir aufgetragen worden, wenn es meine Sache und nicht Savignys seine, wäre, der sich auf mich verläst. Er hat sich bisher auch ganz auf Ihre Worte verlassen, obschon manche Menschen in seiner Umgebung anders dachten (mit Unrecht, denn ich kenne Sie als meine Freunde | jedoch der Termin welchen Sie mit Ihrem Ehrenwort zur völligen Beendigung ihres Geschäfts mit ihm sezten, ist beinah zum zweiten mal verflossen und Tieck welchen er um eine Erklärung in seinem lezten Brief bat hat ihm keine Antwort gegeben; wenn man so viel Vertrauen in einen edlen, beinah noch fremden Menschen sezt, ihn in dem Augenblick der Verlegenheit um Hülfe zu begehren, so wäre es beinah zu erwarten, das man das Vertrauen fortseze, und auch seine 725
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weitern Verlegenheiten und wahre Geschichte der ganzen Laage bekenne. Savigny begehrte nur, das Tieck ihm, oder D’alarmi erkläre warum er noch nicht bezahlen könne, und wann, womit, und auf was für eine Art er ihn zu bezahlen gedächte Diese Forderung war billig, war freundschaftlich, Savigny war durch Tiecks unerwartetes Stillschweigen gekränkt, ja darüber aufgebracht, er war niemals in dem Fall sein gegebnes Wort zu brechen, und nun muste er es Thun wieder seinen Willen, an einem Menschen der schon so viel Gefälligkeiten für ihn gehabt, daß diese | lezte, ihn nicht als Bürge für Sie, bezahlen zu lassen ihm Taglich drückender wird. Savigny hat mir mehrere Briefe offen an D’alarmi und auch andre Menschen die sich für diese Sache interessieren müßten, geschickt, um sie nach gutdünken zu übergeben oder zurück zu behalten. Ich die von Ihrem sehr honeten Gefühl durch aus überzeugt bin, hab dieselben alle zurückgehalten um Ihnen keine Ungelegenheiten zu machen grade deswegen aber nehme ich mir die Freiheit, Sie an ihre Schuldigkeit zu erinnern, um meinen Glauben an Sie, auch gegen andre zu rechtfertigen. ich bitte Tieck recht herzlich dem Savigny der gewiß nie einen Mißbrauch von Ihrem Vertrauen machen wird, die obenangezeigten Artikel zu schreiben, ihn auch gründlich zu überzeugen (was ich schon bin) daß Sie nicht der Niederträchtigkeit fähig sind (was mehrere Leute die Frechheit haben zu behaupten) so mir nichts dir nichts fort zu gehe〈〈n,〉〉 ich muß Ihnen gestehen es ist mir unerträglich Menschen die ich als Freunde ehre, nicht über solge Infamitäten gerechtfertigt zu wissen, also auch mir wird Tieck dadurch | das Herz um vieles leichter machen, ich hab nie in der wahren Theilnahme, so wie in meinem andern Wesen nur Kindisch gespielt, eine solge Verläumdung die meine Freunde betrifft, hat immer mein eignes Herz getroffen, daher mein ungleicher Humor, meine (beinah) Ungezogenheit wenn mich manchmal in Ihrer Gegenwart, der verfluchte Argwohn anspielte, daher auch mein zeitliches ausen bleiben, wenn mir solche Erzehlungen den Kopf warm machten. ich bitte Tieck mit seiner Antwort nicht lange zu warten, denn wenn Savigny dieselbe nicht erhält, und mir nochmals anbefielt seine Briefe abzuschicken so werde ich es wieder meinen Willen, wahrlich wieder meinen Willen es thun müssen, und Ihnen dadurch Ungelegenheiten machen Ich die nichts so herzlich wünscht als im wahren Sinn aller Aufrichtigkeit, alle Unannehmlichkeiten von ihnen abzuwenden Bettine Brentano de Laroche 726
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*582. Von Sophie Bernhardi und Ludwig Tieck in München München, vmtl. zwischen 20. und 26. Juni 1809, Dienstag und Montag B an Friedrich Carl von Savigny, 27. Juni 1809:
Tieck und seine Schwester, haben mir durchaus keine Antwort gegeben die auch nur bedeutend wäre (Nr. 588,2-3).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Berlin, etwa 20. und 25. Juni 1809, Dienstag und Sonntag
Keine Nachricht von Dir, wenn ich dem Briefträger begierig die Thüre öffne, immer nichts und wieder nichts, als was ebenso gut ungeschrieben bliebe! Doch habe ich keine Sorge um Euch, wer einmal glücklich ist es immer. Schill lebt auch wieder, den ich in meinem letzten Briefe als todt betrauerte, er soll schwer verwundet auf ein Schiff gebracht seyn. Vielleicht hast Du geschrieben, aber der Postenlauf ist durch die vordringenden österreichischen Truppen unterbrochen. Gegen Niedersachsen dringt die schwarze Legion des Herzogs von Braunschweig, die wegen des R auf dem Herzen und wegen des Todtenkopfs auf dem Schako auch die Legion der Rache heisst. Schill hat allen den Weg gezeigt, wie mit einer kleinen Zahl Menschen ein hundert Meilen aufgeregt werden können, lebt er, so wird er seinen Schauplatz bald wieder finden und munter besetzt. Gott segnes, doch thuts mir leid, daß so der Sommer vergeht, die Aussicht zu euch wird immer ferner und zweifelhafter. Meline und Franz waren in Bremen; Meline hat erzählt sie wäre von dem Hausflur durch ihren Bruder entführt worden, und daß ich am Rhein wäre, wenn eins so wahr wie das andre, so hat sie sich zu der Reise lange vorbereitet. Berlin d* 25 Juny 9. Eine kurze Geschäftsreise nach Bärwalde unterbrach meinen Brief; bey meiner Rückkehr fand ich zweye von Dir vom 11 u 12 Juny, die ich mit Ungedult erbrach und es spielte mir an mein Herz wie eine Nacht voll hellem Mondschein, die Strasse still, aber viel Gesellschaftsgruppen, die nachhause gehen und sich von ihrem Spiele und von ihrem Tanze unterhalten. Grüß Rumohr und verzeih es ihm, daß er in Deinen 727
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Brief gesehen und Dich von unserm Helden, den ich durchaus nicht errathen nicht einmal ahnden kann, der ohne irdische Macht | nur mit Gott und sich selbst gekommen, ohne weitre Erklärung bis zu meinem Hemde heruntergekommen bist, das ich meines Wissens blos durch Zufall, den ich aber gutheisse, gegen ein sehr kurz geärmeltes Hemde von Rumohr vertauscht habe, das mir immer ein Problem geblieben ist, wie es so wunderbar zusammengelaufen. Ich bin jezt mit Hemden sehr wohl versehen, weniger mit Freunden, die sie mir austauschen, das ist mir leid, darum sey nicht so sehr böse auf den einen, der Dir in den Brief gesehen. Wer ist aber unser Held, ich weiß unter denen, die auf Erden wandeln keinen, den ich so nennen möchte, keinen, der nicht mehr auf die Schlechtigkeit seiner Feinde als auf die Treflichkeit seiner Freunde begründet ist, das ist aber immerdar eine Teufeley; Schill allein ist in dem reinen Glauben an die Treflichkeit seiner Welt untergegangen, doch vielleicht lebt er noch. – Ich wollte Dir von Bärwalde aus schreiben, ich war Dir ein zehn Meilen dort näher und schon umsauste mich die Luft fröhliger, selbst die Fichten und Tannen hatten ihren neugrünen Staat angelegt und prächtige grüne Spechte liefen an den Bäumen umher. Aber alles das trieb mich hinaus auf die Jagd, wo ich ein zehn Stunden durch alle Wiesenbusche, an alle Teiche und Sümpfe nach Enten herumschlich. Wir schossen sieben Enten, eine Krähe, eine Seemöve und zwey Goldgänschen und blieb mir Abends kaum Mittagessen Zeit | In einem Fichtenbusche fand ich die Hütte einer Einsiedlerin, die schon drey Jahre in einem Häuschen aus Rasen auf holzernen Stangen verlebt hatte, das ganz mit Korn bewachsen war, worauf sie also zugleich erndtete; Gurken, Kartoffeln standen in der Nähe recht schön, an den Aesten der Bäume hingen Töpfe, Schauerlappen und ähnliches kleines Wirtschaftsgeräth. Ich traf sie nicht zuhause, es that mir leid, denn ihre Geschichte ist merkwürdig, ich habe daraus ein Lied geformt, sie ist für närrisch gehalten worden und nach dem Tollhause geschickt, es scheint aber in ihr nichts als Spott gewesen zu seyn, als sie zurückkam, wollte niemand sie im Hause dulden. Die Franzosen, die sich zuweilen mit ihr Spas machen wollten, hat sie mit dem Messer zu^rück gewiesen, die meisten fürchten sie wegen übler Nachrede, was sie braucht verdient sie mit Spinnen; gäb es noch Hexen, sie wäre gewiß eine geworden. Den andern Tag war ich in zänkischen Geschäften, und bey einem sächsischen Nachbar, der seiner miserabelen Regierung zum Trotz Oesterreich und Erzherzog Karl hochleben ließ, der Abscheu gegen fremdes Joch ist dort noch sehr le728
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bendig und bis zu den | untersten Klassen fühlt jeder lebendig, daß es unter allen Uebeln das höchste ist einer fremdartigen Natur sich zu unterwerfen, die uns nicht versteht und nicht verstehen will. Was mir Freude machte, war die bestimmte Versicherung, daß bey einer Einwohnerzahl von nahe 1200 im Ländchen kein einzig Mädchen in der Zeit von 2 Jahren mit Franzosen öffentlich vermischt worden, ja eine hat sich mit solcher Gewalt der gewaltsamen Liebhaberey eines Korporals widersetzt, daß er grossen Schaden erlitten. Eben soviel Freude machten mir allerley Pasquille, in denen sich die Leute verfolgen, die meist in Versen. Eine Nacht brachte ich während der Pferdefütterung in einem Eisenhammer zu, ich legte in Gedanken allerley Köpfe unter den grossen Hammer, die jezt auf andre Köpfe hämmern und dann blendete ich meine Augen in dem Lichte, daß mir die Nacht ganz Nacht darauf schien, ungeachtet sie vom Monde schön erleuchtet war. Der Meister brachte mir eine grosse Idee von seiner Kunst bey, das Beste thut aber das Feuer und so ists in aller Kunst. – Unbegreiflich ist mir daß der Wintergarten, der Dir zugeeignet ist, Dir so spät zu eigen wird, drey Expemplare, an Dich, an S. an Cl. sind durch Zimmer abgesandt, das Deine auf Velinpapier. Die Princeß von Weimar hatte nur ordinäres Papier bekommen und hat mir doch schon freundlich gedankt. Herzlich ergeben Achim Arnim
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〈1r aoR kopfstehend:〉 Für Grim habe ich eine silberne römische Prämienmedaille, die ich aber in dieser ungewissen Zeit nicht absenden mag. 90
〈2v alR:〉 Ich gehe morgen wieder nach der Uckermark, sonst schrieb ich mehr
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Von Clemens Brentano nach München Landshut, etwa 20. Juni 1809, Dienstag
Liebe Betine! Von deinem lezten Brief an Savigny, den man stumm gespeist hat, sind mir doch einige Brosämlein unter den Tisch geworfen worden, und ich habe daraus gehört, wie sehr traurig Arnim sei, und wie du wünschtest bei ihm zu sein, herzlich wünschte ich, daß dies dein Ernst wäre, denn 729
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auch in mir ist der feste Drang zu ihm und überhaubt nach jener Gegend, bedencke aufrichtig, wie du dem lokalen SingIntresse dein kostbares Leben opferst, du liebst unsern alten Göthe so, er liebt dich so herzlich, und er, der am Rande des Lebens steht, stirbt vielleicht plözlich hin, während du in München singst, ich hoffe nicht, daß du es dir, verzeihen könntest, seine lezten Jahre ohne ihn gelebt zu haben, da du es kannst, da du frei bist, und ich dir alle meine Hülfe anbiete dich hin zubringen, so du hin willst, du könntest etwa in Weimar bleiben, und mich mit Arnim von Berlin zurück erwarten, denn er hat mir auch geschrieben und seinen festen Wunsch geaüßert, mit uns an einem dritten Ort zußammen zu kommen, oder du könntest mit mir grade nach Berlin, und von da mit ihm und mir nach Weimar zurück, dencke herzlich drüber nach, waß kann dir ersetzen, deine Tage in dieser traurigen Welt, nicht neben den herrlichsten Sonnen gelebt zu haben, die sich gern in deinem System herumdrehen, ich selbst mögte oft verzweiflen, daß ich nicht neben den schönsten Seelen lebe, die ich kenne, und waß du vielleicht glauben kannst, ohne daß es dir oft einfällt, ist, daß deine Entfernung von jenen mich oft zurückhält, mich ihnen allein zu näheren, du hast mir bei deinem lezten Hiersein einmahl das Schneidende in unsren früheren Umgang vorgehalten, meine Liebe, das waren antizipirte Schmerzen, es ist mein sehnlicher Wunsch, über den ich wache, von dem ich traüme, dich bald da zu sehen, wo du gern bist, und wo du hingehörst, warum sollen Menschen, die sich lieben, heutzutage, wo man dieses kaum | kann, ohne daß grade Gefangenschaft sie trennt, nicht bei einander sein, heutzutag, wo einem das Vaterland den Tod, den man für es stirbt, wie das Leben, das man für es lebt, nicht bezahlen kann. Ich würde sehr traurig werden, wenn du anders dächtest als ich, du, deren Seele freier und klarer sich bewegen kann, als die meine. Berlin kann dir Gesang geben in seiner Akademie, und in Zelter und Righini, unser Onkel und andre sind dort, wenn du in Weimar nicht bleiben wolltest, ich versichre dich, liebe, daß ich selbst nicht mehr so existiren mag, ohne geistige Anregung, bei einem herrlichen Menschen zwar, aber der seine Strahlen in sich selbst nur bricht, ich verkümmre, liebe Seele, thue wieder einmahl Etwas für mich, waß ja ganz nur für dich soll gethan sein, wenn Gott will und du es vergönnst für beide. Findest du einige Liebe zu meinem Vorschlag, so schreibe mir gleich, denn zögern ist mir traurig, wie jede Stunde weiter also zu leben, und ich komme dann augenblicklich nach München, das Ganze mit dir zu verabreden, Geldwesen laße dich nicht irren, ich bin mein 730
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Herr und du auch mein Herr, der dir ganz zu Diensten steht, melde Savigny nichts davon, biß unser Entschluß reif ist, denn die Gundel trägt unter uns Allen den grösten Philister unter dem Herzen, der dann neben Savigny an einer Nabelschnur hängt, ich bitte dich, schreibe mir gleich, und ich komme dann so gleich, das nächste mit dir zu verabreden Dein Clemens Brentano.
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Von Franz Brentano nach Landshut Frankfurt, 23. Juni 1809, Freitag
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Liebe Bettine! Schon lange höre ich nicht von dir, deine hastige thätige Schreibseeligkeit wendest du in Ansehnung meiner nicht an, bei dir scheint es in rücksicht meiner, aus dem Gesicht aus dem Sinn, in Gottes Nahmen, nichts fordre ich du bist wohl u vergnügt, u wenn ich dich nur so weis, dann bin ich zufrieden. Es scheint aber du hast den Frankfurthern für immer den Abschied gegeben, was haben wir dir gethan um dieses Schicksaal zu verdienen? Ich habe seitdem eine lange Geschäffts Reise nach dem Norden gemacht. Meline begleitete mich nach Bremen, u hat daselbst an Gesundheit u Gemüthszufriedenheit unendlich gewonnen wir sahen neue Menschen, neue Sitten u waren mit beiden sehr zufrieden. Betrübte Nachricht von H von Birkenstock aus Wien riefen mich zurück, es gehet zwar besser mit ihm, könnte sich aber wohl geben daß ich in sehr kurzem plözlich nachwien reisen müste, wohin ich dann, wenn es sein muß mit Kind u Kegel, ziehe, troz Kugeln u Canonen. Hauptsächlich muß ich dir heute in pecuniairer Hinsicht schreiben, ich war gestern auf dem Kuratel amt, wo man deine vorigjährige Rechn. bis 31 Dbz 1808 einstweil* oberflächlich durch gesehen hatte Deine personelle Ausgaben, ausschließlich der Schezzung u Kriegs Beiträge, betragen darin allein f 2470. so viel waren nicht deine Interessen Einnahm, ich wurde über diese deine so grose Ausgabe herunter gemacht wie ein Schulknabe, Gott weis wie offt ich dich von jeher mahnte in deinen Ausgaben vernünftiger und ordentlicher zu sein, du must doch gestehen eine ausgabe von 2470 f für ein einzelnes mädgen ist ungeheuer, ich als vormund muß allen verdruß darüber tragen, man 731
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hat mir nachdrücklich aufgegeben, daß man künftig dergleich* ausgabe nicht mehr genehmigen würde f 1000. jährlich seyn genug u mehr als gewöhnlich die reichsten Mädgen ausgeben dürfen, Bedenke die Tony braucht des Jahrs keine f 400 – so auch Marie nicht; bis ins 25t Jahr muß sich ein Mädgen sie seye minorenn oder majorennisirt, nach den Vorschrifften der Curatel richten, davon entübrigt nichts. Was nun dieses Jahr bereits hier für dich ausgelegt wurde ist, f 130. – Savigni hat eine Rechn. für dich von f 1250 gesendt. Das sind | also zusammen schon f 1380. – und Deine Interessen werden dieses Jahr bis 31 Dbz 1809. kaum f 1500 tragen, du hast nun schon so viel aus geben daß dieses Jahr eigentlich keine Rechn. mehr kommen darf, von Bukowan ist bis Ende dieses Jahr noch nichts eingangen, was dieses Jahr kommt, muß man abwarthen. Liebe Bettine ich bitte dich bedenke deine Ausgaben u verschleudere dein Vermögen nicht halte ordnung u strekke dich nach Deiner Dekke, ich kann u darf mich nicht hier bei den Gerichten ferner Censuren aussezzen, du must dich beschräncken, u guth Hauß halten. Christian wollte dich hier während meiner Abwesenheit majorennisiren laßen um dein übrig hiesig vermögen auch in Bukowan zu verwenden, er hat es aber noch nicht ausgeführt, Meline will nicht mehr dahin gewendet haben als ihre anfangs dahin bestimt. Bethm. oblig: um nicht ihre ganze existenz an einen Nagel zu hängen, du bist Ende Merz 1810 majorenn. Liebe Bettine beherzige meine vätterliche Sorge um Dich, u meine Ehre bei dem Curatel amt, handle in deine ausgaben ordentlich u haüfe Sorgen u verdrießlichkeiten nicht über mein ohnehin sehr belastetes Haupt. Tony grüset dich herzlich, auch küßen dich alle Kinder die braf u lieb sind, ich küsse dich innig Dein treuer Bruder Franz. aMademoiselle Bettine Brentano 〈Savigny:〉 bey Madame Moy in der Rosengasse zu München.
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Von Meline Brentano nach München Frankfurt, 23. Juni 1809, Freitag
Frankfurt d* 23ten Juny 1809 Liebe Treue Bettine! Daß ich deinen Brief erst Heute beantworte, ist keine Nachläßigkeit noch Kälte gegen deine herzliche Äuserungen. Ich erhielt ihn in Bremen, und 2 Tag nachher wurden wir eiligst hierher berufen weil Tonys Vater sterbend ist und Tony nach Wien reißen wolte. Kaum war ich hier angelangt, so reiste ich wieder mit Tony nach Mannheim um dort eine Person die ihr als Gouvernante vorgeschlagen ist, zu sehen. Seyd Gestern bin ich zurück, und endlich so zur Ruhe gekommen, daß ich dir mein Treuer Dinster, recht von Herzen sagen kann wie mich dein Brief erfreut und gerührt hat. Ich fühle, wie du, daß wir uns beyde sehr nahe sind, wenn wir schon im Täglichen Umgang nicht immer zusammen passen. Allein dieses weniger Zusammen Passen ensteht blos durch die große Verschiedenheit unserers Verstandes, aber gewiß nicht des Herzens, denn gewiß wir erkennen und lieben uns gegenseitig gleich warm und innig. Du kennst mich ja, und weist, wie ich theils durch meine Erziehung und theils weil es würklich in meinem Charackter lieg etwas Scheu und furchtsam bin. Auch weiß ich sehr genau, daß dich mir mein Herz, das heist mein Ruhiges Schwesterliches Gemüth interessieren kann. In allem andern bist du mir so überlegen, daher wir im Täglichen zusammen Leben wenige Berührungs Punkte haben. Du bist sehr gut, indem du sagst mein Mitdirseyn, könne dir nützen; die kleine Dinste welche ich dir leisten kann sind sehr unbedeutent. Nach deinem Brief zu urtheilen hälst du mich für sehr Melancholisch warscheinlich hast du von meinen Briefen an Savigny gelesen die ihm in sehr krankhafter Stimmung geschrieben, besonders wie ich das kalte Fieber hatte, und kein Mittel mehr wuste mich wieder ins eigentliche Leben (das heist in ein Leben das mehr ist als essen, trinken und schlafen.) zurückzurufen, als schnell eine Reiße zu machen. Wenzel selbst rehdete mir sehr zu – und gestand mir nachher ein, er habe es nur gethan, um auf den Augenblick meine Gedanken recht lebhaft zu beschäftigen. Ich wuste keine Reiße als nach Landshut, und schrieb deshalb an Savigny. Mit dem schönen Frühling, kehrten meine Kräfte zurück, und mit meinem körperlichen wohlbefinden wurde auch meine Stimmung wieder heiterer. Der Krieg änderte meinen Plaan nach Landshut zu reißen; ich bin durch die Bremer Reiße, wo ich viele liebe Menschen kennen lernte, viel gesünder geworden, und befinde 733
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mich jezt an Geist und Körper wohl und recht sehr behaglich. Mein Herz ist total ruhig und frey – Ich kenne hier Menschen deren Umgang mir äuserst wohlthätig ist – Meine Verhältniß hier im Haus werden Täglich freyer und angenehmer. Was mich aber am aller glücklichsten macht, ist ein festes Vertrauen in die Gnade Gottes, und in mein Schicksal. – Wenn ich mich am unglücklichsten, am verlassensten fühlte, wenn ich murte – wenn ich glaube mit recht klagen zu können – so erschien mir plötzlich ein unverkennbarer Beweiß, daß doch alles zu meinem Besten so gewesen. Ich erkenne jeden Tag mehr, daß die Unsichtbare Macht so über mir waltet, gütig und liebend für mich sorgt. Und das kannst du mir glauben, liebe Bettine, mit diesem Glauben – mit diesem Vertrauen – werde ich | nie ganz unglücklich seyn. Vertrüßliche Momente hat ein jeder Mensch, aber nur der ist darüber zu bedauern, der sie sich selbst zugezochen hat. Wer seinen Zweck auf der Welt erkennt, ihm ruhig entgegen geht, seine Pflichten erfült – der ist nie unglücklich – kann nie unglücklich werden. Meine Gesundheit ist schwag – das ist die einzige Sachen worüber ich zu klagen habe – aber auch die bessert sich Täglich – und im Vergleich mit so vielen andern – die es vielleicht noch weniger – als ich – verdient haben – bin ich noch sehr gesund – also auch hierin darf ich den Muth nicht sinken lassen. Versauern, wie du glaubst, kann ich auch nicht hier – ich mache ja jedes Jahr eine kleine oder gar große Ausflucht. Für den nächsten Sommer habe ich die schöne Ausicht mit einer recht lieben Frau die ich Bremen kennen lernte – nach der Schweiz zu reißen. So giebt es für jedes Jahr ein Vergnügen – eine Zerstreuung. Mögest du so ruhig und zufrieden mit deinem auf der Welt seyn, seyn können als ich. – Liebe Bettine wenn ich davon überzeucht seyn kann, so bin ich recht glücklich – denn wenn ich Euch auch immer kalt und unvertraulich erscheine – so fühle ich deshalb nicht weniger tief – eine innige Liebe – ein herzliches – wahres Interesse für alle meine Geschwister – und du Bettine bist nicht die lezte unter Ihnen. Adieu ich küsse dich herzlich Dein Linster. Mademoiselle Bettine Brentano. 〈Savigny:〉 bey Madame Moy in der Rosengasse zu München.
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An Clemens Brentano in Landshut München, 24. Juni 1809, Sonnabend
So viele Minuten, als mich einsames Nachdenken befallen hat, lieber Clemens, so oft ist auch mit Schauder die Idee durch alle Lebens weisen die ich ergriff oder noch ergreifen wollte, durchgestrichen, daß Goethe sterblich seye, und wie du mir richtig bemerckst, ich könnte mirs nicht verzeihen; oder doch wenigstens aller Glanz meiner Lebens fülle abgeschüttelt. zweitens geht das Gute Gewicht meiner Natur sehr schief dahin daß in einer Zeit wie die unsriche, die Freunde sich fest zusammen halten mögen, indem der Zufall, mörderisch umherirrend hier und dort ohne Rücksicht jedes blühende Reiß zerbricht was ihm unter die Hände kömmt, da soll man also fest zusammen halten, und lieber mit dem Freund biegen als ihn allein brechen lassen; an deinem Vorschlag an und für sich, hab ich auch nichts auszusezen, denn wenn wir einmal nicht mehr auf dieser Welt sind, so wird der gröste Aerger für uns der seyn daß wir da nur Rauch Spinnwebe und Motten entdecken, wo wir Mauern Ketten und Riesen uns dachten, die unsern freien Willen bekämpften. Noch gestern war ich bei Anna Jacobi, sie ist doch ein Hauß müttergen hat ihre 4 Kinder, hat zu sparen und Sorgen zu tragen, hat eine Last auf sich, die gewöhnlich abstumpft; wie erstaunte ich, da ich im Gespräch entdeckte, daß sie eben so viel, wo nicht mehr freie Beweglichkeit hat als ich, daß sie auf keinen Plan den man in der feurigsten Jugendlichkeit schmiedet, verzicht thut, daß sie selbst mich aneiferte mir eine angenehmere annalogere | Existenz zu verschaffen, da ich ihr von meiner Liebe zu Goethe sprach fragte sie so dezidiert, warum, da ich meinen freien Willen habe, ich mir denn diesen höchst einfachen Genuß nicht verschaffe in Weimar zu seyn. Nun aber höchst aufrichtig mit dir zu sprechen Clemenz, (worüber du aber Dich nicht aergern sollst) als zwei Menschen deren Naturen durchaus von einander geschieden, und deren jede ihre eigne Bedürfniße hat, ja so sehr, daß sie sich wieder im höchsten Sinn der Sache mit einander vertragen mögen, und auch fühlen, Du magst es nun Schwachheit nennen oder was Du willst so bin ich durchaus unfähig etwas, was dem Savigny, anstössig ist zu unternehmen, er hat mich auf meine Ehrlichkeit trauend mit genommen, ist zum Theil Schuldig, dem Franz und Consorten dem dieß allerdings nicht als etwas honetes einleuchten würde, Rechenschaft über mich abzulegen, ich versichre Dich, daß ich grade deswegen viel eher in Frankfurth selbst fä735
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hig wäre meinen Willen durchzusezen, als hier wieder Savigny willen Goethe soll in diesem Augenblick nicht in Weimar seyn, hab ich von mehreren gehört, feindliche Truppen ziehen sich grade zu nach Weimar hin, Menschen die sehr pressierte Angelegenheiten dort haben, müßen ihrer Reiße hier in München schon Einhalt thun, wegen mancherlei Schwürigkeiten fort zukommen, man behauptet sogar, daß der Hof schon flüchte Dort, obs wahr ist, weiß ich nicht. also wäre dieß der Moment nicht an so etwas zu Dencken, jedoch wie Du sagst, es muß sich bald entscheiden, indessen vergehen noch ein paar Monate, ich rücke meiner Majorenität und auch dem Ziel daß ich mir im Lernen gesezt habe, näher, Savigny kömmt dadurch daß ich mein wircklich eigner Herr werde, aus aller Verantwortlichkeit, weil ich meiner Freiheit brauchen werde ich mag seyn wo ich will und dieser brüderliche freundschaftliche Plan könnte zum Theil realisiert werden, zum Theil sage ich, denn lang, viel weniger immer mögte ich bei Goethe nicht seyn, ich hab meine Ursachen dazu, auch nicht bei Arnim, nur im zusammen leben, wenn nicht ein wichtiges (nicht nur für mich sondern auch für die Welt) Geschäft mit ihm bände. Dieß kömmt dir wohl lächerlich vor, doch Clemens, ist alles jezt so sonderbar gespant in der Welt, daß wenn Geist und Sinn dießmal nicht in Anregung kommen, so geschieht es nie, entweder ich darf keine Achtung für mein Schicksal haben, und muß ihm also nicht helfen wollen, ich darf nicht verzicht darauf thuen, das Leben was ich in mir zu erkennen glaube noch einmal ohne Rücksicht tüchtig zu verwenden. Es ist mir recht leid daß ich Dir nicht alles schreiben kann, wenn Du einen Blick nur thun könntest. Adieu ich grüße Dich herzlich Bettine An Herrn Clemens Brentano abzugeben im Graf Joners Hauße Landshuth
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über mein langes Stillschweigen, kann ich nur sagen, daß ich nichts zu melden gewust. Tieck und seine Schwester, haben mir durchaus keine Antwort gegeben die auch nur bedeutend wäre, heute werde ich ihm noch ein mal schreiben und ihm sein ganzes Wesen mit gehöriger Bescheidenheit auseinander sezen, wie ich vernommen so wollen sie jezt wirklich fort. Sollten Euch Neuigkeiten von unserer Familie kommen, die nicht sehr angenehm wären so glaubt sie nur nicht, ich habe es auch gehört sind aber schon mit vielen entgegen gesezten Nachrichten wiedersprochen, es ist mir unmöglich Euch die Detailer zu geben, aber Freude würde es Euch gewiß machen Bettine
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An Herrn Baron Savigny in Graf Joners Hauße Landshuth
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*589. An Ludwig Tieck in München München, 27. Juni 1809, Dienstag B an Friedrich Carl von Savigny, 27. Juni 1809: heute werde ich ihm noch
ein mal schreiben und ihm sein ganzes Wesen mit gehöriger Bescheidenheit auseinander sezen (Nr. 588,3-5). Ludwig Tieck an B, 28. Juni 1809:
Es hat mich verwundert, daß du, verständig wie du bist, eine einfache Sache nicht auf eine einfache Weise angegriffen hast. Anspielungen sind für mich in der Regel verlohren, weil ich sie nicht verstehe, und verstanden können sie doch nur verletzen, freilich, läugne ich nicht, hat mich auch dein Brief recht tief verlezt, nicht deswegen, daß du darinn anfrägst und dich deiner Commißion entledigst, sondern wegen deines und noch mehr Savignys höchst kränkendem Mißtraun 〈…〉 Ich werde Savigny immer dankbar bleiben, und habe mir immer seine Freundschaft gewünscht, um so mehr schmerzt es mich, daß er, wie ich aus deinem Briefe schliessen muß, 737
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argwöhnt, ich könne bezahlen und wolle nicht, oder sei überall niemals Willens gewesen, die Summe zu erstatten. Doch hoffe ich, liegt es nur an deiner unnöthigen Zurückhaltung, am Ausdruck des Briefs. (Nr. 590,2-3+54-60.) B an Friedrich Carl von Savigny, 30. Juni 1809: Tiecks Brief, wird dir sagen was der meinige Gefruchtet hat, Du selbst sage mir ob ich zu hart in dem war, den ich geschrieben, die härtesten Ausdrücke, habe ich jedoch in der Abschrifft an Tieck, nach weislichem Nachdenken ausgelassen, ich hatte nur keine Zeit sie in dem an Dich zu corrigieren
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(Nr. 597,1-5). Wilhelm Grimm an Jacob Grimm, Halle, 28. August 1809, Mitteilungen des von Landshut nach Halle gereisten Brentano über Tieck referierend: Woge-
gen es aber Clemens meint, das ist erstlich seine ungemeine Vornehmheit 〈…〉 Sodann seine Leichtsinnigkeit, die gerade wie eine Schlechtigkeit ist, womit er Geld borgt, ohne es je bezahlen zu können und wollen, wie z. B. von Savigny, der nichts mehr von ihm hören will. Darum hat ihm auch Bettine geradezu geschrieben, sie könne nicht mehr zu ihm kommen, und geht auch nicht mehr hin. (Schoof 1963, S. 147 f.) B an Ludwig Achim von Arnim, 1. September 1809:
nachdem ich ihm noch einmal die Hölle heiß gemacht, und ihm anbefohlen, mich und meine Freunde nicht mit seiner verläumderischen Zunge anzutasten, so hab ich mich für immer von ihm entfernt (Nr. 639,22-25).
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Von Ludwig Tieck in München München, 28. Juni 1809, Mittwoch
Da du mir gestern geschrieben, will ich lieber auch dir, als unmittelbar Savigny antworten. Es hat mich verwundert, daß du, verständig wie du bist, eine einfache Sache nicht auf eine einfache Weise angegriffen hast. Anspielungen sind für mich in der Regel verlohren, weil ich sie nicht verstehe, und verstanden können sie doch nur verletzen, freilich, läugne ich nicht, hat mich auch dein Brief recht tief verlezt, nicht deswegen, daß du darinn anfrägst und dich deiner Commißion entledigst, sondern wegen deines und noch mehr Savignys höchst 738
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kränkendem Mißtraun, welches ich auf keine Weise verdient habe. Daß ich bisher über diese Sache nicht mit dir gesprochen habe, war eine vielleicht zu weit getriebne Delikatesse, auch weil ich nicht wußte, ob und in wiefern du davon unterrichtet wärst, und gern schweigt man auch von dem, was uns bekümmert. Und Kummer hat mir, hauptsächlich wegen Savigny, diese Geschichte genug gemacht, da ich schon im März mit Sicherheit auf die Zahlung dieser Summe von Wien aus rechnete, der Freund, von dem ich sie zu | fodern habe, mich auch veranlaßte, sicher darauf zu rechnen. Indeßen hat er geirrt, und ich war in der Verlegenheit, daß Savigny wohl glauben durfte, ich wolle seine Freundschaft und Güte mißbrauchen. Ich erhielt die Versicherung, daß ich mit nächstem, so wie nur meines Freundes Briefe selbst angekommen wären, befriedigt werden sollte. Da ich nun nicht die mindeste Veranlassung habe, an die Fähigkeit und an dem Willen dieses Mannes zu zahlen, zu zweifeln, so konnte ich in so weit ruhig sein. Seitdem, weist du, sind Briefe und Nachrichten von Wien aus nicht mehr hieher angekommen, mit jedem Posttage erwarte ich den Wechsel, und dies ist auch die Ursach, weshalb ich nicht noch einmal an Savigny geschrieben habe. Nun ist der Fall möglich, daß ein Brief an mich, so gut wie ich es von mehrern von mir gewiß weiß, verlohren gegangen ist, daß er auf den Posten zurückgehalten wird, daß er an jedem Tage ankommen kann, oder auch, daß in Wien alle Geldgeschäfte auch etwas in Verwirrung gerathen sind, daß die Briefe dort auch nicht aus andern Gegenden regelmässig ankommen. Alle diese Umstände habe ich auch dem Präsidenten Jacobi auseinander gesezt, der so gütig gewesen ist, darüber mit D’Alarmi zu sprechen, dieser ist auch noch willig gewesen, die Zeit abzuwarten. Auch habe ich damals dringlich Savigny diese Umstände geschrieben, mein Brief müste nicht angekommen sein, wenn er mich beschuldigt, ich habe ihn gar nichts darüber wissen lassen, doch schien mir sein lezter Brief eine Antwort auf den meinigen. – Daß ich sobald wie möglich von hier reisen möchte, vermuthe ich, und ich selbst sage es jedermann, doch kann ich bei meinem jetzigen Gesundheits-Zustand noch nicht daran denken; wäre ich aber auch ganz gesund, und jedes andre Hinderniß weggeräumt, so versteht es sich ja, ich will nicht sagen von edlen, sondern nur gemein ehrlichen Menschen von selbst, daß ich es nicht thun werde und kann, bevor nicht dieses Geschäft berichtigt ist. So lange bleibt auch meine Schwester, und mein Bruder bleibt wahrscheinlich noch nach uns in München, dieser hat eine Bestellung von mehr als 739
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3000 Gulden, vom Kronprinzen, und er, so wie wir alle gemeinschaftlich sind erböthig, falls die Briefe sich noch verzögern sollten, uns Savigny und D’Alarmi zu verpflichten, und ich bitte in diesem Falle Savigny, selbst | das Formular zu entwerfen. Aber, wie gesagt, ich hoffe jeden Posttag auf Briefe und Wechsel; hätte mich meine Krankheit nicht von jeder Arbeit abgehalten, wäre ich jezt im Stande, mit Leichtigkeit aus eignen Mitteln diese Summe zu zahlen. Ich werde Savigny immer dankbar bleiben, und habe mir immer seine Freundschaft gewünscht, um so mehr schmerzt es mich, daß er, wie ich aus deinem Briefe schliessen muß, argwöhnt, ich könne bezahlen und wolle nicht, oder sei überall niemals Willens gewesen, die Summe zu erstatten. Doch hoffe ich, liegt es nur an deiner unnöthigen Zurückhaltung, am Ausdruck des Briefs. Mache mit diesem, was du willst, schicke ihn so Savigny, oder melde ihm selbst den Inhalt. – Das Schreiben wird mir sehr schwer. Adieu. L. Tieck.
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Franckfurth d* 28 Juny 1809 Liebe Bettine! Ich schrieb dir d* 23ten dieses, dieses dienet dir deine vormunds Rechnung, in Dupplo bis 31 Dbr 1808. gestellt Hierbei zu senden, denn man hat mir solche Gestern vom Curatel Amt, wo man sie revidirt und richtig befunden hat zu gestellt, damit ich solche dir sende, weil du jizo in den Jahren bist, woman seine Curatel Rechnungen selbst auch nachsehen muß, findest du sie richtig und nichts dabei zu errinnern, so must du unter jedes Exemplar schreiben: »daß ich vorstehende vormunds Rechnung nachgesehen, und richtig befunden habe, bezeuge ich mit meiner Namens Unterschrifft, und beigedrucktem Pettschafft.« Landshuth d* July 1809 Siegel Bettine Brentano Dieses schreibst du unter jedes der beiden Exemplare {unter die Stelle wo ich und H* Denant solche unterschrieben haben.} u sendest mir sol740
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che dann, wohl eingepackt, mit erstem Postwagen, unter der | Angabe, Rechnungen, zurück. Findest du aber Anstände an der Rechnung dann mache Deine Bemerkungen auf ein apartes Blatt, u sende sie mit ein, ich hoffe aber du wirst alles in guther Ordnung finden. Kannst du nicht ganz aus der Rechn. kommen, so wird dir Savigni gern helfen. Noch immer kann ich dir kein neues Ereigniß bei Marie melden, der da kommen soll, wird wie ein Messias erwarthet. Wir sind alle wohl, Lulu ist noch in C. giebt sich aber der angst vermöge ihrer Natürlichen Ängstlichkeit ziemlich preiß. Wir alle umarmen dich u Savigny’s nebst den Kinderleins herzlich Dein treuer Bruder Franz Franz Brentano
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In diesem Augenblick erhalte ich deinen Brief lieber Linster und seze mich sogleich hin, ihn zu beantworten. ich habe keine von deinen Briefen an Savigny gelesen, sondern seine und Gundels Klagen daß Du kranck und melancholisch seyest haben mich aufmercksam auf deinen Zustand gemacht, dann auch das innerliche Bedürfniß was mich zuweilen so heftig anregt mich mitzutheilen, wenn ich mich dann in der Welt umsehe, so komme ich gewöhnlich auf Dich zu rück, als wovon ich glaube daß Du die Treuste bist, und die einfachste, die mich am besten versteht, du must also sicherlich glauben daß mein Brief so wohl meine eigne Befriedigung als auch deine Wohl^fahrt betrifft; in mancher Hinsicht aber Guter Linster, bist Du doch glücklicher wie ich; was ist in der Welt angenehmer belohnender als Menschen zu finden die einem erfreuen, ich hab während meinem 6 Monatlichen Aufenthalt hier, keinen Menschen gefunden der mir lieb wäre, aber wahrlich viele, die mir im höchsten Grad zuwieder sind; du hast zwar eine schwächere Gesundheit als ich, sie ist jedoch auf der Besserung, daß häßliche Clima hier hat mich so herunter gebracht daß ich sehr oft Medizin muß nehmen, meinen waatirten Überrock hab ich mitten im Sommer selbst im Hause an, weil die Kälte unerträglich ist, du ge741
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winnst täglich mehr Freiheit, hast Bequemlichkeit Bedienung ich hab die Friedericke müssen fort schicken, weil sie mich betrogen hat, mir meine geringe Garderobe nicht in Ordnung hielt, und so prächtig lebte, daß mich ihr Unterhalt mehr kostete als der meinige, nun bin ich unter fremden Menschen | lauter Philistern die mich nicht verstehen, mich über die Achsel ansehen, geh in kein Theater, geh nicht spazieren weil ich niemanden habe der mich bekleidet, kurzum Noth an allen Ecken, und dieß alles, allein um singen zu lernen, da hat sich aber der Teufel eine große Freude daraus gemacht mir das Spiel zu verderben, ich hab schon seit mehr den 10 Wochen einen rauen Hals der immer mit ein paar Tagen Ruhe abwechselt gehe ich nach Landshut, so befällt mich eine Melancholie der ich nicht steuern kann weil da gar keine Musick zu haben ist und die welche ich jezt lerne ist viel zu schwehr als daß ich mir allein forthelfen könnte, also ist mein Leben kürzlich so, Morgens in aller Frühe Trincke ich Geißen milch, um 6 Uhr stehe ich auf geh eine halbe Stunde weit, zum Capellmeister Winter um 9 Uhr bin ich wieder in der Stadt lerne Italienisch, nachdem wird geschrieben pp. Abends gehe ich wieder zum Singen bis 8 Uhr dann zu Nacht gessen und damit Basta, mittags schlafe ich gewöhnlich 2 Stunde weil ich zu müde werde, siehst Du alter ist dieß nicht ein miserabeles Leben, und dabei wird man noch auf allerlei Art mißverstanden, wärest du aber nach Landshuth kommen so wäre ich dort geblieben, dort sind sehr sehr viel liebe Leute nun hab ich auch noch manches angenehmes dir zu vertrauen, dazu gehört aber ein tête a tête, von Mund zu Mund, erstens meine feste Freundschaft, mit einem der Herrlichsten Männer der Welt, Graf Stadion, der so lange er hier war mich keinen Abend verlassen hat. und an dem | mein Herz hängt wie an einem ungemein liebreichen Vater dann lieber Linster (jezt wird die Confidenz schwehrer und bedeutender wichtiger, ich zehle auf deine Discretion, und sage dir doch nichts weil ich dem Papier nichts anvertrauen mag, aber geb acht vielleicht errathest Du etwas aus dem Inhalt) siehst Du wenn Du in diesem Augenblick da wärst, ich würde dir manches sagen waß dir gewiß von großem Werth wäre weil es mich so innig angeht. Du sprichst mir in deinem Brief von Menschen die dir viele Freude machen, lasse sie nur nicht deinen Geschwistern über den Kopf wachsen, ich bitte dich behalte ein stehtes Gleich^gewicht in deiner Neigung zu mir, halte etwas drauf daß wir nicht allein Durch Freundschaft sondern auch durchs Blut verwandt sind, man kann nicht wissen wie die Zeiten kommen wo man sehr interessiert für einander 742
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wird. Adieu, in meinem nachsten Brief spreche ich dir vielleicht von dem was mich beschäftigt mehr; grüße Franz Tonie ins besondere ich habe mit ihren Kindern sehr lieb recht oft fallt mir bei ihrer Erinnerung ein ou peuton etre mieux qu’au Sein de fa Famille. die Marie küße ich auch, und George, dem sage von mir, daß ich ihm eine große Haußsängrin aus mir bilden werde, wenn ich mich nicht vorher zu Tod singe, aber nichts wie Kirchenmusick lauter Kirchen Musick, auch die Lulu werde von mir umarmt, hat sie mir denn nichts von Bordeaux mit gebracht? Apropos hat dir Cristian nicht ein klein tinten fässgen von Holz mit gebracht, in Form einer Tulipan | wenns offen ist, dieß war von mir, dann bitte ich dich einliegende Rechnungen dem George zu geben, und ihn zu bitten sie auf Md. Moys Rechnung an die Gebrüder Bernards zu zahlen. Adieu nochmals behaltet mich alle lieb so wie ich Euch und denckt meiner oft, besonders freut Euch auf meine Zurück kunft denn ich werde gewiß einen neuen ganz prächtigen Lärmen im Hauße machen. Bettine
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*593. An Franz Brentano in Frankfurt München, vmtl. 30. Juni oder 1. Juli 1809, Freitag oder Sonnabend Franz Brentano an B, 14. Juli 1809: Ich erhielte deine beiden Briefe 〈Nr. *593 und *603〉 aus münchen, ohne Datum 〈…〉 Deine Beweise von zärtlicher Anhänglichkeit u Liebe rühren mich, ich erkenne darin ganz dein guthes Herz 〈…〉 du hast aber meinen Brief übel verstanden wenn du glaubtest ich seye im Begriffe mit allen meinen ganz von hier weg u nach wien zu ziehen 〈…〉 Deine vorsäzze zu vernünftigen Einschränkungen, daß du kein mädgen mehr halten willst, daß du diese theure meister abgeschafft hast, pp sind mir genug, u auch daß du sorgen willst, daß in diesen übrigen halben Jahr die ausgaben klein u rangirt sein sollen (Nr. 611,8-16+56-60).
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*594. An Antonia Brentano in Frankfurt München, vmtl. 30. Juni oder 1. Juli 1809, Freitag oder Sonnabend Antonia Brentano an B, 7. Juli 1809: Dein Brief hat Licht und Leben über mich verbreitet, er kam in einen Augenblick wo mir ein Liebes Herz zu erkalten drohte, und wo die wärme des deinigen wie ein schöner Sonneblick durch schwere Nebel drang 〈…〉 Wie es dir eigentlich geht kann ich nicht recht erfahren noch errathen du klagst über die zerstampften Erdbeern 〈…〉 Du fragst nach den Kindern (Nr. 606,3-6+20-21+37).
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 30. Juni 1809, Freitag
Ach böse böse Witterung 〈〈in〉〉 Baiern, schon seit 8 Wochen habe ich einen rauhen Hals Schnupfen Husten pp: kann ihn gar nicht loß werden; dieß macht mich so ungedultig, so traurig, daß ich gern den ganzen Tag schlafen mögte, um nur nicht dran Dencken zu müsen; sollte ich nicht zu Dir kommen Arnim? ich meine oft wenns Die Krieges Umstände zugäben, es wär so arg nicht Clemens brächte mich nach Berlin ich wohnte bei dem Oncle Carl und Du kämst alle Tage zu mir, dort könnte ich auch Singen lernen, besser als bei Winter der so Faul geworden ist daß er mich verzweiflen macht, dort würde ich auch Gesunder seyn; dort würde ich endlich auch nicht mehr auf deinen Wintergarten warten müßen, der mir wohl nie zu Gesicht kommen soll; oder ich konnte auch nach Weimar kommen wo Goethe mir ein Logis 〈〈in〉〉 seinem Hauße angebothen hat, und Du kämst auch dahin, 〈〈wen〉〉n er stürbe bevor ich ihn wieder gesehen, die〈〈ß〉〉 würde ich mir nie verzeihen dieß kann aber all wegen dem Krieg nicht seyn, sonst wärs wohl möglich; nicht wahr Arnim das wär nicht extravagant, wenn man so lange Zeit beinah ein ganzes Jahr, allein war, allein und wie allein, wenn man dabei bedenckt, daß die Mauern, nur Rauch und Nebel sind die uns Trennen, daß die Fesseln nur Spinnenwebe sind die uns festhalten daß ein Wille, ein einziger gesunder Gedancke unserer Seele, uns alles zu geben vermag was wir wünschen, ach Arnim ich könnte dir so manches erzehlen, und auch wieder nicht. Doch Adieu, dieß ist nur ein Flugblatt Deine Bettine 744
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An Herrn Baron Achim vo: Arnim abzugeben bei Fr: von Labes Viereck No 4 Berlin
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An Clemens Brentano in Landshut München, 30. Juni 1809, Freitag
So sind denn mehrere Tage vergangen, ohne daß ich Dir auf einen so ehrenden Brief antworten konnte, Clemens entweder ich verstehe Dich nicht oder Du willst mich mit einem Amt belehnen dem ich mich nicht gewachsen fühle; indessen sey es wie es wolle, ich weiß nichts von Dir, als daß ein dichter Nebel von bösen Schicksalen, bösen Launen (vor denen ich mich am meisten fürchte nicht sowohl für mich, als auch für Dich) bösen Querstrichen, bösen pp: Dich und ein herrliches Genie, (mir über vielem herrlich) von einander gesperrt hält. wären wir recht intime mit einander, so würde ich wahrscheinlich noch etwas mehr fluchen von Dir lernen, und Du nichts von mir, als Dich zuweilen über mich ärgern, Du irrst Dich wenn Du meinst mein Wille sey, nicht nach Weymar zu gehen, wahrhaftig es quält mich so wie ich einen freien Augenblick habe, und sollte Goethe sterben so bin ich verlohren. nur mögte ich nichts verlezen, dann auch mögte ich nicht lange Da seyn 2 Monat oder 3, doch jezt ist nicht dran zu dencken, Savigny würde in diesem Augenblick mit mehr Recht gegen die ganze Reiße seyn. vielleicht klärt sich der Himmel bis in 6 Wochen auf, und dann, ohne viel Bagage, allein mit festem Willen trete ich die Reiße an. wenn Dann Deine Person mich gegen die Wellt schüzen würde, so würde ich danckbar seyn. auch dem Arnim dessen Gemüth sich so leicht auf einfachen Accorden, ein bezauberndes Lied vorspielt, mögte ich erquicken, es ist ein Bild womit | ich mich oft beschäftige. glaube nicht daß das was oben in meinem Brief steht, ein Abweisen deines Begehrens sey, das mir so heilsam, wie Dir seyn mag, ich will nur nicht daß Du einen größeren Glauben an mich habest als ich verdiene, ganze lange Perioden meines Lebens gehen so einseitig durch, daß ich an allen Gaben eines gütigen Geniuses verzweiflen mögte, diesen entgegen sezen sich momentane Berührungen einer ungeheuren Welt in meiner Brust, es 745
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ist dann, wo auch die nachsichtigsten Menschen mich für Ungezogen für Bisarr scheinen wollend, für verwirrt, ja zu weilen für Sittenloß erklären, der Verstand (dessen ich wenig besize) der einzige niederträchtige, der nicht vom algemeinen Enthusiasmus ergriffen wird, der nur (wie viele in jeziger Zeit) der Umstände halber, gegen seine Überzeigung, seine Kräfte aufopfert dieser wirft mir in einzelnen Augenblicken vor daß ich an den Wahnsinn gränze, daß ich gegen den Strohm schwimme und noch dazu alle Schleußen aufreiße. Die Einbildung gründet ins tiefe Meer, und Thürmt mir Felsen aufeinander, und auf diese, hohe Leuchtthürme, einzelner prächtiger Bruchstücke kühner Lebensgedanken, diese leuchten, und wollen die ganze Ladung meiner Plane, und auch einzelne Schwimmer in der Nacht des Sturmes retten, mit ungeheurer Gewallt, Geschwindigkeit, steigen die Wellen (das Element aller vernichtung und Erschaffung) an den Felsen und Mauren hinauf, eine Kraft der nichts wiedersteht, immer höher als ob sie den Himmel erstürmen wollen | und doch ihr höchstes Ziel ist die Thurmspize, von da an wieder nieder und reißen alles zusammen was dem Trost, der Hoffnung, der Stärckung der Rettung, erbaut war, nun noch schickt der Himmel die neue Morgenröthe, beruhigt das Meer vertreibt die Wolken, die bösen Geister, aber hin ist hin, der Aufruhr, die Macht das Leben müsen verschlafen werden; siehst Du und so geht Dirs a peu prés, mir aber im aller eigentlichsten Sinn. wenn einmal eine Gluth vom Himmel fallt, die die Ketten schmilzt, aber den Sclaven nicht verlezt, dann könnte es kommen daß ich – ich alle einzelne Blätter, eines zurückgehaltnen Frühlings mit bedächtiger Sorgfalt entwickle, daß kein Thautropfen verlohren geht, bis dahin werde ich unverständlich bleiben, (mir selber), nicht geachtet wie ich es verdiene, wircklich bisarr, verlohren und zerrissen, bis dahin wird manche Stunde die ich mir zum höchsten Genuß weihen könnte, ungenüzt verlohren gehen, bis dahin wird manches Leben, daß auf ein hohes Ziel deutet, verschwinden, und so auch Du, wovor dich jedoch Gott behüte. Amen Bettine An Herrn Clemens Brentano bei Baron von Savigny Graf Joners Hause Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 30. Juni 1809, Freitag
Tiecks Brief, wird dir sagen was der meinige Gefruchtet hat, Du selbst sage mir ob ich zu hart in dem war, den ich geschrieben, die härtesten Ausdrücke, habe ich jedoch in der Abschrifft an Tieck, nach weislichem Nachdenken ausgelassen, ich hatte nur keine Zeit sie in dem an Dich zu corrigieren, sein Bruder war heute bei mir, dem ich ausdrücklich versicherte, daß Du nie an der Ehrlichkeit Tiecks gezweifelt, aber sehr gekränkt über seine Nachlässigkeit seyst. Sie haben mir nochmals die Versicherung gegeben daß sie alles anwenden würden, um die Sache ins Reine zu bringen, und damit habe ich es gut seyn lassen, weil ich doch nichts anders anfangen konnte. es ist halt nichts wohlfeil auf diesem Marckt als Gedult, wenn Du eine Ladung willst, sie wird dir nach geworfen und kostet dir keinen Transport denn sie wiegt nichts. wenn sie aber einmal an Ort und Stelle ist, dann wird sie am Ende immer schwehrer, bis sie gar nicht mehr fortzubringen ist.
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An Herrn Baron von Savigny Graf Joners Hauße Landshuth
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*598. Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach München Landshut, vmtl. 30. Juni 1809, Freitag B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 1. Juli 1809: Vollantz willst Du haben (Nr. 599,20).
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 1. Juli 1809, Sonnabend
Ach lieber Savigny! wenn auch nicht meine Vernunft so ist doch meine Raison ins Stecken gerathen, wenn auch nicht sogleich, so mögte ich Doch duzvit über Berg und Thal reißen mein bisgen Begeisterung das in gewaltigen Wellen aufbraußt, nur ein kleinwenig mitwirken zu las747
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sen, O Leben Du lumpigte Haut, was thut man nicht um dir den Teint zu conservieren; denn was ist die reputation anders; Die Sonnenstrahlen einer gerechten herrlichen freien that dürfen dich nicht bescheinen, denn Die Nachbarin mögte, deiner Sommerflecken spotten, einem großen edlen Zweck darfst Du nicht die Hand als Freund bieten, denn man mögte behaupten daß Du eine Liebschaft mit dem schönen Jungen hast, und ihn zu heimlicher Zeit liebkoßest (ist doch immer besser als Faullenzen,) kurz ich darf halt nicht, aber wenn einmal dahinter gekommen wird, so wird sichs entdecken daß Der, Der die auserordentliche große Nasen dreht, der den Leuten den Stuhl unter dem Hintern weg zieht, der, der Gelegenheit die drei lezten Haare ausreißt, daß Dieser, sage ich: Herr Herr Herr heist; gellt ich kann schön Fracktur schreiben, ich habs doch niemals geschrieben, habs eben zum ersten mal probiert. aber diesen Herrn muß man so viel Ehre als möglich anthun, sie sinds so gewöhnt, Vollantz willst Du haben; wenn sie nicht theuer sind, es sind ihrer da für 14 X das Stück, die sind aber schöner als die Eurichen die haben nur 6 x gekostet, apropos von Geld: der Friedericke, hab ich etliche und 40 fl: geben, und dann noch eine Rechnung für 8 bis zehen fl: für mich, lauter unnötige Sachen bezahlt, dem Winter | dem faulen Schlingel, der mich kranck aergert hab ich damals gleich auch 8 L. D. gegeben Eurem Peter hab ich zwei fl: für die Nacht hier, und 4 f für die Rückreiße gegeben, dem Hrn Fritgeri Salva venia italienischem Sprachmeister, 7 f: 30 x: ein Plaisir hab ich mir auch gemacht für 2 mal 48 x hab nehmlich mit der Pestel im 4ten Rang den Achilles von Prizi (schreibt er sich so?) singen hören, dann hab ich auch gesehen die Familie Coppini ballenar Sulla corda, per la Sig: Pestola ed me costa due fiorini, ma era molto piacevole, avevo gran voluntà di vederli ancor una volta, se non costa contanto ah che bellissimo piccolo Pierot, ah che gentile Sigr: Pagliazo; – dann hab ich für 15 x Milch gegessen in Companie mit der Pestel, wie ich die ihr aber wiedergeben wollte, so hat sies nicht angenommen, und hab mich mithin auf ihre Rechnung revangiert, muß also nicht gezehlt werden, aber daß ich alle Morgen für 6 x Geißenmilch trinke daß macht ein Capital und muß gezehlt werden, wie auch daß ich schon für 2 f 17 x Eibischtee getrunken hab, und für ungefehr ebenso viel Medizin, denn ein Cartar nach dem andern hab ich gejagt und jage noch; nun auch noch eine kleine Summe für Wasch und Flick; – Flick wenn ich dieß Wort schreibe so erschrecke ich im hochsten Grade, stell dir vor liebe Gundel daß deine Gebeugte 748
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Schwester, nur 3 sehr elende auszehrende Kleider in diesem Augenblick hat, und die andern alle (danck sey es der Sorgfalt Friederickens) eines seeligen Todes erblichen sind, erblichen dieß ist das wahre Wort, denn ein sehr schön gelb gestreiftes, ist an der Bleichsucht gestorben, ein weises hat in der Wäsche den Brand in den Leib bekommen, nach seinem | Todt hat es über den Ganzen Leib blaue Flecken und schwarze, bekommen seine Züge waren ganz verändert, es war garnicht mehr zu kennen, mein Nanquin überrock der schon lang über Eng brüstigkeit geklagt hatte hat in der lezten Wasche einen solgen starcken Anstoß davon bekommen daß er geblieben ist, ich muß ihn auch jezt begraben, den ehrlichen Kerl; il Westimento turco ha ricevuto una ferita Sotto il bracio, non é tutto afatto amazato, ma sta ancora molto amalato, e non par adesso servir me lo, tre altri Westimenti sono al hospitale dalla Signora Jolie per riciperare la loro sanità; vedremo, come vogliano rimetter si, dieß ist die traurige Geschichte, einer elenden zusammengeschlagnen Garderobe Armee der italienischen Donna Bettina Brentano, versteht Ihr mit zwei Ohren? oder müssen Eure Nasen drauf gestumpt werden? – Nein? – nehmlich daß es gewaltig schlecht aussieht hier und da, und daß andre Menschen besser montiert sind – versteht Ihr? ihr Polit. Esel, daß wenns einmal reist, daß es dann an allen Ecken reist – versteht Ihr? ––- daß ich also neue Kleider haben muß oder zu Grund gehe, fragt Euren Freund P:v:n: der wohl auch in dem Fall war, der wirds Euch sagen, man schämt sich ja so lumpig über die Gasse zu gehen. Nun Spaß apart zehlt mir mal die Gulden da oben zu sammen noch 20 fl: hab ich übrig; auch müst ihr die Reiße hier her 16 fl: rechnen, und seht obs richtig ist; der Monat ist aus, dem Winter wieder 44 f:, und Salva venia 7 f 30 x, ich hab sehen wollen obs mit dem Geld was ich noch hab, ging ums recht sparsam einzurichten | allein wenn ich einmal 20 f abzehle, so hab ich noch 20 zu zehlen hab kein Geld mehr, hab auch keine 20 fl mehr, ist dießes also ein schlechter Spaß, und gar nicht oeconomisch, ist also besser ich zehle gar nicht; daß mit meiner Garderobe ist zwar sehr zwei deutig und könnte von Euch für Spaß genommen, werden, ist aber auf beiden Seiten Wahrheit und muß mir durchaus ein paar Kleider noch anschaffen, hab auch schon etwas recht schönes und wohlfeiles gefunden. übrigens lebe ich doch jezt recht sparsam, hätte ich nur die Dumme Friedericke die viel prachtvoller als ich gelebt hat, etwas früher in die Ruhe gesezt. Nun meine geliebte Schaafe in Cristo, athmet nur recht leicht, es giebt ein schöner Abend, 749
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auf den Stürmischen Tag wird eine helle Mondnacht scheinen, ihr werdet noch alle die klaren Wellen des Bachs Cedron Trincken. meine Schaafe lieber Savigny sind wohl recht froh auf der grünen Wiese, und 85 Mähen tüchtig das scharfe Graß ab, rusische Schaafe und spanische kommen jezt auch noch dazu, die haben prächtige Wolle (man hat mir sie zum Geschenck gemacht, die erstern sind sehr schöne Thier, der Bock ist böse und starck, wie man mir sagt, so fürchtet er sich nicht einmal vor dem Wolf, grüß den p:v:n: und sag ihm das sey wahr, ich 90 schneide nichts auf – ich weiß daß er viel Freude an Schafen hat, und an diesen gewiß auch; die Tiecks sind Blau dünstler glaub ich ein für alle mal, ich emfehle mit samt ihrer Betrügerei, unserm Herrgott, weil ich als Freund nicht hart an ihnen handlen will, aber wenn der gerecht ist in seinem Himmel, so wird er ihnen den | den bösen Schneider aus 95 dem Rock klopfen, wie er denn schon manchen geklopft hat und noch klopfen wird in Ewigkeit Amen, bis es ein End hat. ich sag Euch seid fröhlich in dem Herrn, und lehrt in Compani ein Glaß Wein auf die Gesundheit und Prosperitet der Bessern, worunter ich mit meinen auch gehöre, hört Ihrs, last Sorg und 100 Kummer fahren, man zieht ja bei den Hahren Schlim Nachrichten her bei ist nur Windbeutelei. Gestern war ich in Nymfen Burg, bei dem Herrn Pop mit seiner guten Frau zu Mittag gegessen, haben auf dem See herum geseegelt, haben Erdbeeren gegessen, hab〈〈en〉〉 bei Geheimerath Fischer Liquer getrunken. Bald hät ich vergessen dir was zu erzehlen, was mir doch viele Freude gemacht hat, es hat nehmlich Herr Lodron ein Gemälde, nach 105 seiner Meinung von Rafael dem Moy geschickt zum Verkaufen es ist sehr schön und steht in meinem Zimmer, dieß erfreut mich ungemein; ach ich hab nicht Zeit mehr dir von einem andern Gemälde zu sprechen was vor kurzem in Rom fertig worden es ist ein grausamer Gegenstand, aber sehr edel und groß, hast Du nichts davon gehört? gar nichts? 110 es sollte mich wundern, zwar ist es noch nicht öffentlich auf gestellt, und wirds wahrscheinlich auch nicht, aber viele gute Freunde wissen doch davon, und habens gesehen; die Haare sind von dem jungen Barthelemi aus Rom. ich bitte schreib, wie du dieß findest 115 Bettine
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Von Clemens Brentano nach München Landshut, 1. Juli 1809, Sonnabend
1 Juni 1809 Dein lezter Brief war mir sehr wehrt, ich hatte mich durch gute Lecktüre die Tage vorher etwas erquickt, und so konnte ich ruhig und mit seltenem Genuß, lesen, wie du eigentlich ganz und immer bist, waß du warst, zu der Zeit, als du Niemand außer mir bekannt warst, so unaussprechlich reich bis zur Grösten Armuth. Aber auf meine einfältige Frage, wie einem armen Teufel, als da ich bin, zu helfen sei, ist es leichter, eine ganze Liqueurfabricke in Brand zu stecken, weil man selbst die Destilir^blase ist, und gern mit dem Lichte fackelt, als ein Stückchen Brod abzuschneiden, denn das Brod liegt im Kasten und das Messer in der Nebenstube. Mit Allem Geschriebenen bin ich einverständig, nur nicht, daß es tröstlich sei, Trost aber habe ich keinen verlangt, nur einen Kriegsrath, daraus aber ist eine Confession geworden, die mich herzlich gerührt, und ich habe dir, als du dir vor dem Spiegel einen Kreuzschnitt in die Brust gemacht, und mich eingeladen dir über die Achsel zu sehen, tausend Engel, einen bessern Geburtstag, den besten Nahmenstag, das aller glückseeligste Neujahr, die schonsten gesegnetsten Feiertage in das grausame barmherzige tanzende liebe Herz gewünscht, Ob sie hinein^konnten vor der außerordentlichen Besatzung, weiß ich nicht, Göthe soll drinn liegen, wie ein breiter Schlacks, und die Beine dem Thor heraus strecken daß es kaum zu geht, Arnim aber selbst schon einem Fenster heraus hängen, so viel weiß ich, daß mir die Thränen in die Augen kamen, und die Gräben rings um die Festung ausfüllten und die Wälle unter wasser setzen, drüber vergieng mir das Gesicht. – Das Hauptunglück ist für mich, kein Umgang, kein recht vertrautes Herz – und drum ist es so recht mein Wunsch trefflichen Menschen zuzusehn. – Die Lektüre, die mich so sehr er|〈xxx〉te in den lezten Tagen, und die ich dir ja auch recht ans Herz lege ist Calderons Standhafter Prinz im zweiten Theil von Schlegels span. Theater, das jezt heraus ist, eine so erquickende Größe des Helden, so bitter das 751
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Tragische und so schonend auf den Händen der Kunst getragen, aller Schmerz geht in Bewundrung unter; in der Oekonomie des Stücks keine Person zu viel, unendlich reich doch ganz in leichter Uebersicht, alles nothwendig und frei, herrlich, dieses lesend fühlt man kein Bedürfniß nach Shakespear, hier liegt auch eine Unendliche Welt. Savigny war auch sehr erfreut dadurch. – Nach dieser herrlichen Kost, erwischte ich Arnims Wintergarten hier im Buchladen (du hast ihn wohl noch nicht, weil du so gar nichts davon sagst), er ist einer Person zugeeignet, deren Wagen am Pommeranzengarten ihn traurig verlies, und mit der er in einer Kapelle am Rhein die Schöne Welt theilte, ich müste mich sehr irren mein Schatz, wenn der Garten nicht zu Aschaffenburg wäre, und fürchtete Anfangs, er meine meine liebe süße Auguste, denn er spricht von nun verlornen schönen Klageliedern, aber der Rhein, die Kapelle beruhigten mich, du, du bist es mein Schatz, in schönen Reimrosen, nur hie und da zerdrückt, und verwelkt, wie seine liebe grau Floken^mütze. Das Buch selbst enthält alle seine Sünden und alle seine Glorie, (nicht die seines Lebens, dann wäre es ein schöneres Buch) sondern die seiner Art den Koffer zu Packen, und. Ach er hat so schöne alte feine Familien^wäsche, so manches liebe Hemd von interessanten Freundinnen gemacht, so manchen | schönen welken Strauß von lieben Händen, so manche Theatermouche, so manches Strumpfband, so manche Kugel aus dem Beine verstorbener Krieger geschnitten, alte Einladungsbillets zu schöne Zirkeln, und fleisig gearbeitete SchulProgramme seiner Jugend in seinem Koffer warum hat er diese nicht ausarbeitend, in Beete gereiht, und klar dem Leser gegeben. Aber da sind, die Verfluchten kuriosen Bücher, alte und neue, die ich ihm gegeben, und seine alten Landschaften, und einige alte Himmellange Gedichte von ihm dazwischen geknittert, und ich ärgerte mich, denn es ist manches da, waß ich gern reiner und gerechter der Welt wiedergegeben gesehen hätte. Die Verbindung der Geschichten ist herlich von ihm ersonnen, ganz einzig vortreflich aus^geführt, und unbegreiflich ist es, wie ein Mensch, der so einzig gehalten und fein erschaffen kann, ein so verfluchtes Zussammenknittelungs^wesen treibt, die erste Novelle ist eine alte Übersetzung eines lateinischen Romans des Aeneas Silvius, die zweite, das schlechste Stück mit, aus der Insel Felsenburg, die Vierte ein Auszug aus Moscherosch Gesicht, Soldaten leben, du hast als du zulezt hier warst, das alte Kriegslied herausschreiben wollen, die dritte ist die Erzählung von Arbogast aus der Altschwäbischen Cronique des Thomas 752
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Lirer, sie lag lang von mir bei dir in Frft, die fünfte ist die einzige die ich nicht kannte, er muß sie noch aus England gebracht haben, die einzige ganz moderne Geschichte, doch recht interressant, wie wohl, schwerlich eigen, ihr knüpft sich eine Reihe Romanzen | an, wo er die Grassini unter dem Nahmen Medusa mit dem Admiral Nelson, in eine Seeschlacht bringt, eine sehr tolle Combination, aber ganze Stellen herrlich klassisch, andre Ganz verwirrt mehr geleimt als gereimt, ums ganze Jammer und schade, dies Gedicht könnte einen Menschen, allein verewigen, wenn es nur einen Stecken gäbe, an dem man es in die Höhe binden könnte, der Kapellmeister Winter kömmt herrlich drinn vor, als Nelson Morgens bei der Medusa ist, bei der es aussieht, wie bei der Charles Schweizer, und eben eine verliebte Unterhandlung hatte – Die Verwirrung zwischen beiden Kommt der Musiker zu scheiden. Seht der kömmt hineingefallen, Wie ein alter Eichenbaum Auf zwei liebende im Traum Schreiend: »Es wird nicht gefallen Die Musick zum erstenmale. Stündlich wächset die Kabale ect.«
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Bittre Trähnen er da weinet, Und sie küsset ihm die Hand, Nelson ist von Zorn entbrannt. ect. Dann kömmt eine Uebersetzung aus dem Froissard dies ist die sechste Novelle – die siebente und (das ist nach meiner Empfindung fatal und gewissenloß) ist die drei Erznarren und der Schelmufskÿ förmlich zussammen gematscht und
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, vmtl. 2., 3. oder 4. Juli 1809, Sonntag–Dienstag
Ich bin es, ich bin es grausames Weib, untreue Cloris; dieser ich der zu einer Zeit war, deiner süsen Gedanken, einziges geliebtes Bild dieser bin ich, der so glücklich, dir folgte, oft in den Wald, auf die Wiese an den Bach, O wehmüthiges Ange753
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dencken, o zärtliche Erinnerung da du ihm sagtest: Ruhe hier im Gebüsch: spiegle dich in diesem Bach da wirst du sehen das Bild, von meinem einzig Geliebten. Dieß ist ein Lied, von Durante in Musick gesezt, so unendlich schön, daß es einem die Seele vom Leib scheiden will, Ach wie zärtlich ängstlich ruft es in diesen traurigen Regen Tagen in die Ferne. man nent oft die Liebe wenn sie heftige Leidenschaft wird ein Unglück, man bedauert die jungen Herzen die sich in ihr befangen haben ich muß sie aber ansehen als einen sichern Port vor Herzzereisendem überall packendem Gefühl, wenn ich verliebt wäre so würde ich leichthin die Fesseln die mir die Musick hier anlegt zerreißen können, die Mauren die Krieg und Zufall vor mir aufbauen überklettern, und allem Wetter und Ungemach trozend mein Ziel erreichen oder doch im Streben dahin mich aufopfern. also wer sagt die Liebe sei traurig und Furchtbar der irrt sie ist auf dem großen Meer ein großes Seegel um alle Winde der guten Gelegenheit zu benuzen, und kömmt endlich das Scheidernde Unglück so mag sich leicht noch die lezte Hoffnung, dieselbe als Leichentuch im nassen Grab bedienen. O Arnim! O Goethe! Ihr seid mir zwei werthe Nahmen, hätte Die Welt gleich hinter Euch ein End gehabt, so wär ich auf ewig bei und mit den guten geblieben, aber so muste ich noch in die leere wüste Ferne, die dahinter lag, muste mit gespaltenem Herzen die heilenden Kräuter auf dürren sandigen Klippen, für die Krankheit nimer Rast nimer Ruhe suchen, Ermüdung sage ich, aus weißlich erfahrnem Gemüth, ist die einzig Lindernde Pein dieser Lebens^Pein, aber das echte Heilmittel, ist nur allein das getroffne, Ziel, nach welchem alle Anstrengung hinarbeitete. Ach lieber Arnim da trifft man auf unwegsamen Pfaden, wo | irrende Gedancken, und seltsam schwanckende gauklende Geister hingeführt haben, gar manchen der einem im gemeinen Leben gar nicht nahesteht man sieht sich an in Unbeweglicher Beweglichkeit; man erkennt sich der steinerne Schmerz entweicht auf den Augenblick, die biegende Schmiegende Freude schmiegt auch diese als Freunde einander in die Arme, man hält sich fest, das Leben daß man auser sich fühlt, giebt ein Echo in der Brust, giebt daß Bewustseyn der Ewigkeit der Lebendigen, und hier wird die Freundschaft gebohren. Lieber Arnim es ist schon ganz Dunkel, ich sehe kaum was die Feder schreibt, aber grade weils Dunkel ist, wie in der Tageszeit, so in der Welt; weils recht dunckel ist in der Welt, will ich dich jezt in meine Arme Drücken dir sagen daß ich dich lieb habe, daß Du mein Freund 754
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bist, mein guter treuer; daß muß man in solgen Zeiten sich oft wiederholen, nicht vergessen. Oft komme ich mir vor wie ein Geheimniß daß über Dir ruht daß Du heimlich wohl kennst, aber öffentlich nicht, gelt wir haben Uns beide doch oft angesehen, so manche Erinnerung verschiedner Art kamen uns bei gegenseitigem Anblick in den Sinn, jezt kommen oft Stunden wo durchaus Magisch mir, erinnernd das Bild einer damaligen Erinnerung in den Spiegel meiner Seele fällt; wenn ich mich nur finden könnte, ich mögte recht gern mancherlei mit mir abhandlen, aber hier in München bin ich gar nicht zu finden, ich weiß wohl daß ich manchmal in Berlin auf deinem Kopfkissen size um Mitternacht wenn Du schläfst, gelt es ist noch nicht lange daß ich bei Dir war? geb mir doch Nachricht von mir, dann bin ich auch noch zuweilen auf einem verlassnen Feld, gegen Stralsund hin bei Abendstille spucke ich dort herum, achte nicht Regen noch Nebel, harre da aus in tiefsinnigen Gedancken bis mich der Hanenschrei weiter treibt, Ja dieser Held, hat sich | einen Tempel in der Seele eines jeden edlen Menschen aufgebaut. Dann bin ich auch noch an einem andern Ort zuweilen anzutreffen ich lust wandle im hellen Grau des Morgens, ganz allein im Weimarer Parck herum, de〈〈m〉〉 alten hab ich seinen grünen Mantel gestohlen in den ich mich einwickle und seinen Dreieckigten Hut seze ich aufs Ohr und so kennt mich niemand, geh oft unter die Fenster seiner Schlafkammer, zähle die Thautröpflein, auf den Graßhalmen, schaut niemals Er zum Fenster hinaus, ist mir doch nicht zu einsam, Sein Geist thaut durch die Mauern und verschlossne Fenster, ich hab ihn lieb, aber wenn er einmal nicht mehr lebt, da werde ich auch noch dort herum^gehen aber gewiß recht traurig. – Nun weiß ich noch einen Ort wo man mich finden kann, es ist in dem großen Laager der jezigen Krieger, dort komme ich mir immer vor, wie eine Fledermauß, fährt der Bliz einer Kanone loß, husch bin ich dahinter her, aber weit entfernt von den anderen, ganz einsam, hat einer sein Zelt allein aufgeschlagen, er handelt nicht aus Überzeigung oder Einsicht sondern geht so mit dem Drang weil er die Welt noch im ganzen packen muß, weil er noch zu jung ist um zu unterscheiden was Blüthe trägt und was ein Dürres Reiß bleibt, dieser küßt allemal seine Waffen ehe er sie anlegt, und bittet Gott um seinen Seegen, dießem spreche ich oft Stunden lang Trost zu, ich fühle mich und Dich ihm recht Kindlich verwandt. Die Musick ist eine Grube in welcher ich mich verliere, und in dieser bin ich nicht so leicht zu finden, du kennst doch das Mährgen, vom Kinde daß in den Bronnen ge755
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fallen war, und nach dem es lange herherumgeirrt hatte in Duncklen Hohlwegen, endlich durch einen Lichtstrahl in schöne Pomeranzen gärten mit Cristalnen Springbronnen mit Schmaragdnen Diamantnen 85 Häusern kommt, da hält es sich mit gröster Wonne eine Zeit〈〈lan〉〉g auf endlich und endlich fängt es an, sehr melancholisch zu werden weil es keine Menschen und Freunde um sich hat, es sucht alle mögliche Auswege die Angst wird immer stärcker, die Pracht seiner Wohnung drängt sich mit schreiendem Flimmer in seine Augen, plözlich wachts 90 auf, die Sonne bescheint es, und es war nur ein Traum eine Vorspieglung von Rübezal. grade dieß ist die Geschichte der Musick bei mir sie quält und ergözt mich und fängt immer wieder von forne an Apropos Clemens schreibt mir daß dein Winter^garten in Landshut ist bei dem Buchhändler zu haben, ich habe den von Dir noch nicht, 95 und was das ärgste ist, der Brief da^bei von dir ist mir auch verlohren, das kränckt mich sehr, ich war auf kein Buch so begierig wie auf dießes, ich bin gewiß, ich werde mit höchstem Genuß ganz ohne Verstand lesen, und werde dir ungemein viel darüber sagen, denn meine Ahndung sagt mir daß auch eine Zeit des Rhein aufenthaltes darinne blüht Ad- 100 dio mio carissimo, Addio Memoria Dolente, dei dolce momenti pasati, io son la tua amica per sempre. Bettine
*602. Von Kunigunde von Savigny nach München Landshut, etwa 4. Juli 1809, Dienstag B an Kunigunde von Savigny, 6. Juli 1809:
Du bist nicht recht gescheut; was hast Du denn für eine kuriose Angst übers Geld 〈…〉 deinen besten schwesterlichen Rath, der aus warmem Antheil an mir, kömmt
(Nr. 604,1-2).
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*603. An Franz Brentano in Frankfurt München, etwa 5. Juli 1809, Mittwoch B an Kunigunde von Savigny, 6. Juli 1809: an Franz voll Freundlichkeit geschrieben (Nr. 604,44-45).
hab ich einen Brief
Franz Brentano an B, 14. Juli 1809 (vgl. Nr. *593).
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An Kunigunde von Savigny in Landshut München, 6. Juli 1809, Donnerstag
Lieber Gundulus; Du bist nicht recht gescheut; was hast Du denn für eine kuriose Angst übers Geld, in einem Augen blick, wo der Eigenthümer, die Frucht der sauersten Arbeit und Mühe nicht achtet, sondern alles zum Teufel gehen läst, um nur den mächtigen Willen seines Busens zu befriedigen, soll ich denn Zeitungen lesen umsonst; soll ich denn Gefühl haben für die Sonnen wärme, blos für den Moment; soll ich denn mich zurückhalten, spahren, pp blos weil es so Mode ist soll ich denn, wenn die Fesseln so dünne werden, (die mir lange beschwehrlich waren) daß sie von selbst zerreisen, sie wieder flicken, blos weil ich gewöhnt bin sie zu tragen; ich will hiermit, nicht aufsäßig sein gegen deinen besten schwesterlichen Rath, der aus warmem Antheil an mir, kömmt, ich will selbst bekennen, daß ich mich nicht genug zurück gehalten habe, aber es waren keine Ausgaben, die im mindesten auf Wohlleben gingen; auch habe ich mich jezt so eingeschränkt, ich habe kein Mädgen, ich habe so gar den Theuren Winter abgeschafft nicht allein wegen Oeconomie, sondern weil er au pied de la lettre Stink faul geworden ist, und habe mir davor einen Meister genommen der mich nur 1 Carolin den Monat kostet, wie findest Du Daß? nur noch 2 Monate mögte ich hier bleiben, dann käm ich für immer, und dann wollte ich Heil Kräuter auf die Wunde legen, Ey wenn ich nix mehr hab, so komme ich zu Euch, hab ich meinen Marder gefüttert der sehr artig und klug war, so werdet Ihr doch einen Papegay, einen Komm Hanz, wie ich bin, füttern. ich sage Dir, ich habe hier die melancholischsten Stunden der Welt, ich bin immer ein um den andern Tag entschlossen zu Euch zu kommen | aber wenn ich nur dran Denke, daß dann ein Tag nach dem andern hingeht, in Schlamperei, oder wenn ich 757
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auch lerne, in Ungewißheit pp, so kann ich toll werden, und ich bin gewiß, lange würde ichs nicht aushalten, ach wenn Der Savigny hier wäre stadt in Landshut, wie wär ich so glücklich! es wird mir oft ganz flau, wenn mir einfält, daß ich instincktmässig etwas thun soll, was der gröste Kunsteifer mir nicht ein gearbeitet hätte, nehmlich so leben wie die andern mit gehöriger Sorgsamkeit, und dann wenn einst ein schwarzes Kreuzlein auf einen Erdhügel gesteckt wird da mag man die Aufschrift machen, Ey Gundel bewegt Hier liegt sie, die hat Spahren sollen Dich dieses und hat nicht Spahren Wollen Epitafium nicht in wie sies endlich so weit gebracht der tiefsten Seele, hat ihr der Tod ein End gemacht. mich rührt es so, – daß ich dem Kinde hät sie nicht müssen Spahren, gar nicht läg sie vielleicht nicht auf Der Bahren widersprechen kann. zum wenigsten ihre Celebrität Gewiß kein irdisch Ende hät – denn hät sie gethan wie sie gewollt hät nicht angesehen Zeitlichen Sold um den sie hät himmlische Künste erworben Daran wär sie gewiß nicht gestorben. Aber sagt, was giebts denn Neues? Alle Truppen werden nach Wien gezogen, es wird in diesen Tagen eine entscheidende Schlacht geliefert. es geschähe gewiß nicht, wenn nicht die besten Anstaldten zum Sieg getroffen wären, also kann man des Ausganges einigermaasen schon gewiß seyn. wies mit meiner Gesundheit steht wollt Ihr wissen, ich hab nur einen bösen Umstand der Täglich zu nimmt, nehmlich Herzklopfen. ich hoffe es wird sich bald legen ich hoffe es wird keine Folgen haben, vielleicht ists weil wircklich, mein ganzer | Körper eine ordentliche revolution macht, und daß alles noch zum besten ausschlägt. Adieu Ihr geliebten; an Franz hab ich einen Brief voll Freundlichkeit geschrieben, auf einen den ich von ihm erhalten habe, der auch voll Freundlichkeit und Brüderlichkeit war. Ey wenn ich kein Geld mehr habe will ich ein Buch schreiben ich hab ja prächtige Gedanken, Savigny macht die Vorrede soll ich denn in der Welt immer seyn als ein Toder Mann seeligen Marburger Andenkens. Bettine 758
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Von Meline Brentano nach München Frankfurt, 7. Juli 1809, Freitag
Frankfurt d* 7ten July 1809 Liebe, treue Bettine! Dein lezter Brief hat mich sehr trauerig gemacht; ich dachte mir du seyest froh, zufrieden und gesund, und nun muß ich hören, daß es dir ganz anders zu Muthe ist. Gerne und Gedultig wolte ich mein unheimliches Leben ertragen wenn ich nur denken könnte, daß die Menschen welche mir lieb, welche meinem Herzen nahe sind, immer glüklich wären. Versteht sich, so viel man es in der Welt seyn kann. Daß es dir hier nicht heimlich wöhnlich ist, begreife ich recht gut, indem hier keine Menschen sind, die dich erfüllen und deinem Verstande gnüge leisten, können. Daß du aber auch in der Umgebung von Savigny, und dessen seinen Freunden dich unglücklich fühlst, war mir unerwartet, und hat mich deshalb doppelt unangenehm überascht. Daß deine Gesundheit abnimmt, jezt wo du so viel singst, bestärt mich aufs neue in meiner Überzeuchung, indem ich immer bemerkte das Singen seye dir schädlich. Oft ist es mir aufgefallen, wenn du hier viel gesungen, wie du übel aussahest, und wie du dich krank darnach fühltest. Es ist mir ein sehr harter Gedanken, die einzige Sache an welcher du mit Leidenschaft hängst, so sichtbarlich – so unwiedersprechlich, schädlich für dich zu wissen, denn entweder sehe ich deine Gesundheit zu grunde gehen, oder du must auf dein gröstes – leider vielleicht einzig wahres, Vergnügen, Verzicht thun. Ja wenn man sich gleich zu Tod singen könnte, und nicht oft sehr lange ein Sieges Leben vortführen müste, dann dürfte und könnte man leicht seinem HauptVergnügen nachgehen; denn im Grunde ist es ja ganz eins wie lang man lebt, wenn man nur | die Zeit welche uns beschieden war froh und zufrieden zubrachte. Die Art wie du deinen Tag herum bringst, ist freylich nicht sehr lustig, allein in welcher Lage der Welt ist es möglich alles was uns angenehm ist zu vereinigen? Auf eine Sache müssen wir immer verzicht leisten, um eine andre zu erlangen. Es kömmt also nur darauf an mit 759
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sich selbst im reinen zu seyn, daß man wisse was uns am nützlichsten, was uns am liebsten, und was am entberlichsten seye. Mein Leben ist noch einnförmiger, und doch möchte ich es nicht ändern; ich entbere viel, bin durch Convenienz sehr eingeschrenkt, habe aber auch wieder manchen Genus; der das Gleichgewicht hervorbringt. Wenn ich mit Gewißheit glauben könnte, mein Aufenthalt in Landshut würde dir und mir wohlthatig seyn, so wolte ich mich wohl entschließen hinzukommen. allein ich weiß nur zu gut aus Erfahrung, daß ich nicht mehr so heimlich gemüthlich bey den Savigny’s seyn kann, wie ehemals; und eben weil ich ehemals so herzlich, so ganz glücklich (glücklich wie ich nicht mehr werden kann, den mein Unbefangnes Vertrauen in die Menschen, in mein Schicksal, mein fester Glaube, alles ist leider dahin. Mir sind die Augen aufgegangen, ich sehe nun klar in die Welt, und kann mir keine Illusionen mehr machen.) mit und bey Savigny war, eben deshalb macht es mich unglücklich daß es jezt anders ist. Auch würde mir das Clima nicht wohl bekommen, mein kranker Körper würde die Seele mit krank machen, und dann hättest du ja gar nichts an mir. Statt dir ein Troßt | zu seyn, würde ich noch dein Mitleid erregen. Unbeschreiblich erfreulich ist mir dein Vertrauen; gewiß Bettine du wirst es nie bereuhen mich dessen gewürdigt zu haben. Schreibe, sage mir alles was in deinem Herzen ist; soweit meine Verstandes Kräfte reichen, will ich dir treulich mit Rath beystehen, und was ich nicht verstehen kann wird mein Herz doch empfinden, mit inniger Liebe aufnehmen. Schütte mir ganz dein Herz aus; du schreibst von Confidenz die du mir machen willst, erregst dadurch meine Theilnahme meine Neugierd, und sagst mir doch nichts. Erathen kann ich auch nichts, aus deinem Brief, ich mag in noch so oft durchlesen es bleibt mir alles dunkel, unerklärlich. Deine Sorge, als könnten mir fremde Menschen lieber werden als meine Geschwister, ist sehr ungegründet. Freylich bin ich bis jezt noch immer mit Fremden in vertrautern Verhältnißen gewesen als mit meinen Verwanten – allein das Herz regt sich doch immer wenn ein entscheidenter Augenblick erscheint. Deine Grüße habe ich alle treulich ausgerichten, sie werden dir alle Herzlich erwiedert, Lulu ist in Cassel; ich besuchte sie bey meiner Durchreiße. Über den armen Sehm ließe sich viel sagen, aber leider nichts erfreuliches. Ihr Verhältniß ist schlechter als je, und was am trauerigsten ist, ist daß Sie wo nicht mehr doch eben so viel Schuld als 760
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J. hat – Es ist ihr nicht zu rathen, nicht zu helfen; ich habe es vergeblich versucht, und kann nur mit dem grösten Mitleid noch an sie denken. Schönfeld ist herlich, wunderschön; ich möchte dort leben und begraben seyn; der Lulu ist es unerträglich | sie besitz im höchsten Grad das Talent sich ihr leben zu verderben. Christian brachte mir wohlbehalten das Tintenfäßchen mit, ich finde es gar hübsch, und danke dir herzlich dafür. Deine Rechnungen habe ich an Franz gegeben, er wird dir selbst schreiben. Nun Adieu liebe gute Bettine, lebe wohl und so froh als möglich. Meline B.
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Liebe Bettine! Dein Brief hat Licht und Leben über mich verbreitet, er kam in einen Augenblick wo mir ein Liebes Herz zu erkalten drohte, und wo die wärme des deinigen wie ein schöner Sonneblick durch schwere Nebel drang, ich glaubte wirklich von dir vergessen zu sein, und weil mir dieser Glaube unerträglich war, so wünschte ich dich auch vergessen zu können, ich habe es aber nie dahin gebracht, Hoffnung zu deiner Liebe hat mir deine freundliche Anrede gegeben, nähre diese Hoffnung, und gewinne diese Liebe lieb, mein Herz wird dir es verdanken – es war mir schon lange gar zu unerträglich daß deiner Entfernung aus dem Hauße eine noch tiefer dringende Entfernung folgen könnte, dachte ich mir dein Gemüth und deinen Geist so war das Gespenst verschwunden, denn du mußt beydes zu würdigen schönen Zwecken benutzen, und den Himmelsstriche folgen der dir Licht und Nahrung gibt, dachte ich mir dein tiefes Schweigen so folgte natürliche Anwendung auf unnatürliche Abwendung, und schmerzt es dich daß ich in Versuchung kam so zu denken so denke dazu daß selbst der beste Mensch in Versuchung komt, oft in unwiederstehliche. Wie es dir eigentlich geht kann ich nicht recht erfahren noch | errathen du klagst über die zerstampften Erdbeern, Zernichtung thut freylich weh, aber der Gaume thut gerne Verzicht, wenn die Bedürfniße 761
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des Geistes und Herzens befriedigt sind, mir aber haben Sie wüthend im Kindlichen Gemüthe genagt, den Kern im Kerne angegriffen, und die Hülse sollte wieder der Erde gegeben aus der sie gekommen war, da wirkte die göttliche Natur sie erwekte, belebte, erwärmte, und erhielt mir meinen Vater! o Bettine wenn dir je wird wie mir war, als ich ihn tod beweinte und plözlich von ihm selbst einen Brief erhielt, voll inniger Vaterliebe, als ich schrie und schreyen mußte, er lebt, er lebt, so gedenke meiner! Diese Töne sind gewiß aus den Grundstoff der Natürlichkeit gebildet und die Musick wird arm wie ein Bettler wenn ein solcher Wohllaut in vollkommensten Accord mit unsern Empfindungen ertönen muß – da giengen mir die Augen auf klarer heller als je, aber die Knie zittern in solchen Augenblicken als ob sie sich unwiederstehlich zum Danke zu Gott beugen müßten, darinn liegt Erkenntniß und Erkenntlichkeit. Du fragst nach den Kindern, sie sind alle so lieb so gut und so hübsch daß du sie gerne zu dir kommen ließest wenn du hier wärest, keine schönere Vereinigung ist mir aber auch denkbar als die einer Mutter mit Kindern, darinn ist das schönste Denkmahl der Natur, ich wollte Liebe Bettine dieses entzü|kende Gefühl würde dir auch bald zu Theil, Lorbeern, Myrthen und der Jungfräuliche Kranz sind ephemerisch gegen die Allgegenwart eines lieblichen Kindes dem wir innig und ungetheilt alles sind, dessen zarte Händchen sich so hold anschmiegen, und jedes Wort desselben uns eine neue Veredlung unsrer selbst zueignet, lache nicht Bettine glaube mir, ich wäre schon oft gerne aus den reizlosen Cirkel unsrer Umgebung getreten, aber zu den Kindern habe ich mich immer hingezogen gefühlt, ihre Vorzüge sind ungekünstelt, ihre Fehler ungeschminkt sie geben was sie haben, während andre oft mehr geben wollen als sie haben – George ist bey Hadermann, er wird brav, fleißig, und gut, er hat viele Herzen gewonnen, und nichts an seiner Eigenthümlichkeit verlohren – Max mit großer Lebhaftigkeit und noch größeren Augen schwäzt und lernt viel, arbeitet wenig und schneidet seltsame Gesichter, Abigaïl ist ihr Nahme. Der Lockigte Finus würde dir besonders Gefallen, er schüttelt immer den Kopf, ist so derbe und fest, er strozt von Gesundheit und der kleine niedliche Franziskus ist mir alles, so fröhlich und lebendig dreht er sich in taumelnder Lust, und hat so große schwarze funkelnde Augen – Franz hängt gar sehr an der kleinen, er pflegt sie wie eine Mutter – wenn er euch nicht allen so lieb wäre er müßte es euch täglich mehr werden denn er ist gut wie keiner ist und wir alle sein sollten – das weißt du gewiß Bettine. 762
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Morgen oder übermorgen gehe ich nach Winkel, ich schnappe nach Luft und Licht, und dort spricht Gott zu den Menschen in 4–5 Wochen kehre ich wieder heim, um gegen der Herbst nach Wien zu reisen, dort soll ich mir den lezten Seegen Hohlen um Vater und Vaterstadt vielleicht nie wieder zu sehen Bettine wenn dieser Faden reißt dann knüpfen sich wohl freylich vielleicht andre fester, aber der erste Faden zu dem Gewebe eines Lebens ist gerissen, auch der lezte wird reissen! Vielleicht bist du bis dahin wieder in unsern Mauern so kann man mit Recht jedes Zimmer der Sandgasse nennen, nun deine schönen Töne welche durch Winter so voll und rein geworden sind werden einen holden Frühling verkünden, und deine Liebe, deine Güte, zu deinen andern Talenten werden ein volltöniges Orchester bilden und im schönsten Einklang stehen. Lebe wohl Bettine, gedeihe wie eine Blume, auch in Regen und Gewitterlust und wenn die Nacht dich über fällt so sey es eine Sternennacht der das beste Morgenroth folgt – Lasse nie mehr Dämerung einfallen in deiner Liebe verkünde mir dein Wohlergehen, und wenn ich heute zu viel in Allegorien sprach so verzeihe, es bezieht sich ja alles auf Gott, die Natur, die Musick, dich und mich – Tony
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 8. Juli 1809, Sonnabend
Am Mittwoch den 5 Juli um 5 Uhr des Morgens hat die Schlacht die große zwischen Oestreich und Franckreich angefangen, und wir können des Siegs beinah gewiß sein, Napoleon ha Hundertsiebenzig tausend – sie haben an 3 Orten Brücken von großer Stärcke und Breite. Adieu lebt wohl wie die Nachrichten des Siegs ankommen schreibe ich es Euch, hier ist der lezte wie der erste Bürger, Männer und Jünglinge zum Soldat werden bestimmt B.
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 11. Juli 1809, Dienstag
wenn ich aber sage: ich brauche Geld, so ist dieß kein Spaß Ihr Bösewichter; ich muß ja den Winter bezahlen den ich abgeschaft habe ich habe einen andern ganz unendlich guten Mann. schickt mir wenn es Euch nicht stört 100 fl:, ich habe nur noch 24 x im Vermögen, aber den lezten Monat hab ich gut haußgehalten, hab für meine Person nur 23 fl: gebraucht, obschon ich auch viel Medizin genommen, davor muß ich aber diesen um so mehr geben. Die Politischen Neuigkeiten wißt Ihr schon ein Kurier vom Kaiser einer vom Vicekönig einer vom Bertier haben mündlich aber nicht schrifftlich die völlige Niederlage der Oestreicher hier her gebracht, ein cheveauxleger vom Gen: Vreden (welcher Vreden am 7ten nach einem Marsch von 4 Tagen in Wien anlangte, und ohne aus zu ruhen gleich mit seiner Division dem Feind nach geeilt) hat die unangenehme Nachricht hinterbracht daß der gute Vreden in den Schenckel verwundet ist und von seiner Division abschiedgenommen die Polen die elenden, die mit ihm waren sind davon gelaufen, und die Division Molitor soll sehr viel gelitten haben, sie sind von dem rechten Flügel der Oestreicher angegriffen worden welcher noch gar nicht im Feuer gewesen war, während Napoleon sieg reich die noch einzelnen Colonnen verfolgte, nun Er der Große wird Vreden schon rächen; es kann ja nicht alles auf einmal geschehen, Mareschall Bessiers verwundet und noch zwei andre Generale deren Nahmen ich vergessen, seit vorgestern früh haben wir keine Nachricht es ist auch unmöglich da unsere Armee im Siegreichen Verfolg ist. es ist wircklich alles über Erwarten ausgeschlagen; wie man in den Extra blattern ließt, so befindet sich der Kaiser ganz wohl, ich zweifle nicht daran. Adieu. Die Gundel soll keine Angst haben wegen unsern Familien angelegenheiten, aus den ganz frischen Nachrichten die sie wird erhalten haben, wird sie einsehen daß es mit den Einkünften unserer neuen Güter auserordentlich gut steht, daß der Verwalter wahrscheinlich nicht mehr lange wie bisher fort machen kann, sondern daß er von seinen Creditoren recht in die Enge getrieben ist, diese haben wircklich allem Ansehen nach überlistet, mit seinem Wucher, und werden | ihn nächster tag wenn er an seinem Geldkasten steht umgangen haben (wenns nicht schon geschehen ist) und sich bezahlt machen; dann haben wir nichts für unsre Dießjäh〈〈rig〉〉en Einkünfte zu besorgen. 764
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Die Bilder sind von Grimm n〈〈ach de〉〉r Natur, eins für Clemens das zweite hab ich verlegt, werde 〈〈es i〉〉hm aber morgen mit einem Brief schicken. 40
Monsieur le Baron de Savigny abzugeben im Graf Joners Hauße Landshuth
*609. An Clemens Brentano in Landshut München, 12. Juli 1809, Mittwoch B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 11. Juli 1809:
Die Bilder 〈…〉 für Clemens das zweite 〈…〉 werde 〈〈es i〉〉hm aber morgen mit einem Brief schicken (Nr. 608,37-39).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, vmtl. 14.–19. Juli 1809, Freitag–Mittwoch
Berlin d* 14 July 9 Liebe Bettine. Es ist heute Sonntag und ich wähle zum Text; Deine Rede sey Ja Ja und Nein, Nein, was drüber ist vom Uebel. Da sitze ich seit mehreren Tagen vor dreyen Deiner Briefe, die sich während einer Abwesenheit in der Uckermark und nachher kurz nach einander einfanden, und nehme den vierten den fünften, sechsten früheren zu Hülfe, es ist nicht möglich mit mehr Gewissenhaftigkeit, recht wie ein Holländischer Philologe, die Worte abzuwägen, aber es läst sich nicht vereinigen, das heist, ich kann es nicht vereinigen, zum Schlusse sage ich mir immer, daß du es doch gut und wahr mit mir meinst; daß du mich doch lieb hast wie ich Dich lieb habe und daß du es Dir sicher selbst weiß^gemacht hast, wo du mir etwa weiß machst, nur muß ich mir zuweilen ganz ernsthaft die vielbelachten Verse Winkelmanns wiederholen: Ist keine Wahrheit in dem dunkeln Leben, wird jeder Schmerz im Tode nur gesund? Meine liebe Zuhörerin, wohl ist nicht ein Tag wie der andre, aber das möchte ich doch beschwören, daß selbst ein Apriltag nicht in einer 765
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Vierthelstunde einen Helden beweinen und sich nicht zufrieden geben; die Welt für ein gutes Kind halten, mit dem Haupt in den Wolken wandeln kann und das soll alles die Kunst tun. Ey Fluch aller Kunst, wenn sie weiter nichts kann, als dem armen Menschen den würdigsten Gedanken, das herrlichste Bild, seinen letzten Schatz, die Trauer um vergangene Herrlichkeit entreissen um ihn in die Wolken hinein zu schaukeln, bis es sich im Kopfe dreht und im Magen dehnt – ich erinnere mich, daß ich als ein kleiner Bube eine arme Frölen so geängstet habe, die das Schaukeln nicht vertragen konnte. | Viel ärger ist es aber, wenn ich den zweyten und dritten Brief vergleiche, in dem einen willst du hieher oder nach Weimar dringen, ich denke gleich nach, wie das einzurichten wäre, den andern Tag lese ich; daß Du als Fledermaus im Zelte eines jungen Helden herumflatterst, der Gott um seinen Segen bittet für etwas, das er gar nicht kennt, der ohne Ueberzeugung handelt, was am ende so schlim ist wie gegen seine Ueberzeugung zu handeln, aber noch viel schlimmer ansteht, wenn so ein junger Held sich vorher an vielen Orten sehr bestimmt über seine Ueberzeugung und sogar vorlaut ausgelassen, seine Ueberzeugung oft unanständig aus^geschrieen und nachher, wo es freilich Muth forderte sie durch zu setzen, gegen seine Ueberzeugung handelte; man muß etwas Bedeutendes in einem grossen Leben gethan haben um das Recht zu erwerben, über Verhältnisse der Art zu urtheilen, ich ziehe auch keinen Schluß, nur für mich ist es entschieden, so ein junger Held ist mir gar nichts, ist mir durchaus nicht kindlich verwandt – es ist indessen möglich, daß ich mich in den Personen irre, da du niemand genannt hast; ich bin ein Feind von allem Kuriosen und so einem kuriosen jungen Helden zumal, der mit Gott und seinem Degen blind drein geht – jeder soll für sich erst thun, was recht ist, braucht Gott seinen Arm, so wird ihm auch die Ueberzeugung und Einsicht nicht fehlen, die auch von Gott kommen. Ich will nicht richten, aber ich ärgre mich alltäglich über die Menschen, die jeden schlechten ehrlosen | Mitmenschen für ein Werkzeug Gottes halten, weil sie ihn sonst nicht anzustellen wissen, sobald er einiges Glück hat, aber das hängt so mit der Kurzsichtigkeit zusammen, keiner möchte für die Welt etwas thun und sie doch bald fertig sehen, da wird prophezeiht, prädestinirt, geahndet; immerzu, es kommt alles in das scherzende Gemisch und zwar von der Nachahmung des Heiligen. Mit Deinem Briefe voll Reiseplänen hattest Du alle Geigen angestrichen, die am Himmel hängen, hätte ich gleich geantwortet, ich 766
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hätte Dir weitläuftig alle meine Verhältnisse entwickelt, soviel ich davon weiß, heist das, denn in dieser Zeit geschieht viel Unerwartetes und fällt man nicht selbst aus den Wolken, so fällt doch manches aus den Wolken wie in der Oper. Hier ein Auszug. Weite Reisen verstatten mir zwey Umstände nicht, meine eignen und die meines Landes, beyde könnten meine Gegenwart fordern, eine Reise nach Landshut wäre mir für jezt zu kostbar, zu entfernt, Weimar wäre wohl noch zu erreichen, auch Dresden, wenn es gleich jezt bei dem neuen Vordringen der Armeen sehr freudeleer seyn würde und wir eben so gut auf einem Dorfe uns sehen könnten. Was wollten wir nun, wenn wir beysammen wären? Die Sterne zählen und Abschied nehmen? Oder wollen wir versuchen, wie lange wir miteinander uns vertragen, wie viel oder wie wenig wir einander seyn können in Rast und Ruhe? Der Gedanke eines strengen Einsiedlerlebens den ich in Königsberg lieb gewann und hegte, hat seinen Reitz verloren, seit die, um derenwillen ich ihn fasste, sich so ganz plat und gemein, weder durch Zwang noch Ueberredung veranlasst, einem Menschen wegen seines Amtes und Einkommens hingegeben, der ihr ganz gleichgültig ist. Meinen Bart unterm Kinn habe ich abgeschoren seit der Zeit; ich glaube seit der Zeit, daß ich in ihr alles geliebt habe, was zu lieben ist nur sie selbst nicht. Ich machte seit der Zeit Pläne auf Anstellung, theils um mich mit allerley Lebensart zu versuchen, theils auch des Einkommens wegen, ich fand nichts, was mir anstand, ich lasse mir jezt eine Büchse machen und will mich einschiessen, nicht als wenn mich das Soldatenleben sehr anzöge oder ich viel Gutes darin zu leisten hoffte, im Gegentheil, es reist mich von allem los, was mir noch werth ist, aber wenn es etwa das harte Leben so will, nie ohne meine Ueberzeugung, aber warum sollte ich mir die Möglichkeit wegleugnen, daß es so kommen kann; ich bin jezt noch nicht arm, im Gegentheil ich lebe ruhig und unbekümmert fort, aber wenn Du die sonderbaren Geldverhältnisse unsres Landes kenntest, so würde es Dir nicht wunderlich vorkommen, daß mir bey noch grösseren Verwickelungen der Geschichte nichts bliebe. Die Schriftstellerey für Geld ist einmal mir verhasst und würde unter diesen Umständen auch aufhören, von andrer Gnade zu leben wäre mir Tod, dies ist meine Aussicht für jezt, meine Bücher und meine Beschäftigungen; die Hofnungen von der Zeit und was sie etwa zufällig mit mir will sollen mich nicht stören, bleibe ich gesund so | bleibt mir immer das noch zuletzt, womit so viele jezt anfangen müssen, die wahrhaftig so viel Rechte wie ich zu 767
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einem eigenen, freythätigen Leben haben und sich doch der gemeinen Menschenschlächterey ergeben müssen, die wir mit dem Namen Krieg beehren, ja es kann nicht fehlen, daß ich mir dann die ganze schreckliche Arbeit mit vielen schönen Zwecken übertünchen kann und mir noch Sinn für manchen Genuß bewahre, der das düstre Lau- 100 ern und athemlose Rennen ins Verderben erheitert ohne Dich da hineinzu^reissen, wie Du es einmal wünschest, daß ich Dich zu allem, was ich unternehme, dich mitziehen möchte sey froh daß Du ein Mädchen bist und sey es ganz. Du siehst wohl, was ich Dir hier darstelle und was ich nur Dir und zum unverbrüchligen Geheimniß an- 105 vertraue liegt weit hinaus, es ist nur eine Art ewiges Leben, wenn ich vor der Unsicherheit jeziger Zeiten erschrecke, wir können uns dazwischen vielmal sehen und Abschied nehmen mancherley hoffen, schreibe auch gar nichts davon, denn so ist es nun einmal (erbiethe mir auch nicht Almosen für jenen Nothfall, denn ich würde sie doch 110 nicht annehmen) daß ich Dir das alles schreibe ist blos, um Dich zu überzeugen, daß Du mir zu viel Ehre anthust, wenn Du in diesem Augenblicke grosse Unternehmungen von mir erwartest und mich auch nicht kaltsinnig glaubst, wenn ich Deinen Wunsch nach Landshut zu kommen nicht erfülle, ich lebe unter meinen Büchern und besorge 115 meine Geschäfte auf dem Lande. So war ich einige Tage in der Ukermark und muste von Morgens 6 bis Nachts um 12 mit den Pächtern rechnen, streiten | mein Bruder gab mir doch nachher das Zeugniß, daß ich mehr herausgebracht, als er erwartet; ein Gut ist uns so total verhagelt, daß kein Halm stehen geblieben und keine Scheibe ganz, 120 ein Paar Scheunen eingefallen, kurz ich hatte mancherley Arbeit. Unerwartet fand ich ein natürliches Kind meines Vaters in Pension bey einer Diebes familie, das rührte mich wirklich, ich brachte es zu guten Leuten, aber die Diebe hatten dem Kinde schon soviel Zärtlichkeit eingeflöst, das die Trennung viel Thränen kostete. Eine alte Bi- 125 bliothek, die ich bey einem Vetter fand, den ich zum erstenmal besuchte, die Nachlassenschaft eines alten Mannes, der wohl vierzig Jahre zur Adelshistorie gesammelt hatte, beschäftigte mich sehr angenehm, ich fand viel Merkwürdiges unter andern ein Manuscript von sechzig Folianten zur Adelshistorie, er hatte in einem wüsten 130 Schlosse, wo die Tapeten in Lumpen hingen, entzweyt mit seinen Kindern, sein ganzes Leben hineingearbeitet. Ich erhielt manche Beweise von Anhänglichkeit in jenen Gegenden, die mich sehr überraschten, weil ich sie durch nichts verdient hatte, die Mädchen brach768
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ten mir Erdbeeren, die Gegend ist ganz reizend, sehr bunt, hüglig, von Büschen und Seen unterbrochen wie ein Kindergarten, aber viel Noth allenthalben wie in der Kindheit. Vielen Dank für die beyden Blätter von Grimm, sie sind sehr brav, er hat sehr zugenommen in Freyheit und Zierlichkeit der Nadel, nächstens schicke ich die Preismedaille für ihn, er sollte einmal den Schelling radieren, meines Wissens existirt kein ordentlicher Kupferstich von ihm und es ist ein Gesicht, das sich gut auffassen läst, sein Bruder in Halle bessert sich, wie es scheint, Reil nimmt wunderbare Curen mit ihm vor, legt ihm Magnete und nasse Schwämme aufs Herz. Auch für die Nachrichten von der Tante sage ich Dank, sie ist mir immer noch sehr werth, ungeachtet sie mir ein neuer Beweis geworden ist, wie leicht alles bey gewissen gebildeten Weibern zum Wortkram wird, womit sie Schwäche und Leichtsinn sich selbst verstecken, statt daß sie ihres Mannes Einsamkeit durch ihre Gegenwart beleben sollte und ihr Haus anordnen, schreibt sie ihm schöne Briefe, von denen manche in Memoiren der Zeit ihre Stelle finden sollten, ihre kranke Mutter ist der Grund ihrer Entfernung, der wahre aber, weil sie sich auf dem Lande langeweilt indem sie von ihrem Haushalte nichts versteht und auch keine andre Liebhaberey an Gartenbau; oder etwas der Art, nächst dem an den Leuten der Gegend kein andres Interesse gewinnen kann, als sich darüber lustig zu machen, weil sie nicht sind wie ihre Bekannte | in Regensburg. Ohne den jetzigen Krieg würde der Selbstbetrug der Art noch unglaublich um sich gegriffen habe und indem er mir so viel Wirkliches raubt, muß ich doch heimlich anerkennen, daß solch ein Stoß nothwendig war, damit sich nicht alle Strömungen der Gemüther wie der Rhein im Sande verloren. Doch behalt diese harte Beurtheilung im verschwiegnen Herzen, ich vergesse darum doch nicht, daß mir diese Tante in der Kindheit als ein Ideal weiblicher Vollendung erschien, ich würde es ihr selbst gesagt haben, wenn ich es in ihrer Natur für verbesserlich gehalten, sie ist aber allzusehr der Gewohnheit unterthan. Eine Merkwürdigkeit war es mir, die ich aber nachher an der Mereau wiederfand, daß ungeachtet sie gar nicht gefallsüchtig ist, sie sich doch ohne Wissen und gegen den Willen ihres Mannes, der es durchaus hasste, zuweilen schminkte. Daß die kleine Adele kränkelt, verwundert mich nicht, denn bey der steten Besorglichkeit von Mutter und Großmutter wird sie sicher so vor allem grossen Anstoß der Natur gehütet, daß sie die kleinen nicht gleichgültig ertragen lernt. Die besten Menschen 769
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haben immer die ärgsten Fehler – sieh so wollte ich als ein sehr guter Mensch Dir heute sehr viel Zärtliches auf das Liebevolle Deiner 175 Briefe schreiben, aber die Luft hat mir alle Worte umgekehrt und ich bemerke, daß ich fast ernsthaft geschrieben, es ist wirklich ein Geheimnis wie Du schreibst zwischen uns, das uns planetarisch voneinander hält, ich fühlte das zu weilen an Deinem Munde, mich hielt etwas, als thäte ich ein Unrecht und eine Wehmuth durchschauerte 180 mich; wohl haben mich hier einige Mädchen gereitzt, ich habe mit ihnen ein Paar Abende rasend getanzt, weiter reichte es doch nicht, ich blieb Dir doch allein vertraulich gut. Mit dem Politischen steht alles gut. Ein Paar Zärtlichkeiten stehen im Umschlage aus einem Singspiele von mir. 185 Wie so schwer vom Herzensgrunde Reissen sich die Worte los, Hängen dann noch fest am Munde Küssen mich fast athemlos, Und die Augen gehn mir über 190 Von der hohen Töne Fieber. Ausgestoßen von dem Munde Flüchten sie in fremde Welt, Ist es auch die rechte Stunde, Wo ein jeder Ton gefällt? 195 Vor der lang geschloßnen Pforte Schweigen scheu der Liebe Worte! Klimm mit mir zu jenen Höhen, Und ich sag von Liebe Dir! Ach wie ist mir nun versch〈〈xxx〉〉 200 Nun das Meer tief unter mir, Hör die Steinlein drinnen schallen, Die von meinen Tritten fallen. O so fallen leicht vom Herzen Meine Wort ins Freudenmeer, 205 Und es scheinen meine Schmerzen, Wie die Worte mir so leer. Halt mich fest und lieb mich wieder Sieh ich stürze sonst hernieder.
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Abzugeben bey Hr Hofrath Professor Savigny.
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〈Savigny:〉 bey Kaufmann Moy in der Rosengasse
München
〈1r aoR:〉 Ich habe an Zimmer geschrieben, daß er das Paket mit den drei Wintergärten endlich zu euch fördert
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Von Franz Brentano nach München Frankfurt, 14. Juli 1809, Freitag
Frankf*, 14 July 1809
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Liebe Bettine! Am 28 Juny sandte ich dir nach Landshuth, deine vorausl* Rech* doppelt damit du solche nachsiehest, beide nach Innhalt meines dabei ligenden Briefs unterschreibest, und dann als bald mit dem Postwagen wohlverwahrt rücksendest. ich hoffe sie nun bald zu erhalten, um auf dem Amt ins reine damit zu kommen. Ich erhielte deine beiden Briefe aus münchen, ohne Datum, zu sehr mit Arbeit überhauft kann ich dir erst jezo darauf antworten. Deine Beweise von zärtlicher Anhänglichkeit u Liebe rühren mich, ich erkenne darin ganz dein guthes Herz, u sey dagegen versichert daß wenn ich gleich öffters mit dir schmolle, dennoch mein Herz auch für dich schlägt, u es für mich ein heißes Bedürfniß ist von meinen Geschwistern geliebt zu sein, du hast aber meinen Brief übel verstanden wenn du glaubtest ich seye im Begriffe mit allen meinen ganz von hier weg u nach wien zu ziehen, in frühern Zeiten wollte ich es einmahl thun, da 771
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die Liebe eines vortrefflichen Schwiegervatters u mein Interesse mich dahin riefen, die schwehre Last unserer Familien Angelegenheiten hielt mich aber hier fest, u so verrauchte der Plan, u nun war nur meine Absicht den äuserst gefährlich Krank gewesenen Vatter der Tony heimzusuchen, allein da er nun wieder beßer ist so bleibt die Reise bei so gefährlichen Zeiten ausgesezt, der Himmel gebe daß er uns erhalten werde, indeßen ist das Elend in Wien ein schwehrer Druck für ihn. sey also auser sorgen uns, unser Sitz u standpunkt bleibt hier, so lang es Gott u die Zeiten erlauben, u unser hiesiger Cirkel u land soll noch in angenehmer vereinigung fortwähren Ich verzeihe dir gern alle den verdruß den du mir gemacht hast mit deinen grosen Ausgaben, da ich sehe wie sehr du es fühlst, wie sehr du mir es vermeiden willst, u daß du es selbst einsiehest. Nehme als festen Grundsaz an, du habest nicht mehr vor eigen, als du jährliche revenuen hast u gehe nicht darüber hinaus, dann machst du mir keinen verdruß, u dir selbst keinen wenn derreinst das Capital so geschmolzen ist daß es kaum zur höchsten nothdurft mehr Zinnsen abwirft. Denn siehe F 1250. – habe ich für ausgaben bis may an Savigni für dich vergüthet, es ist lauter dir gegebenes baares geld, und f 366. sind dabei für ein Clavier. 58. habe ich hier an Hofmann im January für Clavier Stunde zahlt 59. für schatzzeug 160. für Kriegs Steuer, nun sendest du mir durch Meline eine Rechn. von 3. an Scheidel, und eine Rechn. von Moy von 594: 8. für eine menge Galanterie Waar. u dabei ist f 40. für lauter theure weine
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also in allem f 2124. – zusammen sind schon in diesem Jahr ausgeben, u es ist erst zur hälfte herum,? in diesem Jahr sind deine Einkünfte hier, in allem höchstens f 1600. – .! also hast, du, da das Jahr kaum halb herum ist schon f 524. zu viel ausgeben, bedenke wo soll das hinaus, wie viele angesehene und ganze Familien, leben nicht das ganze Jahr hindurch anständig mit f 1600? Von Bukowann ist noch nichts eingegangen obschon ein Jahr herum ist, bedenke also wenn dein ganz vermögen auch darin stekkete, wo 772
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hätte man deine bereits ausgegebene f 2124 – hergenommen? Denke u rechne doch ein wenig, mache dir deinen festen ausgabenSatz u weiche nicht davon ab, halte fest daran, sehe einige ordnung hiebei nicht als verächtliche nebenSache an, es ist bey jedem vernünftigen menschen in der welt hauptsache, u bedenke daß wenn du einmahl majorenn bist, wie schnell du, bei so un^über^legten aus^gaben mit deinen vermögen zu Ende sein würdest! ich werde auch alt sorgen u Arbeit stumpfen mich ab, u kann nicht immer dem vermögens Stand meiner geschwister vorstehen, so gern ich auch wollte, neue sorgen u arbeiten häufen sich täglich mehr an u ich kann mich nicht tod sorgen und arbeiten. Ich spreche dir aus dem Herzen und aus Lauter Liebe, also höre mich geduldig an nun aber auch genug hiervon. Deine vorsäzze zu | vernünftigen Einschränkungen, daß du kein Mädgen mehr halten willst, daß du diese theure Meister abgeschafft hast, pp sind mir genug, u auch daß du sorgen willst, daß in diesen übrigen halben Jahr die ausgaben klein u rangirt sein sollen, halte recht fest daran, u weiche nicht davon ab, in des H* Moy rech*. sind f 300. für lauter unbedeutende Kleinigkeiten blos von Jan* bis aprill, also für blose 4 Monathe angesezt? mir schaudert wenn ich die Rech*. ansehe. – Nun noch eins, Meline sagt ich solle für Rech* des H*: Moy eine mit gesandte Anweisung an Savigni von f 267:32. und auch deine Rech* bei Moy von 594 Xr. 8 an Gebrüder Bernard zahlen. Gebrüder Bernard wohnen in offenbach u Gebrüder Berna wohnen hier, frage also H Moy welche von beiden er meint? auch sende ich dir hierbei die anweisung an Savigni zurück, gieb solche H Moy, u sage ihm er solle sie an seine Freunde hier H Geb Bernard oder Berna endossirt senden, u solle ihnen auch eine anweisung auf mich für deine ausgaben Rech* von f 594 X: 8 senden, u dann wollte ich’s gleich bezahlen, er soll’s aber gleich thun, damit die Sache gleich in’s reine kommt. Der Himmel gebe dir Liebe Bettine gemüths und Seelenruhe, zum ruhigen ordentlich häußlichern Leben, was kommt beim schwärmen unter Fremden heraus, die Seele u das Herz bleiben lehr und | unbefriedigt, u die wahre Lebensruhe, die doch im würcksamen Leben unentbehrlich ist, bleibt aus daß beweißt dein immer währendes unruhiges streben du bist aus dem gleis gerissen, u entbehrst das beste, für andere bist du doch nicht welt, du bist doch auch für dich da, u dein ich kann im herum treiben nicht glücklich werden! Marie erwarthet noch ihre Nieder kunft, Meline ist auf einige Tage in Soden, Tony ist mit den Kinder seit einige Tagen im Rheingau ich 773
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bin allein hier, mein kleiner George ist bei H Hadermann wohl u guth, er zählt ihn unter seine besten, sein herrschender Carackter ist höchste Herzensgüthe, gröste Lebhafftigkeit, guther Verstand, höchst wizzig u Comisch – u hat sehr leichte Fassungs Krafft. Max, Fine u Franciska sind lieb u wohl, Fine aber ist an Krafft u schönheit hier ein kleines wunder. Hier hast du die ganze Schilderung von allen. ich harre u sehne mich nach mehr ruhe, um des Lebens ohne pretencion in ruhe mehr zu geniesen, da ich allmählig die gehabte lasten u sorgen spühre, aber leider hat’s noch kein Anschein dazu im gegentheil wirds noch lange zu schleppen geben, ich denke wie Gott will u trage in geduld. Lebewohl seye meines Briefes recht eingedenk, mehr verlange ich nicht von dir, als helfe mir meine Sorgen erleichtern, und habe mich einwenig lieb ich küsse dich von Ganzem Herzen, dein treuer Bruder Fran〈〈z〉〉 3v
a Mademoiselle Mademoiselle Bettine Brentano Chez Monsieur Charles Moy Negt. Munic
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Mit Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 15. Juli 1809, Sonnabend
Ich höre von Clemens, der gestern hier ankam, daß Ihr Euch auf dem Schlössel so ziemlich wohl befindet, jedoch über mancherlei falsche Nachrichten sehr niedergeschlagen seid, O! Ihr Ungläubigen Thomasse, die Ihr der guten Sache nicht Traut da man Euch doch mit der Nase drauf stößt; das Lüge sehr Gut in Wahrheit gekleidet werden kann, Ihr allzu gläubigen Strohpeter, 〈Clemens Brentano:〉 damit mein ich den Tiedemann! Das System Röschlaubs, mit Weihnachtskuchen und wenn diese nicht anschlagen, mit Osterfladen zu kuriren, scheint nie so sehr im herrlichsten Licht, als jezt bei der großen Hungersnoth, was Zimmers Dogmatick angeht, ist alles, was ich davon weiß, vortrefflich, besonders im Glauben in diesen Lügenhaften Zei774
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ten drauf gebaut, sehr tröstlich, Asts Philosophie scheint mir zu ängstlich, er soll diese seine Wissenschaft und Wünsche, in den Stand seiner Frau sezzen, dann wird gute Hoffnung nicht fehlen. Bei unserm lezten Schmauß ist es uns närrisch gegangen, Christian hatte uns einen Fasanen Verfluchten, Sakermensky geschickt, und in dem ich über die Suppenschüßel, meine Bewaffnete Hand hinüber streckte, um den hinter Sauerkraut verschanzten Faßan zu erwischen, zerrte ich so ungeschickt am lincken Flügel, daß mir der rechte eine fette Ohrfeige gab, in dem dabei eine ganze Portion prächticher Knödeln, welche unsre Magd über meiner Schulter präsentirte zu Falle gebracht wurde, Wobei die Magd selbst einen Ziemlichen Stoß in die Hüfte bekam. Es gieng überhaubt die Fresserei so toll und unklar zu, daß Papa und Mama darüber nicht ins Klare kommen, dürfen, denn es ist viele Leinwand beschmiert worden und ich schneide sie lieber in Fezzen und zupfe Charpie draus, als daß ich Sie ihr sehn laße; die lezten 5 Krugbier welche gestern hier arriviert, waren alle sauer, und Papa hat deswegen auch Saure Gesichter gemacht, und um nicht einzugestehn daß sie Essig enthielten, hat kein Mensch waß davon erfahren, es ist darauf ein Bulle voll Hopfenbier, hier gebrautes getrunken worden, das aber stark auf Blähungen (Betine sagt Winde) treibt. | 〈B:〉 ja ich glaube ihr meint alles was ich schreibe wären Blähungen, indem Ihr meine miserablen Umstände gar nicht verbessert meine Schuldner fressen mich bald auf, Winter macht mir ein sauer Gesicht; weil ich ihn nicht bezahle, die Köchin hat mir schon 1 fl: 30 geborgt, dem Charle bin ich 2 fl: für Porto schuldig, nun kömmt auch der Pestel ihr nahmens Tag; schicke mir 100 fl: Clemens hat Euch die sonder bare Scene unsers Mittagessens beschrieben, seht, so gehts uns, soll auch ein Fassan verzehrt werden, macht Papa auch noch so ein großes Geschrei davon Prepariert ihn die Köchin auch noch so gut, nach ihrer nasenweisen voreiligkeit, so können wir am Ende doch nur ein Stücklein aus dem linken Flügel geniesen, weil er nah am Feuer war, der rechte ist so hart, so unverdaulich daß wir uns die Zähne ausbeisen, und durchaus den Apetit verlieren. allein was die Kazen nicht wollen müssen die Hunde fressen, indessen um die Unverdaulichkeit ein wenig zu vermeiden, haben wir ein gutes Glaß deutschen Rhein wein auf die Gesundheit unserer Freunde geleert welches ihnen gewiß auch gut bekommen wird Bettine
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An Herrn von Savigny bei Professor Tiedemann Landshuth
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*613. An Antonia Brentano in Winkel (Rheingau) München, zwischen Mitte Juli und Ende August 1809 Antonia Brentano an B, 20. September 1809: Ich habe deinen Brief der mich in Winkel treffen sollte in Wien erhalten, ich sehe daraus das du lebst, aber nicht wo du lebst, auch nicht welchen Tag du an mich dachtest 〈…〉 die Folgen des Kriegs welche du wie ein Mann schilderst (Nr. 652,1-3+19-20).
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 17. Juli 1809, Montag
17ten July Ich sollte einen andern Tag haben, ich sollte nicht so unruhig seyn, um Dir zu Dancken für alles Freundliche was mir in deinem lieben Buche und Briefe gesagt ist Erinnerst Du dich noch, es war am 18ten Aprill da Du die Bücher geschickt; und am 15ten July hab ichs erst erhalten; doch hab ichs bei nah schon durch gelesen. Arnim da es von Dir kam so laß ichs Durch, aber allein weils so schön ist; an manchen Stellen so übertrefflich, hab ichs mit dieser Schnelle durchgelesen wenn Die Erzählung des Abends vorüber war, da ward mirs durch die zwischen ackte so wohl, als wenn du in Frft: nachdem ich schon auf dich gepaßt hatte, endlich und endlich in die Stube tratest, oder wenn Du irgend etwas bei Savigny vorgelesen, und ich auf das End gewartet hatte, blos damit deine Augen vom Blatt abschweifen mögte auf mich oder damit dein Mund Worte spräche die an mich gerichtet waren; Ach Arnim wie ist der Mensch doch aus Launen zu^sammen gesezt, aus entsezlichen Launen, die, wann er sie erst entdeckt, und nicht versteht, wie hole Gespenster ihn ansehen höchst unbedeutend, und darum so ängstigend. Nur manchmal entbehre ich dich, daß ist, wenn so ein Windstoß kömmt und die Seele wie ein Flockensaamen über Felder und Wiesen 776
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im Wirbel fort^treibt, dann wärst du mir ein lieber angenehmer Baum von dem ich mögte aufgefangen werden, wenn ich aber, so etwas gutes vortreffliches in Händen habe, wie sehr vieles in diesem Wintergarten, so wärs mir Sünde, und doch ist es wieder anders und gar nicht wahr, denn ich mögte in diesem | Augenblick mit dir seyn für alles Liebe; wenn ich nun nach Berlin käme? wenn ich die Thür auf^machte und säh dich sizen am Tisch, unter Stiefel Bücher und Rasierzeug, wenn ich über alles hinaus spränge, um dich in die Arme zu kriegen, ach warum nicht? sag! warum nicht? wer danckts einem denn wenn das Leben vor^bei; Clemens will nun zu Dir; ich könnte ja mit, nicht wahr, er stellt mirs auch noch obendrein so leicht vor, und könnte Dich doch so vergnügt machen hm? – ich wär dann bei dem Oncle Carl Du kämst Abends; aber Savigny würde glaub ich darüber gar keine Raison annehmen wollen, Gundel würde jamern daß ich mit dem Clemens allein so weit reißte, und mir selbst wär angst, weist Du was, geh dem Clemens halbwegs entgegen, und anstadt ihn mit dir zu nehmen, kehre mit ihm um, komm nach Landeshut bei Uns zu wohnen, auf dem herrlichen Berg im kleinen Herzogsschlössel, was kann Dich abhalten? du bist da gut, auf eine Zeit, und must Du zurück nach Berlin so geh ich wohl mit, lerne dort Musick was ich in Landshut nicht kann, und worauf ich nun einmal lebe und sterbe, ein 8 Wochen langer Karthar hält mich zwar gefangen, aber in dessen lerne ich Componieren, es geht zwar schwehr, ich hab einen harten Kopf, und vergesse alle Augenblicke, macht mir die Anstrengung dennoch Freude. Du lieber Arnim es ist in deinem 3 Monate alten Brief manche Frage verostet, die ich früher hätte beantworten mögen, Du erinnerst dich wohl noch dessen: z: B: über den Krohnprinzen; es kommt dir vor als sey ich verliebt; nun wenn Du bei mir wärst | es käm auf Laune an, ob Du würdest zuhören, ob ich würde erzehlen; der Krohnprinz! der arme Krohnprinz! Du sollst ihn eben so lieb haben als ich, und er soll Dir keine Sorgen machen der sie gerne einem jeden abnähme, ich hab ein Miniaturbild von ihm das hier ein armer Mahler nach einem andern Bild copierte, und dann hab ich ein Glaß woraus er Tranck eh er in den schrecklichen Krieg ging worin er lässig die Hände sincken läßt, willst Du das Glas oder das Bild es ist mir eins so lieb wie das andre; ich denke das Bild, da kannst Du sein Gesicht kennen lernen, doch Du sollst wählen. verzeihe mir den Vergleich der jezt kömmt er scheint hochmüthig, aber zum Theil sehr wahr. jezt kömmt die einsamlich Prinzessin mit ihrer Jungfrauen schaar, auf grüner Wiese einen Spaziergang zu machen, sie ist froh aus dem bösen Pal777
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last wo der König harte Geseze austheilt zu kommen, und weil sie sich dreht und wendet, und weil ein jedes Lüftgen das mit ihrem Gewand spielt, ihr ein angenehmer Zeitvertreib ist gegen die Langeweile, so findet sie von den Wellen getrieben in dem Binsenkorb verschlossen auf gut Glück hinseglend den kleinen Moses, was war besser als daß sie durch Zufall geleitet ihn seiner eignen Mutter zur Pflege übergab, nicht erwartend was nachher noch aus ihm geworden dieser da ist auch fest verschlossen im Binsen korb, alle Leute sehen ihn so hart an, sie halten ihn für – Dumm er ist auch von den Wellen hin und her getrieben, und ist ihm kein Seegel und kein Ruder gelassen um in einen sichern Port zu gelangen, ja und viele um ihn her die sein Glück besorgen sollten, sind wie wiedrige Winde, die mit Gewalt den Sturm erheben, und ihn auf die hohe See treiben, Vater und | Mutter sind durch Verhältniße durch Carackter verschiedenheit von ihm getrennt, seine zwei Schwestern die er unendlich lieb hat, sind durch algemeines Schicksal, in dem zartesten Zirkel von schwesterlicher Liebe, von einander gesprengt worden, sie musten heurathen. Nun sehnt er sich nach allem; Rumohr war einmal bei ihm, um seine Bilder zu sehen, er blieb expreß zu hause um ihn zu sprechen, er behandelte ihn wie einen Cameraden erzehlte ihm schnell er sey ein Barbare gewesen da er in Rom die Bilder gekauft, er sey betrogen worden, aber alles sei ihm doch lieb, er hat sich in der großen lärmenden Residenz einen kleinen einsamen Hof mit Bäumen zu seiner Wohnung gewählt. Rumohr hat ein lebhaftes Interesse an ihm genommen, es ist auch nicht anders möglich wenn man ihn kennen lernt, er ist Taub, nur wenn ihn etwas sehr interessirt merckt er genau auf und versteht alles. Aber Du meinst ich wäre in ihn verliebt, lieber Arnim so wenig als die Tochter Pharaonis, in Moses; ich hab dich lieb und den Goethe, dieser aber wenn ich ihn sah, erweckte in mir eine fromme unschuldige Seite zum Gespräch, ja auch mögte ich ihm zuweilen gern im Enthussiasmus vorsprechen denn – er genoß meine Rede wie eine Frucht des Südlandes, die er in seinen Garten auch wohl gepflanzt hatte, aber wegen Mangel an Wärme nicht reifte; – er hat eine Geliebte welcher er sehr treu ist. so lang er hier war, hab ich ihn 5 bis 6 mal gesehen, er kam immer mit mir sprechen und that bekannt als wenn wir gute Freunde wären, hätte nicht so mancher elende über ihn raisoniert, hätten nicht die die sich freuen sollten eine solge Hoffnung im Lande zu haben, ihn auf jeder Seite unterdrückt, kurz hatte man ihn nicht algemein verachtet, ihn verhaßt zu machen gesucht, so wärs mir nicht so | nahe gegangen; al778
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lein ich war die einzige die bei dem ersten Gespräch gleich einsah daß man ihm Unrecht thue, wie konnte ich also schweigen wenn man von ihm sprach ich könnte mich wohl rühmen manchen in liebe ihm zugewandt zu haben. jezt einmal auf dein Buch, siehst Du, die angenehmsten Romanzen von der Signora Medusa una altra Donna, forse, vuol alzar le mani, un giorno, per laureare la tua testa, ed in vece della spada, ti stringera al suo Cuore; nein das muß sie mir über lassen, denn das Buch ist mein worin die Lieder stehen, und ich muß dafür belehnen; wenn ich könnte, die liebe liebe Romanze; »Als Columbus saß am Steuer« die ist durch^aus so schön und ich mögte Dich hierin keinem andern vergleichen, und steht mir alles so wohl an, ist das ganze Ebentheuer so zart, wie’s nur mit dem Seemann im feinsten Hauch der Farben, sich die spielende Liebe in die Erinnerung mahlt. mögt ich doch so einen herrlichen Gesang haben, mögte doch auch ein so schöner Mann mir Blumen schicken, wollte ihn eben so einzig anschauen von der Bühne herab aber nicht so Dunckel sollt es enden mit mir und ihm Arnim ich muß dirs nochmals sagen; Du bist gar herrlich in manchem, laß Dirs aus meinem Munde wohl gefallen; laß die Zügel nicht sincken die Du einmal so fest gepackt, ich seh dich in Gedancken so weit oben schweben mit vergoldeten Schwingen, wie der Adler unter der Sonne und das Zaunköniglein Bettine, das sezt sich warm unter deinen Flügel und läst sich mit in die Höhe Tragen. über die Zueignung muß ich dir mit Mignon zu rufen »heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen« denn die heimliche | Luft des Rheins die darinne weht, die treibt die Wehmuth aus meinen Augen, und erstickt mir die Stimme, und ich sehe das Schloß bei Rüdesheim, wo du mir hast gepredigt, weil ich den Abend vorher dir nicht gefolgt hab, und dann hast du mirs verziehen, wir sind zufrieden mit einander, wieder von dort herab gestiegen, und auf dem Rochusberge waren wir, da war ich auf ein^mal sehr mild und freundlich gegen dich gesinnt, die Ängstlichkeit, das unbestimmte Wollen war mir vergangen, damals hast Du einen Cristuskopf mit Blumen besteckt, nachmals hab ichs dir zu Ehren auch gethan, wie wir die Reise von Köllen zurück machten, auf dem Godesberg da ich im ausgebrochnen Fenster stand, um den Dohm noch einmal zu erkennen, da sasest Du zu meinen Füßen, damals war ich sehr getrent von allen, auch von Dir, doch hast Du mir unbewust deiner, einen hohen Beweiß gegeben; der mich innig rührt, wenn ich auch noch an unser zusammenleben dort dencke, so sehe ich dich meistens noch auf demselben Fleck sizen. – und ich sollte Dich nicht mehr lieben wie 779
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alles andre? – wer war bekümmert um mich so wie Du, wer hat mich gewürdigt mir seinen Schmerz mitzutheilen, wer hat mich auch getröstet? wessen Herz ist wohnlicher als deines, das so jedes Zeichen aufbewahrt, indem sich der verlohrne wiederfinden kann. – alles wendet sich und 140 dreht sich so lange bis es loß geht in ein anders Leben und der da einzeln ist und spinnt so fort für sich alle Fäden durcheinander, was will er? besser ist es anders, besser ist es diese feine Gewebe einem Freunde weihen, der die innere Natur davon erkennt, wie ich von dem zarten Duft des Wintergartens begeistert. alles erkenne | dein Herz deinen Sinn, jeden 145 einzelnen Moment, wo Du auf unwegsamen Pfaden, oft allein gegangen bist, Der arme Loewe von dem Du die Lieder im Einsiedler hast, den ich in Landshuth näher kennen lernte, eine unendlich gute Seele, ein Mensch dessen irdische Speculationen, sich alle von selbst auflösten, als 150 hätten sie voraus deuten mögen daß er bald von der Welt gehen würde, ist an dem Spitalfieber gestorben. Nachdem ihm höchst ungerechter Weise nach dem Examen hier, von den Medizinalräthen eine Stelle war abgeschlagen worden, haben ihm die Landshuter Proffessoren ein Spital von mehr denn Hundert Kranken übertragen, er arbeitete von Mor- 155 gens 6 bis Abends 8, aß schlecht und wenig aus Armuth; war sehr zur Melancholie geneigt Abends war er immer bei Savigny, wenn Leute da waren, so sprach er kein Wort; er fantasierte sehr schön auf dem Clavier wenn man ihm zuhörte freute es ihn, er sang auch viele von meinen Melodien; ein Abend den er in unserer Gesellschaft im Freyen zu 160 brachte, war ihm ein Himmelreich er hatte Dich unendlich lieb, ich muste ihm deine ganze Gestaldt beschreiben, er dachte sich nichts ehrenvollers als mit dir gut Freund zu seyn, er war fromm treu unschuldig, und zugleich fest, obschon in einem beengten befangnen Zustandt. Nun er ist mit guter Gesellschaft in die andre Welt gegangen in einer 165 Zeit, wo reiner Enthussiasm in göttlicher Verklärung gegen Himmel fährt – jezt weiß ich warum es gut ist, daß Schill so plözlich hinter die Bühne gezogen worden, Deutsland hätte ihn mit samt seinem Freien Dienst den er leisten wollte verrathen und verkauft, so wie die Oestreicher jezt Tyrol, so | wie man in dem neu geschlossnen Waffenstillstand 170 sieht der seit dem 13 July geschlossen ist. ich kann immer noch nicht glauben daß sie bis auf diesen Grad elend sind. Adieu Arnim, ich glaub ich könte Die Auszehrung bekommen wenn ich mich noch so fort viel drum bekümmerte, und das sind sie am Ende nicht werth. 175 780
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Grimm lernt fleisig, macht gute Fortschritte, ist einer der besten hier; er grüßt dich herzlich, dankt Dir für das angezeigte Present im voraus, du wirst wohl wissen das Wilhelm Grimm in Halle ist, wegen seiner Gesundheit, und sich seitdem auch viel besser befindet, Clemens wird sich in Halle aufhalten ehe er nach Berlin kömmt, da wirst Du ihm vielleicht entgegen kommen, bestimmt weiß er nicht, wenn er abgeht, allein er Denckt, recht bald, ach wie gerne ging ich mit, und doch wage ich es nicht, Du weißt wie wenig Stüze er einem in Fremden Landen ist. – mir ist das hiesige Clima auch nicht gesund, ich werde Mager, es ist immer wie in einem unfreundlichen Herbst hier, ich muß um 7 Uhr abends schon zu Hauße seyn wenn ich keinen Husten refmatism pp. haben will. – Ich hab mir vorgenommen den Ramler in italienisch zu übersezen, damit ich die liebenswürdige Dummheit dir gleich mache; wanns fertig ist schicke ichs Dir wiederum zum Gegenpresent, die Bettine will aber bald bald wieder bei Dir seyn, sonst wird sie alle Stricke zerreißen und alle Hinderniße überklettern und wird Doch zu dir kommen denn wahrlich die Sonne geht unter, und wartet nicht, der Mond geht auf, vollendet seinen Weg, und sieht sich nicht nach uns um, warum zögern wir also Deine treue Bettine
*615. An Franz Brentano in Frankfurt München, letztes Drittel Juli 1809 Franz Brentano an B, 5. August 1809: Ich erhielte deine beiden Briefe ohne Datum. 〈…〉 Durch sendung der vormunds Rechnungen wollte ich dich nicht kränken. 〈…〉 Du willst wissen was du ungefehr jährlich auszugeben hast (Nr. 622,3+19).
*616. An Franz Brentano in Frankfurt München, letztes Drittel Juli 1809 Vgl. Nr. *615.
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Ich habe Euch jezt lange nicht geschrieben, allein Ihr müst bedencken daß ich der Sachen so müde geworden, daß es mir kaum möglich ward anzuhören, was guts neues man mir noch sagen wollte. wie es scheint so ist das Opfer Abels so wenig als Kains unserm Herrgott angenehm, und der Flammenrauch der durch die Sündfluth gereinigten Nationen wird erst die Wolken vor unserm Himmel wegtreiben. Die Anna hab ich seit 14 Tagen und länger nicht gesehen, es hätte mich zu sehr geaergert mich mit ihr über manches zu besprechen; Clemens seine Reiße nach Sachsen könnte indessen leicht zu Wasser werden, wir haben Briefe von Weimar, das man dort Stündlich die Oestreicher erwartet, auch daß reisende nicht durch können, noch am 18ten haben sie mit dem König von Westphalen eine Affaire gehabt, der Waffenstillstand soll von seiten der Oestreicher nur eine schlechte Betrügerei seyn, um die Engländer zu erwarten welche jezt mit 35000 Mann in Hamburg sind, worunter der seyn soll, den wir durch Arnims Briefe genauer kennen; sie werden doch nichts ausrichten, wir dürfen ruhig schlafen, der große Kaiser wird gewiß kein Unglück über Baiern kommen lassen; die Herzöge von Oestreich haben doch alle sehr starcken Sonambulism, sind tief in sich gekert verstehen die Welt nicht. Adieu lebt recht wohl, bald komm ich Bettine
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 29. Juli 1809, Sonnabend
Ich kann nicht ertragen, nicht erleiden nicht erdulten, so ganz keine Nachricht von Euch zu erhalten; mein Leben wird Täglich mehr oben Spiz und Unten breit, in der Mitt voll Bitterkeit; was machen die Kinder, hällt Savigny den Pouletter zum Lernen an? meinem wohlmeinenden Rath nach muß er jezt schon Tüchtig exerziert werden. last ihn 782
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Rechnen lernen, ich bin überzeugt daß es ihm gesund ist, er muß nothwendig gelehrt werden, um nicht liederlich zu werden; dem Buben gebt oft einen Plätsch auf den Hintern, dann wird er auch gedeihen; küßt ihn nicht zu viel, geht ernsthaft mit ihm um, und höflich, denn er ist ein Edelmann und eures gleichen; von Krieg und Frieden hören wir nichts ausser daß Heute Tyrol von allen Seiten mit ganzer Macht angegriffen wird; man sagt zwar das 16 tausend Mann Oestreicher verstärkung hinein sich geschlagen haben, mit ungeheurer Gefahr und Mühe, allein dieß sind Lügen, Ihr wißt ja, was man glauben soll; und hoffentlich wird man sich zu behaupten wissen; was macht Clemens? ist er schon bereit zum Abreißen? – was Arnim macht mögt ich wissen, ich gäbe unendlich viel darum, bei ihm zu seyn Täglich, Stündlich, fallen mir alle Gefahren, mit denen das Menschliche Leben in genauer Verbindung steht, aufs Herz; es könnte mir ja auch werden, daß ich ihn nicht mehr sähe; ja dieser Gedancke verfolgt mich seit einiger Zeit zu sehr, als daß es nicht Kranckheit in mir, oder sonst etwas in der Luft seyn sollte, ich kann Dir nicht beschreiben Savigny wie mich an einsamen Abenden | melancholische Verzweiflung anpackt; wenn ich so vor mich hin sehe das Leben mit wilder lehrer Geschwindigkeit über s Rad nieder stürzen wie bei der Mühle worinnen keine Frucht zum mahlen; Gott wird mirs verzeihen, wenn ich unthätig und schwach einen gelassnen Weg verfolge während meine Freunde den Spiegel ihres Lebens entbehren, und sich sehnsüchtig danach umsehen; aber ich nicht. wenn mir die Wahrheit ein Unglück bereitet; die Wahrheit ist verzweifelt, was sie Thut ist Wuth und Wahnsinn in jeziger Zeit, es kann nichts gutes dabei heraus kommen alles ist erkrancket; da wo man Jugendlich Kraft, Lebenslust erwartet, erscheint hiziges Fieber, ewiger Paroxismus, durch Ader lassen wird geholfen es gibt Stillstand, des Fiebers, aber die Ärzte mögen sagen was sie wollen, der Hauptsiz des Übels ist im Kopf und der ganze Mensch wahrscheinlich verlohren. o ich mögte ihm helfen diesem Menschen; für was habe ich Augen im Kopfe, die Funcklen, für was Lippen auf welche sich oft ein Schwarm beredsamer Geister drängt, für was ist so viel Ernst auf meiner breiten Stirn, und endlich, für was sprizt das Ruder meines Eifers, häufige Thränen aus dem Herzens Strohm in die Augen, es wird noch alles verlohren gehen, warum? weil der Mensch im Schlafrock agieren will, weil er sich der Wahrheit, des besten schämt, weil er sein Göttlichstes | als Unfug betrachtet; denn sonst, was würde ich nicht Thun? und wie würde die ungekezerte Natur nicht im Erfolg einen jeden meiner Schritte rechtfer783
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tigen. aber jezt sind wir ein mal so weit, daß wir unser eigen Kind vor dem besten warnen; daß wir es für erschrecklich hielten es vor unsern Augen verklärt gegen Himmel fahren zu sehen. daß wir ihm auf allen Wegen den Enthusiasmus mit elenden Dornhecken ersticken, und wer nicht wie Leytoffel einen Sprung aus der Festung Luxen burg wagt, der wird nimmer dich »reine leichte Luft himmlische Freiheit« genießen. mein Componieren geht mit vollen Seglen ich habe jezt ein Quartet von blasenden Instrumenten angefangen, in 3 Wochen wenn ich mich recht anstrenge, werde ich so weit seyn, um bei Euch mich wieder wo anders hin zu sehnen, wie ich jezt hier thue, lebt wohl indessen bereitet Euch mit eurer gewöhnlichen Güte einem eigensinnigen Herzen nach zu geben; denn wenn der Baum meines Willens so fort wächst so wird in kurzem sein wipfel über die Mauern hin wogen und fremde Vögel werden drinne nisten und er wird dem Sturm seiner Wünsche, nach seine Aeste wenden. grüßt den Clemens. Bettine 2v
An Herrn Baron von Savigny abzugeben bei Herrn Tiedemann Landshuth
*619. An Joseph Janson von der Stockh in Augsburg München, vmtl. erstes oder zweites Drittel August 1809 Joseph Janson von der Stockh an B, 23. August 1809:
Ein Mondschein unter schwarzen Wolken ist iedesmahl Ihre Rede 〈…〉 ich habe Ihre verhängte Strafe verstanden 〈…〉 halten Sie Wort nicht zu verachten, auf Ihrer schönen Wohlfarth, nach einer mir unbekannten heilig〈〈en〉〉 Stäte das schwarze Paternoster Kreutzlein, das an Ihrem Rosenkranz sich hängt. (Nr. 633,1+26+34-38.)
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 1. und 4. August 1809, Dienstag und Freitag
Berlin d* 1 August 9 Von Dir, liebe Bettine ein sehr lieber Brief, von Clemens die Hoffnung, daß er hieher kommen wird, und dabey geht es mit dem Schiessen gut, schwarz auf schwarz, da muß ich wohl fröhlig seyn; auch blüht alles in meinem Garten und ich schicke Dir ein Paar Blumen mit dem Paket, das Göthes Kopf von Kügelchen und die Medaille an Grim enthält. Dein Brief hat mir eine so angenehme Nacht gemacht, ich war Dir näher als je. Ich danke Dir für den erbotenen Becher und Gemälde, bewahre es, Dir ist es lieb, mir würde es nur dadurch einen Werth erhalten, daß es aus Deinen Händen kommt, ich hab ihn früher gesehen und nachher viel von ihm reden hören, meine Gesinnung über ihn wird Dir mein letzter Brief erklärt haben, doch unterlaß ich auf Rechnung Deiner guten Meinung alles Aburtheilen – daß ich’s Schlechte nicht verfechte – denn das ist seit dem schändlichen Waffenstillstande mein einzig Gebet. Der Herzog von Braunschweig hat ihn nicht gehalten und vor wenigen Tagen Leipzig und Halle genommen, auch der Keiser selbst soll ihn aufkündigen wollen und das Commando der Armee selbst übernehmen – doch versichern viele billige Richter, es sei auffallend, wie die Trennung des südlichen und nördlichen Deutschlands und die verschiedene Bildung beyder sich besonders darin offenbare, daß es dort bey einem Uebermaß | von gutem Willen fast an dem nothwendigsten Geiste fehle, während bei uns häufiger das Gegentheil zu finden; wäre beydes verbunden, so hätte das Licht seine Wärme, die Wärme ihr Licht – ich aber entbehre des Lichts und der Wärme und muß doch leben, heute wollte ich Du wärest hier gewesen, wo ich meine Bohnenlaube bespannte, es ist ein sehr künstliches Werk und mir sehr wohl gelungen, erst schlingen sich die Bohnen zum Angedenken jener Hopfenranken, die wir zeichneten um Rohr, nun sind sie drüber hinaus gewachsen und da ist Bind^faden aus^gespannt. Die Bohnenlaube und meine Büchse, die prächtig blau angelaufen, sind meine Hauptfreuden, besonders die letztere zu der ich alle Augenblick mich hingezogen fühle. Nächst^dem spiele ich endlich wirklich Komödie und habe schon eine Probe mitgemacht, denk Dir das sonderbare Geschick, in einem Kotzebueschen Stücke, im Wirrwarr als Major Langsalm, ich fluche darin ohne Unterbrechung, auch habe ich eine sehr artige Tochter, die ich auf die Stirn küsse, gelt das gilt was | Ich finde die 785
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Kotzebueschen Stücke sehr angenehm, man kann weglassen und einflicken im Dialog, kein Mensch merkt etwas, das ist der Bequemlichkeit und der Gelegenheit sehr angemessen, bey Privattheatern besonders, wo sich nichts ohne Ueberladung halten kann. Sieh so stets hier, viel mehr wüste ich Dir nicht zu sagen, doch eins noch, von Göthe wird ein neuer Roman unter den Leuten angezeigt, er soll Wahlverwandtschaften heissen, es fehlt mir nicht an Leserey und doch wünscht ich ihn fertig vor mir und sollte ich auch ein fünf Stunden wie damals nach dem Sauerbrünnlein danach gehen. Je du liebe Zeit, was kommt mir doch zu^weilen für Ungedult und fährt so heiß über, ich muß schliessen, – erinnere Clemens noch einmal, wenn mein Brief etwa verloren gegangen, er könne bey mir wohnen und ich könne ihm recht gut bis Halle entgegenfahren, nur sollte er mir alles genau voraus schreiben. – Ich küsse Dich vielmal, Achim. 2v
An F. Bettine Brentano
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4 August 9. Die Verzögerung der Post erlaubt mir, Dir noch ein Paar Worte zuzurufen, ungeachtet ich mich diese Nacht zum Geburtstage des Königs fast heiser gerufen, hoch und aber^mals hoch und immerdar hoch, auch wurden einige nicht erleuchtete Fenster eingeworfen. Der Hauptspass von allem, den Du Clemens, anzeigen must, war die Erleuchtung seines Brustbildes, umgeben von allen neuen und alten Armaturstücken, die ich im Hause auftreiben konnte. Er stand am Fenster und zog eine Menge Zuschauer herbey, die ihn abwechselnd für unsern König, für den Erzherzog Karl, für Schill ausgaben, er aber stand sehr ernsthaft und kaltblütig und sah über den lermenden Pöbel hinweg. Eine Magd war sehr gerührt von den Waffen und sagte, das wäre alles die schlechte Zeit. Lebe wohl.
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An Fräulein Bettine Brentano
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Abzugeben bey H. Hofrath v Savigny
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in Wachsleinwand mit Gibsabdrücken, werth 5rth signirt A Bettine Brentano Landshut
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Landshut in Bayern
An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 3. und 4. August 1809, Donnerstag und Freitag
3ten August. Lieber Arnim! Einen Brief vom 14 July aus Berlin; hab ich erhalten. Dein Haupt sey geküßt, und deine Füse als die Gränze von allem was mir lieb ist in der Welt. – . manche Worte in diesem Brief haben mir Wunden geschlagen, von denen ich Ehren^male Trage, denn geehrt bin ich ewig durch dies reine Zutrauen, und erhoben, wenn Du zu mir sprichst, ich will Dir vertrauen, so begeistert es mich, weil ich dann Dich in mir fühle; wenn Du sagst zu mir; bewahre dieß in verschwiegenem Herzen; so beruhigt es mich; weil Du eintritst wie ein Freund in Die Kammer, freundlich nach deinem Eigenthum fragst, alles wohl verwahrst, den Schlüssel abziehst, mich also in deine Verwahrung nimst. – aber wenn Du eine Fackel mitnimst und stellest sie mitten in allen Haußrath und sprichst: Dies Licht sey Dir heilig; und gehst wieder, so kann ich nichts dazu, wenn die Flamme um sich greifet, und sich dann selbst verräth, ich sage Dir fest und bestimt, daß ich nie nie mehr Abschied von Dir nehmen will; wenn ich wieder zu Dir komme, so gehe ich nicht mehr weg, also richte Dich danach und sehe mich lieber gar nicht wieder, als ein getrentes Leben führen weil – ich ein Mädgen bin; ich bins gern weil es Dir so gefällt, aber sonst würde ich immer lieber ein Knabe seyn, um ungehindert und unbekümmert Dir zur Seite stehen zu können, wenn ichs begehre; geh nur immer allein und Einsam deinen Weg, wenn du mit der Zeit es bereuen willst; – Die Zeit komme nie die Dich von deinem Weg abwende, denn er ist schön und Herrlich selbst im Winter sproßen südliche Pflanzen unter deinen Tritten, der Oehlbaum grünt; der Lorbeer treibt. Ach Arnim wenn Du wüstest wie ich betrübt bin, seit ich diesen Brief von Dir habe, ich war es vorher schon denn Clemens hatte mir ge-
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sagt daß er ihn in Landshut auf die Post gegeben, ich wartete mit ungemeiner Sehnsucht 3 Tage bis ich ihn erhielt, es war indem ich ins Theater ging um Brizi den italienischen Sänger zu hören. die Musik, (es war Titus) trieb mich zum weinen, das Ende hat ich noch nicht gelesen; als ich nach Hauße kam, war ein starkes Gewitter, welches bis Nachts 1 Uhr Dauerte, ein heftiger Wind reinigte Die Straßen von allem Staub, löschte alle Lanternen, jagte alle Menschen in ihre Wohnungen, und bei feierlicher Stille und Einsamkeit, brach ein gewaltiger Regen loß, der Donner rollte sich tief her nieder, so daß man ihn deutlich die Himmels Stuffen herab stürzen hörte; nur ich stand am Fenster und dachte daß wenn es so Wetter wäre, Wir beide wahrscheinlich nicht einmal die Sterne zählen könnten, wenn wir beisammen wären. wenn wir beisammen wären so würde ich meinen Kopf an deine Brust verstecken, und würde dich allein zählen lassen. wenn wir beisammen wären, so würde ich unendlich seelig seyn, ich würde mit dir gehen durch Wälder und Felder, am Heisen Mittag, würde mich mit Dir an einen kühlen Ort sezen, Schweigen und Sprechen mit Dir, am Abend dir ein Lied singen, wenn der Mond scheint, wenn Die Hunde bellen in der Ferne, so ging ich nicht allein auf stillem Pfad nach Hauße, du wärest mit mir, das wäre schon ein | großes, nicht allein seyn am Abend, denn Die Nacht schmiegt sich oft so eng an Den Sinn, daß Sie ihn mit hinab zieht, und hällt ihn bezwungen im Banne, daß er furchtsam sich umschaut, nach dem was ihm befreundet am Tag, daß es ihm schaudert vor dem was er selbst geschaffen, aber die Stimme eines Freundes, in der Nacht erweckt alle Lebens^geister und macht sicher, und er wandelt ohne Graußen an dem Strohm sieht die Wellen jähling nieder stürzen ohne zu bangen, steht auf dem schroffen Fels ohne zu Zittern und geht mit gelassnem Schritte durch die Höhlen, denn des Freundes Gegenwart hällt die Todesgötter gefangen. – Da ich noch am Rhein war, und sah die Berge und den Wald ihre Stumme Gesänge, im scheuen Mondeslicht gegen den Himmel führen, da Dachte ich zuweilen es ist gut allein seyn mit dem Himmlischen auf Erden, aber eins ist mir hinderlich, die Zeit eilt von einem Ort, und geht an keinen andern, sondern sie ist nimmer zu finden. und diese gab mir einen bedeutenden Winck, sie fest im Blick zu haben, und weil ich nach ihr mich umsehe, so hab ich Dich im Auge, denn Du erfüllst meine Zeit. und so ist es denn nicht anders, daß ich nach dir begehren muß, bis ich einschlafe, und mein Aug den Dienst vergisset, ach das jeder noch sagen wird, es sind Jahre vergangen seit einem Abend, ein 788
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Frühling Trieb den andern, die Erde blüht wieder, aber Die Stunden sie blühen nicht mehr, sie sind längst entschlafen und mit kalter Decke ihr wärmender Athem erstickt. Wenn die Zukunft gleich einer Drükenden Last, über | dem Haupte hängt, wenn Vergangenheit begraben, wo soll das Auge den Glanz zum Feste holen, und wo die Wange die Farbe, und wo der Mund das Lächlen, kalt tritt er an den vollen Tisch, und die schwärmenden Gäste erschrecken als vor einem Geist ohne Leib, und die Freude zieht sich schaudernd zurück, und er harrt bis der Freund zurück kehrt, mit ihm auf neu grünendem Boden zu wandeln, und er enthält sich des Athems, und winckt nicht mit den Augen, und harrt die Luft einzuziehen, die Freund aus treuer Brust ihm entgegen haucht, und die Augen seelig zu wiegen in seinem Auge, dann sollen Fluthen des neuen Lebens sich regen und die Erde speißt ihn mit heisen glühenden Früchten, und der Himmel, tränckt ihn mit lebendiger Luft und die Nacht legt sich als ein bezwungner König ihm zu Füsen und wird ihm ein Dienstbarer Geist in seinen Freuden. aber wehe wenn Die ersehnte Stunde schlägt und vorübergeht ohne den erwarteten – so wird es uns nicht werden lieber Arnim, wir werden nicht untreu der Stunde vergessen, aber daß sie bald kommen mögte, dieß ist mein heiser wunsch, du must darüber nicht böse seyn. Die Zärtlichkeiten im Umschlage des Briefes aus deinem Singspiel haben mich getröstet, gerührt; ich hab sie schon ein paarmal nach meiner Laune Durch gesungen. auch daß du mir schreibst daß Du gegen kein Mädgen kannst vertraulich seyn und gut, als nur mit mir, es ist ein Doppelt Geschenck was Du mir machst, ich mögte es nicht einmal leiden daß Du sehr vertraulicher Freund von einem Manne würdest, von einem Mädgen würde es mir das Marck in den Gebeinen erschrecken. Ich habe mich jezt schon sehr lange des Singens enthalten weil ein sonderbares Übel mich dabei befiel, und mich sehr mager machte, heute hab ich zum ersten mal wieder gesungen und als einen großen wichtigen Schaz hab ich meine Stime um vieles besser gefunden als sonst. dem Capellmeister Winter hab ich deine Romanzen der Medusa vorgelesen, er will sie Stückweise in Musick und recitatif sezen, es hat dem alten Graugen ungemein wohl^gefallen, sonderbar hat sich dadurch in ihm die Sehnsucht nach England wieder geregt. er sagte ich bin ein recht ausgebrannter Vulcan aber ich will gewiß hier noch alle Schlacken lassen, und in London wieder ein rechtes Freuden feuer loß brennen; er hat sich auch fest vorgenommen troz allen Umständen der Zeit, in etlichen Monaten nach England zu gehen. – dem Grimm hab 789
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ich dein Lob seiner zwei lezten Kupfer gesagt, es hat ihn sehr erquickt er hat jezt expreß etwas für dich angefangen, einen kleinen Kopf worin er allen Fleiß aufbieten will, ich habe die Zeichnung davon gesehen die meiner Meinung wirklich viel Geistreiches hat in der Behandlung, er hat mir verbothen dir zu sagen wer es ist, ich hoffe du errathest es. – 110 nicht wahr Du bist mir Gut wie ich Dir Bettine 3v
4ten August Gestern hat mich der Winter meinen Brief so schnell abbrechen machen, allein ich hatte zu gleich die Post versäumt, nun sind mir Noch 115 Minuten gegönnt, mit dir zu sprechen, etwas hat mich sehr gekränkt, dein Brief ist wie ich dir oben schrieb Durch Clemens in Landshut auf die Post gekommen, der Brief war geöffnet gewesen der Umschlag ganz Zerrissen und das Siegel sichtbar verlezt und wieder künstlich zusammengesezt, ich kann und will niemand mit einem Verdacht bela- 120 den, es kann auch auf der Post geschehen seyn; es ist mir schon manchmal begegnet, aber bei diesem Brief hat es mich emfindlich gekränckt. Adieu mein guter Arnim, ich hab dir manches noch zu sagen, und doch immer nur das eine daß ich Dich so einzig lieb hab, und daß ich gern Die Welt nicht ansehen will, und daß wenn ich dich verlieren 125 müste, ich lieber ewig die Augen verschließen, und in mir an Dich Denken mag, dein Winter^garten ist mein Freund, er liegt unter meinem Kopfkissen und beim Erwachen drück ichs ans Herz; es macht mir wieder einen so tiefen Eindruck wie die ersten Bücher die ich gelesen, auch Savigny hat einen großen Wohlgefallen daran und ergözt sich vor- 130 züglich am Zusammenhang der Geschichten. Ich spreche dir nicht mehr von meinem Kommen in deine Gegend, es hängt jezt von Dir Ab ob du mich sehen willst, sonst wäre mein Plan nach Clemens rath, nach Halle bei Reichards gewesen mit Luise die ich mir schon lange zur Freundin gewünscht, noch Musick zu lernen, dann hätte ich auch 135 durch mein Dortseyn ihre Laage in etwas erleichtern können, ich thue nichts ohne dein Begehren Adieu mein Andencken mache dir keine böse Stunden Bettine
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Von Franz Brentano nach München Frankfurt, 5. August 1809, Sonnabend
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Liebe Bettine! Ich erhielte deine beiden Briefe ohne Datum. ich komme eben von einer wallfahrt nach Cölln mit Tony u meline zurück, wo wir die herrliche Kunstwerke älterer Zeiten anstaunten, dieses ist die Ursache daß George nur Savignis wexel in meiner abwesenheit zahlte, jenen von H moy für deine ausgaben bis zu meiner zurück kunft zurück wiese, weilen er nichts davon wissen konnte, auch von H moy ’s verhältnisse nichts wuste, dieses erläutere leztem u sage ihm daß ich gleich nach meiner Rück kunft zahlt hätte. u sage ihm daß wenn er gleich anfangs eine anweisung abgegeben u einen avis ertheilt hätte, alles gleich zahlt worden wäre. Wie sehr uns die Reise nach Cölln freute kann ich dir nicht sagen, der guthe Professor wallraff war uns wieder alles, Boisseré u Bertram waren aber zu unserm Bedauren abwesend ersterer war sehr krank, u in einem irren, gemüths kranken Zustand, welches eine Familien Krankheit sein soll. er ist aber auf dem weg der Besserung. Wallraffs sterbendemaria war immer das beste was wir sahen. Durch sendung der vormunds Rechnungen wollte ich dich nicht kränken. Vorschrifft und | Pflicht erheischte es, u obschon mein gewissen gewiß der strengste Revisor ist, so hattest du doch auch alles nachzusehen, auch bist du bald im Fall keinen vormund mehr zu haben, u dann selbst deine Sachen nach sehen zu müssen, dann sobald du 25 Jahr hast, bin ich kein vormund mehr, aber dein warmer fürsorger werde ich stets bleiben. Du willst wissen was du ungefehr jährlich auszugeben hast, ich habe dir schon mehrmahl berichtet. f 19000. Kayserl. Oblig* nachdem 24 ffß oder in wiener Corrent f 15800. sind in das Bukowaner guth geschossen, davon sind bis jezo noch keine revenuen oder Interessen gefallen auch weis ich nicht was solche betragen werden. Hier hast du an guthem angelegten vermögen, f 34700. im 24 ffß, davon machen die jährlichen zinsen f 1550. – . Davon gehet ab, hiesige jährliche Schatzung u Kriegssteuer für dieses vermögen u für obiges ohngefehr 220. – bleiben f 1330. jährlich 791
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Hiernach kannst du dich also ohngefehr richten von u über Bukowan habe ich seit langer Zeit nichts mehr gehört, Savigny kann dir wohl mehr darüber sagen. selbst wenn du nur f 1300 jährlich | zu verzehren hast, so ist dieses ein schönes geld mancher angesehene familien vatter kommt damit wohl aus; richte nur ordnung in deine ausgaben ein, u mache deinen bestimmten Plan, dann kommst du aus, weh würde es mir Thun wenn du so leicht handeltest dein Capital, u somit deine jährliche Zinnsen ferner zu schmählern, u da das geld so leicht u ungenossen unter deinen Händen schwindet so must du doppelt auf ordnung sehen. Daß wir noch frohe Stunden zu sammen leben hoffe u wünsche ich auch, du bist schon sehr lange von uns getrennt, u ich würde mich in Deiner Umgebung wohlfinden, du weist wie wir alle dich lieben sogar der Fürst Primas denkt an dich, er frug mich kürzlich sehr angelegentlich nach dir und läßt dich sehr freundlich grüsen, er sagt er habe viel achtung für dich. mich ängstigen jezo grose sorgen besonders seit heute, von wien meldet man mir es stehe um die gesundheit meines schwieger vatters sehr mißlich, er dringe sehr auf meine Hinreise schon seit 3 wochen beunruhigen uns stets schwankende berichte bald besserung bald schlimm nun aber ists ernst, vielleicht reise ich mit Tony die noch in winkel ist schon übermorgen nach wien, auf dem kürzesten weg über nürnberg u Regensburg – wie mich die reise beklemmt u ängstigt wegen dem was ich dort sehen u im schlimmen fall zu besorgen haben werde, wegen dem was ich hier verlasse, kann ich dir nicht sagen! Aber das schiksaal will nun einmahl | daß stets eine Sorge um die andere mich drukken soll, bis endlich auch ich einmahl dahin schwinde! ja liebe ich habe schon viel erfahren und kenne die welt, in ihrem ganzen ungehalt! Lebe du wohl, du hörst vielleicht bald von mir aus wien, wenn bis morgen keine bessern briefe kommen dann reisen wir, Leider kämen wir dann wegen der Eile nicht über münchen u Landshut. herzlich umarmt Dich dein treuer bruder Franz marie u Fränzgen sind sehr wohl. 〈quer zur Schreibrichtung:〉 Mademoiselle Mademoiselle Bettine Brentano 792
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar München, 6. August 1809, Sonntag
Lange ist es daß ich geschwiegen habe; und doch immer beginne ich wieder mit demselben Zutrauen; ich seze voraus das Du mich liebst wie dein eignes Kind, es geht mir nicht wie andern, die eines durch das andre entbehren lernen; ja bei alle dem daß lange Zeiten vorbeigehen lasse, ohne Dich an mich zu mahnen so kann ich mir keine Beruhigung, keine Freude auf Erden vorstellen wenn ich Dich nicht kennte und liebte, Goethe, wir sprechen ja unter uns, und hört niemand zu der uns mißverstehen könnte – Nun! Es ist kein Baum der so mit frischem Laub mich kühlt, es ist kein Bronnen der so den Durstigen erquickt, es ist kein Strahl der so erwärmt – es ist kein Firmament das so mit Sonn und Mondlicht, und tausend Sternen ins irdische Dunkel leuchtet, wie Du leuchtest in mein Herz – Ach ich sage Dir, ein Augenblik in Deiner Nähe zu seyn hält so viel Ewigkeit in sich, daß ein solger Augenblick der Ewigkeit gleichsam einen Streich spielt und ihr die Unendlichkeit gefangen nimt, denn was soll mir in Ewigkeit noch für Freude geschehen, da Dein ewiger Geist deine ewige Güte mich in ihre Herrlichkeit aufnimt – Ich bin aber schlecht in Der Liebe ich zweifle jeden Augenblick an Dir, sonst wäre ich schon auf eine Zeit zu Dir gekommen, ich kann mir nicht Dencken (weil es zu viel ist) daß ich Dir werth genug bin, um bei Dir sein zu Dürfen | erst seitdem ich Dich kenne, hab ich den Tod fürchten gelernt, denn – Auch ich sage mit den Griechen, ich mögte nicht sterben ohne Jupiter Olymp gesehen zu haben. Also wenn Du so gütig bist wie Dein Wesen, deine mir befreundete Natur es mir verräth so wirst Du mir erlauben, ja Du wirst mich darum bitten daß ich dieselbe Luft einathme wie Du; daß ich täglich Dir unter die Augen sehe, daß ich den Blick aufsuche der mir die TodesGötter bannt, ich verspreche dafür, recht bescheiden zu seyn nur wenn es Die Laune Dir eingiebt; vor Dich zu kommen und recht ruhig und mäsig in meiner Liebe zu seyn. Goethe Du bist alles Du giebst wieder was Die Welt, was Die Zeit raubt; da Du es nun vermagst mit gelassnem Blick reichlich zu spenden, warum soll ich mit Zutrauen nicht begehren. Diesen ganzen Sommer bin ich nicht ans Sonnenlicht gekommen, die Gebürgs ketten die einzige Aussicht die man von hier hat, waren oft von den Flammen des Kriegs geröthet, und ich habe meinen Blick nie mehr zwingen können sich dahin zu wenden, wo Der Teufel ein Lamm 793
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würgt wo die einzige Freiheit eines selbstständigen Volkes sich selber entzünden, und in sich verlodert Diese Menschen die mit kaltem Tritt über ungeheure Felsklüfte schreiten die den Schwindel nicht kennen, machen alle andre die ihnen zu sehen, von ihrer Höhe herab schwindlich, es ist ein Volk, das für den Morgen nicht Sorgt | dem Gott unmittelbar grade wenn die Stunde des Hungers kömmt auch die Nahrung in die Hand giebt, das, wie es den Adlern gleich auf den höchsten Felsspizen über den Nebeln ruht, auch so über den Nebeln der Zeit wohnt, das lieber im Licht untergeht als wie im Dunklen ein ungewisses Fortkommen sucht; O Enthussiasmus des eignen freien Willens, Du bist so groß daß Du allen Genuß der über ein Leben verbreitet ist, wohl in einen Augenblick zusammenfassest, darum so läst sich um einen solgen Moment auch wohl das Leben wagen; mein eigner Wille aber ist, Dich wieder zu sehen, und allen Enthussiasmus der Liebe wird ein solger Moment in sich fassen und darum begehre ich auch auser diesem nichts mehr. Vor 3 Wochen hat man ein Bild, eine Copie von Albrecht Dürrers selbstverfertigtem Portrait, an Dich abgeschickt, ich war grade auf einige Tage verreist, und weiß also nicht ob es wohl eingepackt, und ob die Gelegenheit mit welcher es ging exackt ist, Du must es Der Zeit nach, jezt bald in Händen haben, schreib mir darüber, es war mir sehr lieb, und deswegen muste ich es Dir geben, weil ich mich selbst Dir geben mögte; – selbst in dem kalten Baiern^lande, reift alles nach und nach, das Korn wird schon gelb und wenn Die Zeit auch keine Rosen hier bricht, so bricht sie doch der Sturmwind und falbe Blätter fliegen schon genug auf dem nassen Sandboden | wann wird denn eine gütige Sonne die Früchte an meinem Lebens^baume reifen, daß ich ernten kann mit Wohlbehagen einen Kuß um den Andern – glaubs nicht Goethe, daß ich so unbescheiden bin vor Der Hand will ich mich mit einem begnügen, den ich Dir aufs Herz gebe. Arnim und ich, wir sind deine besten Kinder; Ich aber bin Dein Liebgen. Und hüte Dich mich eifersüchtig zu machen, denn ich beklage mich zwar nicht, aber wenn Du mir wieder vergelten willst so must Du mich mächtig lieben Einen Weg gehe ich alle Tage, alle Pflanzen und Stauden sind mir auf diesem schon bekannt, ja die Sandsteingen im Kieß, hab ich mir schon betrachtet, Dieser Weg führt nicht zu Dir, und doch wird er mir Durch Gewohnheit täglich lieber, wenn mich nun einer Täglich ge794
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wohnt würde zu Dir zu Tragen, wie würde er mich rühren, und daß mir stets Das Herz pochte. ja und unter meinen Füsen das Graß mich anlächelte, und allen Liebreiz hätte ein jeder Schritt dieses Weges. Laß dein Haupt^haar küssen, from und begeistert, in Erinnerung und deine Augen, auch die Hand ziehe nicht zurück Bettine Die Frau grüß und küsse ich von Herzen sie soll meiner nicht vergessen Einliegendes Kupfer, von Heinze, wirst Du wohl erkennen, ich habs von Soemmering erhalten, und zugleich den Auftrag um dein Urtheil darüber zu bitten, er selbst findet es wohl gleichend, aber nicht in den edelsten Zügen. Ich sage: es hat eine große Aehnlichkeit mit einem Bock, allein dieß ließe sich noch rechtfertigen Tieck liegt noch immer als ein Kranker auf seinem Ruhebettlein, schöne Damen halten einen Cirkel um ihn und er weiß sich interessant zu machen. mich geht diese unversiegbare Gichtquelle nichts an. Jacobi befindet sich ohne meine Zuneigung ziemlich wohl für seine Umstände, Tante Lehne schreit zwar, sein Kopf Tauge nichts, und so wie er etwas filosofisches schreiben wolle, schmerzen ihn Augen und Kopf. Dieser Mensch ist ganz unentbehrlich, entbehrlich. Franz Baader den du wohl nicht persönlich kennest wird Täglich milder Tugendhafter, blonder, er ist der einzige den ich unter allen leiden mag, der nicht hundertmal etwas mit der bekannten Begeistrung vorträgt, wie Schelling und andre, die mit unbegreiflicher Unverschämtheit immer die Welt durch ihr System treiben wollen; dieser Mann hat auch noch eine harmonische Bildung, und seine Züge sind verständig und ruhig geordnet, man kann vergnüglich mit ihm seyn weil er Dehmuth und Bescheidenheit genug hat, und zugleich Stolz genug, um in seiner Gegenwart keinen Hochmuth zu dulten; Sr Excelenz Dem Herrn Geheimen Rath von Goethe in frey Weimar
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, etwa 10. August 1809, Donnerstag
Lieber Savigny! in einsamer Stunde ergreife ich die Feder um was ich seit langer Zeit versäumt habe wieder ein zu bringen. Du must nicht glauben daß es mir ein leichtes, so lange Zeit Durch nichts mit Dir in Berührung zu kommen; ich versichre Dich, daß ein jeder Tag, der verstrich ohne das ich dir geschrieben hatte, mir den Stein schwehrer auf meinem Herzen machte. ich bin indessen glücklicher gewesen als in der ersten Zeit meines Aufenthalts. Dadurch das Moys einen Garten gekauft haben welcher etwas entlegen von Der Stadt ist, bin ich jezt in der mir jederzeit notwendigen beliebigen Einsamkeit, und gehe nur mit denen um die ich selbst suche, und mir zu meinem Lernen Tauglich; den Tieck hab ich ganz verlassen, er ist mir in seiner Schlechtigkeit zu niederträchtig, und mag er auch sterben, so mag ich doch nichts von ihm wissen. den Schelling hab ich seit dem ich bei Euch in Landshut war nicht mehr gesehen, »die Spottgeburth von Treck und Speck« – zum alten Jackel bin ich auch nicht mehr gekommen, diese Psyche welche von einem Weisen und Schwarzen Pferd gezogen wird, das weise ist die Tante Lotte, und das Schwarze die Lehne, sie ziehen ihn aber nicht sondern sie zerren ihn, und die arme Psyche wird dabey ganz mager, sie läst trostloß ihre ausgedürrten Fittige hängen. – – – davor hab ich oft die Anna gesehen, doch hat sich in der lezten Zeit so sehr Arbeit auf Arbeit gehäuffet daß ich dieße auch nicht so oft sehen konnte. sie ist sehr gut wenn man sie genau kennt muß man sie lieb haben, aber eine neue Bekantschaft habe ich gemacht die mich nicht ganz ohne interesse läst, das ist Baader er war bei mir, voll Geist bis an die spizzen seiner Lippen, und er spricht nie ein unbedeutendes Wort, nur ist er mir noch zu unsanft, etwas hartes hat er an sich ich habe mir die Freiheit genommen es ihm zu sagen dies hat ihn gefreut, er geht jezt nach Böhmen bei seiner Rückkunft will er dich besuchen, er freut sich auf deine Bekanntschaft, und hat eine recht schöne würdige Ansicht von Dir, dieser Mensch ist für das Gesellschaftliche gebohren, weiß aber noch gar nicht wie innig man seyn kann. auch Janson der Freund von Loewe ist ein ausserordentlich guter Mensch, voll Gefälligkeit, und Güte nur viel lebendiger aufrichtiger und gescheuter wie Loewe, wenn auch nicht so Tief sinnig, Weizenecker war mir eine sehr angenehme Erscheinung, er wird Euch wohl gesagt haben daß ich nächstens mit Sack und Pack kommen werde. 796
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Von Franz hab ich heute einen sehr zärtlichen lieben Brief er schreibt daß er glaube in meiner Nähe könne es ihm wohl werden, wünscht mich sehnlich wieder zu sich, ich kann nicht anders sagen es hat mich gerührt. auch der Fürst Primas läst mich durch ihn grüßen, und mich seiner Hochachtung versichern dieß hat mich aber gelächert Du wirst durch den Landshuther Bothen ein Seiden Tuch bekommen haben, es ist für Gunda wenn sie es will, ich weiß daß sie keins hat, und es war zu wohl feil als daß ichs nicht hätte kaufen sollen kostet 19 bis 20 fl:
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was die Kinder liebe Gundel – daß du so faul bist wie ich, das kann ich dir nicht verzeihen, ich habe mir jezt seit 3 Wochen ein Mädgen genommen, kostet mich mit Logis und Kost den Monat 13 fl: 15 kr:, also den Tag 26 x, sie ist sehr brav bügelt sehr schön Wäscht mir bei nah alles, so daß ich dafür beinah gar keine Ausgabe hab, sie buzt und reibt zugleich die Zimmer stückt Strümpfe an Stopft näht Kleider, ist sehr ordentlich, legt immer wieder alles an rechten Fleck, und kann auser ordentlich gut mit Kindern umgehen, bei aller Arbeit ist sie so reinlich als wenn sie ganz neu wäre, so daß sie in jedem Augenblick ins Zimmer kommen kann, noch bei diesen Guten Eichenschaft hat sie die Gabe der Dumheit bis über die Ohren, und ist mir beinah das liebste an ihr sie läst sich alles sagen ohne zu schmeichlen noch zu wiedersprechen, wenn es dir nicht zuwieder ist so bringe ich sie mit, ich kann sie ja in jedem Moment wieder wegschicken. man nicht gern ein so gutes Subjeckt verlieren, doch kömmt es ganz auf dich an. – Ruhmohr kömmt alle Tage zu mir je besser ich diesen kennen lerne, je edler weist sich sein Gemüth aus, er krizelt mir alle Papiere voll kleiner Landschaften, worunter mehrere sind die voller Geist, ich mache mir jezt eine kleine Sammlung davon. – Von Arnim hab ich auch Briefe, er ist mit niedergebeugt in seinem Gebeugten Vaterland. Clemens ist jezt bei ihm ach wie gerne wäre ich mit wenn ich nicht gefürchtet hätte Euch zu betrüben, und manchmal schäme ich mich der Schwachheit die mich zurück gehalten hat, Arnim ist doch der Mensch der alles recht auf mich hat, und wenn ich auch nicht mit ihm geheurathet bin so gehören wir nicht minder zusammen als Ihr beide; denkt’ wenn ihr in einer so Trostlosen Zeit von einander geschieden müstet seyn, denckt! wenn Krieg und Unglück mir ihn entführten, ich müste ja in Verzweiflung sterben, ihn der so sehr einen Freund bedarf allein gelassen zu haben, es muß auch noch geschehen wenn wir beisammen sind wollen wir darüber consultie797
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ren. – Savigny willst du mir wohl mit umgehender Post eine Anweisung auf 100 fl: schicken oder kann ich sie auf mich bei Dalarmi beziehen, sei gut und gebe mir gleich Antwort darüber. Bettine
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, etwa 10. August 1809, Donnerstag
Da size ich am Heerd und koche mir meine Suppe, linckerhand im Oefgen hab ich mir ein Feuer angemacht, und Sago mit Wasser beigestellt, wann aber das Kienholz ausgebrennt ist und das Stroh, so gehts Feuer immer wieder aus, diese Suppe hab ich mir zum Nachtessen angewöhnt weil sie sehr gesund für die Stimme ist, wenn Wir wieder zusammen kommen so koche ich auch für Dich, und dann wollen wir sehen ob nichts aus deiner Stimme wird. deine Stimme gefällt mir besser als andre, und zwar aus dem Grunde, weil man Dich immer hört, wenn man sie hört. – wenn ich so allein bin! (»es ist nicht gut das der Mensch allein sey«) – die Kaz schläft und die Magd schläft, die Zeit geht trocken, in trägen Pulsschlägen, vorüber, ach, wie wäre ein stilles ruhiges Gespräch besser als dieser Brief wenn ich bei dir wäre – dann wäre diese einsame Stunde (wo ich nichts lebendiges habe als meinen ungeheuren Schattenkopf hinter mir, der mit mir seine großen Locken schüttelt darüber daß ich bei Dir seyn sollte und es nicht bin,) vielleicht recht vergnügt. – Ruhe in einander suchen; sie in einander finden, die Welt umeinander vergessen, das ist ein einzigs Glück; – meine Suppe kocht über und über – hätte ich nur jemand der mit mir äse, du bist wohl manchen Abend auch allein; lieber Arnim beherzige mich in solgen Stunden Gestern haben sie gefangne Tyroler, in Ketten auf Wägen unter meinem Fenstern vorbei^geführt, denn sie sind zu wild und lassen sich nicht anders Transportieren, als bis sich nicht mehr regen können, das Volck lief nach – ich weiß nicht | so was kann mich so traurig machen, ich bitte Gott, daß er doch alles Unglück, von meinen Freunden abwenden möge, oder doch wenn es nicht anders seyn kann, mich vorzüglich daran Theil nehmen lasse. Tieck scheint mir gar nicht mehr auf Gesundheit in seinem Leben Anspruch machen zu können; es geht immer nicht besser mit ihm, er muß sich an Krüken forthelfen, wenn das nicht wäre so glaube ich, 798
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würde er wieder ernstlich ans Heurathen dencken; es ist hier ein artiges Fräulein welches ihm sehr in die Augen leuchtet; Franz Baader, der lange in meiner Nachbarschaft wohnte ohne daß ich je mit ihm zusammen gekommen, hab ich vor ungefehr 14 Tagen kurz vor seiner Abreiße nach Bremen kennen gelernt, ein Mann voll Leben, voll festem Geist, der ihm bis auf den Rand der Lippen steigt aber hart und kalt, etwas unbewegliches was ihn abschreckend macht, ich glaube seine Frau die eine gemeine Creatur ist hat dieß in ihm hervor gebracht; er hat mir den Jacobi mit der Psyche verglichen, welche bekanntlich von einem schwarzen und weisen Pferd gezogen wird, Tante Helene ist das Schwarze, und Tante Lotte das weise Pferd, sie ziehen ihn aber nicht sondern sie zerren ihn, die eine da, die andre dort hin, die arme Psyche wird dabey ganz mager, und ihre Fittige hängen ganz ausgedüret herab. ich habe von Jacobi jezt so viel schmäliges erfahren, daß ich es im Anfange gar nicht glauben konnte, denn in seinem Betragen hat er nichts zurückstoßendes, sondern vielmehr einschmeiglendes | soll aber gar manchem jungen Menschen blos weil er mit Rottmann bekannt war sein Glück verdorben haben, obs wahr ist lasse ich dahin gestellt seyn; aber daß er seine 5000 fl: Als Prs: der Acd. blos aus Faulheit zieht, und sie mit Faulheit verzehrt, dessen bin ich Täglich Zeuge, wie kann es anders möglich seyn die Academie ist auf Faulheit gegründet, und ihre Pfeiler sind von faulem Holz, nächstens wird einmal alles zussammen stürzen, ein Beweiß davon ist ein Mann hier von etlichen und 60 Jahren, Nahmens Kloz. so lange er lebt, arbeitet er an einem Werck der Chromatologie, er war mit Goethe in Corespondence, der sich sehr für ihn interessirte, allein bald war er so weit daß Goethe ihm nicht mehr folgen konnte, und nicht recht wuste woran er war, da jener ihm proponierte alle seine Erfahrungen ihm mitzutheilen und die Publicität des Wercks ihm zu überlassen, Goethe wendete sich an Jacobi um besser über die Verhältniße von Kloz unterrichtet zu werden dieser gab sich die Mühe nicht, mit Kloz darüber zu sprechen, so gerieth es in Vergessenheit Es geht hier auf allen Seiten schrecklich zu, wenn ich dir einen Begriff geben könnte, wie es in Tyrol aussieht die Haare würden Dir zu Berg stehen, der Knecht wie der Herr läuft jezt die selbe Gefahr, es ist wunderbar wie diese Menschen auf ihren Felsen haußen und leben, sie nähren sich von abgefallnem gekochten Laub | und allerley anderm sind ganz gesund und starck dabei haben eine Erfindung die bis zum höchsten Erstaunen Treibt, dencke Dir, sie haben eine hölzerne Ka799
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none gemacht deren sie sich mit ungemeinem Vortheil bedienten; man hat sie ihnen weggenommen sie steht jezt hier im Zeughauße, ein ewiges Andencken ihrer Energie. in wenig Wochen gehe ich nach Landshut, wenn es so fort geht, so könnte es wohl geschehen daß Gunda aus Abscheu vor Kriegs^scenen, wieder die hiesige Gegend verließe. ich traue sehr dem Gedancken dich bald zu sehen auf eine oder andre Art. den Clemens wirst Du bald sehen ich habe Briefe für ihn von Grimm, ich weiß nicht wohin adressieren. Meline und Tonie waren wieder mit Franz in Köllen, Franz hat mir ausführlich darüber geschrieben, wieder voll Freude über die Bilder, Marie hat einen jungen Sohn. sonst weiß ich nichts von zu Hauße. Adieu und schreib mir recht bald, den Capellmeister Winter hat Grimm sehr ähnlich gezeignet, er wird radiert, ich werde dir ihn schicken wie er fertig ist. Den Schelling kann er nicht wohl zeignen, die Büste von Tieck ist nicht gelungen, und Schelling ist zu Stolz und hochmütig als daß er einem armen unberühmten Studentlein sizen mögte. Gott habe dich in seinem Schuz. Dein Treuer. Bettine.
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Von Matthias Klotz in München München, zwischen etwa 10. und Ende August 1809
Ich bitte die Fräulein ergebenst mir zu verzeihen daß ich das bemeldte Blatt nun nicht überschicken kan. Ich wolte, weil dasselbe sehr fehlerhaft ist, da es ein meiner ersten Versuche ist, es noch verbessern, was sich aber nicht thun lies; so ist es nun ganz verdorben. Auch wenn es noch in dem Zustand wäre, wie es die Fräulein gesehen haben, würde es doch den Gehalt meines Werkes lange nicht so deutlich erklären als was ich dem Herrn Geheimenrath Baron von Göthe schon vor zwei Jahren gesandt habe. Wenn der Herr Geheimerath geneigt wären die Herausgabe dies Werkes, das nun seiner ganzen Ausdehnung nach vollendet ist, dem Weymarischen Industrie-Institut zur Auflage zu empfehlen, so würde ich denselben ergebenst ersuchen, die Form der Farbenlehre in so weit als sie auf Prismathologie sich gründet (wozu ich durch ganz einfachprismatische Versuche, deren erste Grundmaximen entdeckt habe*) nebst vielen andern in Beziehung auf Ästhetik | überhaupt niederge800
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schriebne Ideen überlassen, und mein Werck nur in reintechnischer Form bestehen lassen. – Durch Kunstfreundliches Zusammenwirken, würden alsdann, statt daß jetzt der H: Grth: und ich in offenbarem Wiederspruch gegen einander stehen, einer des andern Meinungen, Ideen, und Lehrsätze erklären und bestätigen: Dann so der Kunst von meiner Seite, und der Wissenschaft von seiner, ein Lehrsistem in die ziemlich schon geordnete Reihen des Wissens und Könnens einfügen, wie noch Keines beim ersten Erscheinen vollendet war. Ich sehe eine Menge Ursachen, die, die reinste Hochachtung, die ich für den H: Grth: immer hegte, nicht um das geringste mindert, und die auch eben so wenig Kränkend für mich sind; warum derselbe unterlassen hat, mich mit einigen Zeilen vom Empfang des von mir ihm überschickten zu benachrichtigen. Mit Hochachtung und Ergebenheit empfhielt sich der Fräulein Brentano Mathias Klotz.
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〈1r/1v auR:〉 * Diese wiederlegen offenbar mehrere Sätze der Farbenoptik des H: G: R: die mir erst ein Jahr später in die Hände gekommen sind, als das Schreiben worin derselbe mir meldet, daß bereits sein Entwurf zu einer Farbenlehre schon gedruckt sei.
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An die Fräulein von Brentano Hochwohlgeb.
*627. Von Friedrich Carl von Savigny nach München Landshut, etwa 11. oder 12. August 1809, Freitag oder Sonnabend B an Friedrich Carl von Savigny, etwa 12. oder 13. August 1809:
es ist gar kein Gedancke daran daß ich nicht mehr mit dem Winter singe 〈…〉 Du sagst ich solle mich mit Anna bereden und berathen 〈…〉 daß Du wegen dem Geld so verlegen bist (Nr. 628,2-13).
B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 14. August 1809: indessen muß ich der Gundel versichern, daß ich nicht nur, gar nicht kranck bin,
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sonder viel gesunder als je 〈…〉 Wenn Gundel das Seidne Tuch nicht will für 19 fl: so soll sie es mir zurück schicken (Nr. 629,4-19).
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, etwa 12. oder 13. August 1809, Sonnabend oder Sonntag
Du aber bist ein gewalltiger Geck, und ein kurzsichtiger Dümmling. ein Geck bist, weil ich dich angeführt habe, denn es ist gar kein Gedancke daran daß ich nicht mehr mit dem Winter singe sondern es geht mit vollen Seeglen ein Franziskaner, ein Weltgeistlicher die Mlle Valerie und ich, führen die herrlichsten Sachen auf, wobei die Nachbarschaft ihre Ohren Preiß giebt; denn manchmal ists aerger als in der Judenschuhle. ich hab nur 1 Monat lang nicht gesungen wahrend ich eine Chur brauchte, die sehr zu meinem Besten anschlug und mich fett und rund gemacht hat. ein Geck bist du abermals da Du sagst ich solle mich mit Anna bereden und berathen, ich habe mich mit ihr berathen, und sie hat gesagt, es sey besser daß ich nicht von der Stelle gehe, bis ich alles was ich lernen könne gelernt hätte, ein Geck bist Du abermals, daß Du wegen dem Geld so verlegen bist denn grade weil ich bei dir nichts ausgeben kann, so muß ich mir jezt Luft machen, und da mit ich bei Dir kann sizen bleiben so gebe ich das Getraide weg und behalte die liegenden Gründe ein kurzsichtiger Dümmling aber bist Du, indem Du nicht weißt noch ahndest daß mein Hierseyn ganz unendlich viel Gutes für mich und andre bezweckt, daß sich nicht so leicht wieder in der Welt auffinden ließe. wenn ich dir umständlich auseinander sezen wollte, so würde ich die Post versäumen, kurz also, der Zufall hat mich mit einem Mann zusammen geführt, der eine Nase hat, aber eine Nase die so groß ist, daß wenn man auch mit der innigsten über zeugung | ihrer Größe von ihm geht, man sie immer wieder größer findet wenn man zu ihm kommt, was habe ich aber bei diesem Nasenpeter gefunden? Original briefe von Goete über was? über die Optick. kurz dieser Mensch arbeitet seit 25 Jahren an einem Werck, und seit 6 Jahren als seit dem sich Goethe mit ihm darüber einließ, ununterbrochen aber nicht allein mit tiefem reinen Sinn sondern auch mit dem glücklichsten Erfolg, kurz ein jeder der nicht lügenhaft in sich und Hochmüthig ist muß vor ihm respect haben als vor einem Priester einer Neuen Goettin die er aber in ih802
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rer ganzen Heiligkeit erkennt. Du würdest eine unaussprechliche Freude haben seine Tabellen zu sehen sie sind so glänzend und herrlich daß sie einem den Eindruck eines großen Gemäldes machen, grade weil sie so weise in Harmonie gebracht sind und das schönste ist, daß dieser Mann sich so kurz, Natürlich und Deutlich ohne alle Falschheit und Eitelkeit sich gefast hat, daß man in Zeit von 3 Wochen alles einsehen kann, was er in diesen 25 Jahren mit ewig anhaltendem Eifer geschrieben, nun aber hatte er an Goethe eine lange Abhandlung geschrieben, worinn er seine Dermaligen Erfahrungen ihm auseinander sezte, zugleich mit einer Demuth die selten ist, sich ihm ganz unterwarf besonders in Hinsicht der Erklärung und Erläuterung, nur er wollte die Erfahrungen her geben, und Goethe, sollte sie ans Licht sezen, mit seiner reinen Sprache, auch wollte er gar keine Ansprüche | Ansprüche auf den Ruhm des Werkes haben, eine solge Verläugnung trifft man selten an; Goethe dem es wahrscheinlich noch für seine damaligen Erfahrungen nicht paßte, schrieb auf diese Abhandlung an Jacobi in der Meinung dieser muste mit einem Manne von solger Wichtigkeit bekannt, er wollte nur eigentlich von des Mannes Wesen und Planen über die Publizität des Werckes genauer bekannt seyn, Jacobi aber der ein President der Faulen Academie, aus Faulheit ist, hat aus Nachlässigkeit und Faulheit diesem Manne kein Wort davon gesagt, dieser dessen ganze Glückseeligkeit davon Abhing glaubte von Goethe nicht geachtet zu seyn, und arbeitete niedergeschlagen aber mit unendlichem Eifer 6 Jahre bis er so weit war daß er nicht weiter konnte, erst mehrere Jahre nachher erfuhr er durch andre Menschen was Goethe an J: geschrieben hatte, nun gab er sein Werck an die Academie, nach einem Jahr begehrt ers zurück, es war nicht ein mal angesehen worden, viel weniger ans Drucken gedacht. jezt hat ers ins Französische übersezt und wills obschon wieder willen der Parieser Academie geben. wie ich zu ihm kam war er so voll Freude, daß es eine Menschliche Seele gäbe die sich dafür interesiert, daß er den Augenblick mir die ganze Wissenschaft alle Tage meines hier seyns vor tragen wollen. jezt will ich dir sagen, ich werde am Ende dieses Monats (aber eher nicht, ganz gewiß nach Landshut kommen aus keiner andern Ursache als weil ich mich sehne bei Euch zu seyn, nicht weil ichs bei Euch nicht aushalten kann; Naseweise indessen werde ich an Goethe schreiben, wegen diesem Manne | werde auch an den Fürst Primas darüber schreiben, werde den Jacobi bei beiden so auch die ganze Stinkfaule Academie herunter machen, werde noch recht viel Geld ausgeben, und dann zu Euch kommen 803
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Der ich verbleibe ein ganz kurioser Kerl welcher sich sehr verwundert hat daß die Marie einen Buben hat. Bettine glaube nur nicht daß ich zu viel ausgebe, oder viel mehr unnöthig ich komme mit dem was ich der Moy schuldig bin für meinen Aufenthalt, grade mit hundert fl: Monatlich aus, und Frz hat mir geschrieben daß ich dieß ausgeben kann, was ich nun schon vorher ausgegeben habe bringe ich durch meinen Aufenthalt bei Euch wieder ein.
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 14. August 1809, Montag
Ich hab mit Anna gesprochen; wenn sie nach Landshut geht, so komme ich mit, dieß wird aber erst im Anfange des nächsten Monats geschehen, weil sie eine Chur gebraucht die nicht zuläßt jezt München zu verlassen; indessen muß ich der Gundel versichern, daß ich nicht nur, gar nicht kranck bin, sonder viel gesunder als je, und auch so aussehe, dieß ist nur eine falsche Nachricht was sie ängstiget, und meine Absicht ist durchaus keine Ruhe zu haben mein leben lang, ihr müst nicht dencken daß ich auch nur ein 4tel Jahr irgend wo seyn kann wo ich mich nicht weiter bringen kann, ich müste ja der gröste Narr seyn, wenn ich auf einmal aufhören wollte, nach dem ich mir so viel Mühe gegeben habe, ich will nicht Singen lernen, um singen zu können, sondern um ewig im Gesang zu leben äuserlich (im Ruhm) und innerlich, (in meinem Gefühl.) dazu gehört aber ein ewiges Studium, und wer mir hierin wiederspricht, der hat ein Feiges Einsehen in die Kunst, und in die Convenienz. Wenn Gundel das Seidne Tuch nicht will für 19 fl: so soll sie es mir zurück schicken, ich wuste daß sie längst schon, einen kaufen wollen, und glaubte, daß dieser schöne und wohlfeile ihr angenehm seye, ich hab ihn schon gekauft und kann ihn nicht zurück geben, allein weil er so wohlfeil ist, kann ich ihn wahrscheinlich verkaufen; Adieu lebt wohl die Post geht ab ich grüße Euch und die Kinder. Bettine An Herrn Baron von Savigny abzugeben bei Herrn Tiede Mann Landshuth 804
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 19. und 22. August 1809, Sonnabend und Dienstag
Liebe Bettine! Gestern erhalte ich einen Brief von Clemens aus Halle, daß er schon acht Tage dort vergnüglich zugebracht, daß Du Lust gehabt hättest mitzugehen, daß er Dich noch abholen wolle, frägt mich, ob er direckt nach Berlin kommen solle oder ob ich nach Halle käme, kurz der Brief ist so voll riesenhafter Reiseplane, daß ich am Abend, wo eine grosse Probe von ein Paar Komödien abgehalten wurde, beynahe meine Rolle vergaß. Ich antwortete ihm, ich würde ihn hier erwarten, sein Zimmer sey immer bereit. Er muß sehr geschwind gereist seyn, da Du in Deinem letzten Schreiben noch meinen Rath wünschest, ob Du die Reise unternehmen solltest, der also überhaupt zu spät Dir zugekommen wäre, wenn ich mir auch keine Paar Tage Zeit zur Ueberlegung genommen hätte. Wirklich muste Dich mein letzter oder vielmehr vorvorletzter Brief, (bey dem letzten war Göthes Bild und die Medaille für Grim) überzeugen, daß ich eigentlich wenig Rath dabey wuste, nur glaube nicht, daß ich darum weniger fühle, wie viel schöne Stunden wir versäumen. Seit Du mir | gesagt, daß mein Brief erbrochen gewesen, bin ich im Schreiben wie gelähmt; wer hat sich so unverschämt in unsre Bekanntschaft gedrängt?
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Meine Komödien, die Theaterprobe und der Wirrwarr, habe ich mit vieler Lust durchgespielt, nach Gefallen improvisirt, kurz ich fühlte mich frey und furchtlos wie ich die Bretter betreten, im ersten Stücke spielte ich im schwäbischen, im zweyten im sächsischen Dialeckte, hatte mir ein ganzes Runzelmagazin ins Gesicht gemalt, eine sonnenartige Perucke darauf, einen alten weiten Dragonerrock und kleines dreyecktes Federhüthle. Die Proben verleiden mir aber die Widerholung dieses Spasses, mir wurden die Worte zuletzt so lang im Munde, daß ich sie kaum heraus^bringen konnte, wir musten sie oft mit Tanz und Jubel unterbrechen, um nicht einzuschlafen. Drey mitspielende Mädchen waren wirklich recht schön, eine davon meine Tochter im Stücke, die ich mit allerley väterlicher Liebe bey der öffentlichen Aufführung heimsuchte. Nun genug davon; Dir kanns | nicht eben merkwürdig seyn, mir aber, weil es nach ein Dutzend einzelnen Versuchen, in Schauspielen auf^zutreten, zum erstenmal mir wirklich zustande kam. Heute war ich auf einem grossen Schiessen mit Mappes aus 805
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Mainz zusammen; er nannte sich Freund eures Hauses, es war seine Frau, zu der der kleine, bucklichte Docktor immer gerufen wurde, er selbst war auch mehrmals zu jener Zeit in der Gegend, seine freundliche Natur und die Weine, die er uns aus der Gegend von Winkel vorsetzte gefielen mir sehr wohl, es fiel mir so manches ein, ich bin oft ein sehr thörigt unstäter Geist gewesen, wenn ich Göthes Generalbeichte lese, finde ich mich als den ärgsten Sünder. Wie ist es jezt möglich, daß Du nach Halle kommen kannst, nun Clemens fort ist? Wo kann ich Dich sehen und wie, du sagst, daß Du ohne mein Begehren nichts thun wolltest, ich will Dir Blankets auf mein Begehren ausstellen. Es ist mir zuweilen, als sollten wir beyde zusammen in alle Welt gehen, | aber wo liegt alle Welt und fast ermüde ich. Passte ich in irgend eine bürgerliche Ordnung und könnte eine Frau ernähren, so könnten wir uns wie andre ehrliche Leute dreymal aufbiethen lassen, Gäste laden, kochen und backen und heirathen. Ungeachtet wir einander noch nie vom Heirathen vorerzählt, womit andere sonst anfangen, so meine ich doch, daß Dir so wenig wie mir der Gedanke sehr fremdartig ist, wenn ich es gleich mit grosser Verwunderung vor mir geschrieben sehe. Es ist ein eigen Ding mit der Vernunft, die fast nur darum sich umsieht, das Vergangne zu bedauern die Zukunft zu fürchten, für die Gegenwart aber keinen Rath weiß. Ich habe neulich in der Bibel alle Stellen nachgelesen, die vom Heirathen handeln, es ist alles im wunderlichsten Widerspruche, bald wird es gerathen, bald abgerathen, ich meine, daß da den Menschen viel zur Ergänzung überlassen. Da | ich nun als einer bürgerlichen Einrichtung grosse Achtung davor hege, so las ich im Landrechte darüber weiter nach, da fand ich aber nichts als die wunderlichsten Definitionen, hätte ich das damals gewust, wer weiß ob ich meinen Hollin umkommen lassen, weil er gegen die bürgerliche Ordnung gesündigt. Novizen müssen erst ein ganzes Probejahr probieren ehe sie mit einem so guten Manne wie Christus verlobt werden; da meine ich nun es wäre eine durchaus zweckmässige Einrichtung, wenn die Menschen einander erst zur Probe heiratheten, wie sie sich mit einander vertrügen, z. B. auf vier, acht, sechzehn Wochen; weise den Vorschlag nicht so von der Hand, in bessern Zeiten könnten wir einmal ernstlich daran denken. Wer weiß, wenn Du mich jezt wiedersähest, ob Du mich noch leiden könntest, vielleicht hab ich mich sehr verändert. Nun leb recht wohl und schreib mir Deine Betrachtungen, ich lese in allen Büchern übern Ehestand nach. Achim Arnim. 806
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An Fräulein Bettine Brentano Abzugeben zu bey H. H. u P von Savigny Landshut frey Leipzig in Bayern
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 20. August 1809, Sonntag
Lieber Savigny! Heß hat einen Brief von Boisseret aus Köllen bekommen, der ihn bittet einem Zeigner, welchen er nach Köllen kommen läst 6 Carolin Reiße geld durch Dich vorstrecken zu lassen, wenn Du nehmlich die Güte haben wolltest, er sey Dir ohne dem noch etwas Geld Schuldig, und würde daher alles sogleich in Franckfurt abzahlen lassen. er rechnet aus alter Freundschaft ganz sicher auf diese Gefälligkeit, du must aber gleich antworten, weil der junge Mensch gleich reißen soll. Adieu ich sehe mit Sehnsucht dem Tag entgegen wo ich zu Euch komme, und zu gleich bekümmert michs daß die Zeit in der ich noch zu lernen habe, so schnell vergeht, wenn man sich einen Begriff machen könnte wie schwehr und immer schwehrer das wird was man lernen will Bettine
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An Herrn von Savigny bei Hrn Tiedemann in Landshuth
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*632. Von Friedrich Carl von Savigny nach München Landshut, 21., 22. oder 23. August 1809, Montag–Mittwoch B an Friedrich Carl von Savigny, 24. August 1809: Deine Quittung hab ich erhalten 〈…〉 Die Adresse von Clemens weiß ich nicht bestimmt (Nr. 634,1+9).
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Von Joseph Janson von der Stockh nach München Augsburg, 23. August 1809, Mittwoch
Ein Mondschein unter schwarzen Wolken ist iedesmahl Ihre Rede, Wolken können nicht selber leuchten, erscheinen bloß als Nebelflecken im Licht, und können sich nicht beklagen, daß sie schwarz erscheinen, wenn der Mond scheint, sie würden ia sonst gar nicht gesehen. Wohl ists eine Lust, wenn ein gutes Gestirn über uns aufgeschlossen ist, und der Mensch hat eine Halt, an den Lebendigen, da bey den Toden ohnedem keine Hülfe. Seytdem es ärmere Leute giebt als ich möchte ich gerne nicht mehr reden dürfen, von meinen Spielzeug, und Hausrath; den ich mir in dieser Zeit erworben, die ganz dürren Tage werden seltner, und die finstern December Nächte heller, grün sind einige Plätzchen in meinem Gärtchen, Hoffnung pflanz ich dort, Lieb und Glauben schütz es vor den Tod, In der Nacht da tretten Träume um mich her, und die zeigen vorwärts, einen Feind, der mich in häßlicher Gestalt verfolgte fieng ich, und verbrannte ihm den Stachel. Lustig leb ich unter Tag, hoch erhoben auf Haus, über allen Häusern sitz ich in den Schornstein, der zum Sitzen eingerichtet ist; Alle Läden mach ich auf, die Jungfrau Windrose sizt neben mir, und der Magnet der immer mit dem Kopf wackelt, mit den Zünglein spielt, wunderlich ists unter den Bildern des Himmels, in den Wogen des Windes, neben den Regungen der Schlange die uns in der Mitte durchborth hat, und worüber die Aeols Harfe bitterlich weint und klagt. Es ist ein Frevel wenn der Mensch der keine gute Brust hat sich ins lebendige Wasser stürzt, das nur den hochathmenden trägt, auswirft den Toden, und der Fäulniß keinen Raum giebt, ich habe Ihre verhängte Strafe verstanden, sie ist gerecht, denn seelich sind die Einfältigen sie werden | Gott anschauen, und wohl denen, welchen dieser Platz recht ist. Den Faust unter den Färbern, empfehle ich Ihrem Wohl nicht Ihrem Wehe wollen, So leb ich gern in der Freyheit unter Ihr Aug tretten zu dürfen, und zu trinken auf Ihre Gesundheit, mein Schicksal will ich wohl bannen. Leben Sie wohl, und halten Sie Wort nicht zu verachten, auf Ihrer schönen Wohlfarth, nach einer mir unbekannten heilig〈〈en〉〉 Stäte das schwarze 808
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Paternoster Kreutzlein, das an Ihrem Rosenkranz sich hängt.
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A Mademoiselle Mademoiselle Bettine Brendano de la Roche a log: chez M: chez Munik Moy. franco
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 24. August 1809, Donnerstag
Lieber Alter! Deine Quittung hab ich erhalten Das Seidne Tuch ist aber noch nicht angekommen. Anna kann vor den 1sten 3 Wochen nicht nach Landshut kommen wegen ihrer Gesundheit, es kömmt nun auf dich an, ob Du wünschest daß ich ihre Abreiße erwarten soll, um sie dadurch zu binden, daß sie mitgeht. sonst käme ich allenfals den 5ten oder 6ten nächsten Monats mit Stranzkys. Von Arnim und Goethe seit so langer Zeit keine Nachricht. ich verzweifle Die Adresse von Clemens weiß ich nicht bestimmt ich denke ans Reichardische Hauß in Halle Bettine
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An Herrn Baron von Savigny bei Hrn Prf: Tiedemann Landshuth
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 25. August 1809, Freitag
Ach ich bin des Treibens Müde Süßer Friede Komm ach Komm in meine Brust! 809
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Ich war bei Heß, dieser Danckt Dir recht sehr für deine Gefälligkeit; wird sie aber nicht benuzen, indem D’allrami ihm von selbst die 6 Carolin angebothen hat, wenn also der Zeichner reißt, so bedarf er weiter nichts. Die Sonn scheint, der Pfaff greint, alles geht launig bei mir Durcheinander, ich mögt, ich mögt gradeswegs hinreißen, und ihm mit Gewallt die Kälte aus dem Herzen reißen; ihm, und Ihm; Alter ich halte keinen Bestand mehr; denn eins hab ich wahr genommen: wo Das Zeitliche ins ewige übergehen soll, da wirds gewöhnlich sodünn daß es abbricht; siehst Du nicht ein, wie mirs geht, fern von Kindern, die dem Herzen so theuer sind und von Deiner Gundel; wie könntest Du auch nur einen Augenblick an die nichtige Gelehrtheit des Lebens Denken. Ich habs aber gekönnt ein halbes Jahr lang hab aber auch die Starrsucht davon bekommen in Herz und Kopf, kann keinen freundlichen Gedancken mehr dencken, und kann keinen ruhigen Herzensschlag mehr fühlen; eins ist wahr, ich muß mir nur eine kleine Erquickung holen, und dann will ich wieder Ruh haben, denn es ist nun einmal so, Gott der Herr hat mich geschaffen, daß ich alle Zwei Jahr zum wenigsten aus einem frischen Quell Trincken muß, um nicht zu verdürren. Das Seidne Tuch ist angekommen. Bettine 1v
in 8 Tagen bin ich bei Euch.
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〈quer zur Schreibrichtung:〉 An Herrn Baron von Savigny bey Hrn Prf: Tiedemann Landshuth
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 25. August 1809, Freitag
Seit langer Zeit – wo ich wie eine Schnecke in meiner Wohnung verkrochen war, ist mirs wieder einmal Geschehen, daß ich einen späthen Abend im Freien zubrachte daß ich mit dem Mondschein wieder einmal zusammen kam, es war am Canal von Nymphenburg, ein Lustschloß des Königs, dieser Canal ist von den Türcken gegraben worden 810
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wie sie hier in Gefangenschaft lagen, dort hab ich eine 4tel Stunde, im Nacht^Thau gelegen hab den Sand durch meine Hände laufen lassen; – Aber der Canal ist kein Rhein, da begleitet einen kein Arnim, und man läst den Schwehrmüthigen Gedancken, leichter Raum, wir brachen auf und sangen das bekannte Lied aus dem Opferfeste; Auf, ihr Krieger zieht von Dannen, in die friedlichen Cabanen, wir kamen in die Stadt; und Die Nacht brach recht Traurig alle fromme Strahlen des Mondes, in den Straßen. Ich bin einsam! bei Nacht wie bei Tag; der Arnim schreibt mir nicht; läst nichts von sich hören, meint wohl es wär gut so; – ich muß mir andre Sitten angewöhnen; ich muß Stumm werden wie die Kinder, und muß in eine Ecke sehen, nicht fühlend was um mich her geschieht, denn wenn ich auch Ansprache halte; es antwortet mir keiner; – hier sind keine lieblichen Gärten, kein grünes Thal, kein Berg, kein Baum, kein heimlicher Pfad, keine Sommer^luft; – Ihr Erinnerungen aus lieberer Zeit, wenn Ihr mir nicht leuchtet – dann ist es wahrlich in Baiern Nacht. – Manches Gute erkennt der Mensch aber es stehet so fern, und das macht die Sehnsucht so schwehr, daß | daß mans nicht erreichen kann; so manches Kettet sich an Uns und erschwehrt, und erleichtert das Herz, aber wessen man sich gewöhnt, daß will man immer behalten; umsonst sucht man oft in Der Irre, was man einmal verlohren, und man wird des Suchens nicht müde, aber des Weges den man wandert, und was wir erblicken, das verliehret den Glanz, und die Erde, und alles schöne wird matt wir aber legen das Haupt nicht nieder um eine Stunde zu ruhen; so viele Quellen ströhmen Kühl, aus dem frischen Erdboden, aber dem Heisen Verlangen des Herzens welkt alles. – Ach wie Durstig; Arnim, kann man seyn, ohne Trinken zu wollen; – Ich wünsch mir eine Stunde zu deinen Füßen zu sizen in stiller Ruhe; ich wünsch mir einen friedlichen Abend, meine Hand in die Deine zu legen. Bettine Der Rumohr läst dich grüßen, er sizt bei mir und mahlt Winterlandschaften, alte Schlösser, die im Morast versincken Schwalben die weiter^reißen, Wolken die gegen den Wind ziehen; Berge! Berge! die in der fernsten Ferne verschwindend Ahndend, in ein besseres Land schauen; er raisoniert mit mir, er Trinckt einen guten Schnaps bei mir er behauptet, gegen mich, Du seyst doch der beste, unter vielen vielen die er kenne; das laße ich dahin gestellt seyn nehmlich, dahin als Mo811
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nument meines Herzens, daß auch unter vielen, vielen dir auch das beste ist. – soeben komme ich aus dem Opferfest von Winter, es wird hier sehr gut gegeben, weil es des alten Eisbaeren sein Triumpf ist. ein Junger Mensch der zum erstenmal in seinem Leben auf trat, in der Rolle von Murnay, machte mich durch sein ganz ausgezeignetes Talent, fürs Theater staunen er spielte nicht wie ein guter gelernter Schauspieler, sondern, wie man nicht besser kann, kurz! so gut, daß er alle Ilusion, die seit Jahren aus diesem Stück verbannt ist, wieder herstellte. Der Alte Winter hat mir versprochen auf 4 Wochen, und länger mit mir nach Landshut zu gehen, da wollen wir auf dem schönen Schlosse alle Abend die Psalmen singen daß es weit in den Wald erschallt, daß Die Laubfrösche sich unter unsern Fenstern versammlen; Ach könnte meine Stimme nur einmal Dein Ohr Treffen, dann wollte ich gern für lange Zeit, für immer still^schweigen, ich weiß nicht; ich mache mir so viel aus dem Gesang, und wenn mir plözlich im Eifer einfällt, daß du doch mir noch werther bist dann wird meine Stimme schwach, ohne Energie; der Capellmeister sagt oft, von dem Launigen Wesen, daß ich so nichts lernen würde, es kommt davon her daß ich mich im Singen nach deinem Bilde wende, was in der Ecke meines Zimmers hängt, so daß es zum Fenster hinaus sieht; unter allen | Menschen die ich Täglich sehe, athmet dieß allein eine reine frische Luft, allein! »die Blicke so gelinde, sind von mir abgewandt, und wenn ich auch hundert mal singe: Wenn mir dein Auge strahlet; es strahlt mir doch nicht – wie glücklich wär dießer Herbst wenn Dieser Herbst Uns beide, mit einem Blick ansähe. aber so muß ich den kalten Regen langweilig vom Dache nieder rinnen sehen, während Du in den lezten Sonnenstrahlen herumwandelst, und die Dürren Blätter vor Dir hin rauschen, hab ich Wind, hast Du Regen, geh ich Durch den Koth; wanderst Du durch den Sand; friert es mich daß ich alle Fenster und Läden zu mache, und mich heimlich, mit dem Wintergarten, und einer kleinen Kaze ins Ecke seze, so stehst du mit offner Brust am offnen Fenster, läst dir die frische Abendluft durch die Locken wehen, siehst die Sterne und das ganze Firmament, mit den röthlich wandernden Wolken; Dein Genius bewegt schweigend die Fittige und bist in dir herrlich, wie ich dich vor mir sehe; ein Dichter, während ich auf dem Angesicht liege, und weiß nicht warum ich weinen muß, ja solche Stunden giebt es; dein Wintergarten, ist mir das liebste, was ich hab unter all meinem Eigenthum, dann hab ich noch Haare von Dir die Du einmal sehr laconisch in mei812
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nem Zimmer abgeschnitten | sie haben aber keinen Glanz mehr, sehen so Tod aus daß sie mir Leid thun; – Grimm ist seit 4 Wochen alle Tage zu mir gekommen und hat mich gezeignet in verschiedner Wendung und Gestaldt, mit einem einzigen Wollnen Schwal hab ich ihm Juden Türcken Heiden und Cristen vorgestellt; er hat ein ungemein Gutes Gemüth, sein Lehrer Heß ist durchaus mit ihm zufrieden, er hat ein Buch weis Papier von Dir, worinnen Du ihm ein Lied hinein geschrieben, er hat es zugeklebt damit es nicht schmuzig werde, mit dem Buche geht er Abends ins Feld, und zeignet die Bauernknaben (denen er einen Kreuzer giebt) und die Lämmer, und die Bronnen, pp was er so sieht, alles drinn ab; – Ich bitte Dich sehnlichst mir zu schreiben. auch von Clemens von dem ich nichts mehr weiß, auch nicht wohin die Briefe Adressieren für ihn; manchmal glaub ich du kömmst, weil Du nicht schreibst, aber Nein ich kans nicht glauben es ging mir dann gar zu Gut, auf der Welt, während es den andern allen übel geht. Beiliegende kleine Landschaft von Cöllen hat Rumohr für dich gezeignet, während ich schrieb; Meline war mit Franz und Tonie in Cöllen, und hat uns von dort die traurige Nachricht geschrieben daß der älteste Boisseret einen Anfall von Wahnsinn bekommen, von dem man ihn jedoch zu Curieren hofft. in diesen Tagen reist ein sehr geschickter junger Zeigner dahin ab um den Dohm für Boisseret zu Copieren wenn es sich mit seiner Kranckheit | nicht wendet, so wird auch daraus nichts. von Goethe höre ich gar nichts, ich habe ihm vor 6 Wochen das Portrait von Dürer geschickt, ich weiß nicht einmal obs bei ihm angekommen wenn Du allenfals zu Clemens nach Halle gegangen, so wärst Du nahe genuch dich darnach zu erkundigen. Es gehe Dir Wohl auf Erden, jedoch ohne daß Du mich vergessest. Aber ich behalte Dich immer lieb – Die Götter bedürfen meiner nicht, aber Deiner um meintwillen, ich hab sonst nichts, ich bin sonst nichts Bettine
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*637. An Joseph Janson von der Stockh in Augsburg München, vmtl. erstes Drittel September 1809 Joseph Janson von der Stockh an B, 15. September 1809: Daß Sie nicht böse sind, und nichts übel genommen haben von den einfältigen, hat der College Best, durch seinen überbrachten Brief bestätigt, ich hätte ihn beynahe angepackt vor Freude 〈…〉 Daß der Klotz närrisch seyn soll hat mich nicht gewundert (Nr. 647,1-3+36).
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar München, 1. September 1809, Freitag
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Da oben ist Cöllen, wo ich vorm Jahr um Diese Zeit so fröhlich war, mit vollen innigen Gedancken an Dich; Damals versprach ich mir wohl, bei jeder neuen schönen Aussicht, Dich vorzüglich immer im Herzen zu behalten Du bist ja auch Der Spiegel, der alle Lebens Strahlen auffängt. Das da oben hat ein launiger Freund hingekritzelt, er geht hier so ganz verträglich mit der Langenweile um, und bejamert, mit aufrichtigem Herzen, Die Zeit, die wir mit einander an dem Rhein zubrachten. Aber hier jagt der Wind schon manches falbe Laub von den Aest〈〈en〉〉 und mir die kalten Regentropfen ins Gesicht, wenn ich frühe, wo noch 814
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kein Mensch des Weges geht, durch die feuchten Alleen des | Hofgartens wandre. denn die langen Schatten des Morgens sind mir bessre Gefährten, da mir ganz Sinnloß deucht, was hier das Treiben des Menschengeschlechtes ausrichtet. – Aber Mir hat sich auf den Weg gestreut gleich einem auserwählten Ritter der Tafelrunde, gar manigfaches Ebentheuer, auf so unlustigem holperichem Wege; bekannt bin ich geworden mit den Dürren Geistern Der Zeit, mit Ungeheuern verschiedner Art und wunderbar haben mich diese Besessnen in ihr träumerisch Schicksal gezogen; aber nicht hab ich erblickt, wie bei Dir; da von heiliger Leyer, mir frisches Grün entgegen glänzte, und nicht hört ich, wie bei Dir, dem unter den Füssen silbern der Pfad tönt, als der auf Straßen Apollons wandelt; Und wenn Jacobi seine Psyches-Flügel schwingt um sein Wesen dem All auf Sonniger Bahn, entgegen zu tragen, so bleib ich dabe〈〈i〉〉 daß in warmen Schatten ein süßer Schlummer, mir die wahre Seeligkeit ist, und wenn Schelling endlich das positiv Böse erkennt schwehr athmend einen neuen Traum darüber beginnt; so bitt ich; reiche mir ein Freund, den Becher voll duftendem Feuer, daß ich die Seeligkeit in mich trinke, und nichts nach andrer Weisheit frage; Wenn aber Baader; siehst Du, mit ungeheurer Vielgesprächigkeit mir beweißt, doppelt und dreifach, alles was ich entbehren kann in Dieser Welt; – Diable dann wird mir das Zuhören sauer, und mit zugedrückten Augen, frage ich mit heimlicher Stimme; Wo sind die Freunde? wo sind die Gefährten? mit denen ich gewöhnt bin des Herzens Meinung zu wechseln, mit denen ich gewohnt bin zu lächlen, in ver | vertraulichem Gespräch; den eignen Geist in der Seele fühlend. Noch gedencket mir wohl dagegen, wie mich einst schweigend begeisterte ein Blick aus schwarzem Auge – Deine Mutter sagte mir damals: Mein Sohn war Schön. Ich weiß nicht was Euer Sohn war; Aber ich bleibe gern Einsam, da ich im Herzen, im treuen, Göttliches Andencken von Ihm Bewahre; Ach! wer Darf frei sprechen, wenn Die Worte den Himmel deuten sollen. Franz Baader, der nach Böhmen nach seiner Glas^fabricke gereist ist, hat mir beym Abschied, beigepackte Abhandlungen für Dich gegeben und mich zugleich gebeten, dich seiner innigsten Achtung zu versichern er hat mir dabei mancherlei aus seinem Leben erzählt, wie er in Schottland zum Beispiel, gar Gefahrvolle Reißen gemacht, in einem winzigen Nachen mit deinem Egmont, im Meer zwischen Klippen und Inseln hin und hergeworfen, wie er mit den Meerkazzen fechten müssen, wie Nacht und Sturm ihm alle Lebens Geister ausbließen, und er mitten in der Noth nur immer deine Bücher zu retten gesucht. Siehst 815
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Du! so treibt dein Geist auf allen Pfaden des Landes wie des Wassers, und er zieht von der Quelle an, fort mit dem Strohm bis wo er sich ergießt, und so ziehen mit, die noch fremden Ufer, und die blaue Ferne, sinckt neigend zusammen, vor deinem eilenden Leben, und es sehen die Wälder Dir Nach, und die vergoldende Sonne schmückt die Berges^spizen zu deinem Emfang, es feiern Aber im Mondes-Glanz, dein Andencken, die Silberpappel, und die Tannen am Weg, die deiner Jugend reine Stimme gehört; Gestern hab ich von Arnim, dein Bild erhalten, sehr ähnlich – und es blühte mir Dein Gedächtnüß schnell auf. – was kann ich weiter sagen – es verlangte mich sehr wieder einmal | einzukehren bei Dir noch ein aegyptisches Ungeheuer ist mir hier auf feuchtem Boden Baierns entgegen gekommen, und nicht wundert mich daß seine trockne sandige Natur hier verfault, es ist Kloz von Farben verfolgt, gepeinigt, gezwickt gemartert, endlich unter der Gewalt ihrer Geister erliegend, sein 25Jähriges Werck endend. Ägyptisch nenne ich ihn weil erstens, sein Antliz wie von glühenden Harzen geschmiedet, zugleich eine ungeheure Piramide darstellt, und zweitens weil Er in 25 Jahren mit auserordentlicher Anstrengung, sich nicht vom Plaze gearbeitet hat; ich habe aus Christlicher Milde, (und zugleich um Dir, als welcher nach Klozens Aussage einer Entschuldigung bedürfte, Gerechtigkeit wieder^fahren zu lassen) mir gefallen lassen, sein ganzes Manuscript anzuhören. Nun kann ich mich freilich mit was ich von ihm erlernt nicht breit machen indessen eins muß ich sagen: es vermag nehmlich ein Knecht nicht, nachzuahmen das Bild, von der Gottheit, und so sind seine Reden ausartend in irdische Rätsel, die nicht der Mühe lohnen sie zu lösen; am meisten klagte er mir, Daß Du ihm auf einen Dehmüthigen, aufrichtigen Brief von ihm, keine Antwort gegeben, ich aber tröstete ihn Damit, daß Du mir auf einen bittenden liebenden Brief auch keine Antwort gegeben; und so war es gut, ich konnte dem armen Manne nicht begreiflich machen daß er die Perlen mit den Kleyen gemischt und daß wahrscheinlich beides zusammt von den Schweinen gefressen werde. er hat mir eine Tabelle die mir ungemein wohl gefallen, geschenkt, ich aber | wollte sie Dir schicken, weil sie wircklich wunderbar schön anzusehen, indem er sie noch etwas verschönern wollen, hat er sie ganz verdorben, daß sie nichts mehr Taugt Jezt hab ich noch eine geringe Frage, aber sie gilt mir viel, denn sie soll mir eine Antwort eintragen; Nehmlich: Hast Du das Portrait von Albrecht Dürrer, welches ich schon vor 6 Wochen an Dich abschicken 816
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lassen, erhalten, wo nicht so bitte ich, lasse doch in Weimar, an Dem Ort nachfragen, wo die Fuhrleute ihre Güter hinbringen; wenn Du nicht, so antwortet mir wohl die Gute Frau, die ich herzlich grüße, und sie bitte meiner nicht zu vergessen damit ich einen stehten Mittler habe, bei Dem den ich lieb habe, unter der Sonne; auch von unserm Sohn von dem ich seit langem nichts gehört hab, mögte sie mir ein paar Worte schreiben, ich würde es ihr recht sehr Danck wissen. Es geht aber eine Sage unter dem Volk, das bald eine Erscheinung seyn werde; sie soll Wahlverwandtschaften heisen, und von Dir in Gestaldt eines Romans ausgehen; ich habe einmal einen sauern Weg von 5 Stunden gemacht, nach einem Sauerbrünnlein, daß einsam lag zwischen Felsen, zu Dem der Mittag nicht niedersteigen konnte, Die Sonne zerbrach tausendfach ihre Strahlen^Krohne, an dem Gestein, alte Dürre Eichen und Ulmen standen wie die Todeshelden drum her, und Abgründe in die man da sah, waren keine Abgründe der Weisheit, sondern Dunkle Schwarze Nacht, mir wollte es Dort nicht behagen, daß die glänzende Natur, auch solge | Launen habe, der Athem war mir schwehr, und ich hatte das Gesicht ins Gras gewühlt; wenn ich aber Diese Wahlverwandschaften, dort an der Quelle wüste, gern würde ich den Weg noch einmal machen, und zwar mit leichtem Schritt und leichter Brust, denn erstens, dem Geliebten entgegen gehen, beflügelt den Schritt, und zweitens mit dem Geliebten Heim gehen ist der Inbegriff aller Seeligkeit. jezt aber schließe ich meinen Brief, überhäufe Dich aber vorher noch mit Liebkoßungen, frage nicht ob Dirs behaagt, seze mich nach angebohrner Sitte auf Deine Knie, umschlinge deinen Hals, küße deine Augen bis Du ganz blind bist, und – laße nicht ab, bis der trauliche Abend hereinscheint und alles Gut heist – Du Heil, Frieden, Trost, mir Du Alles was mir ersprießlich ist im Leben. Bettine
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 1. September 1809, Freitag
Du hast mir einen glücklichen Tag gemacht, und ich Dir eine glückliche Nacht, und so kommts daß Wir uns wechselseitig beglücken, aber eins laß Dir sagen, Langsalm oder Kurzsalm, schmeichlend, oder Fluchend, es freut mich nicht daß Du auf die Stirn küßest, wenn ich bei dir 817
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wäre, so wäre es was anders, aber so, wo man oft viel, alles drum gäbe, einem Menschen den man lieb hat, nah zu seyn schmerzt es doppelt, wenn man hört daß andre, unwissend über den Werth, z: B: einen Kuß bekommen, schreib mirs zum wenigsten nicht, wenn deine Rollen Dich zwingen solge Platillien zu begehen, Du impertinenter Jüngling, denn es schmerzt mich etwas dabei, und will lieber nie wissen von dergleichen, auser wenn du den Goethe küssest, dazu wollen wir beide uns gleiche Freiheit gönnen, ach wie ist sein Bild so ähnlich, seit gestern liegt es vor mir, aber lieber Arnim, dein Bild erscheint mir auch um so tiefer in das Herz geprägt, weil du mir die Freude gemacht hast, ich habe es gestern in der Überzeugung daß es jedermann gefallen müsse auch dem Tieck gezeigt, dieser der vom Neid und Mißmuth stets genagt wird, sagte ganz ruhig es gleiche sehr jenem Mezger in der verkehrten Welt den der Ochs schlachte, und er sey dem Göthe zu gut als daß er dieses Portrait ihm gleichend fände, ich gab ihm hier^auf zur Antwort, daß es ihm doch besser gleiche, wie jenes was er von ihm gemacht, und womit er viele junge unschuldige Menschen verführt, den Göthe nicht zu | achten, wie es ihm gebührt, und nachdem ich ihm noch einmal die Hölle heiß gemacht, und ihm anbefohlen, mich und meine Freunde nicht mit seiner verläumderischen Zunge anzutasten, so hab ich mich für immer von ihm entfernt. ich war zwar schon in der lezten Zeit, beinah gar nicht mehr mit ihm zusammen, allein das Mitleid bewog mich doch zuweilen, ihn nicht ganz zu vernachläßigen, er hat es hier so weit gebracht, durch höchst eckelhaftes Betragen, daß man ihn und seine Schwester beinah allgemein verachtet. ich hätte mich über vieles hinaus gesezt da ich aber hörte daß er selbst Savigny der ihm nur lauter große Wohlthaten erwiesen, nicht schonte, und ihn einen dummen guten Narren nannte, so war meine Gedult am Ende. hier steht es sehr traurig die Strassen sind voll von reconvalescirenden Plessierten; ein höchst mattes Geschwäz über Krieg und Frieden, ist das Gespräch des Tages – indessen ist noch nicht verschwohren, daß sich Oestreich noch rechtfertige, es hält zwar bis jezt die einfältigen Augen geöfnet, ohne zu sehen, und stürzt in Abgründe, aus denen es sich nicht heraus zu helfen weiß, allein aus sicheren Lippen weiß man, daß noch lebendige Bilder in hoffnungsvoller Brust grünen, und daß Weisheit sich von den zerstreuten Pfaden sammelt und vereint in einen gemeinsamen Tempel wandert. Sind wir zu verachten, wenn eine Weile der Höchste sein Angesicht wendet? die da in den Gebürgen haben | Tüchtig die Schaufel Gefaßt, und das Korn 〈〈von der〉〉 Spreu gesondert. 818
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Meine Singstunde ruft mich ab, leb wohl ich schreibe dieser Tage mehr, denn vieles wenn ich deiner gedenke steigt mir im Herzen auf, besonders von vieler Liebe zu Dir Bettine An Herrn Baron Achim v Arnim abzugeben bei: Fr: Baron von Labes Viereck No: 4 in Berlin
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, etwa 5. September 1809, Dienstag
Gott bewahre! ich will Euch nicht betrügen, ich komme. Aber Schicksale, Abentheuer pp. begegnen mir auf jedem meiner Tritte, ich kann also den Weg und Zeit nicht bestimmen. wenn Ihr mir nur den Gefallen thun wolltet es zu glauben, so würde ich Euch sagen, daß auf 15000 Köpfen gewiß mehr als noch einmal soviel Speckspanier in Madridt ein gerückt sind. daß große Häupter sich vor solgem Ungeziefer hüten und flüchten, daran thun sie sehr recht; indessen scheint der Wasser held nicht, sich von seinem schwimmenden Holz, bei Verkert auf den Sumpfigen Boden nieder zu lassen, Astolphe von seinem guten Pferde Rabican (das erzeugt ward von Wind und Feuer) getragen Dringt schnell in die Mauern Verkert ein, 10000 Trotel Hosen, (wie Heringe, denen man das Wasser abläßt, und ihre starren floßfedern im Sumpf waden, ihre Köpfe strecken) also strecken diese ihr Gewehr; Albions Glocken leuten! Aber dem ungeachtet, ist Tieck hier auf dem Trocknen sand und kann sein Schiflein keineswegs flott machen, er Tentiert alle Mögliche Wege, mit zwei in jeziger Zeit sehr schüzlichen Gesellen Lug und Trug, so viel ich weiß wird er sich nächstens unter dem Vorwand in ein Baad auf 14 Tage zu gehen, davon machen und nicht wieder erscheinen, dazu wird er die Fr: Wibekind um Geld betrügen. ich habe gehört daß er in der Real schul buch handlung in Berlin seine Werke aufs | neue auflegen läst; ich sehe nicht ein Savigny, warum man 1000 fl: soll grade zum Henker gehen lassen man hat mich versichert, daß wenn man es ordentlich angreift, diese Leute durch Noth gezwungen, mehr thun können als dem 819
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Anscheine nach zu erwarten ist, allein Ich kann und verstehe nicht, wie man es angreifen soll, Tieck verdient keine Schonung, denn niederträchtig ist es gewiß daß er bei aller Gutmüthigkeit von deiner Seite dich und mich, und unsere ganze Familie aufs elendeste verläumdet dencke darüber nach und schreibe mir mit umgehender Post, habt Ihr Briefe so schickt sie mir, ich komme doch heut oder Morgen Bettine 10000 und 8000 vorher macht 18000 daß wird ein Plaisir seyn.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach München Berlin, 5. September 1809, Dienstag
Liebe Bettine! Berlin d* 5 Sept 9. Clemens wäre schon bey mir hätte er sich nicht bei Reichardts den Fuß versprungen, ich meine, es hat nicht viel auf sich, aber er ist gern da vielleicht vor Liebe und ist gern gesehen, Grim wird mit ihm kommen und dann wird meine Wohnung bewohnt seyn wie eine Caserne, ich sehe schon das Laufen durch die Zimmer, die durchkreutzenden Plane, die ganze Gegend liegt mir im Kopfe und ich wähle und probiere, wo ich sie hinführen kann um ihnen den Sand möglich zu verstecken. Es ist jezt ein lustig Lager vor unsern Thoren und während die kriegführenden Mächte ihren Waffenstillstand halten werden hier die kühnsten Angriffe, Ueberfälle u. s. w. gemacht. Die guten Tyroler, kein Mensch auf Erden schiest so gerecht – ich möchte ihnen meine Büchse schenken, so lieb ich sie habe – o ihr lieben Berge, du siehst doch wenigstens die letzten Spitzen im Abendroth; im Monde wo die ungeheuern Ringgebürge sind, was muß es da für Menschen geben, und es ist ein vortreflicher Einfall von der Erde, daß sich vulkanisch noch immer Berge erheben können, wo jezt Flächen sind, so seh ich in der Zukunft mein Vaterland auch mit ungeheuern Bergen bedeckt, die Menschen werden sich dann auch zeigen. Die Buben singen stückweis auf den Strassen in sehr schöner Melodie ein Trauerlied, ein Korporal von neun und zwanzig Jahren zeigt darin seinen Tod an, er bedauert nichts, als daß er nicht mehr lieben kann, auf seinem Grabsteine solle nichts stehen, als Deutschland ist mein Vaterland, ich finde die Grabschrift entsetzlich rührend
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Eben erhalte ich wieder einen so lieben Brief von Dir, den mit Rumors Landschaft, ich schlag mir gegen den Kopf, daß ich meinen Brief nicht früher geschrieben, nicht früher abgeschickt, aber es giebt so Zeiten, wo das Schreiben nicht gnügt, viel mehr ärgert, warum soll von so manchem Gedachten, von so manchem Gewünschten gerade dies gesagt, ausgedrückt seyn. Du denkst Dir meinen Zustand zu reitzend, wenn ich auch zu weilen Abends meinen Rock ausziehe und sehe durch Pistors neugeschliffene Gläser die Jupiterstrabanten und den gehenkelten Saturn, die ganze himmlische Wirthschaft verschiebt sich in ein Paar Stunden so gewaltig, daß ich einige Frauzimmer anstaune, welche die halbdunstigen Plejaden auf den ersten Blick errathen. Was du auch von meinem Dichter^wesen rühmen magst, es erfüllt mich so wenig, und beschäftigt mich so gering, daß ich Abends gern in die nahgelegnen Dörfer laufe, die wirklich viel Reitzendes haben und den Handwerken zusehe, wie sie ungeheure Körbe leer fressen und sich noch darüber als ein Kunstwerk freuen, dann fahr ich mit ihnen Abends nach^hause und freu mich, wenn die Gesellen den Mädchen in den Häusern vorbeyrollend zeigen, wo ihre Schlafstelle, wo der Würzburger wohnt, wo sie alle Tage vorbey gehen, Neulich war ich auf einem ganz dick gedrängten Volksfeste in Stralau, einem Fischerdorfe, die beste Lage bey Berlin, die Kirche liegt fast mitten in der Spree und es wird an dem Tage über Petri Fischzug gepredigt. Eigentlich ist aber der ganze Fischzug, der die Veranlassung zu dem Feste gegeben, für die Menge ein Hören^sagen, | er geschieht vor Sonnenaufgang, jeder aber denkt, was er an Fischen bekömmt sey an diesem segensreichen Tage gefangen, dem die Prediger eine besondre Fruchtbarkeit aus langbestätigter Erfahrung der Kirchenbücher zuschreiben. Die wenigsten Menschen finden Platz auf den eilig rück und vorwärts rudernden Gondeln, Kähnen, grossen Schiffen, alles wird benutzt, aber die meisten kommen doch zu Fuß und zu Wagen und das Gedränge dieser Wagen, von denen die meisten 12 Menschen tragen, ist so groß, daß ungeachtet ein Stadtthor zur Einfahrt, das andre zur Ausfahrt bestimmt, doch fast immer langsam gefahren werden muß. Die Wirtshäuser können die Gäste durch aus nicht bewirthen oder fassen, der ganze Kirchhof ist mit Marketendern und Zelten bedeckt, Aecker, Wiesen und Wald zeigen allerley Feuer von Leuten die ihre Gerichte mitgenommen und dort aufwärmen, nur an den entferntesten Punkten ist Platz zum Tanze, da wenigstens 40,000 Menschen dort umherstreifen, da sieht man aber auch sechzig, siebzig, die der Zufall zusammengewor821
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fen, Katz und Maus spielen, Walzen. Am Wasser ist ein beständiges Geschrey Alleweile, Alleweile von den Schifferbuben die ihre augenblickliche Abfahrt anzeigen, denn es geht immer kreutz und quer wie | am Webstuhle, wo Damast gewebt wird, nach drey Richtungen Stralau, Trepto, Rummelsburg, so daß immer einer der Namen dazu und dagegen erschallt, wobey wohl zu merken, daß Rummelsburg in der Volksempfindung eine Art lächerliche scandalöse Bedeutung hat. Die Nacht war kühl aber prächtig, die Feuer rings an der Kirche, die Leuchtkugeln an den Gärten und das Geschrei über die ganze Ebene, womit die Kinder noch ein Stück ihrer Lust mit zuhause nehmen und bewahren wollten, es war wohl ein Triumphzug über das listige Volk der Fische über deren scheue flüchtige Haufen mein Ruderschlag in dunkeln Wellen hinrauschte Abends. Bey einem Bekannten tanzte ich im Dorfe bis Morgens früh in einer Gesellschaft, als die Welt hell war jagten wir auf dessen offnem Wagen in die Stadt, daß die weissen Mähnen unsrer Pferde wie die Sonnenpferde vor uns aufstiegen. Aber so gut wird es einem nur selten, und ich muste Dir doch ein Wort davon sagen, wie man wohl ein Stück Kuchen den guten Kindern vom Kindelbier mitbringt. – In unserm Hause ist jezt viel Kindergeschrey, die Pistor hat zum Frühstück | in voriger Woche eine völlig rothen Buben geboren, es geht ihr recht wohl dabey. – Mein Garten ist in seinem höchsten Glanz, ich kann Rumor nichts andres als Dank für seine Cöllner Zeichnung schicken, als eine Bezeichnung desselben, da kein Pinsel ihn erreichen kann, so hab ich es ganz aufgegeben, ihn zierlich zu malen, der Stuhl in der Laube ist blosse Idee, bis jezt steht keiner darin, ich stelle mich zu weilen wie eine Statue hinein und beschaue den Farbenreichthum. Und doch möchte ich zur Weinlese an den Rhein – Boisseret und Löw haben mir sehr leid gethan, es gehen viel Bessere drauf. Hein v Kleist, der Herausgeber des Prometheus ist in Prag bey den barmherzigen Brüdern gestorben, Seckendorf bei Linz gefallen. – Ist der Gypsgöthe noch nicht angekommen? – Viel Grüsse an Grimm, er soll mir nur dein Gesichtchen nicht zu klein radieren, daß ich es küssen kann. Achim Arnim. An Fräulein Bettine Brentano Abzugeben bey zu H. Hofrath Landshut von Savigny in Bayern 822
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Zwey arme Tropfen. Der arme Tropfen, Der nach dem Begiessen im Kännchen bleibt, Den spielend der Gärtner weit von sich treibt Und sprützet ihn in die Weite, Als wenn er vom Himmel schneite, Der füllet noch eine Viole mit Thau, Drum küsset sie gleich die schöne Jungfrau! Der Gärtner, der siehets von ferne und denkt: Wie hab ich so thörigt mein Glücke verschenkt, Wie macht ich so manchen Glückswurf der Welt Da mir doch nimmer ein Glücke zufällt, Mir armen Tropfen.
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Veranlassung Herz, sprich an, was treibt mich aus dem Bette? Wird mich heut ein Cöllner Freund begrüssen? Oder werd ich an die Arbeit müssen? Mach ich lieber träumende Sonette? x Nein ich muß die bunte Wind begiessen, Die mit ihrer blau beblümten Kette Sich zum Baume gern geschlungen hätte; Früh geschöpft soll schöpfrisch Wasser fliessen. x Wie ich also trete in den Garten, Beyde volle Kannen in den Händen, Ey da seh ich, daß sie mein nicht warten Stille Nacht thät all ihr Sehnen enden Hat den Baum verbunden mit der Zarten, Ich sollts sehen – und im Bild Dir senden.
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Weitere Erklärung des Bildes. Die Laube Feuerbohnen und bunte Wind’. Der Baum Akazie. Der Gärtner mit den beyden Gießkännchen bin ich. Eine Kreutzspinne hat mir die Aussicht benommen. Die Nachbarn sehn mit Verwunderung nach meinem Garten, der das achte Wunder der Welt ist. Gedenk dabey an Deinen Achim Arnim
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 9. September 1809, Sonnabend
Tieck ist noch hier, was Du in diesen Umständen thun sollst, kann ich Dir nicht rathen, indessen verdienen Tiecks durchaus keine Schohnung, und wenn es möglich auch den lezten Heller von ihnen loß zu kriegen, so soll mans ohne Barmherzigkeit thun, denn für sie ist es einerlei ob sie Geld haben oder nicht, schreib mir, was ich dabei anfangen soll ich werde alles Pünktlich besorgen, willst Du vielleicht etwas aufsezen, was er unterschreiben soll, daß er z: B: sich nicht entferne, vor die Schuld bezahlt, das würde ich dann der Polizey über geben, damit er keinen Paß bekomme; alles waß ich behaupte, ist daß es wohl der Mühe werth, um dieses Geld zum wenigsten alle mögliche Demarschen zu machen; wenn er einmal fort ist, dann ist alles verlohren so viel ich höre bezahlt Knorring auch nicht mehr indessen wenn Du nur bei Gericht ein kämst früher als die andre denen er schuldig ist, wie z: B: Schrobenhauser 1200 f:, dieser Mensch läst sichs viel wohler seyn, als irgend ein vermögender Mann. und denckt nicht ans bezahlen, sondern nur ans Verleumden seiner Schuldner. ich bringe Euch wohl eine Anna mit, aber eine ganz andre, die Anna Jacobi kann nicht kommen meine Anna ist auch viel Curioser Merckwürdiger und Amüsanter, sie trinckt alle Morgen 7 Uhr Cafee 2 Tassen, Mittags ißt sie gern Linsen-, Erbsen- oder Bohnensuppen, und auch Sauerkraut Schincken oder Wurst, trinckt bier manchmal auch ein Glas wein Abends muß sie einen großen Teller voll Suppe haben, damit befindet sie sich ganz wohl, sie hat aber einen Leibhusaren bei sich von 18 Jahren eine gar gute liebe unschuldige Seele, diese könnt ihr nun in eins oder auch 2 Zimmer logieren, denn es ist ihnen egal in einem zimmer zu schlafen doch dencke ich wär es besser um allen Scandal zu ver825
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meiden, in zwei Zimmer, ich bin überzeigt, diese Anna wird sehr gut Freund mit der Gundel werden sie werden sich am Ende gar nicht mehr Trennen wollen. ich frage Euch noch einmal ob ich mein Mädgen mitbringen soll oder nicht, ich glaube doch sie konnte Euch gute Dienste leisten; schreibt aber mit umgehender Post darüber; soll ich Euch was mitbringen Sago? Schincken, Wurst pp oder was? Bettine
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An Herrn Baron Savigny bei Hr. Tiedemann Landshuth
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach München Jena, 11. September 1809, Montag
Ihr Bruder Clemens, liebe Bettine, hatte mir, bey einem freundlichen Besuch, den Albrecht Dürer angekündigt, so wie auch in einem Ihrer Briefe desselben gedacht war. Nun hoffte ich jeden Tag darauf, weil ich an diesem guten Werk viel Freude zu erleben dachte, und wenn ich mir’s auch nicht zugeeignet hätte, es doch gern würde aufgehoben haben, bis Sie gekommen wären es abzuholen. Nun muß ich Sie bitten, wenn wir es nicht für verloren halten sollen, sich genau um die Gelegenheit zu erkundigen, durch welche es gegangen, damit man etwa bey den verschiedenen Spediteurs nachkommen kann: denn aus Ihrem heutigen Briefe sehe ich, daß es Fuhrleuten überliefert worden. Sollte es inzwischen ankommen, so erhalten Sie gleich Nachricht. Der Freund welcher die Cöllner Vignette gezeichnet weiß was er will und versteht mit Feder und Pinsel zu hantieren. Das Bildchen hat mir einen freundlichen guten Abend geboten. Franz Badern werden Sie schönstens für das Gesendete danken. Es war mir von den Aufsätzen schon mancher einzeln zu Gesichte gekommen. Ob ich sie verstehe weiß ich selbst kaum; allein ich konnte mir manches daraus zueignen. Daß Sie meine Unart | gegen den Maler Klotz durch eine noch größere die Sie mir verziehen haben, entschuldigt ist gar löblich und hat dem guten Mann gewiß besonders zur Erbauung gedient. Etwas von seinen Tafeln möchte ich freylich sehen. Was er mir geschickt ist schwer zu beurtheilen. 826
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Wieviel hätte ich nicht noch zu sagen, wenn ich auf Ihren vorigen lieben Brief zurückgehen wollte! Gegenwärtig nur soviel von mir, daß ich mich in Jena befinde und vor lauter Verwandtschaften nicht recht weiß welche ich wählen soll. Wenn das Büchlein das man Ihnen angekündigt hat, zu Ihnen kommt, so nehmen Sie es freundlich auf. Ich kann selbst nicht dafür stehen was es geworden ist. Verzeihe mir, liebe Bettine daß ich dir durch eine fremde Hand schreibe sonst komme ich gar nicht dazu. Deine Briefe machen mir viel Freude, fahre fort an mich zu dencken und mir etwas von deinem wunderlichen Leben zu sagen. Besonders aber suche dem Albrecht Dürer auf die Spur zu kommen. Lebe recht wohl. Jena d. 11 Sept. Goethe 1809 An Demoiselle Bettine Brentano nach München
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 15. September 1809, Freitag
Lieber Schlunderus! Ich hab mir ein Mädgen gemiethet, die alle Mögliche Gute Eichenschaften hat, eigentlich ist sie zur Landwirthschaft erzogen, jedoch versteht sie die Haußhaltung ganz exelent zu führen, ist auch einem grade Ehrlich wie man es jezt in der Welt nicht mehr findet, sie macht Kleider und Hüte, sie wäscht und bügelt, sie ist ungemein, fleisig, steht morgens um 6 Uhr auf, ander Arbeit, du kannst dir daher eine große Erleichterung verschaffen, doch bitt ich daß sie ein eignes Kämmerlein bekömmt, und nicht in der Küche, sondern mit der Lisette essen darf sie hat noch nie gedient, und ist von wohlhabenden Eltern, wegen einem zu strengen Vater muß sie das Hauß meiden; ich bin überzeugt, daß sie Dir von ungemeinem Nuzen seyn wird.
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Ich war bis jezt in sehr dringenden Geschäften, sie sind jezt durchgesezt, und bald bin ich bei, Euch ich bringe Euch eine Wurst mit, und auch einen Schinken, denn die große Anna und der Leibhusar den ich mitbringe essen ihn gern für die große Anna schlagt nur ein recht großes Bett auf, diese Anna ist so ungemein liebenswürdig, daß Ihr eine wahre Freude an ihr haben werdet. | ich dencke nicht Daß Ihr mir es übel nehmt daß ich sie auf 14 Tage mit bringe. sie ist meine einzige Erquickung hier, und ich würde mich nicht von ihr so leicht trennen können. sie ist zwar von Stand macht aber nicht die geringsten Pretensionen wie ich sag sie wird Euch gewiß auch freude machen, den Tag meiner Ankunft kann ich nicht bestimmen Bettine An Herrn Baron Savigny abzugeben bei Hrn Tiedemann Landshuth
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin München, 15. September 1809, Freitag
Ich erwarte Täglich Briefe von Dir, weil es die Freude meines Lebens ausmacht, und wenn auch heute einer kam, so dencke ich immer noch es kann Morgen auch einer kommen, der vielleicht von frühren Zeiten her ist; höre Arnim, die Musick macht einen großen Theil meiner Glückseeligkeit aus, ich hoffe, der Vorsaz, sie bei allem was ich unternehme, als eine Hauptsache zu betrachten, soll mir nicht erschüttert werden; ich gehe jezt nach Landshut, und der Winter geht mit, da werden die Psalmen vom Berg herunter schallen; wenn Du dabei wärst, ich wüste nicht wie ich mir es vergnügter wünschen könnte; doch bin ich traurig, daß beinah schon 2 Jahre herum sind, und ich Goethe nicht wieder gesehen habe, wenn ichs auch dem Savigny sage, er nimt das so oberflächlich, wenn es ihm indessen wäre wie mir schon längst hatte er alle Nur mögliche Mittel aufgesucht sich zu befriedigen; O bittre Zeit, die vorbeischleicht mit, lehrem Antliz wie ein Schatten, man sieht ihr länger und trauriger nach, als jener welche man in Freuden zugebracht hat. jezt hab ich Goethes Bild vor mir, und ich kann Dir nicht sagen, wie michs in einer Stunde kränckt, in der andern freut, wie mirs wohl 828
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und weh thut; daß Du so freundlich warst es mir zu schicken mögte ich Dir wieder vergelten. Sage dem Clemens daß Mdam Schelling vor 4 Tagen gestorben, ihr Mann soll wüthend seyn vor Betrübniß. – Ich bin heute nicht geschickt zum schreiben. leb wohl; und geb Du mir was ich Dir schuldig bin; schreib recht bald, aus Deines Herzens warmer Kammer, damit ich hier wo die ka〈〈lte Zei〉〉t droht, nicht friere. Bettine An Herrn Baron Achim v. Arnim Abzugeben bei Fr: v: Labes Viereck No: 4 Berlin
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach München Jena, 15. September 1809, Freitag
Heute bitt’ ich endlich einmal um Verzeihung, liebe Bettine, wie ich es schon oft hätte thun sollen. Ich habe dir wegen des Bildes vergebne Sorge gemacht. Es ist in Weimar wirkl* angekommen und nur durch Zufall und Vernachlässigung kam die Nachricht nicht an mich herüber. Nun soll es mich bey meiner Rückkehr in deinem Nahmen freundlichst empfangen und mir ein guter Wintergeselle werden. Auch solange bey mir verweilen bis du zu uns kommst es abzuhohlen. Laß uns bald wieder von dir vernehmen. Meine Frau grüßt aufs beste. August kommt Anfang October von Heidelberg zurück wo es ihm ganz wohlgegangen ist. Auch hat er eine Rheinreise bis Coblenz gemacht. Lebe unsrer gedenck. Jena d. 15. Sept. 1809. G.
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Von Joseph Janson von der Stockh nach München Augsburg, 15. September 1809, Freitag
Daß Sie nicht böse sind, und nichts übel genommen haben von den einfältigen, hat der College Best, durch seinen überbrachten Brief bestätigt, ich hätte ihn beynahe angepackt vor Freude, den phylologischen Hamster, der manches auch schon erlebt hat, er hat iezt nichts kleines vor, er geht aufs griechische Feuer aus, und auf Kanonenkugeln, die einen Bogen Papier anzünden; wenn man ihn damit trifft er hofft damit große Summen zu gewinnen, ist aber noch unschlüssig welche Macht, er damit bemächtigen will. Boritings Tod, schreckliche Regenschauer, eine Fluth Polaken haben mir beynahe mein bischen Leben hinweggeschwemmt. Es sind ietzt 8 Tage, wo ich zwischen Eis und Gluth sitze, der Tag hieng wie ein schweerer blutiger Mantel auf mir, ich glaube ich wär von Stahl, heute sehe ich zum ersten mahle dem Himmel wieder helle den ganz ruhig trafen mich die bekannten Gäste, in wohlgenommener Positur, daß mir die übrigen ausbleiben werden, die vielleicht noch zurück seyn könten. Den Best hab ich zum | Spaß auf mich schießen lassen, hat mich nicht getroffen, und ein 2tes mahl wär er mir bald gar ausgerissen, wenn ich ihm mit halb offnen Augen nicht erwischt, und zugeschriehen hätte »Tenez Mr Dr.! pourquoi troublez vous?« Wie nun der neue Tag graute, fieng ich an diesen Brief zusammenzustoppeln, und bitte gelegenheitlich wieder Ihre Hand, und wenns auch nur eine Adresse wäre, blicken zu lassen, es wird eine Quelle, für einen in der Wüste seyn; die Taufe für einen Neugebohrnen. Daß doch der Mensch sich so stemmt, und nicht durchs Feuer will, was wackelt er sogleich der Muth, ein hölzerner Stuhl auf den wir sitzen, wenn sie nicht wäre, Aurora, das ruhige Gesicht! | es wäre ein heulender Jammer, und wenn der Anblick nie entkäme, so könnte gar kein Tod einkommen, weil dann Licht und Finsterniß ewig geschieden bliebe, was durch den Tod erst werden soll. iezt muß ich wohl aufhören, mein Dintenfaß hat sich mitten im Bett auf den Kopf gestellt, und es ist kaum so viel in der Feder ordentlich zu empfehlen den wach hal〈〈xxx〉〉 senden, in schwarzen Blut schwimmenden DJanson Augsb: den 15Sept. 1809
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Daß der Klotz närrisch seyn soll hat mich nicht gewundert, er ist eben gerade so wahnsinnig wie eine Spinne, oder wie eine Biene, er muß sternförmige farbige Netze weben, Zellen bauen, es ist rührend.
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A Mademoiselle Mademoiselle Bettina Brendano de la Roche bey Mr. de Moi Munik.
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*648. Von Lulu Jordis nach München Kassel, vmtl. zweite Hälfte September 1809
Dein Brief 〈…〉 ist uns Durch Zufall erst späth in die Hände gekommen, denoch hat uns dein Andencken darin eine frische fröhliche Erquickung gegeben 〈…〉 Ich 〈…〉 kann Dir nicht in deinem Begehren zu heirathen will fahren
B an Lulu Jordis, vmtl. zweite Hälfte Oktober 1809:
(Nr. 668,1-4+43-44).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 16. September 1809, Sonnabend
Liebe Bettine! Seit fünf Tagen wohnen Clemens und Grim bey mir, jener rechts, dieser links, Staublavinen stürzen vom Sprechen herunter, sie hatten sich in der Ruhe gesammelt und die Luft bebt, daß die Spinnen meinen, es wäre eine Fliege in ihrem Netze und laufen herum sie zu suchen. Wir sind recht froh, lesen wenn uns alles fehlt, zum Schreiben bleibt mir nur diese kurze Zeit, wo Clemens einen Besuch abstattet. Er hat sich hier neugekleidet wie ich in polnischem Laufrock und Sammetmütze, ein vortreflicher einstiger Anblick! Viel hat er mir von Dir erzählt, von wem hörte ich lieber, doch hat mich manches gekränkt, ich bin in manchem wunderlich, das ist meine Schuld, so mit sey es vergessen, nur eins möchte ich Dir vorwerfen, daß Du eben dem Tieck, von dem Du nach dem letzten Briefe auf immer Abschied genommen, so oft dein Haupt in den Schooß gelegt und den Jakoby, den Du nicht mehr se831
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hen magst, gleich gedutzt, liebes Kind, wer sich so auf gut Glück anhängt, nach Ueberzeugung zurück^zieht, der läst immer einen Theil seines Glückes hängen und fühlt sich endlich sehr zerrissen. Glaube mir, ich hab es auch gefühlt. – Clemens will mich durchaus hin zu euch führen, ich mag ihm | die Unmöglichkeit demonstriren, er hat gleich die Demonstrazion vergessen und doch scheint es mir bis jezt ganz unmöglich, ausser manchen andern Verhältnissen hält mich die Krankheit meiner Großmutter; bey dem wahrscheinlichen Ausbruche des österreichischen Krieges wär es ein unverzeihliger Leichtsinn von mir. Clemens leidet noch an seinem versprungenen Fusse, ein Muskel hat sich zu sehr ausgedehnt, er muß sich sehr schonen im Gehen und das beschränkt uns oft im Zimmer. Grim hatte hier schon einmal wieder sein Herzklopfen, das ihn seit Jahren verlassen, übrigens ist er viel wohler, lernt aus allem, sammelt zu allem, seine dänische Uebersetzungen vollenden sich immer mehr, es wird ein recht herrliches Werk. Ich hatte Göthe geschrieben, er möchte es doch ansehen, ob er es mit einer Vorrede schmücken, beym Publiko einführen wolle, habe inzwischen keine Antwort erhalten, gern hätte ich ihn darüber gehört, seine schönsten Romanzen Thule, Fischer, Erelkönig neigen sich so ganz dem nordischen Grausen hin, während sein ganzes Strebien sich stets nach der griechischen Anmuth, Lebensgenuß hinrichtet. Clemens hat mir mehrere seiner Bemerkungen über den Wintergarten mitgetheilt, vieles davon kann ich eigentlich gar nicht begreifen. Besonders in den Romanzen vom Nelson, wo er einen ganz unerwarteten Graus findet, den er für ganz unerklärlich hält. Ich konnte mir wohl denken, daß er das Ganze schlecht fände, weil sich ihm das Ganze schöner darstellt, aber daß er diesen nothwendigen Graus, der nothwendig jene beyden von einander scheidet und der sich nur endlich in dem Ungeheuern der Thaten auslöscht, so vom Ganzen absondert ist mir unerklärlich. Daß es Clemens thut ist mir sehr denkbar, der in der ersten Hälfte mein Verhältniß zur Grassini dargestellt glaubt, während gar nichts daraus genommen, als die Aufführung der Oper Proserpina und daß ich ihr dazu Blumen geschickt, also so frey ich die einen Verhältnisse angeordnet, so wenig eigensinnig hab ich im andern alles aus sich selbst leben lassen. Was ihm ganz unverständlich ist die Vorrede zu den Romanzen, hat mich nur durch ihre Breite erschreckt; sonst dächte ich, daß der miserable Zustand, wie Du ihn unter andern jezt in München beschreibst, wie er in allen Ländern, wo mehr gute Wünsche als eigentliche Theilnahme an öffentlichen Angelegenheiten, dieses Erzählen, wenn nur das eine nicht gewesen, so wäre alles 832
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nicht so gekommen, das unwürdige Herabsetzen des Grossen, wenn es entweder unglücklich, oder uns entgegenwirkend erscheint, | die ganze elende Kunstproduktion die davon Folge, das alles konnte ich mir selbst nicht lebendiger machen, als da geschehen; mags ein andrer besser machen, undeutlich kann ich es mit aller Resignazion nicht finden. Im Uebrigen soll Göthe manches Lob dem Wintergarten gesagt haben. Du wirst Dich wundern, wie ich Dir so weitläuftig über meine eigne Arbeit gegen meine Gewohnheit schreibe, ich habe aber in diesen Tagen soviel darüber hören und sprechen müssen, daß es mir voran im Munde liegt Clemens will eine biographische Sammlung aus Dir, aus ihm und mir zusammenbringen, er meinte, Du wärst schon damit beschäftigt, ich selbst habe es abgelehnt, da ich nach meiner ganzen Natur weder entwickelt noch beruhigt genug fühle, um mich so anhaltend mit dem zu beschäftigen, was sich mir ereinigt, ihn selbst würde ich viel mehr dazu berufen fühlen, er hat manches merkwürdige burgerliche Lebensverhältniß überstanden, seine Phantasie hat ihm häufig dienen müssen, seine Begebenheiten auszuschmücken, sich und andre damit zu erheitern, er sollte Namen und Orte weglassen, es würde sicher ein sehr interessanter Roman, dessen Wahrheit freilich nicht als Leben des Clemens, aber wohl als Leben der Zeit begriffen werden müste. Auch in einem Plane für Löw ein Ehrengedächtniß gemeinschaftlich zu entwerfen rechnet er auf Deine Beyhülfe, ich soll auch dabey thätig seyn, weiß aber nichts von ihm, was Ihr nicht viel ausführlicher mit ihm erlebt habt, er muß sehr fromm, ehrlich und rein gewesen seyn, über seine Ideen vom Sündenfalle haben wir hier zusammen sehr viel gelacht. – Clemens wollte noch schreiben, kommt aber zu spät. – Ich denke Deiner alle Morgen und Abend in Liebe. A.Arnim
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An Friedrich Carl von Savigny in Landshut München, 20. September 1809, Mittwoch
Lieber Savigny! ich bin wahrhaft übel Dran aber was man sagen kann von wiederwärtigem Zufall das kömmt alles über mich; Du weist daß wenn einmal mein Entschluß und meine Sehnsucht mich von einem Orte weg treiben ich nicht viel Gedult mehr gegen Abhaltungen übrig habe; ich wär in diesem Augenblick schon bei Euch, und wäre ganz allein mit meiner Kammer jungfer gereißt, allein Diese hat mir ein böses 833
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Schicksal, durch einen bösen Vater entrißen nun bin ich allein; alle Morgen ehe ich die Strümpfe anziehe muß ich die Löchelgen zuflicken. pp: Rumohr der mir versprochen hatte zu Euch zu kommen, ist plözlich an dem Ammer See gereißt Anna ist gar nicht wohl, und hat einen bösen Husten, allein konnte ich die Reiße, doch nicht wagen, wenn es auch nur wegen dem Gespräch der Leute, hier wäre, nun hat sich endlich der alte Capellm: eine große Freude daraus gemacht den Sonn- oder Montag von hier (mit mir und seinem Leibhusaren welchen ihr gewiß alle Freßlieb haben werdet) abzutacklen; er will 4 bis 5 Tage bei Uns bleiben während welcher Zeit wir alle Abend Psalmen Singen wollen, ich bin überzeugt, da dießes mir so viel Freude macht, es macht Euch, die Ihr mir jedes Vergnügen | gönnt, gewiß nichts dagegen haben werdet, besonders da der alte Capellm: ganz ohne pretensionen ist, grade wie der Herr Schwaab vergnüglichen Andenkens; es war schon lang sein Project zu Euch zu kommen ich Sollte ihn aber als die große Anna anonsieren, weil er durchaus als Frauenzimmer gekleidet, bei Euch erscheinen wollte damals glaubte ich aber vorher bei Euch zu seyn. vor 4 Tagen ist eine Neue Oper von ihm aufgeführt worden die tausend mal schöner ist, als das Opfer fest, ich bekam (während ich so zusah wie er mit ganz wunderbarer Schnelligkeit Arien mit 16 Instrumenten componierte die einem die Seele in die Augen trieb,) wircklich eine große Verehrung für ihn und auch Liebe, denn während er die Ouvertüre machte, eine der himmlischsten Musicken, spielte er sie Uns vor und fragte immer obs Uns gefiel obs so recht wäre oft mußten wir es noch besser begehren sonst wäre er böse geworden und hätte geglaubt, wir gäben uns die Mühe nicht, es zu beurtheilen. seine Bedingniße sind, 1stens daß er oft Linsen suppe Bohnen oder Erbsen suppe bekömmt, 2tens Morgens früh um 8 Uhr wolle er früstücken, dann will er oft QuetschenKuchen essen, dann will er Abend eine Suppe haben. ich habe ihm dieße Bedingniße Zugestanden weil ich weiß daß sie nicht unmenschlich und während 5 bis 6 Tagen wohl zu halten sind, sein Leibhusar, ist ein junger Mensch von 18 Jahren, den ich | wenn ich ihn länger kennte, gewiß so lieb haben würde wie die Meline, der Capellm: hat ihn so lieb, daß er nicht einen Tag ohne ihn seyn will, und dessentwegen muß er mit, obschon er sich gewalltig sträubt und sich fürchtet in ein fremdes Hauß zu kommen, ich habe ihm sehr zu reden müssen und ihn versichert, daß Ihr alle Liebe und Freundlichkeit, gegen einen Menschen hättet, welchen Ich mit brächte, und daß Ihr selbst schon begehrtet, daß ich Euch die Menschen die ich gern hätte, auch bekannt machte; seine Eltern scheinen mir ein Wesen zu haben wie 834
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Dalarmi gegen seine Kinder, denn sie gaben auch seiner Wuth für Musick nach, und ließen ihn deswegen zum Winter gehen, er hat früher schon, ohne Composition studiert zu haben Sachen componiert, die mit gröstem Beifall aufgeführt würden. er singt gewöhnlich den Baß wenn wir die Psalmen machen. Lieber Alter ich freue mich recht, auf diese Tage ich bin überzeugt es macht auch der Gundel vergnügen; und wir werden recht froh zusammen seyn; seid nur meinem Alten Capell recht freundlich. Apropos die Filzschue Frau war da, der hab ich zwei Paar Schue abgekauft. eine andre Person bekomme ich zur Bedienung die sehr brav sein soll, sie kommt von Regenspurg aus nach Landshut, sollte sie früher kommen als ich, so bitte ich Gundel, ihr nach eignem Wohlgefallen Bedingniße, und Arbeit zu bestimmen indem ich nichts bei Euch beda〈〈rf〉〉 als nur Flick und Waschwerck zu besorgen. Adieu Bettine schreib mir doch mit Umgehender Post, einen Brief worin du mir meldest daß dir der Capellmeister Angenehm ist, denn er fürchtet das Gegentheil, und hat sich deswegen einen kurzen Rock machen laßen um geschwind laufen zu können, wenn ihr ihn allenfals jagen solltet. 〈quer zur Schreibrichtung:〉 An Herrn Baron v. Savigny abzugeben bei Hrn Tiedemann sogleich zu besorgen Landshuth
*651.K An Johann Wolfgang von Goethe nach Weimar München, 20.–23. September 1809, Mittwoch–Sonnabend B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 21. September 1809: Gestern – hab ich – einen Brief – von 〈…〉 Goethe bekommen 〈…〉 daß ich mich gleich hingesezt habe, ihm zu schreiben, daß gewiß – ganz gewiß dieser Winter nicht herumginge, ohne daß ich zu ihm käme. (Nr. 654,9-13).
Ru Mohr 〈…〉 Zeignet mir immer oben eine kleine Vignette an das Papier worauf ich denn Briefe an Goethe schreibe (Nr. 655,15-21).
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Von Antonia Brentano nach München Wien, 20. September 1809, Mittwoch
Wien den 20t Sep. 1809 Liebe Bettine! Ich habe deinen Brief der mich in Winkel treffen sollte in Wien erhalten, ich sehe daraus das du lebst, aber nicht wo du lebst, auch nicht welchen Tag du an mich dachtest. Die Liebe eines guten Menschen ist mir besonders jezt unendlich wohlthätig wo die kräftige und strenge Hand der eisernen Nothwendigkeit das Leben meines geliebten Vaters aufzulösen droht, ich erkenne die Gerechtigkeit der höhern Anordnung daß sich die Sonne für viele verdunkeln muß um vielen wieder aufzugehen aber es ist doch nicht so recht nach jedes Sinn das Leben aus dem Gesichtspunkt des Todes zu betrachten, seit 6 Wochen habe ich es mir auf diese Art doch anschaulich machen müssen, und wenn ich oft lange darüber nachgedacht so merkte ich daß ich erst dann am meisten Wisse wenn ich fühlte gar nichts zu wissen. Es that mir sehr wehe so nahe an euch vorbey reisen zu müssen ohne euch besuchen zu können es ging aber Tag und Nacht mit den 3 kleinen Mädchen und war | unmöglich diese excursion zu machen, doch werdet ihr reichlich entschädigt denn Frau v. Brevillier welche mit ihren Töchtern nach Frankfurt zieht will Gundl besuchen und einige Zeit bey ihr Hausen – Hier ist alles unterster oberst die Folgen des Kriegs welche du wie ein Mann schilderst sehe ich täglich vor Augen, schon erschütterte mich der Greuel der Verwüstung der mir auf der Reise anschaulich war hier aber am Spiz, auf der Insel Lobau sieht man was Menschen unternehmen, aufbieten und Ausführen können um zu einem Zwecke zu gelangen, man steht staunend da, Bäume welche Jahrhunderten trozten unterlagen den Kugelregen, Flüsse welche die Gränzen von jeher bestimmten sind durch ungeheure Dämme und unzählige fleißig und schnell erbaute Brücken mit dem festen Lande vereinigt, einer Will, und schafft Welten, einer Will und bricht Herzen, Arme, Beine, Menschen vertilgen was nur Gott wieder Aufbauen kann, und Gott gleich stehen sie da mit Lorbeern und welchen Strahlenglanze! | Doch selbst in diesen Treiben, Toben, und Beben wo große Lebensschiffe krachend brechen, wo Seegel hin und her jagen, Nothstricke gebunden, Anker aengstlich ausgeworfen viele Nahrungsballen über Bord kommen, und Tausende Schiffbruch litten, Tausende mit dem Sturm kämpfen, ruht man allein sicher in den Hafen häuslicher unruhe, denn an Ruhe ist nirgends zu denken, ein Blick von meiner 836
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Franziska, ein Kuß von den derben Joseph, ein Herzenszug von H. Mekler, ein Rückblick nach meinen Bub überwiegt nahmenlose Qual, und die nahmenlosesten werden mir hier zu Theil, 5 Wochen size ich am Krankenbette meines Vaters welcher nun 4 Monate die fürchterlichsten Schmerzen duldet, er hat die Brustwassersucht, schreyt oft laut ganz gräßlich, bekommt Anfälle von Bangigkeit und Ersticken welche alles was ich je von den Aergsten Krämpfen sah weit übertreffen Hände und Füße sind geschwollen – o ich kann, ich darf dir ein solches Bild nicht mahlen – Dr Frank sein Arzt sieht keine Rettung doch kann es noch ein paar Monate währen – | ich werde ausharren so lange ich kann, Hülfe und Rath kommt von oben und aus der Liebe, und greift es zuweilen zu sehr ans Herz so greift auch dafür das Herz wieder an. Treibst du noch viel Musick? Franz speißt oft mit Clementi. Von Frankfurt weis ich nichts sie schreiben lau und selten – Arnims Wintergarten hat uns hierher begleitet sonst hätte ich gar keine Blumen gesehen. – Weißt du das wir in Cölln waren, mit großen Genuß. Lebe wohl, Franz grüßt dich, hast du mich lieb so sag es mir, ich gebe nicht viel auf den Blinden Glauben – Hoffnung – Liebe muß dazu – Ich wünsche dir alles Gute, das schönste das beste – mir ist es ein freundliches Kind, was ist es dir? Wirst du nie nach Hauße kehren, sage wo ist deine Heimath, und wann und wer wird uns zusammen heimlich werden. Wie geht es Savignys Theile doch dein Leib und Seele dein Lieb und Leben damit ein ganzes daraus werde – heil ist nur nach Wunden Ton
*653. Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach München Landshut, 20. oder 21. September 1809, Mittwoch oder Donnerstag B an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, 21. September 1809: Ey Ich
verlangs ja nicht besser; Ey es ist mir ja nichts Angenehmer, Ey es ist mir nichts lieber und bequemer als Keine Kammerjungfer zu haben 〈…〉 Aber warum will die Gundel so viel Nudlen (Nr. 654,1-3+31).
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An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Landshut München, 21. September 1809, Donnerstag
Ey Ich verlangs ja nicht besser; Ey es ist mir ja nichts Angenehmer, Ey es ist mir nichts lieber und bequemer als Keine Kammerjungfer zu haben, mithin hab ich schon Order gegeben diese andre abzubestellen, ich glaubte es sey der Gundel angenehm, sonst würde ich selbst auf den Gedancken gekommen seyn. Jezt aber Ihr Kinder, Mein alter CapellMeister Muß recht lieb emfangen werden, sonst werde ich böse, ich Freu mich schon, wie ihn der Bub ansehen wird, und was die Pulette für ein Gesicht machen wird,. groser Seufzer – !!! Gestern – hab ich – einen Brief – von – von – – Goethe bekommen, Aber was für einen? – einen so lieben – so ungemein schönen guten, daß ich mich gleich hingesezt habe, ihm zu schreiben, daß gewiß – ganz gewiß dieser Winter nicht herumginge, ohne daß ich zu ihm käme. seht – und hol mich der Teufel, wenns nicht wahr ist, ich will meinem Leben nicht grade den Stengel zerbrechen, worauf die schönste BlumenKrohne wachsen soll, er hat mir ein neues Büchlein von sich angekündigt, aber bescheiden sagt er, er könne nicht dafür stehen obs gut sey; es heist die Wahlverwandschaften; Ey ich bin so glücklich seit diesem Brief, daß mir gleich auf der Stelle ein großes Unglück begegnen, könnte und ich würde es nicht Mercken. Adieu Alter! Du meiner Freuden Theilhaber. Adieu Gundel. 2 Würste 5 Pfund Nudlen einen 4tel Zentner Lichter. – Und was sagt Ihr? – in diesem Augen blick, erhalte ich einen zweiten Brief von Goethe, es ist mir unbegreiflich, ein Gewitter voll segnender Blize schlägt in mein Hauß, die Flammen schlagen über meinem Kopf zusammen, und ich rette mich nicht, verbrenne mit begeisterter Freude, die Asche den Winden überlassend fliegt der Geist hin wos Angenehm ist in Abrahams schooß. Aber warum will die Gundel so viel Nudlen, ich esse sie nicht gern Bettine An Herrn Baron von Savigny abzugeben bei Hrn Tiedemann gl: z: besorgen Landhuth
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An Kunigunde von Savigny in Landshut München, 23. September 1809, Sonnabend
Ey liebste beste Gundel; ich bitte Dich um aller heiligen willen laß in möglichster Eile mein Clavier auf den Berg bringen, der Capellm: bleibt, sonst keine Stunde bey uns, nur auf mein Versprechen daß er das beste Instrument haben solle hat er sich dazu bewegen lassen, er will während diesen Tagen die er mit Uns zubringt noch etwas Componieren, auch will er mir eine Singschule und Instrumente zu Psalmen sezen; Siehst Du Gundel wenn Du mir nicht gleich ohne weitere Umstände das Clavier auf den Berg transportieren läßt, so beiß ich Dir in den Backen stadt Dich zu küßen und dem kleinen Buben lehre ich Fluchen, stadt ihm das a: b: c: zu lehren und bring dir alles im ganzen Hauße in höchstmöglichste Unordnung Gundel wenn Du mirs nicht gleich auf den Berg tragen läßest so bring ich dir einen 4tel Zentner Würste, und 2 Unschlitlichter, und mache alle Commissionen der Kreuz und Quer. Ru Mohr die Quelle aller trostreichen Labsale meiner hiesigen Einsamkeit, war nicht weit von hier am Ammersee, hat da 8 herrliche Tage mit Singen Pfeifen Kochen pp. zu gebracht, er ist eine gute Seele, wir sind so Kindisch vertraut mit einander; er hat ein ganz ungemeines Talent Landschaften mit der Feder zu Krizlen Zeignet mir immer oben eine kleine Vignette an das Papier worauf ich denn Briefe an Goethe schreibe, diesem gefallen sie sehr wohl. Adieu Ihr Vögel im Hanfsamen Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 29. September 1809, Freitag
Berlin d* 29. Sept 1809. Liebe Bettine! Dein kurzer Brief soll auch ganz kurz erwiedert werden. Du ladest mich nach Landshut, ich habe Dir schon im vorigen Briefe die Schwierigkeit vorgestellt bey einer solchen Reise, in so fern ich län839
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ger dort bliebe, meine Großmutter ist noch immer krank, meine Angelegenheiten fordern noch immer meine Gegenwart, der wahrscheinlich ausgebrochene Krieg kann einen nahen Einfluß auf mein Vaterland haben. Clemens bleibt wahrscheinlich den Winter hier, Grimm geht in einiger Zeit nach Cassel zurück, er findet hier mancherley zu seinem Studio. Wenn ich fort^könnte wären wir alle drey zu euch hingewandert, Grimm hätte in München abgeschrieben, Clemens erzählt, ich hätte Dich geküsst. Liebes Kind, ich wünsche daß die Musick Dir besser Wort hält als mir gesammt mit allen ihren Schwestern kann sie mich für alles was ich im Leben unerreichlich gefunden nicht entschädigen. Ich habe ein vierzehn Tage mit Clemens sehr froh beym Nachblättern in alten Büchern und Geschichten zugebracht, doch ists mir eigen, ich sterbe mir selbst in solchem Müssiggang, so lieb er mir ist, fast aus, die kleinste eigne Beschäftigung erheitert mich wieder, daß ich nicht ganz an mir verzweifle. Manch schönes Buch ist inzwischen hier versammelt 〈〈das〉〉 Dir gefallen würde, besonders einen großen Jan Rebhu, den ich auf der hiesigen Bibliothek entdeckt habe. Ist Winter in deinem Briefe allegorische Person, oder der handfeste musikalische Riese? Wenn der Wind geht will ich zuhorchen. Ich würde Dir Reichardts Musick zu Göthens Werken schicken, die eben erschienen, aber ich weiß Du liebst sie nicht, ich laß sie mir hier von gefälligen Stimmen zuweilen vorsingen, es sind einige neue herrliche Chöre darunter, er giebt vertraute Briefe über Wien heraus, wenn er sich nicht will schaden, hat er nur zwey Wege, falsch oder langweilig zu seyn. Von Ritter ist seine Lebensbeschreibung erschienen, ist er aufrichtig, so muß es ein sehr unterhaltender Skandal seyn. – Göthe’s Wanderjahre werden nach dem Fragmente zu schliessen wahrscheinlich alles umfassen, was an Kunstwelt in Italien zu finden, doch wird wenig | so reizend ausfallen können, als der Anfang, der in Cottas Almanache abgedruckt, denn es umfasst ja wahrhaftig alles Reitzende aus der ersten Geschichte der Maria. – Gern sähe ich den lieben alten Brummer wieder und Dich und den Rhein. Achim An Fr Bettine Brentano incl*
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*657. An Antonia Brentano in Wien Landshut, Oktober 1809 Antonia Brentano an B, 24. November 1809:
Antwort auf deine beyden lezten Briefe die ganz dein Ebenbild sind, nur sind sie wie aus den glühenden Italien nach den rauhen Norden gerichtet und es scheint mir daher du hast nur in jenen seltnen Augenblicken in meine Seele geschauet wenn alles darinn auf den Gefrierpunkte stand! 〈…〉 Du fragst sehr gutmüthig nach den Kindern 〈…〉 Du fragst mit welchen Freundschaftspelzen Claudine versehen ist 〈…〉 Grüße Arnim dem ich in Freundschaft Gutes wünsche, und dessen Errinnerung mich freuet.
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*658. An Angelo Quaglio in Köln Landshut, erstes und/oder zweites Drittel Oktober 1809 B an Johann Wolfgang von Goethe, 21.–23. Oktober 1809: ich habe jezt ohne dem gehäufte Correspondenzen mit jungen Aufschößlingen der Kunst; einen jungen Baumeister in Cöllen 〈…〉 all diesen Menschen spreche ich nun in verschiedner Art Trost zu (Nr. 675,152-166).
*659. Von Angelo Quaglio nach Landshut Köln, erstes und/oder zweites Drittel Oktober 1809 Vgl. Nr. *658.
*660. An Ludwig Emil Grimm in München Landshut, erstes und/oder zweites Drittel Oktober 1809 B an Johann Wolfgang von Goethe, 21.–23. Oktober 1809: ich habe jezt ohne dem gehäufte Correspondenzen mit jungen Aufschößlingen der Kunst 〈…〉 Einen jungen Kupferstecher 〈…〉 all diesen Menschen spreche ich nun in verschiedner Art Trost zu (Nr. 675,152-166).
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Nr. *660
B an Ludwig Achim von Arnim, 8. Dezember 1809: er bespricht sich gern mit mir, auch schreibt er sehr angenehme Briefe recht wie die eines sorgsamen Künstlers (Nr. 704,60-61).
*661. Von Ludwig Emil Grimm nach Landshut München, erstes und/oder zweites Drittel Oktober 1809
Erinnerungen aus meinem Leben: Ich 〈…〉 schrieb nach Cassel oder an die B e t t i n e oder S a v i g n y s oder C l e m e n s B r e n t a n o nach Landshut. (Stoll 1913, S. 102.)
Ludwig Emil Grimm,
Vgl. Nr. *660.
*662. An Joseph Janson von der Stockh in Augsburg Landshut, erste Hälfte Oktober 1809 Joseph Janson von der Stockh an B, 18. Oktober 1809:
Welch ein böser Geist hat letzthin sein Spiel gehabt, alles kam böß weg in Ihrem letzten Brief, er flog mir wie ein Stein auf die Brust 〈…〉 Ein schwarzer Dr: ein neuer Dr: und ein Klotz, das ist freylich genug 〈…〉 Es freut mich recht daß Sie an meinen Glück oder Unglück großmüthig theil nehmen
(Nr. 672,2-11). B an Johann Wolfgang von Goethe, 21.–23. Oktober 1809: ich habe jezt ohne dem gehäufte Correspondenzen mit jungen Aufschößlingen der Kunst 〈…〉 all diesen Menschen spreche ich nun in verschiedner Art Trost zu (Nr. 675,152-166).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 7. Oktober 1809, Sonnabend
Berlin, wahrlich d* 7 Oktob 1809. Du bist sehr hart, liebes Herz, ich hätte es nicht thun können! Zusiegeln, Aufschrift schreiben – ohne mir auch nur ein Wort dabey zu sagen, wie 842
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oft hat mich der Postbote getäuscht, wenn er so eilig in mein Haus schrit, und ich meinte, er bringe mir Briefe von Dir, gestern hast Du mich selbst getäuscht. Es rollten mir allerley böse Vermuthungen über die Stirn, sie haben in mir keinen Grund fassen können und so sind sie wieder in das tückische Meer zurück^versunken, nur die eine Ungedult bleibt zurück, du möchtest recht bald diesen Brief lesen, daß ich von Dir etwas hörte. Wenig aber doch etwas, zweymal hab ich Dir seit meiner Stuben^kammeradschaft mit Clemens und Grimm geschrieben, diese stete Beweglichkeit rings störte mich erst, wenn sie mir gleich willkommen, besonders wenn ich Dir schreibe wünsche ich mir ein einsames Pathmos, nicht um Dir die Herrlichkeit der Welt zu offenbaren, sondern um nebenher in mir alldergleichen zu denken, Herrlichkeit und Spas, wie es jezt in der Welt, so wie in Dir häufig unter einander liegt. Ich bin Dir einiges zu erzählen schuldig. Du wirst von einem großen Brande gehört haben, der hier zwey Kirchen und viele Häuser ausgehölt hat, die Zeitungen sprechen wenigstens viel davon. Die eine Kirche, die Petri^kirche, eine der ältest gestifteten Berlins, ist schon zum dritten mal zerstört, einmal mit der ganzen Gegend verbrannt, einmal eingestürzt, und dieses mal durch die Krämer und Handels^leute, die man unein^gedenk des christlichen Verbots Nachts mit ihren Wahren darin duldete und ihre Nachlässigkeit wieder in Feuer aufgegangen. Das Feuer wurde spät wahrgenommen, beym Feuerblasen war schon der Himmel ganz roth und voll brennender Papiere, weil mehrere Buchhändler im Dache ihre Niederlagen hatten. | An der Kirche war nichts zu retten nur auf die Umgebungen war zu wirken, merkwürdig war es daß dies die einzige Kirche, deren Thurm mit einer Krone geziert, diese Spitze und diese Krone standen noch vom Feuer un^angetastet mitten in der Gluth des breiten Daches, das nach eingestürzten Dachlatten glühend anatomirt in seiner ganzen kunstreichen Verbindung hervortrat, die Uhr schlug noch mitten in der Gluth drey, als das Ganze in sich zusammenstürzte. Die Anstalten rings waren ziemlich schlecht, die Häuser konnten gerettet werden, es war wie im Kriege gegen Frankreich, Gott wollte gerne beystehen, aber die Leute wollten ihn gar nicht verstehen. Ich lief aus Aerger nach der Waisenhauskirche, die durch den glühenden Aschenregen in Brand gerathen war, da wurden die Anstalten besser geleitet, ich arbeite über drey Stunden an der Pumpe, am Brunnen, das Feuer war gedämpft, ich war müde und wollte fort, – nichts da zurück riefen die Wachen in den Strassen – ich arbeitete aus Langeweile weiter – ich wollte wieder fort – zurück zurück, – ich arbeitete aus Zorn – es ist sehr lächer843
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lich und doch ists die Geschichte der meisten Unternehmungen, aus Lust angefangen, aus Langeweile fortgesetzt, im Zorn beschlossen. Jezt ein neues Feuer hier, Moritz Bettmann und die Auguste sind hier angekommen, wir begegneten ihm eines Mittags, ich grüste ihn, er dankte sehr verlegen und sah uns lange nach, wir vermutheten wohl, daß Auguste ihn begleitet, aber wir erfuhren aus Nachlässigkeit nichts davon. Nun hatte ich Clemens zu Ehren eine Fahrt nach Potsdam mit einer Gesellschaft verabredet, wir blieben aber spät Abends in einer andern bis ein Uhr, um vier Uhr stand ich auf, weckte Clemens, zündete ihm sein Licht an, nach zehn Minuten bläst er es aus, ich steck es wieder an, er bläst es wieder aus, er schickt nach dem Wagen, daß er bey uns vorfahre, kann aber noch nicht heraus, als er ankommt, kurz er bleibt zuhause und ich fahre mit Grim, dem ich die Bekanntschaft mit manchem wünschte, das Potsdam auszeichnet. Unter^weges erzählt mir der Buchhändler Reimer, daß eine Dame bey ihm nach meinen und Clemens Schriften gefragt, nach tausend andern Geschichten ihm gesagt, daß er im Wirthshause 〈〈xxx〉〉 an H Bettmann schicken sollte, kurz sie hat sich so bestimmt characterisirt, daß wir über den närrischen Zufall den ganzen Weg lachen musten, der ihn von den Fuß stapfen des grossen Friedrichs zu^rückgehalten um ihn der Auguste in die Kluppen zu führen; 〈〈wir〉〉 dachten sie schon zusammen | entweder im Handgemenge oder im Bett zu finden. Wir kammen gegen 11 Uhr Abends von Potsdam zu^rück, er war gegen seine Gewohnheit nicht zuhause nichts schien uns gewisser, als daß er ihr entflohen, endlich kam er ganz ruhig nachhause und erzählte, daß sie ihm gar nicht begegnet, daß er aber auch von andern Leuten ihre Ankunft erfahren. Wir sehen den grösten Ereignissen entgegen. – Sanssouci, ich weiß nicht, ob du es bestiegen, hat mich neu überrascht, das ganze Land scheint von da so reich an Grün und Leben, die Berge sehen so täuschend wie 〈〈de〉〉r Anfang eines hohen Gebürges an, daß der scharfe Blick Friedrichs nicht zu verkennen in der Auswahl, die Anlage des neuen Schlosses dagegen zeigt gar merkwürdig seine Fehler bey aller Grösse. – Ein Paar schöne Bilder sind dort geblieben. – Einen herrlichen Spas haben wir noch erlebt, ein Paar Politiker haben Clemens umgarnen wollen, sie haben ihn für eine Art wandernden Spion gehalten. Er muß hier sehr viel vorlesen, ist beynah alle Tage ausgeboten. Dein Achim Arnim
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An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H H von Savigny Landshut in Bayern
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, 9. Oktober 1809, Montag
Ich habe mir wollen auf diesen Winter, ein warmes Kleid roth mit gelben Kordlen machen lassen, ich habe mich puzen wollen, breite weise Kragen hab ich zurecht gemacht, färbige Schuhe mit Streifen, alles für, wenn Du kämst, ich wollte mich so hübsch machen wie möglich, da Du aber nicht kommst, für was ist als denn dieß alles, mein Zimmer hätte ich hübsch aufgeräumt, ein angenehmer Plaz auf dem Sofa, freundlich, nah am Ofen, für uns beide, wir werden aber nicht zusammenkommen, dießes Jahr und auch vielleicht nicht das nächste, gar manche Sonderbare Nacht Träume, und Vorspieglungen halten den Menschen ab vorwärts zu gehen die Erwartung säuselt ihm wie ein entfernter Weltlärm ins Ohr, und er paßt auf, und horcht ob er etwas errathen könne, am Ende war es nur ein Betrug den Die Zeit gespielt hat, um Unbenüzt vorbei^schleichen zu können, denn Die Zeit ist faul und läst sich nicht gern benüzen. ich will mir also ein schwarz Kleid stadt dem rothen machen, und meine Locken will ich zusamen drehen, und Schlappschue will ich am Fuß Tragen, denn weil mir das Leben nicht gut ist und mir nichts zukommen läst was mich erfreut, so hab ich keine Freud zum Leben. Savigny und Gundel haben so lang an mir geplagt und geknuspert daß ich München verlassen soll, bis ich endlich drein gewilligt hab, um so eher, da ich in München keine Menschen seele hatte, und auch kein Buch; Gundels Motiv war daß ich in diesen Krieges^zeiten mehr spahren müße, als ich in München nicht thun konnte, jetzt bin ich hier, auf der | einen Seite ist das Einquartirungs Zimmer hin verlegt auf der andern Savignys Studier^zimmer, worin ihn Studenten besuchen, in der Mitte bin ich mit meinem Clavier, immer mit geheimem 845
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Aerger daß ich nicht Singen kann und mag wenn mir einer zufällig zuhören könnte, hab lauter so schwehre Musick daß ich sie allein nicht dirigieren kann, und bin halt unglücklich. kömmt Morgens und Abends die Stunde da ich ehmals gesungen habe, so befällt mich eine Schwehrmuth welcher ich nicht wiederstehen kann, dann wenn ich auch allein bin, ist mirs so traurig daß ich den Mund nicht auf^thun mag, und sehe ich jezt im voraus daß ichs unmöglich lang hier aus halten kann, wenn ich dich hätte erwarten Dürfen so wär alles gut gewesen, mit Freuden hätte ich jedem Abend entgegen gesehen der Dich mir um einen Tag näher gebracht hätte. Savigny und ich besprechen uns oft wie Landshut für dich gar manches Angenehme haben könnte erst der Umgang mit 3 bis 4 Männern die doch von den besten der jezigen Welt sind, wie z: B: Sailer Magold Röschlaub, dann Die lieblichen Berge einzige in Bayern die in unsere Fenster schauen, dann Die Landshuter Bibliotheck auf welcher du so allein und einsam seyn könntest wie du wollst, dann würde ich gesorgt haben daß Dein Zimmer immer recht lieblich und angenehm wär aufgeräumt worden, damit Du auch da nach Belieben hättest allein seyn mögen; auch Grimm würde für uns alle, besonders für Savigny, ein willkomner Gast gewesen seyn mit dem wir zusamen Abends eine lustige Gesellschaft ausgemacht hätten. was nicht seyn soll kann und darf nicht seyn; – Deiner Großmutter, weihe ich heimliche Seegenswünsche, Trost und Gedult in ihrer Kranckheit, weil sie Deine Großmutter ist, und weil sie Dich lieb hat; Der Friede ist geschloßen, soll aber erst bekannt gemacht werden, und öffentlich gefeiert auf des Königs nahmens Tag. Klingshofer ein sehr würdiger Prediger in München der vor zwei Jahren gestorben, sagte bei Aufhebung der Jesuitten, bald wirds auch Ex^Könige und Ex^reiche, und endlich Exwelten geben. Von Göthe hab noch nicht Wanderjahre gelesen, d* 9ten Octobr:
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Dein Bettine.
An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei Fr: v: Labes Viereck No. 4 Berlin
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*665. An Peter Lindpaintner in München Landshut, vmtl. zweites Drittel Oktober 1809 B an Johann Wolfgang von Goethe, 21.–23. Oktober 1809: ich habe jezt ohne dem gehäufte Correspondenzen mit jungen Aufschößlingen der Kunst 〈…〉 einen Musicker von 18 Jahren 〈…〉 all diesen Menschen spreche ich nun in verschiedner Art Trost zu (Nr. 675,152-166). Peter Lindpaintner an B, 22. Oktober 1809: Ich habe Ihren Brief gelesen, und wieder gelesen und – ich sah Sie, wie Sie vor mir standen, jedes Wort sah ich, wie es aus Ihrem Munde floß. (Nr. 679,11-13.)
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 11. Oktober 1809, Mittwoch
Berlin d* 11 Octob 1809 Ich habe Deiner heute so oft still vor mir denken müssen, liebe Bettine, daß ich mich bei Dir gern noch hörbar machte, ehe ich in den chaotischen Schwindel des Schlafs zurückversinke. Es ist Dir doch nichts Böses geschehn, oder mir in Dir? Dein Schweigen macht mich besorgt, da auch Clemens ein Recht hätte von Dir etwas zu vernehmen, ich wünschte mir zuweilen einen magnetischen Schlaf um mich bey Dir umzusehen, was Dich festhält und uns entzieht, nur einen Augenblick möchte ich Dich anlachen und von der Welt weiter nichts wissen. Wenn ich der Gesinnung eines solchen Tages folgte, ich könnte einen wunderlich Sprung machen, heute habe ich mich darau〈〈f〉〉 beschränkt, Dir etwas zu senden, das Dir als einer Freundin der Braunschweiger Mumme und des englischen Oels willkommen seyn muß, nämlich das Bild des letzten Unternehmers dieser altherzoglichen Fabrick, er macht eure Bildersammlung vollständig. – Die Augen fallen mir zu es wird dunkel rings, als sässen mir noch auf dem kleinen Canapee in Trages, Savigny und Gundel um uns und wenn ich es je ableugnen könnte, daß ich Dich nicht recht lieb gehabt, so zeig mir dieses Blat, nicht daß die Blätter rauschen wehet der Wind aber wenn er wehet so rauschen sie 〈〈gute〉〉 Nacht, gute Nacht, Arnim
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Nr. 668 1v
An Fräulein Bettine Brentano Abzugeben zu bey H. v Savigny Landshut in Bayern
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*667. An Antonia Brentano in Wien Landshut, zweite Hälfte Oktober oder erste Hälfte November 1809 Vgl. Nr. *657.
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An Lulu Jordis in Kassel Landshut, zweite Hälfte Oktober 1809
Liebe Lulu. Dein Brief den Du Durch Hrn Brung: nach München geschickt, ist uns Durch Zufall erst späth in die Hände gekommen, denoch hat uns dein Andencken darin eine frische fröhliche Erquickung gegeben; Ich bin seit einigen Wochen wieder in Landshuth, Du wirst wohl wissen, daß mein Auffenthalt, fortwährend in München war, von wegen der Musick, die ich sehr eifrig mit Capellmeister Winter betrieben habe. Du kannst Dir also Dencken daß auch Fortschritte gemacht wurden. Die ich freilich gern ein mal meiner Familie, ins Gesamt producieren mögte; hier in Landshut, wo ich mich nach Verhältniß, ziemlich gut befinde habe ich mir eine ganze Capelle zu sammen getrieben mit denen ich klingendes und Singendes Spiel Treibe, Wolf Eidexe Baer Lux sind ihre Nahmen noch einer heist Hunger, primo tenor und Zwiefel heist der Bassist, Eidexe ist ungefehr 60 Jahre alt ist vielleicht einer der schönsten Männer in ganz Baiern, dieser Dirigiert und lehrt mich Composition, er tragt ordinair schwarz samtne Hosen wie auch Wams und Kappe, am Sonntag hat er noch einen hellblauen Kragen um; unsere Lebensart ist übrigens ganz einfach, nur wenige | junge Leute besuchen unser Hauß, aber dieße sind ausgezeignet, an Geist, und auch 848
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an Schönheit; Die Kinder gedeihen der Bub der sehr unartig ist, ist dabei so lieb so interessant, daß man ihn nur immer mehr zur Unart reizt, anstadt zu schmählen, er spricht alles, und schreit oft ganze Stunden lang aus Muthwill, und Boßheit, welches ihm sehr angenehm läst; übrigens ist ganz Landshut voll altem verrostetem Adel, der die comischste Pretensionen, und Kleidung in öffentlicher Gesellschaft hat, darunter auch junge Damen, die auf eine merckwürdige Art Durch Adelstolz und derlei Eichenschaften, ganz komisch verzerrt sind; Eine öffentliche Gesellschaft wär daher ein Gaudium für Dich, Du hättest für Jahre genug dran zu erzehlen; – Leb Du indessen wohl und behalte uns Verbannte in gutem Andencken sollte mich das Schicksal wieder von hier weg treiben und wieder nach Franckfurth so komme ich sicherlich nach Cassel wenn Du noch Dort bist, um mir mit Dir auf einige Wochen Die Zeit zu vertreiben; Adieu laß uns zu weilen von Dir hören, wenn Du den Grim siehst so grüße ihn herzlich von mir, und sage ihm daß sein Bruder Louis, der mich in Kupfer gestochen hat, sehr brav wird, und ungemein | viel mehr Sinn äussert, als man hinter ihm gesucht habe, auch daß er schön wird, und sehr liebe Briefe schreibt; sag ihm ferner, wenn Dirs nicht zu viel ist daß ich einen Brief von ihm an Savigny gelesen, der mich sehr ergözt hat, und aufs neue mir einen recht freundschaftlichen Sinn für sie beide Ja: u Wil: eingeprägt, da sie in Gesinnung, Wissen und Gefühl, gewiß mit, der bessern Hälfte vorstehen; Ich grüße deinen Alten herzlich, kann Dir nicht in deinem Begehren zu heirathen will fahren, verbleibe aber als Jungfrau deine getreue Schwester Bettine
*669. An Meline Brentano in Frankfurt Landshut, zweite Hälfte Oktober 1809 Meline Brentano an B, 31. Oktober 1809: Dein Brief war mir ein großer Beweis deiner Liebe, und in dieser Hinsicht hat er mich erfreut, sonst enthält er wohl nichts erfreuliches, denn so wie Du aus meinen Briefen an Savigny, die Unruhe endeckest welche mich plagte, so beweist er mir das auch dich eine ewige Unruhe quält. 〈…〉 Du hast volkommen recht wenn du glaubst im Vertraulichen, Freundschaftlichen Umgang mit Menschen seye ich auf meiner rechten Stelle. 〈…〉 Ob du wieder
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hierher kommen sollst, weiß ich dir würklich nicht zu sagen 〈…〉 Wie deine Idee nach Weimar zu gehen, auszuführen ist, weiß ich nicht 〈…〉 Den Gruß von Tiedemann erwiedre ich recht von Herzen. (Nr. 680, 1-12+47-51+70).
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Von Christian Brentano an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny, Bettina und Clemens Brentano in Landshut Bukowan, vmtl. zweite Hälfte Oktober 1809
Lieber Savigny, Gundel, Bettine, und (wenn er noch mit Euch ist) Clemens! Als wären wir einander abgestorben, so lange und ein so hohes Bollwerk hat der Krieg zwischen unsrer Liebe aufgethürmt. Aller Verkehr war abgeschnitten; ich erhalte jezt vier Monath alte Briefe. Doch nun ist Friede! Die Banden sind gelöst welche der Krieg als Turniquets brauchte das Blut den Gliedern abzusperren ohne Rücksicht was befreundete Nerven litten, und so ist dann mein nächstes; daß ich zu Euch eile mit dem ersten Pulßschlag der befreÿten Adern, des Herzens Wärme beÿ Euch auszuhauchen. Ihr lieben guten Seelen! Nun! ich bin dumm; hatte ich mir nicht vorgenommen mich zu mäßigen, weil ich weiß meine Schwärmereÿ wird von Euch aufgenommen wie Gluth vom Waßer aus^gezischt. Aber vergebens. Wie die Befreÿung den lang gefangen gehaltenen zum Geken machen kann aus Freude; so geht es meiner eingesperrten, losgelaßnen Liebe. So gieß sie sich denn aus so närrisch als sie will, hundstoll im Hunde trab in Versen. Ja eingesperrt war sie wie ich; in Sorgen, Aerger, Kummer abgeschnitten von aller Theilnahme, allem Trost, oft dem sogar die Muttersprach zu hören; daß es freylich kein Wunder, wenn sie so nervenschwach geworden; daß der Reitz, der Euch gelinde scheint, die Ihr in der reichen Diät der eigenen Umgebung schwelgt, daß dieser Reitz | der Reitz Euch wieder zu begrüßen, zu Narrheit ihr Gehirn entzündet. O Hertz! wie lieb ich Dich, Bettine, Gundel Savigny, ich lieb Euch unaussprechlich und Clemens lieb ich auch Gott weiß es herzlich; O schreibt mir bald, denn ich versichre Euch, hätt ich so lange nicht getrunken, als ich Nachricht von Euch entbehrt mich könnte nicht so dürsten nach kühlem Trunk als mich jezt dürstet von Euch zu hören; ja schreibt mir, doch schreibt doppelt denn durch Küßen, wird Euer erster 850
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Brief von mir zerrißen. Ist dieß nicht Narrheit, ja! doch wo kömts her? weil ich zu lang vernünftig bleiben muste; war ich nicht lange stumm trotz einem Schüler des Pythagoras; ja stumm und taub macht’ mich das Kriegs Getöse; so lasst die Zunge denn ihr neu empfangenes Leben auch mißbrauchen, und entschuldigt sie; sie ist gedrängt von ausgehungerten Ohren die lang entbehrte Nahrung vom Krieg Verbannte Gäste, Liebesworte im Frieden wieder heim zu rufen. Savigny, Gundel, Bettine, Clemens Gundel Bettine, Clemens Savigny ja so variir ich Euch im Herzen; daß alle Namen die Stellen wechseln, und jeder der erste seÿ! O Treu welch Metall kann aus der Erde Schoos gegraben werden so edel und so Feuer beständig als Du bist: und Du bürgest mir; daß sagt auch Savigny von Christian, »bist ein Dummer Kerl« so wird er doch auch sagen müßen aber gut u treu. Jezt schweig ich; denn da ich gar anfange mich selbst zu loben; so ist es hohe Zeit. Nur noch ein paar Worte von unsren hiesigen Geschäften, – unsere Schulden sind abgezahlt, im Durchschnitt ungefähr für das Drittheil bar Motz ihre noch nicht. weil aber der Cours sich jezt noch mehr zu unsrem Besten lenkt; so habe ich mit Ihnen comunizirt ob sie uns nicht ein Theil unserer eingelösten Schulden abnehmen wollen (denn das baare Geld von 7/m habe ich jezt in Händen) wodurch wir von dem weit vortheilhaften jezigen Cours auch etwas profitiren werden, wozu ich sie wahrscheinlich dadurch bewegen werde | daß wir dann das ungewiße eines Capitals von 52/mfl, welches der Eigener als unaufkündbar behauptet zu Hälfte übernehme, ich glaube nicht daß wir von der Seite etwas zu fürchten haben werden indem ich schon durch gute Vorkehrung die Sache zum Besten zu leiten hoffe. Im übrigen muß ich bedauern, daß der vollkommene Mißwachs dieses Jahrs verbunden mit den enormen Kosten dieses Kriegs den errungenen Vortheil beÿnahe aufwiegen. Unglücklicher Weise muste ich eine Spekulation auf Wolle unterlaßen, welche uns sonst durch den Gewinst von 40/mfl wie jezt die Zeit lehrt reichlich entschädigt hätte. Ich hatte damals noch kein Geld. George dem ich diese Speculation vorschlug bereut es jezt gewiß, sie nicht angenomen zu haben; da gegen 〈8〉0 .. % dabeÿ zu profitiren waren. 4 biß 5000 fl habe ich uns aber dennoch dadurch gewonnen; daß ich unsre Wolle aufhob, und auch noch etwas dazu gekaufft habe, aber was ist das gegen den Verlust dieses Jahrs, durch Schlechte Erndte und Kriegslasten 851
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, 16. Oktober 1809, Montag
Am 16ten October Deinen Brief vom 7ten hab ich heute an einem Trüben melancholischen Tag erhalten, mein Kopf der mir Jahre lang keine Beschwerden macht, ist heute in bösem Aufruhr, in allen Ecken klopft’s und Hämmerts, als ob er ganz neu sollte tapeziert werden und aus den Augen schauet ein verwirrlicher Geist; und grade heute bin ich mehr denn seit langer Zeit Gestimmt, gar langmüthig in Zärtlichkeit, in Ruhiger Freundlichkeit mit Dir zu sprechen; Du mußt es auch meinen Buchstaben ansehen, daß sie ohne Hast geschrieben sind; – Ich kann mir Dencken daß es Dich recht sehr schmerzte in dem Paquet keinen Brief an dich zu finden, laß es mich nicht entgelten, machs mir nicht auch so – Augustens Ankunft in Berlin hat uns einen algemeinen elektrischen Schreckensschlag gegeben; ich muß dir sagen daß mich nichts grimmiger und wilder gegen Clemens machen könnte als wenn er uneingedenck seines eignen Verderbens (nehmlich daß sein Geist bei lebendigem Leibe vermodert) wieder mit ihr zusammenkäme ich bitte Dich Lieber Arnim! mir zu lieb halte ihn mit allen Kräften ab; leichtsinnig hergebrachter Maasen, sich wieder hineinreißen zu lassen; diese Person, durch ihre Turbirung – da man sie nur verachten sollte – hat es doch so weit gebracht daß man sie hassen muß. Du Mußt jezt 2 Briefe von mir haben auch einen mit einer Landschaft von Rumohr. Dieser grüßt. Von Goethe in Cottas Almanach habe gelesen, und freue mich daß Wir zwei eine Liebe für ihn miteinander theilen die größer ist als gewöhnlich, und die auch Jugendkraft hat und Stündlich wächst. Heute Nacht hab ich einen bösen Traum gehabt, ich ging an einem Duncklen Strohm der der Rhein war, viele Stunden lang abwärts, es war ein Schwarzer Tag, so daß sich kaum Die Luft von den finstern Felsen absonderte, viele Inseln schwammen an mir vorüber mit hohem Schilf, und verwirrtem Kraut und Pflanzen, und die Wellen nagten an meinen Füßen; ich ging in einen Garten der voll blühender Baume Stand, die ihre Zweige bis auf die Erde senckten der Boden war aber ganz weich und Kothig und die Zweige besudelt, ich mußte mich bücken um Drunter her zu gehen am Himmel hing ein Gewitter so tief herab daß man es hätte mit der Hand berühren können, und dabei gingen grelle Sonnenstrahlen durch die Baume; am Ende kam mir meine 852
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Großmutter in einem schwarzen Kleid entgegen. Ich weiß Daß Du kein Freund von Traumen bist ich würde dir ihn daher nicht erzehlt haben wenn er nicht die Merckwürdigkeit hätte, daß ich ihn beinah alle Jahr Träume, das heist, immer in ähnlicher Art; als ich aufwachte, war mir, als ob die Welt zu mir sagte: Gast! wer hat Dich gebethen? – Arnim ich habe Heute in der Bibel gelesen: »Du hast mir kund gethan die Wege des Lebens, Du wirst mich erfüllen mit Freuden vor deinem Angesicht« und dabei hab ich an Dich gedacht | nehmlich: Ich will mit Dir gehen Die Wege des Lebens, und es wird mich erfüllen mit Freuden dein Angesicht; daß heist wenn ich dich wieder sehe, so werde ich mit Freuden erfüllt seyn. Die Liebe sucht im Leben ihre eigne Hälfte, und kann eher nicht ruhen aber die Freundschaft findet sich ganz im Freunde, wieder, und ist daher ihre Freude um so größer ein un vermuthetes Gut zu haben sie ist auch sehr glücklich wenn sie ihrem Freund sanft die weiche Hand streichlen kann, daran mercke ich, daß ich dein Freund bin, denn ich wär jezt so glücklich wenn ich dich streichlen könnte und wollte weiter nichts verlangen; so mein ich – indessen kömmt es auf die Probe an. Vermischte Nachrichten Wir haben schon seit 3 Tagen Schnee gehabt; Der Kaiser wird Täglich hier erwartet. Professor Tiedemann ist beordert ihm eine Lobrede auf seine errungnen Siege zu halten während er die Pferde wechselt, auch sollen 50 Jungfrauen weis gekleidet von einem Schaffot herab ihn besingen, schon seit mehreren Tagen hängen zur verherrlichung dieser Festlichkeit, Papierne Lorbeer Kränze vor den Fenstern, sind aber durch eingefallnes Regenwetter ganz zerlumpet und färben die Wände so daß es das Aussehen hat als ob man Unrath hinunter geschüttet habe. Der Friede ist wie eine Heuschrecke springt bald vor bald zurück und man spaziert hier ziemlich getröstet aus | Gewohnheit zwischen Furcht und Hoffnung herum. Dein Portrait das Clemens zurück gelassen hängt in meiner Stube, ich hab es eben betrachtet, ein schöner beredsamer, lieblicher Mund, deutet auf einen Dichter und werden Deine Lieder diesem Munde ähnlich seyn 2tens, nicht zu große aber scharf blickende Augen deuten auf einen scharfsinnigen Geist, hervorstehende Aug^brauen wie schüzendes Bollwerck über den Augen, deuten auf große Treue auf schüzende Liebe, dem der Deines Herzens Festung einmal errungen hat, gebogne und erhabne Nase, Deuten auf edle Herkunft, und Stolz, aber 853
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ihre Spize Deutet auf Eigensinn, scharfer Backenknochen deutet auf Kraft und Muth, etwas aufgedrücktes Kinn Deutet sichtbar auf Streben nach Kunst nach Liebe nach allem schönen; Das ganze Gesicht ist etwas melancholisch, noch schwebt auf der Stirne eine ewige Flamme von Fantasie und von Reiner Jugend, – mir ist das ganze unendlich Werth, lieb, heilig einzig teuer. Dem Savigny sein kleiner Bub ist gar lieb, Clemens wird Dirs auch sagen, der hatte ihn recht lieb; ich küße ihn oft, und wenn ich mich nach Dir Sehne so nehm ich ihn auf meinen Schooß und halte ihn warm. Das Feuer brennt so schön im Ofen es ist so still – wärst Du Doch hier, ich hab Kopfweh kann mich nicht viel bewegen, könnten so angenehm miteinander sprechen, könnten uns so viel sagen Bettine
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Von Joseph Janson von der Stockh nach Landshut Augsburg, 18. Oktober 1809, Mittwoch
Der Dr. Best geht. er kömmt an Ihnen vorbey, und ich freue mich, an Sie durch ihm die paar Worte übersenden zu können. Welch ein böser Geist hat letzthin sein Spiel gehabt, alles kam böß weg in Ihrem letzten Brief, er flog mir wie ein Stein auf die Brust, aus starker Hand, und mir war der Athem beklemmt. Ein schwarzer Dr: ein neuer Dr: und ein Klotz, das ist freylich genug, in der Welt, die so-so-ist, einen Heiligen zu verwandeln; wenn nur gerade ich nicht die ganze Ladung erhalten hätte, so gehts aber immer, und mir gerade von ieher, denn ich wurde einstmahls geschlagen; weil ich zusah, wie ein anderer iemand etwas zerbrach. Es freut mich recht daß Sie an | meinen Glück oder Unglück großmüthig theil nehmen, ich habe mir mehr herausgenommen, ich hatte an Ihren lieben ganzen Leben meine kindische Freude, und dachte mich wirklich unendlich erhoben, daß Sie das Kleinste nicht gänzlich verwarfen. Seit einiger Zeit kommen alte Verwannte, die ich tod glaubte wieder zu mir, und denen ists wohl; sie sehen so iung aus, wie die Kinder und versichern, daß was einmahl gebohren ist, stirbt nicht mehr, wenn es nicht will, sondern es schaft nur, und ich glaub ihnen, denn sie kommen von Aufgang herauf, und uns ist der Untergang eben so wenig klar, denn wir stehen mit unsren Launen in einer luftigen hellen Mitte. Wir haben | Best und ich recht gut mit einander gelebt, und unser 854
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Kreutz mit einander getragen. Er ist iezt ein großer Herr, ich tausche aber nicht mit ihm, weil ich Ihnen viel lieber haben kan, als er mit seiner sonderbaren Natur. Wenn ich auch keinen Brief mehr zu schicken traue, wegen meiner schwachen Brust, so schreibe ich doch immer an Sie, und zerreiß die Briefe wieder. Den wenn ich fertig bin, bin ich immer ein bischen hartnäckiger, als ich von Natur bin, und das ists was mich belebt. Machen Sie kein ernsthaftes Antlitz und leben Sie recht wohl. Augsb: den 18. Oct DJanson 1809. A Mademoiselle Mad: Bettine de la Roche a plombe. Landshuth
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*673. An Joseph Janson von der Stockh in Augsburg Landshut, vmtl. letztes Drittel Oktober oder erstes Drittel November 1809 Joseph Janson von der Stockh an B, letztes Drittel Oktober oder erstes Drittel November 1809: Für Ihr schönes Versprechen ist Ihnen nicht genug zu
danken 〈…〉 Es war der Ton der Stimme woran ich Ihrem Ernst erkannte 〈…〉 Sie fanden das Grab nicht, denn der Mann war taub und verstand Sie nicht! (Nr. 674,8+17-24.)
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Von Joseph Janson von der Stockh nach Landshut Augsburg, vmtl. letztes Drittel Oktober oder erste Hälfte November 1809
Wahrlich ich habe die Schuld nicht, daß mein letzter Brief nicht an Sie gelangte mit seinen Klagen. Manchen Menschen darf mann noch so redlich begegnen, er ist doch nicht zu erweichen; und haben wir erst seine Hand herzhaft gepackt, so werden uns erst die Krallen bemerklich. Best wurde leider so befunden, ihm wird so leicht nichts ändern, 855
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denn zu meisterlich ist er verkrüppelt, dabey für sich zu gewiß, daß es kein Mensch ie bemerkt, wie weit ers gebracht hat. Für Ihr schönes Versprechen ist Ihnen nicht genug zu danken, ich halte die Welt noch immer für so, daß sich Ihr geheimstes Leben bleibend, vor ihr, und wiederhohlt entfalten soll, auf das ein neuer Garten blühe in der Oede, worin der Geist der Blutsverwanten ieder seine Blumen seine Blüthen finden wird. Sie sollen können es allein, den Seelenfreund, die rechte Liebe offenbahren, die rechte Farb ihm reichen den ewig iungen Ritter diesen königlichen der ohne Furcht und Tadel. Ein Stummer wird den Kranz bewahren, | der rechten Hand ihn überliefern den einst am Zweige weiter grünen lassen wollte, dieser Sänger. Es war der Ton der Stimme woran ich Ihrem Ernst erkannte, sonst würd ich nicht so ernstlich mahnen, den selten ist die Liebe unter dem Wechsel des Tags und der Nacht, wo alles erstarrt, oder in Flammen aufgeht, wo eins das andere verzehrt, und wo der gute Geist unstät und flüchtig, die Lebendigen allein läßt. Sie fanden das Grab nicht, denn der Mann war taub und verstand Sie nicht! Die Liebe seinen Reichthum nahm er mit hinab, dem hätt der Schatz gehört, der ihn vermißt. Lange leben und recht geben, Joseph J. am Versprechen, nichts zerbrechen.
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Landshut, 21.–23. Oktober 1809, Sonnabend–Montag
LandesHuth am 23sten October Das Reich Gottes stehet in der Kraft zu jeder Zeit, und in allen Orten Das hab ich heute gemerckt an einer holen Eiche die dastand in der Schaar wilder hoher Waldpflanzen ganz abgewendet vom Sonnenschein. Wolfsstein ist bei 3 Stunden von hier, man muß über manchen StiegelHupfer, kömmt almählig aufwärts zwischen Tannen und Fichten die ihre breiten Aeste im Sand schleifen. Dort stand vor vielen Hundert Jahren ein Jagdschloß, vom Ludwig dem Schönen Herzog in Baiern, dessen sonderliche Lust war in dem Nebel und Abenddämme856
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rung herum zu steigen, da war er einsmals abwärts gegangen, und hatte ihn Die Dunkelheit heimlich nah an eine Mühle geführt, das Wasser hörte er braußen und das Mühlenrad gehen, sonst war alles still, er rief ob ihn niemand hör; Die Müllerin Die gar schön war, wachte auf, zündete ein KiehnHolz an, und kam vor die Thür gegangen, Da war der Herzog gleich Verliebt da er sie beym Schein der Flamme sehen konnte und ging mit ihr ein. Blieb auch bis am frühen Morgen; er suchte sich aber einen heimlichen Weg wie er wieder zu ihr kommen möge er vergaß ihrer Nicht, aber wohl vergaß er der Marck Brandenburg, die er verlohr, darum daß er auf nichts achtete als nur auf die Liebe. eine Ulmen^allee die zur Mühle führt vom Schloß aus, und die er selbst pflanzte, steht noch, Daran sieht | man daß Die Bäume wohl alt werden, aber Die Liebe nicht; sagte einer von unserer Gesellschaft, da wir Durch die Allee gingen. Und darum hat Der Herzog nicht unrecht daß er, die Marck Brandenburg um Die Liebe gab, denn Diese ist immer noch Da, und ist Dumm! aber in Der Liebe geht man einher wie im Frühling, denn sie ist ein Regen von Samtnen Blüthenblättern, ein kühles Hauchen am heisen Tag, und sie ist Schön bis sie am End ist; Gäbst Du nun auch Die Marck um Die Liebe? es würde mir nicht gefallen wenn Du Brandenburg lieber hättest, wie mich. am 22sten Oct. Der Mond scheint weit her über Die Berge, Die Winterwolken ziehen Heerden^weise vorüber, ich habe schon eine Weile am Fenster gestanden und zugesehen wie das alles Da oben jagt und treibt – Lieber Goethe Guter Goethe! ich bin allein; – Du hast mich wieder ganz aus Den Anglen gehoben, und zu Dir hinaufgezogen. Wie ist Das, Daß Die Schönheit so herrlich im Ebenmaas sich Darstellt, in allem was von Dir ausgehet; es ist nicht möglich das Du Deine Kraft wissest denn sonst müstest Du Dich selbst als einen Gott wissen der Da reicht über alle Vernunft, und über Die Welt, und über | das äussere Leben. – Ich fange gern hoch oben am Blatt an zu schreiben, und endige gern unten ohne einen Respeckt^plaz zu lassen, das malt mir immer vor, wie ich ein alter Bekannter Freund von Dir bin, der keiner Zermonien bedarf. – Da ich nun das laß, aus Wilhelms Wanderjahren da regten sich wieder die alten Schmerzen in mir und der Wille meiner Liebe ist also daß ich aufgelöst mögte werden, in Die Schönheit Die mich bezwingt. – Du bists! Du bists – ich glaub wahrhaftig, das hab ich von meiner Mutter geerbt; 857
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sie muß Dich recht erkannt haben recht genossen haben, damals als ich auf die Welt kommen sollte, denn alte Gewohnheit scheints mir, und wie Das Ufer den Schlag der Wellen gewöhnt ist so mein Herz den wärmeren Schlag des Blutes, bei deinem Nahmen bei Deinem Andencken.
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am 21 Oct: Es geschieht hier nichts merckwürdiges, nur hat der Ort auch noch die Eigenheit das wie in ganz Baiern Regenwetter und Schönwetter einen gleich unangenehmen Eindruck macht. daß nicht nur allein die Menschen sondern auch die Straßen und vorab die Kirchthürme wiederwärtig sind; denn so oft ein Domherr stirbt wird ein Stein am Thurm geweißt, also daß der Thurm von oben bis unten weis geplackt ist. Man geht indessen weit spazieren, mit mancherlei Gesellschaft, Sailer (du must ihn dem Ruf nach kennen) geht meistens mit; ein junger Italiener, der sehr schöne Augen hat, ein Arzt, der mir den Intermaxilar^Knochen von einem erwachsnen Menschen sehr schön prepariert hat | um mir zu beweißen Das Goethe Recht hat, u so noch mehrere sind unsere gewöhnlichen Begleiter, man sucht die steilsten Berge, und auf diesen die steilsten Wege, um sich zu exerzieren auf das kommende Frühjahr, wo man eine Reiße in die Schweiz, und Tyrol vor hat; mit samt dem beschwehrlichen Weg werden tausend Späße tausend Wize gemacht, die alle keinen Heller werth sind. und so ist denn unser Zirkel der algemeine Schleifstein geworden an dem sich gar mancher Rost wieder abwäzet. am 20 Oct: Heute Nacht hab ich wieder von Dir geträumt – Du warst Ernst und sehr geschäftig, und Da ich zu Dir kam sagtest Du gleich: Daß ich Dich nicht stöhren möge! es machte mich sehr Traurig, da ich den weiten Weg gemacht hatte, und mein Gesicht wurde Finster von Thränen, aber Da kamst Du und drücktest mit unbeschreiblicher Milde, meine Hand an mein Herz, und sagtest: sei nur ruhig; ich kenn Dich; ich weiß alles. Da wachte ich auf, es hatte sich mein Ring auf meiner Brust abgebildet, den ich im Schlaf an mich gedrückt hatte, da paßte ich ihn wieder in die Abbildung, und drückte ihn noch fester an weil ich Dich nicht an mich drücken konnte; ist denn ein Traum nichts? mir ist er alles; ich will gern die Geschäfte des Tages aufgeben, wenn ich Nachts mit Dir seyn und Sprechen kann. O seys gern im Traum, mein Glück; Du! 858
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Am 19ten Oct. Auch hier habe ich der Musick ein Lustlaager aufzuschlagen Gewust, ich habe mir eine Capelle von 5 bis 8 Sängern rangiert in meinem kleinen Zimmer werden an Regen Tagen die Psalmen von Marcello, (die Duetten von Durante) aufgeführt; ich will Dir gerne Die schönsten (es sind 50) daraus abschreiben lassen wenn Du sie selbsten nicht hast – schreib nur ein Wort darum; denn Die Musick ist einzig herrlich und nicht gar leicht zu finden; auch die Duetten sind schön, es gehört Dazu eine eigne Art zu singen damit das Ohr ihre harmonische Disharmonie bändigen mag; sie sind gleichsam ein Blick der sich langsam über eine Schaar gebrochner Seufzer und Liebes^klagen hinbewegt; und immer in Die Luft wie ein irrendes Verhallen abbricht, darum sind sie aber auch so rührend wenn sie recht gesungen werden daß sie leichtlich einen jeden bewegen müssen; man hatte indessen hier ein barbarisches Urtheil über Diese, und Marcello gefällt ich wurde bissar genent, daß ich Täglich zweimal, zwar immer nur Diese Musick singen ließ; nach und nach gewann man Interesse, und da wir in einem Hauß sangen das auf einer öffentlichen Promenade stand, so sammelten sich unten oft viele Zuhörer, selbst der König und Königin gingen in den lezten Tagen die ich in München war, oft unter den Fenstern um zuzuhören. mit dem Mahler Kloz ist nichts anzufangen; ich habe mich mit Theilnahme, zum Theil mit Langerweile Durch sein 25 Jähriges Manuscript gearbeitet, und mit Verwunderung entdeckt, daß er sich selbst in höchst prosaischem Wahnsinn hinten angehängt hat – und beim Lichte besehen hat er sich durch häufiges hineinsinnen endlich selbst in 3 grobe schmuzige Stoff^farben verwandelt. nach dem ich eine wahre Marter bei ihm ausgestanden hatte besonders Durch sein Häßliches Gesicht, so war ich nach endlich geendigten Collegen nicht mehr zu bewegen ihn zu besuchen, und kam mir eine seltsame Furcht an wenn ich ihn auf der Straße witterte; bei Sonn und Mondenschein stürzte er auf mich loß, ich suche zu entweichen. Ach vergebens, die Angst lähmte meine Glieder, und ich falle in seine Hände! nun fing er an sein System von Grund aus in meine Seele einzukeilen, Damit ich den Unterschied von Goethes Ansicht ja recht auffasse auch lud er mich ein! um mir seine Lichttheorie auf französisch vorzulesen, er übersezt das ganze um es der Pariser Academie zu übergeben. Da ich nun ein ganz eignes Talent habe, alles was sich in des Menschen Gedancken endlich ordnen und gründen will, grade von entgegen gesezter Seite aufzufassen, nehmlich der Wircklichkeit, die keine Form ver859
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edelt, und ganz alles Poetische höchst gleichgültig überbaut, oder zerreist wiederum fantastisch zu zertrümmern, so hab ich ihm durch 125 meine große Lügen Parodien, und Vergleichsamlungen | wiederum das Leben noch etliche Jahre gefristet. Ich meinte Da ich Durch sein Prisma sah, an den schwarzen Streif und alles sah was er wollte, das der Glaube die Geburt und sichtliche Erscheinung des Geistes sey, und eine Befestigung seines Daseyns, 130 denn ohne ihn schwebt alles und gewinnt keine Gestaldt, und verfliegt in tausend Auswegen. also auch wenn ich zweifle und nicht glaube, so verfliegt mir auch Dein Schönes Andenken, und ich habe Nichts. Am 18ten October Ich bitte Dich um etwas, und das darfst Du mir nicht abschlagen; man 135 kann nehmlich im Leben nicht genug sammlen der Dinge, die die Einsamkeit des Grabes versüßen, als Da Sind Bänder, und Haarlocken der Geliebten pp: ich hab eine zu große Liebe zu Dir, als daß ich Dir ein Haar grümmen mögte, viel weniger eins abschneiden, denn Dein Haar gehört zu Dir, und Du bist ein Ganzes, das mein ist, Durch Liebe mir 140 errungen; – Gieb mir Dein Buch – das jezt heraus kommen soll, laß es schön einbinden in eine freundliche Farbe, in Roth etwa denn das ist eine Farbe in Der wir uns oft begegneten, im Kuß nehmlich; und dann schreibe, mit eigner Hand vorne herein: Bettine oder Schaz: oder pp. Dieß Buch geb Ich Dir, als meinem geliebten Kind. oder auch sonst ein 145 überraschend freundlich Wort. Zwei Briefe erhielt ich von Dir, über Das Bild von Dürrer, Du must mir aber auch Nachricht geben | ob er unbeschädigt angekommen, und ob er Dir gefällt; dieß kann ich mit Gewißheit sagen, daß er dem Original unendlich treu nachgeahmt ist. wenn Du nun sonst noch ei- 150 niges Lobens^werthe drinn findest so theil mirs mit, daß ich den sehr armen Maler mit erquicken und aufrichten möge; ich habe jezt ohne dem gehäufte Correspondenzen mit jungen Aufschößlingen der Kunst; einen jungen Baumeister in Cöllen, einen Musicker von 18 Jahren, der ein reiches Talent in Melodieen hat, dem Die Begleitung gelingt wie 155 die reine Luft ganz zart gespannt, in der der Gesang fliegt als ein heller Schwahn mit ausgebreiteten Schwingen. einen jungen Kupferstecher, der bei Pfr: Hess lernt; beiliegendes radiertes Blättgen ist von ihm, es ist der erste Abdruck mit hin noch verwischt und unzart, auch ist das ganze etwas Düster und nach dem Urtheil andrer zu alt; Du hast mich 160 auch nie so ernst gesehen, wirst es daher nicht ähnlich finden, indessen 860
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scheint mirs nicht ganz ohne Verdienst besonders da er es ohne Zeignung gerade Nach Mir aufs Kupfer gearbeitet hat. wenn es Dir gefällt so schicke ich Dir, ein reines besseres, mit mehr Sorgfalt gepackt, das Du zu meinem Andencken an Die Wand steckst. – all diesen Menschen spreche ich nun in verschiedner Art Trost zu; und ist mir eine angenehme Würde, als ihr kleines Orakel von ihnen berathen zu werden ich lehre sie nun, ihre 5 Sinne verstehen; wie das aller Dinge Wesen in ihnen fliegt und kriegt, wie Duft der Lüfte, wie Kraft Der Erde, und Farben Des Feuers, in ihnen leben und arbeiten; wie die wahre Aestetick im hellen Spiegel der Schöpfung liege wie Reif Thau und Nebel Regenbogen Wind Schnee Hagel Donner und die Drohenden Cometen, die Nordscheine pp: einen ganz andern Geist herbei ziehen, als die Musenpferde, die am bekannten moralischen Genie ziehen. Der Gott der den Winden Flügel anbindet; Der wird sie eurem Geist auch anbinden. Am 17ten October. Merckst Du denn nicht daß mein Datum immer zurück stadt vorwärts geht? ich habe mir nehmlich eine List ausgesonnen, da die Zeit mich immer weiter trägt und nie zu Dir; so will ich zurück gehen bis auf den Tag wo ich bei Dir war, und Dort will ich stehen bleiben, und will von Dem: in Zukunft; und Mit der Zeit; und, Bald; gar nichts mehr wissen, sondern dem allem den Rücken zu wenden, ich will der Zukunft ein Schloß vor die Thüre legen und somit, dir auch den Weg versperren, daß Du nirgend als zu Mir kannst. Jezt noch einmal schreib mir über die Musick damit ich sie schicken kann wenn Du sie nicht hast; ich schicke sogern etwas; dann bitte ich an Die Frau meinen lieblichsten Gruß, und Umarmung; des Sohns gedencke ich auch; Du aber | schreib mir an einem hellen Tag; ich bilde mir immer ein, daß ich Dir unter vielem das Liebste sey; wie Deine Mutter noch lebte da konnte ich mich mit ihr darum besprechen, auch rührte ich gern ihre Hand an, die deine Kindheit gepflegt hatte, und sah zuweilen noch manches aus dem ehmaligen Haußrath wo Du dabei warst. Das waren Lieblichkeiten. Bettine Morgen geh ich nach München; da werde ich den alten Presidenten wieder sehen, in der Dieß^jährigen öffentlichen Sizung der Academie, ist eine sehr schöne Abhandlung über die ehmalige Geschichte des 861
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Salzwesens zu Reichenhall gelesen worden, sie hatte das eigne Schicksal jeder mäniglich zu enuieren. wenn mein Brief das Schicksal mit ihr 200 theilt, so lese ihn immer um der Mühe und Zwangs den er sich gethan, auch von etwas anders als von meiner ewigen Liebe zu sprechen.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 21. und 22. Oktober 1809, Sonnabend und Sonntag
Berlin d* 21 Oktob 9. Endlich erhalte ich von Dir einige Worte, ich habe Dir in Gedanken mancherley Unrecht angethan, unter andern wurde ich auf den jungen Italiäner eifersüchtig, der mit Savigny Ballon schlägt, ich fluchte in mir, ich erhitzte mich, da kam Dein Brief und es war mir plötzlich, als hättest Du auf eine lange Rede nicht achtung gegeben und sprächest ruhig fort, wo Du aufgehört. Der Grund dieser wunderlichen Eifer^sucht ist sehr lächerlich. Ich lernte vor einigen Tagen eine Römerin aus Perugia kennen, sie ist etwa achtzehn Jahr alt, theils Kammerjungfer, theils Kind vom Hause bey einer Engländerin, sie heist Marianina, hat so schöne Augen und macht sie so schön, so reine feste Umrisse, so viel Lebensfrische, Augenbraunen wie Cirkelschnitte, Zähne um alle Lehren von der Proportion zu erläutern, je mehr ich sie sah und singen hörte, je deutlicher fühlte ich, welch ein glückliches Land das seyn müsse, das so schöne Kinder hervor bringe; schön von Augen, gut von Herzen wie ein italiänisches Volkslied sagt, dabey die lebendige Freude an allem und der Anstand in aller Bewegung, so klein sie ist, macht alles zum Wohllaut. Ich weiß nicht ob ich der Mühe werth bin, daß Du auf mich eifersüchtig wirst, diesmal erspare Dir aber die Mühe, ich bin nicht mehr so frisch erwacht, daß mich jedes Schöne unmittelbar zu seinem Eigenthume macht, ein Abend höchstens durch bebts mich so, dann fühle ich, daß so manches hinter mir liegt, was ich mir nachschleppe wofür nur eben wenige einen Sinn und Begreifen | haben und dann schließ ich mich unschuldig an, denke und nutze meinen Vorrath gewöhnlicher Höflichkeiten, so lerne ich urtheilen, ein Recensent ist in keiner Gefahr von seinem Buche allzusehr ergriffen oder endlich wohl gar hingerissen zu werden. Ich kann es ihr doch nicht verzeihen, daß sie keine Deutsche ist und bey aller Artigkeit endlich doch nichts mehr als ein artiges Kammermädchen aus 862
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Gollem ist, die von nichts weiß, als was hübsch oder häßlich, übrigens ist sie durchaus tugendhaft wie die meisten italiänischen Unverheiratheten und war einmal so leidenschaftlich verliebt daß sie bey der Abreise ihres Schatzes die Gelbsucht bekommen, jezt ist sie aber wieder weiß. Soviel von der Marianina, von der Clemens mich fragte, ob ich Dir auch schreiben würde, ich hatte ihm ein paarmal mit Lust von ihr gesprochen, ich glaube kaum, daß ich ihm soviel davon gesagt wie Dir, soviel aufrichtiger bin ich noch gegen Dich. Von Dr. Kohlrausch, einem Göttinger Bekannten, der auch Savigny gesprochen, habe ich traurige Nachrichten von Tieck und Schwester erhalten, erzähl sie ihm, sonst aber niemand. Tieck soll sich erboten haben für 600 rth jährlich alle bedeutende Menschen in Deutschland zum Katolizismus überzuführen, gewiß aber ists, daß Humboldts Haus von den Schuldnern beyder und zwar von armen Leuten, wie Wäscherinnen fast belagert gewesen, während sie ganz hochmüthig gelebt, Müller durch sie in drückende Verlegenheit gesetzt worden. Sehr lächerlich soll das Wesen mit den Künstlern gewesen seyn. Die Bernhardi hatte sich vorgenommen nach ihrer Rückkehr in Deutschland ein Schloß zu bauen, in welchem die Ripenhausen einige Frescos malen sollten weil sie nichts zu fressen hatten. Sie entzweyten sich aber mit ihnen in Geldsachen und zur Strafe sollten sie nicht mehr dazu gebraucht werden, worüber die Ripenhausens tiefgekränckt von ihr das Buch der Liebe zurückforderten, das sie ihr in Hoffnung des Freskomalens nicht geschenckt. Kohlrausch hat ihr müssen ein dreyfaches Zeugniß eines unerträglichen Gestanks geben, wovon sie bey ihrer Ehescheidung Gebrauch gemacht hat, indem sie es unmittelbar an den Köni〈〈g〉〉 sendete. – Er hat schöne Zeichnungen aus Ital〈〈ien〉〉 mitgebracht, doch wenige nur die zu der Gattung gehören, daß ich sie selbst gern besitze. – Willst Du einen wunderherrlichen Kupferstich von einem jungen Künstler besitzen, der wenig bekannt, so kauf Dir den Johannes vom jungen Müller in Studtgardt, wenig hat mich so überrascht; ich kaufe nichts mehr der Art, nur auf Bücher mache ich Jagd und da hilft mir Clemens jezt fleissig, er ist wie Gottes bücher spür hund, auf dreissig Schrit riecht er schon ein merkwürdiges Buch, ich besitze viel Schönes, vieles durch Tausch. Wir arbeiten jezt allerley jeder für sich Meine Großmutter ist seit drey Tagen aus einem fast aufgegebnen Zustande beynahe zu völliger Besserung gelangt. Es ist Sontag, ubermorgen steh ich Gevatter bei Pistors. Herzlich Dein Achim Arnim. 863
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N.S. Deine Klagen über Musickmangel thun mir leid, insbesondre da ich sie nicht begreife, hast du Lust dazu, so brauchst du keine so ausserordentliche Aufmunterung, die Singmethode und die Paar Regeln des reinen Satzes wirst Du ja auch wohl in der langen Zeit erlernt haben, der Rest macht sich am besten selbst und an Bekannten, die Dir gerne zuhören werden, wenn Du wirklich ihnen nicht Dir zugefallen singst, wirds sicher auch in Landshut nicht fehlen. Savignys Kupferstichsammlung ist abgegangen durch Buchhändler. 〈quer zur Schreibrichtung:〉 f Leipzig Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. Hofrath von Savigny Landshut in Bayern
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Ich hoffe, liebe Bettine, daß es dir noch einmahl gehen wird, wie mir, daß dir die Liebe der Menschen recht wehrt, und rührend wird, dann wirst du solche Briefe, wie diesen, der in Arnims Brief eingeschloßen, auch viele Freude machen. Mir thut es schon herzlich wohl, wenn mich nur Jemand grüßen läßt, und solch Bedürfniß ist mir oft mein gröster Reichthum. Es vergeht kein Tag, daß ich nicht einigemahl mit Arnim recht herzlich über dich spreche, wir haben dich beide sehr lieb, und es ist mir eine rechte Lust, zu sehen, daß es ihn still freut, wenn mein Theil der Unterhaltung stets mit der Versicherung schließt, daß du ihn doch mehr, als alle andre Menschen liebst. Es wird mir jezt leichter, als sonst mit ihm zusammenzuleben, wahrscheinlich, weil ich manche Persönlichkeit habe verlieren müßen. Er schreibt ungemein viel, wenn gleich nur 2 Stunden vor Tisch und zwar in ewiger Unterbrechung durch mich und unsre Alte Magd, die durch seine Stube muß. Er hat mir mancherlei Treffliches vorgelesen, doch nichts von solchem Wehrt, als stets das Dramatische bei ihm hat, er hat seit drei 864
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Tagen den ersten Ackt eines Schauspiels nach A. Griphius Cardenio Geschrieben in Prosa, der ganz eigen herrlich ist. Das Leben hier ist im ganzen aüßerst angenehm und gesellig, alles ist so unterrichtet, daß man mit keiner Aüßerung anstößt, und wohlfeiler ist es als irgendsonst wo, wir essen in einem Ansehnlichen Speisehaus wo lauter anständige Leute essen täglich 4 Gerichte zu 8 Groschen, daß ich zu Abend nie essen kann, so ist es mit allem. Du kannst dir dencken, wie uns Augustens Ankunft mit Bethmann hier überraschte, er wuste nicht daß ich hier war und riß die Augen sehr auf, da er mich auf der Strasse begegnete, sie hat sich übrigens von ihrer Besserung nichts merken laßen, und hier einen Algemeinen Skandal erregt, indem sie nicht nur bei den Restaurateurs, sondern auch im Theater mit Bethmann in Mannskleidern und Chacot auf dem Kopf erschien, sondern auch so durch die Strasen ritt, ich habe sie so mehr^mals begegnet, ohne von ihr bemerkt zu werden, Bettmann erzählt hier er habe sie auf seiner Reise verlaßen und ins Elend gestoßen auf einem erbärmlichen Dorf gefunden, und ich hätte mich nie an ihn gewendet, um Sie loszuwerden, sondern habe sie schändlich verlaßen. Sie mag übrigens keine Begierde mehr nach mir haben, denn ich habe nichts vor ihr empfunden, als einmahl, da sie mich im Theater bemerkte, und durch ein Stundenlanges Hervorlegen und lorgniren nach mir, ein solch Aufsehen machte, daß ich hinaus muste. Den folgenden Tag fürchteten wir eine Szene, aber alles blieb ruhig, und nun ist Sie seit 5 Tagen fort mit Betmann nach Böhmen, sie hat sich übrigens bei allen Ministern und Prinzessinen presentiren laßen, aber überall durch Frechheit und Gaucherie verhaßt gemacht. – . Wir haben jezt hier in einem lebhaften kleinen Zirkel vor den Prinz Tandi von Lenz aufzuführen, und mir ist die Donna Diana zu Theil geworden, wir hielten schon eine Leseprobe. Es ist bei dem Architeckt Langhans, der ein zierliches Theater hat, sie führen auch kleine Opern auf, etwa vor 50 Freunden. Wenn du hier wärst, so könntest du nirgend schicklicher leben, als bei Geheimrath Alberti, der so lange bei Jordis in Cassel war, er wohnt mit seiner Frau ganz allein hat keinen Umgang als uns, ist sehr geachtet und gastfrei und würde sich eine Freude draus machen. Zu Laroche komme ich Wochentlich ein paar mal, er, die Tante und Kinder sind bis auf einige longuers sehr gut, Bertha ist ein recht reines edles, ein wenig zu leer ernsthaftes Kind, aber unerträglich ist die Fraülein Stein. Der Umgang im Hause ist mit einigen sehr nüchternen philosophirenden Offiziers, übrigens ist man biß zur Raserei Oestreichisch. – 865
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Das Theater gewährt dann und wan durch das Spiel der Unzelmann einiges Intreße, in allem Uebrigen ist es so elend, daß ich noch nie drinn war ohne Reue, die Unzelmann ist übrigens ohngefehr 49 Jahr und hat einen Hals bekommen, so dick, wie die Frau von Haid in Frankfurt. – . Alle Straßenecken hängen hier voll Bilder, Holzschnitte, Büchelchen und Lieder über Schill, jedoch alle über sein Thaten vor seinem lezten Auszug, seit welchem man allgemein über ihn erbittert ist, weil er durch tolles 〈ar〉ges unsinniges Betragen, durch eine meist Ochsendumme Planlosigkeit, das herrlichste begeistertste Truppenkorps ins Elend und ruhmlosen Tod gebracht hat, heut ließ er in einigen Dörfern Sturm lauten und wenn morgen ein paar hundert Bauren kamen, nahm er keinen an, und erklärte er wolle keinen Aufstand, so daß ihm niemand mehr traute, wo er hin kam, weil er nicht wuste, waß er wollte, aus Berlin muste er fort, weil er auf dem Punckt war, als verdächtig arretirt zu werden, und doch war er an der Elbe noch unentschlüßig ob er nicht wieder zurücksollte. Er war durch die ungeheure Ehre, die bei seinem ersten Einzug hier und während seines Garnisonirens ihm von allem Volck erwiesen worden war, ganz verwirrt worden, denn er konnte nie ruhig die Gassen reiten, daß nicht einige Dutzend Betteljungen vor ihm tanzten und Rath schlugen mit dem Geschrei vivat Schill, König von Apolion. – . Oels der mit größerm Ernst und größerer Tapferkeit sich durchschlug hat keinen so romantischen Schimmer, aber er hat das seinige erreicht und die Treue seiner Leute nicht so schlecht belohnt. Ich bin so ziemlich entschloßen den Winter hier zu bleiben, weil Arnim sicher nicht weg reißt, erstens aus wirklichem Geldmangel und dann weil seine Grosmutter die 80 Jahr alt ist, sehr ge|fährlich kranck ist. Meine Idee ist, dann ums Frühjahr, wenns Friede werden sollte ihn nach Bukowan zu bereden, und dort mit dir etwa zußammen zu bringen, du glaubst nicht, wie lieb es uns wäre, dich hier zu sehen, und wie angenehm und schicklich du hier sein könntest, daß es dir in Landshut nicht gefällt, daran zweifle ich nicht, es ist für unsre Art von Gemüth keine rechte Freude dort. Gott gebe, daß du einmahl dahin kömmst, nur die Schicklichkeiten zurück zu setzen, die dich um den Genuß deines Lebens bringen, jene aber bei^zu^behalten, die ihn dir erleichtern würden. – . Ueber Tieck und Bernhardi ist hier eine Stimme, die, welche unsre Kehle auch angiebt, ein Begleiter Humbolds, der von Rom hier mit zwei Myladis und einer reitzenden Italienischen Gesellschaftsjungfer Marininna genannt (Arnims Aura bellezza) angekommen, und ein alter Freund von uns ist, üb866
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rigens ein ehrbarer Arzt, hat uns versichert, daß sie dort bis auf ihren Aufwärterinnen und Handwerkern Allen Menschen auf die schändlichste Art Geld abgeborgt und alles betrogen haben, Mahler Müller, auf den sie jezt fluchen, ist schier in den Schuldthurm durch Sie gekommen. Uebrigens soll Tieck sich mehreren Cardinaelen und dem Pabst angeboten haben gegen einen lebenslangen Gehalt von 600 rt alle die ersten Köpfe Teutschlands Catholisch zu machen; Ebendießer Arzt hat der Bernhardi, dreimahl um die Scheidung zu bewirken, den schriftlichen Attest, der ihr nie stark genug war, ausstellen müßen, daß Sie aus Allen Oeffnungen ihres Leibes bestialisch stäncke, doch behaubtet er es blos auf ihr Ehrenwort, und ohne weitlaüfigen Geruch gethan zu haben. – . Mache Vorschläge und Pläne, hier sein zu können, grüße alle die Unsern und vergesse mich nicht ganz, wenn du mir nichts zu sagen hast, so grüße mich immer in Arnims Briefen Dein Clemens Auguste ist hier in vollem Putz auf die Bälle geritten und zwar bei Gesandten, so ist sie zu allen Leuten gefahren ohne alle Einführung und hat sich selbst presentiert, sie hat nur eine Stimme erregt.
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Landshuth Am 22 October, 1809. Gestern gingen wir recht weit spazieren: auf Wolfsstein; Clemens wird Dir davon erzehlen können Der auch schon mit war; es war herrlich in der Luft und auf der Erde; viele Bäume staken zwischen Den grünen Tannen, die ganz purpurfärbig sind, wir hatten mehrere Stiegelhupfer zu passieren, auch kamen Wir in Die hundertjährige Ulmenallee, Die ein Herzog Ludwig von Baiern gepflanzt hat diese Allee führt an eine Mühle in welche Die Liebe Den Ludwig auch oft geführt hatte. Er gab damals dem Müller mancherlei Vorrechte die Der jezige Müller noch immer fortgenißt, und darum seiner schönen Urgroßmutter immer noch Danck weiß, daß sie nicht zu streng gegen Den Herzog war. einer unserer Gesellschaft merckte bei Dieser Allee an Daß Die Bäume zwar alt werden aber Die Liebe nicht; ich bin auch der Meinung, denn die 867
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Liebe bleibt ewig jung, sie ist aber wie Die Zugvögel und will nicht überwintern; – anjezo ist es kalt in Der Welt; Der Sonnenschein konnte nicht Durch Die wirrenden Nebel Des Kriegs brechen, Die Völker stehen erstarrt, bei Den Tyrolern zuckt die Flamme aber sie kann schwehr durchbrechen, denn es werden ihr alle Zuglöcher verbaut, sonst hätte es wohl seyn mögen daß von Dort aus, (wo Die Berg und Felsen so hoch gegen Himmel streben daß leichtlich ein Gott im Flug daran streifen mag) ein neu erwärmend Feuer sich über Deutschland ergossen habe; Ach Herr Gott, verlasse Dieses | Volk nicht auf daß man wisse, auf welchem Altar, man Dir ein Angenehmes Opfer bringe, und in welchem Tempel Du die Gebethe erhörst. – ich kletterte mit Savigny und noch andern auf den Berg, während Gundel mit Tiedemans Frau (die Du durch Clemens Erzehlungen kennen wirst) in der Küche Das Mittagsessen bereiteten; wir vergnügten uns, kleine Sandsteine in ein Glaß mit Bier zu werfen bis entlich ein ungeschickter Wurf es entzwei brach. und nun im heruntergehen hatte ich einen Stock in der Hand, der viel höher war als ich, und oben sich in eine Wünschel^ruthe theilte. den sezte ich immer Tief herab und sprang nach, weil Der Berg sehr jäh war Da stieß ich mich mit dem einen Ast in Das Kinn von unten, ich muste mich an den Brunnen sezen Denn der Schmerz hatte mich schwach gemacht, ich sagte aber nichts, um Die andern nicht zu erschrecken, weil wir am Mittagsessen waren, so drang Das Blut durch, auch war ich so angegriffen, das ich nichts essen konnte, jezt ist es wieder zu, zeigt aber eine Narbe wie einen kleinen Säbelhieb; Die Doch auch wieder vergehen wird; Der Mond leuchtete uns Nach Hauße; Die Dämmerung band der Fantasie die Fittige loß, und mein Weg ging nach Weimar und nach Berlin so grad wie ich war, zu Fuß. ich kam noch Dieselbe Nacht bei Dir an; ich fand Dich fest eingeschlafen, und der Mond beleuchtete mir Deutlich dein Gesicht; da sezte ich mich auf den Rand Deines Bettes, und legte meine Hand auf deinen Mund, und fühlte einen reinen Athemzug, Dein Herz schlug almählig stärcker, das war mir ein Zeigen daß Du meine Gegenwart fühlen mögtest | Lieber Arnim wenn Du erwachest so sind wir beieinander; »Nur einen Augeblick mögtest Du mich anlachen!« Ach es ist auch etwas großes mit einem einzigen Lächlenden Blick ein Opfer in des Andern Brust entzünden; Die Felsen haben harte Steine in sich, sie sind undurchDringlich, aber ein Blick, der aus warmer Liebe entspringt, macht sie Durchsichtig, hast Du das noch nicht gefühlt? wenn du recht geliebt hast, daß alles um Dich sich verglärte; ich z: B: auf dem Trages; schon vor mehre868
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ren Jahren, Da lag Der Schnee schon etwas Tief, ich ging in Der Lindenallee, es waren viele Raben auf die Bäume geflogen, ich war so kalt, so kalt! daß ich nicht einmal fror obschon es auf mich schneiete ich war ganz emfindungs loß, da ging aber bald Darauf die Sonne ganz roth unter, da hab ich Durch Den Winter Durchgesehen in den Frühling, und Durch den innersten Busen Der Pflanzen wo sich Blätter und Blüthen Warm einander im Schooß lagen durch Die Erde durch wo die Wurzlen mit gierigen Eifer ihre Kraft einsaugen, wo alles schlürft und genießt, wo Der Herr ihr Gott, in sichtbarer Gestaldt hinwandelt, und mit dem Blick den Seegen erweckt, und war alles im Leben, da fühlte ich ganz Deutlich das alles ewig ist, Das Die Liebe ewig ist, aber nicht alt wird; daß sie Durchdringt, daß Gott nur Die Liebe in sein Reich aufnimt, und daß es der einzige Reichthum ist den er gewährt, und wohl Dem Der sich von ihr entzünden läst, wo sie in Wahrheit ist; sie ist nehmlich in aller Kunst, vorab in Der Malerey, da zeigt sie sich wie ein Weib, sie hängt sich innig an ihren Gegenstand sie betrachtet ihn ewig, und bildet mit ununterbrochnem Eifer aus | ihm hervor alles edle ans Tageslicht; wenn sie ihn aber ausgerüstet, sieht mit aller Kraft, dann folgt sie seinem Schicksal, wie die Mutter ihrem Sohn sie freut sich seines Wirkens unter den andern und fühlt sich immer wieder in ihm und in Dem Lob; in Der Dichtkunst zeigt sich Die Liebe als strenger gerechter Herrscher, was sich ihr nicht ergiebt geht Tod und verschlossen ins Grab, in heiligen Flammen des Enthusiasmus muß alles brennen was Durch Die Pforten Der Lippen ins Leben will ausgehen, ja was Der Dichter faßt, seys Entsezen, oder Seeligkeit, er kann es nur im tiefsten Geheimniß der Liebe fassen, sonst werden seine Kinder kein Ebenmaas der Schönheit, sondern Misgeburthen. in Der Musick, aber, ist jeder Ton Die Liebe selber, und sie lehrt in unergründlicher Weisheit, wie sie sich, in sich, mit sich selber verbinden könne, und wie sie ewig sey, denn nicht in Die Zukunft, und Vergangenheit allein, ist sie unendlich, aber im Augenblick hat sie alle Ewigkeit zusammengefaßt; ein Ton hat alle Schönheit alle Kraft, denn er ist das Leben ohne Gewand, ohne Leib; sein Geist, Der Die Liebe ist bildet in Uns seine Gestaldt, Die Die Gestaldt aller Schönheit ist, und es läst sich nicht sagen, wie alle Wercke Der Liebe sich in Der Musick erschaffen, und hier läst Gott uns seine Seeligkeit schmecken, weil Diese Schöpfung mit zarter Wohllust unsere Glieder berührt, wenn sie ins Leben ausgeht; – Drum müssen | Die Lippen eines Dichters immer herrlich und Göttlich geformt sein so wie bei Göthe, dem Der Fluß der 869
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Lieder wie über festen glatten Marmor hell und glühend quillt; bei Dir ist die Unterlippe kühn, und läst den Strohm wie über einen üppigen Hügel fließen, von dem er ganz sanft, aber mit etwas brausendem Jugend feuer zu Thal strömt, Die Oberlippe giebt einen heimlichen 95 Druck; in Der vorragenden Spizze derselben, ist schüzende Treue. – hätte ich nun einen Mund wie ihn Sänger haben sollen, wie gern würden mich Die Dichter lippen küßen. Der Friede ist wohl schon zu Euch gedrungen Gestern ist Napoleon Durch; die Geschichtsmuse die schon in Erwartung seiner beinah 100 14 Tage in einem Weisen Kleide hier auf dem Öffentlichen Marckt im Koth herumwandelte, um ihm ihr Compliment zu machen, wurde nicht vorgelassen wahrscheinlich war er Dießmal, doch nicht so ganz mit ihr zufrieden; Er fragte jedoch den Tiedemann der als Abgeordneter der Stadt bei ihm war. que’ce qu’on dit des conditions de la paix? ließ 105 aber nichts weiter Drüber vernehmen, da er ihm sagte, man glaube ihn sehr Glohrreich für ihn. Adieu Guter Bester, dieß ist mein 4 ter Brief wo ich nicht irre, denn ich im October schreibe. Bettine 110 Das Bild von Oels hab emfangen.
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Von Peter Lindpaintner nach Landshut München, 22. Oktober 1809, Sonntag
Hochzuverehrende – Freundinn! Ich kann mich wahrlich bey Ihnen über mein langes Stillschweigen nicht mehr rechtfertigen – es ist unmöglich – ich bin nicht mehr zu retten! Doch wenn ich durch aufrichtige Vorsätze mich zu bessern Ihre Verzeihung, Ihre Gnade wieder hoffen dürfte – – wer wäre glücklicher als ich? – ich könnte durch einige fade Angaben dringender Geschäfte wenigstens zum Scheine mich rein-waschen, allein wie weit süßer schmeckt die Empfindung den Fehltritt zu bereuen, als zu laügnen. Doch genug – sonst, möchte mein Eingang mit faden Angaben in’s Gleichgewicht kommen. – Ich habe Ihren Brief gelesen, und wieder gelesen und – ich sah Sie, wie Sie vor mir standen, jedes Wort sah ich, wie es aus Ihrem Munde floß. – 870
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In der That, Sie machten mir durch Ihr Schreiben alle jene Augenblicke gegenwärtig, wo ich unbelauscht von jedes Menschen Ohr Ihre tönende Stimme hörte, Ihnen gegenüber saß, und Sie starr anblicken durfte. Ich habe Ihre Lehren durchforscht, eingesehen, und zu Herzen genommen. – Scheaspeare’s Wercke habe ich beynahe zur Hälfte gelesen, halbe Nächte wandte ich an um mich mit ihm zu unterhalten: man könnte seine Wercke füglich eine Sammlung poetischer Bilder von hohen Geiste beseelt, nennen. Morgen werden Sie Ihre längst erwarteten Solfegen mit Gelegenheit des Hr Pr: Medicus | erhalten. Es thut mir leid, daß sie Ihnen so lange vorenthalten wurden, allein meine Schuld war es nicht, denn ich glaubte Hr Kapellmeister, der sie bey sich hatte, hätte sie schon längst fortgeschickt. – Da ich nicht so glücklich bin, Ihr Gesellschaft in persona zu genießen, werden Sie mir die Bitte nicht abschlagen, entweder mir dann und wann zu schreiben, oder was das allerbeste wäre in persona zu kommen. Leben Sie recht wohl – ich wage es mich zu nennen Ihren danckbaren Freund Peter Lindp* Der alte Graukopf läßt sich sowohl, als auch ich mit ihm Hr: und Frau von Savigny höflichst empehlen – München am 22ten 8bre 1809
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Von Meline Brentano nach Landshut Frankfurt, 31. Oktober 1809, Dienstag
d* 31ten Oct. 1809. Liebe Bettine! Dein Brief war mir ein großer Beweis deiner Liebe, und in dieser Hinsicht hat er mich erfreut, sonst enthält er wohl nichts erfreuliches, denn so wie Du aus meinen Briefen an Savigny, die Unruhe endeckest welche mich plagte, so beweist er mir das auch dich eine ewige Unruhe quält. Ich habe die Hoffnung, ja die Gewißheit noch recht ruhig, recht zufrieden zu werden, denn ich weiß was mich in die jezige Stimmung versetzte, ich kenne genau die Ursache des Übels, und noch bestimmter kann ich mir denken was mich recht 871
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glücklich machen würde. Du hast volkommen recht wenn du glaubst im Vertraulichen, Freundschaftlichen Umgang mit Menschen seye ich auf meiner rechten Stelle. Ein Häuslich Bürgerliches Leben mit lieben Menschen, wo ein gegenseitiges Bemühen ist, Freude zu machen, wo man in des andren Glück allein das seinige findet, wo ich besonders deutlich empfände daß ich nützlich wäre, wo ich einen recht großen, aber meinen Fähigkeiten angemessnen, Würkungskreiß hätte; ein solches Leben würde mich ganz glücklich machen. So lange ich auch auf diesem Weg war, war ich stets zufrieden; daß ich davon abgekommen bin; daran sind viellerley Begebenheiten Schuld, von welchen ich dir nichts sagen mag; Du kannst sie theils erathen, und theils ist es besser wenn sie ganz in Vergessenheit über gehen. Ob ich wieder in eine solche Laage kommen werde weiß ich nicht; allein ich werde von meiner Seite alles anwenden mich in ein thätiges | Leben zu versetzen, und wenn ich mir nicht einstens meinen eignen Heerd erbauen kann, so will ich mich an irgend einen von meinen Geschwistern, oder sonst mir lieben Menschen einnisten, und werde auch so zufrieden seyn. Dir kann, fürchte ich, nicht so leicht geholfen werden; Du bist lebendiger, Geistreicher, und findest daher nicht so leicht Menschen die dir gleich, die über dir stehen, und nach meiner Empfindung ist man am glücklichsten im Umgang mit Menschen welche besser sind, damit man immer noch eine höhere Stufe vor sich hat welche man sich bemühen muß zu ereichen, denn nur das Bestreben immer Besser zu werden, macht glücklich. So lange man noch glaubt große Ansprüche an die Welt machen zu können, wird man nie zufrieden seyn, denn je mehr uns unsere Wünsche befriediget werden, je vermessner wünschen wir, und werden daher doch oft in unseren Hoffnungen und Erwartungen betrogen. So bald man sich bescheidet, zufrieden ist mit dem was uns vom Schicksal kömmt, und nichts anderes verlangt, ist man immer glücklich. Dies ist ohngefehr meine Laage; ich machte Pretentionen, (freylich sehr bescheiden, aber wahrscheinlich doch zu große für mich.) und war unglücklich. Jetzt habe ich resigniert und bin recht sehr zufrieden. Hier hast du ein aufrichtiges Bekenntniß meines Zustandes; was ich dir nicht mit Worten gesagt, kannst du erathen. Ehre meine Empfindungen, und freue dich daß ich zur richtigen Ansicht gekommen bin. Ob du wieder hierher kommen sollst, weiß ich dir | würklich nicht zu sagen; es ist hier wie es immer war, nur ist unsere Leebensart, seid du 872
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weg bist noch Bürgerlicher geworden. Vielleicht ist durch deine Abwesenheit, manches neu hier für dich geworden, und als neu, kann es dich augenblicklich reitzen. Wie deine Idee nach Weimar zu gehen, auszuführen ist, weiß ich nicht; du kannst wohl von hier leicht zu der Lulu kommen, allein wie du von Cassel nach Weimar kömmst, mit wem du hinreißen und dich dort aufhalten kannst, weiß ich nicht. Nenne diese Rücksichten nicht Baaserey; es giebt Gesetze der Schicklichkeit, die sehr drückend sind, weil sie uns einschränken bey Handlungen die genau untersucht sehr unschuldig sind; dennoch werden wir beyde die wir sehr über solche Pedantereyen hinaus sind, es doch nie ertragen können falsch beurtheilt zu werden. Wir sind durch unsere Familie und frühere Lebensweiße an unendlich vieles gewöhnt welches wir so lange wir es genießen nicht achten, und welches uns wenn wir es entberen müsten sehr drückend seyn würde. Was ich zu der Verschönerung deines Lebens thun kann will ich gewiß immer mit unaussprechlicher Freude thun; aber leider sind mir, wie dir die Hände gebunden. Von Claudine kann ich dir nur sagen das sie wie von Jeher wenig gesunde Tage hat; sie wohnt für einige Wochen in deiner Stube (die sie wie ein Heiligthum betrachtet.) bis die ihrige ganz fertig ist, denn es ist ihr eine neue erbaut worden, weil Marie mit den Kindern jezt oben schläft. Den Gruß von Tiedemann erwiedre ich recht von Herzen. Lederne Menschen haben auch ihre Gute Seiten. Adieu liebe, gute Bettine, wir bleiben uns wie immer recht herzlich gut. Dein Linster. Mademoiselle Bettine Brentano.
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach München Weimar, 3. November 1809, Freitag
Man kann sich mit Dir, liebe Bettine, in keinen Wettstreit einlassen, du übertriffst die Freunde mit Wort und That mit Gefälligkeiten und Gaben mit Liebe und Unterhaltung; das muß man sich denn also gefallen lassen und dir dagegen soviel Liebe zusenden als möglich und wenn es auch im Stillen wäre. Deine Briefe sind mir sehr erfreulich sie erinnern mich an die Zeit wo ich vielleicht so närrisch war wie du, aber gewiß glücklicher und besser als jetzt. Dein hinzugefügtes Bild ward gleich von jedermann erkannt und gebührend begrüst. Es ist sehr | natürlich und kunstreich dabey, ernst und lieblich. Sage dem Künstler etwas freundliches darüber und zugleich: er möge ja fortfahren sich im Radiren nach der Natur zu üben. Das Unmittelbare fühlt sich gleich. Daß er seine Kunstmaximen dabey immer im Auge habe versteht sich von selbst. Ein solches Talent müßte sogar lucrativ werden, es sey nun daß der Künstler in einer großen Stadt wohnte; oder darauf reiste. In Paris hatte man schon etwas ähnliches. Veranlaße ihn doch noch jemand vorzunehmen den ich kenne und schreibe seinen Nahmen. Vielleicht gelingt ihm nicht alles wie das interessante Bettinchen, für|wahr sie sitzt so traulich und herzlich da, daß man dem etwas korpulenten Wintergarten, der übrigens im Bilde recht gut komponirt, seine Stelle beneiden muß. Das zerknillte Blättchen habe sogleich ausgezogen, mit einem braunen Rahmen umstrichen und so steht es vor mir indem ich dies schreibe. Sende ja bald bessere Abdrücke. Albrecht Dürer wäre ganz glücklich angekommen, wenn man nicht die unselige Vorsicht gehabt hätte feines Papier eben auf zu packen, das denn im Kleide an einigen Stellen gerieben hat, die jetzt restaurirt werden. Die Kopie verdient alle Achtung; sie ist mit großem Fleis und mit einer | ernsten, redlichen Absicht verfertigt das Original möglichst wiederzugeben. Sage dem Künstler meinen Danck, dir sage ich ihn täglich wenn ich das Bild erblicke. Ich mögte von diesem Pinsel wohl einmal ein Portrait nach der Natur sehen. Da ich das Wort Natur abermals niederschreibe; so fühle ich mich gedrungen dir zu sagen: daß du doch dein Naturevangelium das du den Künstlern predigst in etwas bedingen möchtest. Denn wer ließe sich nicht von so einer holden Pythonisse gern in jeden Irrthum führen. 874
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Schreibe mir ob dir der Geist sagt was ich meyne. Ich bin am Ende des Blats und bitte dich nur noch durch Übersendung Durantischer und Marcellischer Compositionen abermals lieblich in meinem Hause zu spuken. W. d. 3 Nov. 1809 Goethe An Demoiselle Bettine Brentano nach franc Grenze München über Nürnberg
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 5. November 1809, Sonntag
Berlin d* 5 Nov 1809. Liebe Bettine! Von Zeit zu Zeit, wo ich keine Briefe von Dir erhalten, meinte ich es sey schlim und zum allerschlimsten, der Aerger hielt mich aufrecht, die Vermuthungen zerstreuten mich, aber zwey so liebreiche Briefe von Dir brechen mir das Herz, es ist mir jammervoll, daß wir so schöne Jahre weitgetrennt von einander bald durch Wohnort bald durch Mißverständnisse versäumten, ich möchte weinen können, aber mein Auge füllt sich mit Gluth, mein Herz mit Ungedult, meine Brust athmet auf und möchte den trägen Felsen, der auf ihr lastet, abheben, wehe jedem der von der Zeit ein Reifen seiner Wünsche fordert, die Zeit zeitiget nur sich selbst. Ich weiß es noch wie sicher, wie lebendig ich am ersten Tage dieses Jahres in Weimar dachte, ich müste dich vor dessen Ende endlich wieder von Auge zu Auge schauen, dich Hand in Hand festhalten, mir ward so froh in diesem Gedanken und was ists, daß wir hoffen, liegt nicht alles so fern wie damals und die Berge, die erst nahe schienen und niedrig, wachsen zwischen uns … Du siehst mein Bild an und ich das Deine. Ich will von etwas anderm Schmerzlichen reden um mir die Grillen zu verjagen, von Göthes Wahlverwandtschaften. Clemens kam ganz tückisch verstört davon, wie Göthe sich hinsetzen könne den Leuten soviel Kummer zu bereiten. Was kann er dafür? Doch mögen wir den Himmel entschuldigen mit der Langen875
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weile, die auf Erden entstehen würde, wenn er nicht zuweilen allerley Trübsaal auf unschuldige Häupter häufte. Diese Langeweile des unbeschäftigten unbethätigten Glückes, die Göthe in der ersten Hälfte des ersten Bandes so treflich dargestellt, hat er mit vieler Beobachtung in das Haus eines gebildeten Landedelmanns unserer Zeit einquartirt. Ich habe manchen der Art kennen gelernt und, alle leiden an einer ganz eigenthümlichen Hypochondrie, durch ihre Bildung von dem Kreise eigentlicher Landleute | geschieden; soviel Wohlwollen und Wirthlichkeit sie in sich sammeln mögen, ohne eine mögliche Richtung ihrer Thätigkeit zur allgemeinen Verwaltung, kochen sie ihre häusliche Suppe meist so lange über bis nichts mehr im Topfe. Nirgends finden sich mehr Ehescheidungen als unter diesen Klassen, alles Neuhinzutretende muß sie stören in dem Zustande gegenseitigen Ueberdrusses. Lächerlich bleibt mir eine Geschichte eines Vetters von mir, der sich wegen täglicher Zänkerey von seiner Frau scheiden ließ, über ihre drey Kinder waren beyde einig, sie wurden ihm über lassen, aber ein artiges Hündchen, das beyden gemeinschaftlich, verzögerte die Scheidung ein halbes Jahr, keines von beyden wollte sich davon trennen endlich starb das ehelige Thier und sie wurden beyde vergnügt geschieden. Beym Scheiden gedenk ich der Auguste. Wie kannst du fürchten, daß sich Clemens mit ihr wieder beladen werde. Nur einmal sah er sie in der Comödie und sie ihn, er glaubte zu bemerken, wie sie ihren Jäger nach ihm geschickt, da drückte er sich und hat nichts weiter von ihr vernommen. Wahrscheinlich hat Bettmann Bestellungen an ihn unterdrückt. Sehr wunderlich war es, daß Bettmann mich ganz eigen vermieden, bey Westenberg hat er ganz besonders nachgefragt, ob ich auch nicht dort sey, wahrscheinlich schämt er sich, weil ich ihm die ganze Geschichte voraus gesagt, wie es kommen würde und was er dabey | thun würde, was er mir damals ganz abläugnete. Beyde sind ruhig fortgezogen, nur sie hat einmal auf dem Theater gespuckt, die hiesige Bettmann Unzelmann hat sie in ihrer Reitkleidung abgebildet. Doch zurück zu den Wahlverwandtschaften. Unendlich schmerzlich ists daß Ottilie Wunder thut, und daß die Kirche, um sie zu hindern, zugeschlossen wird, wessen Schuld ist diese Härte, da Eduard noch lebt. Ich will das durchaus nicht leiden, will einer Wunder thun, so soll ihn niemand daran hindern. Uebrigens wollen wir unsern Herrgott und seinem Diener Göthe danken, daß wieder ein Theil untergehender Zeit für die Zukunft in treuer ausführlicher Darstellung aufgespeichert ist. – Den Anfang der Wanderjahre wirst du auch gelesen haben – 876
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Von seinem Götz sah ich hier einen verstümmelten Auszug für einen Abend, während er in Weimar jezt zweye spielt, viele der neuen Scenen fügen sich so gut zu den alten, daß man sich selbst fragt, ob sie nicht immer dabey gelegen, nur durch den entschiednen tragischen Schauder treten andre heraus, da sich der alte Götz fast immer in den Schranken des Historischen, in dem Kreise des zu erlebenden und zu überlebenden hielt. – Genug von Göthe, ich komme ganz zu Dir. Ich bitte Dich wirf den hohen Stock ins Feuer, er hat mich schon in Trages tief gekränkt, ich glaub es ihm damals schon angesehen zu haben, daß er dir das Kinn verletzen müste. Aber müste ich mir auch das Kinn zerstossen, wie glücklich bist du, daß du Berge hast, viele Tage vergehen ehe ich aus dem Strassenkothe hinaus trete, so unerquicklich ist mir die Fläche rings, mein schönstes Abendroth ist auf den Borstorfer Aepfeln. Ich küsse Dich Achim Arnim N.S. Grüß Savigny. Seine Verschreibung für die Bücher ist angelangt und ausgezahlt, zwölf Groschen sind übrig. Die Realschulbuchhandlung hat das Packet abgeschickt. Sobald über die Universität etwas Näheres kund wird, schreibe ich ihm. 〈quer zur Schreibrichtung:〉 An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. H. von Landshut Savigny in Bayern
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, vmtl. zwischen 10. und 15. November 1809, Freitag und Mittwoch
Lieber Arnim! Ich fluche nicht, und erhize mich nicht, wie Du. ich bin nicht eifersüchtig, obschon wenn ich den Anker nach Grund dazu, auswürfe, ich gewiß welchen fände; ich komme von einer kleinen Reiße ins Gebürge, wo jedes Felsgestein ruhig, leidenschaftloß, in Gottes Milder Sonne sich erwärmt, und in dem Nachtthau wieder erkaltet, wir 877
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bestiegen einen Berg Die Hochalpe genant Savigny Gundel Max Jacobi mit seiner Frau, und ich; obschon die ganze Reiße ihrer Natur nach ganz entblößt von Abendtheuern war, so wurde sie dadurch daß ein jeder nach Abentheuern jagte recht bunt und Lustig. auf der Hochalpe sahen wir verschiedne Tyroler Thale, und auch Schneealpen, ich mögte Dir wohl einen Begriff von dem Eindruck des ganzen mittheilen, wenn es sich mir selber nur Deutlich mittheilte. Die andern riefen wohl: Herrlich! Himmlisch! pp. mir wars nicht so; Die Natur wühlt mit leiser Hand das Herz auf, legt das Samenkorn hinein, und scharret wieder zu, wenn nun der Mensch gleich dem Erdboden bei Kräften ist so gährts nach und nach, keimt, blüht, und stirbt nimmer, ich stand Da oben unter einer Tanne die mir Schatten gab, daß ich in die Sonne sehen konnte welche die schwarzblauen Berge umspielte, ich sah und sah in die reine Fleckenloße Einsamkeit, und hier glaubte ich mich Gott nah genug, um von ihm gehört zu werden, und weil ich Brod hatte, und Wein genug, so goß ich unserer Liebe die Neige des Glaßes auf das besonnte Gestein. und weil ich denn da oben war, fühlte ich mich getrennt von allem, wie im | immer wenn ich in einem großen freien Umriß der Natur war; Nur in denen Durch Menschenhände gemachten Wohnungen, in ihren Einrichtungen zum Besiz, bedarf man des Besizes. – Mein Bild von Grimm ist fertig, nach aussage aller ist es recht gut gearbeitet, aber nicht sehr ähnlich, wärend er daran arbeitete, war ich meist sehr tiefsinnig still, dieß gab mir ein altes Ansehen, was die Leute nicht in mir erkennen wollen, ich hatte mir erst viel Freude daraus gemacht dir es zu geben, da es zugleich ein Denckmal meiner Achtung ist, für alles was mir von Dir kömmt, nun aber wage ich nicht es Dir zu senden, da Dich andre Gesichter leichtlich zum Vergleich bewegen könnten der nie zu meinem Vortheil ausfallen würde, weil – ich nicht dabey bin; Louis hat mich gebethen seinen Brüdern ein Exemplar zu schicken Merckst Du mir nicht an, Daß ich Matt bin, und faul, daß kommt von vielen Gedancken her, die heute Nacht in meinem Herzen aufbraußten wie Die Meeres^wellen und schlugen an die Brandung an, und benezten die Ufer, und ergoßen sich in Ströhmen über Die Wangen, gar mancher Stamm fasset Wurzel und stehet fest im Herzen noch eh man davon weiß, wenn einmal der Sturm seine Aeste umwühlt wenn er einmal Trozet, Wiederstand leistet dann emfindet man ihn erst; ich meine immer meine erste Leidenschaft fängt wieder an zu grünen, im Kloster mußte man oft aus Andachtsübung die Erde Kü878
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ßen, bei der Jugend bringt das Küssen immer näher | als es seyn soll, ich war jung, und küßte die Junge Erde mit großer Inbrunst, der kalte Stein in der Kirche war mir nicht so lieb, als die warme grüne Erde, und ich weiß, daß mein begehrliches Herz, mit Sehnsucht oft die Spielstunde erwartete, wo ich dann die Treppen hinab sprang und das es mir so wohl so ruhig auf dem grünen Rasen ward. – verstehst Du mich Arnim? wenn ich je allein seyn sollte, so wende ich mich wieder zu meinen alten Lieblings gewohnheiten; zu den kindischen; ach sie waren mit tausend Schmerzen verknüpft, die zwar die Gelbsucht nicht erregten, aber Tief wurde der Eimer in den Bronnen des Lebens niedergelassen um so frischer um so lieblicher war der Tranck um so fester war der Sinn. Der Dichter wenn er ein Verliebtes Gedicht macht, ist ja auch verliebt, das ist meine Liebe ich dichte Dich mir ins Herz hinein, denn recht sehr von selbst bist Du nicht drinn, du wandelst da und dort hin, wo Dirs gefällt, und wer mögte Dich zurück halten, Dein Gehen und Weilen ist gleich edel und frei, warum sollst Du immer zu Hauße seyn Wind und Wetter, spielen dich Lieblich an: pp – Jezt hab ich mir aber einen Musicker aufgefunden der ist der Mühe werth; der schönste Mann in ganz Landshuth, 60 Jahre alt, passionirter Jäger, Geistlichen Standes, einen Geist und Deutlichkeit, wie die alte Goethe, trägt schwarz samtne Hoßen, eben solgen Wams und Kappe, und helblauen geistlichen Kragen, aber alles | ganz neu, nicht verschabt, gestern hat er 3 Füchse ein HirschKuh und HirschKalb geschossen, da hat er denn seine Gewaltige Freude an dem Fell und schönheit der Tiere, wollen noch sehen wies mit der Musick geht. – was sagt ihr dazu daß Friedrich Stadion Coadjutor zu Prag geworden? Heute hab ich die Nachricht erhalten daß der arme Krohnprinz einen Streifschuß im Tyrol bekommen; es sind über^haupt wunderliche Sachen hier vorgegangen, die noch auf vieles Deuten Der Ballonschläger hat schon seit mehreren Wochen das kalte Fieber, ich hab ihn erst wenig gesehen, und noch weniger gesprochen, übrigens bedencke daß ich dein Bild in meinem Zimmer habe, das Lächelt und ernst sieht, und alle edle Mienen von Dir hat, was soll ich da viel nach andern sehen, er ist schön sehr schön, hat Zähne die alle Lehren von der Proportion erläutern, hat so schöne Augen, Augenbrauen wie Cirkelschnitte, was sein Mund ausspricht ist immer anmuthig, ja oft sehr Tief gelehrt, seine Kranckheit die von Heimweh und Sehnsucht herrührt, macht ihn so rührend, er ist aus dem Italienischen Tyrol, hat seine Leute 879
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so^lieb so innig lieb, das einzige Volk auf Erden. Doch hat’s mich noch keinen Abend Durchbebt wie Dich, obschon nichts hinter mir; will aber sehen wies mit der Zeit wird Morgen an Clemens. Bettine
*685. An Clemens Brentano in Berlin Landshut, zwischen 10. und Ende November 1809 B an Ludwig Achim von Arnim, vmtl. zwischen 10. und 15. November 1809: Morgen an Clemens. (Nr. 684,88.) Ludwig Achim von Arnim an B, 25. November 1809: Neulich sprach er 〈Brentano〉 so in der Erwartung, einen Brief von Dir zu erhalten, der immer noch nicht eingetroffen, wie Du anders wärst als Deine Briefe (Nr. 693,39-41). B an Ludwig Achim von Arnim, 8. Dezember 1809:
Clemens muß meinen Brief jezt erhalten haben; ich schreib ihm recht gern, aber erst muß ich eine Antwort haben. (Nr. 704,117-119.)
Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 22. Dezember 1809: Betine
hat mir vor langer Zeit einen Brief versprochen, sie will mir gewiß das theure Porto ersparen, da ihre Briefe an Arnim wahrscheinlich starck auf du und du gehen erfahre ich nur draus, daß Sie lebt (FBA XXXII, S. 195,30-34). B an Ludwig Achim von Arnim, Ende Dezember 1809 / Anfang Januar 1810: Clemens 〈…〉 hat doch wohl meinen Brief bekommen? (Nr. 713,27-28.) Ludwig Achim von Arnim an B, 26. Januar 1810: Inzwischen habe ich auch
zwei kleine Briefe von Dir erhalten und Clemens eine Einlage; von den beiden früher an ihn abgesendeten Briefen 〈der andere: Nr. *717〉 ist aber nichts angelangt, und ich meine, sie haben sich unter Deinen Musikalien versteckt. (Nr. 722,5-9.) Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 28.–30. Januar 1810:
Betinens Briefe an mich sind verloren gegangen, vielleicht hat sie sie bei 880
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dem lezten noch liegen, von dem sie mir unter dem deinen schreibt, sie habe ihn verlegt (FBA XXXII, S. 220,7-10; vgl. Nr. 718).
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An Meline Brentano in Frankfurt Landshut, 13. November 1809, Montag
Lieber Linster! Die Zeiten drängen mich; und zwar so, daß ich nicht einmal vermag, dir Heute auf deinen vertrauungsvollen Brief zu antworten auf den ich noch manches zu sagen aufspare; in vielem was Du mir schreibst mögte ich wiedersprechen. pp – eine kleine Reiße gegen Tyrol hin machte mir viel Vergnügen; jezt fangen die Lesungen wieder an, manche interessante zum Theil sehr schöne junge Leute, gehen bei Uns aus und ein, unter andern ein junger Italiener der das Heimweh hat, dem steht die Sehnsucht recht gut. wenn ich zeit hätte, manche Klage würde ich dem Papier anvertrauen, so wie manche Lust; erlaube mir, dießmal mit einigen Comisionen zu schließen die ich Dich, sehr eilig zu besorgen bitte, erstens schicke mir meinen Teppig, und wenn Du mich überraschen willst auch das Bild was du in der alten Goethe Auction gesteigert dann Voglerische Zahntincktur, und von unserm ordinairen Zahnpulfer etliche Schachteln. Leb für dieß^mal wohl, in den ersten Tagen wird dein Brief ordentlich beantwortetet. Deine Bettine
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An Fräulein Meline Brentano abzugeben bei Hrn: Franz Brentano im Goldnen Kopf. in Franckfurt
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*687. An Johann Daniel Engelhard in Kassel Landshut, zwischen 20. und 22. November 1809, Montag und Mittwoch B an Johann Wolfgang von Goethe, etwa 22. November 1809:
sehr sonderbar ist es, auch einen Architeckten lernte ich früher schon kennen, dessen Gestaldt eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit jenem in den Wahlverwandtschaften hat, (ich hab ihm deswegen das Buch geschickt,) (Nr. 691,105-108).
*688. An Peter Lindpaintner in München Landshut, zwischen 20. und 22. November 1809, Montag und Mittwoch Peter Lindpaintner an B, 29. November 1809:
daß ich Ihr liebes Schreiben und auch das liebe Buch erhalten habe 〈…〉 Daß Sie auf Ihrem Lustreißchen ve〈〈r〉〉gnügt waren freut mich, noch mehr aber, daß Sie auch an fremden Orten sich eines Freundes erinnerten (Nr. 695,3-4+34-36).
*689. An Joseph Janson von der Stockh in Augsburg Landshut, vmtl. zwischen 20. und 22. November 1809, Montag und Mittwoch Joseph Janson von der Stockh an B, zwischen. Ende November und Mitte Dezember 1809: Alles dieses ruf ich mir unter den Vorsitz Ihres Bildes oft
hervor 〈…〉 Eben so muß den Architecten der Engelskopf geschienen haben, der von den Gewölb der Kirche herab sah, und wenn das Original auf der Erde wandelte, welches ihm ganz gleich. 〈…〉 mich wundert es wie Sie, an Goethe Ihre Betrachtung und Ihr Gefühl ströhmend, neugebohren hinzusenden, sich bedenken wohl 〈…〉 das Land, das kalte, vertreibt Ihnen, das thut mir sehr leid (Nr. 694,6-18+30).
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, 21. November 1809, Dienstag
Ich bin sonst nicht gewöhnt meinem Begehren in irgend einem Stück daß von mir abhängt Einhalt zu thun. Du kanst Dencken, Daß Dein lezter Brief vom 5 Nov: mir eine Sehnsucht einflöste, Dir gleich Diesen zuckenden Strahl, der Liebe gedoppelt wieder zurück zu senden, den Du aus deinem Herzen hervorbrechen lässest, und zwar mit so magischem Licht, daß so oft ich diesen Brief vor mir habe, mich Die Luft zu umgeistern scheint, und mir ist, als sey ich ein andrer Mensch wie andre; ich hatte die Wahlverwandschaften noch nicht gelesen vorgestern an meinem Nahmenstag schenckte sie mir Savigny, ich Durchwachte Die Nacht um es Durchzulesen, selten hat〈〈te〉〉 ich noch den Eindruck eines Buchs so rasch und so Deutlich emfunden Lieber Arnim, Die Seele Die mir mit Gewallt Durch den Schmerz Der eindrang, geweitet wurde, emfand es herb, Aber, O! wie hat Gott mir seinen Sonnenschein mild ins Leben vertheilt, daß ich recht fühlen muß, wo seine Wärme am stärksten ist; an Demselben Morgen nach der traurigen Nacht, auf demselben Tisch, wo ich vorher noch im Wandspiegel, mein durch Betrübniß erblaßtes Gesicht angesehen hatte, fand ich einen Brief von Goethe, Der ganz war als hätte er geahndet, wie ich Durch sein Buch des Trostes bedürftig geworden; lieber Arnim! Gott will es so Daß Ihr beide Euch das Maaß haltet in meiner Liebe, denn noch nie hast Du mir so fest ans Herz gesprochen, und nie ist Goethe in solge Güthe über geströhmt als beide in Euren lezten Briefen; er sagt: »Ich war auch einmal so närrisch wie Du, aber | gewiß auch glücklicher und besser als jezt« – nun haben mir Diese Worte gleichsam das Herz gespalten; auch spricht er mir viel vom Bildgen welches Grimm von mir Radiert hat, und welches ich jezt auch für Dich auf den Postwagen gesendet, weil mein Mißmuth über Die Italienerin sich etwas gelegt hat, ich werde Dir hier seine Goethens eigne Worte hersezen, um Grimms willen denen es gewiß eine große Freude verursacht »Dein Bild ward gleich von jedermann erkannt und gebührend begrüßt. Es ist sehr natürlich u kunstreich dabey, ernst u lieblich. Sage dem Künstler etwas freundliches Darüber, und zugleich er möge ja fortfahren sich im Radiren nach der Natur zu üben; Das unmittelbare fühlt sich gleich. Daß er seine Kunstmaximen dabey immer im Auge habe versteht sich von selbst. Ein solches müßte sogar lucrativ werden, es sey nun Das Der Künstler in einer 883
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großen Stadt wohnte oder darauf reißte. Veranlaße ihn Doch, noch jemand vorzunehmen Den ich kenne, u schreibe mir seinen Nahmen pp.« Dieß beweißt Deutlich Daß Göthe mehr als gemeinen Antheil an Grimm nimt, ich habe ihm so gleich geantwortet, wie er heißt, und daß die ganze Familie sich durch edle Eichenschaften auszeignet, wie auch daß sie ihn alle ehren, und wie die meisten Menschen besserer Art ein besonderes Augen^merck auf ihn haben; von den 3 Exemplaren Die ich Dir schicke, wähle eines Dir, eines schickt Ludwig seinen Brüdern, und das 3te, um dem Clemens ans brüderliche Herz zu sprechen, ist für ihn, er soll es aber nicht vergeuden oder verschleudern, meinen besten Gruß dazu für ihn, dem Göthe gefällt der corpulente Winter^garten den ich aufs Herz gedrückt halte, im bildgen, recht wohl, er meint es sey eine liebe Stelle für das Buch. siehst Du, er hat mich und Dich, sehr lieb, wir wollen Uns so an ihn Drängen daß wir ganz wie seine Kinder werden Noch eine betrübte Geschichte muß ich Dir erzehlen; Die Du mir wieder ersezen sollst, eine vorwizige Magd, die mir gleich im Anfange höchst zu wieder war, hat den Abscheu den ich vor ihr hatte dadurch gerechtfertigt, daß sie in meiner Abwesenheit, an ein verwahrtes Kästgen ging, worin die Tasse von Dir war, und diese zerbrach, da ich nun einen besondern Glauben an Diese Tasse habe, so wünsche ich mir das Zerbrochne wieder ersezt; und zwar von Dir; es ist die UnterTasse, wo von ich dir hier ein Muster schicke die andre Hälfte ist noch ganz. Und lieber Freund wie ist es denn mit der Italienerin? du sagst; nur einen Abend höchstens, könne es dich durchbeben und dann sey alles wieder beym Alten; – was kann den Entfernten schmerzlicher berühren als ein solches Bekenntniß, einer der im Gefängniß, vor seinem Gitter die schönen Früchte reifen sieht und auch wieder abfallen u verderben ohne sie genießen zu können, nach denen er Doch so sehr schmachtet | muß freilich tiefer gekränckt seyn, als wenn ihm eine alte Mauer alles Zusehen verbietet.– ich will nun einmal nicht zusehen. – Die Wahlverwandschaften spucken noch immer in meinem Kopf, und auch was Du darüber sagst, ich zittere vor der Idee, wie leicht der bessere dahin kommen kann. mit Recht hat mich diese Art von Zurückgezogenheit bei vorzüglichen immer geängstigt, denn wenn ihnen Das Unglück, nicht eine schlüpfrige Bahn gönnt worauf sie ein gefährliches Schlittschuerennen halten, so werden sie meist so trocken wie die Holzäpfel, ich sag dir, das weiß ich aus Erfahrung – und Du, zu dem 884
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mir Gott die Gnade verliehen hat viel Gutes was andern Augen entgeht in Dir zu erkennen, sollst mir wahrlich gehütet seyn irgend ein Verhältniß zu beginnen was nicht grade aus der besten Blüthe, dieses eignen Guten entspringt. ich werde auch meinen Schuzengel noch zu deiner Wache bestellen, denn wenn Du behütet bist, so bin ich geborgen. Unser beider Leben aber sey: ein Bündniß alles herrlichen und begehrungswürdigen, aber kein auserer Wille mische sich hinein; Bruder und Schwester, aber so wie keiner noch je begriffen hat, was die Liebe nicht alles thun kann. – Ich dencke doch, das warme Eisen unsers Schicksals wird sich endlich biegen; Savigny bezeigte große Lust nach Berlin, wenn ich ihm davon sprach, da ohnlängst in der Zeitung von einer Dort zu errichtenden Universität stand; ich ging dann mit und wir wären alle beisammen wenn das alles nur so geschwind ginge, als es meine Ungeduld begehrt. – ich kann Dir nicht genug sagen wie sehr mir das wohlthut, daß Du den Goethe so sehr liebst. Deine Bettine
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Landshut, etwa 22. November 1809, Mittwoch
Ach es ist so bedeutend, so werth, einen Menschen in seiner Nähe zu haben, mit Dem man Freund ist, ohne sich grade mit ihm erklären zu Dürfen; so mancher Gedanke in Uns, bedarf des Trostes, der sich doch vor Niemand entfalten mag, so manche Stimmung Die gradezu ins Ungeheure Gestaldtlose hinzieht will verwunden seyn; ich fühle in solgen Stunden immer ins kalte freie; auf den höchsten Schneealpen, mitten in der Nacht, wo der Wind um die heisen Wangen spielte, wo man dem einzigen einengenden Gefühl; der Furcht; hart und keck entgegen Träte, da könnte es einem wohl werden; bilde ich mir ein; in solgem Bezug ist es höchste Wohllust, mit Einem zusammen zu treffen Der Uns versteht, den ein Kopfnicken ein freundliches Spiel mit seinen Locken oder sonst eine vertrauliche Bewegung im Augenblick des Müssigseyns, zu unserm innigsten Freund gemacht hat, der sich dann nicht überrascht fühlt, wenn wir in seiner Gegenwart, die unabsehbaren Tiefen des Schmerzes, der Angst frey und ruhig umwandern; der nicht begehrt auch im Zauberkreiß zu stehen, sondern wie der eigne Pulsschlach, wärmer oder kälter, schneller oder kürzer, die Zeit verstreichen läst; 885
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Wenn Goethe eine Sturmwolke an dem hohen blauen Himmel hinträgt, und sie endlich von den breiten mächtigen | Schwingen seines Genies, niederschmettern läst, so trift er immer einen Rosenstock in voller Blüthe; die zerstreuten Zweige an Denen Die Rose noch in hohem Leben glüht, erregen nicht ein algemeines Mitleid, Der eine findet die Verwirrung schön und hold, Der andre löset sein eignes Begehren Darin auf ein Dritter, (mit diesem Ich) senckt sich neben Die Rose hin, so wie sie vom Sturm gesenckt ist, und hauchet das eigne Herz aus, so wie Sie ihren eignen Duft aushaucht, und erblasset mit ihr, und stirbt mit ihr, und wenn er dann wieder neu auflebt, so ist er Neu^gebohren in schönerer Jugend; – zwar Durch Goethe. – Dieß muß ich von dem Eindruck eines Buches sagen: Wahlverwandschaften. Eine helle Mondnacht habe ich Durchwacht; um Dein Buch zu lesen, das mir erst vor wenig Tagen in Die Hände kam Du kanst Dir Dencken, daß in Dieser Nacht eine ganze Welt sich durch meine Seele Drängte; ich fühle daß man nur bei Dir Balsam für die Wunde holen kann, Die Du schlägst; denn als am Andern Morgen Dein Brief kam, mit allen Zeigen deiner Güthe; da wuste ich ja, das Du lebtest, und auch für Mich, auch fühlte ich daß mir der Sinn mehr geläutert war, mich deiner Liebe zu würdigen; Das Buch war mir ein Bad, im Sturm erregten Meer, in dem die Wellen mit großer Gewallt an | mein Herz schlugen mich zu zermalmen drohten, indem Doch nur Der Schaum an der Brust aufbraußte, Dein Brief war mir Dagegen das Liebliche Ufer auf dem ich landete, und alle Gefahr mit Ruhe, ja sogar mit Wohlbehagen übersah; Daß Du Theil nimst, an meinen Zöglingen der Kunst, ist mir sehr viel Werth, der junge Mensch, von welchem mein Bild ist, ist aus einer Familie deren jedes einzelne Mitglied, (wie so viele bessere), mit großer Aufmerksamkeit an Deinem Beginnen hängt, und deren vorzügliche Gemüthsepochen auch gröstens Durch Dich hervorgebracht sind; ich hörte den beiden ältern Brüdern oft zu, wie sie Pläne machten, Dich nur einmal von weitem zu sehen, der eine hatte Dich aus dem Schauspiel gehen sehen, in einen großen Mantel gehüllt, er erzehlte es mir immer wieder; – wie mir das ein Doppelter Genuß war! – Denn ich, war ja auch an einem RegenTag selbst mit Dir im Schauspiel gewesen und den Mantel hattest Du Damals an. sie heisen Grimm; Du magst schon anderwärts von ihnen haben rühmlich sprechen hören. Ludwig Grimm der Zeichner, machte schon vor zwei Jahren da er noch gar wenig Übung hatte, aber viel stillen vergrabnen Sinn, ein Bildgen 886
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von Mir, was für mich in Hinsicht des Auffassens meiner Züge, sehr viel Bedeutung hat, da er aber nur das Gefühl hatte, die Wahrheit in mir aufzufassen, nicht aber Das Geschick, die Lüge | die ich beinah jedem entgegen trage, eben so gut zu copieren so erkannten es wenige Menschen für treu auch hatte mich noch niemand über Der Bibel eingeschlafen gesehen was einem Die Gesichtszüge auch verändern mag; weil ich Dir doch noch Abdrücke sende, so mag dieß Bildgen als Unter^lage mitgehen, Du könntest es einrahmen und als Lichtschirm gebrauchen, es war das erste was er nach Der Natur zeignete. Des jungen Künstlers Carackter ist übrigens so, daß das übrige Gute was Du für ihn sagst, sehr schwehr anwendbar ist, er ist so blöde, daß man sich wunderte, wie ich ihn nach und Nach so zahm gemacht; daß er alle Tage in München zu mir kam, ich gewann ihn DaDurch, daß ich mit Lust eben so kindisch war, wie er, wir hatten eine Kaze, mit Der wir um Die Wette spielten, er gewöhnte sich, mit Mir in einer unbewohnten Küche, unser Nachtessen zu kochen, Sagosuppe und Eyer, während alles beym Feuer stand, und kochte sezte ich mich auf den Teppig zum Lesen mit einem Schemel worauf ein Licht stand, wie es der Zufall wolte, war ich gekleidet gelaagert, und drappiert, er in einer andern Ecke machte die Skize davon, meistens in höchstem Enthusiasmuß, über Die Natur, und Litt nicht daß ich auch nur eine Falte änderte so brachten wir eine kleine Sammlung von lauter Bettinen zusammen, wie sie geht und steht; auch wickelte ich mich oft in einen großen wollnen Schwal, in diesem | geriethen ihm seine Zeignungen ein paarmal recht verdienstvoll, in die umliegende Gegenden wo meistens schöne anziehende Gesichter sind, zum Starenberger See, pp: bewegte ich ihn zu reißen, mit, weil eine Bewegung für seine zu eifrige Natur nötig war, er brachte allemal einen Schaz von kleinen Bildern mit, immer mit ängstlicher Treue nachgeahmt. Dieß ist ein sehr einfaches Evangelium was ich einem auserlich sehr beengten Gemüth predige, und angedeihen lasse, daß wohl Diesen in keinen Irrthum führt jedoch, will ich mich nach dem was Du mir sagen wirst fügen. Das einzige meinige Verdienst, ist eine Gedult die mir nicht zuzutrauen ist, er schaut nehmlich unverückt 4tel Stunden nach einem hin, und dann macht er einen einzigen Strich, er sagt aber, wenn ich nur einen andern Gedancken habe, so sähe er ihn an meiner Stirne aufsteigen und Dieß verändre mein Gesicht, ihm grade in Die Augen schauend, kann er nichts aufnehmen, er sagt, der Blick überfülle das ganze Antliz, da man Den Blick aber nicht sähe sondern fühle, so könne er es auch nicht mahlen. 887
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Der Musicker ist mein Liebling, und bei Diesem könnte ich schon allenfals in meinen Kunstpredigten über Die Schnur gehauen haben, indessen ist es bei Der Musick auch eine ganz andre Sache, zarte Worte, liebliche Allegorieen, u.d.g. erwecken oft Melodie, und Enthussiasmus in der Harmonie, dieß hab ich an mir selbst schon erprobt, das vorzüg- 100 lichste was ich bei Diesem gethan, ist daß ich ihm Bücher gab, ihm verleidete, schlechte Poesie, wo er Sinn Drauf suchte und keinen fand, zu componieren, jezt ließt er Deine Bücher, ist aber in seinem ganzen Wesen nicht bestimmt genug etwas von Dir zu sezen; sehr sonderbar ist es, auch einen Architeckten lernte ich früher 105 schon kennen, Dessen Gestaldt eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit jenem in Den Wahlverwandschaften hat, (ich hab ihm deswegen das Buch geschickt,) Dieser Componierte gleich im Anfang unserer Bekantschaft, ein sehr wunderbares Hauß für Dich, Das auf Felsen stand, und mit vielen erznen Figuren Springbronnen, in den Säälen geziert 110 war, seine Neigung artete später in Leidenschaft aus, was mir schreckhaft und unlieb war, so warden große Lücken in unser Verhältniß, ich will aber doch sein Hauß jezt von ihm begehren, damit Du das wunderbare Ding siehst. – Der Zeigner radiert jezt deinen Kopf nach einem kleinen Gyps, den ich habe; so hätte ich denn alles mit Dir be- 115 schäftigt. Wie viel hätte ich Dir noch zu sagen, auf ein herrliches Wort aus deinem Brief, aber hier wollen mich immer meine Gedancken verlassen; und ganz mein Wesen will zu Dir eintreten Dich anzusehen, Dir Glück in Die Augen zu tragen, und auch wieder Glück daraus zu saugen; 120 Darum muß ich auch jezt aufhören ich meine oft, ich könnte Dir herzlich lieb werden wenn ich bei Dir wäre. Bettine
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Von Antonia Brentano nach Landshut Wien, 24. November 1809, Freitag
Wien den 24t Nov. 1809. Weil man selten in der Welt kann was man gerne wollte so schreibe ich dir erst heute Liebe Bettine in Antwort auf deine beyden lezten Briefe die ganz dein Ebenbild sind, nur sind sie wie aus den glühenden Italien nach den rauhen Norden gerichtet und es scheint mir daher du hast 888
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nur in jenen seltnen Augenblicken in meine Seele geschauet wenn alles darinn auf den Gefrierpunkte stand! Glaube Bettine bey den tiefen Schweigen der leisesten Lüfte ist doch rege Beweglichkeit in der Natur wie im Herzen, und um den Menschen richtig zu beurtheilen, seinen Fehlern Nachsicht und seinen Vorzügen Vorzug zu gewähren müßte man zu den Zeiten seiner Kindheit, ja bis zu seiner Entstehung zurückgehen, ob glühend, oder glimmend nur der erste Lebensfunke war, ich möchte es nicht, in den Zweifel^haften liegt eine süße Verwirrung wie in der verschleyerten Schönheit welche ihren Formen durch das errathen lassen derselben | mehr Reitz gibt als die Nakte Schönheit durch ihre Nacktheit – die höchst verfeinerte Sinnlichkeit die dabey so edel und rein bleibt ist die Berührung des Gemüths da kann man wahrlich keusch empfangen von einen heiligen Geiste, denn in diesen Symbol liegt eine Göttliche Erscheinung – So beseeligt dich wohl auch dein Verhältniß zu Göthe, der dich wie man mich versichert in den Wahlverwandschaften als Luciana vollkommen geschildert hat, vergebens schicke ich in den Buchladen nach deinen getreuen Bilde, es ist noch nicht hier eingetroffen mir aber fest versprochen worden. Oft size ich in stummes Staunen und Denken versunken, in Errinnerung an euch die ich gewiß Liebe weil ich euch in meinen Besten und trübsten Stunden an mein Herz wünsche, doch ist es mir nie als wenn ich allein wäre, denn mit neuer Stärke und Allgewalt fühle ich mich den guten Franz verbunden, es sind | durch die lezten Begebenheiten neue Gefühle aus mir für ihn hervorgerufen, so weich, und so erhaben ist er mir erschienen daß ich wirklich mich bewache und stärke um seiner werth zu sein. Bey einer herrlichen Musick die ich gestern hörte bist du mir auf einmahl ganz besonders gegenwärtig geworden ist es eine Ankündigung das auch dein Spiel Banden von meiner Seele lösen wird, und deine lieblichen Töne meine unnennbarsten Empfindungen berühren werden? es ist etwas unwiederstehlich hinreißenden in den Zauber der Melodie und du thust sehr wohl daran die glückliche Gelegenheit zu benutzen dieses Talent recht auszubilden. Doch ist ein eben so großer Genuß in Anschauung schöner Gemählde und Kupferstiche, die Geheimste Offenbarung ist in der Kunst, in der Energie des Künstlers in dieser Sonne des Lebens und den Gestirnen. Du fragst sehr gutmüthig nach den Kindern ich danke dir dafür, meine Liebe zu ihnen ist stärker als mein Schmerz, jene wie ein Bergstrohm durchwühlt alle Tiefen und nimt die Bäche des Kumers auf daß 889
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sie nicht so weit sich ausdehnen und aus dem Beete des Lebens austreten und überschwemmen, Luft, Natur, Nahrung und Menschen ist hier troz der bösen Zeiten gut darum gedeihen die Kinder auch der Blasse Finus färbt sich wieder röther, und ich kann dir mit Wahrheit sagen hast du sie vor einen Jahre lieb gehabt du hättest sie jezt noch lieber Max ist gefällig gut, Josephe einnehmend lieblich, und der kleinste von niedlicher Originalität, nach George ergreift mich oft eine glühende Sehnsucht, und nur die Vernunft hat mich bisher gehindert den Syrenengesang ihn kommen zu lassen nicht Gehör zu geben, ich hätte nie geglaubt daß die Versuchung uns so versuchen könnte! Du fragst mit welchen Freundschaftspelzen Claudine versehen ist, wahrscheinlich mit Russischen doch kann ich es nicht beschwören – Wenzel schrieb mir er habe sie gerettet in den Augenblick wo er sie verloren geglaubt. Serviere ist eine Hauswurzel geworden, so nennt man Pflanzen die man hier häufig auf Dächern sieht, die unaustilgbar sind – Von Meline glaubt ich wie die Italiäner sagen »che ha L’amore als ich weggieng, nun aber da sie mir sagt es sey nicht so, sehe ich sie wieder wie einen stillen See, und verstehe sie entweder zu Gut, oder gar nicht. Von den Streifereyen des Königs höre ich viel, man glaubte sie würden sich bis Wien ausdehnen, ich sehe aber nichts davon, F. v. Arnstein hat mir schon vor 6 Wochen gesagt ihre Schwester aus Berlin habe ihr geschrieben daß Aug: dort förmlich von Clem: geschieden worden und den Nahme Flavigny angenommen, den Nahmen Brentano | abgelegt habe – sie hätte wohl manche schlimmere erst ablegen sollen, diese Bestättigung hoffte ich von dir zu hören Aber es war nicht so – Grüße Arnim dem ich in Freundschaft Gutes wünsche, und dessen Errinnerung mich freuet. Dem Vater lassen wir ein Denkmahl sezen und seine Nekrologie in die Annalen der oestereichischen Staaten rücken, die Kunst so reich sie ist, ist doch arm gegen die Natur, sie kann nicht die zarten Regungen des Herzens darstellen, das beste ist immer wie eine Krause Perücke gegen einen natürlichen Lockenkopf. Lebe wohl Bettine und lasse dich von Herzen umarmen von Franz und Tony
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Berlin d 26 Nov 9. Liebe Bettine! Es ist mir unentbehrlich der kleine Kupferstich von Dir, Clemens sagte mir viel Gutes davon und machte mich ganz ärgerlich, als er Dein Miniaturbild gar nicht ähnlich finden wollte, er ist der erste ausser dem Accisebedienten, der es hier gesehen und gleich hats mich gereut, daß ichs nicht ganz für mich behalten; wie es mit dem meisten geht, was man liebt, es läst sich nicht theilen und mittheilen. Grimms Bild, weiß ich gewiß, wird seine Vorzüge und seine Fehler tragen, zu den Vorzügen rechne ich ein sorgfältiges Sammeln der einzelnen Züge, zu den Fehlern, daß er in diesem Bemühen meist den Eindruck des Ganzen aufgiebt, oder fast gar nicht zu kennen scheint. Schick mir einen Abdruck und grüß ihn freundlich, sein alter Kopf wird ein Paar Schauspiele von mir zieren, die ich angefertigt und bald herauszugeben denke. Sein Bruder Wilhelm, der allen Leuten, die ihn öfter sahen, gefallen, während alle beym erstenmale seine fremdartigen Spässe mit Verwunderung hörten – er sprach nämlich mit uns im Schelmufskystyle usw. fort, der gute Junge ist bey recht kaltem Wetter von hier fortgereist, es war noch dunkle Nacht, ich half ihm sein Bündlein schnüren, Clemens stellte sich, als wenn er tief schliefe mit ganz ernstem Gesichte, ob er glücklich in Halle angekommen, wissen wir noch nicht, doch war er hier viel gesunder als ich ihn in Cassel gekannt habe, hatte einen auserordentlichen Appetit, dem gemäß seine Lippen bey Annäherung der Speisen in Oscillationen kamen, worüber er viel von uns hören muste, wackelte viel mit Händen und Füssen, schlug an alles mit dem Stock und excerpirte alles, war fleissig bis in die Nacht, stand spät auf, brach sein drittes Stück Zucker, eh er es in die Tasse warf, als wärs ihm viel zu groß, wenns auch noch zu klein war, brachte aus jeder Gesellschaft eine Caricatur nach Hause; an diesen Eigenschaften wirst du ihn erkennen, wenn ich ihn jemals, wie ich ihm geschworen, in irgend einer Erzählung vorstelle. | Ich bin ihn so gewohnt neben mir zuweilen auf und niedergehen oder niesen oder Feder auswischen zu hören, daß ich in Ermangelung dieser Erinnerungen mir unbemerkt eine ganze Seite von ihm vollgeschrieben. Clemens ist noch immer hier recht vergnügt und oft sehr vortreflich, ungemein unterhaltend und liebenswürdig in allen Kreisen, wo er öfter vertrauter, gleichgültiger gegen den Eindruck, den er macht, sich gehen läst, wie ihm ums Herz 891
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ist, spricht und schweigt, am liebsten aber bin ich mit ihm allein, denn er ist mir doch mehr, als er den andern wird und werden kann – auch erzählt er mir von Dir. Neulich sprach er so in der Erwartung einen Brief von Dir zu erhalten, der immer noch nicht eingetroffen, wie Du anders wärst als Deine Briefe; das habe ich ihm in einem gewissen Sinne bestritten, ich gebe zu du hast wie alle Frauen und Mädchen und sehr viele Mädchen eine gewisse Canzley, ich versteh darunter gewisse Lieblingsseiten Dich selbst anzuschauen, oder vielmehr eine Gewohnheit Dich beym Schreiben in gewisser Gesinnung anzutreffen, aus dem Scherze, der Dich umgiebt, in einen ernstern Kern einzudrücken, der in Dir verschlossen, nur ist mir das kein Widerspruch, und ich setz es immer stillschweigend voraus, daß wenn du noch so bedeutend von den Ereignissen der Welt redest, noch so traurig ausrufst, daß du darum doch nicht minder fröhlich durch die Zimmer zu Savigny lachst; dafür bist du dann auch einmal ganz ernst und traurig, wo es keiner glaubt und Dich keiner sieht, aber das steht auch nicht | im Widerspruche. Ich konnte ihm meine Meinung nicht rechtfertigen, denn ich hätte ihm Deine Briefe vorlegen müssen, die ich aber für mich allein behalte, leicht mögt ihr zweye, wie das häufig bei Geschwistern, in einem brieflichen Mißverständnisse gestanden haben, du magst zuweilen gegen ihn hart gewesen seyn eben daher, ohne es zu ahnden, zu^weilen auch weil Du gerade mit Dir selbst zu viel beschäftigt gewesen, oder auch wie du mit den andern nicht konntest herrlich und himmlisch sagen bey dem Anblick der Tyroler Gebürge, das alles kenn ich aus mir und aus andern. Schliesse aus diesen Bemerkungen nicht etwa, als wenn er fremd und gleichgültig über dich abgesprochen, du stehst in seiner Achtung und Liebe unverändert, nur das, was euch sonst einander näher brachte, diese gegenseitige Befriedigung an einander scheint mir aufgelöst, das ist doch schade in solcher Zeit des Krieges, um so mehr schade, weil ihr nicht fühlt, was ihr an einander verloren und wie ihr euch wiedergewinnen wollt. Vor ein Paar Tagen brachte ich Clemens zu den Engländerinnen, er fand eine rohe Aehnlichkeit zwischen seiner Schwester Sophie und dieser Marianina, jene sey feiner und zierlicher gewesen, der Ueberzeugung bin ich jezt, daß ohne eine besondre Liebschaft zu haben, ein einziger Abend sie einem von allen Seiten darstellt, das auch nichts für morgen und übermorgen übrig bleibt. Bey diesem wunderlichen Einbalsamiren und Conserviren desselben Lebens und Gedankens fällt mir ein Klingding Almanach ein, von Baggesen herausgegeben, der eben gegen die Einsiedler892
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zeitung erschienen und zwar insbesondre gegen mich, das nenne ich um ein ganzes Jahr placken, mir ward bey dem Schimpf sowohl zu muthe und so warm, ich dachte | die Schlachten von Wagram und Regensburg eine Erfindung des Vossischen Hauses, ich dachte mich in den Schatten des Heidelberger Schlosses bey Görres und Creuzer, – und da ward mir als fänd ich, wo der Wind die Blätter abgeweht nachlesend noch eine recht süsse Traube, so fasste ich Dich und damit gute Nacht, gute Nacht, wie sind mir die Augen so trübe von Liebe, wie ist mein Mund verdrossen geschlossen, – doch eins muß ich Dir noch erzählen, in meinem Garten hinterm Hause, der eng und schmal mitten unter Häusern, flogen neulich zwey Rebhüner auf, du kennst sie, wie sie mit ihren Flügeln zu lachen scheinen, das hat mich ungemein geärgert. Gute Nacht – doch eins sagt mir noch Clemens aus dem Bette, wo er im Dampfe seiner Pfeife den Mohnkranz bildet, ich sollte für die nach^einander von Dir erhaltenen vielen Briefe danken, beyliegende Zeichnung überschickt er zum Andenken, du wirst mich schon an der Nase kennen, ich wollte er könnte Dir ein Paar recht schöne Theaterbeschreibungen aus seinen Romanzen vorlesen, die er hier geschrieben, mit wunderbarer Ausdauer arbeitet er daran fort, sammelt dazu, liest in vielen Büchern nach, es wird unstreitig, wenn er sie beendet, eins der ausgezeichneten poetischen Werke, ob ich gleich zweifle ob unter der Menge leichtsinniger Leser sich ein Paar von Sinn finden werden, die sein Streben darin gehörig unterscheiden werden, die grössere Zahl würde er mit viel leichterer Arbeit weit höher befriedigt haben. Die Landshuther Kriegsbriefe werden von uns jezt gesondert und eine Auswahl davon erscheinen, es ist eine artige Sammlung und doch wenn ich des Reichthums an Briefen in den grossen Bagagen bey Jena gedenke, bey einer Armee, wo beynahe jeder schrieb und viele schriftstellerten, so thut es mir wieder recht leid, daß kein zweyter Clemens in der Welt, der dort Briefe sammeln, sie abwaschen und abbügeln konnte, während alle von der Noth und Verdrusse anderweitig beschäftigt. Ich küsse dich nicht, weil meine Nasenspitze von der Nachtluft kalt, das erschreckt. Achim Arnim. 〈1r aoR:〉 An Savigny Frau & Comp viel Schönes, die Kupferstiche sind lange abgegangen.
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Von Joseph Janson von der Stockh nach Landshut Augsburg, zwischen Ende November und Mitte Dezember 1809
Freulein! ich komme spät an, mit meinen Dank für den letzten Brief, ich weiß aber, daß Sie herrein rufen iedesmahl, wenn ich anklopfe; nicht übel nehmen, daß ich da bin, wenn sie merkwürdig erzählen aus der wunderbaren frühern Zeit, wenn Sie musikalisch musiciren, oder Ihren Gedanken freyen Lauf lassen. Alles dieses ruf ich mir unter den Vorsitz Ihres Bildes oft hervor, bin und bleibe bey Ihnen, gehe trostreich davon wieder in die Welt hinein, weil das Bild welches ich ansehe, so über die Welt hinausblickt, und zu sagen scheint; Nur nach: es ist freudenreich, sicher ists oben! | Eben so muß den Architecten der Engelskopf geschienen haben, der von den Gewölb der Kirche herab sah, und wenn das Original auf der Erde wandelte, welches ihm ganz gleich. Sehen Sie so hemme ich nichts, und lasse alles an sie gelangen wie ich es denke, ohne mir Zeit zu nehmen, ob ich gleichwohl oft wünsche ein ganzes Leben vor mir zu haben, um einen würdigen Brief an Sie schreiben zu können. mich wundert es wie Sie, an Goethe Ihre Betrachtung und Ihr Gefühl ströhmend, neugebohren hinzusenden, sich bedenken wohl; wären Sie nur bloß mit ihm bekannt, denn gerade die Bekanntschaft ist es die einem vor dem andern zuschließt; iedoch Sie sind | feerwandt; Was ist wohl da noch zu bedenken? ich wollte ich könnte über sein letztes Buch wenn das Original vorläge, mit Ihnen sprechen. Wunderbar erwachen da Seelen vor unsern Augen die sich heerlich erheben, andere die tief fallen, iedes nach seiner Natur, frey folgend oder gezogen. Fest gebunden, ist das Ganze, unerschütterlich bezeichnet es die Stelle, wo es steht, und die Hand die es dahin gestellt hat. wär es, daß irgendwo ein Unwill uns ergriffe, alsbald sind wir mit ihm versöhnt, und möchten ruhig um Vergebung bitten. das Land, das kalte, vertreibt Ihnen, das thut mir sehr leid, fest muß ich mich leider machen in diesen harten Boden, weil die allernächsten sich an mir halten wollen, die ein | Recht auf mich haben, daß ich sie stützen muß. doppelt heiter ist das Land, weil die Städte immer öder werden, und in den vielen schönen Häusern, so wenig Menschen wohnen. 894
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Die Conzerte des Kurfürsten von Trier, kommen uns zu Hülfe, vieles wird von Winter gegeben, neulich hat auch ein iunger Mensch mit seiner Composition, die er selbst auf den Klavier vortrug, alles überrascht und begeistert, Morgen ist um 12 Stunden näher der treue Diener J.
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Von Peter Lindpaintner nach Landshut München, 29. November 1809, Mittwoch
Theuerste Freundinn! Ohne lange Entschuldigung meines langen Stillschweigens habe ich die Ehre Ihnen zu sagen, daß ich Ihr liebes Schreiben und auch das liebe Buch erhalten habe; schon habe ich es ohne vieles Kopfbrechen aufmerksam und ganz entzückt durchlesen, und eben bin ich gerüstet das zweitemal diese herrliche Lustreiße anzutretten. Das Ganze führt eine eigne höchst sonderbare Sprache, die mir gleich beym ersten Anblicke Empfindungen der höchsten Bewunderung eregte. Sobald ich das zweite, oder das drittemal von meiner Promenade wieder nach Haus kommen werde, werde ich das Buch, das mir so viel Vergnügen machte der holden Geberinn zurücksenden. Da Sie den Wunsch aüßern etwas von meiner Musick zu hören, und ich so gern Ihrem Wunsche willfahren möchte obwohl es ein wenig unmöglich ist, so werde ich Ihnen mit nächster Gelegenheit sechs Lieder schicken, | die ich zwischen meinem 13ten und 14ten Jahre gemacht habe, sie sind zwar voller Unvollkommenheiten, in Rücksicht der Behandlung sowohl als auch in der der Composition, doch sieht das Ganze so ziemlich einem Liede gleich. In Hinsicht meiner Dummheit bin ich meines Erachtens so ziemlich auf dem Wege der Besserung denn seit dem ich Don Juan gehört habe ist meine Seele voll; von was sie voll ist kann ich Ihnen nicht erklären, aber ich fühle, daß es mich drückt – schwer drückt, ich will und weiß nicht was. Oft stehe ich halb sinnlos in meiner Kammer und höre, und fühle, ohne nur den geringsten Tonlaut zu hören. Ich kann ihnen nicht beschreiben welchen Eindruck diese Oper auf mich machte. Ich hörte sie zum erstemale /: und zugleich außer denn verstümmelten Titus die 895
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erste Oper Mozart’s :/ Ohne es zu bemerken weinte ich wo alles lachte, und nur zu schnell giengen mir die Meis|terwerke vorüber, deren einzelnes satt zu hören ein ganzer Tag zur kurz wäre. Winter wurde mir ein Kind, das kindisch über das schmäht, was es nicht versteht. Demungeachtet habe ich mich entschlossen so lange als möglich hier zu bleiben, denn wenn ich auch auf der einen Seite nichts gewinne, so ist es doch hinlänglich durch solchen Genuß ersezt, dem ich mich fr〈〈ei〉〉 überlassen kann. – Daß Sie auf Ihrem Lustreißchen ve〈〈r〉〉gnügt waren freut mich, noch mehr aber, daß Sie auch an fremden Orten sich eines Freundes erinnerten, der der – der sich nennt ihren gehorsamen Diener Peter Lindpaintner Da sich dießer Periodus gar so saüberlich zu einem Schlusse fügt werde ich noch durch einen Post scriptum melden, daß ich das lange erwartete, und vielleicht schon lange vergessene Augenremedium für Hr v. Savigny in diesem Brief einwickle, und gute Wirkung wünsche. Haben Sie doch die Gewogenheit mich bey Hr und Frau v: Savigny bestens zu empfehlen. Ainsi soit. il An Fraülein Bettine Brentano. abzugeben bey Hr: Professor von Savigny in Landshut.
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*696. An Antonia Brentano in Wien Landshut, vmtl. Anfang Dezember 1809 Antonia Brentano an B, 16. Dezember 1809: Deine beyden Briefe, der erste die Ergießung eines warmen Herzens, der zweyte, das Bekenntniß eines unheimlichen Frierens habe ich kurz hintereinander erhalten, und weiß jeden Beweiß deiner Errinnerung und Theilnahme zu erkennen und zu erwiedern. 〈…〉 in Betreff deines Auftrages 〈…〉 Sogleich kaufte ich schwarzen Atlas 〈…〉 Mit Pelz hat es tausend Schwierigkeit 〈…〉 Strümpfe weis ich keine zu finden (Nr. 707,2-29).
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Von Christine Stransky von Stranka und Greiffenfels nach Landshut Eichstätt, Anfang Dezember 1809
Liebe trefliche Bettine Was mögen sie sich denken das ich mein Wort ihnen gleich zu schreiben so schlecht hielt, sie können es sich aber wohl denken das es mir durchaus unmöglich war sonst wäre es sicher geschehen. Sailer hat mir den Tag vor meiner abreiße als er mir durch Röschlaub das Geld schigte schmerzlich wehe gethan, mit wenigen, aber harten worten die er mir schriftlich sagte. selbst nur gänzliche zurückweisung meiner bitte würde mich unendlich minder geschmerzt haben. es ist schreklich wen man wegen Geld von Menschen abhängen, und sich vor selben schmigen, und biegen muß. Mögen sie güthigst dem Geistlichen Rath vor seine mir geleistete Hilfe | danken, er verzeihe mir das ich ihm nicht selbst darüber schreibe aber ich kann es nicht. Doch jetz über unsre Verhältniße 2 Tage war ich hier als wir ein quartier bezogen das aus 2 heizbahren und einem kleinen unheizbahren zimer besteht, und in einer Küche, es ist in einer der besten Gassen worauf wir nothwendig sehen mußten, im 2ten Stokh davor bezahlen wir Jährlich 45 f. Das ist gewis wenig? jezt geht es über die Meuble. zu kauffen sind keine, und zu borgen auch nicht, folglich wurden sie gemacht, und bestehen in 2 kästen 6 stühlen 4 bethladen und 2 tischen das zusamen kostet nicht ganz 100 fl. wir mußten sie von harten Holz machen lassen weil uns jeder versicherte, auf den | fahl des Wechkommens würde sie uns von feuchten Holz niemand abnehmen. Diese Suma ist aber noch nicht bezahlt Gott leite den schwiegervater sonst sind wir in schrecklicher Verlegenheit. Die anweisung an die cassa ist noch ihmer nicht hier, weil die besoldung der Stadtgerichts Ärzte noch nicht bestimmt ist, und nach den 3 Classen der Städte regulirt worden. Wir warten schmerzlich darauf, das die besoldung fließt übrigens seit 6 8bre folglich 2 Monathe. es lebt sich hier Gott lob sehr wohlfeil ich hoffe das wir so Gott will wenig über die bestimmte besoldung wenn sie 600 f ist brauchen sollen | freylich leben wir so schlecht als nur möglich doch dem sey es wie es wolle 600 f ist ihmer noch ein schönes Geld und ganz wird es auf keinen fahl Reichen. übrigens sind die Menschen hier sehr gutt, und man begegnet uns sehr zuvorkommend. Wir speißten schon 2 mahl Mittags beym general comisaire der ein sehr gutter Freund meines bruders ist und ge897
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stern abends war bey ihm soupé wo zu wir Mußten wenn ich auch gleich lieber zu Hauße geblieben wäre. seit acht tagen ist mein Man Instalirt. und den ihn untergeordneten vorgestelt seitdem hat er auch das spital und die armen prax. leztere lieben ihn unendlich und wünschen sich nun seinetwillen glück
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, 7. Dezember 1809, Donnerstag
Liebster Arnim! was soll ich halten von deinem langen Stillschweigen; Du seyst Kranck oder sonst wohl vergessen auf mich, ist mir gar zu traurig zu glauben, wenn ich also darüber keine Gewißheit habe, so glaub ichs nimmer mehr. Die liebste Vorstellung ist mir daher, Deine Ungedult habe dich aufgepackt, und Du seyest auf dem Wege hierher, ich bin auch so einbilderisch geworden; daß ich oft Abends wenn ich noch irgend ein Fuhrwerck rasslen höre meine es müsse bei uns halten, und müße Dich enthalten. Lieber Arnim ich hab nichts mehr zu schreiben, ich will sprechen und will dir alles von Mund zu Mund sagen. – Der Mensch ist nicht ganz; es sey denn, er habe sein Liebstes und sehne sich dennoch darnach. also sagt man auch: man soll die Liebe finden, sie aber dennoch ewig suchen sonst sey kein Glück. Aber noch ein schöner Spruch existiert, den ich erfunden habe: Wahre Liebe hat immer recht; selbst im Unrecht. – Luther spricht aber, in einem seiner Briefe: Wahre Liebe hat oft unrecht. dießen finde ich nicht so gut wie meinen Spruch; er sagt aber an einer andern Stelle: Die Liebe geht allem vor, selbst dem Opfer und Gebeth. ich mercke mir aber hieraus das Die Liebe die höchste Tugend ist. Die Liebe macht bewustloß im irdischen und ist erfüllt mit dem Himmlischen, die Liebe macht also unschuldig. Die Liebe giebt uns aber einen Willen bei Dem wir verharren, sie macht also beständig. Die Liebe giebt aber in uns alles hin um nichts, als blos um ihrer eignen Schönheit willen, sie macht uns Daher großmüthig; sie legt aber ihr ganzes Seyn ins Geliebte und macht uns darin Göttlich denn Gottes Seyn ist im geliebten. es haben daher zwei Die sich lieben nicht unrecht wenn sie sich himmlisch, und Engel nennen. Denn sie sind es auch in Wahrheit und noch immer hat | sich die Zeit des alten Testa898
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ments nicht verändert, wo Die Engel zu den Gastfreien kammen, bei ihnen zu wohnen und mit ihnen zu essen; Denn bei Dem Gastfreien kehren auch nur Die Engel ein. und seine Speiße ist himmlisch. Denn es sind Die Wurzeln aus denen Die Liebe erblüth; nehmlich jeder Augenblick ist herrlich aber der lezte immer der herrlichere. wer sich also in Die Ketten der Liebe eingefügt hat, der wird es nimmer wagen sie zu zerreisen. denn wenn er erst die Dornen unter den Rosen nicht scheuete; wie wird er es späther wagen, wo Die Himmelsblumen sich immer Dichter reihen; wenn Die grünen Kränze der Ruhe der Sanftheit, die Gluth der Rosen hebt. selbst den Sarg lassen diese Blüthen nicht frei; O wie tief wie lieb wird das Leben wenn sich die Schäze nach und nach sammlen, die man mit ins Grab nehmen will. eine Locke von Dir! Die Bernsteinkette die Nadel, und etliche Blumen die Du mir am Rhein brachst auch das Lavendelsträußgen, aus Aschaffenburg, dann Der Ring von Goethe; die gehen alle einmal mit, und geben mir mein ganzes besseres Leben mit aus der Welt, als Symbol ins Grab. Ach Arnim ich bin glücklich, und Du bist der geliebte Theil meines Glücks. ich fühle es selten, aber Heute fühl ichs. Bettine Nur daß wir uns bald sehen mögten!!!!
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An Ludwig Emil Grimm in München Landshut, 7. Dezember 1809, Donnerstag
Guter Ludwig Aemil Grimm! Schon guter 14 Tage hab ich einen Brief in meinem Schreibepult liegen, der Sie nicht wenig interessieren muß; nehmlich von Goethe; diesem schickte ich erst den Probe Abdruck meines Bildes, den Sie mir noch in München den Tag vor meiner Abreiße gaben, einen Brief erhielt ich nun vor 14 Tagen aus welchem ich Ihnen folgende Zeilen abschreiben muß: die sie hoffentlich als ein Guter Christ treu und redlich bewahren werden. Aus Goethes Brief. »Dein Bild ward gleich von jedermann erkannt, Es ist sehr natürlich und Kunstreich dabey, Ernst und Lieblich. Sage dem Künstler etwas freundliches darüber u zugleich: er möge ja fortfahren sich im Radiren nach der Natur zu üben das Unmittelbare fühlt sich gleich. Daß er 899
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seine Kunstmaximen dabei immer im Auge habe versteht sich von selbst. Veranlasse ihn doch noch jemand Vorzunehmen den ich kenne, u schreibe mir seinen Nahmen vielleicht gelingt ihm nicht alles. fürwahr Du sitzst so Traulich und Herzlich Da, das Ganze mit dem Wintergarten ist sehr gut componiert. pp sie sehen aus diesen Treu copierten Worten guter Grimm, daß Goethe keinen geringen Antheil an Ihnen nimt, und daß er in diesem kleinen Bild, die Spuren der Wahrheit so^wohl als Ihres Treuen Fleises erkennt, er schreibt noch mehr darüber was ich Ihnen wohl vorlesen aber nicht abschreiben kann. auch nach ihrem Meisters Nahmen fragt er mich, und läst sich ihm unbekannter Weise emfehlen; in meiner Antwort hab ich ihm über Hess geschrieben; und ihm zu verstehen gegeben, wie glücklich Sie sind, in eines solgen Meisters Hände gekommen zu seyn, der da ungleich dem jezigen Zeitalter, die Künstlerseele zusamt zur Frömmigkeit und zur Freiheit leitet. Sagen Sie dem Hess auch was Göthe über Ihr Bildgen sagt, ich weiß es wird ihn interessieren. auch von Ihnen hab ich jezt noch weitlauftig an Goethe geschrieben, und von Ihren Brüdern. ich weiß es wird Ihnen ein Sporn mehr seyn so fortzufahren; wenn es sich nun thun ließe so wäre es gar gut wenn Sie auf 8 bis 10 Tage zu uns kämen Sie sollten Arbeit genug haben, u, unter andern den Savigny radieren, den Goethe kennt, um diesem noch eine Probe von Ihrem Talent zu geben, wenn es Ihnen gelänge so wäre | es ausgemacht daß sich Goethe für immer für Sie interesierte, und dieß würde nicht allein auf Ihr Leben, sondern auch auf das Ihrer Brüder einen sehr guten Einfluß haben. Auf alle Fälle schicken Sie mir doch immer Abdrücke, von allem was sie machen; sie sind mir eines der liebsten Kunstprodukte weil ich (sie) unter den Augen beinahe entstehen sehe. und weil ich dabei zum Theil schon in die Zukunft blicke, so ist mir auch Goethes Urtheil über Sie ganz aus der Seele gesprochen. und wüste nichts anders zu sagen. wenn andere Leute sagten es sey zu Alt, so wuste ich schon daß diese mich nie erkennend angeschaut hatten, wenn Goethe sagt es sei Treu und Wahr; so weiß ich daß er mich kennt; und darum ist mir das Bild jezt doppelt lieb. Adieu guter Grimm! besprechen Sie sich mit Hess ob sie nicht zu uns kommen können und grüßen ihn aufs Freundlichste von mir. Vor allem Schicken Sie mir Abdrücke von ihren Studien recht bald. ich bin begierig darauf. Bettine Brentano 900
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Goethe hat mir noch mehrere Abdrücke von meinem Bild abbegehrt, die ich ihm auch sogleich gesandt habe, an Ihre Brüder, Arnim, und Clemens schickte ich zugleich mit dem Urtheil von Goethe auch Abdrücke, und gewiß ihre Brüder wird dieß Urtheil sehr erfreuen; nun hab ich aber keine Abdrücke wenn Sie mir noch welche verschaffen könnten wäre es mir sehr lieb, jedoch hats keine Eil; nur lassen Sie keine aus Ihren Händen kommen. – Was mir vorzüglich lieb ist, ist daß Goethe nicht findet, es sey verzeichnet, wie so manche andere, die es verstehen wollten; und nicht verstanden; wie z. B. Tieck, Rumohr, pp. –
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An Meline Brentano in Frankfurt Landshut, 7. Dezember 1809, Donnerstag
Lieber Linster! Ein gestriger Brief von Savigny wird Dir nun einen Tag früher eine Herzliche Einladung bringen, mit welcher auch ich so gern meine Bitte vereinigen mögte; ich kann Dir keinen andern Dringendern Grund angeben, als meine stehte Liebe zu Dir; die Dich immer vor allen andern Geschwistern auszeignete. ich mögte daher mit dem Mann der Dich glücklich machen soll, nicht nur eine oberflächliche Bekanntschaft haben, als welche mir bei andern gnügen konnte sondern ich mögte ihn eben so herzlich Bruder nennen als er es nach deinem Zeugniß zu verdienen scheint; und daß man einen Bruder gern schnell kennen lernen mag, ist ja ganz natürlich; Da ich Durch Savigny erfahren habe wie viel gutes und herrliches durch einen Schwager in die Familie kommen kann, und da ich Deine Natur kenne, die sich an nichts unedles zu binden vermag, so ist eine Schwesterliche Neigung zu Guaita; schon in mir fest geworden. Jezt muß ich dir auch noch manche Nebengründe sagen die Dich allenfals bewegen Dürften, unserm gerechten Begehren Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen; 1stens ist Dieß vielleicht der einzige freie Augenblick wo es noch in deiner Willkühr steht, einer Dringenden Bitte von Geliebten Freunden zu willfahren, indem später Tausend Geschäfte Häußliche Sorgen pp einem immer mehr fesslen. darum solltest du doppelt diese Gelegenheit nicht versäumen; 2tens ist es sehr der Mühe Werth grade hierher zu kommen, denn Sailer der unser liebster Haußfreund ist, wird Dir gewiß eine sehr Liebe Bekanntschaft seyn; und Guaita wenn ich mir ihn recht denke, ist gewiß nicht ohne Lebhaftes interesse für so viel gutes in ei901
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nem Menschen; dann muß es ihn doppelt interessieren weil wir immer behauptet haben, daß Sailer dich eben so aufrichten | würde können, wie es ihm (Guaita) nun selbst gelungen ist, der Dich nun noch obendrein für immer glücklich machen wird. – Dann ist Savigny, der Dich bis jezt eben so wie Sein Kind geliebt hat der jeden Tag aussprach wie sehr er um dein Glück besorgt sey, doch auch werth daß Du ihn durch diese Freude belohnst; wir würden zusammen nach München gehen wo manches Schöne und Herrliche vereint ist pp Ich stelle Dir nichts mehr vor, wenn Du gut bist, so thust Du es; du könntest ja allenfalls den Clausner mit bringen zur Gesellschaft, der gewiß bescheiden genug ist um kein unangenehmer Gesellschafter unterwegs zu seyn und dem das Reißen überhaupt gesund, wir haben auch alle ein großes verlangen ihn einmal wieder zu sehen. Adieu solltest Du nicht kommen so bleibt einer meiner heisesten Wünsche unerfüllt; indessen wünsche ich Euch Beiden dennoch uneigennüziger Weise als Bruder und Schwester alles Heil und Seegen auf Euren Weg; und daß es nicht an Euch vergolten werden möge, wenn Ihr uns die Freude versagt. Grüße an Loulou – Franz, ganze Hauß, Bettine
*701. An Antonia Brentano in Wien Landshut, 7. Dezember 1809, Donnerstag Vgl. Nr. *696.
*702. An Peter Lindpaintner in München Landshut, 7. Dezember 1809, Donnerstag Peter Lindpaintner an B, vmtl. letztes Drittel Dezember 1809:
Ihr liebes Schreiben durchlesen, und darinn ein Verlangen nach meinen Liedchen bemerkt 〈…〉 Ihre gütige Einladung auf die Weyhnachtsferien (Nr. 708,4-6+53-54).
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*703. Vmtl. an Sebastian Bopp in München Landshut, 7. Dezember 1809, Donnerstag B an Ludwig Achim von Arnim, 8. Dezember 1809:
an einen alten Musiek-
lehrer (Nr. 704,63-64).
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, 8. Dezember 1809, Freitag
Auch keinen Moment will ich zögern, deinen lieben Brief vom 25ten Nov: den ich eben nach dem Kirchgange am Tage Maria Heimsuchung erhalten, zu beantworten; Dieser Brief hat mich viel mehr gefreut, hat mir so auffallend wohlgethan daß ich ihn zu zwei Andern von Dir, und zu dem lezten von Goethe legen werde. jezt wirst Du mein Bild in Händen haben von Grimm; das dem Goethe so wohl gefallt, es mangelt ihm zur völligen Ahnlichkeit nichts wie Die Lüge, meiner Fisionomie aber die Wahrheit ist gewiß drinn, denn weil ich dein Buch hielt so war es mit demselben Ernst, mit derselben Todenstille gegen die ganze Welt, an meinem Herzen gelegen, als Du es auf diesem Bilde siehst. es ist mir jezt doppelt lieb, weil es mir ein heller Beweiß seyn wird, für das was ich dir jezt in Antwort auf deine Gedancken über meine Briefe sagen werde, Diese Gedancken sind mir über alles lieb denn ich sehe daran Daß Du mich so herzlich, so treu, in Dir selber erziehest; es thut gar wohl, an dem Ort wo man gerne wohnen mögte, nehmlich im Herzen des Freundes, sich nach und nach entstehen zu sehen; wenn es auch im Anfange nur leise Umriße sind; wenn sie nur edel aufgefaßt sind, dann ist man geborgen und die Zeit die man belebt ist geborgen; wenn auch die Gemeinheit noch so sehr wie brausende Wellen das Ufer überschwemmt; wenn endlich die Ruhe wiederkömmt, so steht auch alles Gute wieder Da, der gute Kern verfault nicht wenn er auch lange geschlossen bleibt, kein Grund und Boden wird ihn aber besser wärmen und ins Leben hineinrufen wie der Herzens grund, des Geliebten. was wäre die Liebe sonst, als das | erschließen der Lebensblüthen. – Da Grimm mein Portrait anfing, so bat er mich ein gewöhnlich lächlendes Gesicht zu machen damit es ihm gelingen möge mich für alle Leute ähnlich zu machen; denn, behauptet er, man sähe mich nie bei Menschen so, als wenn ich allein sey; und so drückte er sich einfältiglich 903
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aus: Das ist ein Lustiger Bunter Vorhang den Sie übers Gesicht ziehen so bald Jemand da ist, wie wir aber wieder allein sind, so zieht er sich nach und nach vor einem ernsten oft tief betrübten Gesicht in die Höhe, und Ihre Augen sind zu weilen gar nicht anzusehen viel weniger nach zu mahlen. Ich wollte zwar thun wie es Grimm am liebsten war, um ihn so viel möglich zu erleichtern, allein es war nicht möglich während 6 Wochen wo er beinah Täglich 1½ Stunden Arbeitete war ich immer, wie ich bin. daß Mich Goethe so erkannt hat und meinen ganzen Carackter daraus erkannt hat, ist mir lieber, als wenn er es zu Alt, oder nicht schön genug gefunden hätte, denn dabei mercke ich, daß ich gewiß gut, u besser bei ihm war, daß bei ihm keine Lüge nur die Liebe gelten konnte, er sagte auch einmal zu mir: man braucht nichts zu sagen, nicht zu lächlen, man ist doch vergnügt eins im andern. – nun von meinen Briefen bin ich ganz abgekommen; ich wollte Dir nur sagen, Daß wenn ich dir einen sehr ernsten Brief schreibe, daß mir Gewallt im Herzen geschieht; und doch zugleich mit Savigny lache. so will dieß nur bedeuten, daß er, mich gar nicht, Du aber mich innig berührst. Du könntest zwar einwenden, daß ich auch oft gegen Dich persönlich so war; es kann seyn, ich weiß es nicht, aber manches | gar sonderliches Mißverhältniß klang oft zwischen uns beiden an; und dann; lieber Arnim die Entfernung ist ein Fernrohr, durch welches man nur dann nach der geliebten Gegend schaut wenn man sich darnach sehnt, zugleich an einem hellen Tag, wo die Nebel nicht die Seele umlaagern. wo alles Deutlich erkannt und geliebt wird. zwar bekenne ich, daß ich oft eilfertigst auch geschrieben habe, wo es mir grade nicht sehr gestimmt dazu war blos, um Dir eine Sorge zu nehmen, dieß sollte fürwahr nicht seyn, und soll auch nicht mehr geschehen, denn unwillkührlich mischt sich die Lüge mit ein, diese aber ist eine Mordbrennerin. Gestern hab ich 6 Briefe an einem Nachmittag geschrieben 3 lange, und 3 kürzere, ein langer an Grimm, mit wahrhaftem Antheil an seinem Lernen, er bespricht sich gern mit mir, auch schreibt er sehr angenehme Briefe recht wie die eines sorgsamen Künstlers, einen an Toni in Wien, einen an einen Jungen Musicker in München mit Nahmen Peter Lindpaintner; die 3 kurzen waren an Meline an einen alten Musicklehrer, und der lezte an Dich. Diese ersten Briefe gingen mir so leicht und schnell, es war gleich gesagt was ich sagen wollte; und war auch alles gesagt. aber Dir hab ich nicht alles gesagt, ich muste zuweilen Aufstehen im Zimmer bald hier bald Dahin gehen; ich muste mich zurückhalten, denn ich hätte sonst gesprochen, wie mich keiner verstanden 904
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hätte. grade wie ein leiser Wind sich erhebt und über die Fluren hinrauscht und alle die Blätter bewegt die vorher in friedlicher Mittagssonne ruhten; so kam mir Die Stimmung, ein Gefühl, man weiß nicht wie, der Liebe, des Wohlseyns, was über die Grenzen des Lebens schreitet, mit einem leisen aber mächtigen Riesenschritt ja die Lieb ist im andern Land, und man ist im Himmel; wenn | mann liebt, und in diesem Himmel wohnen alle Schönheiten und alle Künste, grade wie Der hellere Stern am Firmament leuchtet Der mit der Kunst unter den Andern hervor, so ist mir deine Poesie wie ein bläuliges Licht, was dein ganzes Andencken überstrahlt. aber noch ist es nicht bestimmt genug, es ist im Werden, darum kann ich auch nicht Tadlen und nicht Loben, weil ich nicht weiß, was es ist, noch was es wird, aber wohl weiß ich, daß es göttlich ist, weils Am Himmel steht. – Jezt will ich dir auch noch von diesem Peter Lindpaintner erzehlen der mich so sehr interessiert. – Ich dencke oft; daß ich gern alle meine Gedancken nur an Dich – (und an Goethe) richten mögte, wenn ich einen Brief wegsende worin ich mich deutlich über manches aus^spreche, so ist es mir leid daß die Aufschrifft nicht an Dich ist, denn gar vieles kann man nur einmal sagen; jedoch so giebt es Menschen die in jedem Verhältniß wie nichts erscheinen, und die mich gerade da erwecken, wo es mir ordentlich Noth thut, mich zu entdecken. Obgenanter Peter 18 Jahr alt, blond, gar nicht schön, aber gutmüthig, sittsam, und sehr Kindisch, machte in seinem 13ten Jahr da er noch wenig, oder gar keine Musick gehört hatte Volks^lieder; Melodien die gleich den Schwanen ihre weisen Fitige an der Luft ausspannen, und kühl und rein, unter den Wolken daherseeglen; er versuchte sich noch weiter in verschiednen Arten von Musick, jedoch ohne große Kenntniß noch späth machte er ein Hornconcert, welches in der Erfindung ganz vortrefflich war, aber von keinem Hornspieler geblasen konnte werden, so wenig verstand er Die Instrumente; da man nur all zuschnell einsah daß ihm nur Kenntniß fehle um ein Vollkommnes Genie aus ihm zu bilden so wurde er aus seiner Augsburger Kammer, wo sich ihm seine Muse so oft geneigt hatte, in die | lermende Münchner Welt an des Alten Ungeheuers Seite gesezt bei diesem Winter lernte ich ihn kennen, er plagte ihn gleich gewaltig mit Aestetick und tausend Nichtsen, und mein armer Peter ward sehr traurig, einsmals führte er mich von Winters Garten nach Hauße. klagte er mir all seine Noth; wie er nichts mehr könne seit dem er in dieser Stadt pp: – späther reißte er mit mir und Winter hierher, Savigny wurde ihm sehr gut, mir spielte er manches von sich vor, und immer 905
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werde ich Tiefer überzeugt daß in diesem Unschuldigen Gemüth ein großer Theil der Kunst wohne; ich kann dich versichern daß mir nie leichter der Sinn erweckt wird, als durch seine einfache Briefe; wir schreiben uns immer über Musick und ich suche ihn zu erhalten und zu 110 stärken in seiner Arbeit; und ich gehe nicht weltlich mit ihm um (wie mit Savigny et Comp:) weil er noch nicht in der Welt war; aber ich interessiere mich so sehr für seine Compositionen weil er noch so jung ist, und so viel von dem hat, was ich mir immer als das seeligste Geheimniß der Menschlichen Natur wünschte, nehmlich Musick. 115 Clemens muß meinen Brief jezt erhalten haben; ich schreib ihm recht gern, aber erst muß ich eine Antwort haben; ich glaub auch, in einer Umgebung wo er sich bequemer aus^dehnen könnte, als hier, würde uns beiden zusamen wohler gewesen seyn, ich dencke aber denoch, daß er sich nicht über mein Wesen mit ihm beklagen wird; im Gegentheil 120 weiß er daß ich viel daran gesezt habe, um Unfriede und Mißbehaagen zwischen allen zu unterdrücken; auch war mein Bestreben ihn auf sich selbst zurück zu führen, wo gewiß das meiste Gute für ihn | lag. er hatte sich ja verlassen wie ein Oedes Hauß in dem man viel Kummer und Verzweiflung erlitten, dem Fenster und Thüren ausgebrochen, und eine un- 125 freundliche Luft uns anweht; ich grüße ihn herzlich. Aber Du! wenn man eine kalte Nase hat, so haucht man in beide Hände und wärmt sie und dann küßt man die Bettine; Du hast immer einen Vorwand, ich glaub du bist ein Schelm. Bettine die Dich küßt. 130
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Landshut, 13. Dezember 1809, Mittwoch
Ich will dem Gözendienst abschwören! Ich spreche nicht von Dir: Denn welcher Profeth hat gesagt, daß Du kein Gott seyst? Ich spreche aber von groß und kleinem was die Menschliche Seele irret – O wenn Du wüßtest, was Dir zum Heile diente, itzt in den Tagen deiner Heimsuchung! spricht Luk. XIX Ich hätte Dir vieles zu sagen; es kommen mir aber viele Gedancken, die, nicht die sind, welche ich zu sagen habe Und so vergeht Die Zeit in Wunsch und Erinnerung. – 906
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Vor 6 Wochen waren noch schöne Tage; Da liesen wir Uns bewegen vom Sonnenschein, eine Reiße ins Gebürg zu machen Unsere Almählige Annährung vom ebnen Lande, dem Kettenwerck der Felsen und Alpen; hat mächtig in mir gearbeitet. und es fiel wie Staub und Asche vom Herzen das in den Matten Schein der Herbstsonne einen Strahl der Frühlingsgluth strömen ließ – ich werde aber Niemand sagen als nur Dir allein; daß ich nehmlich einen Bund der innigsten Treue, mit den Fichten und Tannen geschloßen habe; es ging seltsam herrlich und großherzig zu unter Diesen Bäumen, da ich auf der höchsten Spize eines nahgelegnen Bergs (man nent ihn: Die Hochalme) in ihre Versamlung trat. in ihrem Schatten sieht Die Kaze den Kaiser an, ohne sich von seiner Majestät blenden zu lassen. ich aber verfolgte mit scharfem Blick ein enges Thal; dem Die | Felswände entstiegen; aber Die Entzükungsprediger, die gefühlvollen waren zurück; ich war allein hatte mich auf eine abgehaune Tanne gesezt am Abhang, da konnte ich denn sehen in ein Thal verkuppelt, verwunden mit Bergen das Uns Beiden ganz wohlgefallen hätte, und im Sommer stiegen wir Hand in Hand bedachtsam, langsam, Einsam, den Gefahrsamen Pfad herunter, und sahen uns zum Zeitvertreib lieblichst an; ja wir sahen uns an! – Das waren nun meine heiligen Gedancken Da oben. Wärst Du Dabei gewesen wir hätten noch mehr Gedancken gehabt. Ich dachte aber auch noch weiter: Unten im Thal wären wir nehmlich, ganz Lustig weiter gegangen im Schatten versteht sich, (denn Die Sonne brente sehr), und im Traum; der Traum kühlt, der Traum ist Das Mondlicht des Lebens, der Traum ist dem Einsamen Lieb, denn er verschaft ihm sein Liebgen, der Mond zeichnet immer mit seinen Strahlen Pfade, die sonst unwegsam waren; und auf diesen Pfaden finden sich die Freunde; wir sind aber noch in Der Mittagssonne, ein Kranz kühlt, und steht schön zu brennenden Wangen; was willst Du? Tannen stechen; Eichen wollen sich nicht geschmeidig biegen Ulmen, sind die Zweige zu hoch; Pappelbaum schmückt nicht; und der Baum der Dein ist, der ist nicht hier – Das hab ich oft gesagt; der Mein ist, Der ist nicht hier. Du bist mein; Du bist aber nicht hier. Aber dennoch: es ist ja Sommer und wir suchen Kränze; Lieber Goethe! ich weiß wohl, daß Dir, das Kränze winden könnte Apetit machen, Da haben wir nun nichts zu essen in Der Wüste; Der Engel des Herrn brachte dem Elias der unter einem Wachholder Baum schlief Speiße und Tranck; darauf kann mich aber nicht verlassen Merckst Du aber nicht wie Die Zeit verfliegt, denn der Mond scheint schon, und ich Träume, Träume immer fort in Dir; Tolles Zeug, Einfäl907
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tigkeiten ist mir dennoch lieber wie die Wahrheit, denn im Traum bist Du bei mir; in Wahrheit aber nicht. In Wahrheit ärgert mich aber, daß das Buch, dem Du den Plaz beneidest, einen so bösen Plaz in der Jenaer Zeitung einnehmen muste den ihm ein gewisser Ha! Ha! bereitete. Es könnte sich auch fügen, daß in 3 bis 4 Monaten mein Weg über Weimar ginge, das würde mir eine liebe Entschädigung, für vielen Verdruß und Betrübniß seyn, die ich hier ertrage. Eine bessere Klasse von Menschen, worunter wircklich herrliche Gemüther waren, sind hier die Mediziner; da Die Kranckheiten so schrecklich durch den Krieg in Aufruhr kommen; wurden Die meisten ein Opfer ihrer Thätigkeit, mehrere waren Freunde von Uns, das traurigste ist, daß viele in der Fieber^hize sich erstürzten um sich des schrecklichen Brands zu entledigen; Da merckt man den erst, wie werth und lieb man einen hatte, wenn er nicht mehr lebt. Der Tod treibt zur Unzeit, die Knospen in die Blüthe. – beiliegende Zeichnung ist das | Portrait eines hiesigen Professors der Medizin, ein Freund unsers Hauses, er interessiert sich so sehr für Die Fische, daß er ein schönes Werck über die Fischherzen schrieb, mit gar guten Kupfern versehen. Da Du nun in Deinen Wahlverwandschaften gezeigt daß Du Herz und Nieren kennst, so werden Dir Fischherzen auch interessant seyn. mit nächstem wo ich mancherley übersende, werd es mitschicken. Die Zeichnung achte Du nicht gering, wenn Du den Mann einmal kennen lernst so wirst Du ihre Vortreflichkeit einsehen. Um wieder auf etwas bitteres zu kommen: Die Meline mit den schönen Augenwimpern, die einem jeden eine Freud und Wohlgefallen als Jungfrau ist gleich einer jungen Rose, die der Thau vom Schlaf erweckt, heurathet, einen Herrn Quaita einen vortrefflichen Menschen nach der gemeinen Saga jezt bitt ich Dich, wenn einer vortrefflich ist, und sonst gar nichts, das ist gar zu gering. ich muß mir nun Dieß alles Gefallen lassen; jezt hab ich auch keine Liebe Schwester mehr, die ich gar zu sehr liebe. Denn sie Weicht Durch Diese Wahl gar zu sehr ab, von dem was mir wohlgefällig ist, mir gefallen die schwarze Augen die Du täglich sehen kanst, sie sind groß, und etwas weit offen, aber ganz erfüllt mit Freundlichkeit, wenn sie mich ansahen, mir gefällt der Mund, von dessen Lippen Lieder fliesen, die ich aber schließen kann mit einem Siegel das man Kuß nent, und wenn sie geschlossen sind, so singen | singen sie viel süßer, plaudern viel wärmer als vorher – vor allem aber lieb ich eine Brust, an die ich mein Gesicht verbergen kann wenn ich so was ge908
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schwäzt hab, was mir das Herz erregt. und daß der Freund mir dann zurede: Bettine schäm dich nicht Der Tändeleien, denn in Diesen liegt viel fromme Lieb, die mir Werth ist – Gute Nacht hierüber. – Beiliegende Kupfer sind von Unserm Grimm. die beiden Bubenköpfgen machte er nur flüchtig, auf einer Lustreiße nach dem Starenberger^see die Zeichnung davon ist besser, sie ist mit samt der Gegend die Buben der braune auf einer Bank in der Sonne sizend, der Blonde auf einer Bronnenmauer gelehnt. das ganze ist lieblich zusammengestelt, so wie er versichert, ganz nach der Natur. Das Mädgen ist eine frühere Arbeit; der 3te Versuch seiner Nadel. Dein Lob meines Bildgens hat ihm den grösten Eifer gegeben; er will jezt etwas machen was Dir noch besser gefallen soll; er arbeitet selbst bei Nacht Prf. Hess ist sein Lehrer, ein kluger sehr geschickter Mann, er kennt Dich persönlich und freut sich Deines Lobes von seinem Schüler. Die Musick von Marcello wird hier in Landshuth so schlecht abgeschrieben daß es nicht zu lesen ist, es ist alter Kirchenstyl, und wird daher von vielen falsch verstanden, darum muß ich noch Gedult haben, bis ich mir ein Subject zum Abschreiben gefunden habe. Im übrigen gehts ganz gut; ich habe mein Zimmer | bevölkert mit gemahlten Freunden, ein schönes Bild, das mich überall hin begleitet giebt mir oft dieselbe Stimmung wieder, so wie ein gewohnter Freund oft die selbe Behaaglichkeit befördert; ich weiß nicht ob ich dir je von Diesem Bilde geschrieben habe: Lucretia von Lucas Cranach, sie ist hinlänglich im Sandrath beschrieben, es ist dieselbe die er in seinem Cabinet hangen hatte, und deren feuergelbes und Purpurrothes Gewand er so sehr lobt es ist dieses Bild besser als alle andre in der Münchner Gallerie von ihm was mich aber zum Kauf vor 2 Jahren dazu bewog, ist die sonderbare Ähnlichkeit die es mit meiner Freundin Günderrode hatte. Jezt Leb wohl! meine Grüße seyen Dir ein Heyl; und meine Liebe sey Dir ein Gut. Bettine Die Frau grüß ich herzlich! Dem Sohn bin ich Hold. alles ist mir werth was Dein ist. am 13. Dezemb meine Addresse ist bei Savigny: Graf Joners Hauße Landshuth
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, etwa Mitte Dezember 1809
Wenn ich mich nicht schon so oft umsonst geängstigt hätte, so mögte ich jezt wieder mit sorgen anfangen Alles will ich eher ertragen, wenn ich nur wüste daß Du Gesund wärest es ist jezt eine böse Jahres Zeit Die Spitalkranckheit hat hier so zugenommen; das beinah alle Studenten die in den Spitälern waren, gestorben sind; auch will keiner mehr hinein gehen vorgestern ist ein sehr braver junger Arzt, in der Hize des Fiebers zum Fenster hinaus gesprungen und sein Hund der ihn sehr attachiert war hinter ihm her; er hieß Ziegler, ich glaube Clemens hat ihn gekannt. indessen bin ich hier, viel gesünder wie in München, und zugleich wie seit langer Zeit, Savigny und Gunda auch, er bekam schon vor mehrern Monaten einen Ruf nach Göttingen den er aus^geschlagen, man ließ es aber nicht dabei bewenden jezt sind die Bitten von Dorther dringend, und die Versprechungen unbedingt; Du weist wohl daß grade Das Geld bei Savigny nicht das vorzüglichste ist, jedoch wird er Landshut nicht mehr lange bewohnen und obschon Göttingen ihm nicht der angenehmste Ort ist, weil es zu gering ist, um sich für immer dort zu fixiren, und er nicht mehr viel herum ziehen mag, so wird er doch vorziehen dort hin zu gehen | und in jedem Fall das nächste Semester hier aufsagen das heist bis Ostern; wir lesen aber jezt viel in der Zeitung von der Universität in Berlin und sein Haupt^wunsch geht dahin; er mögte nun gerne wissen wie es mit seinem Ruf den er schon vor etlicher Zeit hatte (nach Berlin) ist weil er sich Doch binnen kurzem entschließen muß nach Göttingen eine positive Antwort zu schicken da er selbst keine Zeit hat, so trug er mir auf, Dir Dies in Verschwiegenheit mitzutheilen welches ich ziemlich kauterwelsch (zwar aus Freude) ausgerichtet habe, denn ich würde auch mitkommen und schon um Ostern, ist doch immer näher als gar kein Ziel Die Post Geht ab Adieu Bettine
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Von Antonia Brentano nach Landshut Wien, 16. Dezember 1809, Sonnabend
Wien den 16ten Dez 1809. Deine beyden Briefe, der erste die Ergießung eines warmen Herzens, der zweyte, das Bekenntniß eines unheimlichen Frierens habe ich kurz hintereinander erhalten, und weiß jeden Beweiß deiner Errinnerung und Theilnahme zu erkennen und zu erwiedern. Durch die schnelle Abreise von Franz nach Frankfurt welche vor 14 Tagen ganz unerwartet erfolgte bin ich so ungeheuer mit tausendfachen Sorgen, Beschäftigungen und Anordnungen beladen, daß ich dir Heute nur in Betreff deines Auftrages antworten kann, und das übrige auf eine gute ruhige Stunde, die ich mir zwar bald wünsche aber nicht so bald voraus sehe muß anheim gestellt lassen – Sogleich kaufte ich schwarzen Atlas, und redete mit der Mantelmacherinn, nur wäre es klug gewesen wenn du mir das | Maaß deiner Länge geschikt hättest. Mit Pelz hat es tausend Schwierigkeit, ein ächter Kreuzfuchs kostet 1000–1200 f ein nachgemachter russischer wie der von Gundl ist nicht aufzutreiben, und würde wenn er da wäre 500–600 f kosten, bey 11 Kirschner erhielt ich diesen Bescheid, sonst ist wenig wahl, die Leute haben durch Zeit und Kriegsumstände keinen Vorrath und nichts hereinbekommen – das Futter von Kaninchen kostet 50 f – man trägt die Mäntel hier gar nicht mehr mit Pelz Kragen und Ausschlag, doch will ich heute abermalige Nachforschung machen um dir etwas hübsches zu verschaffen, George wollte ein Wiltshur haben und es ging nicht, je höher der Kurs stehet je unverschämter schlagen die Leute auf die | Waare und fällt er so bleiben sie doch so hoch du hast keinen Begriff von der rasenden Theurung, 1 Ctner Zuker 1000 f, St. Holz 150 und überall noch Mangel und Noth – dein Atlas kostet 7 f die Elle sind 11 Ellen – Selbst hätte ich mir schon ein solches bequemes Meuble angeschafft aber es calculirt sich gar hoch. Strümpfe weis ich keine zu finden, sie sind dünn elend, es ist ein Ganzes Jahr kein Garn aus Schlesien gekommen. Mit den Drang dir alles nach Wunsch zu besorgen sind mir die Hindernisse um so schmerzlicher da es dir vielleicht sogar unwahrscheinlich ist das es so ist – ich will das mögliche und unmögliche versuchen dir in 8 Tagen deinen Mantel zu schiken, schreibe mir gleich sobald er dort ist und ob er dir recht ist. 911
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Vorgestern schrieb mir Meline und Guaida daß sie sich heirathen, ich ahndete nichts davon, da komt Franz gerade zur Hochzeit das Brautpaar schwimmt in Seeligkeit und ist es von Dauer so sage ich Amen Sage Savigny alles Verbindliche, ich schrieb an ihn als ich dir zulezt schrieb, und trug die beyden Briefe selbst auf die Post – Ich lasse Catalogue von Bücher und Kupferstiche machen, das ist große Arbeit, die Papiere suche ich en gros aus, dann läßt sich noch vieles darüber sagen, oft weiß ich nicht wo mir der Kopf stehet, meine Haushälterinn ist fort, alles ruht auf mir, du kennst die Arbeit nicht ich gehe nie vor 1 zu Bette, und bin um 6 wieder auf – Josephe hat starken Anfall von kalten Fieber, schon die dritte Krankheit, heute geht es besser – daß ist Prüfung Bettine, und eine Hast die du nur zu deutlich in dem Geschmiere wahrnimmst, Ruhe und Friede mit Dir und die treue Liebe Deiner Tony
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Von Peter Lindpaintner nach Landshut München, vmtl. letztes Drittel Dezember 1809
Theuerste Freundinn! Böße können, und werden Sie allerdings seyn, daß ich so lang mit der Ubersendung meiner Lieder zögerte, allein hören Sie mit Geduld und langmüthiger Langmuth meine Gründe. Kaum hatte ich Ihr liebes Schreiben durchlesen, und darinn ein Verlangen nach meinen Liedchen bemerkt, als ich gleich vom Kirchhofe, wo ich eben durch einen Zufall Ihren Brief las, nach Hause trollte, um obenerwähnte abzuschreiben. Allein wie groß war mein Erstauen, als ich sie nirgends fand; meinen Gedanken blieb kein anderer Ausweg übrig, als daß ich sie mußte in Augsburg gelassen haben. So war es. Ich mußte also schreiben, und nach 11 langen Tagen kamen sie erst in meine Hände. Unter dießer Zeit konnte ich sie nur langsam abschreiben, denn Winter pressirte mich sehr mit meiner Oper, die dann auch wircklich so ziem|lich große Fortschritte machte. Ich bin nun mit den ganzen ersten Akte fertig, und so fertig, daß nur der Copist noch nöthig wäre, wenn man ihn aufführen wollte. Sie können sich also dencken, daß ich fleisig war; obwohl unter dieser Zeit mein lieber, lieber Vater nur auf 4 Täge mich be912
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suchte. Ich muß gestehen, der erste Akt ist zu meiner Zufriedenheit ausgefallen, ich hatte zwar viele Mühe damit, aber wie schön war sie belohnt, als ich, da er am Klaviere abgesungen wurde, in meines besten Vater’s Auge eine FreudenThräne erblickte! – Aber bald hätte ich vergessen, daß ich mich bloß entschuldigen wollte! Doch ich bin gewiß von Ihrer Freundschaft und liebevollen Theilnahme, daß Sie der Entschuldigungen nicht mehr achten werden, wenn Sie dieße Zeilen, die für mich das Kostbarste dießer Welt enthalten, werden gelesen haben. – Behalten Sie die Liedchen meiner glücklichen Kinderjahre die ich im haüslichen Zirkel meiner guten Aeltern verlebte | als ein geringes Zeichen meiner Achtung und Freundschaft für Sie, mit der Bitte begleitet, sich bey dem Durchsehen dießer für jeden andern Menschen höchst unwichtiger Liedchen an einen Freund zu erinnern, der vielleicht die Entwickelung seines Geistes Ihnen allein zu danken hat. Sie flößten mir Muth ein, ich harete; ich habe mich nicht betrogen; ich fühle das eine unnennbare Leere ausgefüllt ist, ich dencke mich manchmal erhabener, als jedes andere Wesen, und nichts ist im Stande, mich in meiner guten Laune zu stören. Sie würden mich manchmal sehr bewundern, wie ich jezt dem vorigen Dummkopfe nicht mehr gleiche – Allein dieß alles sey gesagt mit der Anmerkung; wenn ich mich allein in meinem Zimmer befinde. Gehe ich nur vor die Thüre, so laüft mir ein Schwarm ärgerlicher Menschen entgegen, die ohne nur ein Wort zu sprechen meine Galle rege machen. Woher dieße Wiederlichkeit kömmt, weiß ich wohl nicht. Mit einem Worte ich hasse die Menschen, und nur auf dem Kirchhofe finde ich mich selbst wieder. Ich fand einen einzigen | einzigen erträglichen Menschen, der alle übrige vergessen läßt. Der hat nun wircklich bald die aüßern Bollwerke meiner Freundschaft erobert. Zu diesem sonderbaren Haße, den ich gegen München hege, mag wohl auch beytragen, daß ich hier niederträchtige Leute kenne, die mich /: bitte, als Freund, um Verschwiegenheit :/ als ein Nebenkind des rechtschaffensten Mannes, des Chürfrst von Trier auf die lächerlichste Art von der Welt ausgeben; und sich nicht schämen, dreist, meine, meiner untadelhaften Aletern, und des gedachten Fürsten Ehre zu morden. Doch zürnen kann ich nun einmal über solche elende Geschöpfe nicht! Gott möge solche Zungen richten! Mit Freude vernahm ich Ihre gütige Einladung auf die Weyhnachtsferien, doch, sie werden mir verzeihen, wenn ich sie nach Vollendung meiner Oper erst annehme. Winter ist zu viel mit seiner Weyhnachtskrippe beschäftigt, als das er an was anderes denken sollte. Sollte es 913
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wahr seyn daß zu meiner nicht geringen Aengstlichkeit in Landshut eine ungewöhnliche Sterblichkeit herrschen soll? Beruhigen Sie mich bald hierüber. Leben Sie recht wohl und Vergnügt, und vergessen Sie in den Vergnügungen des Carnevals Ihres Freundes nicht. Peter Lindpaintner 〈1v aoR kopfstehend:〉 Haben Sie die Güte, mich Hr. und Fr. von Savigny mit dem herzlichsten Danke für die gütige Einladung zu empfehlen.
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〈2r aoR kopfstehend:〉 Meine Adresse ist. An Hr: P. L. in München abzugeben bey Hr Knopfmacher Toll in der Rosengasse Nro 95 über 3 Stiegen.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 22. Dezember 1809, Freitag
Berlin d* 22 Dece 1809. Diesmal bin ich tief in die Briefschuld gekommen, liebe Bettine, wär es baar und nicht in Briefen, ich hätte gegen Deine drey Briefe schon fallirt, etwas entschuldigt mich eine Reise, die ich mit Clemens nach meinem Landgute Friedenfelde gemacht habe, doch nicht ganz, ich will Dir den wahren Grund ganz offen gestehen. Ich erhielt Grims seynsollendes Bildniß von Dir, es macht Dir Freude, es hat Dir viel Gedult gekostet, du hast mich so zärtlich durch den Buch titel Deinem Herzen genähert, daß ich Dir gern recht schönen heissen Dank dafür gesagt hätte – aber liebes Kind, Göthen zum ewigen Trotz behaupte ich, wenn Grimm nicht durch das sechswöchentliche Zeignen entschuldigt wäre, wobey auch der geschickteste Künstler zugrunde gehen müste, ich würde daraus eine ganzliche Unfähigkeit in ihm beweisen, je ein Porträtzeichner zu werden. Du bist großmüthig genug alles zu übernehmen, was sein Verbrechen, an dem einen bist Du doch unschuldig, daß er Dir eine neunmonatliche Schwangerschaft angedichtet, nun kann ich mir wohl eine wunderliche nachlässige Lage denken, worin der 914
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Unterleib unter dem Buche so hervortreten könnte, insbesondre wenn eine Polsterwalze auf den Sitz gelegt wird und du die Beine gegen etwas Höheres anstemmst, aber ein Mahler, der nicht unsinnig, wird doch ohne die Füsse mitzuzeichnen solche Stellung nicht in einem Bilde anbringen. Wie nachlässig hat er alles, das Gesicht aus genommen, radirt, ausser ein Bischen Freyheit im Striche ist auch keine Spur, daß er etwas gelernt hat, deine weiche Haare hat er wie Drath dargestellt. Im Gesichte ist die eine sichtbare Nasenlappe unnatürlich heruntergezogen, überhaupt hat er das Eigene Deiner Nasen und Mundverbindung durchaus nicht getroffen, und welche Keckheit ist es in dem ungeschickten Menschen, eine der schwierigsten Stellungen, diese geringe Abweichung vom Profil zu zeichnen, wenn er nicht einmal die Augen gehörig gleich zu stellen versteht. Das eine ganz sichtbare Auge, der Theil der Stirn und Backe ist das einzige Gute am Bilde. Unbegreiflich ist es aber mir einem blossen Layen | wie er, der als Mahler die Rembrandts studirt und gesehen, wie er auf den Einfall gekommen ein radirtes Bild so in die klare Luft zu stellen, fühlte er den gar nicht, daß alles Radieren selbst bis zu der Zartheit, die nur einem Batsch eigen, noch vielzu rauh und ungewiß ist gegen die Reinheit unsrer Papiere und das wahrhaftig Rembrandt nicht als ein Beleuchtungsnarr, sondern als ein tiefer Kenner der Grenzen seiner Kunst, das Bild des Burgemeister Sixt und andre durch eine dunkle Umgebung hob. Dein Gesicht ist artig fein radirt, recht gut im Mechanischen, aber es macht doch eben dadurch einen Eindruck von rauher Unebenheit, hätte er nur das Zimmer, etwa ein Fenster nach der Seite, wohin Du blickst, gezeichnet, dieser Uebelstand wäre gänzlich vermieden, insbesondere wenn er das Ganze in ein Zwielicht gestellt hätte, wo du eben das Lesen unterbrochen, allenfalls hätte er auch einen Vogel malen können, der Dir eben ins Fenster flöge – und das wäre ich. Du könntest vielleicht mein Urtheil für Eigensinn oder Verdrehtheit in mir halten, ich selbst nach Göthes vortheilhaftem Zeugnisse als ich die drey Blätter von der Post geholt, legte ich sie bey Seite, Clemens kam, ich sagte ihm kein Wort und ich schreibe Dir nicht allen Fluch nach, den er auf Grimms Haupt geschleudert, er konnte es nicht begreifen, wie du bey Deinem Interesse für Kunst u für ihn, nicht einige Erinnerungen über alle die Fehler während der Arbeit ihm gegeben, denn das Rechte verlangen und fordern und darauf unablässig dringen, das ist die einzige wahre Aufmunterung, die der Mitgeniessende an den Künstler zu geben hat. Ich schliesse mit tausend, tausend Dank für die Freude die du 915
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mir hast schenken wollen, für die lieben Angedenken, die deinen Hals umschliessen, das Halstuch schliessen und an Deinem Herzen ruhen; sie sind es mir mehr vielleicht als Dir, denn ich fühle dabey wie wenig ich Dir gegeben und wie hoch du es aufgenommen, wie werth du es geachtet und wie | gern ich an ihrer Stelle wäre, laß immerhin den Wind durch die Aeste sausen und in den Aesten knacken, Gott ist kein Sausewind der uns vergisst und kein Knicker, der unsre guten Gesinnungen an einander und an ihn so hinnehmen würde, ohne uns alles reichlich wiederzugeben. Morgen zieht König und Königin auch wieder hier ein, habens auch wohl zuweilen nicht gedacht, daß es ihnen so gut werden würde, es wird ein gewaltiger Specktackel und ich freue mich darauf ganz ungeduldig, alle Strassen rollen von Wagen voll Fremden, die nicht unterkommen können, von Magdeburg und weiterher sind Reisende dazu angelangt, ich werde mich bey den Kanonen aufhalten, das macht mir bey Aufzügen einen angenehmen Pulsschlag, Clemens bekommt einen guten Platz an einem Fenster des Schlosses. – Meine Großmutter, die wieder sterbenskrank war und mich auch dadurch etwas am Schreiben hinderte, hat sich auch durch den kürzesten Tag, der nun vorüber etwas gebessert, sie litt unglaublich durch beständiges Wachen, nächtliche Beängstigung und Eßscheu. – Der Christmarkt ist prachtvoll aufgebaut und ausser der gewöhnlichen Marktpracht sind fast in allen Strassen Ausstellungen, ferne Gegenden mit beweglichen Menschen und Thieren, unter andern Himmel und Hölle, wo lauter Berlinische bekannte Originale aufgeführt, ein alter Chirurg, der immer mit einem Sonnenschirm geritten, ein abgedankter Offizier, Gall und Spurzheim mit ihren Schädeln, ein Ferber, der sich durch die Franzosen bereichert, liegt in einer Weinpresse, und speit Dukaten aus; alles sehr anmuthig. – Clemens hatte für den Silvester Abend das wunderbare Puppenspiel des Cervantes bearbeitet, ich hatte eine Improvisir^rolle darin, einen Kritiker, der in den hiesigen Zeitungen viel leeren Lermen macht, es war alles sehr lustig, aber theils konnte ich mich wegen der Krankheit | meiner Großmutter nicht darauf einlassen, theils fehlten auch noch ein paar Andre, wir schieben es noch etwas auf. – Savigny grüß herzlich, sag ihm, er möchte nicht ungeduldig werden über das Ausbleiben der Bilder, Reimer hat sie ohne mein Wissen einige Zeit liegen lassen, sie sind endlich fort an die Krüllsche Buchhandlung in Landshuth adressirt. Sag ihm ferner, daß ich an Humboldt, der leider in einer Erbschaftsangelegenheit von den Geschäften auf einen Monat abwesend, nach Erfurt geschrieben, und ihn dringend 916
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gebeten, ihm selbst über die hiesige Universität Nachricht zu geben, wann mit Bestimmtheit auf ihre Realisirung zu rechnen, denn bis zu diesem Momente existirt noch nichts davon als ein Katheder und einige Bänke, worauf Wolf Vorlesungen unentgeldlich hält. – Bey dem Unentgeldlich fällt mir, daß vor einigen Tagen schon einige Neujahrsgratulanten mich Morgens störten; ich habe zur Abwendung an meine Thür einen Bogen mit folgender Inschrift in Rothstein angenagelt: Allen Neujahrs^gratulanten wird hiemit der schuldige Dank unentgeldlich abgestattet, übrigens bleibt alles beym Alten und die Thür verschlossen. Prost Neujahr. Hundert Jahr wie heut. Mir aber wünsche ich zum neuen Jahre nichts, als daß ich Dich wiedersehe und daß ich Dir nicht abschmeckend geworden, denn so ist die Natur mancher Getränke, daß sie nur gewisse Jahre dauern, ich habe mich in mancher Hinsicht besser kennen gelernt und gegen vieles bin ich strenger geworden. – Deinen Satze wahre Liebe habe immer recht, den du gegen Luther aufstellst vertheidige ich mit meinem Lieblingssatze aus der Bibel: Gott ist die Liebe und wer in der Liebe lebt, der lebt in Gott. Luther schweigt sehr beschämt still. Gelt! Aber was ist wahre Liebe? Herzlich Dein Achim Arnim 〈1r aoR kopfstehend:〉 Beygefügtes Bild ist allegorisch und bezeichnet die Nase, die Grimm bekommen soll.
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Von Joseph Janson von der Stockh nach Landshut Augsburg, 27. Dezember 1809, Mittwoch
Erst heute bin ich wieder so weit, daß ich mit frohen Muthe an Sie mich wenden kan. Es war sehr kühn, daß ich durch einen andern (zwar meinen besten Freund der ungerufen kam, um mir die Hand zu biethen) von meiner Krankheit Nachricht geben ließ, die die gerechteste Folge eines tollkühnen Eigensinnes war; lange Zeit war ich aller Gegenwart beraubt, und hatte nur selten einen durchsichtigen Augenblick. Laßt die Toden ruhen (sagt Boehme) ihr gekrönten Hüthlein! ihr eidel Menschen-Schinder! Zerstörer des heiligen Werkes des des Gruft gehört; wisset ihr nicht aus Gott euch des Lebens Urstand zu ermäch917
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tigen, so sind euch die Pforten verschlossen immerdar, ihr speiset von der verbothenen Frucht, und euch wird verborgen bleiben die Lilie, die da blühet über Berg und Thal. Den lieben Clemens hab ich noch nicht schreiben können weil er mir einen Auftrag gegeben hat, wie ich ihm in München selbst zu Ende dieses Monaths besorgen muß. Augspurg gefällt mir immer besser, denn die Leute sind hier sehr einfältig, besonders die Mütter mit ihren Kindern, die ersten sind kleinstädtisch, und unter den 2ten habe ich Gesichter gesehen die aussahen, als wenn sie über einen schönen Traum lächelten. Haben Sie nichts zusammen gespart, diese Zeit? nichts aufbewarth? alles wieder versenkt, in die Tiefe über die Sie herrschen? Leben muß sich regen, wo Sie, die Oberfläche auch nur leise berühren, wie im May der Boden früher grünet, wo die Menschen wandeln. Das Bäumchen ist gepflanzt, Sie müßen’s nähren, auf das es fest im Boden wurzle, daß das Haupt recht lebhaft grüne, alle Blüthen sich entfa〈〈lten〉〉 und von ihrem Pfleger zeugen, der von 〈〈xxx〉〉 andern Geist durch drungen, Herr und 〈〈xxx〉〉 eines ewigen Willens, worin der eigene vol〈〈xxx〉〉 ein geneigtes Angedenken dem J. Ja〈〈nson〉〉 Augsb: den 27 Dec: 1809. A. Mademoiselle Mad: Bettine Brendano de la Roche a a. d. c. Mr Conseil. Landshuth de Savigni.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 29. Dezember 1809, Freitag
Berlin d* 29 Dec 1809. Ich wollte Dir heute den ganzen Einzug des Königs beischreiben, liebe Bettine, aber leider hat die Zeit heute so schnellen Abzug gemacht, daß ich bey dem vielen Merkwürdigen, was Dir und Savigny aus Clemens 918
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Brief kund wird nur ein Paar Grüsse beyfügen kann. In aller Kürze sage ich Dir, daß ich später als alle hinlief, mehr als die meisten sah, in den Jubel hinein gerissen vieles übersah und herzlich müde am Abend einschlief, die Zeitungen, welche diese Ereignisse erzählen, werden die Untertasse umschliessen die ich hier wieder habe machen lassen und die der alten so ähnlich sieht, wie ich mich derselbe unverändert fühle als damals, wo ich jene durch Clemens Dir sandte. Hast du meinen Brief mit dem Bildnisse erhalten (eine maskirte Dame mit Nase)? – Ein merkwürdiger Theatervorfall hat hier die Parteyen gewaltig beschäftigt. Msell Unzelmann wurde ausgezischt, die Mutter in tiefste Negligé sprang aus der Kulisse und versicherte sie würde nie vor einem Publicum auftreten, das ihrer Tochter so schlecht begegne; nach vielem Weigern entschloß sie sich zu einer öffentlichen Abbitte an einem andern Tage. Der Stiefelwichser von Clemens sagte darauf: Uns Schauspielern ist es selbst recht lieb, daß das hoffährtige Mensche was abgekrigt hat, ich habe es ihr auch neulich recht gegeben, da sagt sie mir: Bring er mir einen Stuhl. Ich sagte: Hol sie sich selbst einen, wenn sie einen haben will, wo es nicht in meiner Rolle steht, da hol ich keinen Stuhl, wir sind beyde Schauspieler, daß sie mehr kriegt das will man nichts sagen! – Ein guter Kerl nicht wahr, er ist Statist, macht Soldaten, Priester und Volk, das letzte ist offenbar in unsrer Zeit die schlechteste Rolle, die man machen kann. Viel tausend Kusse Dein Achim Arnim An Fräulein Bettine Brentano
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1810 *712. An Joseph Janson von der Stockh in Augsburg Landshut, erstes Drittel Januar 1810 Joseph Janson von der Stockh an B, 11. Januar 1810:
Ihr Brief Ihr Geschenk noch mehr, hat mich sehr bereichert. 〈…〉 Göthens Geburth ist rührend, frühe schon war ihm der Feind nahe, den er im Leben so siegreich bekämpft 〈…〉 Auf seine Wahlverwandschaften freue ich mich recht sehr, so wie auch auf Richters Buch das Sie genannt haben
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, Anfang Januar 1810
Lieber Arnim! jezt wirds aber zu lange. 3 Wochen sollten nie vergehen, ohne daß einer, von dem andern etwas erfahre von verschiednen Seiten schreibt man mir von Kranckheiten Heurathen pp ähnlichen Unglücksfällen; da muß mir denn natürlich an trüben Tagen eine ähnliche Sorge um Dich kommen, ich kann zu gewissen Stunden einer heftigen Melancholie nicht wiederstehen; ich dencke hundert^mal: wer wird kommen mich von der Last zu erlösen; ich kann mir vieles möglich dencken, vorzüglich aber, daß Du in einer solgen Stunde mich überraschest; dann male ich mir jeden Tag aus, den wir mit^einander zu^brächten; deine Schauspiele würden mir von Dir vorgelesen und es wäre in allem eine warme liebe Thätigkeit. ich weiß nicht einmal ob ich dir geschrieben habe daß Meline Braut ist und wahrscheinlich wenn Du diesen Brief emfängst schon verheurathet mit einem Hrn Guaita in Franckfurth. ich kenne ihn nur von Ansehen melde dieß auch dem Clemens, es wird mir immer etwas bekümmert, wenn eine Verbindung im Hauße ist, noch wenige sind so ausgefallen das es der Mühe werth war zu heurathen. Grimm ist seit einigen Tagen hier, hat Savigny und Gundel sehr gut gezeichnet er hat mir viele Grüße an Clemens und Dich aufgetragen. leb Du für heute wohl, ich bin zu sehr gestört durch vorlesen von Gundel, damit vertreibt sie dem Savigny die Zeit während er in meinem Zimmer von Grimm gezeignet wird dieß dauert schon acht Tage und macht mißmuthig, wenn mein Zimmergen wieder frei, dann sage ich | dir alles liebe, was mich jezt die üble Launen unterdrücken heist. auch soll dieß Blättgen dir nur sorgen nehmen die du sonst wie ich bei langem ausenbleiben der Briefe haben könntest – dieser Winter ist hart. Adieu. meinen freundlichen Gruß an Clemens, er hat doch wohl meinen Brief bekommen? Bettine Dir bin ich ergeben mit viel treue im Neuen Jahr, noch mehr wie im Alten.
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, Anfang Januar 1810
Lieber Arnim! Heute ist mir ein glücklicher Tag Durch Dich weil nach langem Stillschweigen endlich ein lang^ersehnter Brief kam die lezten 8 Tage her waren mir zu einem wunderlich einfachen Rad geworden. Morgens ging ich aus, um mir die Zeit der Hoffnung da ich deine Briefe erwartete zu verlängern. die denn gewöhnlich durch einen harten Schlag ans Herz, daß nur die Zeitung gekommen, geendigt wurde. Nachmittags freute ich mich jeder Stunde die vorüber war, weil sie mich dem Morgen wieder näher brachte wo ich wieder hoffen konnte. – Meine Ängstlichkeit ist jezt durch unsere Ungesunde Stadt sehr gemehrt, mein erster Gedanke ist immer Du könntest Kranck sein, da frage ich mich ob ichs wohl ertragen könnte wenn Du mir stürbest. Der einzige Trost wär mir dann, bei Dir zu seyn und immer will ich dann schreiben daß man mir nur gleich Nachricht gebe, aber muß ich mich nicht schämen, wenn so ein ängstlicher Brief bei einem Gesunden ankömmt, der aus lauter Wohlseyn nicht schreibt. – es ist hier gar traurig, 4 junge Mediziner sind schon in diesem Semester gestorben; und viele liegen noch auf dem Tod, nun sollen in Zeit von 8 Tagen noch zwei Lazarethen von 600 Krancken in Unsere Straße verlegt werden, obschon sich Mediziner und Rektor dagegen sträubt. Geh Du! wie hast Du mein Bild angesehen, der Bauch ist nur so arg weil er nicht fertig radirt ist, vom übrigen verstehe ich nichts, ich hab gemeint mein Gesicht wäre so besonders da mich Hess versicherte daß es mir ganz auserordentlich gleiche, nun bitte ich dich zerreiße es, aber sonderbar ist doch, daß fremde Menschen, die mich nur wenig gesehen hatten, es gleich erkannten, und sehr gut davon sprechen. Grimm war einige Tage hier, und hat | den Savigny gezeignet aber wirklich sehr gut das kannst Du mir auf mein Wort glauben. Savigny ist ungemein zufrieden damit von meinem Bilde sagt er; es sey lange nicht vortheilhaft genug; aber es habe viel Geist; Ausgemacht bleibts daß Ihr viel zu hart davon urtheilt mir ist lieb daß Grimm nicht in Eurer Nähe ist Ihr würdet ihn unverdient ausschelten. – Unser Plan im Frühjahr über Böhmen nach Berlin zu reißen scheint sich zu realisiren, das beste wäre wenn ich Dich in Bucowan wiedersähe und wir gingen dann gemeinschaftlich; nach einer bequemen Wohnung darfst Du dich wohl schon um sehen und dabey sorgen daß für mich zugleich ein paar Zimmergen die etwas abseits liegen. Humboldt hat dem Savigny einen sehr schö921
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nen Brief geschrieben; Arnim ich kann dir nicht sagen, wie ich mich freue in Deiner Vaterstadt zu wohnen. mit Dir spazieren zu gehen deinen kleinen Garten zu besuchen, da darf ich wohl auch etwas hinpflanzen? und begießen und Unkraut ausreuten. Heut schreib ich nichts mehr sonst geht mein Brief nicht ab, und du mögtest in Sorgen kommen, wie ich um Dich; dies mag ich dir nicht verantworten ich mag dir auch nicht antworten auf deine Frage ob ich dich vielleicht nicht mehr lieb haben würde; ich weiß nur daß wenn Du zu Staub und Asche würdest so würde ich den Hügel am liebsten haben unter welcher die Asche begraben läge. Dein gutes Kind das Dir einen Plaz bewahrt im Herzen, für immer und ewig. – Bettine. 〈1v aoR kopfstehend:〉 betrachte das Siegel; ist mir von Sailer u Savigny zu Weihnachten geschenckt
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, erstes Drittel Januar 1810
Ich erwarte mir eine Beschreibung eurer Freudenfeste, lieber Arnim so lang ich keine Nachricht habe, bin ich besorgt, du mögtest mir einen Schaden genommen haben, so dicht bei Den Canonen. Unser Tägliches Gespräch ist jezt Berlin, ich muß beschreiben was ich weiß und um was ich nicht weiß, des Clemens sein Brief hat Die Lust dahin vergrössert, Savigny mögte gerne noch ehe er in das glatte Land kömmt, noch einmal recht die Bergketten durchklettern, das wär auch mein Herzenswunsch, Berg und Thäler, obschon ein unruhig Gemüth auch da keinen Frieden findet sind doch in besserer Gemeinschaft mit dem einzelnen Menschen und weben ihre Gemeinsame Geschichte am herrlichsten mit der seines Gemüths zusammen, wenn man auf einer Stelle steht wo man weite Strecken übersieht in denen Massen von Schicksalen sich bewegten; und sieht denn wieder alles mit warmem Schein mit grün und Thau überzogen in stiller Ruh als ob nichts gewesen wär; das ist das beste Labsal nur einen Augenblick, wo nichts zwischen Uns, und der Natur liegt, so ist man mit ihr versöhnt, 922
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man fühlt sich so groß und herrlich, als Die sind, die unmittelbar aus ihr hervor gehen alle Narben sind ausgeglättet, und alles Zerrüttung und Wunden sind wieder heil, dieß ist Die wahre Vergebung der Sünde das der Stein vom Herzen fällt, und es die Aeste in stillem Erblühen emportreiben kann. Das ist die wahre Buße, das man in ihr seelig sey, und der Begierde vergesse, aber in ihr | genieße, was Genuß verlangen kann, das ist Die wahre Sünde, das man nicht genießt, und dieß ist zu gleich ihr Fluch, der alle Laufbahn zum bessern hemmt, denn Der nicht genießt der bleibt stehen und ist ohne Zuflucht wie auf einer großen Ebne da ihn alle 4 Winde anblasen und ihn in ihrer Mitte festhalten, daß er nirgend wo auskann. Du fragst mich am Ende deines lezten Briefs, vom 22 Dec. wo die wahre Liebe sey; ich weiß gar nicht einmal Deutlich was wahre Liebe ist; wie ich sie sehe unter Den Menschen, dem Glück und Unglück noch unterworfen, kömmt sie mir vor, wie ein Damm, an Dem nun Die Sehnsucht, Hoffnung die Beglückung mit ihren Gefolgen pp wie die Wellen eines Strohms hinanströhmen, und wieder abgleiten; die Menschen fühlen sich dabei besser weil sie ein Leben in sich verspühren und auch unglücklicher, weil sie diese Arbeit beunruhigt, daß das Gemüth hinan strebt, ist die himmlische Eichenschaft der Liebe, daß es aber wieder abgleitet und nicht seine Bahn verfolgen kann, ist die Irdischkeit des Menschen seine schwäche, wahre Liebe wäre also Die, die so üppig anschwillt daß sie den Damm überströhmt, und dann ruhig, und dennoch wircksam, sich ein Majestätisches Bett wählt da sie denn ihre Ufer in ihrem klaren Grund bespiegelt, und dem Schicksal nicht mehr Preiß gegeben ist ich drücke mich undeutlich aus lieber Arnim, nur eins weiß | ich, daß sich daher, gewiße melancholische Stimmungen in mir erzeugen weil ich oft nicht weiß wohin mich wenden mit einem großen Begehren zu lieben, und ist mirs als habe ich keinen Damm mehr zu bekämpfen, aber meine Bahn gehe Durch eine Wüstenei, und spieglen sich also keine Lieblichen Ufer im Grund des Strohmes. aber Du bist wie ein Baum der nach und nach seine Wurzeln bis zum Ufer hin gewendet hat, und dem endlich auch die Zweige über den Abhang hin wachsen und hineinschauen; was soll ich aber zu Dir sprechen, was nicht unsere gemeinsame Einsamkeit ausspricht, denn wo kein Laut dazwischen spricht, da braucht man nicht laut zu werden um sich zu verstehen. Leb jezt wohl, im Frühjahr seh ich dich ganz gewiß, es kann nicht anders seyn, ich habs auch gleich im Anfang unserer Trennung geahn923
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det daß es so lange währen würde und nicht länger. Deine Schauspiele werd ich von Dir selbst lesen hören; ich hoff, ich kann jezt besser zuhören wie sonst besonders wenn Du etwas Fremdes das nicht von Dir war, vorlast paßte ich bis Das Blatt herumgedreht ward, um zu bemercken ob Du nach mir dich umsahest; nun solge Unarten haben Die Mädgen alle. – wir werden aber auch beide allein noch einmal alles alte Durchlesen, und werdens mit tiefem Bedacht durchgehen, und werden uns freuen daß Gott die Weißheit in Die Sprach gelegt hat. Ich hab eine große Ehrfurcht vor dem Dichter, meine Liebe | zu ihm macht alles Unheil wieder gut, wenn Die Zeit über Die Generation hingeht und mit ihrem schwehren Tritt sie nieder^drückt, so steht er immer über Der Zeit und sie muß die starcke Schultern herreichen ihn zu tragen, wenn sie schlecht und Schwach ist, so ist sein Ruhm ihr eine Doppelte Last, der sie beugt, und weniger aufkommen läst; wenn sie edel ist und Mächtig, so ist er ihr eine Zierde, auf den Sie stolz ist. Du warst wieder so gut und brav und hast dem Clemens seine Vestung verfechten helfen. Ich bitte Dich leb glücklich und in meinem Nahmen sey gesund, und fröhlich. über eins mögte ich dich dennoch strafen, daß Du manchmal so sonderbare Gedancken haben kannst, dich z: B: mit einem Abschmeckenden Geträncke zu vergleichen, warum nur so was sagen? dieß ist ja Frevel, so gut als wenn Du behaupten wolltest, das Grün des Frühlings, könnte eines Jahres seine Lieblichkeit verlieren. es ist ja nicht so, daß ich einen Narrn an Dir gespeisset, und daß so was wieder vergehen kann; auch häng ich nicht an Den Umständen, und die Lieb hat ja Flügel, das weist Du, sie sezt sich über die Umstände hinweg; Thu was Du willst schlaf oder wach, oder heurathe, oder verwandle Dich in einen Baum. wenn sich die Liebe bei mir verliert, so hat sich die Lüge meiner bemeistert, und die Liebe ist bei Dir. Bettine
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Von Joseph Janson von der Stockh nach Landshut Augsburg, 11. Januar 1810, Donnerstag
Freulein! Ihr Brief Ihr Geschenk noch mehr, hat mich sehr bereichert. O wie wahr ist dieses Zeichen das Sie führen, Geburth und Taufe hat sich zu diesen schönen Räthsel vereinigt, Ihr Leben lößt es in iedem Augen924
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blick. Rosen sollen Sie immer umgeben, und Wohl ists denen, die Sie auserwählen, die Sie nicht im Scheintod liegen lassen, sondern urkräftig anschauen, bis sie die Augen aufschlagen. Wenn ich doch auch so leicht gehen könnte wie ich wollte, aber ich habe keinen Menschen der mich ablößt und ich sehe gar keinen Ausweeg; mit Mühe wurde mir auf den 29. Jenner zum Concurs nach München zu gehen verstattet, und da wärs vielleicht möglich, wenn Sie noch da wären, daß ich noch einmahl mit Ihnen reden, und Abschied nehmen könnte, denn Sie kommen vielleicht nicht wieder; Und ists ia in diesem Land mir öde, die Leute werden immer unheimlischer, kaum glaubt man sie zu kennen, so hat man keine Zeit, das Gemüth das Innerste ruhig und gelassen zu entfalten, ist man schon wieder verkannt und ausgestoßen; man muß bleiben wie ein Vogel in den Zweigen, dem sein Tageslicht freuen kan, der den goldnen Hügel nachzieht, der von der Luft lebt, und ungehindert in seinen Gesang sich erhebt, indem die andern Nester bauen, ihre Lebenswärme heut verbrüten, das die Geier Raub und Futter haben. Göthens Geburth ist rührend, frühe schon war ihm der Feind nahe, den er im Leben so siegreich bekämpft, dem er gebannt hat, denn diesen alten Herren traue ich viel zu, er hat uns umsonst nicht die Faust, im Fauste gezeigt. Auf seine Wahlverwandschaften freue ich mich recht sehr, so wie auch auf Richters Buch das Sie genannt haben; das Leben Lorenzos von Medici hab ich der Zeit gelesen, was auch sehr schön ist, der ein rechter edler großer Herr war, er blieb an Muth hinter keinem zurück, und war dabey der Dehmüthigsten einer. Mein Brief den ich eben ansehe, ist sehr verunglückt, ich kan ihm weil die Post geht, nicht wieder schreiben und ich empfehle mich eilig der guten Beata Bettine den 11ten J. 1810 als der Bekannte.
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*717. An Clemens Brentano in Berlin Landshut, 14. Januar 1810, Sonntag B (mit Friedrich Carl von Savigny) an Clemens Brentano, 15. Januar 1810:
Morgen kommt ein Brief an Dich wenn ich ihn anders wieder finde, ich habe ihn verlegt ich hatte ihn gestern geschrieben, die Post erlaubt nicht daß ich jezt suche. (Nr. 718,20-23.) Ludwig Achim von Arnim an B, 26. Januar 1810: Inzwischen habe ich auch
zwei kleine Briefe von Dir erhalten und Clemens eine Einlage; von den beiden früher an ihn abgesendeten Briefen 〈der andere: Nr. *685〉 ist aber nichts angelangt, und ich meine, sie haben sich unter Deinen Musikalien versteckt. (Nr. 722,5-9.) Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, 28.–30. Januar 1810:
Betinens Briefe an mich sind verloren gegangen, vielleicht hat sie sie bei dem lezten noch liegen, von dem sie mir unter dem deinen schreibt, sie habe ihn verlegt (FBA XXXII, S. 220,7-10; vgl. Nr. 718).
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Mit Friedrich Carl von Savigny an Clemens Brentano in Berlin Landshut, 15. Januar 1810, Montag
〈Friedrich Carl von Savigny:〉 Lieber Clemens Ich habe gestern ganz eilig geschrieben, um Euch nicht warten zu lassen, und will heute noch dieses hinzusetzen. Arnim meynt, es müsse so geschieden werden, daß Auguste für den schuldigen Theil erklärt würde. Wenn die Sache so abgemacht werden kann, daß Eure Ehre nicht dabey leidet, so scheint mir jenes nicht nöthig darauf müst Ihr also auch nicht bestehen. Ich meyne nämlich, es kann auf die gegenseitige Erklärung, wie ich gestern geschrieben, geschieden werden, | ohne daß Ein Theil für schuldig erklärt und mit Strafe belegt wird. Wenn übrigens Moriz es unbegreiflich finden sollte, daß Ihr in die Desertionsklage nicht willigen wollt, so kann man ihm diese Weigerung durch den entgegen gesezten Vorschlag commentiren, nach welchem Ihr klagt, weil sich die Auguste im Ehebruch mit Studenten er926
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tappen lassen, die Auguste dazu schweigt, und so in contumaciam condemnirt wird. Gott befohlen. 〈B:〉 weist Du denn, das der Junge Goethe auf Ostern heyrathet! Der alte sehnt sich wahrscheinlich nach Enckeln. Adieu bis Bucowann. Morgen kommt ein Brief an Dich wenn ich ihn anders wieder finde, ich habe ihn verlegt ich hatte ihn gestern geschrieben, die Post erlaubt nicht daß ich jezt suche. Bettine
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*719. An Joseph Janson von der Stockh in Augsburg Landshut, vmtl. zweite Hälfte Januar / erste Hälfte Februar 1810 Joseph Janson von der Stockh an B, 25. Februar 1809: Daß ich 3 Wochen in Ulm saß, ist leider Ursach daß ich den letzten Brief so spät bekommen mußte, der mich wieder mehr freute, als alles in der Welt 〈…〉 es ist meine ganze Jugend drinn, die altlebendige 〈…〉 Das Zeugniß daß Sie mir geben ist viel zu gut, nur in einem haben Sie recht, daß ich nichts ganz thun will (Nr. 731,2-5+23-25).
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Von Franz Brentano nach Landshut Frankfurt/M., 20. Januar 1810, Sonnabend
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Liebe Bettine! Es ist schon lange daß wir hier nichts von dir gehört haben – hoffentlich gehet’s dir guth, ich bin schon wieder seit 6 Wochen hier an^der^Arbeit, ich habe Tony mit den Kindern in Wien gelassen, weil es da viel zu besorgen giebt, u die Sachen nicht so blos unter fremden Händen gelassen werden dürfen, ich tröste mich indessen hier an meinem guthen Buben, der recht wohl gedeihet, u mir die gröste Freude machet; Unser junges Weibgen Meline ist mit ihrem Mann nach holland gereißt, wird aber in 14tagen wieder hier sein, sie hat an Guaita einen 927
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sehr braven rechtschaffenen Mann, ist auch nach allen ihren Briefen recht Seelenvergnügt, und recht zu frieden. Ich muß dir auch etwas von deinen Finanz Angelegenheiten sprechen, denn da ich dich lieb habe, so sind mir’s auch deine Angelegenheiten. | Im verwichenen Jahr bis 31 Dbre 1809 war deine Einnahme f 1575.– deine Ausgabe hingegen f 2650.– also hast du f 1075 mehr ausgegeben als eingenommen, welche also von deinem Capital genommen werden musten. Dieses Jahr, welches erst angefangen hat, ist schon folgendes für dich ausgegeben 1810 1. An Herrn von Savigny 1 Auslagen Conto f 126:22 Jan* 5. an H* Allesina 1 Conto von H* Moy " 262:33 6. der Meline 1 Conto " 17:40 10. die Schazzung 1 Jahr bis 31 Dbre 1809 " 58:55 –. An Tony in Wien habe ich für dich vergüthet für einen Pelz rock Ct f 263:30 " 75:37 und muß ich dein ½ Simplum für das vorige Jahr zahlen welches machen wird " 150.-. Zusammen f 691, 7 also sind schon nahe an f 700. weg, da nun deine revenûen, für dieses ganze 1810t Jahr hier in allem f 1500. nur machen, so hättest du für dieses ganze Jahr in allem noch ohngefehr f 800 auszugeben; ich bemerke dir dieses alles um nicht den vorwurf zu erhalten daß ich dich in der Unwissenheit gelassen hätte – auch bemerke ich dir daß mir aus Bukowan noch keine Revenûen für dich zu^gekommen sind. | mir thuts leid zu sehen, 〈〈w〉〉ie auserordentlich viel du ausgiebst, u wie sich dein vermögen dadurch vermindert, es ist dieses für mich ein sehr schmerzliches Gefühl, da gewiß Gott Zeuge ist, daß ich es nie an vernünftigen vorstellungen bei dir fehlen liese! ich habe dir alles so verwaltet, daß nie ein Kreuzer unverzinßt blieb, u wurde dein schönes Einkommen jedes Jahr durch die Ausgabe weit übertroffen, u besonders gros sind deine Rechnungen bei Moy, u für was für Dinge? Doch genug hiervon; wir sind alle wohl, u alles grüßt dich recht freundlich Gieb mir bald von deinen Nachrichten, u seye meiner Aufrichtigsten Liebe versichert Dein treuer Bruder Franz B*
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A Mademoiselle Mademoiselle Bettine Brentano Landshuth.
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Anfang Und Doch wird uns Die Welt manchmal zu eng zum Athem holen; wenn wir auch ungeheuer weite Schritte machen und alle Straßen leer sind; ich kann mir eine Art von Melancholie nicht anders erklären; als daß die rechte Luft nicht hier weht; denn: will ich nur recht zur Besinnung kommen, so komme ich zu Thränen. Lieber Freundlicher Goethe! Sonnenschein meines Lebens der auch mitten im Winter auf den beschneiten Dächern liegt und in meine Zimmer guckt. – ich hab mir das Nachbars Dach, das alle Morgen von der Sonne beschienen ist als ein Zeichen Deines Andenckens gesezt, das alle Morgen mich neu erquickt. Ohne Dich wär ich vielleicht so traurig geworden wie ein Blindgebohrner, der von Den Himmelslichtern keinen Begriff hat; Du! klarer Bronnen in Dem der Mond sich spiegelt da man Die Sterne mit der holen Hand zum Trincken schöpfen kann. – Wir alle sind arme gebundne Sclavenkinder mit gebeugtem Antliz, aber Der Dichter, ist ein Freier in der Natur, und Trägt ihr Bild in Der Brust, und reicht es Uns zum küßen, und zum Anbethen. – Es wird auch Die Zeit kommen daß ich Dir in etwas vergelte, Lieber Goethe; mit dem Vergelten aber meine ich, daß ich Dich mit warmen Liebesarmen Umhalse. daß ich Dir schreibe, ist so sonderbar, als wenn eine Lippe zur andern spräche: hör ich hab Dir was zu sagen; und wollt ein ernsthaftes Gespräch mit ihr führen. Deswegen kömmt auch bei meinen Briefen nichts heraus, als das Bewustseyn meiner Liebe, meiner innigsten Verwandtschaft zu Dir. – ich hätte nicht wie Ottilie früher sterben können. und doch ist es so, daß ich weit von Dir entfernt bin, aber ich versichre Dich, alle Abend schlaf ich in Deinen Armen ein. Verbrenn meine Briefe nicht, zerreiß sie nicht, es mögte Dir sonst 929
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selber wehthun – so fest, wahrhaft lebendig hängt alle Liebe mit Dir zusammen die ich drinn ausspreche aber zeige sie auch niemanden halt’s verborgen, wie eine geheime Schönheit; meine Liebe steht Dir schön! reizend! himmlisch! – – – Über Nacht wächst und blüth oft ein herrliches Leben auf, wie die Türckische Bohne, die sich an Die Mondessichel anhängt, aber Der erste Sonnenstrahl versenckt es wie Diese bis in Die Wurzel hinein; Ich wär nun bei Dir, so eben am Abend; das Licht hätte einen langen Putzen, und es wäre Still im Hauße, ich säß zu deinen Füßen, hätte meine Händ auf Deinen Schooß gelegt, sähe Dich an, sinnig-warm, wies einem Denn ist, wenn man mit dem Freund allein zusammen ist, und hört nichts von Der | Welt, als nur Die Hunde auf den fernen Gassen bellen, – Dann würdest Du mich gewiß küßen und Tausend freundliche nahmen geben und mich dein alles nennen. Dieß ist aber auch nur so ein Gedancke, der über Nacht wächst, und wie Die Türckische Bohne, bei der ersten Morgendämmerung verwelkt. Weils so lehr in Der Welt ist, weil ich nirgend, diesen oder jenen finde und mich selber nicht, so hab ich meine Thüre verriegelt, um allein und ungestört, in allen Wincklen zu suchen ob ich nicht eine Spuhr von mir fände, um doch nicht so ganz allein zu seyn; in Goethes Eugenie die sich im hintersten Winkel meines Bücherpultes versteckt hatte, Ahndete mir, ein Trost, ein himmlischer Gedanke warte meiner, mich mit mir selber zu verschwistern pp: ich hab jede Seite eingesogen wie Blumen Duft, ich bin unter Drückenden Wolken, gelassen unermüdet weiter gegangen bis ans einsame Ziel, wo keiner gern folgt weil Da Die Vier Winde zusammenstoßen, und den armen Menschen – nicht Jagen, aber fest in ihrer Mitte halten, ja wen Das Unglück recht anbraußt, den treibts nicht hin und her, sondern es versteinert ihn, wie Niobe. Da nun das Buch durchgelesen war, zog sich der Dicke Erden Nebel in etwas von mir weg, und ich hatte mich gefunden, da ich aber ernsthaft war und keinen Spaß zu | verstehen schien so ließ ich mich sprechen: Ich bin oft unglücklich – Die Ursache meiner Schmerzen scheint so ferne zu liegen; ich glaube Die Schuld sei in mir selber; ich halte mich nicht entfernt genug von dem was meine Natur nichts angeht, ich athme Dieselbe Luft in ein liebendes freies Herz, die vorher wohl ein enges beschattetes Herz ausgestossen, muß mich dieß nicht krank machen? Ich werde auch nicht eher glücklich seyn als wenn ich mich immer mehr und mehr würdige; nur im Streben bin ich eifersüchtig nicht im Erwerben – 930
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Aber Glück Du bist kein Ding das sich bändigen läst. Du erscheinst immer eichenthümlich, und wo Du erscheinst da zertrümmert deine Gegenwart durch ihre Unschuld, durch ihre reine Abstammung alles planmässige bebaute Glück das keins ist. – aller Irwahn und falsches Streben wird durch Dich, wie ein Nebel von der Sonne, weggehoben. Da sind viele die von Der Wuth nach Glück ergriffen; Länder zusammenreißen, Ströhme überschwemmen, die die Wälder mit ihren Wurzlen ausreißen und sie gegen Himmel schleudern, die da auf Erden Staubwolken erregen den Himmelswolken zum Troz die da Städte anzünden, weil sie die Himmelsblize nicht schleudern können; und wollte ihnen das Glück nur einmal obenhin lächlen, gewiß sie 〈〈…〉〉
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Ende einen neuen an, meine Feder ist neu geschnitten mein Zimmer ist warm, und mein Herz hat sich aus innerer Wärme wie ein Mayen klöckgen auseinander gethan, doch hab ich nichts zu sagen, nichts zu thun, die Reihe wär jezt an Dir. ich werde Dir etwas erzehlen von Der Zeit, da ich Dich noch nicht kannte, es war auch Winter, und ich war mit Savignys so wie Heuer, aus Barmherzigkeit gegen ihre Langeweile, gegen ihre Einsamkeit nach Marpurg in einen kahlen Winter gereißt, denn ich hab Die Eichenschaft meine Langeweile im Winter zu maskieren in Humor, sogenanten freien ungebundnen Wiz, welche Maske, eine Scheidewand, (eine sogenante Diversion) zwischen meiner Langenweile und den Menschen ist. im Sommer mach ichs anders, da schlaf ich, da opfre ich mich keine Minute lang auf. meine Gute Schwester Meline die jetzt in Den Armen eines sie glücklich machenden nach Amsterdam gereißt ist, war mit, ich hatte mich mit ihr unter den Giebel eines Dachs quartiert, welches sich sanft an einen grünen zuweilen mit Schnee bedeckten Berg anlehnte auf diesem Berg stand zum Theil noch die Mauer, und Wacht^thurm welche als Festung ehmals das oben stehende Schloß umgab, wenn Der Tag herum war, an Dem ich Morgens Hambutten gesucht hatte, und Nachmittags meine Bücher in Ordnung gestellt, in welchen ich nie laß, so zog ich einen grünen Schlafrock meiner Meline an, der mir zu lang war | und stieg damit ängstlich unter manchem Mondesschatten bis an meine Mauer auf diese mit Gefahr geklettert wanderte ich in Thurm, eine Morsche Leiter stieg ich auf oben auf dem Thurm wuchs 931
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ein Vogelsbeer^baum, da sah ich denn weit und breit in wüste Thäler, 105 zwischen den zwei Thurmspizen der heiligen ElisabetherKirche stieg der Mond herauf; mein Herz war allein, frei, kalt, wie Die Nacht, und die Zukunft lag warm in ihm wie die junge Saat in der mit Schnee bedeckten Erde. ich war froh und glücklich, und prieß mich Tausendmal seelig, daß ich die Stadt, und die Menschen verlassen hatte, um mitten 110 im Winter den jungen Frühling in Der Brust zu pflegen; keine Schuld hatte ich zu bereuen, auch die Wohlthaten, die mir der Himmel gewährte, drückten mich nicht sehr, eh ich vom Thurm niederstieg, zeignete ich allemal den Nahmen meiner Freunde mit einem Stock in den Schnee, und bat um Abwendung alles Unglücks, auch in der Fin- 115 stersten Nacht nahm ich meinen Weg dahin, auch im ärgsten SchneeWetter, oft sprang ich Nachts noch aus dem Bett, nahm Melinens Grünen Schlafrock um, und wandelte, mit Schritten voll Angst und Beklemmung (nicht so wohl vor Spizbuben, als vielmehr aus zu vollem inneren Lebensgenuß dabei) auf meinen Thurm, einsmals war 120 die arme Meline aufgewacht, und | fand mich nicht in meinem Bett; da es schon so späth war und sie meine Gewohnheit kannte, ging sie heraus mit einer Papier Lanterne meine Gebeine am Fuß des Thurms zusammen zu suchen, sie rief mir, wie froh war sie als ich ihr aus den Lüften gleich einem Vogel entgegen sang. – Lieber Goethe, das Da- 125 mals ist eine Zeit, die gleich einem Magnet, wie Sehnsucht und Trauer pp an sich zieht. Lieber Goethe ich weiß Daß Du meinen Brief nicht ausliessest sonst würde ich wahrlich hier noch das liebste liebendste Wort hinsezen. Gehab Dich Wohl; Gedenk deines alten Schulkameraden 130 Bettine O Du mein Glücksloos, meine Hoffnung, meine Freude, aergere dich nicht über den langen Brief. Und ist die Schachtel für die Frau angekommen? –
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 26. Januar 1810, Freitag
Berlin d* 26ten Jan 1810 Hätte ich Dir nicht so vielerley Dir zu schreiben gehabt, Du hättest schon längst einen Brief von mir, liebe Bettine; denn meinen Zettel, den ich bey Gelegenheit der Bettmannischen Scheidungsangelegenheit durch Savigny an Dich abgehen ließ, rechne ich nicht dafür. Inzwischen habe ich auch zwei kleine Briefe von Dir erhalten und Clemens eine Einlage, von den beyden früher an ihn abgesendeten Briefen ist aber nichts angelangt und ich meine sie haben sich unter Deinen Musikalien versteckt. Schreib doch bald, was von seiner Scheidung weiter kund geworden, denn Franz, der ihm umständlich berichtet, daß er kein Geld auf ihn anweisen könne, seit Christian alles nach Bukowan gebracht und deswegen schon zwey Briefe an ihn abgehen lassen, sagt ihm kein Wort weder von dieser Geschichte noch von Melinens Heirath. Ueber diesen letzten Dreykönigstag kann ich weiter nichts sagen, als daß es mir immer leid thut, wenn ein fremder Mann, wie eine ganz unbekannte Gewalt, sich eine werthe Bekannte zueignet, ich meine immer, wenn er ihr bestimmt gewesen, hätte er sie schon längst aufgesucht, da er so lange mit ihr in einer Stadt gelebt. – Ich erschrecke, wenn ich denke, wie ich Dir so manches nachzuerzählen habe und daß heute mein Geburtstag ist, wo ich schon soviel Sandtorte verzehrt habe und das alles noch beendigen soll. Zuerst vom Einzuge des Königs, wohin ich zuletzt unter allen Berlinern lief und das meiste Kraft der Behendigkeit meiner Beine gesehen habe. Die Brücken waren schon alle gesperrt als ich mich durch Umwege vors Tor verfügte, wo die knotigste Menge bey einer sehr schönen Linie Soldaten aufmarschirt war. Da roch es nach Schnaps und Taback. Ich lief eine halbe Stunde bis an ein Chaussehaus, da roch es wieder nach Schnaps, zugleich durchzogen aber einige Raketenwölkchen zerplatzend die Luft, eine Masse von Reitern näherte sich, klein und groß schrie hoch und Vivat hoch und lebe hoch, ich sprang drauf los über einen Chaussegraben, da stand ich dicht neben dem Könige, der im langsamen Trabe neben mir vorbey ritt und den ich mit einem dreymaligen Hoch und geschwenktem Huthe so vernehmlich begrüste, daß er mir besonders dankte. Nachdem ich nun diesen königlichen Grus empfangen ward mir ganz besonders, ich lief und schrie mit der ganzen Masse, die von allen Seiten herbey lief; da gab es wild gewor933
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dene Paukenschläger der Schlächtergilde, Schützengilden, die ihre Pferde nicht ermässigen konnten, das kugelte sich alles bey beständigem Vivat unter einander und keiner nahm sonderlichen Schaden. In der Nähe des Thors setzte sich der König an die Spitze der | Garden und empfing die Anrede des Burgemeisters und der Verordneten der Stadt, ihm folgte die Königin in einem schönen feuerfarbnen Wagen mit prachtvoller Silberverzierung und sechs schönen braunen Pferden bespannt in den kostbarsten silbernen Geschirren, da wurden Reden gehalten von weissen Mädchen, die auf Kissen etwas über reichten. Ein Stadtverordneter machte hiebey den Wagen auf, damit man die Königin und den Wagen auch von inwendig beschauen konnte. Die Königin dankte sehr freundlich; der Wagen schien ihr gar sehr zu gefallen, mir auch, am Schlusse der Rede, schob ihr der Stadtverordnete die heraushängenden Kleider herein und machte den Wagen wieder zu. Unglücklicher weise war aber ein Mann von der Schützengilde mit dem hinteren Theile seines Pferdes, das er nicht regieren konnte in das Geländer der Stadtverordneten eingedrungen; das fanden die Leute unbequem und sagten er solle sich entfernen, der Mann aber versicherte ihnen sie wären doch recht dumm so etwas von ihm zu verlangen, wenn er sein Pferd regieren könnte, so würde er nicht unter ihnen seyn. Nun wurde auf das Pferd geschlagen, aber das fürchtete die Schläge weniger als die nahe vorüber ziehenden Garden. Den Handel ließ ich so bestecken und zog durch Umwege nach dem Schloßplatze um den Zug noch einmal zu sehen, hier war ich und das Volk meist schon heiser geschrieen, das Gedränge war desto stärker. Einer von der Policey hatte nach einem zu schlagen gewagt wurde heraus gerissen und mit ungemeinen Schlägen von der Masse über den Platz gejagt; ein andrer Policey fragte mich, was es da gebe, ich versicherte ihm, da würde was umsonst ausgetheilt, wenn er hinginge kriegte er die Hälfte ab. Die Policey hatte verboten, es solle jedermann, was im Gedränge falle, liegen lassen, damit nicht bey dem Aufheben die andern ihn zerdrückten. Jezt fiel ein Mann und ein andrer wollte ihn aufheben; da riefen aber gleich ein Paar Stimmen, lasst ihn liegen, die Policey hats verboten. Von dem Zuge, der da zu sehen nur wenige Worte; die Soldaten waren sehr schön, wie wir sie noch nie gehabt haben und doch | kein Schillsches Regiment darunter, überhaupt der Jubel nach allgemeiner Meinung nicht so groß wie bey dessen Einzuge, wo die Leute seine Stiefel, sein Pferd, seine Kanonen küssten. Die Masse der bewaffneten Bürger war sehr wunderlich, 934
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viele von ihnen schüttelten mit den Ladstöcken, wenn sie ihr Lebehoch riefen. Die Gewerke gingen mit grosser Umständlichkeit einher, ihre Fahnenschwenger zeigten grosse Geschicklichkeit, die kleinen Modelle, die Schiffe, Häuser, die sie trugen, waren sehr zierlich. Die Schlächter machten sich prachtvoll zu Pferde mit ihrer Standarte, die sie den Schweden abgenommen. Prinz August ritt das Pferd, worauf sein Bruder Prinz Louis bey Saalfeld erschossen. – Nun spring ich über bis zum Ordensfeste der neuerrichteten dritten Klasse des rothen Adlerordens. Unter mehreren andern erhielt ihn auch zur grossen Verwunderung aller Herr Direcktor Iffland. Am Abend des Tages hatte sich der Mann noch ein neues Fest bereitet, einen jungen Menschen, Namens Maurer zum erstenmal auftreten zu sehen, den er über die Taufe gehalten, dessen Vater sein begünstigter Sekretär. Das sollte ohne Wissen von dessen Aeltern geschehen, doch die Mutter merkte etwas. Am Abend hatte er die Mutter in seine Loge gebeten und als nun der junge Mensch auftrat fiel sie ihm weinend um den Hals, der Vater in einer Loge gegenüber wurde vor Schrecken ganz kalt. Nachher stand Iffland in der Directionsstube den Dank zu empfangen, die dankbare Familie umhalst ihn mit Thränen, der junge Mensch hatte gut gespielt. Da bricht aber die unvorsichtige Mutter mit den Worten heraus, Herr Direcktor, ich hatte doch was gemerkt. Infame Bestie, schreit er, du hast was gemerkt, also war mein ganzer Spas nichts, und da setzt sich sein ganzer Humor um, wüthet wie ein König Lear, daß ihm der Orden auf und nieder fliegt, verflucht er den Tag, der so schön angefangen und noch schöner endigen sollte und ihm die Geschwätzigkeit des infamen Jungen verdorben. Jene werden auch böse. Iffland nennt sie infame Package und alle gehn mit grossem Geschrey aus einander. Du siehst aus dem einen Zuge, daß er sich in seinem Leben so eine Menge von Vorfällen bereitet, um so auffallender war mir | seine Selbstbiographie über die früheren Jahre seines Lebens, die er mir kürzlich zu leihen die Gefälligkeit hatte, da erscheint er sich selbst von allem über^rascht, ohne das mindeste zu wollen; durch eine gewisse Weltläuftigkeit der Betrachtung verliert sie, doch enthält sie recht viel Lustiges. So sagte einmal sein Vater leise zur Mutter, einen gewissen Minister werde der Teufel holen. Iffland ist unendlich begierig dieser Operazion beyzuwohnen und redet deswegen einen alten steifen Hofdiener auf der Strasse an: Sie wissen doch daß den … Minister der Teufel holen wird, wann geschieht denn das und wo kann man das sehen? – Der alte Diener erschrickt 935
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und geht zum Vater ihm solche furchtbare Rede des Kindes anzuzei- 115 gen. – Ein paarmal war ich bey Iffland, er erzählte oft so tragisch, daß man nicht begreift wie er kein besserer tragischer Schauspieler auf der Bühne geworden und man merkt bald, daß dies blos an der Schwäche seiner Stimme liegt, die sich in den grossen Säälen oft überschreien muß. Sehr rührend erzählte er von den letzten Tagen des un- 120 glücklichen Herzogs von Braunschweig; er konnte nichts als Austern geniessen, alles übrige war ihm unerträglich und die letzten schob er mit den Worten von sich: Soll ich denn meine eignen Augen essen? (Du erinnerst dich, daß ihm die Augen ausgeschossen) Iffland sagte diese Worte schauerlich. 125 So hätte ich denn schon von vielerley geschrieben und nichts von mir. Ich war in der letzten Zeit zur Beendigung eines Romans ziemlich fleissig, der vielleicht schon zur nächsten Messe erscheint, er war lange ein Lieblingsplan und ich habe ihn mit Lust ausgeführt; er heist: Der 130 Gräfin Dolores Armuth, Reichthum, Schuld und Busse. Eine wahre Geschichte, zur lehrreichen Unterhaltung armer Fräulein aufgeschrieben. – Eben kommt ein Brief von Savigny mit Parolebefehlen wegen der Scheidungsangelegenheit. sage ihm, daß ich von der Universität nichts Bestimmtes weiß, als daß mir Wolf versichert, er möchte nur 135 fordern, wie er es seiner Bequemlichkeit angemessen fände, es werde ihm sicher gewährt. – Ich küsse Dich vielmals in Gedanken. Achim Arnim.
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, 30. Januar 1810, Dienstag
Wenn ich alles schrieb, was ich oft in Gedanken mit Dir spreche da könntest Du sehen, wie viel vertrauter Du mit mir bist als es scheint und wie Du in manchen Stunden, wo du es nicht glaubst, meiner Seele ein Zeigniß seyn must von der Erfüllung mancher Dinge. ohne Dich hätte ichs wahrscheinlich in Landshuth nicht ausgehalten, ohne Dich wäre ich vielleicht einen festen Entschluß meiner Kinderjahre gefolgt: mein Leben mit den wilden Thieren im Wald zuzubringen, oder doch zum wenigsten würde mich diese Sehnsucht bestimmter ergriffen haben. es ist aber vorzüglich, daß Du mich lieb hast was mir das 936
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liebste an Dir ist. und Dadurch wird mir der ganze Schaz zu eigen dessen Werth ich zu Zeiten recht erkenne. wenn Du fühlen könntest wie alleine ich oft bin, daß auch selbst die Erinnerung wie eine leere Wand vor mir steht, du würdest in solgen Momenten Dich aller Zerstreuung entziehen um mit mir zu seyn. – Daß mann sich selbst erkenne ist nicht so großer Werth, aber daß einer das andre erkenne, ist Seeligkeit – je tiefer ich hinein blicke je weiter dehnt sich das Feld der Liebe aus, und je unkenntlicher wird die fernste Ferne. was also Dort noch werden wird wo die blauen Berge versinken, und wo Die Sonne untergeht das weiß ich nicht – Ach Welt Du enges Hauß worin man kaum Athem holen kann. – – oft denck ich der Schlaf ist besser als Wachen weil da Die Grenzen des Daseyns zusammen fallen weil Da mich keiner halten kann, im Geschwinden Flug, aber wenn ich wache so muß ich in Landshuth seyn. so ist denn das enge Bett eine Freystätte, für unbegrenzte Meere, und | himmel^anstrebende Berge, und das unendliche ergiebt sich, steht und wurzelt im Traum, im Traum auch nur, läst sich Ahnden wie unendlich die Seele ist, da in einem einzigen ihrer Gedancken (oder Athemzüge) der Mensch schwimmt wie ein kleiner Fisch im Meere, und nicht weiß wie er herkömmt, und wohin; – denn wenn ich mir am Tag recht lebhaft wünschte einmal auf den Tyroler^gebirgen herum zu klettern, so war ich in Der Nacht dort, und sah weit und breit auch tief, bis in Die Dunckelsten Klüfte wo ich nichts mehr sehen konnte, sah ich hin; und die hohen Bäume waren so hoch, daß ich ewig hätte hinaufsehen können um die höchste Höhe zu sehen. und ein Angstgefühl bei großen die Seele erweiternden Gegenständen, was ich mir in leeren Tagen so oft wünschte, befiel mich im Traum auch, und eine Ruhe, deren man in den LebensTagen selten theilhaftig wird. – Dinge die sich in Ewigkeit nicht zusammenfügen, sind im Traum wie auf ein Zauberwort geschehen, ja man hat gleichsam durch einen Moment der Erinnerung ganze Geschichten erlebt, deren Wirkung schon ins Gefühl in den Carackter übergegangen sind. heute Träumte ich, daß wir beide einander gegenüber an einem ofnen Fenster saßen auf dem Sims standen wohlriegende Blumen, ich hatte meine Füße auf deinen gestellt und uns war so wohl so ruhig wie nie in Schlangenbad und am Rhein, wie groß und mächtig muß mir nun dießer ruhige Moment | des Traums seyn, da ich mich in der Wircklichkeit so lange schon sehne, und da ich zu gleich bey dem Erwachen die breite Unmöglichkeit einsehe, aus dem Winter Frühling zu machen, und gar aus deinem Fuß mir einen Schemel zu machen. 937
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Ja wer träumt soll seine Jahre nicht zählen denn er weiß nicht wie alt oder wie jung er ist. – man sagt oft: Gott selbst könne das Geschehen nicht ungeschehen machen; der Traum beweist das Gegentheil.
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Die Wahlverwandschaften machen ein ganz eignes Glück unter den hiesigen Studenten, sogar die Ringseisianer, welche Göthen bis jezt als einen Heiden verdamten, sind davon entzückt. Vorgestern wurde Savigny eine Cassation gebracht zu Ehren seines Nahmenstags: Carl; kein Mensch hatte an diesen Nahmenstag gedacht, die Chapeaux d’honeur blieben bis Mitternacht, und trancken seine Gesundheit. so viel ich ihm ansah hat ihm wenig so viel vergnügen gemacht; auch sagen die Studenten öffentlich daß wenn Savigny nicht hier wäre, so sey es nicht der Mühe werth auf die Universität zu kommen. – Daß Ritter seit 14 Tagen Tod ist, werdet ihr wohl schon wissen; er konnte seinem Buch: Nachlaß eines jungen Physickers, keinen bessern Abgang verschaffen als Durch seinen Tod, jedermann wills lesen; seine Lebensbeschreibung ist sonderbar so eingerichtet, daß bei all dem heilichen Mystischen | keinem seiner unwürschen Fehler der Plaz versperrt ist und obschon auch mit keinem Gedancken auf seine irdischen Sünden und Verhältniße hingedeutet ist, so glaubt man Dennoch ahnden zu können, welche Gestaldt diese Genialität unter den Menschen angenommen. und man würde sich nicht wundern das härteste Urtheil in Bezug auf sittliches Verhältniß über ihn aussprechen zu hören. mich hat das Ende wo er zu seinen echten Freunden sich wendet wahrhaft gerührt; so viel ich weiß ist er an einem zehntägichen hizigen Fieber gestorben, wahrscheinlich allein verlassen von allen. Leb wohl; Treib an Der Zeit, daß sie um so schneller herum gehe, wenn wir uns sehen so mag sie eine Weile stehen und ausruhen. den Clemens grüß ich; es geht ihm gewiß gut weil er so stillschweigt. diese Woche schon fängt der Februar an, dann Merz, im Aprill wird gepackt da vergeht die Zeit schon geschwinder und man macht sich endlich auf den Weg, auf welchem man auch Dich Treffen wird, und ans Herz drücken dazu wird alles grünen und blühen, man wird unvermeckt aus einem Trübseeligen Zustand in die seeligste Laage der Welt gerückt seyn. wenn Der Himmel für mich ist, so ist er gewiß auf Erden. denn sonst würde ich nicht so ungedultig erwartend seyn Dein Bettine.
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*724. An Antonia Brentano in Wien Landshut, vmtl. erste Hälfte Februar 1810 Antonia Brentano an B, 20. Februar 1810: Obschon es mich beunruhigte keine Anzeige wegen den Mantel von dir zu erhalten, so tröstete ich mich damit daß du gewiß dich würdest gemeldet haben, wenn der Mantel nicht angekommen wäre, nun, er ist dir recht, das ist mir recht 〈…〉 Sage mir warum hast du auf dein Petschaft eine Devise gewählt welche einer Jungfrau unjungfräulich gedeutet werden kann? 〈…〉 Du sagst mir nichts von Savigny, nichts von Gundel – nichts von ihren Kindern (Nr. 729,3-10+45-46).
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Landshut Weimar, 5. Februar 1810, Montag
Deine Schachtel, liebe Bettine, ist wie eine GlücksBombe ins Haus gefallen und hat einen herrlichen Effeckt gethan. Meine Frau mag dir selbst schreiben wie verlegen sie um ein Maskenkleid gewesen und wie erfreut sie bey Eröffnung der Schachtel war. Dein lieber Brief mußte als der schönste Schmuck des Ganzen angesehen werden. Nimm in diesen wenigen Worten meinen Danck für deine nie versiegende Liebe, dein immer lebendiges Andencken an die Gegenwärtigen deine Treue für die Vergangnen. Dein Albrecht Dürer wohl restaurirt und eingerahmt, hängt an der Wand zur Lust aller Kunstfreunde und Patrioten. Lebe wohl und laß bald wieder von dir hören. W. d. 5 Febr. 1810 G
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Landshut, vmtl. zweites oder letztes Drittel Februar 1810
Fahre fort so liebreich mit mir zu seyn, packe selbst zusammen was Du mir schickst, mache selbst die Addresse aufs Packet, das alles erfreut mich. freut mich doch ein Mensch der von Dir sprechen kann, Wie viel mehr ein Papier das Du berührt hast. – Nun guter Goethe ich bin angeblasen von allen Launen ich drücke oft die Augen zu, und brumme damit ich nichts höre und nichts sehe; keine Welt, keine Einsamkeit keinen Freund keinen Feind, keinen Gott, und endlich auch keinen Himmel. In meinem Ofen saußt und braußt der Wind, und treibt die Gluth in Flammen, und brennt die alten bairische Tannen recht zu Asche zusammen dabei hab ich denn meine Unterhaltung wie es kracht und rumpelt studiere zugleich Marpurgs Fugen, dabei thut mir denn gar Wohl daß das Warum nie beantwortet werden kann, das man unmittelbare Herrschaft des Führers (Dux) annehmen muß und das der Gefährte sich anschmiegt; ach wie ich mich gern an Dich anschmiegen mögte, wesentlich mögte ich eben so, Dir seyn, ohne viel Lermen zu machen, alle Lebenswege sollten aus Dir hervorgehen, und sich wieder in Dir schließen und das wäre eine echte Strenge Fuge wo | dem Gefühl keine Foderung unbeantwortet bleibt, und wo sich der Filosof nicht hinein mischen kann Ich will Dir beichten, ich will dir all meine Fehler aufrichtig gestehen, erst Die an welchen Du zum Theil Schuld hast, und die Du auch mit büsen must; dann die so mich am meisten Drücken; und endlich jene, an Denen ich sogar Freud habe. erstens sage ich Dir zu oft daß ich Dich lieb habe, ja ich weiß gar nichts anders, wenn ichs hin und herwende es kömmt sonst nichts heraus 2tens: beneide ich deine Frau und dein Kind, und die Gespielen deiner Jugend und die Sonne die in dein Zimmer scheint, und deine Diener, vorab deinen Gärtner der unter deinem Comando Spargen^beete säet 3tens gönne ich Dir keine Lust, weil ich nicht dabei bin wenn einer Dich gesehen hat, von Deiner Heiterkeit und Anmuth spricht das ist mir eben nicht lieb, wenn er aber sagt Du seyst Ernst, Stolz pp gewesen, das ist mir recht lieb. 4tens vernachläßige ich Freunde um Deinet willen, die dieß nicht verdienen, und denen ich viel Liebe schuldig bin; dieß drückt mich, 940
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denn es ist kein zeichen von einem großen Herzen | Mangel an Güte und Liebe haben, und ist eine elende Natur die auf der einen Seite ausdürret wenn sie auf der andern blühen will. 5tens: hab ich eine große Neigung die Welt zu verachten dann verachte ich auch Die, so Dich loben, die sind mir ein wahrer Abscheu; ich kann Die guten Recensionen durchaus nicht leiden, nur wenige sehr einfältige Menschen sind mir in ihrer Verehrung für Dich werth. aber wer Verstand und Vergleichsinn hat, der erregt mir Ärger 6tens: hab ich einen tiefen Unwillen in der Seele, der sich durchaus nicht bändigen läst, der stets gegen die ganze Umgebung hervortritt und sie zerreißen mögte, der nie sich legte als nur in Deiner Gegenwart. ja es geht oft so weit, daß ich Zornig und Unglücklich bin, schon weil ich mit Andern unter einem Dach wohne, weil ich mit ihnen Dieselbe Luft einathme; denn: Da es Einfluß auf die Seele hat, wenn man neben dem Freund lebt, so könnte es mir auch von meiner Eichenheit nehmen, mit Menschen zu leben die mich nicht verstehen. 7tens: Wenn ich in Gesellschaft ein gutes Buch soll lesen hören so seze ich mich in eine Ecke und halte die Ohren heimlich zu, oder ich träume so lang hin und her, bis ich mich über einem Wort ganz in Gedancken verliere, und nichts mehr höre; wenn denn einer etwas nicht versteht, so maase ich | mir wohl gar an eine Erklärung darüber zu geben, die man für Wahnwizig erklärt. von Dir kann ich Durchaus nichts lesen hören noch selbst vorlesen, ich muß mit mir allein seyn, wie ich mit Dir allein seyn muß. 8tens: Ich kann mit keinem Menschen fremd oder vornehm bleiben ja wenn ich im mindesten unbequem bin, so werd ich ganz Dumm, das ich zum Beispiel grade auf einem Stuhl size macht daß ich Durchaus langweilig bin und verdrießlich. Ich könnte Dir noch manches sagen was man sündlich finden dürfte, wie: daß ich dein Kleid lieber hab wie meinen Nebenmenschen, daß ich die Stiege küßen mögte auf der deine Füße auf und niedersteigen pp dieß könnte man Abgötterei nennen, oder ist es so, daß der Gott der Dich belebt auch an jeder Wand deines Haußes hinschwebt, daß wenn er um deinen Mund und Augen spielt, er auch unter deinen Füßen hingleitet und selbst in Deine Kleider Dringt, daß wenn er sich im Maskenzug, in alle Bunte Gestaldten verkleidet, er wohl auch im papier in Das Du ihn einpackst versteckt seyn kann; also wenn ich’s Papier küße, so geb ich den Kuß dem geliebten in Dir, das sich mir zu lieb auch auf die Post schicken ließ. 941
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Adieu! behalte dein Kind lieb in trüben wie in hellen Tagen und lerne immer mehr dich meiner zu freuen, da ich ewig und ganz dein bin Bettine
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, Mitte Februar 1810
So lange mir Die Zeit bis jezt vorkam wo ich Dich nicht gesehen, so kurz kommt mir die vor, nach welcher ich dich sehen soll, ich kann es als gar nicht begreifen daß ich nur noch 8 Wochen zählen darf und dann noch 14 Tage die im Packen geschwinde hingehen Savigny wartet nur noch auf die förmliche Entscheidung Humbolds, um in München seinen Entschluß bekannt zu machen, nur eins ist noch zu befürchten es muß nehmlich ein halbes Jahr vorher aufgesagt werden, wenn man also dem Savigny Schicanen machen will so darf er erst im Herbst weg, indessen Dürftet Ihr Euch doch um ein bequemes Quartier umsehen, und uns darüber Nachricht geben, Savigny würde gern im Anfange Moeblirte Zimmer beziehen, und dann in aller Ruhe sich nach und nach einrichten. Goethe hat mir vorgestern mit viel Freundlichkeit geschrieben, und ein Gedicht vom Maskenzug auf den 30 Jenner geschickt, das gar schön ist; ich glaub daß er mir sehr gut ist, und auch bleiben wird wie Du auch, dann kann ich mich wohl für sehr glücklich halten, denn Ihr seid die zwei besten auf der Welt, aber im Ernst Ihr seids, Hast Du die recensionen über Wahlverwandsch* gelesen im hallischen Blatt? von wem kann es wohl seyn? sage dem Clemens man vermuthe hier auf Köppen. Die im Morgenblatt must Du auch lesen sie ist von Schelling, der Tod seiner Frau hat nicht wenig dazu beigetragen ihn in diese Stimmung zu versezen, auser einer Art Hochmuth, ist viel gutes drinn. bei aller Wärme ist doch nicht die frische Jugend drinn, die Du allenfals geäusert hättest; ich glaube immer eine recension müße sein wie eine Fermate in der Musick, entweder besser, oder doch wenigstens eben so gut wie das Werck selber in den heidelberger Blättern muß doch auch noch etwas kommen wenn ich deine Liebe und Ehrfurcht für Goethe nicht kennte, so würde ich es mir von Dir erwarten und zwar das beste, aber würdest Du über ihn so laut sprechen den Du lieb 942
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hast; apropos hast Du nicht kürzlich etwas recenzirt in den Heidelberger J: B: Savigny möchts sehr gern wissen. – ich componire jezt eifrig an der Ouvertüre für Faust wobei mir jemand aufschreiben hilft (denn Damit kann ich nicht recht fort, meine besten Gedancken gehen mir Drüber zu Grund,) es macht mir ungemein viel Spaß, ein jeder neuer Gedancke macht mich glücklich wir sind dabei so lustig, daß während dem Aufschreiben immer gelacht wird, und während dem Lachen immer componirt, so bald sie fertig ist, soll sie hier aufgeführt werden, unter dem Nahmen irgend eines berühmten gestorbnen Componisten; denn Da wir mehrere verbothne Gänge drin gemacht, wobei wir nur probiren wollen wies gelingt so darfs niemand wissen; ich hab auch noch eine Melodie auf den König in Thule gesezt so wie Gretgen ihn singen soll, diese kann doch wohl nur im ganzen Stück eindruck machen, und nicht als romanze, denn sie ist | gar einfach und der Poesie nicht gemäß sondern mehr der Stimmung Gretgens in ihrem einsamen Kämerlein. ich glaub gewiß, daß die Musick mir zum Tagwerck werden könnte, doch stellen sich täglich mehr schwürigkeiten ein, z B hab ich eine wahre Neigung zu den schwehrsten Gedancken, und meine Kentniß reicht meiner Fantasie das Wasser nicht also daß diese verdursten muß, obschon ich nun mit ausgezeignetem Fleiß alle Tage zwei Stund mit dem Lehrer arbeite, und zwei Stunde mit dem Musickkameraden so kann ich nur besser den grosen Weg zum Ziel entdecken, stadt es selber zu erreichen, nun sagen meine Lehrer zwar daß ich nicht dumm sey sondern besser verstehe wie mancher Mann aber daß noch viel viel Zeit dazu gehört bis ich etwas kann; siehst Du die Composition ist viel schwehrer wie Die Jurisprudenz, daß ist gewiß und wahrhaftig; meinen Gesang muß ich einstellen bis auf Berlin, ich hätte gar gern bis dahin vom Blatt singen gelernt, und hatte auch schon einen guten Anfang, jezt vergeß ichs wieder. Das alles ist dennoch vorzüglich um dir Vergnügen zu machen, der mir auch alles Liebe anthut; wenn das deine all mein seyn soll, so werd ich auch meinen theil an deinem Garten haben, und werde mitpflanzen pp dieß Jahr soll er aber recht schön blühen, Du kanst im Aprill gleich schon manches sezen und saeen, die Lilien müssen sehr früh in die Erde gesteckt werden, diese hab ich sehr gern, ich hab mich schon nach dem Monatgärtner umgesehen, worin steht was man alle Monat zu thun hat. ein Gertgen wär mir ein großes Vergnügen hier wächst gar nichts im Winter, keine Morgen noch Abendsonne scheint in meine Zimmer es geht gegen Mitternacht. dafür hab ich dein Portrait über meinem Siz hängen, aber 943
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wie gern würde ich diesem zuweilen Blumen hinstellen. Savigny war nicht wohl, er arbeitet sich fast Tod blos um bis Ostern fertig zu seyn, der einzige Mensch den wir ungern hier lassen ist Sailer. ich bitte mache das die Antwort vom Humbolt bald kömmt, und Clemens soll das genauere seiner Bucowaner Reiße mit uns verabreden, siehst du wie eilig ich bin Deine Bettine
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 14. und 15. Februar 1810, Mittwoch und Donnerstag
Berlin d* 14 Feb 1810 Ich fühle Unruhe über Dein Nichtschreiben, es durchkreutzt sich schmerzlich mit der Hoffnung eurer nahen Abreise hieher, die ich aus Humboldts Aeusserungen für sicher halte. Meine Nachlässigkeit im vorigen Monate hatte wohl einige Strafe verdient und ich sollte eigentlich wie sonst die Soldaten für die gnädige Strafe danken, aber ich bin es nun einmal von dir gewohnt, daß du das Wenigere mit dem Mehreren bestrafst. Ich war in jenen Wochen auch sehr zu entschuldigen durch mancherley Schreibereyen, die mich drängten und durch die Krankheit meiner Großmutter, die alle Tage mehrere Stunden mir besetzte; die arme Frau leidet noch immer unglaublich und hoffnungslos. Ueberhaupt kostet es mir viel Zeit, wenn ich Dir schreibe, nicht das Unbedeutende, was für die Feder abfällt, sondern alles Werthe, was mich dabey erinnernd beschäftigt, ich sehe dich, ich fasse dich, wie du in mir wohnst, vielleicht würdest Du mich für einen schlechten Maler aus Deinem Bilde erklären, aber so liebe ich Dich nun einmal, und von dem Fremdartigen, oft sehr Lobenswerthen, was mir ein andrer von Dir erzählt, das bist Du mir nicht, das ist mir ganz gleichgültig. Du freust Dich mit mir allerley Bücher zu lesen, ich freue mich auch darauf, aber wie kommt es, daß fast niemals so etwas zwischen uns zu stande gekommen, ich verwundre mich, wenn ich denke, daß ausser einigen Kapiteln des Persiles nie etwas der Art unter uns zustande gekommen, ungeachtet wir doch manche müssige Zeit miteinander verlebten. Ich habe viel Schönes hier gesammelt und da fällt mir ein, daß Clemens mir viel von | dem Leben einer spanischen heiligen Therese erzählt hat, das in einer Uebersetzung in 944
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Quarto zu Landshut existirt, Sailer soll es auch kennen, lies es doch einmal, ich will es durch mitgeniessen, wenn es keine Gelegenheit giebt es herzubekommen, auf Biographieen, besonders auf Selbstbiographieen bin ich auf steter Jacht, es findet sich immer etwas Neues. So erhielt ich gestern eine Biographie des Docktor Weickardt, die voll wunderlicher Aneckdoten, insbesondre vom dicken Bischof von Fuld, der in einem heissen Sommer ein völlig ranziges Fett bekommen und Oehl geschwitzt hat. – In Deiner Großmutter Sommerabenden habe ich ein schönes Stück aus ihrem eignen Leben gelesen, dasselbe was du mir damals auf dem Wege nach dem Sauerbrunnen im Gebürge erzähltest, unser Hinmarsch dahin ist mir doch eine der liebsten Erinnerungen, es macht mich traurig, daß ich nichts von Dir höre. Die verfluchten Lazarethe in Landshuth! Oder bist du in der Musick so tief versunken? – Ich möchte Dir eine kleine Arbeit aufgeben, zu meiner Gräfin Dolores kommen Melodieen von mehreren Musickern, ich möchte auch von Dir etwas abdrucken lassen, aber es müste natürlich nicht für eine besondre Künstlichkeit oder Uebung oder Naturbeschaffenheit der Kehle komponirt seyn, sondern jedem in der Kehle liegen, freilich müste ich sie nicht zu spät erhalten, des Druckes wegen 1 Es sonnte sich ein kranker Knabe Auf seiner armen Mutter Gruft, Da fasset ihn der Ahndung Gabe Er wittert einer Blume Duft Die ferne schwebet in dem Meere Weit an dem Ende aller Welt, In die aus hoher luftger Leere Die Sonne wie ein Samen fällt 2 Es glüht auf seiner blassen Wange Nun eine Röthe wunderbar, Es schwebt sein Ohr in tiefem Klange Es wird sein Auge ihm so klar. Es glänzt auf seinem stillen Herzen Ein Regenbogen wie ein Straus, Der hat verkündet seine Schmerzen Hoch in des Himmels selgem Haus. 945
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3 Dem Himmel hat er ihn verbunden Zeigt ihm das offne Himmelsthor, Er schauet nun in Schmerzensstunden Was Lust ihm nie gezeigt zuvor Wie kann er nun die Welt verschmerzen, Ihm ist verschwunden aller Graus, Sein Herz gebrochen einst in Schmerzen Sieht froh die Witterung voraus. 4. Er sieht voraus die Liebestage Wo Hand in Hand sich gern ergeht, Manch Mädchen zeigt die Hand zur Frage, Weil er die Linien jezt versteht; Des Knaben Ruf ist weit erschollen, Denn jeder frägt nach Witterung, Die Alten, weil sie erndten wollen Und weil sich lieben, die noch jung. 5 Jezt hat der Schlaf ihn fest umfangen, Da nimmt die Mutter seine Hand, Da sieht er all, was ihm vergangen Und keine Zukunft er drin fand: Liebe wo du gegenwärtig Da ist das eigne Leben aus, Die Seele ist dann reisefertig, Du trägst sie in ein andres Haus. 6. »O Muttererde laß dich grüssen, »Du trugst mich treu in stiller Qual, »Laß deine kühlen Lippen küssen, »Hast andre Kinder ohne Zahl, »Doch ich gehör dem Vaterlande »Dem Vater in dem Himmelreich, »Es lösen sich die alten Bande, »Zum letztenmal die Hand mir reich.«
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7. Er kann sich selber nicht begreifen Es wird ihm wohl, so auf einmal, Da sieht er dann die Engel schweifen Auf seines Thränenbogens Strahl. Wie sie die bunten Flügel schlagen, Daß jede Farbe klingt im Glanz, Er fühlt von ihnen sich getragen Den Fuß bewegt in ihrem Tanz. 8. Was ihm das Herz sonst abgestossen Das singt er jezt mit kaltem Blut, Sein Blut hat sich in Lieb ergossen Und keine Furcht beschränkt den Muth Wo sich das Auge sonst geschlossen Da hebt es nun den Blick von hier, Er ruft: Der Himmel ist erschlossen Ich fürchte mich nicht mehr vor mir. 9 Da ruft er wonnig allen Lieben: »Es kommt ein Tag wie’s keinen gab, »Die Erndte dürft ihr nicht verschieben, »Die Liebe greift zum Wanderstab. Er ruft: Brich an du Tag der Sage, »Der ewges Wetter mir verspricht. Sein Herz schläft ein – am jüngsten Tage Erwacht es rein zum Weltgericht. Dieses Lied ist auf den Tod des kleinen Traugott gemacht, der auf seiner Mutter Grab todt gefunden worden, das folgende ist von einer Mamsel und müste leicht genommen werden. 1 Lieg ich in der Freundin Armen Weine und nicht weiß warum, Sie ist traurig, ich bin stumm, Bis die Lippen mir erwarmen, Ach dann schwebt es auf der Zunge, Wäre ich doch nur ein Junge. 947
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2. Wäre ich doch nur ein Junge, Gingen wir in weite Welt Treulich wären wir gesellt, Hielten uns noch fest umschlungen Wenn sich an der Welten Ende Mein Italien einst fände. 3. Wenn ich mein Italien fände Hölten wir ein kleines Haus Uns in Herkulanum aus, Wo die schön bemalten Wände Wie die Schwalben in dem Sande Bauten wir uns an im Lande. 4. Bauten wir uns an im Lande, Steckten manches Flügelkind In das Körbchen schnell geschwind, Und verkauftens ohne Schande: Leutchen wer kauft Liebesgötter, Ach es ist so liebreich Wetter. 5 »Ach es ist so liebreich Wetter, Kauft ihr Mädchen jung und schön.« Eine kommt sie anzusehn Spricht: Das sind die Liebesgötter Ey bewahre, das sind Tauben, Eine nur gehört zum Glauben 6 Eine die gehört zum Glauben, Doch die Liebe alle braucht, Und zum Boten jede taugt, Lässt sich nicht ihr Brieflein rauben, Als wo sie den Liebsten wittert, Wenn ihr sie mit Zucker füttert
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1. Nur was ich liebe, das ist mein Und kann nur immer meiner werden, Du weist von nichts, du läst mich ganz allein, Was ich in dir geliebt, das bleibt doch mein 2. Gehört dem Flügel dieser Ton, Den meine Finger traurig weckten Nein du bist mein dir selber recht zum Hohn Was ich in dir erweckt, gehört mir schon. 3. Dein Haus ist mein, denn ach von dir Umschliest es so viel schöne Kinder Ist mein die Perle, so gehört auch mir Die Schale, deines Leibes schöne Zier. 4. Ich geb die Seele, du bist mein Du schöner Teufel must mir dienen, Du hast verführt mit schönem Augenschein, Sey alles falsch und leer, du bist doch mein Ich setze die folgenden Strophen noch einmal her, weil du mir schriebst, du hättest sie komponirt, weil ich ein Paar Worte drin geändert habe. 1. Wie so schwer vom Herzensgrunde Reissen sich die Worte los, Hängen dann noch fest am Munde, Küssen mich fast athemlos Und die Augen gehn mir über Von der hohen Töne Fieber; Ausgestossen von dem Munde Flüchten sie in fremde Welt, Ist es auch die rechte Stunde Wo ein jeder Ton gefällt? Vor der bang geschlossnen Pforte Schweigen scheu der Liebe Worte.
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2. Klimm mit mir zu jenen Höhen Und ich sag von Liebe Dir! Ach wie ist mir nun geschehen Nun das Meer tief unter mir, Hör die Steinlein drinnen schallen Die von meinen Tritten fallen. O so fallen leicht von Herzen Meine Wort ins Freudenmeer, Und es scheinen meine Schmerzen Wie die Worte mir so leer. Halt mich fest und lieb mich wieder Sieh ich stürze sonst hernieder. 3r
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Die folgende Romanze müste viel trauriger genommen werden als sie sich liest wegen der Umgebung. 1. Der Kaiser ging vertrieben Durch ein Feindesland, Die ihm noch sind geblieben Bindet da kein Band. Da sind in Not nur blieben Die er oft verkannt, Denn streng sind die uns lieben, Fest ist der Liebe Band. Er sah wie seine Feinde Drüben am Ufer stehn, An Freundes Busen weinte, Wollte schier vergehn. 2. »Ich habe nichts zu geben »Als den Mantel mein, »Der gab mir Noth im Leben, »Bald auch Todespein »War meiner Not Beglücken »Eurer Tage Preis, »Den Purpur reisst in Stücken »Geb ihn allen preis!«
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Er fasst, so viel er konnte, Jeder riß sein Stück, Es auf dem Herzen sonnte Wie ein Stern im Glück. 3. Die Stücke heften sich Alle Auf die Kleider fest, Und vor dem Feind mit Schalle Halten ein Ordensfest Dann stellen sie sich alle Rings um den Kaiser treu Daß er von einem Walle Rings geschützet sey. »Der Purpurstern kann blitzen, »Wärmt auch wohl euer Herz, »Kann nicht als Harnisch schützen »Gegen der Pfeile Erz.« 4. »Izt flieht!« befiehlt der Kaiser »Lasset mich und flieht!« Zum erstenmal der Kaiser Ungehorsam sieht. »Der Purpur ist zerrissen, Aus ist nun dein Reich, Vor Gott wir stehen müssen, Sterben mit dir zugleich. Wir wollen hier vergehen Fröhlig des ewgen Muths, Aus unserm Blut erstehen Rächer deines Bluts.〈«〉 5. Die Feinde sehen sie blicken, Sehen die Sterne hell, Und ihre Pfeile drücken In die Herzen schnell. Nach aller Edlen Falle Fällt der König auch; Sein Segen über Alle Ist sein letzter Hauch 951
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Die blutgen Purpur^stücke Halten erfrischet die Farb, Der Feind geht über die Brücke Nicht den Schmuck verdarb. 295
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Sehr weich wäre das folgende zu nehmen 1. Sing Vöglein das den Zweig bewacht, Ich leg nicht an zum Schiessen, Du singest mir von guter Nacht, Du musst mein Liebchen grüssen: O könnt ich mich so singen aus, Sie müst es einmal hören, Sing Nachtigal hier ohne Graus, Ich will dich nicht mehr stören. 2. So weich wie deine Federlein Bin ich von süssen Wehen, Ich gehe in den Wald hinein Mag doch kein Blut mehr sehen Ein Thränlein auf das Pulver fällt Und löschet alles Feuer; Dir Nachtigall bin ich gesellt Und traure in der Feyer.
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Herzenserleichterung. Schwere harte scharfe Stunden Sich wie Kiesel an mir runden In des Lebens Wellen^schlag Und ich fühl was ich vermag: Fromme Freundin ich durft weinen Durft auf deinen Händen weinen Und gedeckt von deinen Händen Konnte Schwachheit mich nicht schänden. 2. Regentropfen höhlen Steine Was ich tief verschlossen meine Hölet meines Unglücks Stein Füllt ihn bald mit Freudenwein 952
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Freundin nimm vom Freudenweine Komm zu mir du Heilge Reine, Und beselige mein Mahl Bin ich frey von aller Qual. 3 Fühlend kannst du an mir glauben, Was mir lieb nicht spottend rauben, Was ich aus der Seele sprach Klingt dir aus der Seele nach Fromme Freundin aller Reinen, Du kannst trösten, du kannst weinen Wenn du mich auch nicht verstehst, Alles dir im Geist erhöhst. Hier zum Schlusse noch etwas das du kennst
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Stille wird in meinem Herzen Und im Hirne wird es wach, Liebe, süsse Liebesschmerzen Lasset ihr doch endlich nach. Und die Fluthen, die zerstörten Lassen mich den Tiefbethörten Hier im Grünen einsam stehn Ach wie ist mir doch geschehn Ach wo war ich doch so lange, Kühlend wehet ein Vergessen Und mir wird nun endlich bange, Daß ich gar nichts hab besessen
Ein andermal mehr Lieder, besonders aus meinem Schauspiele Laß dich allein durch Singbarkeit in der Auswahl von | einem Paar bestimmen, thu dabey nichts mir zu lieb, sondern einzig, wenn es sich so aus Dir hervordrängt, daß Du es nicht lassen kannst. Der Druck meines Romans hat angefangen, ich hab ihn in ein Paar Gesellschaften mit Beyfall vorgelesen, wem les ich ihn lieber vor als Dir!. Clemens hat in der Einlage an Savigny ihn auf allerley Umstände aufmerksam gemacht, die ihn auch in ökonomischer Hinsicht wohlbestimmen könnten herzuziehen, wenn auch die Universität zu Ostern noch nicht 953
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eingerichtet ist findet er doch schon ein volles Auditorium für das nächste halbe Jahr, wegen der Landescollegien, die hier sich befinden, wo viele wirklich in der Arbeit Lust zum Rechtsstudium gewinnen, andre nachholen, was sie auf Universitäten versäumt haben. – Herz^liebes Kind, wie Du mir zuweilen so fehlst, wenn ich mich im 370 Walzer so um wirble und dann stille stehe und dich nicht erblicke nirgends im Saale! Und heute soll ich wieder an dies muntre Drehwerk. Guten Abend, laß mich ein ich bin ein müder Wanderer | ich habe drey Meilen auf einem Fleck gemacht, so werde ich heute Abend rufen, wenn ich an mein Bette komme, aber da antwortet keiner und ne- 375 benan schreckt Clemens auf aus dem Schlafe: Wer – was ist da, ich schlafe. Gute Nacht es ist Thauwetter, erkälte Dich nicht. Dein Achim Arnim Sind Savignys Kupferstiche noch nicht angekommen Ich hatte meinen Brief gestern geschlossen, heute früh empfing ich 380 einen von Dir und die schöne Versicherung meiner Hoffnungen. Also Du kommst und hast mich noch lieb. Schreib doch Deine Träume auf; aber ehrlich sonst hat es gar keinen Werth, ich meine ohne irgend eine Verschönerung, ich und Clemens erzählen uns Morgens gewöhnlich diese Geschichten und nehmen es alle Tage uns vor es aufzuschreiben, 385 wir lachen manchmal fünf Minuten über die wunderlichen Verdrehungen Bedeutungen, Berührungen in unsern Träumen, und fünf Minuten ordentliches Lachen will in dieser Zeit viel sagen. Neulich träumte ich von Schill er gehe durch eine grosse Parade unsrer Offiziere, die alle hochmüthig steif auf ihn blicken, läst sein Pferd bringen, 390 aber wie er aufsteigen will reisst der Bügel, die Leute lachen, er voltigirt jezt von hinten auf das Pferd, aber das Pferd wird zu einem hölzernen trojanischen Rosse. Er kommt doch hinauf, aber nun rückt der Sattel immer weiter vom Zügel daß er den Zügel trotz aller Mühe nicht erreichen kann 395
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Von Antonia Brentano nach Landshut Wien, 20. Februar 1810, Dienstag
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Liebe Bettine! Obschon es mich beunruhigte keine Anzeige wegen den Mantel von dir zu erhalten, so tröstete ich mich damit daß du gewiß dich würdest gemeldet haben, wenn der Mantel nicht angekommen wäre, nun, er ist dir recht, das ist mir recht, und wenn ich stets es mir und andern in der Welt recht machen könnte so wäre es mir auch ganz recht, das kann man aber oft nicht mit den besten Willen. Sage mir warum hast du auf dein Petschaft eine Devise gewählt welche einer Jungfrau unjungfräulich gedeutet werden kann? paßte sie nicht besser für eine junge Frau, und paßte es nicht für dich eine Junge Frau zu werden? Meline schwimmt in Entzücken, und begreift nicht wie man ohne Senator leben kann, wie man ohne Scheu, mit ihm, an das sterben denken kann, wer Theil an der ganzen Geschichte hat weis ich wegen Entfernung wo sich die Fäden nicht mehr so befeuchten und flüchtig fortspinnen nicht, man warf mir nur plözlich den ganzen gesponnenen Strang hin und rief Heirath – als ich weggieng hatte ich an ihm noch nichts bemerkt als das er lederne Hosen trägt und wie eine Katze um den Brey gieng, ob er sich die Pfoten verbrennen oder die Kastanie glücklich aus den Feuer bringen würde war mir noch nicht deutlich geworden, jezt machen sie es wie die ersten und lezten, und Franz schreibt mir Méline sey wohl an Leib und Seele aus Holland zurückgekehrt, er hat einen Plaz vor den Bokenheimerthor gekauft, bauet dort ein Haus und schaut den Fenster heraus. Reichardts Buch habe ich gemustert wie ein Vorrath voriges jährige visite Karten, so erscheint auch jeder darinn, und man legt ihn weg um eine andre Karte zu lesen, manche küßt manche tritt er im Hin – L M I A – sagt man statt Amen wenn man fertig ist. Sage mir bestimmt wie alt ist Göthe, nach unsrer gewöhnlichen Zeitrechnung, denn wie alt und wie jung seine Gedanken, Worte, seine Berührung mit dem innern des Menschen ist fühlt jeder in seiner Brust. Ich las und lese seine Wahlverwandschaften, Reinheit der Gefühle und der Sprache entzückt, auch er las und liest in den Herzen, ein Bild des Lebens wurde mir dieses Buch deshalb, weil darinn Erscheinungen sich so ankündigen und so verschwinden wie in der Wirklichkeit, dich 955
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finde ich nicht in einer Person darinn geschildert, aber in mancher Aeußerung die aus seinen wohlwollenden Herzen kam und in das meinige übergieng. Kann man schöner als er den Zustand Liebender schildern, die sich selbst im geselligen Gewühl stets nahe stehen und finden –, kann man deutlicher den Menschen als Selbstler schildern der sich überall als Folie unterlegt, kann man | wissen daß jemand weiß was und wie Liebe ist so ist in Göthe der Inbegriff der Liebe ausgesprochen. Hast du die Anecdote gelesen von Bürgers Besuch bey Göthe von Nicolai gedruckt – hohl ihn der Gukuck und sein Küster! Du sagst mir nichts von Savigny, nichts von Gundel – nichts von ihren Kindern, von dem kleinen Franz, sind es immer noch zwey, oder so wie aller guten Dinge drey? – Hier ist Jubel und Herrlichkeit durch die Vermählung der Prinzesse Louise mit Napoleon den 2t komt Berthier, den 3t feyerlicher Einzug, und Begehren, den 4t renonciation, und großer Circle bey Hof, den 5t Freyball, den 6t Trauung, wie bey der Kaiserinn in der Kirche, Souper im Rittersaal, den 7t Freyredoute, Beleuchtung der Stadt u Vorstädte 8t Abreise. Ob, und wann Franz komt weiß ich nicht, er ist dort in Geschäfte begraben, erfreut sich des Gedeihen seines Sohns, und kann hier in diesen Augenblick wo nur an den Catalogues gearbeitet werden kann wenig nützen ich könnte hier sehr schöne Tage leben, wenn nicht die Schläge des Schiksals mich zu derbe träfen, nach den Tod des Vaters manche tief erschütternde Scenen, und nach der Abreise von Franz war Franziska durch eine Lungenentzündung am Rande des Grabes, noch war sie nicht auf den Beinen als ich vor 5 Wochen ein heftiges Nervenfieber mit delirio, Zukungen etc bekam, die größte Krankheit die ich je überstand, während 4 Wochen war mir schreiben | lesen, ja wo möglich denken verbothen, und noch trage ich Spuren von Visicat. und tausend angewandten Mitteln an mir, mein geschickter Arzt und meine noch thätige Natur rettete mich, und wie sich so manche Freunde und Bekannte mir pflegend hingaben, das kann ich ihnen nie verdanken, Tag und Nacht standen liebevolle herzliche Menschen an meinen Bette, und vielleicht hätte ich ohne sie Franz und meinen George nie wieder gesehen – das fesselt mein Herz an Wien das Herzen sich an mich fesseln. Die Mädchen wachsen heran und gefallen mir und andern ein guter Meister unterstüzt mich im Unterricht und Max spielt schon hübsch Klavier, singt muntre Lieder, dein Finus wird etwas plump und eigen956
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sinnig und Franziska hat die franzischesten Einfälle, hieltest du es nicht für Wonneschisserey so sollten dir die zwey ältesten einmahl schreiben, so schreibt bub wie du da siehst. Mache mir aber keine so lange Pause in den kurzen Leben, ich höre gerne von dir, aber ich fordre überhaupt nicht gerne jemand zum schreiben auf wenn er sich nicht selbst auffordert, Lebe wohl, und treibe dein Wesen daß du beglükend beglückst wie es dein Wahlspruch ist Deine Tony.
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, zwischen 25. und Ende Februar 1810
Lieber Arnim! heute Morgen um 11 Uhr erhielt ich deinen Brief und schon sind zwei Lieder in Musick gesezt, die nur noch der Corectur und des Reinschreibens bedürfen, ich dencke sie dir mit dem nächsten Posttag zu schicken; das vom Kaiser, zu welchem Du eine besonders traurige Melodie begehrst, hab ich in einen Türkischen Marsch gesezt, aus zwei Gründen; einmal hat die Türckische Musick etwas sehr herzrührendes, und besonders wird eine Melodie Traurig wenn sie durch ihre Tacktart wiedersprochen wird; dann könnte wenn ich dir die Partitur dazu schicke der Marsch recht leicht zu einem Preussischen werden, wenn die Soldaten die Melodie einmal kennen so werden sie auch das Lied wohl singen, welches doch sehr schön für Kriegshelden paßt ich hab darum auch sehr einfach gesezt, und zugleich Pausen angebracht daß man im Marschieren gut Athem holen kann. dann hab ich auch componiert »Stille wird in meinem Herzen, und im Hirne wird es wach« ich hab aber die Idee das es Dir auch nicht gefallen möge, als nur wenn ich es in einer recht Guten Stunde vorsinge, denn es ist so einfach daß sich das ganze Metrum in jedem Vers zweimal repetiert und kann nur durch die consequenteste Mischung von Forte und Piano gehoben werden, wer dirs also recht singt, der muß deine Poesie verstehn der muß von ihr durchdrungen seyn. Das Lied vom Knaben werd ich nicht componieren, es läst sich meiner Ansicht nach nicht mehr aus sich selber demonstrieren und müste durch harmonien gesteigert werden die einem nicht sograd in die Hände und Kehle kommen, sondern durch Kenntniß müsten hervorgebracht werden, aber das Lied vom Jä957
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ger der die Nachtigall nicht Tod^schießt, und vielleicht das gewalltig liebende könnt ich noch sezen. – und nun will ich dir noch sagen über das Lied was in Prosa aus deinem Brief hervorklingt, das mir | dennoch lieber ist, als die Lieder die sich reimen; es erhellet daraus daß Du mir gut bist, dieß halte ich grad für kein Glück, aber ich halts für einen Theil meines schönsten Lebens, das in der Obhut eines treuen Herzens aufblühet, da Du sorgsamer Gärtner wie ich sehe keinen Keim zu Grunde gehen läßt, selbst jede Erinnerung die schon abgeblühet hat immer noch pflegst. – Guter Arnim ich hab dich lieb, und eine Zeit wird seyn da ich gewiß Ruh bei dir finde, aber es wechselt alles so schnell und wieder so langsam, und in einer Minute liegt manchmal alles was der Mensch sein Leben lang zu genießen hat; wie kann ich dir alles sagen? – oft erschreck ich vor den vielen tausend und tausend Schmerzen, die wie schlafende Vögel in der Brust ruhen und dann plözlich grad in der schönsten Zeit des Frühlings im Schwarm aufbrechen, und nach den warmsten Gegenden sich hinziehen; wie kann ich dir alles sagen? – der Mensch will immer geliebt seyn und verdients beinah nie; ich weiß auch nicht womit ich mirs erworben habe daß Du mir so gut bist. Auch mir ist unsere Reiße nach dem Sauerbrunnen eine der liebsten Erinnerung ich habe damals nicht nicht gedacht da ich mich an den Felsen ganz müde Kletterte, daß ich mich hier im schmuzigen Land so oft nach dem regnichten glatten Pfad würde sehnen den wir vorsichtigst niederstiegen, da wir im Thale die Mühle und die schlancke Linde, und die leichte Rauchsäule empor steigen sahen; auch der Rochus Berg, und die Ruine zu Rüdesheim wo der wilde Rosenstock geblühet hat, und wo Du böse warst. Adieu die Post geht ab. Deine Bettine Goethe hat mir wieder geschrieben und mir zum theil die engen Mauern meiner Verbannung wieder eingerißen, daß ichs recht sage ein paar Worte von ihm, sind mir wie dem Gefangnen die Sonne die ihm ins Gefängniß scheint, oder wie ein FrühlingsVogel der ihm durchs Gitter flattert.
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Von Joseph Janson von der Stockh nach Landshut Augsburg, 25. Februar 1810, Sonntag
Freulein! Daß ich 3 Wochen in Ulm saß, ist leider Ursach daß ich den letzten Brief so spät bekommen mußte, der mich wieder mehr freute, als alles in der Welt, ich hab ihn aber auch ex pleno getrunken. Denn es ist meine ganze Jugend drinn, die altlebendige; ich erinnere mich noch wie heut an den Siebenkäß, wie er mit seinen Leibgeber in der Kirche zusammentraf, und sich selbst, von der Orgel herabzusehen glaubte, so – war dieser Seele Siebenkäß, ihr Leibgeber (herrlicher Name) ähnlich. Beym Jean Paul läßt sich eben alles mahlen, sogar die Nomina propria. Wie ist seine Armuth, so herzrührend, und seine ganze Lebensfassung auf einen Schuß gestellt, er hat seiner Zeit so viel darangesezt, wie der größte Kaiser, wenn man gebohren ist giebts nichts wichtigeres als Hochzeit und Tod; süß und stachlicht sind diese Frucht, – und Dornenstücke. so spricht ein Mensch dort zum Prometheus, Bilde mich täuschend nach in dem Thone. Prometh: Bist du mir lebend nicht schon zu viel; Mensch: wisse ich sterbe, wenn nicht der Genius ewigt mein Bildniß; Prom: Auf denn, so stirb nur. Prom: Du darfst mich nicht töden hier ist der Landfried. | Pr: Ach um die Jammersaat, straff mich Kronion, nichte mein Schaffen. Auch das Vergängliche Schmerzen und Lüsten hab ich mit himmlischen Feuer durchgossen, Leben, und Sterben kan es zugleich. Mensch: Ewige Lieb, und kräftige Menschheit kan nicht vergehn. Das Zeugniß daß Sie mir geben ist viel zu gut, nur in einem haben Sie recht, daß ich nichts ganz thun will, aber das was man ganz will, darin muß man auch zu Grunde gehen, bevor man darinn aufgeht, diß ist das veni labile fatum aller Gebährung; und nur das Gebohrne, nicht das Gemachte, wird und darf sich ewig erneuen; dabey fällt mir ein ganz neues Buch von Steffens ein, über den Zweck der Universitaeten, was ich wünschte, daß Sie im Vorbeygehen es ansähen, mann erkennt darin den alten Bewährten, wie ernstlich er sich unterscheidet von den Schneemännern die mit brennenden Strohwischen sich auf Leib und Leben gehen, wobey nichts in Flammen geräth, sich aber wohl alles in Wasser und Koth verwandelt. So reißt uns ein kräftiger Zug eines andern neben hinaus zu sich und hält uns fest, bis wir ihm eigen haben, mit ihm | zu steigen oder zu fallen, wollte Gott, ich könnte Ihren guten Geist mein eigen nennen, und 959
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ich wäre immerdar geborgen, hätte keine Beichte nöthig, könnte meinen Gott empfangen, könnte kindlich meine Weege wandlen, aber wahrhaft hier gesteh ichs, mir wärs als hätt das Ewige ich verlohren, wenn sie im Zorne, meiner sich erinnern müßten. J. 2v
A Mademoiselle Mad: Bettine Brendano de la Roche a Landshuth. a: d: a Mons: conseiller de Savigni.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 26. Februar 1810, Montag
Berlin d* 26 Feb 1810 Deine Lust und Deine Arbeit am Faust sey Dir gesegnet, ich wünschte nur, daß Du zum eignen Aufschreiben die Fertigkeit gewonnen hättest, jede Kunst ist ihrer Natur nach einsam und flüchtig in ihrer ersten Erscheinung und Auffassung, in ihrer Ausbildung dagegen gesellig in Lob und Tadel gerundet, berichtigt durch Beobachtung, vollendet durch ein neues Zurückziehen in sich, so ungenirt Du mit dem Aufschreiber umgehen magst, ganz ohne Einfluß ist seine Nähe doch nicht, fühlt man doch selbst bey Göthe, so viel älterer, sicherer und in langer Gewohnheit abgehärteter er seyn mag, den Riemer, der mit fragendem Blicke zu ihm über manche recht hellpolirte Stelle ein ledernes Futteral veranlassest, so nämlich erkläre ich mir manches Einzelne, was mir in den Wahlverwandtschaften zu lang ist. Die Rec: in der Hall: Lit: soll von Brandes in Hannover seyn, Schellings Briefe im Morgenblat habe ich nicht gelesen, jene machte mir durch den eigenthümlichen Hochmuth Spas, womit sie so über das Buch hin blickt, sag, wie kommst du dazu alles kritische Zeug zu lesen, ich habe sonst nie etwas der Art bey Dir gesehen? Ueber die Wschten habe ich hier vieles herum^gestritten, manche suchten darin Absichten zu Gunsten Napoleons, sollte ich etwas darüber schreiben, so müste ich von der Heidelb: 960
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Direcktion dazu besonders aufgefordert werden, sonst sähe es anmaßlich aus; überhaupt thue ich es nicht gern, des Recensierens ist überall zu viel, als daß ein wahres Wort sich durchdrängen könnte. Unter den Heidelberger Jahrbüchern die mir seit einiger Zeit zu^gekommen ist nichts von mir als der Schluß einer Recension des Sigurd, der Anfang ist von Grimm, die Anzeige eines Werks über ältere italiänische Kunstwerke, wobey ich an Cölln erinnert habe; eine Auseinandersetzung von Werners Attila, sie haben mir das Zeichen p-s gegeben, seit sie meinen Namen ihrem Blatte für nachtheilig gehalten haben; etwas über Jungs Geisterkunde und Fried Schlegels Gedichte, den Persiles und mit Grimm den Goldfaden mag vielleicht künftig dort erscheinen, ich habs schon lange eingeschickt. Savigny sag mit vielen Grüssen, daß Humboldt mir aufgetragen ihm die officielle Berufung als unfehlbar anzuzeigen, es lege blos an dem g〈〈ew〉〉ohnten Gange im Cabinet, wenn es ein zehn 〈〈Ta〉〉ge noch aus bliebe; sonst könnte er sich in al〈〈le〉〉m so einrichten, als ob sie schon eingetroffen; wegen Schmalz möchte er sich auch beruhigen, wenn er auch bey der Universität angestellt wird, jezt hat er hier ein pracktisch juristisches Amt, so folgt daraus noch gar keine Direcktorstelle in der Fakultät, wie er in Halle bekleidet hat. Mit den Zimmern meine ich hat es noch Zeit, es sind hier Quartiere im Ueberfluß zu bekommen, auch müste mir Savigny bestimmen, wieviel Zimmer er gebraucht. Bliebe er, wie ich hoffe, gleich für den Sommer hier, so würde ich ihm nach seiner Art zu leben eine Wohnung im Thiergarten anrathen, es sey denn, daß er in der Stadt eine Wohnung mit Garten findet, was nicht so schwer ist insofern er nicht in der Mitte derselben wohnen will. Eine merkwürdige Ueberraschung wird es Dir hier werden den Faust des Fürsten Radziwil zu hören, der den grösseren Theil desselben komponirt hat, einiges sehr schön, er hat für alle Instrumente ihn eingerichtet, sehr merkwürdig ist es, einen Pole, der nicht fertig Deutsch redet, von einer so eigenthümlich deutschen Dichtung ergriffen zu sehen. Clemens sagt, du würdest Dich in den Fürsten verlieben, hüt dich liebes Mädelein; Du sollst hier mit Verwunderung das musikalische Zusammenwirthschaften sehen, geistlich, weltlich, neulich fiel es dem Clemens so ungemein auf als Fürst Radziwil einer Jüdin in Gesellschaft die Gitarre stimmte eine Schauspielerin dazu sang und eine Geheimestaatsräthi〈〈n〉〉 dazu Kuchen präsentirte. Ob es Dir hier wohlgefallen 〈〈xxx〉〉, mag ich noch nicht voraussagen, aber Savigny gefäll〈〈t es wahr〉〉scheinlich sehr gut, nach meiner Ueberzeugung ist 〈〈xxx〉〉 die Geselligkeit unter den gebildeten 961
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K〈〈xxx〉〉 einer so allgemeinen Leichtigkeit gekommen, 〈〈xxx〉〉rarischer Entzweyung ist unter den Gelehrten wenig 〈〈die〉〉 Rede, das Lermmachen in Zeitungen ist so einer Zahl Verdammter aufgetragen, die wie Missethäter ihre Strafe in diesen gefährlichen Bergwerken aushalten, etwas Antheillosigkeit ist davon leicht Folge, aber was ist die gegen die gewaltsame Verkehrtheit andrer Gegenden. Ritters Leben hat mir das nicht geleistet, was ich erwartete, dies Abgestorbene zu allen andern Verhältnissen und das Lebendige zu Frau und Kind ist mir das einzig Erquickliche gewesen, im Uebrigen ist ein gewaltsames Bestreben sich emporzurücken, was sehr oft mißglückt, in der Zeit wo er die besseren der Fragmente aufgeschrieben wär auch wohl sein Lebe〈〈n an〉〉ders ausgefallen, es ist ein Buch worüber sich mehr 〈〈Gu〉〉tes sagen liesse, als darin | steht, wenn seine näheren Bekannten zum Gespräche zusammentreten wollten und könnten. – Du hast doch meinen Brief voll Lieder bekommen? – Clemens hat noch Lust zur Besorgung seiner Bilder, Auction der Bettmann Bußmann Flavignyschen Effecten nach Landshut zu g〈〈xxx〉〉 Meine Großmutter liegt noch immer fast ohne etwa〈〈s zu gen〉〉iessen, hoffnungslos darnieder. – Dein, dein, dein A. A. 〈auR kopfstehend:〉 Erinnere doch Savigny über Clemens Scheidung zu schreiben 〈quer zur Schreibrichtung:〉 An Fräulein Bettine Brentano zu Abzugeben bey H. Hofrath von Savigny Landshut in Bayern
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, zweites oder letztes Drittel März 1810
Die Lieder die ich schicke Mirondondon mirondene die Lieder die ich schicke, sind nicht sehr gut componirt pp
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Es kömmt indessen drauf an wie sie dem Menschen gefallen, sie sind grade die erste Melodien die mir bei dem ersten Durchlesen einfielen, den Grundsaz habe ich einmal gepackt das erste nicht für das schlechte zu halten ob es bei diesen gelungen ist, besonders für deinen Geschmack, weiß ich nicht; der Marsch vom Kaiser muß fest, nicht zu laut gesungen werden, das andre Lied ist durchaus besonders im Schluße ironisch zu nehmen, sehr langsam, weich, aber nicht zärtlich zu singen bei: »Und die Fluthen« steigend heftig, »im Grünen einsam stehen« wieder gelassen. – Der Marsch auf Ludwigs Tod, ist von meinem Riemer das Chor haben wir zusammen eingesezt, ich finde die Composition sehr rührend und angemessen, ich werde dir die Stimmen dazu schicken, du wirst viel Freude mit verbreiten denck ich; – deine Furcht, daß der Notenschreiber Einfluß auf meine Musick habe, ist gegründet und auch nicht; wir arbeiten nur alle Sonntag Nachmittag zu sammen da trägt ein jeder herbei was er die Woche durch gefunden hat, er bringt mich in Tackt ich erweitere seine Melodien er sezt mir einen reineren Baß, ich erfinde ihm die Gegenbewegung zu den Instrumenten; wir sind oft entzückt über zwei bis 3 Tackt die gelungen sind; »man wird von Weit her kommen, diese Musick zu hören« »daß Muß einem jeden großen Meister gefallen« | sind ungefehr die Bemerkungen die wir gegenseitig machen, es geht aber gewaltig langsam. in vielem hab ich eine weit tiefere Einsicht als man glauben dürfte, und manches was ein jeder Chorknabe weiß macht mir die grösten Schwierigkeiten, mein Alter Meister sagt oft: er habe geglaubt wenn einer Goldstücke besize so könne es ihm an silber münze nicht abgehen, aber das sey bei mir umgekehrt. und ich dürfte wohl 2 Goldstück um 1nen Bazen geben. – beinah hätte ich Lust auch bei Dir zu prahlen und dir zu sagen daß meine Ouverture von Faust wahrscheinlich ein Meisterstück wird, über das sich alle Menschen erstaunen werden; den ganzen Faust werde ich nicht componiren es sind einige Sachen die meiner Musicalischen Natur nicht anpassen. – in wenig Tagen werd ich dir die Nachricht geben ob wir diesen Sommer, das heist in 8 Wochen kommen oder erst den Herbst. den Clemens grüße ich, und stelle ihm hier mit 963
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vor daß seine Moeble nicht das Geld verlohnen das ihm die Reiße kosten würde. Savigny will nach Clemens seiner Verfügung alles für ihn besorgen, und ihm in Bukowan Rechenschaft darüber geben transportiren läst sich doch nichts es würde immer den Werth der Sachen übersteigen, seine Bilder, Bücher p kann man bringen lassen wohin er Will, er soll also ausführlich darüber schreiben; deine Besorgniß es mögte mir in Berlin nicht gefallen, hat zwei Seiten. weil Du Dort bist, so bin ich gewiß seelig, weil aber in der weiten Welt, Berge, und | Seen und Ströme, Wälder, pp sind nach denen es mich oft verlangt so werde ich dort, wie überall, (auser auf Reißen) eine ewige Sehnsucht haben. Ich lese eben so wenig wie sonst Recensionen, die über die Wahlverwandschaften brachte Savigny mit Nach Hauße und laß sie vor, auch hatte er deine in den Heidelberger Jahrbüchern erkannt, und bat mich deswegen dich zu fragen. – Carls Versuche haben Wir zusammen gelesen, es hat uns allen mehr oder weniger einen bösen Eindruck gemacht. Savigny war am meisten über gewiße Sachen von denen er behauptet daß Kranckheit und Menschen ohne Unschuld sie nur erdencken können, entrüstet. – Warum soll ich mich hüten mich zu verlieben, Guter Arnim hüt Du mich, ich geb dir die völlige Erlaubniß dazu; indessen wenn ich wollte, ich glaube es würde mir schwehrlich gelingen, ich habe ihr (der Liebe) schon oft versprochen ihr kein Joch auf^zu^legen, ihr keine Vernunft entgegen zu sezen, und doch ist sie nicht bei mir eingekehrt, vielleicht seh ich zu viel, oder bin zu blind. Adieu einstweilen. bei rechter guter Muse einen recht langen Brief Deine Bettine
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Berlin d* 15 März 1810 Liebe Bettine! Meine arme Großmutter ist den 10ten nach unglaublichen Leiden gestorben, es ist eine schreckliche Sache um die Arzeneykunde, die solche Schmerzen um Monate verlängert, aber der Himmel, der sie zu läst, weiß vielleicht nur in solcher Abtödtung den Geist, der am irdischen Leben mit Kraft und Gewohnheit hängt, davon zu entwöhnen, nach der Meinung aller Aerzte hat sich vielleicht nie in sol964
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chem Alter solche Lebenskraft, solch ein Widerstand gegen alle Krankheitszufälle gezeigt. Sie bewahrte das vollkommenste Gedächtniß bis drey Tage vor ihrem Tode, wo wahrscheinlich ein Schlagfluß ihr Inneres lähmte, dies waren die glücklichsten Tage seit sechs Monaten, sie kehrte zu den früheren Gedanken, Wünschen zu^rück und nur selten durchbebte sie der Schmerz, daß sie betete. Nothwendige Anstalten beschäftigen mich jezt zum Theil, mit der grösten Ausführlichkeit hat sie in gesunden Tagen ihr Leichenbegängniß angeordnet, die Verzierung ihrer Leiche, ihres Sarges, welche Pferde sie nach dem Gute abfahren sollen. Sehr rührend ist in diesen Vorschriften die Liebe, die sie zu ihrem ersten Manne Fredersdorf bewahrt hat, dem sie auf | dem Krankenbette angetrauet worden, an dessen Krankenbette sie beynahe vier Jahre in beständigen Sorgen ohne Freuden verlebt hat, wo er starb. In dieser Vorschrift ihrer Beysetzung bestimmt sie daß die Seite ihres Herzens neben ihm durch die Beysetzung des Sarges zu stehen komme, ihr zweyter Mann, von dem sie Kinder hatte, soll aber an die andre Seite gestellt werden. Die gemeine Beobachtung würde in ihr nichts, als eine sehr rohe Prose gesehen haben, es scheint aber, daß jede höhere Entwickelung im Menschen eine grosse Masse des gewöhnlichen Lebens fordert. Dein Fleiß, womit Du meine Reime schmückest, segne Dir Lust und Erfolg, ich bin auf den Marsch recht begierig, wenn er gleich für mein Buch nicht passt, wo das Lied in einem ganz unbestimmten tiefen Vorgefühle von Begebenheiten, die alle zerrütten, gesungen wird. Eben fallen mir noch ein Paar Lieder in die Hände, die ich damals nicht abschreiben konnte, weil der Bogen in der Druckerey war. Eins mit den Noten in Stein gehauen auf dem Grabe eines Musikers unter einer Geisblatlaube 1 Mädchen führet dich dein Knabe In dem letzten Abendscheine Hier zu meinem stillen Grabe Und er wagt es nicht alleine, Küß ihn einmal mir zu Ehren, Das sind meine Seelenmessen; Kann ich euch das Küssen lehren, Werd ich nimmermehr vergessen.
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2 Neue Melodieen kommen Und verdrängen meine Lieder, Doch so viel ich hab vernommen Kommt das Küssen immer wieder Und von diesen Liebesnoten, Die ich liebend hab erfunden, Schallen mir noch bey den Todten Alle Wiederholungsstunden.
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Clemens treibt mich Euch bis Landshuth entgegenzureisen, damit Ihr den Weg nicht verfehlt, wenn es meine hiesigen Geschäfte erlauben muß ich ihm schon folgen, er meint es wäre doch gut, damit ich nachher mitreden könnte, wenn von Landshuth gesprochen würde, es ist nur das Schlimme, wäre ich in Landshuth, so müste ich auch nach München um die Gallerie zu sehen und da käme man unvermeidlich mit allem literarischen Volke zusammen, mit dem ich in allen Zeiten lieber gedruckte als mündliche Unterhaltung pflegen mag. Wenn ich nur erst wüste ob etwas daraus wird? Wenn ich gleich | durch den ererbten Antheil von dem Vermögen meiner Großmutter, der ewigen Noth entnommen bin, die mich aufzehrte, so fordert doch die Bewahrung und Ausgleichung mancher Verhältnisse Gegenwart und Wachsamkeit. Ich hoffe das Beste, indem ich Dich küsse. Achim Arnim.
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Von Peter Lindpaintner nach Landshut München, vmtl. zweite Hälfte März 1810
Wehrteste Freundinn! Wenn je ich es wagen darf, sie wieder bey diesem schönen Namen zu nennen, o ich weiß gewiß, Sie werden nach Durchlesung dießer Zeilen wieder so rechtschaffen, als ehe von mir dencken, und wieder Ihre alte Herzlichkeit gegen mich annehmen. Ich kann die Gedancken in Ihrer 966
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Seele leßen, die Sie vielleicht über mich faßten; doch zu schwarz, wie ich sie mir vielleicht einbildete, waren sie sicher nicht; doch allzeit herbe genug für mich, um mich nach allen Kräften anzustrengen, Sie dieselbe vergessen zu machen. Bey vier Wochen war ich auf einem Besuche, den ich meinen guten Aeltern machte, in Augsburg, die übrige Zeit, wenn ich mich nicht | Musick beschäftigte, /: die Winter’n angieng:/ war zwar nicht enge genug, um meiner besten Freundinn aus dem vollen Herzen nichts – bey drey Monaten gar nichts – sagen zu können, dennoch mußte ich sie püncktlich benützen, um meinen einzigen Freunde Herr Ploedterll /: den Sie schon einmal bey Winter sahen :/ eine Freude nicht zu versagen, die er schon längst um mich verdiente. Er aüßerte nemlich bey meiner ersten Abreiße, daß es ihm sehr lieb seyn würde, von mir, im neuern Style geschrieben, etwas zu besitzen; als nun die Einladung im December kam, den Monat Februar in Augsburg zuzubringen, so machte ich mich schnell auf, benützte jeden von Winter ungesehenen Augenblick, und brachte bey meiner Ankunft dem lieben Manne, als meinen ersten Danck, für Alles was er seit meiner Kindheit an mir verdiente, ein nicht ganz mißrathnes Potpourri, oder Rondo auf die Violine mit. Ich weiß es zu gut, daß dieß bey andern in änhlichen Fällen freylich der Entschuldigung nicht genug wäre, aber – Freundinn – ich kenne Sie – Sie kennen mich, und damit Punktum! – Ich hatte das Glück vor einigen Tagen den Herrn Prof: von Savigny in meiner Wohnung zu sehen, und dabey das Unglück, noch im Bette zu liegen. Wahrlich! ich war in einer nicht geringen Verlegenheit. Den Abend zuvor hatte ich der guten neuen französ: Kaiserinn zu Ehren dem Guten ein Bischen zu viel gethan; daher kam freylich meine etwas übelgewählte Situation bey einem mir so außerordentlich unverhofften Willkomm: allein was wollte ich armer Sünder machen, als ruhig in der fatalen Stellung auszuharren. Gleich darauf kleidete ich mich an, wollte meine Gegenvisite machen, allein zum abermaligen Unglücke war Hr Proffessor nicht zu Hauße. Wenn Sie die Güte haben wollten, mich bey Hr Professor nochmal zu excusiren, wäre es mir ein rechter Freundschaft’s Dienst. Durch seinen Mund hörte ich die niederschlagende Nachricht, daß Sie sich mit den übrigen Angehörigen bald von unserer Nachbarschaft trennen wollen. Unerwartet war mir zwar dieße Nachricht nicht, doch nicht minder ein ebenso großer Herzstoß für mich, als gewiß einen Ihrer besten Freunde, die in dießer Nähe sind. Als sich dieße düstere Ge967
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dancken ein wenig verloren hatten, drängte sich gleich die freudige Idée hervor, daß wir wie jezt getrennt, ein paar | hundert Meilen mehr oder weniger, doch das nemliche sprechen, denken, fühlen, und – vielleicht auch schreiben können. Ob mich meine Hoffnung taüschen wird, wird Ihre Güte, und die Zeit lehren. Wenn Ihnen an einem Abende im Monate Februar die Ohren zischten, so dencken Sie nur ich habe von Ihnen gesprochen, denn ich machte dort mit Hr: Doctor Janson, der öfters unser Haus besuchte, Bekanntschaft, und Sie können sich leicht dencken, wenn wir zwey uns gegen über saßen, daß wir nur von Betinen sprachen. Die Vergnügen die ich hatte, in meiner Erziehungsstadt alle kleine Plätzchen, die mir meine Kindheit merkwürdig machten, mit Entzücken zu belaufen, kann ich Ihnen nicht beschreiben; doch erst waren es ¾ Jahre, ach meinen Gedanken waren es wenigst 30 Jahre; auch meine Eltern gaben sich noch alle erdenckliche Mühe, mir diesen kurzen Aufenthalt mit der Veranstaltung mancher froher Festchen zu würzen; mit einem Worte, ich war sehr vergnügt. – Ich bin ihnen noch die Skizze meines angehen-
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 8.–etwa 10. April 1810, Sonntag–Dienstag
Berlin 8 April 1810 Du liebes Engelskind, wie dank ich Dir genug für Deine Melodieen, zwar hab ich sie noch nicht von einer Stimme Deiner Art vortragen hören, aber schon in dem heisern Tenor eines hiesigen musikalischen Bekannten wurde mir der vertriebene König ungemein lieb, und einige Gänge in dem andern Liede unvergeßlich, jenes werde ich meinem Buche gewiß beyfügen und B. B. darauf setzen, daß ich jedesmal wie ich das Buch öffne einen Brief von Dir zu empfangen glaube, so wie ich jezt sehnlich auf einen von Dir oder Savigny warte, der mein Sommerschicksal bestimmen soll, ich bitte Dich, schreibe recht ausführlich darüber. Der Marsch und das Chor auf den Prinz Louis ist recht schön, unabhängig von den Worten gedacht, aber der Marsch besonders hat wenig, so viel ich aus unvollkommnen Vortrage schliessen kann, von einem eigentlichen Trauermarsche. Das Lied auf den vertriebenen König habe ich etwas geändert, ich meine es fügt sich dadurch noch leichter der Musick: 968
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Der Keiser flieht vertrieben Jezt sein eignes Land, Sein Heer ist aufgerieben, Machtlos seine Hand. Nur die sind ihm geblieben, Die er oft verkannt, Denn streng sind, die uns lieben, Noth hat Lieb erkannt. Er grüsst die alten Tage Seiner Jugendzeit, Vergisst die schwere Plage In Vertraulichkeit. Zum Fluß ist er gekommen, Besetzet ist die Brück, Da wird sein Herz beklommen, Er kann nicht mehr zurück. Da kommt ein Schiff mit Netzen, »Schiffer, nimm zum Lohn, »Willst du uns übersetzen »Meine goldne Kron.« Der Schiffer hat genommen Seine goldne Kron, Doch wie er über kommen War der Feind dort schon. »So lieb dir ist dein Leben »Fahr zurück ans Land, »Den Schifflohn will ich geben »Aus der eignen Hand.« Der Keiser droht zu strafen Mit dem goldnen Stab Als sie zurück im Hafen Ihn dem Schiffer gab. Jetzt sah er wie die Feinde Ihn am Ufer sehn, An Freundes Busen weinte Wollte schier vergehn.
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Jezt thut es mir leid, daß ich Dir damals nicht einige hübschere Lieder aus dem Buche überschickt habe, der Fehler läst sich nicht bessern, auch ist die Zahl der Musickbeylagen beschränkt. Von Radzivil, dem es auch zugeeignet, erhalte ich zwey Melodieen, kommst Du hieher, so must Du Dich mit ihm messen, er hat sehr viel aus dem Faust komponirt, sehr schön unter andern »Christ ist erstanden« und das O neige du Schmerzensreiche und »Der Schäfer schmückte sich zum Tanz«, dies letzte wirklich vollendet. Reichardt, der jezt hier ist, wird mir Druck und Correctur besorgen. Ich meine doch, für Musick wirst Du hier manches finden, was Dich erfreut, nicht in öffentlichen Schauspielen, denn sie sind durch Ifflands Nachlässigkeit und die Abdankung der italiänischen Oper sehr heruntergekommen, aber in Privatkreisen, ich finde da überraschend viele einzelne Talente besonders zur Ausführung, viel Sicherheit, Fertigkeit und mannigfaltige Bildung.
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Gestern erhielt ich von Savigny einen Brief, der mich gar sehr erfreute, weil er eure nahe Abreise zusicherte und doch fehlte noch etwas darin nämlich der wirklich erhaltene Abschied, ich fürchte immer noch Umstände, über die mir ertheilten Aufträge werde ich ihm selbst Bericht abstatten, dir muß ich nur von den angenehmen Wirkungen des Briefes sagen. | Ich reiste nämlich in der Nacht durch eine wundergrüne Frühlingsgegend, die Pracht der Waldgebürge läst sich nicht beschreiben, aus denen ein ganz prächtiges Mauerwerk hervorschien (vielleicht Bucowan), das in der Sonne glänzte, eine bunte Fahne schwebte oben, die wurde sonderbar getragen, ich weiß nicht mehr wie, an den Wänden schwebten alle Winde umher vom ernsten Nordwind bis zum Zephir, ernst und zierlich, die Wasser stürzten aus ihren Urnen, ich ging und fuhr abwechselnd und beeilte mich sehr dahin zu kommen, wunderliche Begebenheiten eines andern, den ich gar nicht kannte, hielten mich auf, ich erinnere mich nie einen Menschen dieses Angesichts gesehen zu haben, er hatte mit einer mir eben so unbekannten Frau gewaltig viel zu streiten, sie waren immer in beständigem Lauern einander eine schwache Seite abzumerken, hielten mich bey einer Brücke auf, plötzlich aber war ich fort, und oben und trug dich in meinen Armen, ich weiß noch nicht wie, küsste dich und weinte und da kam das andre Frauenzimmer und wollte mit mir ringen, nun weist du wie man im Traume so wunderlich ungeschickt ist, man | kann sich nicht bewegen, da kam es mir immer vor, als wenn sie mich zurückdrängte, ich ärgerte mich darüber und wachte auf und so dumm Dir die ganze 970
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Geschichte jezt vorkommen mag, noch wie ich aufwachte, war ein jezt vergessener Zusammenhang in dem allen, daß ich mir vornahm, es als eine der schönsten Novellen aufzuschreiben; jezt weiß ich nichts mehr, als was ich Dir eben erzählte; Du trugst ein weiß seidnes Kleid, das fällt mir noch ein. – Von dem Ueberflusse deiner Haare, die du damals mir schenktest, habe ich ein Band zu Deinem Bilde flechten lassen, das ich jezt wie eine falsche Uhr, oder vielmehr wie die wahre Zeit mit mir tragen kann. Bist Du aufmerksam gewesen, so wirst Du eine eigne Unordnung in meinem Briefe bemerkt haben, wirklich gingen mir auch unzählige Dinge im Kopf herum; zum Heringssalate Oehl, Essig, Heringe, Neunaugen, Aepfel, Sellery, selbst Kapern, zum Bischof rother Wein, bittere Pommeranzen Zucker, zum Kardinal weisser Wein, süsse Pommeranzen, ferner Wachslichte, Talglichte, Kälberbraten, Schwartenmagen, Puthan a la Daube, das Kanape frisch bezogen, Kupferstiche ausgesucht, die Lampen, Pfannkuchen mit Kirschmus – darüber kann ein Mensch in unsrer Zeit schon drehend im Kopfe werden – dazwischen die Anfragen, Einladungen. Du must nämlich vor allen Dingen wissen, daß ich gestern einen Schmaus gegeben habe, der mich und Clemens mehrere Tage | in die gröste Agitation setzte. Mein wüstes Staats^zimmer, in welchem durchaus keine Mobilien als eine Elektrisirmaschine vorhanden waren muste ausstaffirt werden, da wurden Stühle aus dem ganzen Hause zusammengeschlept, Ueberzüge abgenommen, gewaschen, Gemälde vom Trödel gekauft, zwey Titiane das Stück zu 10 Groschen, diese gereinigt, mit Oehl eingeschmiert – sie stanken infam, das wurde aber alles durch Lawendelwasser auf dem Ofen gutgemacht, meine besten Holzschnitte wurden mit Stecknadeln rings befestigt. Clemens hat sich bey dem allen so angestrengt, daß er Nachts sich übergeben muste. Ich wanderte indessen in der Stadt zum Einkaufe umher, ein gewesener Bedienter meiner Großmutter folgte mir in Jägeruniform mit einem Sacke da gings aus einem Italiänerladen nach dem andren, mit vollem Sacke kam ich nach Hause. Nun wurde gewirthschaftet, die Pommeranzen am Zucker abgerieben in den mannigfaltigsten Arten, von dem Reiben und Kosten bekamen wir beyde allmälig ganz rothe Köpfe; die Zeit nahte, wo alles eintreffen sollte, die ganze gelehrte Menagerie von Berlin, nichts war fertig, wir lachten und taumelten – es klopft, – Clemens springt bey^seite, ich empfange unsern Musickheiligen Zelter in meinem Kaperrocke. Sehr listig führe 971
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ich ihn gleich in ein dunkles Zimmer, damit er seinen UeberRock ab- 130 lege, und während er sich in dieses Geschäft verwickelt, ziehe ich meinen Kaperrock aus und meinen Staatsrock an. Nun ging es Thür auf einer nach dem andern, alle Bekannte | Reichardts, dem zu Ehren alles angestellt war, und wer dieses öde Chaos vorhergesehen hatte, war erstaunt über die Pracht der Einrichtung. Als Steuermann des inneren 135 Lebens stand ich mit gewandter Hand bey denen vier Bischofnäpfen und versendete die vollen Gläser. Clemens machte hier die erste Bekanntschaft mit Humboldt, er fragte gleich nach Dir, ob Du mit Savigny kommen würdest, aber das, was ich eigentlich erwartet, warum ich diesen Brief verzögert hatte, brachte er wiederum nicht mit, nämlich 140 den Freypaß für Savignys Sachen, nach seiner Meinung darf alles herein, nur Consumtibilien wie Wein muß veraccist werden, dies zur Nachricht für Savigny, der den Paß sogleich erhalten soll, sobald er in meinen Händen. Savignys Auftrag ihm ein Quartier zu miethen setzt mich in einige Verlegenheit, weil ich durchaus seine Ansprüche an 145 Wohnungen nicht kenne, da selbst sein Geschäftsverhältniß im ersten halben Jahre ihm eine Gegend der Stadt dazu nothwendig machen könnte, er kann aber ganz unbesorgt deswegen seyn, im Sommer sind immer viel Quartiere leer, vielleicht könnte er in meiner Großmutter Haus ziehen das jezt meinem Onkel gehört, den wir sehr | bald von Pa- 150 ris zurückerwarten. Mit einem Bedienten ist es mir auch noch nicht geglückt, auch möchte ich voraus wissen, ob es Savigny nicht viel angenehmer wäre einen schreibenden Bedienten zu bekommen, ein solcher kostet etwas mehr, würde ihm aber sehr nothwendig seyn. Das offizielle Schreiben zur Berufung Savignys ist den 20 vorigen Monats von 155 hier abgegangen, sollte es nicht eingetroffen seyn, so wird Humboldt ein Duplicat schicken. Da hier noch ein kleiner Raum zu füllen so setze ich den Anfang eines Liedes auf eine hiesige Theegesellschaft her, es geht nach der Melodie 160 von Clemens lustigen Musikanten. Da sind wir Philosophen wieder, Die Abends in Gesellschaft gehn, Wir sind so brav, wir sind so bieder, Doch läst man uns im Winkel stehn. Es sauset und brauset die Theemaschin Es rasseln und prasseln die Witze darin, 972
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Die Augen hell flimmern Von Frauenzimmern, Um Klinggedichtsklang, Um Sing und um Sang Schweifen Die Herren und greifen Zum Thee, Uns bleibt nichts o weh! Wir sind doch Männer von Charakter Warum hört keiner unser Wort, Da sind so einige Calfackter, Ich glaub, die thun es uns zum Tort. Wir sausen und brausen von Politick, Sie lachen der Sachen mit grosser Tück Sich nichts drum bekümmern, Die Welt noch verschlimmern, Die Philosophie Begreift es nicht wie, Sie schweifen Mit Worten und greifen Zum Rum, Uns bleibt nichts, wie dumm! Es muß doch jedermann hier leiden, Wir bleiben nun verächtlich still, Wir wollen Schlechtes nicht beneiden, Zum Butterbrodt ich greifen will Das glänzend umkränzet des Tellersrund, Es kauet und schauet der Tugendbund, Die Backen hell flimmern Von fettigen Schimmern, Ohn Kling und ohn Klang Ohn Sing und ohn Sang Schweifen Die Finger und greifen Das Brodt, Uns bleibt nichts o Noth!
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Da Du wahrscheinlich auch vom Tugendbunde in Bayern und von den Beschuldigungen gegen Norddeutschland gelesen hast, so hab ich die- 205 ses Gedicht aus der Seele eines Bayern geschrieben und alle bekannte hiesige Menschen dargestellt, Clemens ist mir nachgefolgt und wenn es so fortgeht, erhalten wir ein episches Gedicht, das Aretin zugeeignet werden soll. 210
Wann seh ich dich wieder? Wann? In Bukowann? Achim Arnim
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Landshut, 22. April 1810, Sonntag
in Eil ein Wort – ungefehr am 16ten May werden wir in Bucowan sein wir gehen über Salzburg und Wien – wenn ich Dich in Bucowan treffe so ist mir dieß der liebste Augenblick – vielleicht schreib ich dir nicht mehr, seit dem ich weiß daß es so nah ist daß wir uns sehen, so sind mir alle Worte zu gering jezt verliere mir aber die Musik nicht mehr, bei^kommendes ist das einzige und Original. – esse auch nicht zu viel und Trincke nicht zu viel grüß Clemenz seine Geschäfte werde ich besorgen behalte mich lieb Bettine
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An Ludwig Emil Grimm in München Landshut, 28. April 1810, Sonnabend
Lieber Grimm! Wenn Sie Courage haben und bis den Dienstag hier sind, aber nicht später, so könnten wir vielleicht miteinander nach Salzburg reisen, am Mittwoch gehen wir bestimmt ab. Savigny läßt Sie recht drum bitten, sich so einzurichten, daß Sie mitgehen können. Sie und ich sitzen auf dem Bock, und alles wird recht gut gehen, die Zeichnungen müssen Sie auf jeden Fall mitbringen. Adieu und kommen Sie gewiß, es ist gewiß besser als zu Hause bleiben. Bettine.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Berlin, 2. Mai 1810, Mittwoch
Berlin d* 2 May 1810 Liebe Bettine! Unverantwortlich lasst Ihr uns nach bestimmten Nachrichten von Eurer Abreise schmachten, Savigny hat mir freilich geschrieben daß er am Schlusse des April abzureisen dächte, doch ehe er seinen Abschied aus München erhalten; jezt schliesse ich aus einer Nachricht von Humboldt, daß er wirklich entweder schon fort von Landshut, oder sich doch bald von da entferne. Humboldt schickte mir den einliegenden Brief zur Besorgung an Tiedemann, ich befolge seinen Auftrag ungeachtet ich glaube, daß alles viel zu spät eintrift und so sollen diese Worte an Dich auch blos dienen Dir zu sagen, daß ich keinen Brief nach Landshut senden kann ohne an Dich zu denken. Wir denken in der Mitte Mays von hier euch entgegenzureisen, ich denke tausendmal, wie das Hauß, das Thal, der Berg, der Wald aussehen wird, wo wir uns wiedersehen. Mein Onkel ist das eigentliche Hinderniß meiner Reise, die Geschäfte mit ihm sind dringend, aus Rücksicht für seine dringende Bitten muste ich die Mitte Mays abwarten. Savigny wird Dir gesagt haben, daß Dein Musickblat glücklich wiedergefunden, es ist schon in der Druckerey. Denk Dir recht was Liebes und sag es Dir in meinem Namen, du liebe nachlässige Briefstellerin. Achim Arnim.
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An Fräulein Bettine Brentano
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*740. An Franz Xaver Nußbaumer in Landshut Salzburg, etwa 5. Mai 1810, Sonnabend
Salvotti 〈…〉 gab mir 〈…〉 ein Brieflein von Ihnen. Sie fordern in selben als Beweiß meiner Dankbarkeit, Zutrauen und Offenheit über meinen Zustand. 〈…〉 Herrn Aixdorfer 〈…〉 ich werde 〈…〉 bald wieder hingehen, um ihm ihren Gruß zu melden. (Nr. 755,31-35+60-62.)
Franz Xaver Nußbaumer an B, 6. Juni 1810:
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Alois Bihler an B, 19. Juli 1810:
Sie bemerken in einem Briefe an Nußbaumer, daß ich damals so traurig gewesen sey, wie es kaum eine Kristen Seele es seyn könne (Nr. 787,19-21).
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So oft ich Deiner denke gehn mir tausend Herzen auf und tausend Stimmen reden aus mir, und wo ich etwas Liebes höre denke ich Dein, so sei Dir denn in deinem Namen B. B., liebe Bettine Brentano, liebe Beans Beor tausendfach Glück gewünscht von Deinem Amans Amor, daß Du gewißlich zu uns kommst; vielleicht kann ich Dir viel Glück wünschen und wenig geben aber was ich habe ist Dein
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Bukowan( ? ) Berlin, vmtl. zwischen 5. und 10. Mai 1810, Sonnabend und Donnerstag
Von Johann Wolfgang von Goethe nach Landshut Jena, 10. Mai 1810, Donnerstag
Von dir liebe Bettine habe ich sehr lange nichts gehört und kann meine Reise in’s Carlsbad ohnmöglich antreten, ohne dich nochmals zu begrüßen und dich zu ersuchen mir dorthin ein Lebenszeichen zu geben. Deine Briefe wandern mit mir, sie sollen mir dort dein freundliches liebevolles Bild vergegenwärtigen. Mehr sage ich nicht denn eigentlich kann man dir nichts geben weil du dir alles entweder schaffst oder nimmst. Lebe wohl und gedencke mein. Jena d* 10 May Goethe 1810
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Demoiselle Bettine Brentano bey H* Geh R.v. Savigny Landshut
Mit Friedrich Carl von Savigny an Lulu Jordis in Kassel Wien, zweites oder letztes Drittel Mai 1810
〈Friedrich Carl von Savigny:〉 Liebe Loulou Deine Briefe Mir der Liebe Gift eingeben aber so ein süsses Gifte daß von ihm ich lieber sterbe Als von anderer Speise lebe Wahres Leben hat gewonnen der von deinen Händen stirbt. Mit diesen wenigen flüchtig hingeworfnen Zeilen, dem kunstlosen Ausdruck des Gefühls, ohne Anspruch auf Kunstwerth im höchsten Sinn des Worts, empfiehlt sich bestens ein gewisser unbekannter Madame Jordis sehr verehrender N. N.
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〈B:〉 Diese gutgemachten Strophen lassen mich in Zukunft hoffen daß du nicht mehr ein Jurist Sondern ein Poete bist. Lieber Lulster: es lebe Die Freiheit es lebe die Gleichheit, das Wetter hat revoluzioniert, und ist aus kaltem Winter, schöner Sommer geworden. Da ich denn auch um so heiterer bin, geht mirs jezt erst wie Nebel vor den Augen weg, daß ich mich bei Dir zu bedanken habe, über dein bis über die Grenzen von Baiern getragnes schwesterliches Andencken; das Kleid hat mir viel Freude gemacht, aber ich hab still geschwiegen, hättest Du den Blick gesehen den ich aus innigster Gemüths bewegung, auf den von deinen Hän977
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den emfangnen Musolin warf, du hättest ausgerufen: Ja sie liebt mich! Bettine
*744. An Johann Michael Sailer in Landshut Wien, zweites oder letztes Drittel Mai 1810 Vgl. Johann Michael Sailer an Friedrich Carl von Savigny, Landshut, 5. Juni 1810 (Stimmen Nr. 184).
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Von Max Prokop von Freyberg nach Wien München, 12. Mai 1810, Sonnabend
München am 12 May 1810 Liebe Freundin! Seit ich Sie verließ, war mein Leben ein einziger langer Traum von Ihnen; Mein Glük und die schöne Dämmerung einer kommenden Zeit haben mir jede Stunde versüßet, jede Gegend verherrlicht, jeden Schritt gekrönt; jeden Blik gelohnt. O wie unaussprechlich viel dank’ ich Ihnen! ich bin wie wiedergeboren, als wenn tausend Blüthen in mir aufgegangen, ein ganzer Frühling in mir neugeschaffen wäre. Das alles hab’ ich recht empfunden als ich in Siegsdorf zur Morgen-Stunde am Hochaltare niedersank, aufblikend durch das Gewölbe und küssend jenes bedeutungsvolle Kettchen, der Rache geweiht; da war mir die Andacht klar wie die Freundschaft; und ich habe Kraft gesogen, und mir war das Spiel wie gewonnen, und wie besiegt lag das Jahrhundert vor mir. Als ich von Ihnen schied gieng ich mein Geheimniß in Gedanken durch, aufgerollet lag mir mein Lebens Plan, und wie sich die Gebürgs Kette hinzog von Aufgang gegen Abend, und recht viel Freundlich’ Thal-Land zu seinen Füssen lag, so dacht ich soll das Meteor deiner Thaten hinziehn’ zwischen Felsen, Muth und lieblichen Stunden, im BogenSchwunge; die Unendlichkeit vorwärts und rükwärts. Das ist recht schön daß ich Ihnen das alles so sagen darf, ganz ausschütten meine Seele vor der gleichsgeschaffnen; ohne Falte dastehn 978
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und ohne allen Kummer. O Freundin so muß es gut werden, aus so heiligem Bunde muß köstliches entstammen, und Göttliche Frucht muß solche Pflanze gebären. Als ich Neumarkt verließ, gieng ich zu Fusse bis an den Platz wo wir alle das leztemal ausgestiegen waren; ich hatte meinen Thränen freyen Lauf gelassen, so daß mir leicht ums Herz war, und ich kräftig dastand und gerüstet. Als ich aber inne hielt, dort wo wir alle hingesehen hatten über den ruhigen See, da sank ich nieder betend für unser aller Wohl. Und ich war heiter als ich in den Wagen stieg, dachte ganz ruhig, den Bergen ins Angesicht | sehend, besonders dem heiligen Geisberg von dessen Gipfel wir niedersahen ins Thal, wie in ein künftiges Leben. Und als sich der Sturm in meiner Brust gelegt hatte, und meine Seele wie der Ozean war wenn er im undurchfurchten Spiegel daliegt vor dem Auge Gottes, da blikt ich zu dem Himmel auf daß er meinen Arm stählen und die Stunde sollte schlagen lassen. Ja! Sie müssen mir versprechen daß Sie in heitern Nächten auch oft aufsehen wollen nach den Sternen und dem Mondlicht; denn dort begegnen sich dann unsere Blike die mir soviel Muth geben! Als sich später GewitterWolken thürmten sah ich trotzig in das verlarvte Gebürge hin, weil ich mich nicht fürchte vor diesen Blitzen und diesem Donner – und weil ich oben auf der Berg Zinne stehen will wenn seine Keule ringsum die Stein Wand zerspalten, und weil ich selbst zersplittern will den morschen Blok der Tyranney. Ja! es ist mir heiß und enge, und der ThatenDurst will mir oft die Brust zersprengen; ich möchte Berge gegen Himmel schnellen und dem Laster sein Grab graben. Soll ich denn noch lange brüten über dem herrlichen Tagewerk, noch viele lange Nächte harren der ersehnten Stunde des Vereins! Ihr Himmel erbarmt euch meiner Sehnsucht; mein Gott gieb meiner Seele Nahrung! er hat sie mir gegeben seit ich’s Ihnen vertrauen darf was meines Willens Ziel ist, nach welcher Palm ich ringe, nach welchem Feind ich werfen will mein Geschoß. Wie hab ich das verdient daß ein so göttlich Wesen mir seine Freundschaft ganz geschenkt hat, und ausgetauscht die Seele gegen mein Gemüth. Aber ich will und werde es verdienen; möchte gern der herrliche Mann seyn den das Jahrhundert ruft, daß er erstehe die Geisel zu schwingen und dem schönen göttlichen Konigreich einen ewigen Thron zu bauen. – Ich bin über Berchtels Gaden und Oberbayern nach München gereiset; Die ersten Tage hat mir manchmal geschwindelt, als stünd ich auf einer unermeßlichen Höh’ aber Ihr HändeDruk hat mein Herz erfreut und mich genährt bis in 979
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den Tod. Nach unserm WatzMann sah ich oft hinauf als unsere Gondel auf dem Königs See schwamm. Unter dem Tosen einer Cascade hab’ ich alle heiligsten Schwüre erneuert; oft haben wir Ihnen allen Gesundheiten aus gebracht; Flasche und Glas den See Göttern geweiht; – Oft 65 hab ich die schönen Stunden durchgedacht die wir zusammen lebten, so recht eines Sinns, recht wie Morgenboten eines Frühlings. Ich schwöre Ihnen daß sie wiederkehren sollen diese Stunden | meine Seele dürstet nach Ihrer Freundschaft trostreichem Wort; Sie sind die Braut meines Gemüths. O versprechen Sie mir daß Sie mir ewig klar 70 ins Auge sehen wollen, den freundlichen Händedruk nie versagen; und ich will tauchen in alle Tiefen und Höhen nimmer rasten nimmer ruhen bis ich werth bin des Ruf’s meines Zeit Alters; bis ich schwingen darf das gewichtige Schwerdt zur Saat und zur Erndte; bis mir mein Mädchen den Eich Kranz um die Stirne windet. 75 Als ich heute im Theater war, / man gab Montalban / wurden die Worte gesungen: Und die Rache Stunde Gottes ist gekommen Sie können wissen wie das auf mich gewirkt hat; Dann dacht ich mir wie unbeschreiblich traurig es seyn müste wenn ein angehender Held in dem grosse feurige Thaten gähren zurükgeschrekt würde daß er müßig zu 80 bringe seine künftige Zeit; verzweiflungsvoll daläge den Kopf in seiner Freundin Schoß, in einer schönen herrlichen Gegend ein thatenloses Leben verbrächte; fast möchte mich so ein Gedanken zermalmen, weil ich nur die Liebe die von ewig gleicher Sonnen Glut entbrannt sind für das Beste, die alles an das Höchste setzen um des Höchsten willen, die 85 kein Ungemach keinen FehlWurf scheuen, den steten Himmel im eignen Herzen tragen, und ein solcher will ich seyn! Dann war es mir als ob ein Ritter von den Böhmischen Bergen herabritte, blau und weiß gekleidet; es war ein schöner Vormittag – und er ritt über Bayerns Ebene hin; Ruhe und Hoheit im Gesichte; etwas Begieriges – ein Streben ein- 90 geprägt in seine Züge – – – – – – Verzeihen Sie – ich schwärme – kennen Sie die Geschichte des Piccolomini und der Thekla; das ist gar nicht die unsere; was dort Leidenschaft ist, ist bey uns klarer Freundschafts-Himmel, was dort endet wie ein Trauer Spiel, soll uns allen werden ein gepriesener Festtag. 95 Zu dem was ich Ihnen an jenem grossen Abend schrieb setzen Sie hinzu: »Und jeder Ihrer Blike war mir wie vom Himmel herübergestrahlt;« denn das Affektlose unsers heitern Einverständnisses muste von jeher wie aus dem Himmel herüber walten, daß daraus viel Gutes gestiftet würde. – Noch eins! Daß Sie mich ganz haben; weil ich Ihnen 100 980
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alles, alles sagen möchte was meine Seele bewegt: Ich setze Ihnen etwas aus meinen Tagebüchern her, daß Sie sehen mögen wie ich damals dachte und empfand als Ihr Zutrauen mein Beginnen noch nicht gekrönt hatte: den 11ten März 1810: (das Ganze ist an jenen Engel gerichtet den ich liebe) »den Tag will ich dir erzählen, aber du mußt nicht böse werden; als ich erwachte sprang ich auf und an die Bücher. Dein Geist war bey mir. Als ich um 10 Uhr die Kirche besuchte waren die Savigny, und die Bettine da; meine Seele umfaßt diese beyden mit der reinen Flamme der Ehrfurcht; du weist es zu herrlicher Engel meines Gemüths. Da war mir die Andacht klar und Sailers Wort klang zu meinem Herzen. Dann / o der seeligen Stunde / gieng ich zu Savigny. Wenn ich diesen sehe ist er mir ein Apostel der Kraft und Weihe, ein Gesalbter des Himmels, eine Krone des MenschenGeschlechts. Ich dachte mir: Findest du ihn allein so wirf dich zu seinen Füssen und preise seine Sorgfalt und Liebe denn du kannst nicht Leben ohne seine Freundschaft und ohne seine Achtung nicht gedeihen. Nachmittag schrieb ich an Wilhelm; laufe auf das Billard um Savigny zu finden; ich fand ihn nicht Noch keine Ruhe, lauter Zerstreuung endlich Ermattung und Schlummer – Vergieb Mädchen das war nicht männlich. o ich will dafür meine Brust dem Sturm entgegen werfen und der Zerstörung in den Arm fallen. Bey Gott das will ich; was mich das Schiksal heißt will ich nicht dulden, was die Natur fordert nicht gewähren, was die Triebe begehren ihnen versagen, groß seyn in Entsagungen, göttlich in deiner Liebe! Jezt lauf ich wieder aufs Billard finde Savigny wieder nicht. Es war Abend die Sonne schon hinab. Bettine saß am Fenster, ich segnete sie; erblike dein Aug in den Sternen. Sie bemerkt mich – mich dürstet nach freyem Raum ich schreite durchs Thor und erblike Savigny – Meine Seele wird beklommen mein Herz strömt über; an dir Mein Mädchen richt ich mich auf, schwöre dir ewige Liebe . . . . . . . « Sehen Sie so hab ich immer gedacht; wie freundlich ist mir das Schiksal daß ichs Ihnen sagen darf! Schreiben Sie mir auch bald daß ich stark bleibe Empfehlen Sie mich recht von Herzen Ihrem Schwager und Ihrer Schwester – Halten Sie den Brief geheim; Bleiben Sie meine Freundinn. Leben Sie wohl
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Die Addresse ist: a Mons. Mons. Le Bar. Max de Freyberg140 Eisenberg, Etudiant en Droits à Landshut Abzulegen bey Madame Huber MateIhr Max. 145 Rialistin. Ich bitte Sie ebenfalls um Ihre directe Addreße daß ich mich an sonst niemand zu wenden brauche.
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Wien, 16. Mai 1810, Mittwoch
am 16ten May Nur um Ihnen und mir die verfloßne Zeit wieder nah zu rücken, schreib ich, denn ich habe nichts anders, nichts mehr zu sagen als damals; Ihr Begehren bleibt das meine, was Sie begeistert, begeistert mich auch, und i〈〈ch〉〉 liebe, was Sie lieben Alles was ich sagen könnte, kann ich nicht schreiben ich wollte wir wären bei einander, nur darum daß mirs leichter würde, wenn ich bei Euch bin fühl ich mich besser, stolz, leicht, kräftig, hier die Menschen machen mich so müde, daß ich den Mund nicht aufthun mag. mir ist es so lieb, daß Sie nicht so abgebildet sind, so fertig wie andre, bleib nur immer so, halt dich nur wie ein Baum dem Gott die Ungewitter zum Scherz und 〈〈Z〉〉eitvertreib schickt – 〈〈I〉〉ch kann nicht schreiben, ich erinnere mich der Zei〈〈t d〉〉a ich Ihnen mit den Augen mehr sagen konnte als jezt mit dem besten Willen; Dencken Sie, daß ich oft mitten im Gewühl der Menschen, meinen Blick allein auf Sie richte, daß Ihr Vertrauen wie eine feste Säule in meiner Brust aufgerichtet ist – Die Nacht mit tausend Sternen ist unsere Zeit, wo es uneben und Steil ist (wie auf dem Geißberg) da reichen wir einander die Hände; wenn der eine stirbt so lebt er im andern fort in 8 Tagen, hoff ich in Prag zu seyn 982
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Die Veilgen Trag ich immer noch auf dem Herzen in der Nacht leg ich sie u〈〈nter〉〉 mein Kopfkißen 25
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Von Karl von Gumppenberg nach Wien( ? ) Landshut, 17. Mai 1810, Donnerstag
Liebes Fräulein! Es war auf dem Wege von Neumarkt nach Oettingen, wo Sie mir die Erlaubniß gaben, Ihnen schreiben zu dürfen. Auf jene schönen Stunden berufe ich mich vor der großen Stifterinn des Granatordens, und hoffe so in Ihren Augen über mein eiliges Schreiben gerechtfertigt zu seyn. Noch sind immer nicht die Ordensglieder versammelt, bis sie ein mächtiger Ruf von Norden alle zu einem schönen Streben vereinigt. – Die fröhlichen Zeiten der Gründung des bedeutungsvollen Ordens sind vorüber; und nur die Erinnerung hält sie mit kräftigem Arme noch fest, daß ich sie doch wenig durchträumen kann, die seligen Tage. Welche ungeheure Kluft liegt zwischen diesen, und der Gegenwart! Noch vor kurzem so glücklich, und nun geschieden, verlassen von allem Herrlichen in der Welt! Elender kann ich mir unmöglich den Zustand eines Unglücklichen, den ein fürchterlicher Sturm auf eine menschenleere öde Insel verschlägt, denken, als den meinigen in dem nun ganz verödeten Landshut; und mit Sehnsucht blicke ich einer frohen Zukunft entgegen, die die entferntere Vergangenheit in der Gegenwart verjüngen soll. Bis dahin tröstet mich nur der schöne Traum selig genoßener Tage der Freude, an deren Bild ich mich in steter Anschauung ergötze. Leider verursacht gerade dieß himmlische Leben in dem Wiedergenuße schöner Augenblicke in mir eine unangenehme Empfindung des Entbehrens, zu der sich denn gar schwesterlich die eines verdrüßlichen Aufenthaltes gesellet. Sehen Sie in diesem kleinen Gemählde die Züge des Lebens, das vier Monate zu leben ich verdammt bin, und gewiß werden Sie mei983
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ne Bitte anhören, die ich in den Worten San Gonzala aussprechen kann. Mit vieler Begierde erwarte ich ein Buch, dem sie so vielen Beyfall schenken, von dem Sie in jenen mir unvergeßlichen Stunden mit so vieler Wärme sprachen. – Sie um noch manches andre zu bitten, wovon Sie damals auch sprachen, habe ich das Herz nicht. – Von unserer Rückreise und den dabey bestandenen Abentheuern glaube ich, hat Freyberg eine genaue und getreue Erzählung zu liefern über sich genommen. Wir sahen manches, und genoßen den Anblick vieler schöner Gegenden. Es fehlte die Seele; darum war auf unserer ganzen Reise kein Tag, dem wir die zwey herrlichen, begeisterungsvollen Tage um Salzburg gelebt, an die Seite setzen könnten. – Verzeihen Sie dem Schwätzer, der Ihnen recht wohl zu leben wünscht, und recht bald etwas von Ihnen zu hören wünschte. Nicht ohne Hoffnung auf Erhörung nenne ich mich Ihren Landshut den 17 May 1810. ergebenen Karl F v. Gumpenberg.
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Wien, 19. Mai 1810, Sonnabend
Das lezte was Wir miteinander ausmachten war, daß Wir nicht getrennt würden durch die Entfernung; Sie haben wahrhaftig Wort gehalten: ich bin nicht getrennt, mitten unter Menschen zieht mich ein dunckles Gefühl bei Seite. wie damals wo Sie auch meinen Blick auf sich zogen. wenn ich in mein Zimmer Trette, ist mir immer als fände ich Sie, so lebhaft ist Ihr Andenken das mich in der Einsamkeit stärcker umfaßt; Sie haben also wort gehalten lieber Freund; und halten mich fest im Herzen, ich emfinde es, durch die unwillkührliche Annährung an Sie. Ich werde den Plaz nicht vergessen wo Wir uns zum leztenmal sahen, ich werde ihn nie vergessen. Alle Gewohnheit, alle Ängstlichkeit verschwindet vor der Liebe, sie gehet nicht irre, wenn sie auch auf neuen Wegen wandelt, sie schaudert nicht wenn sie auch am Abgrund hergehet; sie fragt nichts nach Gedancken nach Worten; ihr Wesen ist ein Elementh worinn der Freund Seeligkeit athmen soll, da er vorher nur Luft schöpfte. und 984
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wenn ich mich frage was ich mit Ihnen will; so ist es immer die Sehnsucht daß es Ihnen unendlich wohl in mir werde. Die Welt ist leer und unbedeutend, diese Welt für die man alles thun will, wen sie führt, den führt sie irre; wer sie leiten will den zertrümmert sie. Guter Freyberg bleiben Sie nur immer | über der Welt stehen, obschon Ihr Geist ein Weltbürger ist, obschon das Herz groß genug ist, Millionen wie einen Freund zu umfassen. und dencken Sie nur, daß in der Welt Ich bin wie ein Feuer im Leuchtthurm dem Seefahrer im Sturm ein Trost und sichere Leitung ist, so ich –. Wien ist für mich eine traurige Stadt, Welt und Lebensart sind mir gleich zuwieder; wenn ich nun dencke daß man in Salzburg mit aller Gemächlichkeit, hätte innigen Verkehr mit Gottes allmächtiger Natur haben können, und daß sich unser Beider Gemüther, wie eine Himmelspfanze aufgeschwungen hätte. Ich ging lezt Abends allein im Garten den Wir am Hauße haben, es war mir als gingen Sie neben mir her, ich emfand daß Sie mich ansahen. Oft hab ich tausend Dinge Ihnen mitzutheilen oft meine ich, ich müßte Sie führen, Ihnen die Augen verbinden und über das Unglück, die Gefahr, hinausführen, oder es müßte mir Weißheiht vom Himmel kommen um Ihnen zu bedeuten wie’s gehen soll; aber wie die Liebe ihre Flügel ausbreitet und alles Elend des Menschlichen Lebens verdeckt, so verdeckt sie mir hier allen Zweck, alle Einsicht, allen Plan über Dich, und es ist recht, | sie ist der Führer, der beste Trost, die beste Berechnung für die Zukunft, von ihr werden die Felsen in Salzburg auch sprechen –. als Wir oben allein standen da sprachen die Felsen und die Lieb miteinander, ihre Reden hatten einen festen Wiederhall in der Brust der mir ewig nachklingen wird, da oben waren wir recht in der Hand Gottes, mehr als wir vielleicht emfanden denn wenn ich sehe, was dadurch all, so zwangloß und schön in Uns geworden, so kann ich nicht anders glauben als das Gott uns seegnend berührt hat. Was sag ich alles noch? ich hab mein Herz erleichtert in diesen Zeilen es war schwehr von Liebe, wie eine Blume schwehr vom Thau ist. in Bucowan werde ich fröhlicher seyn zum wenigsten finde ich einen Brief – und der Umriß des Gesichts von Grimm? haben Sie’s nicht vergessen Gott sey mit Dir, wenn Du traurig bist so dencke nur immer daß Du noch ein reiches Gut in deines Freundes Herz besizest, daß wenn Du 985
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Dunckle Wege gehen must, ich mit Freuden mitwandre, daß ich ein Theil Deiner Selbst bin und alles Schicksal mit trage. in 8 tagen bin ich gewiß nicht mehr 〈〈hier.〉〉 〈〈Bettine〉〉 am 2v
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Von Max Prokop von Freyberg nach Prag München und Landshut, 21.–23. Mai 1810, Montag–Mittwoch
Landshut am 23 May 1810 Liebe, Liebe Freundin! Seit meinem lezten Briefe bin ich um vieles stärker geworden, und mein Gemüth wird klärer von Stunde zu Stunde. Das macht das schöne herrliche Band das Sie um mich geschlungen, das hohe Verhältniß das ein göttlicher Finger uns vorgezeichnet hat. Ich fühle den Edelmuth meiner Hinopferung, und weil ich alle, alle Blüthen meiner Jugend für das Höchste was ich strebe, pflüken will, und dann, weil ich Ihnen das so recht unbefangen sagen kann, und denken darf, wenn Sie da wären, würden Sie mir so recht begeisternd ins Auge sehen, und so recht seelenstärkend die Hand drüken, so ist mir’s oft unbeschreiblich ruhig um’s Herz, und wie eine schöne Landschaft am heitern Sommer Abend ist meine Seele. Und in Stunden der Begeisterung, wenn mich eine unendliche Sehnsucht erfüllt, mich himmelwärts treibt, und wenn ich meine, die ganze Erde liesse sich so im Schwunge mit fortreissen, und der gute Zwek erfreuend vor meinem klaren Auge liegt, da denke ich mit Belohnung an alle die das gutheissen und die sich mit mir freuen würden, wenn sie bey mir wären. Das Bild Raphaels hat tief in meine Seele gegriffen; die himmlische Welt hat durch sein Auge zu mir gesprochen, und eine ganze Zukunft lag mir wie entfaltet da. Ich weis nicht was so unbeschreiblich belohnendes liegt in seinen Zügen und versöhnendes in seinem Blike. 986
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Freundin! denken Sie hinüber wenn so alles, alles hinweggelöscht ist was eine Zeichnung verstalten, eine Harmonie trüben, ein Herz bekümmern kann; o denken Sie mit mir hinüber wenn wir in Gottes Auge unsere Seelen sonnen, unser Thun entfalten werden vor seinem Throne! Wenn ich ihn denke diesen süssen, unendlichen Gedanken, betend, weinend – denke, – dann liegt mein Leben wie eine lange Harmonie vor mir, in die Sie mit einklingen, die Sie mit vergöttern – Auch Dürers Bildniß hab ich gesehen und es hat ähnliche Gedanken in mir erwekt; das ist ein Teutscher gewesen; ein Meer von Kraft spricht aus seinen Augen. Bettine! es hat sich mir ein heiterer Himmel geöffnet – Das Schöne was er uns bringen wird sollen Sie erst später erfahren – Eines Abends als wir bey Savigny waren riefen Sie mich ans Bette, denn Sie waren unpäßlich, und da sollt’ ich einen Streit schlichten den Sie mit Salvotti hatten – denn sagten Sie ich sey der Beste unter Savignys Schülern. Freundin das Wort hab ich aufgefaßt und dachte so bey mir, wie wenn du von ganzer Seele diesen Namen zu verdienen strebtest – wie wenn du vor Teutschland dastehn dürftest, und einen noch höhern Namen . . . . . . ich mag es nicht schreiben – aber mein Wille ist tiefer als der Äther und mein Ziel ermessen nur Kometen-Bahnen. Recht groß möchte’ ich werden oder kein Daseyn haben, recht meiner Geliebten würdig oder auf immer von allen Thronen verstossen. Und wenn Sie’s ganz wüßten wie es mit meiner Liebe mit dieser unergründlichsten ist; wie sie ganz nur dasteht auf Glaube und Hoffnung; ohne irdisches Daseyn; nur so blos die Geister sich umfassen die Seelen an einander schmiegen, ehe der Mund eine Sylbe sprach. Wahrlich! will ich mir selbst werth seyn, und würdig der Gabe die mir der Himmel in Ihrer Freundschaft schenkt, dann denk ich mich, den hinopfernden, hingegebenen, fest blikenden in des Tugend Alters goldne Dämmerung hin! Und weil ich in allen diesem Sehnen, in diesem Thun und Treiben meiner Seele so deutlich erkenne den Finger Gottes, so kräftig fühle seine alles belebende Nähe, so hingerissen bin von verklärender Begeistrung; mein ich immer es gezieme mir zu ringen und zu kämpfen daß ich überall vortrefflich, bewährt, gediegen sey. dieses Streben von Gott mir eingehaucht, verklärt durch Liebe und aufgewachsen unter dem SonnenHimmel Ihrer Freundschaft wird mir ein GewährsMann seyn, daß ich unter vielen, vielen Wegen die von uns hinüberziehen, den beglükendsten erwähle. 987
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den 21 May in München. Ich schreibe diese Zeilen den Abend bevor ich nach Landshut gehe. Die Thränen flimmern mir im Auge, weil ich mich recht hindachte in 65 den Augenblik wo wir Hand in Hand sassen auf jenem Bänkchen am Wege vom Geisberg herab, und uns recht felsenfest ins Auge blikten. Denn gestern und heute ist mir eng um’s Herz gewesen; aber jezt seh’ ich voll SeelenKraft zu den Sternen auf; denn ich dachte das Göttliche unserer Freundschaft und süsses Beben ist durch meine Seele gegangen, 70 und hat aufgerichtet meine Stirne zu den Himmeln und hat gewaffnet meine Faust gegen alle Stürme. O, wenn ich’s Ihnen nur so recht sagen könnte wie’s vor mir liegt, wie ich’s schaue und entzükt bin – Ich reise izt nach jener Stadt wo Sie einen schönen Winter zubrachten. Glauben Sie mir, daß ich vor Ihren Fenstern Nachts oft auf den 75 Knieen gelegen bin und zu Gott gebetet habe daß er Ihnen, meinem Lehrer Savigny und Ihrer Schwester es wolle gut gehen lassen; denn ich habe recht gerne nahe um Sie alle seyn wollen, und so dacht ich mir bist du diesen, lieben, herrlichen edlen Menschen am nächsten. Ich reise dahin sage ich von wo mein LebensFaden | wie neu angespon- 80 nen Glorreich laufen wird in die Ewigkeit hinüber; nach jener Stadt reise ich nachdem ich schöne seelige Tage eines Frühlings gelebt, der mit FlammenSchrift in meine Brust gegraben ist, ich gehe dahin nachdem mich der Hauch eines Mädchens verklärte das mir der Himmel gesendet hat, daß es mit seiner grossen Seele mein dürstendes Gemüth 85 tröste, daß es mit EngelsHoheit ein begeisterndes Licht ausgiesse über meine Liebe über die unergründliche, Himmelhohe. Mir ist in diesem Augenblik als ob ich eine recht grosse Reise machen sollte durch lauter nie gesehene Länder, die ich aber nicht zu betreten fürchte, weil ich mich unendlich stärker fühle als das bischen 90 Hinderniß das mir ein feindseeliger Dämon etwa bringen mag. – Wissen Sie noch wie ich Ihr Pferd führte, und wie wir rechts weit hinaus sahen über die aufgeschichteten Berge, und wie wir oben auf dem Gipfel Thränen im Auge hatten – o ziehen Sie auch Ihre Hand nicht zurüke wenn es recht rauh, und schroff, und eng, und voll Klippen, wird 95 auf der Bahn die ich befahren soll. denn alles das geschieht doch nur um jener Ewigkeit willen deren Namen in meiner Seele glüht, deren Andenken mich mit Heiligkeit durchschaudert, deren Trost wie ein göttliches Gebürge dasteht. – Das eine schmerzt mich – daß ich den Sonntag da wir von Salzburg fuhren Si〈〈e n〉〉icht mehr habe nach der 100 Kirche führen können – Aber das wird 〈〈viel〉〉leicht wohl noch öfter 988
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geschehen – Heute morgens habe ich recht schön 〈〈von〉〉 Ihnen geträumt, – halb wach halb schlummernd waren sich unsre Geister nahe Am 22t Abends in Landshut. Nehmen Sie meinen dank göttliche Freundin für Ihren schönen Brief – es hat mir Ihre Seele ganz wiedergegeben. Ich dachte mir: Landshut wirst du kalt und leer antreffen weil Sie alle weit von da sind – und Ihr Brief hat mein Gemüth getröstet. Als ich die Worte laß: Bleibe stark . . . . . lief ich wie begeistert nach meinem Hirschfänger und ihn aus der Scheide reissend schwur ich einen heiligen Schwur standhaft zu seyn und hieb zum Andenken dieser Stunde eine Narbe in meinen Arbeits Stuhl. Ja ich will so bleiben und noch rüstiger werden bis Gott seinen tapfern Schnitter hinausschikt daß er erndten soll. Meine Freundinn, ziehn Sie nie Ihre Hand zurük, die ich segnend erfaßt habe, die mir ein grosser Fels ist an den ich mich in Sturmes Nöthen klammern mag. Recht kann ich’s Ihnen auch nicht schreiben wie mir’s ums Herz ist; und was ich alles ausschütten wollte in Ihre trauliche Seele – aber ich habe Männlichkeit daß ich’s ertrage, und du mein Mädchen! und Stern! bleibst auch stark! Wenn Sie einige Zeit in Bukowan oder Karlsbad bleiben so sagen Sie mir’s; vielleicht geh ich in einigen Monaten nach Berlin. Ich werde eine Geschichte unserer Freundschaft schreiben wie’s gekeimt und Geblüht hat und unter Gottes Auge geworden ist, denn der Herr hat uns viel Gnade gegeben und uns auser〈〈se〉〉hn unter tausenden Leben Sie wohl!
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Kaum bedarf es des Schreibens; ich glaube in diesen abziehenden Gedancken (die mich allem entreißen, und allein mit Ihnen beschäftigen), zu erkennen, daß Wir uns verstehen und auch ohne Buchstab un989
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sere Gedancken wechseln, mehr und mehr gehts in mich ein das Wir nicht getrennt sind, dieß ist ein herrlich Zeigen, es wiederfährt nicht allen Menschen, ich hab Ehrfurcht vor dem Ereigniß das uns zusammen führte und glaub das mir niemals etwas herrlicheres zukommen wird, das menschliche Herz ist sonsten so eng es ist gleich erfüllt von einem Gegenstand, hat es die Liebe, so mag es der Freundschaft entbehren, und ist es glücklich so kann es das Unglück des Mitbürgers nicht herbergen, lebt es dem Wohl andrer und der Pflicht so kann es das begehren der eignen Natur nicht stillen pp –. von Dir glaube ich grade das Gegentheil, ich glaub, daß alles in gleichem Wuchs emporstrebt das alles in gleichem Maase des Seegens theilhaftig wird der über dich ausgegoßen ist, Du bist glücklich bis in die Wurzel von welcher Du ergrünest, frei, ohne Stempel von Kunst, von Welt und sinnlicher Bildung; in dem seeligen Alter wo die Ideale in der Brust erwachen, ungestört deinem eignen Willen überlassen, du brauchst nicht diese göttliche Blüthe dem Vorurtheil aufzuopfern, du hast das schöne Ziel vor Dir, entweder alles was Du umfassen Kanst, diesem Ideal deiner Seele alles eigen zu machen, oder selbsten ein Opfer seiner Schönheit zu werden, beides gleich herrlich nur das erste, eine Sinnliche Erscheinung in der Welt das Zweite ganz allein eine Vergeisterung in Gott, von dem alles schöne ausgehet. – ich weiß nicht ob ich mich verständlich mache – ich kann Dich nicht dencken mit irgend einem | Band beschwehrt, wovon so manche andre gefesselt sind ich kann nicht dencken, das etwas Macht über Dich gewinne daß deiner Freiheit schade, ich glaube, und hoffe, (und Bethe) daß Du im Stand seyest alles zu vertilgen was deinem Seelenadel schade, daß Du nie nie Fesslen Tragen mögest daß deine Natur zu hoch zu Stolz zu Starck von Gott aus ist um sich irgend zu ergeben dem was Du nicht für würdig erkennest. – und dieß nenne ich das Ideal deines Carackters, ich kann mich nicht deutlicher aussprechen aber in diesen Worten so ungeschickt sie das sagen was ich meine, liegt doch das tiefe Geheimniß was mich Dir zu eigen macht – man könnte glauben ich sey vielfältig und sonderbar, aber mein Sinn ist so einfach das er mit nichts was durch Menschen veranstaldtet wird zusammenhängt, er ist hoch hoch über alles, wo nur Verschiedenheit und Vielfältigkeit in eine Masse zusammen schmilzt, frei von Eigennuz und allen gebrechlichen Eichenschaften des Menschengeschlechts; ja das ist mein Sinn mein Wille, wenn ich nur schon dieß errungen hätte, wenn ich nur schon so loß wär von allem was mich noch nieder zieht – mein Wille ist es aber, bei Gott, 990
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und Du sollst mir die Hand reichen, und sollst mir helfen; und ich will Dir helfen; was Dir wiederfährt, wieder fährt auch mir, ich will besser Durch dich werden, herrlich, Groß, will ich werden durch dich, und will dir auch wieder Treu dienen kein Menschlich Verhältniß soll auf uns ein wircken – Dieß alles sage ich aus tiefem Geist, der nicht leicht in der Sprache sich offenbahrt, nehme es auch so an – wer weiß sehe ich dich bald wieder, Zufall hatte uns hier so lang aufgehalten auf Pfingsten sind wir in Bucowan dort kömmt auch Arnim hin. ich will nicht bitten daß du auch kommst ich weiß daß es geschieht wenns seyn kann. 〈〈B〉〉 das ich so vertraulich schreib, und Du sage, ich bitte verarge es nicht, es ist eine Form die ich mir nicht enthalten kann wo ich aufrichtig bin. es ist mir als ob ich in diesem Brief ein Theures 〈〈Gelübde〉〉 gethan hätte. An Herrn Max von Freiberg in Landshuth
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Von Max Prokop von Freyberg nach Prag Landshut, 25. Mai 1810, Freitag
Ich erhalte so eben Ihren zweyten Brief, der hat auch tief in meine Seele gegriffen, und mein Glük himmelan gestellt. O bleib nur immer so du Engel, und etwas heiterer noch und trit ganz heraus ins verklärende Licht der Sonne. – Fürchten Sie nichts – ich bin gestellt, /so glaub’ ich’s/ in eine höhere Hand. die alle Welt niederstürzen soll, von meinem Anblik. Wenn ich so stünde auf einem hohen Gebürg, denk ich immer, meine beyden Hände in den Händen Jener die mir so lieb sind meine starken Freunde um mich her, und wir alle hätten die Augen gegen den blauen Himmel gekehrt, und Gott unsere Herzen ganz durchschauen würde, so müste alles was falsch und eitel und Böse ist vor diesem Gesicht nieder sinken und zerschmelzen; denn diese Kraft ermißt keiner die die Tugend giebt; vor dem Schalle dieses Horn’s stürzen alle Planeten zusammen. Nur das Herz im Auge, und so in die Welt hinausgesehen; dem Manne ein Schwert in die Faust; die Mädchen se991
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hen vom Berge zu wenn er im Thale kämpft, und flechten dem Tapfern Kränze – O wenn das alles so seyn wird! wenn ein Händedruk nach heissen Tagen, ein Blik, ein Kuß allen den Lohn herüber giessen wird in meine Seele, schon hier – und wenn ich denke wie das alles blos Vorgefühl, blos Schattenriß ist, eines unendlichen Lebens – Ich zittere vor Begeisterung, Verklärung durchglüht mich in diesem grossen, grösten Gedanken! Ja ich will über der Welt seyn – Sie wird mich nie zertrümmern, aber ich will zertrümmern diese Kugel des Irrsaals – die Liebe wird mein Elend nie zerdrüken –, weil ich nie elend seyn will, sondern die Glorie der Zukunft, soll sie mir schon hier abspiegeln, und auf ihrer Grundfeste will ich aufbauen eine herrliche DenkSäule der besseren Menschheit: Das hat mich erquikt wie Morgenthau daß es dir öfters ist als sey ich um dich; Glaube fest daran – was ich so ganz mit heissem SeelenDurst umklammert habe, wer soll mir das loswinden können! Die ErzEngel haben dir meine Freundschaft entgegengetragen; du darfst feste Gebäude darauf gründen. – Ich fange selbst an der Zeit ins Gesicht zu lachen die meinen möchte daß sie uns getrennt habe – Nein! diesen Knopf wird keine Ewigkeit lösen, er wird sich fester schlingen von Stunde zu Stunde, je tiefer unser Geist messen wird; denn da ist kein Plätzchen mehr in mir das nicht ganz erfüllt wäre mit Freundschaft und Liebe, ein verklärender Hauch ist durch alle meine Gedanken gedrungen. Ja, ich bin immer um dich, du bist immer bey mir, und deine Nähe begeistert mich, dein schönes Gemüth wohnt in meiner Brust; denn diese Pflanze hat Gott gepflanzt in sein hohes Gebürg, und unter seiner Sonne wird sie schöne Blumen tragen, drum schikt er seine Engel daß sie sie pflegen und warten sollen, weil sich sein Auge daran ergözt. Nur recht gutes Muths; wenn auch die ernste Stunde oft einen schönen Genuß bereitet, und die Wehmuth oft süß ist, wenn nur die Kraft nicht von der Seite weicht. Ich stehe wie ein grosser Fels-berg in einer ungeheuren Ebne, Gottes Hauch wird ihn dahin wälzen wo es seines Willens ist, und ich will mich seines Wink’s verständig finden; denn ich bin durstig nach seinem Wohlgefallen. – Seit diesem deinem Briefe trag ich wieder um die Hälfte leichter. Laß nur alles gut werden, wir steh’n in Gottes Hand, für so schöne Wünsche muß es herrliche Kronen geben. Laß das Bischen Zeit herum fliessen, und denke nur recht oft an mich und an alle jene Stunden; an unsere hohe Würde, an das schöne Ziel, an den Finger 992
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Gottes der sich uns geoffenbaret – dann wird eine Zeit kommen wo wir uns alle zusammenfinden – dann drükst du mir wieder die Hand – Majestät soll in unsern Augen glänzen. Vertrau’ nur fest auf mich und dich, – Sieh! ich hab den göttlichen Willen so deutlich gelesen daß ich nimmer zagen kann; deine Hand hab’ ich so fest gefaßt als meine Seele die Tugend; In dir ist mir viel Trost geworden, Ich habe die Hälfte einer süssen Last auf dich gewälzt. Mir ist als sollt’ ich dich bald wiedersehen – Aber indeß bist du ja doch immer um mich, so wie ich bey dir. Das ist das schönste unsers Bund’s daß er ganz aus dem Himmel herabgeschlungen ist, ganz auf Gottes Wink von EngelsHänden! Sey fröhlich, daure aus. Die Stunde wird schlagen. Laß mir nur die Zügel; ich will ihrer schon Meister werden, du darfst der Zukunft getrost ins Auge sehn. Träume nicht von Abgründen; ich kann wohl | hinauf, aber nie hinab; Alles was uns lieb ist, ist vielleicht der Erfüllung nah’; nur bedächtig, kein lautes Wort. Singe, sey heiter in Gottes Natur. Ich höre dich wenn ich auch nicht an dir stehe, ich sehe dich wenn du auch nicht vor mir bist. Denn diese unendliche Beständigkeit unsers Gefühls bringt uns ja immer näher – Sage mir was mein Savigny macht mein grosser Savigny; der hat den schönen Antheil an meinem Wohle, Erinnere ihn an mich wenn es seyn kann – ich bin sein Kind das stark werden soll, ihm alle Müh’ zu lohnen. – Dabey nimm meinen Dank. Ich dachte schon vor Monaten oft: o wenn es so kommen würde! und es ist so gekommen, der Himmel soll von meiner Dankbarkeit erschallen; denn ich habe meinem Herrn von ganzer Seele gedient, und er hat seine Barmherzigkeit über mich ausgeschüttet. Dabey gedenk’ ich der Worte des ersten Psalms: Der ist wie ein Baum gepflanzt an den WasserBächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätte〈〈r〉〉 verwelken nicht, und was er macht das geräth wohl Ja! es wird wohl gerathen – standhaft, tapfer, heiter und zufrieden bis dahin. Jezt Leb wohl. Ich schreibe dir bald, recht bald wieder; an unsern Briefen richten sich unsre Seelen auf; denk recht oft an jene Stunden und sey fröhlich dabey; mir ist ihre Erinnerung so süß als es mir süß ist daß ich dich lieb haben darf. Noch ein paar Worte, meine Seele fließt über dank dir Gott daß du mir Kraft gegeben hast; ich will meine Schulter stemmen gegen Donner und Sturm und meine Stirne dem Blitz anbieten aber du must stark und fröhlich seyn denn bey hier noch und dann erst drüben soll’s noch herrlich kommen 993
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Schreibe mir doch wie lang ihr in Bukowan bleibt und ob Savigny auch da ist 〈xxx〉 Vernichte meinen Namen in meinem ersten Briefe unten, du weißt doch von wem er ist, und setze auch deinen nie unter deine Briefe; ich kenne deine liebe Hand schon. 2v
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Von Max Prokop von Freyberg nach Prag Landshut, 29. und 30. Mai 1810, Dienstag und Mittwoch
Ich lese, und lese immer wieder deinen schönen Brief – der ist mir auch so ein Bild das ich nicht satt sehen kann, denn immer schließt er mir neue Höhen und Tiefen auf. Wenn ich dann denke wo das alles hinaus soll, so ist mir nicht nur nicht bange sondern ich bin recht von ganzer Seele erfreut daß es so gekommen ist. Denn sage mir! wir, die schon hier über der Welt stehen, sollten wir nicht heitern Bliks herabsehen dürfen in’s Thal wie damals als wir vom Geißberge niederschauten. Wir küssen die Hand die uns ein paar Augenblike getrennt hat, weil sie uns vielleicht alle bald wieder zusammenführt. Laß’ dir’s nur recht wohl ums Herz seyn, weil dich Gott ausersehen hat, und viel Hoffnung auf dir haftet. Auch dieses Leben ist schön für die welchen der Glanz des Himmels schon hier herüberleuchtet; glaube nicht daß der Zufall mit uns spielet; nein! der Hauch Gottes waltet in unserm Thun; so lange wir nur gut und stark sind. Seit ich mein Gemüth an deinem Blik sonne hat sich mein Streben viel veredelt, und schöne Funken sind zur Flamme geworden. Dein freundliches Auge verscheucht mir allen Trübsinn; weil ich es am blauen Himmel immer wieder finde; und dein Händedruk hat mir fast keinen Wunsch mehr gelassen. Und wenn ich denke daß alles was ich durch ein langes Leben thun und denken und fühlen und wollen werde, ich dir mittheilen und mit dir vollbringen, und dich auch recht oft fragen werde um deinen Sinn und dein Verlangen, so macht mich das unbeschreiblich 994
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stolz, und fast möcht ich weinen aus Dankbarkeit gegen den der’s so geschaffen hat. So eben erhalt ich wieder einen herrlichen Brief von dir; Wohl wahr! du lebst fort in mir wie ich in dir – kaum bedarf es des Schreibens – Aber nicht wahr du schreibst mir doch recht oft? Versprich mir das – Sieh’ es ist mir so unbeschreiblich wohl wenn ich deine Schrift lese; Hab’ doch jezt sonst noch wenig was mich zunächst erheitert und froh macht – denn mein Reich ist in die | goldene Zukunft gebaut und es geziemt mir standhaft zu warten. bis ich gerufen werde – dein Brief ist so stark und besonnen, ein wahrer Abdruk des Verhältnisses das in unsern Gemüthern aufgerichtet ist; es muß unbeschreiblich licht geworden seyn in deiner Seele. Halte dich nur fest, denn mein Arm zaget nicht, und meine Brust wird nie erzittern; Habe nur recht viel Ehrfurcht vor jenem Ereigniß das uns zusammenführte; die soll dir noch hoch angerechnet, noch herrlich gelohnt werden. – So mögen auch jene Gebürge, nach denen wir oft hinüber sahen geworden seyn, wie das geworden ist was izt so licht und wundervoll in uns fortlebt; so aus fernen Träumen von Gottes Hauch zusammen getrieben, und nachdem es sich gefunden und ergriffen hat, festen Fuß fassend, und die Stirne kühn und ruhig aufrichtend zu der Anschauung Gottes und seiner Dinge. Ja die Erinnerung dieser Stunden weht wie Heiligkeit durch den Garten meiner Lebens-Tage – und ich wag’ es kaum zu grübeln und zu forschen wie und warum es so gekommen ist – denn Gottes Finger ist mir sichtbar in diesen Zügen, und eine holde göttliche Ahnung klingt durch meine Seele. – So war’s auch einmal als ich vom Rigi Berge /:in der Schweiz:/ an einem verklärten Morgen über die Länder herabsah die zu meinen Füssen ausgebreitet lagen; da hingen meine Lippen an dem Gipfel der verschleyerten Jung frau, dem Sinnbilde meiner Göttlichen, die gegen mir über stand in blauer Ferne, und meine Seele war aufgerichtet zu den Himmeln Drum will ich heiter seyn und ruhig hinaus-sehen, und kräftig, und fest; und will immer denken wie ich’s dem vergelte der’s gegeben hat; will stark glauben an das was in meiner Brust geboren ist; und will nicht zaudern wenn mir das Horn zuruft aus den Wäldern, oder aus den blauen Himmeln die Posaune. Bettine! Jene Thränen die in unserm Auge glänzten als wir allein standen auf des Berges höchster Zinne, diese Thränen haben den göttlichen Bund gesiegelt – denn die Liebe zu den Ländern die ich unter 995
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mir sah, und den andern die noch ferner lagen, und die Liebe die unergründliche zu jenem Engel der mir den schönsten Granz flechten wird, und das seelige dankbare Gefühl daß Gott mir dem einsamen dich gesandt hat, dich an der ich mein Wohl gefallen habe die mich so ganz getröstet und genährt hat, … haben sie aus meinem Herzen hervorgelokt. Ja du kamst wie ein Engel, der den Löwen wekt, der da schlief in einer Wüste. Aber sey mir gegrüßt; ich will einen Garten schaffen aus dieser Wüste daß es meinen Brüdern eine wahre Freude seyn soll drinn zu wandeln; ich will dich auf den Händen trag〈〈en〉〉 weil du so traulich und freundlich zu mir kamst un〈〈d meine〉〉 durstige Seele gesalbt hast. Laß es hinfliessen dieses Leben wie einen heitern FrühlingsTag, du bist seiner werth; Laß uns gehen Hand in Hand und Aug in Auge, durch den selbst geschaffnen Garten weil wir Gott angenehm sind; laß uns die schönen Kronen verdienen die einst unser Erbtheil sind. Schreibe mir ob und wie, lange du in Bukowan bist; mit meiner Gesichts Zeichnung ist mir’s fast wie Karl dem 12t der das einzige Portrait was er von sich sah aus Zorn zerschnitt weil er nicht gezeichnet seyn wollte; Adieu mir ist wohl wer weis vielleicht seh ich dich bald wieder; sey meine Liebe, Getreue, Erkohrene, Freundin M. Landshut am 30t May 1810 2v
a Mademoiselle Mademoiselle Bettine de Brentano de la Roche á Prague
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Bukowan bzw. Prag Berlin, 30. Mai 1810, Mittwoch
Berlin d* 30 May 1810 Gestern glaubte ich endlich bestimmt, Dich selbst in ein Paar Tagen zu sehen, liebe Bettine, um Dir selbst alle Vorwürfe zu machen, daß ich so gar nichts von Dir vernehme, aber da muß Dein Bild noch ein Paar Tage länger meinen Aerger anhören, ich wiege mich ein Paar Tage länger in meinem Reisewagen, der schon auf dem Hofe bereitsteht, 996
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drücke die Augen zu und meine wir sässen bey einander. Der unerträgliche und mir doch so werthe Verzögerungsgrund meiner Abreise ist immer noch mein Onkel, nach seiner letzten Nachricht wollte er den 24ten May hier eintreffen, da wären wir d〈〈en xx〉〉 abgereist, heute erhalte ich die Nachricht, daß er erst den 31ten May oder 1 Juny hier anlange, so kann ich erst den 3ten 4ten von hier fortkommen. Ungeachtet meine Angelegenheiten, die ich mit ihm zu verhandeln habe, dringend und wichtig sind, wünschte ich oft, er hätte sich in Regensburg so wohlgefallen, daß er nicht so bald zurückkommen könne. Ihr habt nicht recht gethan, ehe Ihr hieher gereist so viel schöne Gegend, eine so reiche Stadtumgebung wie Wien zu sehen, das heist sich ganz unnütz das Nothwendige, Anzugewöhnende verleiden; das wird hier ein ewiges Vergleichen geben, – nun bey Gott, ich bin auch da gewesen und weiß es am besten, daß ich in schönen Gegenden bald vergnügt bald ärgerlich war, je nachdem Du bey mir warest oder abwesend. A. A. An Fräulein Bettine Brentano zu Bucowan
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*754. Von Johann Michael Sailer nach Bukowan Landshut, vmtl. 5. Juni 1810, Dienstag Max Prokop von Freyberg an B, 15. Juni 1810:
Von Klattau hab ich an Savigny über Prag geschrieben und Briefe von Sailer / der euch alle herzlich grüssen läßt beygelegt. (Nr. 764,98-100.)
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Von Franz Xaver Nußbaumer nach Bukowan( ? ) Landshut, 6. Juni 1810, Mittwoch
Landshut den 6ten Juny 1810. Gnädiges Fräulein! Es ist mir Wohlthat endlich einmal an Sie schreiben, und Ihnen sagen zu können, wie hart ich Sie hier vermisse, und wie sehr ich Sie zurück997
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wünsche; letzteres freilich nur unter der Voraussetzung, daß Sie auch gern hier wären. – Als ich aus den lieben Vaterland kam, welches am dritten Tag nach Ihrer Abreise von hier geschah, war natürlich die erste Frage, ob Herr Hofrath Savigny nicht mehr hier sey? und als man es verneinte fiel mir ganz der Muth, und ich fühlte mich sehr verlassen; denn ich hätte sie gar zu gern noch einmal alle sehen mögen. – Wäre Bihlers Brief, in welchen er uns nach Innsbruck schrieb, daß Sie am 2ten oder 3ten May abreisen würden, zur ordentlichen Zeit eingetroffen, so wären wir ganz bestimmt am | Tag vor Ihrer Abreise hier gewesen; wir erhielten selben aber erst am ersten May, konnten daher unmöglich früher als am dritten aufbrechen, welches denn auch geschah, und wir eilten so, daß wir am 5ten abends schon hier eintrafen. – Mein erster Gang war zum Bihler. Dieser mußte mir den ganzen Tag erzählen, welches er auch gern that, denn sein Herz schien mir noch ganz voll von den Abschied, den er wohl nie vergessen wird. Er zeigte mir den Stock, den er von Ihnen bekommen hatte. Ich beneide ihn deßwegen, allein er muß doch auch etwas von Ihnen haben, und verdient es, etwas von Ihnen zu haben. Als die Ritter des Granaten-Ordens zurückkamen, bemühte ich mich sie nicht mitsammen, sondern jeden einzeln wiederzusehen; denn dachte ich mir, wenn ich sie alle zugleich sehe, so sagt mir nur einer den Gruß, den ich von Ihnen hoffte, und die andern schweigen, sehe ich aber alle nach einander, so sagt mir ihn jeder, und ich habe die Wohllust, etwas, was ich so gern höre, und was ich nie oft genug hören könnte, fünfmal zu hören. – Salvotti war mir dießmal der angenehmste; denn er gab mir etwas, was mich um so mehr freute, als ich es gar nicht gehofft hatte, nemlich ein Brieflein von Ihnen. Sie fordern in selben als Beweiß meiner Dankbarkeit, Zutrauen und Offenheit über meinen Zustand. Fräule! nie hab ich mich je einen Menschen | so gern vertraut als Ihnen. Ich weiß nicht mich hielt allzeit mein Stolz und meine Eitelkeit zurück, und bey Ihnen fühle ich ganz das Gegentheil. Dieß kömmt daher, weil sie zu geben verstehen, weil Sie es mich nie fühlen liesen, daß Sie mir gaben. Für jetzt, da ich durch Ihre Güte monatlich so viel bekomme, bin ich reich, das heißt, ich habe so viel als ich brauche, und mehr wünsche ich mir nie. Zwar bin ich meiner Kleidung wegen ein bischen besorgt, al998
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lein ich denke für dieses Jahr hab ich noch genug, und im künftigen wird sich wohl etwas geben. Das Nothpfenniglein brachte ich unversehrt nach Innsbruck, allein dort mußte ich es angreiffen, denn die Stiefel waren von der Reise zerrissen, und dann habe ich mir auch zwey Hemden gekauft. Den Rest brachte | ich nach Landshut zurück, wovon ich bis Ende May lebte, wo mir dann geistl: Rath Sayler 6 f von Ihnen gab; auch bekam ich bey Leveling mein Monathgeld und so bin ich schon wieder geborgen. – Fräule! Sie sind mir hier in Landshut als ein wohlthätiger Engel erschienen, ohnedem ich an Leib und Seele zu Grund gegangen wäre. Sie sind meine erste Wohlthäterinn, und meine Brodmutter. Dafür liebe ich Sie aber auch wie ein dankbares Kind, nur mit dankbaren Herzen erinnere ich mich Ihrer, und danke Gott, daß er mir Sie zugesandt hat. Nur Schade, daß er mir Sie selbst so bald entzog, und daß ich nun gar keine Gelegenheit mehr habe Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen! Herrn Aixdorfer wollte ich zweymal besuchen, allein ich fand ihn noch nie; ich werde | aber bald wieder hingehen, um ihm ihren Gruß zu melden. Von seiner Lehre werde ich wohl wenig profitieren können; denn ich habe von 6 Uhr früh bis Abends 7 Uhr immer Vorlesungen, und ich bin daher allemal am Abend froh, wenn ich ein wenig ausruhen kann. – Tyroler Lieder habe ich nur zwey mitgebracht. Ich würde mehrere bekommen haben, wenn die Tyroler mehr zum Singen aufgelegt wären; allein leider ist das jetzt der Fall nicht. – Leben Sie recht gut Fraüle! nur haben Sie noch die Güte, und empfehlen Sie mich, wie auch die beyden di Pauli an Herrn Hofrath, und an die gnädige Frau. Ich denke immer mit Hochachtung und Liebe an die ganze so schöne Famillie, und jeder wird es thun, der Verdienst und Tugend zu achten weiß. Ich küsse Ihnen die Hände Fraüle, und bleibe ewig Ihr dankbarer Nußbaumer.
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Mit Friedrich Carl von Savigny an Max Prokop von Freyberg in Landshut Prag, 8. Juni 1810, Freitag
〈Friedrich Carl von Savigny:〉 Prag den 8. Jun. 1810. Heute, lieber Freyberg, erhalte ich Ihren Brief vom 23. May, und ich säume keinen Augenblick, ihn zu beantworten. 〈B:〉 Sie sehen daß Savigny doch säumen muß, Geschäfte hielten ihn ab, er gab mir den Auftrag Sie zu versichern daß sein erster Brief an Sie seyn soll, in Bucowan könnte man 14 Tage bleiben von Pfingstag als Morgen an, wie es noch werden soll ob sich der Aufenthalt verlängere ist ganz unendschieden. Alle Salzburger Freunde bitten wir zu grüßen auch die zurückgebl〈〈iebene〉〉n den guten Bihler Nußbaumer pp ich werde allen insgesamt einen großen Brief von Bucowan aus schreiben. ich glaub allerdings daß Gumpenberg nic〈〈ht〉〉 ohne Begleiter nach Berlin kommen werde 〈〈da〉〉rum sey er mir insbesondere gegrüßt. Der Sailer soll uns lieb behalten, und recht oeconomisch seyn, seine Ausgaben werden sich um ein gut theil vermehren durch Porto für meine Briefe an ihn. Bettine
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An Freiherrn Max v: Freiberg recommandiert Landshuth in Baiern
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Prag, 8. Juni 1810, Freitag
Prag am 8ten Juni bis jezt finde ich mich noch nicht ganz in den Reichthum deiner Liebe, mir schwindelt; seit zwei Stunden hab ich 3 Briefe von Dir in Händen, – ich will Dir nichts von meiner Liebe sagen, sondern von meinen Begebenheiten, die je nachdem, Klein oder groß sind, wie Du willst. In Wien war ich traurig, keinen Augenblick vergnügt; ich hörte etwas von Beet1000
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hoven vortragen, und zum erstenmal emfand ich wieder etwas Leben, ich begehrte ihn Kennen zu lernen, Niemand wollte mich zu ihm führen selbst seine besten Freunde nicht, denn sie behaupteten daß er in tiefer Melancholie versuncken sey, daß er keinen Menschen ansehe, und höchstens mir ein paar Grobheiten machen würde; späterhin hörte ich noch etwas von ihm, das so ganz meine Seele aussprach mir so deutlich fühlen machte wie in jeziger Zeit die Kunst sich in die tiefste Einsamkeit rette zwischen schwarzen Felszacken wo nur von oben der blaue Himmel durchschimmert. eine Gewallt die mehr Willen hat als ich selber, zog mich zu diesem Manne so sehr auch alles gegen ihn 〈〈xxx〉〉. da ich bei ihm eintrat ging er auf mich loß sah mich starr an, drückte mir die Hand, spielte auf mein Verlangen was er seit Jahren nicht gethan hatte ging mit, und blieb bis Abends 10 Uhr bei dem Abschied drückte er mich wie jemand den man lange lieb hat ans Herz, noch 2 Abende kam er, es waren die lezten die ich in Wien war; – er bat mich um Gottes willen ihm zu schreiben, es sey ihm der einzige Trost, für Tausendfaches Unglück; wenn Du nun diesen Mann kenntest, so würde er Dir doppelt auffallend seyn. er ist so stolz wie ein König auf seine Kunst, er sieht alles irdische mit Verachtung an, läst sich an nichts binden sein Blick ist mitten unter Menschen aufs tiefste Geheimniß der Natur gerichtet, dabei ist er so einfach daß er selbst der Sprache nicht mächtig ist, nur durch Musick spricht. siehst Du das hat mir wieder so wohl gethan, daß auch dieser von allen andern mich unterschied; um dich, hat es mir wohl gethan, denn es bewährt mir daß Du nicht falsch gewählt hast. Ach lieber Freund! lieber guter Freund! warum soll ich Dir erzehlen? – noch viel hät ich zu sagen, und doch hab ich das Herz nicht zum Schreiben gestimmt. – auch den Stadion hab ich hier noch gesehen er muß dein Freund noch werden ich hab größere Achtung vor ihm in seinem Unglück, wie ehedem. ich dachte an dich da er mir mit Thränen von zertrümmerter Hoffnung sprach, da er langsam aber mit erhöhter Begeistrung sagte,: der Mann der uns 〈〈xxx〉〉, will muß auf den Winck Gottes Handlen, aber nicht auf eignes Urtheil gehen; er muß Thun was ihm zu erst eingegeben ist, und darf nicht fragen wie es werden kann. – ich schreib nicht mehr, ich bin heute zu sonderbar dazu, auch die schrift ist mir wie eine Gedancken-barriere an der man Zoll zahlen muß, ich will diese Polizei nicht achten, ich will frei an Dich dencken. Morgen am Samstag vor Pfingsten bin ich in Bucowan ob wir 4 Tage oder 4 Wochen, oder gar 4 Monate dableiben, ist noch ungewiß. ich werde Dir Nachricht geben so bald ich es weiß. 1001
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Leb wohl Seel, Trost, guter guter Freund, wenn Du fromm bist, so leg Deine Hände auf mein Haupt, und laße so den Seegen auf mich übergehen Leb recht wohl, wir müßen uns noch einmal recht lange sprechen, be〈〈vo〉〉r – ich hab von Dir auch geträumt, daß Du in Bucowan die lezte Nacht vor Deiner Abreiße mit mir gewesen seyst, wir saßen beide am Boden, in meinem Zimmer das Licht stand auch am Boden wir sprachen leise um nicht gehört zu werden da wir von einander gingen waren wir beide ruhig ohne äuserliche Bewegung wie zwei Säulen die in der Morgendämmerung zusammen waren, aber durch den hervorbrechenden Glanz der Sonne geschieden werden. Adieu ich bin dein, recht dein in allem was Du begehrst. mache daß ich dich sehe, es ist wahrlich gut, seit ich deine Briefe gelesen, fühle ich noch deutlicher, daß ich dir manches zu sagen habe, was nicht schnell in der Schrift sondern in ruhigem Gespräch sich entfalten muß. Diesen Brief schrieb ich im Gewirre des Tages wo Kind und Kegel durch das Zimmer rollte; ich bin lieber am Abend mit Dir wo sich die Gemeinheit müde fühlt, und sich zu Bette legt, wenn ich an Dich Dencke ist mir jeder lebendige zuwieder, in der untergehenden Sonne saß ich, zu Wien schaute über ein Meer von grünen Bäumen hin und mir war, als dürfe ich nur die Hand ausstrecken um die deinige zu fassen, ich dachte nicht an dich, ich war mit Dir. – auf unserer Reiße hierher ist mir ein seltsam Gesicht vorgekommen daß michs bis ins Mark schauderte, ich saß am Abend auf meinem gewöhnlichen Pläzgen auf dem Kutschersiz und sah der Kommenden Nacht entgegen meine Gedancken waren – mit Krieg beschäftigt, ich war tief im Gewühl von Recht und Unrecht versuncken, die Freiheit der Völker sprach mir ans Herz – plözlich sanck ein reines Feuer am Himmel nieder, aus der höchsten Ferne vor Erstaunen konnte ich nicht sprechen sondern stieß meine Schwester an, und deutete dahin, sie verstand mich nicht und schaute nicht auf, das Feuer zog in Gestaldt einer Glocke sehr langsam abwärts, plözlich stands fest in der Luft und wandelte sich in Silberweise Flammen. Savigny erkannte es sogleich da ich ihn aufmercksam machte; es bildete jezt ein Schwert, der Glanz war in reiner noch vom Tag erhellter Luft so starck, daß es vor den Augen hin und herschimmerte, wir sahen beinah eine 4tel Stunde, es schien immer weiter gegen Norden zu ziehen. nun dencke es schien mir in dem Augenblick so geheimnißvoll – ich muste für dich Beten; es war mir 1002
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wie ein Zeigen für Dich – du! wenn Du einst Seegen bringst, so trägt dich die Erde in den Himm〈〈e〉〉l, die jezt Dich trägt; wenn Du Seegen 〈〈b〉〉ringst, so bin ich die erste die Dir Huldigt, die den Saum deines Kleides küßt wenn aber auf Erden dein Streben nicht Frucht bringen soll, so schließe ich dich in mein Herz ein, und wandle mit dir einen rauen Pfad über Stein und Klippen, bis an den Ursprung der Quellen wo das Wasser rein ist, nicht besudelt durch das ansteckende herzlose Elend, und dort bin ich für Dich, und du sollst alles in mir finden was du in andern gesucht. ich will deine Trauer nicht schmähen, und deiner Fröhlichkeit nichts in Weg legen. ich verspreche viel, Gott weiß ob ichs halten kann, aber mein Wille ist es. ich muß dich doch noch sehen, und zwar recht bald, es hat sich noch vieles zwischen Uns zu entfalten deine Begeisterung soll sich vor mir ausbreiten, aber sie soll auch an meinem Herzen hinschmelzen; das ist das reinste Feuer das nicht mehr brennt, das ist die reinste Flamme die nicht mehr flackert. / ob ich nach Carlsbad gehe weiß ich nicht es ist mir sehr traurig in der ungewißheit zu seyn, Du wirst dich noch erinnern was ich dir gesagt hab über meine Liebe zu ihm. (zu Goethe) gebe deinen zukünftigen Briefen Nummern damit ich sehen kann ob keiner verlohren geht, ich werde es auch thun einer und zwar der erste von dir scheint mir verlohren zu seyn denn ich habe keinen worin dein Nahme unterschrieben. vom 23 May ist der erste dieser 3 die ich heute erhalten hab. Gute Nacht Unschuldig Leben.
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*758. An Ludwig van Beethoven in Wien Prag oder Bukowan, zwischen 8. Juni und Ende Juli 1810 Ludwig van Beethoven an B, 10. Februar 1811:
ihren ersten Brief habe ich den ganzen Sommer mit mir herumgetragen, und er hat mich oft seelig gemacht (Nr. 875,6-7).
*759. An Johann Michael Sailer in Landshut Bukowan, vmtl. zweites Drittel Juni 1810 Johann Michael Sailer an B, 5. Juli 1810: Savygnis herzliche Briefe hab ich erhalten (Nr. 777,4-5). Max Prokop von Freyberg an B, 12.-20. Juli 1810: viel schönes sagen lassen (Nr. 785,115-116).
und vordem Bettine’s
Du hast mir durch Sailer
Johann Michael Sailer an Friedrich Carl von Savigny, 9. September 1810:
Die ihrem Bruder Clemens so gleich sieht [Bettina], hat mir zwei liebe Briefe geschrieben (Schiel 1952, S. 352).
*760. An Karl von Gumppenberg, Franz Xaver Nußbaumer, Eduard von Schenk und andere in Landshut Bukowan, zwischen 10. und 13. Juni 1810, Sonntag und Mittwoch B an Max Prokop von Freyberg, 8. Juni 1810:
Alle Salzburger Freunde bitten wir zu grüßen auch die zurückgebl〈〈iebene〉〉n den guten Bihler Nußbaumer pp ich werde allen insgesamt einen großen Brief von Bucowan aus schreiben. (Nr. 757,10-12.)
Karl von Gumppenberg an B, vmtl. 23. Juni 1810:
Ihr Universalbrief, worinn Sie auch den Watzmann nicht mit Stillschweigen übergehen, muntert ihn auf (Nr. 768,2-3).
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Zwischen 10. und 13. Juni 1810
Alois Bihler an B, 19. Juli 1810:
daß ich oft eine kleine Eifersucht über Nußbaumer und Schenk etc. nicht unterdrücken konnte, wenn ich daran dachte, daß diese vor mir Briefe von Ihnen erhielten (Nr. 787,5-7).
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Bukowan, etwa 10. Juni 1810, Sonntag
Vieles liegt in meiner Brust noch, was all für Dich ist, und weil so ganz, ein reiner Wille dabei ist, so wird auch reine Wahrheit Drinn seyn; jezt fühl ich noch mehr wie sonst daß Unser Bund ein Geheimniß bleiben muß, es würde uns nimmermehr die Welt verstehen. – Heute ist Arnim hier angekommen. ich hab mich erfreut an seiner Gestaldt an seinem Angesicht, es strahlt was lichtes freies aus ihm hervor was er selbst nicht kennt, was mir aber das liebste an ihm ist, grad weil ich ihn so lieb habe; aber in meiner Natur entwickelt sich immer mehr das was den Menschen nicht angehört, und trennt mich schneident, selbst von diesem besten Freund oft weiß ich nicht wohin ich gehöre, alles was ich will ist nicht auf Erden, die Musick begeistert mich vielleicht nur so, weil sie im Augenblick ihrer Erscheinung sich loßwindet und davon flieht mit den Lüften; ich wünsche mir, es mögte eine Wolke mich umfassen und mich weiter Treiben im Wind und Sturm; ich habe keine bestimmte Sehnsucht nach Gott aber ich mögte vergehen wie ein Ton vergeht. Du Freund! dich hat der Himmel geseegnet mit der Liebe es ist die herrlichste aller Gaben, wer recht lieben kann steht mit Himmel und Erde in heiligem Bund. wenn es nur durch Dich wahr wird was ich von Gott erbitte, wenn nur aller Glanz von Dir ausgeht, wenn nur alle Tugend sich an Dich andrängt, du bist recht gebohren ihre Kraft an Tag zu bringen. In mir ist es nicht so wie in andern, wenn die Menschen mich ganz kennten sie würden Tief erschüttert werden, über das Gebilde meines Lebens, Ach lieber Freund; Freude, ist nicht allein Glückseeligkeit; meine Glückseeligkeit ist so Tief unter | die Felsen begraben, daß ich noch lange arbeiten muß biß ich zu ihr gelange; ja mein Herz war voll Ahndung da ich in die Salsburger Gebürge sah, ich dachte: bist Du deinem eignen Leben so nah weil du so bewegt bist, weil du begehrst aufgelöst zu seyn, in diese schöne Natur, und nur einen Augenblick war mir das Gelobte Land gezeigt ich durfte nicht 1005
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drinn weilen, durfte nicht mein Herz an die ewigen Felsen andrücken, und wahrlich mein Herz schlägt voller beim Anblick der Berge, als wenn es unter Menschen ist. – O Gott geb dir seinen Seegen, und sonderbarlich, zu deiner Liebe, diese Liebe möge wachsen bis an den Horizont. wenn deine Liebe nicht mehr ist, so bist du nichts, du bist alles durch diese Liebe, es ist die Gestaldt in welcher Gott dir erscheint und zu dir spricht. Gute Nacht jezt trete ich wieder ans Fenster, um einen Augenblick für dich zu beten, es ist alles in tiefem Schlaf, ich bin allein ich werde vielleicht sehr Fromm seyn können, deine 3 Briefe lese ich alle Tage. 2v
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Bukowan, etwa 11. Juni 1810, Montag
Deine Liebe leuchtet mir wie ein Karfunckel durch die Brust. seit ich Freund mit Dir bin, bin ich in die üppigste Gegend meiner Lebensbahn gerathen, zu allen Seiten drängt sich die Blüthe empor; ich überseh nicht mehr die Herrlichkeit denn ich bin darin versuncken. O Heute! heute hatte ich vieles im Geist dir zu sagen, in dem Duncklen Fichtenwald wo die Sonne ihre Strahlen wie Pfeile durchschoß, aber es läst sich nicht alles auffassen was in guten Augenblicken durch die Seele geht; – ich hatte den Brief von Savigny an Dich gelesen; wie ganz anders bist Du darin aufgefast als ich dich kenne: Diese Bildung die Dir einstens das Recht geben soll, deinen Besiz dein zu nennen, das heist, dir vor Menschen anzueignen was du Dir vor Gott allein erworben hast, erscheint mir gleichsam als ein Niederreißen der Festungswercke um eine getreue Stadt. was andre Menschen als unbequem an Dir Tadlen daß Du nehmlich verschloßen und Unbehülflich erscheinst, ist mir das herrlichste Zeugniß einer reinen kräftigen Natur; wenn ich Dich wiedersehen sollte feiner, gebildeter, mehr Geist zum Täglichen Gebrauch, recht wie man allgemein liebenswürdig interessant pp. gefunden wird; dann würde ich wahrlich die Augen vor dir niederschlagen, und nimmer zu Dir aufheben; Nein! wenn Du Dich 1006
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jezt schon fühlst gleich einem Fels, so Thürme sich auch dein Äuseres, wie Fels auf Fels, starck und unbeweglich, im innern die Schäze verschließend eher kalt, als zu sehr anlockend; denn wo die Menschen einen bewohnbaren Fleck antreffen, da bauen sie sich gleich an und tragen ihre Kleinlichkeiten ihr Elend auf die herrlichsten Punckte in der Natur, so behandlen sie auch den Geist, das Gemüth, wo sie nicht sich zugleich erheben können da wollen sie | unterdrücken, sie Kriechen am Ende wie die Schnecken auf einer schönen Pflanze herum und meinen es sey alles nur für sie geschaffen. das Savigny dieß nicht berührt, versteht sich, allein – Seel meines Lebens! – wo was großes gebohren werden soll, da geht die Natur nicht den gewöhnlichen Jahrgang die ganze Welt liegt in Tiefem Schlaf, hört nichts fühlt nichts; der große Mann wie der kleine, der Herrliche wie der geringe, der nicht zu dem Werck berufen ist, ist betäubt und blind, alle Ahndung schweigt; und nur der Geist Gottes salbt in heilicher Nacht sein Kind, ein allgemeiner Stillstand ist über alles aus gegossen; die Flüsse ströhmen nicht, die Winde Rauschen nicht, es wird nicht Tag nicht Nacht, eine Zeit, auser dem Zeitraum der der Erde Gehört, ein Göttlicher Moment aus der Ewigkeit bildet den Menschen der für Die Ewigkeit schaffen soll. – Du fühlst was ich hier sage, und hast mit mir, tiefe Ehrfurcht. Ich will Dir sagen, was Wahrhaftig ist: daß nehmlich keiner die Welt beherrschen wird, als der sich über die Welt schwingt »verlasse dein Eichenthum und folge mir« heist: Sei Frei, und sey das Göttliche selbst. – ich rufe dir tausendmal zu: Sei frei! – im höchsten Sinne des Wortes, und du hast alles was dir als Held gebührt. sey ruhig, sey gesund, schlafe wohl und Sanft, aber wenn Du in der Nacht erwachst, wenn Du an einen glänzenden Himmel schauest, der gelassen den verwornen Erdbal in seiner Betäubung beleuchtet dann dencke meiner, wenn die kühle Nachtluft, um dein Haar spielt, dann denck an mich, dann drück mich fest an dein | entschloßnes Herz – in der Nacht war ich immer geborgen wenn ich am Tag unzufrieden mit mir selber war, wenn Eitelkeit, und die Tausend und 7 ben Sachen eines lehren Menschenlebens, mich mit sich fortriß, da fand ich mich imer in der Nacht wieder, versöhnte mich mit mir selber, die Gloke der Wehmuth schlug helltönend in der Nacht an meine Brust an, und es klang wieder wie reines Erz, Augenblicke hab ich in der Nacht gehabt, wo ich mich wie geläutert fühlte wo mir war wie der leichten Luft die zu meinen Füßen die Wellen des Rheins kräuselte, wo ich so ruhig war, daß selbst kein Gedancke durch mich zog; meine Wangen haben in der 1007
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Nacht oft gebrennt, so durchglüht war Herz und Geist, und wieder zog der Geist leise aus, in weite Länder und Welten und vergaß mich selbst. jezt ist es auch Nacht in dem ich dieses schreibe; alles schläft im Schloß, ich werde noch einmal das Fenster öffnen und nach Baiern hinsehen, wo Du wohnst. ich werde für Deine Liebe einen einzigen Gedancken zu Gott schicken. Du hast mich, und – darf ichs sagen? – du hast einen großen Schaz in mir errungen. denn ein Leben das wie vom Himmel fliesset gehet um deinetwillen in mir auf, – Leb wohl – wenn du am Abend draußen bist, so küß die Erde für mich, einmal hab ich im Abendroth (es sind jezt 3 Jahre) lang gebethet, ganz allein Kniete ich im weiten Feld, damals hab ich auch die Erde geküßt, heiß und weinend ich wollte der herrlichste Mensch auf Erden werden, dann hab ichs wieder vergessen, oft war ich traurig, daß ichs nicht in erfüllung gebracht hatte, jezt liegt mirs wieder so nah – Durch Dich – meinen Freund 2v
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No I Bucowan, am 12ten Juni Nun ist sie wieder da, die Stunde Die ich Dir geweihet habe, wenn die Andern alle schlafen gehen, so geh ich mit erfülltem Herzen an meinen Schreibtisch; wenig kann ich nur sagen es wird oft schwehr das was sich in den lebendigsten Farben im Geist erzeugt, in Worten wiederzugeben; wenn ich daran dencke daß Du jezt noch wenig Trost hast auser meinen Briefen, wenn ich daran dencke daß Du eine »süße Last« mit mir getheilt hast, so fühl ich mich würdiger. sonst dachte ich oft, /: wenn so das ganze Leben das ich mit genießen sollte an mir wie ein Gespenzt vorüber zog:/ was wird aus mir werden; jezt habe ich beinah den festen Glauben daß alles was ich mir in früherer Jugendbegeistrung gewünscht, auch wahr an mir werde. Du bist wie die langersehnte 1008
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Morgenröthe hervorgebrochen die den gewißen Tag verkündet; mein glühendster Wunsch war immer, den Leib nicht für eigne Glückseeligkeit aufzuopfern /:wie es der Zweck aller scheint;:/ sondern für das Wohl, die Herrlichkeit, pp das Leben abzustreifen. – Du weist vielleicht aus eigner Erfahrung das glühende Wünsche, Enthusiasmus, grade das schwankendste in der Jugend ist, ein Hauch von Gemeinheit macht alles verfliegen, und die Seele die eben noch wie ein Brennendes Fest geschmückt war, ist plözlich Tod und kalt; so ging es mir abwechselnd, nie hat mir die störende Umgebung Ruhe genug gelassen um daß etwas, hätte tiefe Wurzel fassen können, das dem frechen Tag der Gewohnheit, hätte troz bieten können jezt sehe ich auf einmal daß du mir vorgearbeitet hast, alle Stärke geht durch dein Wunderbares Schicksal auf mich über, durch dich kam ich unwillkührlich näher mit Gott zusammen; – dieß muß auch dich erquicken. Gute Nacht jezt geh ich ans Fenster 1v
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am 13ten Juni. Mein Freund! heute hab ich eine glückliche Stunde mir ist wohl, und ich ahnde eine sehr edle Entwicklung in der Zukunft; sonderbar ist es daß ich deinen Worten mehr traue wie meiner eignen Seele, wenn du sagst: es wird alles gut werden, so ist mirs die Wahrheit, wie mir Wahrheit ist das des Mondes Schimmer reiner und heller ist, als das arme Weisheitslichtlein der Menschen; Wenn du hoffest nach Berlin zu kommen so zweifle ich nicht daran, und seze einen großen Theil unserer Glücksblüthe in dieses Zusammenseyn. Ich fühl es mit Dir das Wir beide durch Gottes Wille so gegeneinander stehen, wir würcken beide groß auf einander; Du hast vor mir die Nebel getheilt, und eine Kraft die mir grad in diesem Augenblick nötig war, ist dadurch auf mich gekommen. – Unser Thun sey nicht irdisch – Unsre Hofnung sey das höchste, – unser Geheimniß sey das tiefste – nie werd es kund unter den Menschen da es nicht des Menschen Treiben ist, sondern des Geistes. Versäume nicht, an mich zu dencken wenn Du fromm bist, ich will dir vergelten. ich habe auch zu tragen, ich hab des Gebeths nötig, wenn Du hinkömst so gehn wir miteinander in Die Kirche, komm hin, bedächtig und ruhig, ich werde eine Stunde für dich im Tag finden wo die Einsamkeit ihre heiligen Thore aufschließt, komm hin ich werde dich anhören, und mit Ehrfurcht deiner Ehre eine Wohnung in meiner Brust bereiten, komm hin, seh mich noch eh die Sonne die Wolken aus1009
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einander treibt, und ihr Glanz mich blendet, Gute Nacht, jezt gehe ich, nach der Nacht sehen, es wird mir schon Gewohnheit vor Schlafengehn für dich zu bethen. – am 14 ten Sag nicht das Du mich lieb hast, lieb mich nicht, das ist kein Geschäft für Dich, sey eins mit mir, sey weitumfassend, sey allgemein, sey wie die große herrliche Natur, die wir zusammen anschauten, auf dem Berg; die umfaßte viele Wesen, und uns beide die auf dem höchsten Gipfel standen, über ihr, umfaßte sie nicht, aber sie drang in Uns ein; so ist es Wahr, daß ein einziger Blick den uns Gott gönnt neue Tiefen in unserer Seele erschließt, neue Lebensquellen hervorströhmen macht. – Ich kann nicht sagen daß ich froh und Lustig bin, aber ich bin fest und ruhig, wie es sich ziemt in deinem Geschäft. erinnerst du dich, wie Du mir sagtest: »Ich weiß nichts lustiges zu erzehlen, und mag auch nichts lustiges anhören« – diese Worte fallen mir jezt noch oft ein und geben mir Trost, denn sie sind mit ein Beweiß daß dein Carackter in schöner Harmonie mit deinem Schicksal liegt, daß keine wilden Nebenzweige an diesem schönen Fruchtbaum wachsen, daß keine Bisarerie (die so oft als böser Geist mit dem edelsten spielt) es wagte deine edle Natur anzutasten – ja es geziemt sich für dich daß Du ernst seyest, es soll keine Oberflächlichkeit wie ein falsches Licht von ausen in dein Inners scheinen; – wir haben zu große zu schreckliche Beweise in jeziger Zeit, daß aller zusammen geraffter Ernst, aller augenblicklicher Wille der Aufopfrung nichts nichts gefruchtet hat, daß alles am Laster zerschmetterte, wie die harte scharfe Klinge, an dem härteren Fels, sie kehrten nach einander zurück die Helden die es gut meinten, abgestumpft und müde, sie thaten nichts anders im Kriege, als nur ihren Enthusiasmus 〈xxx〉; darum meine ich, daß nur derjenige | der wie ein Baum in seiner Art, so in seinem Beruf aufwächst dem Gott seine Luft zusendet, dem er den Boden füllt mit Kräften und Nahrung und ihm ganz seine innigste Natur dazu ausbildet daß nur ein solger es wagen dürfe mit Zuversicht ans Werck zu gehen; Dir ist bis jezt in allen Stücken die Gnade Gottes sichtbar zugeflossen, du bist aufgewachsen in Reinheit, du hast einen Leib der starck ist, die Liebe ist dir ein Harnisch den du schon seit früher Jugend trägst. die heiliche Begeistrung die von ihr ausgehet ist das Schwerdt mit dem Du schlagen sollst; welche Waffen! welche Zuversicht muß daher in dir wohnen, und doch, mein Rath ist: sey dehmüthig; – 1010
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sey oft mit Gott, gedencke meiner bey Ihm, ich hab Zutrauen in dein Gebeth, so wie Du auch Zutrauen haben sollst in das meine. Freund, harre aus, werde groß und Größer, bis du das Glück berühren darfst. gleich wie ein Gott ders zu sich wendet und sich anstrahlen läst nach seinem Willen. hier schreib ich dir zum Schluße etwas aus einem Neuen Buche Arnims das mich an dich erinnerte. »Was dringt in meine Adern, – in meine Sehnen, welche Heldenstärcke, in alle Sinne welche ewge Klarheit, mein ganzer Wille wird nun zum Entschluß; Schon steh ich jenseit dieses wüsten Lebens, weit über Euch ihr niedern Erden Götter, da ruh ich in der Schicksalsgöttin Armen. Ich sollt mir opfern sehn so reine Größe, und nichts gewinnen als ein schwelgend Leben? Ich hasse Euch ihr unglückselgen Götter, die ihr das rothe Blut in tausend Bächen, an den Altären müsset fließen sehen; des Mitleids Qualen könnt ihr nimmer stillen, Euch opfern nie dem Schicksal ewger Liebe! ich fühls, jezt wird im Kopfe mir so licht, dem neuen Tage strahle ich entgegen, der aus den Fluthen sich so kräftig dränget. Nein ich gehör nicht mehr dem neuen Tage, er zwingt mich nicht zu glauben an sein Licht das nur ein Gegenschein von meiner Liebe. Bald werf ich mich der Sonne froh entgegen damit ich selbst der weiten Welt erglänze«. Schreib mir nicht mehr hierher, die Posten gehen unordentlich in Berlin finde ich deine Briefe, unter Savignys Addresse, aber meinen Nahmen drauf, damit ich mir nicht erst darf die Briefe von andern geben lassen, und gefragt werde von wem, und was drinnen stehet, von heute an will ich sie beziefern damit du siehest ob einer in der Zahl ausbleibt. Schreib auch meinen Nahmen nicht in deine Briefe ich nenne dich auch nicht. An Baron von Freiberg in Landshuth
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Von Max Prokop von Freyberg nach Prag Landshut, 15. Juni 1810, Freitag
Landshut Am 15 Juny Die Hand Gottes hat mich schwer getroffen; der grosse Vater hat sein Kind früh geprüft. Aber laß alle Wehmuth fahren, wir baden uns im Meere seiner Barmherzigkeit. Das waren mir 8 Tage wie ein langes Leben voll Begebenheiten und Schiksale. Wenn der Sturm so früh hereinbrüllt muß man wachsam seyn und gerüstet. Was geschehen ist? – der da oben weiß es am besten – ich weiß es nicht – dank ihm daß er mir ein Herz gegeben, das das alles dulden und erfassen kann. Dank ihm daß er dich mir gesandt hat die mir’s tragen hilft und den Schmerz vergöttlicht. Ja! nun ist es ernsthaft und fast über seine Jugend hinaus denn die Zeichen beginnen. Deine Briefe vom 8t hab ich heute erhalten – gelesen – und der Erdball ist unter mir zusammengestürzt. Laß das alles Gut werden – die Wehmuth will mir oft ans Herz dringen, aber ich geißle sie zurüke, und alle Wolken bläßt mein Odem von der Sonne hinweg. Seit 3 Tagen steh’ ich einsam und um mich ists wie verödet Wenn ich die Hülfe nicht so nah wüste, wenn mir’s möglich wäre zu bangen, so sollt’ ich jezt trübe Stunden haben. Aber so ist es nicht eigentlich – deine Briefe sind Felsen worauf ich sitze – so war’s als ich wieder heraustrat aus Böhmen auf meine bayerische Erde. da leuchtete der Trost der Religion durch meine Seele wie ein stärkender Strahl und aufgerichtet stand ich wie auf himmelblauen Gebürgen. Der Vater hat’s gegeben es steht in seiner Hand – nur keinen trüben Augenblik ich bitte dich. Ich war dir und euch allen nah, recht nah so daß ich weinen möchte wenn ich’s denke; und Gottes Stimme hieß mich heimgehen und ich habe seinen Worten gehorcht. Wenn du nur wohl bist; ich habe Kraft das Gemeine ist abgestorben um mich, und wer nicht göttliche Altäre baut den seh ich nimmer. – ja beym Himmel, unser aller Ziel der Hauch Gottes schaudert mir aus deinen Briefen durchs Herz und mein Gemüth ist in die Unendlichkeit gekehrt; denn mir ist’s als gehört ich nicht dieser Erde an. Ja wenn ihr nicht wäret – Aber nur ruhig wir gehören ihr alle einen Augenblik – Jene aber die Gottes Finger mit Kräntzen geziert hat gehen dem Opfer voran daß die vielen Millionen den Weg finden mögen. Ich sag’ dir so viel verworrenes Zeug. Vergieb mirs eine Erzählung frommt mir nicht und mein Kopf schmerzt mich. Du weißt’s doch daß ich 8t Juny Abends in Klattau, 15 Stunden von Bukowan war? und daß 1012
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der Vater sein Kind nicht eingelassen hat in den Garten an dessen Thor es stand. Vielleicht um es einzuführen wenn alles noch köstlicher blüht und die ersten Früchte reif sind – Von Berg zu Berg hab ich hinein gesehen, aber ruhig bin ich doch geblieben; immer von derselben Kraft durchglüht. Wie lange bleibt ihr wohl? Wer weiß – das ist mein fünfter Brief – auf den folgenden setz ich die 6te Nummer Seit diesem ist der Baum doch wohl grüner und seine Äste kräftiger geworden. Heute komme ich von München. Ich habe viel Hoffnung nach Berlin zu gehen – ich bin unbeschreiblich ruhig in diesem Augenblicke. die Zukunft steht aufgerissen vor mir – wie ein schöner AbendHimmel. Schreib mir nur – wenn’s wieder stürmen will ist dein Brief mein AnkerGrund. die Zeichen welche am Himmel geschehn sind die Schrift die ich am liebsten lese und verstehe; Gott spricht durch seine Elemente zu mir. Jezt da ich etwas mehr Fassung habe als diese Tage her und nicht weniger Glut, nicht weniger Begeisterung ist mir recht wohl in dir. Ich will daß dir auch so sey und daß du grossen Trost finden sollst in unsrem Verhältniß. Jezt kann ich dir’s auch erzählen wie’s gegangen hat. Es war am Donnerstag den 7t Juny früh um 3 Uhr daß ich den Hirschfänger nahm und dem Salvotti die Pistolen gab daß wir hinziehen sollten euch in Bukowan zu sehen. Das Ideal unserer Wünsche strömte mit verklärender Begeisterung durch unsre Adern; und doch – schon da sah’ ichs kommen daß es dießmal nicht werden wird; und weil dem liebvollen Gemüth alle Tiefen der Zukunft auf geschlossen sind nur daß es der Verstand nicht begreiffen kann; | so lag mir eine Ahnung am Herzen, die mir oft recht bange machen wollte. Aber weil mir die Religion und die klare Vernunft ihren Schild liehen so hab’ ich das Ungewitter das mich drükte verstummen heissen – an des Menschen Kraft soll’s ja nie gebrechen – was Gottes Wille ist soll er kämpfend nicht ruhend erwarten. So ist es gekommen daß wir Freytag Abends schon über den böhmischen Bergen in Klattau waren wo man uns aus Mangel an Pässen angehalten, und zurükzukehren genöthiget hat. Ich darf dir’s gestehen als ich Abends über das Gebürge nach Klattau hinabfuhr hatte mir das Städtlein ein furchtbar Ansehn, als sey’s aus Eisen gegossen um mich zu bezwingen. Herz, Sinn, Gemüth sind drüben gewesen – bey euch aber die Füsse musten Zurük. Samstag Morgens den 9t bat ich den Comißär /in dessen Willen ich den Finger Gottes ehre/ er wolle doch gestatten daß ich zu euch gienge und, überwältigt vom SchmerzGefühle lag ich – ich aus dem ersten Adel meines 1013
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Reichs, ich mit meinem Donner Sinne, mit meinem Planeten stürmenden Willen – ich der ich mich erkohren – berufen fühle alles was nicht hohen Sinnes ist zu zerspalten und zerknirschen – ich lag zu seinen Füssen, und die Thränen fielen aus meinen Augen. – Verzeih mir das; aber darauf ist mir unendlich leicht geworden, und weil ich in sol- 80 chen Dingen mich ganz hinlege in den Arm des unendlichen Herschers so hat er den Seegen seines Geistes ausgegossen über mich daß ich reich getröstet war, als ich die bayrischen Berge wieder hinanschrit. Und wenn ich izt zurükdenke so schwebt eine süsse Wehmuth über mir – mein Gemüth aber ist groß geworden mein Wille ist gestählt. Sag 85 mir unverholen was du davon denkst Mir ist als stünd ich oben auf Bergen wo nach allen Seiten hin Wege gehen in die Thäler darum; und du stündest bey mir; und ich sehe immer und forsche und lausche wo mir Gott ein Zeichen gebe das ich deuten soll. So leb’ ich selige Tage in der Anschauung einer klaren Zukunft in den Gedanken an meine Engel, in 90 der zurükgezauberten Errinnerung verlebter Stunden. Vorgestern sah ich Raphaels Bild und das des Dürers. O wärst du nur bey mir gewesen daß ich hätte in deiner Hand diese Stunde durchlebt! Adieu. Setze keine Namen in deine Briefe – sey behutsam. Sag mir wohin ich die Briefe izt schiken soll und wenns seyn kann so laß die 95 Addressen an mich von einer fremden Hand schreiben damit mans hier nicht erkenne. Ich will den Winter in Berlin seyn wenns gehn will oder doch den künftigen Sommer. Von Klattau hab ich an Savigny über Prag geschrieben und Briefe von Sailer / der euch alle herzlich grüssen läßt beygelegt. Meinen ersten Brief vom 11t May hat Tiedemann besorgt – 100 vielleicht kömmt er später wo nicht so schik’ ich dir die Abschrift. Ich möchte dir noch viel, noch recht viel sagen. Es war am 31 May daß ich abends, als eben ein herrlich reiner Tag in die Nacht hinüberdämmerte, als der Abendstern eben auf dem rosenrothen Meere schwam das sich am westlichen Himmel hinanzog – der Mars aber ge- 105 rade über meinem Scheitel stand – wie von Begeisterung ergriffen den Annaberg hinanlief – wo du mich liebe Freundin einmal an einem Vormittage fandest. Am Abhang der Höhe lag ich jezt in der Glut meiner Andacht. Es mögen 8 Wochen seyn daß ich auch so kniete in einer MondNacht an derselben Stelle. Weil mir Gott seit damals soviel Segen 110 herübergeschikt hat, war mein Gebet durch sehnsuchtsvolle Dankbarkeit verklärt. Sieh’ da war mir als würf ich mit einenmale alle Sinnlichkeit hinab und ich schwebte wie erhoben von EngelsHänden Gott häuft seine Gnade über mir und seiner Barmherzigkeit ist kein Ende! 1014
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Darauf ist mir geworden recht wohl in der Seele und als stünd’ ich oben am Ausgange des Himmels in die Welt mit einem ganz klaren Bewußtseyn der Rükkehr. Ja allen Gewittern bin ich Gewachsen, und die Stürme will ich wie Gras zerkniken – das ist schön wenn die Brust überfließt von Wille und Kraft. | Ich sehe schöne Zeiten, heitre Tage kommen wo sich alles trefliche nah’ ist. Da stoßt dann der Kahn in der Mondnacht vom Lande daß man vor die Sonne aufgeht droben auf den Bergen sey um das Morgenlied zu singen – da sizt Abends der trauliche Zirkel im Grünen und sein Blick schwimmt in der rosigen Dämmrung da ergreift der Mann das Wort und spricht von der geschlagenen Schlacht und andern vortrefflichen Thaten; und die Mädchen hören zu und staunen und drüken ihm die Hand. Laß es nur kommen der Baum ist grün er wird schön blühn und herrliche Frucht tragen. Wie himmlischer Thau ist’s in meine Brust niedergegangen denn ich hab dir meinen Sinn ganz geopfert. Was ich erfasse will ich nimmer fahren lassen – wenns erst ein Geschenk ist das sichtbarlich vom Himmel kommt. Vertrau auf Gott und mich. Seit ich diese lezte Fessel zersprengt habe liegt der Grund und die Tiefe meiner Seele vor Gottes klarem Auge. Schau mich nur an tapfer’s Mädchen, sollst’ Freude haben an mir, und uns sollen heitere Stunden schlagen. Von Trennung sey fortan die Rede nimmer; sondern vom ewigen belohnenden Zusammenseyn. Wir alle wollen uns zusammenstellen wie durch ein göttlich Horn aus der Ferne gerufen. – Jezt nochmal – Leb wohl – Vielleicht seh ich dich bald. Bleib nur fest. Ich bin um dich, Gott über uns beyden. Schreib mir, gieb Nachricht von jeder Gelegenheit. Ich will indeß ernst und zurükgezogen seyn und mich zu grossen Dingen bereiten. Aber immer, immer nimm den Dank meiner Seele du mein SchutzGeist und Engel; ja Bettine nimm die Thrä〈〈ne〉〉 meines dankbaren Gemüths denn du hast mich himmelangerichtet; – doch das a〈〈lles〉〉 mag einst gerechtet und gelohnt werden – laß du mich sorgen daß ich zeitli〈〈ch Gutes〉〉 stifte. Ich bin ruhig, gefaßt, heiter. Wie’s auch kommen mag, immer wird’s 〈〈herrlich〉〉 seyn, der klaren Bestrebungen werth. Laß mich dirs nochmal sagen daß 〈〈seit〉〉 unser Bund festgeschlungen ist, seit du mir die Hand drüktest, bedeutungsvoll ins Auge sahst, jene unendliche Welt die lange in meinem Gemüthe lag freudig und voll Glorie aufgeflammt ist; und ewig wie Gottes Urlicht wird unsere Freundschaft glühen. Deßwegen können wir hier froh seyn, und wenn trübe Wolken hinziehn so wollen wir doch immer den blauen Himmel hoffen und erringen. Glaube – während ich diese Zeilen schreibe ist mir’s unendlich 1015
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wohl in dir wie du’s gewunschen hast, und eine heitere Sehnsucht verklärt meine Seele. Nicht wahr Bettine so wird’s bleiben durch alle 155 Ewigkeit. Glüklich – Glüklich sind wir. Laß uns dafür beten zu dem der’s gegeben hat.
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Bukowan, 16.–24. Juni 1810, Sonnabend–Sonntag
am 16ten Juny. Ich habe heute wieder an manches gedacht, was Du vor mir ausgesprochen, und habe in mir beschwohren daß es so seyn soll, Gott möge mich stärcken; ich hab ungemeine Freude an Dir, O! bleib wie du bist, ein Kind. die Einsamkeit der Nacht macht mich fromm und Gut, ich kann dich auch dencken als wenn Du vor mir stündest, ich fühle aber ein Bedürfniß dich zu sehen ich habe manches zu sagen was ich nicht schreiben kann, Oft ist mirs als wenn Du mir entgegen kämest, und ich führte dich ruhig an einen stillen Ort, und spräche mein ganzes Herz vor dir aus; du hast mit Großmuth mir dein innerstes vertraut, das so herrlich ist, daß mich erhob über dießes Leben wie über eine Felsenlast, die vordem auf mir geruht; dir mögte ich sagen was mir wehthut, wo ich kranck bin, wo ich fehle, pp – deine Liebe mögte ich kennen, ich mögte sie sehen, vor Ihr her gehen, sie Sprechen sie berühren; verzeih die Unbescheidenheit. aber daß wäre nun wahrlich mein Begehren, das Recht der innigsten Freundschaft an ihr auszuüben. am 18ten Abends Dein Herz bleibe nur immer so Treu, so edel, so muthig, Gott stehe Dir immer bey, lasse dich nicht so harte Brüfung dulten, daß er Dich kalt, oder unsteht mache. 1016
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in meinem Gemüth ist es jezt wie in einer Dunklen engen Gegend, wo die Felsen ihre Häupter aneinander legen, ein einziger greller Sonnenstrahl trifft meine Augen und weckt mich aus dem Schlummer, ich stehe da, voll | innerer Regung, bis in die Fingerspizen fühle ich den Willen zu leben wie dieser weckende Geist es verlangt. und was wird daraus noch werden? Nur in dieser Einsamckeit wo ich an alles gedencke hab ich einen befriedigenden Augenblick; wär ich doch bei Ihr der Wunsch entgeht mir oft im Tag; ich glaub daß ich sie ungemein lieben würde. – Ich habe viel gedacht und wenig geschrieben die Nacht ist schon tief herein gezogen; schlaf glücklich, fromm wache gestärckt auf; kein Sturm jage die Blüthen von dir Du edler Stamm, alle Geister Gottes nehmen dich in ihren Schuz, ein ewiger Friede sey in deiner Seele, und mit ruhe vollbringe das zu was du auserwählt bist. wer in Gottes Schuz arbeitet sey es auch das kühnste, dem wird Ruh und Friede nicht aus der Seele weichen. am 19 ten Abends Erst heute hat Savigny deinen Brief vom 4ten Juny bekommen worinn du schreibst, daß Ihr am Pfingstfeste hier seyn würdet wenn ich nicht ein unbedingtes Zutrauen zu Deinem Geschick hätte, das selbst bis ins Gewöhnliche Bewacht zu seyn scheint so würde ich glauben Du seyst Kranck, besonders da ich auf die 3 einzigen Briefe die ich von dir habe, keinen mehr erhalten; – deine Briefe! – die mir oft unendlichen Trost gewähren; – ja wenn auch das ganze Leben um mich her in Todesschlummer säncke, ich würde mich nicht fürchten, würde nicht allein seyn, so Tief geht in mich ein dein Geist; manche Stellen fallen mir oft ein, wenn ich gar nicht daran dencke. – Meine Umgebung stört mich ich kann in diesen Augenblicken nicht so innig mit Dir sprechen, die wenige Menschen hier, die in manchem so ganz verschieden von mir sind und grade durch die Einsamkeit mir um so näher, zerstreuen mich, am Tage fühle ich zuweilen große Anwandlung zur Melancholie, besonders in der Mittagsstunde; – ach es wird mir so wahr was ich dir in der lezten Stunde gesagt habe daß Du mir seyst wie die Nacht; – mit ihr kömmt aller Seegen alle Ruhe über mich; eh ich schlafen gehe dencke ich immer noch einmal mit aller Kraft meines Geistes an Uns alle. Leb wohl! sey glücklich aber nur durch den der Uns zusammengeführt hat; daß deine Herrlichkeit sich einst entfalten möge vor ihm mit aller Reinheit.
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am 22 Juny Abends Ich muß heute meinen Zorn über Dich ausgehen lassen Du hasts zu Arg gemacht, noch nie ist es irgend wem gelungen wenn er es auch mit Absicht gethan hätte meine Emfindlichkeit so zu reizen. Wir waren den ganzen Tag in den Herrlichsten Gegenden herumgestreift durch Ruinen alter Schlößer und Kirchen überall hab ich deiner Gedacht, an die Wand der Schloßkapelle schrieb ich: daß Gott doch in allen Tempeln wo zu ihm gebetet wird auch dich Seegnen möge; in dem Heimweg war mein einziger Gedancke daß ich einen Brief von dir erhalten könne weil während meiner Abwesenheit der Briefbote zurückgekommen war, ich hatte dir so unendlich viel zu sagen, so recht aus der Mitte des Herzens denn wenn ich im Freien bin da ist mir immer als wenn Berg und Flüße und Meilen die uns Trennen, verschwunden wären, als wenn die Luft meinen Sinn zu Dir hintrage – hier nun finde ich zur Abkühlung meines Enthusiasmus die Nachricht daß ihr in Glatau vergebens Euch bemühet, einen Pass zu bekommen | und nun bitte ich dich Kind Gottes, wie konnte Dir das einfache Mittel nicht einfallen uns von Dort aus einen Boten zu schicken wir hätten mit leichter Mühe Euch hierher gebracht, Savigny und Bettine wären vielleicht selbst gekommen Euch zu holen vieles habe ich im Sinn dir zu sagen – ich kann aber nicht, ärgere mich immer noch zu viel, kann meine Gedancken nicht sammlen; O lieber Freund, wenns wieder drauf ankommt deinen einzigen Freund zu sehen – /nehms nur nicht übel/ sey nur gescheuter. und wenn habe ich wieder einen Brief von Dir? – deine Briefe die ich so ehre, so heilig halte, oft wenn ich an einem Tag zerstreut, nicht ganz dir eigen bin, wage ich nicht sie aufzumachen oft wenn ich traurig bin drück ich sie ans Herz, küße sie, diese 3 einzigen.
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ich sehe dich gewiß bal〈〈d m〉〉ein Herz sagt mirs grade nicht, und ich sage dir auch nicht: komme; – denn ich weiß daß Du thust was recht, und was dir möglich ist; und beides könnte ja hier nicht seyn. allein meine Hoffnung gründet sich darauf daß eine Zeit ist wie sie uns nimmer werden würde daß wir zusammen die Sonne auf und untergehen sehen können daß Gott hier in der freien Natur, am besten als mittelsperson unserer Verträge uns ans Herz sprechen könnte. und daß dein ausen bleiben von Glatau auch vielleicht grade darum nothwendig war. – ich bin zu kühn lieber Freund, ich habe den Ancker meiner Hoffnung schon so fest in d〈〈en〉〉 Grund gesenckt daß er schwehr zu lösen seyn wür〈〈de.〉〉 Es ist 2 Uhr in der Nacht tausend Sterne, und des Mondes Sichel stehen am blauen Himmel und die Kühle Luft weht über der ganzen weiten Gegend auch über dir ist dieser Himmel, der du jezt im Schlaf bist und ich mit diesen Sternen sencke einen Tiefen Blick auf deine Ruh aus der noch tausend Zweige des Lebens ersprießen sollen. wenn du nicht kömmst so schreibe mir gleich: meine Addresse ist: Bucowann. abzugeben bei Herrn Hofrath von Altmann in Prag! An Freiherrn Max von Freiberg recommandiert in Landshuth in Baiern.
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*766. An Johann Michael Sailer in Landshut Bukowan, vmtl. letztes Drittel Juni 1810 Vgl. Nr. *759.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin Landshut, 21.–24. Juni 1810, Donnerstag–Sonntag
Schöne Seele! deinen lezten Brief /den 6t/ hat dir Gott in die Feder gegeben; wir haben ganz die Gemüther ausgetauscht eine klare Harmonie durchglüht uns beyde, auf Felsen ist uns wohl. Aber laß keinen Trübsinn in dein Herz kommen, sey fromm aber heiter. Nicht unter, aber auf den Bergen blüht unser Glük – deine Heymath nennst du jenes vortreffliche Land? Vortreffliches Mädchen es gleicht dem Himmel; drum ist uns da so wohl geworden! Wenn du dein Auge nach der Zukunft wendest so muß dir unendlich gut seyn, denn du bist die stärkste deines Geschlechts einer Eichenkrone werth, und drum weil du so groß und heilig bist, ist mirs so wohl ums Herz wenn ich an dich denke. Ja! ich schaudre oft von Ehrfurcht über das Geschehene Ereigniß, wo Gottes Näh so deutlich war, sein Hauch uns so deutlich angeweht! Mir dürstet nach deinem Blik, ich streke meine Hand über die böhmischen Berge hin. Gott hat mich früh gekrönt als liebt er mich vor vielen, und als gefalle ihm mein Bestreben, meine Sehnsucht – du bist meine schöne heilige Krone, du; die mein Haupt triumphirend umstrahlt, die wie der Blitz durch die WetterNächte leuchtet, wie der sengende Strahl der afrikanischen Sonne! Wenn der Löwe brüllen wird werden die bösen Gewissen erzittern, und Jericho wird stürzen vor der Posaune Schall – o des schönen Gewühls wenn dem Tugendrufe folgend alle die wakern sich ans Edle Ziel drängen Ich kann dir’s nicht alles sagen, aber ich will dirs lehren. In Lauffen war’s, da begann’s und der Zeit ist’s geflossen wie ein reissender klarer Strom durch die grünenden Auen; und es wird sich ergiessen mit stürmischer 〈〈Freu〉〉de in die weiten Meere hinaus, wo alles Land hinschwindet und das Sternen〈〈Gewö〉〉lbe über die blaue Ebne gespannt ist. Ja, in Lauffen begann’s – auf jenen 〈〈Gipfe〉〉ln hat sich’s entsponnen; und das tiefe Thal mag erzittern wenn sich da hoch oben die Schneefloke losreiset vom friedlichen Zweige; denn wälzend und wachsend stürzt die zürnende die strafende Lawine nieder, und zerknikt alle Dämme und Mauern – Nicht besiegbar ist die Kraft des Willens, wo des Herrn Engel das Schwert schwingt, da verstummen alle Klingen, und das Feuer seines Bliks zerstreut die lasterhaften Knechte. Wie’s auch kommen mag; Neumarkt mußt du mit mir einst, Hand in Hand nochmal besuchen, daß wir recht freundlich hinsehn können nach den schönen Bergen deren Bilder die Pfeiler unsers Him1020
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melsGewölbes sind. – Damals ward ich den Felsen wiedergegeben, du aber fuhrst in die Ebne hinaus – damit ich wiederkommen soll dich hereinzurufen ins väterliche Haus der Berge! Und auch schon damals bist du mit mir, und ich mit dir gereiset. – Auf jenem See im Salzburger Lande, der umschlossen ist mit schauerlichen SteinGerüsten, in dem der Watz Mann seinen Fuß badet, und alle Schnee Kuppeln des Gebürgs sich niederspiegeln – auf diesem See, nachdem ich damals eilte, war’s, daß wir einen Becher füllten euch ein Lebe Hoch zu bringen. da stellt ich mich auf den vordersten Kiel des Schiffleins, und laut ausrufend schwang ich den Geleerten Becher durch die Lüfte. Und sieh da! als er herabgestürzt, verschlang ihn nicht der schwarze Mund des Gewässers; nein ihn trug die sorgsame Hand eines Geistes an der Oberfläche hin! das meint! ich wolle sagen daß meine Kraft nie untergeht kein heimtükisch Element jemals triumphiren werde über die Sehnsucht meines Willens. den 21 Juny gebiet’ ich dir künftig zu feyern. Es ist ein grosser Tag! und heuer traf sichs daß es das Fest des Herrn war! mehr sag ich dir jezt nicht, wohl aber einst. Wie brachtest du die Tage auf dem LandGute zu; sag mir ein paar Worte. Wenn du den Ptetsch bestiegst so sahst du weit nach den Bayrischen Bergen und Wäldern herei〈〈n.〉〉 Ich trete auch oft sehr oft ans Fenster und bete für dich und uns alle. Nein! dein Glük ist nicht unter den Felsen begraben. Laß deinen Willen ganz heraustreten in den Glanz der Sonne. Wehmuth kleidet ein nasses Auge schön; aber schöner noch ist mir ein Auge das freudestrahlend die verklärte Ruhe der Seele abspiegelt. Ehre den unendlichen Keim der Gediegenheit den Gott in dein Herz legte, und staune sein Gebot nicht blos in ernsthafter Beschauung an; nein erfasse seine Liebe Hand mit Zutrauen, und klammere dich mit Zärtlichkeit daran. Und weil er auf jenen Bergen so klar zu uns gesprochen, so Bemerkbar uns berühret; so sey stolz auf seine Gnade, sey ihrer werth. Das ist schön daß du nicht vielfältig bist, sondern einfach und fest und stark von der Wurzel aus; deine Briefe sind mir ein heiliger Abglanz deiner Seele, ich lese meine glühendste Sehnsucht in deinen Zeilen. Einst will ich hintreten vor dich und dir im Namen der Menschheit heissen Dank sagen – denn du hast mich unerschütterlich gemacht und wie aus den Angeln gehoben ist mir der Erdball seit ich dich sah und verstand. Es war mir schon immer so wohl in deinem Zimmer, recht wohl wenn wir alle beysammen sassen, und weil ich nie den Zwek berechne, 1021
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rein hingegeben einer lautern Stim〈〈me〉〉 die aus meiner Seele spricht so warst du schon da ganz mein, eh noch dein Gemüth 〈〈durch〉〉 dein Auge so deutlich zu mir sprach. Denn so muß es kommen daß sich das Glei〈〈chGeschaf〉〉fene wie sichs erblikt schon umklammert, Seele gegen Seele tauscht und nur ruhe in Gott und dieser Vereinigung. Drum 80 mein ich werde das die Quelle seyn einer unversiegbaren Ruhe und Hoheit die über unser ganzes Leben hingebreitet seyn soll und im DankGefühle gegen diese schöne Begebenheit wird sich unser Herz stets beglükt finden. Es ist schön daß du ahnest Freude und Welt sey deine Glükseligkeit nicht, aber theuerste! das klare Licht einer aus 85 Gott begründeten Heiterkeit verlasse dich nie – der Frohsinn ist unsere Lebens Sonne, so lange er aus innerster Selbstzufriedenheit und einer felsenfesten Seelenruhe quillt. Keine finstern lauter verklärte Bilder mögen an deinem Geiste vorüberziehen; wo dein Auge hinblikt möge in lieblicher Gestalt dir unser göttliches Bündniß entgegenleuchten. 90 doch auch der männliche ernste Sinn ziert deine Stirne mit Hoheit, und ich weiß daß dein zürnender Blik alles Blendwerk zermalmet. Denke recht oft und immer an das Geschehene wie an die Zukunft – die Seele wird unendlich stark in diesen Betrachtungen und rükt ihrem Ursprunge näher. 95 Mich drängt’s immer dir etwas zu sagen. Es sind Meere von Gedanken in meiner Brust geboren, und eine stürmische Sehnsucht dringt mir ans Herz. Seit mir dein Auge und Hand versagt sind ist der stumme Gedanke mein heiliger Begleiter und in der Annäherung unserer Geister mein wohlthätigstes Gefühl. Ich seh’ dich in kurzem; Übe dich 100 stark zu seyn; wir ruh’n in seiner Hand, können friedlich hinbliken über das Morgen- und über das Abendroth. Nächstens eil ich nach Salzburg. Ganz allein; so ist mir am wohlsten. dann reit’ ich nach dem Geisberge. Dasselbe Pferd das dich getragen hat | Dort ist mir jede Stätte bedeutungsvoll. Wann werden wir da wieder zusammen seyn? Ich 105 grüble nicht in der Zukunft, denn ich bin hingestellt zu warten, auf Gottes Wink bereit, ich der SchwerdtTräger seines Willens; nicht vorgreiffend mit menschlichem Urtheil. Ich habe viel Lohn in dir, zum voraus, und du hast einen schönen Antheil am Heil der Welt. Ich sollte nicht allein stehen, und du bist mir gesandt daß alles was geboren wird 110 in meinem Herzen an dir emporblüh’n soll; und die Wünsche deines Gemüthes sollen in mir stark werden. Wer weis ob ich dir das alles so sagen könnte wenn ich bey dir wäre; aber gewiß ich würde dir noch mehr zu erkennen geben. 1022
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Ich bitte dich schließ dich an mich an wenn du traurig werden willst; ich fühle mich geschaffen dir alles zu seyn, deiner geheimsten Sehnsucht Nahrung. Denn auch du bist mein Trost und meine Säule, wenn die Schwermuth kommen will. Nochmal! laß dir klare Bilder von der Zukunft durch die Seele dämmern. O wenns so käme daß in jenen schönen Gebürgen, wir alle, himlische Stunden noch sollten zusammen verleben! wie von grossen Thaten heimkehrend, oder bevor wir hinzieh’n sie zu thun – Kaum erfass’ ichs, aber ich darfs wünschen – doch mein einig Thun geht nach jenem höchsten Abziel. Wie der grosse Vater mein Leben ausschmücken mag das ist sein Wille – Laß es uns ruhig, rüstig abwarten. Mit Zauberkraft stürmen edle Entschlüsse durch meine Seele, und ihre Heiligkeit wird mich vor Gott und den Menschen bewähren; ich kann nun einmal nicht anders mehr, und die Fülle der Sehnsucht reißt mein Gemüth nach oben! – Ich schwebe in Seeligkeit wie himmelangehoben weil ich dich so ganz wieder habe in einem eben erhaltenen Brief. Wie hab’ ichs verdient Allmächtigster daß du so reich ausgiessest deines Seegens Fülle über mein Haupt. Aber ich will mirs noch verdienen du Unergründlicher. Fürchte nicht mein Mädchen daß diese Felsen zerfallen möchten die deinem Herzen wohl thun; daß die Wahrheit gelöscht werde aus meinen Zügen; oder ein Blendwerk sich meines Mundes bemeistre; nein! ich bleibe frey – und wie schon damals mein freudetrunkner Blik hinüberstürmte in Dein Auge, so soll er immer seyn der Spiegel meiner Felsen Seele, und bewähren des Gemüthes heilige Abkunft und göttlichen Beruf. Ob, ich die Erde küssen will? Trägt sie doch so viel Göttliches – und ist sie doch um S-burg so schön! O sie liegt mir am Herzen diese Erde und alle Seelen die drauf sind, denn wahrlich wie Gott seine Kinder liebt, so ich meine Brüder! Könnt’ ich’s nur izt schon werden lassen – werden lassen wie ich’s heiß erstrebe, wie’s werden muß und wird. Ja so heilige Gebete als die unsern sie werden erhört, so herrliche Entschlüsse sie werden erfüllt, und ein so göttlich Verlangen es wird befriedigt werden. Muth bis dahin! du verstehst mich wie ich dich – du liebst die Nacht weil dich da kein unedel Gewühl und Getreibe ängstigt; du badest wie der WatzMann noch lange deinen Blik in dem Zauberlicht der AbendSonne, wenn schon alles schläft um dich her, wie um jenen das niedere Land. Das ist schön wie englisch Leben, | heilige Stunden des Daseyns – Aber heiliger noch da zu steh’n in des Tages reiner Sonne, mitten im Getümmel und doch nicht hingerissen, ordnend 1023
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und leitend das Gedränge, hülfreich beyspringend dem schwächeren Freund, zürnend, straffend den falschen Knecht, eifernd eilend durch 155 alle Reihen überall tröstend, ermunternd; an der Spütze vieler Edlen ein edel Ziel verfolgend, den Berg hinanstürmen, in die Tiefe niederstürzen, hinbringen nach allen Winden Gottes Geheiß, mit Begeisterung stiften seines Willens Erfüllung, nimmer rastend, nimmer ruhend bis es schön werde, der Erlösung werth. 160 So mein ichs; ich täusche mich nicht. du bist mir viel, und wenn ich vergeh’n will vor Sehnsucht so bist du mir alles – dann mag sich der Rhein kräuseln zu unsern Füssen in der Mondnacht, wenn wir alle horchen wollen deinem Liede vom grossen Ritter und seiner heiligen That. 165 Am 21t. Heute ist das Fest des Herrn; o wärst du bey mir gewesen; Bevor noch die Sonne herauf stieg war ich oben auf den Bergen. Heute ist mir ein grosser Tag; ich will dir einst sagen warum. Ich habe gebetet; für uns; die Erde geküßt. – Ich bin ruhig, ich weiß dich glüklich. Bleibe so; trau dir selbst und deiner kräftigen Seele. Laß die schönen 170 Stunden ablaufen, bis die schönsten kommen; unser Thun sey in Gott verklärt; unsere Wünsche gehören dem Himmel. Der Schmerz jener mißlungenen Wallfahrth will mich oft betrüben; o gieb mir Trost! ich bin euch so nah gewesen, ich sah das heilige Land – und durft’ es nicht betreten – o hätt ich doch mit dir weilen dürfen in den Tannenwäldern, 175 mit dir an der Fels Spitze sitzen, mit dir an der Moldau Ufern steh’n. Lebe wohl; in kurzem muß ich dich sehen. Du giebst mir ja alles was mir mangelt – bis dahin will ich dir oft sagen was in meiner Seele vorgeht. Lebe recht wohl; wenn du nach den Sternen siehst, in der Sonne wandelst, in das Abendroth versunken bist, so wird mein Geist immer 180 um dich seyn. Am 22t – Wieder ein Brief – wie Trost vom Himmel. Ruhig und fest bist du! so will ichs – so geziemt dirs: O sie ist ein Brunnen ewigen Wohlseyns diese Ruhe, und sie geht durchs Leben mit uns wie ein starker Ritter. 185 Ich hab’ dich ganz wieder, ganz so wie ich dich wünsche und verlange; jeder deiner Briefe ist mir eine neue Krone, macht meinen Arm zehntausendmal stärker – zehntausendmal schärfer mein Schwert. Bleib so und aller Sturm wird an deiner Stirne zerbrechen; kein Element kann dich bezwingen. Klar stehen die heiligsten Ahndungen in 190 meiner Seele aufgerichtet, und der Zukunft FlügelThore hat mein Muth geöffnet – Ja sie sind mein einziger Trost diese Briefe – mein 1024
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schönstes Schiksal in Gott und meiner Liebe! In dir hat mich Gott schon früh gekrönt – ich wiederhohls – und herausgerissen steh ich aus meiner Mitbrüder Zahl ich, wie vom heiligen Sturm ergriffen und getragen. Mir soll nicht schwindeln, weil ich trage | Gottes Gebot durch die hellen Lüfte, und sein zerschmetternder Strahl meine Waffe ist. Es wird wahr werden was dich begeistert hat; es wird wahr werden was wahr werden muß, weil mich ein heiliger Eifer es zu erringen treibt, und ich von Gottes Hand gestellt bin auf den Gipfel aller Berge. O biete ihnen Trotz diesen frechen Tagen der Gewohnheit; ich will mich hinwerfen auf sie wie ein WürgEngel, zermalmen will ich was nicht bestehen darf, und aus der Wurzel zertrümmern den Flattersinn und die leere Tändeley. Ja, hasse sie diese Gemeinheit des tagtäglichen Lebens – sie ist ein gefährlich Gift, unbemerkbar sich schleichend in unser Thun abzutödten den Willen und die Begeisterung; auszusaugen die Glut unsers Eifers. Drum laß sie uns meiden, unser göttlich Abziel, soll immer vor uns stehen wie ein Gottes Gebürge, wie ein leitendes Gestirn. O wie ist mir – mich verzehrt ein Gefühl von Vernichtung – so nah muß mir Gott seyn – und doch fühl’ ich mich unüberwindlich eben weil er mir so nah’ ist, mich segnet mit seinem kraftgebenden Hauche. Ja unüberwindlich wollen wir bleiben, wir die Erkohrenen die er vor allen liebt. Ich bin sein Waffenträger; er giebt mir seine Lanze und ich will sie schwingen daß das Laster und die Boßheit schaudern sollen. Ich bin gesegnet daß Gottes Kraft durch mich auf dich gekommen ist; ich will zertheilen die Nebel aller Welten, zerspalten was nicht zusammenbleiben darf. Ja wir gehn mitsammen in die Kirche, wollen beyde vor seinem Altar liegen, den ich schmüken will, wie noch keiner geschmükt war. Sey mir gebenedeyt, Trost und Labsal meiner Seele. Die Zeichen sind ihrer Erfüllung nah, und nah ist die grosse Stunde der Welt. Sey wahrhaft wie mein Glaube; ich bin selig in meiner Sehnsucht in dir; sey du selig in mir, wir sinds beyde in Gott. Es wird werden, so wahr er uns zusammengerufen hat, und bey allen Wundern seiner Heiligkeit schwöre ich dir Beharrlichkeit und Muth. Ich fühle meine Bestimmung und des einstigen Himmels Abglanz trag ich in meinem Gemüthe – ich sehe die Glorie der kommenden Zeit, – ruhig weilt mein Aug in der glükseligen – Ferne – du laß uns beten – wenn ich kniee, weine, aufsehe – dann ist meiner Seele am wohlsten. Geh fleißig ans Fenster, du bist höher als die Nacht, über die du hinaus siehst, aber Gott 1025
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über uns allen – ich geh auch ans Fenster so meist um die elfte Stunde – Es schläft sich recht sanft wenn man mit dem grossen Vater gesprochen –, ihm gedankt für das süsse Schiksal, seine Hand dankbar geküßt. Ich danke dir für jeden Gedanken den du für mich nach dem 235 Himmel schikst, einst lohn’ ich dirs dieß heilige Mitgefühl. Ich bin wohl geborgen denn dein Gebet ist erhört und angenehm. Laß uns so schweben Hand in Hand, Aug in Auge biß die Sonne durch den Nebel bricht, laß uns ernst, ruhig, heiter, fromm seyn. Denke oft an mich und jene Stunden; und glaube so fest an mein Glük und meinen Willen als 240 als meine Wahrhaftigkeit. So wollen wirs machen was unsere Seele bewegt, was unser Herz entzündet, unser Gemüth begeistert das wollen wir treulich aufschreiben in der trauten Stunde, und uns gegenseitig zusenden – so entbehren wir uns nie – wir! die nicht getrennt, wohl aber in Gott vereint 245 sind. Und dann wenn ich bey dir seyn werde, dein Aug wieder bliken, deine Hand wieder drüken darf, dann wollen wir uns recht fühlen wie zwey riesenhafte Geister die Gott seiner Welt zur Stüze gab. Und izt Leb wohl; ich rechne auf dich, und du darfst dich ohne Scheu auf meine Schultern stüzen – Es ist etwas Unergründliches in 250 unserm Bündniß, und eine heilige Wolke umschleyert uns – einst sollen wir wohl um so verklärter dastehn! Und izt noch ein paar Zeilen aus meinen Tagbüchern; daß du sehen mögest wie ich jeher fühlte und dachte, seit mein grosses Gestirn am Himmel steht. 255 t Am 11 Februar 1809 »Der Tag der Tage ist hereingebrochen; das Sonnenrath ist heraufgestiegen Mag des Körpers Fessel drüken, nimmer den Geist solche Fessel kerkert Nein der Wille ist übergeflossen zur That. Schöne Thaten sollen izt folgen; ein höher Streben ihre Mutter seyn; denn das 260 Schwert das ich schwinge es ist geschwungen für ein hohes Werk. Die Sichel muß viel stürzen denn wie sollten sonst die jungen Keime reifen, die bessern, gediegnern? Und ich hebe das Werk an unter des geliebten Gestirnes LichtThron, und alles was das Streben gebären soll soll auch ein grosses Ziel verfolgen; weit über die Erde hinausgeschwun- 265 gen, über sie, ein Gliedchen jener unendlichen Kette in den Runde Tanz der Gestirne gestellt; höhere Wirkung von Geistern, Sympathieen ahn’ ich von ewigen Gesetzen. Das soll der StandPunkt seyn aber wenn der Sieg gelingt, so weiß ich wohl auf welchen Altar ich die Palme legen soll. –« 270 1026
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Am 15 November 1810 »Stummes Entzüken! Ja wie auf Himmels-Zinnen schwebt dieser Gedanke; O laß des Seraphs Glut durch meine Adern flimmern, und sende den Eifer göttlichen Wohlthuns in die Brust mir; Warum, so oft sich ein Wölkchen röthet errath’ ich dein Lächeln? und wenn dein Name erschallt bin ich der Seeligkeit Kind? Laß du Schöpfer das Werk reifen schike Seegen und stähle meinen Arm! In des Sommer Abends Kühlung, oder wenn die Orgel rauschet oder des Getränkes Geist mein Gemüth erheitert warum ist dann englische Lust in meinem Busen? und wem dank’ ich diesen Himmel auf Erden als dir? Du Retterin nimm der Dankbarkeit Thräne; an Walhalla’s Abend, wenn sich die Engel begrüssen den Schweiß edler Thaten auf der Stirne, ein kranzumschlungenes Schwert leg ich dann Engel was werden wir fühlen? Eine ewige Seeligkeit im Blike erfassend die rettende Hand, das soll ein Kuß werden, daß sich 〈〈die〉〉 Welt aller guten Herzen vergnüge. Du Geist des Lebens, der Edelthaten Born, dessen heiliger Hauch die Welten belebet, du sende deine Strahlen, und meiner Demüthigen Brust gebe ein gnädiges Wollen. Du der den Sohn sandte, den Sohn des heiligen Willens und der göttlichen Kraft. Gewähre die Bitten die mein Herz fleht; ich kann sie nicht nennen – aber du kennst sie. –« Und jezt noch eine Frage; Als ich den Abend vor wir nach Salz-g reißten bey euch war, wo du meine Veilchen in die Bibel legtest /:ich habe auch welche von dir in der meinen:/ und dann später ein schönes Andenken gabst, da fragtest du S-y ob dich jemand begleiten dürfe weil du eben ausgehn solltest – wer war der jemand? Jezt Gute Nacht SeelenTrost. Schreib mir bald wieder; ich wills auch recht oft 〈〈xxx〉〉 wenns dir lieb ist ein paar Gedanken aus meiner Schweizerreise hinzufüg〈〈en xxx〉〉 deine Addresse – denn alle Briefe kann ich doch nicht an S-y addressie〈〈ren an i〉〉hn selbst muß ich unter Couvert: An H* Veit Banqiers schreiben. Sag 〈〈xxx〉〉 das zu machen ist. Leb wohl, recht wohl, bete für mich ich schike heisse Wünsche für dich täglich zum Himmel – Sey eingedenk wie sichs hier von grossen, heiligen Dingen handle die niemand erfaßt und ermißt, Sey eingedenk zu jeder Stunde deines F. Landshut am 24t Juny 1810
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Abzulegen bey geh. Rath Pistor, Nro: 1034 in der Maurerstrasse.
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Mademoiselle Mademoiselle Bettine de Brentano de la Roche à Berlin Bey H* Hofrath v. Savigny.
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Von Karl von Gumppenberg nach Berlin Landshut, vmtl. 23. Juni 1810, Sonnabend
Liebes Fräulein! Ihr Universalbrief, worinn Sie auch den Watzmann nicht mit Stillschweigen übergehen, muntert ihn auf, beherzt einen zweyten Brief dem ersten folgen zu lassen. Wie fröhlich würde ich nicht seyn, könnte ich die Stelle dieses Papieres vertretten, und Sie am Thore Berlins gerade in der freudigen Stimmung begrüßen, als traurigen Sinnes am Linzerthor von Salzburg, ich von Ihnen und den übrigen Unvergeßlichen Abschied nehmen mußte. Dieser unselige Tag war doch recht dazu geschaffen, uns die Sprünge des Schicksaales, die den Menschen nur selten im Zustande des innigsten reinsten Vergnügens fest zu greifen erlauben, kennen zu lehren. So nah berührten sich Freude und Schmerz in jenen wonnevollen Augenblicken. Mächtig ist die Wirkung der Erinnerung, und Ihr Genuß kömt keinem andern gleich. Ohne sie müßte des Menschen Gemüth zu Grunde gehen, das nach gewaltig geschehenen Trennungen, so gerne die Fesseln des Raums und der Zeit durchbräche. In solchen Momenten hat sie für mich immer etwas erquickendes und stärkendes; nichts äusseres kann ja dem Geiste seine Richtung bestimmen, hat er einmal die Herrschaft darüber errungen. – Ich möchte mahlen können, oder dichten, nur um recht lebendig in den Bildern der Vergangenheit alles genossene noch einmal zu genießen. Ich glaube, ich würde recht glücklich seyn. – 1028
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Das versprochene Buch, /: das ich jitzt erst recht zu schreiben gelernt habe :/ erwarten wir alle mit großer Ungetuld. Meine Hoffnung, diesen Winter schon nach Berlin gehen zu können, schwindet, gewiß aber komme ich den folgenden Sommer; denn kommen muß ich: was wäre ich auf der | Welt für ein armseliges Geschöpf, wenn ich Berlin nicht eben in dem Augenblicke sehen würde, wo die Gegenwart der edelsten Familie den Aufenhalt verherrlichet. Ich weiß es gewiß, daß ich dort das Leben fortsetzen werde, das ich in Salzburg geendet habe. In diesem provisorischen Zustand zwischen Leben und Tod, in dem ich mich jetzt befinde, bitte ich Sie, nicht zu vergeßen Ihren Gumppenberg. Landshut den 48t Tag seit der Trennung am Linzerthore in Salzb.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin Landshut, 25.–28. Juni 1810, Montag–Donnerstag
Nro. 7. Den 25t Juny 1810. Nachts. Jezt ist mir wieder wohl, denn ich bin draussen gewesen, hab nach den Sternen gesehn, die Erde geküßt, für dich gebetet. Nein wahrlich mein Reich ist nicht von dieser Welt, und ich bin wie in fremden Ländern; Nur du bist mir wohlbekannt und zum Trost gegeben. Diese alle die um mich sind sie erfüllen meine Sehnsucht nicht; ich fühle daß ich eine Zeitlang um dich seyn muß, aus deinem Blike Kraft zu schöpfen. Ich kann länger nimmer bestehn bey dieser LebensArt, mich dürstet’s gewaltig, und nirgends ein Brunnen – doch ja, Schreib mir, deine Briefe sind mein Brunnen, bis ich komme mich satt zu trinken an deinen Bliken die mir deine Seele wiederspiegeln. Mir ist so heimlich wenn ich an den Himmel denke – ich meine dort zwischen den Sternen müst’ es gut, recht gut zu leben seyn. Aber du weist schon warum ich hier bin, und was ich hieniden auf dieser Erde soll. Von jezt, von heute an will ich viel bedächtiger seyn – zu was das schwätzen und Lachen – bin ich doch der Mann des grossen Schiksals, 1029
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des heiligsten Geistes Ritter – Meine Tage drängen sich immer zurük nach jenen die ich mit dir in S-burg war und von dort nach jenen die ich in der Schweiz zubrachte. Es ist ein hoher Berg auf dem wir stehen, siehst du dort rechts das Abendroth, und da links wirds Tag werden, und gerade vor uns hin liegen die südlichen Länder, und den Rücken hab’ ich an mein Vaterland gelehnt. Als Moses das Gebot empfieng, war er in Wolken gehüllt, und dann stieg er nieder ins Thal wo sein Volk auf den Knieen lag, sich dann erhob und Mir geziemts nicht zu weinen; aber die Thränen sind in meinen Augen während ich dir das schreibe, so drängts mich, so ungeheuer viel wünsch’ ich und muß zuwarten, und nach dem blauen Himmel sehen bis es werde. O wenn du da bey mir säßest, mir deine Hand gäbst! Aber nicht wahr es soll mir so seyn, als seyst du wirklich da – Ja; mir ist so – der WatzMann, der Stauffen, der Geisberg waren die Zeugen unsers ersten Händedruks, einst sollen Millionen davon Zeuge seyn. Ich bin ruhiger; bitte daß mir Gott Kraft gebe alles mit Ruhe und Liebe zu erharren; daß mir die kommenden Tage lauter Morgenboten eines nahenden Frühlings seyen. Wenn ich nach Berlin kome, werd’ ich ganz wie in Stahl gerüstet seyn – und meine Stirne soll Triumph verkünden. Aber kalt und bedächtig, denn diese innere Sonnen-Glut, dieses Entzücken diese Sehnsucht meines Herzens, die sollen aus meinem dem Himmel zugekehrten Auge strahlen. wenn nur Savigny wüste wie lieb ich ihn habe – wenn er nur auch mein Bestreben mit einem freundlichen liebreichen Blike lohnte, wenn ich ihms nur sagen könnte wie ich ihn auf den Händen trage – aber bey Gott ich will seiner Freundschaft und Verehrung werth seyn. Sag mir was wünschest du von mir; ich bin voll Zuversicht; aber mein Gemüth ist gerührt, und meinem Geiste verlanget nach dir; Glüklich daß ich dich habe und nicht von dir getrennt bin, sondern ganz eins in Gott und unserm heiligen Glauben. den 26t Mir ist als ob ichs gewiß vollbringen werde. Bis dahin wollen wir uns aufschwingen wie ein paar gewaltige Adler, denen nur wohl ist, an der Sonne! und an den Felsen Gipfeln. Dieser Ankampf der Gemeinheit, die sich tag täglich um mich drängt soll mich zum geübten Reiter machen, daß ich einst mein Roß wegtummle über alle Hügel und Gräben. Du hast wohl recht daß die Nacht so traulich anzusehen ist, weil da die Seele unendlich groß wird in ihrer Entfaltung; und unermeßlich wie das Gewölbe über unserm Scheitel, ist dann der Entschluß der unser 1030
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Herz bewegt. Aber auch den Tag will ich bezwingen, bis dahin wo’s keines Zwanges mehr bedarf, wenn alle edlen Gemüther sich an einander ketten, und alle Stimmen mein Lob sagen werden. Ich bin voll Sehnsucht und möchte gerne bey dir seyn. Wann kommst du, o SommerMorgen! ich liege in Nacht unter den Sternen und mein Blik ist nach Aufgang gerichtet. Seelenbraut, Herzenstrost, du Lilie bet’ für mich; schreib mir, bald bin ich bey dir, dann magst du der Zukunft Himmel in meinem Auge lesen und von meiner Stirne mag meines Berufes Heiligkeit dir entgegen leuchten. Bis dahin will ich muthig wie ein Löwe seyn, und allen Staub abschütteln, der an mir haften will. Mir ist so wohl in dir, oft stüz’ ich mich auf dich wie auf eine Säule, auf ein Gebürg. Schönes Bündniß! das du aus den Bergen aufgestiegen; ewige Blüthen; göttlich Geschenk! Sey getrost; wird alles wohl gehn, wird schön werden, prächtige Frucht bringen, nimmer vergänglich. 26t Nachts Jezt ist es wieder Nacht – recht heimlich draussen – da denk ich mir so, wie’s seyn müste, – jezt eben da ich das schreibe mit dir zu sitzen an den Ufern der Wasserfalle des Ohio oder Niagara in Amerika; dann wenn das morgendliche Roth aufblüht nach den Palmheynen beten geh’n. – Zweymal war’s besonders daß ich Himmelsbilder in deinen verklärten Zügen laß; und du mir ein Erzengel schienst; eine grosse Aussicht; eine weite, kommende, glükliche Zeit. Das einemal in S-burg als du Abends aus dem innern Zimmer heraustratst, in dem du mein Geheimniß gelesen hattest; und das zweytemal bevor du in Neumarkt in den Wagen stiegst. Beydesmal standest du etwas entfernt von mir, die Hände gefaltet, mich anblikend wie in Gedanken verloren – Mein Verlangen wird von Stunde zu Stunde heisser, und die Fülle meines Lebens strömt wie glühend Erz durch meine Adern. O bete daß ich standhaft bleibe in disen jugendlichen Tagen, mich bewähre als den Auserwählten, den Wie göttlich, daß ich dich habe; daß du mein bist von der Wurzel deiner Seele aus; ich würde sonst verschmachten in der Wüste die erst Garten werden soll. Ich dachte mirs oft in Landshut da du mich noch nicht kanntest,: diese da die möcht ich zu meiner Vertrauten, zu meiner Waffen-Gefährtin – – Eins, eins ists das mich mit Wirbel ergreift, und wie im freudigen Taumel emporreiset nach des Urlichtes Quelle; und dieß eine ist der Gedanke an Unsterblichkeit an ein ewig gemeinsames EngelLeben – das rauscht durch die Seele wie Verklärender Hauch – das lohnt, be1031
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geistert, macht heiter und besonnen. Aber der Himmel will verdient seyn, sey stark, und besteh’ den Kampf, es krönt uns wohl auch hier schon der Allmächtigste mit wonnevollen, siegreichen Tagen. Den 28t Nachts 100 Ich will dir treu Rechenschaft geben bis ich selbst komme was bald seyn wird Das soll ein Winter werden, frey, bedächtig, groß. Mir ist leicht in diesem Augenblick als trüg mich ein Engel durch weite Lichträume Gottes Segen ruhe auf deinem Haupte du Heldin du Gefährtin wie doch alles seit damals um mich anders ist, daß ich nur Ewiges er- 105 streben, und weilen möchte unter Geistern – Nimm es recht aus tiefer Seele unser Schiksal, denn es hat göttliche Würde. Dieses S-burg ist mein zweytes Vaterland, weil ich von da wie neugeboren ausgieng. Je mehr ichs nachsinne je unergründlicher wird mirs – wie gesagt wenn in heiliger Stunde mich Gottes Hauch | belebt 110 so will ich niederschreiben die Gedanken meiner Seele daß du’s wissest und dich erfreuest. O wär ich nur am Ziel, oder bis dahin bey dir. Das muß göttlich seyn. Laß es kommen; schlag dich durch den gemeinen Tag, und erfülle ihn, mit den reichen Schätzen deines Gemüthes. – Weist du noch wie wir von Lauffen fuhren; da fiengst du so an: Ich 115 wollte Ihnen recht viel sagen – und izt kann ichs nicht – da Lag deine Seele in deinem Auge, und die Sehnsucht deines Herzens stieg durch deinen HändeDruk zu mir herüber – da waren wir recht Kinder Gottes – und weil das helle Gestirn da aufgieng mit Glorie und ein göttlich’ Ding geboren ward, so verstummte gelähmt die menschliche 120 Zunge. Im HofGarten zu Landshut zwey Tage vor der Abreise sahst du mich das erstemal so recht bedeutungsvoll ins Auge, da ich im Grase hinter der Bank lag. Tag’s drauf bracht ich dir die Veilchen nachdem ich dir Nachmittag gesagt ich würde spatzieren gehn, wo du mich an dich riefst mir etwas zu sagen – aber doch nicht sagtest; Was wars 125 wohl – o ihr Tage der Unschuld; wir ahnten wohl nicht denn grossen Himmel der sich öffnen wollte – aber uns begeisterte ein schönes Vorgefühl! Und jezt gute Nacht; ich schreib dir bald wieder, es ist mein Trost; will mich recht üben groß und frey zu werden, und immer grösser und 130 freyer. du fahre so fort ganz mein zu seyn, und du sollst viel Freude und Seelenruh haben daß du so stark und unendlich bist. Leb wohl draussen ists Nacht, die Sterne funkeln meine Seele schwebt mit der deinen weit über dem Erdball
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Auf meine künftigen Briefe setz ich: Abzugeben bey geh. Rath Pistor. in der Maurer Strasse N. 1034 in Berlin. Setze du auf deine Addressen an mich: Abzulegen bey Materialist Huber in der Altstadt.
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Von Johann Nepomuk Ringseis nach Berlin Landshut, 28. Juni 1810, Donnerstag
Verehrungswürdigstes Fraülein! Die Erlaubniß, Ihnen schreiben zu dürfen, die Geschenke von Ihnen, die ich so lange ich lebe, aufbewahren, und die Ueberzeugung in meiner Brust, daß ich Sie noch sehen werde, haben mich über Ihre Abreise etwas zu trösten vermocht. Als wir von Ihnen geschieden waren, haben wir ihr Andenken haüfig durch begeisterte Rückerinnerungen gefeyert, und Ihr Name ward nicht anderst als mit Enthusiasmus genannt. Sie haben das Band, welches der H. Hofrath und die ganze verehrungswürdigste Familie knüpfte, noch enger gemacht. Das soll wahrhaftig nicht ohne Bedeutung seyn! Wenigstens ist es der heisse Wunsch der kühnen Granatenritter, vereint noch Ungewöhnliches zu thun. Die Zeit gährt noch gewaltig; wer weiß, was sie noch großes gebährt! Meinen Granaten trage ich auf der Brust, daß Er Herz und Brust mir entzünde; doch denken wir alle, diesen Karfunkel sehend, und nur als schönes Symbol unsrer Einigung ihn betrachtend, an einen viel herrlicheren Karfunkelstein, den jener vorstellt und der uns verbindet. Es hat in mir eine besonders angenehme Empfindung erregt, Sie mit dem Hrn Hofrath und der gnädigen Frau in Buckowan, in der Nähe meines Geburtsortes zu wissen; obschon in Landshut, und ferne von Hause kam es mir doch vor, als wäre ich Ihnen dadurch näher gerückt worden. Es ist mir unnatürlich zu glauben, daß ich Sie nicht noch öfter und längere Zeit sehen sollte, gesetzt auch daß Sie nicht so lange in Berlin 1033
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zu bleiben gedenken, bis ich dahin komme. Denn das habe ich im Sinn, die halbe Welt zu durchreisen, und werde ich auch nicht von der Regierung unterstützt, mein Genius wird mich wohl tragen, Und wenn ich dann viel gesehen, viel beobachtet, und etwas Außerordentliches gelernt habe, dann zurück mit allen Kenntnissen auf den Katheder, die Jünglinge entzünden für die Kunst, und für alles Herrlichste und Schönste; einige Jahre lehren, – dann wieder fort, wieder lernen in Ost und West, in Süd und Nord, von Allen und Jeden, wieder zurück, wieder lehren mit Feuer und Enthusiasmus! so denk ich es mir, und es entzündet der Gedanke mir Herz und Nieren. Halten Sie dieß nicht für einen flüchtig aufsteigenden Gedanken; der Vorsatz ist Jahre lang in meiner Brust gereift, | und unerschütterlich. Und wäre ich 50 Jahre alt, und hätte es nicht gethan, fort müßte ich noch. Und wenn ich Sie dann auf meinen Reisen die Kreuz und die Quer durch die Welt oft treffen und aufsuchen werde, so wird mir das ungewöhnliche Freude und Aufmunterung seyn. – Man sagt hier, daß die Studenten wieder exerziren werden; mir ist es nicht sehr zuwider; vielleicht daß ich es noch brauche. Glauben Sie nicht, daß mich solche Gedanken von meinen Berufsgeschäften sehr abführen; das ist nun mein unerschütterlicher Vorsatz, mich zunächst in meiner Kunst zu befestigen und darin was Rechtes zu leisten; aber der Ueberzeugung bin ich auch, daß das Vaterland nicht einer Kaste von Menschen, den Soldaten, die für Sold auch außer dem Vaterland und für fremde Götzen fechten, sondern allen Bürgern angehöre. Janson hat sich um Sie erkundiget. Er ist gegenwärtig in seiner Heimath in Stadt Kemnath, in der Oberpfalz. Man hat ihm Hoffnung zu einem sehr guten Physikat gemacht. Von Nußbaumer und Biller, die beyde wohl sind, alles Erdenkliche Schöne! Mein Bruder und Schiestl empfehlen sich gleichfalls. Ich weiß nicht, ob ich vor meiner Promotion noch das Vergnügen haben werde, Ihnen zu schreiben. Mit aller möglichen Verehrung Gnädiges Fraülein! Landshut den 28ten Juny 1810 Ihr unterthäniger Nepomuk Ringseis
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Prag, 29. und 30. Juni 1810, Freitag und Sonnabend
Prag am 29ten Juny Lieber Freund; du sprengst mir das Herz, mit dieser Heftigkeit; heute habe ich deinen Brief vom 15ten Juny und auch den lieben 1sten den ich schon verlohren glaubte erhalten; ich hab dir in einem früheren Brief meine Hoffnung dich in Bucowan dennoch zu sehen mitgetheilt aber nun muß ich bitten: Komm; ich bitte komm! diese Zeit wird uns nie, nie, wieder so herrlich; Savigny hat heute auch deinen früheren Brief nach Wien erst erhalten dieser hat ihm großen Wohlgefallen erregt, er frug mich was ich von Dir halte? – Savigny geht Morgen nach Berlin ich und die Schwester bleiben den ganzen July in Bucowan; o komm hin; du wirst neben mir wohnen; morgens wenn sie alle schlafen, gehen wir der Sonne entgegen; dann sag ich dir alles, oft geht mirs wie ein Strahl ins Herz der mir das ganze gewebe der Zeit erleuchtet, oft seh ich dich; wie der Rauch und Nebel alles Betrugs dein schönes feuer zu ersticken droht. lieber lieber Freund! Kind meines Herzens! komm und hör mich an; wenn auch Savigny nicht da ist, ich will dir viel von ihm sagen. ich sage dir daß die Zeit nie wieder kommen wird, wenn du sie verscherzest. – siehst du es war auch gut daß du von Glattau wieder zurück mußtest, denn jezt wärs vorbei; und grade in diesem Augenblick, hat mir doch Gott 4 Wochen lang die Zeit in die Hand gegeben damit ich sie für meinen Freund verwende. So eben ist Savigny abgereißt, ich hab ihn doppelt ans Herz gedrückt, auch um deinetwillen; sein lezter Entschluß war, uns so bald wie möglich nachzuholen; es könnte sich also fügen daß sein Eifer die Geschäfte noch früher beendigte, als 4 Wochen; drum bitt ich dich, um dein selbst willen: wenn du kommen kanst, so thue es bald. über deinen ersten Brief hab ich dir vieles zu sagen, hab manches mit dir auszugleichen; will dich noch verstehen lernen und mein tiefstes Herz vor dir ausschütten. 1035
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guter Freund verachte meinen Rath nicht; es ahndet mir daß diese Zeit die beste sey. ich kann mich dir nicht mehr entziehen. es ist wie ein Zauberring um meine Seele geschloßen, daß sie stets über meinem Freund schweeben muß wie in einem Geisterbann. Sailer nent dich in seinem Brief Unsern Liebling! liebling bist du mir nicht; du bist mir wie ein Herrliches Werck Gottes, das niedergesuncken, damit sich seine Macht uns begreiflich mache und dann wieder in höhere Regionen aufsteige. ja so muß es seyn wenn alles wahr wird. nenn mein Dringen auf dein Kommen keine Unbescheidenheit, es ist die Gewallt die uns beide zusammendrängte die mich so bitten heist. die Post geht ab, drum kann ich über deine Briefe jezt nicht sprechen. 2r
An Herrn Baron Max v: Freiberg abzug: bei Frau Materialistin Huber recommandiert. in Landshuth
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Den 29t Juny Ich lese Göthes Winkelmann – diese Briefe haben mich bewegt. Der Sailer ist mir auch ein rechter Trost ich hör ihn oft sprechen von Gott und Unsterblichkeit, und er ist mir so gut! Mein Gott was will ich dir alles sagen, das Wort erstirbt mir auf der Zunge so drängt michs – wahrlich es ist ein göttlich Ding mit den Augen sprechen. Nur getrost wird bald kommen schöne Hoffnung selige Zukunft; Wenn so aus Bayern ein Eichbaum aufwüchse in dessen Schatten sie alle leben könnten – danke Gott meine geliebte Mutter ist wieder gesund. Alles was mich adelt will ich zum Krantz flechten, und am grossen Morgen schmük er dein Haupt dein königliches; Gottes Finger schreibt in des Menschen Leben, und in das unsre hat ers so liebvoll gethan und so groß. O du unvergeßlicher G-berg wie ich dich lieb habe, der du mich trugst auf deiner Stirne der du uns hinanhobst gegen die Himmel der 1036
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du entkörpert hast unsre Seelen, auf dem wir den grossen Bund gestiftet, wo Gottes Wort zu unserm Herzen so vernehmlich sprach! Sag was es ist das mich drängt und treibt wenn die KriegsMusik an meinen Fenstern rauscht; mir war aber als ichs eben hörte, so klar wie ein Maytag daß der Sehnsucht Ziel auf dieser Erde nimmer sey. Gerne hör’ ich das Horn erschallen, ruhiger aber geh’ ich aus des Herrn Tempel wenn ich in der Andacht dort der Welt vergessen. Du schöner Baum hängst voll Blüthen, die nimmt kein Wind die werden von keiner Sonne verbrannt von keinem Frost verkrüppelt, nein denn du wurzelst drüben mit mir. Ich müst mir alles alles selber seyn wenn ich dich nicht hätte denn der Herr hat mein Ziel weit hinausgestellt – aber so hat ers besser gefunden, und unsre Hände in einander gelegt, daß ich’s leichter trage, daß mirs wünschenswerther, früher bedeutend wird. Nachts. Hab wieder nach den Sternen gesehn, grosse Gedanken für uns zu Gott hinübergeschikt; ich werde stündlich fester und freyer – Bitte daß es so werde und bleibe – du sey auch frey wir wollens recht verdienen das heilige Schiksal – wir so groß geschaffen, aus reinem Lichte empfangen, ewig wie Gottes Liebe, fester als Felsenberge. ich möchte gern wahrhaft seyn aus der Wurzel meiner Seele; so ist eine Landschaft bey Sonnenaufgang wie jezt mein erwartend Herz. Sag mir daß dir wohl ist in mir, leicht in Gedanken an mich – bis die Tage wieder länger werden ist viel köstliches geschehen; Schik mir ein Lied; Gott nehme dich in seinen heiligen Schutz; Gute Nacht. Den 1t July Ein neues Monat bricht heran wie mit süsser Hoffnung. Lauter MayFarben sollten dein Haupt schmüken Aber dir gebührt eine Fahne – So kanns einmal nimmer bleiben, muß noch schöner, göttlicher noch werden Man muß sich ganz abwenden von der Welt, damit sie hereinkommen müsse zu uns, dann in verklärter Gestalt mag sie uns wiederschauen. Ich beschwöre dich bedenk es recht was uns begegnet ist; da ist kein Scherz kein leichter Sinn, da ist rein und klar Gottes Wink, sein Wort, sein Befehl. Bedenk es recht, nimms aus der Tiefe herauf, aus der Höh herunter wohers gekommen Trit mit Frohsinn aber mit Heldenmuth mir vors Aug – alles engt mich was um mich ist; Ihr Fesseln wann werd ich euch zersprengen du Haus wann zerschlag ich dich! In Ötting – wo die WalfahrtsKapelle ist – am ersten Abend unsrer Reise wo wir nach den beyden brüderlichen Sternen sahen, und früher schon, später aber schöner noch, das war ein paradiesisch’ Le1037
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ben, wie von Engeln getragen, durch heilige Lichthallen; du Felsenbraut Königin der Stürme! die Ruhe meiner Seele ist in dir gegründet. Nachts. Jezt wo die Sterne funkeln war ich draussen; lange draussen auf der Strasse, und unter euren Zimmern kniet ich betend, die Erde küssend. Mich hebt es riesenhaft empor, mein Verlangen nach dir und grosser That ist gränzenlos – Mich entzükts in seeliger Erinnerung zu schweben und zu schweben in herrlichen Gedanken an Zukunft; o glaub mir daß ich stark bin wie ein grosser Löwe; das hat Gott gegeben, nimmer wird er zurükziehn, die segnende Hand. Von keinem Tage will ich mir meinen Adel rauben lassen; mein grosses Gefühl sey aus der Ewigkeit begründet; der gehässige Taumel berauschet mich nicht; ich will die Zerstreuung fliehen, ganz dir seyn, ganz leben einer heilbringenden Zukunft. Schreib mir wie dirs bisher gieng, mir verlangt nach jeder Stunde deines Daseyns zu wissen; heute war mein Gemüth bewegt und mein Herz von Aufgang bis Abend voll Sehnsucht; Jezt seit ich gebetet ist mir leichter und meine Seele ist ruhig und klar. Du bleibe was du mir bist; du Lebensbrunnen Hilfbringerinn, Blume meines Verlangens; da soll nichts gemeines walten, da soll alles wie von Majestät strahlen, wie von HimmelsGlorie soll alles durchleuchtet seyn. D* 4t Mittag Ich habe viel gelitten diese Tage, Heftige Colik, unsägliche Schmerzen haben mich auf mein Lager geheftet; Jezt bin ich besser, und dein unvergeßlicher Brief, den ich eben erhalte richtet meine Seele vollends empor; das ist mir recht lieb daß du mir nah bleibst; daß du hereinsehen kannst nach meinem Lande; du Trost meiner Seele. Ich kann nicht weiter schreiben, ich bin schwach und ohne Freude, als deinen Brief – bald mehr . . . . . Nimms’ hin nimms ganz hin was ich will und strebe; aus der Tiefe meines Geistes durch Gott aus meiner Seele herauf kommt mein Verlangen nach dir; Engel, Heil, und HerzensTrost, sey ganz mein, sag mir das. Sieh ich fühl mich stark dich in den Himmel zu tragen, dir ganz alles zu seyn, daß du aller deiner Sehnsucht Ziel in mir finden sollst; dein Brief war mir wie Thau der Rose; aber so will ich dich nicht; wie du den 22 schriebst – keine Empfindlichkeit; ich beschwör dich nimms höher, heiliger; es ist alles geschehen was geschehen konnte, aber auch alles wie’s der Herr wollte; dafür sollst du die 6 Wochen mein Trost seyn; ich will dir fast täglich schreiben; so oft du die Sonne die Sterne, den hellen Mond siehst, so denk daß sich mein Aug drinnen spiegelt, und schik einen Gedanken für uns zu Gott. Du herrliches Mädchen du bist ganz 1038
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von Gott ausgegangen, meinen unbegreiflichen Durst zu stillen, mein schmachtend Gemüth zu salben Wenn ich dirs nur sagen könnte wie sichs da bewegt und so heiß und so verlangend ist in meiner Seele; harre aus geduldig du standhafte, uns krönen noch göttliche Tage. O hinüberhauchen möcht ich dir die Glut meines Geistes, mein andächtig Streben meinen in Gott entzündeten Willen; sag mirs so oft du mir schreibst daß dir recht wohl sey in mir, denn das ist der Triumpf über den Schmerz unserer Trennung; und so mag ichs wohl ertragen; ja, sey heiter; ich hasse die Melancholie, sie bringt kein göttliches Daseyn, macht keine erfreuliche Stunde; flieh sie – sieh’ ich steh auch da ganz allein in einer Wüste – und weil ich dich weis, bin ich stark es zu ertragen, sey auch stark, laß mir deine Hand die du mir gereicht hast! Den 5t July. du brichst herein über mich wie ein Sturm daß mir das Herz vergehen will; Sey ruhig, gefaßt, Bey Gott es soll geschehen was recht und möglich ist; Wenn ich gewiß weiß daß Savigny kömt euch abzuholen, wenn ich erfahre wann ein gewisser Huber der nach Bukowann als Forstmann geht abreiset; wenn ihr diesen in Klattau abholen laßt, wenn mir der ostereichische Gesandte in Regensburg einen Paß giebt . . . . . wenn hundert andere Dinge eintreffen – denn ich bin izt krank und schwach – dann komm ich vielleicht – Engel sey nicht empfindlich, das steht deiner starken Seele nicht wohl, Sey in Gott getröstet, baue auf mich; auch mich durchglüht ein Verlangen dich zu sehen, immer schweb ich im seeligen Taumel an die Möglichkeit davon; Nochmal ich schwör dir es soll geschehn was recht und möglich ist. Aber in zwölf Wochen seh ich dich gewiß, denn ich gehe den Herbst nach Berlin. Laß mich nur alles machen, zürne nicht bleibe frey; vielleicht komme ich doch; sieh nur fleißig heraus nach meinem Lande. Glaube mir ich trag dich auf den Händen, und doch bist du mir eine Säule, auf der ich ruhe, gestüzt bin, und stark und muthig bleibe. Nachmittags. Ich erschreke; Vormittags erhielt ich deinen Brief vom 29t und izt kömmt Sailer zu mir und sagt mir Huber werde morgen abreisen – ich möchte weinen und recht traurig seyn; aber nicht wahr so geziemt es dem Helden nicht; nur das bitt ich dich daß du recht aufrecht und heiter bleibest – ich will mich nie bezwingen lassen von des Schiksals Stürmen; auch mein Anker ruht fest in einer herrlichen gekrönten Zukunft; du – o hätt ich dich bey mir, daß ich dir sagen könnte wie ich die Hand ehre die dich mir gab, und meine Jugend vergöttert hat durch deine Freundschaft; wenn du wüstest wie viel du mir bist, so 1039
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must du unaussprechlich stolz seyn, weil du über mir gebreitet bist, wie der klare Himmel über einen Eichbaum; o bleib mir ganz, zürne mir nie; sey nie empfindlich, ich thue was ich kann und recht ist; laß mich alles machen ich beschwöre dich; alles was nicht ist wird werden, es 135 wird recht schön und bald werden ich will Gott bitten; du bist ja stark, so kenne ich dich, also dir selber Trost, wenn du traurig werden willst, o so denke daß mich das sehr betrüben könnte; nein ich will dich als Heldin, als WaffenGefährtin, als ein tapfres Mädchen; sollst auch entgegenlachen dem Sturm, und nicht zuken gegen die Blitze; denke wie 140 hoch es begonnen, wie tief es in Gott begründet o denke das und sey heiter; – ich habe 2 Briefe an dich nach Berlin geschikt weil ich dich dort glaubte, Nun ich dich in Bukowan weiß sollst du viel von mir erfahren; aber bey Gott der es geben wird, im Herbste seh ich dich in Berlin; ich gehe gewiß dahin; alles ist im reinen; das soll ein blühendes 145 MorgenRoth werden für die grosse kommende Zeit. Ich bin noch krank, schwach, und nicht recht freudig, aber die Kraft meiner Seele lacht dem Körper Hohn; antworte mir bald ich möchte wissen wie gefaßt du bist; sey viel in Gottes Natur wie ein unschuldig Kind; denke der Zukunft, denke des Geschehenen. Ich gehe vielleicht 150 noch vorher nach Italien; bin aber immer noch vor Ende Septembers zurük; ich brenne dich zu sehn, dein bezaubernder – oder nicht bezaubernder Blik, den mir ist es der reine ruhige Abglanz, deiner von Gott und einer heiligern Menschheit entfalteten Seele; – diesen Blik will ich auffassen mit durstiger Seele, will mein Gemüth wie an Gottes 155 Sonne darann stählen; baue auf mich es soll göttlich werden. Ich kann dir nicht genug schildern das Meer, den Wirbel der meine Brust emporhebt, so sehr harr’ ich der lohnenden Zukunft; aber ich bin demüthig wie du mirs geheissen hast, wie es allen Jesus befahl; Es wird mir unendlich Freude machen; wenn du mir sagst und schreibest: Fr. – 160 Mir ist wohl in dir, weil ich fest auf dich baue, nimmer Zagen will seit mich Gott in deine Hand gestellt; fest vertrau ich auf die heilige Stimme die auf dem Berge zu uns sprach; Und izt muß ich schliessen, denn es ist Abend und der Brief wird morgen weggehen Also Lebe wohl, bald mehr; Ich will beten, täglich 165 beten daß dich Gott segne und ein freudig starkes Herz bewahre; Schik du dein gefälliges Gebet für uns zum Himmel; und so bleibe fest und frey; in 12 Wochen, oder wer weiß so Gott will noch früher bin ich bey dir – Nur keinen Trübsinn, und recht viel Vertrauen auf mich ich beschwöre dich; es soll dich nicht reuen ich will dich verdienen; ich will 170 1040
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dich und die Welt, und mein Heiligthum verdienen; bereite dich in Gottes Natur; keine Schwermuth, eine klare Seele; bekämpfe wie ich den GemeinSinn der uns nicht taugt. Wenn ich ganz gesund bin will ich noch feuriger schreiben; bis dahin noch öfter, bitte Gott daß er uns alle gesund bewahre; ich ruhe mit dir in der Hand Gottes; ich muß auf viel Verzichten daß ich den Brief so allein schike und dir nicht selbst reiche meine starke Hand; aber wie gesagt ich stehe in Gottes Befehlen ich, der SchwerdtTräger seines Willens. – Geduld bald glänzt mir dein Auge, bald lächelt mir dein HeldenSinn; bis dahin sind deine Briefe meiner Seele Trost; ich sehne mich unendlich, und bin ruhig weil ich weiß daß das alles was mich engt und aufwärts treibet soll befriedigt werden, und schön gelohnt, und gekrönt. Und izt nochmal ein herzlich Lebewohl; ich bin immer um dich glaube das, und bin immer heiter und stark, so lang ich dich heiter, stark, muthvoll und besonnen weis dein Antworte mir wenns moglich durch den Kutscher der H. Huber führt
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No: I Abends 1/11 Bucowan am 3 July Geliebter Freund! heute treibt der Wind dunkle Wolken am Himmel; der gestern voll Sterne glänzte da ich meine Gedancken zu dir richtete; ich war auf der lezten Stunde die ich von Prag hierher fuhr recht innig zu dir gewendet; es war alles so herrlich, die Birken waren von den Sternen beleuchtet und an den lichten Stellen des Waldes drängte sich der glänzende Himmel durch; der weite Erdball lag ruhig unter den Tausend Lichtern und es sah nicht so aus als ob ein so feuriger Geist ihn bewohne wie der Deinige. Es ist mir als müste ich dich jezt anschauen und müste alles was noch unter der Hülle ruht wie einen Seegen vor dir aufblühen lassen; 1041
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O ich hab viel zu sagen; ich will die Wahrheit in Ketten schmieden und will sie mit Gewallt aus mir hervor führen, damit Du Ihr ins Angesicht schauen mögest; es wird mir nähmlich immer schwehrer, je Tiefer das ist, was ich mittheilen mögte; und manchmal entziehen sich mir die Gedancken, wie einem Kinde das zu schwehre Gewicht entsinket. Gute Nacht! Morgen seze ich mich ins Freie dir zu schreiben. – Ich war noch einen Augenblick am Fenster; da sind die Sterne durch den Duncklen Himmel gedrungen; ich hab zu Gott gebethet: »Laß doch deine Gnade immer wieder auf Ihn strahlen wenn sein Geschick sich auch ins Dunckel hüllt.« Baiern Du glückliches Land, du hast dir einen Sohn gebohren um den Dich Gott seegnen wird.
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am 4ten July Abends 11–12 Uhr Ich hab mein Wort nicht gehalten; hab nicht geschrieben; aber viel hab ich deiner gedacht, ich fühle daß sich manches nicht schreiben, nur sagen läst; aber doch will ich mich zwingen, wie der Ackersmann | den Felsboden zwingt daß er ergiebig werde, nur harre der guten Stunde – heute Nacht ward ich zur ungewöhnlichen Zeit aus tiefem Schlaf geweckt weil ein Kind unpäßlich war; da fühlt ich mich aus dem Traum wie in eine fremde Welt hinein gezogen ich hatte mit Dir gesprochen lebte so fest so in lieber Gewohnheit neben dir hin, im Schlaf, daß mein Erwachen mir sehr überraschend war; so mag es wohl oft seyn in der Nacht ohne daß ich es weiß. lieber Freund! wenn Du wüßtest wie viel gutes Du mir schon gegeben hast! Du stehst in deinen Verhältnißen so gedeihend, daß man dir wohl ansieht du habest nie Die Natur verläugnet, also kann man Dir wohl auch am Deutlichsten sich erklären wenn die Pforte zu allem was ich sagen will, die Natur ist hör mich an lieber Freund! Ich nehme hier an als sey unser Vertrauen so begründet daß wenig oder nichts mehr zwischen uns Geheimniß sey und was ich nicht gewiß weiß seze ich zum Theil voraus. Je höher und bedeutender ein Ereigniß in der Welt ist je weniger Ansprüche hat die Sinnlichkeit an dasselbe, und der höchste Schwung in der Thaten schöpfung, ist nur Gedancke, also daß ein Mensch je mehr er Epoche für sein Zeitalter ist je weniger kann die Welt an ihn begehren, denn die Welt kann nur vom Sinnlichen, Tribut fürs allgemeine Wohl begehren, nicht aber von dem was über ihrem Wirkungs 1042
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Kreiß liegt; der Mensch aber der sich für das herrliche hinopfert wirft die Sinnlichkeit ab, sprengt die Fessel die ihn an die Welt, band. und was er im Pflichten dienst des bürgerlichen | Mitlebens gewirckt haben müßte, geht unter in der überschwemmenden Freiheit seines Willens. /:durch die Freiheit des Willens wird die Nothwendigkeit des Müssens gebeugt!:/ – Es ist aber keiner der da eine That thue in der Sclaverei es gehört zur That daß der Mensch ein Gedancke wird, in Gott, daß er frei sey wie seine eigne Natur, denn die Schönheit geht einzig aus sich selbst hervor Freund mir wird so schwehr zu sprechen, ich fühl daß ich undeutlich werde; die Worte stürzen wie gesprengte Felsen vor mir nieder und doch hab ich so viel zu sagen nehme vorlieb mit diesen Bruch stücken, vielleicht fühlst du später hin das ganze Durch. Gute Nacht! noch geh ich für dich bethen; beth auch für mich; ich bitte dich, bethe auch für mich daß ich Wahrheit sprechen möge, wenn ich zu Dir spreche. am 5ten July; die Wurzel eines edlen Stammes ist die Liebe, so hoch und so weit sich die Thaten und Ereigniße eines Menschen erstrecken die Einfluß auf sein Zeitalter haben; gleich den Aesten und dem Stamme, so weit und so Tief muß die wurzel der Liebe, in ihm um sich greifen, denn alle Nahrung muß aus ihr, zu ihm (dem Menschen) hinauf gehen; die Weisheit, Genialität, beide in Gott sind die Mutter erde aus welcher diese Wurzel Saft zieht und sich im Leben, gleich fruchttragenden Zweigen ausbildet. der Mensch ist zum edelsten gebohren, denn er ist durch die Liebe Geschaffen, sein Leben soll aus ihr hervorgehen und werden und in diese ewige Liebe soll er wiederum eingehen. – manche Menschen, haben vielleicht in deinem Alter einen ähnlichen Drang der Hinopferung der Begeisterung emfunden, für die Menschheit | die in wilder Verwirrung zu ihren Füßen lag, und doch war am Ende ihr Leben vergangen ohne von Gemeinnüzigkeit eine Spuhr zu haben, vielleicht hatten diese sich selber kaum gerettet, da sie doch Tausende mit dem Feuer ihrer Liebe zu retten im Sinne hatten. Wie kann ich dir dieß so sagen; ich weiß nicht welches Verhängniß über dir schwebt, ich weiß nicht was Du alles schon im eignen Herzen erlebt, erwirckt hast; O komm, Komm, von Mund zu Mund wird alles Deutlicher, Dein würdiger; ich werde dein Herz nicht verfehlen, werd dir nicht Unrecht thun wenn ich Dich vor mir sehe. Es ist mir ernst 1043
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sehr ernst mit Dir, aber ich bin nicht Starck genug dem Genius die Flü- 90 gel zu lösen. Abends um 11 Uhr Ich war noch im Garten; der blasse Himmel hat gar nicht dazu beigetragen mein beschwehrtes Herz zu erleichtern die kalte Ruhe die oft in der Natur zu herrschen scheint erregt mich gewöhnlich zur Trauer; 95 heute wo ich so Dringend suchte einen Weg zu finden in diesen halb Ahndungs halb bewustvollen Gedancken über Dich, da fiel mir’s auf einmal aufs Herz, wie auch mein Leben das einst (und noch) so viele Ansprüche machte auf Bedeutung und Kraftvolles Wircken dennoch so entblößt von allem ist was es verherrlichen könnte! O Gott warum bin 100 ich da? Verzeih mir alle Schwachheiten guter Freund; hätte ich nur einmal noch, recht aus der Tiefe des Herzens zu Dir gesprochen dann wär vielleicht vieles in mir beschwichtiget; leb glücklich Gott sende seinen Geist über dich, daß Du nie irre gehen mögest 105
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Mit Kunigunde von Savigny an Friedrich Carl von Savigny in Berlin Bukowan, 3.–5. Juli 1810, Dienstag–Donnerstag
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Bukowann d. 3 July 1810 Dies ist der erste Augenblick den ich dir ruhig und gemütlich schreibend geben kann; ich will versuchen ob ich dir nicht alles nachtragen kann. Da du von mir weggiengst, war mir sehr verzweifelt zu muthe, du kannst es wohl kaum gefühlt haben wie sehr mir mein Herz inniglich weh that, aber du guter Savigny du weißt es wohl gar nicht, wie ich ohne dich gar nichts bin, und wie viel es mich kostet nur den Entschluß zu fassen nicht ganz zu versinken, mein ganzer Lebensmuth ruht in dir. Ich mußte noch lange weinen. Christian und Betine störten mich gutmüthiger Weise, doch mir sehr zur Unzeit, und ich mußte mit in das Theater gehen, das halb komisch, und gut gespielt, halb langweilig bis gegen 11 Uhr dauerte, von wo aus Christian uns in ein KaffeeHaus führte wo man a la carte speißt, das mir sehr gemein vorkam; ich war verdrüßlich denn mich verlangte nach dem Bette wo ich noch einmal recht ungestört über mein Unglück weinen wollte, und auch hatte ich heftige 1044
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Kopfschmerzen, konnte gar nichts essen und mußte über eine Stunde ausdauern. Wie ich in das Bett kam sagte ich dir Gutenacht, und das war so traurig daß du allein mich hättest trösten können. Den andern Morgen fing Christian wie gewöhnlich von seinen vielen Geschäften zu reden an, und brachte den größten Theil des Tages auf dem Bette zu, ich mochte bitten und flehen alles vergeblich nach Tische sprach er schon davon noch zwey Tage zu bleiben, ich fand es auch für nöthig, und sagte ihm daß auf diese Weise ich allein Abreisen würde, das gefiel ihm nicht, denn seine Trägheit bedarf der Theilnehmer, er versprach endlich bis auf den andern Tag, Sonntag, um eilf Uhr fertig zu seyn, ich gab nach. Wir giengen gegen meinen Willen in das Theater, daß so langweilig war, daß wir alle beynahe verzweifelten, aber er konnte sich nicht entschließen heraus zu gehen, was doch für ihn sehr gut geweßen wäre, da er nun den andern Tag nicht fertig werden konnte. Ich mußte ihn zu Altmann führen, in der stärksten Hize, um der Sache ein Ende zu machen. (Altmann hatte noch keine Nachricht über die 52000 fl.) Er hatte noch alle Briefe zu schreiben, durch vieles Bitten und Dringen bewog ich ihn dazu, ich schrieb sie ab, half ihm so gut ich konnte, und somit kamen wir doch den Abend 5 Uhr in den Wagen. Betine hatte mit mir des Morgens Durch Frl. George die Bekanntschaft der berühmten Sängerin Tuscheck gemacht, sie sang uns sogleich, und recht viel, der Betine gefiel sie, die Frau ist gut und gefiel mir besser als ihr Gesang der denn doch gar sehr nach den 60 Jahren schmekt, die sie bereits zurück gelegt hat. Wir fuhren denselben Tag nach Karlstein kehrten oben auf dem Berge, bey sehr guten Leuten ein, die uns aber nichts als die Wirtsstube geben konnten, da die andere Stube die noch da war ganz mit Studenten besetzt war; es war 9 Uhr als wir ankamen 11 Uhr als wir uns auf Betten legten. Christian hatte unterwegs schon ganz sein unerträgliches Wesen wieder angenommen so daß ich doppelt traurig und ängstlich war, und oft dachte ich würde abreisen müßen, da mich jezt niemand mehr schützt, bevor du mich dazu auffordern würdest. Sehr merkwürdig ist mir daß er in der Nacht beständig fort zankte, und so daß ich kaum den Muth hatte aufzustehen, und das Licht zu repariren, Betine und ich lagen auf einem Bette und schliefen fast gar nicht. Den andern Morgen als wir ihm von der Nacht sprachen, behauptete er gar nicht aufgewacht zu seyn, wollte nicht glauben daß er gesprochen, folglich geschah’s im schlaf, und darum viel trauriger daß das sein Wesen schon so ergriffen daß es schon ganz seine Natur geworden. Morgens um 4 Uhr besahen wir das Schloß, das sehr merkwürdig ist, dennoch mich nicht so sehr ge1045
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freut, noch gefallen hat, als, Klingersberg. (Du warst nicht mit!) die Gemälde schienen | mir viel neuer als das Schloß, neuer als Alb. Dür. (in der Kapelle nämlich) Die Lage ist nach meinem Gefühl an Schönheit nicht mit Kling.b* zu vergleichen. Eine kleine Kapelle worin Karl seine Fasten soll gehalten haben ist schöner, und sehr merkwürdig so auch die Schatzkammer, alwo mir die Bilder, nichts als Köpfe, verschiedene Heilige vorstellend, viel älter vorkamen. Wir hielten uns 2 Stunde auf Christian war unerträglich. um 6 Uhr fuhren wir ab, und hatten bis um 12 Uhr 4 Stunde gemacht, wir aßen schnell zu Mittag fuhren um 1 Uhr ab und legten bis halb 7 andere 4 Stunde ab, und kamen in Pribram an, wir liefen auf den heiligen Berg der mit Öttingen nicht zu vergleichen, und kamen endlich um 11 Uhr in der Nacht zu Bukowan an. Die Kinder wie natürlich schliefen, alle andere Menschen auch, die Fr Verwaltern noch krank. Heute Früh nun haben mich die Kinder gesehen und große Freude bezeigt, nach dem Vater gefragt, und gute Nachricht über ihre artigkeit gegeben, Betinchen hat heute bey mir gelernt und gearbeitet, das Bübchen war sehr grämlich, und auch jezt klagt es über Bauchweh, es ist nämlich schon spät nach dem Nachteßen, und darum Gute Nacht mein guter Alter ich will zum Bübchen, morgen mehr. Mittwoch d. 4t Nachmittag 5 Uhr Lieber Savigny das war ein trauriger Tag! Bübchen klagte über Bauchweh, es wurde eine heftige krampfhafte Kolick, die die ganze Nacht und den Morgen bis 10 Uhr fortwährte. ein ewiges Klagen, schreien, Zucken; alle Hülfe war vergebens, opium, Hofmannstropfen, einreiben nichts gab ihm Ruhe, den Thee brach er wieder mit großer Üblichkeit aus. Dein Gundelchen war verzweifelt und krank, doch das brauch ich dir wohl nicht zu sagen; Ich ließ den Worlicker Artzt rufen, er kam erst um ½12. Da war es besser, er hatte zum erstenmal anderthalb Stunden geschlafen. Christian schrieb den Umstand den Würmern zu, ich, dem Brod und Kuchen, der Arzt verfiel von selbst auf meine Meinung, denn das Brod ist durch der Verwalterin ihr Krankseyn noch schlechter geworden. Er fand den Buben Schwächlich in seinen Eingeweiden, verordnet ihm häufige Bäder, schickt Eisenvitriol zur Stärkung, und Vertilgung der Würmer. Er ist diesen Mittag Munter läuft wohl ein wenig herum, doch ist er Schwach. Lieber Alter heute Morgen nahm ich mir in meinem Unglück vor, wie der Junge gesund sey zu dir zu reisen, da er beßer wird habe ich den Muth nicht mehr; du würdest schmählen und ich bleibe. Doch wenn noch Etwas käme, könntest du wohl dein Gundelchen auf immer verlieren, denn ohne dich mag ich gar nicht leben, 1046
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das Elend in mir zu groß, wenn die Kinder mich in dieser Lage noch ängsten. Savigny, besser wär es, ich wäre dein Schwesterchen geblieben! Die Kinder haben das Schlechte von mir, und werden Schwächlich werden wie ich. Töpliz wäre für uns alle nützlich behauptet der Arzt. Betinchen ist immer um mich, das ist meine einzige Freude, und dein Dringendes anempfehlen ich soll mich ihrer annehmen, hätte mir weh thun können, wärst du nicht ein Engel | und wäre das mir nicht immer gegenwärtig, Savigny, lieb Savigny! ich will mich recht an dich hängen wenn ich dich wieder habe, und nie mehr von dir laßen, sieh, warum kann ich nun nie ohne Thränen an dich denken, warum ist mir so wehmüthig bey dem Schreiben an dich, so daß ich die Feder wegwerfen möchte, und nur an dich denken Savigny, gut lieb Savigny ich lieg an deinem Herzen und habe dich gewaltig lieb. – . –. Ich will dir noch gute Nacht sagen eh ich ins Bett gehe, der Bub ist wohl geblieben, bis jezt so eben ist er eingeschlafen vorher war er beynah zu lustig, vielleicht ein wenig zu viel Wein getrunken. Wir waren nach dem Eßen noch ein wenig im Garten, (es ist nämlich 10 Uhr) um ein Gewitter ausbrechen zu sehen das aber trocken vorüber zieht. Ich bin traurig wie es sich von selbst versteht, da möcht ich denn im Grunde gar nicht mehr daseyn, aber du bist da, und da kann ich auch nicht recht fort gehen. Die Kinderchen sind zwar auch da, die machen mich aber traurig, weil sie so ein Mutterchen haben. – Abends wird mir wieder Muthlos, und ich möchte von hir fort, wo die Hülfe so schwer zu finden ist. Gute Nacht Alter! gute Nacht lieber, wärst du da so hätte ich doch jemand der mich schmählte und Muth zuspräche. Alter, ich weiß es wohl es kommt alles davon her daß ich nicht recht stark und gesund bin, aber darum, mir ist wohl nicht zu helfen, da werde ich müde zu dulden zu leiden und zu tragen. Wo magst du nun wohl seyn? und denkst du auch an mich? Donnerstag d. 4t. Guten Morgen guter Alter der Bub hat gut geschlafen. Geschwind noch eins muß ich dir sagen obschon der Bote wartet. Christian hat von Betine aufs Neue 2000 f entnommen, um dem Clemens Etwas geben zu können, und Etwas für sich in der Hand zu haben. Er hat Betine auf eine unfreundliche Art zur Unterschrift bewegt. Sie frug was das bedeuten sollte? was verstehst du, unterschreib nur, es ist so nötig; Sie hat es sehr ungern gethan und ich finde es auch sehr unrecht, er hat ihr keine Verschreibung und nichts dafür gegeben. Was ist nun zu machen? rathe – Franz wird loos seyn und glauben du wolltest es so haben. Christian ist so schlampig daß ich ihm selbst nicht gerne etwas gäbe. 1047
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Den 2t July war mein Geburtstag, da hab ich mir die Freude gemacht, zurück zu den Kinderchen zu kommen, daß doch etwas den Tag 135 bezeichne. Der Bote geht erst diesen Mittag so habe ich mir den Brief wieder geben laßen. Der Bub ist mit Fieber aufgewacht, hat aber gut gefrühstückt er hat immer noch Hitze Es ist wohl vielleicht Unrecht daß ich dir überhaupt etwas von dem Krankseyn des Kindes geschrieben habe, die andern wollten es 140 nicht haben, Er wird auch wahrscheinlich wieder ganz gesund seyn wenn du den Brief ließt, denn es scheint ein KatarFieber zu werden, aber ich weiß daß es mir sehr leid thun würde wenn du mir im ähnlichen Fall etwas verschwiegst, auch hätte ich mich nicht verbergen können, ich hätte dir nicht ein Wort mehr zu sagen gewußt. ach ich 145 bin traurig ich will zu dir wenn der Bub wieder wohl ist, Das Wetter hat sich wieder geändert, es ist kalt geworden, und hat Heute Nacht ein wenig gerechnet, doch nicht genug zur Zufriedenheit Ries’s. Der Arzt sagte Gestern es hätte gewiß nichts zu sagen mit dem Junge ich könnte ruhig seyn, so kömmt es mir auch vor, aber doch ist mir bange. 150 Morgen wird er wohl seyn und nur den Schnupfen haben den man Heute schon merkt, er hustet gar nicht. Ach Alter es ist alles eine Kleinigkeit, und doch muß ich weinen, und weiß mir in meinem Innern nicht zu helfen. Ich bin krank mein Alter und schwach wie du mich schon lange kennst, so erkläre und verstehe alles und laße dich’s nicht 155 mehr Drücken als es werth ist. Siehst du darum ist es schon beßer wenn ich bey dir bin du siehst wie alles ist Adieu mein guter treuer Alter denk an mich, und laß dirs wohl ergehen. Dein treu Gundelchen. 〈quer zur Schreibrichtung in Blattmitte:〉 An Herrn Baron von Savigny abzugeben in der Maurerstraße No 34 bey Hrn Postrath Pistor zu Berlin.
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〈B:〉 Liebster bester Theuerster Schwager! liebster Alter! Wir haben, liebster Schwager, die Kutsche auf dem bösen Carlssteiner Weg zerbrochen, der Rücksiz ist nehmlich an diesem vortreflichen 170 1048
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Wagen abgefallen und waren wir liebster Schwager genötigt denselben hinten aufzubinden, in Carlstein ist es meinem Gefallen nach; bei Sternhellem Himmel sind wir dort angekommen in einer Bauernstube haben wir geschlafen wie die Fürsten, ausgenommen daß ich gar nicht geschlafen habe, und war drei Fingerbreit Theuerster Schwager von meinem Haupt entfernt eine Uhr welche mich obschon ich nicht schlief, doch alle ¼ Stunde mit einem Gewaltigen Schlag weckte; – deine Gemahlin befindet sich in sofern wohl; nur daß sie immer mehr Hunger hat als zu essen da ist, und daß das liebe gewohnte Kopfweh sie in dieser Einsamkeit völlig allein lässet. Heute Nacht hab ich einen rechten Triumpf gehabt, der kleine Bub hat nehmlich die von mir längst profezeihte Kuchen und BrodKolick gehabt, und ich hab meinem Gott gedanckt daß meine Profezeihungen alle eintreffen. es ist seit der Hize so schön hier daß ich mich vor dem Abschied fürchte. O himmlische Gegend; o liebe liebe Gewitter und Stürme deren eiligen Lauf man in die Weite nachsehen kann. ich sag dir ich befinde mich so gar angenehm; daß es mir leid wäre wenn die Zeit so eilig | vorüber ging, wie bei Kurzweiligen Tagen, und ist mir recht lieb, die Langeweil, von wegen dem Genuß des Aufenthalts. die Gundel ist recht Froh und Lustig und geht alles in besserer Ordnung, Abends nach dem Nachtessen gehen wir Spazieren es gedeihet uns allen gewiß der Aufenthalt recht sehr. Adieu liebster theuerster Schwager schreib mir recht bald wieder theuerster liebster; ich verbleibe bis in dem Tod Bettine
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Bukowan, 4. Juli 1810, Mittwoch
im Thürmlein Abends 1/12 Uhr am 4ten July Gott seegne meinen Blonden! Dein lieber Kopf sey von Herzen umarmt, und an dieß Herz fest angedrückt, damit es sein Daseyn doch auch einmal spühre. Die Winde heulen ungemein, ein starckes Gewitter wird am Himmel hin und her getrieben. Gott erhalte Dich. 1049
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Dein liebes Leben bleib mir immer theuer! der Stern deines Glückes möge sich nie so hinter schwarze Wolken verstecken, wie heute sich der Abendstern versteckte. Siehst du, daß ist mein Nachtgebeth heute für Dich; beth auch für mich, aber nur nichts unrechtes. Du! Dein getreues, geliebtes, Herzens^Kind Bettine 1v
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an Arnim
*776. An Karl von Gumppenberg in Landshut Bukowan, etwa 5. Juli 1810, Donnerstag Karl von Gumppenberg an B, 12. Juli 1810: Wie innig mich 〈…〉 Ihr so herzlich geschriebener Brief gefreut hat, davon mögen Sie jene Worte, und die schnelle Beantwortung Ihres Briefes überzeugen. Gerne befolge ich Ihren Befehl, nicht viel weißen Raum zu lassen. 〈…〉 Es konnte mich nicht wundern, daß Sie unserm kleinen Landshut den Vorzug vor dem großen Berlin geben 〈…〉 auch Ihre Prophezeiung von Stunden, wo man sich nach freyer Natur sehnt, scheint mir so wahr, daß ich auch nicht das geringste dagegen sagen kann. (Nr. 786,4-13.)
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Von Johann Michael Sailer an Kunigunde von Savigny und Bettina in Bukowan Landshut, 5. Juli 1810, Donnerstag
An Cunegunde und Bettine Den Augenblick, eh Huber abreiset, werde ich inne, daß die zwey Damen noch in Bukowan regiern: nehmt also mit dieser Zeil vorlieb. Savygnis und vordem Bettine’s herzliche Briefe hab ich erhalten und werde auch fleissig und ordentlich schreiben, wenn ihr einmal eine bleibende Stätte beysammen – eingenommen haben werdet. Ihr seyd mir und allen meinen Freunden und noch vielen andern – wohl allen (drey oder vier ungewisse Menschen angesichter abgerech1050
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net) theuer und werth . . . . Und wir wünschten euch längst zurück, wenn es euch so zu Muth wäre wie uns, eigentlich wenn es euch hier so anstünde, | als wir gern sähen, und wenn die frommen Wünsche – alle That würden. Nun möge es euch allen überall recht gut gehen … Gottes Hand soll sichtbar mit euch seyn auf allen euren Wegen und Stegen, und damit es euch ganz geholfen sey, spürbar in euch, Amen. Neues weiß ich nichts, wie ich in Landshut stets zu euch sagte. Tiedemann, die gute, ist krank … steht aber bald wieder auf . . und grüßt vielmal. Röschlaub und Walter hat itzt ein gemeinsame medizinische Angelegenheit einander nahe gebracht. Rector Magold macht seine Sache vortrefflich. Jacobi kommt zu Köppen nächstens auf Besuch: von seiner Sache ist alles still. Freyberg seh ich als Erbtheil an, das mir Savygni hinterlassen hat . . ich besuche ihn fleissig . . und er bat mich, diesen Brief von ihm bey zu legen. Zimmer, Schneider, Mall, Magold – die braven, lieben alle, grüssen euch von ganzem Herzen – Daß Humbolt nach W. kommt, wird euch wohl auch unlieb seyn … Kurz, wir nehmen Antheil an allem, was euch angeht, als wenn es unsre Sache wäre. In vorigem Jahre ward hier viel gelogen; in diesem wird viel gestohlen, und nicht wenig gelogen. Die am wenigsten thun, lügen am meisten … haben auch am besten Zeit dazu. Ach, könnte ich doch mit Huber zu euch kommen! Nun, weil ich nicht kann, so gehe mein Geist mit … Lebet wohl und freuet euch des Gottes, der das Licht und die Liebe, und das Leben ist. Vertatur Und, wenn Savygni wieder kommt, so sagt ihm, daß ich ihn recht lieb habe, und zwar, weil ich muß. Iterumque valete. Landshut, den 5 Jul 1810
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Auch sollt ihr auf der Stelle nach Berlin schreiben, daß Zimmer – Savygni grüßen läßt, sagt Zimmer ex tripode, beym Kaffeetrinken.
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An Johann Wolfgang von Goethe Bukowan, 6.–28. Juli 1810, Freitag–Sonnabend
Bucowan im Praginer Kreiß. 6 July Wie weit hab ich zurück zu gehen, um Dir so manches zu erzehlen! Die Merckwürdigkeiten sind zwar nicht sehr häufig in meinem Leben; dennoch kömmt Dir zu dieß und jenes von mir aufzunehmen. So wie mein Herz mitten in fremder Umgebung sich heimathlichst zu Dir wendet, so hängt am Ende jeder Weg, jeder Blick in Die Natur, jedes kleine Ereigniß mit Dir zusammen; Dieß voraus: Daß ich Dich immer so lieb habe wie in dem Moment, da Dein Blick den langbewahrten Saamen in meiner Brust zum Keimen entzündete; daß heist: Daß meine Liebe immerfort bis auf diesen Augenblick gewachsen ist, auch während dießem äuserlichen Stillschweigen, nicht Mangel litt sondern überfüllt war mit Sorgen: Denn Du hast kein Verhältniß in mir Unberührt gelassen, und wie ich mich wende so stehe ich entweder in begeisternder Sonne, oder in beruhigender Nacht. – Im März oder Aprill wars da ich Dir zum leztenmal von Landshuth aus schrieb, damals wuste ich nicht wie reich ich war wie mir Schäze zugeflossen waren von denen ich keine Ahndung hatte daß sie in der Welt seyen – jezt muß ich sagen daß Landshuth mir der gedeihlichste Aufenthalt war, in keiner Hinsicht kann ich es genugsam preißen, auch in Bezug auf Dich hab ich es gefunden wie ichs immer wünschte daß Die Begeistrung aus dem Herzen hervorgehe und nicht aus der Beurtheilung; nur von Dir kann man sprechen; nicht über Dich. am 7ten July. Wie bequem ists, wie lieblich, an Dich zu Denken, unter Diesem Dach von Tannen und Bircken, die den heisen Mittag in hoher Ferne halten, die schwehren Tannzapfen glänzen und funklen | mit ihrem Harze wie tausend kleine Tagessterne machens da droben nur noch heiser und hier unten kühler. Der blaue Himmel deckt mein hohes enges Hauß, da meß ich denn rücklings seine Ferne, wie er unerreichbar scheint, doch trug mancher Mensch den Himmel schon in der Brust; ist mir doch als hab auch ich ihn in mir festgehalten, einen Augenblick, diesen weitgedehnten, über Berg und Thal hinziehenden. Es sind die Menschen alle, nicht wie ich, und ich nicht wie diese; – sollte ich anders glauben? – warum thun sie nicht wie ich? warum führen sie nicht ihre Wege grad, wie ich den meinigen; über alle Ströhme, Brücken, durch alle Felsen, Höhlen, über Stock und Stein in einer Li1052
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nie fort bis zu dir ans Herz, so geht mein Weg; bis an dein Herz wandert jeder Gedancke, und ich denck nichts über Dich ich dencke zu Dir hin; Liegt es denn nur in der Jugend, daß man so innig wolle was man will? – bist Du nicht so? begehrst nicht nach mir mögtest nicht bei mir seyn zu Zeiten und Dir gefallen lassen was mir gefällt? am 10 July! Von Landshuth aus haben Wir unsere Reiße etliche Tag nach Ostern angetreten, bei dem Ausmarsch fanden sich viele zu Wagen und zu Pferd ein, die von ihrem Freund, und Lehrer Savigny, nicht sogleich scheiden wollten; die ganze Stadt war in und vor unserm Hauße versammelt, es ward Wein ausgetheilt und unter währendem Vivatrufen ging der Zug zu Fuß zum Thor hinaus, die Reiter begleiteten das Fuhrwerck, auf einem Berg wo der Frühling eben zum erstenmal die Augen aufgethan hatte, nahmen die Professores und ernsteren Personen einen feierlichen Abschied; dann fuhren wir noch eine Stadtion, unterwegs trafen wir alle 4tel Stunde noch auf Parthien die dahin vorausgegangen waren um Savigny zum lezten mal zu sehen, ich sah schon eine Weile vorher die Gewitterwolken sich zusammen^ziehen, im Posthauße drehte sich einer um den andern nach dem Fenster, um die Thränen zu verbergen; ein junger Schwabe der mich Musik gelehrt hatte, war in seiner Betrübniß so sonderbar rührend, daß den übrigen das Herz beinah brach, dieser Mensch ist ohne^dem wie die personifizirte Volksromanze, ich werde das nie vergessen, wie er weit vorausgelaufen war, um dem Wagen noch einmal zu begegnen und nun im Felde stand ohne aufzusehen sein kleines Schnupftüchlein im Wind wehen ließ und Tausend Thränen vergoß; es ist ein eignes aber Treues Volk die Schwaben. 9 bis 10 der geliebtesten Schühler von Savigny begleiteten Uns bis Salzburg, der erste und älteste Nepomuck Ringseis ein treuer Haußfreund, hat ein Gesicht wie aus Stahl gegossen alte Ritterfisiognomie, kleinen scharfen Mund mit schwarzem Schnauzbart, Augen aus denen die Funken fahren, in seiner Brust hämmerts wie in einer Schmiede, er will oft vor Begeistrung zerspringen, ist dabei voll Sanftmuth, die Portugiesen sind seine Lieblinge; der 2te, ein Herr von Schenck hat weit mehr äuserliche Bildung wie alle andre Baiern, hat viel Umgang mit Schauspielern gehabt, declamiert öffentlich war verliebt ganz glühend, kam ihm die Poesie übern Hals, lauter Sonnette, lacht sich selbst aus über die französche Galantrie die darin herscht hat mir etliche zur Probe mitgegeben, Blonde Millionen Locken, etwas zu Dicke Nase, an1053
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genehme Gestaldt, sehr Kindisch, und äuserst ausgezeignet im Studieren, der 3te | ein Italiener Salvotti, ungemein Schön, trägt einen großen grünen Mantel der die edelsten Falten um seine herrliche feste Gestaldt wirft, eine unstörbare Ruhe in allen Bewegungen, eine eben so große Heftigkeit im Ausdruck des Gesichtes, läst sich kein gescheu- 80 tes Wort mit ihm sprechen so ist er in Gelehrsamkeit versuncken er trug mir immer den Paraplui wenns regnete. der 4te: Freiherr von Gumppenberg, ein Kind dems unendlich wohl bei mir ward, sehr edlen Herzens bis zur Schüchternheit still, um so mehr überrascht die Offenherzigkeit die durch Zuneigung aus ihm hervorströhmt, ist nicht Schön, 85 hat ungemein liebe Augen; dieser ist ein unzertrennlicher Freund mit dem 5ten, Freiherrn von Freiberg, der bedeutendste unter allen, 20 Jahr alt, eine Gestaldt als ob er 30 Jahr hätte groß und starck, ein Gesicht wie eine Römische Gemme, die Liebe und das Wohlwollen leuchtet aus allen Bewegungen, Spricht beinah nie, selbst seine besten Freunde de- 90 nen er auf alle Art seine Zuneigung beweist, haben noch kein vertrauliches Wort von ihm gehört, verträgt die härtesten Anstrengungen, schläft wenig guckt alle halbe Stunde Nachts zum Fenster hinaus, nach den Sternen, hat gar nicht das was man äuserlich Bildung nent, geht doch mit Fürsten um, ändert nie sein Wesen in Gesellschaft, ist von den 95 andern als der Erste angesehen obschon er weder Verstand noch Wiz äusert, aber was der Freiberg will das muß geschehen. Der 6te, war der junge Mahler Ludwig Grimm der mein Bild radiert hatte; so lustig und Naiv in freier Natur, daß man bei ihm bald zum Kind in der Wiege wird das um nichts lacht. warum ich dir diese alle so deutlich be- 100 schreibe? – weil keiner unter | diesen ist, der nicht im großen Leben durch die Reinheit die Wahrheit seiner Natur, hervorleuchten würde, ich weiß, einen jeden müßtest blos um des Ansehens willen schon auszeignen, auch haben sie Dich alle so lieb, und besonders Freiberg öffnete einmal lächlend den Mund dich zu preißen; bei ihm ist aber ein 105 Wort, wie der Anschlag in einem Bergwerck, eine Schichte führt zur andern, und ist nimmer des Schazes ein End, so wie die Erd durchdrungen ist mit tausend verborgnen Adern, also sein Herz mit Liebe. Der Tagreißen waren zwei bis Salzburg, auf der ersten kamen wir bis Altoeting berühmt wegen einem wunderthätigen Marienbild, Morgens um 110 4 Uhr beginnt die Kirche mit Musick und währt bis nach Sonnenuntergang, während dem ein beständiges Ein– und Ausströhmen der Wallfahrer, jeden Tag des Jahres. der ganze Plaz ist mit Votivtaflen gedeckt, schon dieß macht einen ängstlichen Eindruck, das innere der 1054
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Capelle ist ganz mit schwarzem Sammt überzogen auch das Gewölbe, und mehr durch Kerzen^licht als vom Tag erleuchtet, die Altäre von Silber, an den Wänden hängen silberne Herzen, und Gebeine, Max von Baiern kniet in Lebensgröße, auch von Silber, vor dem Kohlrabenschwarzen Muttergottesbild das ganz in Brillianten gekleidet ist, die dumpfe Orgel von zwei Männerstimmen begleitet, das stille Messelesen, die Menschen die mit Thränen die Stuffen des Altars küssen, viele tausend Seufzer aus allen Ecken, das macht den wunderlichsten Eindruck; wo alle bethen sollt ich auch beten, dachte ich; aber nimmermehr, das Herz war in beständigem Klopfen, im Hinausgehen dachte ich: möge es allen meinen Freunden wohlgehen und von mir viel Glück über sie kommen. dieß ist mein Gebeth, wenns die Muttergottes erhören will, soll mirs Lieb sein. unsere Reiße ging durch einen Wald von Blüthen, der Wind streute sie wie einen Regen nieder, die Bienen flogen nach den Blumen, die ich hinters Ohr gesteckt hatte. Gelt das war angenehm? da wars einem Wohl, da war die Bettine vergnügt, am 28 July und nun sind Viele Tage vergangen, in Regen und Kaltem Wetter, an deren keinem hatte ich Lust Dir zu schreiben; heute wo die Sonne wieder brent bin ich mit meinem Schreibzeug über Felsen und Berge geklettert, durch die Dicksten Tannenbüsche alles mit den Augen durchspäht, einen Winkel zu finden da mirs so recht wohl wäre, nun size ich hier, zwischen Steinen die mit dem Dicksten Moose von zwei Frühlingen her bedeckt sind, die jungen Tannen rühren mit den Aesten meinen Kopf, und mir ist so wohl, so friedlich, daß ich gern dieser Stunde, eine Erinnerung bei Dir niederlegen mögte; bei Dir, Guter Meister der eine lange Zeit meines Lebens, die Blüthe war, die mich schmückte die Flamme die mich zündete; und jezt sind Jahre zwischen Uns hergegangen, und manches hat mir nah ans Herz gestürmt; da ich mich aber kaum besinne, so schwillt und drängt sich schon wieder alle Lebensfülle den gewohnten Weg, ins Herz, zu dir. ja Dir mögt ich alles sagen; es ist so viel, und auch so wenig. – alle Wahrheit ist dem Menschen zu schwehr; so lang es Traum ist, mag ers gerne tragen, er denckt und sinnet sich alles zusammen von Begebenheiten, einen Glücksstrohm lässet er über sich regnen, und die Stürme beugen ihn nicht; aber wenn deren eines kömmt, Glück oder Unglück, bei ihm einzukehren dann ist er nicht zu Hauße, blödsinnig und geblendet, versteckt er sich in die alte Rumpelkammer, seiner Träume, und harret bis sie weitergezogen sind. 1055
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Warum? weil zum Glück wie zum Unglück, der Gott vonnöthen der hoch über den Wolken thront, diesen muß man sich herabziehen ins Herz; welcher Mensch aber denckt seiner, in der Ruhe? ach alles Leben 155 flammt um uns her, und wir ziehen wie die Schatten durch; wenn sichs manchmal regt im Busen, dann sucht man zu beschwichtigen und ein zulullen, denn: Schlafend will man durch die Welt ziehen, man kann den Lärm nicht vertragen den alle Kräfte der Natur machen, wenn sie wach werden, denn da pochts Herz bei Sonnenauf und Untergang, die 160 Gedancken halten und feuern die Hochzeit, offne Thore, alles zieht aus und ein; die Seel ist beklommen, im neuen Leben, sie giebt sich hin ohne Wehr und Waffen das Weltmeer ist ihr ein laues Baad, die steilsten Felsen überspringt sie ohne Berechnung, ohne Überblick, denn: sie fühlt sich ewig; was will aber ein Abgrund oder ein Sturm der Ewig- 165 keit anhaben? – Lieber Herr! so lang ich diese Fesseln trage wie kann mirs da wohl werden? und doch: der glücklichen Stunden die ich hier allein zu bringe, wo ich bethen kann und wo mir das nichtige wie Rauch aus der erheiterten Luft schwindet. wärst Du hier, ich wollte dir die Füse kü- 170 ßen, ich wollte Dich so friedlich ansehen. Was soll ich Dir aber sagen; hier wo die Sonne zu mir niederklettert über die Felsen durchs enge Buschwerck; was soll ich dir sagen? der Du alles weist, der Du alles durchgefühlt hast, und weist wie wenig der Worte dem innern Sinn gehorchen daß sie ihn wahrhaft andeuten mö- 175 gen. – Wann soll ich Dich wiedersehen? wann? daß ich mich nur ein klein wenig an Dich anlehnen möge, und ausruhen; von Salzburg muß ich dir noch erzehlen: die lezte Station vorher, Laufen, es ging in einen fröhlichen Abend über; die Thäler breiteten sich lincks und rechts, als wären sie das eigentliche Reich, das unend- 180 liche gelobte Land langsam wie die Geister hob sich hie und Da ein Berg, und sank almählig in seinem blizenden Schneemantel wieder unter. mit der Nacht waren wir in Salzburg, es war schauerlich, die glattgesprengten Felsen himmelhoch über den Häusern hervorragen zu sehen, die wie ein Erdhimmel über der Stadt schwebten, im Sternenlicht; 185 und die Lanternen die da all mit den Leutlein durch die Straßen fackelten; und endlich die 4 Horn die schmetternd den Abendseegen bliesen, da Tönte alles Gestein und gab das Lied vielfältig zurück; die Nacht hatte in Diesem fremden Ort, gleichsam einen Zaubermantel über uns geworfen, wir wusten nicht wie das war, daß alles sich beugte 190 und wanckte, das ganze Firmament schien zu athmen; mir flammte 1056
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noch ein besonderes Feuer in der Brust; ich war über alles glücklich, zum erstenmal ward mir Deutlich daß ich noch manches bedeutsame an mir entwicklen dürfe; du weist ja wie das ist, wenn die Dumpfen Thore endlich gesprengt sind und man aus sich selber wo man so lange gesonnen und gesponnen, heraus tritt ganz ins Freie und in den Sonnenglanz. – wie kann ich Dir nun von diesem Reichthum erzehlen, der sich am andern Tag vor uns ausbreitete? wers nicht gesehen hat der gehe hin und seh es; es ist verlohrne Zeit was er sonst thut. kein unrein Herz kann da bestehen wo sich der Vorhang almählig vor Gottes Herrlichkeit theilet, und man sich nur verwundert daß alles so einfach ist in seiner Größe, man muß entweder Dort verzweiflen oder ganz durchdrungen werden mit Friede nicht einen, aber Hundert Berge sieht man, von der Wurzel bis zum Haupt ganz frei, von keinem Gegenstand bedeckt, es jauchzt und Tryumpfiert ewig da oben, Die Gewitter schweben wie Raubvögel zwischen den Klüften verdunklen einen Augenblick mit ihren breiten Fittigen die Sonne. das geht so schnell, und doch so fromm, so ernst; es war auch alles begeistert, ich glaub man hätte uns bereden können unterzutaugen in Die Seeen in denen sich die Berge baaden; so heiter, so kindisch, tausend Gaukeleien wurden ins Steingerüßt gerufen. Alles vergeht, aber meine Worte nicht, spricht Gott; so weiß ich denn das Gott mit mir gesprochen hat da oben, denn es wird mir nimmer^mehr vergehen. von da ging die Reise nach Wien; es trenten sich die Gäste von der Familie, bei Sonnen aufgang fuhren wir über die Salza, hinter der Brücke wo ein sehr großes Pulvermagazin ist, standen sie alle um Savigny noch ein leztes Vivat zu bringen, ein jeder rief auf seine Art noch ein Liebend Wort zu; Freiberg der uns noch begleitete bis zur nächsten Station, sagte: wenn sie nur all so schrieen daß das Magazin in die Luft sprengte, denn es ist Uns doch das Herz zersprengt. – nun ist uns weiter nichts merckwürdiges geschehen, auser daß ich zum 1sten die Sonne aufgehen sah, zum 2ten einen Regenbogen und zum 3ten, einen Pfauen der ein Rad schlug; zu Wien, wohnten wir im Hauße des verstorbenen Birkenstocks, mitten zwischen 20000 Kupferstichen 27000 Handzeichnungen, so viel hundert alten Aschenkrügen und hetrurischen Lampen, Marmornen Wasen, Antiken Händen und sonstigen Gliedern vielen Bildern unter andern ein Raphael, An: del Sarto Dürer pp – alte Chinesischen Kleidern, Münzen, Steinsammlung Meerinseckte Ferngläser, unzählbare 1057
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Landkarten, plane, alter längst versunckner Städte, Stöcke, sehr künstlich ausgeschnizt, und endlich das Schwerdt vom Kaiser Carolus welches ihm die Stadt Augsburg zum Present gemacht, dieß alles lag bunt um uns her, wurde grad in Ordnung gebracht; ich aber sah und rührte nichts an, auser die Marck Antone die so vollständig und gewählt sind, 235 wie man sie nimmermehr finden mag. – 3 bis 4 Wochen war ich da, was ich vom Teater gesehen, war unter aller Critick, elende Kleidung noch elenderes Spiel, die Sprache halb singend halb schreiend, das Orchester so ausgelassen wie die Straßen jungen, da hört keiner auf den andern sie spielen, wer zu erst fertig ist, der kann ausruhen; jedoch ist das 240 Teater auf der Wien wegen seinem Luxus in Decoration und Kleiderpracht aus^gezeignet, auch ist lauter schönes Volk da, selbst die Stadisten sind gewählt. die Menschliche Gesellschaft, hat mich keineswegs berührt, Wiener sind Wiener, und sonst gar nichts; die Juden halten groß Schmausens, was aber sauer schmecken sollte schmeckt da süße, 245 da kömmt einem der Eckel an; Die Judinen sezen sich nach Tisch zusammen, und fasern die alten Goldborden aus, und das geht immer ganz hochdeutsch, hat Krämpfe, die Kinder sind getauft müßens Kreuz machen, die Göttliche Unzelmann declamirt am Abend, endlich wickeln sie sich in einen 11000 gulden Schawl und fahren in den Prater. 250 Wenn ich jemand sehe der Dich lieb hat so treu so innig wie dieser von dem ich dir jezt sagen will, so vergesse ich die ganze Welt; schwindet mir doch die Erde wenn mich die Erinnerung erfaßt; ja sie schwindet, und mein Horizont fängt zu meinen Füssen an, wölbt sich um mich und ich stehe im Meer dieses Himmels der von Dir ausgeht. Du 255 bist unschuldig wie ein Lamm Du weist nicht was Du giebst; oder weist Du es doch, daß alle Gedanken sich im Hintergrund halten und eine Ruhe die mich gelassenen Flugs über die Erde trägt, ins Herz mit dir einzieht; lasse alles seyn und liegen, mach Deine Lieben Augen zu, und leb in mir, einen Augenblick, vergesse das was zwischen uns liegt so- 260 wohl von weiten Meilen, als von tausend und tausend Stunden; aber von da aus wo ich Dich zum lezten sah, seh mich an. ja wenn ich einen Augenblick vor Dir stünde, und es wär mir gegeben daß ich Dirs Deutlich machte. Der tiefe Schauder der mich schüttelt wenn ich eine Weile mit zugesehen habe in der Welt, wenn ich dann hinter mich sehe 265 in diese Einsamkeit, wenn ichs fühle wie fremd ich bin, wo kömmt mir der Thau her, der Seegen, die Nahrung, die Sonnenwärme? daß ich dennoch wachse in dem oeden verschloßnen Gestein daß ich grüne und blühe, daß ich selbst mich lieblich fühle in dieser Liebe zu Dir. 1058
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Wenn ich bey Dir wäre, ich wollte dir viel wieder geben für all dieß, ich hab eine Gewallt in mir die mir einen unendlichen Reichthum zusagt, alles was der Wahnwiz der Menschen bis jezt erbaut hat kann mir nichts haben; ich bin herrlich in mir selber, wo etwas gutes ist da entwickelt sichs schnell an mir, und so auch dieser Beethoven von dem ich dir jezt sprechen will; man sagt er sey hässlich; aber die Liebe die er zu dir trägt hat ihm einen Panzer angelegt indem er alle äusserlicher Schwachheit gegen mich geborgen ist. jezt geb acht! an diesem geht die ganze Welt auf und nieder wie
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am 6ten July Abends 11 Uhr Was mich oft erquickt, ist daß Unser Verhältniß durchaus nicht der Gewallt der Menschen noch dem irdischen Schicksal unterworfen ist, daß mir’s Niemand rauben kann; – Schlaf wohl, Heute bin ich nicht geschickt mit Dir zu sprechen; wenn ich nicht recht fromm bin so wills nicht gedeihen. Gott über Dir, und deine Liebe zu Ihm, über alle Liebe! aber alle Liebe die gutes will und thut, ist Liebe zu Ihm; darum sey glücklich: denn deine Liebe die überschwenglich ist an Gutem, gehört Ihm an. Eine unschuldige fromme Zeit ziehest Du wieder in meine Brust herauf, die ich schon mit den früheren Jahren entschwunden glaubte. – am 7ten July Abends halb 11 Mag der Tag vergehen wie er will, er ist mir doch immer nur ein sehnlicher Weg nach dießer Stunde, wo ich Dir mein Herz aufschließen darf. Was ist das Thatenlose Leben seit dem ich dich kenne? was soll ich in der Welt anschauen außer Dir, Da Du Der Welt ein Licht seyn willst – Eine Wolke die am Himmel daher ziehet schwehr und mächtigen Ansehens, sincket dennoch dahin wo der Wind sie wehet ein Mensch trägt das Schicksal von tausenden in der Brust, und er wehrt sich mit kalter Tapferkeit gegen allen Wiederstand; festen Sinnes hat er sein ewiges Ziel im Auge und schreitet nicht achtend des unwegsamen Pfades, für die Ewigkeit ist seyn Weg – ein solger muß ja mit Gott seyn, da sein Wesen göttlich ist (denck daran)
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am 8ten July Abends 11 Als ich heute in der Abendsonne nach Hauße fuhr, war ich ein paar Augenblick im Traum versuncken; mit Dir war ich im Heiligsten Werck verbunden, meine Augen sahen spähend nach deiner Umgebung, in mir blizte der Muth, wie Wettersleuchten | am Heisen Tag, – lieber Freund! nur im Traum hab ich bis jezt noch emfunden was meine Seele vermach, und Gott weiß ob ich in der Wirklichkeit je Durchsezen würde, was ich in der Einbildung oft unternehme Lieber Lieber Max ich wär dein Freund nicht, wenn ich nicht begehrte all deiner Mühe deiner Sorgen und Leiden Theilhaftig zu werden; – O was kann ich dir sagen? laß mich für Dich bethen, daß deine Seele nie sincken möge, daß deine ganze herrliche Natur, unter Gottes Schuz hervordringen möge; ich bin schwach gegen Dich und allein Die Liebe giebt mir Kraft. – ich habe Heute der Worte Matth: 17 Cap: 25 V gedacht: »wer sein Leben erhalten will der wirds verlieren, wer aber sein Leben dahin giebt um meinet willen, der wirds finden« – so sey es daß du das Leben findest, und daß auch Die das Leben finden welche mit Dir sind, so sey es daß du der herrlichste seyst, und daß alles Gute von Dir ausgehe; wer glaubt, der thut Wunder; lieber Freund, ich bethe zu Gott daß er meinen Glauben an Dich, stärcke; Unser Lieb ist nicht auf dieser Erde, sie wandelt am Himmel, und ist in sich eins, sie bedarf nichts, als sich selbsten ob Du mich liebest oder ich Dich ist nicht zu unterscheiden, denn das ist verbunden; aber Deine Liebe zu Ihr ist der Altar an Dem wir beide niedersincken, auf dem wir beide Unser Opfer bringen; – Nicht wahr ich bin Dein Freund? Du fühlst es so muß der Freund seyn, und nicht anders. Ruh über Deinen Schlaf, und Gottes Geist in Deine Träume. ich geh jezt bethen, heut bin ich recht dazu geneigt mein Herz Gott aufzuopfern, für dein Wohl, Thue auch so. am 10ten Gestern mogt ich nicht schreiben, noch in der späten Nacht saß ich am Fenster; die Hunde hört ich in Der Ferne bellen, und mir war immer als könntest Du des Wegs kommen der zu mir führt, ich hatte Freude, daß ich dann allein noch wach seyn würde, und unser Willkomm recht ohne Scheu grade in dem Augenblick wo immer all meine Gedancken Dir geweihet sind. nun ist die Nacht vorüber, eine andre ist niedergesuncken und Du bist noch nicht da! O verzeih mir wenn Du dieses ließt daß ich so Sehnsüchtig immer warte und die Zeit mißbrauche, im steten Wunsch sie möge vorüber gehen bis auf den Augenblick wo Du kommst. ich erwarte mir ein neues Frisches Leben wenn ich erst mit 1060
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Dir manches beschwichtigt habe, was mir jezt die Brust beschwehrt. so manches geht keck durch meine Gedancken, was ich nicht aufzuschreiben wage; Abends, so grade um diese Zeit könnten wir nebeneinander sizen und alles alles aussprechen was in Der Seele vorgeht. und wem würden wirs anvertrauen? ein jeder dem besten Freund, der festesten Stüze die er im Leben hat. – jezt sag 〈〈ich D〉〉ir nur dieß; ich hab Baiern lieb gehabt, um den 〈〈Savigny〉〉 aber um Dich hab ich es 3 mal lieb gewonnen wenn ich nach seinen Bergen schaue die hier die Gränze der Gegend ausmachen, so seegne ich es alle mal, ich wollte daß mir Flügel wüchsen um nach diesen Bergen hinzuziehen ich wollt daß mein Blut für das Glück meiner Freunde flöße, daß ich durch Gottes Stärckung, des Guten in Fülle über alle brächte. aber siehst du, dieß ist eben der Himmel | und seine Seeligkeit daß das Gute von einem ausgehe und das böse verderbe, und ich hab ja den Himmel nicht verdient; aber Dir will ich helfen daß du diesen Himmel mit allen deinen Kräften erringst. O ich habe eine herrliche Hoffnung für dich, die ist gestüzt grade auf deine Jugend daß diese von selbst schon so früh gleichsam als eine Grundnatur, sich dahin wendet; mein Freund einem eingefleischten Teufel, muß ein eingewurzelter Engel entgegen stehen, und ist der Engel der dich beseeligt zu allem guten anregt, für den Du alles giebst, von dem Du allein Belohnung hoffst, nicht in dein Herz eingewurzelt? – Schlaf wohl, es ist schon tief in der Nacht, wenn ich alle Engel rufen könnte um Dich zu seegnen, um Dich mit Kraft und Muth zu erfüllen? – mein Gebeth sende ich dennoch darum zum Himmel wenn einst Die Stunde kommt wo du seines Schuzes bedarfst, so dencke meines Gebeths, und hoffe daß es Gott erhört hat. ja gewiß wird er Dich nicht verlassen am 11ten July halb 10 Uhr Abends Noch ist die Nacht nicht ganz herein gesuncken, noch kann ich D〈〈ie Lin〉〉denbäume in der Ferne erkennen, die ein Kreuz 〈〈umgebe〉〉n unter dem ich heute gesessen habe und einem Gewitter entgegensah, das hinter den Bairischen Bergen herauf zog; ich will Dirs nur gestehen: ich war Dir entgegengegangen ich dachte, weil ichs wünschte, meine Ahndung könne mich nicht Trügen, an Den Boden legte ich den Kopf um zu lauschen, ob ich keinen Tritt keine Pferde höre, und im Herzen sann ich nach, wie ich dich begrüßen wollte, aber der Donner rollte und die Regenwolken zogen herauf, und wie der | Bliz den heisen Tag abkühlt, so mir das heise Sehnen; ich ging langsam zurück, kehrte noch 1061
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ein mal um, kniete, am Kreuz nieder; Die Hand, die so gern Die Deine gedrückt hätte, umschlang das harte Holz; – und ich war nicht mehr allein; ich bedachte daß der am Kreuz gestorben war, aus Liebe für alle so 105 gestorben war, für mich und Dich, – ich ward ruhig und getröstet. So wie mirs jezt im Herzen ist, so ist dein Schicksal das meine, es sey dann Daß Du glücklich bist, sonst bin ich unglücklich, für deine Liebe beth ich als ob es die meine wär, und träume mich oft in das Glück hinein das Dir noch werden soll, jedoch wie ein Blinder sich das Firma- 110 ment träumt, die Fantasie muß ihm alles geben, Du weist, Du hast deinem Armen Freund, nicht Licht über alles geben er lebt im Dunckel über vieles, er sucht Dich in Dieser Finsterniß, er ahndet dich, kann Dich aber nie recht sicher Fest halten; ach und deine Gegenwart könnte dieß alles erhellen es in schöne herrliche Ordnung reihen, soll 115 ich daher nicht nach Dir verlangen? O dieß alles kann sich noch wenden, vielleicht daß mit Der Zeit ein Fels zwischen Uns steht, den wir beide nicht zu übersteigen vermögen, die Liebe ist ein Gast des Himmels sie kehrt ein bei den Menschen, und wendet sich wieder nach ihrer Heimath, dann hat der Mensch sich mit 120 der Erinnerung dieser lieblichen Zeit zu trösten – und wenn mirs so wird, was soll ich anfangen? welche Brücke soll ich Bauen die zu meinem Heil führt? – unsere Herzen sind Zwillinge Du hast den Willen, die Kraft, und ich hab die Erkentniß dieses Willens. – wenn Du erst recht mein Herz kenntest, so würdest Du Dich wundern wie manches 125 wiedersprechende, darin friedlich wohnt – alle irdische Verhältniße gehen mich nichts an und doch kann ich sie ertragen, wo es die Treue begehrt, ja vielleicht selbst schaffen – Du verstehst diese Worte nicht? – vielleicht daß Du | mit Der Zeit mich selbst nicht mehr verstehst, daß Du Dich von mir abwendest – O Goldne Früchte die ihr mir jezt vom 130 Baum des Glückes niederfallet, ich hab Euch nicht blühen sehen, ich hab die Augen nicht nach Euch gelenckt da Ihr im Dufte eure Kelche schwencktet, erst da Die Frucht reif mir entgegen glänzte, da sah ich voll Erstaunen daß mir das Glück im Stillen, am stillen Orte geblüht hatte, – 135 Dir war ich so nah mein Freund, und wuste nicht daß Du mir so nah warst; O wie hätte ich sonst mit Dir zu gleich, dieser Goldnen Frucht der Freundschaft gepflegt. Ich erinnere mich bei Dir, oft an meine Freundin von der ich dir auf dem Spaziergang über den Hofberg sprach, es war das erstemal, wo ich 140 etwas vertraulicher mit Dir sprach. wenn ich nicht irre so sagte ich dir 1062
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Damals, daß ich immer eine Ahndung gehabt habe, 3 Jahre nach ihrem Tod, würde die Wunde vernarbt seyn, jezt sind es 3 Jahre, und die Ahndung hat sich mir gelöst, – O daß ihr Andencken mir ein bleicher Schatten geworden ist, das kränckt mich, diese Liebe konnte ich auch nicht festhalten! – ich bin nicht gut ich bin nicht starck, ihr, die nur lauter gutes an mir geübt hatte kann ich nicht einmal ein festes Andencken in mir weihen mich reist das Neue fort, und hier verspreche ich so viel? ich bin schwach weit besser wärs wenn ich mit Ernst und nicht so rasch wär – O Gott laß mich alles tragen, laß mich alle glücklich machen die an mich verlangen, aber gieb auch Kraft Muth Einsicht, laß mich nicht ungerecht, seyn wenn Du der Neuen Liebe Stärke giebst, so giebs der alten doppelt, laß mich ganz für sie ein Opfer werden, laß mich gerecht seyn, laß mich alle beseeligen und mich mit – gieb mir den Himmel auf Erden heist dieß; wie kann ich so frevelhaft bethen über Dem Schreiben ist es späth geworden; ich mögte Dir beinah profezeihen, wenn ich nicht fürchtete mißverstanden zu werden, oder Dich zu erschreken. Mein Freund! mein lieber Freund! Die Zeiten die Deine große Seele mit starcker Stimme herbei ruft hören Dich wohl, sie erwachen aus ihrem festen Schlaf, und stehen auf aus ihren Träumen, aber des Lichtes ungewohnt wandern sie in der Dämmerung fort, und ihre Gewänder schürzen sie in feste Knoten, und hüllen sich ein also daß ihre Bildung nicht sichtbar ward, und ihre Häupter schlagen sie in den Mantel, und ziehen träumend halb, halb aber wachend den Ruf in dumpfen Sinnen hörend, ihre Straße und wo dein Werckzeug den breiten Weg gebahnt hat da werden sie vorrüber ziehen, und ihren Saamen streuen in die Furchen die dein Pflug gezogen, und wo Gott Gedeihen giebt so wirds gedeihen, wenn aber Die Zeit kömmt daß man erndte da werden die Träume entschwinden und die Gewänder sich lösen, und der schwehre Geist der Nacht wird von den Zeiten hinweg genommen seyn, und sie werden kommen, wie Du sie gerufen, aber gereinigt und höher als des Menschen Sinn sie versteht. vielleicht siehst Du über den Wolken zu, oder auch noch unter den Wolken. – man frage aber nicht was ist der Saamen? und welches der Pflug? und welches die Frucht? – denn oft ists so, daß die Tugend ein böses Erdreich pflügt, und daß des Himmels Gewallt Traurigkeit in die Welt säet und daß das Glück sich vom Unglück nährt. ja so ist es, daß wir die Wahrheit sprechen, daß sich die Wahrheit aber selber auslegt, und wenn wir sagen daß auf das Unglück Glück folgt | so kennen wir ihre Gränzen nicht, und wissen nicht wenn 1063
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das eine aufhört und das andre beginnt, denn das Unglück ist schon da, wir wissen aber nicht, ob das Glück nicht schon gebohren ist in Einem. Gott geb seinen Seegen. Ich weiß nicht! ich könnte Die ganze Nacht so fort plaudern, ich hab keinen Schlaf, aber! Leb wohl, schlaf süß und ruhig – es wird noch 185 manchmal der Schweiß über dein Antliz rinnen das sind die Zeiten wo der Lorbeer Sproßen bekömmt. also schlaf jezt recht ruhig, recht süß, recht fromm, und laß dir träumen daß Du den besten Freund auf der Welt habest, wenn Du aber für diesen Freund bethest, so bethe nur daß sich seine Freundschaft bewähren möge. 190 Ach nicht wahr wir sind über die Welt hinaus, wir reichen Uns jenseits die Hände wenn nicht dießseits, hier auf der Welt wollen wir beide genugthun allen die an Uns Verlangen, wir wollen nicht glauben daß einer dem andern ein Recht vergeude, wenn er Liebe an die andern giebt unsere Liebe wohnt im Himmel O Gott gewähre dieser 195 Liebe den Plaz Lieber Freund verzeih mir alles
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den 12ten July Soll ich dir Heute gar nichts sagen? – O wie oft seh ich in die dunkle 200 Nacht hinaus, und weil alles so geheimnißreich so ist mir auch als ob da oben sich was webe was Bezug auf uns alle hat, in manchen Augenblicken ist mir denn so wohl, ich fühle ein Verlangen, all das Schicksal in mich zu fassen; – was kann mir all noch werden, wovon noch jezt keine Spuhr. der Wind trägt ja auch den Saamen von weitem her und streuet 205 ihn nach Zufall, und auf den Feldern wachsen fremde Blumen. Gute Nacht mein Kind; heut ist mir so wohl. Gute Nacht geliebtes Helden kind, mein Kind. am 14 ten July! Was will die Welt mit all ihrem Treiben, mit ihrem Jagen nach 210 Glückseeligkeit, ein jeder sucht sich den Himmel, und wenn denn der Abend kommt mit seinen breiten Fittigen den Schlaf, die Ruhe, niederwiegt, da sincken sie Dumpf zusammen die Menschen, ein guter Gott schüzt sie, den Herrscher wie den Knecht. keiner vermag sich zu erwerben was er bedarf, die Sehnsucht drückt allen das Herz ab, wer Da 215 liebt dem wird keine Gegenliebe, wer nach Thaten strebt, dem wird eine kalte träge Zeit wer Hofft, dem sizt die Verzweiflung im Nacken, wer fromm ist sieht seinen Gott verachten, der Gerechte sieht dem Meyneid schwöhren, ohne daß die Rache folgt; und der Beste glaubt er 1064
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thue recht wenn er nur gedultig ausharret, und dem schwehren Joche der Zeit den Nacken beugt. Der da oben am Kreuz hing kam auch in die Welt, zu einer Zeit die schlecht war und voll Sünden, seine Liebe klagte nicht sondern sie trug Früchte der Welt und dem Himmel, seine Thaten tödeten Die Zeit und verliehen dafür die Ewigkeit, seine Hoffnung zog Gottes Gnade und Barmherzigkeit auf Uns herab, sein Gebeth gab ihm Stärcke zu der herrlichsten That, und gab denen Heil und Gesundheit, über die er bethete, seine Gerechtigkeit dultete den Meyneid nimmer, sondern er strafte und fluchte ihm selber, er war nicht Gedultig dem Unrecht; der Weg seines Lebens war ein göttlicher Enthusiasmus, das Licht seiner Augen war die Weisheit, seine Leidenschaft war Die Liebe zu allen, seine Seeligkeit war für seine Liebe sich zu opfern, sein Genuß war sein Leiden und in der Vollendung seiner Bahn war sein Tryumpf, – das ungefehr | hab ich gedacht, als ich gestern Abend unter einem Kreuz zwischen zwei Linden nach den Bairischen Bergen hinsah, und auch an Dich Dachte, die Nacht senckte sich in die Thäler, und lieber Freund ich harrete Deiner, manches dachte ich über Dich, wie nähmlich die Weisheit des Himmels den begleitet der ohne Eigennuz, blos aus Liebe zum herrlichen Handelt denn nur der Eigennuz bedarf des Verstandes der Vorsorge und Einsicht, die Weisheit kommt vom Himmel herab, in das Herz des Auserwählten, und lenckt seine Schritte, also, daß eins immer Folge vom andren wird, und keine Entwickelung bedarf; lieber Freund wenn ich so an Dich Dencke! wenn ich fühle daß grade Durch Dich mir das Herz wieder näher zu Gott gedrängt ward, so mein ich oft, es kann nicht anders seyn als daß Du noch viel viel Gutes wirckest. sey Herr deiner selbst, sey deiner Liebe Treu und Treuer, sie ist eine Bothin des Himmels, die Gott seinen Geliebten sendet um sie zu allem Guten zu erwecken, laß dich nicht fesslen und wenn auch der Freund so innig ist wie ich so sey dennoch unabhängig von ihm, laß nicht einen Theil deines Glückes auf diesem oder jenem beruhen, damit kein Theil zu Grund gehen könne, sondern dein Glück beruhe auf dem Adel deiner Handlungen, laß dich aus eben diesem Grund nicht niederschlagen, die Schläge des Schicksals sind für den echten Muth, wie die Hammerschläge auf den Stahl der geschmiedet wird, er muß Feuer sprühen, und glühen je härter er geschlagen wird. Doch was bedarf ich solches dir zu sagen, | hab ich dich nicht erkannt grad in dieser Herrlichkeit deines Gemüths? warst Du nicht wie der Morgenstern der in den erfrischenden Thau glänzt, lag nicht Gottes Blick seegnend auf deinem Antliz da ich auf den Ber1065
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gen mit dir ging? war nicht deine Hand ein heiliges Pfand; das mir der Himmel in die meinige Gab zum Zeigen daß auch ich des Bessern 260 Theilhaftig werde, waren nicht die wenigen Worte die Du aussprachst wie feste Siegel in mein Herz gedrückt, das von dir ein neues Leben beginne? O alle Nebel die da hin zogen an den Bergen alle Regentropfen die da fielen Blize und Stürme die Nah und fern uns umgaben seyen mir geseegnet und gegrüßt; das Land wo Du gebohren bist sey glück- 265 lich. denn nicht die That sondern der Wille ist das Herrliche in dem Menschen, die That kann oft mißlingen, denn was in des Menschen Seele geschieht soll nicht immer im Licht der Welt geschehen, aber jede Zeit ist dazu gemacht daß der Mensch groß und herrlich in sich sey, und wie ein Herz in tausend andern lebt, so leben Tausende in Die- 270 sem einen ohne das sie sich auserlich berühren und dieß eine Herz ist ein solches wie deines. – Gute Nacht, Mitternacht ist vorbei ein schwehr Gewitter zieht am Himmel. – Du must mir verzeihen, must Nachsicht mit meiner Schwachheit haben, ich bin nicht der Weisheit voll, aber ich hab eine 275 Sehnsucht nach allem Guten, oft mögt ich mir in Worten Luft machen, da schreib ich denn so unmündig alles hin. am 16ten July Eh ich deine zwei Briefe vom 29 Juny und 6ten July die ich heut Morgen beide zugleich erhielt, noch einmal lese will ich dir erst ein paar 280 Worte sagen über Das was ich in diesen Blättern dir bis auf diesen Tag geschrieben; es wird Dich vielleicht manches Drinnen stöhren; was ich dir am 11ten July schrieb; daß es nehmlich gar leicht seyn könne, daß auf dieser Welt, sich noch ein Gegenstand der Trennung zwischen Uns beiden erhebe, nimm es nicht für Muthloßigkeit noch für Profezei- 285 hung des Unglücks, denn erstens beweise ich ja Muth wenn ich Unerschrocken das bedencke was Uns am schmerzhaftesten seyn müste; und dann wäre es auch kein Unglück, wenn uns Gott so stärckte, daß wir es ertrügen, du must gestehen daß Du noch kühner, noch Tryumpfierender von deinem Felsen herunter schautest, wenn Du schwindelloß dei- 290 nen Freund an Dem sich dein Blick gehalten, im Nebel verschwinden sähest; dahin Deutet auch was ich dir später am 14ten sagte daß Du unabhängig bleiben mögest von deinem Freund. lieber Max so wird der Mensch gleich dem Stahl magnetisirt, daß er endlich mit Gewallt sich 295 zu seinem Gott gezogen fühlt, Verzeih mir endlich daß ich so oft in Diesen Blättern nach Dir verlange, es wird Dir wehthun daß Du mir’s nicht gewähren kannst, doch 1066
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sey dir Dieß zum Trost, daß ich ohne Betrübniß es jezt ertrage, daß ich ohne Schmerz es annehme; daß mein Verlangen sich zurück drängt in Die ewige Quelle der Liebe, und daß Diese um so voller ströhmt, warum ich so nach Dir verlangte war, weil sich manches in dieser kurzen Zeit in meinem Herzen so gehäuft hatte daß ich mir keinen Ausweg wuste und war Die Saat so gedrängt, und der Wuchs so üppig in diesem Feld, daß es schien als müße eines um des Andern willen ersticken, ich dachte in deiner Nähe müße alles sich ordnen was darniederliege müße ich aufrichten, und die Pflänzen die ohne | Stüzze am Boden hinwachsen, könnten sich in Dir hinaufrancken ich dachte deine Gegenwart sollte mir seyn wie ein erfrischender Thau der mir alle versenckte Knospen wieder ergrünen mache, und so war die Sehnsucht unendlich groß; manches wollte ich vor Dir ruhig da hin ziehen lassen, was eigentlich in meiner Brust wie im Sturm gebohren ward; ich hab etliche Stunden gehabt die zu den seltensten meines Lebens gehören, ich hab dir auch (aber nur oberflächlich) davon in einem meiner früheren Briefe gesprochen. es waren Die wo mich eine große Trauer gefangen hielt so daß ich den Tag nicht leiden mogte, daß ich Dunckle Orte suchte; wenn mir die Sonne ins Angesicht schien so war mein Schmerz unerträglich; im Fruchthause das keine Fenster hat ging ich auf und ab, im Dunkel ward mirs leichter, ich dachte immer: »Nur weit von Der Welt, nur kein Sonnenstrahl, der mir das Leben beleuchtet.« jezt weiß ich erst wie schwehr ich gelitten, und ich muß die Worte meiner früheren Jugend wieder ausrufen, die ich damals zum lezten mal wünschte gesagt zu haben, denn mich befiel oft eine unerträgliche Trauer, das ich nicht an einer Stelle vermögend war zu bleiben, ein Ringen war in mir, und selbst meine Thränen waren keine erleichternde, sondern eine schmerzhafte Ergießung; und da fiel ich auf meine Knie rief aus schwehrem Herzen: »O Gott! keine solche Stunde mehr! laß es die lezte seyn« dann trieb es mich, daß ich mich anschauen Muste im Spiegel, wenn ich mir denn mit der Kerze ins Gesicht leuchtete, daß mein Dunkles Haar wie Flammen schien, daß meine Wangen brannten, daß in meinen Augen, eine Gewallt leuchtete, daß mein Mund herb, aber fest geschloßen war, daß meine Thränen langsam niederrollten, daß bei dem Ringen dieses tiefen innern Lebens auch nicht die mindeste Bewegung war, sondern so wie im Schmerz erstarrt mein Gesicht sich nicht veränderte, wenn ich dieß alles so anstaunte in diesem Zustand, da schlug es plözlich wie Feuer in meiner Brust | und eine innere Gewallt brach aus mir hervor, die 1067
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plözlich alles in Todes stille verkehrte, und ich schlief ein, zu weilen auch must ich mich küßen und mir Trost zusprechen,: »es ist doch niemand wie Du, sagte ich mir dann,: Du bist ganz allein so; aber ich bin mit Dir, ich bin auch allein, es ist ein Göttlich Leben in deiner Brust, 340 aber wie soll ichs erheben, wie soll ich dich groß machen? in Himmel muß ich dich Tragen!« – siehst Du, und wenn ich mir denn so selber zuhörte, klangs wie ein Echo in meiner Seele, ich fühlte dann doppelt und 3fach – und so ist es daß bei dem einen Durch Anstrengung hervor gebracht werde, was bei dem andern, wie die Frühlings saat leicht 345 und feurig aufgeht, ein jeder Sonnen strahl ein jeder Regen tropfen ist ihm eine Erquickung, wärend die Welt auf dem andern lastet daß er kaum Athem holen kann, und er ewig mit dem bändigenden Schmerz bändigend zu kämpfen hat – doch dieß ist nun vorbei – lang hinüber – die Frucht die diese bittere Pflanze mir getragen hat hab ich noch 350 nicht erkannt; aber gewiß wird sie mir noch einst Dienlich werden, ich habe niemand davon gesprochen als nur Dir, ich glaub andre hätten mich für wahnwizig gehalten, denn man hält vieles für Wahnwiz was doch aus göttlichem entspringt. ich erinnere mich daß ich in einer solchen Stunde, es sind jezt grade 3 Jahr, den Monolog von Göthes 355 Iphigenia (nicht mir zum Trost, sondern aus geheimer Deutung auf meinen Schmerz) laut hersagte: »heraus in Eure Schatten rege Wipfel, des alten heiligen Dichtbelaubten Haines, wie in der Göttin stilles Heiligthum, trett ich noch jezt mit schauderndem Gefühl, und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher« – dieß deutete ich auf mein 360 Herz wo ich auch nicht eingehen konnte, ohne zu schaudern; – »Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern, ein einsam Leben führt« – dieß auf mein einsam Gemüth, das nirgends fand was es suchte, – »ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken nach seines Vaters Hallen« pp – dieß auf den mit Dir gleichen Gedancken daß auf Erden 365 der Sehnsucht ziel nicht sey – aber bei den Worten: »zu Hauß und in dem Kriege herrscht der Mann« – da ward mirs oft klar daß ich ein Opfer werden sollte, und daß ich die | Schwingen meines Geistes nimmer entfalten würde, in diesem Leben, daß auch über mich das Rad der Zeit hingehen würde und mich zermalmen, und nimmer nimmer 370 wollt ichs dulten! – sey daher nicht unmuthig wenn ich nicht nach deinem Sinn bin, denn Du siehst daß eine andre Mutter mich gebohren eine andre Sonne mich beschienen und eine andre Nacht mich umfangen hat; und doch, daß ich dir gut bin, bedencke nur dieß eine daß nichts in der Welt sich endigt, daß was in der frühesten Kindheit 375 1068
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beginnt, sich fortspinnet in die Ewigkeit, nur das schlechte endigt, und darum ist es schlecht. Noch einmal! lasse Dir nichts mißfallen in Dießen Blättern sie drücken das aus, was in meiner Seele durch Dich werden muste ich bin ja nicht dein Ziel, und anders wirst Du auf andere wircken ich sage dir nicht umsonst so oft, daß ich auf die andre Welt hoffe in Bezug auf unsere Freundschaft, denn ich fühle daß ich dir nicht würdig geben kann auf dieser. Alles hängt in der Natur aufs innigste zusammen, Du magst kein Blatt vom Baum lösen, so gehört es in die Stunde der Welt, daß es von Dir gebrochen werde, daß deine Schlafstelle nach Norden oder nach Süden hin stehe, hat Einwirkung auf Dich; der erste Augenblick und der lezte des Lebens hängen wie Geschwister an einander; und so, alle. Der Geist des Lebens erkennt alles, Durchschaut im ersten Augenblick alle, bis auf den lezten; und das ist Ewigkeit, in jedem Augenblick die Ewigkeit zu durchleben; – wenn ein Mensch der Menschen Leben nicht achtete, ihre Seeligkeit nicht berücksichtiget, wenn er Blut fliesen macht in tausend Ströhmen, wenn er wühlt in Der Schöpfung, und niederreist, zerstört, wenn er die Welt in Rauch und Flammen aufgehen lässet, und nichts wieder aufbaut; soll ich ihn darum strafen? – soll ich ihn als einen Ungerechten, lasterhaften, Räuber, bekennen, und behandlen? – Nein! es steht mir nicht an zu richten – wäre es doch als wollte ich den Orkus um des Olymp willen verachten, weil oben die ewigen wohlwollenden Götter Trohnen, während unten die verzehrenden Kräfte Haußen. aber wenn ich Kraft in meinem Busen fühle jenen zu vertilgen wenn in mir die Macht des guten eben so gähret wie in jenem, die des | Bösen, dann soll ich sie brauchen diese Macht, und das Böse verderben, nicht richten soll ich, aber meine Natur soll nicht elend seyn, sie soll nicht vertragen können, und auch nicht wollen daß das was ihr zuwieder ist, überhand nehme, sie soll den Bösen nicht verderben weil ers verdient, sondern weil sie mit ihm nicht seyn kann; – wenn also das Unglück durch Diesen in die Welt eingegangen ist, so kann ich ihn nicht betrachten als den Urheber des Unglücks, sondern die Zeit trat heran und that das ihrige; und die Zeit wird noch einmal das ihrige thun wenn sie dem sogenannten Unglück ein Ende macht. (es ist aber kein Unglück daß man unglücklich sey.) wenn ein Geist gegen den andern ist im Streit, (wie es jezt in der Welt ist und noch seyn wird) so ist die Zeit mit sich selber im Streit, und die Menschen nennen dieß Zwietracht, Unfriede, Krieg, ich nenne es aber mit tiefbedeuten1069
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dem Sinn: Eintracht, und Friede, denn Kampf ist die höchste Einigung 415 der sich spaltenden Mächte, im Kampf zehrt eins das andre auf, dringt in dessen innerste Seele, faßt seine ganze Natur, reist sie mit Gewallt an sich, wird ihrer Herr, und wird zu gleich ihr Sclave. – Verstehst Du mich? – und dieß ist der Friede; daß die beiden Feinde nur immer im gleichen Willen sich einander bezwingen können. wenn Nationen ei- 420 nander entgegen eilen um ihr Blut zu versprüzen, so sollst Du nicht sagen: diese Nazion ist von der Sünde beherrscht, darinn soll sie untergehen (denn ein seegnender Blick von Gott, kann ihr die Unschuld, und die Seeligkeit zu wenden die ihr lange verlohren war;) aber Du sollst bethen daß der Sieg auf deiner Seite seyn möge, Cristus ist für Alle am 425 Kreuz gestorben, und er sagt: Ich komme nicht die Welt zu richten, sondern ich komme sie seelig zu machen. – O ich kann Dir hier meinen weit gedähnten Sinn der über das Welltall hin geht wie ein Hauch über die Berge nicht deutlich machen, ich fühle daß Du mich mißverstehen kanst und doch kann ichs nicht besser sagen, dieß Aussprechen des 430 tiefsten Sinnes ist mit unendlichen Schmerzen verbunden. nur dieß eine begreife Deutlich, daß das Gute keine Schrancken hat | daß ihm kein Zaum mag angelegt werden um es zu züglen. wenn es enstehet, so breitet es sich unaufhaltsam aus, aber im Evan: Joh: steht: »Das Licht scheinete in die Finsterniß, und die Finsterniß habens nicht begrif- 435 fen« – »die Welt kannte es nicht« – und so ist es noch, das Gute ist ewig, aber wir erkennen und begreifen es nicht. für dießmal genug! Denck nur immer daß ich unfähig bin, nach meinem Willen alles auszusprechen, daß das was mir im Herzen Wohnt, nicht auf meiner Zunge sizt. 440 jezt an deine Lieben Briefe, die ich Wort für Wort beantworten will: Göthes Winkelmann hab ich noch mit meiner Freundin Günderrode, die den unseeligen Tod starb, gelesen, da wir in den Anmerkungen an die Stelle kamen, wo es heist von den Griechen: »Weh dem der in die Unterwelt geht, ohne Jupiter Olymp gesehen zu haben« (nehmlich die 445 Stadue) da nahmen wir uns vor, daß wir beide zusammen das Leben nicht verlassen wollten, ohne das Herrliche genoßen zu haben, doch sie hat den Vorsaz gebrochen; – dem Sailer bin ich gut doppelt um deinetwillen; er schreibt uns daß er Dich als ein über kommnes Erbstück von Savigny ansehe er hat 450 recht, von mir bist du kein Erbstück, denn ich will dich mein Leben lang selbst behalten; – von Deiner Mutter hab ich einmal schon viel gutes sagen hören, weiß nicht mehr von wem, wenn sie die Keime in 1070
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dir gepflegt hat die jezt in der Blüthe stehen, dann muß sie wahrlich gut seyn; – vom Geißberg, hab ich an Göthe geschrieben daß alle Nebel, alle Gewitter alle Sonnen blicke und alle Regentropfen, die ich dort erlebt und gesehen hätte, wie auf mich ergoßen waren daß ich ganz aushielt und verdaute die gewöhnliche Speiße der Natur, und sie mir wohl bekommen; ich hab von Euch allen an ihn geschrieben, und von Dir wie von einem köstlichen Schloss daß noch viel köstlicheres verschließt. wenn Du hier wärest solltest du alles lesen, Göthe ist gewohnt, aus meinen Begebenheiten mein Herz zu erkennen, ich sage dir ich bin in den Mann verliebt bei dem Gedancken an ihn, sprüht der Funcke aus mir hervor, wie beim Hammerschlag der Stahl, Feuer sprühet, und ich kann ihm nur sagen: Ich hab dich unendlich Lieb, und über alle Maasen | lieb, und will dich lieb behalten in alle Ewigkeit, und soll mir keiner so nah kommen wie Du mein Herr und Meister; – ja so ist es wahr lieber Fr: keiner konnt noch so mich trösten, denn diese schmerzliche Stunden, hat auch er gehabt und hat des Trostes bedurft wie ich, das hab ich aus seinen Büchern gesehen, keiner konnte noch so einen Scherz wie meinen Ernst verstehen keiner meinen Willen so würdigen wie er, denn er war in seiner Jugend wie ich, so sagt er selbst; aber all was in mir zu ihm sich wendet das wendete in ihm sich zur Poesie, zu dieser Himmelskrohne, die Blühend über seinem schönen Haupte schwebt; und so hat er mich dessen Theilhaftig gemacht was das würdigste in ihm ist. von ihm hab ich auch sichere Hoffnung daß mir Heil ersprießen werde, ja und wenn von allen Seiten sich mir das Glück anböte, und es geschähe von ihm ein Winck daß ich es nicht ergreifen solle, so würd ich es unberührt lassen; er hat aber das Leben viel größer erfaßt als der gemeine Verstand es begreift, sein Herz hat offne Thore, und wer durch diese Tryumpfporte zieht der wird erquickt, und er will daß man alles Glückes theilhaftig werde, sich aber nicht vom Glück binden lasse; und so will ich auch seyn, nimmer soll mich dieß oder jenes fesslen, ich will frei sein so wahr mir Gott lebt, und doch was einer an mich begehrt das will ich gewähren, und sey es mein Leben, ich will nicht kleinlich handlen um das was ich geben kann, wer sein Glück in mich sezt der solls in mir finden. – Aber frei will ich seyn und ganz mein, und was ich gebe daß soll mich nicht binden. beachte Diese Worte wohl, vielleicht verstehest Du noch manches mit der Zeit, hier durch in mir. Wie soll ichs dir erklären daß es dich drängt und Treibt wenn Du Kriegs Musick hörst, lieber Freund mir gehts grad so, es ist mir als ob 1071
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ich in mich hinein blicken müßte, und müste das Dunckel das über dem Erdenleben ruht erhellen, aber alles bleibt Stumm, und die Sehnsucht die so oft verschlossne Thore sprengen wollte, kehrt auch dieß- 495 mal wieder zurück ohne erhört zu seyn, und du hasts deutlich begriffen wenn du fühlst daß ihr Ziel nicht auf dieser Erde – wenn ich in der Kirche war, hatte ich manchmal einen Gedancken der mich ergriff und durch strömte, mir ward wohl, dann wars wieder vorbei, nur einen Augenblick wars Licht vor meiner Seele, manchmal 500 auch befiel mich Ruh und Heiterkeit und so großes Behaagen | ohne daß ich bestimmt etwas dachte, daß ich gar nicht wieder vom Plaz mogte. Du kennst mich nicht, trifst mich nicht mit deinen Worten ich bin nicht der Blüthen baum, dem keine Stürme schaden pp mich dreht ein 505 Wirbelwind und meine Blüthen stürzen da und Dort hin aber es kommen auch Zeiten wo die Aeste neue Blüthen Tragen und wo eine Liebe ruhige Zeit ohne Sturm drüber hin geht, aber das ist wahr daß ich wurzle mit Dir Drüben es soll wahr seyn es muß wahr seyn. – du meinst du müstest dir alles selber seyn wenn Du mich nicht hättest, ich meine 510 aber: Du sollst dir auch alles selber seyn, du sollst nimmer auf mich bauen, aus Dir solls hervor gehen, und du sollsts keinem Menschen sagen müssen: ich hab Dir etwas zu verdancken, wahrlich da so unendlich guter, weit strebender Geist in dir wohnt, so sollst du Herr deiner selbst seyn, und keines soll dir ein Recht anhaben, auch nicht dein 515 Freund, noch mal sag ich dir: sey Unabhängig, stüze dich nicht, denn wer der Stüze gebrauch macht der bedarf endlich der Stüzze, und du freier Fr: willst doch wahrlich nicht eines andern bedürfen, um fort zu kommen, was von mir, dir wird das soll aus dem Überfluß dem Reichthum der Liebe und Gnade fließen. es soll kein Bedarf werden. – O nim 520 mir die übermüthigen Worte nur nicht übel, es ist wahr ich bin über dem Schreiben so Hochmüthig geworden, so Keck, daß ich dich ganz meistern will, leids nicht, wiedersprech mir nur, ich will doch recht behalten! ich soll dir sagen daß mir wohl ist in dir? nun ja manchmal! zuweilen 525 auch nicht, aber Dieß ist doch wahr, daß durch dich etwas großes was lange mir bevorstand, mir endlich geworden, Gott hat dich zu einem Herrlichen Werkzeug gemacht, wo mit er gute Dinge wirckt. Liebes Kind! du warst Draußen in kühler nacht, auf der Straße wo ich wohnte? nun denck ich hab dieße Straße so lieb, alle Stürme die 530 durch wehen werden mir das Andencken nicht auslöschen das dein 1072
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Kuß dort eingegraben; etwas fällt mir auf, wie ähnlich manches in uns beiden ist, auch ich suchte oft meinem Herzen Luft zu machen wenn ich die Erde küßte. dieß ist mir nicht ohne Bedeutung. – Jezt hebt dich deine Begeistrung noch empor, nur ein zeigen so hebt dein Geist die Lichtschwingen, und trägt dich über Berge aber denck, das Leben ist wie ein feenmärgen, wo dieser Talismann | oft die Kraft verliert, grade in den Dringendsten Begebenheiten, ja wenns mal recht ins Leben hineingeht, da wirst du sehen, daß man in müssiger Stunde das Schwerd schleifen müße, mit dem man im Augenblick der Entscheidung regieren will, Verstehst du mich? – nun so thue auch danach. – hast du schon Feen märgen gelesen? ich sage dir wer sie recht versteht dem ist so viel Wahrheit drinnen, daß die Menschen mit ihrer Wirklichkeit, gleich wie Fablen weit hinter der Geschichte zurück stehen müßen.3 »Von keinem Tage willst Du dir deinen Adel rauben lassen« daß ist wahr und herrlich, lieber Freund glaubst du mir, daß dieß dein ganzes Leben ist, von keinem Tag von keiner Minute dir den Adel rauben lassen, und du hast gethan was großes gethan werden konnte; – ich soll dir schreiben wie s mir bisher erging? nun was hab ich alles erlebt; Arnim war da, das Herz voll Liebe ganz überströhmend, wie sonst nie, es quälte mich anfänglich, zu sehen wie er jede kleine Gunst an sich riß, und doch ohne zu begehren; einmal sagte er mir: »Gott wie unglücklich wär ich, wenn Du jemand anders mehr liebtest wie mich.« lieber Freund das That mir weh, schon Viele Jahre war er mir der edelste, der herrlichste, und nun kömmst Du in deinen Stahl gerüstet, und vor Dir muß alles weichen; /:ich beschwöhre Dich ehre mein Geständniß, werde Groß daran:/ er aber soll nicht weichen und zwar weil ich ihn selber schüze, die Tage wo ich ihn den liebsten nante, sollen nicht vergangen seyn, das wäre nicht trefflich, nicht meinem Herzen nach, wenn ich ihn nicht bergen könnte, /:und doch hab ich gerungen hab schwehre Stunden gehabt:/ du erfüllest mich oft so ganz das ich die Augen nicht von Dir wenden mögte; aber geb dem Kaiser was des Kaisers ist, und Gott was Gott ist – so will ich auch meinen Groschen dahin geben, ich will der Erde ihren Tribut zahlen, Ehr sey dem der es uns gegeben hat daß wir beide nicht der Erde angehören. – was soll denn draus werden? sagte ich einmal zu ihm, da er ganz in Liebe versuncken schien; alles was du willst antwortete er, ich will werden was Du begehrst. dieser Mann der sonst königlich stolz war, so eigensinnig, das er nimmer nachgegeben hätte; – er sagte: ich hab dich lieber, vielleicht weil ich besser geworden bin, – er kennt mich aber nicht wie du, ich 1073
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hab ihm niemals mein Herz erschloßen, ihn ziehts mit Macht | zu mir, er erwartet all sein Glück von mir, und weiß doch nicht warum; wie unschuldig, wie lieb, wie Gut ist er. nimmer will ich Unglück bringen, nimmer soll eine Thräne um mich fliesen die ich nicht selber wieder Trocknen wollte, und sollt es mit Aufopferung meines eignen Heils 575 seyn. da er wegging mit Savigny gab er mir ein Heiligen bild, die Mutter gottes vom Guthen Rath, es ist Maria mit dem Jesuskindlein, er bat mich es fleisig anzusehen, vielleicht würd es mir guten Rath für ihn geben, ich seh es aber nicht an, denn es macht mir Schmerz. Nun du warst Kranck, das schmerzt mich aber gar nicht, weil! – 580 Schmerz wie Lust ein Ding ist, das getragen werden soll, und zwar von dem starken, starck; – du warst ohne Freude, das heist beinah: Traurig; Trauer, Unglück, Freude, Glück, Vernichtung, Hoffnung, Betrug pp alles dieß sind irdische Dinge die im Strohm der Zeit durchs Menschliche Herz durchschwimmen, wem das Herz groß ist dem verlezen sie es 585 nicht, es wird dir noch häufiger kommen, und das Leben wird dir vorkommen wie eine lehre Wand, und du wirst keinen Ausweg finden; dann aber must du die Seegel spannen und alle Ruder lencken, dann ist es Zeit daß man beweise daß man ein Gottgeschafner sey; ich mag mich hierüber nicht weiter ausbreiten du wirst selber noch große Er- 590 fahrungen machen; denn ich sage dir, je größer der Geist, je größer das Schicksal; und das Schicksal besteht ja aus Schmerz und Mühe, aus Freude und Ruhe, dieß alles ist aber eins, denn beides wirckt gutes, ob der Weg durch Dornen führt oder Durch Blumen das soll einerlei seyn, der Schmerzen soll nicht geachtet werden, und die Freude soll nicht 595 beherrschen. Mein Freund! wie könnte ich dir so was sagen, wenn ich nicht in Dir den herrlichen den Göttlichen erkennte; sey mir also gut darum, zürne mir nicht, wenn ich auch manchmal dich nicht ganz anspreche. Ich soll dir sagen daß: ich ganz dein bin; Ach! mein Herz hat wun- 600 derliche Wege ich bin auch dein; ganz! behalt dieß Wort für Dich, bewahrs, glaub daran mehr wie an Dich selber, aber laß dich nicht verblenden; von dem hiesigen Leben, bewahr dieß Feuer rein, mach keine Ansprüche; und verkenne mich nicht; so oft ich zu dem Tisch des Herrn gehe solls für dich seyn, alle Seeligkeit will ich für dich erbitten, 605 nichts für mich, durch dich soll mir das Gute werden in der andren Welt, in dieser verlange ich nichts, und nehme nichts. Du hassest die Melancholie, da hast Du wiederum recht, es kömmt nichts erfreuliches aus ihr; Aber – auch der ward betrübt der einen 1074
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glohrreichen Weg für uns alle gethan hat, und der von Himmel niederkam, seine Seele ergrimmte in Traurigkeit, und seine Augen gingen über, und sein Schmerz war Göttlich, wie das Heil das von ihm ausging. meine Hand hab ich dir gereicht, und ich lasse sie dir, ich nehme nimmer zurück; nimmer! deinem Gebeth trau ich, es ist mir lieb wenn ich dencke daß du Gott an mich erinnerst thu so fort. Wenn Du mich aber anders kennen lernest als jezt, wenn Du siehst daß ich manche Schwachheit habe, wirst Du mich doch fort wärend lieb behalten? Schreib mir nicht so um meiner Schwester willen, ich halte es für unnöthig, sie fragt mich oft was Du mir schreibst, ich antwort daß ichs nicht sagen kann, manchmal meint sie es zu errathen: z: B: ich wolle Dich erziehen, ich schreibe dir Auszüge aus Büchern pp das lasse ich all gut seyn. dem Savigny hab ich zu weilen gesagt daß Du von ihm sprächest, daß Du ihn sehr liebtest er nahms mit Danckbarkeit an. O Guter Max! daß du mich so lieb hast! ich danck dirs auch – wenn Du Landshut, verläßt, so dencke daran daß uns dort eine ruhige Zeit ward, wo wir beide ein jeder seinen Weg gingen und endlich zusammen trafen; an die Wände schreib ich nicht meinen Nahmen wenn ich durch die Städte reiße, damit Du deinen nicht drunter schreibest; denn das wäre Verrath an mir und dir, mich kennen viele Menschen, und auch meine Handschrifft; und dann; was sollen unser Nahmen an solchen Wänden? wenn dirs wohl wird in Gottes freier Natur oder in seiner Kirche, da schreib deinen Nahmen hin. von Berlin weiß ich nichts. von meiner Freundschaft weiß ich daß sie dein ist, von meinem Herzen weiß ich daß es frei ist von mir selber weiß ich daß ich gutes thun will, von Göthe weiß ich daß ich auf meiner reiße zu ihm will gehen wenns möglich ist, um bei ihm Ruhe frieden für mich, und recht viel gutes für dich zu sammlen, von Arnim weiß ich daß ich ihn nicht werde untergehen | lassen, und ihn glücklich machen wenns so bleibt in ihm, auch will ich ihm deine Freundschaft zu erwerben suchen. von Sailer weiß ich daß er mir das liebste thut wenn er Dich liebt und tröstet; von Savigny weiß ich das er herrlich in seiner Art ist, er über dessen Schwelle die Ungerechtigkeit nie kam, er bei dem die Milde wohnt, er ist ein wahrer Professor der Rechtsweisheit. Was weiß ich aber von Dir? das siehst du ja aus diesem langen langen Brief. schreib mir ob ich dich recht erfasse, nur wenig Worte aus der Wahrheit gegriffen genügen mir. 1075
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Ich glaub an Dich! ich glaub daß du aus tiefstem Herzen zu mir sprichst, und glaub vor allem daß unser Leben auf dieser Welt keinen 650 Anspruch an Uns hat. Unbefangen seh ich dir auch ins Aug, jezt nachdem sich meine ganze Brust vor Dir ausgeschüttet hat; O du Sohn der Natur! der über die Berge schreitet, wenn ich an deine Kühnheit dencke, an deinen Muth, an deinen Willen dann mögte ich dir immer wieder zu rufen: Sey frei halte dich an keinen sey recht keck, verlasse dich 655 recht auf dich selber, und frage nach keinem. jezt muß ich dir doch sagen was mich von allem in deinen Briefen am meisten berührt hat; : im ersten, die Stelle aus deinem Tagbuch; ich dachte: wenn er so treu immer seiner Liebe Bericht von seinem Herzen erstadtet so muß er wohl ein sehr reines Leben führen, und dann liegt auch so edle Einfallt 660 drinn, Gottes Seegen blickt durch, wie der Wein durch die Cristallschale, man sieht daß deine Liebe mit diesem Seegen erfüllt ist, und daß dieser dir Mundet wie köstlicher Wein; du lebst recht drinn; ich mögte Sie sehen; heute Nacht träumte mir daß ich durch die Hallen eines erhabnen sehr edel gebauten Palastes gegangen sey, und daß mir 665 auf den Stuffen, ein Weib entgegen gekommen, von einfachen Gewändern umhüllt, gekrönt, blaß, Augen die in sich versuncken waren, edel, schlanck, eher traurig als heiter, etwas schwanckend im gehen, sie sah mich an, schien sich zu besinnen, hob einen Dunklen Vorhang vor mir weg, da sah ich ausländische Pflanzen blühen, und zerbrochne Speere 670 lagen auf der Erde, noch einen Blick heftete ich auf sie, ihre langen hellen Locken ringelten sich bis auf die Füße, sie | beugte das Haupt rückwärts die Krohne schien sie zu drücken ich seufzte Tief und erwachte, da brachte man mir deine lieben Briefe, seit dem schreib ich unaufhörlich, und schon ist die Sonne gesuncken. aus allem diesem 675 kanst Du ja sehen, wie gefast ich bin. Lieber Freund weist Du was meine Sehnsucht mein Begehren auf dieser Welt war? ich hätte mögen als ein Held dieß Leben verdienen doppelt und 3 fach, oder es abschüttlen; wenn ich sah daß die Völker in den Krieg zogen, da fragt ich mich hundert mal, wie ich so ruhig blei- 680 ben könne, warum ich nicht in demuth neben dem ehrenvollen Krieger herzöge um mit zu erleben das Unglück meiner Brüder, warum diese für mich streiten sollen und ich nicht für sie, oft hab ich zum Arnim gesagt: wenn Du in den Krieg ziehst so geh ich mit, er dachte es sey aus liebe zu ihm, es wars auch, aber noch mehr wie dieß; dir gesteh ichs 685 allein, du lachest mich nicht aus darum weil ich ein schwaches Mädgen bin. 1076
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mein liebster Weg in Landshut ist auch der Annaberg da sah ich die kleine Stadt zum lezten mal, im Abendgold; im Winter garten ist die Zueignung an mich, von mir selber ist nichts drinnen. in Prag wohnten wir nicht im Kreuz, sondern im Prinz Carl Prag ist unendlich königlich gebaut, auf dem Ratschin ist eine Wohnung für einen edlen Herrscher, der über sein Volk wacht dem die sonne immer zu lezt unter geht. Savigny wird uns wahrscheinlich holen, nach meiner Schwester Rechnung schon in 14 Tagen, nach meiner rechnung etwas später. Pilsen ist 16 Stunde von hier jezt hab ich dir alle Fragen beantwortet bleib was Du bist laß dich nichts in meinem Briefe aergern, es ist alles gut gemeint, sey gesund und starck, bleib mir gut, so viel ichs auf Erden bedarf, sey ein Held, und vor allem seys in deiner Liebe, deine Liebe ehre wie Gott denn dadurch hat er sich dir offenbart, durch sie bist du edel geworden, Adieu ich bin durch deine Briefe gesund geworden, ich sehne mich nicht mehr so nach dir es ist alles gut, weil ich dir alles gesagt hab. ruhig bin ich, heiter! dir sehr gut!
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Von Max Prokop von Freyberg nach Bukowan Landshut, 6.–7. Juli 1810, Freitag–Sonnabend
Den 6t Morgens Ich will fleißig Wort halten; und du sollst recht oft von mir wissen in deinen ländlichen Tagen; freylich da – wärs schön, recht schön gewesen! Freundinn nur nicht trübe ich hasse die Ahndungen, und liebe den klaren Willen – o es werden Tage kommen die schöner noch unendlich schöner sind! ausgeschmükt mit dem belohnenden Blike auf eine thatenreiche Vergangenheit. Wie ruhig macht mich der Gedanke daß so wie ich dich kenne du nicht verzagen kannst, denn ich kenne dich unendlich stark; wie glüklich wenn diese meine Worte deine Heiterkeit befestigen! Dein Brief vom 29t wo du mich zu kommen bittest hat mir recht weh gethan, noch immer kann ich ihn nicht wieder lesen weil mirs zu schmerzlich seyn würde; o glaub mir daß ichs mit dir theile dieses heisse Verlangen Hand in Hand nach der Sonne zu schauen, durch die 1077
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Wälder zu streifen, auf den Gipfeln zu beten, an den Ufern zu stehen, in das Abendroth zu schauen, das Gestirn zu betrachten; wo wäre mir leichter, ruhiger, als nahe bey dir, wo quillt mir mein Lebensbrunnen als aus deinem Auge – Ich hoffe der Brief den ich gestern an dich schrieb ist durch H* Huber in deinen Händen; Heute bin ich ziemlich wohl; harre nur aus und denke recht oft an mich; wo gingst du wohl meistens spatzieren in Landshut – ich war in Bukowann auf dem Ptetsch, und vom Schlosse durch die Obstgärten dem kleinen Thale zu wo einige Felsen sind und die Waldungen anfangen. Soll ich nicht einmal ein Blatt beylegen das auch deine Schwester lesen darf ? damit sie um uns wisse. Ich muß noch immer das Zimmer hüten; aber bald darf ich hinaus auf den Annaberg, und nach dem freyen Himmel schauen. Ich bin voll Sehnsucht, und ergebe mich in Gottes Willen und Herschaft; diese lezten Tage in Landshut sollen ruhig hinfliessen; dann bricht ein grosses Leben an, so mein ichs. Nach Berlin – reise ich über Prag, Dresden, Leipzig; so ists bis jezt bestimt; Schreib deinen Namen in die Wände wenn du durchreisest, ich komme nach den meinen darunter zu setzen. Weist du vorläufig nichts wies um Berlin steht? Aber ich will dich um nichts fragen als um deine Freundschaft, als um die Beschäftigung deines Gemüthes; ich bin froh daß du meinen ersten Brief hast; und wünsche die beyden die ich an dich nach Berlin sandte in deinen Händen. Ich habe nicht Feuer genug dir in diesem augenblik würdig zu schildern die heilige Kraft unsers Bundes, welche – stets wohnt in meiner gestählten Brust. Das hat mich gekränkt daß du meinst ich könne verscherzen eine göttliche Gelegenheit bey dir zu seyn. Nein; bewahre nur fleißig unser Geheimniß, das ausser dir niemand weis, und gebe die Hoffnung nirgends auf, selbst ein Besuch nach Bukowan wenns gleich kaum zu erwarten steht; könnte sich fügen. Sieh’ ich stehe da allein, mit grosser Kraft und geprüftem Willen und möchte gern daß du glauben sollst ich werde es nie fehlen lassen an mir; bey Gott und unserm Bunde wir sind weit hinaus über die gemeinen Tage, da handelt sich’s nicht von gescheid seyn, und schiklicher Gelegenheit, von Meinungen oder Ahndung; sondern da will Gott daß man seinem Befehle ergeben sey, daß man sich würdig beweise seine Fahne zu tragen, seinen Wink zu verstehen. Das will alles recht groß und mit klarer leidenschaftsloser Seele erfaßt seyn; nur ein heiliges Feuer soll in uns brennen die verklärende Flamme der Demuth vor Gott, welche unendlich Kraft giebt vor den Menschen. 1078
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Alles was ich dir da sage kömmt aus tiefem Herzen; mir ist als seyst du da bey mir und legtest deine Hand in die meine, und sähest mir recht unbefangen ins Auge; ich bin recht voll Verlangen nach einem Briefe; die zeigen mir immer so schön dein herrliches Gemüth. Ich will recht mit Eifer zusehn was zu thun ist; immer wie von Bergen herab wo ich hingestellt bin Wache zu halten; und wo die Blitze niederfahren auf das überraschte Laster. Wer ist wohl um dich auf dem Lande; oft ists gut unter Freunden seyn, aber recht süß und heilig ist doch die Einsamkeit, und die nächtliche Stunde, wo man ganz dem höchsten lebt; besonders wenn man stark genug ist, allen Trübsinn, alle Schwermuth zu verscheuchen. Ich habe gestern viele Gedanken und Bitten für dich zum Himmel geschikt, daß sich eine sanfte erwartende Ruhe über dein Herz verbreiten möge; denn dein Geist schwingt sich mit AdlerFlügeln, Du liebst deinen Freund mit der Kraft von tausend Sonnen! drum bist du mir geschaffen, denn eine Heldin mußte dastehn, eine Unverzagte, die kein Ungemach kennt, kein kleinlich’ Wesen. Gott erhalte dich mir so wie ich dich weiß und kenne; dann bist du mir ein herrlicher Fels an dem ich mich emporrichte, ein grosser Wartthurm in der sturmvollen Zeit. – Abends. Und es ist wieder Nacht geworden, die MondSichel sinkt hinab; du sey bey mir, ich bin wie ein geglättet Meer in Vollmondlicht, wie ein grosser WiesenTeppich in MittagsSonne, wie ein ausgedehnter Wald bey Aufgang des Tages – Ich bin ausgeschmükt mit deinen Blumen, dein Wille steht mir schön, deine Worte hallen nach in meiner Seele. Du Königin, du edler Baum, du starker Fels und AnkerGrund; wann seh ich dich, wann hab ich deine Hand, | dein Auge wann erblick ichs? O bald; ich stehe wie ein Kind vor seines Vaters Haus; aber in Eisen gerüstet wenn ein Sturm kommen möchte; mir ist als gieng ich über Meere hin, und die Wellen theilen sich unter meinen Füssen nicht; du Himmel, du mein Gott segne Meine Freundin mit Kraft, Trost, und Heiterkeit. Da wird ein Brief kommen und ich werde lesen: »F – dein standhaft Betragen hat mir unendlich wohl gethan, meine Seele ist ruhig in deinem Andenken«. O bald; ja ich seh’s kommen, Sturmwinde bringen das Morgen-Gold, und der AbendSonne Mantel ist wie mit Silber gesäumt; kann das ein Mensch ertragen, so viele Seeligkeit, so viel Muth und irdische Glorie? Recht lebhaft schwebte mirs heute vor wie wir abfuhren aus Lauffen nach S–burg. F. sagtest du ich möchte Ihnen viel sagen und kanns nicht – und ich sagte dasselbe; und 1079
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das war denn ein HändeDruk daß es wie Himmlischer Ton durch das Herz mir klang, daß wie jugendlich erst geschaffen aufblühten die Welten um mich, daß ein Lichtstrahl von Göttlichkeit uns hinüber 95 hob! Sag wie war dir die Tage vorher, wenn du mich sahst, den trotzigen, verschlossenen, kein geläufig Wort auf der Zunge? Danke Gott mit mir daß ich wieder gesund bin! die Sterne sind so schön, sie glänzen so himlisch, da drüben muß es doch recht gut seyn; wenn wirs erst werth sind. 100 Gott wird’s gelingen lassen; Wir bergen uns unter sein heilig Schild! In seinem Namen beginn es, und nehme seinen Herrlichen Lauf – dich möcht ich beneiden, dich in der ländlichen Einfalt Gruß; dich in der lieben Schwester und des Bruders Näh; Mir ist es nicht so beschieden; Aber was entbehr’ ich: hab ich nicht dich – Was im WinterGarten ist 105 von dir, sag mirs – Also den 30t ist Savigny von Prag – wohnt ihr nicht im grünen Kreutze wo wir waren? Im Lobkowitzischen Garten da stand ich oben mit Savigny auf der Terasse und sah den Umfang der Stadt und die Eitelkeit der Dinge; und die Pracht der Menschen; Groß war der Anblik und ich hätte so gerne seine Hand küssen mögen und zu 110 seinen Füssen liegen; und ich dankt ihm recht herzlich daß ich bey ihm sey. Gute Nacht starkes Kind, edler Seraph, Tochter des Triumphes, der Glorie Braut; Gute Nacht; die kühle Luft die an dein Fenster zieht bringe dir meines Geistes Verlangen, und aus des SternenGewölbes sil- 115 bernen Lampen leuchte dir ein sanftes ruhiges Licht Den 7t Morgens Heute ist der Tag meiner WiederGenesung, und schon war ich draussen am Annaberge, und habe Gott gedankt, und mich nach dir und den grossen Tagen gesehnt. Nochmal, kommt wohl Savigny euch zu holen; o du hast’s wohl leichter in der Natur Schooß, 120 dich drüken nicht der Verhältnisse Schwanken! Ich dachte mir als ich heute draussen saß daß du mir die Hand drüktest, tiefe Ruh liegt auf meiner Seele – Wie weit habt ihr nach Pilsen? Deinen Brief vom 29t erhielt ich schon den 5t diß. Ich freue mich recht auf einen neuen; es wird täglich fester so und freyer, und uns wird nicht überraschen des Herrn 125 Befehl. Dir sag ichs zu daß meine Klinge nie zerbrechen wird, daß keine Kraft meinen Schild zerspaltet, daß meines Helmes Stahl alle Blitze besieget. Laß mir bald von dir wissen; niemand versteht mich als du, welch Trost; welch Entzüken – der Sommer ist schön vor allem andern 130 ein herrlicher Bote der Zukunft. 1080
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Und jezt Lebe wohl, sey stets Heldin, denke stets mein; Sollst bald wieder von mir wissen, ich will dir alles geben was ich habe. Bewahre deine Seele von Traurigkeit, Sey stark wie die Berge um dich, sey froh wie die Lerche, und tief und ernst wie das schöne Blau des Himmels. Denke wie fröhlich michs macht dich glüklich zu wissen, wie schön meine Stunden fliessen im Andenken an dein WohlErgehen. Nimms nochmal mein herzlich Lebewohl, ich umschwebe dich wie das Licht der Sonne, wie der Morgen und AbendHauch schmieg ich mich an dich, wie das AbendGold lächle ich dir entgegen, und ich rufe dir zu durch das Rauschen der Bäume; denn Gottes Tempel ist die Natur, sie die uns so heilig ist, seit jenen aus der Heiligkeit Urquell geborenen Tagen. dein F.
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Den 8t July 1810. Morgens Einen recht guten heiligen Morgen wünscht dir mein Herz; o könnt ich izt stehn mit dir auf der Zinne eines Gebürg’s, und Anbeten den Herrn – in der verjüngten Schöpfung; mein Gott wann werden diese Tage kommen? o gewiß bald, und wir sind standhaft es zu erwarten. Freundinn die Zeit geht stürmisch hin, aber noch ohne Bedeutung; so wie sich die Schöpfung nach dem Lichte sehnt so ich nach dir und jener Stunde; nach dir die harmlos wandelt in dem Gras und durch die Bäume, aufschwingend zum Auge Gottes das Gemüth; ja wir wollen uns aufschwingen mit der Gewalt aller Tugenden. Nachmittag; am Tempel der Freundschaft im HerzogGarten auf dem Hofberge. Da sitz ich da wo deines Auges Himmelstrahl das erstemal niedersank in meine Brust; wo die schöne Morgendämmerung begann, der goldne Maytag eines heiligen Sommers. Wie entfesselt schwebt mein Geist auf EngelsSchwingen, und meiner Seele ist unendlich wohl in Gott. Nimmer möcht ich ruhen anzubeten; nieder ist gefallen der Vorhang aller Zeiten und ein prophetisch Licht in meinem Herzen aufgezündet; ja ich seh, ich seh die kommenden Dinge! lauter Lorbeern, lauter in Gott entzükte Gemüther; siehst du dort das ist das grosse Zelt, da wohnt die Braut des Helden, und da im Schatten der Eiche da hängt 1081
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ein Schild und ein buschiger Helm und ein Schwert; wer hat denn die Blumen dran geflochten? wer den Kranz aus Eichlaub der so stolz sich schlinget um den blitzenden Stahl des Helmes? Siehst du! es will Morgen werden und schon liegt das getreue Volk auf den Knieen zu beten; an tausend Harfen wartet der Finger des ersten heiligen Tagstrahls. Siehst du dort auf des Berges Stirne ein stattlich’ Gebäud aufgerüstet; mag wohl seyn ein Tempel der Freundschaft; Gott hat da oben 2 seiner Kinder berührt mit dem Odem seiner Gnade daß ihre Sehnsucht aufwachse in seinem Willen. Du Thräne warum entfällst du meinem Auge, und du meine Seele warum bist du bewegt; ists Gottes Näh die mich weinen macht, und sind mir alle die mir lieb sind geistig nah? – o dann sey mir gesegnet heilige Stunde; deiner Erinnerung Tröstend Gefühl sey unauslöschlich mir in den Busen gegraben. Jezt bin ich recht selig und voll heiligen Willens, und voll gesegneter Kraft; o sässest du da bey mir du Ersehnte, Lilie, Krone meiner Wünsche; o wärst du da bey mir und theiltest das wonnig Gefühl dieser aus Gott geborenen Stunde! aber du bist ja bey mir, oder ists nicht dein Hauch was mir da um die Stirne lispelt; ists nicht dein Blik der mir da aus dem blauen Äther durch die Seele leuchtet; ists nicht deine Sehnsucht die in meinem Herzen glüht? Heilig, Heilig! laß uns rufen, ist der Wink des Herrn, und seine Liebe gränzenlos an seinen Kindern. Gieb mir dein Gebot daß ichs trage durch die Welten; gieb deiner Seraphe Schwung meinem Geiste; Herr ich bin der lezte deiner Diener, aber deute deinen Willen mir, und laß mich dein Gesetz verstehn! du die mich umschwebt in heiligem Gefühle, du meines jugendlichen Daseyns schöne Blüthe, schöne Zierde du – wie erstreb ichs, wie erglüh’ ich, wie treibt michs empor; du schönes Land das da zu meinen Füssen liegt sey mir gegrüßt; seyd mir willkommen ihr Berge die ihr dort in blauer Ferne liegt jenseits der Donau – eines Geistes Kraft sey über alle Bürger ergossen, eines Gottes Gewalt lenket euch alle zum Ziel! – O da mit der schwachen Schrift, mit den menschlichen Worten kann ich dies nicht schildern, denn wie Himmel liegts in mir; Gloreich, verklärt; Entzükung athmet meine inbrünstige Seele, und meine Gedanken sind der Nachhall eines Paradieses. wäge sie ab, Stund für Stund die köstliche Zeit die wir zusammen gelebt, und erbebe vor Freude daß es so werden so bleiben soll durch eine Ewigkeit – da hab ich sie wieder diese Ewigkeit die mich aus allen Angeln reißt, die zu denken mir Verklärung ist, die ich zu wünschen er1082
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brenne. Dir ists ja auch so Freundin! die du in Unschuld und mit Heldemuth wartest des verkündeten Tags; bleibe so stark, als ein Engel mir zusagt daß du jezt seyst; und frage nicht wie oder warum. Du bete mit mir! – das Meer meiner Liebe – das unergründliche ist über mein Thun ausgestrekt; und eine heilige Sonne vergoldet da alle Wellen; Engel schweben auf rosigen Wolken; in Stahl gerüstete Boten stürmen über die Fläche dahin; und wie aus himmlischen Cymbeln klingt es aus der Tiefe empor! Du hast mich ganz, ja ganz aus dem Grund meiner Seele; das sey dir Trost; mich ermannt es daß du mein seyst; ja bete mit mir daß es diese 12 Wochen gut und schön sey und immer; dann gewiß seh ich dich; dich ersehnte; grosse Tochter; o sag mir etwas, etwas das den Geist athmet deines ruhigen starken Gemüths; so etwas klingt mir herüber wie ein göttlich Lied aus den Himmeln. Und nochmal, nimms tief und sage: wir stehn’ in des Höchsten Hand, sein Wille geschehe; wollen nicht ruhen, wollens erstreben, erharren, erdulden, erfassen, wollen verdienen seine barmherzige Gnade, wollen seine guten treuen Kinder seyn, die starken Helden seines Gebots. – Nachts Und jezt noch einen Gedanken weils Nacht ist. Es wollte stürmen aber der Herr hat Ruhe geboten, und das Firmament liegt in seiner stummen Pracht; jezt dachtest du wohl auch an mich; Gott segne deine Andacht; er segne uns, wir bitten seiner Gnade Trost; Gute Nacht dein Schutz Engel umschwebe dein Haupt, er trage deine Gedanken hinüber in die Licht hallen der seeligen Geister – und in paradiesischen Gärten mögen wir gehen Hand in Hand festgedrükt. Nochmal Gute Nacht; das war ein schöner Tag! Den 9t Früh. Und jezt wieder guten Morgen; mit dem Tag erwacht das Verlangen im Gemüthe mir; und der erste Strahl der Sonne mag meine Thätigkeit entzünden. Ich freu mich recht wenn ich dirs alles erzählen kann; wie ich die Gemeinheit niederschlagen will um mich, wie nur das bewährte, wohlgegrüßte Feste feyern soll; ich bitte dich wenn du etwas weißt von Berlin so sag mirs – die Zeit ist recht nah, mein Verlangen glüht. Nachts. Du bist mir unentbehrlich; o hilf mir tragen; winde deine Hand nicht aus der meinen; wie ist mirs süß geworden seit ichs mit dir theile? Ein paarmal ist mirs heute wie Blitz gefahren durch die Seele, daß es recht groß mit uns und voll heiliger Bedeutung sey. Liebe, Liebe Freundin, sag mir daß du glüklich seyst; o sag mir das; wenn auch trübe 1083
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Tage, wenn eine heisse Mittagsstunde ist, sey Heldin, flieh die Schwer- 100 muth; Hast du meinen lezten Brief vom 7t; ich spreche dir von einem gewissen Huber der zu euch kommen wird als Forstmann; ich gab ihm meinen Brief an dich aber er ist noch nicht weg weil er keine Pässe erhalten konnte; er wird nächstens kommen. 105 Die Briefe die ich nach Berlin sandte wirst du vielleicht auch erhalten. Den 5t hab ich H* Huber den Brief durch Sailer geben lassen. Es ist finster draussen, nur wenige Sterne flimmern; ich seh dich bald auf jeden Fall, so muß es seyn; bleib mir so, du bist die Freude meiner Seele; Gute Nacht; Sey fromm stille mein Verlangen; dein Bild 110 schwebt lebhaft um mich, ich meinte fast du seyst gar nicht ferne weg von mir – mir ist so wohl in diesem Gedanken; das macht weil wir uns nicht getrennt haben; das waren doch schöne Stunden; weist du wo wir das ausgemacht haben; Sey nur ernst und denke immer an des Bundes Heiligkeit. 115 Am 10t Vormittag; in Gottes freyer Natur. Ja! wie ein Meer liegt es vor mir, als stünden wir auf hohem FelsGebürg, zu dessen Füssen sichs hinstrekt; was ists, das da so gewaltig leuchtet? woher erklingen diese tausend Jubel Stimmen? Mir ist so wohl, ganz sorgenlos schwingt meine Seele sich durch das Morgenroth 120 dem himmlischen Gestirne zu; du bist mein Anker wenn das liebende Gemüth so fessellos dahin stürmt durch die Räume; deiner Stimme Klang ertönt meinem Geiste wenn er unermeßlich weit hinangehoben über diese Erde sich in der Liebe Urluft sonnt! Immer liegt das schöne Bild vor meiner Seele als an meiner Hand du niederstiegest von dem 125 G.berge. Denn die Ebne sah sehnsuchtsvoll nach uns herauf; als dürstete nach tausend troknen Sommer tagen, sie nach dem ersten Trunk aus einer Himmels Quelle. Ich gieng voraus fest stellend meinen Fuß auf die zakigen Felsen – und du folgtest mir gestüzt auf den leitenden Arm. . . . . So bricht das Morgenroth an, wenn heitre Tage kommen sol- 130 len, so steiget nieder aus dem Himmel seine segnende Kraft. Dieses Licht das ich sauge, es tränkt auch dich; dieser Gedanke, du denkst ihn auch! diese Sehnsucht, du empfindest sie mit mir; und alle diese himmlischen Stunden wir leben sie zusammen! – O richte Auf, Dein Auge zu mir, und deiner Seele Verlangen schütt’ es aus in meine 135 Brust; Rosen will ich dir streuen, Triumph Pforten bauen; Vom Schall von tausend Hörnern soll deinen Fußtrit verkünden; Schöner Antheil den du hast; beglükender Gedanke; das Heil der Welten das du sinnest, 1084
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es verkläret deinen Willen. Sey mir willkommen heitere Einsamkeit, ruhige Stunde, die du gebährest nach der Freundin das Verlangen; ihr lichten Strahlen beleuchtet ihr harmloses Daseyn; ihr silbernen Wolken wenn ihr hinzieht über ihr Haupt, über ihr gesalbtes so hauchet nieder einen kräftigen Geist! Nachts. Jezt hast du mich ganz wieder; der Regen der da niederträufelt salbe mein Haupt; er salbe das deine mit erquikendem Thau; ich fühle deine Nähe; du holde Freundin bist immer um mich, wir gehen Hand in Hand durchs Leben hinüber. Bald, o bald seh ich dich; das soll ein Wiedersehen seyn voll Triumph und Majestät. Sag mir doch was du machst; wie du hinlebst den unschuldigen Tag auf dem Lande. Ich wünschte daß du alle meine Briefe hättest ich spreche aus tiefer Seele zu dir. Meine Wünsche sind in Gottes Sonne geläutert, mein Begehren ist die Gnade Gottes. drum ist eine seelige Ruhe über mein kräftiges Gemüth verbreitet, ich kenne keinen Sturm der Leidenschaft, wohl aber eine unbesiegbare Kraft des Willens. Nimm alles, alles was seit damals geschehen ist zusammen und spreche in Andacht aus das Lob des Herrn, der es so gegeben hat; erfaß es von Grund aus, und du wirst dich erhoben fühlen. Mich schwingts über alle Welten hinaus, und begeistert mich | mit unendlichem Muthe. Am Vorabende von Savignys NamensTage wars, da wir ihm eine Musik machten daß du zu mir tratst, mir viel von Göthe zu erzählen; seit damals war dein Bild unendlich tief in meine Seele gegraben; schon vorher wenn ich dich sah, von dir sprechen hörte fühlt ich wie eine geistige Berührung, wie ein vom Himmel gesandtes Begehren; denn du weißt ich war immer in jener Stimmung einer welterlösenden Liebe; Als ich bemerkte daß du einstmals auf den Ball gehest, folgt ich dir schnell dahin; du weißt es, es war wo du mich nachmittag frugst ob ich tanzen gehen würde . . . . . Immer hatte mein Leben gewonnen an einer Abwendung von aller Gemeinheit; ein sehnsuchts volles Erwarten hatte sich meiner bemeistert. Auf dem Spatziergange nach Ganghofen wich ich nicht von dir; früher schon bey Savignys Abendbesuchen trank ich aus deiner Anschauung ein begeisterndes Gefühl Jezt kamen die schönen Tage vor der Abreise; Im HerzogGarten auf dem Hofberge sahst du mich bedeutungsvoll an; Mir wars nicht überraschend; ich hatte von jeher gemeint es müsse so kommen; Tags drauf; den Vorabend von der Reise bracht ich dir die Veilchen; die Unruhe mit der du sie in die Bibel legtest, ein geheimnißvolles Schweigen, alles sprach mein Glük; ich war stolz, meinte ich verdiente es so; auf der Reise hat 1085
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sichs herrlich ausgebildet; und aufgestiegen ist das Meteor, das nun ewig glänzen soll unter den Gestirnen; ja bey unsers höchsten Vaters Barmherzigkeit, wir wollen diese Huld verdienen, unsers Glükes, sei- 180 ner Liebe würdig seyn. Du kennst mich ganz, wie ich dich; ich stehe vor dir ohne Falte, mein Herz liegt offen deinem Auge; o glüklich wenn du Trost gefunden hast in meinem Zutrauen, wenn ich mit meinem Willen auch dein Bestreben aufgerichtet und gestärkt. 185 Und izt Leb wohl; Gute Nacht; Schließ mich in dein Gebet; bete für uns alle; der heutige Tag war wieder schön; Engel weinen möcht ich FreudenThränen daß uns Gott auserwählt vor so viel tausenden zu Helden seiner Gnade; Laß sie uns verdienen. Den 11t. Ich gehe auf ein paar Tage nach München; du bist überall mit 190 mir; ich erwarte sehnsuchtsvoll Nachricht von dir; Mein Begehren ist heilig; Gott wird alles mit schöner Krone krönen; du sey muthvoll meine Gefährtin; meine starke Freundin! Noch immer malen deine Blike sich in meiner Seele; dein Händedruk stürmt immer noch begeisternd durch mein Herz! 195 Adieu; ich sende dir diesen Brief; und recht kräftigen Trost damit; ja lebe mir ganz und dem Grossen Ziele, dein Glük ist die Palme meiner Opferungen! Gott sende uns seinen Segen! MF
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An Alois Bihler in Landshut Bukowan, 9. Juli 1810, Sonntag
〈Fortsetzung von Stimmen Nr. 168:〉 So viel von den Notizen des Erzählers über Bettina selbst. Hier möge noch ein Auszug eines Briefes folgen, den sie von Wien aus an ihn richtete und der uns im Original vorliegt. Eine Zusammenkunft mit Beethoven schildernd, hinterließ sie darin eine Skizze dieses großen Tondichters, welche unsern Lesern nicht unwillkommen sein dürfte. Daß an der Spitze des Briefes die Jahreszahl fehlt (es steht dort lediglich, selbst mit Übergehung der Ortsangabe: »am 9. Juli«), wird bei der bekannten Flüchtigkeit der Schreiberin Niemanden wundern. Wir heben nun aus dem sehr umfangreichen Briefe Bettina’s, dessen erster Theil 1086
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von dem Auftreten eines Wiener Sängers eingehend erzählt, nachfolgende Stelle wörtlich heraus: » B e e t h o v e n habe ich erst in den letzten Tagen meines dortigen Aufenthalts kennen gelernt; beinahe hätte ich ihn gar nicht gesehen, denn Niemand wollte mich zu ihm bringen, selbst, die sich seine besten Freunde nannten, nicht, und zwar aus Furcht vor seiner Melancholie, die ihn so befängt, daß er sich um nichts interessirt und den Fremden eher Grobheiten als Höflichkeiten erzeigt. Eine Phantasie von ihm, die ich ganz vortrefflich vortragen hörte, bewegte mir das Herz, und hatte ich von demselben Augenblicke eine Sehnsucht nach ihm, daß ich Alles aufbot. Kein Mensch wußte, wo er wohnte, er hält sich oft ganz versteckt. – Seine Wohnung ist ganz merkwürdig, im ersten Zimmer zwei bis drei Flügel, alle ohne Beine auf der Erde liegend, Koffer, worin seine Sachen, ein Stuhl mit drei Beinen, im zweiten Zimmer sein Bett, welches Winters wie Sommers aus einem Strohsack und dünner Decke besteht, ein Waschbecken auf einem Tannentisch, die Nachtkleider liegen auf dem Boden; hier warteten wir eine gute halbe Stunde, denn er rasirte sich gerade. Endlich kam er. Seine Person ist klein (so groß sein Geist und Herz ist), braun, voll Blatternarben, was man nennt: garstig, hat aber eine himmlische Stirn, die von der Harmonie so edel gewölbt ist, daß man sie wie ein herrliches Kunstwerk anstaunen möchte, schwarze Haare, sehr lang, die er zurückschlägt, scheint kaum dreißig Jahre alt, er weiß seine Jahre selbst nicht, glaubt aber doch fünfunddreißig. Ich hatte nun viel gehört, wie behutsam man mit ihm sein müsse, um ihn nicht scheel zu machen; ich hatte aber sein edles Wesen auf eine ganz andere Art berechnet und nicht geirrt. In einer Viertelstunde war er mir so gut geworden, daß er nicht von mir lassen konnte, sondern immer neben mir herging, auch mit uns nach Hause ging und zur größten Verwunderung seiner Bekannten den ganzen Tag da blieb. Dieser Mensch hat einen sogenannten Stolz, daß er weder dem Kaiser noch den Herzögen, die ihm eine Pension umsonst geben, zu Gefallen spielt, und in ganz Wien ist es das Seltenste, ihn zu hören. Auf meine Bitte, daß er spielen möchte, antwortete er: »Nun, warum soll ich denn spielen?« »Weil ich mein Leben gern mit dem Herrlichsten erfüllen will und weil Ihr Spiel eine Epoche für dieses Leben sein wird,« sagte ich. Er versicherte mich, daß er dieses Lob zu verdienen suchen wolle, setzte sich neben das Clavier auf die Ecke eines Stuhls und spielte leise 1087
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mit einer Hand, als wollte er suchen, den Widerwillen zu überwinden, sich hören zu lassen. Plötzlich hatte er alle Umgebung vergessen, und seine Seele war ausgedehnt in einem Weltmeere von Harmonien. Ich habe diesen Mann unendlich lieb gewonnen. In Allem, was seine Kunst anbelangt, ist er so herrschend und wahrhaft, daß kein Künstler sich ihm zu nähern getraut, in seinem übrigen Leben aber so naiv, daß man aus ihm machen kann, was man will. Er ist durch seine Zerstreuung darüber ordentlich zum Gespött geworden; man benutzt dies auch so, daß er selten so viel Geld hat, um nur das Nothdürftige anzuschaffen. Freunde und Brüder zehren ihn auf; seine Kleider sind zerrissen, sein Ansehen ganz zerlumpt (das soll Nußbaumer sich merken), und doch ist seine Erscheinung bedeutend und herrlich. Dazu kommt noch, daß er sehr harthörig ist und beinahe gar nichts sieht. Wenn er aber gerade componirt hat, so ist er ganz taub und seine Augen sind verwirrt im Blicke auf das Aeußere; das kommt daher, weil die ganze Harmonie sich in seinem Hirne fortbewegt und er nur auf diese seine Sinne richten kann; das also, was ihn mit der Welt in Verbindung hält (das Gesicht und Gehör), ist ganz abgeschnitten, so daß er in der tiefsten Einsamkeit lebt. Wenn man zuweilen lange mit ihm spricht und auf eine Antwort wartet, so bricht er plötzlich in Töne aus, zieht sein Notenpapier hervor und schreibt. Er macht’s nicht wie der Capellmeister Winter, der hinschreibt, was ihm zuerst einfiel; er macht erst großen Plan und richtet seine Musik in eine gewisse Form, nach welcher er nachher arbeitet. Er kam diese letzten Tage, die ich noch in Wien zubrachte, alle Abend zu mir, gab mir Lieder von Goethe, die er componirt hatte, und bat mich, ihm zum wenigsten alle Monat einmal zu schreiben, weil er außer mir keinen Freund habe. Warum ich Ihnen nun dies Alles so umständlich schreibe? – weil ich erstens glaube, daß Sie wie ich Sinn und Verehrung für ein solches Gemüth haben, zweitens weil ich weiß, wie Unrecht man ihm thut, gerade weil man zu klein ist, ihn zu begreifen – so kann ich’s nicht lassen, ihn ganz, wie er m i r ist, darzustellen. Noch obendrein sorgt er mit der größten Güte für Alle, die sich ihm in Bezug auf Musik vertrauen; der geringste Anfänger darf sich ihm vertrauensvoll überlassen; er wird nicht müde, Rath und Beistand zu leisten, dieser Mann, der es nicht einmal über sich gewinnen kann, eine Stunde seiner Freiheit abzuzwacken.
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*783. An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Bukowan, etwa 10. Juli 1810, Dienstag Ludwig Achim von Arnim an B, 22. Juli 1810:
Ich danke Dir herzlich für zwey kleine Zettel, die Du mir geschickt, ich habe sie statt deiner geküsst, der allerkleinste ist mir der liebste weil er mir sagt, daß du mich lieb hast. (Nr. 791,114-117.)
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Bukowan Berlin, 10. Juli 1810, Dienstag
Berlin d* 10 July 1810. Liebe Bettine! Gestern Vormittag stand ich wohl drey Stunden an meinem alten Stehpulte, an welchem ich Deiner so oft und in verschiedner Zeit gedacht Savigny war zu Humboldt gegangen und Clemens las im andern Zimmer neuangekommene Bücher, aber in dieser Stille, die rings mir wiederkehrte, wurde immer lauter in mir ein Widerspruch, eine Unbestimmtheit, wie Du es eigentlich mit mir meintest, den Deine Freundlichkeit in den letzten Tagen nur beschwichtiget, nicht unterdrückt hatte. Gedachte ich des Abends vor meiner Abreise von Prag so ward mir warm und froh, aber dazwischen fielen mir so manche Worte in Bukowan ein, die Du zu ruhig, langüberlegt und festentschlossen gesagt hattest, als daß ich sie für blosse Laune oder Scherz nehmen konnte und an diesen Worten, (die mir manches bestätigten, was Clemens mir zufällig einmal erzählt hatte) daß ich nichts von Dir erwarten, nichts von Dir verlangen sollte, daß ich Dir sey wie andre, mehr und andres mehr, daran würgte ich so lange bis die Zeit gekommen, wo ich mein Essen einschlucken muste. Ich sitze heute an | einem neuen Platze, an meinem Schreibkasten, der noch von Deinem Abschiedsstrauß aus Bukowan duftet, ob mir die Worte und das Zutrauen zu Dir wiederkehren. – Soll ich meinem Herzen glauben und der Thräne, die halb von der Sonne aufgehaucht, halb von Deinen Lippen aufgeküsst, mich an einem guten Tage im wallenden Kornfelde bey Bukowan von manchem Druck erleichterte, soll ich glauben manchem deiner früheren Worte manchem Briefe; bey Gott so fühle ich auch mit Zuversicht, daß mich kein eitler Sinn verblendet 1089
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hatte, als ich in Dir eine dauernde Neigung eine auszeichnende zu mir annahm und ist das alles leichtsinniges Spiel gewesen und ich der poetische Haubenstock, an den Du allerley überflüssige Worte des Gefühls angeheftelt, so möcht ich fluchen allen Worten, allen Thränen, allen Herzen, Dir aber nicht, denn ich bleibe Dir doch gut und möchte mich nicht ganz von Dir scheiden, wenn mir gleich Dein Wiedersehen schmerzlich seyn würde. Ich schwöre Dir, daß in den Zeiten des unnatürlichen Krieges, wo mich eine unnatürliche Leidenschaft aus den festen Gleisen meiner Bahn fast heraus|gerissen, daß ich mit Jammer Deiner gedacht, als ich alles hoffte, weil ich dadurch von Dir losgerissen würde; als ich allem Glücke nahe zu seyn glaubte, wie ich dadurch unglücklich war, ich habe es Dir nie gesagt und doch ist es wahr. Ich fand Dich nachher wieder (leugne es jezt, du kannst mir doch nur damit beweisen, daß viel in Dir untergegangen) in Cassel, in Winkel, in Schlangenbad schenktest Du mir so ausschließliche Zärtlichkeit, daß mein Gewissen erwachte, ob ich mit getheiltem Herzen zwischen Königsberg und Dir Dich nicht betröge, die Einsamkeit führte mich oft in ihr ernstes Nachdenken, die Verhältnisse des äusseren Lebens zogen sich mir, der zum Erwerb so wenig angeleitet wie Du zur Wirtschaftlichkeit, immer enger zusammen; ich hätte Dich in das Haus meiner Großmutter geführt, das ewig voll Qual, Streit und Unruhe kaum mir, der ich seit meiner Jugend daran gewöhnt, eine Stunde erträglich war, hättest Du Dich nur einmal in der Art, wie Du es häufig thust, über den Tisch ausgestreckt, sie hätte es Dir nie vergessen oder verziehen. Vielleicht war diese Bedenklichkeit, diese Gewissenhaftigkeit ganz unnütz; mir aber habe ich darin genügt und das ist genug. Die Zwischenzeit löste mich mit einem schmerzlichen Krampfe | von Königsberg los, was ich gefühlt bleibt mir, alles andre schwand wie ein Mondregenbogen mit dem Tage. Meine Großmutter entriß der Tod, sie hat mir viel Gutes gethan, und ich ehre dankbar ihr Andenken, unsre Gesinnungen hatten in dieser Welt keine eigentliche Berührung. Ihr Vermögen hätte mich selbst in dieser Zeit, wo nur der thätige Gebrauch eines Vermögens eigentliche Sicherheit gewährt, reich gemacht, wenn sie nicht durch eine Fideicommißeinrichtung, die sich erst zum Besten meiner Kinder auflöst, mich und meinen Bruder und meinen Onkel beschränkt hätte. Da ich aber alle Beengungen meines Lebens stets zu Erweiterungen meiner Natur ausgebildet habe, so war mein Entschluß nach der Eröffnung des Testamentes bald gefasst, das Meinige zu thun, um rechtmässige Kinder zu haben, da braucht’s 1090
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nicht langer Zweifel, ich wuste niemand auf der Welt von der ich so gern ein Ebenbild besessen hätte, da kein Maler Dich mir ordentlich dargestellt hatte, und auch keine, mit der ich auch ohne diese Verdoppelung so gern mich erfreut, gestritten, gewacht und geschlafen hätte als Dich und das wollte ich Dir alles in Bukowan vortragen, aber anders | und ernster als hier im Briefe, wollte die Zeiten bedauern, die ich so in Träumereien verloren, wollte Dir sagen wie mich der Gott so gut und wunderlich geführt. Da wurde ich aber ganz anders von Dir empfangen als ich gemeint und erwartet hatte, es wurde mir zu verstehen gegeben, es hätte sich vieles verändert, es wären Erfahrungen gemacht, ich könne nichts verlangen, was ich mir einbilde, von einem Hingeben zu grossen Zwecken der Zeit, an Musick. Beym Himmel ich ehre alle hohe Zwecke, doch bey diesen liegen die Mittel so nothwendig, so unwillkührlich, so gar nicht widersprechend; nie möchte ich irgend einen Menschen der Welt, wie viel weniger Dich, die mir seit Jahren näher liegt als irgend ein Mensch, an die ich lange geglaubt, daß du die Einzige, die je mit eigentlicher dauernder Neigung mir zugethan und der ich mich in Handlungen, wenn gleich nicht in Gedanken immer, treu erhalten habe, nie möchte ich dich Deinem besseren Daseyn entreissen um mir eine Güte zu thun und menschlich zu leben wie andre; meiner Wahrheit bin ich es aber schuldig Dir frey zu bekennen, daß ich Musick durch ein gut Leben immer gefördert sah, was aber Einwirkung auf Zeit betrift, so weiß ich, was dazu gehört um mit Absicht etwas darin zu leisten, ist | auch keiner von allen die ich kennen gelernt, weder Du noch ich dazu geschickt, will uns aber ein höheres Geschick irgend etwas in die Hände legen, so wissen wir es sicher nicht voraus, denn auch des Mächtigsten Hände würden zittern; wir würden es vollbringen und wenig davon zu sagen wissen, wie es geschehen. Du erkennst an dieser meiner Gesinnung, daß mir eine Menge Dinge, die häufig in der Welt bewundert, die ich auch wohl sonst auf gesucht, mir nichts mehr anhaben, es ist sehr leicht in müssiger Zeit über vieles hinaus zu denken zum scheinbar ungemeinen (wie der Schneidergesell, der an der Bohnenstange am blauen Montag in den Mond zu klettern glaubte) aber schwer und selten ist die That, ich achte das echt Gemeine das allen Menschen, allen Völkern eigne, denn darin ist Güte Treue und Wahrheit; aus der Güte stammt aber die Liebe, aus der Treue die Hoffnung, aus der Wahrheit der Glauben, möge uns alles Dreyes werden, so wird das Vertrauen unsichtbar unter uns seyn. 1091
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Von Max Prokop von Freyberg nach Bukowan Landshut und München, 12.–20. Juli 1810, Donnerstag–Freitag
Am 12t July. So weit über der Welt, und doch so gerne bey ihr; über Meeren, Gebürgen, schweben, aber sich oft niederschwingen zu den Brüdern; das macht weil am Eingang in’s Reich der Gestirne der wachende Erzengel fragt: Was hast du grosses gethan. Ich meine so ein schartiges Schwert für die Tugend geschwungen, oder eine Brust voll Narben, ein durchlöcherter Helm, das wären wohl die Schlüssel und die Schwungfedern hinüber. Ist doch jeder gestellt von Gottes Hand wo er seinen Weg suchen soll; und wo’s Noth thut, da ruft die Zeit nach dem Helden. Deute das alles wie du willst, seit du die Sehnsucht meiner Seele entziffert, den Panzer des Geheimnisses zersprengt, mit tapfern Bliken dir aufgeschlossen alle Tiefen meines Gemüthes, seit damals mein ich ist dir meine Sprache recht verständlich, recht ans Herz gegeben, voll Trost für uns – Mit Löwen spielen ist ein ernsthaft Spiel; manche Felsen liegen beweglich auf der Höh’ auch Berge sind oft geborsten, und Seen haben ihre Beken zersprenngt; da gilt es waker und treu seyn; ein leichter Sinn ist da bald zermalmet, ein gemeines Herz würde der erste Sturm zerkniken – drum ist’s so göttlich einen Thurm gefunden zu haben der durch alle Gewitter Nächte leuchtet, eine Hand zu wissen die sich hülfreich bietet, wenn es gilt an schwindelnder Höh hinzugehn, ein kräftiger Schwung über Abgründe zu setzen; wenn nicht gar der Sturm und die Kluft und alle Schlünde zurükgebannt sind von Gottes Donnerstimme, daß der herrliche Schauplatz lauter Gnade sey, ganz Huld und Barmherzigkeit. Am 12t Nachts Gute Nacht; morgen reiß ich, bin in ein paar Tagen wieder da, schreib mir nach Landshut. Ich möchte dir noch so viel sagen, mein Herz will überströmen von Fülle seines Verlangens. – Ja da gilt es der Welt entsagen, daß man die Welt erringe, den Dank einer ganzen Menschheit; Meine Jugend will ich dran geben; sag mir, er1092
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mißt’ du unsers Glükes Höh!? Mir schwindelt, da ist kein Ankergrund, als Gottes allbarmherzige Liebe. Laß uns fliehen das Gemeine, laß uns die Zeit fesseln, vorhineinleben ins goldne Alter der Menschheit; bey dir möcht ich seyn; du deren Geist mich auch jezt umschwebet; ich beschwöre dich behalt’ es tief in deiner Seele das Bild jener AbschiedStunde, so ganz auf Wiedersehn berechnet. Da heißt es ganz den alten Menschen ausziehn, und sich in des Urlichtes SonnenFeuer läutern; ich will dich vom Grund deines Daseyns aus; mein Verlangen nach dir ist von Anbeginn der Welt geboren; o fodre von mir, mir ist als könnt’ ich unendlich viel gewähren. – Draussen ist es Nacht geworden, und mit dem Fähnlein des Daches spielt der Gewitterwind; Mond Glanz bricht durch zerrissen Gewölk, und hie und da ein Sternlein winkt mir zu – geschäftig ist der Himmel; an der Isar irren unstät jene Wolken hinab, nach dem Böhmer Lande suchen sie den Weg; wenn du sie kommen siehst, – sie kommen von mir. Wo du auch hintritst gieb mir die Hand, an deiner Freundschaft Licht, bin ich klar geworden; zu deinem unendlichen Schuldner bin ich gemacht; dir soll ein Lohn werden, wie er göttlichen Wünschen gebührt – und nochmal gute Nacht – Sey gefaßt, mit dem Strom mag ich nicht schwimmen, weil sein Wasser noch trübe ist; o halt dich an mir; Lebe in Gott und seiner Natur, in heitern kräftigen Gefühlen, bis der schöne Tag kommen wird ect . . . . . Am 13ten Nachmittag. Jezt bin ich angekommen in meiner Familie Schooß; mein Geist ist bey dir unsre Seelen sind sich nah; Gottes Rath schluß ist unergründlich, warum ließ er damals mich nicht zu dir; damals als ich schon mit entzüktem Auge maß die Berge deiner Wohnung –. Aber ich küsse in Demuth diese straffende Hand, sein Wille ist mein Gebot meine heiligste Pflicht – Wenn ich schlaffen geh stürmt immer jener Wirbel von Seeligkeit durch meine Brust, jener festliche Gedanke an eine Ewigkeit; erfasse das du Tochter des Himmels erfasse das und blike mich an, und sey verklärt in dem Schauer dieses Glükes. – Es ist Licht um mich als schwebt ich in himmlischen Gewölben; deine Andacht hat mich hoch gehoben, deine Kraft ist mein RuhePunkt; Laß mich wissen daß dir wohl sey; aber mag ich zweifeln da meine Seele so unendlich ruhig an dich denket. Ich freue mich recht mit dir in die Kirche zu gehn, wie du schon damals woltest, um da zu beten, und wo fänden wir Ruhe, als im LichtMeere der höchsten Heiligkeit. Das sag ich dir alles indem ich so denke an unser Verhältniß; ich ziehe | wie ein Ritter durch das Land, und an das höchste setz ich all mein Daseyn – 1093
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du aber auserseh’ne mir zum Trost, und zur Erfüllung meines brennenden Verlangens, ziehst mit mir nach den Bergen hin die wir zu ereilen 70 streben. Laß mich nur – soll herrlich enden, du traust ja meinem Glauben, und meine Zuversicht, sie macht dich froh; Heilig, dreymal heilig laß uns rufen, von den höchsten Gipfeln schalle hinauf der Harfen Gesang, denn da Leuchtet ein Wunder Gottes, und seine Stimme hat uns übermenschlich angesprochen. 75 Nachts. Und als ich so geschrieben schlummerte ich und du standest vor mir in holdseligen Träumen Ich leide nach der Zukunft dürstend, ich schmachte nach einer schönern Zeit, ich bin voll Sehnsucht nach grossen Tagen. Also Wort gehalten mit dem Kirchengehn; ich halte mit dem Kommen Wort – o wärs nur schon in S– gewesen – aber so blieb 80 mir noch das Übermaaß dieser göttlichen Hoffnung. Am 17t Nachts Und seitdem hat sich viel geändert; ich gehe mit ausgebreiteter Seele morgen nach Landshut; Mein Geist Freundin ist um dich, mein Verlangen nach dir ist Unschuld und Edelmuth; In der Kirche ist mirs wohl, vor Gottes Thron, von der Liebe himmelan getragen 85 schwebt meine Seele in der Dämmerung paradiesischer Zukunft – Vernimms und sey gefaßt es zu tragen: Ich sehe dich entweder sehr bald oder erst in 6 Monaten. Frage nicht warum, o bau auf mein Gebet, auf meinen Glauben, meine Zuversicht, mein Glük – du, du Abglanz meiner eignen Seele, du helle Stimme aus der himmlischen Vorhalle, du 90 leuchtend Gestirn auf unwegsamen Pfade, auf dich hab’ ich Zutrauen. O blik mir ins Angesicht, streke aus deine Hand nach der meinen, und stüze auf meine Schulter dich; Alles ist hinab geschwunden hier um mich seitdem die hohe Ahndung wie ein leuchtend Meteor hell glänzend aufgestiegen ist aus meiner Brust, Ich finde nirgends Sättigung 95 und weit hinaus über alle Dinge die ich kenne, die an mir sind, sich unbescheiden an mich drängen, weit über allen diesen Tand hinaus stürmt mein unersättlich Gemüth; Nur dann war ich ruhig und ohne Sturm, und als sey mir viel gewähret, wenn ich an deiner Seite Gieng, dein Aug dein Händedruk zu mir gesprochen; da meint ich viele Zei- 100 chen seyen vorhinein erfüllt Gute Nacht izt – Ich erbebe dich zu sehn’ doch bin ich gefaßt daß es komme, Leb wohl der Geist meiner Kraft ruhe über dir, Laß uns beten daß der Grosse Vater seine GnadenEngel sende! Am 18t Nachts. (Landshut) Heute bin ich wieder eingetroffen hier, 105 ich habe den ganzen Weg wie von dir und dieser grossen Liebe geträumt; den Raphael hab ich wieder gesehen – Mein Engel die Welt ist 1094
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um mich abgeschwunden; ich steh fast wie allein; wüßt ich dich nicht um mich, wie könnt ichs tragen; damals sagten wir’s auch, als wir Neumarkt vor uns liegen sahen, daß wirs schwer ertragen könnten wenn wir wirklich getrennt würden, und unsre Seelen nicht beysammen blieben – Ich fühle mich männlich gefaßt; Vergnügen wird’s wenig geben, bis auf eines, ein unaussprechliches, das mich diesen Herbst erwartet. Ich sehne mich recht nach einem Brief von dir, du weißt wie unendlich theuer sie mir sind. Du hast mir durch Sailer viel schönes sagen lassen, dafür nimm meinen herzlichen Gruß. Ich schwebe wie auf verhängnißvollen Wellen, und warte muthigen Bliks was da kommen soll – Sieh – es ist spät der Mond aber noch an den Wäldern; Gute Nacht, ich wünsche dir recht heitere Stunden, und ein recht tapferes Herz, ein recht beharrliches Gemüth, – Leb wohl schließ mich in dein Gebet; schike für uns deine grossen Gedanken nach dem gnädigen Himmel, wie ich jezt thue. Den 20t Sag mir was du wünschest – bey Gott es ist ernsthaft geworden, und weit über die Kindheit hinaus – aber darum nicht minder wonnig und entzükend anzuschauen – Ich bin wie umgewandelt; in die gemeine Deutlichkeit der Dinge, hast du mir einen zauberhaften Duft gewebet – wie ein paar Schiffe schweben wir auf unermeßlicher Fläche, und steuern der Dämmerung zu die dort zu glühen beginnt, und sprechen uns frohen Muth ein, und reichen uns die Hände, und wechseln selige Blike! – Das ist der Lohn der edeln Seelen, daß der Zufall nichts über sie vermag; und wie ich sehe daß unendlich mehr in mir verborgen liegt, als bisher an den Tag gekommen, so mein ich daß diese Dämme um so fruchtbarer bersten müssen je starrsinniger sie kämpfen mit der andringenden Gewalt des Bessern. Gestern war mir ein heiliger Abend; Der Himmel war in grau Gewölk gekleidet, Nur gegen die Schweiz hin stand er offen, mit Abend Licht übergossen. Ich war jenen Hügel hinangestiegen; mir war die Andacht klar wie die Liebe; ich fühlte ganz das Seelen erhebende deiner geistigen Berührung. So klingt ein Tag hinüber nach dem andern, mich stählt ein ruhiger Blik in die heitere Zukunft. Sag mir ob du zu wissen wünschest was mich abhält diesen Herbst nach Berlin zu gehen – Ich soll erst den künftigen März dahin reisen, was sagst du dazu; Im September geh’ ich durch die Schweiz nach Mayland; Salvotti verläßt uns dieses Monat noch in Pavia zu promoviren – Aber was erzähl ich dir alles, Genug daß du wissest was mein Verlangen sey, wie helle alle die Flammen lodern voll Sehn〈〈sucht nach〉〉 einer bessern Welt. 1095
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du sollst um mein geheimstes Leben wissen 〈〈mein〉〉 Herz hat keine Falte vor dir, verkläre mich durch deine Beschau〈〈ung.〉〉 Ich wünschte einen andern Namen auf die Briefe an dich zu setzen, Nenne mir jemand der sie dir sicher giebt; und jezt Lebe wohl; Mir ist 150 oft heiß und enge, aber ich lasse die Sonne nicht aus dem Gesicht, und wanke keinen Augenblik; ich harre von Stunde zu Stunde; Gott wird meinen Geist nähren, er wird krönen unsern heiligen Bund – –. 2v
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Landshut den 12 July 1810. Nichts geht wohl über den Gedanken; auch in weiter Ferne von jenen nicht vergessen zu seyn, die uns in naher Berührung so wohl wollten. Wie innig mich, liebes Fräulein, Ihr so herzlich geschriebener Brief gefreut hat, davon mögen Sie jene Worte, und die schnelle Beantwortung Ihres Briefes überzeugen. Gerne befolge ich Ihren Befehl, nicht viel weißen Raum zu lassen. Was früher von mir unbescheiden gewesen wäre, ist es nun wohl nicht mehr. Es konnte mich nicht wundern, daß Sie unserm kleinen Landshut den Vorzug vor dem großen Berlin geben; wer wird dieß wohl nicht, der hier Tod, dort Leben findet; auch Ihre Prophezeiung von Stunden, wo man sich nach freyer Natur sehnt, scheint mir so wahr, daß ich auch nicht das geringste dagegen sagen kann. Gewiß aber zweifeln Sie auch nicht daran, daß in Augenblicken eines schmerzlichen, tiefverwundenden Verlustes die Natur nicht mehr den herrlichen Eindruck auf das Gemüth machen kann, den sie machen müßte, würde sie durch einen offnen, unbefangnen Sinn empfangen. Wie ganz anders wirkt zum Beyspiele die Gegend von Ganghofen nun auf uns, als sie es damals that, wo man sich eines seligen Zusammenseyns mit ungetrübten Empfindungen erfreuen durfte? Wie ganz 1096
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verkehrt spricht uns jeder Platz auf dem Hofberge an? Genäße ich wohl jetzt alle die Schönheiten so rein, so heiter, und muß ich nicht, und jeder mit mir sagen, damals waren alle diese Schönheiten, denn doch viel schöner. Ich will nicht daran denken, wie alles in dem schönsten Gleichgewichte geblieben wäre, hätte uns H. v. Savigny nur nicht verlassen. Die Menschen, die durch ihre Gegenwart den Reitz der Natur erhöhten, sind fort; die Gegend, und die Umgebungen blieben, nur die Seele ist entflohen; sie, die alles belebte. Und doch mußte alles so seyn, wie es ist. Und gewiß hätte sich ohne einen solchen furchtbaren elektrischen Stoß, der plötzlich alles für die äusserliche Erscheinung trennte, ein so inniges Leben nicht gestaltet, das uns beständig dorthin treibt, wo die Edelsten Lieb und Leben verbreiten, und so die Stiefmütterlichkeit der Natur so wenig fühlbar machen, als nur möglich. Mein zweyter Brief, dem dieser folgt, und den Sie vielleicht jetzt schon mögen erhalten haben, wird Ihnen sagen, wie zu meinem größten Jammer ich viel später ein Leben genießen, soll, wie Sie mir es in Ihrem Briefe verkünden, wie Sie mir es am Fuße des Geißberges schilderten. Andre sollen Sie früher wiederfinden, und ich bin einer von den Versprengten, von dem Sie mit einem Wiedergefundnen in Stunden der Erinnerung sprechen werden. Das Bild hat sich gewendet, und wenn ich dann denke, wie sich oft in kurzen Zeiträumen so vieles ändert, wenn ich | denke, Sie alle vielleicht nicht mehr in Berlin zu treffen, dann möchte ich so gerne aus Unmöglichen Mögliches machen. Ungeheuer ist d〈〈ie〉〉 Zeit von beynahe 10 Monden, die ich dann ohne Freunde hier, in düstrer Jahreszeit, mir selbst überlassen, ein Verlassner verleben muß. – Wenn nur die Universität zu Berlin recht gut gedeihet, daß H. v. Savigny recht viele Liebe dazu gewinnet, und sie dann nicht mehr so bald verläßt; dann bin ich geborgen, dann bin ich ganz glücklich, ganz entschädiget für die Leiden der Vergangenheit. – Würden Sie bis Anfangs September in Bukowan bleiben, so könnte ich mir wohl das Vergnügen nicht versagen, Ihrem Rufe zu 〈〈fo〉〉lgen. So aber scheint mir fortuna auch hier nicht gar günstig. – Fest, u. gesichert gegen jeden feindlichen Sturm besteht der Ordensbund; mit Liebe und Anhänglichkeit für seine Stifterinn bewaffnet, die, auch abwesend, auf ihn wirkt. Dem Freyberg und Salvotti ist fast recht geschehen. Sie sind fortgegangen, und haben gegen mich ein Geheimniß daraus gemacht. So 1097
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sehr ich ihnen darum zürnen dürfte, so hat es mich doch recht sehr gekränkt, daß sie ihren Wunsch nicht erfüllt sehen konnten. Morgen soll ich den herrlichen Raphael sehen, und auch den lieben Grimm, der für uns unsichtbar geworden ist, seitdem leer das schönste Haus von Landshut steht. – Schenk ist wohl, u. schreibt Ihnen gewiß selbst recht bald. – In Ihr Andenken empfiehlt sich Ihr Ritter bis in den Tod; Gumppenberg: Watzman min. Noch einmal recht vielen schönen Dank für Ihren lieben Brief. So eben höre ich durch Freyberg, daß sich die gnädige Frau v. Savigny auch noch in Bukowan aufhielten; dürfte ich Sie bitten, mich ihr vielmals zu empfehlen. 2v
An das Fräulein Bettine von Brentano, in Bukowan abzulegen bey H. Hofrath von Altmann in Prag
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Von Alois Bihler nach Bukowan Landshut, 19. Juli 1810, Donnerstag
Landshut den 19t Julius 1810. Hochachtungswürdigste Bettine! Dank, unendlichen Dank für Ihren Brief, auf den ich mit solcher Sehnsucht, wie die Israelitten auf das Manna in der Wüste, wartete. Ich kann es nicht bergen, daß ich oft eine kleine Eifersucht über Nußbaumer und Schenk etc. nicht unterdrücken konnte, wenn ich daran dachte, daß diese vor mir Briefe von Ihnen erhielten. – Nun bin ich aber ganz ruhig, da ich sehe, daß Sie in der Entfernung auch meiner noch gedenken; und somit erhalten auch Sie von mir den ersten Brief unsrer sooft verabredeten correspondenz. Längst schon hätte ich Ihnen geschrieben, denn längst schon war mein Herz bedrängt von dem, was Sie jetzt lesen werden; aber noch wußte ich nicht, ob nicht etwa dieser 1098
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Ton Sie beleidigen würde, in dem ich Ihnen jetzt erst so zu schreiben wage, nachdem Ihr Brief mich dazu ermunterte. Wie ich lebe, kann ich Ihnen bald selbst nicht recht sagen; so sehr bin ich mir und meinen Freunden fremd. Wollen Sie sich nur an den Tag Ihrer Abreise von hier erinnern /: mir bleibt er ewig unvergeßlich :/ und Sie haben beynahe den Maaßstaab gefunden, nach welchem Sie mein jetziges Leben bemessen können. Sie bemerken in einem Briefe an Nußbaumer, daß ich damals so traurig gewesen sey, wie es kaum eine Kristen Seele es seyn könne; und wohl haben Sie recht, indem Sie dieses sagen. Ich gestehe es gern, daß ich keinen Moment meines Lebens weiß, in welchem ich so betrübt war wie damals. Ich schied öfters schon von Eltern, Geschwistern, Freunden und Verwandten; ich sah eine geliebte Schwester als Opfer ihrer Mutterpflicht in ihrer Blüthe dahin sterben; ich mußte einen Schwager verlieren, der lange schon unsere Stütze war, und sie noch ferner gewesen wäre; – und doch war war ich niemals so traurig, als beym Abschied von Ihnen, und der eben so sehr verehrten Savigny’schen Familie. Der Gedanke, daß ich Sie nie wieder sehen werde, lag mit seiner ganzen Schwere mir auf der Seele, und ich wundre mich nicht, daß mir dieß so begegnete, wenn ich daran denke, wie schwer alle andern Menschen, die Sie kennen lernten, sich von Ihnen trennten. Ward doch der Missanthrop Beethofen, durch Ihren Zauber begeistert, ein Philanthroppe geworden. Was aber meine Lage ganz vorzüglich peinlich machte, war ein ganz besonderer Umstand, von dem ich Ihnen die Grundzüge um so mehr zeichnen muß, als als gerade er es ist, der mir so äusserst wichtig ist, und von dem Sie mir den genügendsten Aufschluß geben können. – Ich war nemlich in den letztern Tagen Ihres Hierseins mit der ganz besonderen Vorstellung behaftet, als müßte ich durch irgend Etwas so wohl Ihre, als des ganzen Savigni’schen Hauses Achtung und Zutrauen verloren haben; denn aus aller Benehmen schien mir eine ganz besondere Gleichgiltigkeit, ein ganz eigenes Mitleid über mich, zu sprechen, das ich hier weniger deutlich beschreiben kann, als es mir damals vorkam. Dieß hatte auf mich eine so ausser ordentliche Wirkung, daß ich nicht mehr wußte, wie ich mich gegen Sie alle zu benehmen habe, und meine Verlegenheit stieg sohoch, daß ich in der selben manche grobe Verstosse gegen feinere Lebensart machte, was mich natürlich nur immer noch verlegener machte. Wenn Sie mich damals nur ein wenig beobachtet haben, so muß dieß Ihnen sehr aufgefallen seyn. Und was ich that und sah, mußte mich in meiner sonderbaren Meinung bestärken. Stellen 1099
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Sie also vor, wie verzweifelt meine Lage seyn mußte, da ich gerade das, um was ich am aller|meisten buhlte, nemlich um Ihre Achtung, um Zutrauen, Offenheit, Aufrichtigkeit, Freundschat, nicht nur nicht erreichte, sondern gerade das Gegentheil erzeugte. – Wie bedeutend mir dieß Sein mußte, werden Sie erst dann vollkommen begreifen, wenn Sie bedenken, daß gerade das Leben von Ihnen Allen ich als das Ideal vorstellte, nach dem ich zu streben habe, wenn ich ein vollkommener Mensch werden wollte. – Und deßwegen mußte ich Sie grenzenlos verehren, deßwegen allein strebte ich nach Ihrem Beyfall und Zutrauen; deßwegen mußte ich Ihr Freund mehr seyn, als jemand es seyn kann; deß wegen hätte ich Ihnen alles geopfert, das äusserste gethan, deß wegen /: Sie werden es kaum glauben können / und doch ist es so :/ konnte nur in mir der geheime Wunsch entstehen, Bey Ihrer Begleitung unglücklich vom Pferde zu stürzen, um mich rühmen zu können, in Ihrem Letzten Dienste gestorben zu seyn!! – Bettine! weilen Sie hier in gedanken auf meiner Lage, ich kann sie Ihnen nicht weiter fortzeichnen. – In diesem Verhältnisse, mit diesen Gesinnungen, mit diesem Herzen verkannt, und von Menschen verkannt zu seyn deren Beyfall ich um nichts zu theuer erkauft hätte, eben weil ich es der Mühe werth fand, – hören Sie, dieß ist schrecklich – gewiß schreklich!!! – Halten Sie es ja nicht für eine Unart, viel weniger für einen Vorwurf, wenn ich Ihnen diesen meinen Sturm schilderte. – nein! – nur deß wegen theile ich Ihnen solche Empfindungen mit, weil ich weiß, daß es einen grossen Theil Ihres Strebens nach Wahrheit ausmacht, das menschliche Herz in allen Situationen, nach allen Richtungen, wie es ohne Larve vor Ihnen steht, kennen zu lernen – weil ich wünsche daß Sie mich ganz kennen lernen, – weil ich wirklich verdiene Ihr Freund zu seyn, | mehr als Einer, der seine bessere Seite mehr hervor zu streichen versteht, als ich. – Aber auch ich strebe nach Wahrheit, nach Weltweisheit und Menschen kenntniß; und eben deß wegen muß ich Sie der Wahrheit willen ersuchen, mir über diesen Punkt Ihre Ansichten unentstellt mitzutheilen, weil gerade Sie es sind, die mir hierüber am meisten Aufschluß geben können. Sie werden dadurch mich reicher machen, als Sie sich vorstellen werden. Klarheit und Deutlichkeit können wir nur dann von dem Zustande unserer Seele erhalten, wenn jeder sich selbst vorsichtig und unpartheyisch prüft, und andere uns unentstellte data von sich mittheilen. – Zeigen Sie mir daher an, ob ich wirklich Ihren Beyfall durch etwas verlor, und wenn ich ihn verlor, wodurch, u. s. f. denn nur hiedurch werde ich inne, ob meine Beobachtung 1100
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und Vorstellungen richtig waren, ob ich recht folgerte, oder nicht. und nur wenn ich dieß weiß, kann ich mit mir selbst in Harmonie kommen, meine Fehler bessern, und zum bessern fort schreiten. Oft war ich gefaßt, freymüthig hierüber mit Ihnen zu sprechen, aber eben sooft hielt mich wieder etwas zurück. – Tief verschloß ich daher meinen Kummer in mir, und beschloß auszuhalten, was da kommen würde, einmal, dachte ich, müßte die Wahrheit doch rein auftretten, wie sie ist, einmal müßte sie doch siegen; und wenn ich nicht irre, so hat sie es schon gethan?! – In dieser Stimmung war ich ihr Begleiter, in dieser Stimmung überreichte ich Ihnen die letzten Blümlein, die die Erde mir sparsam spendete – Und ich erhielt von Ihnen den 3fach ineinander geschlungenen Stock, – dieser war mir Alles, denn ich sah ihn als Zeichen meines Triumphs an, – Sie hatten ihn für den Reise stok be stimmt,
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Bukowan, etwa 20. Juli 1810, Freitag
Einen sonderbaren Traum hab ich heute gehabt aus welchem mich dein Brief vom 10 July aufweckte; eine grausame Königin hat dem Weibe Martin Luthers das Herz aus dem Leibe reißen lassen, Luther stieg mit seinem Weib, das er die Liebe nente auf einen Felsen, der aus dem Meer hervorragte, das Volk hatte sich am Ufer versammelt und die Königin saß in vielem Geschmeide das Dunckel funckelte auch da, sie hatte aber keine Ruhe bewegte sich ewig wie eine große Welle hin und her; nun hielt Luther eine verzweifelte Herzzerreisende Rede, wie man seinem Weibe das die Liebe sey, das Herz genommen, und daß der Tag und das Aug der Welt jezt die Früchte der Liebe in ihrem Leib könne sehen, die doch ewig ein Geheimniß hätten bleiben sollen; aber darum wolle er und sein Weib jezt die Welt verlassen; er griff ihr in die Wunde, welches sehr schauderhaft anzusehen war, und holte etwas heraus was er hinter sich ins Meer warf, in dem er dem Volk den Rücken zu kehrte, darauf stürzte sie sich ins Meer; dann sprach er mit einer Begeisterung daß mir alle Adern im Herzen zukten er drehte sich wieder rückwärts, und mit einem ungeheueren Schwung sprang er auch so ins Meer, sein Angesicht war ganz deutlich unter dem Wasser zu erkennen, es glich ganz seinem Bilde, nur sehr schwarze Augbrauen, und Haar; – – ich ging betrübt nach Hause, das Volk folgte im Dumpfen Zuge, ich 1101
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war noch so jung daß mir eine alte Kindermagd folgte, mich zu hüten, (der ich ehmals versprochen daß wenn ich Heurathe so solle sie zu mir kommen) zu Hauße war Essenszeit, jedermann sezte sich zu Tisch, ich dachte aber daß ich nimmermehr essen und trincken wolle, weil es so fürchterlich traurig in der Welt sey; da weckte mich dein Brief, und im Bett noch, sprach ich viel mit Dir, es war aber immer nicht das rechte. – Du bist unendlich gut und herrlich das weiß ich; aber Du bist noch besser als ich es weiß und fühlen kann, der Mensch ist Gottes ebenbild, und darum ist er auch niemalen ganz in seiner Herrlichkeit zu verstehen, so wie es Gott nicht ist, in deinem Blick hat sich oft was gröseres gemalt als was der Erde angehört, ich habs gesehen; denn alle Lieb gehört dem Himmel; deine Gestaldt ist so edel, wenn du in freier Luft gehst, so ist ihr Umriß ein bedeutender Wiederschein von viel herrlichem was ich nicht auszusprechen vermag noch wage; schon in den frühesten Zeiten meiner Liebe, sah ich dir oft nach (auf dem Trages) so weit mein Blick reichte, und freute mich deiner; später einmal, es war zu der Zeit als die Alte Goethe kranck war saßest du am Abend auf meinem Sessel, ich lag am Boden und hatte deine Knie umarmt wir waren beide Stumm – Du wie ein Stein, ich wie ein Meer das die Stürme unterdrückt, ich sah dich an, und es war mir immer als hätte ich das Bild von etwas großem, unbegreiflichem, vor mir, das sich nicht aussprechen läst. da Du weg warst, ging ich im Zimmer auf und ab, die Gedancken zogen von mir aus, ich blieb allein mit einem Gefühl als ob schwehres Erz in meiner Brust läge das ausgegraben seyn wollte. – wieder einmal sassest Du Abends bey Licht an meinem Tisch und lasest, das war ein so lieber stiller Anblick! noch seh ich alles vor mir wie sich die ganze Umgebung an Dich anschmiegte, wie sich der Umriß deines Profils an den dunklen Vorhängen erhob; das ganze Zimmer ward mir so lieb es war mir als stünd ich in einem Heiligthum, und Du seyest der, dessen Gegenwart mir Seegen brächte. – wie du mir von Königsberg aus schriebst, die ganze Geschichte deines Herzens, da frohlockte ich, daß Du Dich zu mir wendetest um Schmerz und Freude zu vertrauen, und ich dachte daß ich auf der rechten (mir der liebsten) Stelle stände in deinem Herzen; ach die Briefe aus Königsberg sind mir unendlich lieb. ich hatte es vorher nicht gehofft daß ich so einen bedeutenden Plaz einnehmen würde. – Diese und andre Vorfälle die ich nicht im Stand bin zu beschreiben, weil sie auf mich eine Wirkung machten die ich selbst nicht verstehe (z. B. von Stummheit, Kälte, plözlichem Schmerz, dann wieder als ob Du mir ganz fremd seyest, endlich 1102
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auch als müste ich mich für dich aufopfern, und Gott bittend, er möge mir nur Kraft geben dich ewig lieb zu haben,) diese sind die Fruchtknoten die an dem Baum meiner Liebe angesezt haben, und Dunckle, und rosigte Blumen, erblühen daraus, mich bewegt die Schwehrmuth und die Lust wenn ich Dich ansehe. Oft fragte ich mich was das sey in mir, wenn viele Wege sich wie Blize durch kreuzten, wenn das äusere Leben von mir abfiel, wie das Dürre Blatt vom Baum, wenn ich in schwehren bangen Stunden, lächelte über meinen Schmerz, und mit fröhlicher Begeisterung aus diesem hervortrat, wie ein Freiheitsathmender aus dem Gefängniß; – ich dachte drüber nach, obs wohl Eingang zum Wahnsinn sey Du warst entfernt, keinen Menschen hatte ich, der mein gewesen wäre, keinem konnte ich vertrauen, und wollte es auch nicht, dazwischen Trat die Liebe zu Dir wieder ein, ich band dich fest wie in ein Wikelband, und trug dich am Herzen, wie | eine Mutter, Wahrhaftig! – Wie will nun einer kommen und sagen, daß dieß alles nichts sey, das ich dich nicht lieber habe wie anderes mehr, daß du mir nichts seyst; was weiß er von mir?. was weiß ich selber von mir und der Liebe? als nur, daß ich eines festen Willens bin gut zu seyn, und Gutes zu thun, und Dir vor allen andern! wer sich nicht selbst sein Hauß baut, und sein Leben bereitet, um sich mit allen anderen bequem zu machen, dem bauts und bereitets Gott, und alle Frühling blühen neue Wundersaamen auf, und das Leben wird gedrängt voll, wer ist aber dessen Herr und Meister, daß er wisse was er damit anordnen und beginnen soll? sondern er muß abwarten, was daraus werde, das innere Schicksal das Leben eines jeden Menschen, ist eine Wissenschaft von unermeßlichem Umfang, und eins ist nothwendige Folge des andern, welches ist aber der Grundsaz von dem man ausgehen müße, um diese Folge zu begreifen? – Die Liebe ist ihr Student und sie geht oft im Dunklen, aber sie thut nicht Wehe, denn wo sie nicht mehr begreift da liebt sie dennoch fort. Ich aber achte die Liebe als das höchste und einzige im Menschen die wahre reine Himmelsgabe, wer sie hat der ist herrlicher denn alle, und er ist mächtiger denn alle, was er will das wird ihm gelingen!, wer kann nun sagen: Ich habe die Liebe! Lieber Arnim! mein Wille ist die Liebe, ich streb nach ihr und ich hab auch den Willen daß ich ihr alles aufopfern will, aber ich kann nicht von ihr sagen, daß ich so herrlich bin – Vor ein paar Tagen saß ich am Ptesch im Wind, und laß in der Bibel, wie Cristus nach seiner Auferstehung zu seinen jüngern eintrat durch 1103
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die verschloßnen Thüren, er sprach zu ihnen: Friede Sey mit Euch – und da er das sagte, blies er sie an, und spricht zu ihnen: 〈〈nehmt〉〉 hin 100 den heiligen Geist. – und weil ich das lese geht mir ein Schauder durchs Herz, 〈〈es〉〉 schlägt wie leise Wellen in meiner Brust vor Rührung, und denke: Hätte ich auch seinen Athem gefühlt, und hätte den heiligen Geist, so wollt ich den Arnim auch glücklich machen, und alles glücklich machen. nehm Du nichts verkehrt was ich dir dahin 105 schreibe, es ist alles so einfältig wahr, und soll auch nichts anders bedeuten, als daß ich dir gern alles beste zuwenden mögte; auch war dieß der erste Gedancke an Dich der aus meinem Herzen kam, seit du von Prag abgereist warst, darum ist er mir lieb. – Wir wollen Gott vertrauen und abwarten was er fügt, wir wollen uns 110 fassen und nicht loslassen, ich kann dir nicht alles sagen, aber ich hoffe daß Du aus diesem wenigen erkennest, daß ich nicht schlecht bin, und das Gute will; – Liebes Kind meines Herzens, warum soll ich nicht dein Seyn? – Warum wenn Du an mich verlangst, soll ich dir nicht geben? Wir stehen in des Höchsten Hand, sein Wille geschehe: – wir wollen 115 diesen Willen erstreben, erharren erdulden, erfassen, wollen verdienen seine Gnade wollen seine guten Treuen Kinder seyn. die starken Helden seines Gebots – und dein Schuzengel Trage deine Wünsche zum Himmel, dort sey dein Wohl bereitet, und Du sey der Herrlichsten einer, so wie es deine Gestaldt und Wesen andeutet, schon auf Erden 120 sey so denn dieß Leben Hängt mit dem ewigen zusammen, es ist der Eingang dazu; sey von mir geliebt, sey mein, sey Getröst Bettine 2v
An Herrn Baron Achim von Arnim abzugeben bei Herrn Postrath Pistor, in der Maurerstraße No 34 in Berlin
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Bukowan, 20.–26. Juli 1810, Freitag–Donnerstag
am 20ten July 11 Uhr Abends Lieber geliebter Freund! ich mußte so eilig heute Morgen meinen Brief an dich besorgen, wenn ich ihn mit umgehender Post senden wollte, daß ich dir nichts von dem vielen sagen konnte, was ich dir noch zu sagen habe; ich muß es nochmals ausrufen und bekennen: Der Mensch ist ein wunderlich Wesen das sich nicht begreifen läst; als ich heute deinen Brief erhielt, hatte ich ein ganz anderes Gefühl wie sonst wenn ich deine Lieben Blätter durchlese; es muß dir gestanden seyn. schon früher hatte ich mir vorgenommen, es nicht mehr zu dulden daß Du zu königlich von mir sprächest es thet mir nicht wohl, wenn Du mich so begeistert lobtest da es doch in meinem Herzen so menschlich zugeht wie in jedem; noch hat mich ja Gott nicht auf die Probe gestellt, und so kann ich auch nicht sagen, ob ich siegen werde, nur dieß einzige thue ich daß ich mich von Leidenschaft frei erhalte, und mich dahin lencken lasse gleich einem Schifflein ohne Fährmann, so kam ich auch zu Dir, dem stummen, sprachlosen, festen, trozigen, kalt sahest du aus wie ein Stein, wies nun geworden ist das weist du selber; aber mir gefiel diese Verschloßenheit, diese Unbehülflichkeit, und wenn ich etwas in dir begriffen gewürdigt, geliebt habe so war es grade dieß; wenn Du nicht sprachst, so verstand ich dich dennoch, da oben auf dem Geißberg, und wenn du wenig, nur halb sprachst (wie du denn nicht anders vermögend warst) so rührte mich dieß in tiefster Seele. – jezt geht deine Seele über in den Worten, im Gedancken schwillt deine Begeistrung an wie eine üppige Frucht, und diese Frucht wird die Nahrung deiner Einsamkeit; lieber Freund wenn Du hier an meiner Seite säßest du würdest mir recht geben, wenn ich dich ruhigen Schrittes, den sanften Weg zur Höhe führen könnte, und Du könntest nach allen Seiten zu, das Leben erkennen; heute sag ich dir nicht mehr, als daß du noch manches ungeahndete entdecken wirst, in diesem irdischen Leben, daß es nicht so leicht zu begreifen ist pp – jezt nur dieß noch, daß heute dein überschwengliches Aussprechen über mich, mich nicht wie sonst gestört hatt, daß es mir wohl ward, und frei; obschon dieß Lob von mir ab fällt wie die Wahrheit nicht thut, wohl aber der Wahn. jezt schlaf wohl geliebtes Kind, schon die 4te Nacht ist es, daß ich nicht nach dem Himmel sah, und nicht für dich betete, aber am Tag dachte ich deiner, wenn ich in der Bibel laß pp – so wechseln die Zeiten schnell in sich 1105
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selber; was dem einen Jahrhunderte sind, daß sind dem andern Augen blicke, mir ist unsere Freundschaft, seit sie ist; ein Augenblick, ein Funke Nur, der aber Ewigkeit in sich begründet, der aber das Herz bis in den tiefsten Grund erhellet. Gute Nacht, und Heute sey mir grüßt vor allem, sey dreifach von Gott geseegnet, sey einzig von Ihr geliebt, und sey in den Schuz eines reinen Herzens genommen von mir. am 21ten Abends, 10 Uhr. Wieder hab ich heute in die Dunkle Nacht geschaut, allein es wollte mir nicht werden wie die vorigen Tage, – ich dachte für dich zu bethen nur einen Gedancken der mir durchs Herz ging – aber ich war kalt, der Himmel traurig, ohne Begeistrung, ich wollte mich nicht in Versuchung führen, und ging schnell zurück, denn nicht immer ist es wohl gethan mit Gott zu reden, und wenn die innere Stimme nicht dazu auffordert, so soll man die gute Stunde abwarten. – einen Theil der verwichnen Nacht hab ich mit sonderlichen Träumen zugebracht, die eine willkührliche Fantasie da ich halb wach war, aufs höchste gesteigert hat, obschon mir nicht zum Trost, dennoch zum Wohl der Welt; wenn ich die träume | all verwirklichen könnte. – heute ging der Tag, mir nicht angenehm vorüber; ich bin nicht gern lange mit andern, muß immer ein paar Stunden für mich haben; heute drehte sich die Zeit so nach und nach ab; immer wollte ich mit der Bibel in den Wald gehen, immer folgte mir dieser und jener mit lehrem Geschwäz – ich ward am Ende zornig verschloß mich ins Zimmer, da hab ich denn in einem wech die Geschichte der Apostel gelesen, da hab ich manche Gedancken gehabt, die mir gut waren, und war mir als ob mir nimmer schlecht werden könnte, den Wo Gott ist, da ist die herrlichste Welt. Ich hab da eingesehen, wie es die gröste Wollust ist Schmerz zu leiden für das was man liebt, denn die Apostel gingen alle freudig in den Tod, für ihren geliebten Meister, sie erwarteten auf dieser Welt nichts weil Er auf dieser Welt nicht war. ich weiß nicht wie ich das in mir bescheiden soll: daß es mich manchmal tröstet wenn ich dencke es sey mir hier kein Glück gewähret, und daß es mich kränket wenn man mir Glück anbietet – das ist gar nicht Menschlich, ich kanns nicht zusammen reimen; so auch, die Furchtsamkeit die mich befällt um nichts und die Kühnheit wo viele andre zurückschrecken würden. so auch die große Liebe die innige Rührung, die Treue, die Sehnsucht, nach denen die Gut sind und nach dieser ihrer Freundschaft (wie bei Dir) und dann wieder die Kälte die Ruhe bei ihrem Verlust; lauter Wiedersprüche! – 1106
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so bald ich etwas liebe, so fühl ich schon wenn es nehmlich blos von mir ausgeht, daß ich unfähig bin es zu betrauern. um meinetwillen kränket mich nie ein Verlust – oft fand ich dieß schlecht in mir, oft wieder Gut; – man soll indessen nicht Deuten was Gottes Werck ist, das Menschen Herz aber ist Gotteswerk. – Ich habe mir vorgenommen über Unsere Freundschaft wenig mehr zu sagen, wir kennen sie beide, daß sie der Worte nicht mehr bedarf; – am 23ten Gestern ging der Tag vorüber; – Heute aber hat sich in meiner Seele gesammelt und zerstreut wieder, manches in Deinem Andencken was dir sollte gesagt werden. doch ists wieder still wenn ich die Feder ergreife – Es ist nichts ohne Mühe in Dieser Welt, auch die Freundschaft nicht; am 24ten wenig hab ich dir gesagt gestern; aber es war doch wieder ein lieber Abend nach dem kalten Tag, ich war für dich zum Himmel gewendet, zu den tausend Sternen, ich hab mein Herz vor Gott ausgeschüttet, und mich in seinen Willen ergeben; lieber Freund! solche Augenblicke sind ewig – und sind dein, und Du wirst es einst noch erfahren wie Du auf mich gewirckt hast; daß nichts an mir verlohren gegangen, kein Wort, kein Blick; – deine ganze Natur hat mich tiefer erfaßt als es zu begreifen ist, du hast mich gereinigt wie eine Flamme; – Du hast mir herrliche Augenblicke gegeben die ich längst geahndet aber noch nirgend gefunden hatte; – Du bist mein geliebter Bruder mein höherer – du bist ein jüngeres Kind Gottes das Ihm noch näher ist, daß mich mit sich hinaufziehen wird – O wahrlich es war ein bedeutendes Zeigen daß wir so hoch auf den Bergen unser Leben zum erstenmal voreinander erschloßen, und unsere Hände so fest ineinander fügten; Einer war da dem andern so ganz ergeben, wir waren so allein, die Welt zog von uns nieder wie ein Nebel; wenns auf Erden ein Himmel giebt so haben wir ihn da genossen – tausend Menschen wird das nicht, was uns geworden ist, und wenn ich mein Leben kein Glück mehr erkennen soll, so wird mir durch diese kurze Zeit | die dein Herz in sich faßt, ein reichlicher Schaz, von dem ich königlich leben will. am Abend Seit 3 Stunden halte ich einen Brief von Dir in Händen; der Durch Savigny von Berlin zurück gesendet ist, er ist vom 24ten Juny; seit ich ihn gelesen habe versagts mir, Speiße und Tranck zu nehmen, es ist mir schon manchmal so geworden daß wenn ich recht freudig war, ich eine 1107
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Zeitlang keiner Nahrung bedurfte – Heute war ich nun in Dir ganz er- 115 schlossen; ich war am Kreuz gewesen in der Mittagsstunde, mit Bleistift und Papier, ein Gedicht schwebte mir auf der Zunge, was ich auch sogleich sang; aber alles wie ichs so in mir gewebt hatte konnt ichs nicht aufschreiben, doch war ich froh, daß wieder ein Funcke Poesie in mir aufgeflogen war, ich achte Dichtung als eine höhere Himmelsgabe, 120 die frei und rein von aller Schwäche wird, Leidenschaft und Schmerz, und was sonst dem Menschen Fesslen anlegt, ja selbst Verzweiflung geht in ihr zur ungebundnen Freiheit über, die Kein Gesezt scheut, die den Menschen in jedem Zustand begeistert, und ihn allemal dem Guten Engel wieder zuführt, wenn er vom bösen besessen war; wenn sich 125 der Held alle kräftige Lorbeern erwirbt so gebührt dem Dichter, immer die junge lichtgrüne Spize, die im Frühling erst gebohren ward, denn so wie des Helden thaten lang vorher durch Gottes Finger gedeutet werden, also daß er ihm Zeit giebt zu wachsen und zu grühnen so ist des Dichters Begeistrung der Augenblick der Erkentniß des Schö- 130 nen, und entfalten sich die Blätter seines Ehrenkranzes, schnell wie in einem gedeihenden Frühlings Tag; aber still von diesem Spiel – denn es ist die Liebe die in mir spielt, dergleichen freundliche Worte für die Dichter zu sprechen, nehmlich der alte Meister, und sein Zögling Arnim! denen opfre ich gern bei meinem Freund, eh ich eingehe, in die 135 Hallen unseres Tempels! – Ich mögte mich gern vor dir ausbreiten mit alle meinen Launen, Gewohnheiten Erfahrungen pp – ich mögte dir selbst meine Schwachheiten meine Fehler bekennen; Warum? – weil Du ein heilsamer Seegen bist, weil von Dir Gutes ausgehet, über alle die sich dir nähren; Du 140 hast mich seelig gemacht durch diesen Brief, denn ich hab gefühlt was Seeligkeit ist, nemlich starcken Glauben an dich durch Gott; jezt erst weiß ich welche Himmelskraft der Glaube ist; wenn er so sichtlich vor uns aufsteigt wie die Sonne am hellen Morgen, da man nicht mehr fragt: ist es Tag? denn man hat ihre Strahlen gesehen und siehet noch 145 durch ihre Beleuchtung, und ist erwärmt durch ihr Feuer, so hab ich in dir die Zukunft sehen aufsteigen in der Begeistrung deines Glaubens, so ist es mir Tag geworden, durch die fortwährende Festigkeit mit welcher Du auf diesen Glauben bauest, und so bin ich ganz durchwärmt, durch die Liebe die du in diesem Glauben (daß ich auch zu den bessren 150 gehöre) mir zuwendest. – ich erinnere mich der Worte Cristi, die er zu Thomas sprach: »Du glaubst weil Du gesehen hast, aber Seelig sind die, die nicht gesehen haben und dennoch glauben« und weil Er selber sagt 1108
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daß diese seelig seyen so glaub ich an deine Seeligkeit. – im Anfang da ich deinen Brief gelesen hatte wars als obs gestürmt hätte in meiner Brust, dann aber überkam ich eine Heiterkeit, die mir alles leicht macht in Dieser Welt; Du hast recht; man soll Ihm Dancken, der Wunder Thut an uns, man soll Ihn lieben der alles in Allem ist aber in einem alles giebt, und in jedem Alles giebt, und Tausendmal alles giebt, denn so oft er giebt, giebt er alles, denn seine Gaben, sind des Himmlischen Abzeigens, daß sie unendlich seyen, und daß sie von der Göttlichen Liebe ausgehen die Unendlichkeit aber fasset Alles samt der Ewigkeit in sich, und die Liebe versagt nichts. – Und heut hab ich Ihn lieb, recht im Herzen, recht Menschlich lieb ich bedarf nicht der Begeistrung, und bedarf keiner hoher Worte, mit ihm zu sprechen, mir ists als lägs im Hintergrund meines Herzens, daß ich nach diesem Brief noch ein liebes Geschäft habe, nehmlich in die Nacht hinaus zu hauchen, meine Gedancken die nach ihm begehren; ich will alles von Ihm nehmen, ich will nichts mein nennen es sey denn von seiner Hand geschenckt, die so herrlich schenckt! so reichlich schenckt, daß das Herz groß wird, eine Welt in sich zu fassen, durch seine Gaben; ich will from werden, ich will so werden, daß er mich liebt, und meine Schritte lenckt, und er wird sie lencken daß sie endlich zu ihm führen. dort werd ich auch dich finden, bis dahin geht mein Wille, das andre All ist meiner Ansprüche frei. – Lieber Freund! es ist Mitternacht vorbei! nie war mir noch so wohl durch Dich. in Dieser Stunde lass es Dir gesagt seyn, daß ich dich liebe, wie man auf Erden nicht liebt, mit Ruhe die durch nichts zu stöhren ist, /:ich kann eine Schwachheit vor Dir als ein Zeigen meines Vertrauens wohl bekennen: wenn ich unruhig war, so wars um Mich; später will ich dir sagen wie das war:/ ob Du über Die Berge ziehest, und meinem Blick nimmermehr wirst, ob Du stille bist und nicht mehr die volle Brust vor mir ergießest, es grämt mich nicht, ich werde fortan, für dich Beten, an dich glauben; – Dein Liebes theures Blut! – versprüze es fürs Vaterland. geb dich hin, wolle nichts bewahren, sey ganz ein Opfer, dencke nicht des Lohnes, dencke nicht des Ruhmes, und nicht der Schönheit deiner Ehre; Dencke an Gott, und der Sehnsucht, daß Du ihm ein liebstes Kind werden mögtest, dencke deiner Liebe die Er dir von den Himmeln zugesellt hat, gleich einer Fahne, an die der Krieger sich zu halten hat, und die er nimmer verlieren soll, aber wohl sein Leben um sie, sey einfach in all deinen Gedancken, mache der Worte keinen Gebrauch; – Noch ein mal: dein Blut soll über die Welt kommen wie ein sichtbarer Seegen des Allmächtigen, 1109
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nichts soll an dir verlohren gehen. – wenn ichs so dencke daß Du dich hingeben wirst! – Nein Du bist nicht mein! Du bist der Welt keiner soll es wagen, ein eignes an Dich zu begehren /:Auser Sie aus deren Liebe 195 du hervorgegangen bist:/ du bist frei, was Du thust, daß kömmt von dem Der dich ewig ewig beschüzen möge; daß ich dich kennen lernte, daß ich dir ein Trost ward, das ist Barmherzigkeit, die ganz aus der Fülle seiner Gnade hervorgeht, die ich nicht verdient habe, aber ich will noch gut werden, ich will dir noch viel zu verdancken haben; – wir 200 werden einst eine schöne Rechnung miteinander abschließen vor dem Thron Gottes! Gute Nacht! ich bin voll Zuversicht! voll freude, und habe einen guten Vorsaz Noch ein Wort: Ich war bethen am Fenster, hab die Tausend Sterne angesehen hab deiner Worte gedacht, daß einem so wohl thue vor dem 205 Schlaf mit ihm zu reden, und da es 1 Uhr schlug ging ich vom Fenster; ich hab meinen Willen dem seinen ergeben, hab ihn gebethen daß er Dich erhöre, daß Er mich von irdischer Lust, und irdischer Last befreien möge, daß er täglich mich näher zu ihm bringen möge daß Er meinem Gebeth mehr Feuer verleihen möge; daß Cristus der seine 210 Apostel Freunde nante, mich heiligen und stärcken soll im Glauben – da fiel mir ein diese liebste Stelle im Evangelium Joh: wie er nach seiner Auferstehung am Ufer des Meeres seinen Jüngern erscheint, und Petrus sich gürtet, ins Wasser springt, ihn schneller zu erreichen, und er die belohnende Frage an Petrus Thut: Liebst Du mich mehr denn 215 Diese? – ich hab darüber nachgedacht, ob mir wohl auch ein solcher Glaube geworden wäre, daß ich mich ins Meer gestürzet, in festem Vertrauen auf Gottes Hilfe – der Glaube ist das höchste herrlichste, aus der Liebe nimt er seine Urkraft, und die Hoffnung wird an ihm zur Wahrheit – dann hab ich auch noch für den Arnim gebetet der sein Glück in 220 meine Hände befohlen hat, ich aber trage es Gott zu. und will jezt in Hoffnung eines recht seeligen Traums einschlafen – Nimmer! nimmer kanns enden, was in uns durch Gott begonnen hat! – Leb wohl Du Kind meiner Freuden! – Ich hatte grade deine früheren Briefe Durchlesen, und wollte Dir sa- 225 gen daß sie nimmer ihre Kraft verlieren; – da kam dieser der mich so ruhig machte. – am 25ten Morgens Heute wird mein Brief geschlossen; wenn Du ihn genau durchliesest, so wirst Du emfinden, daß dein Geist großen Einfluß auf meine Stim- 230 mung hat – es ist gut, weil Du selber gut bist. weil nun in diesen Blät1110
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tern viel vom Glaube die Rede ist so will ich dir etwas darüber hinsezen, was ich einmal in München schrieb, da ich mit Franz Baader über Naturfilosophie gesprochen und er mir manches von absolut bösem vorbrachte, was ich nicht annahm, es war dieß auch mit eine Grundlage zu des Prinzen Wallerstein Gebethbuch, aber anwendbarer aufs Leben und auf ihn selber, hab ichs ihm geschrieben. »Es sind aber 3 Dinge! aus diesen entspringt der Mensch; nicht nur ein Theil, oder eine Erscheinung von ihm; sondern er selber mit allen Erscheinungen in ihm, und sein Saame und Keim liegt in diesen 3 Dingen; diese aber sind die Elementhe aus welchen die ganze erschafne Natur sich in dem Menschen wieder bildet. – das erste ist der Glaube; aus diesem entspringt der gewiße Theil des Menschen; nehmlich: der Leib oder das Kleid des Geistes: der Gedancke! – dieser /: der Gedancke:/ ist die Geburth und sichtliche Erscheinung des Geistes, und eine Befestigung seines Daseyns. Der Glaube aber ist Befestigung, und ohne diesen schwebt und gewinnt keine Gestaldt, und verfliegt in tausend Auswegen, die die erschaffende Natur noch nicht unter sich gebracht hat. So wie der Natur Eigenschaft aber ist: | den ewigen Stoff: (die Zeit) zu bearbeiten so ist dieser (der Zeit) ihre Eichenschaft die Gestaldt von sich abzustoßen und nicht anzunehmen, bis sie von der Natur in seeligem Kampf besiegt ist. – Der Glaube aber, ist die Erscheinung Gottes in Der Zeit; der Glaube ist Gewißheit und Ewigkeit; die Erscheinung Gottes ist immer ewig, in jedem Augenblick, und so ist der Mensch ewig, denn sein Seyn ist Gottes Erscheinung. Gott aber ist alles daß das Gute ist, im Gegensaz gegen Nichts daß das Böse ist. Daher ist auch alles in dem Menschen, der Die Erscheinung Gottes ist; daher begreift er einzig in sich Gott und den Glauben an ihn; weil sein Seyn der Glaube ist, sein Wesen aber Gott. Was der Mensch erblickt mit seinen Augen auser sich, das ist Gottes Blick in ihm; was er hört mit seinen Ohren auser sich, das ist Gottes Stimme in ihm; – was er fühlt mit seinem ganzen Leib und Geist auser sich, das ist Gottes Berührung, der Funke der Begeistrung in ihm; was aber in ihm ist, das erschaffet und bildet aus ihm heraus, was aber erschaffen und ausser ihm ist, das spricht ihn an, und bildet sich wieder in ihn hinein. – in ihm aber liegt auch die Zeit, und es ist das Werck des Erschaffens nichts anders, als, die Zeit umwandlen in die Ewigkeit. wer aber die Zeit nicht umwandelt in die Ewigkeit; sondern die Ewigkeit herabzieht in die Zeit; der wirckt böses, denn alles was ein Ende nimt das ist böse. – die Ewigkeit in die Zeit herabziehen, heist: wenn 1111
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die Zeit der Ewigkeit mächtig wird. – wenn die Nichtigkeit mächtiger wird als die Gewallt des Schaffens, wenn der Stoff des Meisters sich bemeistert der ihn behandelt. – böse ist also der Selbstmord; denn der Wille der Vernichtung ist zeitlich, und der Gedancke geht in sich selbst zu Grund, weil er ein Kleid der Zeitlichkeit ist; nicht aber eine sicht- 275 bare Erscheinung des ewigen Geistes und hier lehnt sich der Stoff /:Die Zeit:/ gegen seinen Meister /:das Schicksal, der Ewigkeit:/ auf. – Wenn man aber sagt: der Mensch ist im Guten gebohren; so ist dießes wahr, weil er im Glauben gebohren ist. wenn man aber sagt: er hat das Böse nicht, sonder er zieht es nur an, so ist dießes nicht wahr; denn er 280 hat die Kraft das Böse von sich zu stoßen, nicht aber es an sich zu ziehen; denn das Böse, ist die Zeit, und sie dient zur Nahrung für das Göttliche und Ewige. – Die Zeit aber, frißt die Ewigkeit, und der Geist der ewig seyn soll, wenn er sich nicht ihrer bemächtigt und sich zur Nahrung nimt. – 285 denn das ist das Böse daß das Zeitliche, irdische, das ewige himmlische verschlingt; das Gute aber ist; wenn das ewige, himmlische, das irdische in sich umwandelt, und alles zu Gott in ihm macht. – Gott aber, hat das Zeitliche nicht in sich, denn sein Seyn ist die Umwandlung des Zeitlichen ins himmlische, weil Er aber ist, so ist die Ewigkeit. pp – was 290 aber der Mensch erblickt ausser sich, das ist Gott in ihm; wenn er also anschaut das Firmament mit den Gestirnen; so geht dieses in demselben Augenblick an dem Horizont seiner eignen Seele auf, und wenn er einen Berg oder Felsen anstaunt, so steht dieser unerschütterlich in seinem innern selbst. und was er erkennt auser sich, das ist in ihm; und so 295 tief und innig, so wahr, groß, und edel, er es erkennt, so wahr, tief, und innig wird die Natur in ihm. denn ein Mensch, vermögte mit seiner Hand zu bedecken, die | grösten und tiefsten Geheimniße wenn sie nicht in ihm entfaltet sind; wenn sie sich aber kund thun, und von den Banden der Zeit frei machen, so werden sie des Menschen mächtig und 300 der Mensch ihrer, und beide sind eins.« – Nun weiß ich freilich selbst nicht, wie ich das alles geschrieben, und was ich noch ferner damit bezwecken wollen, nur erinnere ich mich, daß es mir Schmerzen machte, bey dem Dencken, und daß ich gleichsam in Angst niederschrieb, und wenn ich eines Gedanckens erledigt 305 war, so war mir ein Stein vom Herzen. Wenn Du mir manches aus deiner Schweizerreiße, und auch aus deinem Tagbuch schreiben willst, soll mich sehr freuen, ich bin begierig, immer tiefer, in diese Epochen deines Lebens einzudringen, wo Na1112
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tur und Liebe, dich erzogen, wie alt warst Du, da Du in die Schweiz zogst? – Du Kindisch Gemüth, warum willst Du wissen nocheinmal, was du vorher schon wustest? den Abend wo ich deine Veilchen in die Bibel legte, hätte ich gern dich zum Begleiter gehabt, und du hast es wohl durchgefühlt, du gingst auch langsam die Stiegen hinab, aber am Hauße unten wo ich glaubte, dein Weg würde neben mir hergehen, da wendetest Du dich plözlich so ganz entgegengesezt; nun ich dachte: er ist sein eigner Herr. wär es der lezte Abend gewesen so hätte es mir leid gethan, denn ich wollte Dir nur einen Winck geben /: wenn auch weiter nichts im ganzen Leben:/ daß … – ich weiß nicht was ich wollte; aber ich hatte mir fest vorgenommen, dass ich in Salzburg, wenn wir vielleicht am Abend späth noch im Freien wären, daß ich da meine Hand auf dein Haupt legen wollte, und dich ansehen, wie ich gewöhnlich nicht die Menschen ansehe, und dir sagen, was ich sonst niemand sage – und doch hatte ich dich nicht lieb, wuste nichts von dir, wuste nicht warum. – hast Du je eine Anecktode von dem Grafen Eisern Heinrich gehört ein deutscher, der dem König Eduard von Engeland gedient da er wieder die Böhmen kriegte, ihren König Johann mit eigner Hand gefangen nahm; darum hielt ihn Eduard vor allen andern lieb und werth, dieß machte ihm Feinde, sie wollten ihm das Leben nehmen, doch keiner durfte sichs getrauen denn er war ungemein Starck; im Hof lag ein großer wilder Löwe an einer Kette, den machten sie loß, denn sie wusten daß Heinrich noch vor Tag im Schloß herum zu gehen pflegte, und dachten daß der Loewe ihn zerreißen sollte, er sprang auch auf ihn Loß, da Heinrich im langen Schlafpelz ohne einiges Gewehr, dann ein Messer, im Plaz herum ging, dieser aber blieb unerschrocken ergriff sein Messer und sprach zum Löwen mit harter Stimme: Bist stille, bist stille, du frefelicher Hund. der Löwe ließ von ihm ab, und legte sich wieder in seine Schrancken. – da man ihm kurz darauf sagte zur Entschuldigung man habe ihn nur probiren wollen ob er auch würcklich von fürstlichem Geblüth sey, weil der Ruf gehe, des Löwen Natur sey, daß er keinem gebohrnen Fürsten Schaden thue; so ist er zu dem Löwen in die Schrancken gegangen hat demselben einen Kranz auf das Haupt gesezt, mit diesen Worten: wer edler vom Geblüth als ich, der nehme dem Löwen den Kranz wieder ab. es hat sich aber niemand unterfangen wollen. Adieu guter Freund! sey mir gut – wir erwarten Täglich Nachricht von Savigny, daß er in Dreßden auf uns warte, oder daß er selbst herkömmt; in Berlin werd ich in ein Ge1113
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wühl von Menschen kommen Gelehrte und Ungelehrte aller Art, O dort hab ich manches zu ertragen; ein Herz wie Arnims, das vor mir auf 350 der Folter liegt, keine Gegend, kein Berg, kein Himmel zum Anschauen bis weit wo er die Erde begrenzt, ich werde am Abend schmähen über meinen Tag, der in lehrem treiben hinging. verzeih mir; dieß ist keine Klage, es ist nur so eine Ansicht, deren ich mich nicht erwehren kann, wenn ich Dorthin dencke; ich will mir einen Plaz in der Kir- 355 che wählen der mir wie eine Wohnung seyn soll; dem Arnim will ich wohl thun, daß mir selbst wohl dabei werden soll; Beans Beor hat ja mein Guter Sailer auf mein Petschaft stechen lassen und diesem will ich nachkommen. dir will ich den Tempel meines Herzens einräumen wo die Freundschaft wohnt, keiner soll dir sich nähren in diesem Hei- 360 ligthum; ich hab dirs ja schon einmal gesagt daß ich die Freundschaft ehre, als eine verbindente Gottheit, daß auch ich mich Meister fühle in diesem Himmels leben, jezt sag ich dirs noch einmal, daß mir nichts heiliger ist; daß ich glaub alles Gute gehe von ihr aus mich brent eine Ungedult im Herzen daß wir uns bald alle zusammen finden mögen. – 365 was der 21te Juny für Dich hat? ich meine immer ich müsse es errathen können, aber bin wie ein Blinder im Licht, er fühlt die Wärme der Strahlen, dadurch erräth er daß die Sonne scheine. doch will ich nicht voreilig seyn. am Abend 370 Wen Gott einmal geseegnet hat den wird er nicht mehr verlassen, wer seine Güte einmal emfunden hat der wird nicht mehr von ihm lassen, wer einmal die Seeligkeit gefühlt sich ihm mit reinem Gewissen Abends zu nähren, der wird dieß um keine Freuden der Welt hergeben; und ward mirs denn nicht so wohl? hab ich nicht gebetet: Gott! mache 375 das meine Liebe zu Dir noch größer werde, und mache: daß dieß Gefühl was mich zu Dir hebt mich so ergreife daß ich die Welt vergesse, und mache daß mein Zutrauen auf deine Gnade, so wachse daß ich nimmer um den kommenden Tag sorge; – und war dieß Gebeth nicht der Freuden voll? und ist man denn nicht schon beglückt wenn man so 380 bethen darf, und kann? wenn man aber den eignen Willen, in den Willen Gottes ergiebt, in den Willen von dem wir ausgehen, von dem alles Gute her kömmt ist es dann nicht als ob wir unserer Wohlfahrth eine heilige Wache sezen daß sie nichts Böses über uns kommen lasse. Guter Gott! lasse mein Zutrauen zu Dir wachsen, lasse Friede über mich er- 385 gehen im Herzen, und in der Liebe zu Dir, führe mein Geschick so, daß ich immer tiefer dich erkenne daß ich theilhaftiger noch werde, deiner 1114
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Liebe zu deinen Kindern, laß die Unschuld meines Herzens mir Waffe seyn gegen alle Gefahren, lass mich groß werden im Guten, erhalte mich, ich bin nimmer so, wie ich seyn soll, aber mein Wille begehrt Gut zu seyn; Du weist es daß man nur glücklich seyn kann in deiner Liebe, also mach mich glücklich! lasse mir den Tag werden wie die Nacht, da dein Geist über mir wacht, und ich dir hingegeben bin, ruhig im Schlaf, und mache mir die Nacht noch seeliger, daß ich mit innigerem Gebeth, mich an dich schliesse, daß ich dich herab | ziehe in meine Brust; daß Du gern in mir wohnen mögest, nim mich ganz hin, laß mich dir nicht rauben, von den Menschen und ihren Gewohnheiten lasse mich keine Gefahr scheuen, weil Du mein Schild bist, dein Seegen, deine Gnade führt mich mit verbundnen Augen am Abgrund her. laß mein Gebeth für die Freunde und Geliebten dir wohlgefallen. und heute sage ich: Sey mit mir und den Baiern. Amen. Gute Nacht Max! siehst Du, ich bin ruhig. am 26ten Morgens! Wenn ich am Tag wieder lese was ich in der Nacht geschrieben, so schau ich mich gleichsam selber an, und wundre mich wie das alles so warm aus meinem Herzen kam ich weiß daß ich einst noch an Diese Stunden dencken werde, wo in stiller Nacht mir Gott so nah war, daß ichs gefühlt habe als ob ich mich anschmiegen müste; ich erinnere mich an einen Augenblick der mir ward, da ich einen Sommer am Rhein zubrachte: lange hatte ich mich aus der Stadt gesehnt nach dem heiligen Strohm, und dachte dort die Leere in meiner Brust auszufüllen; nun war ich da, am Tag war alles herrlich anzusehen die Natur drang an den heisen Mittags strahlen mit üppigkeit empor, und das geschäftige Leben wurde durch ihre Kraft in Schlaf versenckt; in der Nacht that Gott Wunder der Schönheit, da war alles zu einem Zweck hin gewendet die Nacht zu verherrlichen, wenn an den kühlen Reben die Luft hinzog, wenn durch die alten Mauern und Bergesfesten das Mondlicht scharf durch strahlte, wenns in dem Weinlaub das an meinem Fenster wuchs, spielte; und dort mitten in der Pracht stand ich kalt; hundert mal fragte ich mich: Wie ist Dir? – Wo ist die Seeligkeit die Du dir versprachst wenn Du dieß alles im Geist anschautest, was du jezt in der Wirklichkeit hast? – und ich war unzufrieden mit mir selber, es vergingen die Tage, mein Herz blieb leer, einst gingen wir Durch einen Wald /:Arnim war auch dabei:/ er zog sich an einer Anhöhe hinauf jenseits, auch eine Anhöhe mit Wald, in der Mitte das sehr enge Thal 1115
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von einem wilden Bach durchschossen, Graß und Kräuter überschwenglich im Gedeihen; wenn man hinüber schaute die Alten Eichen die wie grüne Fackeln in die Sonne heraufflamten und in ihren festen Stämmen, in den Trozig hingewendeten Aesten einen geheimen 430 Sinn des Schicksals aussprachen, und wenn dann ein leichter Wind vom Himmel die ganze Krohne rührig machte, daß alle Blätter sich bewegten und das Leben der ganzen Natur wie ein Opfer gegen den Himmel drang und in dem Dunkelsten Schatten gingen wir Menschen kleiner als die mächtigen Eichstämme aber mit dem Sinn hindringend 435 durch die Wolken zu dem der alles gemacht hat; – und doch war mirs Herz kalt, ging stumm den Weg dahin; endlich blieb ich zurück; da ich die Fußtritte der andern in der ferne | kaum noch hörte, kniete ich mich nieder, ich war innerlich beschämt, doch sah ich nach den Wipfeln, und fragte: Soll ich dich nicht fühlen? soll kalt und Tod bleiben? – 440 da gings wie ein junger Schauer mir durchs Herz ich stand auf, war getröstet; es war nur ein Augenblick, aber es war mehr als Jahre, ja mehr als ein ganzes Leben, daß sonst in aller irdischer Glückseeligkeit überfüllt ist. jezt wuste ich’s was die freie Natur gewährt, die Menschen sagen immer: Entzücken! Seeligkeit! hohe Begeistrung! – nein so wars 445 nicht; es war wie in der Bibel steht, daß der Geist Gottes wie eine Laue warme Luft uns anweht. – grad weil die Menschen immer aufs auserordentliche hindencken, darum versäumen sie Ihn, der oft in der heiligsten Stille dahin weht, wie eine heimliche Luft. aber die Menschen erfüllen sich mit Lügen, und wissen nicht was sie wollen, sie sprechen 450 als ob tausend Geister in ihnen erständen, und doch hat keiner so viel Zeit daß er eine 4tel Stunde nicht dem treiben der Welt hingegeben wär; von dem was wahrhaft ist, kann man nicht viel Worte machen, man kann die Größe die Unendlichkeit des Gefühls nicht anstaunen, sondern es gehet über einem hin, und berührt nur leicht, es hat keine 455 Gestaldt keine Art, es läst sich nicht begreifen, es läst sich nicht berühren, es kömmt nicht weit her, und geht nicht weit hin denn wo es ist da ist sein Himmel; und wer es fühlt der emfängt himmlisches. ich war auch so, und wollte in der Einbildungs kraft, mir erringen was mir nicht gegeben war, ich hatte keine Ruhe; keinen Glauben, ich baute auf 460 nichts, und wollte nicht achten aufs geringe, da ward mir auch nichts. jezt will ich aber so leben daß ich oft glückseelig werde. – Adieu die Post reißt mich von diesem Blatt loß, ich hätte sonst noch manches darauf geschrieben. meine Addreße nach Berlin werd ich dir noch ausführlich melden, schreib mir nicht eher, als biß du Nachricht 465 1116
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darüber hast; doch wenn du was schreiben willst, nach Berlin so sey es unter einem Couvert das ganz an Savigny gerichtet ist, ich halte dieß fürs beste; denn er ist bescheiden, er sucht nicht einmal mit den Gedancken ins Geheimniß eines andern einzudringen. er wird mir die Briefe geben ohne Frage darüber, er wird Dich und mich ehren in allem was gut ist, und so wird es den Augen der andern entzogen seyn, die allenfals Neugierig seyn wollten. – Adieu! deinem eignen Genius befohlen.
*790. An Johann Andreas Röschlaub in Landshut Bukowan, vmtl. letztes Drittel Juli 1810 Johann Andreas Röschlaub an B, 5. August 1810: Welches Vergnügen Ihr gar liebes Schreiben mir und meinem guten Weibe gewährte, das läßt sich nur fühlen, nicht schreiben. Es sagt uns, daß Sie, daß Herr und Frau von Savigny, die wir so aufrichtig verehren, uns in freundlichem Andenken halten, daß Sie uns Ihrer Freundschaft werth halten. 〈…〉 Was Ihre vortreffliche Frau Schwester zu W. zu meinem Vortheile sprachen und handelten; das möge der Himmel Ihnen vergelten (Nr. 802,4-16).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Bukowan Berlin, 22. Juli 1810, Sonntag
Berlin d* 22 July 1810. Ich komme eben aus der Kirche, wo unsrer guten Königin Gedächtniß mit den Worten der Bibel gefeiert wurde, die das Hinscheiden des heiligen Stephanus nach grosser Marter und Qual erzählen: und er schien ihnen glänzend wie ein Engel. Die aber ihn anblickten waren seine Feinde und Quäler, wir aber waren ihr ergeben, die von uns genommen. Ich denke mancher vergangenen Tage, wie ich als Kind sie in Jubel und Pracht hier einziehen sah, wie ich sie im Glanze ihrer Schönheit zur Vermählung durch die gedrängten Saele mit gesenktem Haupte langsam hingehen sah, wie sie als Königin erschien in Halle, wie ich sie mit verstörtem mir unkenntlichem Gesichte durch Göttingen 1117
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flüchten sah, wie ich sie in Königsberg zum erstenmal gesprochen, mein ganzer Sinn in Hoffnung sich tauchte für mein Land, wie ich sie zum letztenmal sprach bey einer Wasserfahrt, als ich alles aufgegeben und nur ihr Gesicht mir bewahren wollte zum Angedenken in der bösen Zeit, die nun einbrechen muste. | Zweymal sah ich sie nur seit der Zeit, bey ihrem Einzuge nach der Rückkehr in das Berlin, wo alles von wehmuthigem Jubel schauderte und das letztemal bey einer Luftfahrt, wo sie mich in der Menge wiederzuerkennen schien und auf mich blickte. Gottes Segen für den Blick. – Sie starb auf dem Boden des rheinischen Bundes, als sie ihn zum erstenmal betreten, auf einem angenehmen kleinen Landschlosse ihres Vaters, des Herzogs von Mecklenburg Strelitz, zu Hohen–Zieritz, in der Gegend, wo sonst der Tempel von Rhetra stand, wo den Götzen viel Menschenblut geflossen. Als ihre Leiche aus dem Schlosse gebracht wurde waren die Ehrenpforten, die ihrem festlichen Einzuge erbaut worden, noch grünend. Der König und der Kronprinz trafen drey Stunden vor ihrem Tode ein, sie fragte noch einmal ihre Aerzte, ob Hoffnung zu ihrer Genesung und als ihr keiner davon reden mochte | da sprach sie mit fester Stimme noch eine Vierthelstunde zu ihrem Manne, dann zu ihrem Sohne, den sie zu allem Guten ermahnte und starb dann in kurzem Krampfe, der in Schlaf über^ging, so wie der Schlaf in Tod. Sie hatte sich nie auf eine Reise so gefreut, wie auf diese zu ihrem Vater – der Vater hat sein liebes Kind zu sich gefordert und es ist ihm folgsam gewesen. Von Ahndungen wird einiges erzählt, ihr letzter Brief an die Fürstin Radzivil schliest sich mit den Worten: und so bleibe ich liebe Base bis zum † der wann und wo erfolgen mag, deine u.s.w., der Brief ist früher als ihre Krankheit, die so unerwartet eintraf, daß an dem Tage, wo sie sich niederlegte um nie wieder aufzustehen, ihr Bruder, der sie begeistert liebte, meinen Onkel fragte, ob sie nicht schöner wäre als jemals. Der Gram der letzten Jahre kann ihre Lunge angegriffen haben, sie muste viel verschmerzen, ihre | Schönheit die sich über erste Jugend hinaus blühte, machte sie jugendlicher in ihrem Leben, als ihr angemessen, man giebt ihr schuld, daß sie zu viel noch den letzten Winter getanzt habe, wo^sie an Engbrüstigkeit schon gelitten, noch andre schreiben ihr Uebel einer Erkältung in Petersburg zu. Geschwüre in der Lunge, die kein Arzt geahndet, waren der Anfang ihrer Krankheit, sie öffneten sich, Nervenfieber und Brustkrampf machten sie schnell tödtlich, unsre Zeit wird von Vergiftungen reden, es ist aber nach aller Unterrichteten Meinung nicht daran zu denken. 1118
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Die weisse Frau ist vor drey Wochen dem Kronprinzen erschienen und hat ihn so erschreckt, daß seine Hofmeister ein Mädchen ausputzten und ihm damit zu beweisen trachteten, jene Erscheinung wäre auf gleiche Art zu erklären. Die Orgel der Potsdammer Kirche spielte zu gleicher Zeit ein Todtenlied bey verschlossenen Thüren, als die Thüre aufgeschlossen, war niemand darin zu finden. So wird erzählt, was aber gewiß ist die Trauer. Von ihrer Güte weiß jeder zu sprechen, der ihrer bedurfte, ihr Leben war ein stetes Bemühen, die kleinen Härten, die in der Natur des Königs manchen verletzen, mit weiblicher Milde von den Menschen abzuhalten, ihn zu erinnern, wo er einen übersehen oder vergessen, giebt es einen Tadel gegen sie, so ists von denen gerade, die sie zu politischem Wirken, wozu ihre höhere Natur gar nicht geschaffen, anregten und sich dann von ihrer Natur nicht gehalten und in entscheidender Zeit unterstützt fanden. Wer die Zeit gekannt hat wird ihr diese kleine Abirrung leicht verzeihen, ja sich verwundern, daß sie nicht viel unbesonnener eingewirkt hat. Wenn ihr auch dieses grössere Einwirken fehlte, das überall nur wenigen zum Heil verliehen, so hatte sie doch in allen Verhältnissen eine Würde, eine Sicherheit, Ruhe und Folge, die selbst Napoleon imponirte. Sie mochte gern erscheinen und warum hätte sie es nicht thun sollen, der〈〈en〉〉 Erscheinung aller Welt eine Aufmunterung war und mitten in der drohendsten Zerstörung den Glauben an die Dauer unsres Staates fesselte. Die Glocken leuten eben, mag sie unsre Herzen hören.
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Wunderliche Tage habe ich hier gelebt, seit meiner Rückkehr, es scheint aber eine Wohlthat, wenn eine Sorge nicht allein kommt. Die ersten Tage, wo ich Dir schrieb, erfüllte mich ganz die Sorge, daß ich Dich möchte mißverstanden haben, ich machte mir Vorwürfe, daß ich aus Schonung gegen uns beyde, meine Worte zurückgehalten, als ich Mund an Mund bey Dir war und worauf ich nun unendliche Tage warten muß. Ein Kind kann nicht ängstlicher auf seine Geburt warten als ich auf die Enthüllung des mir lang verborgnen liebsten Herzens, das in Deinem Busen schlägt. Bin ich ganz allein, gedenk ich meines langen Glaubens, so erfüllt mich eine Kraft, eine Seligkeit, du könntest mir durch nichts entrissen werden und was ich wollte müsse so recht und gut seyn und ich freue mich des einen Gefühles, was mich erfüllt und zu dir drängt. Dann aber kommt Clemens und spricht mir von 1119
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Freyberg und zeichnet mir mein | Bild irgendwo auf ein Papierchen, vor dem mir so ekelt, daß ich mich selbst anspeien möchte und schwört mir, daß es vollkommen ähnlich und mich ergreift eine Wuth und ich kann es Dir nicht mehr verargen, wenn Du Dich von mir gewandt und ich träume mir irgend eine 95 Art, dich nie wiederzusehen, entweder nach Spanien oder auf mein Gut zu ziehen. Mitten inne spricht Savigny von seiner Abreise nach Prag und Bukowan und ich meine, daß ich wieder mitmüste. Dazwischen ist mein Onkel, meine Tante und ihr liebes Kind angekommen und die Testamentssakermentswirthschaft geht an, ich erkenne immer 100 deutlicher, daß meine gute alte Großmutter durch Unkenntniß wo sie uns gerade recht wohlgewollt uns am meisten geängstiget hat und mich meinen Kindern, die ich noch nicht habe aufgeopfert hat. Es ist eine verdrehte Welt ich weiß nicht, warum ich sorge und möchte mich gern zu meinen freyen Geschäften hinwenden, Bücher habe ich vorläu- 105 fig genug, | wenn Du mich nicht heirathen willst, so glaube ich nicht, daß ich je eine Frau nehme, sondern ich werde glauben, daß mein Korn früher ausgefallen, eh ich es erndten konnte und ich will warten bis es wieder aus der Erde hervor wächst. 110
Radziwil hat mich neulich Abends in einer Minute gezeichnet, Clemens schimpft auf das Bild, aber ich komme mir selbst doch erträglich vor und darum schicke ich es Dir. Radziwil hat das Chor der Geister, als Faust den Teufel als Pudel gefangen, herrlich komponirt. Ich danke Dir herzlich für zwey kleine Zettel, die Du mir geschickt, ich habe sie 115 statt deiner geküsst, der allerkleinste ist mir der liebste weil er mir sagt, daß du mich lieb hast. Savigny holt euch sobald er sein Quartiermeistergeschäft beendigt hat. Herzlich Deiner denkt Achim Arnim Sing nicht zuviel, daß es deiner Brust nicht schadet. 120 〈1r aoR kopfstehend:〉 Die Kaiserin von Oesterreich hatte grosse Sehnsucht unsre verst. Königin zu sehen und jezt soll sie auch sterbenskrank seyn. Das deutet der Brand in Paris
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Am 23t July Ich habe deine Briefe erhalten! Jezt bin ich erst Mann geworden, habe erkennen gelernt daß die Welt meiner bedarf; Du mein Gott gieb mir Kraft und Gnade daß ich sie Trage als ein Held diese ungeheuere Last. Ich sehe daß es gut gewesen wäre wenn ich dich gesprochen hätte; Es hat nicht seyn sollen, Herr ich folge deinem Willen. Jezt wirds ein einsam Leben um mich werden, ich sehs kommen; diesen Winter will ich mir selbst leben; das Frühjahr mag mir schöne Blumen bringen; ich gehe den März nach Berlin, bleibe dort wohl vielleicht ein Jahr; auch diese Zeit werd ich in der Einsamkeit verleben, wenn nicht öfters meine Freundinn kömmt um den Ernst der auf meiner Stirne steht zur himlischen Glorie zu verklären. Ich bin tief bewegt und sollte es nicht; fast trit mir die Thräne ins Aug, und meine Seele ist voll Wehmuth – oder auch nicht – Auf dich zähl ich, merk dir das; Nicht als ob ich einer Stüze bedürfe, sondern ich zähle darauf daß du dich auf mich stüzen, dich an mir aufrichten mögest – Alles Feuer ist ausgebrannt nur das der Religion flammt laut in meiner Brust empor – o laß es all mein Thun, alle meine Sehnsucht verklären. Zwey Dinge haben mich unendlich tief geschmerzt in diesen deinen lezten Briefen; einmal daß du die Möglichkeit eines Felsen denken konntest der scheidend träte zwischen uns – und dann die lezten 5 Worte: ich bin dir sehr gut. Nein, um meiner Seligkeit willen, wir wollen nicht so denken, und nicht blos gut wollen wir einander seyn; aus der Wurzel unsers Daseyns haben wir uns erfaßt, sind nicht zwey Wesen mehr, sind durch Gottes Hauch nur eins geworden. Denke an des G–bergs Gipfel und alles was noch irdisch ist an dir wird verstummen, wird sich an Gottes Urlicht läutern. O es ist so schön gekommen, ich bin voll göttlicher Gefühle, die Erde ist mir Spiel, Alles will ich an den Himmel setzen – Für diese Welt verlang ich nichts meine Freuden sind dem Heile einer bessern Menschheit hingeopfert, und was ich erstrebe kann mir nur der Himmel gewähren. Drum aber müssen alle die mit mir wollen wandeln diese strahlende Bahn, auch gleichen Sinnes mit mir seyn; die Welt verachten; Kinder seyn der reinsten Heiligkeit. »O greiffe schnell nach der Feder und schreibe mir: ich bin dein, von ganzer Seele, mein Wille ist der deine, mit deinem Verlangen strebt das meine zu Gott hinauf.« 1121
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ich verlange viel, aber trau dir selbst zu und du kannst es gewähren; kann ich, der ich stehe wie ein Fels auf einer unabsehbaren Hayde mich damit begnügen daß du mir gut seyst; Nein, am grossen Tage will ich hintreten vor des Allmächtigen LichtThron dich an meiner Hand will ich sagen: Diese ist mir treu beygestanden dein grosses Werk zu vollbringen. O bey allem was dir heilig ist fleh ich dich, denke jenen Gedanken nicht mehr, nimms tief, nimms von seiner göttlichen Wurzel aus; das was da geworden zwischen uns ist bey Gott! nicht unterworfen dem gemeinen Wechsel der Dinge; der Heiligste scherzet nicht, er fodert blinden Gehorsam, aber lohnt auch königlich. Das ist mir lieb daß du ruhig bist; o wirf alles weg was dich je betrübt hat, beginne ein neues Leben seit uns eine neue Sonne ist gebohren worden, folge deinen Heiligsten Gefühlen; wandle im Auge Gottes, erwarte mit Zuversicht und Ergebung die heilbringende Stunde! Du hast ganz ausgegossen deine schöne Seele vor meinen Augen, Du kannst ein gleiches verlangen; ja ich gelobe dir Rede zu stehen, vor deinem Blike hat mein Herz keine Falten; alles was so schön so göttlich an dir ist, will ich als mein Gut betrachten, und dafür alle Heiligkeit die in meiner Brust gebohren wird dir zur Erfreuung hinübergeben. Die Tugend hat mit tausend Sonnen mir meine LebensTage aufgehellt, und prophetische Stimmen sind meinem Ohre von allen Seiten vernehmlich; dich sandte mir Gott als den Engel der heiligsten Botschaft – Aber nimm du’s auch so, himmlisch so übermenschlich als es da geworden ist; dich wird eine beruhigte Seele lohnen, ein in Gott entzüktes Gemüth! Du weißt nun was ich verlange; du wirst es, o du hast es schon gewähret, schon gewähret seit jenen aus himmlischem Auge mir herübergestrahlten Bliken, seit jenem entkörperndem HändeDruk; seit jenem deinem Ummichseyn; das mich zu jeder Stunde beglüket. Lebe mit mir ein einsam Gott gefällig Leben, heraussen in der freyen Natur, bis die kurze Zeit vorüber ist die mich ans Werk ruft, bis jene Stunde geschlagen hat nach der meiner Seele dürstet, bis ich erfülle den Auftrag Gottes –. Wenn ich dich so weiß, darf ich ruhig seyn; mich entzükt es dich stark zu wissen, und meine Seele erfreut sich an deinem Heldenmuthe. Als ich heute deine Briefe erhielt eilt ich nach dem Annaberge sie zu lesen, in Gottes Grossem Tempel vernahm ich die schönen Ergiessungen deines Gemüthes; Aber das Meer meiner Gedanken fieng an Wellen zu schlagen, und noch liegt es nicht ganz geebnet nicht ganz spie1122
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gelhelle; wenn ich ganz beruhigt sag ich dir noch mehr; Unser Leben ist ein in Gott verklärtes, wir sind hinweggehoben über die Vergänglichkeit, uns berührt nicht das gemeine Schiksal. Um Mitternacht. Abends bin ich hinausgegangen nachdem die Sonne unter war, und hab mich hingeworfen auf die kühle Erde; so blieb ich lange in ernsten Gedanken, die sich in süsse Träume aufgelöset. Nochmal! ich beschwöre dich sey mir ganz, ich will deine Seele ungetheilt erfassen, ich hab dir auch mein ganzes Daseyn hingegeben; du hast mein Heiligthum entziffert, die schönsten Tiefen meiner Seele hab ich dir erschlossen. Dafür will ich dich, die ich mir erkohren; es soll dich nicht gereuen stark an mir zu bleiben, meine Hand wird nie zagen dich empor zu schwingen; aber das must du mir sagen: daß du dich immer an mir fest halten willst, nimmer von mir abschauen, nimmer schwach seyn oder jenen Gedanken denken, oder alle meine Sehnsucht mit mit einem blossen Gut seyn lohnen. Was ich verlange weist du; ich will deine Seele | deinen Muth, dein begeistertes Gemüth; du bist mir gleich gebohren; beyde sind wir Opfer einer besseren Menschheit, und unsere Blike sind weit über dieses daseyn hingewendet. Ich bin getröstet, ich kenne dich so stark daß ich nichts mehr für dich fürchten darf. Bau auf mich; ich kann dirs izt nicht sagen was ich dir alles geben will, aber in Gottbegeisterten Stunden mein ich oft ich sey geschaffen dir zum unendlichen Trost. Ich bin Mann; mich hat Gottes Gnade zu grossen Dingen ausersehen; das macht mich stolz, das spornt mich an die allbarmherzige Liebe zu verdienen; Mein Herz ist entzunden in einer unermeßlichen Liebe, mich umschwebt ein Genius seit frühen Jahren; und wie stolzer noch darf ich seyn daß in meiner Seele nächst dieser Menschheit versöhnenden Liebe noch so viel Glut und Licht und Eifer für deine Freundschaft ist. Ja Freundinn unabhängig will ich seyn und frey, aber eben weil du’s auch seyn sollst, und weil du’s bist, und weil wir es zusammen sind sehen wir uns mit wonnigem Entzüken auf eine gleiche Bahn gestellt, die wir mit festgeschlossenen Händen mit muthigem Schritte mit tapferem Herzen durchwandeln. Ich schätze an dir dieses edelmüthige Hinopfern, diese aus Gott geborne Heiterkeit, die dir dein Genius möge bewahren. O wir werden noch oft zusammen durch die Natur gehn, dann ruf ich alle Stunden die mir izt so selig sind wie mit einem Zauberschlag vor deine Augen; dann will ich dir gewähren, was mir Gottes Wille jezt schon zu errei1123
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chen nicht erlaubet. Ich meine daß ich mit heiligem Munde ausspre- 115 chen werde das Verlangen meiner Seele, das Begehren meines nach seeliger Anschauung dürstenden Geistes. gieb mir bald ein Zeichen, daß du mein seyst, daß du Gottes, meiner heiligen Zukunft seyst; ich ruhe und raste keinen Augenblik; ich werde den grossen Wink verstehen, die Gebietende Stimme will ich mit des 120 Gehorsams Schnelligkeit ins Werk setzen; um so seeliger um so beglükter als du mit mir bist, als jeder Gedanke der mich lohnet, auch für dein Herz eine Erquikung ist, und alles was ich ersinne und erstrebe geheiliget ist, durch ein auf felsigen Höhen geschlossenes Bündniß. Am 24t July 125 Und heute will ich alles wiederholen; ich habe dich so lieb, ich kann so wenig seyn ohne dir daß dich mein gewaltiger Geist zu jeder Stunde umschwebet; aber sage mir dafür auch daß ich dein Trost, deine Stärke, deine Freude sey. Mache mir niemanden zum Freund, aber sage jenem daß du einen Jüngling kennst, den auf Geheimnißreiche Art, Gott 130 seit seinen frühen Jahren durch eine verklärtere Liebe von dieser Welt hat abgezogen, daß er der Erde bereite ein herrlicher Fest, daß er vollbringe einen Auftrag des Himmels. Und mir ist in dir geworden das was ich bedurfte um meinem Gott mit Würde zu gehorchen; dem einsam stehenden, verlassenen, dessen liebend Herz die Sehnsucht ver- 135 zehrte, sandte er in dir das Bild der heroischen Menschheit, die alles setzen kann an ihr höchstes. Unser Bund ist aus gemeinen Dingen nicht entstanden, ihn hat keine irdische Stunde gebohren; Freundin wie konntest du einen Augenblik glauben, es könne gemein untergehen, verschwinden wie die andre zerbrechliche Welt! Aber du hast es 140 nie geglaubt, du glaubst es nicht, wirst es nie glauben! so kenn ich dich, so will ich dich. Stark wie der teutsche Eichbaum; muthig wie ein strafender Engel, treu wie mein Herz! Ich will alles wegwerfen was noch Schale ist an mir; ich will mich läutern an der auf und unter gehenden Sonne, deine Briefe sollen 145 meine Nahrung seyn. O er ist mir eine goldene Dämmerung dieser Aufenthalt in Berlin, ich schmachte danach wie nach der Quelle des Heils für uns alle; dann steh ich allein, hab niemand um mich als dich, der ich ja alles sagen, entdeken darf, was meiner Seele Werk ist. Nein! bey Gott, du wirst nicht untergehen in den Nebeln; was soll 150 der Nebel über dich vermögen; ich habe ein Schwert und einen Schild dich gegen alles Ungemach zu deken. Die schöne Freyheit deiner Seele entzükt mich, unabhängig und doch so ganz mein eigen; das ist die 1124
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Freyheit der Geister welche ganz das irrdische Kleid abgeworfen, ein der Erde entrüktes, in Gottes Liebe verherrlichtes Leben führen. Bleib nur so, Aber laß deine Sehnsucht deinen Durst nach mir nicht schwächer werden, o glaube mir das ist die Sehnsucht nach dem Himmel, die Sehnsucht nach einer besseren Erde! Sage wohin ich meine nächsten Briefe schiken soll; ich gehe Anfang Septembers durch die Schweiz nach Mayland; in 3 Wochen bin ich von dieser Reise in München zurük, und bleibe /weil ich muß und es das Schiksal will/ den Winter da; dann reise ich gegen den März nach Berlin, von dort soll | ich durch Frankreich und Italien. Aber wenn ich nur erst dort bin, dort bist ja du, du Lebens quelle, schöner Trost. Mich umgeben enge Verhältnisse ich habe mit den Umständen zu kämpfen; aber um ein ungewöhnlich Ziel zu erreichen wird mir Gott Weisheit geben, ausserordentliche Mittel zu wählen. Ich will täglich für dich beten zu Gott daß er dich bewahre, als heldenmüthiges Mädchen, bete du für mich; dein heiliges Gemüth erfreut meine Seele; Ja in den Tempeln des Herrn und in seiner Natur ist unsere Heymath; deine schöne Sehnsucht nach mir hat meinem Geiste wohlgethan, meine Liebe fließt über; dein tiefer Geist welcher brausend aufblüht in nächtlichen Stunden, zeichnet dich aus vor deinem ganzen Geschlechte. Und ich bin glüklich eine so herrliche Seele mein zu Wissen; dein Zutrauen stärkt meinen Willen, von seiner Wurzel aus; sey mir willkommen in deiner Ruhe und Heiterkeit. Hast du wohl die Briefe die ich dir nach Berlin sandte? ich wünsche recht sehr; ich werde an S.– schreiben wie sichs mit meinen Reisen verhalte; ich habe meinen Muth keinen Augenblik verloren; aber es hat weh gethan mich so lange von dir zu sehen; dennoch ich ehre mit festem Glauben Gottes unendlichen Rathschluß der mich damals aus Böhmen zurükwieß O einstens meine Freundin wenn unser eigentlich’ Leben beginnt wird es offen vor unserer Seele liegen, und ein lohnendes Bewußtseyn wird unser Herz erfüllen – Seit jener lezten Stunde in Neumarkt, ist mir der Sommer wie eine GedankenStunde verflossen; in seeliger Erinnerung und Bestrebung; unser Bund ist so fest geworden, alles hat bewähret daß er aus Gott geboren sey; ich habe alles auf gegeben als meine Liebe, dich, und jenes grosse Werk; so hab’ ich seelige Tage gelebt; immer waren unsre Geister sich nahe, am blauen Himmel, an den Gestirnen sucht ich mein Glük, Kunst und Natur sprachen mir vernehmliche Worte; und Nachts schwebte mein Geist in süssen Träumen; so bringe ich meine Jugend in 1125
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begeisterter Sehnsucht hin, bis mein Wille und Kraft ihrem Werke reif sind, bis der mich ruft der mir die Waffen gab, bis mich der Sturm der Begeisterung hinträgt über die Fluren und Berge! 195 Und jezt will ich dir noch mal sagen was ich begehre: Ich fühle mich von Gottes Stimme zu höhern Dingen erkoren, mich leitet das Gestirn einer heiligen Liebe; ich bin bereit mein Daseyn einer bessern Welt zu opfern; in dir aber sandte mir Gott eine Gleich geschaffne Seele, ein heroisches Herz, ein Gemüth voll Begeisterung; drum will ich daß du 200 mit der ganzen Macht deines Lebens, mit der ganzen Fülle deines Daseyns mich erfassen, mit mir in Gott leben sollst; So wollen wir ein himmlisches Leben führen, unsrer Abkunft würdig; Ganz aus einer Wesenheit gestammt, zu einem Opfer ausersehen. Jeder frey und unabhängig; kein Ziel verfolgend auf dieser Erde; Ganz hingegeben dem ge- 205 bietenden Willen des Schöpfers, ganz verklärt in seiner Liebe! Und dieses geistige Leben, daß ich bisher mit dir gelebet, wünsch’ ich fortzuleben mit dir; das ist mein Wille, mein Begehren, ich will dich frey und mein eigen wissen, so wie ich frey und dein eigen bin; die Fülle meines Zutrauens ist auf dich übergeflossen, und ich habe dich 210 erfaßt, mit unzersprengbaren Banden umklammert; Noch fühl ich mich stolz dabey deine Stüze, dein Schirmherr zu seyn; Wenn ich mein Schwert für dich schwinge o so mag dein Feind erbeben; so will ich dich hinanschwingen zur Quelle aller Kraft und alles Muthes! Und jezt Lebe wohl; ich muß eilen diesen Brief abzusenden; er soll 215 dir meine Ganze Seele bringen; Meine Freuden stammen aus dem Himmel herüber und ich pflüke sie mit dankbarer Hand Aber auch die Leiden will ich unverwandten Bliks bestehen – Sieh! unter dem Schreiben bin ich stark geworden, wie ein HeldenPanzer ist meine Brust, und dein herrlich MitGefühl macht mich in 220 meiner Liebe seelig; o denke stets an die Ewigkeit unsers göttlichen Bundes! aMademoiselle Mademoiselle Bettine de Brentano de la Roche à Bukowan nächst Pisek in Böhmen
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Den 24t July 1810. Laß dir den heutigen Tag schildern, er hat meiner Seele viel Freude gebracht, und mich wie von der Erde weg in den Himmel hinüber gehoben. Wir giengen nach GangKofen jenen Tag zu feyern. Er ist schön vorübergegangen, ein heiterer Tag einer begeisterten Jugend; ein grosses Fest holder Erinnerung, wie eine geschmükte Braut zog er vor unsern Augen hin. Ich war in der Kapelle wo du mit auf den Thurm stiegest; da hab ich für uns gebetet, und die Stuffen des Altars geküßt; deinen Namen hab ich eingegraben; im Grase hingestrekt sah ich unverwandt nach den Gebürgen; sie haben mich heute ernst und geheimnißreich angesprochen; mir war als riefe eine Stimme aus den Felsen nach mir heraus daß ich kommen solle ihre Gipfel zu erklimmen, daß ich grosse Thaten thuen solle. Der Abend ist göttlich gewesen, ein Ebenbild Gottes; mit Vergnügen seh ich nach dem Castor und Pollux, ich liebe dieß herrliche Gestirn; es erinnert mich an jenen Abend da wir auf der Reise nach S–burg in AltÖtting an dem Fenster standen. Mir ist recht wohl geworden; ich bin Ausgesöhnt mit der Welt, weil ich mich hoch über ihr fühle, und dich mit mir weiß, und weil meine Liebe auf dieser Erde ohne Schranken ist. Ich wollte du wärest bey mir gewesen, auch du hättest den Anblik dieses Gebürgs verstanden, auch dir wäre wohl gewesen in der Sehnsucht nach den FelsenSpitzen. Bey Gott dahin müssen wir noch, es komme wie es wolle. Von der Thurmspitze sah ich hinaus über jene Strasse wo ich zu Pferde an deinem Wagen meine Blike wechselte mit den deinen; das waren doch recht selige Tage; ihre Blüthe ist unverwelklich in meinem Herzen. Sey mir willkommen du auserlesene Heldin seit damals, sey mir willkommen du schöner Lichtstern meiner Tage; Stunden wie die heutigen sind meinem Geiste eine festliche Nahrung sie belohnen mein Gemüth mit seligem Frohsinne. Ich fühle mich gestärkt durch meine Liebe, zum grossen Kampfe bereitet, voll Verlangen nach der verheissenen Zukunft. Du sey geduldig mit mir; fliehe den Trübsinn, stüze dich auf mich so du Trost bedarfst; ich weiche nicht von deiner Seite; meinem Geiste ist es sein seliges Leben um dich zu seyn, und alle Zeichen die da kommen werden dem EngelStreben eine Krone bringen. 1127
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Den 25t Auf deine schönen Briefe bis zum 16t hab ich dir gestern Antwort gegeben; Verarge auch mir nichts; sie sollen dir mein Verlangen deuten, meine Sehnsucht nach einem geistigen Leben mit dir. Mein Reich das weißt du, ist nicht von dieser Welt, was ich begehre gehört der Erde nicht, meine grosse Welt in der ich lebe hab ich mir selbst geschaffen ich kenne das gemeine Leben nicht mehr; ich erstrebe unendliche Dinge, ich fühle mich wie von göttlicher Hand über der Erde getragen. Dein Ziel geht auch hinüber, und so ich recht in deinem Auge laß, wirst du Ruhe in meiner Freundschaft finden. Ich nehme diese Dinge ganz nach ihrer Würde, ihrer Kraft, ganz mit der Salbung mit der sie mir der Himmel ausgestattet. Ich strekte meinen Arm aus und auf göttliches Geheiß hat dich ein Engel herbey getragen und deine Hand in die meine gelegt. Jener Liebe Heiligthum, das ich seit lange bewahre, hat mir alles, o hat mir deine Freundschaft, deine Sehnsucht verstehen gelehrt; aber auch hier waltet ein Wunder, eine sichtbarliche Nähe Gottes; Sein Hauch hat uns gemacht zu einem Wesen, damit sein Wille leichter durch mich werde; damit ich mich leichter und fürchterlicher schwinge gegen seine Feinde, damit ich mehr mit Bewußtseyn und mit Heroismus lieben möge! Ich habe recht gewunschen dich zu sehen, aber nun ist es auf lange hinausgeschoben; oder auch nicht auf lange, denn eine solche Spanne Zeit, was ist sie für die Fülle unsers Gefühls; es mag dienen von Tag zu Tag stärker unser Gemüth, geprüfter unsere Freundschaft, beständiger unsere Sehnsucht zu machen. Treues, Tapferes Mädchen! trau fest auf mich, baue auf meinen Glauben. Ich will dir ein Zelt aufschlagen in meiner Brust das gegen jeden Anfall vertheidigt, dir eine herrliche Aussicht gewährt in blühende Thäler, auf himmelanstrebende Gebürge hin; über deinem Scheitel sey der gestirnte Himmel gespannt. Bewahre in deiner Seele das Andenken jener | Heiligen Stunden; Gottes Wort wird in Erfüllung gehen; seine Gnade läßt seine Kinder nicht sinken; seine Barmherzigkeit mit der er seinen Sohn gesendet, ist der Reichthum meines Lebens. Nachts gegen 2 Uhr Heute erhielt ich abermal Nachricht von dir; dieser Brief hat mich groß gemacht; o diese Hand die du erfaßt hast wird dich treulich fest halten; mir ist wohl in deiner Freundschaft! Leidenschaftslos liegt mein Leben vor mir; aber die Begeisterung der Liebe durch glüht es, 1128
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die Macht einer heroischen Freundschaft, macht mir mein Daseyn bedeutungsvoll. Heute Nacht hab ich viel nach den Sternen gesehen; so heymathlich ist meiner Seele da drüben, diese Lichter am blauen Gewölbe sind mir erfreuliche Bilder; aber noch mehr, meines Lebens innerster Kern; der tiefste Grund meiner Seele ist von dort aus geboren und stammet dahin zurük. Der Gedanke an Ewigkeit ist mir ein herrlicher Lichtstrahl voll Trost! Ich bin unendlich beruhigt; ich sehe dich ganz mein, auch du hast dein Daseyn hingegeben einer bessern Welt; folge deinem reinen Gefühle, dein reines Herz leite dich, ich will nur deine Seele! Aber als Heldin will ich dich ganz, ganz als die Gefährtin meines geistigen Lebens. O nimm mich ganz hin; meine Seele liege offen deinem Auge, du Schwester meiner Seele, du Braut meiner Sehnsucht! Ich freu mich dich zu sehen; mein Blik wird ruhig seyn, meine Seele wie der Ozean vor Sonnen Aufgang, meine Gedanken werden verklärt auf meiner Stirne schweben; ich werde dir die Hand reichen dürfen; wir werden uns unendlich stark fühlen; unendlich über der Welt! Morgen reißt Salvotti hinweg; ich begleite ihn bis an die Gebürge; ich freu mich recht diese Felsen wieder zu sehn; will oft an dich denken; dort wohnt meine Liebe bis sie heraus trit ins Thal des seeligen Friedens; Am 29t Abends So eben bin ich von München zurük, ein schwärmerisches Feuer stürmt in meiner Brust; mein Verlangen rasselt in Riesenflammen zu dem Himmel empor; o daß du bey mir wärest mit einem Händedruk der Sehnsucht Ungestüm zu lindern. Aber so ists nicht ganz männlich gedacht, nicht wahr, du willst mich gefaßter; nicht weniger Heldenmuth aber mehr besonnen. O du die du mir zugesandt mir zum Troste gegeben und zur Ermannung; du Königin der Stürme erfasse die Glut meiner Wünsche, und ruhigen Blicks schwing dich mit mir durch die lichten Hallen Gewölbe der Zukunft. Im Namen der Welt verlang ich nach dir; nur in Stahl gerüstet will ich vor dir stehn; mein erster Zuruf sey der Klang der Hörner. Sieh ich verlange für mich daß mir dein Blik ewig so göttlich strahle als damals, daß du erkennest das Gebot des Himmels das dich zu mir gebracht zum Heile der Welten. Ich habe deine Briefe vom Anfang July wieder gelesen, und FreudenThränen geweint, und recht mit der innigsten Andacht für uns gebetet diese Briefe sind so schön, so göttlich schön; o glaube fest an die 1129
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Ewigkeit unsers Bundes; du sey stark wie ein Fels; dein Wille, und alles geschieht; stark ist die Macht des Gebetes der Edeln; 115 fliehe das gemeine Leben, fliehe den alltäglichen Umgang, in Gottes Natur, oder in deinem Zimmer wenn du allein bist richte auf dein Gemüth zu Gott, und denk an mich; dann trit wieder hin zu denen die du Lieb hast, und die so gut und edel sind, und sey mit ihnen; aber nie zu viel mit der gemeinen Welt. 120 Bald komm ich ja und bin lange bey dir; Gott, was wird das für ein Willkomm seyn; ich bin durchglüht vor Freude es zu denken. Bleibe recht stark und fromm und schreib mir o mein Glaube ist fest, und meine Hoffnung haftet an heiligen Ankern; wie sollte Gott uns vergessen die wir so aufrichtig und in Demuth seine lieben Kinder sind. Nein 125 so was kann sich nimmermehr wenden, so was muß unsterblich seyn. Nur recht heiter geblieben, mag auch der Himmel blas, oder die Nacht trübe seyn, in unsern Seeleu flammet ein ewiges Licht; unsere Herzen hat Gottes Liebe erleuchtet.
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Bukowan Berlin, etwa 25. Juli 1810, Mittwoch
Savigny ist so eilig geworden zu Euch, als ich reise^fertig seyn möchte; schon heute bestimmte er Ankunft Rückkehr und tausend Dinge voraus, während ich kaum drey Schrit vor mir hin sehen kann. Mein Onkel ist noch hier, meine Angelegenheiten wie festgefahren, Dir habe ich zweymal geschrieben und Deiner Schwester Briefe beweisen, daß noch nichts von uns bey Euch angekommen und doch wartet kein Volk ängstlicher auf Regen und stellt Processionen an, als ich zuweilen ungeduldig im Zimmer auf und niederlaufe um Deine Briefe dem Himmel abzubetteln. Oftmals fühle ich mich wie gezwungen, ich möchte Savigny in aller Vertraulichkeit über Deine Ge〈〈xxx〉〉 fragen, aber dann unterdrücke ichs wie〈〈xxx〉〉 Schwäche, als eine Kränkung meines Vertr〈〈auen〉〉s zu Dir, laß es ganz zu mir sprechen, aber nicht wie der Augenblick dir einbildet, sondern wie sich Jahre, wo wir uns kennen, Dir bewährt. Grüsse herzlich Christian und frag ihn gefälligst ob er die Güte gehabt meine beyden Bilder an Morgenstern zu senden, grüß Gundel und ihre Kinder, grüß den Betäsch und die Wege im Korn, und die Einsiedlerhöhle in Worlick, und Klingenberg, wo die Erdbeeren in 1130
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so liebem Kraute wachsen, vor allem grüß den Birkenwald, an dessen Rande ich Dich wiedersah, – wer weiß, vielleicht mache ich Dir mit allen den Grüssen eine unbequeme Mühe. Lebe wohl Achim Arnim Ich habe eine Cantate auf die Königin geschrieben, die Schneider komponirt. An F. Bettine Brentano
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Bukowan, 28. Juli–2. August 1810, Sonnabend–Donnerstag
am 28ten July Abends Ich war heute den ganzen Tag draußen; hab an Goethe geschrieben; ich war erwärmt im Herzen gegen ihn; es war mir wohl, am Morgen, und so lang die Sonne schien, am Nachmittag, war ich auch heiter; da sie aber almählig hinter die Felsspize sank, und mein Pläzgen das zwischen den dichtesten Tannen auf feuchtem Moos war, immer kälter wurde, da muste ich fort, um nicht ganz traurig zu werden. Die Erde dreht sich einmal um ihre Axe in 24 Stunden; im Herzen kann es Nacht und wieder Tag werden in jeder Minute; – wenn ich hindenck an die reiche Natur die ich kaum ersehen und wieder verlassen habe.– heute hab ich so recht dran gedacht, wie Wir mit der Nacht ein fuhren, und uns alle so auf den kommenden Tag freuten; ich aber, mit dem heiligen Schaz deines Zutrauens, ich hatte ein geheimes Leben in der Brust; O Gott! seegne mir jenen Augenblick wie du jenes Land geseegnet hast wo ich ihn erlebte. – Lieber Freund! Ich weiß nicht was die ewige Bewegung in mir will, aber der Gott im Himmel weiß es; könnt ich! O könnt ich meinen Arm eintaugen ins Geschick, und niederschütteln die Thaten, und wär eine jede Bewegung von mir, ein Etwas das mit zum Ganzen gehört woraus die künftige Frucht erblühen soll, dann wär ich froh, dann wär ein Stein von meinem Herzen gehoben.– Da oben auf dem Gebürg, wo der Nebel vor der Herrlichkeit Gottes sich theilet; da einen festen Vorsaz fassen, und von da mit gestähltem Arm, eindringen!!! – Nein ich könnte Dir nimmer abrathen, wenn auch die ganze Welt, gegen dich wär; Vortheil? was ist den 1131
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Menschen ein Vortheil? – Vortheil ist mir, wenn ich meinem Willen folgen darf, dem kräftigen Geboth meiner Natur, wenn ich nimmer bezähmen darf, den Genius der die muthigen Fittige um mein Haupt schlägt; alles andre was sich noch im Leben erringen läßt, ist schnöde. –, Gestern hatte ich so einen einsamen Augenblick, der mich überraschte, ich lag auf dem Bet nachdem ich lang in der Bibel gelesen hatte, war ich ermüdet nah am Schlaf, auf einmal regt sichs in meinem Herzen; O Gott! dacht ich, nur einmal in Gluth, in Flamme aufgehen, dann gern für dieses Leben in Tode Asche versincken; und Thränen must ich diesem Gedancken geben; denn es war mir, als würde es nimmer so werden, dann ging ich auf den Ptesch hab mich gegen Baiern gewendet, und gebetet; ich mag nicht gern mehr so allein seyn, mein Geist ist manchmal wie ein scharfer Hauch der mich aufzehrt; wenn ich schreib da ist es anders, da bin ich mit dir, oder mit Arnim, oder mit dem alten Meister – ich mag dich so gern Bruder nennen, ich fühl mich in diesem Verhältniß, mehr du selber, ich hab Antheil an Dir. am 30ten J Rückt denn Die Zeit auch wircklich, und wenn eine Woche herum ist, bist du mir dann eine Woche näher? – Warum verlang ich nach dir? – werd ich dich seelig machen? – O Kind Gottes! – Gott erhöre mein Gebeth für Dich, dann wird die Zeit an Dir, wie die Rebe an einem starcken Baum emporblühen. – ich darf mich nicht zerstreuen, ich muß immer in mir selber vorwärts arbeiten, sonst bin ich gleich uneins mit mir und mit Gott, und alles wächst mir überm Kopf zusammen. – manchmal treff ich in der Bibel auf Stellen, in denen mir große Seeligkeit liegt; zum Beispiel – Math: 18 cap: 19 v: »Wo zween unter Euch eins werden auf Erden, warum es ist, das sie bitten wollen, das soll ihnen wiederfahren von meinem Vater im Himmel.« Um was bitten wir zwei denn? – ich bitte noch für dich, daß Gott dich groß mache in allen Wercken, daß er aber vorzüglich deinen Muth stähle, und deinen Glauben. – am 31ten Ich weiß wohl was mein Fehler ist; ich denck an die Zukunft, und ob ich so frei stehn werde wie jezt, und ob ichs durchsezen werde dem da oben getreu zu bleiben, und wie meine Natur ist; wo sie hinaus will pp – dieß alles sollte nicht seyn; nicht über den Augenblick soll man hinausdencken; aber in jedem einzelnen Moment, soll man alle Kraft zusam1132
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men nehmen – ich führe hier ein zu müsiges Leben das ist mir nicht gut; und doch bin ich besser als sonst. Ich war auf dem Ptesch; da oben ist mir so wohl geworden, die Aussicht rund umher, ist so Königlich, und wo sie so ist, da denck ich deiner; Heute ist mirs sehr wohl, heute wenn die Sonne ganz hinunter ist, will ich bethen; tief und feurig, und Gewalltig; für dich will ich bethen. vergelt mirs aber auch; denck an mich wenn Du from bist; ich hab so festes Zutrauen zu dir, ich glaub so sicher daß dich Gott erhört. am Abend 10 Uhr. Siehst Du ich war am Fenster; da hat die kalte Nachtluft, die vielen Thränen von meinen Wangen aufgetrocknet, einmal hats mich gerührt, daß hoch über den Sternen der Gott wohnt, und daß doch mein heimlichstes Gebeth von Ihm erhört wird, dann hab ich deiner Gedacht, daß durch dich unendlicher Seegen über mich gekommen; wie wär ich zu der Zuversicht gelanget, wenn Du mich nicht geleitet hättest durch deine Unschuld, deinen Heldensinn, deine Großmuth. nimmer hätte ich anklopfen dürfen, nimmer bitten, wenn nicht für die Heiligkeit deines Willens. – nochmals muß ichs sagen: Heut ist mirs wohl geworden in Dir; Groß bist Du, herrlich. es liegt eine Ewigkeit in dir; wie sollt ich zweiflen daß Du ein Held seyest die gröste der Heldenthaten ist dir schon gelungen; du hast den Glauben errungen; du bist aufgewachsen mitten in einem Feld das Disteln trägt und Unckraut, und Du einzige Aehre, giebst tausendfältigen Seegen Die Spötter standen um dich her, dich zu verderben, und dein Wille war mächtiger als ihr Spott; – Großer Großer Gott erhalt ihn; sein Weg gehe ewig zu Dir; laß es ihm werden, daß er Heil über seine Brüder bringe, er liebt seine Brüder nach deinem Willen, und was er will geht von der Liebe aus – die Liebe hat ihm eine Kron aufs Haupt gesezt, denn er steht vor allen Da nach deinem Geboth zu thun, die Liebe hat ihm weise Kleider angelegt, denn er ist durch sie bewahret worden vor aller Gemeinheit, und sein Herz athmet Unschuld, die Liebe hat ihm eine Fackel in die Hand gegeben, denn sein Weg ist erhellet durch sie, und was er will ist ihm klar, nicht im Finstern, wie den andern Menschen; die Liebe hat ihm sein Schwerdt geschärft, und wo er dasselbe führen wird, da wird er es durch deine Gnade Meisterlich führen und dein gewaltiger Geist wird dem Stahl Feuer geben, wird ihn lencken, daß Seegen komme, wie bei der Erndte; die Liebe wird ihm auch noch endlich die Palme des Friedens geben; und das ist warum ich dich bitte: laß aus der Liebe ihm al1133
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len Lohn ersprießen, laß ihn rein im Willen bleiben, daß nicht seine zeitliche Ehre daran theil habe, laß ihn wachsen in der Kraft, laß das Feuer seines Glaubens stets hell leuchten; Herr entzieh dich ihm nicht 105 Herr halte die Hand über dein Kind! und laß mein Gebeth kein Frevel vor Dir seyn, sondern alles, in deinem Willen. Amen. – Max beth ich so recht? – des Menschen Natur zieht nach allen Seiten aus, und dreht sich, bildet sich, daß es anzusehen ist wie eine Große Werckstadt, für den ders 110 Begreift; oft wenn ich dencke ich habe mich so ganz Dir hingegeben, in meinem Gedancken; so bewegt sichs wieder so seltsam – daß die Unendlichkeit im Menschen liegt, das ists warum er sich nicht begreift. wenn ichs zuweilen emfinde daß es so ist, nehmlich unbegreiflich – so ists mir ein wohlthuend Gefühl, wenn ichs emfinde, daß das ganze Fir- 115 mament in uns ruht, so begreif ich auch, daß Gottes Geist in uns wohnt, wenn ichs fühle daß die ganze Weltgeschichte durch uns zieht, so weiß ich auch daß unser Wille sie mit Gott meistern kann; – Gute Nacht! Noch einmal allen Seegen über Dich. 120
am 1sten August. Morgen geht mein Brief fort; ich muß ihn schließen ohne dir genaue Nachricht geben zu können wenn wir gehen; den Savigny erwarten wir alle Stund. – ich könnte noch den nächsten Posttag abwarten dann würde ich auch vielleicht noch einen Brief von Dir haben, und Dir et- 125 was darüber sagen; allein es ist mir immer als seyest Du in Unruh um mich, als seyest Du in Zweifel über meine Ruhe und seit Gestern ist mir so wohl geworden; noch nachdem ich geschrieben, grad wie ich schlafen gehen wollte, war mir als ob ein Guter Geist mich umschwebe, nie, in meinem Leben, war ich so zu Gott gewendet, als Ge- 130 stern, die Stunde hat unvertilgbaren Seegen über mich gebracht; ich dachte der Worte Johanis: »Wahre Liebe ist ohne Furcht« – O mein Freund! wem kann ich das all verdancken als nur Dir. – Du weist was ich in meinen Lezten Briefen dir gesagt habe; in Bezug auf deine Kraft: daß Du nehmlich allein stehen sollst und keines Trosts begehren als 135 der Dir aus eignem Gemüth kömmt; – nun will ich dir noch was sagen: mich rührt nichts inniger, mich feuert nichts mehr zur Liebe an, mich erhebt nichts mehr, als die Stellen deiner Briefe worinn Du schreibst, daß ich Dir ein Trost sey und eine Stüze. – wenn Du erst zu mir kömmst dann will ich dir vieles Sagen, wir werden Stunden haben die 140 wir nie vergessen werden, es wird sich alles in edler Ordnung vor Uns 1134
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entwicklen; O daß ich nur die Zerstreiung fliehen möge bis dahin, daß mir nur dieser Sinn der in dieser Einsamkeit des Lebens sich mir entwikelte bleibe; – ich habe Ehrfurcht vor Dir, wenn Du mir gebiethest so werd ich folchen, wenn Du mich Tadelst so werd ichs in Dehmuth annehmen wenn Du mir Gut bist, so bin ich geschüzt was du mir verheisest das Glaub ich. ja dieß geht aus der Wahrheit meines Herzens: Ich habe Ehrfurcht vor Dir; und wie könnte es anders seyn; ich habe dich gefunden mit dem mächtigsten Willen für das Gute, woher kam Dir Dieser? unmittelbar von Gott. – Noch eins! – noch ein heilig Wort! bewahrs in der Tiefe deines Herzens, denn es kömmt aus der Tiefe meiner Liebe; merk auf das was ich hier sage: Ich glaub, daß Du nicht fehlst, dieser Glaube ehrt Dich, und es würde dir Leid seyn ihn zu verlezen; ja ich glaub daß Du nicht fehlst. und doch: – /:Freund versteh meine Liebe in dem was ich dir nun sage:/ und doch bitt ich dich; wenn Du je ein Unrecht in deiner Brust fühlst, so bitt ich dich bekenne es mir, ich verspreche | Dir daß ich es auch thun will. Unsere Liebe soll nicht auf gemeinen Grundpfeilern ruhen hat sie so unbegreiflich angefangen, so soll sie auch in unbegreiflicher Reinheit und Freiheit von allem Menschlichen Verhältniß seyn; wir wollen Freunde seyn, wie es noch nicht erhört war aber wie es Gott angenehm ist. – Gute Nacht! Einst mehr hierüber; Gott geb Kraft und Seegen zu allem Guten.
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am 2ten! Kein Gedancke mehr; die Zeit ging vorüber, und ließ mich nicht zu Dir gelangen. Leb wohl! Eh ich von hier gehe schreib ich Dir noch. An Freiherrn Max von Freiberg abzugeben bei Mde: Huber Materialistin in Landshuth in Baiern
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*796. An Alois Bihler in Landshut Bukowan, vmtl. Ende Juli/Anfang August 1810 Franz Xaver Nußbaumer an B, 1. September 1810:
In Ihren letzten Brief an Bihler fragen Sie mich, welche Theile vom Göthe mir mangeln, damit Sie mir sie schicken können. (Nr. 814,59-60.)
Alois Bihler an B, 5. Oktober 1810: kann
ich Ihnen doch nicht ganz beystimmen, wenn Sie sagen, daß Reichthum und Armuth von Gott gleiche Geschenke seyn 〈…〉 ich sehe, daß Sie meiner Geduld so grosse Verdienste beylegen, daß ich Ihr Lob fast für Schmeicheley für Komplimente halten muß (Nr. 818,135-146).
*797. An Peter von Winter in München Bukowan, vmtl. Ende Juli/Anfang August 1810 Franz Xaver Nußbaumer an B, 1. September 1810: als ich zu ihm 〈Peter von Winter〉 kam, und ihm den Brief von Ihnen übergab, so fragte er mich,
ob ich auf Antwort warte? Ich sagte: H: Kapellmeister ich glaube, daß Sie mir gemäß diesen Brief etwas zu geben haben. Er las den Brief, sagte kein Wort vom Innhalt, und ich konnte natürlich auch nichts mehr sagen (Nr. 814,62-66).
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Von Ludwig Achim von Arnim nach Bukowan Berlin, 29. Juli 1810, Sonntag
Berlin d* 29 July 1810. Dein Brief ist mein Amulet, das mich gegen alles Böse in mir und ausser mir bewahren muß, beym Feuer in der Nacht grif ich zu erst danach und jeder Eimer, den ich trug, erhielt dadurch neue Kraft, wärst Du bey mir gewesen, ich hätte nicht löschen mögen, sondern mich der schönen Flammen gefreut, in Deine Augen geblickt und da hätte sie fortschreiten mögen und uns ergreifen, ich hätte doch gelebt, einen Augenblick mit Dir ganz und innig. Heute nahm ich ihn mit ins Bad, 1136
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um mich vom Schweis der Mühe zu säubern und da legte ich ihn neben die Wanne und das Wasser umdrängte mich mit so weichen Liebesarmen, daß ich nicht wuste, wie schnell mir so anders geworden. Gestern ehe ich Deinen Brief erhalten war ich im Begriffe, Savigny nur eine kleine Vorstellung von der Wichtigkeit deiner Worte zu machen, weil er es mir durch aus nicht gestatten wollte, daß ich die Briefe seiner Frau öffnete, um deine Einlagen, die ich darin vermuthete, herauszunehmen; ich schwor ihm vergebens, daß ich im Finstern öffnen wollte, damit kein Wort mir zufällig in die | Augen leuchtete, aber er versicherte es seinem geheimen Gefühle entgegen und Du hast alles klüglich eingerichtet und mir besonders geschrieben. Mit welchem Schmerz werde ich morgen Savigny fortrollen sehen zu Dir, zu Dir und wie lange Tage muß ich warten, doch ich habe Deinen Brief und sieh, wie man kindisch wird im lustigen Herzen, tadle mich nicht, wenn Dir mein Scherz auch zu weilen nicht gefällt, ich meinte wohl, die gute schöne Königin hätte mir deinen Brief nach Ihrem Einzuge zum Dank zukommen lassen, weil ich sie eifrig besungen und mein ganzes bescheidnes Dichterdaseyn damit aufs Spiel gesetzt habe. Sieh nicht zu viel Herrliches in mir, ich weiß am besten wie viel ich gewollt und wie wenig ich gethan habe, täusche Dich nicht, es ist die einzige Herrlichkeit im Menschen daß er geliebt werden kann und geschieht mir das von Dir; freilich da bin ich herrlich, aber Du weist nichts davon, ich fühls nur am Gedeihen in meinem Wesen, an der Erfüllung meines Daseyn, am sichern Hinschauen durch alle Welt. Ich soll harren und warten, sage mir was? Ich habe lange geharrt, daß mir die Seligkeit kommen sollte von selbst ohne mein Zuthun, hätte ich Dir nicht geradeaus geschrieben, ich tappte noch im selbst Zweifel umher, | ob mir etwas oder nichts in der Welt beschieden. Lustig an in Gottes Namen, er wird uns nicht untergehen lassen, die Arbeit wird mir lieb werden durch Dich, ich meine wir heirathen uns wann und wo es sey, nur bald, an Mobilien brauchst Du so nicht viel, wenn Du ein Fortepiano hast, ich hab mein Schreibpult; was mich so dringend treibt, ist die Entfernung Deiner hiesigen Wohnung von der meinen, es ist eine Reise bis dahin, aber Savigny konnte leider keine nähere finden, die seinen Bedürfnissen angemessen. Ich habe Dein Zimmer mit schwerem Herzen angesehen, ehe mir Dein Brief gekommen, hab mir gedacht, ob mir da gute oder böse Zeit würde aufgehen und da fiel mir ein grüner Baum davor in die Augen, der gab mir ein frisches Zutrauen. Dem Zelter wohnst Du nahe, das kann Dir lieb seyn und ich lauf doch zu Dir und 1137
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wärs ans Ende der Welt und dann haben wir in der Nähe den geräumigen Schloßgarten von Monbigu, da können wir Ball schlagen und Erdbeeren pflücken. Ich hoffe wir sehen uns und treffen uns gleichgesinnt in Bärwalde, nur unvermeidliche Geschäfte können mich davon abhalten Dir bis dahin entgegenzukommen, es drängen sich mir soviel Plane, mögliche Fälle auf, ich sehe, daß ich gar nichts geschrieben habe was der Mühe werth, viel weniger was der Liebe werth wäre, aber das alles mache ich gut und gleiche es aus mit Gebeten, die einen Schutzheiligen auf jedes Wagenpferd mit tüchtigen Sporen setzen, der in jedem Wirthshause die Betten weiß überzieht und die Fliegen in der Gestalt eines Rothkehlchens fängt und euch am Morgen keine Ruhe läst mit Singsang. Die kleine Adele, die unendlich artig ist, hatte neulich meine Kette bemerkt, und sie mir listig aus dem Hemde herausgezogen, gestern Abend saß sie auf meinem Schooß, suchte sie gewaltsam wieder hervor und fragte mich, was mein Schatz machte, ich ward diesmal nicht böse, ich ward nicht roth, mein Schatz, der ist so hold und fein, Gott wolle ihm genädig seyn, oder etwas Aehnliches sagte ich – nun nennt mich das liebe Kind auch ihren Schatz und ich denke Deiner bei ihr und denke bey jedem Kusse, den sie mir giebt, er komme von Dir. Ehe ich Deinen Brief hatte, wählte ich mir den Sinnspruch die Zeiten durch die Zeit zu mildern, jezt fühle ich erst daß in den Zeiten die Zeit das einzig Böse ist, ich meine die Zeit die sich verlirt harrend hoffend Gute Nacht. Grüß Christian und Gundel
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Von Max Prokop von Freyberg nach Bukowan Landshut, 30. Juli–3. August 1810, Montag–Freitag
Am 30t July Viel göttlich Wohlseyn geht durch meine Seele; ich fühls daß wir nur in der Stärke unsers Willens geborgen sind. Mit heissem Entzüken werd ich lesen: Meine Seele ist ganz dein; ja schreib mir das; es soll mir ein herrlich Wort seyn. Die Tage wogen hinauf und wogen hinab, aber wir halten sie fest; die Stunden bezwingen unsere Sehnsucht nicht. Am 31t Jezt ist es festgesezt, ich kann bis in dem Frühling erst dich sehn, wie ruhig ist meine Seele daß sie dich stark weiß. Aber dann will ich kommen und dir sagen: Da bin ich du ersehnte Heldin, da bin ich 1138
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vom Sturme meiner Sehnsucht zu dir getragen; Sieh mich an mit dem Himmel deiner Blicke, reich mir die Hand, die lang entbehrte; Sieh wir sind fest geblieben, dachten stets hinaus in die Ewigkeit, weit schwebend über der Vergänglichkeit der Dinge. O es wird wonnig seyn so dazustehen unsre Seelen in dem Blike, aufgeheitert unsre Stirnen durch die Glorie der Beständigkeit. Dann wollen wir zusammenbleiben wie zwey grosse Sterne sich gegen überstehen Nachts wenn alles Getümmel verstummt ist, und das gemeine Gewühl entschlaffen. Ja ich denke dich mir wie einen heitern Stern der da pranget in friedlicher Nacht; und denke daß wir prangen sollen durch eine zeitlose Ewigkeit! o sag mir glüht es nicht mit tausend himmlischen Flammen in deiner Brust, wenn du denkest an jene ewige Anschauung die da drüben gewährt ist; da schwindet aller Gedanken an Wankelmuth, an Zerbrechlichkeit; so must du fest bleiben; das nur bringt mir Heil; so bist du ganz mein. Ich trage heisses Verlangen dir das alles bald hinüberzusagen von Mund zu Mund, so wies geboren wird in aufrichtiger Seele. Ich möchte gerne mit dir über mein vergangen Leben sprechen, mir ist in diesen lezten Tagen viel geworden; ich war so abgerissen, so gesondert, stand so alleine; o hätt’ ich dich früher gehabt; an deiner Glut, an dem Reichthum deines himmlischen Gemüths wäre meine Seele so stark geworden, so beruhigt wäre meine Jugend gewesen, in Verfolgung des heißerwunschenen Zieles! Du kannst dich seelig fühlen in meinem. Danke Mir ist unendlich viel durch dich geworden; ein schönes Daseyn hast du mir gegeben. Seit ich von dir bin hab’ ich ein unnennbares Verlangen nach Einsamkeit; ich fliehe meine besten Freunde; ich meine mir könne nichts genug seyn, nichts könne mich so vollkommen machen als meine Liebe, und du. Ich dringe recht darauf den Herbst in die Schweiz und noch weiter zu gehn; ein tiefes Geheimniß lähmt meine Zunge; ich bin kein Kind der Welt, Gott kann mich nur durch Wunder zufrieden stellen; Bet für mich; Die Entschlüsse meiner Seele stehn fester denn jedes Gebürge; ich trotze jeder Zeit jedem Ungestümm, die Andacht möge mir trostvolle Stunden geben, in jenen herrlichen Gedanken ist uns wohl; ich liebe daß die Stürme um mein Haupthaar spielen, und in tiefer Nacht möcht ich an FelsenWänden hingehn. Doch scheu ich nicht das Licht der Sonnen; aber ich schmachte nach einem herrlichern Leben; ich bin muthig auch im heissen Strahl, und am hellen Mittag gehen feurige Gedanken erhaben ein in meine Seele; aber meine JugendKraft strömt über, und die Fülle meines Lebens hat nicht Raum in so eng gezogenem Kreise! 1139
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Am 1sten August, früh. Dir wünsch’ ich einen heitern Morgen von Ganzer Seele; herrlich war heute Nacht das Gestirn, und der Herrwagen mit seinen sieben Flammen glänzte voll Majestät. Ich werde täglich klärer, und in heiliger Anschauung wird mein Gemüth voll feuriger Kraft. Ich sehe mit so voller, befriedigter Zuversicht der Zukunft ins Auge, daß ich meine du stündest schon an mir ein huldigendes Lied zu singen. Alles was ich denke ist mir so festlich so voll Bedeutung, als schwebt ich in einer ewigen Bezauberung; Siehst du, das vermag der ernstliche Wille, denn ich gab dir die Hand darauf nicht von dir zu lassen, nicht mich zu trennen; und beym Himmel du bist ja beständig in meiner Seele geblieben! Ihr feyerlichen FrühlingsTage, Stifter eines hohen Bundes; eure Errinnerung ist meines Geistes lohnendste Beschäftigung, und so ich mich zurükzaubere in jene paradisische Gegend ist meiner Seele wohl und zufrieden. Das soll noch alles herrlicher kommen, noch würdiger noch festlicher. Standhafte Seele, reich mir die Hand ich schwinge starken Arms dich über die Abgründe hin, im Gedanken an meinen Glauben, gründe die Festigkeit deines Willens! Den 1t Um 10 Uhr Morgens. Da lag ich eben auf den Knieen und betete, deine Briefe diese göttlichen die ich eben empfieng in der Hand. O wie viel Glük ist mir geworden, wieviel Gnade und Seeligkeit! Schöne Seele nimm meinen Dank für alle diese heiligen Stunden meines Daseyns. Wir wollen uns recht aufrichten an Gottes Liebe, unüberwindlich seyn in der Beständigkeit des Willens. Ich bin tief bewegt, aber das was ich fühle, ist ein freudig Herz klopfen, ein Jubel meiner Seele; eine festliche feyerliche Stunde! ich seh es heiter kommen, und wie ein klarer SommerTag zieht im frischem Schmuke die Zukunft lächelnd vor mir hin. Dem aufrichtigen Kinde Gottes, so ihn mit Andacht liebet, schlägt keine bange Stunde, noch vermag Gram oder Kummer sein Gemüth zu bedrohen. Ist mein Blik ernst, o so möge die Glorie Gottwürdiger Entschlüsse ihn verklären, und die Glut eines heroischen Willens möge auf meiner Stirne brennen. Immer schwebt mir der festliche Gedanke unsers Wiedersehens vor der Seele, Aber auch bis dahin wird deine schöne Freundschaft, deine Geistige Berührung meinem Leben stets göttliche Bedeutung geben. Ich will dir bis dahin alles getreulich berichten was dir Freude machen kann, und so ich von dir Dank zu verdienen weis, soll mirs eine himlische Pflicht seyn. In diesem Briefe hab ich dich ganz wie dich meine 1140
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Seele verlanget, und aus deinem Munde kömmt mir da göttlicher Segen. Am 2t Vormittag Heute las ich deinen Brief wieder; der muß wohlgefällig seyn vor dem Auge Gottes; o fahre fort so zu seyn, deine Andacht sey immer so kindlich rein, dein Glaube immer so unerschütterlich fest. Unvergeßlich ist mir jede Zeile, Gott und Erbarmer wie hab ich so deine Liebe verdient; Freundin wie kann ich dieser deiner Freundschaft würdig seyn? o ja, ich kanns; du sollst sehen daß ichs kann; bewahre sie nur fort wie ein Heiligthum; denn sie kommt vom Himmel, Gott hat sie uns selbst gegeben auf jenem Berge, wie dem Moses das Gesetz; ja wir wollen dieses himmlische Kleinod mit Sorgfalt bewahren. Täglich wird’s festlicher, mit fester Zuversicht entschlaf ich, und voll Entschluß geh ich wieder an den kommenden Tag. Ich will immer um dich seyn, in jener grossen Stadt wo du hingehst; Denke nur stets ich stünde vor dir, wenn du dich drängen mußt ins Gewühl; ins Getümmel, das keinen bleibenden Trost giebt, keine himmlische Befriedigung. | O mir ist nicht bang um dich seit ich deinen FelsenMuth kenne; Halte dich fest an meiner Hand, vor allem aber an jenen drüben der alles gewähren kann; richte nur immer in Andacht auf dein Gemüth zu den Sternen; vertrau dich deinem göttlichen Berufe; sag mir nur immer dein Verlangen; harre aus, mit heiterem Blike sieh der Zukunft ins Auge. Du hast wahr gesagt daß unser Bund unsterblich sey, er aus Gott geboren, treibt seine göttlichen Zweige, nach den Sternen hinauf. Am 3t August Viele Gedanken sind eben durch meine Seele gegangen die ich alle vor dir ausschütten möchte. Seit vorgestern da ich deinen lezten schönen Brief erhielt bin ich tief getröstet und gestärkt. Alle Tage die ich seit Salzburg verlebt sind mir wie verjüngt wiedergeboren, und ich fühle ein himmlisches Behagen dieser Errinnerung nachzuhängen. Ganz trau ich nicht einzudringen in die heilige GeburtsStätte unsers Bundes. Wir sind Freunde, aber noch mehr, viel mehr als sich sonst Freunde geben können bist du mir, bin ich dir. Denn ich bin durchdrungen von deiner Wesenheit, und die schöne Töne deines Gemüthes klingen harmonisch in meine Seele herüber. Unser Verhältniß ist von so göttlicher Bedeutung alles was uns so tief berührt ist von so himmelhoher Abkunft, daß wir weit hinausgerückt über das gemeine Menschen Daseyn ein Engel–Leben zusammen führen. Ja, laß dir’s nur gestehen, und sey recht getröstet dabey und recht aufgerichtet in andächtiger Beschauung. Ich fühle mich durchdrungen von deinem 1141
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Verlangen, und unsre aufgeschwungenen Geister haben sich in jenen lichten Sphären der Sterne begegnet. Drum lächeln wir der Vergänglichkeit und alles gebrechlichen Tandes – – – – – – Ich bin wieder unterbrochen worden, mein Herz fließt über, mein Begehren ist ohne 130 Gränzen; wahrlich ich möchte doch bey dir seyn; Ihr schönen Stunden! da mich der frühe Morgen an deine Seite brachte, und uns erst der späte Abend trennte; ihr paradiesischen Tage! da unser Auge FelsenGebürge maß, und das abendliche Roth auf unsrer Wange glühte – doch laß uns immerhin standhaft bleiben, – beym Himmel das soll alles 135 wieder kommen, du weißt ja daß noch grössere Dinge kommen sollen, und unsre Seelen sehen in geistiger Umarmung mit Entzüken eine hohe selige Zukunft nahen. Du herrliches Mädchen, Gottes Segen über dich; o bleibe immer so stark, sey immer so unsterblich als in diesem lezten Briefe! 140 Eben sah ich nach den Sternen, da drüben wird es friedlich wohnen seyn; denke das und sey unsterblich; ich fasse mein Glük nicht, Gottes Gnade ist wie ein Sturm über mich gekommen, fast erlieg ich unter seiner Barmherzigkeit. Jezt sollen grosse Tage kommen, ich werde zwischen hohen SteinWänden hingehen; unter mir werden die Gewässer 145 toben, der GebürgsAdler wird sich über meinem Haupte schwingen; dann führt mich ein freundlicher | Pfad, in ein gelobtes Land. Du sollst alles getreulich erfahren; ist es doch meiner Seelen süsseste Freude sich dir zu offenbaren, alle Wonnen meines Daseyns, werden durch dein MitGefühl verherrlicht. 150 Das eben ist so beglükend, so emporhebend, daß mein Geist in seiner edelsten reinsten Sehnsucht deinem andächtigen Verlangen begegnet, und daß uns eine Verklärung ist zu Theil geworden, die keine irrdische Fessel kennt. Ich bin mächtig viel zum tragen, und meines Glaubens Zuversicht ist ohne Maaß; drum möcht ich gerne herrliche Dinge ver- 155 suchen, eher untergehen als nicht folgen dem göttlichen Berufe. Wie fest steh ich nicht, wie unerschütterlich; und wie froh ist mein Herz nicht seit ich an deiner Hand von jenem Berge niederstieg! Noch 14 Tage bin ich in Landshut, dann geh’ ich nach München; ich will da ganz einsam Leben wie Johannes in der Wüste; Die Nacht sey 160 dir geweiht da will ich niederschreiben was den Tag hindurch herrliches durch Gott in meine Seele kam. Anfangs Septembers beyläufig den 7t geh ich in die Schweiz über Lindau, Appenzell, Glarus, den Gotthard nach Mayland und über Monza, Brescia, Bergamo, Trient, Inspruk, Salzburg nach München zurük. ich denke bis 14t Oktober wieder 165 1142
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in München zu seyn; Was mir herrliches begegnet, o und der Herrlichkeiten wird eine Überfülle seyn! das sollst du alles erfahren. Ich werde dir noch sagen wohin du deine Briefe addressiren sollst. Wie gesagt das Schiksal haftet mich den Winter an die Residenzstadt; sey ruhig, der Segen des Himmels ruht auf unserm Haupte; ich eile bis Frühling in Berlin zu seyn; dann bleibe ich Lange bey dir bis ich über Paris vermuthlich nach Rom gehe – Aber zu was die menschlichen Entwürfe, gehöre ich doch mir selber so wenig an, und opfre ich doch mit so viel Liebe mein Daseyn, Zweken die weit über diesem ErdenLeben stehen. Du Theuerste du kennst meine Seele, dir sind meine Reden deutlich, und du siehst mit mir hinaus in eine klare heitere Ferne; o bete mit mir um des Allmächtigen Gnade! Und jezt Gute Nacht, mir wird so leicht wenn ich zu dir spreche; ich weis daß du mir auf ewig gegeben bist, dich richtet mit mir derselbe Glaube empor. Soll es mich nicht begeistern Dich Heldenmüthige im geistigen Vereine zu wissen mit mir, soll es nicht überschwengliche Seelen Lust seyn, mit dir gleich Engeln zu schweben in den paradiesischen Hallen der Verklärung?
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Bukowan und Prag, 3.–7. August 1810, Freitag–Dienstag
am 3ten August 3 Briefe von Dir, sind mir heute als heilige Zeigen eingelaufen der 2te von Berlin, und zwei von Landshuth vom 20ten und 23ten July. zugleich erhielt ich zwei von Arnim worinn er trauert, um seine geliebte Königin, welcher er mit reinem Jugendfeuer ergeben war auch ist er der Hoffnung und des Glaubens meiner Liebe, die ich ihm schon seit vielen Jahren gegeben habe, nie war er unruhig darum als eben jezt. Ich muß dir Diese 3 Briefe beantworten wie sie mir grade merckwürdig, in ihren einzelnen Perioden waren. – Warum ist es Dir nicht gut genug daß ich sage: Ich bin Dir sehr gut. da ein Jünger zu Cristus sprach: Guter Meister; sagte er: warum nennest Du mich Gut? niemand ist Gut, als nur Gott allein. – wenn ich dir aber sage: ich bin dir gut, so heist dieß: das Göttliche in mir, richtet sich nach deiner Liebe. oder, willst Du den Worten ihren Werth nicht gönnen, wie willst du denn die Höhe von dem erkennen was ich doch allemal mit der Zunge 1143
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aussprechen muß. – Du! – bei diesem einen bleibe, was ich dir jezt sage: ich spiele nicht mit Dir, so wie ich mit meinem Heil nicht spiele; ich verlange nicht nach dir, so wie ich nach mir selber nicht verlange, denn ich besize Dich, als ob ich Du selber wär Ich weiß nicht, ob in der Tiefe worinn ich stehe, ich ewig zum Himmel schauen werde, aber ich weiß daß Da Durch Dich mir Gnade geworden ist, mir auch die Gnade nie entzogen wird. und weil sie mir Durch Dich geworden ist so will ich mich dir nimmer entziehen; nicht: ich will, sondern: ich kann mich dir nimmer entziehen. Vieles was sich besser sagen ließ als schreiben, hab ich auf dem Herzen; ich war höchst Sehnsüchtig darum nach dir, ja diese kurze Zeit die Du noch zwischen uns legtest benahm mir den Athem wie unersteigliche Berge; und nun! Großer Gott! 6 Monate! – Du sagst: Du küssest seine strafende Hand? dich straft sie nicht, sie prüft dich nur; und mir ists gegeben dir diese Prüfung zu erleichtern; aber mich straft sie – ich will dir gern bekennen warum. seh mit mir auf mein voriges Leben zurück, da wirst Du Zeiten im Leichtsinn, in der Eitelkeit verschwendet sehen; wo Eitelkeit ist, da ist Lüge, und der Boden voll Unkraut, dieser Boden meiner Seele war aber dazu geschaffen, die Frucht seines unendlichen Geistes zu tragen, und ich ließ ihn unbesorgt dem schlechten Saamen der Welt über, und mühte mich nicht ihn zu reinigen und dem zu weihen von dem er war – Da es aber noch Zeit war, da trug seine Liebe mich auf die Berge, wo ich das irdische unter mir sah, und mir zur Seite stellte er einen Engel. (ich nenne aber den Geist, Engel, der aus dem Blatt zu mir sprach auf welches Du dein {Geheimniß} schriebst, und der nachher noch zwischen uns beiden stand, und unsere Hände ineinander fügte) seitdem aber war es wunderbar in mir, die ersten Stunden nachdem Du mich verlassen hattest, waren wie ein Hohlspiegel in Die Vergangenheit und ich hielt Gericht mit dieser, aber kurz, dein Heilig Ziel muste in mir den fest schlafenden Geist erwecken, er mahnte! – in Wien im Gewirre der nebelichten Welt, wo mir noch kein Brief von Dir in Händen war, da waren wieder Epochen daß ich mich selber nicht kannte, daß ich mich verlohr; Abends wenn die Gewitter über dem grünen Meer der Bäume schwebten, wenn die schwarzen Wolken das Abendroth scharf durchschnitten, wenn die Blizze Senckrecht vor mir nieder schossen, und die Bäume unter denen ich saß, endlich mit ihren schwehren Blüthenzweigen auch einstimmten in die schauerliche Harmonie, und ein Zeigen gaben im saußen der Wipfel, daß ihnen der Geist der heiligen 1144
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Natur fühlbar sey. da, lieber Freund streckte ich die Arme aus, mein Herz ward lebendig, Flammen stiegen empor, die plözlich wieder sancken, ich suchte den Gott nicht, aber meine Augen sancken nieder, als wenn er vor mir stünde. – Ach Leben! Leben! wunderbares! trefflich geschmücktes! das Da mit ungehemmter Gewallt, alles erschüttert, entzündet | das aus einer Wurzel Tausend Blüthen emportreibt, das zusammenstürzt was Rauch und Asche ist, und nur die Flamme mit zum Himmel nimt; und ein solches Leben durchdringt uns schon auf dieser Erde, und ein solches Leben nennen wir irdisch? – was ist irdisch, kömmt uns nicht alles vom ewigen Gott? ist der Frühling irdisch, weil er vergeht? ist die Erscheinung des Menschen irdisch weil sie verschwindet? ist der Traum irdisch weil er keine sichtliche Spuhr hinter sich lässet? ich frage Dich Max; Du wirst mit mir antworten: Es ist nichts irdisch, nur allein das Böse, welches das ewige aller Dinge nicht annehmen will. – nach diesem frage ich dich nochmals: kanst Du glauben daß ich, (sey es auch in welchem Verhältniß des Lebens es wolle,) die Ewigkeit unseres Ziels nicht fortan in Der Brust trage? – ich sage Dir; kehre immer mit demselben Vertrauen zu mir zurück, mit welchem Du von mir ausgingst, ich hab das Bestreben, selbst in meinem äusern Leben, eine Laage zu erhalten die unserer Freundschaft angemessen, doch überlasse ich mich der Gerechtigkeit, der Liebe zum Wohlthun die mich ewig leiten sollen; und wenn mir der Gott der mein Herz jezt erkannt hat, einen Winck giebt, so folge ich – Dir aber traue ich mehr, wie mir, denn Du bist jünger, und dem Reich um so näher, das nur die besizen sollen, die da sind und werden wie Die Kinder; dich hat noch kein irdischer Hauch verlezt. Du warst einen um den andern deiner Tage fromm, von Zeit zu Zeit, hat dich Gott an seinem Herzen erwärmt, begeistert, zur Liebe, deiner Brüder, und endlich hat es sich in Dich ein gepflanzt daß dein Wille zur Wurzel dieser Liebe geworden ist, die sie zu einem starcken Baum ernährt hat. – Was können wir über unser Schicksal hier auf Erden sagen, Gott hat so sonderbare Mittel unsere Wege zu drehen und zu wenden. Ich glaub in kurzem giebt es {Krieg} mit dem {Land} wohin ich jezt gehe – – werd ich Dich wohl vorher noch sprechen? am 5ten ½ 12 Nachts. Dieß sind die lezten Stunden die ich hier zu bringe und ich will sie ganz mit dir verleben, bethen will ich und schreiben biß der Morgen anbricht, dann geh ich nocheinmal auf den Ptesch und trag die jungen 1145
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Eichen hinauf die ich heute gebrochen hab da will ich sie unter die Erde scharren; wo ich deine Briefe hintrug. 95 Mein Freund! mein – warum nenne ich dich so? – heute war mir’s Herz schwehr, ich ging hinaus und las noch einmal, deine lezten Briefe, da ward mir wieder leicht, es liegt ein sanfter Balsam in deinen Worten, er heilt nicht, aber er lindert, er giebt Kraft. »Wo du auch hintritst, gieb mir die Hand« diese Worte schriebst Du den 12ten July, den Tag 100 eh Du nach München gingst, und in diesen Worten liegt mir der Himmel; ich sage Dir, zu allem bin ich bereit, aber nicht dazu, von Dir zu lassen. ich weiß wer Du bist. O Gott hat mir wohlgethan, in dieser Einsamkeit! die Stunden die Dir gelebt sind, sind ewig. und da ich nun den Ort verlasse warum soll ich dir nicht sagen, wie ich dich hier verstehen 105 gelernt habe: Du bist, /:wenn ich die Augen schließe und dencke in die fernste Ferne:/ herrlicher als alles was mein Gedancke erreichen kann, Gott hat dich angehaucht, und du stehst in der Unschuld Würde, und was Du berührst, das wird bewegt durch Dich zum Guten; wenn mich alles verlassen würde, was ich mir bis jezt erworben, wenn mir die Au- 110 gen geblendet würden, wenn mir die Zunge erlahmte, und ich könnte dich dencken, so hätte ich ein Leben in der Brust das mit Reichthum überfüllt ist. – Nun geh ich vom einsamen Ort weg, wo mich jeder Weg nach den Bergen führte, hinter denen du wohntest, wo jeder Blick ans Firmament deine Seele hintrug zu unserm Gott, wo viele Thränen ge- 115 flossen sind, um dein Wohl | wo ich zum erstenmal gebethet habe, daß mir war, als sey Gott zwischen meinen vier Wänden. wo ich Vertrauen erlernt habe, wo ich Glauben errungen hab; – geh von hier in eine Welt voll Zerstreiung. Du! wenn Du bis izt für mich gebethet hast, so bethe ferner hin Doppelt, werd nicht müde, bitt um alles, bitt kein irdisch 120 Glück keine Abwendung von Übel, aber bitte um Muth allem zu wiederstehen, was mich von meiner Bahn abbringen könne. und ermahn mich, ruf mir zu in jedem Brief, recht herzhaft, nehm recht die Pflicht des Freundes über Dich. Ja »Gottes Rathschluß ist unergründlich« dieß sind wieder deine 125 Worte, darinn ist wieder unendlich viel Trost für mich; ich will mich also führen lassen, ich will gehen, den Weg der mir gezeigt ist (du verstehst mich nicht, hätt ich dich gesprochen!) Erde Du bist es nicht, Himmel wirst du mir werden? – O ich mögt mit gelassnem Schritt gehen; abgewendet vom Begehren eines jeden einzelnen, die Sehnsucht 130 Aller beachtend mit Ruhe im Herzen, ohne keckheit, mögt {xxx} thun, {xxx} alle {Fesseln} sprengt, alle Herzen erleichtert, und keinen Ruhm 1146
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seh ich dabei, ich weiß nicht warum ich es thun mögt; es liegt nur so in mir. aber was weiß ich denn, was recht ist, obs nicht heldenmäßiger Gott wohlgefälliger ist, daß ich Verzicht thue auf all dieß Aufbraußen der Jugend; und in Dehmuth und Liebe denen Lebe die mein Begehren, denn Frevel ist es, vorgreifen zu wollen, ins Schicksal. Also 6 Monate noch! – du fragst ob ichs Wissen will, warum Du nicht früher komst, ein für allemal sag ich dirs, was Dir nicht Bedürfniß ist mir zu sagen, ist mir nicht Bedürfniß zu wissen; und will ich auch nicht daß du mir etwas anders Schreibst als was dein Herz dich dringt mir zu sagen; wenns manchmal still ist in deiner Seele, daß du des Vertrauens nicht bedarfst, so hüte dich auch zu schreiben, dencke nicht daß michs ängstigt, ich bin fest über Dich, die Blätter die ich von Dir in Händen habe enthalten eine Ewigkeit, ich darf nur hineinsehen, um ganz von deiner Würde umstrahlt zu seyn, die Sache ist auch zu heilig als daß man ein unnüzes wort darüber verlieren sollte. – Sey du auch unbekümmert um mein irdisch Leben und treiben, ich bins eben so wenig um das deine, selbst Gefahren Kranckheiten würden mich bei dir nicht ängstigen; ich hab oft emfunden, daß Menschen denen ich näher war in Liebe, mir nie weh thun konnten durch ihren Tod, sieh wenn ich dencke Du könntest Sterben, das macht mir nichts, mir stirbst Du nicht und doch – auch wir wollen nicht dran dencken, wenn Wir eine kleine Zeit nur uns näher gewesen wären, man erkennt sich so herrlich durch den Blick, das Anschauen, ist eine Festung um die Seele die keiner erobern kann. – 6 Monate noch! – ich kann mich nicht recht dran gewöhnen, hat mir doch in Salzburg eine 4telstunde die Ewigkeit zugetragen, was mögte, wohl in 6 Monaten geschehen. Leb wohl in dieser Zeit! Aber hör! wirst Du mir nichts zu sagen haben über die Reiße im Septemper – Du hast meine Seele, (nicht ganz erfaßt) aber ganz an Dich gezogen, ich weiß daß ein ähnliches Leben für keinen mehr aufblühen kann wie für dich, es von jezt an immerfort blühen wird, mit Arnim bringe ich vielleicht die gröste Zeit meines Lebens zu / wenn ich muß / aber mein Stern bist Du, meine Seeligkeit ruht in Dir, die Knospe soll durch dein Lebensfeuer aufspringen, deine Liebe soll die Blüthe nähren; – ich muß aber nichts was Gott nicht will, ich bin keinem Muß unterworfen, ich gehorche keiner Menschlichen Nothwendigkeit ich gehorche der Stimme meiner Brust, die aus Gott kömmt; also gehorch ich gern, und | mag sichs drehen wie es will, es wird stets zu unserem Seegen seyn, wir werden dennoch stets glücklich ineinander seyn, nur wenn ich so dencke bin ich ruhig wenn mir ein jedes Ver1147
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hältniß gleichgültig wird, wenn ich nichts mehr fürchte, dann fühl ich ganz die Erhabenheit unseres Standpuncktes. sprech mir darüber, ob du mir recht giebst, sag mir offenherzig ob dich was ängstigen kann, wegen meinem Schicksal, ob du etwas anders willst; denn ich sag dir, ich 175 hab Ehrfurcht vor deinem Begehren. ja lieber Max sey ganz aufrichtig gegen mich; – Gott ist ja so unermeßlich hoch über allem, nur in der Liebe lebt er mit uns, aber durch die Liebe leben wir in ihm, und so leben wir beide, wo uns kein menschlich Aug erreichen kann, in der heiligsten Einsamkeit. 180 Gott du hast die Tiefe meiner Brust Durch messen, du weist was ich thun kann, du wirst nicht zulassen daß dein Kind nicht erfülle, was seine Kraft vermag; ich will ganz dir vertrauen, die Hände binde mir durch die Freiheit und die Augen blende mir Durch deine Weisheit; laß mich nicht mehr aus deiner Liebe, gieb mich nicht mehr der Welt, 185 jeder Abend sey im Gebeth beschlossen und was ich thue sey durch dich gethan. – Max es muß dich auch freuen wenn ich für mich bethe, denn es ist der erste Seegen der mir durch dich geworden ist, daß ich mit Vertrauen zum Himmel spreche. Gute Nacht für Heute, ich gehe noch ans Fenster; nicht wahr heut ist eine liebe Ruhe über uns verbrei- 190 tet? – Prag am 7ten August Gestern kamen wir hier an, und heute {Savigny}; meine Reiße hierher, war eine peinliche Unruhe, jezt hat sichs aufgelöst ich habe Briefe von {Berlin} die sich an mich drängen, die mich mit jedem Gedancken 195 fest umklammern; wenn Du nur in diesem Augenblick mein Herz durchschauen könntest, dann würde viel Schmerz von mir genommen seyn. denn Da würdest Du überzeugt seyn, daß Dich nichts in mir erreichen kann, daß Du über alles erhaben bist; – {Arnim} ist eine Säule der Schwehrmuth, die in mein Herz gegründet ist, und Du bist ein 200 Kelch der Religion aus dem ich Trost trinke; – »Sey ganz mein« das sagst Du; O lieber lieber Freund! wie froh bin ich daß dieß Leben ein Ende nimt. – Schreib mir recht schnell und Deutlich, mit lauteren Worten, wie Du mit mir zufrieden bist, sag mir daß es dich nicht stört wenn ich sein 205 Weib werde und daß dir der Schaz in meinem Herzen dennoch denselben Werth habe, was ich nicht gegen mein Herz kann, das muß ich lassen; ich wollte frey bleiben, von allem Verhältniß um einst Dir nach zu gehen; aber Gott dem wir beide uns vertrauen, will mir einen andern Weg zeigen, noch weiß ichs nicht gewiß, ob es so kömmt, ich werde so 210 1148
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lang wie möglich mich frei erhalten, aber was sag ich frey bin ichs nicht in der innersten Seele, hat dein herrlicher Genius nicht auch mich berührt, kann ein Verhältniß mich einengen? – Nein keins, O schaue freudig mit mir zum Himmel, und sag mit mir daß Du über die Erde nicht Unruhe im Herzen habest; – was ich thun soll das wird geschehen, ich hab einen begeisterten Glauben an mich; und Dir treu bleiben, in dieser Liebe, die so heilig so groß ist, daß sie kein Mensch ergründen kann, das ist mein heiligstes Geschäft. denn Gott ist in mein Herz eingezogen, und hat es zur Wohnung für Dich gereinigt, u〈〈nd〉〉 mein Leben ist wie ein frisch lebendiger Quell hervor geströhmt, und zu deinen Fü〈〈ßen〉〉 ist es hell geflossen, daß Du 〈〈bis〉〉 auf den Grund sehen konntest, und so soll es fortan ströhmen bis in Den Tod; bis in den Tod und weiter in Die Ewigkeit. wenn ich dich wieder sehe so will ich deine Knie umarmen und will deine Füße küßen, Du aber wehre Dich nicht gegen solche Verehrung, sondern lasse es ein Zeigen seyn, zwischen Uns daß was Du einst Werden Wirst. du weist ja auch daß mein Thun und Lassen nicht von meinem irdischen Willen ausgeht sondern vom Himmel; – 〈〈Wie〉〉 die Profeten nicht aus sich sprechen sondern aus Gottes Geist, so kömmt meine Liebe nicht aus mir sondern aus Gottes Geist. wenn ich also einst vor Dir niederknie so gewähre es, in heiliger Majestät, denck daß ich vor dem Altar Knie der in deiner Brust dem Guten errichtet ist, dem wir beide huldigen Du Freiherr! – Ja ich nehme es an, daß das Glück mir von Dir komme, jezt erst fühle ich es Deutlich, daß ich groß durch dich geworden bin, wie ich durch mich selber nie hätte werden können; und seitdem ich entschlossen bin mich nicht mehr zu wehren durchdringt mich Kühnheit und Begeistrung. ich hätte eine schwehre Sünde auf mir wenn ich anders wäre, denn ein Kind daß ich mit vieler Liebe während 10 bis 12 Jahre mir erzogen habe, in dem mich die Frömmigkeit die Unschuld, oft erquickte daß mir selbst große Opfer gebracht hat; der Verzweiflung überlassen, es mit seinem Schicksal in der Wüste verdursten lassen, es vom Weg zu Gott (worauf {Arnim} so unschuldig fortwandelt) hinwegschleudern; wär das eine That die von mir ausgehen dürfte; würde dann noch Seegen durch mich über Dich kommen, oder Fluch? – würde ich dann noch bethen Dürfen ich bin also entschlossen mich nicht mehr zu wehren, denn ich will dem Guten treu bleiben und Dir, ich will du selber seyn. O Mein Freund, Du verstehst mich; nur so und anders nicht kann Der Himmel errungen werden, ich will herrlicher werden wie alle, keiner solls wissen, nur Du und ich 1149
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wollen in dem Tempel opfern den Wir uns auf der hohen Bergspize, in 250 einem Blick errichtet haben; sag bist du recht von der Ewigkeit meiner Seele überzeugt? – ich schließe mit unendlichem Trost diesen Brief, denn mein Vorsaz hat mich besser gemacht ich stehe seit diesem auf einer höheren Stuffe, und dir näher, ich sehe dich viel stärker viel gerüsteter im Willen Gottes. so einsam hoch sind wir die Wolken gehen un- 255 ter unseren Füsen und verdecken uns das irdische, die Sonne strah〈〈lt〉〉 auf unsere Augen die sich anblicken, auf unsere Hände die sich fest halten, in unseren Herz〈〈en〉〉 flammt die Liebe zu allem Guten. O Gott was wollen wir noch von deiner Gnade? wir s〈〈ind〉〉 unendlich reich, wo ist eine Seele auf dem Erdenrund der ein solches Glück geworden 260 is〈〈t〉〉 und was hat uns dieß Glück erworben? – die Ergebung in deinen Willen. Jezt noch einmal mahn ich dich, mir aufrichtig zu schreiben; wenn Du diesen Brief genau durchliesest so wird’s dir deutlich seyn, das mein Glück von Dir abhängt, nun das hast Du ja immer gewollt; Du 265 sagst auch, daß dir sey, als könntest du unendlich viel gewähren, du bittest mich zu begehren; ich begehre jezt die heiligste Zusicherung deiner Liebe, dein ungestörtes Vertrauen mehr will ich nicht, und der Himmel ist mein. Max Max erhalte dich mir, scheitere nicht. 270 schreib mir bald, dein Brief wird die lezte Fessel sprengen die mich hält, dann werd ich wie ein Adler hoch gegen die Sonne Steigen; dann werd ich erst recht dir gleich seyn schreib mir doch auch; wenn ich sterben würde, wie dirs wär, ob du dennoch festen Glauben und liebe zu mir erhieltest; dieß ist nur eine 275 Frage die daher entspringt, weil ich fühl daß du mir auch durch den Tod nicht entzogen werden kannst. – bei allen Menschen, die Gut und Groß erschienen, hab ichs gesucht, und bei dir, bei dem ichs nicht gesucht habe, hab ichs gefunden, längst hab ich mich geängstet 〈〈ge〉〉sehnt, nach einer stillen Freiheit in Gott, über all hab ich versucht 280 mich in die Höhe zu schwingen, du 〈〈b〉〉ist ein Baum, der in den Himmel reicht, du hast mit großer Güte und Liebe, deine Zweige zu〈〈r Er〉〉de gebeugt, und hast mich san〈〈ft in〉〉 die heilige Region getragen, nun genieße ich gleich 〈〈xxx〉〉 | 〈〈xxx〉〉tt den Du erworben hast Deine Briefe schicke unter {Savignys} Adresse, aber ganz, und 285 schreib meinen 〈〈N〉〉ahmen bloß auf den inwendigen Brief, {Savigny} ist so bescheiden daß er sich nicht einmal einen Gedancken darüber erlauben wird, und du darfst es keck thun, ohne indiskret zu scheinen. 1150
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Noch einmal erhalt mich in deiner Liebe, schreibe bald, und schreib, wenn Dirs bequem ist, auch von deiner Reiße nach M〈〈ay〉〉land, vom Glück daß auf dich wartet im Herbst, wo alle Früchte reif werden, wo ein jeder von Gott beschenckt wird. ich mein ich könnt mich nicht von Dir trennen ich müste Dir nocheinmal alles wieder holen lese diesen Brief noch einmal, und wieder, und drück ihn an dein Herz, denn mein Herz hat geklopft während ich dir schrieb, und war dir so ganz ergeben.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin Landshut, 5. August 1810, Sonntag
Am 5ten August Ich habe heute an Savigny geschrieben und sende dir diese Blätter; Jene Begeisterung die sonst nur in Momenten mein Leben verherrlichte fängt an fortwährend in meiner Seele zu verbleiben; Laß uns andächtige Kinder bleiben; die Demuth ist der Weg zum Helden; ich kann dir nicht Dank genug sagen für deinen lezten, ja für alle deine Briefe, mir ist dadurch ein unaussprechlich Glük geworden! Heiliger Gott wie hast du mich mit Gnade gesegnet, welch’ herrlicher Zukunft stürm’ ich entgegen; was für Seeligkeiten sind mir zu Theil geworden; Du schöner Herbst; Du Brautschmuk meines Werkes; die grosse Zeit will beginnen, ja ich seh es kommen Zeichen seh ich geschehen, hinübergehoben ist mein Wille, die Erde ist geschwunden unter meinen Füssen. Ja laß dir die Gewalt des Sturmes hinüberjagen, der mit edelm Gefühle mein Herz durch dringt; du AllErbarmer laß meinen HeldenWillen gedeihen! Schöne kommende Zeit, ich streke meinen Arm aus nach dir aus meinem Auge kömmt dir mein grosses Verlangen entgegen. Ein heilig Land bin ich im Begriffe zu betreten; und mit Herrlichkeiten seiner Schöpfung wird mich der Erschaffer umgeben. Ich bedarf deiner Gnade, und des Gebetes meiner Lieben; o zeichne deine Allmacht mit deinem Finger auf die hohen Felsen dieser Erde, und hülle dich in Zorn und Ungewitter; daß dann der Himmel des friedlichen Heils um so freundlicher lächle! Ich bin dir verständlich; tiefes geht vor in meiner Seele, ich schwebe über der kommenden Zeit, dir sag ich izt Lebewohl; ich schreib dir wieder diese Tage; Bleib Fest; hab den schönen Glauben fest im Auge; die 1151
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Andacht sey dein Trost, der Gedanke an mich deine Erheiterung; Ja stets schwebe vor dir das schöne Bild unsers unsterblichen Bundes, und aus dem Gewühle der Welt richte auf dein heilverkündend Auge nach dem Himmel – der Geist Gottes sey über deinem Haupte – Du hörst bald wieder von mir; noch mal Lebe wohl; Fahre fort deine Briefe an mich nach Landshut zu addressiren; und setze fleissig darauf: Bey Madam Huber Materialistin abzugeben in der Altstadt. Es wird mein seliges Vergnügen seyn bis ich dich selbst sehe deiner zu gedenken, und im Umgange unser Geister soll der Bessern Welt eine herrliche Zukunft werden!
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Von Johann Andreas Röschlaub nach Berlin( ? ) Landshut, 5. August 1810, Sonntag
Landshut in Baiern den 5ten Aug. 1810.
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Verehrteste, Vortreffliche. Welches Vergnügen Ihr gar liebes Schreiben mir und meinem guten Weibe gewährte, das läßt sich nur fühlen, nicht schreiben. Es sagt uns, daß Sie, daß Herr und Frau von Savigny, die wir so aufrichtig verehren, uns in freundlichem Andenken halten, daß Sie uns Ihrer Freundschaft werth halten. Und so leuchtet es, wie ein lieblicher Lichtstral in die düstere Leerheit, die wir Seit Ihrer Abreise von hier um uns her fanden. Natürlich mußte es aber auch eine schmerzliche Rückerinnerung an die – nun geschwundenen – frohen Stunden, welche uns in Ihrem Umgange gegönnet waren, wecken; die aber auch dem Gedanken weicht, daß Sie uns noch lieben, und daß Sie nicht für immer uns so ferne seyn, und auch jetzt uns geistig nahe seyn. Was Ihre vortreffliche Frau Schwester zu W. zu meinem Vortheile sprachen und handelten; das möge der Himmel Ihnen vergelten, und – nicht zu spät – in Erfüllung bringen. Fatal, daß dort meinem Leben die Ausdünstung eines Infektes zuwider ist, und zu den vielfachen Beschwerden meines Lebens in hiesiger Atmosphaere die faulen Dämpfe eines ärztlichen Unkrautes zu M, die hieher sich verbreiten, gehören. Was seit einiger Zeit daraus sich ergab, ist zum Wildwerden. Doch so weit lasse ich es nicht kommen. Dem Sprüchworte: Thu recht, und Scheu Niemanden, nachlebend, lasse ich den lieben Gott walten, hoffe 1152
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eine bessere Zukunft, und suche mich einer solchen würdig zu machen. Meine Familie, meine Bücher und Arbeiten, und der Gedanke an – ferne – und einige nahe Freunde gewähren mir meißtens Vergessenheit des Albernen, das mit possirlichem Pathos einher trit. Freilich daß ich nicht selten invita Minerva zur Arbeit schreite, und in einer günstigeren Atmosphaere ungleich mehr leisten könnte. Nep. Ringseis zeigt sich im Guten immer so, wie ich ihn früher beurtheilte. Er soll mir stets theuer seyn, und auf meine Freundschaft kann er bauen. Ihm wurden endlich für die Dienste als medic. Gehülfe an der klinischen Schule 250 fl zudekretirt, aber noch nicht ausgezahlt: was aber nicht fehlen wird. Ich hoffe, daß ich noch manches Gute für ihn veranlassen, und zu seiner Ausbildung gut wirken könne. Sein Talent und Eifer läßt mich alles hoffen. Alle die meinigen, was nämlich sprechen kann (mein Ernstchen beginnt es zu lernen; sonst wär es gewiß auch dabei), läßt sich Ihnen Allen, das kluge Bettinchen und das ernsthafte Fränzchen mit eingeschlossen, aber auch dem, mich so inclement nennenden Clemens B…, auf das freundlichste empfehlen, Grüße sagen, u. s. f. Daß ich selbst hiebei nicht hintenan stehe, versteht sich. Mein gutes Weib wollte ein Briefchen an die Frau Schwester beilegen; woran aber die Mutter, Hausfrau, u. s. f. gehindert wurde. – Magold, Schneider, Sailer, Zimmer, Tiedemann, Mall, Köppen, Siebenkees, Harder, und noch viele andere trugen mir die schönsten Empfehlungen auf. Mögen Sie alle frölich und wohl seyn und stets bleiben. Wo gute Menschen von richtigem Sinne leben, und Sie kennen lernen; da wird es Ihnen nicht an Verehrern und Freunden fehlen. Mögen Sie fortfahren, mir und den meinigen wohl zu wollen. Mit innigster Verehrung Ihr Röschlaub. An Fräulein Bettine Brentano
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin Landshut, 6.–10. August 1810, Montag–Freitag
Am 6t August. Einen hast du da in Bayern kennen lernen dem sein Blut nicht zu theuer ist einen HeldenKranz zu erkaufen; aber den muß eine beglükte Menschheit flechten, die Tugend, die Religion müssen ihn weihen; Ja für Gottes Licht nur sey das Schwerdt geschwungen, ich widme keinem Ruhme meine Kraft. Immer steht Freundin, dein begeisternd Bild vor meinem Auge, und meines Daseyns Glorie strahlt mir aus deiner Seele herüber; So muß es recht gut seyn, und recht unsterblich währen; denn es hat übermenschlich begonnen; ein Geistig Leben führen wir, daß die Welt darob erstaunen mag, wenn unsere Werke beginnen. Mir ist wohl, des Himmels Segen, und der Andacht erheiternde Ruh ist über meine Tage gebreitet, und die Riesen Gedanken meiner Brust sonnen sich an dem Auge Gottes. Du! du standhafte die mit mir nicht achtend des Getümmels aufgeschwungen bist mit gleichbegeisterter Seele, hinweggehoben durch meinen kräftigen Arm über ein zerbrechlich Leben; du bist aus eigner herrlicher Kraft die Siegerin deiner Feinde, du bist meines Abziels Gefährtin und meines Lebens heilig Gestirn! Am 7t August Ich wollte gestern noch so herzlich so mit Würde zu dir sprechen, und man hat mich gestört; o dieser lästige Lärm der Welt und ihrer tändelnden Menschen wird mir die Einsamkeit willkommen machen, daß ich weit von ihren leren Stimmen allein sey und befriedigt in den Gedanken an meine Lieben! In der Erforschung meines schönen Zieles; im Umgange mit den Engeln die mir Gott sendet! O mir sind Gedanken geworden, die nur Gottes erhabne Gewalt konnte entstehen machen in meiner Brust; und andächtig schwärm ich in der Anschauung himmlischer Dinge. Draussen liegt der Nebel auf den Feldern, wer aber den Berg ersteigt der kömt weit über alle Nebel zu stehen; ihm ist nicht bemerkbar das trübe Leben derer so mit dem Strome sich wälzen, unten im finstern Thale; ihn versöhnt seines Christus göttliche Liebe mit der empfänglichen Menschheit. – Du hast oft recht gehabt daß die Feder es nicht hinsetzen kann so wie es vor der Seele steht; immer mein ich den Himmel der in meinem Herzen wohnt mit tausend Lichtern, tausend erhabenen Kräften dir hinüberzugeben in dein schönes Herz – und da stokt das Wort. Das alltägliche Getriebe das um mich braußt möge mich nicht berühren; wenn ich meine Gedanke 1154
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nach dir hinrichte, ist alle Welt um mich abgestorben, so daß ich wie allein wohne in einem seligen Kreise. Du hast recht viel herrliches geschaffen in mir du grosser Schmuk meiner Seele, nimm meinen Dank daß du aufrissest vor mir alle Pforten des Wahns. Ja, wenn du da bey mir wärest möcht ich niederfallen deine Knie zu umfassen, so heiß fühl ich was mir durch dich geworden; es müßte dir Freude machen mich so dankbar zu sehen. Was kann der Mensch nicht herrliches in diesem kurzen Leben! und der sich aufschwang auf den Fittigen einer andächtigen Liebe, eines in Gott beruhenden Willens, der fühlt seine Seele Groß, und sein Daseyn ist hier schon unendlich! Du mit unsterblicher Treu bewahre mir ein heiteres Herz, und was um dich erstehen mag auf das hafte den Sonnenblik deines grüßenden Auges. Du, durchglüht von jener Geisterstunde des Berges, schwing dich eilfertig hin über alles was deine Seele nicht berührt, noch deinem Herzen Freude macht; schwing dich hin mit mir zum Throne der Urliebe. Ich bin wie mit Gnade gesegnet und mein Gebet flammt stets für euch zu den Himmeln hinauf; denn da droben muß geboren werden, was werden soll, und so ein Werk bestehen will muß es vor Gottes Angesicht bestanden haben – Ich bin heiter, weil du mir alles giebst was ich begehren wollte; Lebe so fort mit mir, neben mir du freyer Geist; Auf den Gipfeln der SchweizerFelsen will ich deiner gedenken; du sollst in meiner Seele leben wenn ich izt bald hinabsteige nach dem Lande wo die Citronen blühn; und uns soll wohl seyn in diesem himmlischen Daseyn unsrer aufrichtigen Seelen. Am 7t August. Ich bin kühn, und so stolz als gestern schon lange nicht gewesen; wie mit Flammenbliken sah ich nach dem Abend Gold hinaus, und mir gefiel das dunkle WaldGewand der Berge beständig; Tapfer, fest im Glauben; mit Geduld und Andacht leben, so geziemt es; du Freude meiner Seele, der Himmel kehrt mir bald seine schönste Seite zu, daß mir wohl werde in seiner Anschauung; recht wohl, ja recht innig wohl, so wohl als frommen Kindern wann sie beten! Bald wird die Zeit kommen die allen Vorhang niederreißt und dann tret ich mit freyer unbefangner Seele vor dein Auge hin. Was sag ich nicht alles das ist doch immer nur ein schlechtes Wort, weit hinter dem Bilde zurük das es dir geben soll; aber ahnden wirst dus doch daraus was ich wolle und verlange, wonach ich mit heisser Sehnsucht strebe, was meiner Tage schönstes Ziel sey. O du schöner heiliger Traum; jezt weis ich dich zu deuten; sey mir gelobt, dreymal gepriesen. Holde Errinnerung, da die FreudenThräne fiel bey des Morgens grauer Dämmerung, weil 1155
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sie mit göttlicher Gestalt vor dem Schlafenden war gestanden; sei in heiliger Andacht und Liebe willkomen. Ja dreymal gepriesen; mein Dank schalle zum Himmel hinauf; bald, bald, o ich erbebe es zu denken, recht bald kommt ein herrlicher, ersehnter Tag; du da drüben sieh fleißig nach den Bergen; es möchte plötzlich ein Licht heranbrechen, 80 deinem Ohr erklingen des Kommenden Fußtrit, sonst keinem vernehmbar. Ja dieser Blik wars der mir so innig tief zur Seele drang; laß mich dich festhalten du beglükendes Bild; keine Zeit raube dieser Errinerung göttliche Wollust. Schlagfertig bin ich und gerüstet; binde deine Stürme los du Erbarmer, ins Feuer der Gewölke, kleide das Wort 85 deines Willens. Den 9t August. Eben erhielt ich dein Schreiben vom 2t. Ich habe mich auf die Kniee geworfen und in Demuth zu Gott gefleht: Erbarmer, dessen Gnade meine Salbung dessen Barmherzigkeit meine Ruhe ist, gieb mir die Kraft dein Gesetz zu bewahren; und aufrecht zu stehen 90 gegen alle Sünde; gieb Heil meinem Willen; Glut meiner Andacht, HeldenStärke meiner Liebe; du Allmächtiger segne das Haupt meiner in dir Geliebten, und den Segen deines Lichtes gieb meiner Freundin; laß dir wolhlgefällig seyn Ihr und mein Gebet, und bewahre uns auf deinen heiligen Wegen! – B. hab ich so recht gebetet? Einer Seeligkeit 95 lohnend Gefühl ist in meinem Herzen, wenn ich ihn denke den freundlichen, begeisternden Gedanke als seyst du besser geworden durch mich! Wisse, o glaube es fest und tief, daß deine herrliche Seele mir viel Licht, Stärke, Trost und Beständigkeit gegeben hat. Er ist so schön dieser Brief, so heilig, so voll Unschuld und Andacht, 100 so voll göttlicher Stärke so voll himmlischen Willens, daß er vor mir steht wie ein Seraph, wie von Engels Hand geschrieben; o laß deinen Glauben so fest bleiben, dein Herz so aufrichtig, dein Gemüth so erleuchtet, und wir sind Gottes Kinder durch alle Ewigkeit. Am 10t August Ich wollte dir noch viel sagen, aber ich eile dir dieß 105 Blatt zu senden, damit du bald, recht bald in dem Gefühle mögest ruhig seyn, daß mich dieser Brief recht glüklich gemacht hat. Ich gieng noch spät Abends gestern über die Wiese hin, und als der Mond so freundlich hervorbrach hinter Regenwolken warf ich mich auf den Boden und habe recht innig und heiß gebetet; so von der Tiefe meiner 110 Seele aus war ich lange nicht zu Gott gewendet, so klar war mir die Andacht lange nicht gewesen, es war ein himmlischer Augenblik; ich habe recht aufrichtig und mit Begeisterung von dir zu Gott gesprochen; die Kraft des himmlischen Segens wird auf deinem Haupte ruhn! 1156
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Ich gehe jezt von hier; was werden wird, sollst du immer wissen, ich gehe dem Himmel entgegen; ich beschwöre dich mir ganz so zu bleiben wie ich dich habe, o sey forthin so königlich stark; dein Gebet sey forthin die schönste Zeit deines Daseyns. Savigny hat mir gestern geschrieben; wie glüklich bin ich nicht?; ich werde eilen nach Berlin zu gehen; aber vor Frühjahr | kanns wohl schwerlich seyn, du sollst alles genau erfahren; harre muthvoll aus; die SiegesPalme wird so köstlicher prangen, je standhafter sie erungen ist. Nächstes Monat geh ich durch die Schweiz nach Mayland; bin bis Mitte Oktobers zurük; schreibe nur immer wie jezt nach Landshut, und setze fleissig darauf: Abzugeben bey Materialist Huber in der Altstadt; ich werde sie so am sichersten erhalten; Recht bald mehr; jezt Leb wohl du Freude meines Herzes, du Trost meiner Seele, du Freundin aus dem Sternen Reich!
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin Landshut, 14. August 1810, Dienstag
Am 14ten August Thue was dein Herz verlangt; Gott gab das edelste Begehren in deine Seele; Sein Segen ruhe auf deiner Wahl. Daß du seyn Weib werdest wird mein Verlangen nicht stören; was du ihm geben wirst, kannst du mir nicht entziehen. Kind! so leicht pfleg ich nicht zu scheitern; Meiner Sehnsucht kann nichts im Wege stehen; der Einklang unserer Geister wird durch kein Verhältniß gestöret; die heilige Einsamkeit unserer Seelen hat sich im Sternen Reiche eine Halle gebaut, wohin keines Menschen Fußtrit kommen kann. Nein diese Begeisterung kann nie mehr gelähmt werden, und diese himmlische Harmonie wird unsterblich seyn. Was du willst ist so edel und fromm, daß ich gebetet habe Gott möge dein Herz immer so bewahren. Was ich von dir begehren wollte hast du mir gegeben, und kann nimmer von mir genommen werden; ist mir ein heilig Geschenk, eine Krone aus Sternen geflochten von einer tröstenden Hand; sey mir willkommen in der Überfülle deines Reichthums, der da wieder einen Glüklichen schaft. Eins bitt ich dich: Sprich nie von mir zu A. und sag mir ob es ihn nicht kränken wird daß ich dir recht oft schreiben werde. Und dann noch eins, wenns Gott so geben will, und es dir lieb ist: Einmal möcht ich dich noch sehen bevor du sein Weib geworden. – 1157
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Ich war vorgestern von hier geritten um einen Mann zu besuchen, der durch die RiesenKraft seines Geistes meiner Seele einen heiligen Schwung nach dem Himmel gab. Er ist Pfarrherr 9 Stunden von hier, in einem Thale dessen nördliche Mündung sich nach der Donau öffnet, nach den Gebürgen der Pfalz zu. Ich war gegen Abend an ein Kloster gelangt; wollte da übernachten; die Sonne war nicht unter noch; ich stieg einen Berg hinan. Jezt sank sie, und ein heiteres Roth floß über die Wolken hin; vor mir aber waren in grauer Dämmerung die Berge gelegen über die mein beflügelter Schritt damals war geeilet, euch in Bukowan zu besuchen. Meine Seele war bewegt, fast wollt es zu stürmen beginnen in dem Herzen; da sah ich recht dankbar nach dem Himmel hinauf und weinte, und betete. Dann zog ich ein Blatt heraus und schrieb folgende Worte darauf: »Das war ein schöner Augenblik; o diese Thränen die so heiß zur Erde fielen, aus meinem himmelangehobenen Auge sie haben das Vorgefühl des Himmels in meine Seele gebracht. Ich habe gebetet, so innig; ich bete noch immer, so voll Dankbarkeit – du, deren Geist ich fühle daß er mir nah sey, meine Wangen berühre, um meine Stirne schwebe, du sollst Freude haben in meiner Andacht. Unsterbliche sey mir willkommen in den Himmlischen Hallen, sey mir willkommen auf der Erde die dich trägt, du Königliche, du Trösterin, aufschwingend Gestirn. Da rechts seh ich hinaus nach den Donaubergen, und des AbendHimmels Roth steht klar vor mir rings um die Thäler meines Vaterlandes, und der Mond fängt an zu flammen. Erwarte mich mit kräftigem Sinn; – Herbst! mit deinen Wonnen, mit deinem Entzüken, deiner Verklärung – o wenn es Frühjahr wird, wenn es Frühjahr wird!« Den Abend hab ich noch viel gebetet; die Mondnacht war göttlich. Vor Aufgang der Sonne war ich draussen auf der Wiese, mein Herz zu Gott zu erheben, seine Gnade seinen Segen für dich zu erbitten. Seine Stärke komme über uns alle. – Und dann bin ich hingeritten jenen Mann zu sehen; er heißt Holzwart, war in den Lyzeen mein Lehrer, er führte mich ein, in die Hallen der heiligen Mathesis, und schloß den Tempel ächter Erkenntniß vor meiner Seele auf. Ihm dank ich ein zufriedenes Leben, einen unersättlichen Durst nach Wissenschaft die Zugleich das Herz befriedigt. Dort lebt er izt einfach, großartig, im Schooße der Natur, im Genusse reiner ländlicher Szenen. Ich bin beruhigt von ihm gegangen und habe mein Pferd angetrieben Landshut zu erreichen daß ich einen Brief von dir fände. Und sieh’ dieß Glük ist mir geworden. Ich will Gott recht dankbar seyn, daß er durch mich in dir 1158
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Solches hat werden lassen, danke du ihm für das was du mir geworden bist. Unser Verhältniß schwebt so frey und aus sich selbst begründet über der Erde, daß die Vergänglichkeit keine Gewalt darüber hat, daß es kein irdisch Auge erreichen; kein Ohr vernehmen kann, die heilige Harmonie unserer Seelen. Ich bin mit deinem Briefe nach dem Annaberge geeilet, daß ich da recht ungestört mit dir seyn könne. B – du hast dich da herrlich entfaltet vor meinem beglükten Auge, so fromm ist dein Heldemuth, und deine Weiblichkeit so edel. Als ich gelesen hatte weinte ich recht heftig, und küßte mit brennendem Munde die Erde, wo du auch schon oft gegangen warst. Ich sah über die drey Jahre hin die ich hier gelebt, und fand Gottes Barmherzigkeit so unermeßlich, daß mein Herz überströmte von dankbarem Willen. Ich gehe in einigen Tagen von hier; Antworte mir recht bald, denn den 7, od 8t nächsten Monats geh ich nach Mayland über des Gotthards Höhen. Schreibe nur immer nach Landshut, wie izt; ich will Sorge tragen die Briefe sicher zu erhalten. Ich selbst schreibe bis dahin noch öfters; bist du doch immer mein einziger Trost! Ich eile diesen Brief zu schliessen denn du wolltest schnelle Antwort; konntest du zweifeln an meiner Bestimmung; bey Gott ich fange an diesem Leben nicht anzugehören, aber ich bitte Gott dennoch es mir recht herrlich auszuschmüken. Nochmal, was ich verlangen konnte das gabst du mir, du gabst mir es mit soviel Fülle daß meine Seele zufrieden und glüklich geworden ist; fahre fort auch andre glüklich zu machen; Mir wird bey Gott! dadurch nichts entzogen seyn; unser Verhältniß ist über allem Maase, und wird von keinem andern berührt; was wir verlangen, konnte nur Gott geben; er hat es so wunderbarlich groß gethan, daß es unsre heiligste Pflicht ist diesen Schatz diesen himmlischen, mit dankbarer Seele zu bewahren, und zu beten daß wir seine frommen Kinder bleiben. Daß sey dir genug, ich bin dein wie vorher ganz dein; und du bleibst mein vor wie nach ganz mein; Laß alle Zeiten herablaufen, alles Denkbare geschehen; Erreigniß sich an Erreigniß drängen, unser Ewiger Bund steht dennoch aufrecht, und sieht so ruhig auf das Leben hin, als das nächtliche Sieben Gestirn auf unsern Planeten. drum sey ruhig und so heroisch wie in dieser lezten Zeit; ich kann dich nicht anders denken als stark, heilig, fromm; drum glaub ich nimmer mehr daß die Zerstreuung Macht über dich gewinnen mag; aber dennoch will ich 1159
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beten, weil wir Menschen sind, und der Himmel mit Mühe will errungen werden. 100 Und jezt Lebe wohl, ich bin ruhig, seh eine schöne Zukunft; bin schon izt beglükt in der Andacht unsrer Seelen; das wird unsterblich währen, weil es der Unsterblichkeit werth ist!
*805. An Johann Wolfgang von Goethe in Teplitz Zwischen Teplitz und Berlin, Mitte August 1810 Johann Wolfgang von Goethe an B, Teplitz, 17. August 1810:
Nun aber kam dein letztes das alle die andern übertrifft. Kannst du so fortfahren dich selbst zu überbieten so thu es. (Nr. 807,4-5.)
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin Landshut, 15.–17. August 1810, Mittwoch–Freitag
Am 15ten August. Ja, ich hab ihn recht an mein Herz gedrükt diesen schönen Brief; du hast ihn in einer unsterblichen Stunde geschrieben, der Hauch Gottes weht aus diesen Blättern in meine Seele herüber. So bist du mein, so sind wir recht ein Wesen, unser Bund ist so recht für die Ewigkeit geschlungen. Mich drängt es immer zu beten, darauf bin ich so ruhig und heiter, trag einen Himmel im Herzen. An den Ufern der Isar fliessen meine Thränen, und in stiller Mondnacht steigt meine Andacht zum Himmel. Du, dieser lezte Brief hat mich so ruhig um dich gemacht, ich hab dich so heldenmüthig gefunden, bin recht zufrieden mit dir, und Gott ist es auch; o bleibe so, ich will nicht müde werden zu beten, zu jeder Stunde will ich flehen für dich, mit jedem Blik nach dem Himmel an dich denken, stets zu Gott von dir sprechen. Sieh, ich hab so viel Freude und Trost an dir, du erfüllst mich ganz, schmükest aus alle Tiefen meiner Seele mit dem Lichte deiner Freundschaft; Ich will bald kommen an deiner Seite zu beten, zu weinen, ein EngelLeben zu führen in heiliger Einsamkeit. Du Erbarmer da drüben, lehre mich dir dankbar seyn, denn deiner Gnade ist kein Maaß, und deines Segens keine Gränze; ich will liegen zur Erde geworfen, ganze Nächte zu dir beten, dich in meinem 1160
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Leben verherrlichen, mit meiner Seele heissestem Willen dein frommes Kind zu bleiben streben; Aber senke die Salbung deiner göttlichen Gnade auf das Haupt meiner Freundin, schik ihr deine Engel, daß sie ihr schönes Herz zu deinem Throne tragen; wo sie wandelt möge deiner Heiligkeit Strahl sie umleuchten, daß sie dich erkenne, und lobe in jedem ihrer Worte und Werke, in jedem Verlangen dich verherrliche, das aus ihrer Seele kömmt. O bewahre dieses dein Geliebtes Kind auf dem Wege zum Himmel, daß wir einst mögen leben zusammen in endloser Glorie ein dir ähnlich ewiges Leben, im Reiche der seeligen Geister! Ja Freundin, bleibe so, so tapfer, so treu, so gut; bey aller Heiligkeit unsrer Eintracht, laß nicht ab von diesem Feuer welches dein Herz durchglüht; wenn dich das Brausen der Welt umstürmt, o so denk’ an deinen Freund der für dich betet, in deiner Andacht glüklich ist; so glüklich daß er dich sein nennen – darf. Bey jenem unsterblichem Leben das wir noch zusammen leben werden, bey jener heiligen Stunde des Berges, wo uns Gott seinen Willen bedeutete, bey jener frommen Sehnsucht die mich nach dir hinzog bis an die böhmischen Wälder, bey aller dieser Glorie unsers in Gott verklärten Daseyns, laß nicht ab recht einsam und in Gott beruhigt zu bleiben. Was auch werden mag, wer will dich mir rauben, wer wagt es zwischen uns zu treten, Leben wir nicht ein GeisterLeben; o kein Auge erreicht unsern Händedruk; kein Ohr vernimmt den Einklang unsrer Herzen, als nur Gott dessen liebe Kinder wir sind, der uns seine Gnade so wunderbar gegeben hat. Sieh! ich hab mir vorgenommen dir Gebete zu schreiben, die du in deine Bibel legen sollst; und wenn du recht hingezogen bist zur Andacht, wenn dir recht fühlbar ist, die Näh’ des Allerheiligsten, dann sollst du sie beten, und recht herzlich meiner gedenken. Das wird mir viel Trost seyn. Denk nicht daß ich sterben könnte; ich will beten daß wir beyde recht lange glüklich leben; bete du auch so – Du weißt ja wem mein Leben gehört – Trennen würde uns das nicht liebe Schwester – nein trennen gewiß nicht, viel inniger noch verbinden vielmehr; einsamer, um so heiliger würde mein verklärter Geist über dem deinen schweben; o meine Seele würde recht entzükt seyn dich anzuschauen himmlische Wonnen würd ich hinüber hauchen in deine Brust – aber nochmal laß uns Gott bitten, ihm hier recht lange zu dienen, recht viel herrliches zu seinem Lob vollbringen, recht viel Trost unsern guten Brüdern seyn. Seit deinem lezten Brief drängt michs für diesen Arnim zu beten; Gott der du meine Seele durchschaust; laß dir meine Sehnsucht wohlgefällig seyn, mache meine Stimme stark deine Herrlichkeit zu ver1161
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künden, und meinem Arm giebt Kraft für dein Gebot zu kämpfen. – Du weißt daß ich nach Mayland geh; was soll ich dir davon sagen; o bete daß ich des | Himmels würdig bleibe den mir Gott verheissen hat Das sollen schöne Tage werden schöner als sie eine Menschen Seele denken kann, ich schwindle wie von einem Seraph nach unermeßlicher Höh getragen. laß dich das nicht betrüben, daß ich nicht zu dir kam diesen Sommer, es wäre schön gewesen, bey unsrer Seeligkeit! aber nicht wahr, es ist so auch recht schön geworden und geblieben? Sey mir willkomen süsse Pflicht die du auf mich gelegt hast dir zuzurufen auf deinem Wege; möge Gott mir dazu das Licht seiner Weißheit, die Fülle seines Willens leihen; ja höre meine Stimme die so herzlich aus diesen Briefen nach dir ruft, und die da saget: Freundin, Freundin sey eingedenk der Ewigkeit. Was ich verlangte hast du mir so schön gegeben, daß meiner Seele unendlich wohl ist und daß ichs recht fühle, es werde unendlich fortdauern. O könnt ich liegen in jener FelsenHalle die über dem See gewölbet im Salzburger Lande vor niederstürzendem Gewässer seit tausend Jahren zu Gottes Lob auftönt; o könnt ich da knieen mit aufgehobenen Händen, mit andächtiger Seele Gott um Gnade bitten für uns – aber auch hier und wo ich auch immer sey, will ich nicht müde werden im Gebet zu liegen, emporzurichten mein demüthiges Herz. Ja wenn du dich recht seelig fühlst; recht glüklich aus der Tiefe des Gemüthes, o so denke Gott habe mein Gebet erhöret. Nochmal, nur recht einsam und from geblieben, Gott und mein Ziel im Auge; ich will um dich seyn wo du dich auch hinwenden magst; meiner Seele ist wohl in deiner Anschauung. Am 16t August Nachts. Und dieß sind die lezten Stunden die ich hier verlebe. O wärst du bey mir daß du in einem Blik, voll Seele, hinnähmest meinen Dank, für den schönen Himmel den du in mein Herz gegeben hast. Seit ich dich sah, wars’, als strahlte mir dein Blik aus dem Himmel herüber, und als billigte Gott in deinen Bliken mein geheimstes Beginnen, mein tiefstes Begehren, die verborgenste Sehnsucht meines Herzens. Dann haben uns Gottes Engel nach dem Berge getragen, und unsere Seelen in einander gekettet, ein Unsterblich Band geschlungen um unsere Herzen; Ja, seit damals leben wir ein verklärtes Leben, und in sehnsuchtsvoller Andacht, fliessen unsere Tage gottgefällig dahin! Ich gehe jezt ein einsam Leben führen, in stiller Kammer keinen Freund um mich, will ich beten, forschen, lieben. In meiner Familie Schooß der Welt entbehren, im Genuße deiner Briefe schwelgen; mit 1162
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dem schönen Ausblik nach herrlich grosser Zukunft an die Sonne heraus treten. Dieses lezte Jahr hat mir die Tiefen des Himmels auf Erden erschlossen; und auch du wirst stets segnen die schönen SommerTage deiner ländlichen Einsamkeit. O laß den zweyten Sommer kommen und ich will an deiner Seite blühen, mit der ganzen Kraft eines bessern Jahrhunderts. Ja es wird werden, laß uns beten daß er recht bald werde. Ich setze viele Hoffnung auf diesen Herbst; dir Schwester meiner Seele will ich getreulich berichten was meinem Herzen Heil wiederfährt. – Ich gehe übermorgen nach München, verlasse Landshut auf immer; eine neue Epoche beginnt meinem Leben, Freundin da wird Kraft und Segen Gottes nöthig seyn; Erfleh ihn mir; mein Gebet ist stets für dich auf meinen Lippen. Drey Jahre bin ich hier gewesen, habe lang bewahret im Gewölbe meines Busens das schöne Verlangen meines Geistes du hast mein Zutrauen hinüber genommen, und mein Daseyn unendlich versüsset; be|lohnt hast du mein geheimstes Streben durch die Freude die mein Herz erlebet, und durch des Himmels Segen den du mir erbetet. Mit grosser Ruhe seh ich über diese Tage hin; und des Frühjahrs Stunden, sind mir ein wundervoller Augenblik. Freundin, fahre fort mir von Tag zu Tag das Befinden deiner Seele zu bemerken; ich wills auch thun; dann mögen wir uns rathen, loben, tadeln, erfreut seyn, voll Entschluß nach der Tugend streben, voll Liebe von unserm Schöpfer sprechen, recht von Herzen versprechen seine frommen guten Kinder zu bleiben. Am 17t August; Morgens. Und das sind die lezten Zeilen die du aus Landshut von mir erhältst; aus diesem Landshut der Wiege meines Glüks. Da sah ich dich aufblühn, und meine Seele war erfreut darüber; und einen ganzen Winter hab ichs bewahrt was ich himmlisches aus dir ahndete. Und es ist geworden; ihr Himmel tönt es wieder; es ist geworden; daß es währen möge durch Gottes Ewigkeiten hin. O wenn ich diesen heiligen Schatz deiner Briefe vor Gottes Thron entfalten, und ihm die schöne Andacht deiner Seele zeigen werde; er weiß ja darum, hat dich gestärkt und gesalbet; du ruhst an seinem Arme, seine Engel umschweben dich, dein Geist ist von seiner heiligen Liebe entzündet! Du wirst meinen lezten Brief erhalten haben, in dem ich mit freudiger Seele /:freudig über deinen Heldenmuth:/ dir deine schönen Fragen beantwortete. Ja, nochmal, sollte mich etwas stören können was Dich um so besser macht? Ich kenne niemand der mir nehmen könnte von dem was du mir gegeben hast. Ich fühle täglich neue Gaben von dir; denn diese Flammen in meiner Brust, diese heilige Unruhe meines 1163
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Willens, dieser Drang nach dem Himmel, o sie sind die Frucht deines erhörten Gebetes. Und was wollt ich von dir?; was hast du von mir verlangt? Was wir geben wollten, konnten, was jeder bedurfte, das haben wir ausgetauscht auf der heiligen Spitze des Berges! 140 Ja ich bin seelig in unserm Geister Leben, ein namenloser Drang quillt ans meiner Seele nach den Himmeln, und ich denke grosse Thaten, grosse Gedanken wälzen sich durch meine Brust. O dieses heilige Feuer in meiner Brust von deinen Bliken entzunden es wird nimmer verlöschen; brennt ihm doch eine schwesterliche Flamme in der dei- 145 nen. Was wird nicht alles werden noch; ich stehe da, und durchmesse die Fernen, daß ich Gottes Wink erkennen möge; ich will mein Herz rein halten, seine Stimme zu vernehmen. Und jezt bete mit mir, nur ein Wunder kann mir die Bahn brechen, nur die unmittelbare Gewalt des Herrn die eisernen Pforten spren- 150 gen, an denen ich steh; ich nenne nichts mein eigen, im heissen Durst einer heiligen Liebe hab ich hingegeben was der Welt gehört, und in Demuth steh ich vor dem Throne dessen Schemmel die Gestirne sind. O laß durch ein Gottgefällig Leben dein Herz einen Tempel seyn, der heiligen Trost für mich beherbergt, wo die höchste Gnade gerne woh- 155 nen mag. Du sagst ich möchte dir zurufen; ja ich wills freudig thun: Bewahre mir eine tapfere Seele! Und jezt leb wohl, sey mit Gott häng an der Welt nicht; bewahre das Heiligste was uns geworden rein in deinem Busen, und so du Kummer oder Zweifel hast, o so sag mirs deinem Freunde, der Gott für dich bit- 160 ten wird daß er ihn stark erhalte dich zu Trösten. Schreib nur oft, die Stunden die wir so zusammenleben sind dem Himmel gewonnen. Ich gehe bald nach Italien, im schönen SchweizerLande will ich Gottes Wunder sehen, daß mir sein schönstes, herrlichstes, heiligstes um so verklärter erscheine du verstehst mich recht aber die Stunde ist noch 165 nicht gekommen; und dennoch ist mein Glaube fest wie meine Liebe. Ich hab mir ein Leben vorgezeichnet das izt beginnen soll, aber des Himmels Salbung ist dazu nöthig wir wollen sie erbeten. das wird ein Leben seyn wie eine GeisterHarmonie, wie ein himlisches Fest. Meine Entwürfe du grosser Tröster stehn in deiner Hand; nimm den Kelch 170 von mir wenn es gut ist; aber nicht mein sondern dein Wille geschehe; ich bin in Demuth dein Andächtig Kind, und möchte dich gerne bitten daß deine wundervolle Hand stets auf meinem Haupte ruhen möge. Kleide meine Freundin in das Licht deiner Weißheit, und die schöne Andacht ihres Herzens möge dir gefällig seyn; Gieb deinen Segen über 175 1164
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meinen Willen, und jene heilige Liebe die mich zu deinem Throne geführt hat, laß sie fort flammen in meiner entzükten Seele. Segne alle die mir lieb sind. Und izt nochmal Leb wohl; Schreibe stets wie izt nach Landshut; ich erhalte deine Briefe; geradezu an Savigny scheu ich mich fast meine Briefe zu schiken; sag mir was du denkest. Ich schreib dir bald wieder sey recht heiter, ruhig, from! Nenne mir Bücher wo schöne Novellen sind; ich lese gerne Romanzen der ritterlichen Vorwelt.
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Deine Briefe, allerliebste Bettine sind von der Art daß man jederzeit glaubt der letzte sey der interessanteste. So ging mir’s mit den Blättern die du mitgebracht hattest, und die ich am Morgen deiner Abreise fleisig las und wieder las. Nun aber kam dein letztes das alle die andern übertrifft. Kannst du so fortfahren dich selbst zu überbieten so thu es. Du hast soviel mit dir fortgenommen daß es wohl billig ist etwas aus der Ferne zu senden. Gehe dir’s wohl! 〈Zettel:〉 Deinen nächsten Brief muß ich mir unter gegenüberstehnder Addresse erbitten. Wie ominos! O weh! was wird er enthalten?
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An Demoiselle Bettine Brentano Platz mon bijou No. 1. bey H* von Savigny in Berlin
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*808. An Johann Wolfgang von Goethe in Dresden( ? ) Berlin, vmtl. letztes Drittel August–Ende September 1810
Nun 〈…〉 hätte dir schon lange für deine lieben Blätter dancken sollen, die mir alle nach und nach zugekommen sind besonders für dein Andencken vom 27ten Aug. (Nr. 823,1-4.) Johann Wolfgang von Goethe an B, 25. Oktober 1810:
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Gestern war kein Tag, ich saß bis 1 Uhr Nachts in der Conferenz, daß der Himmel darüber anfing zu regnen, und mir die Haare ausfielen. Mein Onkel & Tante verreisen heute Mittag, heute Abend soll gestern seyn morgen heute und so habe ich immer etwas noch zu fordern. Achim Arnim
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An Fräulein Bettine Brentano
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, vmtl. letztes Drittel August 1810
Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 20.–23. August 1810, Montag–Donnerstag
Am 20t May München. Ich bin recht ruhig um dich; und mein Gebet steigt für dich zum Himmel; Ich habe Landshut verlassen, ein freundliches Leben ist mir untergegangen, und ich sehe ernsten Dingen entgegen. Aber da ist der Herbst noch, der dreymal gepriesene, mit seeligen Bildern für mich! O daß ich nur schon von hier wäre dort wo mir am wohlsten ist! Meine Einsamkeit hat begonnen, dein Geist ist um mich, er fülle mein Herz mit Begeisterung. Als ich hieher fuhr laß ich alle die Briefe durch, die ich von deiner Hand empfangen; das waren beglükte Stunden, ich war so ganz mit dir, und ganz mit Gott. Adieu; es ist um die Mittagsstunde, 1166
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und aus allen Kirchen tönt die rufende Gloke hinauf; ich habe keinen Schwung izt mit dir zu sprechen. Gottes Segen mit dir. O Freundin die Zeiten sind ihrer Erfüllung nah und es werden grosse Zeichen am Himmel geschehn; Bleibe rein und fromm daß du unbefangenen Sinnes in den Sturm hinaussehen mögest so er zu toben beginnen wird. Ja mich drängt es, und von allen Seiten drükts wie Gewitterluft an mich, du Rächer wann wird dein Blitz das Wolken Gewölbe zerspalten, das da umhüllet die Glorie deines Thrones, o meiner Seele verlangt es deine Herrlichkeit zu schauen! Am 21t May Nein so was ist noch nie geworden, noch wird es die Zeit jemals wieder bringen sag; hab ich denn ganz alle Welt verlassen, ist denn nichts um mich das mich knüpfet an das körperliche Band der Erde, immer schweb ich in Gefühlen schöner Hoffnung, immer zaubere ich den Himmel in mein Herz herab; immer sind der Errinnerung süsse Bilder in meiner Seele, o daß es so fortwähren möge, daß kein Mißklang störe diese reine Harmonie, daß kein Schiksal greiffen möge mit zerstörender Hand in dieses schöne Beginnen. Ein Tag klingt hinab nach dem andern, und wir sind immer drüber hinweg; nichts bleibt mir für izt dann eine namenlose Sehnsucht; ich bin nur erfüllt und nur dann voll Gegenwärtiger Seeligkeit wenn ich meiner schönsten Stunden gedenke. Weist du noch in Salzburg an der AbendTafel als wir uns mit dem Arm so drükten; Weist du noch als du aus dem Zimmer tratst, und im dunkel stehend nach mir sahst; da schlug die Geburtsstunde der bessern Welt; das Feuer mag zu dir gesprochen haben das damals in meiner Seele brannte, bey Gott! hab ich je Menschenwürde gefühlt so ist es damals gewesen; ich sah die Zeitlichkeit wie vernichtet, stand wie auf Trümmern morscher Gebäude, und wie eines schönen Sommermorgens Himmel, wölbte sich über mir der Äther verjüngter Hoffnungen. Frage dein Herz wie dir da gewesen ist; Frage es wie dir war als in Neumarkt du den Scheidenden ansahst in stummer Betrachtung; ich habe sie wohl aufgehoben jene Handschuhe, ich will sie dir bringen, die oft geküßten. Aber das mag mir wohl nicht geziemen, sag mir wie du’s meinst; bin ich nicht ein Opfer geboren, soll nichts ersinnen als des Werkes Vollendung, nach nichts meine Hand ausstreken als nach dem ehernen Gebot des Herrn, und nichts lieben als die Erlösung – Nein doch, eine Seele lieb ich ja doch, und Gott wird Wunder thun sie zu mir zu führen; er wird mit mächtigem Zauberschlag mir mein schönstes Glük erschaffen. O Freundin wenn du sie gesehen hättest, wenn du sie erst sehen wirst; kühn ist 1167
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mein Glaube, und unerschüttert steht er von der Wurzel auf, und die Anker meiner Hoffnungen sind in meines Gottes Barmherzigkeit geheftet. Herbst, hab ich dich nur erst; o bete daß er Wunder thue. Ich war 19 Jahre alt als ich die Schweiz betrat, wenn ich dir die Zuger Nacht schildern würde – und den Morgen darauf so hättest du ein Bild wie ich gerne die Zukunft ahnden möchte Mein Fenster lag gegen Süden hinaus, und war gleich herbstlicher Nebel über dem See so war das Gewölbe des Äthers doch rein mit den köstlichsten Sternen besezt; ich kannte jene Gegend nicht, wußte nur wie da unermeßliche Berge vor mir, und hinter denselben ein göttliches Land läge; aber heftig war ich mir bewußt meiner Liebe, und meine Seele war ihr ganz hingegeben. So betet man recht innig, und gewiß recht gottgefällig auch Aber den Morgen drauf, weil wir schon zur See waren als noch 3 Sterne drinn flimmerten, den Morgen drauf hat sich ein köstliches Schauspiel gezeiget; weil ein grosser | Kampf zu sehen war zwischen Himmel und Erde; die Morgenstrahlen in ihrer ersten Jugend, warfen sich hin auf Dunst und Nebel, und warfen sie unter sich in die tiefsten Schlünde; ich sah so zu wie sie rangen von meinem Schifflein aus; dann aber ist es heller Tag geworden, daß ich nach dem Gipfel des Rigi hinaufgestiegen bin und mein Scheitel war im Lichte der Sonne, und mein Auge war in fernen Landen; Mein Herz aber bey ihr, und meine Seele mit Gott. und wenn ich jezt erst wieder hingeh’ seit ich so reich bin durch dich, so deutlich vor mir steht das Gebot das ich damals ahndete, und an deiner Hand, an dem Lichte deines Auges, in deines Geistes trauter Umarmung mir mein Heil mein Beruf so köstlich, so heilig geworden? Du sollst wissen davon; ich bete für dich; und mich drängt es für diesen Arnim zu beten, o fahret glüklich und betet für mich, denn ich bedarf der Gnade und der Kraft. Am 22t Morgens. Ich möchte gerne wissen ob du ruhig seyst; so unsterblich heiter als in deinen lezten Briefen. So ich eile kann ich noch Antwort haben auf diesen Brief vor meiner Abreise nach Mayland; dann kann recht viel werden, das Reich der Gnade kann dann beginnen, o lebe dann wohl, recht wohl, denke deines Freundes, dein Geist sey um mich an des Berges Höhen und in des Thales Tiefen, auf den Schneefeldern des Gottharts und in dem Schatten der Citronenwälder Italiens. Wenn ich so immer Abends hinauseile nach Untergang der Sonne wo der Himmel noch glüht, und mich hinwerfe ins Gras betend, dann nachsinne was es denn sey mit mir daß ich nimmer Ruhe habe in der 1168
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Gegenwart, daß keine Zufriedenheit aber lauter Sehnsucht in meinem Herzen sey, daß ich Welt und Menschen fliehe, das Dunkel der Wälder die hohen Berge, den einsamen See stets aufsuche, dann weis ich mirs nicht zu sagen, aber mein Verlangen nach dem Himmel wird dann heisser, und ich sehe lange den Sternen nach, und denke gar nichts als daß ich unsterblich sey; und wenn ich mich selbst erst wieder habe, und um mich sehe, und so viele Brüder um mich weiß die auch alle unsterblich sind, dann knie ich Wieder und sage: Vater dein Wille geschehe, aber laß das schöne Werk gelingen. Und nichts hat jezt schon mir bleibenden Werth als meine Liebe und unsere Freundschaft, dann meine Andacht und Tugend. Denn was ich thue mein ich werde morgen wieder vergehn, bis die Zeit kömmt da ich thun werde was nimmer vergeht. Jezt leb ich schon 4 Monate so mit dir; mein Gott wie viel schönes ist mir nicht geworden! Glüklich daß ich weiß was auch dir dadurch geworden; o dieser Sommer hat einen ewigen Himmel gebracht; Einst vor dem Throne der Heiligkeit wollen wir erzählen alle diese Stunden des Gebetes, der Sehnsucht, des Entzükens; und die Engel sollen Freude haben an dieser Erzählung! In so geistiger Harmonie, in so heiliger Eintracht haben 2 Seelen noch nie gelebet, und unser Bund, hör es und sey die glüklichste, unser Bund ist ewig. Am 23t Abends Ich kann sie nicht vergessen diese Stunde, da ich vor Einbruch der Nacht Dir meine Seele erschloß. Eine tiefe Bedeutung ist in mich eingegangen und wie auf eine Erfüllung eines grossen Verlangens seh ich über jene Zeit zurük. Heut und gestern war der AbendHimmel so roth, daß es meinem Herzen wohl that. Ich bin stark, vermag etwas rechtes zu tragen aber Freundin Freundin säume nicht den da drüben für mich zu bitten; denn die Versuchung ist groß und des Anstosses kein Ende. Und doch, ich kann dirs nicht verhehlen; doch fühl ich mich meistens Königlich leicht, und schreite durch den Tag hin wie ein Überwinder. Das ist mir so süß | daß ich oft recht aus ganzer Seele für dich beten kann; ein grosser Stolz ist mir meine Andacht, ich weiß daß das nicht kann geraubt werden. Gestern hab ich abends recht mit Herzlichkeit von dir zu Gott gesprochen, nein es kann nimmer fehlschlagen, wir sind fromme Kinder, und somit starke Helden – Jener Quell unversiegbarer Freude, jene Liebe die in meinem Herzen thront, und die ich so ganz in Gottes Hand gegeben habe, ist mein 1169
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einig Ziel. Du, ein Wesen mit mir, mußt daran recht viel SeelenLust haben; denn das ist der Schmuk unsers Geistigen Lebens daß sich der eine erfreue an den göttlichen Bildern in der Seele des andern. Ich bin 130 weit von dir und doch so recht nahe an dir; Heut hab ich sie recht lebhaft durchgedacht jene Stunden; mein Auge schwamm in FreudenThränen; es fließt über wenn es nach dem kommenden Herbste sieht. Mir verlangt recht nach einem Briefe von dir, der wird wieder ein Schwung und ein Trost seyn, der wird mich wieder tragen in Begeiste- 135 rung nach dem Himmel. Ich schreib dir noch ein paarmal bevor ich von hier gehe, und so es seyn kann auch von der Reise aus; ich werde abwesend seyn von 8 Septemb bis 8t Oktober, und wo möglich geh ich über Salzburg zurük. Ich werde diesen Winter viel Trost bedürfen von dir schreibe mir recht 140 oft – doch wer weis was die nächsten Tage bringen; mein Haus ist bestellt, der Erzengel bringe mir meines grossen Vaters Gebot. Und jezt gehab dich wohl, ich bin dir von ganzer Seele gut, und mein Geist ist ohne Unterlaß bey dir; denn diese Glut, diese Verklärung diese mit himmlischer Ruhe abwechselnde Sehnsucht sind mir eine will- 145 kommene Frucht des ewigen göttlichen Bundes unsrer Seelen! Schreibe nur immer unter meiner Addresse nach Landshut.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 25. August–1. September 1810, Sonnabend–Sonnabend
Am 25t Der Reichthum deines Geistes bringt mir täglich schönere Frucht, mir ist unendlich wohl im Umgang unsrer Seelen; denn du bist es ja die da meinem Auge begegnet so oft es nach des Himmels lichtem Mittagsblau, oder nach der magischen Dämmrung des Abends, oder nach den prangenden Gestirnen sich wendet. Ich lerne tief schätzen das Heiligthum das mir geworden ist; ich bin wie von Gott in einen Tempel geführt wo ich wohne, abgeschieden und einsam in seeliger Betrachtung, bis mir auf sein Geheiß der Engel die Pforte öffnen wird, daß ich hinaustrete zur Welt zu sprechen. So entwischen mir die Stunden, und wenn ich immer schon izt strebe in die Zeit, in meine Umgebung einzugreiffen so wills doch nicht recht gelingen. Ja nur die Augenblike bringen Segen in mein Herz, die ich abgeschieden von der Welt mit euch lebe. 1170
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Ich erwarte mit Sehnsucht einen Brief von dir, ich bin izt lange ohne Trost, seit jenem Prag weiß ich nicht wo du weilst, wo du denkest, wo du wirkest. Es fängt an sich in meiner Seele so auszubilden wie ich stets den heißen Wunsch gehabt daß es werden solle Nur kann ich dir das so genau nicht sagen; wenn du da bey mir säßest möchtest du mich wohl besser verstehen, oder vielleicht auch nicht; ich weiß nur was, nicht aber wie es werden soll, und achte mit Ergebung jeden Wink des Herrn. Ich glüklicher aus allen zum Boten seiner Liebe ausersehen. Ich muß izt abbrechen wo ich so gern lange zu dir gesprochen hätte; aber izt ist es einmal so, daß ich überall nur ahnden lassen kann wo künftig ein heller Tag glänzen soll, der dein Auge erfreuen wird. Den Winter hindurch will ich recht mit dir leben, recht mit Seelen Lust – und doch – ist da nicht ein Herbst noch, der in die schönsten Farben des Himmels gekleidet vor mir steht wie ein heilbringendes Geheimniß! Immer immer du Einzige sey stark und fromm, und sey mir stets das was du mit so namenloser Kraft in meiner Seele erschaffen hast; mein Arm wird nie erzittern deine Waffen zu tragen, ich werde jeden Abend lesen in jenem zauberischen Roth deinen ermunternden Ruf an deinen Freund, und bis ich vor dich trete mit Würde und Ernst; möge aus deinen Briefen deine Seele mir vernehmbar seyn, du mit Glanz umflossenes heiliges Mädchen. Abends. Ich hab dir da verwirrtes Zeug gesagt, und mein Herz ist nicht ganz klar gewesen. Aber beym Himmel so kanns nicht bleiben, ich ersterbe vor Sehnsucht wenn ich nach den Sternen sehe, was soll das flimmern, wie weit ist da hinüber, ach es muß gut dort leben seyn – ist es doch hier manchem so gut Am 26t Gestern vor Schlaffengehen als ich ans Fenster trat nach den Sternen zu sehen, da sah ich an der Wand des Arsenals einen feurigen Löwenkopf; Vorgestern aber als ich eben auf einen Augenblik ins Theater trat waren 2 Heere im Kampfe begriffen, als plötzlich ein Jüngling an der Spitze vieler bewaffneten Bürger aus einem Walde hervorbrach den Feind schlug und eine kostbare Fahne erbeutete, dann hab ich viel dir – Heut Nacht aber hat mir so deutlich von Savigny und deiner Schwester geträumt, sie sprachen so deutlich und liebreich zu mir daß meine Seele noch voll Vergnügen ist; Aber bey Gott so dieser Herbst nicht wäre ich möchte beynah verwelken. Ich steh dahier auf so dürrem, so gemeinem Boden; Gott ich empfehle dir meine Seele an, und auch du gedenke ihrer in deinem Ge1171
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bete meine Freundin. O sag mir was es sey daß ich nirgends Ruh finden kann als Nachts wenn ich nach den Sternen seh, oder wenn ich versunken in Betrachtung des Abendroths draussen in dem Grase liege; du meiner heissesten Sehnsucht Ziel, wann o wann werd ich dich erringen? Eben erwacht in mir das Vorgefühl einer namenlosen Seeligkeit, o mein Vater da drüben der du dich kleidest in das köstliche Gewand der Gestirne, der du aus dem Donner zu mir sprichst, und mit des Blitzes Flammenzügen deinen Willen deuten kannst, laß mich würdig seyn deiner unendlichen Gnade; Bewahre uns deine Getreuen in deiner Barmherzigkeit, und laß uns erwarten in der Anschauung deiner Herlichkeit als fromme Kinder das schöne Morgenroth jener Zukunft! Ich kann dir das Vergnügen nicht verbergen, welches mir ein Bild von Raphael gemacht hat das ich eben gesehen habe. Es ist eine Vorübung zur Madonna la belle Jardiniére nachher von ihm ausgeführt, ein Werk seiner Jugend, das Bildniß seiner Geliebten. In tiefer Unschuld mit niedergeschlagenem Blike lebt sie ein inneres heiliges Leben, in seliger Abgeschiedenheit. Himlische Ruhe auf ihrem Antlitz. Wahrhaft ein Abbild jenes Lebens das izt mein Geist, noch nicht ausgebreitet über die Welt, in glüklichen Stunden einsam und voll Sehnsucht mit dir lebet. Ich will es noch oft ansehen bevor ich nach Mayland gehe; es gehört einem verstorbenen Baron Stengel izt wird es verkauft. Auch dein liebes Bild von Raphael in der Gallerie sah ich und jenes Dürers; ich weis nicht warum sie eben izt mich mit so majestatischem Ernst angeblickt. Den 27.ten Frag mich nicht mehr ob ich zufrieden sey mit dir; Da ists weit über alle Zufriedenheit hinaus; ich bedurfte des Trostes und der Stärke, und sieh! Gott hat mich in die Gebürge gesandt und dort hat er mir deinen Geist gegeben, das schönste Zeichen seiner Gnade. So unauflöslich geschlungen, so aus dem Himmel geboren, für die Ewigkeit geschaffen ist unser Bund, und berührt die Welt nur mit seinem Segen und Willen; daß bey Gott ein Wunder mit uns geschehen ist. O laß uns in frommer Treu dieses schöne Geschenk bewahren, und abgekehrt von Welt und Sinn in seliger Betrachtung der Gestirne ein zufriedenes Herz bewahren. Wir wollen aber der Welt geben was sie an uns fodern kann, und wollen dem Glüke unsrer Brüder den Strahl der Gnade zuwenden mit dem uns unsern grossen Meisters Liebe erleuchtet hat. Du verstehst mich; aber ich versteh mich nicht ganz selbst, und mein Verlangen ist ohne Gränze. Schöne TriumphBilder die ihr in meiner Seele Dämmert, Du 1172
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Palme meiner heiligen Liebe nach der ich den Arm ausstreke, wann und wie werdet ihr in schöner Wirklichkeit mich mit Seeligkeit beglüken? Engel mit dem schwarzen Haare, ich habe viel Schwung nach dem Himmel, fast ertrag ichs nicht länger so zu leben; du hast ganz den Antheil, der rein Seele ist, von mir, und ich schreite in den Tag hinaus eine heilige Liebe verfolgend und ein heilig Werk. Wir sind so frey zusammen, so ohne Schwerkraft nach der Erde, es ist reiner Wille wenn wir uns nieder zu den Menschen bewegen. Und ich wills; ja mir blüht eine Rose mit himmlischen Farben, und sie Duftet Gottes Hauch, und ihr Glanz ist meiner Tage Licht, so wie du bist das Gestirn meines inneren Lebens! O Hilf mir sie erringen; hilf beten daß mir Gott Würde gebe und Hoheit und beständigen Muth. Du schaff um dich eine schöne Welt, Aber bewahre in heller Eintracht dein innerstes Herz; ich will von dir was du längst gegeben hast, und wie du mit andächtigem Willen und voll heiliger Bedeutung deine Seele mir herübergabst, daß sie lebe mit der meinen, ein schönes unsterbliches Leben, so bist du eingetreten ein Kind der Gnade mit mir in das Reich der frommen Geister. Sonst will ich nichts von dir als dir noch oft ins Auge sehn, und so Gott will wird mir ein Händedruk nicht versagt seyn. Laß die Überfülle deines Reichthums beglükend auf deine Brüder hinüberströmen, jede Seele die Du dem Himmel erziehst, ist ein schöner Stern in deiner Krone. Ich werde beten daß dir Gott deinen Schmuk bewahre und für mich, wie herrlich es zu denken! für mich flammt dein Gebet hinauf zum barmherzigen Vater. Und so möchten wir wohl froh und ruhig und ergeben seyn, und erwarten in Andacht und Liebe die Tage des Herren, die Verkünder seines Ruhms. B. ich reise bald von hier und ich trau mich nicht hinauszudenken über den Herbst, sey diese Zeit mit Gott und mir. Du aber da drüben allerheiligster, mit tausend Sonnen umflossen, von tausend Stürmen Getragen, durch tausend Naturen verkündet, du ziehe nicht ab von uns die Hand deiner Gnade die so voll Huld auf uns geruht, und befehle deinen Engeln daß sie bewahren Willen und Herz; die dir so ergeben mit Begeisterung und Sehnsucht dorthin schauen wo ein so schöner Himmel wenn es dein Wille ist, recht bald tagen soll! Abends. Heute ist der Tag der grossen Verlobung, Drey Gewitter waren am Himmel, und 2 herrliche Sterne, den dritten muß ich erforschen, und ich habe die Erde geküßt mit aller tiefsten Kraft meiner Seele, und die Liebe war mir klar wie die Andacht. der Himmel ist seit 1173
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Am 28t Bey dieser Morgenröthe die da hervorblüht, meiner verlan- 130 genden Seele entgegen habe ich den Schwur wiederhohlt den ich gestern geschworen als das rothe Licht der Gewitter Strahlen die helle SternNacht so göttlich schmükte. Der Tag war heiß gewesen, und an den Gebürgen ergoß es sich wie FeuerRegen, aber mir aber prangten die schönsten SternBilder und jene kühlenden Blitze zukten blendend 135 durch den reinen Äther. O so ist der Himmel recht schön, ja dieser Purpur der Feuerstrahlen hat die Sternen reine Nacht so köstlich gekleidet, daß ich mit viel Begeisterung hinauf sah, und mit viel Seelen Schwung gebetet habe – O du mit der ich ein unsterblich Leben lebe, in trauter Verbindung unsrer Geister, danke mit mir daß es so geworden 140 ist! Bete mit mir daß es ewig bleiben möge. Am 29t Abends Ich las heute morgens deinen vorlezten Brief wo du mit viel Liebe von den heitern, grossen Stunden in Salzburg sprichst, und von der Bewegung und Unruhe die damals als du schriebst in deinem Herzen war. Freundin! mein Gemüth ist auch oft voll flammender 145 Sehnsucht, und mein Herz klopft von kühnem Verlangen, und meine Brust erhebt sich von stürmischem Begehren, wenn ich aber, wie ich jezt eben gethan, recht aufrichtig nach den Sternen hinaufseh, und unser Leben überdenke, und wies war, und wies noch werden wird, besonders jenseits, dann wird mein Geist in tiefe Ruh versenkt, und in Gebet 150 geht mein Begehren über. Ich war heute in den Königlichen Gärten, voll Heldenmuth und vor mir lag die kommende Zeit so nah als nie; und doch hatt ich seiner Erbarmung so nöthig! du, bey diesem heiligsten Ziel meiner Reise, die ich izt bald beginne, sey auf alles gefaßt mit frommen Herzen, ich rufe dir zu: Flieh Welt und Zerstreuung!, leb in 155 Andacht und Heiligkeit! Sieh, so wie uns ist es keinem noch geworden, mit heisser Müh und Opferung will ich alles was mir noch werden soll verdienen; so wie uns in jenen Stunden so ist keinem noch Gottes Huld nah’ gewesen; laß uns ihrer würdig bleiben. 160 Was auch kommen mag, nicht wahr, über uns wirds hingehn, ohne daß es uns berühre als blos mit seinem Segen, wenn es einen solchen bringt; weil alles was da stören oder irre leiten könnte, weit unter uns, die wir über Nebel und Nacht hinaus in hohem Schwunge nach dem Himmel leben, ein gleichgültiges Daseyn verbringt. O laß uns bewah- 165 ren dieses schöne Kleinod. Du heiliger Thron meiner Liebe, Allmacht Gottes; thue Wunder für dein Kind, und laß es nicht in endloser Sehnsucht verschmachten! Weißt du was die Thekla vom Wallenstein sagt: 1174
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Und er fühlt daß ihn kein Wahn betrogen Als er aufwärts zu den Sternen sah; Denn wie jeder wägt wird ihm gewogen, wer es glaubt dem ist das Heilige nah. Am 30t Es wird unglaublich ernsthaft, und bleibt doch so jugendlich. Soviel als eben izt du Allbarmherzigster, hab ich nie, nie noch von dir gebeten. Ich bin ohne Leidenschaft, und doch so überströmend von Begeistrung! o ihr heiligen Tage die ihr bringen werdet den Himmel in meine Seele! Du bist mir ein schöner Fels im Meer auf dem ich schwebe, o daß ich bald rufen werde Land! Land! Dir ists vernehmbar, dir verständlich, bald – – – Und es ist ein herrlich Ding um dieses Leben, wers zu schmüken versteht mit unverwelklichen Blumen! Nochmal, es ist recht ernsthaft und nah an seiner Erfüllung. Leben das ich gelebt habe /:bis zu diesem Frühling der dich mir brachte selbst ein Meer von Seligkeit:/, du warst ein Tropfen nur aus diesem Ozean von Seeligkeit der mir erblühen will. Ja, schöne Zeichen sind geschehen, die meine Seele tief erfreuen, und eine Fülle beglükender Hoffnungen bricht mit frohlokender Jugend heran. O daß du da wärst, ein Blik sollte dir das Entzüken | nennen daß in diesen lezten Stunden geboren worden ist; du vortrefliche Seele, hast so viel Theil an diesem Himmel der mir auf gegangen. Wenns leise an dein Herz dringen wird und in Glut deine Seele funkelt, wenn deine Wange von Verlangen brennen wird, wenn dein Blik in den Gestirnen Zufriedenheit forschet, o so denk daß ich dir nah bin, daß mein Geist in heiliger Liebe über deinem Geiste ruht, und bete für mich und uns. Am 1 September Ich bin gezwungen diesen Brief zu schliessen, Savigny wird ihn dir geben. Bevor ich abreise, das in 7 Tagen geschehen mag schreib ich nochmal aus vollem Herzen an dich. adieu, die Tage sind schön und voll Bedeutung. sie werden noch schöner noch bedeutungsvoller kommen nur tapfer geblieben, und mit Gott!
*812. An Ludwig van Beethoven in Wien Berlin, September–Dezember 1810 Ludwig van Beethoven an B, 10. Februar 1811: wie sie sich in Berlin in ansehunst des Weltgeschmeißs finden könnte ich mir denken, wenn ich’s nicht von ihnen gelesen hätte, reden, schwätzen über Kunst, ohne
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Thaten!!!!! 〈…〉 sie heirathen liebe Bettine, oder es ist schon geschehen (Nr. 875,9-14).
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Bettine Brentano hat mich versichert, daß sie mich gütig ja sogar freundschaftlich aufnehmen würden (Brandenburg 1996, S. 185).
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An Meline von Guaita in Frankfurt Berlin, vmtl. September 1810
Lieber Linster! Die Gundel braucht Silber; – man Darf sich aber hier nicht alles was man braucht anschaffen; da ich nun noch bei Franz Silberne Löffel, Messer, und Gablen Leuchtern pp habe, so wollte ich dich bitten ihr solches so bald als möglich zu Schicken. George wird dir wohl dasselbe überlievern können. es geschieht wirklich der Gundel ein ungemeiner Gefallen damit, da das Anschaffen von neuen Silbersachen hier mit allerlei Schwürigkeiten verknüpft ist. – Guter Linster! es ist mir in der lezten Zeit ungemein wohl geworden, und ich kann wohl sagen daß ich auf meiner Reiße so glücklich war, als ich mirs oft gewünscht habe; Goethe hab ich in Töpliz gefunden wo ich mich einige Tage aufhielt. ich dencke recht bald zu ihm nach Weimar zu gehen, da wird meine Seeligkeit anfangen; in Wien hat mirs nicht gefallen, Franz war zwar ganz ungemein freundlich, die Stadt und die Leute sind mir übrigens nicht der Reiße werth. liebster Linster Du kriegst jezt ein Kind; es ist jezt ein Zeitalter daß die Kinder ihre Eltern an Geist und Schönheit übertreffen denn nach unserer Zeit kömmt eine bessere, du kanst dich daher auf dein Kind doppelt freuen. dem Goethe hab ich gesagt daß man mich in Frankfurth für die Luciane gehalten habe, das hat ihn geärgert. Leb recht wohl; wenn Du mir das Bild (was du für mich in der alten Goethe ihrer Auction gekauft hast) schicken kanst mit dem Silber, so thust Du mir einen unendlichen Gefallen, so bald komme ich doch nicht nach Frankfurth, auch sind noch Reste von Kleidern von mir dort die mir hier sehr nöthig sind, besonders von einem grün wollnen. unternehms doch, mit deiner altgewöhnten Dienstwilligkeit mir diese Sachen zu besorgen. ich hab noch immer das alte Zutrauen zu dir, aber auch die alte Liebe, obschon ich nicht schreibe. Oncle Laroche hat die liebsten Kinder von der Welt, 1176
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er läst alles grüßen und die Claudine besonders, Auch Arnim grüßt Euch herzlich. lebt wohl George Marie Lulu (die auch einmal hier her kommen soll zum Zeitvertreib) Jordis, Clausner Linster 〈〈Guai〉〉ta Amen Bettine An Madame Meline Guaita in Francfurth
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Von Franz Xaver Nußbaumer nach Berlin Landshut, 1. September 1810, Sonnabend
Landshut den 1ten September 1810 Der arme Tyroler! er dauert mich wirklich, immer muß er hören, wie an andere Briefe ankommen, und er selbst geht immer leer aus! Warum geschieht denn das, meinen Sie denn vielleicht, daß ihm alles gleichgiltig ist, und es ihn nicht verdrießt, wenn er sieht, wenn ihm Leute andern vorziehen, Leute von denen ihm alles so theuer ist, und bey denen er allein alles gelten möchte? ho! Freund Nußbaumer Sie werden doch nicht heute einen lamentablen Ton anstimmen wollen, da ich doch gewiß weiß, daß Sie sich sehr freuen nach Tyrol zu gehen, und da morgen der Tag ist, an welchen Sie von hier weg kommen? Ja wohl freue ich mich, und zwar so, daß ich mich nicht erinnere, jemals so froh, so fröhlich der Zukunft entgegen gesehen zu haben. Aber habe ich nicht Ursache dazu, ich komme ja in mein Vaterland, ich komme in meine Berge zurück, wo ich so viele schöne Tage genoß; wie innig vergnügt werde ich seyn, wenn sie mich wieder einschließen diese lieben Berge, wie wird mir | mein Herz schlagen, wenn ich sie wieder von ferne erblicken werde. Wir waren am 24ten Julius in Ganghofen, um den 8ten April in unserm Gedächtniß zu erneuern, und es wurde mir da auf einmal so wohl zu Muthe, da mich von weiten meine vaterländischen Berge anlachten. Sie sprechen mich an, wie alte Freunde, die ich zum erstenmal wiedersehe. 1177
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Jedoch genug hievon, sonst sagen Sie wieder ich habe das Heimweh. Zwar kann ich nicht ganz leugnen, daß ich es ein wenig hatte, aber bey weiten nicht mehr so sehr wie im vergan|genen Semester. Wenn Sie noch hier gewesen wären, Fraüle, so hätte ich es bestimmt gar nicht mehr bekommen; den Sie würden es mich wohl durch Ihre Güte haben vergessen machen, daß ich ausser Ihnen noch ein Vaterland und noch Freunde habe. Fraüle! Sie vermisse ich wohl sehr hier, aber nicht nur ich, sondern mehrere sagen das nemliche Z: B: H*: Eixendorfer, welchen ich einmal beym Mosham kennen lernte, und seitdem öfters besuchte. Er spricht sehr gern von Ihnen, wie | ich, und wir unterhalten uns daher sehr gut miteinander. Er versprach mir auch künftiges Semester etwas im Generalbass zu zeigen, worauf ich mich sehr freue. Er trug sich mir schon jetzt an, allein ich habe unmöglich Zeit, denn die Vorlesungen beschäftigen mich den ganzen Tag, und dann muß ich auch täglich zwey Stunden instruieren, eine Stund beym Leveling, und eine bey Saylers, oder Mosham. Nun werden Sie sich denken, jetzt wird er wohl Geld genug haben? ja wenn man mich auch gut bezahlte | so wäre dieses freilich wahr, allein dieß ist leider nicht der Fall; denn die Frau von Sayler belieben mir nicht mehr zu geben als ein bayrischen Thaler für 3 Stunden in der Woche. Mosham zahlt mir für eben so viele Stunden 4 fl, und ich bin sehr damit zufrieden, was mir Leveling bezahlt wissen Sie zuvor, und Sie sehen, daß meine Umstände noch immer nicht die glänzendsten sind. Zwar habe ich noch nie Mangel gelitten; allein es tritt bald ein Umstand ein, der mich auf einer schwachen Seite packt, und der ist, meine Wäsche fängt an zu zerreisen, und ich habe kein Geld mir neue nachzuschaffen. Auch mein Überrock den ich mir im Frühjahr wenden lies, hat nun keine schönere Seite mehr, um ihn noch einmal wenden zu können. Es fällt mir zwar sehr oft der Bethoven ein, wenn ich mich so betrachte; allein es will doch nicht gehen, meine Eitelkeit ist zu groß, als daß ich im Stande wäre mich über dieses hinaus zu setzen. In Ihren letzten Brief an Bihler fragen Sie mich, welche Theile vom Göthe mir mangeln, damit Sie mir sie schicken können. der erste Theil welcher die kleinen Gedichte enthält. Diesen hat noch H. Winter; denn als ich zu ihm kam, und ihm den Brief von Ihnen übergab, so fragte er mich, ob ich auf Antwort warte? 1178
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Ich sagte: H: Kapellmeister ich glaube, daß Sie mir gemäß diesen Brief etwas zu geben haben. Er las den Brief, sagte kein Wort vom Innhalt, und ich konnte natürlich | auch nichts mehr sagen; denn ich dachte mir vielleicht hat er ihn nicht mehr und er will es nicht gestehn, oder wenn er ihn hat, so will er ihn nicht herausgeben, weil er ihm zu lieb ist, weil er von Ihnen ist. Wenn das letztere der Fall ist, so verzeih ich es ihm gerne aber nie wenn das erste wäre. der 3te Band welcher den zweyten Theil vom Wilhelm Meister enthält der 9te der 12te Band Wenn Sie so gut seyn wollen und mir Sie schicken, so werde ich Ihnen immer dafür dankbar seyn. Weil ich aber jetzt weg gehe, und erst in 2 Monathen wiederkomme, so bitte ich Sie selbe an H. Eixendorfer zu adressieren, welcher die Güte haben wird selbe während meiner Abwesenheit in Emfang zu nehmen. Sie verlangen auch etwas von mir zu wissen. Ja von mir ist eigentlich dieses alles, aber wenn ich Sie recht verstehe, so möchten Sie gar | von meinen Herzens und Liebsabentheuren etwas hören. Ja Fraüle, das ist ein harter Punkt, denn ich schreibe nicht gern hierüber, weil es mich allzeit traurig macht, so oft ich darauf denke. Das Verhältniß mit der Katheele habe ich selbst aufgelöst, und dennoch hange ich noch ganz an ihr. Ich schrieb ihr nämlich, daß wir unsere Liebe unterdrücken wollen, weil wir gar keine Aussicht in die Zukunft hätten jemahls uns besitzen zu können. Wie der Brief weg war, war ich ganz ausser mir, denn wie wird sie geweint haben als sie das las, und ich selbst fühlte, daß ich etwas gethan hatte, was ich zu ertragen kaum in Stande war. Als ich im Frühjahr in Tyrol war, sah ich sie nicht, denn ich fand nicht weiter als bis Innsbruck, wenn ich aber jetzt hineinkomme, so gehe ich ganz nach Botzen, und ich hätte nur noch 3 Stunden bis zu ihr; allein ich werde /: wenn ich es im Stande bin, woran ich aber zweifle :/ nicht zu ihr gehen, um nicht wieder aufzuwecken, was ewig schlummern soll. O meine liebe Fraüle lachen Sie mich nicht aus, ich sage dieß niemand als Ihnen. Von Botzen aus werde ich Ihnen schreiben, wie es mir gegangen, und was ich gethan haben werde. 1179
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Ich erwarte aber auch von Ihrer Hand ganz bestimmt einen Brief in Botzen. Ich logiere bey H. von Plattner Merkantilkanzler. O schreiben Sie mir nur gewiß recht bald dahin; den in 8 Tagen bin 105 ich schon dort. O wie will ich mich an den edlen Trauben laben, wie will ich die reine Luft einathmen, wenn nur auch mein Inneres ruhig wäre, und es sich nicht immer an etwas hindrängte, was ich lieben muß. Fraüle rathen Sie mir doch, was ich thun soll, soll ich mir die Ka- 110 theele ganz aus dem Sinn schlagen? Ja mein Gott! das kann ich nicht, sie ist gar zu liebenswürdig, und sie hat mich so gern. Ich hoffe die Zeit wird das thun was ich jetzt für unmöglich halte, und ich werde meine Ruhe und Freyheit wieder finden. Jetzt erlauben Sie nur Fraülein, daß ich Ihnen für alles noch | recht 115 danke. Zwar weiß ich daß Sie dieß nicht wollen; allein es drängt mich auch so, wenn ich jemand gern zeigen möchte, daß ichs fühle, daß man mir gutes thut, und ich es nicht sagen darf. Ich möchte einmal Ihre Hand küssen können, nicht in dem Sinn, wie man gewöhnlich sagt: ich küß die Hand, sondern um Ihnen dadurch auszudrücken, daß ich Ih- 120 nen von Herzen gut bin, und daß es mir weh thut Ihnen nie vergelten zu können. Jetzt finde ich, daß meine Schrift nicht mehr zu lesen ist, ich will daher abbrechen, nur bitte ich Sie | noch einmal recht bald mir nach Botzen zu schreiben. 125 Leben Sie wohl Fraülein ich bleibe immer Ihr dankbarer Nußbaumer Tyroler Empfehlen Sie mich an Herrn Hofrath und an die gnädige Frau, und eben so Professor Unterholzner und die beyden di Pauli.
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Berlin, 23. September 1810, Sonntag
Berlin am 23 September Ein einzig Wort: – Daß ich deiner oft gedenke, so wie Sonst; aber schreiben kann ich jezt nicht, es ist zu kalt zu Tod um mich her, einst wenn du mich noch besser kennst wirst Dus begreifen daß ich zu Zeiten schweigen muß. ich habe 2 bis 3 Briefe angefangen immer ward ich 1180
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gestört, und der Geist wich von mir; ich mag dir keine Tändeleien schreiben, also harre in Gedult. vor allem bewahre deinen Glauben an mich, treu. Sey Gott befohlen. dein innigster Freund. meinem Guten Freund gehs wohl! besser! immer besser bis in Die Ewigkeit. vergesse mich nicht, gedenke aller Worte die ich dir schon gesagt habe, glaub an die Wahrheit. An Freiherrn Max von Freiberg abzugeben bei Materialisten Huber auf dem Plaz in der Altstadt in Landshuth in Baiern
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An Max Prokop von Freyberg nach Landshut Berlin, vmtl. Anfang–17. Oktober (Mittwoch) 1810
Es ist nicht wie Böhmen; von meinem Schreibtisch konnte ich dort alle Felder voll Sonnenglanz übersehen, die Berge! ach die Berge und der frische grüne Erdboden – hier hab ich ein Zimmer wo Die Sonne niemals hereinscheint, insofern gleicht es meiner Landshuter Wohnung, aber Trauriger, viel trauriger. – nun Freiberg! ich denck wir werden im nächsten Jahr manchmal einander gegenüber sizen, und werdens fühlen, wie daß die freie Luft auch zu jenem Enthusiasmus gehört. Du Glücks Kind, du Königliches, gehst jezt nach Gefallen über Berg und Thal; und soll mir das nicht werden soll ichs nicht erzwingen können? alles andre ist nichts, nur wo man Den Gott im Herzen fühlt, als zeigen der Schönheit die von ihm ausgeht, da ist Leben. Ja ich fühle daß ich einen Freund nöthig habe, einen Freund wie Dich, der immer aus dieser Einfachheit zu mir spreche, dessen Herz nicht der Erziehung bedurfte, der alles herrliche aussprechen kann, blos mit dem Willen. ich mögte mit dir in der Abendsonne über den Bergrücken durch die kühlen HerbstNebel wandern; ich mögte mit Diesem gehen der Gott in stiller Einfalt im Herzen trägt, dieser soll mir sagen, dieser soll mich lehren; und all Du übrige Welt bist nichts, geh zu Grund in deiner Eitelkeit. – Ach wenns nur möglich wär zu bethen in Dieser Düsteren 1181
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Wohnung; kein Licht, kein Sonnenstrahl keinen Himmel, alles verbaut mit nothdürftiger Wohnung, lauter Menschen die nur – nun wie soll ich sagen; Dieß Elend hab ich halt aller Orten und Enden angetroffen es erhebt sich keiner vor dem andern, sie können nicht aufeinander stehen, immer ist es doch so, daß es wieder zu Staub und Asche muß werden; nur der, der keines Grunds bedarf, der sich auf Gottes seegen und auf eigne Schwing kraft verläst, dem will ich mit Freuden zusehen, und will erkennen wenn ich ihn hoch über mir sehe, daß das Gute all all vom Höchsten ausging und wieder zum höchsten eingeht. – lieber Freund erhalte meinen Glauben an Dich, Du thust mir unendlich wohl damit. – jezt muß ich erst recht an die Salzburger Berge Dencken jezt an Die Worte die wir zusammen sprachen, an Die Liebe die wie ein heiliger Geist ihre Flügel vor mir geregt hat. nie, nie hat mich etwas so gerührt so begeistert und hohen Muth in mir entzündet als da ich das Bekenntniß deines wunderbaren herrlich unschuldigen Schicksals laß. O es war nimmermehr umsonst daß wir uns erkannten und besprachen. am 5ten October Du hasts doch gesagt, daß ich einsam seyn soll, hasts so theuer anbefohlen, und hast recht gehabt, ich habe ordentlich Gewalt, (sogenante Grobheit) gebrauchen müssen um mir einen einsamen Tag zu verschaffen. es wird aber alles werden; lieber Freund! gestern abend stand ich im Duncklen Zimmer am Fenster sah die langen mit Lanternen erleuchteten Strassen hinunter und dachte an Die Wege die Du wohl jezt gehst wie Diese verschieden sind von den meinen, wie Dein Leben erfüllt und Tüchtig wird, wie die herrlichste Natur sich in dein Schicksal eindrängt, schon Dieß allein ist heiliche Auszeignung, du bist von Gott behütet vor aller Gemeinheit, du wirst erquickt und genährt mit himmlischem, wie kann Deine Seele sich nicht auch herrlich entfalten? O greif nicht vor, deine Bahn mag deswegen nicht weniger edel seyn wenn auch nichts von allem geschieht was Du meintest.
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am 10ten October! So lange Pausen muß ich machen, sonst schrieb ich alle Tage, und meine Augen waren nicht müde in der Nacht. jezt bin ich um die | zehnte Stunde schon des Schlafs bedürftig. ich hab schon oft solge Zeiten gehabt wo ich schwächer war. ich schlafe dann von 10 bis Morgens 7 ohne Aufzuwachen. Gestern Wachte ich seit vielen Nächten zum erstenmal wieder in der mitte Nacht auf, es war mir dieß wie ein großes Schicksal, ich hatte seltsame Gedancken, weil mir dieß 1182
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Erwachen so unmittelbar von Gott kömmt; dachte ich, so will ich die Zeit mit Gott zubringen; so oft mir aber das Beten einfällt so oft dencke ich an Dich, und die Welt um dich her ist mir geräumt von nichtigen Gegenständen ich sehe nur deinen hellen Leitstern am Himmel, mir wird wohler, ach, gut wird es mir, ich fühle Seegen schon bei der blosen Anregung dazu; oft ist mir auch als träten deine Gedancken aus der Luft an mich heran. – Nun sey mir gegrüßt in allem Guten, Amen. am 17ten October Ob Du mir über den Weg trauest? Ob du es wohl glaubst daß ich manche Stunde an Dich verträume stadt an dich zu schreiben; die Zeit geht hier so Dumpf vorüber; wenig helle Augenblicke; die Gedancken entschwinden mir noch eh ich sie festhalten kann; nun auch das muß der freund vom Freund ertragen, und ich halte so viel auf deine Güte auf dein umfassendes Gemüth, daß Du mein Stillschweigen selbst anerkennst und mir nicht Liebe oder Standhaftigkeit aburtheilst. ein Wort, von der Universität; es wird Dich doch auch interesieren zu erfahren daß sie so Grandios und Liberal in Bezug auf Geistige Einrichtung und gegenseitiges Verhältniß der Studenden und Professoren eingerichtet seyn wird, wie man es in keinem Staat der Welt, in diesem Jahrhundert erwarten konnte. lieber Freund komm her, sey gewiß daß auf dich unendlich viel schönes wartet, ich fühle mich in manchen Augenblicken wie mit Gewalt zu der Zeit im voraus hingezogen, dort meine ich wird sich manches wieder lösen und frei zum Himmel emporschwingen was mich jezt in die Traurigkeit bannt. in unserm Gespräch wird sich uns eine Welt entwicklen, eine junge Welt, noch näher bei Gott, wie die Kinder. – Du bist wohl schon wieder zurück wenn dieser Brief in Landshut ist. Adieu leb wohl, glaub an mich ich kann dir gleichwohl nicht länger Schreiben, dießmal, es treibt mich eine Unruh vom Schreibtisch, Gott sey mit Dir, du Herz voll Treue, Gott sey mit Dir und mir, und führe uns endlich zusammen. Ich sage Dir nocheinmal, trau und baue vest, auf deine Schwester auf deinen Freund, auf mich Bettine; die dich nicht betrogen hat wenn Du in ihrem Blick Die Seele sahest voll Begeistrung um Dich. Adieu, die beiden Hände drücke ich dir in Gedancken. und mein Auge ruht in deinem, bleib uns Treu, und lasse es stets vor der Welt verschwiegen seyn. – Heut Abend, heute werd ich dir noch einmal schreiben, es ist mir aufeinmal so tief wieder ins Herz gegangen Gut Kind. 1183
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Von Antonia Brentano nach Berlin Wien, 4. Oktober 1810, Donnerstag
den 4t Oct. am Franziskustag. Liebe Bettine! Warum sind wir denn beide so faule Schlingel und lassen beyde nichts von einander hören? ich bin es, weil mir ungemein wohl ist, weil ich seit meiner Badekur aller meiner leidigen Uebel befreyt bin, weil mir die rauhe Skizze meines Lebens ein vollendetes Ganzes geworden ist, weil ich nichts zu sagen habe, nichts zu sagen weiß. Geht es dir auch so Liebe Bettine? nun dann ist es recht daß wir beide schweigen, denn besser ist es schweigen als über Gegenstände der Liebe, der Freude, eines Großen Ganzen, mittelmäßig zu sprechen, und mittelmäßig drückt doch die reichste Sprache den Reichthum wahrer Zufriedenheit aus. Heißhungrig bin ich, etwas von euch, insbesondre von dir zu hören, du hast dir deinen eignen Weeg in tausend Dingen Ausfindig gemacht, sey er mit oder ohne Plan von dir gewählt, du kannst ihn zum wahren Meisterstück machen, darum glaube ich soll man wenn dich vor Augen hat nur dich vor Augen haben, und nicht wie gewöhnlich geschieht | unrecht und unrichtig das einzelne Vereinzelte an dir beurtheilen – Groß ist man freylich nicht in allen, nicht immer, aber wer ist groß in Allen, wer ist es immer? – Du wirst mich bedauern daß ich kein Wort mit Göthe sprach da er doch vier Wochen lang täglich wohl 20 mahl unter meinem Fenster auf und Ab stieg, ich weiß mir selbst nicht zu erklären wie das so kommen mußte, wahrscheinlich hätte ich Gesundheit und Freude in seinen Umgang finden müssen, aber ich war an Leib und Seele dort, und in Eger so krank, daß mich der Teufel der Apathie ganz besessen hatte mich stets im Bette oder auf den Kanapee mit düstrer Schwermuth umwölkte daß ich mein Ende nahe glaubte und wünschte, und erst jezt seit den 2 Monaten meiner Rükkehr fühle ich die günstige Wirkung dieser Wunderbaren Heilwässer. Ich werde noch diesen Winter, hoffentlich froh und gesund hier zubringen, und in meinen Errinnerungen an die Vergangenheit wird mein hiesiger Aufenthalt gewiß in erhabener Arbeit auftreten. Die Kinder sind gar lieb und gut, besonders hat Faniska viel Franzissche Liebenswürdigkeit, und macht mir tausend Spaß. Beethoven ist ein ganz vorzüglicher Mensch, Kunst und Natur haben das Füllhorn ihrer besten Gaben über ihn ausgeschüttet. 1184
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Das Herb. geheirathet hat weißt du – Auch Mor. hat sich in diese Bande gefügt, seine Frau soll wunderschön sein. Von Frank. höre ich nichts, mein George ist dort meine Liebe, mein Gutes, so lange, so weit entferntes Kind. Bey Arnstein u Eskeles hörte ich daß Gundl so unglücklich und unzufrieden in Berlin ist, da man aber hinzusetzte sie sey es überall so glauben sich die Berliner gerechtfertiget. ist dies wahr? wie lebt ihr? was macht das Kinderpaar? Lebe wohl Bettine, schreibe mir, auch wenn es dir Zeit und Mühe kostet, ich weiß es zu würdigen, küsse mir Savigny, dessen Lob in Zeitungen und Herzen ertönt, und bleibe mir hold. Tony A Mademoiselle Mademoiselle Bettine Brentano chés Mr Le Professeur de Savigny Berlin
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〈rechts neben Adresse:〉 hat Savigny nur Einen, oder Zwey Theile, über das Recht des Besitzes herausgegeben?
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Von Alois Bihler nach Berlin Landshut, 5. Oktober 1810, Freitag
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Unvergessliche Bettine! Zuerst meinen wärmsten Dank für Ihren letzten Brief, der wahre Labung für mein Gemüthe war, es ganz beruhigt, und mich aus der peinlichen Lage, in der ich mich schon so lange befand herausriss. – Sie haben mich versichert, daß Sie alle mir Ihr Zutrauen, ihre Freundschaft geschenkt haben, und, können Sie mir vergeben, daß ich einmal daran zweyfelte. – Wie froh bin ich, daß dieser Zweifel ein irriger grundloser war, wie froh, daß Sie mir wirklich gut sind. Erlauben Sie daher, daß ich aufs Neue es wiederhole, mich Ihren Freund zu nennen, der ich schon lange gewiß von ganzem Herzen war. ich bitte Sie nochmals um 1185
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Vergebung meines grundlosen Argwohns! – Zu meiner Entschuldigung kann ich nichts anführen, als meinen Heissen Wunsch, ihre Freundschaft mir ganz zu erwerben, und mich derselben würdig zu machen. Tadeln Sie mich ja nicht, daß ich dieses that, ich habe dabey weniger Schuld auf mir, als Sie selbst – warum haben Sie es so verstanden, mich, so wie alle andern Hausfreunde ohne es zu wollen, so fest an Sie zu ketten? Warum mußte ich Ihnen so ergeben seyn, warum mich um Ihren Beyfall bemühen? – Darum, weil ich sah, daß in Ihrem Hause Menschen wohnten, wie sie mein Herz zum Bedürfniß hat. Bey guten wird man gut, bey bösen bös. jene sind sparsam gesäet, daher schwer zu finden, daher wenn man sie findet, muß man so viel mit ihnen wuchern | als man kann; dieß wollte ich bey Ihnen, und mein Gewinn war unermeßlich. – Ich darf es Ihnen wohl sagen, daß mein Herz und mein Geist in Ihrem Hause eine festere und bestimmtere Richtung nahm; und ich glaube, daß diese Richtung nicht abwärts geht. – wohl mir daher, daß ich Sie kennen lernte!! – Ich wurde nemlich vorher auf eine merkwürdige Weise von einem Extrem auf das andere geworfen; als Knabe hielt ich alle Menschen für sehr gut; dieß mußte ich manchmal ziemlich theuer bezahlen, und doch lernte ich noch nicht begreifen, wie ich an Jemand abprallen konnte. – Als ich nach Landshut kam, sah ich Eigennutz und Egoism auf dem Throne; fast lauter verzerrte Gesichter begegneten mir; und ich fieng dabey, auf die Güte der Menschen sehr wenig zu halten. Dabey kam ich aber noch übler zu, denn unvermerkt wurde ich dabey selbst auch schlechter. Durch Sie aber lernte ich die gold’ne Mittelstrasse kennen, aber nicht ganz durch Sie allein sondern durch alle Menschen, die in Ihr Haus kamen; fast an allen sah ich das gute vorherrschend, und ich lernte verstehen, daß man die Menschen nicht für unbedingt gut oder bös halten müsse, wenn man den rechten Punkt treffen wolle, sondern daß man am besten thue, wenn man lieber die Menschen für besser als für schlechter hält. – Dabey wird man am wenigsten irren. – Ich dachte dabey viel an die Schwaben, die die Beyden /: wenigsten die Landshuter :/ an Herzlichkeit, Auf|richtigkeit, Gemüthlichkeit, Redlichkeit u. s. f. weit übertreffen. – Glauben Sie mir, es hat mir schon oft äusserst weh gethan, wenn ich sah, daß Alles an einem sauget, wenn er nur Akkademiker heißt, – wenn alles an diesen gewinnen will, wo es doch bekanntlich am wenigsten zu gewinnen giebt. – Wie ganz anders habe ich es in Kempten erfahren, wo ich fast lauter Leute fand, die aus reinem Herzen mit Freude einem gutes thaten, wo sie konnten, und wo die Art, wie 1186
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sie es thaten, einen ganz bewegen mußte. – Da genieße ich daher auch mit wahrem Vergnügen das, was ich selbst, oder durch andere habe. – Das Essen schmekt mir wohl, wenn ich sehe daß es mir gegönnt ist. – und dahin reise ich heute Nacht um 10 Uhr mit Gumbenberg und Berchem ab. Mein Herz klopft heftiger, da ich dieses schreibe, und meine Seele schwimt in Freude. Ich werde den künstlichen Steinhaufen verlassen, die freye Natur sehen reine Luft einathmen, die gute Menschen umgiebt. – Das Landleben soll mir herrlich bekommen. Ich sehe schon im Geiste den alten Vater und das betagte Mütterchen uns bis an die Porten entgegen wanken, der vor unserm Hause steht, ich sehe sie uns die Hand schütteln; jugendliche Freude glänzt in ihren Augen, wenn sie die Herrn Söhne vom Kopfe bis zu den Füssen messen, ob sie auch wohl noch gewachsen seyn, gesund aussehen. wie sie sich dann recht vieles einbilden, daß sie so scharmante Studenten haben, die auch Herren /: d. h. Geistliche :/ werden wollen, – wie die Nachbarn, der eine da, der andere dort aus seiner Hütte hervorkommt, und die Kommenden durch einen herzlichen Handschlag begrüssen – wie man dann in die Stube geht, und den Gästen | aufträgt, was Küche und Keller vermögen – wie denn die Nachbarn in den Heimgarten /: Visite :/ kommen, die Studenten ihre Geigen, Flageolett /: von ihnen Pfiffle genannt :/ hervorziehen, wie man denn tanzt, der Vater ein breites Maul macht, und mit Wohlgefallen auf die bis zur allgemeinen Bewunderung geschulten Söhne herüberzieht, wenn diese recht schöne Stückle spielen, – wie die Mutter für uns hinsteht, und schaut und horcht und lacht; und die Schwestern die Gäste bedienen u. s. f. – Da werde ich wieder einmal nach langer Zeit recht froh seyn, da wird mein Geist wieder Kraft und Elastizität bekommen, deren er so sehr bedarf. Denn die feuchte ungesunde Luft in Landshut hatte grossen nachtheiligen Einfluß auf meinen Körper und Geist. – Ich bekam davon 14 Tage lang das kalte Fieber, wodurch ich sehr abnahm. ich habe dabey sehr oft an Sie gedacht, und mich zu Ihnen gewunschen, weil ich bey Ihnen doch ein gutes Glas Wein bekommen hätte, was mir so wohl bekommen wäre. In den Ferien aber werde ich mich schon erhohlen. Ich sehe zwar spitzig aus, und deßwegen ist es mir schon jetzt angst auf die hundert Erklärungen über meine Krankheit bey jedem, zu dem ich kommen werde, da geht es an ein beständiges Fragen, wie habt ihr gelebt, wie ists euch ergangen, werdet ihr immer gesund und s. f. – Wer bey solchen Leuten nicht ausruht, ruht nirgends aus. Ich werde daher ganz dem Vergnügen und der Musse leben, und etwa dabey ein wenig | com1187
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poniren. Ein Flageolet concert sollte diese Zeit hindurch geboren werden, wenn es mir glückt. Auf ein Beethofisches Concert wäre ich sehr begierig; es könnte gewiß nicht anders als gut ausfallen. Allein ich fürchte doch, er werde es zu schwer machen, da er vermuthlich nicht mit der Beschränktheit dieses Instruments bekannt ist. – Wie steht 95 es aber mit Ihrer composition, was macht Faust; thun Sie noch etwas darinn oder nicht. O! thun Sie ersteres, gewiß, ich bin überzeugt, dass Sie in der composition originell werden würden, wenn Sie sich nur noch einige Zeit mit den Positionen derselben bekannt machen wollten. – Doch bin ich der Meinung, daß man sich dabey doch nicht zu streng an 100 die Regeln der composition binden soll, weil dadurch der Geist und die Phantasie beschränkt wird. – oft habe ich dieß erfahren, wenn ich gerade etwas Neues schaffen wollte. Ihre Fantasie wünsche ich zu besitzen, wie ich Ihnen schon öfters sagte, heute fienge ich an compositeur zu werden, mit Hintansetzung alles übrigen. – Wenn Sie etwas ge- 105 macht haben, so theilen Sie es mir mit; ich werde es fleissig studiren, und Ihren Geist zu fassen suchen. Ihr Fragment: »o schaud’r nicht« – singe ich hundert mal mit Vieler Begeisterung, es gefällt mir je länger desto besser; ein Beweis daß es wirklich klassisch ist. – Es ruft mir immer die Vorstellungen ins Ge|dächtniß, die ich hatte, wenn ich Sie 110 selbst singen hörte. Nur Einmal haben Sie es aber gesungen wie es seyn sollte, es war das erstemal, als ich es hörte. – Ich habe Ihnen damals Ihren Sinn abgelauscht, und er schwebt mir ganz deutlich vor, so oft ich es nur durchsehe – Selbst aber habe ich noch nichts gemacht – der »neue Amadis« liegt noch unausgefeilt darnieder. wäre ich bey Ihnen, er 115 wäre schon lange correkt, da Ihre Feile mir schon lange hätte Dienste leisten müssen; durch Ihre Mithilfe müßte doch hie und da etwas glücken. Wie sehr habe ich daher schon immer gewunschen bey Ihnen seyn zu können, besonders auch deßwegen, weil ich seit Ihrer Abwesenheit gar nichts schönes mehr gehört habe. – Aber dieß werden wohl 120 nur fromme Wünsche bleiben müssen, noch sehe ich keinen Weg, ihnen Wirklichkeit zu geben. Oft fuhr es mir, wie ein Blitz durch’s Herz, wenn Schenk und Salvotti von ihrer Reise nach Berlin sprachen; dahin, dahin! möcht ich mit euch!!! aber da fällt mir ein, daß ich kein Geld habe, und was dieß sagen solle, verstand ich nie mehr als in diesen Au- 125 genblicken. – Ich habe in meinem Leben niemals nach Geld gegeizt, im Gegentheil habe ich oft Gelegenheit gehabt, mein Schicksal glücklich zu preisen, wenn ich andere | Reiche in einem Zustande, in Verhältnissen sah, in denen sie mir bedaurenswürdig erschienen; – aber 1188
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jetzt, da ich hundert Pläne und Projecte mache, und auf die Ausführung derselben studiere, da zwingt mich die Noth einzugestehen, daß es um das Geld etwas ganz herrliches ist, ohne welches man mit dem besten Willen nichts auszurichten im Stande ist. – Glauben Sie wohl, das v. Savigny der Mann wäre, wenn ihm nicht jedes HilfsMittel zu gebothe gestanden hätte. – Wenn ich dieses alles bedenke, so kann ich Ihnen doch nicht ganz beystimmen, wenn Sie sagen, daß Reichthum und Armuth von Gott gleiche Geschenke seyn. Ich möchte einmal von dem lieben Herr Gott das erstere Geschenk; und ich glaube ich wollte gut wirtschaften. – Dahin, dahin möcht ich mit Dir!!! Aber da stehe ich, wie der Wanderer am Felsen, den er durch eigene Kraft nicht übersteigen kann. Wie herrlich wäre es, wenn ich Sie wieder sehen, mit Ihnen seyn, mit Ihnen unsere alte Bahn wieder von neuem betretten könnte. Dieß war längst mein heissester, mein einziger Wunsch, und er ist es jetzt um so mehr, als ich sehe, daß Sie meiner Geduld so grosse Verdienste beylegen, daß ich Ihr Lob fast für Schmeicheley für Komplimente halten muß. Ich hätte noch ein Jahr um hier meine gesetzliche Zeit auszufüllen, dann aber wäre ich frey, und könnte mich ganz nach eigenem Plane bilden und unter so herrlichen Pfegern müßte ich | gedeihen. – Aber so muß ich ins Kannengiesseriche Filistrium übertretten, und mich an abgeschmackten, ewig gleich tronen Formeln weiden. so daß ich endlich wohl selbst auch vertrockne. – Mir ahndet es immer daß ich Sie niemehr sehen werde – ich mag diesen Gedanken nicht denken, sonst werde ich wieder so traurig, als bey Ihrem Abschied. – Ich will mich vor diesen traurigen Bildern weg wenden, und mich lieber freuen auf die bevorstehenden Ferien. Nachts zehn Uhr fahren wir ab, und bis dahin habe ich noch einige Kleinigkeiten zu berichtigen; daher ich meinen Brief abkürzen muss, den ich ohnehin in sehr gedrängter Zeit schreiben mußte. – Die Tyroller sind schon am 29. Sept fort; Nussbaumer war kindisch erfreut. Salvotti ist schon früher abgereist. Vor seiner Abreise feierten wir in Sonthofen noch mit aller Theilnahme den 8t Aprill. D Unterholzner war dabey. – Die Beyden Dipauli, Frick, Ebner /: der Einäugige :/ werden wohl nicht mehr kommen; so auch Freyberg und Schenk. ersterer wohl mit Gumbenberg und Berchem eine Reise nach Italien. Dahin, dahin möcht ich auch. Ringseis ist noch hier, er ist jetzt mein nächster Nachbar. ich werde ihm noch das StammBlatt an Savigny übergeben, und mich verabschieden. Herr Schäferle, Haas, Frick, Holzing empfehlen sich Ihnen allen schönstens. – Herr Eugstendorfer grüßt Sie recht herzlich, er sagt er wollte 1189
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Ihnen gerne etwas über den General Bass und Fugen schicken, wenn er wüßte nach welchem System er nützlich Ihnen in die Hände arbeiten 170 könnte. Sie würden daher wohl thun, wenn Sie ihm den Gesichtspunkt anzeigen wollten, nach welchem Sie etwas zu erhalten wünschen. – Leben Sie Alle recht wohl, und glücklich, und erinnern Sie sich auch an Alois Bihler.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, etwa 8. Oktober 1810, Montag
Du bete für mich daß ich bleibe wo mich Gott hingestellt, denn ich bin über die Zeit hinweggegangen am Hauche der heiligsten Liebe bin ich gewesen, und meine Seele hat sich aufgerichtet an den Wundern Gottes. Ich bin niedergestiegen wie von den Stuffen eines Tempels der Salbung und der Geist der Allmacht hat mich überschattet. Du, ich habe deiner oft gedacht; von des Gotthards kahlen Höhen und aus dem Mayländer Dom; von den Göttlichen Hügeln Bergamo’s und von den Ufern des stürmenden Garda See’s ist mein Gebet für dich zu unserm Vater gestiegen; und du bist stark geblieben, so stark als unser Glaube. Sey mir willkommen, bald, weil die Jugend verblüht ist, reift die schöne Frucht des männlichen Werks; Laß nicht ab Gottes Kind zu seyn, o der Gnade für seine Lieben ist kein Ziel. Du, wenn ich dirs sagen könnte, was geworden ist, beym seligen Leben unsrer Geister, halt fest an mich – – – Es ist nur ein Ding das uns selig macht, das ist der Glaube, und die Liebe giebt ihm Flammen; wenn du mein Leben sehen könntest so würde eine tiefe Rührung aus deiner Seele hervorströmen, und die Wunder aller Gnade und Allmacht würden Dir begreiflich seyn; Betet auf daß ihr nicht in Versuchung kömmt, und zur Zeit der bittern Stunde, wende dein Herz in Andacht zu Gott; ich kann alles ertragen weil du mit mir bist; der Himmel ist in meinem Gemüthe wenn ich der einsamen Stunden gedenke die du mir diesen Sommer gegeben hast, o sage zu mir daß sie deinem Herzen ein tiefer Trost geworden sind. Am Lago Maggiore ists gewesen daß in tiefer Betrübniß mein nasses Auge über das fluthende Gewässer hinaussah, aber sieh! noch dieselbe Nacht hab ich mit vollem Troste zu dem Himmel gebetet. Ruhig wars 1190
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um mich und heiter, ein sanfter West trieb das Fahrzeug über den Spiegel hin, und hell flammte der Mond. Zur MitternachtsStunde /alles auf dem Nachen schlief/ war viel Frömmigkeit in meiner Seele, und ich erhob meinen Willen mit Andacht. Du, du warst mir ein Lieber Gefährte, Nicht wahr du hast mit mir gebetet? Die Stunde der Versöhnung hat geschlagen, Ihr Engel lobet seine Barmherzigkeit, Erschalle!, Gesang seiner Glorie; stimmet ein ihr Harfen zum Loblied; ich in Verklärung und Demuth, will dir Dank sprechen. Es klingen die Gloken hinauf, das feyerliche Zeichen einer bedeutungsvollen Stunde, Ja du laß es werden, segne dieses Paar, du Gott der teutschen Andacht. Und es haben sich die Tiefen erfüllt mit deinem Lobe, und den Höhen ist es bekannt geworden; es reifet die Frucht des treuen Sinnes, es blühet die Blume der Beständigkeit. bleib mit mir, soll dich nicht gereuen; wollen hohe Wege wallen, wollen über tiefen Meeren schweben; das reinste Himmelblau sey unser Zelt. Ich kenne dich und meine Seele ist vergnügt in deiner Anschauung; ich habs vollbracht, ich bin deiner Freundschaft werth. Ich werde kommen, o ich werde kommen; aber weiß ichs denn wenn der Allmächtige Sturm schlagen läßt, ermiß denn ich das Maas der Erfüllung; und mir ist eine Verheissung geworden, schöner als der schönste Maytag. Du kahler Scheitel des Gotthards möchte gerne auf dir weilen niederzuschauen in der Freyheit Land, niederzuschauen in die BlumenGärten die dein Tessino bewässert. Du laß dirs heilig zusichern was dir gebührt; ich bin Meister der Welt um mich geworden; es ist die Zeit gekommen meines Reiches; denn seine Liebe hat Wunder Gethan, und mich haben getragen die Engel seiner Gnade. O laß es nie kalt werden in Deiner Brust, nimm den schönsten Reichthum der dir werden kann, nichts ist vergangen alles soll werden; werden daß es in Ewigkeit bestehe. Frohloke mit mir, und gebiete der Welt Ehrfurcht vor meinem Triumphe; denn ich könnte kommen wie in einer WetterNacht, daß Gottes Zorn auf meiner Stirn geschrieben wäre; und sein verzehrend Feuer hingienge vor meinem Fußtrit, wie es gekommen ist über jene dort die mir nicht gehorsam war. Du ich scherze nicht; ich pflege nicht zu spielen, mir ist ein grosses Loos gefallen, laß mirs so schön werden als es erhaben ist, versüsse mir die herbe Pflicht, sey mir ein lieber Baum der mich umschatten möge 1191
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In meiner Seele ists noch immer wie damals, aber ihr ist mehr Schmuk geworden und sie pranget von köstlicher GottesGabe; er hat mir beschieden ein grosses Maas aus seiner übervollen Güte Daß sie mich ziere diese Krone; o schmüke dein Haar nicht mit eitelm Gestein; ich will dir einen Öhlkranz flechten, Palmen und Eichlaub sey dein Strauß. Ja ich denke Königlich von dir, und mag den Glauben nicht entbehren den ich an deine Starkmuth habe; was werden wir nicht wenn wirs wollen; diese tiefe Pracht des Willens sey des Menschen Zierde.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 9. Oktober 1810, Dienstag
Wo ich sey und wo mich hingewendet Hab ich nicht beschlossen und geendet Hab ich nicht geliebet und gelebt? Willst du nach den Nachtigallen fragen Die mit seelenvoller Melodie Dich entzükten in des Lenzes Tagen Nur so lang sie liebten, waren sie. Ob ich Sie gefunden? Glaube mir ich bin mit ihr vereint Und ich fühl daß mich kein Wahn betrogen Als ich aufwärts zu den Sternen sah Denn wie jeder wägt wird ihm gewogen Wer es glaubt, dem ist das Heil’ge nah. (Schiller in der Thekla) Du! nimm das, ich habs aus tiefster Seele gesprochen, denn es bezeichnet die schönste Stunde meines Lebens; ich bin weit gewesen in Gottes wundervoller Natur, und mir ist die schönste Perle seiner Schöpfung geworden. Ich bin so schön belohnt daß ich alle Abende weinen muß in tiefem DankGefühl, o halt fest an mich, das Schönste ist geworden, was noch kommen soll ist Überfülle seiner Barmherzigkeit. Wann wird die Stunde schlagen die mich zu dir bringt? Die Sehnsucht ist in meinem Herzen, das Glük der heiligsten Liebe ist mein Gestirn 1192
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Diese Woche noch schreib ich dir; du wirst dich freuen mit mir Alle Himmel sind mir erschlossen, o mir war das Heilige nah Dein F. t München am 9 Oktober. Schreib immer wie sonst nach Landshut; ich habe 2 Briefe von dir seit meiner Rükkunft.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 10.–19. Oktober 1810, Mittwoch–Freitag
D* 10tn Diese Thränen möcht ich der Welt geben können – ich denke viel Abhärmung und Leiden und Geduld sey hier, und doch so viel Seeligkeit im Gedanken, daß das Schatten sey von dem was der Erbarmer gelitten hat – wie der Opfertod für heilige Liebe so unendlich willkomen sey – wie viel Vorgefühl schon im Wahne liegt die Hingebung möge die Reue besiegeln Ich seh den Lauf der Dinge und drinnen so viel Schiksal – so viel Abglanz einer ewigen Ordnung daß michs schauderte ins grosse Rad einzugreifen, daß es blos OpferTod für die Göttliche Heißgeliebte wurde was ich meinte ein verdienstlich Werk für mein Land – Und doch vielleicht giebt das der Erbarmer auch noch dazu daß du bey mir wärst diese Thränen zu troknen mich hat ein Wirbel ergriffen und keine Hand seh’ ich ausgestrekt die ich halte; wer da fest bleibt wird das grosse Gericht wohl bestehn, und ich sag Dirs ich steh fest Am 11. Ich bin ruhiger heute, gefaßt, in Gott ergeben, Gestern triebs mich wie ein Sturm durch die Strassen – das Mondlicht hat mir so wohl gethan; wenn ich dir von meiner Grossen Pilgerfarth erzählen will magst du staunen, zwey Flüsse stürzen vom Gotthard nach 2 Seiten hin – Die können Zeugniß geben von meiner Liebe – diese Farth ist ins Buch der Ewigkeit geschrieben Am 17 Guten Morgen liebe liebe Freundin, mir verlangt so nach dem Himmel mein Herz ist so zum Vater gewendet daß ich meine er könne uns nimmer verlassen; Nicht wahr du denkst meiner auch bey ihm. Gute Zeit! die Tage folgen sich, Stunde drängt sieh an Stunde welche wird mir aber bringen die Erfüllung der Liebe. Dich nenn ich mein das ist ein kostbarer Schatz, den ich vom Himmel geraubt habe, der mir nimmer wird genomen werden dich nenn ich mein, und unser 1193
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ist eine bessre Zeit, ein verdienstlichers Daseyn eine klare belohnende Zukunft – Aber dieser Winter liegt auf mir mit allen Lasten einer trüben Nacht, so selten bliken mich meine geliebten Sternbilder freundlich an, so selten haucht das Abendroth sein salbendes Licht in meine Seele – doch es ist mir eine Verheissung geworden, die mich wegschwingt mit sich, über alle gemeine Deutlichkeit der Dinge. Du, Tochter der Sterne /denn das bist du mir/ du! Die Tage jenes Frühlings da wir Hand in Hand giengen über Gottes Berge hin, und durch seine Felder einen gesegneten, glorreichen majestätischen Gang – Diese Tage sag ich dir, und mich freut es es aus zu sprechen werden einst nicht vergessen seyn Mich trägt auch die Sehnsucht so weit hinaus daß mir die Erde zu eng wird und daß ich durch ungemessne Zeiten schreite Den 19 Ich weiß nicht wie mir ist, es drükt mich so ans Herz, und du schweigst auch so lange böse Freundin – Aber getrost jener Glaube ruft da so unerschütterlich, ergreift so ganz Wesen und Leben und Daseyn, und allen Hauch alle Regung. Schöne Formen sind meine Nahrung, ich suche einen holden Geist für die Welt um mich; und Gott führt mir manch freundlich Bild vor die Seele – die Erinnerung jener kräftigen blühenden Natur die sich diesen Herbst so üppig an mich gedrängt ist wie ein Flammenmeer voll Licht und Leben in meinem Gedächtniß – alles übrige ist Sehnsucht, heisse Sehnsucht nach dem Frühling, dem Ziele aller Opfer aller Jugend, alles Strebens und Begehrens Die Zeit hat sich hartnäkig geworfen zwischen uns, und am Eingange in einen herrlich geschmükten Garten nach verschiednen Seiten hingewiesen – Aber laß uns das bittre Schiksal segnen – weis es den jemand wie es werden soll, ergründet jemand jenen Willen. Neulich war ein grosser Tag – ein Tag der Offenbarung – ich stürmte hinaus durchs Feld – und mir war ein helles Licht in die Zukunft aufgezunden – Die Anschauung der Dinge lag vor meinen Augen mir war das grosse Wie begreiflich – Wann werd ich ohne dunkel, im Schlichten Gewand der Herzlichkeit zu dir sprechen können? Du meine grosse Erzieherin – der Himmel sprach durch dein Auge zu meinem Herzen und die Bilder der vergangnen Tage ziehen leise vor mir hin wie Wellen eines Flusses vom AbendGolde eines herrlichen Tages sanft geröthet – Jede Stunde der Erinnerung bringt mir Kronen ich will nimmer müde seyn zu beten und zu sagen: Herscher der Welten ich erwachse im heiligen Thau deiner Salbung – Laß nicht ab von dei1194
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ner Gnade, Gieb das klare begeisternde Licht des Glaubens mir und denen die mir angehören – gieb es ihr der ich angehöre – gieb meiner Liebe Flamen, meiner Hoffnung Flügel, meinem Gebete Erhörung!
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Berlin, 18. Oktober–4. November 1810, Donnerstag–Sonntag
am 18ten October Ich stieg einmal auf einen Berg; – Was mein Herz beschwehrt? – sind Kleinigkeiten sagen die Menschen. Zusammenhängend schreiben? – ich könnte meiner Lebtag die Wahrheit nicht hervorbringen, seitdem wir in Töpliz zusammen gesessen haben, kann ich keine Complimente mehr mit Dir machen, Buchstabier Dich Durch, wie Damals durch mein Geschwäz. schreib ich denn nicht immer was ich schon hunderttausendmal gesagt habe? – die da von Dresden kamen erzehlten mir viel von deinen Wegen und Stegen, grad als wollten sie sagen dein Haußgott war auf anderer Leute Heerd zu Gast, und hat sich dort recht wohl behaagt. Zelter hat dein Bild überkommen, hat es wieder sein graubraunes Conterfay gestüzt, nun ers hat mag ichs nicht mehr, er sagt ich sey eifersüchtig, ich bins nicht, ich will aber nicht was andre auch haben können. – nun um wieder auf den Berg zu kommen – wenn ich mich bereite Dir zu schreiben, und dencke so in mich hinein, fallen mir allemal die einzelnen Momente meines Lebens ein, die so ruhig so auffaßlich in mich herein geklungen wie allenfals einem Mahler ähnliche Momente in der Natur wiedererscheinen, wenn er eine Landschaft mahlen will um seiner selbst willen: ich will dir auch um meiner selbst willen schreiben; nun war ich im vorigen Jahr um diese Zeit an einem Tage wo Die späthe Sonne noch ziemlich warm das Zutrauen belohnte, daß ich ihr in Sömmerlicher Kleidung bewieß, am frühen Morgen anderthalb Stunden weit spaziert wo ich mich endlich für denselben Tag auf einem Berg niederließ, da oben spielte ich mit dem glizernden Sand den die Sonne beschien und knipste den Saamen aus den verdorten Stäudlein kurz, bei mit Nebel kämpfender Abendröthe begab ich mich un^partheiisch wieder auf den Weg nach Hauße. – so was beengt mich zuweilen; wie damals die erfrischende Luft mich kräftig, ja beinah gescheut machte; daß ich nicht immer geh, immer wandre, unsern Herrgott in Schatten und Licht kennen lerne; ein Sturmwind 1195
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saußt daher und nimt in gröster Schnelligkeit ganze Thäler ein alles berührt er alles bewegt er, ders Licht angezündet hat wird mit Begeisterung ergriffen, und der im Duncklen ist, er muß sich doch anwehen lassen, die Gewaltige Natur läst keinen Raum und bedarf keinen Raum; was sie mit ihrem Zauberkreiß umschlingt das ist hereingebannt; Herrgott Dich loben wir, Herrgott Dich preißen wir, Du bist auch hinein^gebannt, in keinem Wort, in keinem Hauch deiner Gedichte läst sie dich loß – Und wieder muß ich vor Dieser Menschwerdung niederknieen, und muß dich anbethen und muß Dich lieben und begehren wie alle Natur. – Da wollte ich dir noch viel sagen, ward abgerufen, und heute am 29ten October komme ich wieder zum schreiben; – es ist halt überall ruhig, oder vielmehr oede; daß die Wahrheit sey, dazu gehört nicht einer; aber daß die Wahrheit wahr an ihnen werde, dazu gehören alle Menschen – Mann! dessen | Fleisch und Bein von der Schönheit deiner Seele so durchdrungen ist, wie darf ich Leib und Seel so beisamen lieb haben. – oft denck ich bei mir daß ich besser und herrlicher seyn will als die andern; aber kann ichs? – dann muß ich an Dich dencken Dich vor mir sehen – solche Liebe ist nicht unfruchtbar. – und doch darf ich nicht nachdencken, ich könnte mir den Tod dran holen ist was dran gelegen? ja wohl! ich hab eine Wiege in deinem Herzen und wer mich da heraus stielt, sey es Tod oder Leben, der raubt Dir ein Kind. ein Kopfkissen möcht ich mit Dir haben, aber ein hartes sag es niemand daß ich so bei Dir liegen möchte, sag es niemand daß ich in Tiefster Ruh an Deiner Seite wohnen mögte, es giebt viele Auswege und Durchgänge in der Welt, einsame Wälder und Hölen die kein End haben aber keiner ist so zum Schlaf zum Wohlseyn eingerichtet, als nur Gottes Schoos, ich denck mirs da breit und behaaglich, und daß einer mit dem Kopf auf des andern Brust ruhe, und daß ein warmes Athmen am Herz hinstreife, was ich mir so sehr wünsche zu fühlen, Deinen Athem am 4ten November Du hast doch immer eine Ursache mir zu schreiben, ich hab aber nichts behalten noch in Betracht gezogen als nur das Ende: »Liebe mich biß zum Wiedersehen«, hättest Du diese lezte Worte nicht hingesezt, so hätte ich vielleicht noch Rücksicht genommen aufs Vorhergehende; diese einzige Freundlichkeit hat mich überschwemmt, hat mich gefangen gehalten in tausend süßen Gedancken von Gestern Abend an bis wieder heute Abend. aus dem allem kannst Du schließen daß mir dein 1196
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Brief ungefehr vor 24 Stunden frische Luft ins Zimmer gebracht hat. nun war ich aber seit dem wie ein Dachs dem die Winter welt zu schlecht ist, und habe mich in den warmen Boden meiner eignen Gedancken vergraben. was Du verlangst hat für mich immer den Werth daß ich es der Gabe würdig achte; ich gebe daher die Nahrung das Leben zweier regen Jahre gern in deine Gewahrsam es ist wenig in Bezug auf viel, aber unendlich, weil es einzig ist; du selber köntest dich vielleicht wundern daß ich Dinge in den Tempel eintrug und mein Daseyn durch sie weihete, die man doch aller Orten findet, an jeder Hecke kann man in der Frühlings Zeit Blüthen abbrechen. aber wie, lieber Herr, so unscheinbar die Blüthe auch ist wenn sie nun nach Jahren immer noch Duftet und grünt? – deine Mutter gebahr dich in ihrem 17ten Jahr, und im 76ten konnte sie alles noch mitleben, was in deinen ersten Jahren vorging, und sie besäete das junge Feld das guten Boden aber keine Blumen hatte mit diesen ewigen Blüthen; und so kann ich dir wohl gefallen, da ich gleichsam ein Duftender Garten dieser Erinnerungen bin, worunter deiner | Mutter Zärtlichkeit die schönste Blüthe ist, und – darf ichs sagen? meine Treue, die gewaltigste. – ich trug nun schon früher Sorge darum, daß was bei der Mutter so gewaltige Wurzlen schlug und bei mir Blüthen trieb, endlich auch in süßer Frucht vom hohen Stamm an Die Erde niederrollen mögte, (was man findet ist reif und genießbar, was man erwartet und abbricht ist oft unreif) so dachte ich; nun höre: – da lernte ich in Baiern einen jungen Arzt kennen, schwarze glühende Augen verbrantes von Blattern zerissnes Gesicht, arm wie Job, fremd mit allen, große ausgebreitete Natur, aber grade darum in sich fertig und geschlossen, konnte den Teufel nicht als das Absolut Böse fassen, aber wohl als einen Kerl mit zwei Hörnern, und Bocksfüssen. Der Weg seiner Begeistrung ging nicht auf einer Himmels, aber wohl auf einer Hünerleiter in seine Kammer allwo er auf auf eigne Kosten mit Armen Krancken Darbte und freudig das seinige mit Ihnen Theilte, seine junge enthusiastische Kunst an ihnen gedeihen machte; – er war Stumm biß in sein 10tes Jahr, ein Donnerschlag lößte ihm die Zunge, mit 15 Jahren sollte er Soldat werden, er rettete sich dadurch daß er des Generals wildes Pferd zähmte, wofür ihm jener die Freiheit gab, dadurch daß er einen wahnwizigen kurierte bekam er eine kleine unbequeme Stelle in München, in dieser Laage lernte ich ihn kennen, bald gingen wir vor und neben einander Her wie es beiden behaagte, wenn ich gern Haußthiere in meinem Zimmer sah heimisch werden, um wie viel lieber, so einen guten Geist, der nichts 1197
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hatte als seine Einsamkeit, und endlich mich; oft schrieb ich in seiner Gegenwart an Dich während er auf dem Sofa in einem Buch laß, oder auch wohl aus Ermüdung der Nachtwachen bei seinen Krancken, ein- 110 geschlafen war. wenn ich denn an einen Punckt kam, brach wohl der Schwall meiner Gedancken, wie eine Flotte mit vollen Seeglen loß. – lieber Freund, wenn ein unschuldiges Kind im Zimmer schläft und die Einsamkeit rings in ein heiliges Leben umsezt, wenns brennende Licht leise vom Athem sich bewegt, wenn in den entfernteren Straßen die 115 Hunde bellen, so ists gleichsam als habe die Stunde geschlagen wo einem Gott heimsuchen will; nun so wars mir bei dem unschuldigen Menschen auch, es war mir die Stunde geschlagen wo du mich heimsuchtest; wenn ich mich gern deinem Kuß entgegen dränge, warum nicht deinem Geist obschon es selten endigte daß es mich nicht zu 120 Thränen gebracht hätte. So wars da in Augsburg, die Pestartigen Lazarete sich häuften, und in kurzer Zeit die Ärzte mit den Krancken wegraften; mein junger | Eißbrecher, wanderte hin um die Last einem alten Lehrer zu erleichtern, er ging mit schwehrer Ahndung, ich gab ihm ein Sacktuch, alten Wein, und das Versprechen zu schreiben zum Ab- 125 schied; es wurde außgemacht, daß welchen die Launen Drücken der solle keck vor den andern hintreten so wohl im Brief wie vorher im Gespräch, es wurde überdacht was wir einander zugetragen hätten während unserm Beisammenseyn, es wurde erkannt daß meine Worte über Dich mein liebendes Wissen von Dir und Der Mutter ein heiliger Schaz 130 war, der nicht verlohren gehen solle, in der äuseren Schaale der Armuth würde ein solches Kleinod am Heiligsten bewahrt sein, und so kams daß mein Briefwechsel mit den einzelnen Anecktoden Deiner Jugend erfüllt war, deren eine jede, wie Geister zur rechten Zeit die Launen auflöste; – der Zufall, Uns der geheiligtste, trägt auf seinen tau- 135 sendfach beladnen Schwingen auch diese Briefe, und vielleicht wird es so, daß wenn Fülle und Üppigkeit einst sich wieder durch das mißhandelte Fruchtland empor^drängen, auch er die goldne Frucht nieder schüttelt ins algemeine Wohlseyn. Manches habe ich auch schon in dermaliger Zeit, mit wenig Worten 140 gedeutet; mehr zu Dir darüber sprechend, da ich Dich noch nicht kannte (nicht gesehen hatte) oder auch war ich mit dem Senckblei tief in eignes Wohl und Weh eingedrungen. – verstehst Du mich? und hast Du mich lieb? – Willst du so, daß ich Dir die ehmalige Zeit in meiner Keckheit, (da 145 ich kein Gesez der Natur kennend, wohl vermittlend ein neues Gesez 1198
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erschuf) vortrage, Du wirst dann sehen daß wer noch keine Bahn kennt, keiner Bahn bedarf um überall hin^zu^kommen wer sagt dir daß die höchste Spize des Felsens unbesteigbar sey; und soll denn das Mögliche Herabstürzen durchaus vermieden werden, ist es denn nicht auch ein weiterkommen. es kömmt drauf an; ins weite Meer der Liebe stürzen, von emfangenden Armen – gleich festgehalten, eingeschlossen werden sieh! solche Schritte thut die Liebe, weit geöfnet nach Norden wie nach Süden hingewendet, entgegnet sie der weiten Welt, aber emfangend schließt sie ein alles in sich, und so wird die Schönheit, von ihrem Strahl allein beleuchtet, tausendfach bereichert wie der Edelstein vom einsamen Licht berührt, tausendfache Farben diesem Licht entgegenspiegelt; wie der Jüngling von einsamer Liebe erzogen, Tausendfache Süßigkeit dafür giebt, mit jedem Blick, mit jeder Bewegung jedem Athemzug spiegelt ja wieder eine Neue Farbe in den Treuen Strahl, und giebt Schönheit und Wonne. nur erst wenn alles begriffen, kann das Etwas seinen vollen Werth erhalten. | und somit begreifst Du mich? wenn ich Dir erzehle daß das Wochenbett deiner Mutter blau gewürfelte Vorhänge hatte worinn sie dich zur Welt brachte; sie war Damals 18 Jahre alt und 1 Jahr verheirathet, 3 Tage bedachtest Du Dich eh Du ans Weltlicht kamst, und machtest der Mutter schwehre Stunden; aus Zorn daß dich die Noth aus dem eingebohrnen Wohnort trieb, und durch die Mißhandlung der Amme kamst du ganz schwarz und ohne Lebenszeigen. sie legten dich in einen so genannten Fleischarden mit Wein und bäheten dir die Herzgrube, ganz an deinem Leben verzweiflend. deine Großmutter stand hinter dem Bett, als du zuerst die Augen aufschlugst rief sie hervor: Räthin! er Lebt! »da erwachte mein mütterliches Herz und lebte seit dem in fortwährender Begeistrung bis zu dieser Stunde« sagte sie mir in ihrem 75ten Jahr. Dein Großvater der der Stadt ein herrlicher Bürger und damals Syndicus war, wendete stets Zufall und Unfall zum Wohl der Stadt an, und so wurde auch deine schwehre Geburt die Veranlaßung daß die Stadt einen Acoucheur für die Armen einsezte. »schon in der Wiege war er den Menschen eine Wohlthat«, sagte die Mutter. sie legte Dich an ihre Brust allein Du warst nicht zum Saugen zu bringen. Da wurde dir eine Amme gegeben »an dieser hat er mit rechtem Appetit und Behaagen getruncken, da es sich nun fand« sagte sie »daß ich keine Milch hatte, so merckten wir bald daß er gescheuter gewesen war wie wir alle, da er nicht an mir trinken wollte.
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Siehst Du nun bist Du einmal gebohren, nun kann ich schon immer ein wenig pausieren. nun bist Du ein mal da, ein jeder Augenblick ist mir lieb genug um dabei zu verweilen, ich mag den zweiten nicht herbei rufen daß er mich vom ersten wegdränge. – Wo Du bist ist Lieb und Güte wo Du bist, Natur. – jezt wart ichs erst ab daß du mir wieder 190 schreibest »Nun erzehl weiter« dann werd ich erst fragen: Nun wo sind wir denn geblieben? – und dann werd ich dir erzehlen von deinen Großeltern, von deinen Träumen Schönheit Stolz Liebe pp. Amen. Räthin er lebt das Wort ging mir immer durch Marck und Bein so oft die Mutter es im erhöhten Freuden Ton vortrug das Schwerdt 195 der Gefahr, hängt oft an einem Haar, aber der Seegen einer Ewigkeit, liegt oft in einem Blick der Gnade, kann man bei deiner Geburth wohl sagen. Bettine 3v
schreib bald Herzens Kind, dann wirst Du auch bald wachsen, in die 200 liebsten Jahre kommen, wo dein Muthwill dich allen gefährlich machte und über alle Gefahr hinweg hob. – soll ich dir bekennen daß dieses Geschäft mir Schmerzen macht, und daß die tausend Gedancken sich um mich herlaagern als wollten sie mich für ewig gefangen nehmen. 205 Zelter läutet und bummelt mir Deine Lieder vor, wie eine Glocke die von einem faulen Küster angeläutet wird; es geht immer Bim, und zu späth wieder: Bam. Sie fallen alle über einander her und zanken sich auß Zelter den Rigini, dieser den Reichardt, dieser den Himmel, und dieser wieder den Zelter, es könnte sich ein jeder selbst ausprüglen, so 210 hätte er immer den andern einen größern Gefallen gethan, als wenn er ihn zum Conzert eingeladen hätte. nur die Toden sollen sie mir ruhen lassen, und den Beethoven, der durch seine fromme Natur schon auf ihr Erbtheil verzicht gethan hat. das gilt aber alles nichts. … lieber Freund! wer Dich lieb hat wie ich der singt dich im tiefsten Herzen; 215 daß kann aber keiner mit so breiten Knochen und so langer Weste. 〈quer zur Schreibrichtung:〉 Schreib bald, schreib gleich, wenn Du wüstest wie in einem einzigen Wort von Dir oft ein Schwehrer Traum gelöst wird; ruf mir nur zu: Kind ich bin ja bei Dir; dann ist alles Gut. Thu es, würde es dich nicht 220 interessieren Briefe die Du an Jugendfreunde schriebst, wieder zu bekommen Sie könnten dich doch wohl um so lebhafter in damalige Zeit 1200
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versezen. und derselben zum Theil habhaft zu werden wäre doch auch nicht unmöglich ich bitte antworte mir hierüber schnell, unter dessen will ich keinen Tag vergehen lassen ohne an deiner Aufgabe zu arbeiten.
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Berlin Weimar, 25. Oktober 1810, Donnerstag
Nun bin ich, liebe Bettine, wieder in Weimar ansässig und hätte dir schon lange für deine lieben Blätter dancken sollen, die mir alle nach und nach zugekommen sind besonders für dein Andencken vom 27ten Aug. Anstatt nun also dir zu sagen wie es mir geht, wovon nicht viel zu sagen ist; so bringe ich eine freundliche Bitte an dich. Da du doch nicht aufhören wirst mir gern zu schreiben und ich nicht aufhören werde dich gern zu lesen; so könntest du mir noch nebenher einen grosen Gefallen thun. Ich will dir nämlich bekennen daß ich im Begriff bin meine Bekenntnisse zu schreiben, daraus mag nun ein Roman oder eine Geschichte werden, das läßt sich nicht voraus sehn; | aber in jedem Fall bedarf ich Deiner Beyhülfe. Meine gute Mutter ist abgeschieden und so manche andre die mir das Vergangne wieder hervor rufen könnten, das ich meistens vergessen habe. Nun hast du eine schöne Zeit mit der theuren Mutter gelebt, hast ihre Mährchen und Aneckdoten wiederhohlt vernommen und trägst und hegst alles im frischen belebenden Gedächtniß. Setze dich also nur gleich hin und schreibe nieder was sich auf mich und die Meinigen bezieht und du wirst mich dadurch sehr erfreuen und verbinden. Schicke von Zeit zu Zeit etwas und sprich mir dabey von dir und deiner Umgebung. Liebe mich bis zum Wiedersehn. W. d* 25. Octb. G 1810 An Demoiselle Bettine Brentano bey H* von Savigny Berlin
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An Friedrich Wilhelm Riemer in Weimar Berlin, vmtl. Anfang November 1810
An Goethes Mitarbeiter Prof. Fr. W. Riemer mit der Bitte, die Duette von (Francesco) Durante für Goethe abschreiben zu lassen. »… Ich bitte mich der Frau von Goethe recht innig zu empfehlen …« »Bettine«
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An Max Prokop von Freyberg nach Landshut Berlin, 9. November 1810, Freitag
am 9ten November Da geht ein jeder seine eignen Wege; so ganz verschieden, und begegnen sich am End die Freunde dennoch; wer der Natur am nächsten bleibt der darf nicht für sein Schicksal sorgen, groß und herrlich auch in dem was klein scheint. so weiß ich daß eine Welt in dir gebohren und geseegnet ward mit jedem frühen Morgen der Dich auf die Berge Trug zur Anschauung Gottes; wie herrlich ist das Auge das in weiten Gegenden kühn schwelgen kann, wie groß Göttlich, diese Sinnlichkeit alles alles den höchsten gipfel den einsamsten Strahl die schnellsten Wolcken heere mit einem Blick zu berühren; in jeden Sinn hat der Gott seine Almacht ganz und innig eingebohren, und Du hast alles so befunden in Dir, von keiner Sünde von keinem Teufel ward dir Grenze gesezt, dein Herz konnte gehen langsammen Schritts und eilendes Flugs, und du mustest nicht mit vielen jammern daß dir die Ketten des Erdenlebens zu schwehr anhängen. denn dein Gott war Dir so nah, als dein Glaube an ihn starck war, und dieser Ausruf von Dir. »Wer es glaubt dem ist das heilige Nah« findet in mir seinen Wiederhall, der dir hiermit tief ins Gemüth gesenckt sey. da mögen denn Die Ströhme ewig fortrauschen, die des Lebens 〈〈und〉〉 der Liebe diese Urquellen aller Festigkeit; ich weiß Du bist im 〈〈xxx〉〉 schon lang erhaben über das was man Unglück nent; – 〈〈Wer〉〉 es im Geist ergriffen hat, den wird Gott nicht auf die Probe sezen; verstehst Du mich? – dem edlen Tritt das Gemeine nicht nah, und die Gemeinheit ist das einzige Unglück. so sehe ich dich also frei, durch deinen Adel schon jede Gefahr vernichtend. so kann der Adler die Stürme nicht fürchten da es ihm eine Wohllust ist sich von ihnen 1202
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dahin treiben zu lassen, wer will Uns verlezen? wir sind ewig, wenn die Wahrheit ewig ist. geh hin gesundes Kind, mit meinem Seegen. – auch mir ist das Leben frei und groß gegeben, die Nebel kommen und gehen. und in allem liegt der in die Ewigkeit ziehende Geist, in meiner Einsamkeit steigen immer wieder die vergangnen Zeiten auf, große Geister, immer mächtiger immer herrlicher sie kommen und zeigen sich daß sie gewachsen sind, und wo ehmals unser beider Sinn sich zusammen einigte da steht er jezt noch vereint in der schönsten Blüthe; was unter freiem Himmel lebt, (das heist ohne Vorurtheil) das genießt des Morgenthaus und der Abendluft, und wird kräftig gedeihend. – und lieber Freund, ist denn unsere Erkenntniß nicht ein Saame den Gott in die Warme heilige Erde einsäete, dem er seine Natur zum angedeihenden Erbe hingab? – 〈1r aoR kopfstehend:〉 erkennst Du in diesen wenigen Zeilen daß des Erzes Ader 〈nun〉 noch tief durch die Gebürge zieht, daß noch voller Reichthum der Liebe da ist?
An Freiherrn Max von Freiberg abzugeben bei Hrn Materialist Huber auf dem Plaz in der Altstadt in Landshuth
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Berlin, 12. November 1810, Montag
Die Himmel dehnen sich so weit vor mir, alle Berge die ich je mit stillem Blick maaß, heben sich so unermeßlich, die Ebnen die noch eben mit dem glühen Rand der aufgehenden Sonne begränzt waren, sie haben keine Gränzen mehr; in die Ewigkeit hinein. – Will denn Sein Leben so viel Raum haben? – Von seiner Kindheit; wie er schon mit 9 Wochen ängstliche Träume gehabt, wie er allerlei sonderbare Gesichter geschnitten und wenn er aufgewacht in ein sehr betrübtes Weinen verfallen oft auch sehr heftig 1203
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geschrieen hat; so daß ihm der Athem entging, und die Eltern für sein Leben besorgt waren; sie schafften eine Schelle an: wenn sie merckten daß er im Schlaf unruhig ward, schelten und rasselten sie heftig durcheinander, damit er bei dem Aufwachen gleich den Traum vergessen möge. als ihn einst die Tante auf dem Arm hatte fiel er plözlich auf ihr Gesicht mit dem seinigen, und gerieth dadurch so ausser sich daß ihm der Vater stets Luft einblasen muste damit er nur nicht ersticke. – Diese kleinen Zufälle würde ich vergessen haben in einem Zeitraum von 60 Jahren, sagte die Mutter, wenn nicht sein fortwährendes Leben, mir dieß alles geheiligt hätte, denn soll ich die Vorsehung nicht anbethen wenn ich bedenke, daß ein Leben damals von einem Lufthauch abhing, das sich jezt in tausend Herzen befestigt hat; und mir ist es nun gar das einzige, denn du kannst wohl denken Bettine, daß Weltbegebenheiten mich nicht sehr anfechten, daß Gesellschaften mich nicht erfüllen, hier in meiner Einsamkeit wo ich die Tage nacheinander zähle, und keiner vergeht daß ich nicht Vergnügen oder Behaagen emfunden hätte, hier denck ich auch meines Sohns und alles ist mir wie Gold. Er spielte nicht gern mit kleinen Kindern, sie musten denn sehr schön seyn. in einer Gesellschaft fing er plözlich an zu weinen da man ihn nach der Ursache fragte, schrie er: das schwarze Kind kann ich nicht leiden das Soll hinaus, er hörte auch nicht auf, bis er nach Hauße kam, wo ihn die Mutter befragte über die Unart, er konnte sich nicht trösten über des Kindes Häßlichkeit. damals war er 3 Jahr alt. – die Bettine welche auf einem Schehmel zu Füßen der Frau Rath saß, machte ihre eignen Glossen darüber, und drückte der Mutter Knie ans Herz. Zu der kleinen Schwester Cornelie hatte er da sie noch in der Wiege lag, schon die zärtlichste Zuneigung, er steckte heimlich Brod in die Tasche, und stopfte es dem | Kind in den Mund wenn es schrie. wollte man es wieder nehmen so ward er gewalltig Zornig kletterte an den Leuten hinauf und raufte ihnen die Haare aus, er überhaupt vielmehr zum Zürnen wie zum weinen zu bringen. – Die Küche im Hauß ging auf die Straße, an einem Sonntag Morgen da alles in der Kirche war, gerieth der kleine Wolfgang hinein erwischte ein Geschirr und warfs zum Fenster hinaus, das Rappeln freute ihn gar sehr, die Nachbarn hatten auch ihre Freude dran, nun warf er in gröster Eil alles was er langen konnte hinaus, wie er bald fertig war, kam die Mutter dazu, und lachte mit. – Er war so schön daß ihn seine Wärterin nicht wohl durch eine Volkreiche Straße Tragen konnte, weil alle Menschen sich heran drängten 1204
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ihn zu sehen, auch begehrten Frauen die geseegnetes Leibes waren, ihn zu sehen; jedoch ist in seiner Vaterstadt keine Spuhr von Ähnlichkeit mit ihm zu bemercken. Kein Spielwerck konnte ihn mehr fesslen, als das Zahlbrett seines Vaters auf dem er Bairische HalbGulden stunden lang hin und her zählte. Damals war er 7ben Jahr alt. Sonderbar fiel es der Mutter auf daß er bei dem Tod seines jungen Bruders Jacob, der sein Spielkamerad war, keine Thräne vergoß, er schien viel mehr eine Art Aerger über die Klagen der Eltern und Geschwister zu haben, da die Mutter nun 8 Tage nachher den Trozigen fragte: ob er den Bruder nicht lieb gehabt habe, lief er in seine Kammer brachte unter dem Bett hervor eine Menge Papier die mit Lectionen und Geschichtgen beschrieben waren, er sagte ihr daß er dieß alles gemacht habe um es dem Bruder zu lehren. – Nun lieber Goethe muß ich bekennen daß es mir das Herz zusammen preßt, wenn ich dir diese einzelnen Dinge hintereinander hinschreibe die mit tausend Gedancken zusammen hängen, die ich dir dennoch weder Deutlich machen noch erzehlen kann, denn Du liebst dich nicht wie ich, und dir muß dieß wohl unbedeutend scheinen während ich keinen Athemzug von Dir verlieren mögte. – Laß mich dir noch erzehlen daß dein Großvater einen Birnbaum in seinen kleinen Garten vor dem Bockenheimer Thor, am Tag deiner Geburth pflanzte, der Baum ist sehr groß geworden, von seinen Früchten die köstlich sind hab ich gegessen und – du würdest mich auslachen, wenn ich Dir | alles sagen wollte. Daß vieles sich nicht verwindet wenns einmal emfunden ist, daß es immer wieder kehrt ist nicht traurig, aber daß die Ufer ewig unerreichbar bleiben, das schärft den Schmerz. – wenn mir deine Liebe zu meiner Mutter Durchklingt, und ich seh so das Ganze, die Zurückhaltung das Verbraußen der Jugend auf tausend Wegen – es muß sich ja doch einmal lößen – mein Leben, was wars anders als ein Tiefer Spiegel des Deinigen. wenn Die Stunden der Nacht nacheinander schlagen: wer trägt die Kunde davon hinab, wer Treibt das Rad der Zeit unter der Erde, wenn nicht liebende Ahndung die alles mit sich fortzieht. und so war ich dir nachgekommen ans Licht und so werd ich Dir nachziehen ins Dunckel. – Mein lieber Freund der mich nimmermehr verkennt. – sieh ich löhse mir das Räthsel auf mancherlei schöne Weise. aber: frag nicht was es ist, und laß das Herz gewähren; sag ich mir hundertmal. 1205
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ich seh um mich empor wachsen Pflanzen seltner Art, sie haben Stachlen und haben Duft, ich mag keine berühren ich mag keine missen. Wer sich ins Leben herein wagt der kann sich nur wieder Durcharbeiten in die Freiheit. und ich weiß daß ich dich einst noch festhalten werde und mit dir seyn und in dir seyn, das ist das Ziel meiner Wünsche das ist mein Glaube. Leb wohl, sey Gesund, und laß dir ein einheimischer Gedancke sey〈〈n〉〉 daß Du mich wieder sehen wollest. vieles mögt ich vor Dir aussprechen am 12ten November. Bettine. 2v
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Hier die Duette! In diesem Augenblick habe ich nicht mehr Fassung und Ruhe als dir zu sagen: fahre fort so lieb und anmuthig zu seyn. Laß mich nun bald taufen! Adieu d*. 12. Nov. 1810. G
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Ich weiß daß Du alles was ich dir von Dir erzehle, nicht wirst brauchen können. ich habe in einer einsamen Zeit über diesen einzelnen Momenten geschwebt wie der Thau auf den Blumen, durch den die Sonne glänzend ihre Farben empor^spiegelte, noch immer seh ich dich in dieser vergötterten Kraft, aber mir ists unmöglich dir diese, darstellend zu 1206
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beweisen. Du bist bescheiden, und wirst es auf sich beruhen lassen, du wirst mirs gönnen, daß deine Erscheinung, grade ihr Licht auf mich warf, das sie nun doch einmal von sich strahlte; ich war die Einsame die Durch Zufall, oder vielmehr durch bewustlosen Trieb ihrer Liebe zu deinen Füßen hervorkeimte und deine Schönheit beachtete grade in ihrer tiefsten Einsamkeit selber. – es kostet mir Mühe, und ich kann nur rauh darzeigen, was so eng mit meinem Herzen verbunden ist, das doch ein mal in meiner Brust wohnt und sich nicht so von mir löst daß ich es ganz zeigen könnte. – indessen bedurft es nur ein Wort von Dir, daß ich dir diese Kleinodien rauh ungeglättet wie ich sie emfing wieder in deinen ungeheuren Reichthum hereinwerfe, was sie in meine Stirn, die liebevoll geründet ist, in meine Augenwinckel die von Liebesfeuer oft begeistert waren in meinen Mund der von diesem Liebes^geist oft zukend berührt ward, eingesenkt haben, das kann ich nicht wieder geben, es entschwebt, wie der Ton der Musick entschwebt und für sich besteht in dem Augenblick da sie aufgeführt wird. Leb wohl mein Leben; so mögte ich zu jeder Anecktode sagen die ich hinschreibe. – Die Blumen sollen abgebrochen werden, damit sie noch in ihrer Blüthe ins Herbarium kommen, so hab ich mirs nicht gedacht, da ich dir in meinem vorlezten Brief meinen Garten so freundlich anbot. lächelst Du? – du wirsts doch als überflüssiges Laub absondern, und des Thaus noch des Sonnenscheins nicht mehr achten, der ausser meinem Territorium nicht mehr drauf ruht. – Ein Schüze wird nicht müde tausend und Tausend Pfeile zu versenden; der nach der Liebe ziehlt; er spannt aber mal und zieht die Senne bis ans Aug heran, und blickt scharf, und ziehlt scharf. Und Du sieh diese verschossnen Pfeile die zu deinen Füßen hin sincken gnädig an, und dencke daß ich mich nicht zurückhalten kann dir ewig dasselbe zu sagen. – sage mir ob dich ein solcher Pfeil nicht manchmal, ein klein wenig berührt. Dein Großvater war ein Träumender und Traumdeuter, es ward ihm vieles über Seine Familie durch Träume offenbar, er sagte einmal einen großen Brand, dann die unvermuthete Ankunft des Kaisers voraus, daß er Stadtsyndicus werde, hat ihm ein ganzes Jahr vorher | geträumt. es wurde aber nicht beachtet; er selbst hatte es wieder vergessen bis der Tag der Wahl herankam. nur deine Mutter hatte einen festen Glauben dran jedoch im Stillschweigen, an demselben Tag nun da der Vater aufs Rathhauß gegangen war, steckte sie sich nach ihrer eignen Aussage in einen unmenschlichen Staat und frisierte sich bis an den Himmel. In dieser Pracht sezte sie sich mit einem Buch in der Hand in einen Lehn1207
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sessel. Die Schwestern und Mutter glaubten die Schwester Prinzeß (so wurde sie wegen ihrem Abscheu vor Häußlicher Arbeit, und Liebe zur Kleiderpracht und Lesen, genent) sey närrisch, sie aber versicherte Ihnen sie würden bald hinter die Bettvorhänge kriegen wenn alle Rathsherrn kämen, Ihnen wegen dem Vater der Heute zum Syndicus gewählt würde zu gratulieren; da nun die Schwestern sie noch mit einer ziemlichen Anzahl Schimpfnahmen, die damals wohl Mode seyn mogten, wegen ihrer Dummen Leichtgläubigkeit beehrten, kam Der Vater zum höchsten Erstaunen im Gefolge aller Rathsherrn zurück, als Syndicus. – Diese Traumgabe hat sich auf die eine Schwester fort geerbt denn gleich nach dem Tode des Vaters da man in Verlegenheit war das Testament von ihm zu finden, träumte ihr, es sey zwischen zwei Brettgen im Pult des Vaters, die durch ein geheimes Schloß von einander gingen; man untersuchte den Puldt und fand alles richtig. Die Mutter aber hatte dieß Talent nicht; sie meinte, es komme von ihrer muntern gesunden Natur und wohl auch von ihrem Gesunden Verstand her. Die Großmutter kam einst nach Mitternacht in die Schlafstube der Töchter, und legte sich zu ihnen weil ihr in ihrer Kammer etwas begegnet war was sie vor Angst nicht sagen konnte, am andern Morgen erzehlte sie, daß etwas im Zimmer geraschelt habe wie Papier in der Meinung das Fenster sey offen und die Luft jage die Papiere umher sey sie aufgestanden, habe aber alles zu gefunden, da sie wieder im Bett lag, rauschte es immer näher und näher heran, ein ängstliches Zusammenknittern von Papier; endlich seufzte es Tief auf, und noch einmal dicht an ihrem Angesicht, daß es sie ordentlich anwehte, darauf ist sie vor Angst zu den Kindern gelaufen; kaum hatte sie auserzehlt so ließ sich eine Dame melden die die Frau, eines recht innigen Freunds von ihr gewesen war, sie war in schwarzer Kleidung, da sie nun auf die Haußfrau loß kam, ein ganz zerknittertes Papier hervorzog da wandelte sie eine Ohnmacht an, und das Herz schwebte ihr vor Schrecken, sie erzehlte | nun daß ihr Mann plözlich aufgewacht, seinen herannahenden Tod gespürt habe, er habe daher nach Papier verlangt der Freundin noch etwas zu schreiben und seine Frau und Kinder ihr zu emfehlen im Schreiben aber hat ihn der Todeskrampf ergriffen, er hatte das Papier gepackt zerknittert und damit hin und hergefahren auf der Bettdecke, endlich seufzte er zweimal Tief auf, und war verschieden. Seit diesem Augenblick verschmähte deine Mutter keine Vorbedeutungen noch ähnliches pp sie sagte: Wenn mans auch nicht glaubt, so braucht mans deswegen noch nicht zu vernichten, ihr selbst 1208
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sey wohl manches vor bedeutet gewesen, was aber so ganz ohne Wichtigkeit war, daß sie um so weniger darauf geachtet; jedoch hat es sie nach und nach auf Sonderbare Gedancken gebracht, sie meinte das Herz, und mithin endlich das ganze Schicksal, entwickle sich oft an Begebenheiten die äuserlich so klein erscheinen daß man ihrer gar nicht erwähnt, und innerlich so gelenck und heimlich arbeiten, daß man es kaum emfindet. noch täglich; sagte sie: hab ich solge Begebenheiten, die den Menschen dumm vorkommen würden, aber es ist meine Welt, es ist meine Pracht, meine Herrlichkeit. Wenn ich in einen Kreiß von langweiligen Menschen Trete, denen die Aufgehende Sonne kein Wunder mehr ist, denen der heran^nahende Abend keine glückliche Bestädigung mehr ist, daß Gott die Welt noch nicht verlassen hat, so denck ich in meiner Seele: ja meint nur Ihr hättet die Welt gefressen, wenn Ihr wüstet was die Frau Rath heute alles erlebt hat. – Sie sagte mir, daß sie sich in ihrem ganzen Leben nicht mit der ordinären Tagsweise habe begnügen können daß ihre starcke Natur, auch wichtige und Tüchtige Begebenheiten habe verdauhen wollen, und daß ihr dieß auch in vollem Maaße begegnet sey, sie sey nicht allein um ihres Sohns willen da, sondern auch ihr Sohn um ihrentwillen; und wenn sie daß so gegen einander halte so wisse sie wohl was sie zu dencken habe, wenn sie die Ereigniße in den Zeitungen lese. – Lieber Herr! so entfernt Du von ihr warst, so lange Zeit auch; du warst nie lebendiger geliebt, als von ihr während Gelehrte und Filosofen, vor deinen Wercken, musten bestehen lernen, war sie das einzige Beispiel, wie Du aufzunehmen seyst sie sagte mir oft einzelne Stellen aus deinen Büchern vor, so zur rechten Zeit, so mit herrlichem Blick und Ton, daß in diesen meine Welt auch anfing lebendigere Farbe zu emfangen, und daß Geschwister, und Freunde | dagegen in die Schattenseite Traten, das Lied: O last mich scheinen biß ich werde, war ihr Liebling und sie sagte es oft her, eine jede einzelne Sylbe erklang mit Majestät, und das ganze entwickelte sich als Geist mit einem kräftigen Leib angethan, so waren alle Melodien elend gedrückt vor ihrer Aussprache, nie ist mir Musick lumpig vorgekomen als auf deinen Liedern die mir die Mutter ausgesprochen hatte, sie wollte oft Melodieen hören, aber es gnügte ihr nichts, und sie konnte so richtig darthun daß man nur nach dem Gefühl geschnapt habe, das in vollem Maaße aus ihrer Stimme hervorkam; Nur wer die Sehnsucht kennt pp – ihr Auge ruhte dabei auf dem Knopf des ChatarinenThurms, der das lezte Ziel ihrer Aussicht war, die Lippen bewegten sich herb, und schloß sich der Mund am Ende so 1209
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durchdrungen bitter, es war, als ob ihre Jugendsinne wieder anschwellen; – dann schaute sie mich an, ganz wie Du, unendlich freundlich, sie drückte mir die Hand 2, 3 mal, – und überraschte mich oft mit den 125 Worten: Du hast meinen Sohn gewiß lieb wenn Du ihn nicht lieb hast, so hat ihn niemand lieb; sie mogte da wohl mein Gesicht verstehen. – Ihr Gedächtniß war nicht allein merckwürdig, sondern sehr herrlich, nie hat sich das Gefühl eines Eindrucks bei Ihr verlohren. so sagte sie mir in dem sich ein Posthorn auf der Straße hören ließ, daß ihr dieser 130 Ton immer mehr oder weniger eine schneidende Emfindung errege die sie in ihrem 15ten Jahr ganz Durchdrungen habe. Damals war Carl der 7te mit dem Zunahmen der Unglückliche, in Frankfurth an einem Charfreitag begegnete sie ihm wie er mit der Kaiserin Hand in Hand, in langem schwarzem Mantel die Kirchen besuchte beide hatten Lich- 135 ter in der Hand die sie gesenkt Trugen, die Schleppen der Mäntel wurden von schwarzgekleideten Pagen nachgetragen. »Himmel was hatte der Mann für Augen! sehr melancholisch, etwas gesenckte Augenwimpern; ich verließ ihn nicht, folgte ihm in alle Kirchen, über all kniete er auf der lezten Bank unter den Betlern und legte sein Haupt eine Weile 140 in die Hände, wenn er wieder empor sah, war mirs allemal wie ein Donnerschlag in der Brust. da ich nach Hauß kam war meine alte Lebensweiße weg, ich dachte nicht so wohl an Die Begebenheit, aber es war mir als sey etwas großes vorgegangen; wenn man von ihm sprach ward ich blaß und zitterte wie ein Espenlaub, ich legte mich am Abend 145 auf die Knie und hielt meinen Kopf in den Händen, wie er, ohne etwas anders dabei zu emfinden, als nur: wie wenn ein großes Thor in meiner Brust geöfnet wäre; – da er einmal offne Tafel hielt, drängte ich mich durch | die Wachen und kam in den Saal anstadt, auf die Gallerie, es wurde in die Trompeten gestoßen, bei dem 3ten Stoß erschien er, in ei- 150 nem rothen Mantel, den ihm zwei Kammerherrn abnahmen er ging langsam mit gebeugtem Haupt. ich war ihm ganz nah, und dachte an nichts, daß ich auf dem unrechten Plaz wäre; seine Gesundheit wurde von allen anwesenden großen Herrn getrunken und die Trompeten schmetterten Dazu, da jauchzte ich laut mit, der Kaiser sah mich an 155 und Nickte mir; am andern Tag reißte er ab ich lag früh Morgens um 4 Uhr in meinem Bett, da hörte ich 5 Posthörner blasen, das war er, und so höre ich jezt nie das Posthorn ohne mich daran zu erinnern.« Sie sagte mir daß sie’s zum erstenmal in ihrem Leben erzähle; das war ihre erste rechte Leidenschaft und auch ihre Lezte, sie hatte später noch 160 Neigungen aber nie eine die sich ihr so mächtig angekündigt hätte, 1210
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und gleich wie diese bei dem ersten Schritt ihr so ganz verschiedne Himmels Gegenden gezeigt hätte – Viel hatte sie einer Tante zu verdanken die ihr über das Bornierte Wesen ihres Häußlichen Lebens hinweg half in dem sie sonst gewiß erstickt wäre sagte sie. Dein Vater war ein schöner Mann, sie heurathete ihn ohne viel nachzudencken, sie wuste ihn auf mancherlei Art zum Vortheil der Kinder zu lencken, eine große Leidenschaft hatte er fürs Reißen, sein Zimmer war mit Landkarten behängt, in müssigen Stunden Spazierte er mit den Fingern drauf herum, und erzehlte dabei alle Merckwürdigkeiten alle Ebentheuer die andern Reißebeschreibern begegnet waren, dieß war der Mutter eine Angenehme Unterhaltung. Als ihn spätherhin der Schlag rührte suchte sie sich in seine Geschäfte herein zu arbeiten, sie besorgte nach seiner Weisung das Meiste, zum zweitenmal rührte ihn der Schlag, er konnte nicht mehr selbst essen und nur sehr schwehr sprechen. Sie über nahm alles bis zu dieser Zeit war sie immer sehr Bürgerlich und einfach gekleidet gewesen einmal bei Gelegenheit daß sie sich sehr puzte, äuserte dein Vater große Freude darüber, er Lachte und befand sich viel wohler als sonst; seitdem nahm sie die Gewohnheit an, sich von frühem Morgen schon den Kopf zu puzen das wurde denn von vielen Menschen mißverstanden, mir aber hat es ihre Bekanntschaft erleichtert, denn da ich sie einmal im Theater sah den Arm mit Brazeletten ziemlich hoch emporschwingen zum Aplaudieren, rief ich ihr zu, daß es wohl der Mühe werth sey solch einen Arm zu schmücken und zu zeigen, sie nante mich zwar eine kleine SchnepperTesch, hatte es aber gar nicht übel genommen. auf ihrem rechten Knie hatte sie einen weisen Stern abgebildet, so groß wie man die Sterne am Himmel sieht, ich sah das Maal, bei | Gelegenheit daß ihr Bein eingerieben wurde, sie hatte es verrengt. Was sagst Du nun dazu daß die Mutter in den Kaiser verliebt war? was sagst Du dazu daß ich alles so wohl behalten, ihre Reden sogar behalten Manches was sie mir sagte hab ich mir gleich damals aufgeschrieben; aus keiner andern Absicht, als weil mich ihr Geist überraschte, und denn auch weil es so merckwürdig war, wie unter lauter Dürrem Holz der einzige grünende Stamm, manchmal sagte sie mir Morgens schon im Vorauß was sie alles am Abend in der Gesellschaft erzählen würde, am andern Tag ward mir denn Bericht abgestadtet was es für einen Efect gemacht habe. – Deinen Sohn hatte sie ungemein lieb da er zum leztenmal bei ihr war, forschte sie ihn auß, ob er seinen Vater recht liebe; er sagte ihr nun daß all sein Lernen all sein Thun da1211
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hin gehen solle dich recht zu ergözen, sie mag sich wohl Stunden lang mit ihm, von Dir unterhalten haben, wenn ich dazu kam brach sie ab. den Tag wo er fort gegangen war, war sie sehr lebendig, sie erzehlte mir viel liebenswürdiges von ihm und profezeihte dir viel Freude. an der Catharinen Pfortecke wo der lezte Punckt war daß er nach ihren Fen- 205 stern sehen konnte, schwengte er sein Sacktuch, dieß hatte sie im tiefsten Herzen gerührt, sie erzählte es mir mehr wie einmal, als aber am andern Tag ihr Friseur kam und ihr sagte daß er am vorigen Tag noch den jungen Herrn begegnet habe, der ihm aufgetragen daß er am andern Morgen die Frau Rath noch einmal von ihm grüßen solle, war sie 210 gar sehr erfreut und rechnete ihm diese Liebe hoch an. Nun hab ich wohl nur zu viel gesagt oder geplaudert, verzeih mir alles überflüssige, wozu denn wohl am ersten die Tintenkleckse und ausgestrichnen Worte gehören. nun muß ich aber erklären daß ich nicht auf einem Tisch sondern auf meinen Knieen schreibe. ich size nehm- 215 lich dicht am Ofen auf einem Schemelchen, habs Tintenfaß auf einem Stuhl und ein Buch in folio worinn zerstreute und abgebrochne Notizen geschrieben von Frankfurth aus über Dich. die sind hie und da mit Büschlen getrockneter Blumen belegt, die ich hie und da auf meinen Wegen gesammelt habe, dieß Buch ist meine Unterlage, natürlich 220 ziemlich holperich, mithin ganz natürlich daß ich schlecht schreibe. Adieu lieber treuer Freund von Jugend auf. am 14ten November Bettine 225 schreib doch, ob du noch mehr hören willst. Grüß die Frau herzlich. bist Du wohl? – vergeß mich nicht wenn Du kranck wirst. – vergeß mich nie. Riemer soll meinen Auftrag nicht vergessen; es ist in deinem Hauße wie in dem Venusberg, wenn mal etwas drinn ist, kanns so leicht nicht wieder heraus 230
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 17.–19. November 1810, Sonnabend–Montag
Was will’s mit diesem Leben, ist doch der Sehnsucht kein Ende; aber der Glaube hält mich aufrecht. In deinem lezten Briefe hab ich dich ganz, ich nenne dich mein; Du ich fange an kühn zu werden bey allen 1212
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Himmeln! Als man den Cato wegen seines Stillschweigens tadelte, antwortete er: »Tadelt immer mein Schweigen, wenn ihr nur mein Leben nicht tadelt; ich will anfangen zu reden, wenn ich von solchen Dingen sprechen kann, die des Redens werth sind« Du mein Erbarmer wann läßt du meine Stunde schlagen? Ich bin heute von Landshut zurük; ich bin unter deinen Fenstern gestanden, habe dort gebetet, Da war mir so wohl! ich bin durch Nacht und Nebel geritten, durch die dampfenden Wälder; Gott, wann wird dein Hauch uns blauen Himmel geben? Ich beschwöre dich, sey einsam und mit Gott; ich habs gelernt unter tausenden einsam seyn; das Gewühl der Welt geht kalt über mein Herz hinweg; o wie glüklich bin ich daß mich mein Glaube an dich nicht betrogen hat Aber heute ist keine Begeisterung in meiner Seele, wenigst jezt eben nicht; drum sollt ich nicht schreiben an dich; wenn mein Begehren ganz Flamme ganz himmlisches Vorgefühl ist dann, dann bist du von deiner Tiefe aus mein, ich will beten und ringen daß diese Flamme stets in meinem Herzen lodere; ich spiele mit Schwüren nicht, aber ich schwör dirs daß ich nie, nie abweichen will von jenem Ziel, das auch dich seelig machen muß, weil du’s kennst – bald mehr – Und was soll ich dir sagen; Faß ich denn mein Glük; o diese Jugend ist mir so reich aufgegangen, daß ich in der Erinnerung schwelgen darf. Auf der Zinne eines FelsenGebürgs möcht ich in heiliger Beschauung, der Stunde harren die mir die Fahne bringt, daß ich sie schwingen soll über beglükte Völker. Und so steh ich izt, daß ich mich festhalten muß an meiner Liebe, denn sonst verschlänge mich fürwahr dieser Wirbel der Gemeinheit. Ich hab einen so festen Glauben, nicht wahr. o ich weiß daß du mir die Arme halten würdest zu beten, wenn sie müde würden zum Himmel gefaltet zu seyn – – Die Tage dieses Sommers seyen dir heilig; aus deinen Briefen die du aus jener Gegend schriebst leuchtet mir ein so stärkendes Licht in die Seele daß es mir ein Geschäft voll Salbung ist, sie wieder zu lesen. Auch heute ist nicht viel Begeisterung in meinem Herzen, und doch mein ich ich könnte recht herzlich zu dir sprechen wenn du da bey mir säßest. Ja, der Gedanke an jene Ewigkeit er giebt so viel Trost, daß mir ein Blik zum Himmel die tiefste Zufriedenheit giebt; Gieb mit bald Nachricht, deine Worte sind meines Geistes Nahrung, ich steh einsam hier, rufe mir zu du erfreuliche Trösterin! – – Guten Morgen, ich bin bey dir, meiner Hoffnung ist kein Abbruch, meiner Liebe Ziel da drüben. Eins bet’ ich täglich: daß mir Gott das heilige Feuer erhalte, das mich manchmal wie ein Sturm ergreift, und 1213
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über allen Widerstand der Welt hinweg führt. Dann bin ich immer wieder bey dir, denn bey dir leuchtet mir meine Liebe am herrlichsten – Aber lange kanns nimmer Währen so, es muß brechen, es zersprengt mir das Herz – doch ich habe ja ein Ziel, ein Ziel! und aus dem Munde einer Prophetin – ich meine das Frühjahr Wie’s immer kommen mag, ich werde finden was ich suche, o mehr noch ich habe gefunden was meiner Sehnsucht Triebrad war. Leb wohl ich kann für izt nicht mehr – Du hast mir erlaubt – und ich fühle mich berufen – dir als Dein Freund zuzurufen auf deinen Wegen, das thue ich und sage: Bleibe dem Gefühle getreu das dich seelig macht, wenn Gott bey dir ist –. Abends. Auf den Hügeln Bergamo’s war ich zerflossen in die Natur! Was sagt dir dein Herz wenn im DämmerLichte das Land am Horizont sich in den Himmel verliert; o laß unser Leben so sanft hinübergleiten als Diese NaturScene ist. »Ich habe dir viel, recht viel zu erzählen und kanns nicht;« Als wir nach Salzburg fuhren sagtest du so zu mir, aber bey Gott wenn du izt bey mir wärst so könnt ich mein Herz aus schütten vor deiner theilnehmenden Seele. O sey mir willkommen du Königliche Trösterin. Ich habe mehr zu thun als Rosen zu brechen, und doch denk ich aller Veilchen mit Entzüken die ich dir geboten habe; wer zerreißt Diese Ketten, wer lößt die Zeit, das Räthsel des kommenden und immer wieder kommenden Tages; Bete, Bete, sey einsam und jenem Gefühle getreu bey dem du am zufriedensten, so recht aus tiefer Seele zufrieden bist. Am Morgen Als ich gestern Nachts in deinen Briefen las da kam eine Stelle wo du sagest: »Es ist Mitternacht vorbey, und draussen zieht ein schwer Gewitter hin« o du wartetest meiner, warst bis zum Abend an dem Kreuz gestanden, Deinen Blik gegen meine Berge gekehrt. Das hat mich ergriffen und erschüttert, denn ich fasse nicht ganz mein Glük noch die Bedeutung dieser Dinge, und heilig muß sie seyn, so spricht meine Seele. Du! wenns so würde daß wir zusam|men noch nach vielen Gewittern sehen könnten in schwüler SommerNacht O dann bin ich nicht zu kennen, mein Blik sieht starr nach dem himmlischen Feuer, und ich bin ganz heilige Sehnsucht. – Und bis dahin bleibt es Wunsch und Gebet. Mag auch die Jugend hingehn, wird doch der Entsagung Strahl hinüberleuchten auf die männliche That. Mittags Und ich habs wieder gelesen, kanns nicht satt werden; es heißt: »Gute Nacht, Mitternacht ist vorbey, ein schwehr Gewitter zieht 1214
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am Himmel« Ich seh dich so dastehen an den Fenstern des Schlosses und die schwüle WetterLuft spielt um deine Stirne. Nein ihr Himmel noch ist kein so heiliger Bund geschlossen worden als dieser unsrer beyden Seelen. Laß Segen aus meiner Liebe über die Welt kommen, laß die Kraft meines Willens über das Schiksal von Völkern hinstrahlen, aber erhalte mir dieses schöne göttliche Gemüth meiner Freundin! aMademoiselle Mademoiselle Bettine de Brentano de la Roche à Berlin Bey Hr Hofrath von Savigny. Platz Monbijou. Nro: I
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Von Antonio Salvotti (von Eichenkraft) und Bindeburg nach Berlin Mailand, 19. November 1810, Montag
Gnädiges Fräulein. Ist’s nicht Verwegenheit, wenn ich an S〈〈ie〉〉 zu schreiben gedenke? Ich rechne aber auf Ihre Güte, und wage diesen Schritt. Seitdem diese herrliche Familie, bey welcher wir das Ideal der Vollkommenheit im schönsten Abbilde bewunderten sah ich mich in das öde Getümmel einer leblosen Stadt geworfen. Verdient denn der Namen des Lebens eine unendliche Thätigkeit, die sich um den Egoismus bewegt? Um daher das Unvergeßliche jener Abende hervorzurufen, die Sie mit Ihrem erhebenden Gesange verschönerten, erlaube ich mir zwey Musikalien-Stücke Ihnen zu schicken, die auf dem hiesigen Großen Theater alla Scala ungemein gefielen. Ihr erhabenes Gemüth wird wahrscheinlich die melancholische Stille des Notturnino nicht verwerfen. Dieß Terzetto, zu deßen Herrlichkeit das Finstre der Dekorationen beytrug, schien mir wirklich Ihrer würdig. Mit sanftem Einklange berührte es die innersten Saiten meiner Seele, die durch das tändelnde Wesen der Cavatine in ein ganz entgegengesetztes Element gebracht 1215
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wurde. Glücklich, wenn Sie dieß nicht verschmähen werden, und Ihren Befehlen zu entsprechen geneigt, empfehle ich mich Ihnen. Ihr ergebenster Diener Antonio Salvotti. Mayland den 19 9bers. 1810. Alla Corsia de Servi N 589.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 20. November–1. Dezember 1810, Dienstag–Sonnabend
den 20ten November. Ich spreche wieder zu dir, daß mir wohl werde in der Beschauung Deiner schönen Seele; wenn die Welt eitel um mich stürmt denk ich deines Händedruks, und mein Herz wird lauter Flammen mein Wille lauter Kraft. Laß uns Gottes Kinder bleiben, so wie wirs auf jenem Berge geworden sind; ich denke deines Gebets mit rührender Zuversicht und so ich in frommer Stunde zu Gott aufseh ist dein Andenken in meinem Gemüth o daß ich alles sagen könnte! ist unsre Liebe nicht von dieser Welt, geht mein Begehren nach den Sternen. Dein Auge entbehr ich hart, nach deiner Stimme dürstet mich; wann wird’s werden daß ich mich sonne in deinem himlischen Blik! Mir wird so schwer, da reicht nicht’s aus als jene Liebe; ja du meines Daseyns Segen nimms hin, alles was ich geben kann. Ich mochte um dich seyn wenn ich sinnend und einsam von reiner Sehnsucht getragen in stiller Nacht gienge aufsehend nach den Sternen; o Deiner Hände sanfter Druk würde meinen Willen entzünden, deiner Stimme Schall wäre dem schmachtenden Nahrung, ich würde dich Schwester nennen, du würdest deinem Bruder gut seyn, recht aus tiefer Seele gut. Ach Wer hat es so gegeben daß alles mit Schmerzen muß geboren werden; aber nicht wahr, wer die Prüfung schikt giebt auch die Kraft, dieselbe zu bestehn. Den 25 Nov Ich weiß nicht ob es gut ist daß du schweigst? Deine Worte sind die Stimme eines Engels ich verlange was ich bedarf, o gieb mir von dem Reichthum deiner Seele – Nur wenn ich den Heerwagen betrachte in tiefer Nacht, da mein ich an diesen 7 Sternen seys genug, da verstünden wir uns schon und bedürfe keines weitern mehr; aber du, wenn es wieder 〈〈T〉〉ag wird, und die Sonne hereinleuchtet auf die Tändeley der 1216
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Welt dann ließ ich deine Worte mit soviel Rührung, mit soviel Erhebung; die Zeit wälzt sich herab, die Jugend geht mit hin. Erbarmer laß deinen Willen kund werden da der Baum noch blüht – ich habe geliebt und gelebet. – Du Allmächtiger verlang ich denn Glük und Leben; ich will ja nur dein heilig Werk – was du noch mehr giebst ist lauter Barmherzigkeit. – Deine Stunden in Böhmen sind ein schöner Antheil meines Lebens, ihr Andenken ist beseligend in meinem Herzen o sprich zu mir – ich hoffe ich glaube auch ohne dich – aber du machst mir meinen Willen bedeutend meine Liebe lehrst du mich verstehen meine Sehnsucht trägst du nach dem Himmel. Schwester Liebe Schwester gieb deine Hand; es ist viel süsser so über diese Klippen hinzugehn. den 1 December Meine Seele ist voll Reichthum ich habe deinen Brief /vom 9t Nov/ Sey mir gepriesen du treue königliche Schwester, der Himmel mache das Erz erglühen das du im Busen trägst es schwinge deine Liebe sich zum Himmel daß sie sich sonne im UrLicht. Was bist du mir, was bin ich dir – laß das ein andermal sagen in einem andern Leben wo sichs schöner begreift, wo’s dem fessellosen Geiste faßlicher ist. Du ewige Erkenntniß wann werden wir eingehn in deinen Sonnen Tempel! Mich verzehrt ein heilig Feuer Das Andenken deines Bliks durch schauert mich mit himmlischer Wollust, und meine Sehnsucht stürmt durch unermeßliche Räume dahin – So sey mir gegrüst du Braut der Sterne, Die du theilhaftig bist des Segens den Gott über mich und Bayern durch Sie gab. Ich rufe dir von meinem Throne auf den mich die Liebe gestellt hat zu: Sey mein durch alle fernen Zeiten, sey Gottes, und mein Bald fällt der Nebel der dirs noch verhüllt, was zu schauen meine Seligkeit ist, Bald sag ich dirs von Mund zu Mund, daß es wie ein verklärender Wirbel durch dein Herz gehen soll! 〈1r aoR kopfstehend:〉 Schreibe auf deine Briefe immer: Landshut in Bayern.
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Berlin, 24. und 28. November 1810, Sonnabend und Mittwoch
Mein theuerster Freund! Ich kenne Dich nicht! nein ich kenne Dich nicht! ich kann Deine Worte mißverstehen, ich kann mir Sorgen um Dich machen? Da Du Doch Freiheit hast über Aller Sclaverei, da doch dein Antliz nie vom Unglück überschattet war, keine Wolke hat sich je an Deine Stirn gelaagert, kein Sturm kein Ungewitter; ein Mayschauer mag wohl von deinen Augen niedergeregnet seyn. – und ich kann Furcht haben? bei dem edelsten Gastfreund des Glücks? – die Wahre Liebe hat kein Bekümmerniß. ich habe mir oft vorgenommen, daß ich dich viel zu heilig halten will, als elende Angst um dich zu hegen und daß Du in mir nur Freude und Trost hervorbringen sollst. – Sey es wie es mag: hab ich dich auch nicht, hab ich dich doch. – nicht wahr meine Briefe, sie sagen Dir die Wahrheit? da hast du mich. – und ich? – weissagend verfolge ich die Züge Deiner Feder, die Hand die mir gnädig ist hat sie geführt, das Aug das mir wohl will hat sie übersehen und der Geist der so vieles, so verschiednes umfängt, hat sich eine Minute lang ausschließlich zu mir gewendet. – Da hab ich dich – soll ich dir einen Commentar hierzu machen? – ein Augenblick ist ein schicklicherer Raum für den Aufenthalt eines Gottes, als eine halbe Stunde – der Augenblick den du mir schenkst ist mir Seeliger als das Ganze Leben. Heute am 24ten habe ich die Duetten erhalten, mit den wenigen Zeilen von Dir die mich aufs Gradewohl irre führten, es war mir als könntest Du kranck seyn. pp – aber wenn auch! für dich ist nicht zu fürchten, nicht zu zittern; Weh mir! wenn ich dir nicht freudig folchen kann, wenn meine Liebe den Weg nicht findet der dir immer so nah ist, wie mein Herz dem deinigen ist und war. Schön wie ein Engel, warst Du, bist Du und bleibst Du. so waren auch in deiner frühesten Jugend aller Augen auf Dich gerichtet. einmal stand jemand am Fenster bei Deiner Mutter da Du eben über die Straße herkamst mit mehreren andern Knaben, sie bemerckten daß Du sehr gravitätisch einherschrittest und hielten dir vor daß du dich mit deinem Gradehalten sehr sonderbar von den andern Knaben auszeignetest. – mit diesem | mache ich den Anfang, sagtest Du, und späther werd ich mich mit noch allerlei auszeignen. und das ist auch wahr geworden sagte die Mutter 1218
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Ein mal zur Herbstlese wo denn in Frankfurth am Abend in allen Gärten Feuerwercke abbrennen und von allen Seiten Raquetten aufsteigen, bemerkte man in den entferntesten Feldern wo sich die Festlichkeit nicht hin erstreckt hatte, viele Irrlichter, die hin und herhüpften bald auseinander bald wieder eng zusammen, endlich fingen sie gar an, figurierte Tänze auf zu führen, wenn man nun näher drauf loß kam verlosch ein Irrlicht nach dem andern manche Thaten noch große Säzze und verschwanden, andere blieben mitten in der Luft und verloschen dann plözlich, andere sezten sich auf Hecken und Bäume weg waren sie, die Leute fanden nichts, gingen wieder zurück gleich fing der Tanz von vorne an; ein Lichtlein nach dem andern stellte sich wieder ein und Tanzte um die halbe Stadt herum. was wars? – Goethe der mit vielen Cameraden die sich Lichter auf die Hüte gesteckt hatten, da draußen herum Tanzte. Das war Deiner Mutter eine der liebsten Anecktoden, sie konnte noch manches dazu erzehlen wie du nach solchen Streichen immer Lustig nach Hauße kamst und hundert Ebentheuer gehabt pp – Deiner Mutter war gut zuhören! »In seiner Kleidung war er nun ganz entsezlich eigen ich mußte ihm Täglich 3 Toiletten besorgen, auf einen Stuhl hing ich einen Überrock lange Beinkleider Ordinare Weste, stellte ein paar Stiefel dazu, auf den 2ten, einen Frack seidne Strümpf die er schon angehabt hatte, Schuhe pp auf den Dritten kam alles vom feinsten nebst Degen und Haarbeutel, das erste zog er im Hauße an, das zweite wenn er zu Täglichen Bekannten ging das Dritte zum Galla, kam ich nun am andern Tag hinein da hatte ich Ordnung zu stiften da standen die Stiefel auf den feinen Manschetten und Hals^krausen, die Schue standen gegen Osten, und | Westen ein Stück lag da das andre Dort; da schüttelte ich den Staub aus den Kleidern legte frische Wäsche hin, brachte alles wieder ins Geleis; wie ich nun so eine Weste nehme und sie am offnen Fenster recht herzhaft in die Luft schwinge, fahren mir plözlich eine menge kleiner Steine ins Gesicht; darüber fing ich an zu fluchen, er kam hinzu, ich zancke ihn aus, die Steine hätten mir ja ein Aug aus dem Kopf schlagen können; – nun es hat Ihr ja kein Aug ausgeschlagen, wo sind dann die Steine, ich muß sie wieder haben, helf sie mir Sie wieder suchen sagte er; nun muß er sie wohl von seinem Schaz bekommen haben, denn er bekümmerte sich gar nur um die Steine es waren ordinäre Kisselsteingen und Sand, daß er den nicht mehr zusammen lesen konnte war ihm ärgerlich, alles was noch da war wi1219
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ckelte er sorgfältig in ein Papier und trugs fort, Den Tag vorher war er 75 in Offenbach gewesen da war ein Wirtshauß zur Rose, die Tochter hieß das schöne Gretgen er hatte Sie sehr gern; das war die erste von der ich weiß daß er sie Lieb hatte.« Alter bist Du böß daß die Mutter mir dieß alles erzehlt hat? diese Geschichte habe ich nun ganz ungemein lieh, deine Mutter hat sie mir 80 wohl zwanzig mal erzehlt, manchmal sezte sie hinzu daß die Sonne ins Fenster geschienen habe, daß Du roth geworden seyst, daß du die aufgesammelten Steingen fest ans Herz gehalten und damit fortmarschiert, ohne auch nur eine Entschuldigung gemacht zu haben, daß sie ihr ins Gesicht geflogen. Siehst Du was die alles gemerckt hat, was die 85 Die Mutterfreuden herzig und Herzhaft genossen hat. denn so klein die Begebenheit schien war es ihr doch eine Quelle von freudiger Betrachtung über deine Raschheit, funklende Augen, pochend Herz, Rothe Wangen pp – es ergözte sie ja noch in ihrer späthen Zeit. – diese und die folgende Geschichte haben mir den lebhaftesten Eindruck ge- 90 macht ich seh Dich in beiden vor mir, in vollem Glanz deiner Jugend. an einem hellen Wintertag an dem Deine Mutter Gäste hatte machtest Du ihr den Vorschlag mit den Fremden an den Mein zu fahren »Mutter Sie hat mich ja doch noch nicht Schlittschue laufen sehen und das Wetter ist heut so schön« pp – Ich Zog meinen karmesin rothen Pelz an der 95 einen langen Schlepp hatte und vorn herunter mit goldnen Spangen zugemacht war, und so fahren wir denn hinaus, da schleift mein Sohn herum wie ein Pfeil zwischen den andern Durch, die Luft hatte ihm die Backen roht gemacht und der Puder war aus seinen Braunen Haaren geflogen, wie er nun den Karmesinrothen Pelz sieht, kommt er her- 100 bei an die Kutsch; und lacht mich ganz freundlich an; – nun was willst Du? sag ich: Ey Mutter Sie hat ja doch nicht kalt im Wagen, geb Sie mir ihren Sammetrock – Du wirst ihn doch nit gar anziehen wollen – freilich will ich ihn anziehen ich zieh halt mein prächtig warmen Rock aus, er zieht ihn an, schlägt die Schleppe über den Arm, und da fährt er 105 hin, wie ein GötterSohn auf dem Eiß; Bettine wenn Du ihn gesehen hättest!! – So was schönes giebts nicht mehr, ich klatschte in die Hände vor Lust! mein Lebtag sah ich noch wie er dem eine Brückenbogen hinaus und dem andern wieder herein lief, und wie da der Wind ihm den Schlepp lang hinten nach trug. 110 Nun bei dieser Geschichte kann ich wieder sagen, waß ich dir in Töppliz sagte: daß es mich immer durch glüht wenn ich an deine Jugend dencke, ja es durch^glüht mich auch, und ich hab einen ewigen 1220
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Genuß an deiner Schönheit, wenn in etwas die Kraft ganz sich ausgebildet hat, die mir zugegeben ist, so ist es in dieser Lebhaften Emfindung deiner Herrlichkeit. – wie freute es einem, den Baum vor der Haußthür den man seit der Kindheit kennt, im Frühjahr wieder grünen und Blüthen gewinnen zu sehen; – wie freut es mich, da Du mir ewig blühst, wenn zu Zeiten deine Blüthen eine innigere höhere Farbe ausstrahlen; und ich in lebhafter Erinnerung mein Gesicht in die Kelche hineinsencke und sie ganz einathme. – am 28ten November Bettine
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Das Gebeth, die Flamme Der Begeistrung, sie können nicht stets gegen Himmel steigen und auflodern, auch soll man nicht Dringen dahin, die Ruhe, das einfache Leben wie es so die Tageszeit mit sich bringt, es führt auch Gold im Mund – ich bitte dich, geb acht auf meine Worte, ich schreibe sie nicht ohne Bedeutung dahin. auf allen Wegen thut sich dem Die Natur kund der kein Vorurtheil hat; und mitten durch dieses Gewühl der Welt, (das so kalt an Dir vorübergeht,) dringt oft ein Strahl des Lebens – was bedarfs grade der Begeistrung wenn Du mir schreibst? – Wahrheit bedarfs nur, und diese gesellt sich inniger zu dem Menschen wenn er ruhig ist. welcher Mensch sich nicht besudelt mit Unnüzem eitelem, dessen Bahn und Ziel ist würdig Gott lenckt die Thaten, der Einfältige sowohl als der vielseitige handelt unvorbereitet; und unvorbereitet seyn ist oft die beste unbefangenste Vorbereitung. drum: Lebe nach Gefallen, nach Behaagen, das ist sicher das edelste was Du Thun kannst; da wird sich dein ganzer Mensch am freiesten Bewegen, am meisten Stärcke gewinnen, singe ein Lied, jauchze auf, wenn dir die Lust ankömmt; drücke den ans Herz der dir wohl gefällt, schäme dich nicht, zu Weinen wenn es dich Drückt, halt es für keine Schlechtigkeit, wenn Dich Zerstreuung in ernsten Stunden befällt; kurz: Sey dir selbst ergeben und wohlgemuth Verschmähe nicht die Freuden der Erde, denn sie thauen alle vom Himmel nieder, das Lachen ward gebohren wie das Weinen, aus dem unendlichen Seegen Gottes, beides hat, und wird noch viel Gutes erzeugen. Daß Du unter meinen Fenstern in Landshuth gestan1221
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den, und gebethet hast, hat mich gerührt ich habe meine Wohnung dort, ganz Landshuth, die Gegend und die Menschen sehr lieb, alle Wege die ich oft gemacht habe, haben mir einen tiefen localeindruck zu rück gelassen; er ist verbunden mit einer gewissen Ruhe, und endlich als Siegel aller dieser Erinnerungen ist mir der Schloßberg, der Schlüsselblumenkranz, den ich dort auf dein Haupt gesezt; – meine Gedancken sind zuweilen: »o Gott laß mir nichts gutes zu Grund gehen, Amen. – und am Abend mache ich das Kreuz in Deinem Nahmen, schlafe dann fest bis am andern Tag. Gestern kam Arnim kurz nachdem ich deinen Brief emfangen hatte, ich sagte ihm daß er von Dir Sey; er ward roth, faßte mich in seine Arme, und fragte mit niedergeschlagnen Augen: ob ich denn mit ihm verlobt sey? ich fragte ihn, ob er mir versprechen wolle nie eifersüchtig auf Goethe zu seyn, dann wolle ich am nächsten schönen Tag, mit ihm ins freie Feld gehen, und ihm alles geloben, was | er begehre. ich muß Dir aufrichtig bekennen: Goethe dringt in alle Verhältniße meines Lebens ein, Die Schönheit seines Leibes wie seiner Seele stehen wie zwei mächtige Grundpfeiler, die meines Lebens Gränzen bezeignen, deren Häupter in meinen Himmel sich erstrecken, die in meiner Mutter erde wurzel fassen, und in ihrer Blüthe mich ernähren und tragen. Täglich gewährt mir Gott die Versicherung, daß: was einmal mein ist, mir nimmer kann entzogen werden. daß die engen Geseze der engeren Menschensinne, nicht an mir in Erfüllung gehen. – Unendlich! unendlich, ist es: Seyn! ja wer’s recht faßt, der hat den Himmel. und keine Strafe kann sich an ihm ausüben; alles gereicht hier und dort ihm zur Seeligkeit, nichts kann ihn binden; so sey es Dir! – Es ist gut daß man manchmal in der Erinnerung das Glück erst recht genießt das einem zu Theil ward; in samt seiner Gegenwart würde es einem ja ersticken. Da der rüstige, herrliche Göz von Berlichingen (dem sein Muth ein heiliger vorhof, und seine Gottesfurcht, ein Wohnhauß des Lebens war) den Himmel vor sich offen sah, rief er: Luft! Luft! himmlische Freiheit!! – und er verließ seine irdische Wohnung. ja wer das Glück erkennt in seiner Gegenwart, den macht es starck alle bande zu zerbrechen. und so sey einst der glorreiche übergang in jene Welt. was sprechen wir? und was haben Wir für Einsicht? – wenn wir genug geurtheilt haben, und kommen endlich wieder zu uns selber, so emfinden wir von aller Wahrheit nichts! hören nichts als die ewige Stille die über allem Geheimniß schwebt. 1222
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Gewiß muß alles heilig seyn, was zwischen uns war und wird. die schwühlen SommerTage habe ich einen nach dem andern ungemein herrlich hin gelebt, das volle Korn winckte mir auf allen Wegen; der Abendwind Theilte die Wolken vor meinen Blicken, im Schatten wie im Licht war alles voll süßem üppigem Leben; und ich muß es eine Zeit nennen da mir Gott gnädig war. ich mögte dieß Leben nicht mehr hergeben seit diesem Sommer, und soll ich dencken daß es mir wieder so wird da jauchzt mein Herz auf: O Luft und Wasser, und rege Bäume ihr könnt dem Menschen einen Himmel schaffen. Vergiß nicht wieder den Datum auf deine Briefe zu sezen. am 2ten December hab ich ihn erhalten, und heute am 3ten geht dieser Brief ab. – Breche immer Rosen, wo sie dir entgegen Blühen breche auch Veilgen. und wenn es sein soll so breche die Lanzen. das Glück wird dir nie brechen. Du Bergwanderer – hast Du Cortes Briefe an Carl den Vten gelesen, über die Eroberung von Mexico. An Freiherrn Max von Freiberg. abzugeben bei Materialist Huber in Landshuth
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An Max Prokop von Freyberg nach Landshut Berlin, etwa 5. Dezember 1810, Mittwoch
Mit innigster Freiheit kann ichs gestehen daß es ein Trost meines Herzens ist jener Sommerstunden zu gedencken, die mir in deinem Andencken Tief begeistert waren, und auch so gehen wir gleichen Weg, und genießen dasselbe Glück, und auch so fügt sich unser Schicksal schön ineinander – Und auch so ist das höchste Glück des Menschen, immer ein Kunstwerck Gottes; oder sollen Wir das nicht Kunst nennen was so edel so beständig so leicht so Kräftig zusammen gefügt ist, was so unabhängig eins vom andern, und was doch so Tief in einander greift. – ich bin manchmal eifersüchtig über Dich, wenn ich dencke daß ein Zufall die schöne Einheit deines Carackters deines Geschicks verdrängen könte, wenn ich dencke daß ich mein Amt mit anderm Theilen müßte; aber es 1223
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ist nicht möglich. wenn Die Natur selbst heilige Gränzen um das Gemüth ziehet, wenn nur durch sie Der Weg zu Dir offen ward. was wäre da zu fürchten? Wenn ich an Dich dencke, oder Dir schreibe, so sinne ich der Wahrheit nach, und ich sehe sie vor mir herwandlen im glänzenden Gewand, und ich eile ihr nach sie zu berühren, und meine Andacht wird groß daß ich vor ihr, in die Kniee sincke, und wenn sie sich mir ergiebt so wage ichs nicht sie auszusprechen, doch bleibt alles unverlohren. unsere Seelen werden gewiß frei durch einander, und herrlich aneinander werden. so frei vom irdischen soll unser Umgang seyn so edel und in jeder Rücksicht, gewandt, so ungebunden und kräftig nach dem guten strebend, so Bedürfniß loß, daß Menschen sinne es keineswegs ahnden noch begreifen können; und dieses Leben soll einst vor den Richtstuhl Gottes treten und soll vieles versöhnen. nicht Du allein gehst ein in den Tempel meiner Fantasie, sondern ein weites Blühendes Land schwebt dir nach, und lagert sich seegnend an die Stuffen. und ich übersehe bis in die Ewigkeit hinein den Seegen Gottes in seiner höchsten Milde; und was ich mir je wünschen konnte ströhmt in Fülle zu meinen Füßen, und daß ich Seelig bin das ist gerecht. ja ich wundere mich nicht mehr über die Barmherzigkeit Gottes. denn eine höchste Ordnung ist der Urquell aller Gnade, und wo sie doppelt seegnend wirckt, da soll auch doppelt Frucht gebracht werden, und diese wird auch viele erquicken und erhalten. – dein Glück sey das Maas deiner Güte, deiner Wirkung. und jemehr du davon durchdrungen bist je höher wächst dein Glück an je tiefer geht dein Geist, je umfassender ist dein Kreiß, je höher deine Macht, und so ist es wahr daß das Glück den Menschen zum Gott mache, daß das Glück wachse in der Anerkennung des Glücks, wer das Glück aber anerkennt, ehrt, der zieht es herbei. du bist auf einem herrlichen Weg. – ich will nicht in Bildern zu dir sprechen, denn einstens wird, sichs deinen Sinnen darthun ohne Symbol, wie unvergleichlich dein Geschick ist Die Universität entwickelt sich auf eine höchst edle Art, alle Geseze sind ungemein liberal. Die Studenten auf einer ehrenvollen Stuffe, sowohl im Verhältniß zum Staat als auch unter sich und den Professoren zur leichtigkeit des Unterhalts für Arme ist so gesorgt daß es beinah unglaublich wäre selbst in einer kleineren Stadt. stadt daß damals Savigny in Landshut wie ein einzelner Stern leuchtete, so bildet hier der Reflex mehrerer Sterne, ein Anmuthiges Strahlenbild, das in jedem einzelnen wirckt und leuchtet, so wie in allen ins gesamt so viel ist ge1224
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wiß daß wenn Gott noch ferner seinen Seegen dazu giebt so wird die Universität etwas einziges. Savigny sagt oft: wenn meine lieben Baiern herkommen, so werden sie die besten und mithin die Wircksamsten auf das Ganze seyn, er wünscht sehr einen gewißen seltnen Geist den er unter Euch gefunden auch hier durch Euch einzuimpfen; diese Herzensgüte der Sinn für Grazie, der Abscheu vor einer Sinnlosen Rohheit; – nun es wird alles werden. komm bald wenns möglich ist, mache deinem Willen ein wenig Plaz, und eile auf freude weissagenden Bahnen hier her. Grüß den Gumpenberg, Ringseis sag ihnen daß keiner vergessen auch die andern Granaten Ritter; sag ihnen daß ihrer bei ehrenvollen Gelegenheiten gedacht wird. Sey vergnügt froh Lustig – ja Muthwillig im Muthwill schlägt auch ein Engel die Flügel.
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An Freiherrn Max von Freiberg abzugeben bei Materialist Huber auf dem Plaz in der Altstadt in Landshuth
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Berlin, zweite Hälfte Dezember 1810
Was mich so lange gefangen hielt, war die Musick, ungeschnittne Federn, schlechtes Papier, dicke Tinte, es treffen immer viele Umstände zusammen. Am 4ten December war kalt und schauerlich Wetter, es wechselte ab im Schneien, regnen und Eisen; da hielt ich Verlobung mit Arnim unter Freiem Himmel um ½ 9 Uhr Abends in einem Hof wo hohe Bäume stunden von denen der Wind den Regen auf uns herabschüttelte, es kam von ungefehr. Was hab ich nun bessers zu Thun als dein Herz warm zu halten! Die Unterweste hab ich so schmeichlend warm gemacht als mir nur möglich. Denck an mich. Ich habe des Fürsten Razivil seine Musick aus dem Faust gehört das Lied vom Schäfer ist so einzig lebendig, darstellend, kurz alle Löbliche 1225
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Eichenschaften besizend, daß es gewiß nimmer mehr so trefflich kann nachgemacht werden, denn das Chor: Drinnen sizt einer gefangen, – es geht einem durch Marck und Bein daß ein Mensch so durchdrungne Imagination konnte haben. Das Chor der Geister wo Faust einschlummert ist auch von ihm componiert, sehr schön aber etwas Polnisch accenttuirt und muß so leicht vor^getragen werden wie fliegende Spinnweb in den Sommerabenden. Zelter läßt sichs Wohl seyn bei Uns, wöchentlich ist er ein bis zwei Mal bei uns; er ist mild und Treu; Gott sey gelobt daß ichs endlich begriffen hab. er ist Menschlich, er hat Recht und Unrecht. er ist auch ungeschliffen; er hat dich aber lieb, daß er gewiß auf einem Balken zu dir hinschwimmt wenn er keinen Nachen hat. Die Verwirrung, die Unbesonnenheit, die bei jeder Kunst und Wissenschaft das Magische hervorbringt, ist bei der Musick auf den höchsten Grad gestiegen und keiner wills da beginnen zu erlernen. ewig schweben die vernichtenden Quergeister im Hintergrund. Alle wollen sie sprechen in der Musick habens gut, und unschuldig gemeint, haben bewußtloß die Zauber formeln oft halb oft Rückwärts ausgesprochen, und nun stehen die sonst so beweglichen | blizenden, Naßkalt langwierig beschwehrlich da. Ein heimliches Gewahrwerden und wieder verschwinden, thut seine Wirckung im Gemüth ohne seinen Ursprung mitzutheilen, – daher die plözlich reife Erscheinung des Genies, das lang in ungebundner Verworrenheit zerstreuet war, jedoch Stuffenweise erhöht ward, (Beethoven). Dieß ist jezt der Zustand der Musick, daher das Genie immer einzelner, unerkanter dasteht, weil es seinen Weg nicht offenbar, sondern gleichsam ohne Rechenschaft, sich selber bewustloß macht. Viel Menschen zu einer Erscheinung des Geistes, stetes lebhaftes Wirken des Geistes, auf die einzelnen Werckzeuge (Menschen) ohne welches kein Geist. – Ohne Puplicum keine Musick. Wohllust in die Vergangnen Jahrhunderte hineinzuschauen, wie durch Cristall, Einsicht der Beherrschung, der Tragung, der Erregung des Geistes; – nimmer mehr in der Musick, was verklungen ist hatte seinen eignen Tempel, der ist zusammen gesuncken, es kömmt drauf an wie das Herz gebaut ist, in dem der Geist der Musick wiederschallen soll. welcher Musicker kann sich so unschuldig so rein erhalten um nur das Gute zu emfinden? Kindische Idee der Musicker; – ohne Einsicht – auf der ersten Stuffe der Verachtung. – 1226
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Sonderbares Schicksal der Musicksprache, nicht verstanden zu werden. daher immer die Wuth gegen das was noch nicht gehört war, weils nicht nur allein nicht verstanden, sondern auch nicht einmal bekannt, der Mensch steht wie ein Holzbock der Musick gegen über, das bekannte verträgt er; nicht weil er es begreift sondern weil er es gewohnt, wie der Esel der Täglichen Last; ich habe noch keinen gesehen der nicht ermüdet und beschwehrt von der Musick sich abgewendet hätte, wenn er sie eine Weile mit angehört hatt, das läst sich als nothwendige Folge weit besser verstehen, als das Gegentheil, – was kann Einer noch, wenn er alles will wenn er sich nicht loß macht, von den Handwerckern, wenn er nicht sein eignes Leben führt in das ihm kein Mensch hineinpfuschen Darf; – er kann Musick machen; aber kann die Geister nicht lösen vom Buchstaben vom Gesez. eine jede Kunst steht eigenmächtig da, den Tod zu verdrängen, den Menschen in den Himmel zu führen aber so steht sie da, mit geschorenem Haupt, beschämt, was freier Wille freies Leben sein soll, ist Uhrwerk; und da mag nun einer zuhören und glauben, und Hoffen, es wird doch nichts draus. nur durch Wege konnte man dazu gelangen, die jezt verschüttet sind, durch Gebeth und Verschwiegenheit des Herzens, durch ewig hindringende Liebe zu seinem Gott. – Da stehen wir an den unbesteiglichen Bergen, und doch da oben nur, lernt man die Wollust des Athmens verstehen. Den Predigern aber, klopft der Teufel auch, zu weilen an die Kanzel. Ach wie ist es hier so lumpig die Bildung hat so einen unverhältnißmäsigen Aufwand gemacht, daß sie fallieren muß. Der Frau das kleine Andencken, mit meiner Umarmung und Glückwunsch zum Neuen Jahr. Dem Herrn Riemer die ungemachte Weste seine Vollkommenheit hat mich in Töpliz zu sehr geblendet, als daß ich mir das rechte Maas hätte dencken können; die Vorstecknadlen seyen hier zu Geschmackloß als daß ich ihm eine hätte schicken mögen aber lauter und lauter Vergißmeinnicht in der Weste; er mag nicht wenig Stolz darauf seyn. sollte sein Geschmack noch nicht so weit gebildet seyn sie schön zu finden, so soll er nur auf mein Wort glauben daß ihn alle Menschen darum beneiden werden, noch muß ich erinnern daß sie als Unterweste getragen wird. nun er wird mir gewiß schreiben, und wird sich bedanken. – und Du? – hm. Du Einziger der mir den Tod bitter macht! – Bettine 1227
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Grüß die Frau nur recht Herzlich von mir. – es ist ihr doch Niemand so vonherzen gut wie ich; sie soll mir’s auch seyn. Adieu Magnetberg. – Wollt ich auch da und Dort hin die Fahrt lencken an Dir würden alle Schiffe scheitern. Adieu einzig Erbtheil meiner Mutter. Adieu Bronnen aus dem ich Trincke.
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Weihnachten 1810
Zwey verdorbene Freuden zum Weihnachtgeschenke für meine B. B. B. I Der Buchbinder Spranger hat ein Exemplar von Halle und Jerusalem auf Velin, in Marroquin mit goldnem Schnitt bis heute nicht vollendet, ungeachtet ich es ihm vor drey Wochen schon überliefert.
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II Die Ueberraschung mit der Abschrift alter Duetten hast Du mir verdorben So fröhlig überrascht die Hand mir gleitet An Deines Leibes lieblich warmer Ründung, So sollte in Musick heut die Verkündung Der Freude seyn, die meine Seele weitet; Da hast Du mit dem Zelter in Verbindung Voraus geholt, was ich Dir lang bereitet – Die Noten, – und ich lief heut ungeleitet Umsonst die Meile in der Strassen Windung. Wohl mag es löblich seyn das Hünertasten, Das Forschen nach den ungelegten Eyern, Auch schlachtet man voraus schon in den Fasten.
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Doch was soll ich Dir noch zum Feste leyern, Die Ueberraschung soll dich nicht belasten, Verdarbst Du mir die Lust, – magst Du sie feiern.
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Weihnachten 1810
Erinnerung an den vierten Decemb〈〈er〉〉
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Es war ein Abend, sternlos, grau und feucht, Gleichgültig zog der Wind am Strom entlang, Und wieder trennen sollte uns der Gang, Zu dem ich Dir so still den Arm gereicht. »O Welt, wie antheillos und doch voll Klang, Herz, wie oft getäuscht und nicht gebeugt, Der Tag, auf den du warst vertröstet, weicht Und hat verscherzt der Hoffnung ernsten Drang.«
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Wir schieden schon – da drückt sich Hand in Hand, Wir beyde ziehn im Glückstopf gleiches Loos, Uns eint auf freyer Straß’ ein freyes Band. Daß ich die Hand nun nimmer lasse los, Das macht des Steines Sinnbild Dir bekannt; – Der Ring sey nicht zu klein und nicht zu groß. An Bettine Brentano.
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Behalte mich immer so lieb, wie Du bis jezt es mir mit Worten und Blicken und Thaten bewiesen hast, komm alle Abende deines Lebens so gern zu mir, wie diese Winter^abende, und sey dir die Erinnerung des einen Abends die in dem Ring gezeignet ist ewig eine freudige; ich verspreche dir dagegen daß ich die Worte aus der 1sten Epistel Johanis, die du mir schon einmal in einem Brief nach Baiern geschrieben hast, gewiß innig beherzigen werde: »wer in der Liebe bleibt der bleibt in Gott und Gott in ihm« – ich will durch deine Liebe, in Allem Guten bleiben, und seze die Hoffnung meines Lebens auf dich. Bettine.
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Arnim
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, zwischen Weihnachten 1810 und Anfang März 1811
Mit Friedrich Carl von Savigny an Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Das Universalpflaster hat dem Savigny einen großen Schwarzen Pfui Pfui auf die Nase gemacht, spiehlt daher schon die ganze Zeit den Hanzwurst tanzt auf einem Bein herum; darf sich aber vor keinem Menschen sehen lassen als vor seinen intimsten Busenfreunden, die jedoch mit niedergeschlagnen Augen vor ihm erscheinen besonders Gundel wegen ihren Geseegneten Umständen; die gröste Betrübniß ist daß Gundel heute Morgen bei dem ersten Anblick sich so sehr entsezt hat daß sie gleich einen Schüttel hat bekommen und daß Zehen gegen Eins zu wetten daß das kommende Kind mit einer Heidelbeere auf der Nase zur Welt Paradieren wird. Zerstreiung gänzliche Abwendung der Gedancken; vollkomne fiction eines schönern Gegenstands als ihr Herr Gemahl, ist das einzige Gegenmittel ein junger Breiter rothbackiger herrlicher großaugiger blondbärtiger großlockiger Anton ist zur Errettung ausersehen. Savigny geht nicht in Gesellschaft läst auch keinen Menschen vor sich kommen. Ihr könnt also schon zum Mittagessen kommen doch wird dem Clemens aufgetragen dich zur rechten Zeit aus 1230
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dem Stall zu treiben denn es wird nicht gewartet. bedenck lieber Arnim daß das Unglück bedeutend werden kann und daß auf dich alle Hoffnung und alles Zutrauen gesezt wird, in jedem Sinn Bettine 〈alR Savigny:〉 Lieber Arnim, richte es ein wie dirs bequem ist, komme zu Mittag (aber NB frühe d. h. um 2) oder später, wir sind immer zu Hause
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〈B:〉 An Herrn Baron Achim von Arnim chèz Lui
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Wenn ich als ein neugebornes Kind bis Mittag laufen lerne, so werde ich mich bey Euch einstellen; Radziwil laßt Savigny trotz seiner Pfuy Pfuy auf der Nase zum Mittagsessen morgen einladen, ich wünschte diese Angelegenheit bis zu meiner Ankunft im Familienrath hinlänglich diskutirt, um Radziwil eine Antwort zu stellen. Ich hatte eine sehr gute Nacht, der Puls geht ordinär gut, alle Lebensfunktionen machen sich von selbst. Dein Achim Arnim
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An Fräulein Bettine Brentano
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang März 1811
Docktor Meyer hat mir heute wegen meiner ausserordentlich üblen Gesundheits^umstände eine neue Medizin verschrieben die ich alle Stund einnehmen muß, und darauf alle^mal einen Schluck Madera 1231
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liebster Arnim bedencks doch wie elend ich bei solcher Medizin seyn muß, und bring den Anton mit, und komm recht früh, denn daß ich nicht weiß wie’s ihm geht das ist mit eine Hauptursache meiner Kranckheit. was macht die Brille? hab heute Nacht nicht gut geschlafen von Friderichs Musick geträumt, mir am Knie wehgethan. das auf der scharfen Kante des Bettes ruhte pp. lauter Malleurs komm früh mit dem Anton das ist die Hauptsache. Bettine 1v
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Wenn ich Dich nicht kennte, und die Docktoren, wenn sie mit Mädchen zu kurren haben, so würde mich Dein Brief besorgt gemacht haben, ich hoffe aber, es wird schon alles vorüber seyn, wenn ich diesen Nachmittag komme, ich denke so früh wie möglich einzutreffen, etwa gegen 3½ Uhr, wenn du Savignys willst davon benachrichtigen. Ich sende Dir noch ein Paar Bilder zur Verzierung Deines Zimmers, weil Du es jezt hüten must. Dein Achim Arnim An Fräulein Bettine Brentano
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An Herrn von Arnim
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang März 1811
Guten Morgen. Ich sende Dir zwey Oelbilder zur Zimmerverzierung, eine gute Landschaft mit uns beyden und der ärgste Ochse in der ganzen Welt dabey, der uns zusieht. Deine Brille ist in Arbeit, daß du sie besehen kannst. Clemens wünscht seine spanischen Bücher zurück. Dein Achim Arnim. 1232
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Ich lege ein Billet fürs Concert für Savigny ein, ich mach ihm damit ein Präsent, wenn er es nicht braucht, so werde ich es heute Abend bey ihm zurückfordern. 10
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Savigny Danckt herzlich für das Billet, Geschäftehalber kann er es nicht benuzen; – Er steht auf meinem Bücherbrett; Sie hängt über meinem Kanapee – also vergißt Du so kleines nicht und weist mir Freude daraus zu schaffen, wirst Du anderes auch nicht vergessen, was mir große Freude schon gemacht hat; wann wird der Anton wieder her gebracht? Adieu Freund meines Lebens wie schon vor vielen Jahren in Franckfurth beym Abendessen, da Du zum zweitenmal nach Heidelberg zurück gingst Bettine
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An Herrn Baron Achim von Arnim.
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Wie Du die Nacht geschlafen hast, und wie Diers jezt geht,? daß ich recht gut geschlafen hab, aber ein klein bisgen Kopfweh hab, daß ich aber aller Wahrscheinlichkeit nach heut um 7 Uhr zu dir komme, oder früher wenn Du willst, daß die Pfirsich von mir sind. daß Du ja heut Abend nicht ausgehen sollst. Bettine
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Herrn von Arnim
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Dreyfacher Dank für die drey Pfirsichen, hundertfacher für den versprochenen Besuch, denn du bringst wenigstens hundert am Stamme mit, die ich mir selbst pflücke. Geschlafen habe ich wie einer, der da schwitzen soll und stark schwitzt, ich bin viel wohler und hole Dich vielleicht ab. Dein. Achim Arnim
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Es sey Dir hiermit gemeldet, daß Bettine und Gunda heute Abend ins Concert gehen; wenn ich dich nicht mehr vorher sehe so findet mein Spähender Blik doch gewiß Dort meinen einzigen Schaz Bettine Wir gehen mit Albertys.
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Der Fräulein Bettine Brentano
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Hab dir nicht gute Nacht gesagt, wie ich gerne wollte jezo beunruhigt es mich, ich muß es Dir nun noch schriftlich zu wissen thun, daß ich Dich heute wie alle Tage recht innig, recht herzlich recht recht – O wie! – küsse. daß ich mich in deinen Arm lege, die ganze Nacht wenn ich ruhig schlafe; aus innigem Gefühl daß ich Dir nah bin, wenn unruhig, aus Sehnsucht noch näher zu sein, aus Furcht 1234
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Du mögtest nicht so wie ich denken. hörst Du? schlaf wohl mein guter lieber Arnim! ich hab dem Papier einen Kuß für Dich gegeben, ich bin Kindisch – schlaf wohl aber nicht ununterbrochen, denck an mich ich bitte Bettine An Herrn Baron von Arnim
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Da Du doch wissen must daß ich gern für dich sterben mögte, da Du doch überzeucht seyn must daß alle Arme meiner Liebe Dich umfangen.
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Ein unvermeidliches Geschäft nimmt mir heute Nachmittag die Zeit zu Dir zu kommen, ich werde wahrscheinlich vor sechs Uhr nicht bey Euch eintreffen können. Vergiß darum den Stuhl nicht. Dein A. Arnim.
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An Fräulein Bettine Brentano
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Mein Ofen hat mich heute durch Gesang geweckt, ich träumte daß Zelter, ungeachtet er nach dem Ausdrucke der Alberti, ein steifer Hausmann ist, vier ganz matthisonische Verse in einer Gesellschaft hergesagt habe zur grossen Verwunderung aller, ich habe sie aber ver1235
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gessen wie ein langes Gedicht von mir, das ich im Traume verfaßte. Die Pistor | hat mich eben mit den delikatesten armen Rittern beschenkt und ich bin der ärmste und treuste Ritter Lud: Achim von Arnim 〈1r quer auf der oberen Blatthälfte:〉 An Fräulein Bettine Brentano
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Ende 1810 / Anfang 1811
Ich muß Dir heute eingestehen, daß ich grosse Lust zum Heirathen habe, hätten wir Hauß und Hof und wären getraut, da möchte es regnen Gott segnen der Mond scheinen, der Pfaffe greinen, wenn er uns nur getraut hätte; du warst gestern so angenehm duldsam, daß mir ein groß Herz erwachsen ist, voll Hoffnung und Freude. Dein Achim Arnim An F. Bettine Brentano
*853. An Marie Brentano in Frankfurt Berlin, Ende Dezember 1810 / Anfang Januar 1811 B an Meline von Guaita, vmtl. erste Hälfte Januar 1811:
Die Marie wird Dir schon gesagt haben wie ich mich befinde wenn Du Diesen Brief emfängst, also ist es unnötig es zu wiederholen (Nr. 858,30-31).
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*854. An Franz Brentano in Frankfurt Berlin, Ende Dezember 1810 / Anfang Januar 1811 Franz Brentano an B, 13. Januar 1811: Endlich soll sich also dein Freyheits huth in eine nette Ehestands schlafHaube verwandlen 〈…〉 daß du auch endlich unsern Werth erkenst (Nr. 864,3-9). Franz Brentano an B, 2. Februar 1811:
Seit der Anzeige deines Brautstandes habe ich nichts mehr von dir gehört (Nr. 872,3-4).
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 28. Dezember 1810–1. Januar 1811, Freitag–Dienstag
Am 28 Dec. Ich möchte dir erklären können die Blitze die wie vom Himmel durch mein Leben fallen – eine namenlose Unruhe die wie auf Auflösung deutet schwebt über meinem Daseyn – und mit sehnsüchtigem Geist wieg ich mich wie auf unendlichem Meer. Wenn du da wärst würde Dein traulich Gespräch eine lichte klare Zufriedenheit über meine Tage verbreiten so ist es zu stürmisch und kein Mensch um mich an den ichs richten könnte was die innersten Tiefen meiner Seele durchwühlt; Wenn du nicht wärst und die Hoffnung und die unergründliche Liebe! Mit Muthwillen ist’s nicht gethan – auch mag ich das Leben nicht nehmen wie sichs an mich drängt, nein ich will es viel besser um mich herschaffen daß es dem Leben ähnlich werde das mir in der himmlischen Stunde zu – geworden ist. Ja damals und bey Appenzell, und an den FelsenUfern des Garda Sees, da hab ich die Tiefen des Menschen lebens kennen lernen das mir so reich und jugendlich im Frühjahr bey dir aufgegangen war – Der flache Scherz ist mir täglich mehr bittre Pein, ich werde anfangen mit einer beissenden Ironie aufzutreten, in meine Worte will ich verborgenen Fluch steken, hinter meinen Gebärden soll eine Rache lauern, die über die lasterhafte Gleichmuth hinfährt wie in Wetterstrahlen – –. Es wird Abend, mein wahres Leben erwacht, nochmal ins freye hinaus gestern lagen die Wolken so mit Bedeutung übereinander, waren so 1237
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blas anzusehen, und in der Nacht so drükend nah; ich meine wenn ich deine Hand erfassen könnte mir wäre besser! – Ich war Draussen – Die AbendGloken hallen, und es ist finster geworden; eine kalte Luft geht über die Felder hin – ich will dir auch allerhand geloben – es ist erstaunlich was ich dir alles geloben will Mir dringt die Erinnerung heiß ans Herz da ich nur 10 Stunden von euch war in Böhmen – Jene Nacht schlief ich auf hartem Lager unterm Dach, der Religion tröstender Hauch war in meiner Seele – die Sorglosigkeit ist die Gefährtin der Unschuld. Ich bitte dich halt alles recht geheim ich möchte mich fast wahnwitzig stellen, seit der Hamlet mein Freund ist – ich will die Stunden meiner Jugend mit heisser Begierde aufzehren. Wenn nur du bey mir wärst – nicht wahr wünschen darf ichs doch, einst sind wir doch beysammen Am lezten Tag des Jahrs. Ich habe dich so lieb – Nicht wahr liebe B. du willst mir immer recht gut seyn recht mir gehören, ich sage das mit so zufriednem Herzen, mir ist so wohl daß ichs denken darf – warum denn? Es ist licht um mich geworden – wenn ich erst bey dir bin so seh ich dich recht waker an; daß ich eine Bewährung habe und eine Überzeugung für alles was mir bis heut geworden ist Liebe Zeit! Wie lange solls noch dauern? so ohngefähr weis ichs doch; einmal für uns giebt es keine Zeit, nicht wahr du versprichst mir daß die Stunden über uns weggehen ohne daß es das Herz verspürt. Ich bitte dich trau recht aufrichtig der GeisterStimme die in den Böhmischen Sommer Nächten zu dir gesprochen hat. Es ist heilig über alles was da vorgeht und noch werden wird – Am ersten Tag des Jahrs. Du, eine FreudenThräne bring der Vergangenheit. Was mir, ist keinem so geworden. Ja es giebt Wunder! o daß ich deine Hand drüken könnte Liebe HerzensFreundin – bett mit mir daß dem erblüthen Keim die Erfüllung werde – ich sehe mit Entzüken eine Reihe hinab und eine Reihe hinan Ja streif nur die Rinde ab, die sich immer übers Herz herziehn will daß Gottes Gnadenstrahl leicht eindringe in die Quelle deines Thuns – du sollst vielleicht bald von mir hören – o ich bitte Gott alle Tage darum
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Vmtl. erste Hälfte Januar 1811
1811 *856. An Antonia Brentano in Wien Berlin, vmtl. Januar 1811
Ich 〈…〉 sehe aus ihrem Briefe an die Toni daß sie sich immer meiner und zwar viel zu vortheilhaft erinnern 〈…〉 sie heirathen liebe Bettine, oder es ist schon geschehen (Nr. 875,4-14).
Ludwig van Beethoven an B, 10. Februar 1811:
Antonia Brentano an B, 11. März 1811:
Ich habe längst, oder unlängst deinen Brief 〈…〉 erhalten, und 〈…〉 deinen darinn enthaltenen Wunsch Von Beethoven Brief zu erhalten erfüllt 〈…〉 mache den König den Mund recht wässrig. (Nr. 885,3-5+49-50).
*857. An Christian Brentano in Bukowan Berlin, vmtl. Januar 1811 Christian Brentano an B, 8. Februar 1811: Niemals haben mir so wenig Zeilen so viel Vergnügen gemacht 〈…〉 – und nie hat mich fremdes Glück so sehr selbst glücklich gemacht. – Wie ich mich freute und wie ich mich zu dir wünschte 〈…〉 Daß du nicht zu berauscht warst mir Nachricht zu geben, war mir eine süße Schmeicheley (Nr. 873,2-9).
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Mit Kunigunde und Friedrich Carl von Savigny an Meline von Guaita in Frankfurt Berlin, vmtl. erste Hälfte Januar 1811
〈Kunigunde von Savigny:〉 Tausend Glück und Segen wünsche ich dir, mit dem neuen Ankömmling, daß du nichts als Freude mit ihm erleben mögest! daß er seine Eltern lange behalten möge, und sie ihm recht viele Geschwister schenken mögen! Halte dich hübsch fein ruhig muthe dir nicht zu viel zu, sey recht vernünftig und thue immer das Klügste, wenn auch nicht immer das Liebste. Könnte ich bey dir seyn, und dir alle Liebe und 1239
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zärtliche Sorgfalt vergelten die du mir im ähnlichen Fall erwiesen hast, du solltest sehen wie ich dich lieb habe und welchen Antheil ich an dir nehme, den ich dir jezt nur so schwach beweisen kann. gieb oder laß mir bald Nachricht geben, wie es dir und dem Jungen fortdauernd ergeht. gedenke zuweilen meiner wenn es dir recht gut geht als einem Herzen daß gern alles mit dir theilte. Es hat mir beynah noch nie die Trennung von Euch so weh gethan als bey diesem Vorfall. Marie hat mir so herzlich und freudig geschrieben daß ich daraus ersehen konnte wie sie dich liebt und für dich sorgt, das hat mich ungemein gefreut. Grüße dein Kind und | seinen Vater herzlich von mir deine alte Gunda. 〈B:〉 Liebster Linster! Das geht geschwind, man sollte meinen Die Welt hätte sich umgedreht seit damals und jezt, und nun siehst du ihr freundlich Gesicht, wie sonst ihren unbedeutenden Rücken. nun Gott sorgt doch oft sehr seltsamlich, so warst du jahre lang mit demselben Manne in einer Stadt, der jezt dein ganzes Glück ausmacht, und keines hat vom andern etwas geahndet, und so hast Du jezt ein Kindlein das Dein gehört, mir ists als müste Dir Das wie ein großes Wunder vorkommen Liebster Linster was das für eine Prosperität ist, voriges jahr ein kranckes mageres und dieß jahr zwei Dicke Gesunde. Die Marie wird Dir schon gesagt haben wie ich mich befinde wenn Du Diesen Brief emfängst, also ist es unnötig es zu wiederholen Von meiner Lebensart folgendes: in meinem Zimmer hab ich einen Canarienvogel, und Blumen, wie gewöhnlich, Dunckel ist es auch darinn, in meinem Schlafzimmer hängt über einem Egyptischen Bett das Bild von Arnim wie er 3 Jahr alt war, auf der einen Seite, auf der andern, das wie er 19 Alt war und in der Mitte das von der Muttergottes vom guten Rath, aus Böhmen, die hat mir den guten Rath gegeben daß ich den Arnim heurathen soll. – ich mögte nun gar zu gern zu Euch in die algemeine Familien hecke, denn einmal hab ichs schon geträumt da wars gar schön, und dann hab ich eine wahre Sehnsucht nach Vaterländischer Luft. Gunda und Sav: gehen meistens Abends aus; da bin ich denn was die Menschen Einsam nennen, da mach ich Musick da lese ich, da flicke ich wohl auch einmal, aber wenn ich Flicke, spühre ich immer eine alte Melancholie sich in mir erheben, und muß ich daraus schließen daß ich nicht zum Flicken gebohren bin. gieb mir doch bei Gelegenheit Nachricht vom Klausner, von Der Lulu 1240
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und denn von den Aus und Einspazierenden in Eurem Zirckel, komt Voigt noch zu Euch? – Die Fr: von Uden ist jezt in Franckfurth wenn Du eine Liebe herzliche Geistreiche allgemein geachtete Frau willst kennen lernen so ist Sie es; wir haben es ihr anemfohlen Euch zu besuchen, so herzlich mit Euch zu seyn wie mit Uns, wir haben Euch als die besten Menschen von der Welt geschildert; sie schreibt uns daß sie von der Marie nicht emfangen worden sey; ich bitte dich liebster Linster mich nicht zu protestiren, da ich ihr gesagt daß Ihr Sie sehr lieb haben würdet. Gratuliere Deinem Mann von mir recht Herzlich zu dem jungen Sohn, wenn er deine Augen hat so muß der Vater große Freude daran haben, denn das wäre ein Zeigen daß das Kind wohl eben so schön so Gut werden mögte wie Du. Deine Treue Schwester Bettine 〈Friedrich Carl von Savigny:〉 Großer Jubel, lieber Linster, ist bey uns gewesen, als die Nachricht von deinem Buben zu uns kam. Wir haben dich lieb, herzlich lieb wie immer, und wir freuen uns deines Glücks, das du so ganz verdienst. Es entgeht uns wohl viel, daß wir das nicht mit ansehen können, und es wäre doppelt lieb, wenn du uns einmal in milder Jahrszeit heimsuchen wolltest. Zweifle nicht darum an der Innigkeit unsres Antheils, weil du so | spät diesen Brief erhältst. Die eigentliche Ursache ist, daß das Gundelchen seit einiger Zeit sich gar übel befindet, und wenn Jemand dich und die Marie und die Gundel und die Betine betrachtend die Familie einem Orangenbaum mit Blüthen und Früchten, reif und unreif, zu gleicher Zeit, vergleichen wollte, wer könnte ihm Unrecht geben? (Wenn ich hier die Betine nenne, so verstehe ich den Brautstand unter der Blüthe). Dieser Stand steht dem Buttel ganz lustig, und er gefällt sich jezt ganz wohl darin, so ungeberdig er sich Anfangs dagegen gewehrt hat. Daß wir alle Tage ausgehen, ist nicht wahr, wir sind meist zu Hause und sehr oft allein. Des Onkels Hauß ist uns gar lieb, auch sonst haben wir einige sehr brave und zutrauliche Familien gefunden, aber der rechte Ton der Geselligkeit im Ganzen, der schon für sich erfreuen und befriedigen kann auch bey wenig bedeutenden Menschen, scheint mir ganz zu fehlen. Auserdem bin ich gerne hier, man begegnet mir mit Vertrauen und Zuneigung und mein Geschäft fängt an mir hier mehr Freude zu machen, als sonst irgendwo. Betine singt unvernünftiger 1241
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als je, die Gundel geht auch in die große Singakademie und beide haben sich auch mit dieser in Kirchen hören lassen. Unser Christkindchen war auf Frankfurter Art, nur weniger splendid, für Freunde und Bekannte zugerüstet und recht lustig. Der verschiedene Character der Kinder fiel da recht in die Augen. Das Betinschen zerbrach viele Spielsachen in Heftigkeit seiner Freude und war dem Weinen nahe. Der Bub war in seiner Trommel und seinem Pferd und Wagen ganz verloren und handthierte mit diesen still und mit ganzer Seele, ohne auf Lichter und Menschen, Confect und andere Spielsachen weiter zu achten. Er ist sehr lieb und viele Leute sind verliebt in ihn, auch das Betinchen wird brav. Deine Haube hat die Gundel ausgesucht, die des Buben ich, sage nun wer den besten Geschmack hat. Ich grüße deinen lieben Mann herzlich und küsse dich und deinen Jungen. Savigny.
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, 1. Januar 1811, Dienstag
An Bettine, den 1. Januar 1811 Ein Sternenhauch vom Himmelslauf Die offne Brust mit Glanz umkühlt, Ein Frühling neu im Herzen spielt, Ein neues Röslein blüht darauf; Du hast es mir ans Herz gelegt, So bist du draußen, bist darin, Des Frühlings Kraft sich doppelt regt, Das Röslein wächst und füllt den Sinn, Ich schwimme in dem Liebesduft, Unendlich scheint das Blau der Luft. Du fragst mich, Stern der Winternacht, Ob ich von süßem Weine glüh? freu dich, wie ich duftend blüh, Mein blühend Herz beim Röslein wacht, Gern tät es sich mit Worten kund So lebenswarm wie Tropfen Blut. 1242
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Doch schließt das Röschen schon den Mund Und tut da kühlend mir so gut, Die Augen füllt ein süßer Drang, Liebestau, o frommer Dank!
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, 3. Januar 1811, Donnerstag
An Dich den 1 Januar 1811. Neue Ausgabe vom 3 Januar
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Ein Stern der Lieb’ im Himmelslauf Die offne Brust mit Glanzhauch kühlt, Ein Frühling warm im Herzen spielt, Ein neues Röslein blüht darauf: Du bist der Stern voll Lieb und Lust, Dein Athem kühlet meine Brust, Du bist der Frühling, der mich wärmt, Der in des Herzens Blumen schwärmt, Du hast die Ros’ ans Herz gelegt, So blühst du aussen, blühst darin, Des Frühlingskraft sich doppelt regt, Das Röslein wächst und füllt den Sinn, Ich schwebe in dem Liebesduft, Unendlich scheint das Blau der Luft. x Ihr Sterne wähnt in Winternacht, Ob ich von süssem Weine glüh! freut euch, wie ich einsam blüh, Mein Herz bey einer Rose wacht; Sie ist der Wein, von dem ich glüh, Die ich tief athmend an mich zieh, Sie ist von Dir der Liebesschein, Du bist in ihr nun doppelt mein; Gern thät sich Lust in Worten kund So lebenswarm, wie Tropfen Blut, Doch mir das Röschen schliest den Mund Und thut da kühlend mir so gut, 1243
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Die Augen füllt ein süsser Drang, Liebesthau, in Thränen Dank. – Des Nachdrucks wegen mache ich der Leserin hierdurch öffentlich bekannt, daß ich nur diese als ächte Ausgabe meines Nachtgefühls vom 1 Januar anerkenne L. A. v. A.
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Von Friedrich Wilhelm Riemer nach Berlin mit dem Sonett Ordenskleid Weimar, 4. Januar 1811, Freitag
〈I〉 Mademoiselle! Meine Augen stehen Verwunderungs voll stille, über Ihre Betrachtungswürdige Person, dermassen, daß ich ander verliebt worden war, als ich Hoffnung gehabt solches zu erlangen, weßwegen ich mich im geringsten nicht beklagen, sondern vielmehr den Tag glückselig nennen werde, welcher mir meine Freyheit einzig und allein mit denen Waffen Ihrer Verdienste abgenommen und nichts übrig gelassen. Mademoiselle als daß ich mich nennen darf Ihr gehorsamster Diener R
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Glanzvollstes aller hohen Gnadenzeichen Womit Sie jemals ihren Knecht bedacht, Die Erde kennt nicht solche Farbenpracht Und selbst der Himmel muß vor Dir erbleichen!
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O reizendes Geweb’ und sonder Gleichen, Das mir so hold in Herz und Augen lacht, Ich unterliege der Empfindung Macht Und fühle Sinn und Ausdruck mir entweichen! Sie denkt an mich, und legt mit tausend zarten Vergißmeinnicht sich selber mir ans Herz! – So große Huld, sie würd’ in Stein und Erz Des Danks, der Liebe Flammen rasch entzünden, Und könnt ich jemals dem Gefühl entarten, Dann treffe mich der Tod in meinen Sünden!
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Von Johann Wolfgang von Goethe nach Berlin Jena, 11. Januar 1811, Freitag
Du erscheinst von Zeit zu Zeit, liebe Bettine, als ein wohlthätiger Genius, bald persönlich, bald in allerley guten Gaben. Auch diesmal hast du viel Freude angerichtet, wofür dir der schönste Danck von uns allen abgetragen wird. Möge dir es recht wohl ergehen und alles was du gelobest und dir gelobt wird Glück und Segen bringen. Daß du mit Zeltern dich näher gefunden hast macht mir viel Freude. Du bist vielseitig genug aber auch manchmal ein recht beschränckter Eigensinn, und besonders was die Musick betrifft | hast du wunderliche Grillen in deinem Köpfchen erstarren lassen, die mir insofern lieb sind weil sie dein gehören, deswegen ich dich auch keineswegs deshalb meistern noch quälen will. Von denen guten Sachen die ich dir verdancke ist schon gar manches einstudirt und wird oft wiederhohlt. Überhaupt geht unsre kleine musicalische Anstalt diesen Winter recht ruhig und ordentlich fort. Eine sehr schöne und öfter wiederhohlte Vorstellung des Achille von Pär haben wir auch gehabt. Brizzi von München war vier Wochen hier und jederman war zufrieden. Von mir kann ich dir wenig sagen als daß ich mich wohl befinde, welches denn auch sehr gut ist. Für lauter Äusserlichkeiten hat sich von innen nichts entwickeln können. Ich dencke das Frühjahr und einige Einsamkeit wird das Beste thun. Ich dancke dir zum 1245
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schönsten für das Evangelium iuventutis, wovon du mir einige Pericopen gesendet hast, fahre fort von Zeit zu Zeit wie es dir der Geist eingiebt. Und nun lebe wohl und habe nochmals Danck für die warme Glanzweste. Meine Frau grüßt und danckt zum schönsten. Riemer hat wohl schon selbst geschrieben. Jena. Wo ich mich auf 14 Tage hinbegeben. d* 11 Jan. 1811 G An Demoiselle Bettine Brentano bey H. v. Savigny nach Berlin
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Von Meline von Guaita an Bettina, Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Berlin Frankfurt, 12. Januar 1811, Sonnabend
Frankfurt d* 12ten Jenner 1811.
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Savigny, Gunda und Bettine Ihr verdient eigentlich gar nicht das ich Euch schreibe, denn Ihr habt mich sehr erzürnet und geärgert, indem Ihr Euch gar nicht über mein Söhnlein erfreut. Aber um Euch zu zeichen daß ich besser bin, will ich sogleich meine Freude über Bettinens Glück äusern, an welchem ich einen recht herzlichen Antheil nehme. Es ist mir keine kleine Freude einen so liebenswürdigen Herrn Bruder zu bekommen; sehr schön wäre es wenn Ihr alle diesen Sommer eine Erscheinung bey uns machtet, und ich Euch mein Söhnlein zeichen könnte, welches durch seine Artigkeit Euch zwingen würde ihn nicht zu übersehen, wie Ihr es jezt gethan habt. Mein Herz ist nur zu gewinnen durch die Artigkeiten die man meinem Kindlein erweißt, und ob Ihr gleich mein Herz schon besitzet, so könntet Ihr es wohl durch Euer laues Betragen wieder auf ewig verlieren. Ich kann dir nicht sagen, lieber Savigny, wie glücklich ich bin, mein Kindchen ist so stark, so gesund, und ich kann es selbst stillen, und bin nie so wohl gewesen als jezt. Wenn mir nur der liebe Gott 1246
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mein Glück läst und erhält! Ich möchte Euch so gerne eine Beschreibung von meinem Bübchen machen, aber da fält mir ein, daß Ihr es ja ganz übersehen habt, daß Ihr Euch gar nicht darüber gefreut habt, und das thut mir leid. Da will ich lieber stillschweichen und Euch gar nichts mehr von ihm, sagen, und doch weiß ich nichts anders zu rehden. – – – – Von Stadt Begebenheiten kann ich Euch nichts sagen indem ich nun schon fast sechs Wochen das Haus hüte, denn ich muste schon einige Zeit vor meiner Niederkunft zu haus bleiben weil ich oft Schmerzen hatte, und von Tag zu Tag glaubte, mein Stündlein seye gekommen. Die gute Marie hat mir recht treu beygestanden, sie hat mehre Nächte hier zugebracht, und mir Gedult zugesprochen, nicht über meine Schmerzen, denn welche Leiden sind nicht sehr gering gegen die Belohnung ein Kind zu haben, sondern weil mein Kindlein sich so lange erwarten ließ. Wenzel wurde den Tag wo er mich entbunden hate krank, und konnte mich nicht mehr besuchen; dagegen war Weidemann so freundlich und gab mir Rath und Troßt wenn ich ihn bedurfte. Nun bin ich ganz wohl und könnte schon ausgehen, allein um ja recht vorsichtig zu seyn will ich die sechs Wochen zu Haus bleiben. Lang kann mir die Zeit nicht werden weil ich sehr vielen Besuch bekomme; Guaita kennt so viele Menschen, die nun alle mich besuchen kommen, daß es mir fast zu viel wird. Gestern war der General Hahn auch bey mir, und erkundigte sich nach Euch; er läst Euch schön grüßen. Henry Contard hat mir eigens einen Besuch gemacht um mir seine Glückwünsche an die Bettine aufzutragen, welche ich denn hiermit förmlich übermache. Franz erzehlt | viel von der Bettine ihrem schönen Gesang. Ich möchte Sie doch recht gerne wieder einmal hören! Sie muß durchaus diesen Sommer zu uns kommen, und uns den Herrn Bruder als würklichen Herrn Bruder vorstellen. Liebe Bettine ich brauche dir wohl nicht noch ganz eigens zu sagen, wie sehr mich dein Glück freut, du weist daß ich dich immer herzlich geliebt habe, und kannst versichert sein, daß ich jezt, wo ich selbst so glücklich und zufrieden bin, ich doppelt gewünscht habe auch die mir lieb sind zufrieden zu wissen. Möge es dir so wohl und heimlich in der Welt werden, wie es mir durch meinen lieben Guaita geworden ist. Mehr weiß ich dir nicht zu sagen.
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Guaita trägt mir auf auch in seinem Namen recht viel Hertzliches zu sagen. Ich grüße Euch alle und bin Euere erzürnte Schwester M. Guaita. 2v
Herrn Professor von Savigny Monbijouplatz N° 1 Berlin
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Von Franz Brentano nach Berlin Frankfurt, 13. Januar 1811, Sonntag
Frankf* d* 13 Jan 1811 Liebe Bettine! Endlich soll sich also dein Freyheits huth in eine nette Ehestands schlafHaube verwandlen, glück zu, ich nehme herzlichen Antheil daran, u wünsche dir alles Glück u Seegen, so wie Arnim, den ich von jeher als einen rechtlichen Braven Mann achtete der das Weib seines Herzens sicher glücklich machen wird. Da du mein leztes unverheuratetes Kind bist, so freuet es mich doppelt daß du auch endlich unsern Werth erkenst; ich um arme dich und Arnim von Grund des Herzens, u sehe in Gedancken die glücklichste Ehe, denn zwey gleich guthe Herzen könen nur ein glückliches Leben führen. Ich habe gleich Toni nach Wien geschrieben die meine Freude theilen wird, und Sie wirds wohl auch gleich Betthoven mittheilen u Freund Ribini. Nun bleibt mir noch der Wunsch du mögtest | auch am Haüßlichen wesen einige Freude finden, u dem recht ordentlich vorstehen und das kannst du auch wenn du willst, u dadurch der Welt beweisen daß wahre Liebe alle Pflichten leicht u süß macht. Ich werde dir nun auch nekstens alle deine Rechnungen senden, damit du auch da siehest wie es stehet, u Genaue Kentniße von allem erhaltest, u mit Freuden werde ich dir immer, wo ich kann treuer Freund u Rathgeber sein. Grüse alles herzlich, ich umarme dich u bin unabänderlich dein treuer Bruder Franz B
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A Mademoiselle Madlle Bettine Brentano chez Monr le Professeur de Savigny Monbijou Plaz No 1. Berlin
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 20. Januar 1811, Sonntag
am 20 Jänner 1811 liebe liebe Schwester sey mir willkommen, immer ist mein Geist um dich, noch wähne ich in Glüklicher Stunde einen Himmel aus deinem Blik zu trinken, ich kann nicht ablassen von dem seeligen Taumel den dein Händedruck durch mein Herz rauschen machte – o wenn keine Schranken um uns wären – Sind denn welche um uns zwey? – du, ich habe verzichtet auf das Glük dieser Erde denn wie ichs erkaufen will, muß ichs erst hinopfern und ganz daran geben. Ich war diese lezten Tage betrübt – recht betrübt, wenn du wüßtest warum du hättest gewiß mit mir geweint – Noch immer wenn es Abend wird ergreift mich unnennbare Sehnsucht, ich möchte dich bey mir daß du mir tragen helfest die süsse Last die mir meine Liebe auflegt. Mädchen, Mädchen! unter allen meinen Briefen war der am wahrsten geschrieben – der der erste war nach deiner Rükkehr – diesen Herbst. Was noch werden kann ist nur das Abendroth einer Sonne die ein Weilchen hinunterstieg und jenseits (himmlischer Trost) um so glanzvoller heraufsteigt um nie wieder zu erlöschen Dann will ich mich letzen und laben an deinem schönen verklärten Geist, du die du mir mehr warst als du ahnen darfst, du, die ich mit mir reissen möchte in heiliger Wuth nach den Sternen, du, die nimmer ablassen will, ein Gottgesandter Engel zu seyn meinen Opferungen. Kein Mensch hat so etwas schönes noch niedergeschrieben als du in einem deiner Briefe wo du sagtest: So kann der Adler die Stürme nicht fürchten, da es ihm eine Wollust ist sich von ihnen dahin treiben zu lassen Ja ich will mich schwingen auf Gotterschaffenen Fittig, will alles alles, was der Himmel erlaubt in reicher Fülle üben, will meiner Liebe Ziel erringen und sollt’ es einen Tod kosten will erschaffen nach was 1249
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mir dürstet und die Welt mir nimmer geben kann, will niederstürmen was mich ängstigt, will von den Fesseln ausreissen, und sollt es Hand und Fuß kosten. o lieber verbluten in selbstgeschaffener Freyheit, als in wüster Knetschaft erstiken! Ich kann dir den Wunsch nicht nennen den ich umfange ich kann das Bild nicht zeichnen nach dem ich mit den Händen ringe, ich kann den Geist nicht aussprechen der 〈〈mei〉〉nes Lebens Wesenheit ist. Du gehörst einem andern, sey glüklich, ich liebe was dir heilig ist – aber nicht wahr, wenn ich werde errungen haben mit glüklicher Kraft den Engel den ich liebe, dann wirst auch du sie als eine Schwester begrüßen – oder wenn ich verblute an den Wunden im Kampfe um mein Mädchen – dann tröstest auch du dich mit einer besseren Heymath
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An Max Prokop von Freyberg nach Landshut Berlin, 27. und 28. Januar 1811, Sonntag und Montag
am 27ten Jenner Es ist wahr daß ich auf vielerley Weise Deiner gedencke; Daß mir die vergoldeten Sommertage einfallen und daß ich mich deiner Lebhaft erinnere das ist eins. aber wie ist das? – wird dich der Frühling hierher bringen? es war in Dir selber doch schon lange so bestimmt. was konntest du aber bestimmen da dich Gott lenckt. wenn ich zu theilen hatte im Herzen und mit dem Geist so hab ich redlich dir mitgetheilt das weist Du. mein Herz ging durch meine Feder zu dir ein und brachte Dir treue Bothschaft von allem guten, ich bin jezt glücklich und bin Dir gesinnt wie ehmals und meine Ehrfurcht vor Deiner Natur ist nicht zu Grund gegangen; und wenn ich in die freche Welt blicke und blicke dann zurück auf dich und deine Freundschaft, dann ist es wie wenn ich von der Blendung zur Ruhe und Wahrheit übergehe. bleib dem guten Treu und lasse dir im übrigen ergehen wie es Gottes wille ist, wenn auch eine Lücke in deinem glühenden Lebenseifer entstehet; es vergehet kein Jahr daß nicht der Baum blühe der den Winden und dem Zufall ausgesezt ist, also vergeht auch nichts vor Gott das nicht seine Früchte bringe vor Gott, wenn wir Menschen es auch nicht einsehen, halte dich daher nicht für unnüz in deinem thatenlosen Leben aber sehe mit wachsamem Blick nach dem Ort nach der Zeit die dich bedarf, – man rühmt die Schönheit der Jugend, man 1250
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freut sich des Glanzes den sie ausstrahlt, der mächtig ist, und wie von Gottes händen über sie ergossen, von wo aus kömmt dieß Licht über sie? nicht von ihrer Weißheit, denn sie ist unerfahren, nicht von ihren Thaten denn sie beginnt erst das Leben nicht von ihrer Kraft denn sie bedarf noch des Weisen rath und des Mächtigen Stüzze; aber vom edlen Kampf der ihm die Märtyrer Krohne erwirbt, die ein jeder edle erkämpfen muß um frei über die Fesslen der Furcht und des Unglücks hin zu schweben, von dem Kampfe zwischen Sehnsucht nach einer Heymath und der Ergebung ins Schicksal auf fremdem Boden den auch jezt du kämpfest, und den ein jedes Herz bestehen muß, und darum bist Du traurig, und darum sprechen dich Abend und Morgen röthen Mond und Sterne mehr an und reizen dich hinauf hinauf in das Gewölbe der Wolken daß du mit ihnen ziehen mögtest über die Berge und Flüsse, denn es sind jene, Zeugen Deiner Einsamkeit, und deines starcken Willens und sie sind dem näher was Du begehrst, tausendmal näher als Du, und dein Geist schwingt sich empor und liebkoset ihnen; und wenn Der Wind ein Rohr zu deinen Füßen bewegt das rührt dich, und du fühlst er ist dein Genosse, mehr als die Menschen, und er hat dein Herz gerührt und besänftigt da du in Noth warst, wenn dich die Menschen nicht verstanden; und so ist es mit dem Mondenschimmer und dem der Sterne, sie sind ehrfurchtsvolle Zeugen deines Gebeths und ihr Reich ist der Raum darinn Dein Geist Leben kann, sie spotten deiner nicht und drängen dich nicht nieder, aber sie sind die Saat die auf dem Weg zum Tempel Gottes aufgekeimt ist, und deinem Geist öffnet ihr Glanz die Pforte zur Andacht. – wem es einmal so geworden ist, der ist vor Dem Tode bewahrt ich Tröste dich gern und mit Zuversicht, denn in meinem Trost liegt Wahrheit, und was ich dir verheisse daß wird erfüllet werden, so wahr als Gottes Natur nicht lügt | denn ich Tröste dich nicht um eitles Guts willen das vergeht und nicht bestehet, aber ich tröste dich um der Ewigkeit willen die Dir verheisen ist. ich bin nicht so gut wie Du obschon des Menschen Werth der nur das Gute will nicht zu ermessen ist. aber ich fühls an meinen Gedancken und an meiner Lebensweise, du bist oft Glücklich und Seelig in deiner Nähe zu Gott, und während die Menschen dich mitten unter sich wähnen bewegst Du mit kühnem Enthusiasmus die Schwingen deines Geists nach der Höhe wo eine reine Luft Weht, und in deiner kindlichen Annährung zu Gott entfaltet sich alle Himmlische Weisheit die die Menschen lange und vergeblich auf mühsamen Wegen suchen; und du bist Glücklicher denn alle 1251
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jene, und an diesem Glück erkenne ich daß du besser bist als ich; erhalte mich in Dir und entziehe mir die Wohnung nicht in Deinem Andencken. Ich mögte dir doch auch manches Sagen von mir und was für mancherlei Reichthum mir zu gewachsen ist, aber wo die Liebe säet da ist die Erndte unermesslich und was könnte ich denn von dem Glück mit meiner Feder beschreiben das unaussprechlich ist. und wenn ich mit flüchtigem Blick über die Erde hin schweife, und sehe sie hat nichts für mich, und wenn denn der Mann der ganz mein eigen werden soll, das einzige Gefäß ist, in dem ich alle Seeligkeit die ich zum Himmel Tragen will, aufbewahre, ja so ist er, das Gute in mir bewahrt und mehrt er, und das schlechte drückt er mit viel höherer Gewallt nieder und so liebt er mich daß er gern seine eigne irdische Glückseeligkeit aufopfern würde um mir die ewige zu zu wenden, und in ihm werd ich glücklich und frei und unschuldig; und alles erwarte ich noch von Der Zukunft, daß ich frommer werde und einfältiger, und daß ich ein Leben führe das da wahrhaft lebendig sey und nicht zum Tod führe. könnte ich nun auch mit dieser meiner rechten Hand die deinige Halten! – lieber Max! wie wenig kann ich aussprechen, was mein Herz dir sagt. O freue dich, und sey getrost, und gehe mit guten Gesellen um und verachte deren keinen denn oft hat Gott den geringsten erwählt um großes auszurichten. schreib mir was Du vom Morgen bis zum Abend thust welche Bücher Du ließt und was du dabei denckst, schreib es immer einfältig hin der Freund bedarf keiner staats worte, laß allerlei Schicksal über Dich ergehen scheue die Menschen nicht, wenn auch ihr inneres deinem äuseren wieder spricht. du kannst doch manches durch sie gewahr werden. Die Bildergallerie ist doch immer eine trockne Nahrung für einen der sein Herz schon so geweidet hat wie du. ich bin in dieser lezten Zeit in mancherlei merckwürdigen Geschichten vergraben gewesen, Die Geschichte des SeevennenKriegs hat sich Tief in mein Herz geprägt, ich hätte mit diesen herrlichen Helden seyn mögen Die während 3 Jahren auf den Gipflen der Berge und unter den alten Eichen wohnten und blos mit Vertrauen auf Gott, mit unerschütterlichem Glauben an den Sieg der gerechten Sache, und mit nur wenig Kriegsvolk eine ganze volle Macht des Königreichs zurückhielt. – am 28ten. es ist noch früher Morgen und mein erstes Geschäft heut, ist dir zu schreiben, denn mein erster Gedancke beym Erwachen war Salzburg da wir über die Brücke fuhren und die Morgen sonne uns ins Gesicht schien, und wir beide wieder fröhlich aus den Augen strahlten, 1252
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und unsere Herzen sich darinn | begegneten daß Wir uns vornahmen, ein jeder in seinem Beruf so unschuldig und herrlich zu werden wie der Morgen, der mir ein ewiges Abbild einer Göttlichen Natur bleibt. Ach zu glücklich war ich durch mein ganzes Leben, an den steilsten Abgründen bin ich keck einher gewandelt und die Hand meines Schuzengels hab ich lenckend über mir gefühlt wo das Gute Wohnt erweckte er mein Herz, und bei dem Bösen deckte und bewahrte er mich mit tiefem Schlaf davor, denn nicht einmal bekannt ward ich mit dem Bösen, i〈〈m〉〉mer weiter ward meine Seele und immer weiter mein Glück ich fand es wie die Perlen im Meer, und vergrösserte Täglich meinen Reichthum; und zu was will mich denn Gott zwingen durch alle Güte? daß ich Ihn lieben soll, und durch Ihn Vertrauen soll in Euch meine Freunde und daß ich mir Seeligkeit durch Seeligkeit erwerben soll, so unendlich hoch ist der Beruf des Menschen, er ist erschaffen die Seeligkeit zu erwerben. Darum mein Freund ruf ich dich auf leb in Der Freude, und sey glücklich in deinem Herzen, nichts ist eine bessere Brustwehr gegen Das Böse als Die Freude, nichts eine herrlichere Nahrung aller muthigen Kräfte als die Fr〈〈eude〉〉 nichts wie ein 〈〈xxx〉〉sseres Zeigen das Wir unser Ziel erreich〈〈en〉〉 als 〈〈xxx〉〉 Freunde auf der Lauf bahn. Du verstehst mich; – 〈〈xxx〉〉 hat sich ganz von selbst so gemacht daß ich sehr einsam bin. seltsam genug bin ich hier sehr gesucht, jedermann selbst der König fragt nach mir, und will mich gern sehen aus welcher Ursache weiß ich nicht, noch eh ich hier her kam war die Stadt voll wunderlicher Geschichten über mich die Die Langeweile erfunden hatte es giebt keine größere Baasenstadt als Berlin, du kanst also dencken daß dieß das Beste Mittel ist nirgendwo hinzugehen; so hab ich manchen einsamen Abend wo Savignys aus sind Abends gegen 9 Uhr kommt der einzige Freund den ich hier habe Wir sizzen zuweilen still bei einander, oft erzehlen wir, was uns begegnet in früher Jugend; und wie ve〈〈r〉〉schieden unsere Wege waren pp und so ist alles gut, und wir sehen mit freudiger Ruhe in die Zukunft hinein. – wenn ich meine Bibel aufschlage muß ich allemal der ersten Blüthen des Vorigen Mays mich freuen die wir zusammen auf dem Weg in Salzburg pflückten, denn immer haben sie noch ihre grüne Farbe, ein Ehrenpreiß eine Erdbeeren blüthe sind von dir, und das Saamen blatt einer Buche. – lieber Freund! Allen Himmel über Dich, wie damals der Weite Himmel über allen Bergen und über Uns. O einzig schöner Genuß dieser Frühlings Tage | wo jeder Grashalm mit Bedeutung empor strebte; erinnerst Du dich noch der zwei 1253
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Bäume die mit einem Holz voneinander gesprießt waren, und dennoch über wuchsen. erinnerst Du dich noch der Banck in den grünen Bäu- 140 men. O May May wo der Himmel auf Erden wandelt.
An Freiherrn Max von Freiberg abzugeben bei Materialist Huber auf dem Plaz. in Landshuth in Baiern
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, vmtl. Februar 1811
Wem ein Hase vors Bette kommt, dem bedeutets Glück, so ist mir heute geschehen und ich sende ihn Dir, meinem Glücke; der Jäger schreibt dabey, daß die Jagdzeit geschlossen sey, wohl dann so beginnt die Liebeszeit im Freyen und so folgen auch wir unbewust dem allgemeinen Sinne und indem wir unsere Aerme um einander schlagen heben wir sie betend zum Herren und fangen seine Gaben auf. – Ich bin vor 11 Uhr mit dem Wagen vor Deiner Thüre. Dein A. Arnim An Fräulein Bettine Brentano Hiebey ein Hase
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Februar/erste Hälfte März 1811
Die freundliche Armuth hat mir Westen und Hemde überbracht, mein Dank Deinem Reichthum. Nachdem mich Brentano gestern aus dem ersten Schweis aufgestört hatte, der bis zwey Uhr den natürlichen Söhnen des vorigen Königs seine Ehestandsgeschichte erzählt hat, fiel ich 1254
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in einen beständigen Traum von einer wunderlichen Stadt, ich werde Dir mündlich davon mehr sagen, denn ich habe viel geküsst. Dein Achim Arnim 〈quer zur Schreibrichtung:〉 An Fräulein Bettine Brentano
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, Februar/erste Hälfte März 1811
Ich habe das Hemde in Gegenwart meines Leibes vernommen und die Aussagen beyder mit Sorgfalt verglichen; der Leib beklagt sich nur über das eine Hinderniß, daß der Schlitz nicht gehörig weit ist, wenn statt der künstlichen Kantenstiche, welche eine durchsichtige Brücke zwischen beyden Jabotseiten bilden ein Stich ins unterliegende Herz gemacht würde, dieses Herz zur Hälfte durchschnitten und gesäumt wäre, so möchte es gnügen. Die ausgenehten Stiche am Jabot, die dir nicht gefallen an meinen alten Hemden und mir auch nicht, sind auch an diesem neuen zu bemerken. Der Kragen brauchte nicht so hoch zu seyn. Liebes Kind, was wendest du alles an meinen Leib, ich glaube gar nicht, daß er das werth ist, doch weil du so gütig von ihm denkst, will ich ihm heute ein warmes Bad gönnen. Clemens ist eben beschäftigt Reichardts Caviar^historie, Knie^drücken, Faßausfressen, Lichterputzen noch in die Philister^abhandlung einzutragen. Die Pistor hat mir heute für Dich ein Seidenzeug aussuchen müssen, das ich Ihr selbst schenken will, einliegend der Abschnit eines Pröbleins. Von Quartieren habe ich noch nichts erfahren. Horst Du etwas von einer Interimsmagd? Dein Achim Arnim Vielleicht komm ich noch vor der Akademie auf einen Augenblick.
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An Fräulein Bettine Brentano
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Nr. 871
*870. An Johann Michael Sailer in Landshut Berlin, vmtl. Februar oder erstes Drittel März 1811 Johann Michael Sailer an Friedrich Carl von Savigny, Landshut, 23. März 1811: Die geistreiche Bettine schrieb mir (wohl im Scherze), daß sie jetzt einen contractum matrimonii 〈Ehevertrag〉 zu errichten entschlossen wäre (Schiel 1952, S. 358).
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An Meline von Guaita in Frankfurt Berlin, erstes Drittel Februar 1811
Liebster Linster! dein Brief hat gut Wetter bei mir angetroffen ich und Savigny waren grade im ärgsten Muthwillen gegen einander. mein Brautstand ist ein wahrer Hex und Zanckapfel zwischen Savignys und mir, sie wollen immer daß wir bald heurathen, und wir haben nichts dagegen allein das Dolce far niente hat sich unserer so sehr bemächtigt, daß wir die Sonne ein ums andremal sorgloß auf und untergehen lassen, ohne etwas dafür zu thun; befinde mich so wohl so wohl in meiner Haut in meiner Ruh in meiner Nachlässigkeit. Ich gehe nirgends wohin; Savignys sind beinah alle Abend aus und Arnim muß auch oft mit, jedoch kömmt er immer zum Nachtessen zu mir, mit dem ich freilich oft warten muß bis 11 Uhr in der Nacht. Da geb ich denn unserer kleinen Lissette Schreibstunde und lasse sie Briefe an ihren Liebhaber aufsezen. indessen Liebster Linster mögte ich, dir (in Erinnerung für so manche Dienstleistung und Sorge dankend) auch jezt wieder einen Theil auftragen. hör meine Noth: 5 weise Kleidlein hab ich die mir etwas kurz sind und vorne einen Schliz haben der immer offen steht; besonders wenn ich mich nach Pläsier komod mache mit dem übrigen stehts alles auch nicht recht just was hälst Du davon? meinst du nicht ich solle mich noch etwas verproviantieren? Linster Du kennst meine schwache Seite! überlege viel Geld kann und mag ich nicht ausgeben, denn die Musick ist ein ungeheurer Vielfraß hier, und was ich mehr als Nothdürftig ausser ihr ausgebe scheint mir weg geworfen; dennoch scheint es mir vernünftig mich bei einer so vornehmen Periode des Lebens etwas aus der Asche zu erheben, besonders da Arnim die Zierlichkeit der Kleidung mehr an mir liebt wie an sich; Liebster Linster was hältst du nun davon wenn ich dir und der Marie mein Elend ein bisgen 1256
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ans Herz lege, ich weiß schon im Voraus daß Du es nicht übel nimst und diese lezte Sorge die gleichsam allen andern die in meinem einsamen Stand um mein Glück gehabt hast zu Grabe läutet; gern noch übernimst. mein Wunsch wäre also daß Ihr mir ungefehr 6 bis 8 Kleider nicht zum Staadt aber doch fein und zierlich machen ließt, weise und Seidne, all mit langen Ermeln Dann die Weisen mit viel Garnierung und Manschettenwerck, dessen kann nach hiesiger Mode nicht genug seyn. so viel möglich am Hals zu mit Krägen, zum Theil stehenden, welches dem Arnim absonderlich gefällt. von Seidenzeug findet ihr vieleicht etwas ganz besonders schön, doch Pruncklos. Grau, roth, gelb, oder tausendfarb das heist nehmlich ganz wie Ihr wollt, und das sey auch, nicht statios gemacht, wenn es anders Dienlich ist, mit Krägen auf Art von Überröcken. nun Linster strenge dein Häuptlein zu dem Dienst an, zu dem das meinige so ganz auser Laune ist, und laß mir Kleider machen die mir gut stehen müssen und die dem Arnim wohl gefallen; und Das recht bald, denn es werden kaum noch 3 Wochen bis zu meiner Hochzeit verstreichen. im Merz denck nur gewiß daß ich mit zu Deinem Stand gehöre Linster. Adieu Ihr alle zusammen Die mich noch lieb habt. Bettine Arnim trägt nicht mehr den Bart und auch nicht mehr den Rock. Wenn die Frau Elisabeth Waltern aus Hanau zu Franz kommt sich 60 fl Reißegeld auszubitten um hier her nach Berlin zureißen so soll er doch so gut seyn es ihr auf meine Rechnung auszuzahlen sie soll Kammer menschlein bei mir werden; sie ist eine große Frau ist nah an 40 Jahren hat eine Bukelnase, ihr Vater hieß Adam war Exsaminator am Franckfurter Thor in Hanau, ihr Mann Herr Walter, war Goldarbeiter er lebt noch ist aber nicht mehr bei ihr. an diesen Zeigen könnt Ihr mercken ob es die rechte ist. Ihr könntet ja die Kleider mit samt dem Silber zeug an Savigny abschicken, und dann vergesse nicht mir das längst versprochne Bild das Du in der Auction von der alten Göthe erstanden hast mit zuschicken nach dem ich eine gewaltige Sehnsucht habe. Bald schreibe ich dir ausführlich viel über alles was eine so gute liebe Schwester interessieren kann bethe mir recht ordentlich für mich wie Du versprochen hast und zwar vom 24sten Februari an bis im Anfang Merz da ich in diesem Tagen noch nicht den wahren heraus finden kann. Tausend Grüße an Marie George. pp. 1257
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Nr. 872
Die Uden die eine der geistreichsten liebsten Weibsbilder ist voll Treu und guten Willen, von den ausgezeignetsten Menschen hochgeschä〈〈tzt〉〉 ist schon darum Deiner Zuvorkomenden Freundlichkeit werth mehr aber noch durch ihre unabläßliche Dienstleistung bei Savignys Ankunft, die sie bis zu ihrer Abreiße gleich gastlich und zutraulich fortgesezt hat. 2v
An Madame Meline Guaita gebohrne Brentano in Frankfurth am Mein
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Von Franz Brentano nach Berlin Frankfurt, 2. Februar 1811, Sonnabend
Frankfurth d* 2 Feb* 1811 Liebe Bettine! Seit der Anzeige deines Brautstandes habe ich nichts mehr von dir gehört, ich hoffe es gehet dir wohl, u daß wir bald recht viel schönes hören werden. Dieser Brief hat eigentlich Geschäfften zum zweck. Ich sende dir hierbei deine vormunds Rechnung in Duplo oder in zwey Exemplare, nebst 5. Beilagen B.C.D.E.F. Diese vormunds Rechnungen, die ich hier bei Gericht ablegen muß lauffen bis zu deiner Majorennitaet, nehmlich Aprill 1810. Sie waren bereits hier bei Gericht, man gab sie mir aber zurück, mit dem bemerken dir sie zu senden, damit du sie einsiehest, u wenn du nichts zu bemercken hast, mir diese beide Exemplare mit den 5. Beilagen wieder zurück sendest. Unter jedes der beiden Exempl. der vormunds Rech. hast du dann folgendes zu setzen: »daß ich vorstehende vormunds Rechnung nachgesehen und richtig befunden habe, bezeuge ich mit meiner Nahmens Unterschrifft, u beigedruckte Pettschafft. Berlin den 811. Bettine Brentano.«
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Bist du verheirathet, so muß dein Mann, als Eheliger Beistand auch mit unterschreiben. Dann sende ich dir hierbei deinen lauffenden Rechnungs Auszug, doppelt, er fangt an da wo deine vormunds Rechnung aufhört, und gehet bis Ende Decemb* 1810. Sehe ihn durch, behalte ein Exemplar davon für dich, u das andere versehe auch mit deiner aprobation und sende mir es mit den vormunds Rechnungen zurück. Du kannst darunter sezen: »daß ich vorstehenden meinen Rechnungs Auszug durchaus richtig befunden habe bescheinige ich hiermit in bester Form rechtens. Berlin d*.« bist du verheurathet so lasse deinen Mann mit unterschreiben. Sodann erhaltest du 2 Exemplare der dritten u lezten Abrechnung des Nachlasses des sel. Vatters, recht findend unterschreibe auch beide – Sämtliches gieb Savigny daß er mir’s rücksende, ich wünsche es recht bald zu erhalten weil ich nach Wien eilen muß. Ich habe so viel Arbeit daß ich in Eil schliesen muß, ich umarme dich herzlich, u grüse alles u deinen erwählten eben so herzlich Franz Brentano
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Von Christian Brentano nach Berlin Prag, 8. Februar 1811, Freitag
Liebe Betine Niemals haben mir so wenig Zeilen so viel Vergnügen gemacht als deine lezten an mich, – und nie hat mich fremdes Glück so sehr selbst glücklich gemacht. – Wie ich mich freute und wie ich mich zu dir wünschte, deine Freude mit allen Sinnen empfangen und wieder geben zu können!, das must du dir vorstellen; denn so in Briefen! – es geht doch nichts über; Laß diesen Händedruk dir sagen, was unausspr. . etc. – Daß du nicht zu berauscht warst mir Nachricht zu geben, war mir eine süße Schmeicheley –. Aber es muß dich doch auch rühren; daß ein Bruder in bösem fremdem Land sein eigenes Elend eine Zeit vergißt um dein Glück zu bejubeln. – Ja liebe Schwester mir gieng es seit dem Ihr fort seyt sehr schlimm – Mein in Buckowan so hart befundenes Herz, 1259
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war leider nicht hart genug um nicht fast biß zur Verzweiflung zerrißen zu werden! – Vielleicht erzähle ich dir es einmal und du wirst dich wundern über die Consequenz eines bösen Schiksals und die Unmenschlichkeit Blutverwandter Menschen. – Aber heute nichts davon, Lieb und Freud sollen sich gelöst halten wie zwey kostbare Reagentien, dir dein Leben in ungetrübten Krystallen fällen. – Ich habe dich sehr lieb, und es ist voraus und nachher begreifflich; daß die Geschwister liebe unter der Ehlichen immer verliehrt; das thuet mir leid, aber weil die lezte glücklicher macht so bin ich es deinethalben zufrieden – und wenn ich jemandem darinn ein Opfer zu bringen bereit | bin, so ist es Arnim, es ist ein Mann von gutem Herzen großer Seele und schönem Leib, ganz wie du und ich ihn dir nur wünschen konnten; so daß ich dir (weder ohne Muthwillen noch ohne Wahrheit) den englischen Gruß zurufen kann – Gegrüßet seyst du Betine etc und du bist gebenedeit etc Aber was will das Alles heißen es wird mir doch Angst, wenn ich bedenke; daß ich immer mehr und mehr allein stehe wie ein ausgeschiedener in der Wahlverwandschaft. – O versichre mir, daß du mir nie fremd werden willst; daß du nie vergeßen willst; daß wir in einer Mutter leib erzeugt und ernährt sind; und daß eine solche Verwandschaft, eine nothwendige, alle übrigen nur zufällig, auch, in Herzen die derselben fähig sind, eine Freundschaft zur Folge haben muß welche durch keine andere übertroffen werden kann. Diese Versicherung liebe Betine ich werde sie aufheben wie eine kostbare Obligation, und ich werde ruhiger seyn. Ich habe mir fest vorgenommen; solltest auch du je kalt und fremd gegen mich werden – entfernte Länder und eine sehr isolirende Lebensweise zu wählen. – Aber du wirst es wohl nie werden? Und ohne das Mißtrauen was mir meine lezten schlimmen Erfahrungen geben musten hätte ich auch vielleicht nie daran gedacht. – Ich denke bald nach Berlin zu kommen einstweilen leb wohl; recht wohl! Grüße Arnim von mir; versichere ihn; daß ich ihn sehr liebe; und daß ich beßer bin als ich oft scheine, so solle er mich auch lieb haben. – Dein Christian Prag d 8 Feb* 1811 An Clemens meinen Gruß! An Betine
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*874. An Franz Brentano in Frankfurt Berlin, zweites oder letztes Drittel Februar 1811 Franz Brentano an B, 1. März 1811:
Ich beandworte deinen lieben Brief vom … gerne unterzog ich mich aller mühe in deiner Angelegenheit 〈…〉 Wegen der Solidität und moralität von Jacob Ernst aus Kizingen
(Nr. 883,3-11). Antonia Brentano an B, 11. März 1811: mir zu hören (Nr. 885,9-10).
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Franz schrieb du wünschest von
Von Ludwig van Beethoven nach Berlin Wien, 10. Februar 1811, Sonntag
Vien am 10ten Februar 1811
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Liebe, liebe Bettine! Ich habe schon zwei Briefe von ihnen und sehe aus ihrem Briefe an die Toni daß sie sich immer meiner und zwar viel zu vortheilhaft erinnern – ihren ersten Brief habe ich den ganzen Sommer mit mir herumgetragen, und er hat mich oft seelig gemacht, wenn ich ihnen auch nicht so oft schreibe, und sie gar nichts von mir sehen, so schreibe ich ihnen doch 1000 mal tausend Briefe in Gedanken – wie sie sich in Berlin in ansehunst des Weltgeschmeißs finden könnte ich mir denken, wenn ich’s nicht von ihnen gelesen hätte, reden, schwätzen über Kunst, ohne Thaten!!!!! Die Beste Zeichnung | hierüber findet sich in Schillers Gedicht »Die Flüsse« wo die Spree spricht – sie heirathen liebe Bettine, oder es ist schon geschehen, und ich habe sie nicht einmal zuvor noch sehen können, so ströme den alles Glük ihnen und ihrem Gatten zu, womit die Ehe die ehelichen segnet – was soll ich ihnen von mir sagen »Bedaure mein Geschick« rufe ich mit der Johanna aus, rette ich mir noch einige Lebensjahre, so will auch dafür wie für alles übrige wohl und wehe dem alles in sich fassenden dem Höchsten danken – An Göthe wenn sie ihm von mir schreiben, suchen sie alle die Worte aus, die ihm meine innigste Verehrung und Bewunderung ausdrücken, ich bin eben im Begrif ihm selbst zu schreiben wegen Egmont, wozu ich die Musik gesezt, und zwar bloß aus Liebe zu seinen Dichtungen, 1261
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Nr. *876
die mich glüklich machen, wer kann aber auch einem großen Dichter genug danken, dem Kostbarsten Kleinod einer Nation? – nun nichts Mehr liebe gute B., ich komme diesen Morgen um 4 Uhr erst von einem Bachanal, wo ich sogar viel lachen muste, um heute beynahe eben so viel zu weinen, rauschende Freude treibt mich oft gewalthätig Wieder in mich selbst zurück – Wegen Clemens vielen Dank für sein entgegenkommen, was die Kantate, so ist der Gegenstand für unß hier nicht Wichtig genug, ein anderes ist’s in Berlin, was die Zuneigung, so hat die Schwester davon eine so große portion, daß dem Bruder nicht viel übrig bleiben wird, ist ihm damit auch gedient? – nun lebwohl, liebe liebe B. ich küsse dich 〈〈xxx〉〉 auf deine Stirne, und drücke damit wie mit einem Siegel, alle meine Gedanken für dich auf. – schreiben sie Bald, bald, oft ihrem Freunde Beethoven
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〈vmtl. Antonia Brentano:〉 An Fräulein Bettine v. Brentano Visconti Laroche in Berlin. Bey H* v. Savigny Monbijou-Platz No. 1.
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〈Beethoven nach Siegelung des Briefes:〉 Beethoven wohnt auf der Mölker-Bastey im Pascolatischen Hause.
*876. An Johann Nepomuk Ringseis in Landshut Berlin, vmtl. zweite Hälfte Februar–Anfang März 1811 Johann Nepomuk Ringseis an B, 19. März 1811: Ihr Brief, mit dem Sie mir die Geschichte der Gräfin Dolores und die Cantate von Ihrem Herrn Bruder überschickten, hat mich mit nicht geringer Freude erfüllet. 〈…〉 Daß Sie in Ihren Gesprächen meiner so oft gedenken, wie muß mich das inniglich erfreuen, und ehren und ermuntern 〈…〉 Daß Herr
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Vmtl. zweite Hälfte Februar–Anfang März 1811
von Arnim mich achte, und mir deßwegen die Geschichte der Gräfin Dolores geschickt hat, ehrt und erfreut mich, wie natürlich, ganz ungemein; aber wem verdanke ich das wohl, als Ihnen, verehrungswürdiges Fraülein! (BJ/VS 214.)
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An Max Prokop von Freyberg in Landshut Berlin, letztes Drittel Februar 1811
Laße alles gut seyn, laß es gewähren; ich hab groß Vertrauen in Die Zukunft. und keine Furcht. Dencke doch keiner ans Unglück; wenn nur vor unserm Herrgott alles im reinen ist. was sonst mein ganzes Forschen war, meine einzige Arbeit, ein ewig immerwährendes Ringen und Dringen in die Zukunft. – Dort! dort! (war mir immer) ist Ruh ist Fülle von allem was Du begehrst, wie wenn Die Kinder auf die Anhöhe nach der goldnen untergehenden Sonne laufen, und meinen Dort ihre Strahlen zu fangen. wenn sie auf die Grenzen der Blauen Berge wollen, und meinen Dort von der Welt herabzuschauen; so ging mirs auch und ich hatte immer wieder eine Aussicht die mir das Lezte Ziel zu stecken schien, und meine Wege waren blumig, waldig, frisch, kühl, hier und da ließ ich mirs wohl seyn; wenn ich meine Bahn übersehe muß ich mir tausend Freuden erinnern, unter tausenden ist keiner dem alles so edel entgegen kam, keiner der so mühloß alles Gute genoß. so hoff ich auch noch in Die Ferne. wer auf den Bergen wohnt dessen Lebenslauf ist hoch der hat eine weite Aussicht, nur möge mir Gott gnädig seyn. Dein Herz schlägt sehr Laut. wo ist der Friede zwischen der Kraft, und Der Wahrheit? dieser einzige Harnisch eines Helden! ich kenne Deine Laage wohl, hoch bist Du gestiegen in Sehnsucht und Hoffnung einen Weg zu finden und nun; wo Du hinsiehst: enge unüberwindliche Gränzen! alles alles ja selbst des Menschen stimme ist dir ein trauriger Wieder hall, daß alles leer ist, daß Du dich nur auf dich selbst verlassen kannst; dir wächst der Muth mit Begeistrung, und er sinckt wieder, wie Ebbe und Fluth im Meer. und ewig findest Du dich allein wieder. lasse alles gewähren ein jeder geht seine eigne Bahn, aber ein jeder geht sie um aller willen, das Ende ist das Wunder Gottes, das Ende ist das Leben; wo ein Hauß gebaut wird da giebt Gott Sonne Mond und Sterne und Himel über ihm als Zugabe; wie kann daher ein Werck ein Gedancke umsonst seyn? – 1263
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Und kannst Du mir nicht mehr sagen? darf oder kann mir dein Schicksal nicht persönlicher Dargestellt werden? – mit halben Worten würde ich dich verstehen, ich würde die Hinderniße die Grenzen deines Wegs begreifen, ich würde Forschen und den Theil der Schöpfung mir befreunden und erkennen wo Du wirken sollst. ich hab keine Ahndung, keine Spuhr.– der Mensch soll sich dem andern nicht hingeben, er soll aber mit ihm zusammen wirken. begreif das. – er soll sich der Sache nicht aufopfern, er soll sie beherrschen und lencken. begreif das. – wer jammert? Wer Weint? Du? – und wenn Du eine einsame Waldcapelle gefunden hättest | zu der Du im Abendlichte wandern könntest um dein Herz Gott aufzuopfern um dich zu erfüllen mit seinem Geist so wär Dein Leben schon um Millionen mal reicher, als der Tausende die nach dem Glück der Welt jagen und es genießen; und du hast mehr gefunden als dieß, in Tausendfachen Gestaldten in Aller Natur hat sich dir der Herr gezeigt. sey ruhig und freudig. – Die Andacht und die Liebe zwei Himmlische Blumen. sie nähren Durch ihren Duft sie sind herrlich anzusehen, und begeistern ewig die Sinne und das Herz. sie erziehen die Engel. – Gute Nacht! – Ich bin glücklich, in manchen Momenten, so unaussprechlich glücklich daß ichs laut ausrufen mögte. Du warst mir weissagend in Die Zukunft, Durch Dich ist ein Licht der Andacht aus mir hervorgangen gegen Himmel, und nun strahlt es vom Himmel wieder zurück auf mich, und doppelt warm scheint die Sonne der Gnade und des Seegens.
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 21. und 22. Februar 1811, Donnerstag und Freitag
Wie kann ich diesen Abend feyern, es ist ein Jahr daß wir an Savignys GeburtsTag zusammen waren, ich traurig und sprachlos dir gegenüber, o damals wars noch nicht so schön geworden; ich sah nach dir unverwandten Bliks, ein namenloses Vorgefühl war in meinem Herzen – Wie ist das geworden? Heiliges Kind lobe den Herrn – Draussen funkeln die Sterne, o bald bald über ein glükliches Volk – Ich kann dirs nicht nennen aber es ist ein süsses Sehnen meines Gemüths – Grosse 1264
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Stunde die du der Liebe Erfüllung der Freyheit Leben bringen wirst – Ich seh es kommen ich sehe diese Wände stürzen, das Reich Gottes blüht – o bald seh ich dich bald drük ich deine Hand – Schöne Erinnerung; heiliges Bestreben! – Garten Gottes thu dich auf – Ein Jahr ists, da war es süß und göttlich leben, – jedes deiner Worte mir ein bedeutender Klang, jeder deiner Schritte mir eine Begebenheit – Schwester, Schwester wie soll das enden – Ermißt jemand meinen Willen? und wem ist mein Wunsch bekannt? – Sag Schwester wann küß ich die Heißgeliebte? o Erbarmen dem Liebenden – ich kenne kein Gesetz, mich engen keine Gränzen, grosse Harmonie der Welten du bist mein Vorbild. – Wer nennt mir die Stunde des Wiedersehns – HeldenTod oder der Liebe Siegeskronen – Schöne Pilgerfarth, standhafter Sinn belohnte Liebe – Andacht des Daseyns schönste Krone – Heinrich, Heinrich, grosses Kind des Schiksals liebe mich. – Und durch die Weingärten streifte, der MondNacht Schauerlicht – Welle nahm den Gruß, trug ihn ferne, ferne hin – Wer nennt den Zauber deiner Loken, wer spricht den Himmel deines Blikes aus – Wüste verödete Stadt wann kehrt sich dir zu die GnadenSonne Gottes – Betet ziehet hin fechtet und siegt – und Du Jugend halt ein, verblühe nicht noch ehe das Wunder geworden! Mein Gott mein Gott was ist aus mir geworden, bist du es wirklich bey der ich nahe war als die AbendGluth auf den böhmischen Bergen lag, und der FingerZeig Gottes riß mich von dir, o ich begreiffe nicht diesen Beruf – Gleichviel mags auch wie Tod klingen, dich sah ich nie zulezt – Was liegt so erstikend auf meiner Brust, was ist so schmerzliche Glut in meinem Herzen – du standst am Kreutze mich zu erwarten – und ich kam nicht Schwester kannst du mir das verzeihen? – wir werden uns wieder sehen – ich werde dir gegenüberstehen – stumm ein aufgegebner Mann – oder mit tausend den Ruf der Siegenden um mich – auch ich streite mit der lebendigen Kraft meiner Seele gegen die Macht des Schiksals – Mädchen Mädchen was hast du aus mir gemacht, kein ertödtender Hauch vermag diese Glut zu erstiken – nein ich erbrenne von heiliger Wuth – Liebe Schwester beym ersten Händedruk – wie ganz anders war es da – wie strömte ein Himmel voll Seligkeiten aus deinem Auge meiner Seele zu – ein solches wird dem Menschen nur einmal. Und sieh da, wie ich stehe, wie unerschütterlich der ersten Liebe blühende Kraft im Herzen – Schöner undurchdringlicher Panzer, dich gab mir ein Gott aus der schönsten Jungfrau Hand. 1265
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Da steigt der verhaßte Tag wieder herauf – ich muß aufhören zu dir zu sprechen. Von meinem geliebten Savigny sagst du mir gar nichts – Ihr Glüklichen bald seh ich euch!
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aMademoiselle Mademoiselle Bettine de Brentano, de La Roche à Bey H* Hofrath von Savigny; Platz Berlin Monbijou Nro 1.
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin mit dem Gedicht Bittschrift für ein armes kleines Mädchen Berlin, erste Hälfte März 1811
〈I〉 Die Ueberbringerin, die kleine Anna Cuno, die Dich mit ihren dunklen Augen und rothen Lippen für alles Schrecken mit der Köchin trösten wird ist eben jene, von der ich Dir gestern sprach, gieb dem lieben Kinde die Richtung zur Recke, an die ich sie (ich wuste die Nummer ihres Hauses nicht) mit einem Briefe versehen, wir haben ihr schon allerley an Zeug und etwas Geld mitgetheilt, es wäre daher für den Augenblick nicht zweckmässig sie mit Geschenken zu überhäufen, wenn wir zusammentreten, | läst sich bald durch Ueberlegung etwas Dauerndes für Sie und für die Ihren thun. Es ist gut Wetter und ich bin sehr lustig, denn diese Nacht habe ich geträumt, daß ich mit drey verschiedenen Jungfern aufgeboten worden und die Leute gratulirten mir zu allen ich aber blieb voll Schrecken über dies Ereignis. Dennoch Dein. A.A.
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An Fräulein Bettine Brentano Monbijou Platz N 1. Bey Herrn Professor von Savigny.
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Bittschrift für ein armes kleines Mädchen, das zur Ernährung einer kranken Mutter Weihrauch zum Verkaufe herumträgt. Viele Kinder seh ich stehen, Harrend Deiner Gnadenthür, Sind es Engel aus den Höhen? Ich bin nur ein Kind von hier! Freundlich wollen sie Dich grüssen Und es ist ihr schönstes Glück, Daß sie hier zu Deinen Füssen Schauen Deinen ersten Blick; Aber ich verhüll mein Aug vor Dir, Scham und Elend läsest du in mir. x Meine Mutter einsam schmachtet Nur die Krankheit schleicht zu ihr, Und wir waren sonst geachtet, Niemand spricht jezt mehr zu mir, Früh vom Strohbett aufgestanden Bettle ich in kalter Welt, Geh ich drüber auch zu schanden, Wenns die Mutter nur erhält, Weihrauch bring ich ohne Schmeicheley, Dankbar bin ich ohne Heucheley. x Alle gute Engel führen Mich mit Hoffnungswink zu Dir, Kann ich Deine Seele rühren? Stille bet ich vor der Thür: Herr der Welt, bewahr das Leben 1267
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Aller, die für andrer Glück Es mit frommer Seele geben, Deren Hand, wie’s Weltgeschick, Vielen theilt den eignen Segen aus, Herr bewahr dies reichbeglückte Haus! 1v
Willst Du für die Mutter sorgen, Diene ich Dir ohne Lohn, Was Du ihr willst heute borgen, Zahlt sie bald vor Gottes Thron; Gute Lehre möcht ich fassen Und so komme ich zu Dir, Schnee verfolgt mich auf den Gassen, Mitleid weist mich hin zu Dir, Prüfe mich in strenger Arbeit Pflicht, Ob ich’s werth, zu schaun Dein Angesicht. (Die Mutter der kleinen Anna Maria Cuno wohnt auf dem Schiffbauerdamme No. 16, wo sich die Wohlwollenden nach den Umständen dieser armen Familie erkundigen können.)
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(Eben erfrage ich aus dem kleinen schüchternen Mädchen, daß ihr Vater noch lebt, daß er in Polen bei der Accise angestellt gewesen, jezt aber von der kleinen Pension von zwey Thalern monatlich leben muß, die ihm bis zur Wiederanstellung vom Staate gereicht wird; er wünscht durch Abschreiben etwas zu verdienen. Mein Hauptwunsch, indem ich dem Kinde Unterstützung zu schaffen suche, besteht darin, daß es von dem verderblichen Herumlaufen mit kleiner Krämerey in den Wirthshäusern zurückgehalten, | hingegen zur Schule und zur Arbeit angehalten werde. Gott segne jeden, der dazu hilft.) Der Frau Baronin von der Recke Hochwohlgeboren.
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, erste Hälfte März 1811
Ich wünsche, daß du gesund und frisch wie der Tag aufgewacht bist, ich möchte heute auf einem Polacken unter dem blauen Himmel forttraben, das kann aber nicht seyn, denn ich wüste nicht wohin, da Du hier bist. – Bitte doch Savigny um ein Wort der Entscheidung über das Quartier bey Reuss, ich hätte sonst Lust mit dem Transport meiner Sachen zu Voß schon heute anzufangen, morgen ist es schwerer Leute zu bekommen. Nothwendig ist es auch jezt die Mobilien zu wissen, welche wir nöthig haben, mein Bedürfniß kenne ich wohl, aber nicht das Deine, auch nicht Deinen Geschmack, ich will hier der Reihe nach aufzeichnen, was nothwendig scheint. 1 Bette für Diener oder Magd, wir brauchen es nothwendig, denn irgend jemand muß in dem einsamen Hause immer bleiben, das Bettstell liefere ich dazu. 2) Bettstell für mich. 3) Drey Stühle ordinärer gebeitzter Art wie sie zu meinem Schreibpult passen mit hohen Beinen für mein Zimmer, mehr als drey sind lästig, wenn es Platz hat ein Kanape. Ein Stuhl für die Magd, Waschbecken, Topfe Ein neuer Leuchter für mich, den meinen bekommt die Magd. Eine Kommode gleichgebeitzt wie mein Schreibpult für Wäsche und Kleider, sie muß möglich groß seyn Da Du Stühle und Schrank und Tisch von einer Art hast, so würde Dir etwa noch ein Kanape ein solcher Kleiderschrank, Wäscheschrank fehlen, ferner ein Küchenschrank, der aber nach dem Lokal ausgemessen seyn müste, ferner Vorhänge zu deinen Fenstern für meine bin ich versorgt, ich lasse sie waschen. Für die Küche sind nothwendig, | 5 verzinnte Kastrollen in einem Korbe um Essen zu holen und darin zu wärmen, über ihre Beschaffenheit habe ich mit der Pistor verhandelt, die sich zu aller Mitbesorgung erbiethet z. B. von Kessel u dgl. Ein paar Dutzend Teller von Gesundheitsporzellan mit Suppennapf. Zwey Par Messer und Gabel bis deine silberne ankommen. Einige Gläser. Einen Theetopf habe ich, vielleicht wär Dir aber eine Kupferne Theemaschine nothwendig.
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Ich lasse Raum, daß Du Dinge, die Dir noch einfallen zuschreiben kannst, alles was ich aufgeschrieben paßt für jedes mögliche Quartier. Ich küsse dich Achim Arnim. 2v
An Fräulein Bettine Brentano
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An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, vmtl. erste Hälfte März 1811
Du bist ein böser Mann Drum geb ich Dir die Ruth Doch steck ich Blumen dran, Weil ich Dir bin so gut.
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Von Ludwig Achim von Arnim in Berlin Berlin, vmtl. erste Hälfte März 1811
Liebe Bettine! Alles ist rings in Bewegung, wir ziehen ins Grüne, ich grüsse und grüsse wieder und begrüß Dich vor allem in Deinem schönen Liedchen, das dieses Stück schliest; Lebe recht wohl Ludwig Achim Arnim
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Von Franz Brentano nach Berlin Frankfurt, 1. März 1811, Freitag
Frankft. d* 1 Marz 1811 Liebe Bettine! Ich beandworte deinen lieben Brief vom … gerne unterzog ich mich aller mühe in deiner Angelegenheit, und es freuet mich daß es nun der hiesigen vielen Umstände garnicht braucht daß ist um so beßer, u es wird mich recht innig freuen den vollzug eurer Heurath recht bald zu hören, könnten wir nur alle zusammen recht fröhlich dabei vereint 1270
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sein. ich war dieser Tagen in Strasburg und sahe Arnold, der da mit 3000 Gulden gehalt Professor ist, er nahm den grösten Antheil an deiner verbindung. Wegen der Solidität und moralität von Jacob Ernst aus Kizingen, der hier bei Hr. Brunner war, verfügte ich mich sogleich zu lezterm, allein da er sein Hauß vor vielen Jahren verlassen hat, so kann er jezo nicht sagen wie es um in stehet, allein er kann sagen, daß solange er bei ihm war, er immer ein rechtlicher, und sittlicher mensch gewesen ist, es ist mir unangenehm daß ich dir nichts bestimmteres in Betreff seiner melden kann, u daß diese Auskunfft vielleicht nicht gnügen mögte. Tony ist diesen winter abwechselnd wohl u unpaß, ich hoffe aber das Frühjahr wird sie ganz herstellen, wahrscheinlich wird sie dir seit dem geschrieben haben. Wenn du mir gern was zu gefallen thust, so sorge mit daß alle Familien Papiere welche durch Lulu über Cassel dort eingetroffen sein werden, laut meinen dabei gelegenen Briefen bald unterzeichnet und expedirt werden, damit ich sie bald wieder erhalte, denn ich muß alle diese Angelegenheiten hier vor meiner Abreise beenden, u ist’s beinahe nur dieses was meine Abreise nach wien noch aufhaltet, die ich vor Ende dieses monaths sicher vornehmen mögte. Was übrigens unsern Bürgerlichen Zustand betrifft, so kann ich dir sagen daß es uns herzlich schlecht gehet, u es hier fast nicht mehr aus zu halten ist. Tausend schönes deinen lieben Bräutigam, lebe wohl liebe Braut ich umarme euch herzlich. Franz B
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〈alR:〉 viel herzliche Grüse an Savignys, empfehle Ihnen auch die Beschleunigung meiner Papiere.
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a Mademoiselle Mademoiselle Bettina Brentano Chez Monsr le Professeur de Savigny à Berlin
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Nr. 884
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Von Max Prokop von Freyberg nach Berlin München, 3. März 1811, Sonntag
Was ich thue wie ich lebe den ganzen Tag – meine That ist Liebe – ich lese in den Sternen die sind mein liebstes Buch – ich sehe das Leben der Welt an mir vorüber ziehn und sage: /mit Johannes Müller/ »Nichts ist in der Geschichte merkwürdiger, als die Betrachtung eines einzelnen Mannes oder eines kleinen Staats der gegen alle Gaben des Glüks und alle Schreknisse der Macht blos durch Mittel die auch in unserer Gewalt sind, sieghaft kämpft,« so denk ich fleißig und forsche in Plutarch, Sully, der Bibel und andern – lese mit Thränen, die ich dem Loos der Dinge und der schönen menschlichen Kraft zolle, im Schakspeare, Göthe, Schiller und den Klassikern, betrachte mit zufriedener Seele alles was die plastische Kunst an Antiken für uns aufzuweisen hat im hiesigen Anticen Saal und den schönen Kupferwerken der Bibliothek. Die übrigen Stunden gehören meinem Berufe, denn Savigny hat mit aller Kraft seines herrlichen Beyspiels die Liebe zu den Wissenschaften in mir entzündet. Morgens arbeite ich ein paar Stunden am hiesigen Gerichte, Abends bin ich selten unter Menschen Nur du kannst es wissen wie wenig mir alles das sey, wie tändelnd gegen meinen ernsten Beruf – ich liebe nur Cäsar, Heinrich, Alexander Brutus – Dabey kann ich nicht munter oder muthwillig seyn, auch hier kannst nur du wissen, warum – o glaub an meine Sendung – wer es glaubt dem ist das Heilge nah. Als ich durchs Tessino Thal gieng angelacht vom blauen Himmel, den buschigen Felsen, von hundert muntern Cascaden, da sagt’ ich zu mir selbst: Nicht diesen Frieden diese Festlichkeit dir, ein Schwert und trübe WetterNächte, das stünde besser. Der Kriegs Sturm muß noch heulen, eh die Friedens Flöten erklingen; ich will in den Hayn nicht eingehn, ich hätte denn siegreiche Waffen an die Eich auf zu hängen mein erster RuhPlatz sey der Tempel belohnter Liebe, mein erster Stuhl ein Monument meines Ruhms – ich geb es dran – mir ist geworden des MenschenLebens seligste Blüthe, ich will sie verdienen – und so laß Schwester die Hand nicht sinken im Gebet um Gnade, Segen, Glük. Noch stehst du da vor mir mit jener Salbung mit jener HimmelsKraft in deinem Blike, der mir lange sagte ich werde Heil finden im Zutrauen zu dir, bevor ichs wagte es vor dir auszusprechen – Du hast Wort gehalten du hast mehr gegeben als ein Mensch vom Menschen 1272
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hoffen darf das fühl ich jezt, eben jezt, und mit aller Fülle seiner Beglükung, strömt es durch mich dieses herrliche Gefühl. Noch hör ich dich erzählen | und dein Schall dringt wie von Harfen an mein Ohr, noch seh ich die schwarzen Loken über deinen Schultern hangen. Und du hast aufgeschlossen mit einem einzigen leisen Druk Deiner Hand den Reichthum eines Himels vor meiner Seele Paradiesische Nacht als an den Gränzen der Schweizer in leichtem Kahn mich den sinnenden schlummerlosen, glüklichen ein sanfter West nach Mayland trug – ich will sie fortan feyern diese Nacht als wie ein heiligstes Fest – noch hat keiner in so tiefer göttlicher Liebe geschwärmt – noch hat der Mond kein schlaflos Haupt mit soviel Beglükung überstrahlt als meines damals – HerbstNacht mit allen deinen Segnungen ziehst du leise, ein glükseelig’ Bild, an meinem Gemüthe vorüber! Ich möchte FreudenThränen weinen daß du glüklich bist, glüklich in jenem Manne den du liebst, verehrest. Des Himmels Segen über ihn der meiner Schwester Freude und Seeligkeit bringt Mir liegt auch in der Bibel eine Blume die Du mir gebrochen – ich kanns nicht wegküssen ihr Blau – nur mit heiligen Ernst naht ihr meine Lippe – o wären wir jenes Frühjahr in den Bergen geblieben in diesen Tempeln eines freyen muthigen Sinns, eines in Liebe frohlokenden Herzens. Lebe wohl, schreib mir öfter, ich wills auch thun, diese deine Briefe sind mein schönster, liebster Trost. Ob ich Frühjahr komme? ich habe nie daran gezweifelt. aMademoiselle Mademoiselle Bettine de Brentano de La Roche à Bey H* Hofrath von Savigny. Platz Berlin Monbijou Nro. 1.
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Von Antonia Brentano nach Berlin Wien, 11. März 1811, Montag
den 11t März 1811.
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Liebe Bettine! Ich habe längst, oder unlängst deinen Brief wie ihn der Hirt den Thor hinaustrieb, erhalten, und da ich deinen darinn enthaltenen Wunsch Von Beethoven Brief zu erhalten erfüllt; da ich erst kürzlich an Klemens geschrieben, und da du die theilnehmenden Empfindungen meines Herzens in Rüksicht deiner Verbindung kennst, glaubte ich da eine Braut doch nur für den Bräutigam lebt, dir nicht sogleich antworten – zu müssen. Ich thue es heute, weil mir Franz schrieb du wünschest von mir zu hören, aber es geschieht höchst oberflächlich weil mich heftige Rücken und Kopfschmerzen so zerren daß vielleicht die best gemeinten Worte eckig werden wenn das Siegel der Krankheit sie aus und abdrükt. Fast zwei Monathe bin ich wieder sehr leidend, reiten, mein Vergnügen habe ich aufgeben müssen, und so löst sich | mir nach und nach das Gute, und die welke Aster soll sich dir Märzveilchen, Mayblümchen nicht nähern. Doch will ich gerne mein leidenvolles Leben verlängert sehen um meine Guten Kinder nicht um ein Herz voll Liebe zu verkürzen, daß doch nur eine Mutter so warm den ihrigen bewahrt, und hingibt. Beethoven ist mir einer der liebsten Menschen geworden, sein Umgang enthüllt seine Vortrefflichkeiten, sein Spiel läßt eine allen andern Empfindungen unähnliche Empfindung empfinden, seine dunkel beschattete Stirne enthält unter hoher Wölbung den Sarkophag der Tonkunst, aus welcher er Verklärte Gestalten erwekt, sein Ganzes Wesen ist einfach, edel, gutmüthig, und seine Weichherzigkeit würde das zarteste Weib zieren, es spricht für ihn daß ihn wenige kennen, noch weniger verstehen. | Er besucht mich oft, beinahe täglich, und spielt dann aus eignen Antrieb, weil es ihm Bedürfniß ist Leiden zu mildern, und er fühlt daß er es mit seinen himmlischen Tönen vermag, in solchen Augenbliken muß ich dich oft lebhaft herbey wünschen Liebe Bettine, das solche Macht in den Tönen liegt habe ich noch nicht gewußt wie es mir Beethoven sagt. Franz ist schon im 6t. Monat von mir entfernt er will mir meinen lang entbehrten George bringen! ich hoffe im April oder May soll er kommen, was es dann gibt weiß ich nicht denn überall stocken die Geschäfte, Handel und Wandel, ob, wann, wie ich hier wegkomme kann 1274
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ich nicht einmal beyläufig bestimmen. Aus der Sandgasse hör ich kein Wörtchen. Die Mädchen sind gar lieb, der kleine Franz wird sehr hübsch, Finus etwas Vierschrötig, Max ein schlanker Cou de biche, sie springen | im Garten sorgenlos glücklich, bald springt dann der Bub an der Spitze mit, und ich Alter hinter drein. Hat Klemens meinen Brief vom 27 Jän. erhalten? frage ihn doch was ich mit seinen Komissionen machen soll, sie liegen noch versiegelt bey mir. Sage ihm wenn er wolle würde ich der Kaiserinn sein Gedicht überreichen lassen, aber sie verstehe sehr wenig deutsch, und studire erst diese Sprache seit sie Göthe in Karlsbad kennen lernte, ich fürchte man sieht so was für Wonneschisserey an, und es wird dann nicht erkannt, noch gewürdigt, er soll mir sagen wie er es gerne haben will. Grüße Savigny’s und deinen Arnim, und mache den König den Mund recht wässrig. Es wimmelt hier von Frankfurtern, Moriz Tondre ist bey Arnstein auf den Comptoir seine Mutter wird wahrscheinlich her ziehen da sein Vater in der Unterwelt die Gespräche im Reich der Todten führt. Leb wohl, mein Kopf thuts nicht mehr mein Herz ist unabänderlich dein Tony B.
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Ungeachtet mein Uebelbefinden mir die feste und ruhige Folge meiner Lebensverhältnisse verwirrt und mich unwillkührlich an die gestörte Lust einer jahrelang ersehnten Nacht erinnert, so finde ich doch eben darin einen Zwang, Dir du einzige Vertraute meines Herzens, manches schriftlich zu enthüllen, womit ich dich mündlich als Morgengabe überraschen wollte und was mir jezt durch ein grausames Spiel des Zufalls, oder durch Gott, der mich für den leichtsinnigen Scherz unseres heimlichen Hochzeitlagers strafen wollte, verleidet worden ist. Du hast mich oft befragt, ob ich nie mit einem Weibe in engster Vertraulichkeit gelebt hätte, ich habe Dir immer geantwortet, daß ich mich dieser Vertraulichkeit nicht rühmen könnte, du hast es nicht glauben wollen und doch war es wahr, ich aber wollte Dir den Eid meiner Keuschheit als meines Leibes beste Aussteuer erst anvertrauen, 1275
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wenn ich dir dieses Glück danken konnte. Wie ich zu dieser Strenge gegen mich gekommen, ungeachtet des frühen Dranges zum Genuß, das wollte ich dir erzählen, jezt will ich es Dir aufschreiben, denn es thun mir in diesem Augenblicke, die Jahre leid, die ich versäumte, weil ich eben dadurch das Geschick und die Dreistigkeit einbüsste, den Kranz unsres Glückes, so nahe vorschwebend, zu erreichen. – Von frühester Jugend habe ich eine Scham in mir eingeboren bemerkt, die durchaus unerworben, verdienstlos war, sie war es allein, die mich gegen Ausschweifungen kindischer Art, denen sich mehrere meiner | Jugendgenossen hingaben, schützte, vielleicht schützte mich auch meine grössere Jugend, doch strebten meine Gedanken begierig danach und so wie mich damals überhaupt ein unerschöpflicher Reichthum aller Art Erfindung reitzte, so übte ich auch im Ersinnen mancher Wollust diese Fähigkeit, ich hatte keine Vorstellung, daß es ein Unrecht sey sich so etwas zu denken, wenn die Vollbringung mir gemieden würde, die Frauen waren mir ein wunderbares Problem und eben wegen der Menge Wunder, die ich mir in ihren Körper fabelte, hatte es keinen Reitz für mich sie kennen zu lernen. Ein Paar Versuche lächerlicher Art meine Neugierde zu befriedigen waren vergebens, doch möchte ich wohl frühzeitig genug zum Wirklichen aus den Liebesträumen übergegangen seyn, wenn mir diese nicht durch eine der unglücklichsten Zeiten meines Lebens schrecklich verekelt worden wäre. Einer meiner Hofmeister, ich mag ihn nicht nennen, er steht jezt in Amt und Brodt und soll ein nützlicher Mann geworden seyn, ich mag nicht in einen Himmel mit ihm, dieser Verruchte verliebte sich auf die wahnsinnigste Art in mich, wie wir es nur von Griechen zu lesen gewohnt sind, meine Lust zum Lernen, eine Anhänglichkeit, die mich den Lehrern leicht hingab, selbst jugendlichen Stolz alles benutzte er, mich erst in seine Gewalt zu bringen, er näherte sich mir allmälig, ich wuste seine Rasereyen | nicht zu deuten, ich hielt ihn für ein höheres Wesen, und als ich seine schändichen Griffe und Küsse wahrnahm, so ergrif mich ein so entsetzlicher Ekel gegen ihn mitten in meiner übrigen Hochachtung, daß er mir nichts anhaben konnte, aber mir doch die Welt verleidete. Ich kann dir nicht sagen, wie viel mir in dem Worte verleiden liegt, ich möchte behaupten, daß die ganze Welt mir durch höhere Gewalt immer weiter verleidet worden sey, der ich mich sonst liebend hingegeben, um mich immer einsamer auf mich selbst zurük^zu^weisen. Der Ekel gegen ihn und meine Schamhaftigkeit wiesen mich von der Wirklichkeit in sinnlicher Lust zurück, auch war ich sehr fleissig auf Schu1276
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len und so kam ich mit grosser Neugierde, aber gänzlicher Unbekanntschaft des Genusses nach Halle, hatte mir aber aus dem Umgange eine Art Gleichgültigkeit und Bekanntschaft mit Ausschweifungen angewöhnt, so daß mich wohl keiner für so unschuldig gehalten. Nirgend mag die Ausschweifung mit so widrigem Ekel für alle Sinne auftreten wie dort, nur die Betrunkenen verführt sie und mich machte kein Wein betrunken. Ich besuchte liederliche Häuser, sah nackte Mädchen, fand aber im grösten Reitz eine solche widrige Verwirrung gegen das, was ich mir gedacht hatte, daß ich nicht einmal die Neugierde befriedigte, die geheiligten | Geschlechtstheile eines Weibes zu beschauen. Dennoch war ich einmal durch die zudringlichen Reitzungen einer Obsthändlerin nur eine Handbreit von der Sünde entfernt, als mich die Annäherung eines Fremden davon abbrachte; die Nachricht, daß sie einem andern eben so günstig hatte seyn wollen verleidete sie mir. Sonderbar wirkte damals Neuton’s Leben auf mich, es erzählte, wie er bey aller männlichen Kraft aus Liebe zu den Wissenschaften als Junggeselle gestorben sey, seine Wissenschaften, Physick und Mathematick, füllten damals meine ganze Seele, ich kam auf die wunderliche Theorie, daß die Verbindung mit Frauen, so wie überhaupt physische Liebe alles höhere Leben im Menschen unterdrücke, ihn dem allgemeinen Mechanismus unterwerfe und so beschloß ich allen Reitzungen zum Trotz, keusch zu leben bis in den Tod, doch ohne mir darüber ein Gelübde abzulegen. Mit der Freude an Poesie ging dieser Entschluß wie eine wunderliche Abirrung unter, aber meine Anforderungen an ein Weib, dem ich mich ergeben wollte, wuchsen so ungeheuer, daß weder die Aufwärterinnen, noch die meisten Damen der Gesellschaft sie befriedigten, vor allem wollte ich einzig und ausschließlich geliebt | seyn, wie ich mich mit ganzer Seele hinzugeben entschlossen war, ich auf meiner Seite glaubte mich mehrmals ganz ergeben, sowohl in Göttingen wie auf Reisen, aber immer fand ich mich getäuscht, da gab es ein unseliges Sehnen, Verzweifeln, allerley Abentheuer in mir und keins ausser mir sowohl in Göttingen, wie auf Reisen, ich übergehe die einzelnen Geschichten, will aber einen Eid ablegen, daß in den Weibern viel Herrlichkeit ist, wo sie nicht mit Absicht verdorben werden, und wovon ein Liederlicher nichts ahndet und worüber er verzweifeln würde, wenn er es begreifen könnte. – In England war ich doch wirklich dem Falle sehr nahe, das Fremdartige hatte mein Eigenthümliches gedämpft, beynahe in denselben Tagen, wo ich endlich mit der ganzen Welt zu leben hoffte, ergrif mich die wunderbare dem Arzte völlig 1277
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räthselhafte Krankheit, die mein besseres Wesen läuterte indem sie mir die frischen Reitze der Gestalt entzog, die vielleicht noch jezt an meiner innern Lebenskraft zehrt und die ich doch loben will, weil sie Glauben und Vertrauen in mir entwickelte und – weil ich in ihr auch 95 an Dich erinnert wurde und mir oft die Freude dachte, aus dem Dumpfen London zu euch nach Frankfurt | versetzt zu seyn, ja es kam mir hier das Gefühl eines gewissen Eigenthums an Dir, das ich erst viel später begreifen konnte. Ans Heirathen dachte ich aber durchaus nicht, die Idee einer Lazaretehe empörte meinen Stolz, ich hätte mich von 100 keiner Frau pflegen lassen können, es muß eine grimme Pein seyn einem frohen Lebenslustigem Wesen wie ein Gitter überall im Wege zu stehen, wo der heitre Sonnenstrahl eindringen will, so aber erschien ich mir selbst noch bey meinem ersten Aufenthalte in Heidelberg, Frankfurt und Trages. In Mecklenburg, wo ich mich sehr gesund und 105 aufgeweckt fühlte, kam mir in ländlicher Einsamkeit der Gedanke zu Heirathen und dich zu heirathen, der Krieg trat zwischen, mich ergrif er mit einer nie^gefühlten thörigten Leidenschaft, ich war unglücklich, ich kehrte zu dir zurück, wir verstanden im Anfange einander weniger als jemals, doch blieben wir an einander gebunden, wir lernten 110 einander lieben; du siehst aber ein, wie diese Jahre, wenn ich in den früheren meinem Gelübde treu geblieben, nur ein liebend geliebtes Weib zu umarmen, mich nicht verführen konnten, ungeachtet mir Aerzte riethen, ich möchte physischen Genuß der Liebe suchen, die Begierde zerstöre mich. Nie hätte ich den Gedanken ertragen können, ei- 115 nen Theil deines Lebens meiner Lust aufzuopfern, | ich übersah aber nach meiner Ueberzeugung, daß ich dir doch manches gewähren und seyn könnte, was du sonst nicht gefunden, aus diesem Gefühle nur war mir die Nacht so gramvoll, wo ich vom Fieber ergriffen einen Schatz wie ein Hund bewachte, den ich doch nicht benutzen konnte, mich er- 120 grif durch deinen Traum der Gedanke, ich würde nicht wieder genesen und ich würde dich vielleicht eine lange Zeit mit meiner freudelosen Nähe quälen, bis der Tod dich von mir befreyte, ich sah keinen Ausweg als mich schnell zu vernichten, doch als ich auf den Strassen das gewohnte Geschäft der Menschen wiedererblickte und den Morgen rings 125 fühlte, da ward mir das Vertrauen auf die Zeit wiedergewonnen, ein Paar Notizen, deren ich mich nachher aus Büchern erinnerte, wie gerade die Heftigkeit langgehegter Begierde sie in der Erfüllung häufig zu hindern scheinen, als ich empfand, daß es doch mit der Krankheit noch abzuwarten sey, ob sie nicht durch Erkältung, Fresserey und An- 130 1278
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strengung in den vorhergehenden Tagen erzeugt, sich lösen möchte, das alles brachte mich zu dem Entschlusse, mein Schicksal auszuharren: Sey also unbesorgt wegen der Zukunft, nie werde ich deine Liebe mißbrauchen, bliebe ich krank, was ich heute nicht mehr glaube, so entziehe ich dich wenigstens der Last meines | Lebens, meine Liebe bleibt dir ewig, auch wenn ich in dem Schooße gesammelt worden, nachdem wir nie unsre Augen erheben unsre Hände ausstrecken, ohne trostreich gewiegt zu entschlummern. Gewohnheit mag uns bald die fremde Scheu nehmen, ich wenigstens fühlte mich wunderlich befangen, als ich dreissig Jahr alt zum erstenmal nackt mit einem Weibe im Bette lag, ich habe mir eine Zeit gesetzt, wie lange ich es versuchen will, ob ich dich glücklicher machen kann, als in der ersten Nacht. In Eil lebwohl Sey gepriesen du lebendiger Gott, der alles Geschaffene treu bewahret, du hast mein Gebet erhört, eine schöne Nacht eröffnete mir die verschlossenen Thore, ich fühlte mich in meiner Kraft, aber ich genoß in der zweyten alle Wonne dieser Erde, ich habe die Erde umschifft und keine Lust ist mir unbekannt und alles war viel herrlicher als ich es geträumt, ihr trügerischen Träume, wie viel habt ihr meinem Leben entzogen
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Widmungsblatt Bettinas an Hangen (Hannchen) Schieflin Um 1800
〈Blumenstickerei〉 mit herzlichen Wünschen für ihr zukünftiges Schicksal verehrt zu ihrem Geburts Tag Hangen Schieflin von ihrer würklichen Freundin Bettine Brentano
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Von Bettina Um 1800
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in ihrem 14ten Jahr geschrieben
Wenn ich an das entstehen aller Dinge die um micht her leben und weben denke so kann ich wohl begreifen daß es ein höheres Wesen ist welches einen jeden einzelnes Punkt belebt welches einem jedem lebenden Dinge die Graft und den Trieb giebt sich an ein anderes anzuschließen und so auch als ein Glied jener langen Kette (welche das Werk der Erschafung ist und an welche sich ein jedes noch nicht erschafnes Wesen im geiste schon gehenkt da zu sein und auch etwas zu ihrem Wirken beyzutragen. Dieser unwiderstehlicher Trieb kettet es unvermerkt an daß Glied welches ihm durch sein entstehen am nächsten ist. Klücklich denn der der sich an daß glied anschließen kann welches mit ihm wirken mit ihm fühlen kann von welchem es empfangen kann was es nicht hat und welchem es durch seine mitwirkende gesinnung wohltuhend wird. Dankbar wird es die Tage seines Lebens verfließen sehen dankbar wird es gen Himmel sehen daß er ein Daseyn fühlen läst und es fühlen läst daß es wohlthuend wirket auf daßjenige was ihm am liebsten am nächsten in der Erschafung ist nichts waß Menschen Unglück nenen wird ihm Tränen des leidens außbreßen denn es weiß wie Felsenfest wie dicht an die Gottheit gebunden sein Geschick ist es weiß daß es nie in gefahr ist selbst wenn es an dem Schlübfrichten rand eines abgrund stehet denn die Band reines 1283
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verschwisterten glied halten es zurück und es wandelt unbefangen über die Droensten Klippen und rand Felsen dieses Lebens ja selbst wenn diese Göttliche Reine Wohltuhende Wirkung ihre irdische Bande gesprenkt hat wen sie nah vereint ist mit dem uhrsprung ihres Daseins wird sie denoch fest halten und aufbewahren die seliege fessel welche um zwei gute reine Wesen geschlagen war die ihr wirken auf erden Schön und Gottlich machte denn da die Tränen welche im Himmel aus Kühnheit der Freude entstande bey ihren ersten aufleben so nah aneinand auf die erde herab|flossen daß sie zusamenrannen und gleich einer schönen Perle ihren reinen glanz über alle sie umgebende Dinge verbreitete in welcher daß Heilichthum ihrer gottlich wirkenden Vereinigung verschloßen war warum solte sie nicht noch Glänzen in dem Goldnen Strahle welcher Gott umgiebt ihm als ein zeichen daß auch auf erden eine reine Himlische Emfindung lebet welche uns einst zu den Engeln erheben wird. Zieren 〈spätere Notiz Bs:〉 Von der Bettine in ihrem 14ten Jahr geschrieben von ihrem Bruder Clemens ihr vom Schreibtisch heimlich weggenommen nach seinem Tod unter ihren Briefen wiedergefunden.
*A.3
Brief Bettinas Um 1800
aus meinem siebzehnten Jahre
B an Philipp Nathusius, 2. Februar 1840: Und noch leg ich Dir hier einen
Brief bei aus meinem siebzehnten Jahre an jemand, der aus Eitelkeit sich weiß gemacht hatte, ich sei in ihn verliebt, welches keineswegs wahr gewesen, da ich nie in meinem Leben v e r l i e b t war, aber meine Anlage ist L i e b e n , das ist was anders.
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A.4.A Bettina, Charakteristik Friedrich Carl von Savignys Offenbach, vmtl. zwischen Anfang Juni und Ende August 1801 (Abschrift von Friedrich Heinrich Christian Schwarz)
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(Charakteristik( ? ) oder ) Du fühlst still u rein; dich drängt nicht die volle Seele, dich auszusprechen; Du fühlst tief u – schweigst. Das Grosse u Schöne i Dir im innigsten Gemüth verschlossen; Du erkennst Dich selbst darin. – | Frey unter Gottes Himmel stehst du als ein Musterbild frommer u grosser Seelen vor unsern Augen. Du bist ein schöner Zusammenhang v dem kühn hinanstrebenden Geist, von ruhigschwebender ewigherabsehender Kraft. Das Leben, das dich hervorgebracht hat, ist in dich zurückgegangen. Du bewahrst es das Grösste, das Streben der Menschen nach der Gottheit. Unschuldig stehst du in deiner Herrlichkeit. Dein Gefühl bewegt eine ewige Welt. Du veredelst, was uns gemein erschien. Wer dich fein u zart berührt, den umfängt du t deinem ganzen Leben, dass er n mehr v dir | loslassen kann u doch so unbefangen, als ob an Dir die Reihe waere zu danken. Du nimmst alle Sorge mit dir, alle trübe Vergangenheit, u wir schauen dann in dich herein u sehen den blauen Himmel mit tausend u tausend Strahlen, die uns alle Ruhe u Heiterkeit zuwinken. Holde u Wunder Sonne stimmen Tönen dir in der Seele u ziehen den Freund dicht an dich; ewig auf h selber ruhend bewegt h das Anmuthige u Große in eignem Kreise um dich her. Dein schönes Gemüth verleiht dem Menschen auf seine Weise das Glorreichste u Herrlichste. Du | wunderst dich n über das Goettliche in deinem Sinn; ohne es zu wissen strebst du stolz nach dem Schoenen und Grossen. Immer tiefer u ernster schaue ich dir in die Seele; ich sehe ein Engelsleben; wunderbar hast du mich hineinverwebt. Du stehest fest u einzig in deinem schönen Glanz; Geister entstehen, die mit Lebensdrang sich an ihrer eignen Göttlichkeit hinanwinden bis zum Unendlichen. Alles klingt u lächelt. Eine unerklärbare Ruhe durchdringt dir den innersten Sinn. Die dunkelsten Tiefen meiner Seele sind erhellt u aufgelösst; heilig ziehet sie daher u spiegelt h in dem himmlischen Schein deiner | Grösse wie das Auge, wenn es n mehr von Tageslicht geblendet, sich erhebet an das umgebende Firmament, wenn auch nur sparsam beleuchtet und geschmückt sind die dunkeln Wolken (so wie der hohe geheimnissvolle Ernst, der dich umgiebt, auch nur selten das freundliche Heil verkündende Licht durchdringen lässt) so fesselt es doch mit unendlicher Liebe sich daran. Mein Leben wird zr Welle, in der h. die Sonne spiegelt. Die Strahlen in deinem Gemüth, die dir Ernst u Stille einflössen, ruhen an meiner Brust u bewe1285
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gen mir die | Seele. Feyerlich ist die Stimme der Wehmuth in ihr; sie i mit allem einverstanden, in gleicher Melodie drehen h. alle Geister um sie her und schwanken u schwellen u beugen t der beweglichen Welle sich zärtlich um dein Wunderbares Wesen BB Schwarz
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Briefadresse Johann Wolfgang von Goethes an Bettina in Frankfurt Weimar, 1807 oder erste Hälfte 1808
An Demoiselle Bettine Brentano in franc. Francfurt am Meyn
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Arnims Gedicht Amor der Tintenjunge Beilage zu Arnims erschlossenem Brief an Bettina, Giebichenstein, 15. Oktober 1807 (vgl. Nr. 283.E sowie Abb. 25 und 26)
Amor der Tintenjunge. 1 Da die Dienste aufgehoben Aller Liebe aufgesagt, Amor Klagen hat erhoben Alte Bücher hat befragt. 2 »Weil dein Reich hier ist verschwunden »Fast wie Polen von der Welt »Sey geschrieben es befunden »Saubern Druckes aus gestellt.«
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3 Also las er da erfreuet, Amor nuzet klugen Wink, Macht nun Tinte, läuft und schreiet Als ein schmutzig Knäblein flink. 4 Huth und Pelzmüz auf den Haupte Hat zerrissne Kleider an, kommt zurück der Beurlaubte, Kommt der kleine Kriegesmann. 5 Tinte kaufet, wer kauft Tinte! Ruft er, und ich dachte dein, Ihm gelang die schlaue Finte Und er schenkt mir doppelt ein. 6 Aus dem Fäßchen auf dem Rücken, Was wohl sonst der Köcher hies, Mit behagligem Entzücken Schreib ich Dir die ich verlies 7 Was vergessen, oft sich findet An der ersten Sylbe Hauch. Alles Hindernis verschwindet, Nun ich schreib nach Amors Brauch. 8 Und ich schreibe ohne 〈Wollen〉 Daß ich komme kam zu〈rück,〉 Hätte es nicht schreiben sollen! Amors Tinte schreibet Glück!
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Eintragung Bettinas in Arnims Stammbuch Vmtl. Kassel, etwa 18./19. Dezember 1807, Freitag/Sonnabend
〈Federzeichnung. Vgl. Abb. 27.〉 Ihr blaue Addressen! Wie macht ihr freudig wenn ich Euch in der Hand des Briefträgers sehe, 〈〈xxx〉〉 1287
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Anhang Nr. 1v
〈〈xxx〉〉gsmittel war pp aber Du bist vielleicht der einzi〈〈xxx〉〉 mich aufheben könnte.
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Bettinas Entwurf des Märchens vom Königssohn Frankfurt, März/April 1808
Es war einmal ein König der konnte von seiner Burg aus, viele Länder übersehen, und die waren alle in seiner Gewallt, hinter der Burg aber waren schöne Gärten zu seiner Lust erbaut, die waren mit herrlichen Flüssen umgeben, und mit Wäldern darin der König jagen ging mit seinen Getreuen, das edle Wild, es waren da Loewen und Tiger, wilde Kazen saßen auf den Bäumen die Füchse und Wölfe sprangen im Dickicht umher die Baeren mit goldnem Fell, und auch weise schwammen oft paarweis über die Flüsse und kamen in des Konigs Garten, auf den Giepfeln der Bäume nisteten die Stoßadler, und es waren diese Walder ein wahres reich der Thiere, welches dasselbe des Königs begränzte, der König aber nahm ein Weib, um ihrer Schönheit willen, und da sie mit dem Seegen ging da freute sich das Volk, das ihr Konig sollte einen Thronerben haben und sie begegneten hierum dem Weib sehr freundlich die Zeit des Gebährens verstrich, ohne das sie eines Kindes genesen wär, sondern ihr Leib wuchs nur immer und sie nahm Speiß und Tranck zu sich wie ein gesundes weib, da war der König traurig weil er glaubte sein Gemahl sey kranck, und müßte bald sterben, aber sie ging 7ben Jahr eines hohen Leibes, und der König ärgerte sich über ihre | Misgestaldt, und glaubte, daß sie sich an Gott versündigt habe weil er sie so hart strafe, er ließ ihr Bet von der seinigen scheiden, und gab ihr den hintern Theil der Burg, so Trug sie langsam und traurich, ihre schwehre Bürde durch die einsamen Gärten, und sah die wilden Thiere aus dem Wald an das jenseitige Ufer des Flußes kommen um sich zu tranken, wenn es dann um die Frühlings Zeit war, und es kammen die alten Leuen, oder Tieger mit ihren Jungen und tränckten, da wünschte sie oft in schwehrer Verzweiflung, auch ein reisendes Thier zu seyn; und im Walde ihre Nahrung mit wüthigem Kampf dem Leben zu entreißen, wenn sie nur ihr Kindlein mögt ernähren, »aber so«, sprach muß ich mit schwehrem Tritt und schwehrem Jammer hier Durch die Garten wandlen, man reicht mir Nahrung, ich seh euch eurer Frucht genesen und wie ihr eure Jungen in eurer Wilden Natur er1288
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zieht, aber ich die Königs Tochter soll keinen meines edlen Stammes erziehen soll unglücklich seyn und vor dem Konig meinem GeMahl verhaßt, als sie einsmals, auf einem einsam Ort unter einer Palme saß, ermüdet, und schwach, kamen ihr die Wehen, und sie Gebahr, einen Sohn der gleichsam | die Kräfte eines 7ben jahrigen Kindes zu haben schien den während er zur Welt kam, hatte sich ein wilde Baerin über den Fluß gewagt und als er kaum frei war jagte er diesem nach, er kriegte es bei seinem Fell, das Thier schwam zurück und Trug ihn mit sich in den Wald, da schrie die Konigin mit Gewaltiger Mutterstimme, mein Sohn, mein einzig gebohrner, ist in dem Wald und wird von den Wilden Thieren gefressen, die Wachen des Konigs kamen herbei, und stürzten durch die Flüsse nach den Wäldern mit Streitkolben mit Pfeil Bogen, und Spießen und wollten ihres Herrn Sohn wieder haben aber da die Thiere merckten, daß man mit Gewalt in ihr Gebiet einfalle, kamen sie aus den Waldern, an das Ufer um sich zu wehren, die Baeren sezten sich aufrecht, und streckten ihre Tazen aus, die Leuen fletschten die Zähne, und wedelten mit den Schweifen, die Tieger liefen auf und ab am Ufer, mit feurigen Blicken, die Wölfe heulten, die Elefanten wühlten die Erde auf und stürzten Felse ins Wasser, also daß keiner der kühnen Reuter | es wagte ans Ufer zu steigen, sie schwammen also zurück zur verlassnen Konigin weil sie doch glaubten der Konigssohn sey verlohren, da sie aber zu ihr kamen fanden sie daß sie im Gebähren war, und noch 6 Kindlein zur Welt brachte, um welches eins immer jünger und schwächer schien als das andre, und trauerte man daher nicht viel um den verlohrnen Sohn sie wurde mit den 6 Säuglingen, als eine Glohrreiche Mutter vor den König getragen der sie mit Freuden aufnahm, Da wuchsen denn die Kindlein, und die Königin pflegte ihrer mit großer Gedult, und gab ihnen Nahrung aber wenn es Abend wurd, daß Sie sie zur Ruhe gelegt hatte, da ging sie hinter die Burg, auf den Fleck da sie gesessen und die Baerin, ihr das Kind geholt, und sie lief am Wasser hin ob sie ihren Sohn wohl mogt aus den Gebüschen locken sie bekümmert sich auch in ihrem Herzen, ganz wenig, um die andre Kinder, denn allein um diesen, und konnte nicht glauben daß er sey umgekommen, also wie ein schäfer, sich mehr bekümmert um das eine Lamm, welches verlohren | denn um die ganze Herde, und glaubt das dieses Lamm das beste und einzige war, sie fürchtet sich auch nicht mehr vor den Wilden Thieren, wenn sie die in der Nacht heulen hört und wenn sie in den Garten kamen, da lauft sie ihnen nach und fragt nach ihrem Kind, und wenn diese sie nicht verstehen wollen, da wird 1289
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sie oft ungedultig und verzweifelt, sie droht und bittet und kriegt die Baeren beim Fell sagt ihr habt mir meinen Sohn gestohlen Die wollen sich aber nichts drum kümmern und thun nach ihrer Art, sie kennen die Frau an ihrem Ansehen, und thun ihr nichts zu Leid wenn sie dann wieder in Die Burg komt so wischt sie ihre Thränen ab, und beugt ihr 75 Gesicht auf die Kinder die unruhig seyn, und verbirgt so ihre Trauer, und spricht, meine arme Kinder sein Unruhig, und Frieren, ich muß sie wärmen und muß sie nähren, also daß sie ihre Traurigkeit den Ganzen Tag vor den Leuten verbiergt und ihr Gesicht nicht gegen das Tagslicht wendet, denn sie schämt sich weil sie keine Lieb zu diesen 80 übrigen Kindern verspührt, doch erzieht sie dieselben mit großer Gedult und Weisheit am Tag, aber am Abend wenn die Kinder schlafen forscht sie ihrem einzig geliebten Sohn nach da redet sie die große Raub Vögel an die in den Lüften herüber und hinüber fliegen, die ihren Jungen Speiß bringen und wieder holen gehen, und wenn die un- 85 verständlich Schreien so meinet sie etwas zu verstehen, und streicht das Haupthaar zurück um es zu vernehmen sie gibt sich müh das Geschrei auszulegen sie redet auch selbst die Bienlein, und summende Käfer an die über dem Wasser schweben die schwärmen um sie her brummen und summen ein jedes nach seiner Art, fliegen dann wieder fort; O 90 Arme Königin, es wird dir kein wildes unverstandiges Thier Rath geben die wissen nicht was Menschen klag ist denn die Menschen verfolgen sie und haben ganz keine Gemeinschaft mit ihnen, sie trachten ihnen nach dem Leben, um ihr Fell, oder um ihr Fleisch zu essen, aber nie hat sich ein Mensch an sie gewandt um Trost bei ihnen zu hohlen oder 95 mit ihnen freundlich zu leben, es hat aber manch edel Wild geklagt um die Freiheit die ihm der Mensch listig geraubt hat, daß es hat müssen Sclaven Dienste thun, daß es doch nicht schuldig war zu thun, und muß trocken | Heu für seine Dienste fressen da es doch hat können im Wald frisch Laub fressen, und muß um sein Maul lassen ein Zaum binden 100 und sich mit einer peitsche regieren, darum trauen sie auch dem Menschen nicht, und gehn ihm auser Weg wenn sie sich aber nicht zu helfen wissen, dann packen sie oft den Menschen an und zerreißen ihn auf eine gräuliche Art blos um ihre Freiheit, oder ihre Jungen zu erhalten. Nun wurden aber die Kinder recht groß, und auch zu aller Weisheit gut 105 erzogen, sie hatten sehr eintrachtige Gesinnungen und ließen sich in allem, auf eine edle Weise an, der König wuste also nicht welchem er die Krohn sollt lassen, denn man konnt nicht sagen welcher früher gebohren war, oder daß einer weniger Tauglich sey zum Herrschen, ließ 1290
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er sie Spielen um den Preiß werben so kam es oft, daß alle den gleichen Preiß gewannen oder das ein jeder in einer andern Art vorzüglich war, der König konnt auch keinen mehr lieben, denn es war ein jeder schön, und ihr wesen war zu vergleichen mit dem Hals eines schönen Federspiels, wenn es in der Sonne steht, dreht es sich so, so spiegelt die gelbe oder rothe Farbe am herrlichsten. Dreht es sich wieder anders, so kommt eine andre, oder geht es auf und ab und bewegt die Flügel so wechseln | die Farben wie der Bliz ein so schön wie die andre und man weiß nicht welche am schönsten, oder wie der Regen bogen, wo alle Farben schön vereint stehen, und sich über den weiten Himmel spannen das eine immer aus der andern hervor geht. Der König aber hatte nicht das Recht, sein Land zu theilen, oder ihm mehr als einen Herrn zu geben, er ließ da her eine Krohne machen aus lauterem Gold die Die 6 Häupter seiner Kinder umschloß und er sagte ihnen so lang eure Gemüther und sinn so rein bleiben wie dieß Gold, und daß ihr so einig seid daß ihr eure Häupter mögt all in diesen Ring fassen und euch liebend Küssen, so mag ich wohl sagen mein Land hat nur einen Herrn, und obwohl viele Leiber hat es doch nur einen Geist, und es wurde ein großes Fest bereitet, das dem Volke sollt die neuen Konige Zeigen, es versammelten sich alle Edle am Hof, da war unter freiem Himmel ein großer Thron von Gold, darauf saßen die Königs söhn und legte ihnen der Konig die Krohn auf die Häupter; die stille einsame Mutter, aber war in vollem Schmuck | und Pracht mit Goldnen Schleiern und Mantel angethan, und es war ein Jauchzen zu ihr man nent sie die glohrreiche Mutter, und spielt ihr vor auf allen instrumenten, eine herrliche Musick zu ihrem Lob, sie aber verbiergt ihr Angesicht hinter den Schleier und weint bittere Thränen, um ihr verlohrnes Kind da steigen die Söhne herab von ihren Sizen fallen auf ihre Knie und begehren der Mutterseegen, da steht sie auf und theilt mit ihrer rechten Hand den Seegen ihren Kindern, die lincke hand hält sie aber aufs Herz und gedenckt ihres Sohnes aber die wilden Thier hatten das Frohlocken gehört durch das ganze Land und waren unruhig geworden, sie schwammen über den Fluß zu großen Schaaren da brachten die Wachen die gräuliche Bothschaft an Hof. Da floh alles in seine Wohnung, aber die Mutter blieb denn sie hatte keine Furcht, die Sohne wolten ihr Mutter nicht verlassen, da sie auf ihr Flehen nicht weichen wollte, Da kam die Schaar heran und mitten unter ihnen ein schönes Antliz das zum Himmel blickte, und schien ein Mensch zu seyn, nur daß er schöner und edler war, er reitet | auf der Leuen und Tieger rücken, und springt 1291
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anmuthig vom einen zum andern da das die Mutter sieht, so spricht sie es ist mein Sohn, und geht mit muthigem Wesen ihm entgegen, sie 150 legt sich an sein Herz, daß sie spührt einen Felstein sich vom Herzen wälzen, die Thiere kennen die Frau an ihrem Ansehen, und thun ihr nichts zu Leid, der Jüngling hat aber keine Sprach, er konnte nur seinen Willen durch Zeichen Kundthun, daher nimt er die Krohn und wickelt sie 7ben fach um sein Haupt, auch riß er mit seiner starken Hand, 155 einen großen Oelbaum, aus dem Erd boden, und gab den 6 Brüdern, einem jeden einen Zweig, sich selbst behielt er den Stamm, als welches heisen soll ich bin der Herr, aber ihr sollt in Frieden mit mir leben, und er ward ein Herrscher über Thiere und Menschen, im Geist, sonder Sprache 160 〈5v auR kopfstehend:〉 Reiz der Schönheit ich mögte dich gebohren haben und mögte doch mit dir gebohren seyn, und
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Der alte Kapellmeister Winter ist keine interessante Erscheinung, alles was ich von ihm weiß will ich Dir sagen; er liebt die Franzosen und componirt fortwährend Märsche für sie, das bringt ihn ins Musickalische Feuer, alle Tage wenn ich zu ihm komme spielt er mir einen Marsch, nichts ist ihm feurig genug; sie müssen siegen sagt er da müssen Trompeten und Pauken drein wettern. alle Morgen um 6 Uhr besuche ich ihn da sizt er in der Laube beim Kaffee und zanckt sich mit seiner Frau um Die Haut auf der Milch; wenn ich komme muß ich den Streit schlichten, dann gehen wir zusammen auf den Taubenschlag, der Kolloß und ich da sitzt er gar zu gern gebückt, und ich bei ihm oft eine Stunde eh ich ihn bewegen kann mit mir zum Klavier zu gehen, dann singen wir gewöhnlich biß gegen Mittag Psalmen. Dann komme ich nach Haus und koche mir einen Kalbsfuß und Sagosuppe denn ich bin jezt ganz allein Herr im Hause, die andern sind aufs Land gezogen, ich sitze auf dem Herde auf einem Schemel und lese und dabei rühre ich zuweilen meine Suppe; ich bin ganz befriedigt in Diesem Leben 1292
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und mir Deucht gar nicht daß ich diese Grenze erweitern Dürfte; mein inneres Leben bist Du und mein äuseres, je schlichter es ist je mehr entspricht meinem geheimen Vertrag mit Dir. – Der Ludwig Grimm geht nach Tisch oft mit mir spazieren, ein Bettelkind bekömt ein Gröschel daß es stille steht, Grimm radiert es gleich auf eine kleine Kupferplatte zu Hause wird es geäzt, so hat er schon mehrere allerliebste kleine Bilder zusammen gebracht, ich werde Dir nächstens Abdrücke davon schicken; um 6 Uhr gehe ich mit Winter in die Musickproben, da sitze ich allein in der Duncklen Kapelle und höre die über mir musiziren, komme ich nach Hauß da finde ich manchmal den Stadion der sizt schon an meinem Tisch und liest die fremden journale und Depechen die er sich hat zu mir bringen lassen, er ist gar zu gut, so beweglich so lebhaft und so sanft; der erzehlte mir lezt von seinem Verzichten auf das Glück der Liebe zu gunsten seines Bruders der schöner gewesen sey wie er, und da sah er mich so traurig an; ich fragte: was ist das Glück der Liebe ist es ein Kuß so will ich ihn dir geben, schwarzer Fritz. – er nahm meinen Kuß zwar an, aber die Liebe sey ein Abgrund ein unendliches sagte er – Sonderbar; unendlich, macht mir so bange ich will auch kein Ende, aber der Augenblick soll ewig währen; ich will mein Gesicht an Deiner Brust verbergen, ins Dunckel deines Gewandes hüllen. – Gelübde thut man in zarter Jugend; ich hab meine Weisheitszähne noch nicht, ich thue dir auch ein rasches Gelübde: wenn ich je einen Apfel esse mit goldner Schale und rothen Backen, schön rund ohne Mackel, dann will ich ihn zu deinem Gedächtniß verzehren, und wenn ich Wein trincke, rothen, in dem sich der Lichtstrahl feurig bricht der sey getruncken bis zum lezten Tropfen auf dein feuriges Herz daß es nicht erkalte mir nicht erkalte. – O wende dich nie von mir; dich zu Dencken, mein zu wähnen ist mir einzige Lebensquelle und wärst Du nicht als unerschöpflicher ewig erneuernder Zauber in mein Leben verwebt, was wär dann? –
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Heute Abend ist Er allein; und wär ich doch be〈〈i ihm,〉〉 was würde ich beginnen? ich würde ein Gewebe b〈〈eginnen wie〉〉 das einer Spinne; hin und her würde ich die Fäden 〈〈xxx〉〉 ziehen zwischen mir und ihm, 1293
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leise leise daß Er es nicht gewahrte und wenn denn das Netz fertig wär: Er würde es nicht zerreißen, hat zu viel Pietät vor solchem Naturwunderwerck und sein freundlicher Wille finge sich drinn wie eine Biene die die Blumen besuchen will. Wie wär das? – ich säß auf der Erde vor ihm – mit beiden Händen faßte ich heimlich die eine Hand mein Blick spänne zwischen seinem Antlitz und dem Mond; und mein Wort zwischen seinem Gemüth und meinem Herzen; und dann würde sein Geist zu lauter Freundlichkeit und ließ sich von mir fangen und wär ihm ganz Wohl. Ja lieb Herz laß dich nicht irren, schlag eine Saite nach der andern an; gewöhne ihn an die Musick aus der Ferne, und wenn die Musick verstummt dann wird er sie vermissen; und du hast was Du begehrt: daß er dich nicht entbehren will. Sing Scherz und Wiz und Ernst und Geist aber alles mit List, und stehle ihm weg an Liebreitz, was Du vermagst; und sey der zephyr der die Blüthen vom Baum schüttelt; und sey die Schäferinn die drunter ruht und sich von ihnen beregnen läst. Alles Fantasterey! so kann ich mir dencken daß er sagt und diese Zeilen zum Fidibus verbraucht
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Dein bin ich; ewig! O wie kühl und sanft, Tritt die Welle aus dem Bach und nezt die Füse des Wanderers; O wie herrlich wächst dein Seegen über dem Haupte, des Fremdlings, und überrascht ihn mit der Fülle der Frucht, da ihn schon die Frische des Laubes erquickt, und die Üppigkeit der Blüthe sein Herz zur Freude stimmt. Nim hin, Nim hin meinen Leib! Nim hin, den heilichsten Reiz der Natur, er drängt sich mit sanfter Gewallt an deinen Busen, nicht schenke Du, sondern nim ewig in dich auf, und eine Welt wirst Du emfangen, einen Gott. – und Du wirst erst geben können, ihm wieder, was seiner 〈〈w〉〉erth ist. 〈〈xxx〉〉 Die Freude mein Herz bewegt; was 〈〈ist〉〉 das? 〈〈so〉〉ll ich sie jagen über die Berge, soll ich einen Pfeil des Schmerzes auf sie richten. – last ihr Hunde; last das Sorglose Wild. – hezt es nicht. O! ich mögte weinen, ich mögte das schwehre Haupt in den Schoos meines stummen Lieblings verbergen. aber wie kann ich? – überall mit 1294
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geschäftiger Hand breitet er die Schönheit aus, Berg und Thal, und Wälder; grüne Teppige und rauschende Ströhme, wechseln ihr Lustlaager in süser Verwirrung es sammelt sich die Gluth des Tages, in heiligen Wolken; der heise Durst kömmt mit Pfeillosem Geschüz und laagert | sich an den erquikenden Bach, alles stillt die Seelichkeits Begier; Ja wie kann ich da den tiefgebannten Schmerz vor dir auslassen; herrlicher Liebling! Natur! So laß Dir die Geschäfte des Tags. – reinige mir die Locken und Brust vom Staub. Ach! Ach! laß mich seufzen und weinen in deine Brust. leg den Balsam leise auf; O! daß die schmerzens Wunde, nun endlich zum Wohlleben wird.
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Warum war ich so verzagt, warum hab’ ich dem dringenden Herzen nicht gefolgt, das mich gestern spät noch im herrlichsten Mondschein bis auf die Treppe des lieben Hauses zwang? warum mußte ich da auf den Stufen das Herz verlassen, das allein zu Dir eingegangen war? Ich gieng indessen im Mondlicht u. wollte mich beschwichtigen, aber ich mußte denken, wie es seyn würde wenn ich nun drinnen wäre, u. m. Herz vor dich vertheidigte, daß es so kühnen Flugs die Wolken durchschnitt u. gerade, mit unbewegten Schwingen der Sonne zueilte. Und so wollte ich sagen: wenn ich nun zu fliegen vermag u. wenn ich nun die Nähe des höchsten Gestirns ertrage wer darf es wehren? Aber nein, so wärs besser, wenn ich sagte: Ja! ich bin frevelhaft ich sündige daß ich dich umtanze wie eine Mücke das Licht u. mir einbilde, ich könnte mehr davon haben | als eine Mücke vom Licht hat. Indessen kann ich’s nicht lassen, u. die Mücke hat ja das Ende aller Dinge vom Licht, den Tod u. nach diesem die Auferstehung; diese aber hat sie allein aus göttl. Gnade. wenn sich nun das Opfer selbst darbietet, hat es nicht dann Anerkenntniß verdient u. wird ihm nicht in ihr ewiges Leben zu Theil? Denk doch an das Geschmetter der Nachtigall, es läßt sich nicht nach Noten absingen aber es erweckt u. begeistert zu Regungen der Liebe; denke doch daran, denn ein Geschmetter von Lust u. Wehthum, 1295
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von Freudejauchzen, von leisem Geflüster u. schallenden Seufzern ist das Lied der Nachtigall u. das meinige. Und was wir immerdar fühlen, das lassen wir nur kurze Zeit hören. –
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Daß man alle Abende zwei Minuten vor dem Einschlafen an mich dächte, wär’ das zu viel verlangt? Wie die Seele närrisch ist – wenn sie den Funken des Göttlichen in menschlicher Brust gewahrt, dann will sie gleich in ihr wohnen, u. wenn sie dann dort einheimisch wär’, dann scheute ich mich auch nicht meiner Sehnsucht zu entsprechen u. ruhte an dieser Brust; oder ich umfaßte voll zärtlichen Zutrauens das Knie eines Solchen u. lehnte die Wange daran, u. die Zeit vergieng u. ließ’ uns Selbander ihren Pulsschlag fühlen im pochenden Herzen und ich wär jung und küßte zum erstenmal. Ach, Schade nur um die schöne Geschichte, daß sie nicht wahr ist! Ihr Aepfel u. Ihr Trauben! all’ ihr Früchte reifet süßer; grünt frischer ihr Bäume! singt feuriger Ihr Vögel am Morgen u. am Abend, macht die Einsamkeit lieblicher, daß sie nicht sobald verlaßen wird. In ihr kann ich mich leichter in die Erinnerung stehlen. Aber du Zeit! flieh immer! Denn weil ich Dich nicht zurückjagen kann bis zu jenem Augenblick, wo es nicht zu spät wäre, so flieh nur immer!
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An Bettine Bei dir wäre sehr zu wünschen was die Weltweisen als die wesentlichste Bedingung der Unsterblichkeit fordern, daß näml. der ganze Mensch aus sich heraustreten müße ans Licht. Ich muß dir doch aufs dringendste anempfehlen diesem guten Rath so viel wie möglich nachzukommen. Goethe. 1296
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Drei Briefe von Beethoven (1839)
Drei Briefe von Beethoven. (Mit Erlaubniß des Eigenthümers abgedruckt.)
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W i e n 1 1 . August 1 8 1 0 . Theuerste Bettine! Kein schönerer Frühling als der heurige, das sage ich und fühle es auch, weil ich Ihre Bekanntschaft gemacht habe. Sie haben wohl selbst gesehen, daß ich in der Gesellschaft bin, wie ein Frosch auf dem Sand, der wälzt sich und wälzt sich und kann nicht fort, bis eine wohlwollende Galathee ihn wieder ins gewaltige Meer hineinschafft. Ja ich war recht auf dem Trockenen, liebste B e t t i n e , ich ward von Ihnen überrascht in einem Augenblick, wo der Mißmuth ganz meiner Meister war; aber wahrlich er verschwand mit Ihrem Anblick, ich hab’s gleich weg gehabt, daß Sie aus einer andern Welt sind, als aus dieser absurden, der man mit dem besten Willen die Ohren nicht aufthun kann. Ich bin ein elender Mensch und beklage mich über die andern!! – Das verzeihen Sie mir wohl mit Ihrem guten Herzen, das aus Ihren Augen sieht, und Ihrem Verstand, der in Ihren Ohren liegt; – zum wenigsten verstehen Ihre Ohren zu schmeicheln, wenn sie zuhören. Meine Ohren sind leider, leider eine Scheidewand, durch die ich keine freundliche Communication mit Menschen leicht haben kann. Sonst! – Vielleicht! – hätt’ ich mehr Zutrauen gefaßt zu Ihnen. S o , konnt’ ich nur den großen, gescheuten Blick Ihrer Augen verstehn, und der hat mir zugesetzt, daß ich’s nimmermehr vergessen werde. – Liebe B e t t i n e , liebstes Mädchen! – Die Kunst! – Wer versteht die, mit wem kann man sich bereden über diese große Göttin! – Wie lieb sind mir die wenigen Tage, wo wir zusammen schwätzten, oder vielmehr correspondirten, ich habe die kleinen Zettel alle aufbewahrt, auf denen Ihre geistreichen, lieben, liebsten Antworten stehen. So hab ich meinen schlechten Ohren doch zu verdanken, daß der beste Theil dieser flüchtigen Gespräche aufgeschrieben ist. Seit Sie weg sind, hab ich verdrießliche Stunden gehabt, Schattenstunden, in denen man nichts thun kann; ich bin wohl an drei Stunden in der Schönbrunner Allee herum gelaufen, als Sie weg waren, und auf der Bastey; aber kein Engel ist mir da begegnet, der mich gebannt hätte, wie Du Engel. Verzeihen Sie, liebste B e t t i n e , diese Abweichung von der Tonart; solche Intervalle muß ich haben, um meinem Herzen Luft zu machen. Und an Göthe haben Sie von mir ge1297
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schrieben, nicht wahr? – daß ich meinen Kopf möchte in einen Sack stecken, wo ich nichts höre und nichts sehe von allem, was in der Welt vorgeht. Weil Du, liebster Engel, mir doch nicht darin begegnen wirst. Aber einen Brief werd’ ich doch von Ihnen erhalten? – Die Hoffnung nährt mich, sie nährt ja die halbe Welt, und ich hab sie mein Lebtag zur Nachbarin gehabt, was wäre sonst mit mir geworden? – Ich schicke hier mit eigener Hand geschrieben: »Kennst du das Land,« als eine Erinnerung an die Stunde, wo ich Sie kennen lernte, ich schicke auch das andere, was ich componirt habe, seit ich Abschied von dir genommen habe, liebes, liebstes Herz! – Herz, mein Herz, was soll das geben, Was bedränget dich so sehr? Welch ein fremdes, neues Leben! Ich erkenne dich nicht mehr. Ja, liebste B e t t i n e , antworten Sie mir hierauf, schreiben Sie mir, was es geben soll mit mir, seit mein Herz ein solcher Rebelle geworden ist. Schreiben Sie Ihrem treusten Freund Beethoven.
W i e n , am 1 0 . Februar 1 8 1 1 . Geliebte, liebe Bettine! Ich habe schon zwei Briefe von Ihnen und sehe aus Ihren Briefen an Ihren Bruder, daß Sie sich immer meiner und zwar viel zu vortheilhaft erinnern. – Ihren ersten Brief hab ich den ganzen Sommer mit mir herumgetragen, und er hat mich oft seelig gemacht, wenn ich Ihnen auch nicht so oft schreibe, und Sie gar nichts von mir sehen, so schreibe ich Ihnen 1 0 0 0 m a l tausend Briefe in Gedanken. – Wie Sie sich in Berlin, in Ansehung des Weltgeschmeißes finden, könnte ich mir denken, wenn ich’s nicht von ihnen gelesen hätte; vieles Schwätzen über Kunst ohne Thaten!!!!! Die beste Zeichnung hierüber findet sich in Schillers Gedicht: »Die Flüsse,« wo die Spree spricht. – Sie heirathen, liebe B e t t i n e , oder es ist schon geschehen, und ich habe Sie nicht einmal zuvor noch sehen können; so ströme denn alles Glück Ihnen und Ihrem Gatten zu, womit die Ehe die Ehelichen segnet. – Was soll ich Ihnen von mir sagen! – »Bedaure mein Geschick« rufe ich mit der Johanna aus; rette ich mir noch einige Lebensjahre, so will ich auch dafür, wie für alles übrige Wohl und Wehe, dem alles in 1298
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sich Fassenden, dem Höchsten danken. – An Göthe, wenn Sie ihm von mir schreiben, suchen Sie alle die Worte aus, die ihm meine innigste Verehrung und Bewunderung ausdrücken. Ich bin eben im Begriff, ihm selbst zu schreiben wegen E g m o n t , wozu ich die Musik gesetzt, und zwar blos aus Liebe zu seinen Dichtungen, die mich glücklich machen; wer kann aber auch einem großen Dichter genug danken, dem kostbarsten Kleinod einer Nation? – Nun nichts mehr, liebe, gute B e t t i n e , ich kam diesen Morgen um 4 Uhr erst von einem Bachanal, wo ich so gar viel lachen mußte, um heute beinahe eben so viel zu weinen; rauschende Freude treibt mich oft gewaltthätig wieder in mich selbst zurück. – Wegen C l e m e n s vielen Dank für sein Entgegenkommen. Was die Cantate betrift, so ist der Gegenstand für hier nicht wichtig genug, ein anderes ist sie in B e r l i n ; was die Zuneigung, so hat die Schwester diese so sehr eingenommen, daß dem Bruder nicht viel übrig bleiben wird, ist ihm damit auch gedient? – Nun lebe wohl, liebe, liebe B e t t i n e , ich küsse Dich auf deine Stirne, und drücke damit, wie mit einem Siegel, alle meine Gedanken für dich auf. – Schreiben Sie bald, bald, oft Ihrem Freunde Beethoven. Beethoven wohnt auf der Möllner Bastey im Pascolatischen Hause.
Liebste, gute Bettine! Könige und Fürsten können wohl Professoren machen und Geheimeräthe etc. und Titel und Ordensbänder umhängen, aber große Menschen können sie nicht machen, Geister, die über das Weltgeschmeiß hervorragen, das müssen sie wohl bleiben lassen zu machen, und damit muß man sie in Respect halten; wenn so zwei zusammen kommen, wie ich und der Göthe, da müssen diese großen Herren merken, was bei unser einem als groß gelten kann. Wir begegneten gestern auf dem Heimweg der ganzen Kaiserlichen Familie. Wir sahen sie von weitem kommen, und der Göthe machte sich von meiner Seite loß, um sich an die Seite zu stellen; ich mochte sagen, was ich wollte, ich konnte ihn keinen Schritt weiter bringen, ich drückte meinen Hut auf den Kopf, knöpfte meinen Oberrock zu und ging mit untergeschlagenen Armen mitten durch den dicksten Haufen. – Fürsten und Schranzen haben Spalier gemacht, der Herzog Rudolph hat mir den Hut abgezogen, die 1299
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Frau Kaiserin hat gegrüßt zuerst. – Die Herrschaften k e n n e n 110 mich. – Ich sah zu meinem wahren Spaß die Prozession an Göthe vorbei defiliren. Er stand mit abgezogenem Hut tief gebückt an der Seite. Dann hab ich ihm noch den Kopf gewaschen, ich gab kein Pardon und hab’ ihm all seine Sünden vorgeworfen, am meisten d i e gegen Sie, liebste B e t t i n e , wir hatten gerade von Ihnen gesprochen. 115 Gott! hätte ich eine solche Zeit mit Ihnen haben können, wie d e r , das glauben Sie mir, ich hätte noch viel, viel mehr Großes hervorgebracht. Ein Musiker ist auch ein Dichter, er kann sich auch durch ein paar Augen plötzlich in eine schönere Welt versetzt fühlen, wo größere Geister sich mit ihm einen Spaß machen, und ihm recht tüchtige Aufgaben 120 machen. Was kam mir nicht alles in den Sinn, wie ich Dich kennen lernte, auf der kleinen Sternwarte, während des herrlichen Mairegens, der war ganz fruchtbar auch für mich, die schönsten Thema’s schlüpften damals aus Ihren Blicken in mein Herz, die einst die Welt noch entzücken sollen, wenn der B e e t h o v e n nicht mehr dirigirt. Schenkt 125 mir Gott noch ein paar Jahre, dann muß ich Dich wieder sehen, liebe, liebe B e t t i n e , so verlangt’s die Stimme, die immer Recht behält in mir. Geister können einander auch lieben, ich werde immer um den Ihrigen werben. Ihr Beifall ist mir am liebsten in der ganzen Welt. Dem Göthe hab ich meine Meinung gesagt, wie der Beifall auf 130 unser Einen wirkt, und daß man von seines Gleichen mit dem Verstand gehört sein will; Rührung paßt nur für Frauenzimmer (verzeih mir’s), dem Mann muß Musik Feuer aus dem Geist schlagen. Ach liebstes Kind, wie lange ist’s schon her, daß wir einerlei Meinung sind über alles!!! – Nichts ist gut, als eine schöne, gute Seele haben, die man 135 in allem erkennt, vor der man sich nicht zu verstecken braucht. M a n m u ß w a s s e i n , w e n n m a n w a s s c h e i n e n w i l l ; die Welt muß einen erkennen, sie ist nicht immer ungerecht. Daran ist mir zwar nichts gelegen, weil ich ein höheres Ziel habe. – In Wien hoffe ich einen Brief von Ihnen, schreiben Sie bald, bald und recht viel; 140 in 8 Tagen bin ich dort, der Hof geht morgen, heute spielen sie noch einmal. Er hat der Kaiserin die Rolle einstudiert, sein Herzog und er wollten, ich solle was von meiner Musik aufführen, ich habs beiden abgeschlagen, sie sind beide verliebt in chinesisch Porzelan, da ist Nachsicht von Nöthen, weil der Verstand die Oberhand verloren hat, aber 145 ich spiele zu ihren Verkehrtheiten nicht auf, absurdes Zeug mach’ ich nicht auf gemeine Kosten mit Fürstlichkeiten, die nie aus der Art Schulden kommen. Adieu, Adieu Beste, dein letzter Brief lag eine 1300
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ganze Nacht auf meinem Herzen und erquickte mich da, Musikanten erlauben sich a l l e s . Gott wie lieb ich Sie! Teplitz, August 1 8 1 2 . Dein treuster Freund und tauber Bruder Beethoven.
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Bettina von Arnim, (1841)
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«Vienne, 11 août 1810. «TRÈS CHÈRE BETTINE. «Le plus beau des printemps, c’est celui qui vient de s’écouler, car c’est alors que j’ai fait votre connaissance. Vous avez vu vous-même que je suis dans la société comme un poisson qui, jeté sur le sable, se démène et se débat sans réussir à sortir de place, si une bienfaisante Galathée ne vient le rentre à la profondeur des mers. Voilà l’état dans lequel je me trouvais, chère Bettine, lorsque vous apparûtes à mes yeux, et la mélancolie qui régnait en maitre sur mon ame, s’évanouit à votre vue; j’ai compris de suite que vous apparteniez à un autre monde qu’à ce monde absurde à qui, malgré la meilleure volonté, on ne peut ouvrir les oreilles. Je ne suis qu’un misérable mortel, et je me plains des autres! … mais vous me le pardonnez, avec votre bon cœur qui parle par vous yeux, er votre intelligence qui git dans vos oreilles. Vos oreilles savent du moins flatter en écoutant; les miennes, hélas! sont une muraille qui empèche toutes les communications que je pourrais avoir avec les autres hommes; peut-être sans cela me serais-je, confié davantage à vous, mais je ne pouvais comprendre que vos regards si expressifs, et ils ont fait sur moi une impression assez vive pour que je ne les oublie de ma vie. Chère, très chère Bettine! Qui comprend l’art? Avec qui s’entretenir de cette grande divinité? . . . Pendant le peu de jours que nous avons causé ou plutôt correspondu ensemble, j’ai conservé toutus les petits billets qui renfermaient vos chères, très chères réponses, et j’ai ainsi à remercier mes pauvres oreilles d’avoir par 1301
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ècrit la meilleure partie de ces entretiens fugitifs. Depuis que vous êtes partie, j’ai vécu des heures de tristesse, des heures sombres, pendant lesquelles il m’est impossible de travailler. Alors j’ai erré dans l’allée de Schœnbrunn, mais vous étiez partie, et je n’y pas rencontré d’ange pour me gronder comme vous, ange! Pardonnez-moi, chère Bettine, cette t r a n s i t i o n h a r m o n i q u e ( d i e s e A b w e i c h u n g v o n d e r To n a r t ) , j’ai besoin quelquefois de ces intervalles pour décharger mon cœur. Vous avez écrit de moi à Goethe, n’est-il pas vrai? vous lui avez dit que je voudrais pouvoir mettre ma tête dans un sac pour ne rien entendre et ne rien voir de ce qui se passe dans le monde. . . . . . . . . . . . . L’espérance me soutient; elle nourrit la moitié de l’univers, et, pendant ma vie, je l’ai eue toujours pour compagne; que serais-je devenu, autrement! «Je vous envoie copié de ma main: «Connais-tu le pays où fleurit l’oranger?» comme un souvenir des heures où j’appris à vous connaitre. Je vous envoie aussi une seconde mélodie que j’ai composée depuis que j’ai pris congé de vous, ma chère, très chère Bettine. «Mon cœur! mon cœur! que se passe-t-il en toi? «Qu’est-ce donc qui t’oppresse si fort? «Quelle étrange et nouvelle vie! «Je ne te reconnais plus.» (GOETHE). «O! chère Bettine! répondez-moi et dites-moi ce qui se passe dans mon cœur depuis qu’il s’est révolté contre moi-même. «Ècrivez à votre meilleur ami. «BEETHOVEN.» «Tœplitz, 15 août 1812. «MA BONNE ET CHÈRE BETTINE, «Les rois et les princes peuvent bien faire des professeurs et des conseillers privés, donner des titres et des rubans, mais ils ne peuvent faire de grands hommes de ces esprits qui s’élèvent au-dessus de la boue du monde; et c’est pour cela qu’on doit avoir pour eux du respect; quand on voit venir ensemble deux hommes comme Goethe et moi, tous ces grands seigneurs doivent voir comment chacun de nous comprend la grandeur. Hier, en rentrant chez nous, nous rencontrâmes toute la famille impériale. Nous la vimes arriver de loin, et Goethe abandonna mon bras pour se mettre de côté; j’eus beau faire er beau dire, il me fut impossible de lui faire faire un pas de plus. Pour moi, j’enfonçai mon 1302
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chapeau sur ma tête, je boutonnai ma redingote, et, les bras croisés, je traversai le plus gros de la foule. Princes et courtisans ont fait la haie; le duc Rodolphe ma ôté son chapeau, l’impératrice m’a salué la première: les grande du monde me c o n n a i s s a n t ! Je vis, à mon grand amusement, la procession défiler devant Goethe; il s’était placé de côté, chapeau bas et profondément incliné. Quand le cortége a été passé, je ne lui ai pas fait grace, et je lui ai reproché tous ses péchés, surtout ceux dont il est coupable envers vous, très chère Bettine; car vous étiez précisément le sujet de notre conversation. Dieu! si, comme lui, j’avais pu vivre avec vous ces beaux jours! j’aurais produit encore de bien plus grandes choses. Un musicien est aussi poëte; il peut aussi par deux beaux yeux se sentir transporté dans un monde plus élevé . . . . . . Tout cela, je ne le compris pas la première fois que je vous vis au petit observatoire pendant cette douce pluie de mai, qui, pour moi aussi, fut féconde. Alors les belles images de votre fantaisie pénétraient jusqu’à mon cœur, et y réveillaient ces mélodies qui enchanteront encore le monde quand Beethoven ne dirigera plus son orchestre. Si Dieu m’accorde encore deux ans de vie, je vous reverrai, chère, très chère Bettine, et j’obéirai ainsi à une voix qui n’a cessé de rententir dans mon cœur. Les esprits peuvent aussi s’aimer entre eux, et je chercherai toujours à m’unir au vôtre. Votre approbation est, de tout l’univers, celle qui m’est la plus chère; j’ai déjà fait connaïtre à Goethe mes opinions sur ce point; je lui ai dit qu’entre égaux, c’est par l’intelligence qu’on veut être apprécié. L’émotion, (pardonnez-moi, chère Bettine) l’emotion ne convient qu’aux femmes; chez l’homme, c’est de l’esprit que doit jaillir le feu musical. Ah! chère enfant, il y a bien long-temps que nous professons sur tout la même opinion! … Il n’est rien de tel que d’avoir une belle et bonne ame que l’on reconnait en tout, et de laquelle on n’a pas besoin de se cacher. Il faut étre quelque chose si l’on veut paraitre q u e l q u e c h o s e . Tôt ou tard le monde doit apprécier celui qui en est digne, car il n’est pas toujours aussi injuste qu’on le dit. Il est vrai que je m’en inquiète fort peu, car c’est vers un but plus élevé que je tends . . . . . . . J ’ e s p è r e trouver à Vienne une lettre de vous; écrivezmoi bientôt, bientôt et longuement. Je serai à Vienne dans huit jours. La cour part demain; aujourd’hui ils jouent encore une fois. L’impératrice a appris son rôle, l u i (l’empereur) et son duc voulaient me faire exécuter quelque chose de ma musique; je leur ai refusé à tous deux; tous deux ils sont amoureux de porcelaine de Chine! . . . Il faut bien avoir pour eux quelque indulgence, car ce n’est plus la raison qui tient 1303
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les rênes; mais je ne veux point jouer ma partie dans leurs extravagances et faire avec les grands des sottises à frais communs, du moins quand je n’y suis pas obligé par les devoirs de ma place. Adieu! adieu! ma chère Bettine; pendant tout l’été j’ai porté ta dernière lettre sur mon cœur, et 105 elle a été pour moi un baume bienfaisant: les musiciens se permettent tout! «Dieu! combien je vous aime! «Ton plus fidèle ami et ton frère sourd, «BEETHOVEN.» 110
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Bettina von Arnim, Beethoven’s Letters to Madame Bettine von Arnim (1841)
BEETHOVEN’S LETTERS TO MADAME BETTINE VON ARNIM. [As I knew that my friend, Mr. H. F. Chorley, was in possession of copies of letters written by Beethoven to Madame Bettine von Arnim, I requested her permission to publish these highlyinteresting documents, and received the following answer. – Ed.]
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Berlin, July 6, 1840. Dear Mr. Moscheles, You delight me beyond measure by asking me to consent to that, which of all earthly things I like best – namely, to be brought in contact with such of my cotemporaries as have become celebrated in literature and the fine arts. How happy, then, must I feel at becoming instrumental in the fulfilment of any wish of yours! Truly, there was no need of asking; I could not but feel honoured to be included in this memorial of Beethoven, and by a brother-spirit in the art too! I feel truly grateful that, while you are tracing the noblest features of Beethoven’s glorious career, you will commemorate the happiness bestowed upon me by the greatest genius of his time. Misplaced, indeed, were that modesty, which could forbid my appearing in such a noble place, and under such distinguished auspices, and I confess that you are doing me a kindness in publishing the letters in question. Could I but render you some service in return! And pray let Mr. Chor1304
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ley have his share of my gratitude for having made such a happy use of my communication. Yours, &c. Bettine Arnim. 1. BEETHOVEN TO MADAME VON ARNIM. Vienna, August 11, 1810. Dearest Bettine, Never was a fairer spring than this year’s; this I say, and feel too, as in it I made your acquaintance. You must indeed have yourself seen, that in society I was like a fish cast on the sand, that writhes and struggles and cannot escape, until some benevolent Galatea helps it back again into the mighty sea; in very truth I was fairly aground. Dearest Bettine, unexpectedly I met you, and at a moment when chagrin had completely overcome me; but truly your aspect put it to flight; I was aware in an instant that you belong to a totally different world from this absurd one, to which, even with the best wish to be tolerant, it is impossible to open one’s ears. I am myself a poor creature, and yet complain of others! this you will however forgive, with the kindly heart that looks out from your eyes, and with the intelligence that dwells in your ears; – at least your ears know how to flatter when they listen. Mine, alas! are a barrier through which I can have hardly any friendly intercourse with mankind, else, perhaps, I might have acquired a still more entire confidence in you. As it was, I could only comprehend the full expressive glance of your eyes, and this has so moved me that I shall never forget it. Divine Bettine, dearest girl! – Art! who comprehends the meaning of this word? with whom may I speak of this great divinity? how I love the recollections of the few days when we used to chat with each other, or rather correspond. I have preserved every one of the little scraps of paper on which your intelligent, precious, most precious, replies were given–thus, at least, may I thank my worthless ears that the best portion of our fugitive discourse is retained in writing. Since you went I have had many uncomfortable hours, in which the power to do anything is lost. After you had gone away, I rambled about for some three hours in the Museum at Schönbrunn; but no good angel met me there, to chide me into good humour, as an angel like you might have done. Forgive, sweetest Bettine, this transition from the fundamental key; – but I must have such intervals, to vent my feelings. 1305
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And you have written of me to Göthe, have you not? saying that I would fain pack up my head in a cask, where I should see nothing, and hear nothing, of what passes in the world; since you, dearest angel, meet me here no longer. But surely I shall at least have a letter from you. Hope supports me; she is indeed the nursing mother of half the world, and she has been my close friend all my life long; – what would have become of me else? I send, with this, written in my own hand, » K e n n s t d u d a s L a n d ? « as a memorial of the time when I first became acquainted with you; also I send another, which I have composed since I took leave of you, dear, dearest heart! »Heart, my heart, what change comes o’er thee? What wrings thee thus with pain? What a strange sour world’s before thee! I know thee scarce again!« Yes, dearest Bettine, answer me this question; write, and tell me what shall become of me since my heart has become such a rebel. Write to your truest friend, BEETHOVEN.
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2. Vienna, Feb. 10, 1811. My dear beloved Bettine! I have now had two letters from you, and learn from your letter to Antonia that you continue to think, and indeed far too favourably, of me. Your first letter I carried about with me all the summer through, and it has often made me happy. Although I do not often write to you, and you may hear nothing from me, yet, in thought, I write to you a thousand thousands of letters. How you feel yourself in the presence of all this world’s rubbish I could have fancied, even had I not read it in your letters – this haranguing and gossiping about art, without anything done! The best delineation of this that I know, is found in Schiller’s poem » D i e F l ü s s e , « where the Spree1) is made to speak. You are going to be married, dear Bettine, or are married already, and I have not been able to see you once more before this. May every blessing which marriage can bestow flow upon you and your husband! What can I say to you of myself ? »Pity my fate!« I exclaim with poor Johanna2) – if I can but obtain a few more years of life, I will still thank for this, as for all other weal and woe, the most High, the all-embracing Power. Whenever you write of me to Göthe, select any expression that you can 1306
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use, so as to convey to him the most fully my profound respect and admiration. I am, however, purposing to write to him myself, concerning E g m o n t , which I have set to music; and this solely from love for his poetry, which makes me happy; but, indeed, who can be sufficiently grateful to a great poet, the most precious jewel that a nation can possess? And now I must end, dear, good Bettine. I returned this morning as late as four o’clock from a Bacchanalian revel, at which I was even made to laugh heartily, and for which I am now tempted to weep nearly as much. Uproarious mirth often has the effect of casting me violently back upon myself. I owe Clemens3) many thanks for his attention; as respects the Cantata, the subject is not of sufficient importance for us here; in Berlin it is a different matter: as regards our affection, his sister has so much of mine, that not much will remain for the brother’s portion; will he be contented with this? And now farewell, my dear Bettine; I kiss you on the forehead, and therewith impress on it as with a seal all my thoughts for you! Write soon, write often, to your friend, BEETHOVEN. 1) The river which waters Berlin. 2) Göthe’s poem »Johanna Sebus.« 3) Clemens Brentano, the poet, Bettine’s brother. 3. Töplitz, – 1812.
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Dearest, good Bettine, Kings and princes can indeed create professors and privy councillors, and bedeck them with titles and orders; but they cannot make great men – spirits that rise above the world’s rubbish – these they must not attempt to create; and therefore must these be held in honour. When two such come together as I and Göthe, these great lords must note what it is that passes for greatness with such as we. Yesterday, as we were returning homewards, we met the whole Imperial family; we saw them coming at some distance, whereupon Göthe disengaged himself from my arm, in order that he might stand aside; in spite of all I could say, I could not bring him a step forwards. I crushed my hat more furiously on my head, buttoned up my top coat, and walked with my arms folded behind me, right through the thickest of the crowd. Princes and officials made a lane for me: Archduke Rudolph took off his hat, the Empress saluted me the first: – t h e s e g r e a t p e o p l e k n o w 1307
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m e ! It was the greatest fun in the world to me, to see the procession file past Göthe. He stood aside, with his hat off, bending his head down as low as possible. For this I afterwards called him over the coals properly and without mercy, and brought up against him all his sins, es- 140 pecially those against you, dearest Bettine! We had just been speaking of you. Good God! could I have lived with you for so long a time as h e did, believe me I should have produced far, far more great works than I have! A musician is also a poet; a pair of eyes more suddenly transport him too into a fairer world, where mighty spirits meet and play with 145 him, and give him weighty tasks to fulfil. What a variety of things came into my imagination when I first became acquainted with you, during that delicious Mayshower in the Usser Observatory, and which to me also was a fertilising one! The most delightful themes stole from your image into my heart, and they shall survive and still delight the 150 world long after Beethoven has ceased to d i r e c t . If God bestows on me a year or two more of life, I must again see you, dearest, dear Bettine, for the voice within me, which always will be obeyed, says that I must. Love can exist between mind and mind, and I shall now be a wooer of yours. Your praise is dearer to me than all other in this world. I 155 expressed to Göthe my opinion as to the manner in which praise affects those like us; and that by those that resemble us we desire to be heard with u n d e r s t a n d i n g ; emotion belongs to women only (pardon me for saying it!): the effect of music on a man should be to strike fire from his soul. Oh, my dearest girl, how long have I known that we are 160 of one mind in all things! the only good is to have near us some fair, pure spirit, which we can at all times rely upon, and before which no concealment is needed. H e w h o w i l l S e e m t o b e s o m e w h a t m u s t r e a l l y b e w h a t h e w o u l d s e e m . The world must acknowledge him – it is not for ever unjust; although this con- 165 cerns me in nowise, for I have a higher aim than this. I hope to find at Vienna a letter from you; write to me soon, very soon, and very fully. I shall be there in a week from hence. The court departs to-morrow; there is another performance to-day. The Empress has thoroughly learned her part; the Archduke and the Emperor wished me to per- 170 form again some of my own music. I refused them both; they have both fallen in love with C h i n e s e p o r c e l a i n . This is a case for compassion only, as reason has lost its control; but I will not be piper to such absurd dancing – I will not be comrade in such absurd performances with the fine folks, who are ever sinning in that fashion. Adieu! adieu! 175 1308
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dearest; your last letter lay all night on my heart and refreshed me. Musicians take all sorts of liberties! G o o d H e a v e n ! h o w I l o v e you! Your truest friend, and deaf brother, BEETHOVEN.
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19. Mai Gutes – liebes –bestes Kind. Was soll ich Dir sagen? – Wie Dir danken? für das große Vergnügen das du mir gemacht hast! Dein Geschenk ist schön – ist vortrefflich – aber Deine Liebe – Dein Andenken geht über alles und macht mich glücklicher als es der todte Buchstabe ausdrücken kann. O! Erfreue mein Herz – Sinn – und Gemüthe und komme bald wieder zu mir. Du bist Besser – Lieber – Größer als die Menschen die um mich herum grabbelen, denn eigentlich Leben kann man ihr Thun und Lassen nicht nennen. – Da ist kein Fünkchen wo man nur ein Schwefelhölzchen anzünden könnte – sie sperren die Mäuler auf über jeden Gedanken der nicht im ABC-Buch steht. – Lassen wir das, und kommen zu etwas das uns schadlos hält. – Meine Freude war groß da ich hörte daß Du in Weimar gewesen wärest; – Du hast viel Vergnügen dort verbreitet – nur bedauerte man daß Dein Aufenthalt dort so kurz war. Nun es ist noch nicht aller Tage Abend – sagt ein altes Sprichwort. Was werden wir uns nicht alles zu sagen haben!!! Darum komme bald – und erfreue die, die bis der Vorhang fällt ist und bleibt Deine wahre Freundin Elisabeth Goethe.
13. Juni Liebe – liebe Tochter! Nenne mich immer mit dem mir so theuern Namen Mutter – und Du verdienst ihn so sehr, so ganz und gar – mein Sohn sei Dein innig ge1309
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liebter Bruder – Dein Freund – der Dich gewiß liebt und stolz auf Deine Freundschaft ist. Man hat mir geschrieben, wie sehr Du ihm gefallen hast – und daß Du mein liebes Kind bist, mußt Du längst überzeugt sein. – Auf Deine Herkunft freue ich mich gar gar sehr, da wollen wir eins zusammen schwatzen – denn das ist eigentlich meine Stelle worin ich Meister bin – aber schreiben! so Tintenscheu ist nicht leicht Jemand – darum verzeihe mir wenn ich nicht jeden Deiner mir so theuern Briefe beantworte, zumal da ich weiß, daß Nachrichten von meinem Sohn Dir das angenehmste und liebste sind und ich von seinem Thun und Wirken so wenig weiß – aber überzeugt daß sein Lob obgleich aus fremdem Munde Dir auch theuer ist; so schicke ich hier eine Rezension aus den Theologischen Annalen die Dir wohlthun und Dich ergötzen wird. Bekentnisse einer schönen Seele im 3. Band von G o e t h e s Werken. Dieses ist das ins Fach der religösen Schriften einschlagende Kunstwerk, ein mit Liebe gearbeites Meisterstück unseres g r ö ß t e n D i c h t e r s , der Klarheit mit Tiefe, Einfalt und Erhabenheit wunderbar verbindet, wird zugleich mit Iphigenie von Tauris und mit den Leiden des jungen Werthers in den Tempel der Unsterblichkeit eingehen. Vielleicht ist es nicht allgemein bekannt daß der Verfasser mit diesen Bekenntnissen eine schon seit länger als dreißig Jahren zu Frankfurt am Main entschlafene Freundin seiner noch lebenden Frau Mutter, einem Fräulein v. Klettenberg, die Er wie eine Mutter verehrte und die Ihn wie einen Sohn liebte, ein beider Theile würdiges u n v e r g ä n g l i c h e s Denkmal gesetzt hat. Je öfter man diese geistreiche Bekentnisse liest, um so mehr bewundert man sie, und der Verfasser dieser kurzen Anzeige wird sich, so lange ein Odem in ihm ist, jeder der hohen Achtung die einem solchen mit G o t t e s F i n g e r a l s e i n z i g b e z e i c h n e t e m G e i s t e g e b ü h r t . – So weit ists von Dir. – Wenn Du herkommst reden wir ein mehreres. – Etwas besseres kan ich Dir für diesmal nicht zukommen lassen – denn obiges ist ganz herrlich und was ich noch darauf hervorbringen möchte wäre Wasser unter den vortrefflichen Wein. Lebe wohl! behalte lieb Deine Dich herzlich liebende Mutter Goethe.
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Frankfurt 28. August 1807. Liebstes Vermächtniß meiner Seele! Das ist einmal ein gar erfreulicher Tag für uns, denn es ist unseres lieben Liebsten meines Sohnes Geburtstag, ich weiß zwar gar wohl daß Du es gar nicht leiden magst daß ich Dir ihn als Bruder schenk, aber warum? – ist er Dir zu alt? – Da sei Gott vor, denn ein so kostbarer Stoff wie in diesem seinen Leib und seine Seele verwirkt ist der bleibt ewig neu und ja sogar seine Asche soll einst vor allen das Salz sein an die eine Mutter absonderlich am Geburtstag zu denken groß Bedenken tragen möcht – aber wir zwei sind nicht abergläubig sondern für seine Unsterblichkeit schon dergleichen Ängstlichkeit überhoben. Ich vorab hab gewonnen Spiel denn in diesem Jahr zähl ich 76 Jahre – und hab also den Becher der Mutterfreude bis auf den letzten Tropfen geleert, mir kann nicht Unglück vom Schicksal mehr aufgeladen werden. – Doch ich muß Dir zutrinken, denn ich hab mir alleweil den besten rothen Wein heraufbringen lassen und eine Bouteille Wasser, denn Du weißt ich bin eine Wassernymphe, und zwei Pfirsich sind daneben, der eine für Dich der andere für mich, ich werd sie beide verzehren in Deinem Namen. – Und jetzt stoß ich mit Dir an Er soll leben! Dann wollen wir weiter sprechen. Du wirst doch wohl auch heut an irgend einem plaisirlichen Ort seine Gesundheit trinken. – Jetzt sag ich Dirs es hat geschmeckt. Ja es ist recht einsam in Deiner und meiner Vaterstadt! das hab ich mir heut überlegt beim Aufwachen. – Die Sonne hat geschienen aus allen Kräften und hat mir bald zu heiß eingefeuert, aber sonst auch nichts hat geschienen. Heut Morgen kommen ein paar, keiner denkt daran daß ich Mutter bin heut. – Nun! dacht ich was ist das für ein ärgerlich Geschäft daß meine Tochter nicht da ist – denn die hätt mir gewiß den schönsten Strauß heut gebracht, – so ein recht herrlicher Strauß wie im vorigen Jahr. Da warst Du noch nicht drei Wochen mein täglich Brod und warst doch schon meine beste Bekanntschaft von allen die ich aufzählen kann. – Mit dem Federkiel in der Hand mühsam zackern das ist nicht meine Sache, da ich lieber im vollen Weizen schneiden mag und lieber erzähle als schreibe, aber für den heutigen Tag und diese Empfindung in meiner Brust ist kein Kraut gewachsen, dem muß einmal mit einem verdienstlichen Schweiß sein Recht gethan werden. Die Plapper-elstern die Stadtmadamen was verstehen die von unsern goldnen Stunden die wir mit einander verplaudern. Die sollen daran kein Theil haben, aber Du sollst und mußt Dein Theil genießen, sonst könnt mirs Herz bersten; jetzt hab ich schon in 1311
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der Früh wie meine Stube ganz vom Morgenroth durchschienen war an Dich gedacht, wie schad es ist daß Du in der Ferne bist an so einem schönem Tag, – ich hab ihr aber Bescheid gesagt, daß einerlei ist wo Du 105 bist; – wirst Du Deiner Freundin Deiner Mutter die Dich gern zu ihrem Sohn zählt und schon daran gewohnt ist schriftlich wie mündlich es Dir zu repetiren, an die wirst Du denken heut, und mit ihr Gott danken, daß der sie so gnädig bis ans End in ihrem Antheil an den himmlischen Mutterfreuden geschützt hat. – Was kann ich Dir noch hinzu- 110 fügen? – daß ich Gott auch für Dich danke als meine beste Freude in der mir alles Genoßne aufs neue lebendig geworden ist, das ist Erstens – und dann Zweitens hab ich Dich in mein Herz geschlossen, apart weil Du nicht zum Narrenhaufen gehörst; und hast Dich zu mir retirirt als weil ich allein einen rechten Verstand von Dir habe, denn Du gehörst 115 zu der Art, die mir Seel- und Blutsverwandt ist, – die wird aber nicht so leicht gefunden, und auch nicht gekannt. – So nehme doch meinen Dank daß Du Dich nicht gewehrt bei einer alten Frau so jung wie Du auch bist Dein Lager aufzuschlagen – und erkenne in diesen schwachen Zeilen mein zu volles Herz, das mit Sehnsucht Deiner baldigen 120 Ankunft entgegen schlägt. Ich kann nichts mehr hervorbringen und verspare alles auf eine baldige köstliche mündliche Unterhaltung. Behalte lieb Deine Dich ewig liebende Mutter Chatarine Elisabeth G o e t h e . 〈
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11. August 1810. Theuerste Freundin! Kein schönerer Frühling als der heurige, das sage ich und fühle es auch, weil ich Ihre Bekanntschaft gemacht habe. Sie haben wohl selbst gesehen daß ich in der Gesellschaft bin wie ein Fisch auf dem Sand, der 130 wälzt sich und wälzt sich und kann nicht fort bis eine wohlwollende Galathee ihn wieder in das gewaltige Meer hinein schafft; ja ich war recht auf dem Trocknen liebste Freundin, ich ward von Ihnen überrascht in einem Augenblick wo der Mißmuth ganz meiner Meister war; aber wahrlich er verschwand mit Ihrem Anblik, ich hab es gleich weg 135 gehabt daß Sie aus einer andern Welt sind als aus dieser absurden, der man mit dem besten Willen die Ohren nicht aufthun kann. Ich bin ein elender Mensch, und beklag mich über die andern!! Das verzeihen Sie mir wohl, mit Ihrem guten Herzen das aus Ihren Augen sieht, und mit 1312
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Ihrem Verstand der in Ihren Ohren liegt – zum wenigsten verstehen Ihre Ohren zu schmeicheln wenn sie zuhören. Meine Ohren sind leider leider eine Scheidewand durch die ich keine freundliche Kommunikation mit Menschen leicht haben kann. Sonst! – vielleicht! – hätt ich mehr Zutrauen gefaßt zu Ihnen; so konnt ich nur den großen gescheuten Blick Ihrer Augen verstehen und der hat mir zugesetzt; daß ichs nimmer vergessen werde. – Liebe Freundin, liebstes Mädchen! – die Kunst! – wer versteht die! – mit wem kann man sich bereden über diese große Göttin – – – – wie lieb sind mir die wenige Tage wo wir zusammen schwazten, oder vielmehr correspondirten, ich habe die kleinen Zettel alle aufbewahrt auf denen Ihre geistreichen lieben liebsten Antworten stehen, so habe ich meinen schlechten Ohren doch zu verdanken daß der beste Theil dieser flüchtigen Gespräche aufgeschrieben ist. Seit Sie weg sind hab ich verdrießliche Stunden gehabt, Schattenstunden, in denen man nichts thun kann; ich bin wohl an drei Stunden in der Schönbrunner Allee herumgelaufen als Sie weg waren, aber kein Engel ist mir da begegnet der mich gepackt hätte wie » D u E n g e l . « Verzeihen Sie liebste Freundin diese Abweichung von der Tonart, solche Intervalle muß ich haben um meinem Herzen Luft zu machen. Und an G o e t h e haben Sie von mir geschrieben, nicht wahr? daß ich meinen Kopf möchte in einen Sack stecken wo ich nichts höre und nichts sehe von allem was in der Welt vorgeht, weil Du liebster Engel mir doch nicht darin begegnen wirst, aber einen Brief werd ich doch von Ihnen erhalten, die Hoffnung nährt mich, sie nährt ja die halbe Welt, und ich hab sie mein Lebtag zur Nachbarin gehabt, was wär sonst mit mir geworden. Ich schick hier mit eigner Hand geschrieben, »Kennst Du das Land« als eine Erinnerung an die Stunde wo ich Sie kennen lernte, ich schicke auch das andere was ich componirt habe seit ich Abschied von Dir genommen habe liebes liebstes Herz! – Herz mein Herz was soll das geben, Was bedränget Dich so sehr; Welch ein fremdes neues Leben Ich erkenne Dich nicht mehr. Ja liebste Freundin antworten Sie mir hierauf, schreiben Sie mir was es geben soll mit mir seit mein Herz ein solcher Rebeller geworden ist. Schreiben Sie Ihrem treuesten Freund Beethoven.
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Wien 10. Februar 1811. Geliebte liebe Freundin. Ich habe schon zwei Briefe von Ihnen und sehe aus Ihrem Briefe an 180 die To n i e daß Sie sich immer meiner und zwar viel zu vortheilhaft erinnern. – Ihren ersten Brief habe ich den ganzen Sommer mit mir herum getragen, und er hat mich oft selig gemacht, wenn ich Ihnen auch nicht so oft schreibe und Sie gar nichts von mir sehen, so schreibe ich Ihnen doch tausend mal tausend Briefe in Gedanken. – Wie Sie sich 185 in Berlin in Ansehung des Weltgeschmeiß finden, könnte ich mir denken, wenn ichs nicht von ihnen gelesen hätte, schwatzen über Kunst, ohne Thaten!!! die beste Zeichnung hierüber findet sich in Schillers Gedicht »die Flüsse« wo die Spree spricht. – Sie heirathen liebe Freundin, oder es ist schon geschehen, und ich habe Sie nicht einmal zuvor 190 noch sehen können, so ströme denn alles Glück Ihnen und Ihrem Gatten zu, womit die Ehe die Ehelichen segnet. – Was soll ich Ihnen von mir sagen? »bedaure mein Geschick« rufe ich mit der J o h a n n a aus, rette ich mir noch einige Lebensjahre, so will auch dafür wie für alles übrige Wohl und Wehe dem alles in sich fassenden dem Höchsten dan- 195 ken. – An G o e t h e wenn Sie ihm von mir schreiben, suchen Sie alle die Worte aus die ihm meine innigste Verehrung und Bewunderung ausdrücken. ich bin eben im Begriff ihm selbst zu schreiben wegen E g m o n t , wozu ich die Musik gesetzt, und zwar blos aus Liebe zu seinen Dichtungen, die mich glücklich machen; wer kann aber auch ei- 200 nen großen Dichter genug danken, dem kostbarsten Kleinod einer Nation? – Nun nichts mehr liebe gute Freundin, ich komme diesen Morgen um vier Uhr erst von einem Bacchanal, wo ich sogar viel lachen mußte, um heute beinahe eben so viel zu weinen, rauschende Freude treibt mich oft gewaltthätig in mich selbst zurück. – Wegen 205 C l e m e n s , vielen Dank für sein Entgegenkommen, was die Kantate – so ist der Gegenstand für uns hier nicht wichtig genug, ein anderes ists in Berlin, was die Zuneigung so hat die Schwester davon eine so große Portion daß dem Bruder nicht viel übrig bleiben wird, ist ihm damit auch gedient? – Nun leb wohl, liebe liebe Freundin, ich küsse Dich so 210 mit Schmerzen auf Deine Stirne und drücke damit wie mit einem Siegel alle meine Gedanken für Dich auf. – Schreiben Sie bald, bald, oft Ihrem Bruder Beethoven. 215
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Liebste gute Freundin. Könige und Fürsten können wohl Professoren machen und Geheimeräthe und Titel und Ordensbänder umhängen, aber große Menschen können sie nicht machen, Geister die über das Weltgeschmeiß hervorragen, das müssen sie wohl bleiben lassen zu machen, und damit muß man sie in Respekt haben; wenn so zwei zusammen kommen wie ich und der G o e t h e , da müssen diese großen Herren merken was bei unser einem als groß gelten kann. Wir begegneten gestern auf dem Heimweg der ganzen kaiserlichen Familie, wir sahen sie von weitem kommen, und der G o e t h e machte sich von meinem Arm los, um sich an die Seite zu stellen, ich mochte sagen was ich wollte ich konnt ihn keinen Schritt weiter bringen; ich drückte meinen Hut auf den Kopf und knöpfte meinen Überrock zu und ging mit untergeschlagenen Armen mitten durch den dicksten Haufen. – Fürsten und Schranzen haben Spalier gemacht, der Herzog R u d o l p h hat mir den Hut abgezogen, die Frau Kaiserin hat gegrüßt zuerst. – Die Herrschaften k e n n e n mich. – Ich sah zu meinem wahren Spaß die Prozession an G o e t h e vorbei defiliren. Er stand mit abgezogenem Hut tief gebückt an der Seite. Dann hab ich ihm noch den Kopf gewaschen, ich gab kein Pardon und hab ihm all seine Sünden vorgeworfen, am meisten die gegen Sie liebste Freundin, wir hatten gerade von Ihnen gesprochen. Gott! hätte ich eine solche Zeit mit Ihnen haben können wie d e r , das glauben Sie mir, ich hätte noch viel viel mehr Großes hervorgebracht. Ein Musiker ist auch Dichter, er kann sich auch durch ein paar Augen plötzlich in eine schönere Welt versetzt fühlen, wo größere Geister sich mit ihm einen Spaß machen und ihm recht tüchtige Aufgaben machen. Was kam mir nicht alles im Sinn wie ich Sie kennen lernte, auf der kleinen Sternwarte während dem herrlichen Mairegen, der war ganz fruchtbar auch für mich. Die schönsten Themas schlüpften damals aus Ihren Blicken in mein Herz, die einst die Welt noch entzücken sollen wenn der B e e t h o v e n nicht mehr dirigirt. Schenkt mir Gott noch ein paar Jahre dann muß ich Dich wiedersehen liebste liebe Freundin, so verlangts die Stimme, die immer recht behält in mir; Geister können einander auch lieben, ich werde immer um den Ihrigen werben, Ihr Beifall ist mir am liebsten in der ganzen Welt. Dem G o e t h e hab ich meine Meinung gesagt wie der Beifall auf unser Einen wirkt und daß man von Seinesgleichen mit dem Verstand gehört sein will, Rührung paßt nur für Frauenzimmer (verzeih mirs), dem Manne muß Musik Feuer aus dem Geist schlagen. Ach liebstes Kind 1315
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wie lange ist es schon her daß wir einerlei Meinung sind über alles!!! 255 Nichts ist gut als eine schöne gute Seele haben, die man in allem erkennt, vor der man sich nicht zu verstecken braucht. M a n m u ß w a s s e i n w e n n m a n w a s s c h e i n e n w i l l . Die Welt muß einem erkennen sie ist nicht immer ungerecht, daran ist mir zwar nichts gelegen weil ich ein höheres Ziel habe. – In Wien hoffe ich ei- 260 nen Brief von Ihnen, schreiben Sie bald, bald und recht viel, in acht Tagen bin ich dort. Der Hof geht morgen, heute spielen sie noch einmal. Er hat der Kaiserin die Rolle einstudirt, sein Herzog und Er wollten ich soll was von meiner Musik aufführen, ich habs beiden abgeschlagen, sie sind beide verliebt in chinesisch Porzellan, da ist Nachsicht vonnö- 265 then, weil der Verstand die Oberhand verloren hat; aber ich spiel zu ihren Verkehrtheiten nicht auf, absurdes Zeug mach ich nicht auf gemeine Kosten mit Fürstlichkeiten die nie aus der Art Schulden kommen. Adieu Adieu Beste, Dein letzter Brief lag eine ganze Nacht auf meinem Herzen und erquickte mich da, Musikanten erlauben sich 270 alles. G o t t w i e l i e b i c h S i e . Dein treuster Freund und tauber Bruder Teplitz 15. August 1812. Beethoven.
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Dokumentation zum Briefwechsel mit Clemens Brentano
I Ludwig Achim von Arnim an Clemens Brentano, Frankfurt, 26. Oktober 1811
Durch deine Briefe an Bettine, die ich durchlaufen und geordnet habe, bin ich in jene frühere Zeit sehr angenehm zurück versetzt worden, du glaubst nicht, wie viel consequenter ja wie tief vernünftig diese oft sind gegen die Ueberedlungen in deinem Umgange mit ihr, ja wie sie jede Abirrung, zu der du sie besonders im Verhältniß zu andern Leuten hineingerissen, auszugleichen und zu verbessern suchen, wo du zuweilen in Christian’s Art verfällst, ihr etwas mitzutheilen, wozu ihr eigentlich die Prämissen fehlen, da bist du hingerissen, jener aber ganz hochtrabend kalt, dein Rath im Lesen und Arbeiten ist meist gut, während jener fast nichts Taugliches ihr anzurathen weiß, wenn man dir in den Briefen etwas vorwerfen kann, so ists, daß du ihr nicht öfter Bücher anrühmst, die ihr förderlich gewesen wären, und endlich, daß du so wie 1316
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Christian zuletzt den Savigny fast gewaltsam in ihre Bildung hineinreisset, der sich in seiner Unbekanntschaft mit Mädchen erst gewaltig dagegen sträubt, dann aber in der Angst, was ihm zu erst in die Hände fällt, ihr zum Unterricht empfielt, unter andern Vossen mythologische Briefe, an denen wahrhaftig ein Philologe von Profession zu knaupeln hat. Für deine Briefe an Bettine bis zu deiner ersten Verheirathung habe ich Dich oft in Gedanken geküsst, deine Liebe zu ihr hat ihre Liebe erzogen und so geniesse auch ich von deiner Saat. Nachher wird der Briefwechsel ängstlich, Mißverständnisse von beyden Seiten, man fühlt daß Sophie, die mit ihrer Sanftheit alles hätte vermitteln können von Deiner Familie nicht recht aufgenommen und verstanden worden, du trittst mit ihr aus dem näheren Verkehr mit den Deinen heraus und greifst dann doch wieder aus Gewohnheit zum alten Verkehr, da findest du manches verändert, du meinst Bettinen weniger zärtlich, sie aber ist nur unabhängiger in ihrem Kreise geworden und mag ihrerseits wohl zuweilen in einen ungeziemenden Lehrton gefallen seyn, da verehrst du sie bald abentheuerlich, bald schiltst du sie unverdient aus. Der Tod deiner Frau scheint den engeren Verkehr die Vertraulichkeit mit Bettinen wieder herzustellen, da trit Frankfurt und die Eitelkeit der Welt und die Lüge der Kunst unter dem Namen Auguste zwischen euch und es hört aller Verkehr zwischen euch auf. II Ludwig Achim von Arnim, Taschenbuch-Notiz, Herbst 1811
B’s Correspondenz Ein neuer Beweis, daß Mädchen wenig Briefe schreiben sollten, wozu sie auch ursprünglich selten geneigt, auch hier beklagen sich die Brüder immer über Stillschweigen und Unterbrechung, ein Mädchen in unsrer Zeit, das zu gleicher Fertigkeit in den Künsten beyder Geschlechter kommen soll hat erst spät Zeit zu Briefen. Es ist unleugbar daß das geschriebene Wort die vorübergehende Stimmung mit einem falschen Gewichte einprägt, darum ist die Beschreibung von Empfindungen in der Jugend theils unnatürlich theils gefährlich. Wenn aber nun gar ein älterer fertiger Mensch diese Empfindungen beobachtet, ohne sie zu würdigen, das heist ohne ihnen anders als mit der Kritik des Ausdrucks oder der Gesinnung zu begegnen, das ist ein schlimmer Honigthau und wenn tausend Worte der Liebe dabey stehen. Dieses ist der Hauptfehler in Clemens Briefen, es ist eine lieblose Seite an ihnen, alles übrige, wo sie irren, selbst wo sie boshaft sind, ist so menschlich und individuell, daß 1317
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man es lieben kann, die vergüten so oft die Inkonsequenzen Uebereilungen und Eitelkeiten seines Betragens, durch eine strenge Wahrheit, die über ihm und andre steht, die Briefe, wo sie rathen sind durchaus wohlthätig und ohne Anmassung, der Wunsch, was ihm selbst ausgezeichnet erscheint mitzutheilen, verführt ihn nur da zu einer Verzeitigung, wo er selbst in einer gewissen Begeisterung und was kurios meist in einer philosophirenden. Daß ihm das Bedürfniß sich recht auszulieben den Streich spielt auch in der Schwester etwas Ausschließliches besetzen zu wollen ist leicht zu verzeihen, es verstimmt das Verhältniß beyder und macht es da traurig, wo er indem er heirathet der selbstgeschaffenen Illusion geradezu widerspricht, nachher ist der Briefwechsel in abwechselndem Ungenügen und ist selten was werth, er möchte zum ersten Verhältnisse zurück und merkt nicht, daß er tausendmal selbst gegen diese Empfindung gestritten und gespottet, sie fühlt sich durch manches Betragen, das er selbst gleich wieder vergessen, gekränkt und sucht es ihm zu verstecken. Man sieht daß Sophie nicht im Familienkreis aufgenommen, das entfremdet ihre Inseln. Christians Briefe sind ihr durchaus lächerlich, die Gutmüthigkeit selbst wird ihr zweifelhaft, eine tölpelhafte Eifersucht gegen Clemens, ein Hochmuth der das kaum Erlernte oder das womit er sich eben noch beschäftigt ohne Rücksicht auf das Mädchen wie eine Ente rasch hinzupurzeln meist noch mehr versprochen als gegeben, aller Rath fast ohne nützlich Anwendung, dabey ein ewiges selbstisches Treiben und Brauchen. Beyde reissen Savigny in eine Hofmeisterey, gegen die er sich lange gewehrt hatte, er verbat sich sogar den Respeckt, und fühlte wohl daß er zuviel mit seiner Wissenschaft beschäftigt war und Mädchen nicht kannte, als er endlich rathen muß, sieht er in allem was das Unbestimmte und Schwankende in der Empfindung des Mädchens betrifft schöne Wahrheit, im Studium räth er verkehrt, Dinge die er selbst gerade lernen möchte oder gelesen hat III Versteigerungskatalog der Firma Karl Ernst Henrici (1929)
158 D e r O r i g i n a l b r i e f w e c h s e l . – C l e m e n s . 9 9 eigh. Briefe m. U. a n B e t t i n e . – B e t t i n e , 1 1 0 eigh. Briefe m. U. a n C l e m e n s . – Fast alle o. O. u. D. [1798–1832]. Verschiedene Formate. Der hier vorliegende Briefwechsel zwischen Bettine und Clemens, der als vollständig angesprochen werden kann bis auf die an andern Stellen 1318
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dieses Kataloges [siehe No. 159, 160, 161] angeführten Briefe, beginnt mit zwei ganz frühen Briefen des Clemens, die spätestens im Jahre 1798 geschrieben sein können. Bis nach dem am 19. September 1800 erfolgten Tode seiner Lieblingsschwester Sophie hat Clemens nicht an Bettine geschrieben; als eine fast Fremde traf er sie bei ihrer Rückkehr von der Klosterschule. Aber kurz nach Sophiens Tod, durch den er sich gleichsam zum zweiten Male verwaist fühlte, ist er seiner Schwester Bettine während seines Aufenthaltes in Frankfurt im Herbst 1800 seelisch nahegerückt, und es entwickelte sich daraus der briefliche Verkehr, den Bettine im Jahre 1844 als » C l e m e n s B r e n t a n o ’ s F r ü h l i n g s k r a n z a u s Ju g e n d b r i e fe n i h m g e fl o c h t e n « in stark redigierter, aber inhaltlich getreuer Form veröffentlichte. Wenn Bettine diesem Titel noch die Worte: » w i e e r s e l b s t s c h r i f t l i c h v e r l a n g t e « hinzufügte, so ist darin ihre Antwort zu ersehen auf die Vorwürfe der anderen Geschwister des Clemens, die die Veröffentlichung ihres Briefwechsels zu verhindern suchten, weil solche nicht im Sinne des verstorbenen Bruders sein könnte [siehe No. 156]. Der »Frühlingskranz« spiegelt nur d e n Teil ihres Briefwechsels wieder, der, beginnend mit der Abreise des Clemens nach Marburg im Winter 1800, bis zu Clemens’ Heirat mit Sophie am 29. Oktober 1803 stattfand. Aber auch ü b e r diesen Zeitpunkt hinaus blieb Bettine der sichere Hafen, auf den der ruhe- und oft haltlose Clemens mit Vorliebe das Ruder seines Lebensschiffes setzte, und die hier zahlreich vorliegenden Briefe der Geschwister aus der Folgezeit, die bis zu B e t t i n e n s B e k a n n t s c h a f t m i t G o e t h e im Jahre 1807 in dichter Reihenfolge geschrieben, dann aber immer spärlicher wurden, bis sie nach Bettinens Heirat Anfang 1811 fast ganz aussetzten, geben Zeugnis davon, dass Bettine gewissermassen die Religion des immer religionsdurstigen Clemens war, bis er selbst in den Schoss der katholischen Kirche als ein in tiefstem Herzen reuiger Sünder zurückkehrte und Bettine dann fast eben so fremd gegenüberstand, wie er es in seiner Jugend bis nach dem Tode der Sophie gewesen war. Der hier vorliegende Briefwechsel, der für den Historiker sowohl als auch für den Psychologen eine wahre Fundgrube des wissensnotwendigen ist, hinterlässt durchaus den Eindruck, dass Clemens der Empfangende, Bettine die Gebende war. Wenn Clemens auch, besonders im Anfang, den älteren Bruder zu erkennen gibt, der die geliebte Schwester leiten will, so ist Bettine doch fast von Anfang an die liebende Mut1319
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ter, die dem mutterlosen Dichter die Mutterliebe ersetzt und ihn aufrichtet in seinen häufigen Anfällen von Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit; und Clemens bleibt der Hilfesuchende. So oft er andere Frauen liebt, ja sogar während seiner ersten Ehe, die doch für ihn den Sieg nach jahrelangen Kämpfen um die vergötterte Sophie Mereau bedeutete – immer wieder kehrt er zu Bettine zurück. Bettine hat bekanntlich geplant, dem »Frühlingskranz« eine Fortsetzung folgen zu lassen, die ihren Briefwechsel mit Clemens ganz ausschöpfen sollte. Spuren ihrer Vorarbeiten hierzu sind auf den vorliegenden Briefen in zahlreichen eigenhändigen Bemerkungen zu erkennen. Von ihr vorgenommene Datierungen stellen sich nicht in allen Fällen als richtig heraus; ihr Gedächtnis hatte sie wohl getäuscht, oder hatte sie solche Briefe absichtlich an anderer als an der zeitlich richtigen Stelle einfügen wollen? Die geplante Fortsetzung zum »Frühlingskranz« ist aber nie erschienen. Vielleicht hätte auch der »Frühlingskranz« nie das Licht der Welt erblickt, hätten die Geschwister Clemens’ nicht schon die Absicht der Veröffentlichung verdammt. IV Erwähnungen in originalen Briefen Clemens Brentano an Kunigunde Brentano, Marburg, etwa 9. März 1801:
Bettine wird mir so heftig, so begehrend, daß ich sie ängstlich von mir weißen muß, und heimlich fluche, wie sicher einem alles das zu^theile wird, der sie nicht liebt, wie ich (DjBr Nr. 412). Clemens Brentano an Ludwig Achim von Arnim, Marburg, vmtl. 8. Februar 1802: meine Schwester Betine 〈…〉 wird täglich lieber mich liebender, tiefer, freudiger, und Himlischer (DjBr Nr. 562). Clemens Brentano an Stephan August Winkelmann, Marburg, vmtl. 8. Februar 1802: daß Betine täglich göttlicher, und ihre Liebe zu mir reicher wär-
mer und Blutvoller wird, und daß durch Sie mein ganzes Leben zum schönsten Kampfe und Sieg aufgeboten ist (DjBr Nr. 563). Clemens Brentano an Stephan August Winkelmann, Marburg, vmtl. Mitte letztes Drittel Februar 1802: mein Schwester Betine quält mich unend-
lich, sie ist mit einer so wunderlichen ja furchtbaren Liebe in mich entbrannt, daß sie den ganzen Tag nach mir weint, und vor Sehnsucht ganz hinwelkt, du weist nicht Winkelmann, waß das für eine Noth ist, 1320
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die Mereau entbehren ist leichter, als dieses göttlichen Mädchen Bruder zu sein, es will mir auch keine Aussicht frei werden, ich würde dir mehr schreiben lieber, wenn ich nicht alle Zeit großen Briefen widmete, mit denen ich Betinens Gemüth stärke und aufrichte (DjBr Nr. 573). Antonia Brentano an Clemens Brentano, Frankfurt, vmtl. 28. Februar 1802:
deine Briefe erquiken sie 〈B〉, sie trägt immer den lezten bey sich; und freut sich wenn man nur deinen Nahmen nennt (DjBr Nr. 578). B an Friedrich Carl von Savigny, Offenbach, vmtl. erstes Drittel März 1802:
Grüßen Sie Clemenz von mir und sagen Sie ihm ich sey sehr betrüb, daß er mir wärend der langen zeit nur 3 mal geschrieben habe (Nr. 18,13-14). Clemens Brentano an Antonia Brentano, Marburg, vmtl. am 8. März 1802:: Schicke ihr den Brief 〈Nr. *19〉 gleich, sie hat ihn vielleicht lange ent-
behrt, obschon sie kurz hintereinander 3 von mir hat, und ich keinen (DjBr Nr. 589). Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Weimar, 17. Juni 1803:
Aber lieber Sav. es müßen ja noch viele Briefe von Betinen da sein, o über die Unordnung, man vermißt das Beste suchen sie doch alles durch, brechen sie das Schreibkästchen auf, öfnen sie alle Bündelchen, nur die Briefe, die Briefe, alles was von Betinens Hand ist, vielleicht stecken Sie in den Brieftaschen, ich bitte Sie sehr; ich habe ja nur wenige unbedeutende erhalten. (DjBr Nr. 811.) Clemens Brentano an Claudine Piautaz, Heidelberg, vmtl. zwischen Mitte und 25. Januar 1805: Ich habe einen Brief von ihr, in welchem sie sagt, ach
wenn ich wüste, daß eines von uns einmahl das andre vergessen sollte, ich wollte lieber hier dem Fenster hinabspringen (DjBr Nr. 1036). Clemens Brentano an Friedrich Carl von Savigny, Heidelberg, 22. Mai 1808:
Es ist etwas recht wunderliches mit mir, waß mich manch mal recht niederschlägt, daß ich immer mehr mich weniger mittheile als sonst, und doch so traurig werde, weil ich so gar kein Briefe mehr erhalte, welche innere geheime Erquickung schöpfte ich sonst aus dem Briefwechsel mit Betinen, und wenn ich die heiligen treuen Blätter, die ich 1321
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von 〈ihr〉 erhielt, durchlese, und sehe, wie sie so gar nichts mehr an mir findet, als höchstens in der Gegenwart einen Gegenstand leicht abgehender Theilnahme, so muß ich den Gott alles Vertrauens mit beiden Armen fest halten, damit er mich nicht auf ewig verläßt. (FBA XXXII, S. 68.) V Die Mottos des
Frühlingskranzes (1844) Und liebes Kind bewahre meine Briefe, lasse sie nicht verloren gehen, sie sind das Frömmste, Liebevollste, was ich in meinem Leben geschrieben, ich will sie einstens wieder lesen, und in ihnen in ein verschloßnes Paradies zurückkehren. Die Deinigen sind mir heilig. – Heidelberg 1805. Verliere keinen meiner Briefe, halte sie heilig, sie sollen mich an mein besseres Selbst erinnern, wenn mich Gespenster verfolgen, und wenn ich todt bin so flechte sie mir in einen Kranz. – Holland 1808.
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Dokumentation zum Briefwechsel mit Caroline von Günderrode
B an Julius Merz, vmtl. erste Hälfte September 1838:
Was nun die Wiedergeburt des Büchleins 〈Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde〉 betrifft, so findet sich außer den schönen Kupferstichen, die hier beigepackt sind noch ein Schatz von schriftlichen Dokumenten, welche ich bisher verloren geglaubt, und die erst seit wenig Wochen wieder in meinen Händen sind, lange verschloßne Kisten, Korrespondenzen früherer Zeit enthaltend, sind jezt geöffnet drei noch ungedruckte Briefe der alten Mutter G o e t h e kurz vor ihrem Tode geschrieben, drei Briefe von B e e t h o v e n , deren Inhalt auf meine Korrespondenz mit G o e t h e sich bezieht, eine Korrespondenz mit der Stiftsdame G ü n d e r o d e , 17 Briefchen von ihr, nebst mehreren Gedichten Aufsätzen philosophischen Inhalts pp – von mir an 30 Briefe, dabei kleine Gedichte Bruchstücke von Opretten pp – ungebunden in der Schreibart und Denkungsweise energischen Ausdrucks, ganz das Gegenteil von den Briefen des Kindes – ferner ein Tagebuch, alle Gespräche der alten G o e t h e mit mir und andern enthaltend, sehr derb, mehr 1322
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sonderbar, gemütlich, launig als tief geistreich, – weiter ein zwanzig Blätter aus dem Tagebuch, die mir früher zu tiefsinnig erschienen als daß ich sie mitzudrucken wagte. (Müller 1961, S. 491; nicht näher datiert.) B an Kunigunde von Savigny, Bärwalde, etwa Mitte Oktober 1838: Hier hab ich ein bißchen die Correspondenz von der Günderode entwirrt; was für schöne Briefe sind es, ein paar Gedichte sind gar wunderschön, eins an Clemens, eins an den Lethefluß (Schellberg/Fuchs 1942, S. 260). B an Philipp Nathusius, Berlin, 11. Februar 1839:
Heut schrieb ich einen Brief der G ü n d e r o d e ab: Was des Geistes unwürdig ist, dürfte gar nicht gedacht werden, oder vielmehr, darf alles Ereignis den Geist nur praktisch berühren«, schrieb sie mir bei Gelegenheit einer veralteten Schumacherrechnung, die sie nicht bezahlen konnte, und nun mit poetischer Trefflichkeit, die prosaische Bedrängniß überwand. (B 1848,
Bd. I, S. 417 f.)
Als ich 〈Carriere〉 nach einigen Tagen wieder in ihr Zimmer trat, fand ich sie in ein Buch schreibend; Papiere lagen um sie her. Sie wolle einen Briefwechsel mit der Günderode herausgeben, ich möge sogleich eine Stelle hören: »Musik bringt Alles in Einklang, sie donnert durch die hellsternige Nacht ihren gewaltigen Strom, dann tanzt sie hin und grüßt mit jeder Well’ die Blume, die da heimlich blüht am Ufer. Wenn dann die Wolken vom Windsturm dahingejagt kommen, dann werden sie gleich von ihrem Hauch bezaubert; der Regen rollt Perlen unter ihren tanzenden Schritt, sein leuchtender Blitz, vom Donner durch die schwarze Nacht geschnellt, die er mit schallenden Schwingen durchrast, das ist Alles ein Hymnus der Musik!« 〈…〉 Ich habe auch, sagte sie ein andermal, einen Ausspruch der Günderode gefunden, der mit unserem ersten Gespräch zusammenstimmt: »Wäre Gott unendlich, wenn er nicht in jeder Lebensknospe ganz und die Allheit wäre? So wäre jeder Geistesmoment die Allheit Gottes in sich tragend, aussprechend« 〈…〉 »Wollen wir beide nicht eine Religion stiften, bei welcher der Menschheit wieder wohl wird?» sagte sie mit einem Ausdruck, der es zweifelhaft ließ, ob im Humor den Ernst oder die Ironie verschlug. Und wieder nach ein paar Tagen rief sie mir entgegen: Denken Sie, ich habe ja auch schon als junges Mädchen mit der Günderode eine Religion stiften wollen, hören Sie!«
B zu Moriz Carriere, Berlin, etwa Februar/März 1839:
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Und nun las sie mir einige Stellen vor, und wollte meine Zustimmung hören. (Carriere 1887, S. 80, 82 f.) B zu Moriz Carriere, Berlin, etwa Februar/März 1839: Als ich 〈Carriere〉 am andern Tag wiederkam, sagte Frau von Arnim: »Denken Sie, da fand ich in meinen Briefen mit der Günderode, die ich für die Herausgabe abschreibe, ganz ähnliche Dinge, als wir gestern verhandelten. Hören Sie, ich schrieb: ›Wie jeder Gedanke, jede Seele Melodie ist, so soll der Menschengeist durch sein Allumfassen Harmonie werden, Poesie Gottes; nimm’s nicht so genau und gib es deutlicher wieder, als ich es sagen kann.‹ Und hören Sie, was die Günderode antwortete: ›So wär der Menschengeist durch sein Fassen, Begreifen befähigt, Geistesallgemeinheit, Philosophie zu werden, also die Gottheit selbst! Denn wäre Gott unendlich, wenn er nicht in jeder Lebensknospe ganz und die Allheit wäre? So wäre jeder Geistesmoment die Allheit Gottes in sich tragend, aussprechend?‹« 〈…〉» Wollen wir nicht zusammen eine Religion stiften?« frug mich 〈Carriere〉 eines Tages die Freundin. Und wieder am folgenden Morgen hatte sie einen Brief gefunden, wie sie in der Jugend die Schwebereligion mit der Günderode sich ausgedacht, und einige Tage darauf las sie die andern darauf bezügliche Briefe. (Carriere 1914, S. 294 f.; zit. nach B/W II, S. 838.) B an Wilhelm Grimm, Berlin, 25. März 1839: Da hab ich eine Stelle gefunden in einem meiner Briefe an Die Günderode die will ich hier abschreiben: »Ein Schwur muß doch Erwecken einer großen Kraft im Menschen sein die gewaltiger ist wie Das irdische Leben, ich glaub alles was gewaltiger ist wie Das irdische Leben macht den Geist unsterblich. – Ein Schwur ist wohl eine Verpflichtung eine Gelobung, das Zeitliche ans Geistige ans Unsterbliche zu setzen.« (B/WuB IV, S. 343.) B an Clemens Brentano, Berlin, 2. April 1839:
ich hab in einem verborgnen Schranck einen Theil der Papiere von Günderode und mir von Arnim sorgfältig verpackt und eingesiegelt vorgefunden, an 30 Briefe der Günderode noch mehrere von mir, aus Offenbach aus Schlangenbad und Marburg und Caßel. ich hab vor 4 Monaten wo ich in Giesen bei einem vertrauten Bekannten der Günderode forschte, und in Franckfurt noch allerlei Rudera philosophischer Studien Briefe von mir pp zusammen gefunden, ich bin entzückt darüber ich schwimme 1324
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in Genuß während ich sie ordne. ich bin ganz glücklich an Dich werd ich dabei viel erinnert, denn Du bist häufig drinn erwähnt. (Corona 1937, S. 49.) B an Julius Döring, Bärwalde, 8. Dezember 1839: Die ganze Welt war bisher in all ihrem Streben und Thun nur ein Folgern des Einen aus dem Andern, es muß aber ein Urhandlen geben, und das ist Religion, dieses Urhandlen ist die volle unberührte Religion des Menschen, sie ist eine Sprache, der Mensch muß sie verstehen und dann ihren Willen thun, alles andre im Leben ist Nebensache, nur Zufälligkeit – Man hat oft geredet von Gleichheit der Menschen und der Stände, man hat Revolutionen gemacht um sie zu bewircken, es ist nach allem Stürmen undToben niemal was draus geworden als nur elender Wrack, und Alles hat sich wieder gesondert, gemessen, abgewogen, Verdienst und Stände. Aber Gleichheit ist doch, aber Wo ist sie? in Was? – Im Geist; in ihm und durch ihn allein kann sich der Keim der Gleichheit entwicklen, aus ihm entspringt jenes Urhandlen was Religion ist, und dieses Urhandlen stellt alles Leben auf die gleiche Stuffe. 〈nachträglich aoR von 1r:〉 Die bestrichelten Zeilen sind aus einem Brief von mir an die Günderrod da ich 18 Jahr alt war, also magst Du der Unschuld dieser Erkentniß um so eher trauen (Vordtriede 1963, S. 450 und 453). B an Philipp Nathusius, Bärwalde, 2. Februar 1840:
Du kannst mir glückwünschen, gestern habe ich nach einer Reihe von Tagen, die mit angestrengter Arbeit überfüllt waren, die Günderode beendet. – 〈…〉 Den Tag vorher war ich ganz schwindlig geworden über einen Brief der Günderode, wo sie mich erinnert daß ich im Traum habe wollen mit einem, der hingerichtet wurde aufs Schafott steigen, und daß ich verzweifelt aufgewacht sei, weil der Scharfrichter ihm den Streich gegeben habe noch eh ich meinen Kopf auf den Block legen konnte. (B 1848, Bd. II, S. 307.) B an Adolf Stahr, Bärwalde, 2. Februar 1840:
erlauben Sie, daß ich hier mit ein paar Zeilen schließe, die ich in meinem 17ten Jahr an die Günderode schrieb und die noch heute auf mich passen und meine ganze Natur characterisieren wie denn überhaupt mein Briefwechsel mit der Günderode mein ganzes Innere viel gründlicher bethätigt als der mit Goethe es vor den Augen der Welt thun kann, die darunter 1325
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allerhand leidenschaftliche Gefühle vermuthet welche nicht waren. – 〈…〉 Die Worte die ich damals an die Günderode schrieb, sind folgende: »Noth lehrt beten! denn ich möchte platzen vor Sehnsucht nach einem Menschen dem ich was weiß machen könnte«. (Geiger 1903, S. 210.) B an Julius Döring, Berlin, 3. April 1840:
Der geht zu Grund der verläßt was als begeisternde Kraft sein Streben weckte. Denn das Himmlische wohnt nur im fühlenden Herzen. Drum mein Lieber sag ich hier nach so viel Jahren (die da sind wie der Aether Allgegenwärtig und nicht Ballast der Vergangenheit,) wie ich damals an die Günderode schrieb: B l e i b m i r d o c h . (Vordtriede 1963, S. 467.)
B an Christian Hermann Weiße, Berlin, 13. Mai 1840:
in wenig Tagen erhalten Sie den ersten Band der Günderode, der zweite wird eben gedruckt, hier schicke ich Ihnen als Andenken einen Aufsatz in meinem 17ten Jahr geschrieben; das einzige philosophische von mir was als Probe im ersten Band mit abgedruckt steht 〈»Der Aufsatz, der im Hemsterhuis lag«; vgl. zu Nr. 789,238-301〉; und was mir übrig blieb durch Zufall, als ich einstens aus Zorn über den Nervenreitz den es mir machte alles was Philosophie belangt verbrannte. (H: FDH 20124.)
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Das Sonett An Bettin – nicht von Beethoven, sondern von einer Cousine Philipp Nathusius’ Vmtl. Althaldensleben (bei Magdeburg), 1835
An Bettin. In tiefer Demuth will ich gratulieren, Tief neigend von dem Haupt den Hut mir heben, Wenn die Gedanken auch in weiter Ferne schweben, Muß ich sie doch gebahnte Wege führen: Will ich auch nicht das Schicksal groß anstieren, So wird es niemer dennoch mich erheben; Verwirkt ist längst mein schaales Erdenleben, Der Treue Kralle werd ich steets im Busen spüren. Doch was wein ich, und binn elende, Froh bist du, und froh sey dein Leben, 1326
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Ich dulde bis mir Zukunft heitres sende. Doch einen Trost sollt mir zum Lohne geben, Der Götter Huld; daß ich dich glücklich sehe Und ferne ist mein herbes tiefes wehe.
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Tafelteil
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Abb. 1: Bettina an ihre Schwester Sophie. 27. Februar 1797. Brief Nr. 5, erste Seite (1r). 1331
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Abb. 2: Clemens Brentano. Büste von Friedrich Tieck. 1803.
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Abb. 3: Christian Brentano. Radierung von Ludwig Emil Grimm. 1817.
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Abb. 4: Meline Brentano. Aquarell-Miniatur und schwarze Kreide von Henriette Rath. 1805.
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Abb. 5: Sophie von La Roche. Kupferstich von Christian Müller. 1806.
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Abb. 6: Katharina Elisabeth Goethe. Stahlstich von Carl Funke. 1837.
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Abb. 7: Caroline von Günderrode. Gemälde von Unbekannt. Um 1800.
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Abb. 8: Kunigunde von Savigny, geb. Brentano. Zeichnung von Ludwig Emil Grimm. Ende 1809.
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Abb. 9: Friedrich Carl von Savigny. Zeichnung von Ludwig Emil Grimm. Ende 1809.
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Abb. 10: Bettina an Savigny, zwischen etwa 5. und Mitte September 1804. Brief Nr. 73, erste Seite (1r).
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Abb. 11: Wie Abb. 10, zweite Seite (1v).
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Abb. 12: Ludwig Achim von Arnim. Gemälde von Peter Eduard Ströhling. 1804.
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Abb. 13: Johann Wolfgang von Goethe. Gemälde von Gerhard von Kügelgen. 1810 (dritte Fassung).
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Abb. 14: Ludwig Tieck. Büste von Friedrich Tieck. 1809/10.
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Abb. 15: Friedrich Heinrich Jacobi. Büste von Friedrich Tieck. 1809.
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Abb. 16: Peter von Winter. Lithographie von Heinrich Eduard von Winter. 1815.
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Abb. 17: Max Prokop von Freyberg. Gemälde von Electrina von Freyberg. 1824.
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Abb. 18a: Abdruck von Bettinas Siegel mit dem Monogramm BB und ihrem Pseudonym Beans Beor, das ihr Sailer und Savigny Weihnachten 1809 schenkten.
Abb. 18b: Abdruck des Ringes mit zwei einander drückenden Händen, den Bettina Weihnachten 1810 von Arnim erhielt.
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Abb. 19: Bettina mit Arnims Wintergarten. Radierung von Ludwig Emil Grimm. 1809.
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Abb. 20: Die spanische Dominikanernonne Juliana Morell(a). Beilage zu Arnims Brief an Bettina von vmtl. 20. Februar 1808 (Nr. 312).
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Abb. 21: Christus mit den Jüngern auf dem See Genezareth im Sturm. Beilage zu Arnims Brief an Bettina vom 2. März 1808 (Nr. 321).
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Abb. 22: Bettina an Clemens Brentano. 30. Juni 1809. Brief Nr. 596, erste Seite (1r).
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Abb. 23: Wie Abb. 22, zweite Seite (1v).
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Abb. 24: Wie Abb. 22, dritte Seite (2r).
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Abb. 25: Kolorierter Kupferstich eines Tintenverkäufers. Vorderseite von Abb. 26.
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Abb. 26: Arnims Gedicht Amor der Tintenjunge. Rückseite von Abb. 25.
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Abb. 27: Aufgeklebtes Blatt mit Federzeichnung vmtl. von Karl Friedrich von Rumohr in Arnims Stammbuch.
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KOMMENTAR
Zu dieser Ausgabe
Zu dieser Ausgabe 1 Die vorliegende Edition enthält den authentischen Briefwechsel der jungen Bettina bis zu ihrer Heirat mit Arnim im März 1811 so vollständig wie möglich. Außer den in Handschriften und Drucken überlieferten Briefen erfaßt sie auch erschlossene, aus anderen Texten rekonstruierte. Insgesamt 500 Briefe von Bettina und fast 400 an sie verschränken sich zur originalen Gesamtkorrespondenz. Von diesen insgesamt etwa 900 Briefen sind etwa 700 nahezu komplett überliefert, die anderen erschlossen. Die Authentizität des edierten und rekonstruierten Jugendbriefwechsels hervorzuheben ist deshalb geboten, weil Bettina die Korrespondenzen mit drei ihrer wichtigsten frühen Briefpartner viele Jahre später für ihre Bücher Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde (1835), Die Günderode (1840) und Clemens Brentano’s Frühlingskranz (1844) fiktionalisiert hat und die Originalbriefe, die den beiden letzten zugrundelagen, großenteils verloren gegangen sind. So unverzichtbar die neu gestalteten Briefwechsel als ganzheitliche Gebilde zur Kenntnis der ganzen Bettina sind, so verzichtbar mußten sie einer Edition sein, die es auf die Dignität des einzelnen Briefes und seinen unmittelbaren Korrespondenzzusammenhang abgesehen hat. Der Verzicht wird erleichtert, weil Die Günderode und Clemens Brentano’s Frühlingskranz in zuverlässigen Editionen (B/W II; B/WuB I) vorliegen, die, soweit möglich, zu Überarbeitungstechniken und -tendenzen Auskunft geben. Diese sind im dritten Briefbuch, Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde, detailliert nachvollziehbar, da zu ihm die originalen Briefe erhalten blieben, wobei der Vergleich (B/WuB II bietet beide Versionen) Rückschlüsse auf die Gestaltung der Briefwechsel mit der Jugendfreundin und dem Bruder zuläßt. Mitteilungen anderer und eines Versteigerungskatalogs zur originalen Korrespondenz des Frühlingskranzes sowie Bettinas zu derjenigen mit der Günderrode sind im Anhang der vorliegenden Edition (A.19 und A.20) dokumentiert.
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Kommentar
Neben den Briefwechseln, die in die drei Werke eingegangen sind, waren diejenigen mit Arnim und Savigny die wichtigsten der jungen Bettina. Der mit Arnim, ihr umfangreichster überhaupt, ist nahezu komplett überliefert, der mit Savigny vollständig nur ihrerseits, jedoch mit Gegenbriefen, die vermuten lassen, daß nicht weniger bedeutende verloren gegangen sind. Der Austausch mit dem Juristen, an dem an seiner Seite die mit ihm verheiratete Schwester Gunda beteiligt war, gehört wie der mit dem Bruder Clemens und dessen erster Frau Sophie Mereau zum Bettinaschen Familien- und Verwandten-Briefwechsel, der außerdem vor allem durch Korrespondenzen mit den Brüdern Christian und Franz sowie dessen Frau Antonia einsichtig wird. Vielfältiger noch als das kommunikative Hin und Her mit der weitläufigen Brentano-Familie war dasjenige mit einer Vielzahl zumeist junger Verehrer. Aus ihm ragt der Briefwechsel mit dem Landshuter Jurastudenten Max Prokop von Freyberg heraus nicht nur wegen des Umfangs insgesamt und einzelner Briefe, sondern auch aufgrund des Mißverhältnisses von äußerem Aufwand und Substanzarmut des vor allem vom Briefpartner in der Stimmung einer welterlösenden Liebe (Brief Nr. 781,164–165) verzückt Kommunizierten. Wer die Bettina des für sie entscheidenden Jahres 1810 in ihrer rätselhaften Kompliziertheit genauer kennenlernen möchte, kann in der vorliegenden Ausgabe die Briefe, die sie damals außer mit Arnim und Goethe vor allem mit Freyberg wechselte, nun bequem mit- und gegeneinander lesen. Was sie anderen jungen Verehrern wie dem in einem Augsburger Lazarett praktizierenden Arzt Joseph Janson von der Stockh, dem angehenden Komponisten Peter Lindpaintner und dem elsässischen Offizier in napoleonischem Dienst Wilhelm von Türckheim schrieb, ist lediglich aus deren Briefen erschließbar, die auch aufgrund von Liebenswürdigkeiten und Eigenarten ihrer Verfasser Beachtung verdienen. Die kuriosesten Verehrerbriefe, einen Gegenpol zu denen Freybergs bildend, stammen von dem nach Pennsylvania ausgewanderten Dettmar Basse, der Bettina für seine Landwirtschaft zu interessieren suchte und ihr anschaulich von der Jagd nach einem entsprungenen Schafbock berichtete. Erstaunlich viele Briefkontakte zwar jeweils geringer Häufigkeit, doch zumeist intensiv im einzelnen unterhielt sie zu weiteren zeitgenössischen Kapazitäten außer den bereits genannten. Von ihnen waren Beethoven und Goethes Mutter die für Bettina wichtigsten. Die drei Briefe, die sie von der Frau Rath tatsächlich erhielt – diejenigen zu Beginn von Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde sind erdichtet –, teilte sie in ihrem letzten Briefbuch, Ilius Pamphilius und die Ambrosia (1848), unwesentlich verändert mit; ebenfalls einen anderen der außerordentlichen Anbriefe, auf die sie noch im Alter
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Zu dieser Ausgabe
stolz war: den Beethovens vom 10. Februar 1811, ihn allerdings kombiniert mit zwei angeblichen Briefen des Komponisten, die sie sich selbst geschrieben hat. 1839 erstmals erschienen, beschäftigte die epistolare Trilogie die reüssierende Beethoven-Literatur insbesondere des 19. Jahrhunderts wie kaum ein anderes Thema, während ein Teil der Bettina-Literatur bis vor kurzem nicht einmal wußte, daß es sie gibt. Die Schriftstellerin Philippine Engelhard, der Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi, der Mediziner Johann Andreas Röschlaub, der Kunsthistoriker Carl Friedrich von Rumohr, der Theologe Johann Michael Sailer, der Historiker JeanCharles-Léonard Simonde de Sismondi, der Diplomat Friedrich Lothar von Stadion, der Dichter Ludwig Tieck – die junge Bettina hat im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts alle kennengelernt und Briefe an sie geschrieben oder von ihnen bekommen, Protestanten und Katholiken, süd- und norddeutsche Berühmtheiten, eine Wiener und eine Genfer Koryphäe, quirlige Charaktere wie Rumohr, burleske wie Philippine Engelhard, bärbeißige wie Röschlaub, seriöse wie Jacobi. Alle waren älter, die meisten wesentlich, die meisten Männer. Gleichaltrige, wirklich vertraute Jugendfreundinnen wird Bettina außer der Günderrode nicht gehabt haben. Insgesamt konnten achtundfünfzig Korrespondenten ermittelt werden. Über den Anteil der einzelnen Briefpartner an der authentischen Gesamtkorrespondenz gibt die folgende Übersicht Auskunft, geordnet nach Briefhäufigkeit je Schreiber und Empfänger: Von Bettina An Bettina Ludwig Achim von Arnim 142 127 Friedrich Carl von Savigny 113 38 Clemens Brentano 44 36 Johann Wolfgang von Goethe 41 18 Kunigunde Brentano 41 14 Max Prokop von Freyberg 22 29 Christian Brentano 23 19 Franz Brentano 13 12 Antonia Brentano 10 8 Joseph Janson von der Stockh 8 10 Meline Brentano 11 5 Caroline von Günderrode 9 4 Johann Daniel Engelhard 5 5 Sophie Brentano-Mereau 4 6 Ludovica Jordis 4 2 Johann Michael Sailer 4 2 Ludwig Tieck 4 2
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Catharina Elisabeth Goethe Peter Lindpaintner Johann Heinrich Christian Bang Karl von Gumppenberg Claudine Piautaz Carl Friedrich von Rumohr Alois Bihler Philippine Engelhard Franz Xaver Nußbaumer Ludwig van Beethoven Ludwig Emil Grimm Dettmar Basse Friedrich Wilhelm Riemer Sophie von La Roche Sophie Bernhardi Dominikus Brentano Auguste Bußmann Franz Joseph Gall Christiane von Goethe Angelo Quaglio Johann Nepomuk Ringseis Johann Andreas Röschlaub Charlotte Servière J.-Ch.-L. Simonde de Sismondi Philipp Carl Hoffmann Ludwig von Lichtenberg Louise Reichardt Caroline Rudolphi Antonio Salvotti v. Eichenkraft u. B. Christine Stransky v. Stranka zu G. Stephan August Winkelmann Johann Georg Daniel Arnold Johann Wilhelm Ritter Wilhelm von Türckheim Marie Brentano Peter Anton Brentano Friedrich Heinrich Jacobi Karl Joseph H. von Kolborn Eduard von Schenk
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2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
4 4 3 3 3 3 2 2 2 1 1 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
2 2 2 1 1 1 1 1
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Friedrich Lothar von Stadion Peter von Winter Sebastian Bopp( ? )
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Nähere Informationen zu den Aufgelisteten bietet das biographisch-bibliographische Verzeichnis der Korrespondenten, das auch die Nummern der Briefe registriert, die jeweils geschrieben wurden. Ebenfalls konzentrierende und den Briefkommentar entlastende Funktion hat die dem Briefwechsel vorangestellte Kombination von Chronik und zeitgenössischen Berichten, von denen einige bisher unveröffentlicht waren. Die multiperspektivische Wahrnehmung der referierenden Zeitgenossen in ihrer Gesamtheit bringt Facetten eines vielfältigen Jugendlebens zum Vorschein, dem vereinseitigende Wertungen einzelner Briefpartner und Interpreten wenig angemessen sind. Daß die junge Bettina nur annähernd faßbar ist, bringen zeitgenössische Stimmen zum Ausdruck, die das Koboldartige ihres Wesens betonen, auch wenn sie es nicht begrifflich fixieren. Ludwig Tieck hat es, ohne Bettina zu nennen, mit dem Diminutiv Koboldchen zum Titel eines auf sie gemünzten Gedichts erkoren (Stimmen Nr. 1). Charlotte Kestner, die Tochter der Goetheschen Jugendliebe, und Wilhelm von Humboldt stimmen, ohne das Stichwort aufzurufen, in ihren perplexen Schilderungen (Nr. 144, 158) in dem mit ihm Gemeinten überein. Noch 1844 gab es Georg Herwegh vom Hörensagen als dominierende zeitgenössische Wahrnehmung weiter (Nr. 208). In einer um die Jahreswende 1810/11 in Berlin aufgekommenen Anekdote (Nr. 200, 201, 206), deren Spuren sich über ein Marx’sches Jugendgedicht (Nr. 207) bis in ein Tagebuch Kafkas aus dem Jahr 1911 (Nr. 209) verfolgen lassen, ist es banalisiert. In einem erstaunlichen Goethe-Gedenkartikel, der 1899 in der Zeitschrift Der Sozialist erschien, schrieb der libertäre Gustav Landauer, die Mutter des Dichters aus Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde zitierend, ohne den Titel des Buches und den Namen seiner Verfasserin anzuführen, wie selbstverständlich vom Kobold, der uns die Worte überliefert (Landauer 2013, S. 137). Zum Koboldartigen der jungen Bettina gehörte ihre Wandlungsfähigkeit, das Umschlagen von Stimmungen. Die Mutwillige war schwermütig, die Lustige ernsthaft, die Sprunghafte zersprungen. Die Seltsame litt, an sich verzweifelnd, ähnlich wie der Bruder Clemens am Zerfall ihrer Ich-Identität ins Augenblickliche und legte sich und ihm in einem großen Brief vom 30. Juni 1809, den er als Confession (Brief Nr. 600,13) erkannte, Rechenschaft darüber ab: momentane Berührungen einer ungeheuren Welt in meiner Brust führten dazu, daß auch die nachsichtigsten Menschen mich für
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Ungezogen für Bisarr scheinen wollend, für verwirrt, ja zu weilen für Sittenloß erklären, und der Verstand werfe ihr in einzelnen Augenblicken vor, daß ich an den Wahnsinn gränze, daß ich gegen den Strohm schwimme und noch dazu alle Schleußen aufreiße (Brief Nr. 596, Z. 29–37). Ähnlich wie der Bruder Clemens war sie – im selben Brief, den Reinhold Steig (1923b, S. 70) um die sein Bettinabild trübende Passage kürzte – auch metaphorisch imstande zu sagen, wie sie leide, und Savigny, ihr Mentor, war sogar imstande zu sagen, daß sie in ihrem Innersten trotz alledem etwas Unveränderliches besaß: Was immer lieb und herrlich an
dir war, ist dein liebes treues Herz mit dem schönen Ernst der Empfindung: das kann sich nicht ändern beÿ aller Änderung deines Wesens, es kann nur einfacher und deutlicher werden sich selbst und Anderen. (Brief Nr. 72,11–15.) Dem Momentanen verfallen, widersetzte Bettina sich dem Mechanisch-Maschinenmäßigen der bürgerlichen Existenz, der konventionellen Kommunikation. Läßt man ihre Briefpartner Revue passieren, fällt auf, daß unter ihnen viele ungewöhnliche waren, nicht oder noch nicht gesellschaftlich eingeebnet: Goethe, Arnim, Bruder Clemens, die Günderrode, aber auch Freyberg, seine Landshuter Kommilitonen und andere junge Leute. Und bei allem Inkommensurablen blieb Bettina bereits in ihren Jugendjahren grundsätzlichen Überzeugungen und Haltungen treu: Einsatz und Emphatie zugunsten Benachteiligter und Bevorrechteter, sei es ein ganzes Volk wie die aufständischen Tiroler des Jahres 1809, sei es ein armer Student wie der brave Nußbaumer, den sie insgeheim finanziell unterstützte; Verachtung des Todes wie des angepaßten Lebens; Liebe zur außerordentlichen Musik als Ausdruck gestufter Leidenschaft, kulminierend in der Beethovens, und zur Natur als wunderbar offener Raum, kulminierend in den Rheingau-Briefen des Frühjahrs und Sommers 1808; Liebe als universales Prinzip und unendliche individuelle Aufgabe. Bereits im Frühjahr 1802 schrieb sie dem Lieblingsbruder in einem Brief, von dem lediglich ein erschlossener Auszug bekannt ist: Clemens! Weist du wer der Mond
ist, er ist der Wiederschein unsrer Lieb, und die Sterne sind Wiederschein der übrigen Lieb auf Erden, aber die Sterne so nah dem Mond lieber, was ist diese Liebe, die mir so nahe geht, unsre Lieb aber ist außerkohren, und groß und herrlich vor allen andern, die Erde aber ist ein großes Bett, und der Himmel eine grose freudenreiche Decke aller Seeligkeit, Clemens, Was sehnst du dich nach mir, wir schlafen in einem Bette (Nr. *22). Die gleiche hochromantische Gesinnung spricht aus dem zwei Jahre später geschriebenen Trost, nachdem dem Bruder sein erstes Kind früh gestorben war: Traure nicht zuviel lieber Clemens und auch dein
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Zu dieser Ausgabe
Weib nicht. es geht ja nichts verlohren in dem grosen schönen Raum (Nr. 67,10–12). Wenn, zufolge Helene von Nostitz’ Bonmot, die zauberhafte Bettina 〈…〉 jeden Milchtopf in eine goldene Schale verwandelte (Nostitz 1925, S. 63), dann deshalb, weil er ihr als Ding des nicht korrumpierten Lebens glänzte. Wer ihre Briefe liest, gehört zu den postumen Adressaten, wenn er auch nicht, wie Rilke sich wünschte, antworten kann: Was ist sie für
ein Element; was für ein Umgestalter, was für ein Ansturm in der Luft ihrer Zeit. Wie hätte man sich geliebt, face en face. Ich hätte wohl ihre Briefe beantworten mögen; das wäre wie eine Himmelfahrt geworden, ohne Scham, vor aller Augen. (An Clara Rilke, 4. September 1908; Rilke 1933, S. 47.)
2 Von den etwa 700 überlieferten Briefen, die von der jungen Bettina und an sie geschrieben wurden, ist ein erstaunlich großer Anteil – 687 – handschriftlich erhalten geblieben; nur 19 liegen lediglich in Drucken vor. 14 Briefund andere Texte von Bettina, 67 von anderen werden erstmals veröffentlicht; 2 von ihr, 18 von anderen erstmals vollständig. Die der Edition zugrundeliegenden Handschriften werden von den folgenden Institutionen und Archiven sowie in Privatbesitz verwahrt: Freies Deutsches Hochstift Frankfurt/M. 295 Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin 120 Goethe- und Schiller-Archiv Weimar 110 Pierpont Morgan Library New York 59 Familienarchiv Freyberg in Jetzendorf 51 Biblioteka Jagiellonska ´ Kraków 31 Stadtbibliothek Mainz 6 ULB Münster 3 Goethemuseum Düsseldorf 2 SUB Hamburg 1 Stadtarchiv Hannover 1 Deutsches Literaturarchiv Marbach 1 UB Marburg 1 Bayerische Staatsbibliothek München 1 Stadtarchiv Pescia 1 Stadtarchiv Stralsund 1 Privatbesitz 3
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Alle überlieferten und erschließbaren Briefe von und an Bettina sind nach Möglichkeit in der Reihenfolge, in der sie geschrieben wurden, chronologisch angeordnet und nummeriert. Mit der chronologischen Nummerierung ist die Kennzeichnung von erschlossenen Briefen und Konzepten verbunden. (Vgl. Editorische Abkürzungen und Zeichen.) Sonderformen und Fiktionalisierungen sind im Anhang dokumentiert. In einigen Fällen konnten Schreiber und Empfänger neu oder genauer bestimmt, in vielen Datierungen mitunter erheblich präzisiert werden. Nicht exakt datierbare Briefe wurden dem frühesten anzunehmenden Datum und einem möglichst eng eingegrenzten Zeitraum mit Angabe der Termini post quem und ante quem zugewiesen. Kommentiert wird strikt historisierend, die fiktionalisierte Perspektive der älteren Bettina auf ihre Jugend nur ausnahmsweise berücksichtigt. In den Überschriften der Briefe sind Absender und Empfänger, Von- und Anorte sowie das Datum (wenn ermittelbar, mit Wochentag) angegeben. Die weiteren Mitteilungen zu den Briefen enthalten Informationen zur Druckvorlage, zu den Bezugs- und Antwortbriefen, zum Aufbewahrungsort der Handschrift, zum Format (Höhe x Breite, mit Hinweisen auf die Faltung), zu Papier, Siegel und Wasserzeichen, Beilagen, Fremdeinträgen und Postzeichen, zur Begründung von Datierungen ganz oder teilweise undatierter Briefe, zum Erstdruck und zu weiteren als relevant erachteten Drucken (mit Angabe von Teildrucken und abweichenden Datierungen). Wenn die Farbe des Papiers (meist gelblich, vergilbt) und seine Beschaffenheit keine Besonderheit aufweisen, wird dies nicht eigens vermerkt, und da in der Regel mit Tinte (verschiedene Braun- und Schwarzfärbungen) geschrieben wurde, wird auch zum Schreibmaterial nur in vom Usus abweichenden Fällen etwas mitgeteilt. Analog ist bei den Angaben zur Schriftform in Wasserzeichen verfahren worden, die nur dann erläutert wird, wenn sie nicht aus doppelkonturigen Antiquaversalien besteht, und daß die Fremdeinträge in Briefen normalerweise mit Bleistift vorgenommen wurden, jedoch diejenigen Varnhagens zu den Adressaten der im Varnhagen-Nachlaß verwahrten Briefe mit Tinte, wird ebenfalls generell an dieser Stelle und nicht zu jedem einzelnen Brief angegeben. Textgrundlage ist das handschriftliche Original; in den wenigen Fällen, in denen Drucke zugrundeliegen, in der Regel der erste (und zumeist einzige). Die Briefe an Bettina werden wie die Briefe von ihr ediert. Als Brieftext wird die letztgültige Gestalt des jeweiligen Textzeugen einschließlich Datum, Anrede, Schlußformeln, Unterschrift und Adresse wiedergegeben. Zusätze des Schreibers, die eindeutig eingewiesen sind oder deren intendierte Position erschließbar ist, werden in den Text eingefügt; der Ort in der Handschrift wird mitgeteilt. Ließen sich Zusätze des Schreibers nicht eindeutig in den Textzu-
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Zu dieser Ausgabe
sammenhang einfügen, sind sie am Briefschluß plaziert. Sonstige Veränderungen im Entstehungsprozeß (Streichungen, Überschreibungen, Umstellungen) werden im textkritischen Apparat nachgewiesen. Lateinische Schreibschrift ist mit der Schriftart Arial gekennzeichnet. Unterstreichungen in Handschriften sind als Unterstreichungen wiedergegeben, unterschiedliche Hervorhebungsarten in Drucken zu Sperrungen vereinheitlicht. Verschiedenartige Einrückungstiefen am Beginn von Absätzen werden nicht berücksichtigt, die Positionen von Anreden, Daten, Grußformeln und Unterschriften schematisch reproduziert. Auslassungen oder Einfügungen der Herausgeber stehen zwecks Unterscheidung von runden (…) und eckigen […] Klammern in edierten und zitierten Texten in Winkelklammern 〈…〉. Wenige Male wurden Schweifklammern { …} in edierte Texte zur Verständiserleichterung eingefügt, um nachträgliche Partien zu kennzeichnen, die der Schreiber einer Stelle zugewiesen oder zugedacht hatte, zu der sie sich jedoch syntaktisch sperrig verhalten. Abkürzungen und Kürzel sind nicht ergänzt. Gebräuchliche stehen im Verzeichnis »Abkürzungen und Zeichen in den Texten«, ungebräuchliche werden in den Erläuterungen zum Text erklärt. Abkürzungsschlaufen sind mit * gekennzeichnet (Abkürz*). Konnte nicht entschieden werden, ob Groß- oder Klein-, Getrennt- oder Zusammenschreibung intendiert war, wird dies mit dem Zeichen ^ ausgewiesen (^du, ^Dein; von^einander), das möglichst selten Verwendung findet. Zweifelsfreie Ergänzungen fehlender Graphe stehen in Winkelklammern (eind〈e〉utig), unsichere Ergänzungen unterpungiert ), unleserliche Graphe als kursive x in Winin Winkelklammern (un〈sic〉her ..... kelklammern (1: 〈x〉; 2: 〈xx〉; mehr als 2: 〈xxx〉). Analog stehen bei Papierschaden zweifelsfreie Rekonstruktionen von Graphen in doppelten Winkelklammern (eind〈〈e〉〉utig), unsichere Rekonstruktionen unterpungiert in ), unmögliche Rekonstruktionen als doppelten Winkelklammern (un〈〈sic〉〉her ..... kursive x in doppelten Winkelklammern (〈〈xxx〉〉). Seitenwechsel ist mit senkrechtem Strich | markiert, die Seite des Originalbriefs in der Randspalte angegeben. In Orthographie, Interpunktion und grammatikalische Besonderheiten wurde bis auf die folgenden Ausnahmen nicht eingegriffen. Der Unterschied zwischen langem und rundem s ist nicht berücksichtigt, m und n mit Dopplungsstrichen sind zu mm bzw. nn aufgelöst, Initialen als Großbuchstaben, doppelte Binde- bzw. Trennungsstriche als einfache, nichtrunde Klammern als runde wiedergegeben. Fehlende Umlautstriche wurden nicht ergänzt, unterschiedliche An- und Abführungszeichen vereinheitlicht (»An- und Abführung«), zeittypische Wiederholungen von Anführungszeichen am Beginn je-
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der Zeile längerer Zitate nicht übernommen. Kreuzartige Marken zwischen Absätzen und Strophen werden als + reproduziert, die Längen von Horizontallinien vereinheitlicht. Mehrfachstrichige Linien sind einstrichig wiedergegeben, starke und unterbrochene normalisiert. Für ihre Briefe benutzte Bettina die üblichen Handschriftenfoliobögen oder von diesen abgetrennte Blätter. Ihre Schrift ist gut lesbar; sie schreibt deutlich, ohne Endungen zu verschleifen, das Schriftbild ist klar und übersichtlich. Aus der etwas steifen, steilen Frakturschrift der frühen Jahre entwickelt sich im Laufe der Zeit eine flüssige, leicht nach rechts geneigte Handschrift, die im wesentlichen bis in die 1820er Jahre beibehalten wird und sich erst später zu der für die Schriftstellerin Bettina von Arnim charakteristischen stärker nach rechts fallenden wandelt. Der Brieftext beginnt in der Regel wenige Zentimeter unter dem oberen Blattrand, meist mit leichtem Einzug links, und füllt die Seiten vollständig mit Ausnahme nur unvollständig beschriebener letzter. Nach der Anrede läßt die Schreiberin nur in frühen Briefen (1796/97) einen Höflichkeitsabstand, sonst schließt der Text unmittelbar auf derselben Zeile an; nicht selten verzichtet sie auf eine förmliche Anrede. Die Unterschrift steht in lateinischer Schreibschrift rechts unter der letzten Zeile. Die Orthographie, die im allgemeinen unauffällig ist, weist wenige Besonderheiten auf. Vor allem neigt Bettina als Frankfurterin dazu, analog zur Aussprache (Goethe, Faust: Ach neige, / Du Schmerzenreiche) ch statt g zu schreiben (Mädgen statt Mädchen, Teig statt Teich, mögte statt möchte). Bei Groß- und Kleinschreibung erlaubt sie sich größere Freiheiten und schreibt häufig nicht nur Substantive groß, sondern auch die dazu gehörigen Artikel sowie Verben, Adjektive und Pronomen, wenn sie ihr wichtig erscheinen. Andererseits geht es nach einem Punkt am Ende eines Satzes mit dem Anfang des nächsten manchmal klein weiter. Um 1807 beginnt Bettina, das D mit einem weit von unten ausholenden Bogen oft so ausladend zu versehen, daß man die Schreiberin förmlich zu großer Geste ausholen sieht, einer Geste, die ihrer Freude am Exaltierten entspricht, wenn sie sich vom Alltäglichen abhebt. Die Interpunktion folgt dem individuellen Sprachrhythmus; Satzzeichen dienen als Phrasierungen und fungieren ähnlich wie in der Notenschrift als Zäsuren oder Atemzeichen, die sinnverstärkend gesetzt werden. Die Wiedergabe von Bettinas Eigenwilligkeiten, die ihre koboldartige Sprunghaftigkeit auf dem Briefpapier überliefern, bereitete bis auf die nicht immer zweifelsfreie Unterscheidung von kleinem d und großem D, die in ihrer Handschrift einander ähneln, keine besonderen Schwierigkeiten. Als relevant erachtete bisherige Drucke der Briefe von und an Bettina werden registriert, um deren Veröffentlichungsgeschichte im Hegelschen Sinn des
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Aufhebens zu dokumentieren. Wie jede Neuedition, die bisher Publiziertes zu innovieren sucht, ist auch die vorliegende dem verpflichtet, was bereits geleistet wurde. An ihm haben im Fall der frühen Bettina-Briefe viele, zum Teil entlegene und wenig bekannte unselbständige kleinere Editionen einzelner Stücke oder Gruppen Anteil, die neben den großen, separat erschienenen Briefwechseln und -reihen nicht vergessen werden sollten. Deren Edition begann vor einem Jahrhundert mit der Ausgabe des vorehelichen Arnim-Bettina-Briefwechsels durch Reinhold Steig (Steig 1913), der letzten seiner dreibändigen Reihe Achim von Arnim und die ihm nahestanden, die 1894 mit dem Arnim-Brentano-Briefwechsel begann und 1904 mit der ArnimBrüder Grimm-Korrespondenz fortgesetzt wurde. Der letzte dieser Bände war zugleich der beste, der die Mängel vor allem des ersten – entstellende Auslassungen und Kürzungen von Briefen, verharmlosende Änderungen, Vermengung von ediertem und Editortext – erheblich reduzierte, so daß Josef Körner, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der genaueste Kenner der romantischen Briefliteratur, eine dem Herausgeber wohlwollende Besprechung schreiben konnte, zu deren Lesern Franz Kafka gehörte (vgl. Härtl 2000, S. 332–337). Als Körner ihm wegen einer projektierten Arnim-Gesamtausgabe um Vermittlung bei dem Verleger Kurt Wolff ersuchte, antwortete Kafka mit dem Rat, statt jener kaum zu realisierenden vielleicht eine Briefausgabe mit einleitender Abhandlung vorzuschlagen, wobei er vor allem auch den vorehelichen Arnim-Bettina-Briefwechsel gemeint haben wird. 1986/87 erschien er in einer zweibändigen Neuausgabe von Otto Betz und Veronika Straub (Betz/Straub 1986; Betz/Straub 1987), deren erster Band statt der im Frankfurter Freien Deutschen Hochstift zugänglichen Handschriften die Steigschen Texte zugrundelegte, so daß die Edition, die das Dargebotene à la Steig normalisierte und manches unkommentiert ließ, erheblich unter dem Niveau des Erreichbaren blieb. Als zweite große Ausgabe Bettinascher Jugendbriefwechsel war 1922 erstmals vollständig derjenige mit Goethe herausgekommen, von Steig, der das Erscheinen nicht mehr erlebte, noch zum Druck vorbereitet, jedoch vermengt mit zeitgenössischen Berichten (Steig 1922). War mit dieser Ausgabe dem Rätselraten um das Verhältnis von originalen Briefen und Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde auch der Garaus gemacht, so wurde es doch erst fünf Jahre später leicht nachvollziehbar, als Fritz Bergemann den authentischen Goethe-Briefwechsel erneut herausgab, wobei er den editorischen Teil auf dessen genaue Darbietung und Kommentierung beschränkte (Bergemann 1927). Kaum zum zweitenmal ediert, verschwanden die Handschriften zwei Jahre später auf einer Auktion der Berliner Firma Karl Ernst Henrici aus Arnimschen Familienbesitz wieder in
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privaten, aus dem sie nach dem zweiten Weltkrieg glücklicherweise als Heineman Collection der New Yorker Pierpont Morgan Library erneut auftauchten. Nach der Bergemannschen Edition dauerte es abermals eineinhalb Jahrzehnte, bis die nächste bedeutende von Briefen Bettinas erschien: diejenige ihrer bis dahin völlig unbekannten Schreiben an Friedrich Carl von Savigny, zugänglich geworden als Teil eines umfangreichen Savigny-Nachlasses, den die damals Preußische Staatsbibliothek Berlin erworben hatte, veröffentlicht unter dem Titel Die Andacht zum Menschenbild von Wilhelm Schellberg, der die Ausgabe in Angriff genommen hatte, und Friedrich Fuchs, der sie vollendete (Schellberg/Fuchs 1942). Noch heute gehört diese souveräne Edition wie auch die drei Jahre zuvor erschienene, ebenfalls von Schellberg und Fuchs publizierte der Briefe Clemens Brentanos an den Juristen (Schellberg/Fuchs 1939) zu den empfehlenswertesten Romantiker-Briefausgaben: für Leser, die die Adressanten näher kennenlernen möchten, ebenso wie für Fachleute der deutschen Romantik. Was in den edierten Texten und den erläuternden der Herausgeber beider Briefbücher steht, ist frei von dem herrschenden Ungeist der Zeit, in der sie erschienen. Die letzte, damals völlig überraschende Publikation eines zuvor weitgehend unbekannten umfangreichen frühen BettinaBriefwechsels gelang 1972 Sibylle von Steinsdorff, als sie die Korrespondenz mit Freyberg aus Privatbesitz herausgab (Steinsdorff 1972). Textdarbietung und Kommentierung dieser Ausgabe wurden für die vorliegende Edition, die nochmals die Handschriften zugrundelegte, ebenso dankbar benutzt wie die bisher umfangreichste und sorgfältigste Auswahlausgabe von Bettina-Briefen nach den Handschriften in ihrer Gesamtheit. Sie erschien 2004 im Rahmen der Bettine-Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlags (B/WuB IV), nachdem bereits in deren 1992 publiziertem Band mit Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde der originale zum drittenmal ebenfalls nach den Handschriften vorgelegt worden war (B/WuB II): in beiden Bänden insgesamt 82 voreheliche Briefe Bettinas und diejenigen Goethes an sie.
4 Die Herausgeber dieser Ausgabe sind vielfältiger Unterstützung verpflichtet. Dank gebührt vor allem der Reinhard-Baumgart-Stiftung München, die das Projekt gefördert und mit Interesse begleitet hat. Den benutzten Archiven sei gedankt für die Bereitstellung der Originale in ihren Räumlichkeiten und für Kopien. Christopher Burwick (Claremont/CA) half bei der Beschreibung der Briefe von und an Goethe, die in der New York Public Library verwahrt wer-
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Zu dieser Ausgabe
den. Corinna Fiedler (Frankfurt/M.) nahm sich französisch und italienisch geschriebener Korrespondenz an und steuerte Übersetzungen bei. Mit Recherchen und Hinweisen haben Freunde, Interessenten, Kollegen und Mitarbeiter von Institutionen wertvolle Hilfe geleistet, ohne daß diese im einzelnen angemessen gewürdigt werden könnte. Wenigstens genannt seien: Archiv des Bischöflichen Ordinariates Regensburg; Hildegard Baumgart (Berlin); Beethoven-Archiv Bonn (Sieghard Brandenburg); Biblioteka Jagiellonska ´ Kraków (Joanna Jaskowiec); Roswitha Burwick (Claremont/CA); Deutsches Literaturarchiv Marbach (Helmuth Mojem); Holger Ehrhardt (Kassel); Freies Deutsches Hochstift Frankfurt/M. (Konrad Heumann, Gerhard Kölsch, Petra Maisak, Holger Schwinn, Bettina Zimmermann); Fürstlich Oettingen-Wallerstein’sches Archiv Harburg (Hartmut Steger); Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Thomas Eser); Institut für Stadtgeschichte Frankfurt/M. (Michael Matthäus); Gerhard R. Kaiser (Weimar); Klassik Stiftung Weimar (Viola Geyersbach, Ariane Ludwig; Margarete Oppel, Sabine Schäfer); Stefan Nienhaus (Foggia); Hermann W. Patsch (München); Rumohr Gesellschaft e.V. (Cai-Asmus von Rumohr); Stadtarchiv Nürnberg; Stadtmuseum Weimar; UA Göttingen (Ulrich Hunger); UB Augsburg (Günter Hägele); UB Marburg (Gesine Brakhage); ULB Münster (Jürgen Lenzing); Edith Zehm (Gilching b. München). Lothar Ehrlich (Weimar) gebührt besonderer Dank für das Mitlesen der Korrektur.
1345
Kommentar
Editorische Abkürzungen und Zeichen Brieftypen 1 *2 3.K 4.E 5.A 6.P A B
Brief Erschlossener Brief Konzept Exzerpt Abschrift Publizierter Brief Antwortbrief Bezugsbrief
Allgemein A (mit Nr.) Abb. Abt. aoR aoRl aoRm aoRr alR arR auR auRl auRm auRr B beschr. Bibl.
Anhang Abbildung(en) Abteilung am oberen Rand am oberen Rand links am oberen Rand mittig am oberen Rand rechts am linken Rand am rechten Rand am unteren Rand am unteren Rand links am unteren Rand mittig am unteren Rand rechts Bettina Brentano beschrieben Bibliothek
1346
Editorische Abkürzungen und Zeichen
Bl. Cod. D1 D2, D3 (usw.) Dbl. DV ebd. egh. eigtl. eing. engl. frz. gedr. gestr. griech. H, Hs. idZ Jg. K Kap. Ku lat. Ms., Mss. Nachl. nachträgl. o.D. o.O. o.U. p, pag. r
Rep. Sign. St. TD üdZ v
verschr. vmtl. Wz
Blatt Codex Erstdruck weitere Drucke Doppelblatt Druckvorlage ebenda eigenhändig eigentlich eingewiesen englisch französisch gedruckt gestrichen griechisch Handschrift in der Zeile Jahrgang Konzept Kapitel Kuvert lateinisch Manuskript(e) Nachlaß nachträglich ohne Datum ohne Ort ohne Unterschrift pagina recto Repertorium Signatur Stück Teildruck über der Zeile verso verschrieben vermutlich Wasserzeichen
1347
Kommentar
Z. * / | ^
〈xxx〉 〈〈xxx〉〉
Zeile Abkürzungsschlaufe Zeilenwechsel Seitenwechsel; Trennzeichen bei Mitteilungen von Varianten unsichere Groß- und Klein-, Getrennt- und Zusammenschreibung nicht entzifferte Graphe nicht überlieferte Graphe (Papierverlust)
Bibel Apg Dan Eph Hes Jes Joh 1 Joh 1 Kö 2 Kö 1 Ko Lk Mi Mk 1 Mo 2 Mo Mt Off Ps Pt Ri Röm
Apostelgeschichte Daniel Brief des Paulus an die Epheser Hesekiel Jesaja Evangelium des Johannes Erster Brief des Johannes 1. Könige 2. Könige 1. Brief des Paulus an die Korinther Evangelium des Lukas Micha Evangelium des Markus 1. Buch Mose 2. Buch Mose Evangelium des Matthäus Offenbarung des Johannes Psalm Briefe des Petrus Das Buch der Richter Brief des Paulus an die Römer
1348
Editorische Abkürzungen und Zeichen
Archive und Bibliotheken BLHA BJ BJ/VS BSB DLA FB FDH FSU GMD GNM GSA HAAB HStA MLU NSTUB PML/Heineman Coll SLB SLUB SMB SPK/NS StA StB StLB SUB ThULB TU UA UB ULB Periodica
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam Biblioteka Jagiellonska ´ Kraków Biblioteka Jagiellonska ´ Kraków, Varnhagen-Sammlung Bayerische Staatsbibliothek München Deutsches Literaturarchiv Marbach Forschungsbibliothek Gotha Freies Deutsches Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum Frankfurt/M. Friedrich-Schiller-Universität Jena Goethe-Museum Düsseldorf Goethe-Nationalmuseum Weimar der Klassik Stiftung Weimar Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Klassik Stiftung Weimar Hessisches Staatsarchiv Marburg Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Pierpont Morgan Library/Heineman Collection New York Stadt- und Landesbibliothek Dortmund Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin/Nachlaß Savigny Stadtarchiv Stadtbibliothek Stadt- und Landesbibliothek Staats- und Universitätsbibliothek Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Jena Technische Universität Universitätsarchiv Universitätsbibliothek Universitäts- und Landesbibliothek
f Abgekürzt zitierte Literatur
1349
Kommentar
Abkürzungen und Zeichen in den Texten Allgemein
ad, Ad a/M allg. B., Bd. Bibl. Cand. Cap: Cie, Co Ct, Ct d. D. Dbre derg., drgl. ders. deut. d. g. m. Dir. ec, e.c.t., et ed. Evan: Joh: Ex. Excell: f., Fol. F:, Fr. Fbr fco, fo, fr, fro fr: Fr, Frft, Ffurt
Adresse am Main allgemein Band Bibliothek Candidat Kapitel Compagnie Current (aktuelles Jahr) das, den, dieses Doktor Dezember dergleichen derselbe(n) deutsch dergleichen mehr Direktor usw. ediert Evangelium des Johannes Exemplar Excellenz Folio Frau Februar franco französisch Frankfurt 1350
Abkürzungen und Zeichen in den Texten
Geb. Geh. Gr. h. H* H., Hr., Hrr. H. D. HH., Hrn ingl: I. K. H. J. L. Z. K. H. M, m M, Mad, Mde M, Mr, Mons Matth: Mdsl, Mlle MM. Ms., Mst, Mspt (u. ä.) Mst N NB, N.B. Nr., Nro., no N. S. p., p.p. P. pag P., Pr., Prof. P Ct P. M. pp, p P.P., Pp
Pr pr., preuss. pr: addr:
Gebrüder Geheim Graf(en) heilig Heller Herr(n) Herzogliche Durchlaucht Herren ingleichen Ihrer Königlichen Hoheit Jenaische Literaturzeitung Königliche Hoheit mille (tausend) Madame
Monsieur Evangelium des Matthäus Mademoiselle Messieurs Manuskript(e) Minister Nummer; Nota Notabene (merke wohl); auf Adressen Abkürzung für beiliegende Wechsel bzw. Wertpapiere Nummer, Nummero Nachschrift usw. Page (Seite) Pagina (Seite) Professor Preis Courant (Preisliste) Pro Memoria (zur Erinnerung) Perge, perge (lat.): fahre fort; und so weiter Praemissis Praemittendis (mit Vorausschickung des Vorauszuschickenden; Überschrift von Zirkularen und dergl.) Prinz, Prinzessin; Professor preußisch per Adresse 1351
Kommentar
Prgt. Pergament proC Prozent proCagio Prozent Agio (Aufgeld) P. S. Postskriptum R. Rat Rec: Rezension Sec. Seculum s/m sur main (am Main) sig signiert sog. sogenannt Sr Signor St. Stück Stud., Studios. Studiosus T, Th Teil Tom. Tomus (Band) Tt., Titl. Titulus (Titel) u. und u. a. und andere u.d.g., u*.d.gl. und dergleichen u.d.g.m und dergleichen mehr usw, u.s.w. und so weiter v von v.M. vorigen Monat(s) Wohlgeboh. Wohlgebohren z. B. zum Beispiel 7b, 7ber, 7bre September 8ber, 8bre Oktober 9bre November xbris, Xbre, Xber Dezember 2 (Formatangabe) Folio 4 (Formatangabe) Quart 8 (Formatangabe) Oktav 12 (Formatangabe) Duodez Weitere, zumeist weniger gebräuchliche Abkürzungen sind in den Erläuterungen zu den Briefen aufgelöst.
1352
Abkürzungen und Zeichen in den Texten
Maße, Münzen, Gewichte
£ Batzen Carolin(s) Ct, Cour. d Elle f, F, fi, fl f24.Fuß
frcs. Frd’or, fr dor F. g, gl gg, ggl, ggr Gld h K, kr Laubthaler Ld’or, Lsdr Liv, Livres Loth, lt Meile pf Quentchen R,r*, rt*,rth S Sols
Pfund Oberdeutsche Münzsorte (meistens 4 Kreuzer oder 16 Pfennige) frz., auch süddeutsche Goldmünze(n) (1 Carolin = 11 Gulden = 5,5 Reichstaler) Courant, Kurant (gewöhnliche Münze, Umlaufgeld) Denarius (Pfennig) 66,694 cm Florin (frz. Bezeichnung des Guldens) 24-Guldenfuß (Vereinbarung deutscher Staaten von 1776, derzufolge die kölnische Mark fein Silber zu 24 Gulden ausgeprägt wurde) Franc(s) (frz. Münze) Friedrichsd’or (preußische Goldmünze = 5 Reichstaler) Fuß (31,385 cm) Groschen (Silbermünze zur Stückelung von Talern und Gulden; 1⁄24 Reichstaler) Gute Groschen (24 = 1 Reichstaler) Gulden (Silbermünze; 60 Kreuzer) Heller (Münze; 576 Heller = 1 Reichstaler) Kreuzer (kleine Scheidemünze, nach dem Kreuz im anfänglichen Gepräge; 4 Pf.; 4–8 Heller) frz. Silbermünze (Bild des Königs und Wappen von zwei Lorbeerzweigen umgeben) Louisd’or, frz. Goldmünze (24 Livres) frz. Fünffrankstück (seit 1796) Zweiunddreißigster Teil eines Pfundes (etwa 16 Gramm) 7,532 km (deutsche Meile) Pfennig(e) Vierter Teil eines Lots (etwa 4 Gramm) Reichst(h)aler (deutsche Silbermünze und preußische Einheitsmünze; 24 Groschen oder 90 Kreuzer; Verhältnis zum Gulden 3:2) Sou(s) (frz. Kupfermünze, seit 1791 aus Glockengut und Eisen) ältere Bezeichnung des Sous
1353
Kommentar
stb, stbr thl. x, xr
Stüber, niederrheinische (auch niederländische) Münze; 1½ Kreuzer oder 1½ Pfennig; 20 Stüber = 1 Gulden (Reichs)T(h)aler Kreuzer (vgl. K, kr)
1354
Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis Abegg 1976
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Kommentar
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Kommentar
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[Bettina von Arnim,] Clemens Brentano’s Frühlingskranz aus Jugendbriefen ihm geflochten, wie er selbst schriftlich verlangte. Charlottenburg 1844. B 1848 Bettina Arnim, Ilius Pamphilius und die Ambrosia. 2 Bde. Leipzig 1848. Baggesen 1978 Der Karfunkel oder Klingklingel-Almanach. Ein Taschenbuch für vollendete Romantiker und angehende Mystiker. Auf das Jahr der Gnade 1810. Hg. von [Jens] Baggesen. Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1809. Hg. und mit einer Einführung von Gerhard Schulz. Bern u.a. 1978. Bang Kaup 1908 W[ilhelm] Bang Kaup, Parentalia. Grundlagen zu einer Geschichte der Bangen. Loewen 1908. Barth 2008 Thomas Barth, »Wir sind unnütze Knechte«. Die Familie Westerholt in Regensburg und ihr Beitrag zur bayerischen Kulturgeschichte. Regensburg 2008. (Katalogband zur Ausstellung in den Museen der Stadt Regensburg, Historisches Museum, 19. Dezember 2007–30. März 2008.) Bassewitz 1851/52 [Magnus Friedrich von Bassewitz,] Die Kurmark Brandenburg im Zusammenhang mit den Schicksalen des Gesammtstaats Preußen während der Zeit vom 22. Oktober 1806 bis zum Ende des Jahres 1808. Von einem ehemaligen höheren Staatsbeamten. 3 Bde. Leipzig 1851/52. Battonn 1864 Johann Georg Battonn, Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main. Aus dessen Nachlass hg. von dem Vereine für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt a.M. durch L. H. Euler. Drittes Heft. Frankfurt/M. 1864. Baumgart 1999 Hildegard Baumgart, Bettine Brentano und Achim von Arnim. Lehrjahre einer Liebe. Berlin 1999. Bautz 1975 ff. Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Begründet und hg. von Friedrich Wilhelm Bautz. Fortgeführt von Traugott Bautz. Hamm (später Herzberg, Nordhausen) 1975 ff. Beaulieu-Marconnaÿ Carl von Beaulieu-Marconnaÿ, Karl von Dalberg und 1879 seine Zeit. Zur Biographie und Charakteristik des Fürsten Primas. 2 Bde. Weimar 1879. Beaumarchais 1785 Caron von Beaumarchais, Der lustige Tag oder Figaro’s Hochzeit. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. [Übersetzt von Friederike Helene Unger.] Berlin 1785.
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Kommentar
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ZUM BRIEFWECHSEL 1796 –1811
1796 1.
An Peter Anton Brentano in Frankfurt Fritzlar, 4. April 1796, Montag
B: –. A: –. Besonderheiten: Bs frühester Brief steht in dem 1840 erschienenen Buch Die Günderode: in einem Brief Caroline von Günderrodes an die Jugendfreundin, der lediglich darin überliefert ist. Der Kontext des Briefes im Buch lautet: Die Ursache, warum der Streit angegangen war über Dich, war
ein Brief von Dir, den Du im achten oder neunten Jahr, kurz vor Deines Vaters Tod aus dem Kloster an ihn geschrieben hattest, und der Deinen Vater sehr gefreut haben soll, so daß er ihn in seiner Krankheit oft gelesen, St. Clair hatte ihn vom Clemens, der ihn aufbewahrt, abgeschrieben, und sagte in diesem Brief läge Deiner ganzen Anmuth Keim. Das wollte die Lotte nicht zugeben, und meinte es sei lächerlich, nur ihn als Brief zu rühmen, der Clemens verdrehe Dir den Kopf. Der Brief lautete wie folgt, da magst Du Dich selbst beurteilen: / 〈…〉 / Was mich verstimmte, war, daß die Lotte den Brief fortwährend mit gellender Stimme vortrug, und die Dummheit eines achtjährigen Kindes und die Liebe des verstorbenen Vaters nicht schonte, ich warf dem St. Clair vor, daß er ihn herausgegeben hatte, ach! sagte er, ich hab’s schon hundertmal bereut. (B 1840, Bd. I, S. 212 f.) Daß der Bruder Clemens dem hessen-homburgischen Regierungsrat und Hölderlin-Freund Isaak von Sinclair gestattet habe, den Brief abzuschreiben, ist nicht belegt. Auch die Mitteilung Bs im Antwortbrief des Buches, Sinclair habe den Brief von ihr erhalten, weil er ein Andenken von ihr haben wollte (B 1840, Bd. I, S. 226 f.), läßt sich nicht verifizieren. Zwar waren Clemens und Sinclair im September 1806 im Frankfurter Brentano-Haus miteinander bekannt geworden; es gibt jedoch keine authentische Äußerung darüber, ob auch B damals Sinclair kennenlernte. In ihrem letzten Briefbuch, Ilius Pamphilius und die Ambrosia, erwähnt B den Brief, den ich in meinem sie-
benten〈!〉 Jahr an meinen Vater aus dem Kloster geschrieben hatte und den ein junger Mann, der in Deutschland eine Revolution stiften wollte, als Reliquie aufbewahrte, weil er mir die Revolutionsfahne zudachte (B 1848, Bd. II, S. 176). D1: B 1840, Bd. I, S. 213. DV: D1.
1427
Zu Nr. 1
Erläuterungen 2 Jabot] Hemdkrause. 6 1796 am 4ten April.] Bs elfter Geburtstag, nicht der achte oder neunte, wie die Günderrode schreibt.
*2.
Von Kunigunde Brentano nach Fritzlar Frankfurt, vmtl. September 1796
B: –. A: Nr. 3. Datierung: Die ältere Schwester Kunigunde, die im Frühjahr 1794 zusammen mit B und der jüngeren Lulu dem Pensionat der Ursulinen in dem kurmainzischen Fritzlar zur Erziehung anvertraut worden war, hatte von dort im Herbst 1796 in das Frankfurter Brentano-Haus zurückkehren dürfen (vgl. Schellberg/ Fuchs 1942, S. 10) und wird bald nach ihrer Ankunft geschrieben haben.
3.
An Kunigunde Brentano in Frankfurt Fritzlar, 7. November 1796, Montag
B: Nr. *2. A: –. H: SPK/NS 6/1. – Format: 1 Bl. ca. 188 × 114 mm; 1r beschr.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: D &. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, darunter: Nr 1 | 1v Stempel:
STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 10 (Nr. 1). DV: H.
Veränderungen 9
neuichkeit] danach gestr. t
1428
Zu Nr. 4
Erläuterungen 1
Fritzlar] Vgl. Nr. *2. 1797
4.
An Kunigunde Brentano in Frankfurt Fritzlar, 27. Februar 1797, Montag
B: –. A: –. H: SPK/NS 6/1. – Format: 1 Dbl. ca. 170 × 105 mm; 1r beschr.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer, vmtl. nachträglich 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Derb, gerippt, 2v verschmutzt, roter Siegelrest. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, darunter: Nr 2 | 1v Stempel:
STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 10 (Nr. 2). DV: H.
Veränderungen 5
forgegangen] forge aus voran
Erläuterungen 4 5
seit dem du fort bist] Vgl. Nr. *2. Merezelatrisse] Mère Cellatrice, die Zimmermutter des Klosters.
1429
Zu Nr. 5
5.
An Sophie Brentano in Frankfurt Fritzlar, 27. Februar 1797, Montag
B: –. A: –. H: SPK/NS 5. – Format: 1 Bl. ca. 176 × 105 mm; 1r beschr.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Ränder links und rechts abgerissen, arR roter Siegelrest. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, darunter: (Nr 1) | 1v Mitte Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 10 f. (Nr. 3); Faksimile ebd. nach S. 16. DV: H.
Veränderungen 3 3
6.
hast] t aus 〈x〉 weil] l aus 〈x〉
An Kunigunde Brentano in Frankfurt Fritzlar, 21. April 1797, Freitag
B: –. A: –. H: SPK/NS 6/1. – Format: 1 Bl. ca. 190 × 171 mm; 1r beschr.; 3x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig. – WZ: MF. Beilagen: Zeichnungen Bs. (Nicht bekannt.) Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, darunter: Nr 4, aoRr: 4 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 11 (Nr. 4). DV: H.
Veränderungen 12 13
demande] danach gestr. vo Votre] V aus v
1430
Zu Nr. *7
Erläuterungen Übersetzung: Meine liebe Schwester Gundel Ich sehe in Ihrem Brief, dass Sie denken, ich könnte Ihnen meine Skizzen nicht zeigen; aber ich beeile mich, Sie eines Besseren zu belehren hier schicke ich Ihnen drei Exemplare, Sie werden sehen, ob ich Fortschritte gemacht habe, ich bitte Sie, sie Mama zu zeigen ich wünschte Sie hätten die Güte, mir besseres Zeichenpapier zu schicken Sie würden mich unendlich zu Dank verpflichten ich bitte Sie, meinen Schwestern Sophie und Pauline zu sagen, daß ich noch auf die Briefe zum neuen Jahr warte, die Sie mir von ihnen versprochen haben; sagen Sie ihnen, daß ich sehr ärgerlich darüber bin, daß sie mich so lange warten lassen; ich bereite mich auf meine erste Kommunion vor ich glaube, ich werde sie an Pfingsten haben ich empfehle mich Ihren Gebeten um die Gnade, daß ich sie gut machen werde das ist die Gunst, die von Ihnen erbittet Ihre Schwester Bettine Fritzlar, den 21. April 1797 10 Pentecôte] Pfingsten war am 4. Juni.
1800 *7.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Frankfurt oder Trages, vmtl. erste Hälfte September 1800
B: –. A: –. Datierung: Der Bruder Clemens war Mitte August 1800 mit Savigny, der eine sächsische Studienreise beendete, vom Studium in Jena nach Frankfurt zurückgekehrt und wandte sich dort B zu, die während ihrer Erziehung bei der Großmutter Sophie von La Roche in Offenbach öfter ins nahe Frankfurter BrentanoHaus kam. Da Savigny den Brief Clemens’ an B, dessen Formulierung zufolge, kannte, ist anzunehmen, daß Clemens ihn während eines Zusammenseins mit Savigny geschrieben hat: entweder beim Aufenthalt Savignys in Frankfurt etwa im ersten September-Drittel oder bei einem anschließenden dreitägigen Aufenthalt auf Savignys Gut Trages bei Hanau (vgl. Datierung von DjBr Nr. 344.K). Terminus ante quem ist Mitte September, als Savigny nach seiner neuen Wirkungsstätte Marburg übersiedelte. Zum Weinen über die Unterschlagung muß es in der zweiten Septemberhälfte gekommen sein: nach Savignys Weggang und bevor Clemens den Brief an ihn mit der Mitteilung über die Konfiskation schrieb.
1431
Zu Nr. 8
8.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt oder Offenbach Frankfurt oder Offenbach, Ende Dezember 1800/erste Hälfte Januar 1801
B: –. A: –. H: FDH 30451. – Format: Dbl. ca. 194 × 122 mm; 1r-2r beschr. Datierung: Um die Jahreswende 1800/01, als Clemens sich von Savigny zurückgestoßen fühlte, wandte er sich erneut und wohl noch intensiver als im Spätsommer B zu. Nachdem er etwa Mitte Januar 1801 von Frankfurt nach Marburg gereist war, bat er die Schwester Kunigunde in einem zwischen Mitte und 25. Januar geschriebenen Brief, seinen Briefwechsel mit B zu besorgen. Nun möchte er mit dieser eine dauerhafte Beziehung eingehen, von der er hofft, daß sie seine Zukunft begründen werde. Seine einzige Freude bestehe jezt in solchen zarten leicht zu störenden Verhältnißen der Liebe (DjBr Nr. 378); auf der fortdaurenden Liebe Bs beruhe ihm eine
sehr schöne, ja fast die einzige außerlich freudige Aussicht, 〈s〉einer einfachen Zukunft (ebd.). Zwischen Stellen des Briefes an B und denen des
Briefes an Kunigunde gibt es Übereinstimmungen, vor allem ist die Grundstimmung im Brief an Kunigunde sehr ähnlich: Es neigt sich alles zur stillen
Ruhe, zu einem freundlichen Innewohnen in mir, und es ist mir täglich mehr, als bereite ich der Kunst in meiner Brust, einen freundlichen Auffenthalt (ebd.). Gerade zu jener Zeit begann der Original-Briefwechsel, der dem 1844 erschienenen Buch Clemens Brentano’s Frühlingskranz zugrunde liegt, und auch der erste Frühlingskranz-Brief hat Parallelen mit dem frühesten bekannten Originalbrief Clemens’ an B. Die Segnung des Winters in diesem Brief paßt viel eher zu einem Dezember/Januar-Schreiben als zu einem sommerlichen. Der Brief kann während eines Aufenthalts Clemens’ bei B in Offenbach oder Bs in Frankfurt oder nach einer Rückkehr Clemens’ von Offenbach in Frankfurt geschrieben sein. Gegen die letzte Annahme spricht die Mitteilung, er sei noch nicht eine halbe Stunde von dir, doch kann die Zeitangabe auch uneigentlich gemeint sein. Der Terminus ante quem ist von der Übersiedlung Clemens’ von Frankfurt nach Marburg bestimmt: etwa Mitte Januar 1801. D1: FBA XXX, S. 330 f. (Nr. 263); datiert: zweite Hälfte August 1800. DV: H.
1432
Zu Nr. 9
Veränderungen 22–28 Geschwistern,] danach gestr. 36 und] danach gestr. do 48 mir.] danach gestr. Sieh
und w
1801 9.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Marburg, vmtl. zweite Hälfte Januar 1801
B: –. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Bl. ca. 207 × 162 mm, 1r beschr.; 1x längs, 3x quer gefaltet. – Papier: Dünn, fleckig. Fremdeinträge: 1r auRl: 1. Datierung: Savigny erhielt das Gebet Bs mit einem vmtl. zwischen 5. und Mitte Januar 1801 geschriebenen Frankfurter Brief Clemens’ (DjBr Nr. 375) und schrieb an sie, nachdem der Bruder etwa Mitte Januar von Frankfurt nach Marburg gekommen war. Aus diesem Datum ergibt sich der Terminus post quem des Briefes. Es ist anzunehmen, daß er noch im Januar geschrieben wurde. D1: Härtl 1979 (Nr. 1), S. 109; datiert: zwischen Januar und Mitte April 1801. DV: H.
Erläuterungen 1 Ihr Gebet] Nicht bekannt. Vgl. Brentano an Savigny, vmtl. zwischen 5. und Mitte Januar 1801: Ich weiß, daß sie gerne Gedichte und solche Sa-
chen sammlen, ich lege es daher abgeschrieben, meinem Briefe bei, es nicht der beste Styl, und ein kleines Verbrechen, daß ich es bekannt mache, aber ich hoffe, daß sie es allein für sich behalten, und bedenken, daß das Mädchen noch ein halbes Kind ist. (DjBr Nr. 375.) 4–6 Clemens wird Ihnen geschrieben haben 〈…〉 wie zweÿ Vögel aus der Luft herunter] Brentano wohnte mit Savigny in einem Haus in der Rittergasse 13, unterhalb des Schlosses mit schöner Ausssicht, das dem Philosophie-Professor Dietrich Tiedemann gehörte. (Vgl. Schnack 1984, S. 347.) Die Aussicht und das Wohlbefinden gehen auch aus Brentanos zwischen
1433
Zu Nr. 9
Mitte und 25. Januar 1801 geschriebenen Brief an die Schwester Kunigunde hervor (DjBr 378). Ein entsprechender Brief Brentanos an B ist nicht bekannt; eine konvergierende Stelle auch nicht im Frühlingskranz.
*10.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt und Offenbach Marburg, vmtl. 25. Februar 1801, Mittwoch
B: –. A: –. Besonderheiten: Da der Briefwechsel zwischen Clemens und B von Sophie von La Roche Ende 1800/Anfang 1801 kontrolliert und unterschlagen wurde (vgl. Brentano an die Schwester Kunigunde, zwischen Mitte und 25. Januar 1801; DjBr Nr. 378), sollte Kunigunde die Briefe des Bruders unmittelbar an B übermitteln. Datierung: Analog Brentanos Brief an Kunigunde, vmtl. 25. Februar 1801 (DjBr Nr. 400).
*11.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt und Offenbach Marburg, vmtl. 26. März 1801, Donnerstag
B: –. A: –. Besonderheiten: Clemens reiste am Dienstag, 31. März, von Marburg nach Frankfurt zurück (vgl. DjBr Nr. 420), also in der folgenden Woche, nachdem er in der Vorwoche der Schwester Kunigunde die Reiseabsicht ironisch mitgeteilt hatte. Datierung: Analog Brentano an Kunigunde, etwa 26. März 1801 (DjBr Nr. 423).
1434
Zu Nr. *13
12.
Vmtl. mit Kunigunde Brentano an Clemens Brentano in Göttingen Frankfurt oder Offenbach, vmtl. erstes Drittel Juni 1801
B: –. A: –. Beilagen: Abschrift eines Textes von Anton Brentano. (Nicht bekannt.) Datierung: In D1 wird über den nicht überlieferten vollständigen Brief mitgeteilt: »Bettine an Clemens. Eigh. Brief an Clemens. O.O.u.D. [um 1800]. 3 Seiten. 80.« Demnach hat B den Brief geschrieben. Doch nicht sie, sondern ihre Schwester Kunigunde erhielt Briefe Ludwig Wielands, die dieser vom Winter bis zum Sommer 1801 aus Bern an sie schickte, nachdem sie ihn im September 1800 in Oßmannstedt kennengelernt und danach in Frankfurt wiedergesehen hatte. (Die Briefe sind nicht veröffentlicht; H: UB Münster, Nachl. Savigny, Nr. 133–140.) Und Ludwig Wieland hatte sich auch bei Kunigunde nach Winkelmann und Brentano erkundigt – in einem ohne Monats- und Jahresangabe datierten Brief vom 24., der in den Mai 1801 datierbar ist. Er schrieb u. a.: Ich bitte Sie mir etwas über Ihren Bruder und seine Freunde W. und M. 〈Winkelmann und Mülmann〉 zu sagen, besonders wo sie sich iezt aufhalten, ich will beyden schreiben. Vmtl. ist das Verfasserschaftsrätsel so zu lösen, daß die Mitteilung über Ludwig Wieland in einem von Kunigunde geschriebenen Briefteil steht, während der Hauptteil des Briefes von B geschrieben wurde. Der Datierung des Ludwig Wielandschen Briefes entspricht das Datum des Geburtstages Antonia Brentanos, der in dem Briefauszug ebenfalls genannt wird: der 28. Mai. B wird den Brief mit Kunigunde bald nach dem Geburtstag geschrieben haben. D1: Kat. Henrici 149, S. 56, Nr. 162; datiert: um 1800.
*13.
An Clemens Brentano in Göttingen Offenbach, etwa 23. Juni 1801, Dienstag
B: –. A: –. Besonderheiten: Beilage zu einem Brief Kunigunde Brentanos an Clemens nach Göttingen vom 23. Juli 1801 (DjBr Nr. 468), mit dem diese auf einen Brief des Bruders (DjBr Nr. 463) reagierte, in dem er sie gebeten hatte, an Sophie Mereau zu schreiben, um eine Versöhnung mit der Geliebten herbeizuführen, die im Sommer 1800 die Beziehung zu ihm abgebrochen hatte.
1435
Zu Nr. *13
Datierung: Analog Kunigunde Brentano an Clemens, 23. Juni 1801 (DjBr Nr. 468).
*14.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt und Offenbach Göttingen, Mitte Juli 1801
B: -. A: -. Besonderheiten: Beilage zu einem Brief Clemens Brentanos an Kunigunde nach Frankfurt von Mitte Juli 1801 (DjBr Nr. 481). Datierung: Analog Clemens Brentano an Kunigunde, Mitte Juli 1801 (DjBr Nr. 481).
15.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Frankfurt, vmtl. zweites oder letztes Drittel September 1801
B: –. A: –. H: BJ Autographa. – Format: 2 Dbl. (I, II); I ca. 236 × 189 mm, II ca. 230 × 187 mm; 1r-4r 7 beschr. S.; je 1x längs und quer in der Mitte gefaltet. – WZ: I: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG | II: –. Fremdeinträge: 1r aoRl: acc.ms. 1894.282, Stempel: PR. ST. BIBLIOTHEK BERLIN | 3r mittig Stempel wie 1r | 4v auRl: acc.ms. 1894.292. Besonderheiten: Dbl. II hat von Dbl. I abweichendes Format und wurde vmtl. später beschrieben. Datierung: Der Brief wurde mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit geschrieben, während Clemens sich bis Ende November 1801 in Frankfurt aufhielt und nachdem er Savigny von dort am 8. September über einen Besuch in Offenbach berichtet hatte, Meline habe den älteren Schwestern unter mancherlei Verkleidungen Comoedie vorgespielt (DjBr Nr. 501). Damit stimmt die Stelle im Brief an B überein: Sieh ich kann mit den Puppen der Meline froh werden, ich kann mich innig über eure Komoedien ergözzen (Z. 80–81). Clemens’ Brief an Savigny von etwa 27. September 1801 enthält eine Mitteilung über die Schwester, die verständlich macht, warum er damals an sie einen theoretisierenden Brief schrieb: Betine war einige Tage bei mir, hat ruhig
neben mir geseßen, geleßen, und begriffen, so natürlich, wie die Muschel Tropfen begreift, die doch Perlen werden, und das Weib, Tropfen 1436
Zu Nr. 15
die Menschen werden, doch ist ein wundersamer kindischer ehrwürdiger Geist in ihr (DjBr Nr. 508). Aufgrund dieser Konvergenzen wird der Brief in das zweite oder letzte September-Drittel 1801 datiert. D1: Schellberg/Fuchs 1939, S. 243–247 (Nr. 103); datiert: »Herbst oder Winter 1801?«. D2: FBA XXX, S. 332–337 (Nr. 264); datiert: vmtl. September 1801. DV: H.
Veränderungen 4 aber] über gestr. und 8 besonders] danach gestr. ihrer 13 Liebe] danach gestr. als 16 denn] danach gestr. alle 18 ihren] n aus m 29 du] danach gestr. 〈xxx〉 31 auf] danach gestr. ehe 34 konnte] über gestr. 〈kennt〉 40 wollen,] danach gestr. und 52 dem] danach gestr. Misbrau 55 haben] üdZ eing. 56 ersparen.] . aus , 59 sind] üdZ 60 Schönen] e aus 〈t〉 61 ja] danach gestr. 〈xxx〉 64 Hier,] neuer Schreibansatz 66 aber] ab aus od | danach gestr. Vera 66 Geringern] danach gestr. 〈xxx〉 66 auch] danach mit schwächerer Tinte 〈xx〉 70 nicht] danach gestr. 〈xx〉 72 in] i aus 〈x〉 75 uns] danach gestr. 〈x〉 84 doch] danach gestr. die 87 Aber] neuer Schreibansatz 89 nicht] danach gestr. jeden 95 Menschen] danach gestr. vorkom 99 Das] s aus ß 99 ist] danach gestr. doch
1437
Zu Nr. 15
109 114 115 115 116 121 123 124 128 130 133 136 140 146 151 153 154 156 162
sie] danach gestr. b ist,] danach gestr. ihm die] üdZ eing. Möglichkeit] danach gestr. versta erscheinen.] . aus , ist] danach gestr. nicht einen] danach gestr. 〈xxx〉 das] s aus ß Das] s aus ß der] r aus 〈x〉 mit] danach gestr. 〈xx〉 ist] danach gestr. aber wollen] erstes l aus 〈x〉 unatürlich] danach gestr. 〈xxx〉 ist] üdZ eing. insofern] sofern aus 〈xxx〉 das] s aus ß ohne] danach gestr. uns hatten,] danach gestr. Buchstabenansatz
Erläuterungen 80–81 Puppen der Meline 〈…〉 ergözzen] Vgl. Stimmen Nr. 28 (1. Absatz). 99–106 Das was wir Leben 〈…〉 nicht Ich.] »Die Ahnung, daß der extremen Subjektivität nichts in der Gesellschaft, ja nichts in der Welt objektiv entspräche, und diese somit auf sich selbst zurückgewiesen sei, ist kein Reflex der Fichteschen Ich-Philosophie. Brentano hat diese zwar gekannt und seiner Schwester Bettine 1801 mit Hilfe des Modells von Ich und Nicht-Ich versucht zu erklären, was das ›Gefühl unsrer selbst‹ ist. Aber diese Fichtesche Konstruktion bleibt ihm nur äußerlich ein logisches Hilfsmittel. 〈…〉 Es zeigt sich vielmehr hier zum erstenmal in der deutschen Bewußtseinsgeschichte die Form der Selbstillumination. Sie ist nicht Resultat relativistischer Theorie: Wenn Kleist erst durch Kants Kritik an der Begründbarkeit transzendenter Aussagen auf die Immanenz seiner Subjektivität zurückgeworfen war, so konnte Brentano diese Isolation allein am Selbsterlebnis seiner Emotionalität erfahren.« (Bohrer 1987, S. 65.)
1438
Zu Nr. *17
Vgl. im zweiten Band des Godwi über eine gewisse Gattung junger Philosophen: Erst stehen sie sehr ernsthaft still, schütteln in tiefen Gedanken den Kopf, schneiden Gesichter, und betrachten das im Schatten, und nennen es zum S e l b s t b e w u ß t s e y n kommen (FBA XVI,284,4–5 und 10–13). 159 gemeinen] Drückt eigentlich
den Begriff der Menge aus, aber mit mancherley Einschränkungen und Nebenbegriffen, vor allem mit dem Nebenbegriffe des Mittelmäßigen oder Schlechten. (Adelung 1793–1801. Bd. II, Sp. 548.)
*16.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Mainz( ? ), erste Hälfte letztes Drittel November 1801
B: –. A: Nr. *17. Besonderheiten: Clemens hatte in der zweiten Novemberhälfte 1801 bei Sophie von La Roche in Offenbach die französische Abenteurerin Louise de Gachet kennengelernt und sie danach gebeten, sich in seinem Sinn um B zu kümmern. In der zweiten Hälfte des letzten Novemberdrittels reiste er von Frankfurt nach Jena. Vor der Abreise wird er B nach Offenbach geschrieben haben, und zwar gleichzeitig mit einem nicht überlieferten Brief aus Mainz an Louise de Gachet (DjBr Nr. *522). Vgl. Clemens im Frühlingskranz an Bettine: Madame d e G a c h e t bringt Dir einen offnen Brief von mir. (B/W II, S. 528.) Datierung: Analog zu einem nicht überlieferten Brief Brentanos an Louise de Gachet aus Mainz (DjBr Nr. *522).
*17.
An Clemens Brentano in Jena Offenbach, Ende November/Anfang Dezember 1801
B: Nr. *16. A: –. Datierung: Nach Clemens’ Brief Nr. *16 und mindestens vier Tage (Beförderungszeit der Briefe von Frankfurt nach Jena) vor seinem Schreiben an Savigny zwischen 5. und 10. Dezember 1801 (DjBr Nr. 532), in dem der vorliegende Brief erwähnt wird.
1439
Zu Nr. 18
1802 18.
An Friedrich Carl von Savigny in Marburg Offenbach, vmtl. erstes Drittel März 1802
B: –. A: –. H: SPK/NS 7/1. – Format: 1 Dbl. ca. 185 × 113 mm; 1r beschr., 2v Adresse. – Papier: Dünn, aoR beschmutzt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 5, aoRr: 1 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 2r aoRr: 2. Datierung: B teilt mit, Clemens habe nur 3mal an sie geschrieben, und dieser legt um den 8. März an die Schwägerin Antonia in Frankfurt einen vierten Brief an B (Nr. *19) bei. Diesen Brief wird B um den 10. März erhalten haben, und da die vorangegangenen Briefe vmtl. bis Anfang März geschrieben wurden und sie den vierten beim Schreiben des ihren noch nicht erhalten hat, wird er im ersten Märzdrittel geschrieben sein. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 13 (Nr. 5); datiert: »vielleicht Offenbach, März/ April 1801«. D2: B/WuB IV, S. 9 (Nr. 1); datiert: »Offenbach, etwa Februar 1802«. DV: H.
Veränderungen 9 geworden] en nachträgl. 14 zeit] danach gestr. g 14 habe] danach gestr. i 15 beispiel] p aus ch 15 nehmen] erstes n aus d
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen B/WuB IV, S. 754–756. 1 Orgelmänner] Drehorgelspieler. 2 die liebe Feuerstunde schlägt] Das Lied eines alten Taglöhners, am Feierabend von Anton Grolzhamer, erschienen in: Musen-Almanach
1440
Zu Nr. 18
für 1787. Hg. von Johann Heinrich Voß und Leopold Friedrich Günther von Goeckingk, Hamburg, S. 121 f.: Die liebe Feierstunde schlägt! Wie sehnt’ ich mich nach ihr. Ach! nun im Schatten hingelegt, Wie schmeckt die Ruhe mir! Es war auch heute gar zu heiß; Und immer floß so hell Von meiner Stirn’ ein Strom von Schweiß Als wär’ im Kopf ein Quell. Was doch der Arme leiden muß, Für Leute die nichts thun, Und erst, vor lauter Ueberfluß, Wohl gar sich müde ruhn. Da sinn’ ich, (ich gesteh’ es euch!) Wohl manchmal her und hin: Warum ich denn nicht auch so reich, Wie diese Leute bin? Dann fällt mir ein: der liebe Gott Fand dieses so für gut; Und dem nur schmeckt sein Stückchen Brod, Der nach der Arbeit ruht. Auch währt nur alles kurze Zeit In dieser Welt, und dann Geht zu der langen Ewigkeit Der Feierabend an. Dann sind wir wieder alle gleich. Das Tagewerk ist aus, Und Alles gehet, Arm und Reich, Um seinen Lohn nach Haus.
1441
Zu Nr. *19
*19.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Marburg, vmtl. 8. März 1802, Montag
B: –. A: –. Besonderheiten: Beilage zu Brentanos Brief an die Schwägerin Antonia von vmtl. 8. März 1802 (DjBr Nr. 589.A). Vgl. Clemens an B im Frühlingskranz: Drei Briefe hast Du, diesen lasse der T o n i lesen (B/W II, S. 587). Die Drei Briefe unbekannten Inhalts sind DjBr als Nr. *569–*571 registriert. Datierung: Analog zum Brief Brentanos an Antonia.
*20.
An Clemens Brentano in Marburg Offenbach, vmtl. zweite Hälfte März 1802
B: –. A: –. Besonderheiten: Von Brentano mit einem nicht überlieferten Brief von etwa 29. März 1802 (DjBr Nr. *595) an Johann Wilhelm Ritter nach Jena geschickt. Datierung: Clemens wird den Brief bald nach Erhalt an Ritter geschickt haben.
21.
Johann Wilhelm Ritter an Clemens und Bettina Brentano in Frankfurt und Offenbach Jena, etwa 20. April 1802, Dienstag
B: Clemens Brentano an Johann Wilhelm Ritter, Mitte April 1802 (DjBr Nr. *612). A: –. H: FDH 7674. – Format: 1 Bl. ca. 185 × 112 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: 1v verschmutzt. – WZ: J WHATMAN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 4. | 1v auRr: 7674. Datierung: Vgl. DjBr Nr. 616. D1: Rehm 1969, S. 350 f. (Nr. 9); datiert: um den 15. April 1802. DV: H.
1442
Zu Nr. 21
Veränderungen 15 24
sogl.] nachträgl. alR von] üdZ eing.
Erläuterungen 3 inwendigen Regenschirmsäuler] Unklar. 6 Mein Brief] An Brentano, vmtl. 7./8. April 1802 (DjBr Nr. 607). 6–7 vehementissime regens 〈…〉 clementissime regens] heftiger (hitziger) Leiter (Regent) – ruhiger (sanfter) Leiter. 8–12 Euer Angebinde 〈…〉 Täschchen] Im Frühlingskranz eine Sammetmütze (B/W II, S. 591). 19–20 Die Goldstücke bleiben mein unveräußerliches Eigenthum] Wie Brentano Mitte April 1802 an Savigny schrieb, hatte er Ritter 4 goldne Denkmünzen zum Versilbern geschickt, die ihm Jakob Friedrich von Leonhardi geschenkt hatte. Vgl. DjBr Nr. 611. 28–29 noch eine Menge Antworten] Folgende Briefe Ritters an Brentano sind nicht überliefert. Erschließen lassen sich jedoch das ihm geschickte Billett für B (Nr. *23) und ein Brief an Clemens von etwa 10. Juni (DjBr Nr. *633). 30 zus.] zusammen. 31 Sie schreiben auch 〈…〉 an mich] Briefe Bs an Ritter sind nicht bekannt und wurden vmtl. auch nicht geschrieben. 32–33 ein Mährchen von Veilchen] Nicht bekannt. 36 (Ueber alles Menschendenken will uns Gott den Frieden schenken.)] Die Sentenz konvergiert mit Goethes Stammbuchvers für Arnim vom 13. März 1806: Consiliis hominum pax non reparatur in orbe (WAA XXXII, Nr. AI.58), von Arnim übersetzt zu Beginn seines Briefes an Goethe von etwa Mitte Mai–Anfang Juni 1806: Nicht durch Menschen wird der Frieden wiedergewonnen (WAA XXXII, Nr. 454). Eine Quelle des Goetheschen Spruches konnte bisher nicht ermittelt werden. Sollte Goethe von Ritter – eher indirekt – angeregt worden sein?
1443
Zu Nr. *22
*22.
An Clemens Brentano in Marburg Offenbach, vmtl. zwischen 7. und 9. Mai 1802, Freitag und Sonntag
B: -. A: –. Datierung: Aufgrund von Brentanos Mitteilung in seinem vmtl. zwischen 10. und 12. Mai 1802 an Arnim geschriebenen Brief (DjBr Nr. 624), er habe gestern einen Brief Bs erhalten. Ihr in Offenbach geschriebener Brief wird zwei Tage nach Marburg unterwegs gewesen sein.
*22a. Von Clemens Brentano nach Offenbach Marburg, vmtl. zwischen 9. und 11. Mai 1802, Sonntag und Dienstag B: Nr. *22. A: Nr. 22.b. Datierung: Aufgrund von Brentanos Mitteilung an Arnim in seinem vmtl. zwischen 10. und 12. Mai 1802 an Arnim geschriebenen Brief (DjBr Nr. 624), er habe B einen Tag vor Erhalt von dessen Brief vom 4. Mai geschrieben. Keine Angabe zum Inhalt.
*22b. An Clemens Brentano in Marburg Offenbach, etwa 20. Mai 1802, Donnerstag B: Nr. 22.a. A: –. Datierung: Aufgrund der Mitteilung der Günderrode in ihrem Brief an Brentano vom 19. Mai (DjBr Nr. 626), B werde deren Brief einschließen. B wird den Brief der Freundin von Frankfurt nach Offenbach mitgenommen oder dort bekommen und mit einem eigenen nach Marburg geschickt haben. Keine Angabe zum Inhalt.
1444
Zu Nr. 25
*23.
Von Johann Wilhelm Ritter nach Koblenz Jena, vmtl. erste Hälfte Juni 1802
B: –. A: –. Besonderheiten: Von Brentano mit Nr. 27 an B nach Offenbach geschickt. Datierung: Da Brentano das Billett im letzten Junidrittel an B schickte, wird angenommen, daß Ritter es in der ersten Junihälfte an Brentano geschickt hat.
*24.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Koblenz, etwa Mitte Juni 1802
B: –. A: Nr. *26. Datierung: Brentano war am 9. Juni mit Arnim von Bingen nach Koblenz gereist. Von dort schrieb er Savigny erstmals am 22. Juni (DjBr Nr. 639). Der original nicht überlieferte Brief an B, dessen Inhalt sie Savigny übermitteln soll, muß zuvor geschrieben sein. Das ergibt sich auch aus der Mitteilung, daß Arnim (der am 19. Juni weiterreiste) noch in Koblenz ist. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 14 (Nr. 6); datiert: Juli 1802. D2: B/W II, S. 953; datiert: etwa Mitte Juni 1802.
25.
An Friedrich Carl von Savigny in Marburg Offenbach, zwischen Mitte und etwa 20. Juni 1802
B: –. A: –. H: SPK/NS 7,1. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 188 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet, nachträgl. 1x quer gefaltet. – Papier: 2v verschmutzt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß; roter Siegelrest. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 6, aoRr: 3 | 1v auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 2v aoRr: 4. Datierung: Bald nach Erhalt von Nr. *24. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 14 (Nr. 6); datiert (Brief Brentanos): Juli 1802. D2: B/W II, S. 953; datiert (Brief Bs): etwa Mitte Juni 1802. DV: H.
1445
Zu Nr. 25
Veränderungen 11 15 17 21 25 25 30 31 36 40
kann] k aus g Leben] L aus G erleichterung] ei aus en wer] danach gestr. schp gebacken] danach gestr. habt ward] danach gestr. ein das] s aus ß meinem] erstes m nachträgl. idZ wird] danach gestr 〈xx〉 Marbourg] darunter gestr. Marbourg
Erläuterungen 3–4 meine Jugend 〈…〉 umfing] Brentano, in Ehrenbreitstein (gegenüber Koblenz) geboren, wurde dort 1784–1786 mit seiner Schwester Sophie von der Tante Luise Möhn erzogen, besuchte 1787–1790 das Koblenzer Jesuitengymnasium und hielt sich Ende 1793 nochmals etwa vierzehn Tage in Koblenz bei dem Syndikus Dionysius Korbach auf. Damals entstand das auf die Tochter Anna Maria Josepha Korbach bezogene Gedicht (Härtl 2003a):
1. Im achten Jahre sah ich sie zum erstenmal (ich liebte früh) gleich riß der Liebe Taumelsinn mich in den süßen Stürmen hin 2. Ich liebte sie wie Kinder lieben Ich folgte meinen süßen Trieben Und stahl mir manchmal einen Kuß Doch dießes bracht’ mir nur Verdruß 3. Drei Jahre lang gieng dies so fort Ich sah sie hier, bald wieder dort Aus Furcht, mit einen Korb nach Haus zu gehn Konnt’ Aennchen ich es nie gestehn 〈…〉
1446
Zu Nr. 27
5 die Geliebte 〈…〉 Freundes hier] Benedikta Korbach, Schwester von Brentanos früherer Koblenzer Jugendliebe, war die Braut von Franz de Lassaulx. 10 Bürger Scheidel. Firmungstraße] Brentano wohnte bei dem Gastwirt Philipp Scheidel. Die Straßen von Coblenz sind ziemlich regelmäßig an-
gelegt, hell und heiter. Die längste darunter vom R h e i n t o r bis zur M o s e l b r ü c k e ist auch zugleich die schönste. Sie erhält verschiedene Benennungen, die F i r m u n g s g a s s e , der E n t e n p f u h l und a l t e G r a b e n . (Klebe 1801–1802, Bd. II, S. 103 f.)
*26.
An Clemens Brentano in Koblenz Offenbach, zwischen Mitte und etwa 20. Juni 1802
B: Beginn von Nr. 25. A: Nr. 25.7. Datierung: Zwischen Bezugs- und Antwortbrief vmtl. vor dem Wiedersehen Bs mit Arnim um den 20. Juni in Frankfurt. Darüber berichtete B dem Bruder mit Nr. *28.
27.
Von Clemens Brentano nach Offenbach Koblenz, letztes Drittel Juni 1802
B: Nr. *26. A: –. H: StB Mainz 40 Ms 86–9. – Format: 1 Dbl. ca. 227 × 196 mm; 1r-2v 3¾ beschr. S.; 3x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: AuR im Falz eingerissen; Bl. 2 in der Querfaltung eingerissen und mit Papierstreifen geklebt. – WZ: I HO-
NIG & ZOONEN. Beilagen: Nr. *23. Fremdeinträge: 1r aoRl: 712, daneben: N 1 | 2v auR: 40 Ms 86–9 | 2v mit Tinte unter dem Briefschluß Notiz Bs während der Arbeit am Frühlingskranz: in Coblenz als er zurückblieb wegen seiner liebschaft Benedickt-
chen Korbach / Arnim hat ihn dort verlassen ist zurückgekehrt von da nach England (letztes Wort gestr., darunter: vielleicht). Besonderheiten: Weitgehende Übereinstimmung mit einem Frühlingskranz-Brief Bs (B/W II, S. 642–646); die leichten Änderungen – insbesondere laxer, paradoxer und religiöse Neigungen andeutender Formulierungen – sind gleichwohl wesentlich.
1447
Zu Nr. 27
Datierung: Als Terminus post quem gilt der 19. Juni, weil Arnim, dem Clemens nachtrauert, etwa an diesem Tag von Koblenz abreiste. Da Clemens’ neue Bekanntschaft mit Gritha Hundhausen, zu der es Ende Juni kommt, noch nicht erwähnt wird, Clemens vielmehr zu B zurückkehren will, bildet das Monatsende den Terminus ante quem. Ein weiteres Kriterium sind die Entsprechungen zu dem datierten Brief Clemens’ an Savigny vom 22. Juni (DjBr Nr. 639). D1: Kat. Henrici 149, S. 55, Nr. 159 (TD); datiert: »ca. 1801?«. D2: B/W II, S. 953–956; datiert: nach Mitte Juni 1802. D3: FBA XXX, S. 337–342 (Nr. 182); datiert: um den 22. Juni 1802. DV: H.
Veränderungen 16–17 Handeln,] danach gestr. 〈xx〉 17 daß] über gestr. weil 18 das] s aus ß 21 das] s aus ß 40 du sollst] über will (gestr.) mich (nicht gestr.) den (gestr.) 47 wo?] ? aus , 51 Du] D aus d 54 gefunden,] vor g nicht gestr. e 62 mich,] danach gestr. zu 〈xxx〉 65 dir.] . aus , 71 ich] danach gestr. dich 89 liegt so eng und bang] unter gestr. in dem Herzen 99 Verstoße] V aus 〈v〉 102 O Liebes Ziel] darüber gestr. O Ziel so n 109 mein Looß,] unter gestr. im Sch
Erläuterungen 3 in der franz* Republik] Das linke Rheinufer war im Frieden von Lunéville (9. Februar 1801) vom Deutschen Reich an Frankreich abgetreten und in vier Departements gegliedert worden, die am 30. Juni 1802 der französischen Republik gleichgestellt wurden. Koblenz war Hauptstadt des Rhein- und Moseldepartements.
1448
Zu Nr. 27
4 Spizzbuben] Gefangengenommene Mitglieder der Räuberbande des Schinderhannes. Vgl. Brentano an Savigny, 22. Juni 1802 (DjBr Nr. 63 und Erl.). 5–6 in der schlechtesten Welt, die wir haben] Gegen Leibniz’ Rechtfertigung der in der Welt vorhandenen Übel, sie sei die beste aller möglichen Welten (Théodicée I, 8). Vmtl. mit Bezug auf die Verspottung der Leibnizschen Theorie in Voltaires philosophischem Roman Candide ou l’Optimisme, auf den Brentano sich bereits 1797 in einem Brief an seinen Jugendfreund Heinrich Remigius Sauerländer bezogen hatte (DjBr Nr. 170). 9–10 Alles Gegenwärtige ist mir nur der Stiel 〈…〉 anfaße] Vgl. Brentano an Arnim, etwa 15.–20. Februar 1806: ich lobe mir das alte Sprüchwort »der Sache einen Stiel finden« (WAA XXXII Nr. 424,172 f.; vgl. Erl. dazu). 25 Lieb und Leid im leichten Leben] Auch in Brentanos Brief an Savigny vom 22. Juni 1802 (DjBr Nr. 639) sowie im Frühlingskranz (B/W II, S. 643–644). 53 zufrieden mit 〈…〉 einer Butterschnitte] Vielleicht Reminiszenz an eine Episode in Wilhelm Meisters Lehrjahren, auf die Brentano sich bereits in einem Brief an Savigny vom 8. September 1801 bezog. (Vgl. DjBr Nr. 501 und Erl.) 56 Webstuhl der Zeit] In Goethes 1790 erschienenem Faust-Fragment (V. 155). 59–62 Im Sandrart steht ein Kupfer 〈…〉 an diesem Pünktchen, sucht mich] Joachim von Sandrart veröffentlichte 1675–1679 in Nürnberg das Hauptwerk des Barock über die bildenden Künste: L’Academia To-
desca della Architecture, Scultura et Pictura. Oder Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste. Darin Bd. II, Teil 2, Nr. 30 ohne Unterschrift die von Brentano beschriebene Abbildung nach einer antiken Venus-Statue. (Vgl. B/WuB I, S. 1065.) Vgl. in Schleiermachers Reden Über die Religion (1799): 〈…〉 muß man eine Sache nicht von
einem Punkt außer ihr, sondern von ihrem eignen Mittelpunkt aus und von allen Seiten in Beziehung auf ihn betrachtet haben 〈…〉 ist das Unendliche 〈…〉 wie das Merkzeichen am Ende einer Rennbahn nur der Punkt, um welchen sie 〈die Seele〉 sich, ohne ihn zu berühren, mit der größten Schnelligkeit herumbewegt (Schleiermacher/KGA I, Bd. 2, S. 255 f.). 65 Meine liebe hier] Zu Benedikta Korbach. Vgl. Nr. 25,4–8. 67 ich bin früher wieder bei dir] Brentano, der Ende Juni Gritha Hundhausen kennenlernte, kehrte erst nach Mitte Juli nach Frankfurt zurück.
1449
Zu Nr. 27
77 Am Rheine schweb ich her und hin] Die erste Strophe auch in Brentanos Brief an Johanna Kraus von vmtl. 1. Juli 1802 (DjBr Nr. 643). 92 tauget] frankfurtisch (tauchet).
*28.
An Clemens Brentano in Koblenz Offenbach, etwa 25. Juni 1802, Mittwoch
B: –. A: –. Besonderheiten: Brentano schickte den Brief in der ersten Julihälfte 1802 an Arnim. (Vgl. WAA XXXI, zu Nr. *235, AI.13.) Datierung: B schrieb den Brief an den Bruder nach Arnims Abreise von Frankfurt (etwa 22. Juni), und Brentano erhielt ihn in Koblenz Acht Tage, nachdem Arnim von dort abgereist war, wie er dem Freund Anfang August mitteilte (WAA XXXI Nr. 240,64 f.). Demnach schrieb B ihren Brief, der etwa drei Tage von Offenbach nach Koblenz unterwegs gewesen sein wird, Mitte des letzten Junidrittels.
*29.
An Clemens Brentano in Frankfurt Offenbach, vmtl. 30. oder 31. Juli 1802, Sonnabend oder Sonntag
B: –. A: –. Datierung: B wird den von Offenbach nach Frankfurt gebrachten Brief am selben Tag geschrieben haben, an dem Brentano von dort an Savigny berichtete, er habe ihn eben erhalten, also am 30. oder 31. Juli 1802 (vgl. Datierung von DjBr Nr. 669).
30.
An Friedrich Carl von Savigny in Marburg Offenbach, 31. Juli 1802, Sonntag
B: –. A: –. H: SPK/NS 7/1. – Format: 1 Dbl. ca. 225 × 190 mm; 1r-1v 1¼ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer, nachträglich 1x quer gefaltet. – Papier: Papier-
1450
Zu Nr. 30
verlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ:
C&I
HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 7, aoRr: 5 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 2r aoRr: 6 | 2v aoRl: 6v, unter Adresse: 20. p:. Postzeichen: Portozeichen. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung, Clemens reise Morgen ab. Er brach am 1. August mit seinem Bruder Christian zu Fuß von Frankfurt nach Marburg auf. (Vgl. DjBr Nr. 669.) D1: Schellberg/Fuchs 1942 (Nr. 7), S. 15 f. DV: H.
Veränderungen 7 ich] danach gestr. nicht 8 es] danach gestr. nicht 10–11 Gegend] danach gestr. 〈xx〉t 14 sterben] er aus 〈xx〉 15 ist] üdZ eing. 17 Gematsch] a aus ä 20 wo] danach arR gestr. morgens | ns aus 21 und] aus 〈xxx〉 23 Fenster] r aus n 25 Eitel] E aus e
nds
Erläuterungen
der Brief 〈…〉 über Arnim schrieb] Nr. *28. Sternbald] Ludwig Tiecks Roman Franz Sternbalds Wanderungen. Eine altdeutsche Geschichte (Berlin 1798). 18–23 Marburg 〈…〉 Saal mit Sechs Fenster] Brentano und Savigny wa-
6 8
ren Anfang Mai 1802 in Marburg aus ihrem bisherigen Quartier bei Tiedemann (vgl. zu Nr. 9) in den nahegelegenen Forsthof in der Rittergasse 16 gezogen, unterhalb des Schlosses ebenfalls mit schöner Ausssicht und großem Garten (vgl. DjBr zu Nr. 601). Der Ofenschirm wurde erst im Frühjahr des folgenden Jahres fertig, nachdem Brentano seine Schwester Anfang Februar 1803 gebeten hatte, ihn für sich zu sticken, da Savigny ihn nicht wolle
1451
Zu Nr. 30
(Nr. 39). Am 4. Juni 1803 ersuchte er Savigny, ihm den Ofenschirm als Geschenk für Sophie Mereau von Marburg nach Weimar zu schicken (DjBr Nr. 792). 24 Cristian wird zu ihnen komen] Christian Brentano war Ende Mai 1802 von Grimma, wo er sich bei dem Mathematiker Heinrich August Töpfer mit Mathematik und kantischer Philosophie beschäftigte, nach Frankfurt zurückgekehrt, ging am 1. August mit Clemens nach Marburg und von dort am 30. September mit dem Engländer Henry Crabb Robinson zum Studium nach Jena. 25–26 ob sich wohl der Pfarrer Bang noch meiner erinnert] Johann Heinrich Christian Bang, Pfarrer im Marburg nahen Goßfelden, wird B bei einem Besuch in Frankfurt bzw. Offenbach kennengelernt haben. 26–27 das andere Briefgen] Nicht bekannt, von Savigny?
31.
Mit Clemens und Kunigunde Brentano an Arnim in Genf Frankfurt, 7. Oktober 1802, Donnerstag
B: –. A: Nr. 32. H: BJ/VS 9. – Format: 1 Bl. ca. 185 × 112 mm; 1r-1v beschr.; 1x quer gefaltet. – Papier: Ränder vmtl. beschnitten. Fremdeinträge: 1r aoRl Varnhagen: Bettina Brentano., daneben mit Bleistift: an Arnim, Blattmitte roter Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Alle Unterschriften rot unterstrichen. Besonderheiten: Beilage zu Brentanos Brief an Arnim vom 7./8. Oktober 1802 (WAA XXXI, Nr. 260). Datierung: In seinem Brief an Arnim, dem Brentano den vorliegenden beilegte, berichtet er am ersten Tag über B, sie komme gleich wieder herein, und schreibt dir 〈…〉 geht heute Abend weg (WAA XXXI, Nr. 260,17–42). Sie wird zur Großmutter Sophie von La Roche nach Offenbach gegangen sein und zuvor mit den Geschwistern das Zettelchen (WAA XXXI, Nr. 260,211) geschrieben haben. D1: WAA XXXI, Nr. 260. DV: H.
1452
Zu Nr. 31
Veränderungen 8 klar] k aus g 26–27 gegeben] zweites g aus b 35–36 Lügen habe 〈…〉 gelernt. Gunda] durch eine verweisende Linie auf den darüberstehenden Text Brentanos Ich 〈…〉 Mann ist bezogen.
Erläuterungen 7–8 damit meine Liebe keinen Schatten 〈…〉 wirft] Vgl. Arnim an Brentano, Genf, 22. September 1802: wenn Du hier sässest wie ich am grünen Hoffnungstisch; nur ein Schatten zieht darüber hin, es ist Bettine (WAA XXXI, Nr. 253,406 f.) sowie Brentano an Arnim, 8. Oktober 1802: du hattest
in deinem Briefe gesagt ich sizze an einen grünen Hofnungstisch, Betinens Schatten schwebt drüber hin, darauf spielen Bets Worte wohl an (WAA XXXI, Nr. 260,212–215). 27 blöd sichtig] blöde oder schwache Augen habend (Adelung 1793–1081, Bd. I, Sp. 1082). 30 Schwerenoth] Aus Beschwerde und Not; oft scherzhaft. (Vgl. DWb XV, Sp. 2543 f.) 31–32 daß keine Wahrheit 〈…〉 nur im Tode gesund wird] Anspielung auf Verse von Brentanos Jugendfreund Winkelmann, den Arnim 1801 als Göttinger Dozenten kennengelernt hatte. Sie bilden den Schluß von Winkelmanns Sonett An S…y im zweiten Band von Brentanos Godwi. Allerdings steht in ihnen Schmerz statt Liebe: Ist keine Wahrheit in dem dunklen Leben? / Wird jeder Schmerz im Tode nur gesund? (FBA XVI, S. 570.) Zuvor hatte Winkelmann die Verse am 31. Juli 1801 als Stammbuchblatt für Arnim geschrieben (WAA XXX, Nr. A.43). Arnim meinte im Brief an B vom 14.–19. Juli 1809, er müsse sich zu weilen ganz ernsthaft die vielbelachten Verse Winkelmanns wiederholen (Nr. 610,13–14). Werner Bellmann zufolge (FBA XVI, S. 788) scheint das Verspaar angeregt durch Novalis’ Hymnen an die Nacht: Im Tode ward das ewge Leben kund, / Du bist der Tod und machst uns erst gesund. (5. Hymne; Athenaeum 1798–1800, Bd. III, St. 2, S. 198.)
1453
Zu Nr. 32
32.
Von Ludwig Achim von Arnim an Bettina und Kunigunde Brentano über Marburg und Düsseldorf nach Frankfurt Genf, 18. November 1802, Donnerstag
B: Nr. 31. A: –. H: GMD. – Format: 1 Dbl. ca. 241 × 181 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer in der Mitte gefaltet auf ca. 91 × 120 mm. – Papier: Grau. Dbl. im unteren Drittel eingerissen und mit Papierstückchen geklebt (ohne Textverlust). Bl. 1 aoR Papierverlust (mit Textverlust); 2v roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: Zwischen 1v und 2r unten auf quer aufgeklebtem Zettelchen:
geflickt am / 4. November 1911 / Prof. Dr. Steig. Besonderheiten: Beilage zu Arnims Brief an Brentano vom 18. November 1802 (WAA XXXI, Nr. 271) und wie dieser von Savigny in Marburg am 12. Dezember (DjBr Nr. 709) an Brentano in Düsseldorf geschickt, von wo Brentano die Briefe nach Frankfurt weiterleitete. Vgl. Arnim an Brentano, 18. November 1802: Ich bin so schamroth geworden, daß ich ihnen 〈den Schwestern〉 nichts wieder schreiben kann
als ein Liedchen, lies es erst du kannst es als Antwort auf Dein wunderschönes Herbstlied nehmen, schicke es dann Deinen Schwestern, es kommt im Trauerspiele vor (WAA XXXI, Nr. 271,273–276). Das Herbstlied ist Brentanos Gedicht Die grünen Blätter sind gefallen in seinem Brief an Arnim vom 7./8. Oktober 1802 (WAA XXXI, Nr. 260). Geringfügig verändert und auf zwei Sänger verteilt, nahm Arnim das B und Kunigunde Brentano geschickte Gedicht in sein Heldenlied von Herrmann und seinen Kindern auf, das den ersten Teil von Ariel’s Offenbarungen (1804) bildet. D1: Steig 1913, S. 8 f. D2: Katalog Leo Liepmannssohn, Versteigerung 61. Berlin 1931, S. 53, Nr. 252; TD, kurzer Auszug. D3: WAA XXXI, Nr. 272. DV: H.
Veränderungen 3 18] 1 aus 2 27 dir] i aus e 69 dann] Schluß-n aus m 73 durchschnitten] danach gestr.
hat
1454
Zu Nr. 32
Erläuterungen 73–74 daß alles Lügen 〈…〉 von Winkelmann gelernt] Vgl. Nr. 31,35–36. 77 die grüne Burg] Gut mit geräumigem Herrenhaus vor den Toren Frankfurts, das die Familie Bethmann 1789 erworben hatte und im Sommer befreundeten Familien zur Verfügung stellte; im Bereich des heutigen Grüneburgparks. (Vgl.: Heckmann/Michel 1982, S. 172 f.; Henninger 1993, Bd. II, S. 512–514.) 77 den goldnen Kopf] Das Frankfurter Haus Zum Goldenen Kopf in der Großen Sandgasse mit geräumigen Innenhof. Peter Anton Brentano hatte es 1776 für 27000 Florin von dem Vorbesitzer Friedrich Wilhelm Wichelhausen erworben und bezog es eineinhalb Jahre später, nach einem Umbau, mit seiner Familie, die bis dahin in dem Handelshaus Zum Nürnberger Hof in der Schnurgasse gelebt hatte. – Die Schreibweise variiert bereits in frühen Urkunden zwischen Der Gold(e)ne Kopf und Zum gold(e)nen Kopf. (Vgl. Battonn 1864, S. 271 f.) Mit Kopf ist ein Trinkgefäß gemeint, »kugel- oder halbkugelförmig, mit fusz, vom becher unterschieden 〈…〉 noch im 16. jh. und länger in voller geltung« (DWb XI, Sp. 1744). Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Abb. mit im 19. Jh. veränderten Proportionen (Schaufenster im Erdgeschoß, drittes Vollgeschoß mit geschmücktem Giebel statt bisherigem Mansarddach in: Schellberg/Fuchs 1939, nach S. 48 (und öfter); Schellberg/Fuchs 1942, vor S. 32 (selten); das sonst undeutliche Giebelrelief detailliert Schrey 1926, S. 35. Vgl. Die Frankfurter Altstadt im Internet–Zum Goldenen Kopf/Brentanohaus (www.virtuelle-altstadt.de). 77 Offenbach] Vgl. Clemens an B im Frühlingskranz, Arnims FrankfurtBesuch Anfang Juni 1802 ankündigend: Es wäre schön, wenn Du um die
Zeit in Frankfurt sein könntest, wo nicht! – wo nicht, so bringe ich ihn nach Offenbach! (B/W II, S. 635.)
1455
Zu Nr. *32a
*32a. Mit Kunigunde Brentano an Stephan August Winkelmann in Göttingen Frankfurt, zwischen Mitte und 24. Dezember 1802 B: –. A: –. Datierung: Aufgrund des datierten Belegbriefs.
33.
An Friedrich Carl von Savigny in Marburg Frankfurt, zwischen Mitte und 25. Dezember 1802
B: –. A: Nr 34. H: SPK/NS 7,1. – Format: 1 Bl. ca. 122 × 115 mm; 1r-1v beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Dünn, fleckig. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 9, aoRr: 7 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Besonderheiten: Beilage zu einem nicht überlieferten Brief Kunigunde Brentanos an Savigny. Datierung: Savigny hatte im November 1802 im Frankfurter BrentanoHaus Bs Schwester Kunigunde näher kennengelernt. Nachdem er von Frankfurt nach Marburg zurückgekehrt war, kam es zu einem intensiven Briefwechsel mit Kunigunde, über den B Clemens am 25. Dezember berichtete. Im selben Brief teilte sie mit: Savigny hat mir geschrieben, aber nur ein klein Briefgen in einem Großen an Gunda, eingeschlossen. (Nr. 35,43–44.) Das klein Briefgen Savignys (Nr. 34) beantwortet das vorliegende Schreiben Bs. Beide werden zwischen Mitte und 25. Dezember geschrieben sein. D1: Schellberg/Fuchs 1942 (Nr. 9), S. 18; datiert: Frankfurt, 1803. DV: H.
Veränderungen 2 Sie] S aus s 11 was] danach gestr. uns 12 in] danach gestr. d 13 jeder] danach gestr. der 14 Mitte] danach gestr. ist 23 Kränze] K aus G
1456
Zu Nr. 35
Erläuterungen
Eckstein 〈…〉 zu bedeuten hat] Vgl. Psalm 118,22: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. 13–14
34.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Marburg, zwischen Mitte und 25. Dezember 1802
B: Nr. 33. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 172 × 111 mm; 1r-1v 2 beschr. S., 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. Fremdeinträge: 1r aoR: 3, aoRr: 9, auRl: 2 | 1v aoRr: 10 | 2r auRl: 3 | 2v aoRr:
11. Besonderheiten: Beilage zu einem nicht bekannten Brief Savignys an Kunigunde Brentano. Datierung: Vgl. Nr. 33. D1: Härtl 1979, S. 109 (Nr. 2); datiert: wohl Anfang 1803. DV: H.
35.
Mit Kunigunde an Clemens Brentano in Düsseldorf Frankfurt, 24./25. Dezember 1802, Freitag/Sonnabend
B: –. A: Clemens an Kunigunde Brentano, etwa 19. Januar 1803 (DjBr Nr. 725). H: FDH 7629. – Format: 1 Dbl. ca. 187 × 112 mm; 1r-2v 3¼ beschr. S.; 2x quer gefaltet. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Vielleicht ein Brief Wilhelmine von Günderrodes an Brentano, vmtl. zwischen Mitte Dezember 1802 und 20. Januar 1803 (DjBr Nr. 710). Fremdeinträge: 1r aoRl: 1., aoRr unter Datum: (1802) nach Düsseldorf | 2v auRr: 7629. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 17 f. (Nr. 8); TD (Anteil Bs). D2: Preitz 1964, S. 220; TD (ein Satz). DV: H.
1457
Zu Nr. 35
Veränderungen 3 bist] üdZ eing. 10 Publikum] b aus p 19 mich] ch aus r 49 an] danach gestr. S 51 Freude] aus 〈xxx〉 52 bekommen] b aus d 53 könnte] aus 〈xxx〉
Erläuterungen 8–9 eine Oper 〈…〉 die auf neuJahr aufgeführt wird.] Brentano hatte in Düsseldorf das Singspiel Die lustigen Musikanten geschrieben, doch kam die für den Neujahrstag 1803 geplante Aufführung nicht zustande, weil der Komponist Burgmüller nicht fertig wurde. Erst am 6. April 1803 wurde das Singspiel als eine ganz neue Oper in 2 Akten, die ein Dilettant komponiert habe, uraufgeführt. (Vgl. zu DjBr Nr. 697.A.) 14 die Schwestern von Offenbach abhohlen] Lulu und Meline, die Sophie von La Roche in Offenbach noch zur Erziehung anvertraut waren, nachdem B das großmütterliche Haus verlassen hatte. 19 Arnims Brief] Nr. 32. 21 Briefe an Tony] Vgl. DjBr Nr. 697.A, 712.A. 26 Savigny war nach seiner ReihnReise bei uns] Gegen Ende Oktober 1802. 32 Winkelmann 〈…〉 abgereißt] Winkelmann hatte sich in der ersten Oktoberhälfte in Frankfurt aufgehalten. 37 Galerie] Die Düsseldorfer Gemäldesammlung, 1690 von Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz-Neuburg begründet, in einem eigens für sie geschaffenen Gebäude auch für Bürgerliche leicht zugänglich; 1806 nach München überführt, wo sie den Grundstock der Alten Pinakothek bzw. der Filialgalerie in Schleißheim bildete. 41 Paquetgen] Inhalt nicht bekannt. 41–42 ich schreibe jetzt einen grosen Brief an dich] Vmtl. das Original des Frühlingskranz-Briefes B/W II, S. 696–697 (Incipit: Ich sitze hier schon eine halbe Stunde), den B nach Düsseldorf schreibt und in dem sie mitteilt, sie sei schon vierzehn Tage in Frankfurt.
1458
Zu Nr. *36
42 wie steht es mit dem Portrait] Vmtl. ein von Peter Eduard Ströhling 1790 gemaltes Porträt der Mutter Maximiliane Brentano, das Brentano Ende 1798 Sophie Mereau geschenkt hatte (vgl. DjBr Nr. 226 und Erl.) und das sie, nachdem es zum Abbruch der Beziehung gekommen war, im Dezember 1801 nicht zurückgeben wollte (vgl. DjBr Nr. 531), jedoch ein Jahr später zurückschickte (vgl. DjBr Nr. 708). 43 Savigny 〈…〉 klein Briefgen] Nr. 34. 43–46 in einem Großen an Gunda 〈…〉 ihre Corespondence] Der Briefwechsel zwischen Kunigunde Brentano und Savigny ist nicht bekannt.
1803 *36.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, 26. Januar 1803, Mittwoch
B: –. A: Nr. 37.K. Besonderheiten: Beilage zu einem Brief von Clemens an Antonia Brentano, 26. Januar 1803 (DjBr Nr. 728.A). Vgl. B an Clemens im Frühlingskranz:
Deine Illusionen hüpfen wie die Heuschrecken in Deinem Brief herum; ich weiß nicht welche ich zuerst erwischen soll. – Die aller ledernste Heuschrecke ist mir die, wo Du mich mit Gewalt willst auf den großen Unterschied hinweisen zwischen einem v o r t r e f f l i c h e n W e i b , und einem braven Manne. 〈…〉 Und zweitens – Deine Warnung vor aller männlichen Gesellschaft! Die G ü n d e r o d e sagt zu mir, sie k e n n e k e i n e m ä n n l i c h e G e s e l l s c h a f t , a u ß e r d i e m e i n e . (B/W II, S. 696–697.) Datierung: Zufolge Clemens an Antonia Brentano, 26. Januar 1803, am selben Tag geschrieben: Ich muß Betinen noch einige Worte schreiben und an Mienchen Günterode, und es ist kaum noch 10 Minuten Zeit. (DjBr Nr. 728.A.)
1459
Zu Nr. 37.K
37.K
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar 1803
B: Nr. *36. A: Nr. 39. H: GSA 03/478. – Format: Abgeschnittener Teil eines Blattes ca. 122 × 192 mm; 1x längs gefaltet; 1r; 1v nicht zuzuordnendes Konzept Bs (Incipit: Ich habe Argwohn, ohne etwas arges im Herzen zu haben). – Papier: aoRl großer brauner Fleck. Fremdeinträge: 1v aoRr: A 73,2, auRl: 7. Besonderheiten: Vgl. B an Clemens im Frühlingskranz: Deine Warnung
vor aller männlichen Gesellschaft. Die G ü n d e r o d e sagt zu mir, sie kenne keine männliche Gesellschaft, außer die m e i n e . (B/W II, S. 696.) Datierung: Zwischen Mitte Januar und Ende März 1803 führte Brentano eine
moralische Korrespondens (DjBr Nr. 755) mit seinen Schwestern Kunigunde und B. Letztere wird auf den erschlossenen Brief des Bruders vom 26. Januar bald nach Erhalt reagiert haben. DV: H.
*38.
An Caroline von Günderrode in Hanau Frankfurt, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar 1803
B: –. A: –. Besonderheiten: Die Günderrode hielt sich seit Ende Januar 1803 nicht mehr – im Gegensatz zu B – in Frankfurt auf, sondern in Hanau, wie aus Kunigundes Brief an Brentano vom 29. Januar (DjBr Nr. 731) hervorgeht. Datierung: Vgl. Nr. 37.K.
39.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. zwischen 3. und 7. Februar 1803, Donnerstag und Montag
B: Nr. 37.K. A: Nr. *40. H: FDH 6091. – Format: 1 Bl. ca. 196 × 117 mm; 1r beschr.; Faltung nicht identifizierbar. – WZ: & ZOONEN.
1460
Zu Nr. *40
Fremdeinträge: 1r aoRr: 1801 (1 aus 3) | 1v auRr: 6091. Besonderheiten: 1v B während der Arbeit am Frühlingskranz: Von Marburg nach Frankfurt. Datierung: Kunigunde Brentanos lezter Brief an Clemens (Z. 9–10) war vmtl. vom 29. Januar (Sonnabend; DjBr Nr. 731). Er wird ihn am 31. Januar (Montag) erhalten haben. Der Mittwoch, bis zu dem er B nochmals schreiben wollte, wird nicht bereits der 2. Februar, sondern der 9. gewesen sein. Demzufolge wird er Nr. 39 zwischen 3. (Donnerstag) und 7. (Montag) Februar geschrieben haben. D1: FBA XXX, S. 342 (Nr. 266); datiert: Februar 1803. DV: H.
Erläuterungen 2 sticke deinen Ofenschirm für mich weiter] Vgl. Nr. 30, 30–34 und Erl. 8–9 dir erkläre ich meinen lezten Brief] Da B sich vmtl. über den vorigen Brief des Bruders (Nr. *36) echauffiert hatte. 10 ihr lezter Brief] Vgl. Datierung. 11 altmütterisch] großmütterlich; von Ältermutter (vgl. DWb I, Sp. 270).
*40.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zwischen 5. (Freitag) und Mitte Februar 1803
B: Nr. 39. A: Nr. 41. Datierung: Terminus post quem aufgrund der Annahme, daß der Bezugsbrief frühestens am 3. Februar geschrieben wurde und am 5. Februar in Frankfurt war. Daß B kaum später als Mitte Februar geantwortet hat, läßt sich daraus schließen, daß sie den ihr von Clemens geschickten und für Schwaab bestimmten Rosenkranz (vgl. Brentano an die Schwägerin Antonia, vmtl. 26. Januar 1803; DjBr Nr. 728.A) inzwischen erhalten hat.
1461
Zu Nr. 41
41.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. zweite Hälfte Februar 1803
B: Nr. *40. A: –. H: BJ/VS 35. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 229 × 191 mm; 1r-4r 6½ beschr. S.; 4v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dbl. II alR Mitte Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß; 4v rote Siegelreste. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | C & I HONIG | II: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Varnhagen: Clemens Brentano / an Bettina. / [Gedruckt in »Clemens / Brentano’s Frühlingskranz. / S. 228.], aoRr Stempel: PR. ST. BIBLIOTHEK BERLIN, auRm: Varnhagen: Bettina. | 4r Stempel: PR. ST. BIBLIOTHEK BERLIN. Besonderheiten: Der Brief entspricht weitgehend dem FrühlingskranzBrief B/W II, S. 624–627, doch sind die Abweichungen nicht unerheblich. Postzeichen: 1 Portozeichen. Datierung: Als Brentano den Brief schrieb, hatte er einen Kunigundes, der in das zweite Drittel Februar datiert ist (DjBr Nr. 739), erhalten, denn mit der Bemerkung, diese klage, er schreibe ihr nicht genug (Z. 127–128), spielt er auf den Brief der Schwester an. Als Terminus post quem des Brentanoschen Briefes kann folglich Mitte Februar angenommen werden, da der Brief der Schwester von Frankfurt nach Marburg etwa zwei Tage unterwegs gewesen sein wird. Der Terminus ante quem ist das Monatsende, denn nach Eintreffen des Bschen Bezugsbriefes dürften kaum mehr als zwei Wochen vergangen sein. So kann die Klage Kunigundes über Brentanos ungenügendes Briefschreiben noch nicht lange zurückliegen, und seine Bemerkung, es sei böse, daß Sannchen Huth nicht in Frankfurt bleibe, bezieht sich auf eine Mitteilung im Brief Bs, von der ebenfalls anzunehmen ist, daß Brentano bald darauf reagiert hat. D1: Steig 1892, S. 263–267; nicht näher datiert. D2: Amelung/Ernst 1909, Bd. I, S. 229–235. D3: Härtl 1974, S. 335–339 (21985, S. 297–301); nicht datiert. D4: Seebaß 1951, Bd. I, S. 111–116; datiert: Mai 1802. D5: B/W II, S. 957–961; datiert: etwa Anfang Februar 1803. D6: FBA XXX, S. 343–347 (Nr. 267); datiert: Mitte Februar bis Anfang März 1803. DV: H.
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Zu Nr. 41
Veränderungen 2 Dich] D aus d 3 Lusten] L aus F 4 Einiges] E aus e 4 einen] danach gestr. 〈xxx〉 11 die] üdZ eing. 11 fällt] lt aus t 14 Umarmung] U aus 〈x〉 17 der] aus das 19 solche] danach gestr. Ep 20 Betrachten] B aus 〈x〉 22 die] aus üb 22 hat] ha aus 〈xx〉 23 getraumte] Schluß-s gestr. | danach gestr. Mitleid mit 24 viel] aus 〈x〉i〈x〉 27 deine] danach gestr. Zeit 28 in] n aus m 31 alle] all aus 〈xxx〉 35 dir] aus mei 41 freue] u aus i 41 dich] di aus 〈xx〉 44 Geister^seherinn] Trennung am Zeilenende ohne Silbentrennzeichen 46 miserables] erstes s aus 〈x〉 47 Menschen] Plural-en nachträgl. 48 ist,] danach gestr. so 48 einem] m aus n 49 sich] aus ein 51 daß] ß aus s 54 hilft] i aus ie 59 über über] Wortwiederholung bei Zeilenwechsel 63 Nichts] N aus 〈X〉 | darüber gestr. 〈xxx〉 67 als] a aus 〈x〉 71 dich] danach gestr. 〈x〉 75 sehr] danach gestr. traurig 77 mit] aus von 81 Gönntest] G aus k 81–82 dergleichen.] danach gestr. S 86 mit^leid] Trennung am Zeilenende ohne Silbentrennzeichen
1463
Zu Nr. 41
92 Übereilung] Ü aus 〈X〉 95 besorgen.] . aus , 100 in] danach gestr. Dysseldorf 104 er] aus sie 108 sie] aus er 117 die] i aus e 121–122 heilig] g aus ch 122 nehme] n aus 〈x〉 127 Gundel] danach gestr. dir oft 129 haufigen] h aus e 132 sagen,] danach gestr. 〈xxx〉 134 Umgangs.] danach ca. 60 mm langer Schnörkel
Erläuterungen 3 Lusten] Maskuline Nebenform zu: Lust, Verlangen. (Vgl. DWb XII, Sp. 1329.) 35 Daß dir der Rosenkranz gefällt] Von Brentano bestimmt für den erkrankten Schwaab über die Vermittlung Bs. Vgl. DjBr Nr. 728.A. 38–39 um des Kaisers seinen Bart willen] Redensart. (Vgl. Wander II, Sp. 1098.) 44 Serapfine Hohenacker die Geister^seherinn] Titelgestalt des anonym erschienenen Romans Die Geisterseherin Gräfin Seraphine von Hohen-
acker. Eine Geschichte zu Anfang des vorlezten Jahrhunderts, aus einem Familienarchiv gezogen (3 Bde., Leipzig 1794–1796) von Karl August Gottlieb Seidel. Seraphine von Hohenacker hat Geistererscheinungen, die ihrer melancholischen Gemütsart entsprechen und zum Teil rational aufgeklärt werden. Ihren Glauben an Geister nutzt der Vertraute eines vergnügungssüchtigen Erzbischofs zu einer Gaukelei, durch die sie ihre Unschuld verliert. Der kleruskritische Roman handelt großenteils von der sittlichen Verwahrlosung und Korruption des Erzbischofs und seiner Kamarilla. Daß die Geisterseherei der Seraphine von Hohenacker als Folge einer überspannten Phantasie negativ bewertet wird, geht aus der folgenden Stelle besonders deutlich hervor: Seraphine lebte in dem Umgange der edeln Menzenro-
din und ihrer treuen Josephe wieder auf, jedoch behielt sie die augenblickliche Abwesenheit ihrer Besinnung, das Insichgekehrtseyn und das Verlieren in überirrdische Regionen – und oft mitten in lebhafter Unterhaltung entrückte sie ihre angespannte Einbildungskraft in ganz 1464
Zu Nr. 41
fremde Verhältnisse. Ihr trauriges Schicksal hatte einen zu starken Eindruck auf sie gemacht, und oft verlebendigte sich manche einzelne Scene in so hohem Grade, daß alles Fragen, Erinnern und Zureden den wachenden Traum nicht zerstreuen konnte. / Besonders am Herzen lag ihr ihre Wallfarth. Heinrich hatte die Menzenrodin und Josephen gebethen, alles anzuwenden, diesen Vorsatz zu schwächen, und beide Freundinnen glaubten am sichersten zum Ziel zu gelangen, wenn sie die Ausführung zu verzögern suchten. Allein die Idee war zu lebendig und die Ueberzeugung zu lebhaft, daß sie die Weisung unmittelbar von ihrer Mutter erhalten habe, als daß irgend ein Bewegungsgrund hätte haften können. Doch ließ sie sich gegen vier Monate hinhalten; allein nun erregte ihr ihr zartes Gewissen nicht nur Vorwürfe, sondern ihre lebhafte Einbildungskraft zeigte ihr auch wachend und im Traume ihre Mutter mit unzufriedner und drohender Mine. (Bd. II, S. 340–342.) 66 den 7 Band der neuen Schriften] Der siebente Band (Leipzig 1800) der Neuen Schriften Goethes enthielt seine nach der Ausgabe der Schriften (1786–1790) entstandenen Lieder, Romanzen, Balladen, Elegien, Epigramme und Distichen. 67 Antitodum] Antidotum; Gegenmittel, Gegengift. 68 Müllers Schweizergeschichte] Johannes von Müllers Geschichte schweizerischer Eidgenossenschaft (3 Bde. Leipzig 1786–1795; Bd. 4 und 5/1 folgten 1805 und 1808). 90–91 Auf den Ofenschirm 〈…〉 sehr.] Vgl. Nr. 30,21–24 und Erl. 97 Daß Sanna Hut nicht in Frankfurt bleibt] Die Frankfurterin Susanna Elisabetha Uhden, geb. Huth, verheiratet mit dem preußischen Staatsrat Johann Daniel Wilhelm Otto Uhden, folgte ihrem Mann nach Berlin. Das geht aus einem Brief Johann Isaak Gernings aus Frankfurt an Goethe vom 2. März 1803 hervor, in dem mitgeteilt wird, Uhden werde mit seiner Frau in die preußische Hauptstadt zurückkehren. (Vgl. Goethe/RA IV, Nr. 612.) 99 Loth] Zweiunddreißigster Teil eines Pfundes (etwa 16 Gramm). 103 armen jungen hier 〈…〉 zeichnet] Der Marburger Zeichenmeister Michel, als hilfsbedürftiger vorzüglicher Zeichner auch erwähnt im Frühlingskranz (B/W II, S. 627.) und in Brentanos Brief an Sophie Mereau von vmtl. 25. oder 26. Oktober 1803 (DjBr Nr. 890). 120–121 sei kein Allmein] Anspielung auf die Titelfigur von Friedrich Heinrich Jacobis Briefroman Eduard Allwills Briefsammlung (zweite Umarbeitung 1792; 1775–1776 Erstdruck u. d. T. Aus Eduard Allwills Papieren). Allwill ist ein schwankender Charakter, hochintellektuell und gefühlstief, unsicher und selbstreflexiv, der seine Entscheidungen von seinen
1465
Zu Nr. 41
wechselnden Empfindungen abhängig macht und dadurch seine Geliebte Luzie ruiniert, die ihm u. a. vorwirft, daß er immerwährend die echtesten
Bande der Natur auflöset; wahre, reine Verhältnisse zerstört, um erträumte, schimärische an die Stelle zu setzen (Jacobi 1812, S. 208 f.). 131–133 ich würde ihr nächsten Posttag 〈…〉 zu schreiben 〈〈ver〉〉− sprochen habe] Brentano hatte Antonia Brentano bereits einen entsprechenden Brief in Aussicht gestellt (DjBr Nr. 728.A). Ob er ihn tatsächlich geschrieben hat, ist nicht bekannt.
*42.
An Clemens Brentano in Jena oder Weimar Frankfurt, vmtl. zweite Hälfte Mai/erste Hälfte Juni 1803
B: –. A: –. Datierung: Die Verlobungsaffäre Bs mit Johann Isaak Gerning trug sich im Frühjahr 1803 zu (vgl. Härtl 2008, S. 41–44). B wird den Brief geschrieben haben, nachdem Clemens in der zweiten Hälfte Mai oder ersten Hälfte Juni von Frankfurt nach Jena abgereist war, wo er Sophie Mereau wiederzusehen hoffte. Die Niederschrift ihrer Aufzeichnung erfolgte vmtl. im Herbst 1814 in Wiepersdorf. Vgl. Härtl 2003, S. 84, 95 f. (Nachwort).
*43.
An Clemens Brentano in Weimar Frankfurt, vmtl. Ende Mai/Anfang Juni 1803
B: –. A: –. Datierung: Brentano wird den Brief Bs nicht lange vor der Niederschrift seines Briefes an Savigny vom 8. Juni, in dem er sich begeistert darüber äußert, erhalten haben. Da die Post zwischen Frankfurt und Jena/Weimar vier Tage unterwegs war (vgl. Faselius 1805, S. 154 f.), wurde Bs Brief spätestens am 4. Juni geschrieben. Als Terminus post quem wird Ende Mai angenommen.
1466
Zu Nr. 46
*44.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Weimar, vmtl. 6. oder 7. Juni 1803, Montag oder Dienstag
B: –. A: –. Datierung: Brentanos Brief an B wird etwa gleichzeitig wie seiner an Sophie Mereau, durch den derjenige Bs belegt ist, geschrieben sein: vmtl. 6. oder 7. Juni 1803. Er hatte die Geliebte um den 19. Mai in Weimar wiedergesehen und dann dort näheren Umgang mit ihr, bis beide Anfang Juni nach Jena reisten, von wo er am 6. Juni nach Weimar zurückkehrte, während Sophie Mereau sich noch in bzw. bei Jena aufhielt. (Vgl. Datierung von DjBr Nr. 796.)
*45.
An Clemens Brentano in Weimar Frankfurt, vmtl. Mitte Juli 1803
B: –. A: Nr. 48. Datierung: In einem Frühlingskranz-Brief von Clemens an B vom 23. Juli 1803 heißt es: der Gedanke an Deine zärtliche Angst um mich versetzt uns beide 〈ihn und Sophie Mereau〉 oft in solche Trauer (Nr. 48,5). Im selben Brief schreibt Clemens über Sophie Mereau: Heute Morgen schickte sie mir
beiliegenden Brief an Dich, den sie noch spät in der Nacht in jener hoffnungsvollen liebenden Begeisterung geschrieben hat (Nr. 48,12–14). Das Datum des Frühlingskranz-Briefes dürfte ausnahmsweise authentisch sein, so daß anzunehmen ist, Sophie Mereau habe ihren ersten Brief an B (Nr. 47) am 22./23. Juli nachts geschrieben und damit auf einen Brief Bs an Clemens reagiert, der nicht lange vorher eingetroffen sein dürfte. Da die Briefe von Frankfurt nach Weimar/Jena vier Tage unterwegs waren (vgl. Faselius 1805, S. 154f.), wird B Mitte Juli geschrieben haben.
46.
An Kunigunde Brentano in Schaffhausen( ? ) Frankfurt, vmtl. Mitte Juli 1803
B: –. A: –. H: SPK/NS 2/10. – Format: 1 Dbl. ca. 192 × 114 mm; 1r-3r 2 S. + 1 Z. beschr.; 2x quer gefaltet – WZ: Unterlängen von C & I HONIG.
1467
Zu Nr. 46
Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 10, aoRr: 5 darunter Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 2r aoRr: 6. Datierung: Vgl. Nr. *45. Der Brief wurde geschrieben, nachdem Georg und Marie Brentano am 26. Juni in Frankfurt geheiratet hatten und anschließend in Begleitung Kunigunde Brentanos in die Schweiz gereist waren, wo sie sich zunächst in Schaffhausen aufhielten. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 19 (Nr. 10); datiert: »Wende Juni/Juli 1803«. DV: H.
Veränderungen 2 sollte] aus sage 8 ansprüche] e aus en 19 der] aus die 20 bist] danach gestr. ist 27 Generalbaß] ba aus 〈xx〉
Erläuterungen 2 Sorge um meine Gesundheit] Vgl. Kunigunde an Clemens Brentano, Schaffhausen, 5. Juli 1803: daß Betine 〈…〉 so oft sie Briefe von dir be-
kam, so traurig war. Die letzte Zeit so krank war, daß alles besorgt um sie war, und Niemand die Ursache ihres Trübsinns ergründen konnte (DjBr Nr. 829). 17 indianische Kirsche] Nach zeitgenössischem Sprachgebrauch eine amerikanische Kirsche. 17 Semper florens] Immerblühend; kein spezieller Pflanzenname. Die heute bekannte Begonia semperflorens gab es um 1800 noch nicht. 19 Spanische Pfefer] Paprika (Capsicum annuum). 24 Hauß frau] Antonia Brentano. 27 Generalbaß] Harmonielehre.
1468
Zu Nr. 48
47.
Von Sophie Mereau nach Frankfurt Weimar, 22./23. Juli 1803, Sonnabend/Sonntag
B: Nr. *45. A: –. H: StB Mainz 4°Ms 90–10. – Format: 1 Dbl. ca. 188 × 113 mm; 1r-2v 4 beschr. S; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Verschmutzt, braune Flecke. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 8. | 2v auR: 4°Ms 90–10. Besonderheiten: Beilage zu Nr. 48. Datierung: Vgl. Nr. *45. D1: Kat. Henrici 148, S. 33, Nr. 93 (TD, kurzer Auszug). D2: Hang 1934, S. 49 f.; undatiert. DV: H.
Veränderungen 11 27 27
48.
darf] danach gestr. es das] aus die heiter. –] danach gestr. Und g
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Weimar, 23. Juli 1803, Sonntag
B: Nr. *45. A: Nr. *49. Beilagen: Nr. 47. Besonderheiten: Der nur durch den Frühlingskranz bekannte Brief wird aufgrund inhaltlicher Kriterien (vgl. Erl.) ausnahmsweise als authentisch bewertet. Weitere Frühlingskranz-Drucke werden nicht registriert. Datierung: Vgl. Nr. *45. D1: B 1844, S. 422 f. DV: D1.
1469
Zu Nr. 48
Erläuterungen 3
bei S o p h i e n ] Sophie Mereau wohnte in Weimar bei Mechanikus Kleinsteuber Erfurter Thor, wie aus der Adresse von Brentanos Brief an sie vom 6. November 1803 hervorgeht (DjBr Nr. 898). Sie wohnte demnach in einer Häusergruppe südlich des Carlsplatzes, die nach dem vor der Erfurter Chaussee gelegenen Tor Am äußeren Erfurter Thor hieß. Das waren etwa zehn Minuten von Brentanos Weimarer Wohnung bei Friedrich Majer, der in der Breitengasse wohnte (später Breitenstraße bzw. Friedensstraße, ab 1936 im Rahmen der Baumaßnahmen für das NS-Gauforum abgerissen). 20–21 an S a v i g n y schreiben] Vgl. DjBr Nr. 838. 23–24 hat T i e c k meine Büste für Dich angefangen] Friedrich Tieck, der vom Sommer 1802 bis Frühjahr 1805 in Weimar die Ausführung bildkünstlerischer Arbeiten bei der Umgestaltung des Schlosses übernahm, modellierte während dieser Zeit mehrere Büsten, darunter im Sommer 1803 diejenige Brentanos, nachdem dieser ihn darum gebeten hatte. Sie stellt einen Höhepunkt der Tieckschen Porträtkunst dar. »Das grundsätzlich Neue der Brentano-Büste gegenüber den vorausgegangenen Werken besteht in der Verwendung der völlig unbekleideten Herme.« (Maaz 1995, S. 273.) Vgl. Tafelteil, Abb. 2
*49.
An Clemens Brentano in Weimar Frankfurt, vmtl. 1. August 1803, Montag
B: Nr. 48. A: Nr. *50. Datierung: Brentano erhielt den Brief, dem Frühlingskranz zufolge, heute morgen 〈5. August〉 im Bette 〈…〉 er hat mich aufgeweckt und ich habe ihn gebetet (B/W II, S. 750). Die Frühlingskranz-Datierung ist durch authentischen und erschlossenen Briefwechsel gesichert. (Vgl. Belegbriefe.) Da Briefe von Frankfurt nach Jena/Weimar vier Tage unterwegs waren (vgl. Faselius 1805, S. 154 f.), wird B am 1. August geschrieben haben.
1470
Zu Nr. 52
*50.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Weimar, vmtl. 5. August 1803, Freitag
B: Nr. *49.
*51.
A: –.
An Charlotte Servière in Frankfurt Schlangenbad, vmtl. zwischen Mitte und 25. August 1803
B: –. A: Nr 52. Datierung: B war mit ihrer Schwägerin Antonia Brentano seit Ende Juli 1803 in dem Badeort im südlichen Taunus und wird den Brief dort zwischen Mitte und 25. August 1803 geschrieben haben, spätestens drei Tage vor dem Antwortbrief vom 28. August. Vgl. die Schlangenbad-Briefe des Frühlingskranzes (B/W II, S. 759–775) und Erl. dazu.
52.
Von Charlotte Servière nach Schlangenbad Frankfurt, 28. August 1803, Sonntag
B: Nr. *51. A: –. H: GSA 03/557. – Format: 1 Dbl. ca. 194 × 116 mm; 1r-2v 3½ beschr. S.; 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig. – WZ: & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r auRl: 1 | 2r auRl: 2.
Veränderungen 30 31 33
von] üdZ Quelle] danach gestr. brenn so] s aus z
Erläuterungen 7 Erothyderis 〈…〉 bey euch zu haben] Der Scherzname spielt vmtl. auf die erotischen und literarischen Ambitionen des Erbprinzen (seit 1804 Herzog)
1471
Zu Nr. 52
A u g u s t Emil Leopold von Sachsen-Gotha und Altenburg an, über den B in einem Frühlingskranz-Brief an Clemens schreibt: Hier im Schlangenbad hab ich mit dem Herzog von Gotha viel zu kämpfen, der mir alle Tage von S o p h i e 〈Mereau〉 spricht, er nennt sie seine Erate und gibt mir beiliegenden Streckvers für sie. Ihr werdet es in der Überfülle eures Glückes nicht achten! – warum hat ers auch gereimt und geleimt. (B/W II, S. 760.) 8–10 der Gottseybeyuns 〈…〉 verschlinge] Nach 1. Petrus 5,8. 13–14 Lehonhardi 〈…〉 hier angekommen] Jakob Friedrich von Leonhardi hatte sich früher als B in Schlangenbad aufgehalten und war nach Frankfurt zurückgekehrt. 15 Auf seinen heiteren Wangen] Nicht als Zitat ermittelt. 24 Erotyntgen] Variierter Scherzname. 29 mein alter Karl] Die Zwillingsschwester Paula. 33 Sylphen] Luftgeister.
*53.
An Clemens Brentano nach Weimar Schlangenbad( ? ), vmtl. erstes Drittel September 1803
B: –. A: –. Datierung: Sophie Mereau berichtete dem von Weimar nach Marburg gereisten Brentano noch nicht am 5./6. September (DjBr Nr. 865), sondern erst am 14. den Erhalt des Briefes. Er wird mindestens vier Tage unterwegs gewesen sein.
*53.a An Clemens Brentano in Marburg Schlangenbad( ? ), vmtl. zwischen 3. und 6. September 1803, Sonnabend und Dienstag B: –. A: –. Datierung: Der Terminus ante quem ist durch die Erwähnung in Brentanos erstem Belegbrief an Sophie Mereau vom 8./9. September gegeben, der Terminus post quem durch die Nichterwähnung in seinem Brief an sie vom 4. September (DjBr Nr. 864). Erst danach wird Bs Brief in Marburg eingetroffen sein, und sie wird ihn etwa zwei Tage vorher geschrieben haben.
1472
Zu Nr. 56
*54.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, zwischen 9. und 11. November 1803, Mittwoch und Freitag
B: –. A: –. Datierung: B wird spätestens drei Tage nach der Aufführung von Goethes Stück Die Geschwister in Frankfurt (8. November 1803) an Brentano geschrieben haben. Das kann aus den beiden Belegbriefen geschlossen werden.
*55.
Von Sophie Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. Dezember 1803
B: –. A: Nr. 56. Datierung: Einige Tage, vmtl. höchstens zwei Wochen vor dem Antwortbrief. Vgl. dessen Datierung.
56.
An Sophie und Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. Dezember 1803
B: Nr. *55. A: –. H: FDH 9952. – Format: 1 Bl. ca. 233 × 194 mm; 1r beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1v auRr: 9952. Datierung: Nach der Heirat Brentanos mit Sophie Mereau (29. November 1803); vor der Heirat Wilhelmine von Günderrodes (5. Februar 1804), deren Brautstand mitgeteilt wird, und vor Brentanos Aufenthalt vom 16. bis 25. Januar 1804 in Frankfurt, wo er von dem Brautstand sicher erfahren hätte. Die Nachricht wird sich schon vor Weihnachten herumgesprochen haben. D1: B/WuB IV, S. 10 f. (Nr. 3); datiert: etwa Dezember 1803. DV: H.
1473
Zu Nr. 56
Veränderungen 8 geschrieben] b aus p 10 in] aus ein 17 mächtiger] er idZ 17 ihr] aus der 18 daß er] über gestr. für 19 das sie] über gestr. die er 23 Plates] P aus 〈X〉 26 die Brüder] über gestr. George 26 lassen] aus last
Erläuterungen 26 Brüder] Franz und Georg Brentano. 26–27 Zahlung 〈…〉 in Leibzig] Zu dem Auftrag ist nichts bekannt. 30–31 Mingen Günterod eine Braut] Wilhelmine von Günderrode heiratete den großherzoglich hessischen Staatsminister Karl Baron du Bos du Thil.
57.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. Ende Dezember 1803
B: –. A: –. – Format: »O.O.u.D. 6 Zeilen. Quer 8°.« (D1) Besonderheiten: Vgl. Marie Brentano an Clemens Brentano, 3. Januar 1804: Sie machen Bettinen Hoffnung sie bald zu besuchen (DjBr Nr. 918). Datierung: Da das Billett nach einem Christtag geschrieben wurde und Brentano einen Gruß seiner Frau ausrichtet, kann es nur an einem der Jahreswechsel 1803/04, 1804/05 oder 1805/06 entstanden sein. Daß es derjenige 1803/04 war, ergibt sich aus der Mitteilung über das erwähnte Schattenspiel in Sophie Brentanos vmtl. in der ersten Hälfte Januar 1804 geschriebenem Brief an B (Nr. 58). D1: Kat. Baer 1929, S. 14, Nr. 74; TD; nicht datiert. D2: FBA XXXI, S. 479 (Nr. 434); TD (nach D1) datiert: »An Unbekannt, Heidelberg, nach Weihnachten 1805( ? )«. DV: D1.
1474
Zu Nr. 58
Erläuterungen 2
Schattenspiel] Vgl. Nr. 58,2–8. 1804
58.
Von Sophie Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. erste Hälfte Januar 1804
B: –. A: –. H: StB Mainz 4° Ms 98–11. – Format: 1 Dbl. ca. 186 × 115 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 1x quer gefaltet. – Papier: Grau, fleckig. – WZ: Bekrönter Posthornschild | J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 1 | 2r neben Unterschrift Sophie: Mereau | 2v auR:
4° Ms 98–11. Datierung: Daß der Brief bald nach der Heirat Sophie und Clemens Brentanos im Winter in Marburg geschrieben wurde, ist inhaltlich evident. Aufgrund der Mitteilung, er werde bald zu B kommen, ist eine Präzisierung in die erste Januarhälfte 1804 möglich, da er sich vom 16. bis 25. Januar 1804 in Frankfurt aufhielt. D1: Kat. Henrici 148, S. 33, Nr. 92; TD (kurzer Auszug). D2: Hang 1934, S. 50 f.; datiert: 1803. DV: H.
Veränderungen 7 nun] erstes n aus es 9 Ich] aus 〈xxx〉 11 irgend] i aus s 12 unter denen ich] unter üdZ eing. | denen aus die | ich üdZ eing. 12 hier] danach gestr. se 14 wenigen] danach gestr. aber 16 Unter] aus Von 30 du] aus er | danach gestr. zu
1475
Zu Nr. 58
Erläuterungen 2 ein Schattenspiel] Brentano hatte bereits Mitte März 1803 in Marburg ein Schattenspiel für Claudine Piautaz geschrieben, dessen ernsthafter Teil unter dem Titel Claudia. Am Geburtstage einer Freundin gedruckt wurde und im Frankfurter Familienkreis gespielt werden sollte, wozu es jedoch nicht kam. B übernahm das Gedicht in den Frühlingskranz, aus dem Details der Entstehung und der geplanten Aufführung hervorgehen. (Vgl. B/W II, S. 707–717.) Außer dem Gedicht Claudia ist ein im Zusammenhang damit entstandener scherzhafter Schattenspiel-Text überliefert (FBA XII, S. 879– 908), der zusammen mit dem Gedicht aufgeführt werden sollte. Zu dem von Brentano Anfang 1804 vorgeführten Schattenspiel ist hingegen weder der Text noch ein weiterer Bericht bekannt. 17 Hofräthin] Nicht identifiziert. 24–26 Baum der Erkenntniß 〈…〉 Baum des Lebens] Vgl. 1 Mo 2,9. 29 Clemens kömmt bald zu dir] Vgl. Datierung.
*59.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, 11. Februar 1804, Sonnabend
B: –. A: Nr. 60. Datierung: Aufgrund von Antonia Brentanos Mitteilung an Clemens vom 18. Februar 1804: Bettinen habe ich deine Einlage gegeben und deinen Brief an mich mitgetheilt (DjBr Nr. 936). Demnach lag seinem Brief an die Schwägerin vom 11. Februar einer an B bei. Dieser wird ebenso datiert. Daß es sich bei der Einlage für B um einen Brief handelte, kann aus deren Brief an den Bruder von vmtl. 13./14. Februar (Nr. 60) geschlossen werden.
60.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 13./14. Februar 1804, Montag/Dienstag
B: Nr. *59. A: –. H: FDH 7531. – Format: 1 Dbl. ca. 246 × 195 mm; 1r-2v 3½ beschr. S.; gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild | JDR. Fremdeinträge: 2v auRr: 8195.
1476
Zu Nr. 60
Besonderheiten: Vgl. Clemens an Antonia Brentano, 22. Februar 1804:
Sage Betine, da sie in Verlegenheit zu sein scheine, was sie auf meine Briefe und meine große Liebe zu ihr antworten solle, so wolle ich sie nicht mehr stören, ihr lezter Brief habe etwas Mühsames oder Undeutliges, ohne doch etwas gedachtes zu enthalten, sie thue mir Unrecht, ich sei etwas wehrt, was sie nicht erkennen wolle, und sie werde einstens zu mir zurückkehren. (DjBr Nr. 938.A.) Datierung: Der Bezugsbrief vom 11. Februar wird zwei Tage unterwegs gewesen sein, und da B ihn unmittelbar nach der Lektüre zu beantworten begann, wird sie das am 13. Februar getan haben. Daß sie den Brief am nächsten Tag abschloß, geht aus dem Beginn des dritten Absatzes (gestern) hervor. D1: B/WuB IV, S. 11–14 (Nr. 4); datiert: Februar/März 1804. DV: H.
Veränderungen 10 18 19 38 38 53 66 79
so] über gestr. 〈xx〉 hat] üdZ aufbewahren] nach auf gestr. ge Schooße] aus 〈xxx〉 tragt] über gestr. 〈xxx〉 ganz] üdZ eing. nicht] danach gestr. 〈xx〉 vor] danach gestr. 〈xx〉
Erläuterungen 3 Büste, die hier vor mir steht] Nachdem die Tiecksche Brentano-Büste (vgl. Nr. 48,23–24 und Erl.) fertig geworden war, schrieb Clemens zwischen 16. und 21. August 1803 an Arnim: Er hat meine Büste für Betinen ge-
macht, wie ähnlich, und doch nur wie ich aussehen würde, wenn ich das Ziel meiner Kunst erreicht hätte, es ist mir ein Trost für die Möglichkeit, daß ich so aussehen kann (WAA XXXI Nr. 319,167–170). Als die Büste um den 21. Oktober 1803 endlich in Frankfurt eintraf, berichtete der dort anwesende Clemens sogleich Sophie Mereau, wie die Schwester darauf reagierte: Betine hat sie so lange angesehn, biß sie weinte, Sie nehmlich,
1477
Zu Nr. 60
und nicht die Büste. – und hat sich mit in ihre Stube eingeschloßen, und da ich wieder hinein kam, hatte sie die Büste mit allen ihren Blumenstöcken umgeben. (DjBr Nr. 888.) 37 Liebling des Herrn] Anspielung auf den Jünger Johannes, der beim Abendmahl an der Brust Jesu lag (vgl. Jh 13,23–25).
*61.
Von Kunigunde Brentano nach Frankfurt Trages, vmtl. Anfang April 1804
B: –. A: –. Datierung: Aufgrund der Mitteilung Bs in ihrem Brief an Caroline von Günderrode von Anfang Mai, die Schwester Kunigunde habe vor ungefehr 4 Wochen geschrieben (Nr. 64,60–61).
*62.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zweite Hälfte April 1804
B: –. A: Nr. *63. Datierung: Der Enthusiasmus, mit dem Brentano Anfang Mai an die Günderrode und an B (Nr. *63) über die anonym erschienenen Gedichte und Phantasien von Tian schrieb, läßt darauf schließen, daß er dies bald nach Erhalt des Bschen Briefes getan hat, durch den er die Autorschaft erfuhr.
*63.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. 1. Mai 1804, Dienstag
B: Nr. *62. A: Nr. *65. Beilagen: Brentanos Brief an Caroline von Günderrode vom 1. Mai 1804 (DjBr Nr. 970). Datierung: Aufgrund der datierten Beilage.
1478
Zu Nr. 64
64.
An Caroline von Günderrode in Trages Frankfurt, etwa 3. Mai 1804, Donnerstag
B: –. A: –. H: FDH 8302. – Format: 1 Bl. (I) + 1 Dbl. (II) je ca. 232 × 192 mm; 1r-3r 5 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Dünn, verknittert, Ränder eingerissen. – WZ: I: – II: C & I HONIG. Beilagen: Brentanos Brief an Caroline von Günderrode aus Marburg vom 1. Mai 1804 (DjBr Nr. 970). Fremdeinträge: 1v auRr: 8302 | 3v auRr: 8302. Datierung: B wird den Brief des Bruders an die Günderrode, der von Marburg nach Frankfurt geschickt worden war, bald nach Erhalt mit ihrem eigenen an die Freundin nach Trages weitergeschickt haben. Der Sonntag, an dem sie mit Geschwistern auf dem Savignyschen Gut sein wollte, wird der 6. Mai gewesen sein; um den 3. Mai wird sie geschrieben haben. D1: Geiger 1895, S. 142–148; datiert: Juni 1804. D2: Oehlke 1920–1922, Bd. VII, S. 330–335; datiert: Mai 1804. D3: B/WuB I, S. 837–841; datiert: Mai 1804. DV: H.
Veränderungen 6 voll] über gestr. im voll 7 schreibt] danach gestr. er 7 Clemens] über verwischt Ich 8 in] unter gestr. mit 13 in] danach gestr. E 19 seyn,] danach gestr. off 19 lasse] danach gestr. es 28 einem] üdZ 33 gefärbten] danach gestr. schnell 46 das] danach gestr. schwach 47 Herz] unter gestr. 〈xxx〉 47 Wurzeln] davor gestr. und 48 dunkeln] d aus 〈x〉 56 nicht] danach gestr. als 59 und] danach gestr. 〈xx〉te 65 wenn 〈…〉 dachte] üdZ eing.
1479
Zu Nr. 64
78 in] danach gestr. unsrer strase 79 wo] üdZ 79 fangen] danach gestr. ihr 83 Sinn] aus sie 83 nie so] üdZ eing. 89 weiß] üdZ eing. 95 alle] danach gestr. g 99 weil] über gestr. da 100 nicht] danach gestr. Lo 101 auch,] danach gestr. vor 106 so] davor gestr. Die N
Erläuterungen 1 Hessenpost] Da Marburg, der Absendeort, zum Kurfürstentum Hessen gehörte. 8 die Gedichte 〈…〉 von der Günterode glaubst] Die erste selbständige Veröffentlichung der Günderrode, Gedichte und Phantasien von Tian, war mit diesem Pseudonym in Kommission in der Hermannschen Buchhandlung Hamburg-Frankfurt/M. erschienen. Vgl. Nr. *62. 13 der Franke in Aegypten] Abschließendes Gedicht der Sammlung. Auch in Bs Die Günderode (1840). 33 Wandel und Treue] Ebenfalls in Die Günderode. 34–35 Poesie der Poesie] Zentraler transzendentalpoetischer Begriff Friedrich Schlegels. Vgl. in den Fragmenten (1798) des Athenaeums: Es gibt
eine Poesie, deren eins und alles das Verhältnis des Idealen und Realen ist, und die also nach der Analogie der philosophischen Kunstsprache Transzendentalpoesie heißen müßte. 〈…〉 sollte wohl auch jene Poesie die in modernen Dichtern nicht seltnen transzendentalen Materialien und Vorübungen zu einer poetischen Theorie des Dichtungsvermögens mit der künstlerischen Reflexion und schönen Selbstbespiegelung, die sich im Pindar, den lyrischen Fragmenten der Griechen, und der alten Elegie, unter den Neuern aber in Goethe findet, vereinigen, und in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie und Poesie der Poesie sein. (Schlegel/KA II, S. 204.) Sowie: Goethes rein poetische Poesie ist die vollständigste Poesie der Poesie. (Ebd., S. 206.) 38 Trages] Gut Savignys, das 1751 in den Besitz seines Vaters gelangt war und von Pächtern bewirtschaftet wurde. Es »liegt im südlichsten Teil des heu-
1480
Zu Nr. 64
tigen Hessens zwischen den Gemeinden Freigericht und Rodenbach östlich von Hanau, fast unmittelbar auf der hessisch-bayerischen Grenze am östlichen Rand des Hessischen Spessarts. Die benachbarten Ortschaften sind auf hessischer Seite Oberrodenbach und Somborn, auf der bayerischen Albstadt.« (Günther 2000, S. 29.) Das Gut wurde zu einem Treffpunkt des Arnim-Brentano-Savigny-Kreises und war Vorbild für dasjenige im zweiten Band des Godwi, das der Autor Maria auf Einladung Godwis besucht (vgl. Werner Bellmann in: FBA XVI, S. 729 f.). 43–47 der Leichte Sinn 〈…〉 das schwere Herz] Vmtl. Bezug auf Brentanos 1803 entstandenes Gedicht Der Jäger an den Hirten, besonders auf den letzten Vers der ersten Strophe:
Durch den Wald mit raschen Schritten Trage ich die Laute hin, Freude singt, was Leid gelitten, Schweres Herz hat leichten Sinn! (Zitiert nach der Version in einem Frühlingskranz-Brief Brentanos; B/W II, S. 744.) 57–59 »darum wenn ihr Seelig 〈…〉 eitel Begehren«] Als Zitat nicht ermittelt, nicht biblisch. 60–61 Gunda 〈…〉 vor ungefehr 4 Wochen] Nr. *61. 106 Brief von der Großmutter] Nicht bekannt. 107 Malgrée bon grée] Sie mag wollen oder nicht. 110 ach wann wird 〈…〉 enden] Nach den Schlußversen von Schwanings Lied in Novalis’ 1802 erschienenem Roman Heinrich von Ofterdingen. Die letzte Strophe lautet:
Groß sind eines Mädchens Plagen, Ihre Brust ist krank und wund, Und zum Lohn für stille Klagen Küßt sie noch ein welker Mund. Wird denn nie das Blatt sich wenden, Und das Reich der Alten enden? (Novalis/Schr I, S. 273 f.)
1481
Zu Nr. *65
*65.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zweites Drittel Mai 1804
B: Nr. *63. A: –. Datierung: Der Brief wird in der zeitlichen Mitte zwischen Brentanos Briefen an B vom 1. Mai (Nr. *63) und an die Günderrode vom 30. Mai (DjBr Nr. 984) geschrieben sein. In letzterem erwähnt er den Brief der Schwester.
*66.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 28. Mai 1804, Montag
B: –. A: –. Datierung: Aufgrund der Mitteilung Brentanos an die Günderrode, er habe den Brief Bs am 30. Mai erhalten. Er wird zwei Tage unterwegs gewesen sein.
67.
An Clemens Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 28. Juni 1804, Donnerstag
B: –. A: –. H: FDH 11953. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 195 mm; 1r-1v 2 beschr. S. + 2r 6 Zeilen Caroline von Günderrodes; 3x längs, 3x quer gefaltet. – Papier: Grau, leicht fleckig. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRr: Juni 1804 | 2v auRr 11953. Besonderheiten: Nachschrift von Caroline von Günderrode. 2v auRr kopfstehend Notizen Bs während der Arbeit an Die Günderode: 1) auRr: Frankfurt kurz nach Offenbach 2) inmitten der oberen Hälfte: Nach Schlangen-
bad / Verlust des ersten Kindes mein Umgang mit der Günderode – wie auch die Briefe über die Günderode erst nach diesem Aufenthalt folgen sollten, aber vielleicht besser vorher. Datierung: Brentano hatte den Brief noch nicht am 30. Juni, wie aus seinem Schreiben an Savigny von diesem Datum hervorgeht: Ich bin seit meines
Kindes Tod noch ohne eine Zeile von Hauß, waß mich sehr betrübt. (DjBr Nr. 996.) Andererseits muß er vor dem 29. Juni geschrieben sein, denn an diesem Tag berichtet B Savigny (Nr. 69), daß sie am nächsten Tag mit der
1482
Zu Nr. 67
Günderrode nach Hanau reisen werde. Davon ist in dem vorliegenden Brief noch nicht die Rede. D1: Kat. Henrici 149, S. 90, Nr. 201; TD; datiert: Juni 1804. D2: Kat. Romantik 1976, S. 81, Nr. 66; TD; datiert: Ende Juni 1804. D3: Härtl 1991, S. 162; TD; datiert: Ende Juni 1804. DV: H.
Veränderungen 3 dich] danach gestr. mit 4 Antheil] danach gestr. zu 7 bedarf] b aus d 8 habe] danach gestr. daß 15 dieses] aus dieß 19 davon] d aus 〈x〉 23 lichtes] danach gestr. Liebe 24 Ketten] darüber gestr. der 24 er] danach gestr. er 27 nicht] aus mir 28 umzusehen] zu aus se 29 mögte] danach gestr. di 33 mag] g aus ch 37 Aufwallung] danach gestr. oder 38 du] d aus 〈x〉 39 ich] aus 〈xxx〉 42 sagt] üdZ eing. 43 gesonnen] danach gestr. ein
Erläuterungen 1–2 Wie es mich schmerzt 〈…〉 stehen sollte] Joachim Ariel, das am 11. Mai geborene Söhnlein Clemens und Sophie Brentanos, war in der Nacht vom 19. zum 20. Juni gestorben. Über die Verhinderung Bs, den Bruder in Marburg zu besuchen, ist nichts Näheres bekannt. Vmtl. hatte Franz Brentano die Reise nicht gestattet. 13–14 du wirst 〈…〉 finden] Nach Jer 29,13: Ihr werdet mich suchen
und finden. Denn so ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet. 1483
Zu Nr. 67
25–26 begleitet] bekleidet (frankfurtisch). 42 was von ihr in Deinem Brief sagt] In Brentanos Brief an Caroline von Günderrode von vmtl. 12. Juni 1804 (DjBr Nr. 987). 49 Meinen Brief] Vom 10. Juni 1804 (DjBr Nr. 986).
*68.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Trages, 28. Juni 1804, Donnerstag
B: –. A: Nr. 69. Besonderheiten: Da B bereits am 29. Juni antwortete, wird Savigny ihr wie der Günderrode am 28. geschrieben haben.
69.
An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in Trages Frankfurt, 29. Juni 1804, Freitag
B: Nr. *68. A: –. H: FDH 19604. – Format: 1 Bl. ca. 231 × 193 mm; 1r ½ S. beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Grau, verknittert, fleckig. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild. Fremdeinträge: 1v auRr: 19604. Datierung: Die Geburt am Schreibtag war diejenige von Antonia und Franz Brentanos Tochter Josefa. Dem Datum entspricht Savignys Bitte an die Günderrode vom 28. Juni (zit. Nr. *68), ihm sofort zu antworten, sowie die gemeinsame Reise Bs und der Günderrode am 30. Juni zunächst zu deren Mutter nach Hanau, von wo B allein nach Trages weiterfuhr.
Veränderungen 2 annehme] am Schluß gestr. 4 Prinzes] danach gestr. ent 8 mich] über gestr. aus 10 12] 2 aus 〈x〉
n, danach gestr. und
1484
Zu Nr. 70
Erläuterungen 2 Vorschlag] Vgl. Nr. *68. 3–4 Tonie 〈…〉 niedergekommen] Vgl. Datierung.
70.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, 25. August 1804, Sonnabend
B: –. A: Nr. 71. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 201 × 124 mm; 1r beschr.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, rechter Rand braun (Tinte?), Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. Fremdeinträge: 1r aoR: 3, aoRr: 10, auRl: 4, | 2r auRl: 5 | 2v aoRr: 11. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Härtl 1979, S. 109 (Nr. 3). DV: H.
Veränderungen 19
dicker] d aus L
Erläuterungen 2–3 Es sind jezt schon vierzehen Tage 〈…〉 geküßt habe] Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny waren am 10. August von Trages zunächst nach Frankfurt gereist, wo sie die schon am 3. August dorthin zurückgekehrte B wiedersahen. (Deren Rückkehr mit der Schwester Meline geht aus einem Brief Franz Brentanos an Savigny vom 31. Juli [SPK/NS 61/1] hervor.) 11 Vorgestern 〈…〉 Günderrödchen zu uns gekommen] Caroline von Günderrode war mit einer befreundeten Familie von Frankfurt nach Heidelberg gereist, wo sie Friedrich Creuzer und dessen Freundeskreis kennenlernte.
1485
Zu Nr. 71
71.
An Friedrich Carl von Savigny in Heidelberg Frankfurt, vmtl. Ende August/Anfang September 1804
B: Nr. 70. A: Nr. 72. H: SPK/NS 7/1. – Format: 1 Dbl. ca. 230 × 190 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, 1r fleckig. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 11, aoRr: 8 | 1v auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: B wird Savignys Brief vom 25. August bald nach Erhalt beantwortet haben. Die Nachricht, daß Aaron Burr (B: Borde) den General Hamilton getötet hatte, stand am 26. und 30. August in der Allgemeinen Zeitung. (Vgl. Schellberg/Fuchs 1942, S. 20.) D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 21 f. (Nr. 11); datiert: September 1804. DV: H.
Veränderungen 19 22 26 27 28 30 34 41 42 44 44 45
trösten,] danach gestr. der vor] aus für eher] üdZ Tage] üdZ eing. ein] am Schluß gestr. e vermutheten] aus vermuthen Scheint] danach gestr. zu Unterschied] danach gestr. und diesen] d aus s das] s aus ß Zeige] aus 〈xxx〉 *Gute Nacht Gunda] nachträglich idZ und eingerahmt.
Erläuterungen 4–5 wieder Clavier Stunde bei H: Hofm:] Philipp Carl Hoffmann, in den neunziger Jahren Bratschist und Lehrer bei der Bernardschen Kapelle in Offenbach, der Klavier h o f m a n im Frühlingskranz (B/WuB I, S. 126,12), war bereits Musiklehrer Bs, während sie dort erzogen wurde.
1486
Zu Nr. 71
5 Malgrée les Tentation] Trotz der Versuchungen. 18 Octavian] Ludwig Tiecks Lustspiel Kaiser Octavianus (Jena 1804). 18 leichtend] leuchtend. 25–28 der alte D: Kästner 〈…〉 hochmüthiger und aufgeblasener] Theodor Friedrich Arnold Kestner, 1801 in Göttingen zum Dr. med. promoviert, 1804 25 Jahre alt und seit jenem Jahr Arzt in Frankfurt, zog den Spott Bs auch im Frühlingskranz auf sich. 28 Fata] Geschick, Verhängnis. 29–33 Pincnet oder Poinset 〈…〉 Hamilton 〈…〉 erstochen 〈…〉 wahren Namen Borde] Der nordamerikanische Staatsmann Joel Roberts Poinsett wird mit den Brentanos auf einer Europareise im Jahr 1801 in Frankfurt bekanntgeworden sein. B verwechselt ihn mit dem Oberst Aaron Burr (nicht Borde), der am 11. Juli 1804 in New York (nicht England), für seinen Freund Robert Livingston eintretend, einen politischen Rivalen, den General Alexander Hamilton, im Duell getötet hatte. 34–35 Cristian und Bostel, Lulu hat ihn 〈…〉 vergessen] Christian Brentano und Hans Christian von Bostel waren, von Marburg bzw. Wetzlar kommend, im Juli wie auch die aus Frankfurt angereisten Schwestern Lulu und Meline mit B in Trages, wo die Schwestern die beiden Freunde verabschiedet hatten. Bostel an Savigny, Wetzlar, 25. Juli 1804: ich bin sehr gerührt von
Trages geschieden. Doch gaben die drey Geschwister, welche uns begleiteten, dieser Rührung einen hellern Sinn, eine freundlichere Gestalt; und dies machte mir den Abschied erträglicher 〈…〉 Die liebliche zarte Blume Meliße, hat mich 〈…〉 durch ihre schöne Gestalt, und der engelche gute Butin durch seine gewaltige Herzlichkeit, beym Abschied sehr gerührt. Noch ein Rückblick auf die drey lieblichen Schwestern, und fort durch das Gebüsch mußte ich, und die Sehnsucht verließ mich seitdem nicht. (UB Marburg, Nachl. Savigny 725/166.) An Bostels Aufenthalt erinnert auch eine Episode in dem Buch Die Günderode (B/W II, S. 15 f.). 38–39 Fond 〈…〉 auf dem Fond seyn] Wortspiel mit lage, Grundkapital) und Fond (frz.; Grund, Boden).
1487
Fonds (frz.; Geldan-
Zu Nr. 72
72.
Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. erstes Drittel September 1804
B: Nr. 71. A: Nr. 73. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 201 × 125 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x quer gefaltet. – Papier: Zerknittert, fleckig, Bl. 1 aoR ca. 12 × 6 mm herausgeschnitten. Fremdeinträge: 1r aoR: 2, aoRr: 7, auRl: 6 | 1v aoRr: 8 | 2r auRl: 7 | 2v aoRr:
9. Datierung: Savignys angrenzende Briefe an B sind vom 25. August und 17. September, und dort, wo Bs Brief das Tagesdatum enthielt und eine kleine Ecke aus dem Papier geschnitten wurde, stand vmtl. eine einstellige Zahl. Daher die Annahme, daß der Brief im ersten Septemberdrittel geschrieben wurde. D1: Härtl 1979 (Nr. 4), S. 109 f.; nicht näher datiert. DV: H.
Erläuterungen 25–26 Winkelmanns Geschichte der Kunst] Johann Joachim Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums (Erstausgabe 2 Bde., Dresden 1764). 37–38 Arnim hat dem Clemens 〈…〉 sein Portrait 〈…〉 geschickt] Arnim, der in London von dem Maler Peter Eduard Ströhling porträtiert worden war, schickte das Bild nach seiner Rückkehr aus England am 12. August 1804 mit einem Begleitbrief für Brentano (DjBr Nr. 1002) von Düsseldorf an die Adresse des Frankfurter Brentano-Hauses, von wo es nach Heidelberg weiterbefördert wurde. Vgl. Tafelteil, Abb. 12.
1488
Zu Nr. 73
73.
An Friedrich Carl von Savigny in Heidelberg Frankfurt, zwischen etwa 5. und Mitte September 1804
B: Nr. 72. A: Nr. 75. H: SPK/NS 7/1. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 190 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 13, aoRr: 10 | 1v auR Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Da der Bezugsbrief vmtl. im ersten Septemberdrittel geschrieben wurde und der Antwortbrief am 17. September. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 23 f. (Nr. 13); datiert: Oktober 1804. D2: B/WuB IV, S. 14 f. (Nr. 5); datiert: wohl vor Mitte September 1804. DV: H.
Veränderungen 11 18 18 21 27 32 35 35 37 58
denke] üdZ eing. ein] am Schluß gestr. e kennt] danach gestr. deren ganz] danach gestr. unend sie] über gestr. ihr mag] danach gestr. deine muß] aus und um] danach gestr. se nicht von] aus nichts aus ihr] aus ihnen
Erläuterungen 2–3 seid Fruchtbar 〈…〉 und mehrt euch] Nach 1 Mo 1,22. 16 als] »Am ganzen Oberrhein und Main, in der Wetterau und in Hessen bis nach Thüringen, Sachsen hat die volkssprache ein solches als lebendig erhalten und legt ihm etwa den sinn von immer, gewöhnlich, zuweilen oder eben bei, doch ohne nachdruck« (DWb I, Sp. 247). 43 Winkelmanns Geschichte der Kunst] Vgl. zu Nr. 72,25–26. 50–51 Die Meline 〈…〉 Zaunschlüpfergen, unter dem Fittig des Adlers] Anspielung auf den kurzen Gruß der Schwester am Schluß von Savignys
1489
Zu Nr. 73
Bezugsbrief; Zaunschlüpfergen: Oberdeutsch und rheinisch für den Zaunkönig. (Vgl. DWb XXXI, Sp. 414.) 58 Die Tante behauptet] Luise Möhn lebte nach der Trennung von ihrem Mann bei ihrer Mutter Sophie von La Roche in Offenbach.
*74.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. zweite Hälfte September 1804
B: –. A: –. Datierung: Der Brief ist noch nicht erwähnt in Bs zwischen etwa 5. und Mitte September 1804 an Savigny geschriebenen (Nr. 73) und wird daher in die zweite Septemberhälfte datiert. Brentano wird ihn der Günderrode mitgegeben haben, als sie von Heidelberg nach Frankfurt zurückreiste; der Reisetermin ist nicht bekannt. Terminus ante quem aufgrund der Datierung des zitierten Belegbriefes (Nr. 77).
75.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, 17. September 1804, Montag
B: Nr. 73. A: Nr. 77. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 200 × 125 mm; 1r-1v 2 beschr. S., 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig, 2v verschmutzt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ:
1794 J WHATMAN. Fremdeinträge: 1r aoR: 4, aoRr:
12, auRl: 8, | 1v aoRr: 13 | 2r auRl: 9 | 2v aoRr:
14. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Härtl 1979, S. 110 (Nr. 5). DV: H.
Veränderungen 18 19
wohl:] danach gestr. und der] danach gestr. Pro 1490
Zu Nr. 75
Erläuterungen 3–4 weil wir Morgen 〈…〉 verreisen] Nachdem Savigny sich mit dem Zustand der Heidelberger Universität vertraut gemacht hatte, reiste er am 18. September nach Karlsruhe (vgl. DjBr Nr. *1003), um dort mit Georg Ludwig von Edelsheim, dem Kurator der Universität, über deren Reorganisation zu konferieren. Am 3. Oktober kehrte er nach Heidelberg zurück. 5–6 deutschen Herodot 〈…〉 Thucÿdides] Welche Ausgabe von Herodots Histories Apodexis, der ersten Darstellung der Geschichte der Alten Welt und der Perserkriege, sowie von Thukydides’ Ho Polemos ton Peloponnesion kai Athenaion, der Geschichte des Peloponnesischen Krieges, B bekam, ist nicht bekannt. In der zweiten Hälfte Oktober berichtete sie Christian Brentano, sie läse fleißig 〈…〉 die alten Geschichtschreiber (Nr. *83). Vgl. die ironische Darstellung des Unterrichts über die alte Geschichte in Die Günderode (B/W II, S. 142 f.). 6–7 3 Bänden Briefen von Winkelmann] Welche Ausgaben von Briefen Winckelmanns Savigny schickte, ist ebenfalls unklar. Erschienen waren die zweibändige Edition Briefe an seine Freunde. Mit einigen Zusätzen und literarischen Anmerkungen, hg. von Karl Wilhelm Daßdorf (Dresden 1777–1780), die zweiteilige, in einem Band publizierte Ausgabe Briefe an
Einen seiner vertrautesten Freunde in den Jahren 1756–1768. Nebst einem Anhange von Briefen an verschiedene andere Personen, hg. von Johann Erich Biester (Berlin-Stettin 1782; 2. Aufl. Danzig 1791), und die einbändigen Ausgaben Briefe an Herrn H., hg. von dem Empfänger Christian Gottlob Heyne (Leipzig 1776), Briefe an seine Freunde in der Schweiz, hg. von Leonhard Usteri (Zürich 1778), Briefe an einen Freund in Liefland. Mit einem Anhang, hg. von Johann Friedrich Voigt (Coburg 1784). Savigny wird die zweibändige Edition Daßdorfs geschickt haben und eine der einbändigen Ausgaben. 11 deutsche Übersetzung des Plutarch von Xÿlander] Die Übersetzung von Plutarchs Bioi paralleloi, der Parallel-Biographien von 46 Griechen und Römern, durch den Humanisten Wilhelm Xylander war zuerst 1561 erschienen, darauf folgte die Verdeutschung der Moralia (Auswahl 1566, Gesamtausgabe 1570), der ethischen Schriften Plutarchs. Savigny wird die Bioi paralleloi gemeint haben. 13 Kunstgeschichte] Vgl. Nr. 72,25–26 und Erl. 22 wovon Lulu schreibt] Der Brief ist nicht bekannt.
1491
Zu Nr. 76
76.
Von Franz Brentano nach Frankfurt Wien, 25. September 1804, Dienstag
B: –. A: Nr. 80.A. H: GSA 03/505. – Format: 1 Dbl. ca. 190 × 116 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 1x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, verknittert, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRm: 17, aoRr: 9, auRl: 1 | 1v aoRr: 10 2r aoRr: 2, auRl: 33 | 2v aoRr: 11. DV: H.
Erläuterungen 5 wenn ich wieder komme] Franz Brentano war in Wien mit seiner Familie zu Besuch bei seinem Schwiegervater Melchior von Birkenstock. 9–10 non elle 〈…〉 bonnes gens] Nein, sie hat ein zu weiches Herz, um diesen guten Leuten Schmerz zuzufügen.
77.
An Friedrich Carl von Savigny in Heidelberg Frankfurt, vmtl. Anfang Oktober 1804
B: Nr. 75. A: –. H: SPK/NS 7/1. – Format: 1 Bl. ca. 228 × 190 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 12, aoRr: 9 | 2v auR Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Savigny geht in seinen Brief vom 3. Oktober (Nr. 78) nicht auf denjenigen Bs ein, den er also noch nicht erhalten haben wird, und B scheint denjenigen Savignys beim Schreiben des ihren noch nicht zu haben. Die Briefe werden also etwa gleichzeitig geschrieben sein. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 22 f. (Nr. 12); datiert: Anfang Oktober 1804. DV: H.
1492
Zu Nr. 78
Veränderungen 12 19
aus] s aus f hätte] aus 〈xxx〉
Erläuterungen 6–7 Clemens 〈…〉 Brief durch die Günth: geschickt] Nr. *74. 13–14 warum ihr die Meline nicht mit nehmt] Savigny und Kunigunde nahmen die Schwester Meline, die sie nach Heidelberg begleitet hatte, doch von dort nach Paris mit. 14 Tante] Luise Möhn in Offenbach. 19 Winkelmanns Briefe] Vgl. Nr. 75,6–7 und Erl.
78.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, 3. Oktober 1804, Mittwoch
B: –. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Bl. ca. 252 × 203 mm; 1r beschr.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Abgerissene Dbl.-Hälfte, dünn, fleckig, verknittert. Beilagen: Brief Savignys an Christian Brentano. (Nicht bekannt.) Fremdeinträge: 1r aoR: 5, aoRr: 15, auRl: 10. D1: Härtl 1979, S. 111 (Nr. 6). DV: H.
Erläuterungen 3 zurück gekommen] Von Karlsruhe. Vgl. zu Nr. 75,3–4. 6–7 Marie 〈…〉 ihr Kind] Marie Brentano, die Frau des Bruders Georg, hatte am 30. September die Tochter Claudine (Clödchen) geboren. 10 Mutsch 〈…〉 das Günder*] Lulu Brentano und Caroline von Günderrode.
1493
Zu Nr. *79
*79.
An Christian Brentano in Heidelberg Frankfurt, etwa 5. Oktober 1804, Freitag
B: –. A: Nr. 81. Datierung: Nachdem Christian Brentano B mit Bostel Anfang Oktober in Frankfurt besucht hatte und danach mit ihm nach Heidelberg weitergefahren war (vgl. Nr. 77,10–11), muß B ihm bald geschrieben haben, denn in seiner Antwort vom 10. Oktober entschuldigt er sich, daß er nicht eben so geschwind geantwortet habe (Nr. 81,4–5). Andererseits war er noch nicht in Heidelberg, als Savigny am 3. Oktober von dort schrieb (Nr. 78).
80.A
An Franz Brentano in Wien Frankfurt, 8. Oktober 1804, Montag
B: Nr. 76. A: –. H: GSA 03/1067. – Format: 1 Dbl. ca. 210 × 134 mm; 1r-1v 1¾ beschr. S.; 2v Adresse; 2x quer gefaltet. – Papier: Glatt, leicht fleckig. Fremdeinträge: 1r aoRr: E. Bet 3. Besonderheiten: Abschrift von Franz Brentanos Tochter Josepha nach dem Tod ihres Vaters (28. Juni 1844), wie aus der Notiz an meinen seeligen Vater (2.2–3) geschlossen werden kann, und von ihr an Claudine, die Tochter Georg und Marie Brentanos, geschickt. DV: H.
Erläuterungen 8 Entbindung von Marie] Vgl. Nr. 78,6–7 und Erl. 9 euer Kind] Tochter Josepha. 16–17 daß Savigny 〈…〉 nach Paris geht 〈…〉 Meline 〈…〉 zurück kömmt] Savigny und Kunigunde reisten am 23. Oktober von Heidelberg mit der Schwester Meline nach Paris. 20 H toute ou rien] Herr alles oder nichts. – Nicht identifiziert. 31 die Kinder] Die 1801 und 1802 geborenen Georg und Maximiliane waren mit den Eltern in Wien.
1494
Zu Nr. 81
81.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Heidelberg, 10. Oktober 1804, Mittwoch
B: Nr. *79. A: –. H: GSA 03/502. – Format: 1 Dbl. ca. 214 × 167 mm; 1r-2r 2 S. + 4 Z. beschr.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Derb, fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Verziertes Oval mit Lilie. Fremdeinträge: 1r aoRm: 9, aoRr: 23, auRl: 18 | 1v aoRr: 24 | 2r aoRr: 25, auRr: 19 | 2v aoRr: 26. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. DV: H.
Veränderungen 2 schnell] idZ 4 indessen] aus das 10 kam] m aus nn 15 Bettine!] ! aus , 17 die] aus 〈xxx〉 18 Savigny’s] i aus ÿ 19–20 Savigny] S aus d 22 ein] aus einen 24 vergeßen] danach gestr. 27 lebe] aus habe
W
Erläuterungen 26 das Mädchen] Das sog. Erdbeermädchen, über dessen Beziehung zu Christian Brentano sein Bruder Clemens etwa am 9. Januar 1805 an Arnim schrieb: Sein neustes Abentheuer ist mir aus dem Herzen gehandelt,
und spricht mir abermals für die große Liebe und das Vertrauen, das ich zu ihm habe, ich habe nehmlich von Marburg aus gehört, daß er das wunderschöne Erdbeermädchen, welches er und ich und Savigny von jeher geliebt haben, und welches uns nur zu selten Erdbeeren brachte, ein wirkliches Ideal baürischer Unschuld, milder adlicher Schönheit, jungfraülicher Jugendblüthe, kurz das wunderbarste holdseeligste Ge1495
Zu Nr. 81
schöpf von 15 Jahren, von ihrem Dorfe weggenommen, ihre Kleidung verändert, und sie zu einer ein^fachen Erziehung unserm Freunde dem Pfarrer Bang übergeben (DjBr Nr. 1033). Am 4. März 1805 berichtete Clemens dann dem Schwager Savigny den Mißerfolg der pädagogischen Maßnahme des Bruders, daß nämlich das Erbeer mädchen (das schöne), dem Christian ihr schönes Hinterländer rükchen ausgezogen, um sie einstens zu heurathen, daß sie aber fort wieder nach Deksbach 〈Dexbach〉 gelau-
fen ist, das Rokchen wieder angelegt und jezt bei dem Pfarrer zu Decksbach erzogen wird (DjBr Nr. 1048). Der Name des Mädchens ist nicht bekannt. In einem Bekenntnisbrief an Johann Heinrich Christian Bang vom 24. Dezember 1812 gestand Brentano, daß er es verehrt und geliebt habe: es hat vielleicht nie ein Mensch so-
viel an jenes Mädchen gedacht als ich, und ich dencke noch immer oft und viel an Sie, aber ich bin selbst zu a r m g e w o r d e n , und zu los und ledig und ohne Heimath, um etwas für sie thun zu können, auch kenne ich Sie gar nicht mehr unter der Transfiguration die Christian mit ihr vorgenommen. Ihr Andencken erschüttert mich immer ungemein, und jezt darf ich es euch gestehn, daß ich als ich noch ledig bei Savigny lebte, dieses Geschöpf leidenschaftlich geliebt habe, so oft sie mir Erdbeeren gebracht, war ich wie in einem Fieber, aber ich habe nie gewagt, nur ein Wort mit ihr zu reden, aus einer tiefen innren Scheu vor ihrer Schönheit und Unschuld. Ihr könnt euch nicht dencken, wie wunderbar mich später die Erfahrung von Christians Umgang und Einwirkung auf sie erschütterte, denn eine stille Zuneigung zu ihr, hatte mich durch meine Ehe mit Sophien begleitet, und nur ihr Verhältniß mit Christian war schuld, daß ich ihr nachher meine Hand nicht angetragen habe, und in das Unglück mit meiner z〈wei〉ten Frau 〈Auguste〉 gekommen bin 〈…〉 Ich habe ihr in mir geheimes Verhältniß zu mir längst in einer Erzählung gefeiert, die in meinem Pulte liegt. Nichts hat mir von Christian je so leid gethan, als die Art, wie er mir früher jenes Verhältniß und seine Art ganz verschwiegen, und wie er mir später drüber hin geschlüpft, denn ich hatte lange nicht anders gedacht, als er würde Sie heurathen, und habe deswegen mit tiefem geheimem Schmerz resignirt, er selbst weiß von Allem diesem nichts, und soll es auch nie erfahren, ich lege es bei euch nieder, als einem Beichtvater, daß ich unter solchen Umständen gar nicht, oder nur mit tiefem Leid von ihr mit ihm reden könnte, werdet ihr meinem Herzen gern verzeihen. Ich konnte Sie nur in die Fantasie meines Lebens aufnehmen, da wird sie immer stehn unter 1496
Zu Nr. *82
dem liebsten, anderes war mir verboten, und ich habe drum getrauert. (FBA XXXII, S. 430 f.) Das Erdbeermädchen fand Eingang in Brentanos Rheinmärchen und Bs Buch Die Günderode. Im Rheinmärchen ist es eine Vorbildfigur der Lureley, die sich ähnlich kleidet und berichtet: Diese Kleidung, dieses Aussehen
habe ich von einem hessischen Baurenmädchen entliehen, die ich auf meiner Reise im Wald Erdbeeren suchen sah, und die an einem Brunnen, in dem ich übernachtete heftig über ihre böse Stiefmutter weinte. Sie war so wunderschön und lieblich, daß ich sie der Brunnenfrau herzlich empfahl, und mich so gestaltete, wie Sie, und wenn gleich meine eigne Gestalt glänzender und reitzender ist, als diese, so hat doch niemals ein so edles und fromm schönes Menschenbild gelebt, als dieses. (FBA XVII, S. 259.) In der Günderode schreibt B ihrer Jugendfreundin: Letzt war mir ein allerliebst Mädchen vom Pfarrer Bang geschickt worden, weil es sehr viel schöne Lieder kann; die ganze Familie gehört zu dem Singgeschlecht, die sich ernährt mit Kräutersuchen für die Apotheken in der Umgegend und im Frühjahr mit Erdbeeren- und Heidelbeersuchen. 〈…〉 so ein allerliebst Kind kannst Du Dir gar nicht denken, auch von Schönheit 〈…〉 Was mich am meisten ergötzt, ist die Kenntnis aller Kräuter und Wurzeln, die das Kind hat, ohne doch je gelernt zu haben, es ist eine traditionelle Botanik, die aber so vollständig ist und mit so viel historischen Belegen versehen und zu so manchen Vergleichen führt, daß wohl auf diese Weise ein groß Teil Gottesphilosophie auch in den unstudierten Bauern übergeht. (B/W II, S. 378 f.) 37 Lichtenberg aus Darmstadt] Ludwig von Lichtenberg hatte 1802– 1804 in Göttingen Jura studiert und ging danach nach Darmstadt zurück, wo sein Vater Regierungsbeamter war und er selbst zunächst Assessor wurde.
*82.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. zweites Drittel Oktober 1804
B: Nr. 78. A: Nr. 85. Datierung: Wie Christian Brentano am 10. Oktober aus Heidelberg B mitteilte, wollte er Savigny bewegen, daß er dir einen großen Brief schriebe; damit Du eine gute lecture hast (Nr. 81,6–7). Daß Savigny einen solchen Brief schrieb, läßt sich aus Bs Antwort schließen. Der Terminus post quem er-
1497
Zu Nr. *82
gibt sich aus dem Datum von Christians Brief, der Terminus ante quem aus der Datierung der Antwort Bs.
*83.
An Christian Brentano in Marburg Von Christian Brentano nach Frankfurt Frankfurt, zweite Hälfte Oktober – 20. November 1804
B: –. A: –. Datierung: Bald nach seinem Brief vom 10. Oktober aus Heidelberg (Nr. 81) kehrte Christian Brentano von dort über Frankfurt, wo es zu einem weiteren Treffen mit B kam, zum Studium nach Marburg zurück. Am 22. November berichtete er dem inzwischen nach Paris gereisten Savigny über seinen Bildungs-Briefwechsel mit der Schwester. Der konfuse Bericht über seine Anregungen und ihre Antworten läßt sich nicht befriedigend in eine chronologische Aufeinanderfolge einzelner erschlossener Briefe differenzieren und wird daher im Zusammenhang wiedergegeben, jedoch mit Ausnahme des B-Briefes (Nr. *100), von dem Christian Brentano berichtet, er habe ihn gerade erhalten. Terminus post quem aufgrund der mutmaßlichen Rückkehr Christian Brentanos nach Marburg, Terminus ante quem aufgrund seiner (zitierten) Mitteilung an Savigny vom 22. November, daß er mit der Schwester posttäglich
correspondire.
*84.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zweite Hälfte Oktober 1804
B: –. A: –. Datierung: Aufgrund der Datierung von Nr. 85.
1498
Zu Nr. 85
85.
An Friedrich Carl von Savigny in Straßburg Frankfurt, vmtl. letztes Drittel Oktober 1804
B: Nr. *82. A: H: SPK/NS 7/1. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 190 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2r Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: 2v beschmutzt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 14, aoRr: 11 | 1v auR Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 2v aoRr: 12. Postzeichen: R.1.FRANCFORT. Datierung: Savigny war mit Kunigunde und Meline am 20. Oktober von Heidelberg zunächst nach Straßburg gereist, wo sie sich bis 4. November aufhielten. Dann fuhren sie über Nancy und Metz nach Paris weiter. B wird den nach Straßburg adressierten Brief im letzten Oktoberdrittel geschrieben haben. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 25 f. (Nr. 14); datiert: Ende Oktober 1804. DV: H.
Veränderungen 2 schreibt] danach gestr. all 2 liebe] danach gestr. Go 5 Zeit] danach gestr. dich 11 Cristian] danach gestr. geschrieben 14 deinem] danach gestr. Plahn 16 Melinens] aus Melines 27 jetzt] danach gestr. macht so
Erläuterungen 7 Wink: Ges:] Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums, von Savigny bereits im ersten Septemberdrittel (Nr. 72) empfohlen. 11–12 ich habe dem Cristian darüber geschrieben] Nr. *84. 16–18 Melinens Brief 〈…〉 etwas ein bilden] Die Schwester wird berichtet haben, daß Savigny sie auf die Reise nach Paris mitgenommen habe. Sie mußte also nicht nach Frankfurt und Offenbach zurückkehren.
1499
Zu Nr. 85
18–19 seinen lezten Brief] Von Anfang August 1804 (Preitz 1964, S. 204 f., Nr. 52). 20 Tante] Luise Möhn.
86.
An Friedrich Carl von Savigny in Metz Frankfurt, vmtl. erstes Drittel November 1804
B: –. A: –. H: SPK/NS 7/1. – Format: 1 Dbl. ca. 233 × 188 mm; 1r-2r 2 beschr. S. + 3r 2 Z.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 15, darunter Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN, aoRr: 13 | 2r aoRr: 14 | 2v im Adressenbereich Schreib- bzw. Federübungen, u.a. der Name Gunda (viermal). Postzeichen: Stempel R.1.FRANCFORT. Datierung: Am 4. November war Savigny von Straßburg aufgebrochen, am 18. November schrieb er aus Metz an Friedrich Creuzer, er denke in zehn bis vierzehn Tagen in Paris zu sein (Stoll 1927, S. 241 f.). Da B Christian Brentano bereits um den 10. November (Nr. *90) über ihren Brief an Savigny berichtete, wird sie ihn im ersten Novemberdrittel geschrieben haben. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 26 f. (Nr. 15), datiert: November 1804. D2: B/WuB IV, S. 16 f. (Nr. 6); datiert: wohl erste Hälfte November 1804. DV: H.
Veränderungen 5 Nachmittags] N aus n 8 vorkommen] v aus f 13 Theile] Th aus 〈xx〉 24 Grundsäzen] danach gestr. 28 er] über gestr. ich 35 Dieß] davor gestr. s 46 hervorgerufen] v aus f
bei der
1500
Zu Nr. 87
Erläuterungen 5 bey dem Gunderrödgen] In dem von Cronstetten-Hynspergischen adeligen evangelischen Damenstift am Frankfurter Roßmarkt, in dem die Günderrode untergebracht war. Von dem gemeinsamen Studium mit ihr ist mehrfach in dem Buch Die Günderode die Rede. 6 im Plutarch] Vgl. Nr. 75,11 und Erl. 10 Winklm: Gesch:] Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums, von Savigny bereits Nr. 72,25–26 empfohlen. 16–17 Hannibal 〈…〉 durch Italien] 217/216 v. Chr.; der Feldzug wird von Plutarch in der Lebensbeschreibung des Fabius Maximus berichtet. 53 Receveur general] Vorsteher des Postbüros.
87.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 4. November 1804, Sonntag
B: –. A: Nr. *93. H: GSA 03/502. – Format: 1 Bl. ca. 212 × 182 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig. – WZ: JM 1802. Fremdeinträge: 1r aoRm: 8, aoRr: 21, auRl: 8 | 1v aoRr: 22. D1: Härtl 1979, S. 124; TD. DV: H.
Veränderungen 8 dann] üdZ eing. 9 dir] aus denn 12 neuen] üdZ eing. 14 durch] über gestr. von 17 empfindsam] über gestr. ver〈xxx〉 18–19 aufzusuchen] üdZ eing. 21–22 ermuntern;] danach gestr. u dann schicke ich
1501
Zu Nr. 87
Erläuterungen 2–3 Dinge 〈…〉 für mich besorgt hast] Für das Erdbeermädchen. Vgl. Nr. 81,26–27 und Erl. 24 War Lichtbg 〈…〉 bey Euch?] Vgl. Nr. 81,36–38 und Erl. 29 entswl.] einstweilen.
*88.
Von Clemens Brentano nach Frankfurt Gotha, etwa 5. November 1804, Montag
B: –. A: Nr. *89. Datierung: Brentano war am 27. Oktober von Heidelberg zu Arnim nach Berlin abgereist und hielt sich unterwegs vom 1. bis 8. November in Gotha auf. Von dort wird er gegen Mitte des Aufenthalts an B geschrieben haben. Der Brief wird etwa drei Tage nach Frankfurt unterwegs gewesen sein, von wo B um den 10. November nach Berlin geantwortet haben dürfte.
*89.
An Clemens Brentano in Berlin Frankfurt, etwa 10. November 1804, Sonnabend
B: Nr. *88. A: –. Datierung: Vgl. Nr. *88.
*90.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 10. November 1804, Sonnabend
B: –. A: Nr. 94. Datierung: Da Christian Brentano den Brief vmtl. am 12. November umgehend beantwortete.
1502
Zu Nr. *93
*91.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 11. November 1804, Sonntag
B: –. A: Nr. 96. Datierung: Christian Brentano beantwortete in seinem ersten Brief vom 14. November mit umgehender Post einen von B, und als er seinen zweiten Brief von ebenfalls 14. November beendete, erhielt er wiederum einen Brief von ihr. Es wird angenommen, daß sie ihren ersten einen Tag vor dem zweiten Brief geschrieben hat und beide Briefe jeweils zwei Tage unterwegs waren.
92.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 11. November 1804, Sonntag
B: –. A: –. H: GSA 03/502. – Format: 1 Bl. ca. 214 × 182 mm; 1r beschr.; 2x längs gefaltet. – WZ: JM 1802. Fremdeinträge: 1r aoRm: 4, aoRr: 8, auRl: 10 | 1v aoRr: 9. DV: H.
Erläuterungen 2 die mir besorgten Nr. 81,26–27 und Erl.
*93.
Sachen] Für
das
Erdbeermädchen.
Vgl.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 12. November 1804, Montag
B: Nr. 87. A: Nr. 96. Datierung: Da Christian Brentano den Brief vmtl. am 14. November erhielt. Vgl. Datierung von Nr. 91.
1503
Zu Nr. 94
94.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. 12. November 1804, Montag
B: Nr. *90. A: Nr. *98. H: GSA 03/502. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 188 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, fleckig, verknittert, Tinte stellenweise verwischt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß. Fremdeinträge: 1r aoRm: 2, aoRr: 7, auRl: 15 | 1v aoRr: 8 | 2r aoRr: 9, auRl: 16 | 2v aoRr: 10. Datierung: Die Briefe Nr. 94–97 hat Christian Brentano in dichter Folge geschrieben. Am 14. November nimmt er an, B werde inzwischen einen Brief
von mir erhalten haben, darinn ich dir recht viel sagen wollte, aber ich bin so oft unterbrochen worden; daß er unmöglich etwas zusammenhängendes enthalten kann (Nr. 96,7–10). Damit ist der vorliegende gemeint, und da die Briefe zwischen Marburg und Frankfurt zwei Tage unterwegs gewesen sein werden, wird Christian Brentano ihn vmtl. am 12. November geschrieben haben. Noch vor dem 14., also vmtl. am 13. November, schrieb er nochmals an B, denn in diesem Brief von vmtl. 13. November erwähnt er den lezten Brief an sie (Nr. 95,2), und damit ist ebenfalls der vorliegende von vmtl. 12. November gemeint, von dem er am 14. noch nicht annimmt, daß B ihn erhalten hat. Daß Nr. 95 sich unmittelbar auf Nr. 94 rückbezieht, geht vor allem aus der Weiterführung der nur rudimentär überlieferten Reflexion Ueber den Zweck u die Dauer des Lebens (Nr. 94,2) in der Feststellung Der Zweck des Menschen ist mit seinem Leben selbst eins (Nr. 95,9) hervor. DV: H.
Veränderungen 2 aber] danach gestr. der Gedanke 10 noch] üdZ eing. 15 kann] k aus w 19 u die] danach gestr. Erdbe 22 Begebenheit] über gestr. Handlung 23 wenn] üdZ eing. 23 er] danach gestr. soll 23 lernt] aus lernen 35 bey] üdZ eing.
1504
Zu Nr. 95
35 35 36
einem] aus ein der linke] aus zu dem linken des] aus der | danach gestr. Perioden
Erläuterungen 5–6 Was du Nr. 86,12–15.
95.
dem Savigny 〈…〉 an zusammenhang fehlt] Vgl.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. 13. November 1804, Dienstag
B: –. A: Nr. *98. H: GSA 03/502. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. 224 × 188 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; vmtl. 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, leicht verknittert. – WZ: I: J. D. Theisfinger Frankfurt | II: oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRm: 1, aoRr: 1, auRl: 22 | 1v aoRr: 2, 2r aoRr: 5, auRl: 33 | 2v aoRr: 6 | 3r aoRr: 3, auRl: 24 | 3v aoRr: 4. Datierung: Vgl. Nr. 94. DV: H.
Veränderungen 4 ich] danach gestr. gla 11 ihn] danach gestr. eh 13 uns] danach gestr. theilt 14 darinn] über gestr. dazu 15 zu] aus zur | darüber eing. und weggewischt 17 Worüber] über gestr. wie 21–22 (Tradition)] üdZ eing. 24 geordnet] danach gestr. giebt den B 25 dahin] üdZ eing. 26 sich] üdZ eing. 29–30 voneinander] üdZ eing.
1505
Aufnahme
Zu Nr. 95
33 uns] üdZ eing, 33 anders] danach gestr. nicht im 34 wie] üdZ eing. 35–36 Wissenschaft] am Schluß gestr. en 37 gethan] darüber gestr. schien 37 auch] üdZ eing. 41 also] üdZ eing. 41 hervorgehen] am Schluß gestr. d 44 (cultivirten)] üdZ eing. 51 sind] aus sol 54–55 Und nun 〈…〉 einsehen] über gestr. 〈xxx〉 55 Psychologie] danach gestr. den Grund aller Geschichte abgeben 61 Lehrer] danach gestr. zu diesen 66 u d Zustand] üdZ eing. 69 die] aus eine
Erläuterungen 10–11 Catechismus 〈…〉 seinen Willen thue] In den von Johann Ignatz von Felbiger herausgegebenen Katholischen Katechismus zum Gebrauche
der Schlesischen und anderer Schulen Deutschlandes nach der Fähigkeit der Jugend in drey Klassen eingetheilt – Clemens Brentano hatte ihn 1792 seiner Schwester Sophie zum Nachschlagen empfohlen (vgl. DjBr Nr. 13) – heißt es im Ersten Hauptstück. Vom Glauben: Warum hat Gott
die Menschen erschaffen? Damit sie sollen Gott erkennen, ehren und lieben. (Köln 1796, S. 68.)
96.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 14. November 1804, Mittwoch
B: Nr. *91. A: Nr. *98. H: GSA 03/502. – Format: Dbl. ca. 224 × 188 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, fleckig. – WZ: J. D. Theisfinger
Frankfurt. Fremdeinträge: 1r aoRm: 3, aoRr: auRr: 21 | 2v aoRr: 14.
11, auRl: 20 | 1v aoRr: 12 | 2r aoRr: 13,
1506
Zu Nr. 96
Datierung: Christian Brentano beschließt den undatierten Brief, weil die Post abgeht, und kann zum Schluß gerade noch notieren: die Schachtel ist angek. Daß er den Brief am selben 14. November beendete, an dem er den folgenden, mit diesem Datum versehenen schrieb, ergibt sich aus dessen Anfang: Ich habe heute die Schachtel mit den enthaltenen Sachen empfangen. Christian Brentano schrieb also am selben Tag zweimal an B. DV: H.
Veränderungen 11 11 19 20 24 24 27 34 38 41 45 53 57 64 66
vielen] üdZ eing. muß] danach gestr. neh kannst] danach gestr. mich durchaus] üdZ eing. eine] über gestr. der Verwürklichung] über gestr. Abriß nur] über gestr. das und] üdZ eing. das 〈…〉 wär] üdZ eing. Verstandes] danach gestr. (dieses ist auch eine Kraft) oder] aus und u] üdZ eing. wenigstens] üdZ eing. auch 〈…〉 geben] üdZ das] aus den
Erläuterungen 23–29 Wenn ich etwas betrachte 〈…〉 in Gott anbeten sollen.] Christian Brentano dürfte insbesondere von Schelling, den er während seines Studiums in Jena 1802/03 gehört hatte, beeinflußt sein.
1507
Zu Nr. 97
97.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 14. November 1804, Mittwoch
B: Nr. *93. A: Nr. *98. H: GSA 03/502. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. 214 × 182 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 3r-3v 1½ beschr. S.; je 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig. – WZ: I: Tannenbaum | II: oberer Teil von Tannenbaum. Fremdeinträge: 1r aoRm: 6, aoRr: 15, auRl: 11 | 1v aoRr: 16 | 2r aoRr: 17, auRl: 12 | 2v aoRr: 18 | 3r aoRr: 12, auRl: 9. Postzeichen: Portozeichen. D1: Härtl 1979, S. 124; TD. DV: H.
Veränderungen 3 u] aus 〈x〉 7 Vieles] V aus v 8 daß] d aus w 9 darum] aus dazu 10 deiner Seite] einer aus dir | Seite üdZ eing. 11 Ursach] U aus u 19 Neigungen] über gestr. zu 21 fast] üdZ eing. 22 befohlen] über verschrieben und gestr. befohlen 23 was] aus wie 25 dir] üdZ eing. 26 für] aus ist 28 sichern] üdZ eing. 29 auch] über gestr. selbst 30 unumgängl] üdZ eing. 34 dir] üdZ eing. 36 ganz] danach gestr. ohne 49 addresse] üdZ eing. 51 ob] aus der
1508
Zu Nr. 99
Erläuterungen 2 enthaltenen Sachen] Für das Erdbeermädchen. Vgl. Nr. 81,25–26 und Erl. sowie Charlotte Servière an Henry Crabb Robinson, Frankfurt, 16. Dezember 1804: Christian 〈…〉 schmachtet in Amors Feßlen, sein Mädchen ist
von niederem Stande, er hat ihr hier schöne Kleider und Weißzeug machen laßen, die Betine allein war im Geheimniß und hatte den Auftrag dazu, hat aber alles so öffentlich betrieben, daß es nun Jedermann weiß und ihre Brüder sehr darüber entrüsted waren. (Marquardt 1964, S. 115 f.) 25 Reise von der wir gesprochen haben] Nach Paris? Vgl. Christian Brentano an B, 20. Januar 1805: Er 〈Savigny〉 bleibt wenigstens noch ¾ Jahr in
Pariß soviel ist gewiß u die Reise ist keinesweegs aufgegeben, u kann es auch auf keinen Fall werden. (Nr. 106,5–7.) 56 Was der Clemens 〈…〉 was Du 〈…〉 lieb] Nr. 90 und *91.
*98.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 16. oder 17. November 1804, Freitag oder Sonnabend
B: Vmtl. Nr. 94–97; vgl. Nr. *83. A: Nr. 99. Datierung: Zwischen den datierten Briefen Christian Brentanos vom 14. und 19. November.
99.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 19. November 1804, Montag
B: Nr. *98. A: Nr. *100. H: GSA 03/502. – Format: 2 Dbl. je ca. 214 × 182 mm; 1r-4v 7 S. + 2 Z. beschr.; 4v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Büttenrand, 4v verschmutzt, Siegelrest. – WZ: I: Tannenbaum | II: IM 1802 Marburg. Fremdeinträge: 1r aoRm: 5, aoRr: 10, auRl: 13 | 1v aoRr: 11 | 2r aoRr: 13 auRl: 14 | 2v aoRr: 14 | 3r auRl: 25 | 4r auRl: 26. Postzeichen: Portozeichen. DV: H.
1509
Zu Nr. 99
Veränderungen 6 vielen] danach gestr. den 〈xxx〉 14 Sehnsucht] danach gestr. Freude 18 Bilder] üdZ eing. 19 genommen] ge aus ab 20 einzelnen] erstes e aus 〈x〉 21–22 zu bringen] üdZ eing. 26 die] danach gestr. Kirche 26 u lieben] üdZ eing. 33 würde] danach gestr. wird 36 sich] aus mir 57 Italienisch] I aus i | ie aus 〈xx〉 86 ja] aus zu
Erläuterungen 3–4 residenz unsrer Prinzeßinn 〈…〉 benachbarten Städtchen] Dexbach, ein Dorf bei Biedenkopf in der Nähe Marburgs, der Heimatort des Erd-
beermädchens. 15 Auf der Dresdner Gallerie] Christian Brentano wird sie während seines Aufenthalts in Grimma besucht haben, wo er seit Sommer 1801 von dem Mathematiker Heinrich August Töpfer in Mathematik und kantischer Philosophie unterrichtet wurde. 49 encouragiren] ermutigen. 52–53 gerathen allerhand Meister abzuschaffen] Vgl. Nr. *83. 70 die Geschichtschreiber vor dem W.] Herodot, Thukydides und Plutarch vor Winckelmann. Vgl. Nr. 75,8–13 und Erl. 74–75 nicht die Briefe; sondern die Geschichte] Vgl. Nr. 75,13–16 und Erl. 81–82 Auftrag zu Leinwand 〈…〉 Strümpfen] Für das Erdbeermäd-
chen. 85 S] Savigny.
1510
Zu Nr. 102
*100. An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. 21. November 1804, Mittwoch B: Nr. 99. A: Nr. 102. Datierung: Da Christian Brentano den Brief erhielt, während er seinen an Savigny vom 22./23. November beendete.
*101. An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, zwischen 23. und 26. November 1804, Freitag und Montag B: Nr. 99. A: Nr. 102. Datierung: Christian Brentano beantwortete am 28. November zwei Briefe Bs. Der zweite wurde nach ihrem Brief von vmtl. 21. November (Nr. *100) und mindestens etwa zwei Tagen vor Christians Antwort geschrieben.
102.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 28. November 1804, Mittwoch
B: Nr. *100, *101. A: –. H: GSA 03/502. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 188 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, fleckig, Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRm: 4, aoRr: 15, auRl: 3 | 1v aoRr: 16 | 2r aoRr: 17, auRl: 4 | 2v aoRr: 18. Postzeichen: Portozeichen. DV: H.
Veränderungen 8 u] danach gestr. auch 14 einem] danach gestr. Gra 17 Disciplinen] Disci aus 〈xxx〉
1511
Zu Nr. 102
19 21 28 37
um sie] aus und zu ungemein] danach gestr. Wenn das] aus in zuviel] z aus s
Erläuterungen 2–3 Ich habe dem Savigny 〈…〉 〈…〉 Bezug hat] Im Brief vom 22. November 1804 (vgl. Nr. *83). 24 biß Franz zurück] Franz Brentano war noch in Wien, wohin B ihm am 8. Oktober (Nr. 80.A) geschrieben hatte.
*103. An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, zwischen Anfang Dezember 1804 und Anfang Januar 1805 B: –. A: –. Datierung: Nach Christian Brentanos Brief vom 28. November 1804 (Nr. 102), vor seiner zitierten Mitteilung an Savigny vom 6. Januar 1805.
1805 *104. Von Clemens Brentano nach Frankfurt Heidelberg, erstes Drittel Januar 1805 B: –. A: Nr. *105. Beilagen: Tasse von Arnim. Datierung: Brentano, der Ende Oktober 1804 zu Arnim nach Berlin gereist war, kam am 1. Januar wieder nach Heidelberg zurück. Da er Arnim um den 9. Januar mitteilte, er habe B eine von diesem mitgegebene Tasse geschickt, wird er ihr im ersten Januardrittel geschrieben haben.
1512
Zu Nr. 106
*105. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, zwischen etwa 20. und 25. Januar 1805, Dienstag und Sonntag B: Nr. *104. A: –. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung an Savigny von etwa 25. Januar, sie sei etwa drei Wochen sehr krank gewesen und erst vor wenig Tagen habe sich all dieses gelöst (Nr. 107,35–37).
106.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 20. Januar 1805, Sonntag
B: –. A: –. H: GSA 03/502. – Format: 1 Bl. ca. 214 × 182 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; nicht gefaltet. – Papier: Derb, leicht fleckig. – WZ: Teil von Tannenbaum. Fremdeinträge: 1r aoRm: 5, aoRr: 19, auRl: 1 | 1v aoRr: 20. DV: H.
Veränderungen 8 ihm] aus mir 12 Aengstlichkeit?] danach gestr. 15 purzelt] z aus t
wenn
Erläuterungen 3 Savigny 〈…〉 großen Brief geschrieben] Nicht bekannt. 8–9 Ich habe an Franz geschrieben] Nicht bekannt. Christian Brentano hatte in seinem Brief an Savigny vom 28. November 1804 (SPK/NS 51/1) erwogen, wie er und Savigny Franz Brentano in die Erziehung Bs einbeziehen könnten; Christian wird einen entsprechenden Brief an den Bruder geschrieben haben.
1513
Zu Nr. 107
107.
An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, etwa 25. Januar 1805, Freitag
B: –. A: Nr. 110. H: SPK/NS 7/2. – Format: 1 Bl. ca. 232 × 190 mm; 1r-1v 1 S. + 6 Z. beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Unterlängen C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 16, aoRr: 1 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Postzeichen: Rechteckiger Stempel: PTERTE 4ME | Runder (Ankunftspost-)Stempel: PSE XI, an 13. Datierung: Der Brief Christian Brentanos, auf den B sich bezieht, ist derjenige vom 20. Januar (Nr. 106). Daß sie bald nach dessen Erhalt an Savigny schrieb, teilte sie ihm selbst mit und ergibt sich außerdem aus dem Ankunftspoststempel, demzufolge der Brief am 11. Pluviôse (1. Februar) in Paris war. Die Post Frankfurt-Paris wird etwa sechs Tage unterwegs gewesen sein. Soviel veranschlagte ein zeitgenössisches Reisehandbuch (Reichard 1801, S. 215), und der gleichzeitige Briefwechsel zwischen Savigny in Paris und Clemens Brentano sowie Friedrich Creuzer in Heidelberg hatte eine Frequenz von etwa fünf bis sieben Tagen. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 28 f. (Nr. 16). D2: B/WuB IV, S. 17–19 (Nr. 7); datiert: etwa 25. Januar 1805. DV: H.
Veränderungen 16 19 24 24 30 39
Gemüth] danach gestr. ve an] danach gestr. d ich] üdZ das] danach gestr. freie Seele] S aus s wirklich] danach gestr. 〈xxx〉
Erläuterungen 15–17 das aller Lärm aus meinen Augen 〈…〉 verschwunden sind] Vgl. Savigny an B, vmtl. erstes Drittel September 1804 (Nr. 72,15–19).
1514
Zu Nr. 108
25–28 Clemens 〈…〉 an sich ziehen 〈…〉 zu lösen gesucht] Vgl. Nr. *105. 35–38 ungefehr 3 wochen sehr krank 〈…〉 Güntherrödgen] Noch am 24. November 1838 erinnerte B sich in einem Brief an Hermann Karl von Leonhardi: als mich in meiner Jugend die Günderode mit Schellings Wer-
ken bekannt machte und in Philosophie unterrichten wollte bekam ich ein nerveuses Gallenfieber aus geheimem Schauder davor und war dem Tod ganz nah dessen Ursache sich in meinen Fieberphantasien genugsam ergab. (Härtl 1992, S. 10.)
108.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Paris, zwischen etwa 25. und Ende Januar 1805
B: –. A: Nr. 109. H: GSA 03/588. – Format: 1 Bl. ca. 180 × 116 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; nicht gefaltet. – Papier: Dünn, 1v unterer Teil stark vergilbt. Fremdeinträge: 1r aoR: 5, aoRr: 14, auRl: 30 | 1v aoRr: 15. Datierung: Savigny hatte Bs Brief von etwa 25. Januar (Nr. 107) noch nicht, als er ihr schrieb, und sie seinen noch nicht, als sie ihm schrieb. D1: Härtl 1979, S. 111 (Nr. 7); datiert: Mitte Januar 1805. DV: H.
Veränderungen 15
über] danach gestr. die
Erläuterungen 5–7 Ich bin viel krank gewesen 〈…〉 Papiere verloren habe] Nachdem Savigny Ende November/Anfang Dezember 1804 mit seiner Frau Kunigunde und Meline in Paris eingetroffen war, benachrichtigte Kunigunde am 5. Dezember Friedrich Creuzer in Heidelberg: Savigny ist zu sehr gestört, zu trau-
rig durch den Verlust aller seiner Manuskripte die sich auf diese Reise bezogen. Wir haben unsern Koffer verloren oder auch er ist gestohlen worden als wir in Paris einfuhren; Savigny hat darum den Muth nicht 1515
Zu Nr. 108
die Feder noch anzurühren. (Stoll 1927, S. 243.) Am 20. Februar 1805 daß mich beynahe zwey Monate eine Unpäßlichkeit (die Folge des warmen feuchten Clima’s), verbunden mit dem Eindruck meines Unglücks und aller hiesigen Nichtigkeiten, völlig gelähmt hatte (ebd., S. 245). Er hatte jedoch nicht alle seine Papiere 〈…〉 verloren, im Gegentheil: von meinen eignen Arbeiten gar nichts – aber alles, was auf die Reise Beziehung hatte 〈…〉 also alles was ich im vorigen Winter, was ich in Göttingen und was ich auf der Reise (besonders in Schwaben und Metz) zusammen getragen hatte. (Ebd., S. 243.) 9–10 Christian schrieb 〈…〉 du könntest mir nicht 〈…〉 schreiben] Am
schrieb Savigny an Creuzer,
20. November 1804 ( Nr. *83). 10 Dein Brief über die Geschichte] Nr. 86. 19 wie das Gundelchen immer dicker wird] Schwangerschaft mit der Tochter Bettina (geb. 11. April).
109.
An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, vmtl. Anfang Februar 1805
B: Nr. 108. A: Nr. 110. H: SPK/NS 7/2. – Format: 1 Dbl. ca. 226 × 182 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: 1r hellgrüner Rand mit Prägung | Bl. 2 arRm ausgestanzter Kreis (15 mm) mit filigranem B, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, rotes Siegel mit B. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, darunter: Nr 16, aoRr: 2 | 1v auR Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: B schrieb unmittelbar nach Erhalt des Bezugsbriefes, und da dieser vmtl. zwischen 25. und Ende Januar geschrieben wurde und etwa sechs Tage (vgl. Datierung von Nr. 107) unterwegs war, ergibt sich Anfang Februar als Datum. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 29 f. (Nr. 17); datiert: Februar/März 1805. DV: H.
Veränderungen 4 6
wo] davor gestr. bei sich] s aus a 1516
Zu Nr. 110
6 wird] üdZ eing. 9 krank] letztes k aus g 13 Mann] danach gestr. vol 14 hat] danach gestr. g 15 sollte] danach gestr. so führe 23 aber] danach gestr. größer 27 angeschlagen] danach gestr. werde 31 dann] aus das
Erläuterungen 6 daß Gunda an das Licht bringen wird] Anspielung auf ihre Nr. 108,19–20 mitgeteilte Schwangerschaft. 11–12 mag dir der Überbringer selbst sagen] Zufolge Antwortbrief schickte der Überbringer namens Michel den Brief in Paris an Savigny, ohne ihn selbst aufzusuchen. Nicht identifiziert, vmtl. nicht der Marburger Zeichenmeister Michel (Brentano an Savigny, vmtl. zwischen 23. und 26. Juni 1803; DjBr Nr. 814), der wunderschön zeichnet, hübsch schreibt, und
sehr unschuldig, fleißig und brav ist, er versteht auch etwas vom Buchbinder Handwerk (Brentano an Sophie Mereau, vmtl. 25. oder 26. Oktober 1803; DjBr Nr. 890).
110.
Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Paris, zweite Hälfte Februar/erste Hälfte März 1805
B: Nr. 107, 109. A: Nr. *114, 118. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 182 × 115 mm; 1r-2v 3½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, leicht fleckig, 2v vergilbt; Bl. 2 Papierverlust (ohne Textverlust). Fremdeinträge: 1r aoR: 2, aoRr: 5, auRl: 33 | 1v aoRr: 6 | 2r auRl: 7 | 2v aoRr:
34. Datierung: Am 11. April (Nr. 120), in seinem nächsten Brief an B, rügte Savigny, sie habe lange nicht geschrieben. Seinen vorigen Brief wird er erheblich früher geschrieben haben. D1: Härtl 1979, S. 111 f. (Nr. 8); datiert: etwa März 1805. DV: H.
1517
Zu Nr. 110
Veränderungen 24 35 63
Ein] davor gestr. Nach de Gunda] G aus 〈x〉, davor gestr. zu und] aus es
Erläuterungen 24 Ein Bekannter 〈…〉 D. Haarbauer] Franz Joseph Harbaur (Haarbauer, Harbauer) stammte aus dem elsässischen Neuwiller-lès-Saverne (Neuweiler), hatte in Jena Medizin studiert, war dort mit Schiller als Assistent von dessen Hausarzt bekannt geworden, 1801 in seine Heimat zurückgekehrt und 1802 zum Abschluß seines Studiums nach Paris gegangen, wo er sich eine Praxis aufbaute und Leibarzt des Generals und späteren Kriegsministers Henri Jacques Guillaume Clarke, Herzogs von Feltre wurde. (Vgl. vor allem: Blumenthal 1989; SNA XL/II, S. 34.) Savigny und Kunigunde war er während deren Schwangerschaft sehr hülfreich gewesen, er hat vier Tage lang ganz bey mir gewohnt (Savigny an Brentano, 19. April 1805; DjBr Nr. 1068). Clemens Brentano wird er bereits während des Jenaer Studiums kennengelernt haben und B spätestens 1802. Im September dieses Jahres schrieb Winkelmann an Savigny,
Harbaur habe ihm erzählt, sie lese in Offenbach einem Mädchen, die ihr sticken lehrt, die Briefe vor, welche sie von Clemens bekömmt u. an ihn schreibt (Schnack 1984, S. 137). 1808 warb Harbaur über Karl Theodor von Dalberg, den Fürstprimas des Rheinbunds, um Meline, die nicht abgeneigt war und Savigny am 10. Juni um Rat fragte: So viel ich ihn kenne ist er mir
recht sehr lieb; er hat ein gutes Herz und das ist schon viel. Aber ich möchte sonst noch allerley von ihm wissen. (Steinsdorff 1992, S. 195.) Was Savigny geantwortet hat, ist nicht bekannt. – Wieland an Seume, 10. Januar 1810: Er ist nicht nur als praktischer A r z t, sondern auch als M e n s c h
im edelsten Sinne des Worts einer der vorzüglichsten u besten jungen Männer, die ich kenne. (Drews/Sangmeister 2002, S. 598.) 42 H. Michel 〈…〉 war noch nicht beÿ mir.] Vgl. Nr. 109,10–11 und Erl. 52–53 Wesen das ihn bald erfreuen wird] Anspielung auf Gundas Nr. 108,19–20 mitgeteilte Schwangerschaft. 59 die dreÿ lieben Schwesterchen] B, Lulu und Meline, die im Juli 1804 Trages besucht hatten.
1518
Zu Nr. 111
111.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 19. Februar 1805, Dienstag
B: Nr. *114. A: –. H: GSA 03/502. – Format: 1 Dbl. ca. 227 × 188 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Zerknittert, 1r beschmutzt. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRm: 1, aoRr: 1, auRl: 5 | 1v aoRr: 2 | 2r aoRr: 3, auRl: 6 | 2v aoRr: 4. Datierung: Christian Brentano war Pate von Johann Heinrich Christian Bangs ältester Tochter Johanna, die am 14. Februar 1805 geboren und am darauffolgenden Sonntag, dem 25. Februar, getauft wurde. (Vgl. Stoll 1927, S. 281.) Daher wird der lediglich 19 1805 (Z. 72) datierte Brief am 19. Februar geschrieben sein. DV: H.
Veränderungen 2 Dieser] aus Dein 6 einer Heidinn] aus einen Heiden 12 Blätter] aus Blüthen 20 das noch unbelebte] üdZ eing. 20 faßet] aus umfaßet 20–21 das Leben] üdZ eing. 21 fortleitet und] über gestr. aufnimt 27 welches] davor gestr. G 35 amusiren] amus aus 〈xxx〉 39 oder Strickstock] üdZ eing. 40 Handbesen] Hand aus 〈xxx〉 45 dem] m aus s 45 18] 8 aus 〈x〉 45 Jahr] danach gestr. nicht er 45 beßer] üdZ eing. 47 ewiges] ew aus Di | danach gestr. tausend 49 kostbares] über gestr. theueres 55 nebeneinanderstehenden] danach gestr. Füßen 55–56 das] aus 〈xxx〉
1519
Zu Nr. 111
64 flackernden] üdZ eing. 67–68 u vor 〈…〉 anschließt. –] nachträgl.
Erläuterungen 6–7 Biß Sontag 〈…〉 zum Gevatter werden.] Bei Johanna Bang. Vgl. Datierung. 71 Herrn Grimm 〈…〉 bey euch?] Vgl. Nr. 113,2–3.
112.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 25. Februar 1805, Montag
B: –. A: Nr. *114. H: GSA 03/502. – Format: 1 Bl. ca. 180 × 188 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x diagonal gefaltet. – Papier: Fleckig, untere Kante unregelmäßig abgeschnitten, Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Beilagen: Brief Savignys an Bostel, 4. Februar 1805; darin: Ich wollte, Du
theiltest diesen Brief dem Christian mit; ich habe ihm so viel über ihn und über meinen Auftrag schreiben müssen, daß ich nicht viel von mir sagen konnte, und er hat uns so lieb, daß er nothwendig wissen muß, wie es uns geht. (Stoll 1927, S. 245.) Fremdeinträge: 1r aoRm: 7, aoRr: 19, auRl: 2 | 1v aoRr: 20. Postzeichen: Portozeichen. DV: H.
Erläuterungen 3 theilt mir Bostel mit] Der mit Savigny befreundete Jurist Hans Christian von Bostel lebte in Wetzlar, also in der Nähe Marburgs 6 Wegen dem 〈…〉 dem Pathengeschenk nächstens.] Vgl. Nr. 111.
1520
Zu Nr. 113
113.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. Ende Februar 1805
B: –. A: Nr. *114. H: GSA 03/502. – Format: 1 Bl. ca. 226 × 188 mm; 1r-1v 1¼ beschr. S.; vmtl. 2x längs gefaltet. – Papier: Oberer Rand fleckig. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRm: 3, aoRr: 6, auRl: 17 | 1v aoRr: 7. Datierung: Über das Programm, dessen Erscheinen Christian Brentano berichtet, informierten Clemens Brentano und Friedrich Creuzer Savigny in Heidelberger Briefen vom 4. März (vgl. zu Z. 3–4). Christian wird es ihnen zuvor, Ende Februar, geschickt haben. Der Sonntag, für den er B ein Exemplar in Aussicht stellt, wird demnach der 3. März gewesen sein. Und die 7 Wochen, die noch vergehen werden, bis er selbst nach Frankfurt komme, dürften die bis Ostern sein: 14. April. DV: H.
Veränderungen 9 gelesen] danach gestr. hast 9–10 hast u 〈…〉 finden mögte] üdZ 11 hier siehst du] aus diese spart dir | danach gestr. Mühe
Erläuterungen 2–3 hat dir denn dH* Grimm 〈…〉 gezeigt?] Jacob Grimm, der in Marburg bei Savigny studiert hatte, war in der ersten Februarhälfte 1805 nach Paris gereist, um seinem Lehrer beim Abschreiben von Manuskripten zu helfen. Er wird über Frankfurt gekommen sein und B dort kennengelernt haben. 3–4 Mein Name 〈…〉 einem andern zu Ehren] Johann Wilhelm Heinrich Conradi war aufgrund seiner akademischen Abhandlungen Von den Hämorrhoiden (Marburg 1804) und Über einige Mängel der Brownschen The-
rapie. Ein Programm zur Ankündigung seiner Vorlesungen von Ostern bis Michaelis 1805 (Marburg 1805), die sich mit der Erregungstheorie des schottischen Arztes John Brown auseinandersetzten, in Marburg zum Professor ernannt worden, und Christian Brentano gratulierte ihm ironisch mit einem eigenen sechsunddreißgseitigen Programm über diejenigen Conradis,
1521
Zu Nr. 113
der nur vier Jahre älter als er selbst war: Einige Betrachtungen über des Herrn Professor Conradi’s Programme womit er bey Ankündigung seiner Wintervorlesungen 1803 und seiner Sommervorlesungen 1805 das akademische Publikum beschenkt hat, als Glückwunsch zu der erhaltenen Professorenwürde in einem Programm verfasst von seinem Schüler und Freunde Christian Brentano (Marburg 1805; Rarum im KVK). Vgl. Clemens Brentano an Savigny, 4. März 1805: Sie werden wohl wissen, daß Christian ein wunderbar Mathematisch Naturphilosophisches Program zu Conradis Professor werden geschrieben hat, in welchem dem Brown ein großer Stoß gegeben werden soll, es steht in einer so ernsthaften ironie mit der Veranlassung, und das ganze verzieht keine Miene (DjBr Nr. 1047). Sowie Friedrich Creuzer an Savigny, ebenfalls 4. März 1805: Christian Brentano hat in einem deutschen Programm, dessen Styl mir wohl gefällt u. worin er die Brownische Lehre beleuchtet, dem Conradi zur Professur öffentl. Glück gewünscht. (Dahlmann 1972, S. 155.) Und Wilhelm Grimm an seinen Bruder Jacob, 24. März 1805: Das Programm des Brentano konnte die Tante 〈Henriette Philippine Zimmer〉 unmöglich dir schicken, da es allzu viel war 〈…〉 ich habe es gelesen und soviel ich verstehe dünkt es mir recht witzig und scharfsinnig (Rölleke 2001, S. 48). 8–9 unter dem treuen Bruder] Unter der Grußformel in Christian Brentanos Briefen.
*114. An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, Ende Februar/Anfang März 1805 B: Nr. 112, 113. A: Nr. 116. Datierung: B wird auf Christian Brentanos Briefe vom 19. und 25. Ende Februar reagiert haben.
1522
Zu Nr. 116
*115. An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, erstes oder zweites Drittel März 1805 B: Nr. 110. A: –. Datierung: Zufolge ihrem Brief von etwa 7. April 1805 (Nr. 118) scheint B vergeblich eine Antwort Savignys auf den vorliegenden erwartet zu haben. Da die Briefe zwischen Frankfurt und Paris etwa sechs Tage unterwegs waren (vgl. Datierung von Nr. 109), ergibt sich daraus ein ungefährer Terminus ante quem. Terminus post quem aufgrund des vorigen Briefes Bs an Savigny (Nr. 110).
116.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, 1. März 1805, Freitag
B: –. A: –. H: GSA 03/502. – Format: 1 Bl. ca. 225 × 178 mm; 1r ¼ S. beschr.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verschmutzt, verknittert, Ränder eingerissen. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Beilagen: Programm Christian Brentanos zur Ernennung des Marburger Mediziners Johann Wilhelm Heinrich Conradi (vgl. Nr. 113). Fremdeinträge: 1r aoRm: 2, aoRr: 5, auRl: 7. Datierung: Christian Brentano kündigte sein Programm in seinem Brief von vmtl. Ende Februar an und schickte es Ende Februar an B. Mit der Datumsangabe 1 wird der 1. März gemeint sein. DV: H.
Veränderungen 7
Zeige es auch] aus 〈xxx〉
Erläuterungen
Vgl. Beilagen.
1523
Zu Nr. *117
*117. Von ? nach Frankfurt Jena( ? ), vmtl. Ende März/Anfang April 1805 B: –. A: –. Datierung: B wird Savigny etwa am 7. April die für ihn bestimmte Nachricht bald nach Erhalt mitgeteilt haben. Wenn sie, was anzunehmen ist, aus Jena geschrieben wurde, wird sie vier Tage unterwegs gewesen sein.
118.
An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, etwa 7. April 1805, Sonntag
B: –. A: Nr. 121. H: SPK/NS 7,2. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 191 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | VAN-
DERLEY. Beilagen: Briefe Caroline von Günderrodes und Franz Brentanos an Savigny. (Nicht bekannt.) Vgl. Nr. 122,7–10. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 18, aoRr: 4 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 2r aoRr: 5. Datierung: Der Brief traf am 13. April bei Savigny ein (vgl. Nr. 121,10) und wird, weil die Post zwischen Frankfurt und Paris etwa sechs Tage unterwegs war (vgl. Datierung von Nr. 109), um den 7. April geschrieben sein. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 30 f. (Nr. 18); datiert: Anfang April 1805. DV: H.
Veränderungen 9 schön] danach gestr. und 10 mit] danach gestr. der 17 Mühe] danach gestr. zu 27 ergreift] g aus k 27 ich] danach gestr. in G 37 dir] danach gestr. s
1524
Zu Nr. *119
Erläuterungen 2–4 Brief 〈…〉 übersendete] Nr. *115. 5 laß es auch Butin taufen] Vgl. Nr. 120 sowie Clemens Brentano an seine Frau Sophie aus Frankfurt, etwa 16. April: Gestern kam ein Brief von Sa-
vigny an Betine eine Stunde nach der Kundels Niederkunft mit einer Tochter, Betine soll sie zur Taufe heben, zum Knaben war Christ. gebeten. (DjBr Nr. 1067). 19–20 Daß gute Günterrödgen 〈…〉 was die Krücke einem Lahmen] Vgl. Clemens Brentano an seine Frau Sophie, etwa 16. April: Die Günterrode die vertraute Betinens 〈…〉 hat dieser den Winter Geschichte gelehrt (DjBr Nr. 1065). 34 Clemens 〈…〉 ein Kindgen] Tochter Joachime, geb. 13. Mai. 37–39 Robinson 〈…〉 daß Frieß und Tibaut 〈…〉 angenommen haben.] Der Engländer Henry Crabb Robinson, der in Deutschland reiste und studierte, hatte B vmtl. im Frühjahr 1801 in Offenbach kennengelernt, im Herbst 1802 in Marburg Savigny und während seines anschließenden Studiums in Jena dortige Professoren. Von ihnen hatten der Philosoph Jakob Friedrich Fries, für dessen Anstellung an der Heidelberger Universität sich Savigny besonders engagierte, und der Jurist Anton Friedrich Justus Thibaut im Februar 1805 eine Berufung nach Heidelberg erhalten, der sie Folge leisteten. Durch wen B die Mitteilung erhielt, ist nicht bekannt. 47 in deinem lezten Brief] Kunigundes Anteil von Nr. 110.
*119. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, etwa 7. April 1805, Sonntag B: –. A: –. Datierung: Analog Nr. 118, da B an Clemens am gleichen Tag wie an Savigny schreibt.
1525
Zu Nr. 120
120.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Paris, 11. April 1805, Donnerstag
B: –. A: Nr. 122. H: GSA 03/588. – Format: 1 Bl. ca. 232 × 192 mm; 1r beschr.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, stark verknittert. Beilagen: Briefe (nicht bekannt). Fremdeinträge: 1r aoRl: 11. D1: Härtl 1979, S. 112 (Nr. 9). DV: H.
121.
Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Paris, 15. April 1805, Montag
B: Nr. 118. A: Nr. 123. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 192 × 116 mm; 1r-2v 3¼ beschr. S., 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: 2v fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. Beilagen: Haare des neugeborenen Kindes. Brief Meline Brentanos an Sophie von La Roche. (Nicht bekannt; die Adressatin wird Nr. 122,37–38 genannt.) Fremdeinträge: 1r aoR: 1, aoRr: 1, auRl: 31 | 1v aoRr: 2 | 2r auRl: 3, auRl: 32 | 2v aoRr: 4. D1: Härtl 1979, S. 112 f. (Nr. 10). DV: H.
Veränderungen 1 15.] 5 aus 4 24 Blick] B aus
W
1526
Zu Nr. 122
Erläuterungen 40–41 daß du nicht Pathe seyn kannst] Da ein Mädchen geboren war. 44 dem Schwaab 〈…〉 schreiben] Georg Joseph Anton Schwaab, der langjährige Buchhalter des Brentano-Hauses, war in seine Heimatstadt Miltenberg zurückgekehrt.
122.
An Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano in Paris Frankfurt, etwa 20. April 1805, Sonnabend
B: Nr. 120. A: –. H: SPK/NS 7,2. – Format: 1 Dbl. ca. 231 × 192 mm; 1r-2r 2½ beschr. S. + 2v 5 Z.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: VANDERLEY. Beilagen: Billett Clemens Brentanos. (Nicht bekannt; DjBr Nr. *1066.) Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 19, aoRr: 6 | 2r aoRr: 7 | 2v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: B hat Savignys Brief vom 11. April (Nr. 120) erhalten, kennt aber den vom 15. (Nr. 121) noch nicht, denn sie fragt abschließend, ob Lulus Kindzeug angekommen sei, was in letzterem mitgeteilt wurde. Da die Briefe etwa sechs Tage unterwegs waren (vgl. Datierung von Nr. 109), wird sie den vorliegenden um den 20. April geschrieben haben. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 31–33 (Nr. 19); datiert: nach dem 15. April 1805. DV: H.
Veränderungen 2 du] üdZ 3 4te] 4 aus 3 5 sendete,] danach gestr. drinnen 7 nochmals] danach gestr. repe 15 hat] danach gestr. ge 16 wie] danach gestr. Lieb 20 dich] üdZ 23 meinem] erstes m aus s
1527
Zu Nr. 122
26 48 51 54 59 67
Brief] danach gestr. fro dieser] danach gestr. mir er] üdZ jetzt] danach gestr. dir ich] danach gestr. freund soll] danach gestr. er
Erläuterungen 3–7 der 4te Brief 〈…〉 erstens 〈…〉 zweitens 〈…〉 wiederhole] B hat 4te aus 3te geändert, und da sie im folgenden nur zwei frühere Briefe anführt (Nr. *115, 118) und ein dritter nicht nachweisbar ist, wird sie sich mit der Korrektur geirrt haben. 23 Cristian und Clemens sind hier] Vgl. Charlotte Servière aus Frankfurt an Henry Crabb Robinson in Jena: Clemens und Christian sind hier: dieser
ist läppisch und träge wie er immer war, und Clemens scheint schon voraus das Kindergeschrey zu fürchten und will daher die Vaterfreuden von ferne erwarten. (Marquardt 1964, S. 118.) 30 ob Moritz Bethmann sich dueliert habe] Dazu nichts ermittelt. 37–38 von 〈…〉 Meline an die Großmutter] Beilage zu Nr. 121. 69–73 ich heise 〈…〉 Bettina] Vgl. Stimmen Nr. 2–4.
123.
An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano in Paris Frankfurt, Ende April 1805
B: Nr. 121. A: Nr. 127. H: SPK/NS 7,2. – Format: 1 Bl. ca. 230 × 192 mm; 1r beschr.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Vergilbt. – WZ: VANDERLEY. Beilagen: Briefe von Savignys Gut Trages. (Nicht bekannt.) Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 19, aoRr: 8| 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: B wird einige Tage nach Erhalt des Bezugsbriefes vom 15. April geschrieben haben, der etwa sechs Tage unterwegs gewesen sein dürfte (vgl. Datierung von Nr. 107). Darauf läßt vor allem die Mitteilung über den fünftägigen Frankfurt-Aufenthalt Ludwig von Lichtenbergs schließen. Daß dieser
1528
Zu Nr. *125
sich seit vier Tagen in Frankfurt aufhielt, hatte Brentano seiner Frau vmtl. am 23. April gemeldet (DjBr Nr. 1073), und da B von einem fünftägigen Aufenthalt im Präteritum berichtet, wird ihr Brief bald nach dem des Bruders geschrieben sein; ihre Mitteilung, Lichtenberg werde in vier Wochen nach Paris kommen, stimmt mit derjenigen in Brentanos Brief an Savigny vom 8. Mai überein, Lichtenberg wolle Ende des Monats bei ihm sein (DjBr Nr. 1081). D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 33 f. (Nr. 20); datiert: Anfang Mai 1805. DV: H.
Veränderungen 3 euch] aus 〈xxx〉 3 über] danach gestr. die 14 denn] danach gestr. d 16 das Verlangen] aus 〈xxx〉 18 kommen,] danach gestr. s 22 schicke] danach gestr. es
Erläuterungen 16–18
Lichtenberg 〈…〉 zu euch kommen] Vgl. Datierung.
*124. Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. erstes Drittel Mai 1805 B: -. A: Nr. 128. Datierung: Vgl. Datierung von Nr. 128.
*125. Von Christian Brentano nach Frankfurt Marburg, vmtl. erstes oder zweites Drittel Mai 1805 B: -. A: Nr. 128. Datierung: Vgl. Datierung von Nr. 128.
1529
Zu Nr. *126
*126. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, vmtl. zwischen 1. und 5. Mai 1805, Mittwoch und Sonntag B: –. A: –. Datierung: Einige Tage nach Clemens’ Abreise von Frankfurt nach Heidelberg (vmtl. 27. April); vor seinem Brief an Arnim zwischen vmtl. 5. und 10. Mai (WAA XXXII, Nr. 375; DjBr Nr. 1077).
127.
Von Meline Brentano und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Paris, 9. Mai 1805, Donnerstag
B: Nr. 123. A: Nr. 129. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 240 × 185 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, leicht fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. Fremdeinträge: 1r aoR: 7, aoRr: 18, auRl: 12 | 1v aoRr: 19 | 2r auRl: 13 | 2v aoRr: 20. Postzeichen: R. N°3 | Portozeichen. DV: H.
Veränderungen 2 muß] üdz eing. 4 vaccinirt] erstes c aus g 12 Garten,] danach gestr. Denn 16 wirst] st aus d 19 wir] üdZ eing. 23 niemand] danach gestr. wie 49 und] danach gestr. ge 60 Tian] nach T gestr. h
1530
Zu Nr. 128
Erläuterungen 4 vaccinirt] geimpft, vmtl. gegen die Kuhpocken. 16 acoucirt] entbunden. 22 Trageser] Trageser Briefen. 25 Loulou ist so verliebt] In den Bankier Johann Carl Jordis. Vgl. Claudine Piautaz aus Frankfurt an Clemens Brentano, zweite Hälfte Mai 1805: Loulou
Brentano ist nichts mehr, und nichts weniger als eine Braut, und wie ich merke eine sehr glückliche Braut, des noch glücklichern H Jordis 〈…〉 wenn des Menschen Willen ihr Himmelreich ist so sind die zwei Verlobten wohl in dem 3ten Himmel der für sie voller Geigen hängt – sie küßen sich immer, und immer, das ist alles was ich Euch von ihrer Liebschaft sagen kann. (DjBr Nr. 1090.) Sowie Franz Brentano an Clemens, 31. Mai 1805 (DjBr Nr. 1097). 34 daß wir schon wieder ein anderes quartiert suchen] Savignys wohnten in Paris zunächst in der Rue Concorde im Haus des badischen Ministers Emmerich Joseph von Dalberg (vgl. Stoll 1927, S. 243, 247), dann in der Rue de la Loi, hôtel du Nord, in einem Gartenhause, wo wir die schönen Frühlingstage recht genießen (Savigny an Friedrich Creuzer, 19. März 1805; ebd., S. 252; vgl. Adresse von Nr. 129). Über einen weiteren Umzug ist nichts bekannt. 53–54 Clödchen 〈…〉 sein Vatter nicht mehr sehen läßt] Über den Parisaufenthalt von Franz Piautaz, dem Vater der Claudine, ist nichts bekannt; er stammte aus Cluse in Savoyen. 56 Lichtenberg 〈…〉 Abreise] Vgl. Nr. 123 (Datierung). 60 daß Tian wieder etwas geschrieben hat] Im April 1805 war die zweite Veröffentlichung der Günderrode wie bereits die erste unter ihrem Pseudonym erschienen: Poetische Fragmente von Tian (Frankfurt/M.: Wilmans).
128.
An Christian Brentano in Marburg Frankfurt, vmtl. zweites oder letztes Drittel Mai 1805
B: Nr. *124, *125. A: –. H: GSA 03/1072. – Format: 1 Bl. ca. 228 × 193 mm; 1r-1v 1¼ beschr. S.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, brüchig, fleckig, zerknittert, 1v beschmutzt, Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild.
1531
Zu Nr. 128
Fremdeinträge: 1r aoRm: VII, 12. Datierung: Der Brief wurde nach Christian und Clemens Brentanos Frankfurt-Aufenthalt im April 1805 geschrieben. Wann Christian von dort nach Marburg zurückkehrte, ist nicht bekannt, doch anzunehmen, daß er Frankfurt etwa gleichzeitig mit Clemens (27. April), jedenfalls nicht lange danach verlassen hat. Auf den gemeinsamen Frankfurt-Aufenthalt dürfte zurückzuführen sein, daß B sich im vorliegenden Brief auf eine Äußerung Christians über Clemens’ Verhältnis zu ihr und zu Sophie Brentano bezieht, und Bs Äußerung, sie sei froh, daß sie sich noch nach Herzens Lust verlieben könne, scheint auf ihre Beziehung zu Henry Gontard anzuspielen, von der sie Savigny in ihrem Brief von etwa 20. April 1805 berichtete (Nr. 122,39–53). Es wird angenommen, daß sie den Brief an Christian Brentano im zweiten oder letzten Mai-Drittel geschrieben hat und daß die zwei vorausgegangenen Briefe Christian Brentanos, die sie anfangs ihres Briefes erwähnt, im ersten bzw. ersten und zweiten Mai-Drittel geschrieben wurden. D1: Kat. Henrici 155, S. 47, Nr. 144 (TD); nicht näher datiert. D2: Härtl 1979, S. 124 (TD); nicht näher datiert. DV: H.
Veränderungen 5 du] danach gestr. mir 9 hält] danach gestr. von 12 ihn] über gestr. er sich mit 12 seine] am Schluß gestr. r 15 Langweile] nach g gestr. er 16 deine] am Schluß gestr. r 19 ich] danach gestr. dich 24 was] danach gestr. bra
Erläuterungen 11–14 Clemens 〈…〉 ein zerrißnes Band] Vgl. Datierung. 26 daß ich mich 〈…〉 verlieben kann] Vgl. Datierung.
1532
Zu Nr. 129
129.
An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano in Paris Frankfurt, 24. Mai 1805, Freitag
B: Nr. 127. A: Nr. 130. H: SPK/NS 7,2. – Format: 1 Bl. ca. 232 × 192 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 21, aoRr: 9 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Postzeichen: R.1.FRANCFORT. | Ankunftsstempel: Pal 8, an 13 (Prairial 8). D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 34 f. (Nr. 21). DV: H.
Veränderungen 19 23 27 27 32 32
der] danach gestr. Verdi Kraft] danach gestr. ih von] üdZ eing. Liebe] danach gestr. die and Art] danach gestr. sich Haare] danach gestr. an
Erläuterungen 7–8 Marie zieht 〈…〉 nach Bergen] Marie Brentano ging nach ihrem Heimatort Bergen (später Bergen-Enkheim) bei Frankfurt. 10–11 Lulu 〈…〉 Neigungen] Vgl. Nr. 127,25–27 und Erl. 34–35 Krappen 〈…〉 krapt] Haken … einhaken. (Vgl. DWb XI, Sp. 2066 f.)
1533
Zu Nr. 130
130.
Von Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano nach Frankfurt Paris, 30. Mai 1805, Donnerstag
B: Nr. 129. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 188 × 114 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 1x quer gefaltet. – Papier: Dünn, Bl. 1 eingerissen. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Beilagen: Briefe. (Nicht bekannt.) Fremdeinträge: 1r aoR: 4, aoRr: 12, auRl: 29 | 1v aoRr: 13. D1: Härtl 1979, S. 113 (Nr. 11). DV: H.
Veränderungen 9 sehr] danach gestr. h 18 liebe] am Schluß gestr. n 20 acht] danach gestr. wenn
Erläuterungen 8 kleinen Engel] Die Tochter Bettina. 21 Aliance Wappen] »die durch Zusammensetzung oder Nebeneinanderstellung verbundenen Wappen eines Ehepaares. In der Regel steht das Wappen des Gemahls an erster Stelle. Die Figuren im Wappen des Mannes sind dem Wappen der Frau zugewendet« (MGKL I, S. 348). 22 Jahrtag der Trauung] 17. April.
1534
Zu Nr. *132
131.
Von Friedrich Carl von Savigny und Meline Brentano nach Frankfurt Paris, 31. Mai 1805, Freitag
B: –. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Bl. ca. 228 × 188 mm; 1r-1v 1 S. + 4 Z. beschr.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, Textverlust durch abgerissene Dbl.-Hälfte, Tintenfraß. – WZ: & COMP. Fremdeinträge: 1r aoR: 6, aoRr: 16, auRl: 14 | 1v aoRr: 17. D1: Härtl 1979, S. 113 f. (Nr. 12). DV: H.
Erläuterungen 4–5
daß die Loulou 〈…〉 Jordis heurathe] Vgl. Nr. 140 (Datierung).
*132. Briefwechsel mit Volksliedfreunden Frankfurt, zwischen Anfang Juni und Ende August 1805 B: –. A: –. Besonderheiten: Daß B mit Liedaufzeichnungen zu der Arnim/Brentanoschen Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn beitrug, ist vor allem, jedoch nicht nur durch den großen Volksliederbrief an den Bruder Clemens belegt. (Vgl. Nr. 134.) Allerdings sind ansonsten keine einzelnen Briefe der Correspondence bekannt geworden, und wer die Vermittler waren, die B dafür interessiert hatte, ist ebenfalls großenteils unklar. Einer von ihnen wird der Pfarrer Johann Heinrich Christian Bang in Goßfelden bei Marburg gewesen sein. Der Multiplikator, dem die Correspondence durch ganz Fuld zu verdanken war, läßt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit namhaft machen: der Arzt Franz Joseph Harbaur. Nachdem er vmtl. im letzten Maidrittel von Paris nach Frankfurt gekommen war (vgl. Nr. 127,15–21), wirkte er in bzw. bei Fulda. Das gleichnamige Bistum war »durch den Reichsdeputationshauptschluß 1803 säkularisiert worden und zu dem Fürstentum Nassau-Oranien gekommen«, und in Fulda residierte der oranische Erbprinz Wilhelm Friedrich, der Harbaur »die Stellung eines fürstlichen Leibarztes, die Leitung des Medizinalkollegiums in Fulda und die ärztliche Oberaufsicht
1535
Zu Nr. *132
über das Bad Brückenau« angeboten hatte. (Blumenthal 1989, S. 28.) Harbaur, der im Januar 1805 Schiller »zu einem längeren Kuraufenthalt nach Bad Brückenau« einlud, ist in Fulda allerdings »nicht lange geblieben. Nach der Auflösung des deutschen Reiches 1806 wurde dieses Gebiet Kurhessen zugeteilt, und der Erbprinz übernahm nach seines Vaters Tod die Regierung des nassauischen Stammlandes.« (Ebd., S. 29.) Anhaltspunkte zur Namhaftmachung weiterer Vermittler bietet vor allem Bs Briefwechsel des Jahres 1805. Demnach kommen der Bruder Christian in Marburg, mit dem sie rege korrespondierte, und Hans Christian von Bostel in Wetzlar, dem sie einen von Christian übermittelten Brief schicken sollte (vgl. Nr. 111), infrage, sodann Angestellte Savignys in Trages, von denen sie ihm Nachrichten und Briefe übermittelte (vgl. Nr. 123,22–23), und die Schriftstellerin Philippine Engelhard in Kassel, aber auch schemenhafte Kontaktpersonen wie die Herren Führer und König von Königsthal, die B auf Empfehlung der Engelhard besuchten (vgl. Nr. 138,42–51), sowie der anonyme Korrespondent, den der Engländer Henry Crabb Robinson beauftragte hatte, sie für Savigny über Berufungen Jenaer Lehrkräfte nach Heidelberg zu informieren (vgl. Nr. *117). Aus einem Marburger Brief Christian Brentanos an Arnim in Heidelberg vom 23. Juli 1805 geht die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen hervor, die auch für Sammelbestrebungen anderer symptomatisch sein dürfte: Die Hessische Sol-
daten tragen Prosa Montur; Und ganz Hessen trägt Soldaten Montur und der Stock legt ihnen diesen〈!〉 Prosa so nah an den Leib daß keine Poesie bleiben mag, wofür jene ohne dem keine Taschen hat. Ueberdieß macht Komißbrod die Kehlen rauh u Brande wein schwächt das Gedächtniß, u so habe ich bey meinen Bemühungen nur so viel gefunden, daß über den erbärmlichen neuen Liedern, welche die Soldaten allenthalben verbreitet haben die alten vergeßen sind. (WAA XXXII, Nr. 381,302–311.) Datierung: Da Harbaur, der Bs grosse Correspondence durch ganz Fuld vermittelt und wohl auch selbst betrieben haben dürfte, vmtl. im letzten Maidrittel nach Frankfurt gekommen war, wird sie ihn nicht vorher zum Volksliedsammeln inspiriert und einen entsprechenden Briefwechsel kaum vor Anfang Juni begonnen haben. Dieser Briefwechsel wird spätestens mit der Beendigung der Arbeit Arnims und Brentanos am ersten Band des Wunderhorns eingestellt worden sein, also Ende August 1805.
1536
Zu Nr. 134
*133. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, zwischen 20. Juni und Ende Juli 1805 B: –. A: –. Datierung: Terminus post quem aufgrund des Todestages des Brentanoschen Töchterleins Joachime (17. Juni), Terminus ante quem aufgrund der Datierung des Belegbriefes.
134.
An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, zwischen 20. Juni und Ende Juli 1805
B: –. A: –. H: StA Stralsund, Sign. Au 488 (Nachlaß Rudolf Baier). – Format: 1 Dbl. ca. 237 × 192 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet, nachträgl. 3x längs gefaltet. – Papier: – WZ: D & C BLAUW. Fremdeinträge: 1r neben Und wer bey seinem Schäzgen leid mit violetter Tinte: I, 3/7, neben Im Herzen ebenso: II, 92, neben Es reißt ein Knab ins Niederland ebenso: III, 34. | 1v neben Es ging ein Knab Spazieren mit schwarzer Tinte: II, 191. | 2r über Es ging ein Mädel graasen mit violetter Tinte: II, 29, neben Die du bist fein und glatt ebenso: II, 100 | 2v auRr: 488. Besonderheiten: 1r-1v zweispaltig, 2r-2v dreispaltig geschrieben. – Brentano ließ Bs Aufzeichnungen abschreiben und kennzeichnete die Kopien zuweilen mit bett. (Vgl. Rölleke in: FBA IX/1, S. 163–170; FBA IX/3, S. 797 f.) Datierung: Wie B vmtl. Ende Juli/Anfang August 1805 Savigny mitteilte, hatte sie Clemens nach dem Tod seines Töchterleins häufig geschrieben (vgl. Nr. *133). Einer dieser Briefe war der vorliegende. Dessen Terminus ante quem ergibt sich aus dem Sachverhalt, daß Brentano eines der mitgeteilten Lieder noch für Rewelge im ersten Wunderhorn-Band bearbeitete (vgl. Z. 200–232 und Erl.), wofür er nur bis Anfang August Zeit gehabt haben wird, da er am 8. mit Arnim nach Frankfurt reiste, wo dieser die Drucklegung besorgte. D1: Willige 1923, S. 182–188. D2: B/WuB IV, S. 21–32 (Nr. 9); datiert: etwa Ende Mai–Juli 1805; Faksimile von 2v ebd., Abb. 4. DV: H.
1537
Zu Nr. 134
Veränderungen 5 Es] E aus 〈x〉 8 Mädgen] danach gestr. in dem 26 liebes] danach gestr. Kind 40 Schäzgen] danach gestr. jezt 42 Sez] Schluß-t gestr. | davor gestr. Sey 60 je] Schluß-t gestr. 66 eilend] il aus 〈xx〉 110 allhier] danach gestr. gethan 131 golden] g aus k 149 mein] aus dein 175 ganz] danach gestr. lehr 176 nicht] danach gestr. arbeiten 224 wirst] danach gestr. du 225 Winter] W aus 〈x〉 227 Schaz] Sch aus 〈xxx〉 229 kann] k aus g 233 Mädel] d aus g 237 Es] E aus 〈x〉 | davor gestr. Ees 245 Ist] aus 〈xxx〉 | davor gestr. Jizt 251 Thaler] nach l gestr. l 258 Und] danach gestr. ha 269 was] danach gestr. bei Soldaten 271 erzählet] z aus st 292 Herre] danach gestr. mit 387 alldieweil] davor gestr. wenn 402 seid] danach eine Zeile gestr. Die 〈xxx〉 sie reit 407 Zauberspiel] über gestr. 〈xxx〉spiel 428 gebannt] danach gestr. haltet 441 doch] danach gestr. ich 446 nur] danach gestr. nur 447–448 verbraucht] danach gestr. welche ich hatte 452 sich,] danach gestr. nicht 452 mehre] aus mich
1538
Zu Nr. 134
Erläuterungen 1 Der Wächter auf dem Türmlein saß] Die beiden Schlußstrophen des Taglieds waren Vorlage für das zweistrophige Feuerelement im zweiten Band (1808) des Wunderhorns. »Die wenigen Änderungen mildern die Direktheit 〈…〉 aus diesem Grund fielen wohl hauptsächlich die Eingangsstrophen und motivieren den Eingang anders« (Rölleke in FBA IX/2, S. 120). 40 Guten Abend Mein Schäzgen] Nicht im Wunderhorn. 64 Es reißt ein Knab ins Niederland] Eine der fünf von Arnim benutzten Vorlagen für das Lied Die gute Sieben im dritten Band (1808) des Wunderhorns – eine »extreme Form Arnimscher Kontaminationskunst« (Rölleke in FBA IX/3, S. 63), die detailliert rekonstruiert ist (ebd., S. 63–71). 92 Es ging ein Knab Spazieren] Version des Liedes Schuld im zweiten Band des Wunderhorns, das einer anderen Vorlage folgt. (Vgl. Rölleke in FBA IX/2, S. 307 f.) 139 Ich habe mir eines erwehlt] Nicht im Wunderhorn. In einer abweichenden Version als Fliegendes Blatt in: Bernhardi 1844–1846, Bd. II, S. 157. 169 Frisch auf ihr Gesellen] Nicht im Wunderhorn. 176 Batschen] Schmutz. 186 Haffner] Töpfer. 199 Bruder ich bin geschossen] Erheblich umgearbeitete Vorlage für Rewelge im ersten Band des Wunderhorns. (Vgl. Rölleke in FBA IX/1, S. 163–170.) 233 Es ging ein Mädel graasen] Version des Liedes Wär ich ein Knab geboren im zweiten Band des Wunderhorns, jedoch ohne Einfluß darauf – mit Ausnahme des Verses Wär ich zum Knab gebohren, der Vers 53 des Wunderhorn-Liedes (Wär ich ein Knab geboren) und damit dessen Überschrift stimuliert haben kann. (Vgl. Rölleke in FBA IX/2, S. 59–61.) 261 Lill du Allerschönste Stadt] Vorlage für Die Vermeinte Jungfrau Lille im zweiten Band des Wunderhorns. »Die Bearbeitung kürzt um 6 Strophen, greift aber in den übernommenen Text 〈…〉 nur geringfügig ein. / Das Lied spielt auf die Eroberung der französischen Festung Lille in Flandern durch Prinz Eugen während des Spanischen Erbfolgekriegs im Dezember 1708 an, dürfte jedoch erst nach 1711 entstanden sein, da Karl VI. schon als Kaiser eingeführt ist (Krönung: Dezember 1711). Das Bild der Brautwerbung ist ein Topos dieses Genres« (Rölleke in FBA IX/2, S. 187; vgl. ebd., S. 184–188). 282 Caressanten] Schmeichler, Liebhaber. 283 König Ludwig] Ludwig XIV.
1539
Zu Nr. 134
294 Bouflore] Marschall Louis François, Duc de Bouffleurs, verteidigte Lille vom 12. August bis 9. Dezember 1708. 298 Mortier] Geschütz etwa in der Form eines Mörsers. 306 halbe Monden] Außenwerk von entsprechender Form im Festungsbau. 311–312 hab ich nicht in Ungerlanden 〈…〉 zu Schanden] Sieg Prinz Eugens bei Zenta über die Türken (1697). 327 Berwill] Marschall James Fitzjames, Herzog von Berwick, focht 1691/92 im Dienst Ludwigs XIV. in Flandern. 333 Constabler] Artillerieschützen. 339 Vandom] Louis Joseph, Duc de Vendôme eroberte 1708 die Städte Gent, Brügge und Plassendal, wurde am 11. Juli des Jahres bei Oudenaarde geschlagen und verlor sein Kommando. 347–349 das liebe Mayland 〈…〉 hat quittird] Quittieren: frei von Ansprüchen machen. – Anspielung auf den Friedensschluß zwischen Frankreich und Österreich nach dem spanischen Erbfolgekrieg in Rastatt am 7. März 1714. Mailand, das im 16. Jh. infolge von Belehnung zeitweise zu Frankreich, dann zu Spanien gehörte, kam an Österreich und bildete mit Mantua die österreichische Lombardei. Deutschland erhielt Freiburg, Kehl und Altbreisach wieder, mußte aber das Elsaß und Landau an Frankreich abtreten. 368 Schwarze Zigeunerin] Nicht im Wunderhorn. 403 verschreit] verhext. 422 entwehrn] erwehren. 450–453 Ich habe jezt grosse Correspondence 〈…〉 interessiert habe.] Vgl. Nr. *132.
135.
Von Ludwig von Lichtenberg nach Frankfurt Darmstadt, 24. Juni 1805, Montag
B: –. A: –. H: BJ/VS 108. – Format: 1 Dbl. ca. 190 × 114 mm; 1r-1v 1¼ beschr. S., 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet, – Papier: Fleckig, verknittert, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: CHF. Beilagen: Gedicht (vgl. Nr. 138,66 und Erl.); Brief an Wilmans (vgl. Nr. 140,2–4 und Erl.). Fremdeinträge: 1r aoRl Varnhagen: Louis Lichtenberg an Bettina Brentano., auRl Varnhagen: Bettina. DV: H.
1540
Zu Nr. *137
Erläuterungen
Meinem Vater 〈…〉 in Ihrem Hause 〈…〉 nicht seinen brillanten Tag gehabt] Friedrich August von Lichtenberg scheint das Frankfurter Brentano-Haus tags zuvor aufgesucht zu haben; B wird ihm das Schächtelchen
6–9
mitgegeben haben, für das der Sohn sich bedankt.
*136. Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Paris, vmtl. zweites Drittel Juli 1805 B: –. A: Nr. 141. Datierung: B berichtet noch nicht in ihrem Schreiben an Sophie Brentano von vmtl. Mitte Juli (Nr. 138) von dem Brief Savignys, sondern erst in dem folgenden, vmtl. zwischen 22. und 25. Juli 1805 geschriebenen (Nr. 140). Sie wird den Brief Savignys kurz vorher erhalten haben, er wird etwa sechs Tage unterwegs gewesen (vgl. Datierung von Nr. 107) und folglich im zweiten Julidrittel geschrieben sein.
*137. Von Sophie Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. Mitte Juli 1805 B: –. A: Nr. 138. Datierung: Sophie Brentano und B schrieben im Juli 1805 jeweils zweimal aneinander (Nr. *137–138; Nr. 139–140), die drei überlieferten Briefe dieser Korrespondenz sind nicht datiert. Sie muß, wie aus inhaltlichen Gründen evident ist, in rascher Folge erfolgt sein. Da für das zweite Briefpaar eine Datierung auf etwa 20. Juli bzw. zwischen 22. und 25. Juli angemessen erscheint (vgl. Datierung von Nr. 139–140), ist anzunehmen, daß das erste etwa Mitte Juli geschrieben wurde. B wird umgehend auf Sophie Brentanos Brief Nr. *137 reagiert haben, denn sie teilt mit, sie habe ihn schnell beantwortet (Nr. 138,2), und kommt in ihrem nächsten auf die Eile und Übereile (Nr. 140,1) des ersten zurück. Auf einen ebenfalls geringen zeitlichen Abstand zwischen dem ersten Brief Bs und dem zweiten Sophie Brentanos läßt insbesondere der Umstand schließen, daß B in ihrem ersten Brief berichtet, sie wolle das Gedicht, das Sophies erstem Brief beilag, morgen mit der
1541
Zu Nr. *137
Günderrode lesen (Nr. 138,61), und in ihrem zweiten mitteilt, sie hätten das getan (Nr. 140,4–5).
138.
An Sophie Brentano in Heidelberg Frankfurt, vmtl. Mitte Juli 1805
B: Nr. *137. A: Nr. 139. H: StB Mainz 4° Ms 89–1. – Format: 1 Bl. (I) ca. 222 × 185 mm + ½ Bl. (II) ca. 112 × 185 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: II mit Tesafilm an I angeklebt, Tintenfraß. Fremdeinträge: 2v auR: 4° Ms 89–1. Datierung: Vgl. Nr. *137. D1: Kat. Henrici 148, Nr. 76, S. 29 (TD, kurzer Auszug). D2: B/WuB IV, S. 19–21 (Nr. 8); datiert: etwa erste Hälfte Juni 1805. DV: H.
Veränderungen 11 Leben] danach gestr. z 22 an sich] üdZ eing. 22 ist] danach gestr. unend 23 aufheben] a aus s 28 wahre] üdZ eing. 35 manchmal] danach gestr. auf etwas 36 wir] w aus d 40 von] danach gestr. 〈x〉 42 Engelhard] üdZ eing. 43–44 ungewöhnlicher] danach gestr. Leibes 53 den] de aus ga
Erläuterungen 42–43 von Philipine Engelhard 〈…〉 Von Führer und Königseck oder stein] Friedrich Carl Moritz Führer, Theologie-Student aus Detmold, in Göttingen immatrikuliert am 29. Oktober 1803 (vgl. Selle 1937, S. 441,
1542
Zu Nr. 139
Nr. 20364), und Wilhelm Georg Eberhard König von Königsthal, Jura-Student aus Nürnberg, in Göttingen immatrikuliert am 19. April 1804 (ebd., S. 444, Nr. 20477). Philippine Engelhard, die hauptsächlich in Kassel lebte, wird die beiden aufgrund ihrer Kontakte zu ihrem Geburtsort Göttingen, wo ihr Vater Professor war, gekannt und empfohlen haben. 46 remarquable] merkwürdig, bemerkenswert. 50 Melle Engelhard] Die Tochter Caroline Engelhard, die Sophie Brentano in deren Heidelberger Haushalt half. 52 Azel] Elster. 54–55 Wenn Arnim herkömmt 〈…〉 mit kommen] Arnim, der seit spätestens 9. Juni zur Vorbereitung des ersten Wunderhorn-Bandes bei Brentano in Heidelberg war, reiste mit ihm am 8. August von dort nach Frankfurt. 57–58 daß Franz 〈…〉 mitnimt] Zu der Reise und Bs Teilnahme ist nichts bekannt. 66 Das Gedicht] Ein von Sophie Brentano vmtl. mit dem Bezugsbrief geschicktes Gedicht bzw. Lied, wohl nicht von ihr, sondern an sie (von Brentano?) als Trost, nachdem die Tochter Joachime am 17. Juni gestorben war. Vgl. Nr. 140,4–6.
139.
Von Sophie Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. etwa 20. Juli 1805, Sonntag
B: Nr. 138. A: Nr. 140. H: StB Mainz 4° Ms 90–12. – Format: 1 Bl. ca. 236 × 195; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, grüne Oblatenreste. – WZ: Nicht identifizierte Buchstaben. Fremdeinträge: 1r aoRl: 2., aoRr: Nr. 33 | 1v auR: 4° Ms 90–12. Besonderheiten: 1v aoR spätere Notiz Bs: Arnim und Clemens in Heidel-
berg mit Sophie. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG | Portozeichen. Datierung: Voß, über den Sophie Brentano mitteilt, er sei seit einigen gen in Heidelberg (Z. 9–10), war dort seit 17. Juli. Vgl. Erl. D1: Kat. Henrici 148, Nr. 92, S. 33 (TD); datiert: Sommer 1805. D2: Hang 1934, S. 51 f. DV: H.
1543
Ta-
Zu Nr. 139
Veränderungen 1 und] aus 〈xxx〉 2–3 aus Bestätigung] aus über gestr. wegen die nes〈xxx〉 7 das Volk hier lebt] aus es lebt hier so | Volk üdZ 9 einen] aus 〈xxx〉 11 niederschlägt] danach gestr. Er 13 so] danach gestr. so 16 Natur] danach gestr. 〈xxx〉 20 soll] am Schluß gestr. te 21 Schicksalen] a aus al 26 sagen] s aus h 27 siehst] zweites s aus t 28 alle] danach gestr. geleg 29 die] aus denn
| Bestätigung aus
Erläuterungen 9–10 Seit einigen Tagen 〈…〉 Voß hier angekommen.] Johann Heinrich Voß, der zuvor in Jena privatisiert hatte, war im Zuge der Reorganisation der Universität Heidelberg von der badischen Regierung ohne Lehrverpflichtungen nach Heidelberg berufen worden, wo er nach seiner Ankunft am 17. Juli 1805 zunächst mit Clemens und Sophie Brentano gut auskam. 26–27 Clemens 〈…〉 schreibt dir aber selbst.] Ein entsprechender Brief ist nicht bekannt. 27 siehst du die Beiden bald in Frankfurt] Vgl. zu Nr. 138,42–43. 31 Brautleute] Lulu Brentano und Johann Carl Jordis.
1544
Zu Nr. 140
140.
An Sophie Brentano in Heidelberg Frankfurt, vmtl. zwischen 22. und 25. Juli 1805, Dienstag und Freitag
B: Nr. 139. A: –. H: FDH 20206. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 192 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer und 1x quer in der Mitte gefaltet. – Papier: Stark vergilbt, brüchig, fleckig, roter Siegelrest. – WZ: CHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 15 | 2v auRr: 20206. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFURT. Datierung: Daß B den Bezugsbrief umgehend beantwortete, ist aus inhaltlichen Gründen evident. Der Datierung widerspricht die Annahme der Brentano-Literatur, Johann Carl Jordis und Lulu Brentano hätten am 22. Juli 1805 geheiratet. (Vgl. Feilchenfeldt 1978, S. 47.) Diese Angabe ist jedoch unwahrscheinlich. B teilt im vorliegenden Brief nichts zur Heirat mit, sondern nur, daß der Brautigam betrübt am Krankenlaager seiner Braut sitze (Z. 28). Sie war, wie sich aus ihrem wiederum undatierten folgenden Brief an Savigny ergibt, durchaus im vorhinein von der Hochzeit unterrichtet und hat sie darin auch angekündigt: der Lulster heurathet in 8 Tagen (Nr. 141,36). Dieser Brief an Savigny wurde vmtl. Anfang August geschrieben, was aus Bs Mitteilung geschlossen werden kann, Arnim (der am 8. August mit Brentano von Heidelberg abreiste) werde in wenig Tagen hier seyn (Z. 22). D1: Kat. Matheson 1976, Nr. 62, unpag. (TD); datiert: 1805. D2: Freies Deutsches Hochstift. Jahresbericht. In: JbFDH 1983, S. 363 f.; datiert: Mitte Juni–Mitte Juli 1805. DV: H.
Veränderungen 21 daß] danach gestr. dir 25 und auch] über gestr. 〈xxx〉 30 sie] aus es 30 nach] danach gestr. dem 31–32 jungen Ahndungen] über gestr. 〈xxx〉 40 sein] danach gestr. Schöpfer 41 Gruß] danach gestr. erf 42 blumengläßern] danach gestr. (in meinem Staat) 43 auf] aus zu
1545
Zu Nr. 140
Erläuterungen 2 Angelegenheit von Willmans] Bei dem Frankfurter Verleger Friedrich Wilmans war im Frühjahr 1805 Sophie Brentanos Bunte Reihe kleiner Schriften erschienen; sie wird wegen eines Resthonorars an ihn geschrieben haben. Vgl. Clemens Brentano an Wilmans, 13. August 1805 (DjBr Nr. 1125). 4 dein Lied] Vgl. Nr. 138,66 und Erl. 6–8 Savigny 〈…〉 Übersezungen von Günter: Dramen 〈…〉 unter der Presse sey.] Mitte Mai 1805 waren Caroline von Günderrodes Dramen Udohla und Magie und Schicksal in dem von Friedrich Creuzer mit Carl Daub herausgegebenen ersten Band der Heidelberger Studien erschienen, und zuvor war ihr kleines Drama Mahomed, der Prophet von Mekka in den Poetischen Fragmenten herausgekommen. Von diesen Dramen sind keine französischen Übersetzungen bekannt; sie werden nicht erschienen sein. In der zweiten Dezemberhälfte 1805 bat die Günderrode B (Nr. 151), ihr die Übersetzungen zu schicken, die Savigny ihr versprochen habe. 9 deinen Lieben Brief] Nr. *137. 15–16 Daß ich 〈…〉 so barsch antwortete] Vgl. Nr. 138,17–41. 41–42 Erhöhung seiner Büste bey mir] Vgl. Nr. 60,3 und Erl. 44–45 Portrait der 〈…〉 noch 14jahrigen jungfer Mama] Vmtl. die Kohle- und Kreide-Zeichnung eines unbekannten Künstlers, die Maximiliane La Roche als Mädchen im Profil von links zeigt. (Goethe-Museum Düsseldorf; vgl. die Abb. Günzel 1997, S. 102.) 55 das Engelhardgen] Vgl. Nr. 138,42. 58 Brautigam 〈…〉 Braut] Johann Carl Jordis und Lulu Brentano.
141.
An Friedrich Carl von Savigny in Paris Frankfurt, vmtl. Anfang August 1805
B: Nr. *136. A: –. H: SPK/NS 7,2. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 193 mm; 1r–2r 1½ + ½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer, nachträglich 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | DB. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, darüber: Nr 22, aoRr: 10 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 2v aoRr: 11. Besonderheiten: Nachschrift von Caroline von Günderrode.
1546
Zu Nr. *142
Datierung: Vgl. Nr. 140. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 36 f. (Nr. 22); datiert: etwa 15. Juli 1805. D2: Nachschrift der Günderrode: Preitz 1964, S. 207 (Nr. 55). DV: H.
Veränderungen 22 bevor] v aus f 25–26 ich habe 〈…〉 sonst] unterpunktiert 34 in] üdZ 35 selbst] aus sich 37 Lulster] danach gestr. sage 39 krank] danach gestr. liecht
Erläuterungen 13 Gemeinheit] Drückt eigentlich den Begriff der Menge aus, aber mit mancherley Einschränkungen und Nebenbegriffen, vor allem mit dem Nebenbegriffe des Mittelmäßigen oder Schlechten. (Adelung 1793– 1801, Bd. II, Sp. 548.) 15 Meine Gedanken über die Geschichte] Vgl. Nr. 118,6–8. 22 Arnim wird in wenig Tagen hier seyn] Vgl. Nr. 140 (Datierung). 27 Tod seines lezten Kindes] Der Tochter Joachime am 17. Juni 1805. 32–33 daß mich Haarbauer 〈…〉 von wegen ihr] Vgl. Nr. *132 (Besonderheiten). 36 der Lulster heurathet in 8 Tagen] Vgl. Nr. 140 (Datierung). 53 Mahomed] Vgl. zu Nr. 140,6–8.
*142. An Sophie von La Roche in Offenbach Frankfurt, 14. August 1805, Mittwoch B: –. A: –. Datierung: Aufgrund von Sophie von La Roches Mitteilung, Bs Nachricht sei von gestern.
1547
Zu Nr. 143
143.
Von Sophie von La Roche nach Frankfurt Offenbach, 22. August 1805, Donnerstag
B: –. A: –. H: GSA 03/558. – Format: 1 Dbl. ca. 185 × 124 mm; 1v beschr.; 2v Adresse; 1x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, verknittert, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, schwarzer Siegelrest. – WZ: Fragmentarisch, Oberlängen von Buchstaben. Fremdeinträge: 1r auRl: 1 | 2r auRl: 2. DV: H.
Erläuterungen 2–3 das Expl von Voß, oder Stolbergs übersetzten Homer] Ein Exemplar von Johann Heinrich Voß’ Ilias-Übersetzung (2 Bde., 1793 und öfter) oder diejenige Christian Graf zu Stolbergs (2 Bde., 1778 und öfter). 4 ist Frau Toni wieder zurük?] Vmtl. von einem Wien-Aufenthalt bei ihrem Vater Melchior von Birkenstock.
*144. An Clemens Brentano in Wiesbaden bzw. Heidelberg Frankfurt, vmtl. 24. oder 25. September 1805, Dienstag oder Mittwoch B: –. A: –. Besonderheiten: Der Brief war nach Wiesbaden adressiert, da B annahm, Clemens halte sich dort zur Kur auf. Er wurde jedoch noch in Frankfurt von Arnim geöffnet und dem nach Heidelberg Gereisten geschickt. Datierung: B wird am 24. oder 25. September geschrieben haben, denn Brentano erhielt ihn am 27. September; die Post von Frankfurt nach Heidelberg war etwa zwei Tage unterwegs, und Arnim hatte den Brief noch in Händen.
1548
Zu Nr. 147
*145. Von Clemens Brentano nach Marburg Heidelberg, vmtl. letztes Drittel November/erste Hälfte Dezember 1805 B: –. A: –. Datierung: Nachdem Savigny mit den Seinen von Paris zurückgekehrt war, kam es gegen Mitte Oktober 1805 auf seinem Gut Trages anläßlich der Taufe der Tochter Bettina zu einem Treffen des Freundeskreises (Arnim, Clemens, Christian und Meline Brentano, die Günderrode, Bostel, vmtl. Claudine Piautaz), an dem auch B teilnahm, und im letzten Novemberdrittel reiste sie mit Meline, einer Einladung Savignys folgend, zu ihm nach Marburg. Arnim hatte Heidelberg vmtl. zwischen Mitte und 20. November verlassen, und danach wird Brentano, seiner Mitteilung an ihn zufolge, nach Marburg geschrieben haben. Der Terminus ante quem ist der 20. Dezember, an dem Brentano Arnim von dem Schreiben nach Marburg berichtet. Zwar nennt er keinen Adressaten, es ist aber anzunehmen, daß er (auch) an B geschrieben hat.
*146. Von Claudine Piautaz nach Marburg Frankfurt, vmtl. letztes Drittel November 1805 B: –. A: Nr. 149. Datierung: Aufgrund der Datierung des Antwortbriefes in das erste Drittel Dezember 1805.
147.
An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. letztes Drittel November 1805
B: –. A: Nr. 148. Datierung: Savignys Brief an die Günderrode, den dieser in seiner Nachschrift in diesen Tagen in Aussicht stellt, dürfte derjenige vom 29. November 1805 sein (Preitz 1964, S. 210–212), und folglich wird B im letzten Novemberdrittel an sie geschrieben haben. D1: Geiger 1895, S. 153–158; datiert: Herbst 1805. D2: Oehlke 1920–1922, Bd. VII, S. 339–343; datiert: November 1805.
1549
Zu Nr. 147
D3: Weißenborn 1992, S. 269–272 (Nr. 69); datiert: etwa November 1805. DV: D1.
Erläuterungen 1–2 die herrlichste Gegend 〈…〉 übersehe] B war vmtl. im letzten November-Drittel auf Einladung Savignys mit ihrer Schwester Meline nach Marburg gekommen. Dort wohnten sie in dem in der Rittergasse gelegenen Forsthof, einem geräumigen Anwesen unterhalb des Schlosses mit schöner Aussicht und großem Garten, das Savignys Marburger Lehrer Philipp Friedrich Weis gehörte und aus einem mehrstöckigen Haupthaus bestand, in dem die beiden Schwestern untergekommen waren, sowie einem kleineren Haus, das Savigny übernommen hatte. (Vgl.: Stoll 1927, S. 31 f., Abb. nach S. 172; Schnack 1974, S. 426–430.) 29 meinem alten Festungsturme] Ein zum Forsthof gehörender ehemaliger Wachtturm, als Aufenthalts- und Begeisterungsort Bs in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde (fiktionaler Brief an Goethes Mutter) und mehrfach in Die Günderode erwähnt, dadurch als Bettinaturm bekannt geworden. (Vgl. Schnack 1974, S. 430–432.) 30 Feldberg] Höchste Erhebung des Taunus. 39–45 die Oper »Axur« 〈…〉 Arie 〈…〉 »Mich verlieren« 〈…〉 Vertraue nur auf mich.] Axur, Rex d’Ormus, Oper von Antonio Salieri (1778; ursprünglicher Titel Tarar), nach einem Text von Beaumarchais, Libretto von Lorenzo da Ponte, erste deutsche Fassung 1790 von Heinrich Gottlieb Schmieder als Axur, König von Ormus; darin in 1. Aufzug, 2. Auftritt die Arie der Astaria:
Mich verliehren? uns zu trennen! Wer sollte das hier können? Du mein theuerstes Leben! Ganz lebe ich für dich Bey drohenden Gefahren Will ich zum Trost dir eilen. Mit dir den Kummer theilen, Vertraue ganz auf mich! – Ganz lebe ich für dich! (Schmieder 1812, S. 9 f.) Vgl. in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde über einen Schalmei spielenden Schäfer: nun blies er das Lied des weissagenden Tempelknaben
1550
Zu Nr. 148
aus »Axur von Ormus« mit Variationen eigener Eingebung; die feierliche Stille, die aus diesen Tönen hervorbricht und sich mitten im leeren Raum ausdehnt, beweist wohl, daß die Geister auch in der sinnlichen Welt einen Platz einnehmen; zum wenigsten ward alles anders; Luft und Gebirge, Wald und Ferne und der ziehende Strom mit den gleitenden Nachen waren von der Melodie beherrscht und atmeten ihren weissagenden Geist (B/W I, S. 190). 61 man mag ihn mit Recht den Engel nennen] Vgl. Schwester Kunigunde an B, zweite Hälfte Februar/erste Hälfte März 1805: Savigny ist ein Engel, der alles Gute in der Welt verdient. (Nr. 110,51.) 105–106 daß ich Dir 〈…〉 schreiben werde] Vgl. Datierung.
148.
Von Caroline von Günderrode nach Marburg Frankfurt, vmtl. erstes Drittel Dezember 1805
B: Nr. 147. A: Nr. 150. Besonderheiten: Der Brief wurde in Die Günderode übernommen. Datierung: Der Brief Savignys, den Caroline von Günderrode, wie sie abschließend mitteilt, bald beantworten will, wird derjenige vom 29. November (Preitz 1964, S. 210–212) gewesen sein, und sie wird ihn bald nach dem 8. Dezember beantwortet haben (vgl. ebd., S. 235), so daß anzunehmen ist, daß der vorliegende an B im ersten Dezemberdrittel geschrieben wurde. D1: Amelung 1921, S. 132; datiert: wohl Sommer 1802. D2: Auktionskatalog Hellmut Meyer & Ernst Nr. 9. Berlin 1930, Nr. 154; nicht näher datiert. D3: Auktionskatalog J. A. Stargardt Nr. 326. Berlin 1931, Nr. 96; nicht näher datiert. D4: Auktionskatalog M. Lengfeld Nr. 42. Köln 1932, Nr. 184; datiert: um 1800. D5: B/W II, S. 833; datiert: etwa Dezember 1805. D6: Weißenborn 1992, S. 277 f. (Nr. 172); datiert: etwa Dezember 1805. DV: D1.
1551
Zu Nr. 148
Veränderungen Abweichungen D2 von D1 2 und] es D2 6 den] dem D2 9 zu Muth] zumuth D2
Erläuterungen 6–7 An den Mährchen 〈…〉 geschrieben] In Die Günderode übereinstimmend mit D2 geändert dem Märchen (B/W II, S. 109), auch in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde, worin B aus einem nichtauthentischen Brief der Günderrode kurz vor ihrem Selbstmord zitiert, diese dichte an einem traurigen Märchen (B/W I, S. 71). Märchen der Günderrode sind nicht bekannt.
149.
An Claudine Piautaz in Frankfurt Marburg, vmtl. erstes Drittel Dezember 1805
B: Nr. *146. A: –. Besonderheiten: Vgl. D1, S. 186: »Mitgeteilt nach der Handschrift, die sich im Besitze des Barons Georg Alesina von Schweitzer befindet, von Dr. Karl Wache, Bibliothekar an der Wiener Universitätsbibliothek, der die Erstveröffentlichung einer Reihe von Bettina-Briefen aus dem gleichen Besitz vorbereitet.« Eine entsprechende Edition »einer Reihe von Bettina-Briefen« ist nicht ermittelbar. Datierung: B empfiehlt Claudine Piautaz, oft zur Günderrode zu gehen; sie habe dieser geschrieben, Claudine nicht zu verlassen. Damit wird Bs ins letzte Novemberdrittel datierter Brief an die Günderrode gemeint sein, in dem sie diese bittet, der Claudine getreues Herz nicht verschmachten zu lassen (Nr. 147,82). Der Brief an Claudine Piautaz wird daher in das erste Dezemberdrittel 1805 datiert. D1: Wache 1925; datiert: etwa Winter 1805/06. DV: D1.
1552
Zu Nr. 150
Erläuterungen 37–38 damit der vogt nicht 〈…〉 fällt] Als Redensart nicht belegt. Mit dem merkwürdigen vogt-Bezug kann B eine unmündige Person gemeint haben, in Anlehnung an das im 18. Jh. kaum noch gebräuchliche Adjektiv vogtbar: eine minderjährige Person, die noch keinem Vogt unterworfen, noch nicht steuerpflichtig, den Rechten eines Vogtes unterworfen ist (vgl. DWb XXVI, Sp. 445 f.). 44 alten Thurm] Vgl. Nr. 147,29–35 und Erl. 52–53 die Handschue behalte noch in Verwahrung] Vmtl. von Arnim. Vgl. die Mitteilung der Günderrode an B in dem Buch Die Günderode, unter deren Bett sei ein Lederhandschuh gefunden worden, der an keiner Dame Hand gehörte (B/W II, S. 22). Sowie die Weiterführung des Motivs in einem Frühlingskranz-Brief Bs an den Bruder Clemens: Der A r n i m gab mir
seinen Handschuh und bat den zerrißnen Daumen zu flicken. – Ich habs getan C l e m e n t e . Ach aller Anfang ist schwer, der Handschuh duftete so fein, so vornehm. – Ein grauer Handschuh von Gemsleder, ich habe ihn mit Hexenstichen benäht, er zog ihn gleich an, den linken Handschuh aber ließ er liegen und promenierte mit seinem Stock neben uns. Ich warf seinen vergeßnen Handschuh unter den Tisch, ich dachte da mag er liegen, wenn er ihn zurück läßt, dann heb ich ihn zum Andenken auf, denn er geht ja morgen fort. 〈…〉 / Der A r n i m ist fort! – er hat den Handschuh zurückgelassen. (B/W II, S. 652.)
150.
An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. zweites Drittel Dezember 1805
B: Nr. 148. A: Nr. 151. H: FDH 8303. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 187 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, verknittert und brüchig, Papierverlust (mit Textverlust) durch Tintenfraß und Siegelaufriß, schwarzer Siegelrest, 2v stark fleckig. – WZ: Bekrönter Posthornschild | VANDERLEY. Fremdeinträge: 2v auR: 5303. Postzeichen: Portozeichen. Datierung: Vmtl. im letzten Novemberdrittel 1805 hatte B ihrer Freundin mitgeteilt, sie werde von ihrem Lernen 〈…〉 nächstens schreiben (Nr. 147,101), worauf diese vmtl. im ersten Dezemberdrittel antwortete, sie solle ihr berich-
1553
Zu Nr. 150
ten, wenn sie einige Stunden in der Geschichte genommen habe (Nr. 148,3) B wird nicht lange danach wieder geschrieben haben. Daß ihr Brief der Antwortbrief auf Nr. 148 ist, geht insbesondere aus der Stelle Du sprichst mir von Schwermut in Deinem kleinen Brief (Z. 33–34) hervor. Die Günderrode hatte mitgeteilt, es sei ihr oft schwer zu Muth (Nr. 148,9). D1: Geiger 1895, S. 148–153; datiert: Sommer 1804. D2: Oehlke 1920–1922, Bd. VII, S. 335–339; datiert: Sommer 1804. D3: B/WuB I, S. 854–857; datiert: Sommer 1804. D4: Weißenborn 1992, S. 278–281 (Nr. 173); datiert: etwa Dezember 1805. DV: H.
Veränderungen 10 erlangen] üdZ eing. 17 verlernt] danach gestr. habe 25 eignen] danach gestr. kindischen 29 Augenblick] danach gestr. woh 30 macht] üdZ eing. 41 mit] aus zu 44 hüten] h aus d 44 Gewissen] danach gestr. zu 48 vest] v aus f 50 dürfen] danach gestr. das S 61 deiner] danach gestr. vor dir zu er 66–67 gemachten] danach gestr. Menschen, bedenke auch 68 vor] aus der 74 Ich] davor gestr. Ich 79 Freundschaft] schaft eing. 83 ziehen] danach gestr. werde
Erläuterungen
Geschichte 〈…〉 mein Meister] Den Namen nennt Bettine in Die Günderode: Der Schäfer sollte Geschichte mit mir treiben; da er aber sehr ernst und gründlich ist und durchaus will, daß der freie aufgeweckte Mensch mit vollem Interesse dabei sei, so konnte er’s nicht mit mir aushalten. (B/W II, S. 349.) Gottfried Heinrich Schäfer, der mit Christian
2–3
1554
Zu Nr. 151
Brentano befreundet und 1805/06 Privatlehrer in Marburg war, wird 1806 mehrmals im Briefwechsel zwischen Clemens und Christian Brentano genannt. (Vgl. DjBr Reg.) 14 mein Meister im Generalbaß] Nicht ermittelt. 20–22 mehrere Recentionen von Göthe 〈…〉 von vestem Gehalt, von reinem Ton, von ernster Tiefer Kenntniß spricht] Welche Rezensionen B gelesen hat, ist unklar. Die von ihr genannten Fügungen kommen in Rezensionen Goethes nicht vor. (Nicht unter Gehalt und Kenntniß im GoetheWörterbuch, Bd. IV, Stuttgart 2004, Sp. 1276–1278; Bd. V, 3. Lieferung, Stuttgart 2006, Sp. 343–345.) In Goethes Übersetzung von Madame de Staëls Essai sur les fictions, die 1796 unter dem Titel Versuch über die Dichtungen in den Horen erschien, steht allerdings die Wendung tiefe Kenntniß (WA I, Bd. 40, S. 230). 64 Gemeinheit] Vgl. zu Nr. 141,13. 67–69 gemachten Menschen 〈…〉 gemachten Eigenthums] Das Partizip präteritum gemacht »im gegensatze zu dem natürlich gegebenen oder gewachsenen« (DWb XII, Sp. 1386; Beispiele ebd.).
151.
Von Caroline von Günderrode nach Marburg Frankfurt, vmtl. zweite Hälfte Dezember 1805
B: Nr. 150. A: Nr. *154. H: GMD. – Format: 1 Dbl. ca. 198 × 116 mm; 1r-1v 1¼ beschr. S.; 2r Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, brüchig, im Falz und an den Faltstellen gerissen, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest, 2v Tintenklekse. Besonderheiten: 2v B: Corespondent, degagiert. – Vgl. Datierung von Nr. 153. – Der Brief wurde partiell in Die Günderode übernommen und auf zwei Briefe verteilt. Vgl. B/W II, S. 832 f. Datierung: Am Schluß des Bezugsbriefes hatte B die Günderrode gebeten, ihr bald zu antworten, und die Freundin wird das getan haben. D1: Steig 1892, S. 268; nicht datiert. D2: B/W II, S. 832 f.; datiert: etwa zweite Hälfte Januar 1806. D3: Weißenborn 1992, S. 281 (Nr. 174); datiert: etwa Dezember 1805. DV: H.
1555
Zu Nr. 151
Veränderungen 4 6
nichts] danach gestr. 〈rechts〉 daß] ß aus s
Erläuterungen 11–13 die Übersetzungen Nr. 140,6–8 und Erl.
ins Französische 〈…〉 versprochen hat] Vgl.
*152. An Clemens Brentano in Heidelberg Marburg, etwa 27. Dezember 1805, Freitag B: –. A: –. Datierung: Brentano erhielt den Brief am 1. Januar 1806, wie er an diesem Tag Arnim mitteilte (vgl. Belegbrief). Der Brief wird – über Frankfurt – etwa vier Tage unterwegs gewesen sein.
1806 153.
An Claudine Piautaz in Frankfurt Marburg, vmtl. Januar 1806
B: –. A: –. H: BJ/VS 9. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 190 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, verknittert. – WZ: Bekrönter Posthornschild | D & C BLAUW. Fremdeinträge: 1r aoR Varnhagen: Bettine Brentano, danach gestr. 〈xxx〉 Claudine von Piautaz.), Stempel: PR. ST. BIBLIOTHEK BERLIN, aoRr: 1806. Besonderheiten: 2v späterer Eintrag Bs: Aus Marburg. – Stellen des Briefes als an die Günderrode geschrieben in einem langen Brief des Buches Die Günderrode. Datierung: Daß der Brief nach Erhalt desjenigen der Günderrode von vmtl. zweiter Hälfte Dezember 1805 (Nr. 151) geschrieben wurde, kann daraus ge-
1556
Zu Nr. 153
folgert werden, daß B auf dessen Rückseite zwei Vokabeln (Corespondent, degagiert) notierte, die sie in dem Brief an Claudine Piautaz benutzte. Ein weiteres Datierungskriterium ergibt sich aus Clemens Brentanos Brief an Arnim von etwa 15.–20. Februar 1806, in dem er eine Mitteilung aus Marburg weiterberichtet: Meline war auf den Tod krank an einem Nervenfieber (DjBr Nr. 1197). Diese Mitteilung konvergiert mit derjenigen Bs, die Schwester sei schon seit 4 Tagen im Bett (Z. 5). B wird den Brief im Januar 1806 vor ihrer Abreise mit Jordis und Lulu Ende des Monats nach Kassel geschrieben haben. D1: Oehlke 1905, S. 9–11; datiert: Winter 1806. D2: Oehlke 1920–1922, Bd II, nach S. 6 (Faksimile). D3: B/W II, S. 835 f.; datiert: etwa März 1806. DV: H.
Veränderungen 6 muß] danach gestr. sich 17 d: h: winterlich] üdZ 21 wie] danach gestr. b 27 Hülfe] am Schluß gestr. n 28 allein] danach gestr. 〈x〉 30 stüzen] danach gestr. und 31 Stock] doppelt unterstr. 33 große] o aus ö 35 Dorne] D aus St 36 an] am Schluß gestr. s 42 wird] danach gestr. d 55 nehmen, ] danach gestr. da
Erläuterungen 28–29
dega: 〈…〉 detachiert] frei, ungezwungen 〈…〉 ungebunden, locker.
1557
Zu Nr. *154
*154. An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. erste Hälfte Januar 1806 B: –. A: Nr. 159. Datierung: Caroline von Günderrode reagiert in Nr. 159 auf Briefe Bs. Es wird die Mindestzahl (zwei) angenommen, von denen der erste in die erste Januarhälfte, der zweite in die zweite Januarhälfte datiert wird.
*155. An Dominikus Brentano in Frankfurt Marburg, vmtl. erstes Drittel Januar 1806 B: –. A: Nr. 156. Beilagen: Vmtl. Blumensamen. Vgl. Nr. 156,2–7. Datierung: Aufgrund des Datums des Antwortbriefes. Dominikus Brentano wird bald geantwortet haben.
156.
Von Dominikus Brentano nach Marburg Frankfurt, 14. Januar 1806, Dienstag
B: Nr. *155. A: –. H: GSA 03/504. – Format: 1 Dbl. ca. 230 × 190 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Stark fleckig durch übergossene Flüssigkeit, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Beilagen: Zeitungblatt mit einem Artikel über Marburg. Fremdeinträge: 1r aoRr: 11, auRl: 1 | 1v aoRr: 12 | 2r aoRr: 13, auRl: 2 | 2v aoRr: 14 | 2r neben Unterschrift: Dominicus. Postzeichen: Portozeichen. DV: H.
Veränderungen 9 /ist noch vorhanden/] üdZ eing. 13–14 Serviere] danach gestr. gegen
1558
Zu Nr. *157
25 und] üdZ eing. 26 von] danach gestr. Dichter 27 daher:] alR 49–50 gemacht] danach gestr.
über
Erläuterungen 14–15 Madame D’orville unsre Nachbarin] Margarethe d’Orville; die Frankfurter Kaufmannsfamilie d’Orville wohnte in dem Haus Alt-Augsburg in der Sandgasse 10 neben den Brentanos im Goldenen Kopf. 17 Herr Burkard von Basel] Vmtl. der Baseler Fabrikant und Kunstförderer Johann Rudolf Burckhardt aus dem namhaften und verzweigten Patriziergeschlecht der Burckhardt, von dem B im Frühlingskranz berichtet: Ich war
gestern in Frankfurt, es war ein Herr Burckhard da, der uns viele schöne Bilder und Handzeichnungen zeigte, es waren meistens italienische Gegenden (B/W II, S. 600). 20–22 Herr Bethmann 〈…〉 Schwester] Nicht ermittelt. Die Beschreibung trifft auf keinen Angehörigen der Bankiersfamilie zu. 23 deine 4 Neffen beiderley Geschlechts] Georg, Maximiliane und Josepha (Kinder von Franz und Toni Brentano) sowie Claudine (Tochter von Georg und Marie Brentano). 29 Clicker] Knippkugeln, ein Kinderspiel. (Vgl. DWb XI, Sp. 1160.) 38 Beschießung der Stadt 1796] Durch französische Truppen, die nach mehrtägigem Bombardement österreichische zum Abzug zwangen und Frankfurt besetzten. 41 caroline] Vielmehr Claudine. 54 Mann] Johann Carl Jordis.
*157. An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. zweite Hälfte Januar 1806 B: Nr. 151. A: Nr. 159. Datierung: Vgl. Nr. *154.
1559
Zu Nr. 158
158.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Berlin, 26. Januar 1806, Freitag
B: –. A: Nr. 164. H: FDH 7219. – Format: 1 Bl. ca. 236 × 188 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, verknittert, 1r Schrift verblaßt. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | I. G. EBART. Beilagen: Vgl. zu Z. 5–6. Fremdeinträge: 1r aoRl: 130, daneben | 1v B( ? ): Berlin 26 Januar 1806, auRr: 7219. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Konzept überliefert (WAA XXXII, Nr. 421.K). D1: Steig 1913, S. 14. D2: Betz/Straub 1986 (Nr. A1), S. 37. D3: WAA XXXII, S. 134 (Nr. 421). DV: H.
Veränderungen 12
gar] aus 〈xxx〉
Erläuterungen 5–6 Lieder von mir und viel Melodieen von Reichardt] Arnim wird Reichardts im März 1805 erschienenen Troubadour italien, français et allemand geschickt haben, der Vertonungen zwölf Arnimscher Gedichte enthielt: Einsamkeit, Morgengruß, Zu Hause, Nach Hause, Polonaise, So bist du nicht verloren, Maylied, Frühlingsnacht, Winter-Unruhe, Der wilde Jäger, Schwüle Luft sowie Wenig Töne, dessen Verfassserschaft nicht vermerkt war. 9–10 meinen alten Landschaften] Wesentliche Landschaftseindrücke Arnims, der in seinem Brief an Brentano vom 16.–20. Dezember 1805 von seiner imaginären Sammlung alter Landschaften schrieb (WAA XXXII, Nr. 404,14–15). 10 Ihren Fels] Anspielung auf die hohe Lage des Forsthofs in der Marburger Rittergasse. Vgl. Nr. 147,1–2 und Erl.
1560
Zu Nr. 159
14 bey der Drehbank] Vgl. Arnim an Brentano, etwa 20.–26. Januar 1806: ich habe von Pistor eine Drehbank gekauft und will mir bald meine eigne Welt drehen (WAA XXXII, Nr. 420,189–190).
159.
Von Caroline von Günderrode nach Marburg Frankfurt, vmtl. Ende Januar/Anfang Februar 1806
B: Nr. *154, *157. A: Nr. *165. H: FDH 15847. – Format: 1 Dbl. ca. 196 × 115 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2v Adresse. – Papier: Fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. Fremdeinträge: 1r aoRl: 1, aoRr: 15847. Besonderheiten: Der Brief wurde in Die Günderode übernommen, zusammen mit einem Brief Carolines an Clemens von vmtl. Ende Mai oder erstes Drittel Juni 1802 (DjBr Nr. 631). Vgl. B/W II, S. 833 f. Postzeichen: Portozeichen. Datierung: In ihrem nächsten Brief (Nr. 168) schreibt die Günderrode, als ihr voriger in Marburg eingetroffen sei, habe sich B wohl schon in Kassel aufgehalten. Da B um den 2. Februar in Kassel ankam (vgl. Datierung von Nr. 161), wird die Günderrode Ende Januar/Anfang Februar geschrieben haben. D1: Kat. Henrici 148, S. 30 (Nr. 77); TD (kurzer Auszug); (TD); datiert: um 1804. D2: Amelung 1921, S. 135; datiert: vmtl. Sommer 1802. D3: B/W II, S. 407 f., 833 f.; datiert: etwa Februar 1806. D4: Weißenborn 1992, S. 297 (Nr. 192); datiert: etwa Februar 1806. DV: H.
Erläuterungen 9–10 perenirende Pflanzen] Ausdauernde Pflanzen, »deren unterirdischer Teil (Rhizom, Knolle, Zwiebel) im Winter fortlebt und alljährlich neue Triebe über den Boden schickt« (MGKL II, S. 132). 11–12 dein Lehrmeister in der Geschichte] Gottfried Heinrich Schäfer. Vgl. Nr. 150,2–3 und Erl.
1561
Zu Nr. *160
*160. Von Clemens Brentano nach Marburg Heidelberg, etwa 6. Februar 1806, Donnerstag B: –. A: –. Besonderheiten: Beilage zu Brentanos Brief an Savigny von etwa 6. Februar 1806, an dessen Schluß es heißt: Brief und alte Melodi für Betine (DjBr Nr. 1192). Datierung: Analog zu Nr. 161.
161.
An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny sowie Meline Brentano in Marburg Kassel, etwa 8. Februar 1806, Sonnabend
B: –. A: –. H: SPK/NS Nr. 7/3. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 188 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2r Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 23, aoRr: 1 | 1v auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 2r aoRr: 2. Postzeichen: Portozeichen. Datierung: Am 2. Februar schrieb Savigny aus Marburg an Clemens Brentano, Jordis und Lulu seien vor zwei Tagen durchgereist und hätten B mit nach Kassel genommen (DjBr Nr. 1190). Bs Brief zufolge werden sie dort am 2. Februar angekommen sein; am nächsten Tag reisten sie weiter nach Eschwege, wo sie drei Tage blieben und von wo sie nach Kassel zurückkehrten. Einen Tag nach der zweiten Ankunft in Kassel, von der B eingangs berichtet, schrieb sie den Brief. Das wird etwa am 8. Februar gewesen sein. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 39 f. (Nr. 23); datiert: Anfang Februar. DV: H.
Veränderungen 3 Konigsplaze] danach gestr. an 9 in] danach gestr. Cassel 12 um] aus und 15 den] danach gestr. ad
1562
Zu Nr. 162
24 27 36
knebelten] b aus p ließ] aus war locken] danach gestr. die
Erläuterungen 7 Mst v Weix] Minister Waitz von Eschen. 14 Kuhrprinz] Wilhelm, 1821 als Wilhelm II. Kurfürst von Hessen-Kassel. 17 Rozinanten] Nach dem elenden Pferd des Don Quichote. 17 Eschewegen] Eschwege, etwa 40 km südöstlich von Kassel. 21 per pedes apostolorum] Zu Fuß wie die Apostel. 32 ihn als] Vgl. zu Nr. 73,16.
162.
An Sophie Brentano in Heidelberg Marburg, zwischen Mitte Februar und Mitte März 1806
B: –. A: –. H: Privatbesitz. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 190 mm; 1r ½ S. beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: AuR Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelabriß. – WZ: Wegen Papierverlust nicht feststellbar. Beilagen: Nr. *163. (Vgl. Datierung.) Fremdeinträge: 1r aoRr (Bleistift): VII,11. Besonderheiten: 1v im Faltungsbereich rechts der Adresse B später (Tinte) mit irrtümlicher Datierung: 1805 / aus Marburg; im Faltungsbereich rechts der Adresse B (Bleistift): Marburg. Postzeichen: 55. Datierung: Terminus post quem: Bs Rückkehr von Kassel nach Marburg etwa Mitte Februar. Terminus ante quem: Clemens Brentano berichtet in seinem Brief an Arnim von 18. bis etwa 22. März (vgl. DjBr Nr. *1200) von einem an ihn gerichteten Brief Bs, der demjenigen an Sophie Brentano beilag. DV: H.
1563
Zu Nr. 162
Erläuterungen 14 er sey in Nürnberg] Brentano hatte Ende 1805/Anfang 1806 einen Nürnberg-Aufenthalt geplant, blieb jedoch in Heidelberg. Vgl. an Savigny, 7. Januar 1806: sie scheinen auch zu glauben daß ich in Nürnberg sei
nein ich bin hier geblieben und habe in meinem Gemüth, und meinen Arbeiten manches in Ordnung gebracht (DjBr Nr. 1180).
*163. An Clemens Brentano in Heidelberg Marburg, zwischen Mitte Februar und Mitte März 1806 B: –. A: –. Besonderheiten: Beilage zu Nr. 162. Datierung: Vgl. Nr. 162.
Erläuterungen 3 Eindruk der Gallerie] Die von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel im 18. Jh. erworbene umfangreiche und wertvolle Gemäldesammlung war in einem 1749–1751 erbauten 40 Meter langen und 11 Meter hohen Saal an der Frankfurter Straße untergebracht, der 1775 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war. (Vgl. Schnackenburg 2000.) 4 Churprinzessin] Friederike Christiane Auguste, Kurprinzessin von HessenKassel. 6 meschanten] méchant: schlecht, elend, erbärmlich. 7 gemein] Vgl. zu Nr. 141,13. 8 seine] Goethes. 8 der neue Amadis] Goethes Gedicht Der neue Amadis (1775). 9 Wielands neuen Amadis] Wielands Der neue Amadis, ein comisches Gedicht in achtzehn Gesängen (1771).
1564
Zu Nr. *165
164.
An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Marburg, vmtl. zweite Hälfte Februar 1806
B: Nr. 158. A: Nr. 172. H: FDH 12923. – Format: 1 Bl. ca. 91 × 195 mm; 1r beschr.; vmtl. 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: auR unregelmäßig abgeschnitten, Oberlängen von Buchstaben der ersten nicht mehr identifizierbaren Zeile erkennbar. – WZ: Unterlängen von BLAUW. Beilagen: Komposition eines Arnimschen Gedichts. (Nicht bekannt.) Fremdeinträge: 1r aoRl: 132 | 1v auR: 12923. Besonderheiten: Brief und Beilage wurden Arnim vmtl. von Berlin nach Neustrelitz nachgeschickt, wohin er mit seinem Onkel Hans von Schlitz gereist war. Vgl. Nr. 167,6–7. Datierung: B, die Ende Januar von Marburg nach Kassel gereist war, wird den Bezugsbrief Arnims vom 26. Januar erst nach ihrer Rückkehr in Marburg erhalten und beantwortet haben. Da sie etwa vierzehn Tage in Kassel blieb, wird das in der zweiten Februarhälfte gewesen sein. D1: Steig 1913, S. 15; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 38 (Nr. B1); datiert: Februar 1806. D3: WAA XXXII, S. 147 (Nr. 423); datiert: vmtl. zweite Hälfte Februar 1806. DV: H.
*165. An Caroline von Günderrode in Frankfurt Marburg, vmtl. zweite Hälfte Februar 1806 B: Nr. 159. A: Nr. 168. Datierung: B wird den Bezugsbrief der Günderrode, der vmtl. in Marburg liegengeblieben war, bald nach ihrer Rückkehr von Kassel beantwortet haben.
1565
Zu Nr. *166
*166. An Philippine Engelhard in Kassel Marburg, vmtl. zweite Hälfte Februar 1806 B: –. A: Nr. *169. Datierung: Aus Philippine Engelhards Brief aus Kassel vom 24. März (Nr. 173) geht hervor, daß sie zwei Briefe Bs erhalten und ihr eine Abschrift von Gedichten geschickt hatte. B wird die Schreiberin während ihres Kassel-Aufenthalts in der ersten Februar-Hälfte kennengelernt und die beiden Briefe nach ihrer Rückkehr in Marburg geschrieben haben. Der erste Brief wird in die zweite Februar-Hälfte, der zweite in die erste März-Hälfte datiert. Zwischen beiden Briefen wird Philippine Engelhard die Abschrift mit einem Begleitschreiben (Nr. *169) geschickt haben; es wird letztes Drittel Februar/erstes Drittel März datiert.
167.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Berlin, 17. Februar 1806, Montag
B: –. A: Nr. 171. H: FDH 7220. – Format: 1 Bl. ca. 232 × 186 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Unterlängen von I. G. EBART. Beilagen: Zwei Lieder mit Melodien (nicht überliefert) von Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Fremdeinträge: 1r aoRl: 131 | 1v auRr: 7220. Besonderheiten: Beilage zu Arnims Brief an Savigny vom 17. Februar 1806 (WAA XXXII, Nr. 426). – 1v B über Adresse: Berlin 17 Febr 1806. D1: Steig 1913, S. 14 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 37 f. (Nr. A2). D3: WAA XXXII, S. 158 f. (Nr. 426). DV: H.
Veränderungen 12
Ihre] I aus 〈X〉
1566
Zu Nr. 168
Erläuterungen 2–4 Musick 〈…〉 von Schultz in Anspach 〈…〉 mir überschickte] Arnim hatte den musikliebenden Christoph Ludwig Friedrich Schultz, einen Schulund Studienfreund, auf der Rückreise von Heidelberg nach Berlin im November 1805 im preußischen Ansbach besucht, wo Schultz Assessor war. (Vgl. WAA XXXII, Nr. 402,36–40 und Erl.) Schultz’ Sendung an Arnim ist nicht bekannt. 5 die grüssende Maria] Vmtl. Ludwig Helmbolds Lobgesang auf das Fest der Heimsuchung Mariae, erschienen in seiner Sammlung Geistliche Lieder (Erfurt 1575). Beginn: Übers Gebirg Maria geht / zu ihrer Bas Elisa-
beth. / Sie grüßt die Freundin, die vom Geist / freudig bewegt Maria preist / und sie des Herren Mutter nennt (Grote 1961, Nr. 4). Lieder mit der grüßenden Maria sind ansonsten nicht bekannt. Bereits 1598 in der Vertonung Johann Eccards in dessen Preußischen Festliedern. (Vgl. ebd., S. XIV.) Den Preußen Schultz und Arnim wird das in ihrem Land tradierte Lied bekannt gewesen sein. 6–7 mit einem Onkel 〈…〉 nach Strelitz] Mit Hans von Schlitz nach Neustrelitz, der Residenz von Mecklenburg-Strelitz, wo dieser den Winter über wohnte. 10 Felsen von Marburg] Fortsetzung der Anspielung Nr. 158 auf die hohe Lage des Forsthofs in der Marburger Rittergasse.
168.
Von Caroline von Günderrode nach Marburg Frankfurt, vmtl. letztes Drittel Februar/erste Hälfte März 1806
B: Nr. *165. A: –. Besonderheiten: Der Brief wurde partiell in Die Günderode übernommen und auf zwei Briefe verteilt, von denen der zweite außerdem die originalen Briefe Carolines an Clemens vom 19. Mai 1802 (DjBr Nr. 626) und an B von vmtl. zweite Hälfte Dezember 1805 (Nr. 151) teilweise enthält. Vgl. B/W II, S. 834 f. Datierung: Die Günderrode wird auf den vmtl. in den zweiten Februarhälfte geschriebenen Bezugsbrief bald geantwortet haben. D1: Kat. Henrici 148, S. 30 (Nr. 77); TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D2: Amelung 1921, S. 133; nicht datiert. D3: B/W II, S. 834 f.; datiert: etwa Februar/März 1806.
1567
Zu Nr. 168
D4: Weißenborn 1992, S. 268 f. (Nr. 168); datiert: etwa November 1805. DV: D2.
*169. Von Philippine Engelhard nach Marburg Kassel, vmtl. letztes Drittel Februar/erstes Drittel März 1806 B: Nr. *166. A: Nr. *170. Datierung: Vgl. Nr. *166.
*170. An Philippine Engelhard in Kassel Marburg, vmtl. erste Hälfte März 1806 B: Nr. *169. A: Nr. 173. Datierung: Vgl. Nr. *166.
171.
An Ludwig Achim von Arnim nach Berlin Marburg, Mitte März 1806
B: Nr. 167. A: Nr. 175. H: FDH 7387. – Format: 1 Bl. ca. 234 × 190 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, aoR fleckig. Fremdeinträge: 1r aoRl: 133 | 1v auRr: 7387. Besonderheiten: Vgl. Nr. 164. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung, Arnims Bezugsbrief sei erst am 12. März angekommen, sowie aufgrund von Arnims Nachricht im Antwortbrief, Bs Brief sei schon unterwegs gewesen, als er einen enttäuschend kurzen von ihr (Nr. 164) beantwortet habe. Diese Antwort wurde am 18. März (Nr. 172) geschrieben. D1: Steig 1913, S. 16 f.; datiert: März 1806. D2: Betz/Straub 1986, S. 38–40 (Nr. B2); datiert: März 1806. D3: B/WuB IV, S. 34–36 (Nr. 10); datiert: etwa Mitte März 1806. D4: WAA XXXII, S. 168 f. (Nr. 432). DV: H.
1568
Zu Nr. 171
Veränderungen 4 recomandiren,] danach gestr. werden 10 aushauchen] danach gestr. darf 18 aussezen] aus auszusezen 31 mit] üdZ eing. 35 Aufgang] Schluß-en gestr. 36 Norden] r aus d 38–39 Wohnung] danach gestr. ziemlich 41 manche] danach gestr. 〈xxx〉 43 Hecken] k aus 〈x〉 51 Gesträuch] aus 〈xxx〉 56 werden] we aus de 56 hier] h aus e 59 sehr daß ich] aus 〈xxx〉 60 hat] aus habe
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen B/WuB IV, S. 766–768. 1 vom 3ten Fbr] Vielmehr vom 17.; B hatte das undeutliche Datum verlesen. 4 recomandiren] empfehlen. 5 Ihre Lieblingslieder] Beilagen zu Arnims Bezugsbrief, von seinem Schulund Universitätsfreund Schultz (vgl. Nr. 167,1–5 und Erl.). 6–7 seit sie weg sind] Arnim war am 7. November 1805 mit Brentano und Savigny von dessen Gut Trages abgereist, wo sich auch B aufgehalten hatte. 8 heischeren] »rauh, belegt, von stimme und ton« (DWb X, Sp. 900). 13–15 ein Lied, welches von Reichard 〈…〉 componiert ward] Eines der Lieder Arnims, deren Kompositionen Reichardt im März 1805 in seinem Le Troubadour italien, français et allemand veröffentlicht hatte. Vgl. zu Nr. 158,5–6. 16 Die beiden lezten Andenken eines schönen Tages] Die beiden von Arnim überschickten Lieder, nach dessen Formulierung im Bezugsbrief. 22 Mangel an grüsenden Bildern] Nach Arnims Bedauern im Bezugsbrief, es fehle ihm an Bildern, die mich so begrüßen wie die grüssende Maria (Nr. 167,4–6). 26–28 ich habe auch 〈…〉 Spize über hängenden Gärten] Der Forsthof in Marburg, unterhalb der Schloßbefestigung mit Berggarten. (Vgl.
1569
Zu Nr. 171
Nr. 147,1–2 und Erl.) Hängende Gärten: terrassenförmig angelegte Gartenanlagen, ursprünglich diejenigen der Semiramis in Babylon. 40 die jüngsten Kinder seiner Laune] Nach dem Titel von August von Kotzebues Sammlung Die jüngsten Kinder meiner Laune (6 Bde., Leipzig 1793–1797). 42 annoch] Bis jetzt, bis heute (nach lat. adhuc). 46 Sans Soucis mon repos] Beliebte französische Namen für Lustschlösser; Sanssouci: Sorgenfrei; Monrepos: Meine Ruhe. 58 Göthes recention] Des ersten Wunderhorn-Bandes in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung, Nr. 18 und 19 vom 21. und 22. Januar 1806.
172.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Neustrelitz, 18. März 1806, Mittwoch
B: Nr. 164. A: Nr. 174. H: FDH 7221. – Format: 1 Dbl. ca. 236 × 195 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 3x längs, 1x quer gefaltet | Ku ca. 100 × 122 mm; Kur Adresse. – Papier: Im Mittelfalz und arR braune Flecke; Ku auR brauner Fleck, Kuv rotes Siegel. – WZ: C. WARSAND. Fremdeinträge: 1r aoRl: 134 | 2v auRr: 7221 | Kr aoRl: 134 | Kv B: 18. März
1806 Neustrelitz. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXII, Nr. 434.E). Postzeichen: 4. D1: Steig 1913, S. 17 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 41–43 (Nr. A3). D3: WAA XXXII, S. 171–173 (Nr. 434). DV: H.
Veränderungen 8 von dem 〈…〉 möchte] üdZ eing. 11 wie] aus 〈xxx〉 19 die] danach gestr. die 23 Wort. Nach] aus Wort, nach
1570
Zu Nr. 172
24 haben] aus hatten 30 hatte] aus 〈xxx〉 32 schreiben Sie auf] üdZ eing. 35 Ihr] I aus 〈x〉 41 ewig] e aus 〈x〉 42 Und] aus Me 48 ist] aus 〈xxx〉 51–53 Vor drey Wochen 〈…〉 angekommen.] alR
Erläuterungen 5 Notenblat] Nicht bekannte Beilage (Komposition) Bs zu ihrem Bezugsbrief. 6 Inschrift von Rosette] 1799 in der ägyptischen Stadt Rosette gefundene Tafel mit drei verschiedenen Inschriften: in altägyptischen Hieroglyphen, demotischer und griechischer Schrift. 19 mein klein braunes Kindchen] Arnims Patenkind Bettina von Savigny. 19–20 die 〈…〉 Herrschaft von Trages] Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny als Besitzer des Gutes Trages. (Vgl. Günther 2000, S. 21–44.) 21–22 Clemens 〈…〉 daß 〈…〉 Meline krank gewesen] Vgl. Nr. 153 (Datierung). 26–27 der hiesige Capellmeister Siebenkäs] Anspielung auf die Titelfigur von Jean Pauls Roman Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder
Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel (1796/97). Hofkapellmeister in Neustrelitz war Johann Peter Conrad Wiele. (Vgl. Herzoglich MecklenburgStrelitzischer Staatscalender auf das Jahr 1806.) 27 Blondin] (frz.) Blondkopf; auch: Stutzer, Weichling. 27–28 Geburtstage einer alten Princeß] Am 16. März 1806 wurde die verwitwete Landgräfin Marie Luise Albertine von Hessen-Darmstadt – die Schwiegermutter des Herzogs Carl von Mecklenburg-Strelitz – 77 Jahre alt. 28–29 den Blaubart 〈…〉 der Klaus fehlte uns] Die Aufführung von Tiecks Stück Ritter Blaubart (1797) scheiterte daran, daß sich für die Figur des Narren Claus kein Darsteller von angemessener Größe fand. Vgl. Arnim an Brentano, 12.-etwa 19. März 1806: an dem Clausnarren scheiterte der
Plan, weil alle die mitspielen sollten viel zu groß, der hatte uns zum Narren (WAA XXXII, Nr. 431,45–47).
1571
Zu Nr. 172
30 Sammlung unsrer Lieder] Seit Frühjahr 1803 geplante Sammlung der Lieder Arnims und Brentanos unter dem von Arnim vorgeschlagenen Titel Lieder der Liederbrüder (an Brentano, 5. Mai 1803; WAA XXXI, Nr. 298,24). Das neben dem Wunderhorn betriebene Projekt scheiterte an den widrigen Zeitumständen, die 1806/07 eine gemeinsame Arbeit daran verhinderten. 42 Und der Morgen] Brentanos
Und der Morgen wird ein Küssen, Mittag wird ein süß Umfangen; Abendroth ein still Verlangen, Nur die Nacht werd’ ich vermissen. in seiner Anfang 1801 erschienenen Erzählung Der Sänger (FBA XIX, 51,21–24). Den ersten Vers zitiert Brentano in seinem zwischen 18. und 22. Juli 1802 an Johanna Kraus und Gritha Hundhausen geschriebenen Brief (DjBr Nr. 659). 42 Das macht mir Schmerz] Vmtl. dasselbe Lied, das B in einem Frühlingskranz-Brief zitiert: Das schmerzt mich sehr, das kränket mich, daß ich nicht genug kann lieben Dich. (B/W II, S. 651.) Es ist der aus dem ursprünglich religiösen Kontext gelöste Anfang der zweiten Strophe des von Johann Heermann 1630 verfaßten Kirchenliedes O Jesu, Jesu, Gottes Sohn. Die ersten beiden Strophen lauten:
Jesu, Jesu, Gottes Sohn, mein Bruder und mein Gnadenthron, mein Schatz, mein Freud und Wonne, du weißt es, daß ich rede wahr, vor dir ist alles sonnenklar und klarer als die Sonne. Herzlich lieb ich mit Gefallen dich vor allen, nichts auf Erden kann und mag mir lieber werden. Dies ist mein Schmerz, dies kränket mich, daß ich nicht gnug kann lieben dich, wie ich dich lieben wollte. Ich werd von Tag zu Tag entzündt; je mehr ich lieb, je mehr ich find, daß ich dich lieben sollte. Von dir laß mir deine Güte 1572
Zu Nr. 173
ins Gemüte lieblich fließen, so wird sich die Lieb ergießen. (EKG 1953, Nr. 452.) 43 Göthe’s Fischer] Die Ballade Der Fischer (1779). 43 Lustige Musikanten] Brentanos Da sind wir Musikanten wieder in seinem Lustspiel Die lustigen Musikanten. 46 In wenigen Tagen denke ich in Berlin zu seyn] Arnim kehrte erst im Juni nach Berlin zurück. 51–53 Vor drey Wochen 〈…〉 an Savigny 〈…〉 einen Brief an Sie] Nr. 167 und WAA XXXII, Nr. 426 mit Beilagen. 52 meine Kupferstiche] Aus dem Nachlaß des Marburger Medizin-Professors Ernst Gottfried Baldinger war im November 1805 eine reichhaltige Sammlung von Kupferstichen meistbietend versteigert worden, von denen Savigny im Auftrag Arnims eine Auswahl um das Doppelte von dessen Kommission erwarb. (Vgl.: Brentano an David Lederer, 23. November 1805; DjBr Nr. 1161 und Erl.; Arnim an Savigny, 7. Januar 1806; WAA XXXII, Nr. 426,3–7 und Erl.) Arnim bekam seine Erwerbung aufgrund der Zeitverhältnisse jedoch erst zwei Jahre später zu sehen. Zunächst schickte Savigny sie mit einem Begleitbrief vom 20. April 1806 (DjBr Nr. 1232) in einer Kiste an Brentano, der ihm Ende April berichtete, daß er die Sendung weiterbefördere und Bücher beilege (DjBr Nr. 1235). Als Brentano erfuhr, daß Arnim im Sommer nach Heidelberg kommen werde, gab er jedoch in Frankfurt bei dem Buchhändler Mohr, dem Kompagnon des Heidelberger Verlegers Zimmer, über den die Kiste nach Berlin geschickt werden sollte, Contre ordre (DjBr Nr. 1283), so daß sie nicht an Arnim abging, der im Herbst des Jahres seine beabsichtigte Süddeutschlandreise in Göttingen abbrechen mußte und in den Norden verschlagen wurde. Erst im Februar 1808, nachdem er endlich Heidelberg erreicht hatte, kam er dazu, die dort von Zimmer verwahrte Kiste in Augenschein zu nehmen.
173.
Von Philippine Engelhard nach Marburg Kassel, 24. März 1806, Sonnabend
B: Nr. *170. A: –. H: GSA 03/609. – Format: 1 Dbl. ca. 194 × 115 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x quer gefaltet. – Papier: Grau, fleckig. – WZ: PILGERAM.
1573
Zu Nr. 173
Fremdeinträge: 1r auRl: 1 | 2r auRl: 2. Besonderheiten: Philippine Engelhard war bisher nicht als Schreiberin des Briefes identifiziert. Schluß fehlt. DV: H.
Veränderungen 10 Sächelchen] danach gestr. h 33 Gelegenheiten] danach gestr. grüne 34 der] aus des 34 glatten 〈…〉 der] üdZ eing. 34 Lebensbaum] am Schluß gestr. s 35 heißt] üdZ eing. 37 dessen] über gestr. den 39–40 rühmt ihre Kraft] üdZ eing. 44 meine] üdZ eing. 47 ist] danach gestr. 〈xxx〉 49 wenigstens] üdZ eing. 51 auch noch etwas] üdZ eing. 53 eben] üdZ eing. 53 das] aus mein
Erläuterungen 4 Herausgabe meiner Lieder der Liebe] Nachdem Sammlungen der Gedichte Philippine Engelhards 1778 und 1782 in Göttingen herausgekommen waren, erschienen Neue Gedichte. Dritte Sammlung erst wieder 1821 in Nürnberg. Eine Ausgabe der Lieder der Liebe wurde jedoch nicht publiziert. Diese Lieder waren veranlaßt durch die Bekanntschaft der jungen, noch unverheiratet in Göttingen lebenden Philippine Gatterer mit dem georgischen Fürsten Meschersky, in den sie sich während seiner Göttinger Studentenzeit 1777/78 verliebt hatte und nach dessen Abreise in die Heimat sie zunächst einen Roman in Briefen zu schreiben begann, in den sie einzelne Gedichte aufnehmen wollte. Auf Anraten Gottfried August Bürgers entstand aus dem begonnenen Roman eine »Reihe zusammenhängender Gedichte« (Nathusius 1890, S. 21), die Philippine Gatterer, vmtl. beeinflußt von Goeckingks Liedern zweier Liebender (1777), Lieder der Liebe nannte. Sie
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Zu Nr. 173
»fanden sich erst nach ihrem Tode in ihrem Nachlaß in einem zierlich geschriebenen Manuskript, mit einem blauen Bändchen umbunden, vor« (ebd.). Dieses Manuskript ist verschollen. Lediglich ein Gedicht, Das Liebesfest, erschien Ende 1806 mit dem Untertitel Aus einem ungedruckten Romane (Polyanthea. Ein Taschenbuch für das Jahr 1807, hg. von Karl Reinhard, Münster, S. 53 f.). Martin von Nathusius, dem das Manuskript 1890 vorlag, verzichtete auf Mitteilungen aus ihm. Der Grund der Zurückhaltung läßt sich aus seiner Einschätzung erahnen: »Es war wohl zu viel Wahrheit darin aus ihrem eigenen Leben und Empfinden, als daß sie sich hätte entschließen können, sie der profanen Welt zu überliefern.« (Ebd.) Die Absicht Philippine Engelhards, das Manuskript 1806 mit Unterstützung Bs herauszugeben, war nicht nur Martin von Nathusius unbekannt, sondern bereits seinem Vater Philipp Nathusius. Der hatte das Manuskript der Lieder der Liebe 1840 kennengelernt, als er die Biographie seiner Großmutter Philippine Engelhard schreiben wollte, wozu er jedoch nur ansatzweise kam. 1835/36 war er als Bewunderer von Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde mit B bekannt geworden, die 1848 ihren teilfiktionalisierten Briefwechsel mit ihm unter dem Titel Ilius Pamphilius und die Ambrosia herausgab. Darin steht eine an Philipp Nathusius gerichtete Briefpassage über Philippine Engelhard, die »bis heute die einzige bedeutende und gerechte Äußerung einer Schriftstellerin« (Stummann-Bowert 1995, S. 51) über jene Vorgängerin geblieben ist:
Deine Großmutter ist ein burlesker Charakter, wie das leicht bei solchen Naturen der Fall sein kann, in denen das Großartige Fesseln tragen muß, die der gemeine Mensch nicht bemerkt. – Alles Edle und Freie in ihr war verbrämt mit einem allem Anstand zuwiderlaufenden Humor, der nicht selten Anlaß zu lächerlichen Scenen gab. – Und obschon dies so ganz nach dem Autor aufgefaßte Bild von ihr, auch allein sie in ein Licht stellen würde, wodurch ihrem Gedächtniß Ehre wiederfährt, und zugleich dem Leser eine werthvolle Skizze eines Menschenlebens gegeben wird; so glaub ich doch nicht daß Du dies Deinen Verwandten recht machen würdest. 〈…〉 was ich Dir nicht vorschlage sondern nur erzähle wie einen Traum, könntest Du nicht eine Charakteristik mehrerer Frauen geben, die Deiner Großmutter gleichzeitig und verwandt wie die K a r s c h i n , oder ganz entgegengesetzt wie meine Großmutter waren, und unter welchen sie natürlich als Planet zwischen Trabanten aufträte. – Somit würde manches um so bedeutender vortreten, manches auch was an sich wie unrichtig oder fehlerhaft angesehen werden könnte, würde hier zum Nachdenken anregen, 1575
Zu Nr. 173
manches auch trotz seiner Schärfe keinen exponirenden Eindruck machen, und im Ganzen läge ein Abdruck der weiblichen Bahn jener Literatur-Epoche. (B 1848, Bd. II, S. 304–306.) Ob B, als sie dies veröffentlichte, noch wußte, daß sie als junges Mädchen von Philippine Engelhard ins Vertrauen gezogen worden war? 6–7 Säämereÿen an meinen Bruder 〈…〉 Briefchen beÿlegen will] Philippine Engelhard hatte fünfzehn Geschwister, deren Namen nicht alle überliefert sind. Da sie Säämereÿen schickte, dürfte der Adressat der bekannteste Bruder, Christoph Wilhelm Jakob Gatterer, gewesen sein, seit 1787 Professor der Kameralistik, Technologie und Forstwissenschaft in Heidelberg, wo er 1805 zum Oberforstrat avanciert war. Philippine Engelhards Mitteilung, sie wolle der Sendung an ihn das Briefchen an B beÿlegen, ist vmtl. so zu verstehen, daß sie beides zusammen auf die Post gab, nicht so, daß das Briefchen eine Beilage des Pakets war. 12 um Adelheims willen] Anspielung Philippine Engelhards auf ihr Gedicht An Adelheim (1780 im Göttinger Musenalmanach). Mit dem poetischen Namen war der mit ihr seit 1780 verheiratete Philipp Engelhard gemeint. 16 die fünf ältesten Kinder 〈…〉 Zehnen] Philippine Engelhard hatte ihre zehn Kinder von 1781 bis 1800 geboren, die fünf älteren bis 1789, die fünf jüngeren seit 1792. (Vgl. die Übersicht der Namen und Geburtsdaten Stummann-Bowert 1995, S. 45.) 28 Pophos] Vmtl. Paphos, die antike Hafenstadt im Südenwesten Zyperns. 37 Sebenbaum] Sadebaum (Juniperus sabina).
174.
An Ludwig Achim von Arnim in Neustrelitz Marburg, 8. April 1806, Dienstag
B: Nr. 172. A: Nr. 176. H: FDH 7388. – Format: 1 Bl. ca. 218 × 184 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig, verknittert. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild. Beilagen: Vertonung eines Arnimschen Gedichtes. (Nicht identifiziert.) Fremdeinträge: 1r aoRl: 135 | 1v auRr: 7388. D1: Steig 1913, S. 18 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 43–45 (Nr. B3). D3: WAA XXXII, S. 182 f. (Nr. 440). DV: H.
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Zu Nr. 175
Veränderungen 3 der] danach gestr. sich 8 aufbrechen] üdZ eing. 13 den] aus die 16 empfielt] p aus f 16 bestens] danach gestr. und 16 sie] s aus S 18 hat] danach gestr. ihr 23 Rücksicht] ck aus g 24 Leben] aus lebendig 27 an] am Schluß gestr. t 31 Gott] danach gestr. Thau 32 zwar] danach gestr. Alt 32 und] danach gestr. sch 40 thun] aus 〈xxx〉 40 Wir] danach gestr. be
Erläuterungen 12–13 Beitrag zu ihren Liedern gesammelt] Von B stammen Vorlagen bzw. Teilvorlagen zu 18 Liedern in den letzten beiden Wunderhorn-Bänden. (Vgl. Rölleke in FBA IX/3, S. 797 f.) 15–16 Meline 〈…〉 Clemens 〈…〉 das sie so krank war] Vgl. Nr. 153 (Datierung). 43–44 das kleine Bettingen] Bettina von Savigny.
175.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Neustrelitz, 9. April 1806, Mittwoch
B: Nr. 171. A: Nr. 177. H: FDH 7222. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 228 × 190 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; 4v Adresse, 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, braune Flecke; II Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß; rotes Siegel. – WZ: I + II: Bekrönter Posthornschild | Jan Kool (Schreibschrift).
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Zu Nr. 175
Fremdeinträge: 1r aoRl:
137 | 2v auRr: 7222 | 4v B über Adresse: NeueStrehlitz 9ter April 1806.
Besonderheiten: 3v Profilskizze Arnims (ca. 18 mm). Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXII, Nr. 442.E). D1: Steig 1913, S. 20 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 45–47 (Nr. A4). D3: WAA XXXII, S. 185 f. (Nr. 442). DV: H.
Veränderungen 4 früher] alR eing. 5 die Vögel] aus den Vögeln 10 wartet] üdZ eing. 15 sing] s aus l 15 Ostertage] ta aus fe 19 mit] üdZ eing. 29 A.] aus mit 36 bräunlichen] üdZ eing. 36 blasen] b aus w 37 schlüpfen] s aus S 40 von] vo aus et 41 lasse] Schluß-n gestr. 44 sein] s aus m 48 lasse] am Schluß gestr. n 59 zu] üdZ eing.
Erläuterungen 7 auf den meine Flinte in Trages versagte] Arnim hatte sich während des Trages-Aufenthalts im Herbst 1805 als Jäger hervorgetan. Vgl. Clemens an Sophie Brentano, Trages, vmtl. Mitte Oktober 1805: unter allen Jägern ist
Arnim der unermüdlichste, er laüft nach einem Vogel 6–7 Stunden (DjBr Nr. 1155). Die schöne Jagdkunst hatte Arnim bereits in einem Briefkonzept an Carl Friedrich von Redtel von vmtl. Anfang August 1801 als ihm immer noch die liebste von^allen schönen Künsten bezeichnet (WAA XXX, Nr. 164.K,51–53).
1578
Zu Nr. 175
12 Meere, das unsre Stadt umgiebt] In und um Neustrelitz liegen mehrere größere und kleinere Seen (Glambecker See, Zierker See, Großer Fürstenseer See, Langer See, Krebssee, Domjüchsee). 15 Ostertage] Ostersonntag: 6. April. 19–20 mit einem halben Dutzend andrer willkommener Briefe] Dazu werden Briefe Goethes, Savignys, Brentanos und des schlesischen Arztes August Heimbert Hinze gehört haben (WAA XXXII, Nr. 430, 433, 435, *436). 22–23 Also im May sind Sie in Trages?] Diese Mitteilung stand nicht in Bs Bezugsbrief, sondern in einem gleichzeitigen Brief Savignys an Arnim (WAA XXXII, Nr. 433). 23–24 ich werde 〈…〉 mit Pächtern rechnen und streiten] Arnim besaß mit seinem Bruder Carl Otto das im Niederen Fläming, südöstlich von Jüterbog gelegene Ländchen Bärwalde, zu dem sieben Dörfer mit dem Hauptort Wiepersdorf gehörten. Es war von der Großmutter Caroline von Labes 1780 für Arnims Vater erworben worden und nach dessen Tod an seine beiden Söhne übergegangen. Arnim war seit 1805, gemeinsam mit dem Bruder, Erb- und Gerichtsherr des Ländchens, das bis zu Johannis 1806 an Christlieb Gotthelf Hin(t)ze verpachtet war und danach an August Leberecht Traugott Birkner verpachtet wurde. In einer Arnimschen Niederschrift heißt es: Das Ländchen
Beerwalde hat zu allen Zeiten als es in der Generalpacht des Oberamtmann Fuss war 7000 Reichsthaler exclusive Reservate 7000 Reichsthaler Pacht gegeben und in den leztern Jahren 7500. 1804 übernahm es der Oberamtmann Hintze und gab 9000 Reichsthaler. Durch seinen Tod kam es in die Hände des Oberamtmann Birkner 1806, der dieselbe Pacht zahlte. Die Kriegsjahre indessen machten den Wehrt dieser so wie aller Güter fallen und ich einigte mich mit Herrn Birkner über dessen Abzug 1811 nach Zahlung eines gewissen Abstandsgeldes. Da ich mich indessen mit mehrern Pächtern nicht einigen konnte, so blieb derselbe noch ein Jahr und zahlte für dieses Jahr 6000 Reichsthaler. (WAA XXXII, S. 886.) 25 tantalisirender Freude] Tantalos, Liebling der Götter, war von ihnen wegen eines Frevels in die Unterwelt verstoßen worden. Dort »büßt er nach Homer durch ungestillten Hunger und Durst; bis zum Kinn steht er in Wasser, die schönsten Früchte hängen ihm vor Augen; will er aber essen und trinken, so weichen Früchte und Wasser zurück. Bei Pindar, andern Lyrikern und den Tragikern quält ihn ein über seinem Haupte hängender, stets den Sturz drohender Felsblock.« (MGKL XIX, S. 313 f.) 26–27 wo ich 〈…〉 zum Geburtstage der Mutter Reichardt aufführen sehe] Zum Geburtstag Johanna Reichardts (3. Juli); welche Chöre Arnims aufgeführt wurden, ist nicht bekannt.
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Zu Nr. 175
27–28 Magdeburg 〈…〉 das berühmte Grabmahl sehe] Grabtumba im Magdeburger Dom für den Erzbischof Ernst von Sachsen, vor dessen Tod von Peter Vischer d. Ä. 1495 vollendet. 28–29 Helmstadt 〈…〉 Beireis grossen Diamanten sehe] Zu den fragwürdigen Schätzen des gelehrten Sonderlings Gottfried Christoph Beireis, der seit 1759 Professor an der Universität Helmstedt war, gehörte ein Diamant, den Arnim während seines Besuchs bei ihm sah. Vgl. seinen Bericht an Goethe, 1. September 1806 (WAA XXXII, Nr. 480,52–104 und Erl.). 29 Braunschweig, wo ich A. Winckelmann sehe] Arnims Göttinger Studienfreund Stephan August Winkelmann, seit 1803 Arzt in seiner Geburtsstadt Braunschweig, war dort, was Arnim noch nicht wußte, am 21. Februar 1806 gestorben. Vgl. Arnim an Brentano, Ende April/Anfang Mai 1806 (WAA XXXII, Nr. 449,61–79). 31 mein altes Gartennest besuche] Arnim hatte als Göttinger Student in einer Gartenwohnung vor dem Wall gewohnt, außerhalb der Stadt, am Groner Stadttor. Vgl. seinen Brief an Carl Friedrich von Redtel, vmtl. bald nach dem 8. Juni 1801 (WAA XXX, Nr. 156,15–16 und Erl.). 32 der kleinen Bettine] Bettina von Savigny. 34–35 Michelsbach] Michelbach, Dorf bei Trages. 35 Säulen des Herkules] In der Antike Bezeichnung der Meerenge von Gibraltar (Herculis Columnae). 35 Sandmeer] Anspielung auf eine Episode in Christian Reuters im ArnimBrentano-Savigny-Kreis geliebten Schelmenroman Schelmuffskys Warhaff-
tige Curiöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung Zu Wasser und Lande (1696, zweite erweiterte Fassung 1696/97), dessen Protagonist von einer abenteuerlichen Reise berichtet, während der er ein merkwürdiges Meer kennenlernte: Wir 〈…〉 bekamen nach etlichen Tagen das gelübberte
Meer zu sehen 〈…〉 Sapperment! was stunden dort vor Schiffe in den gelübberten Meere / es war der Tebel hohlmer nicht anders / als wenn man in einen grossen dürren Wald sehe / da die Bäume verdorret stünden / und war keine Seele auf den Schiffen zu finden. (Haufe 1972, S. 120.) Mit dem gelübberten Meere war auf die »aus der Antike stam-
mende und bis ins Mittelalter verbreitete Vorstellung von einem geronnenen Meer (›Lebermeer‹)« angespielt (ebd., S. 274). In einem zeitnahen Brief Brentanos an Savigny, zwischen 11. und 14. Juni 1806, ist dieselbe Episode gemeint: ich hätte mich in dem Gelübberten Sandmeer bei Alzenau todgeweint (DjBr Nr. 1256). Die Arnimsche Anspielung gibt zu erkennen, daß auch B zum Kreis der Schelmuffsky-Kenner gehörte.
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Zu Nr. 176
36 Tritone] In der griech. Mythologie »Diener der obern Seegötter, bisweilen außer dem menschlichen Oberleib und dem Fischschweif noch mit Vorderfüßen eines Pferdes dargestellt« (MGKL XIX, S. 731); von Arnim mit Delphinen in eins gesetzt. 37 Syrenen] »bei Homer zwei, in späterer Sage drei Jungfrauen, die auf einem Eiland zwischen der Insel der Kirke und der Skylla, auf einer Strandwiese, umgeben von bleichenden Gebeinen, durch ihren Gesang Vorübersegelnde anlockten, um sie zu verderben« (MGKL XVIII, S. 499 f.). 41–42 Strandrecht] »die Befugnis, Bestandteile eines gescheiterten Schiffes und Gegenstände, die von einem solchen an das Land geschwemmt worden sind, sich anzueignen« (MGKL XIX, S. 94). 52 Onkels und 〈…〉 Tante 〈…〉 Gute] Hans und Louise von Schlitz besaßen das Gut Karstorf (seit 1817 Burg Schlitz) bei Teterow im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin. 53–54 wo Diogenes den Alexander bat, aus der Sonne zu treten] Die Episode, derzufolge Alexander der Große dem Kyniker Diogenes von Sinope einen Wunsch freigestellt habe, woraufhin dieser bat: Geh mir ein wenig aus der Sonne!, ist von Cicero u. a. überliefert (vgl. GW 1981, Nr. 158).
176.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Neustrelitz, 19. – Karstorf, 21. April 1806, Sonnabend– Montag
B: Nr. 174. A: Nr. 180. H: FDH 7223. – Format: 2 Dbl. (I + II) je ca. 228 × 188 mm; 1r-4v 8 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet | Umschlagblatt ca. 233 × 188 mm, 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dbl. jeweils leicht verschmutzt | Umschlagblatt stark zerknittert, an den Faltstellen Löcher, roter Siegelrest. – WZ: Dbl. jeweils Jan Kool (Schreibschrift) | Umschlagblatt oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 138 | 2v auRr: 7223. Besonderheiten: Notiz Bs auf Umschlagblatt: 21. April Neustrelitz 1806. – Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXII, Nr. 445.E). D1: Steig 1913, S. 21–24. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17 (TD, kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 47–51 (Nr. A5).
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Zu Nr. 176
D4: WAA XXXII, S. 196–198 (Nr. 445). DV: H.
Veränderungen 7 ungeduldig] di aus 〈xx〉 21 sieht] s aus z 21 seine] Schluß-n gestr. 21 Königin] über gestr. Dame 22 seinen] über gestr. diesen 35 Putz] P aus 〈x〉 36 oder] o aus d 36 hinter dem Gitter] üdZ eing. 36 poltern] danach gestr. sie 42 viel weniger 〈…〉 konnte] zwischen den Zeilen eing. 51 Ihrer] I aus i 51 Liederwortsammlung] wort üdZ eing. 53 Ihr] I aus i 56 jeder Morgen ein Küssen] über jeder: Und der,|über ein: war ein, so daß auch: jeder Morgen war ein Küssen gelesen werden kann (vgl. Erl. zu der Stelle) 64 das] üdZ eing. 71 hätt] aus wär 76 mir] üdZ eing. 96 sind] danach gestr. in
Erläuterungen 3 Kampfe gegen Bostel] Reminiszenz an den Aufenthalt auf Savignys Gut Trages im Herbst 1805, wo auch der Jurist Hans Christian von Bostel zugegen war. 24 Ihr zweyter Frühlingsbrief] Nr. 171. 25 den ersten dürren Windhalm beantwortete] Nr. 164 mit Nr. 172. 26–27 Antwort des zweyten Briefes] Nr. 175. 29 Noten] Beilagen Bs zu Nr. 164 und Nr. 175.
1582
Zu Nr. 176
45–46 Der Himmel ist oft hell.] Incipit von Arnims Gedicht Schwüle Luft, 1805 in Reichardts Troubadour, von diesem vertont. Von Arnim B mit Nr. 158 geschickt. (Vgl. Ricklefs 1980, Nr. 282.) 51 Liederwortsammlung] Bezug auf Bs Mitteilung, sie habe schon einen ziemlichen Beitrag zu Arnims Liedern gesammelt (Nr. 175,12–13). 54 Vorschlag einer Morgendiät] Arnim an B, 18. März 1806: Nur Eins schreiben Sie auf, wenn Sie jeden Morgen aufstehen (Nr. 172,32–33). 56 jeder Morgen ein Küssen] Rückbezug auf das von Arnim bereits im Brief vom 18. März anzitierte Brentano-Gedicht Und der Morgen wird ein Küssen. Vgl. Nr. 172,42 und Erl. 62 aus Schlesien 〈…〉 historische] Von dem Arzt August Heimbert Hinze. Vgl. WAA XXXII, Nr. *436. 64 das kleine Bettinchen] Bettina von Savigny. 65 wie Scävola] Furchtlos wie der römische Jüngling Gajus Mucius Scaevola (Linkhand), der seine rechte Hand verloren haben soll, als er sie ins Feuer des Opferaltars legte, um den Etruskerkönig Lars Porsenna, der 507 v. Chr. Rom bedrängte und ihn mit Folter und Tod bedrohte, zu zeigen, daß ihn nichts erschrecke. B spielt darauf in Die Günderode (B/W II, S. 120) an. 68 gegen den Rattenkönig von Schweden und die Englischen Seeräuber] Der schwedische König Gustav IV. Adolf war als fanatischer Napoleonhasser 1805 der dritten antifranzösischen Koalition beigetreten, von der sich England nach der siegreichen Seeschlacht von Trafalgar (21. Oktober 1805) durch Kaperei hervortat. 70 seinem kleinen Mädchen] Adele (geb. 12. Oktober 1801). 70 wenn ich ein Vöglein wär] Im ersten Band des Wunderhorns. 74–75 Karsdorf] Vgl. zu Nr. 175,52. 76–77 Cassel 〈…〉 Göthe 〈…〉 Gallerie] Von Bs Kassel-Besuch hatte Arnim durch Brentanos Brief vom 18. bis etwa 22. März 1806 erfahren. Vgl. Nr. *163. 88 Papilioten] Haar-, Lockenwickel. 93–94 meinen Kinderbriefen 〈…〉 zu Dutzenden fand] Von Arnims Kinderbriefen an Hans und Louise von Schlitz sind mehrere Konzepte überliefert, jedoch keine Ausfertigungen. Vgl. WAA XXX, S. V-VII (Inhalt). 97 Sepia] Zeichnung in dunkelbrauner Wasserfarbe, aus dem braunen Saft der Sepie (Tintenschnecke) gewonnen. »Die S. war besonders im 18. Jahrh., namentlich zu landschaftlichen Darstellungen, beliebt und wurde mit Vorliebe von Dilettanten betrieben, durch das Aufblühen der Aquarellmalerei aber verdrängt.« (MGKL XVIII, S. 348.)
1583
Zu Nr. 177
177.
An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Marburg, 25. April 1806, Freitag
B: Nr. 175. A: Nr. 182. H: FDH 7389. – Format: 1 Bl. ca. 232 × 190 mm; 1r beschr.; 1x quer gefaltet. – Papier: Ränder verknittert, aoR braune Flecke, eingerissen. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Beilagen: Bs Abschrift einer Wiedertäuferschrift. Fremdeinträge: 1r aoRl: 136 | 1r mehrere Unterstreichungen sowie Z. 14 Steig: auf 9. April (über nicht darauf) | 1v auRr: 7389. Datierung: Kriterium ist Bs Mitteilung, sie würden am Sonntag Marburg verlassen. Am Sonntag, dem 27. April, reisten Savignys sowie B und Meline von Marburg ab (vgl. Datierung von Nr. 178). Der Freitag, an dem der Brief geschrieben wurde, war demnach der 25. April. D1: Steig 1913, S. 25 f.; vmtl. Offenbach, nicht datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 54 f. (Nr. B4); datiert: Offenbach, Mai 1806. D3: WAA XXXII, S. 204 f. (Nr. 448); datiert: 25. April 1806. DV: H.
Veränderungen 3 es] aus er 28 die] aus 〈xxx〉 28 beliebte] erstes b aus 〈x〉
Erläuterungen
Savigny fand 〈…〉 Büchlein von den Wiederteuffern 〈…〉 senden wird] B fertigte ihre Abschrift für Arnims Dramenprojekt über die Wieder-
1–4
täufer in Münster an, das er nicht vollendete, von dem jedoch ein Fragment unter dem Titel Johann von Leyden überliefert ist. (Vgl.: Simmgen 1997; Schaible 2000.) Brentano hatte bereits am 30. März 1805 den damals in Paris sich aufhaltenden Savigny gebeten: In ihrer Bibl. zu Marburg steht in ei-
nem Mizellan 4° Band eine alte kleine Druckschrift über die Münsterschen Unruhen, erinnern sie sich wohl in welchem, es ist ein Holzschnitt davor, wo die Königlichen Schneider mit ihren 〈Skizze: Kronen〉 über die StadtMauer ragen, sehr lieb wäre mir es für Arnim zur Ein1584
Zu Nr. 177
sicht diesen Band zu haben, er hat mich darum gebeten, da er eine Tragödie Johan von Leiden schreibt (DjBr Nr. 1055). Savigny konnte sich jedoch zufolge seiner Antwort vom 19. April 1805 nicht an die Schrift erinnern (DjBr Nr. 1069), so daß eine Einsichtnahme Brentanos unterblieb. Was diesem verwehrt war, gelang ein Jahr später der Schwester. Der umständliche Titel ihrer Abschrift lautet: Es sind biß her vil unn mancherley missiven und
Schriften, von / der wunderbarlichen Handlung der Teuffer zu Münster in Westphalen / außgangen unn getruckt worden, von vil großenn stürmen, und / scharmüzelen die sich zu beiden partheyen ausserhalb der Statte und / innerhalb der Statt verloffen haben, auff daß aber der vilfeltigen / Handlung nach, der Leser unverdrüßlich, so würt hir nach / ein klarer Bericht der Handlung auf daß aller / kürzest angezeiget, und aber nu inn / sonderheit, was sich nach er- / oberung der Statt zugetragen / auch wie alle handlung / ihr End schaftgenommen. Auch die von einem unbekannten Schreiber angefertigte Abschrift einer anderen, ebenfalls in Savignys Bibliothek befindlichen Wiedertäuferschrift ist überliefert: Des Münsterischen Königes, Johann von Leiden, Hoffordnung, ein Flugblatt von 1535, von Savigny am 30. April 1806 (vgl. WAA XXXII, Nr. 450,11–14) an Arnim geschickt. Erstedition beider Abschriften: WAA XXXII, Nr. AII.24.A und Nr. AII.25.A. 17 mein zweites Liedgen] Beilage zu Nr. 174. 19–21 Stallburgsbrünnlein 〈…〉 eines Freundes Bild in seinen Wellen erschien] Reminiszenz an einen der beiden Frankfurt-Aufenthalte Arnims im Juni 1802, als B ihn kennenlernte. Sein Bild erschien ihr in einer tiefgelegenen Brunnenanlage unter hohen Bäumen, die zur Stalburg-Oed, einem ehemaligen Anwesen der Frankfurter Patrizierfamilie Stalburg, gehörte. Der Brunnen wurde 1876 zugeworfen. (Vgl.: Derreth 1976, S. 128 f.; Pehl 1978, S. 34–37.) Ein Stich von Wenzel Hollar zeigt ihn im Jahr 1630. (Abb.: www.frankfurtnordend.de/images/1630_stallburg; auch in Arnims Stammbuch, DLA S. 279v, neben einem undatierten Eintrag von Anton Maria Brentano, der sich darauf bezieht.) Goethes Sohn August wurde von B bei dessen Frankfurt-Aufenthalt im April 1808 an das Brünnlein geführt. (Vgl. B/W I, S. 138.) 23 hohen und kleinen Jagd] Die hohe Jagd war ein Privileg des Adels, der das Hochwild (die großen wehrhaften Tiere) jagen durfte. Die Jagd auf kleinere Tiere (wie Hasen und Rehe) wurde als niedere Jagd bezeichnet. 28 Insinuir Manier] Insinuieren: »jemand auf eine feine Art etwas beibringen, es ihm ›stecken‹ 〈…〉 sich einschmeicheln, sich in jemandes Gunst einschleichen« (MGKL IX, S. 870).
1585
Zu Nr. 178
178.
An Kunigunde von Savigny in Trages Frankfurt, etwa 30. April 1806, Dienstag
B: –. A: –. H: FDH 20062. – Format: 1 Bl. ca. 227 × 193 mm; 1r ½ S. beschr.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: Schildbekrönung. Beilagen: Briefe der Günderrode und Melines an Savigny. Vgl. Erl. Fremdeinträge: 1v auRr: HS 2062. Datierung: Am 27. April verließen Savignys mit B und Meline Marburg. Unsere Reise ist überaus glücklich gewesen, selbst mehr als ich hoffte, berichtete Savigny am 30. April seinem Marburger Lehrer Philipp Friedrich Weis aus Trages. Und weiter: Meline war den ganzen Tag völlig wohl. In
Friedberg haben wir uns von ihr und Betine getrennt, und sind dann um halb neun Uhr glücklich hier angekommen. (Felgentraeger 1928, S. 160.) Wenig später, am 1. Mai, fuhren Savigny und Gunda nach Frankfurt und holten B nach Trages. (Vgl. Savigny an Bang, 2. Mai 1806; Stoll 1927, S. 281.) In der Zwischenzeit schrieb sie das vorliegende Billett. D1: Schnack 1984, S. 288 (Nr. 187); datiert: um den 29. April 1806. DV: H.
Veränderungen 3 ich] üdZ 5 er] danach gestr. der 9 einem] danach gestr. Patzi 10 der] danach gestr. Doch 13 will] danach gestr. auf
Erläuterungen 1 Der Linster 〈…〉 erzählt] Meline berichtet in ihrem Brief (SPK/NS 104/3) ausführlich über Familienmitglieder und Bekannte, auch über eine eigene Unpäßlichkeit, von der sie sich erholt hat, über ihr Zimmer und ihre Tätigkeit im Haushalt sowie über eine Erkrankung Antonias und die Schwangerschaft Marie Brentanos. 4–7 über den Liebhaber 〈…〉 beiliegenden Brief 〈…〉 geschrieben hat] Der Liebhaber, Friedrich Creuzer, war im April besuchsweise nach Marburg
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Zu Nr. 179
gekommen und hatte dort eine tiefe Antipathie gegenüber B gefaßt. Den Aufenthalt fand er nur in den wenigen Augenblicken hübsch 〈…〉, in welchen die vorlaute B abwesend war (an die Günderrode, 11. Mai; Preisendanz 1912, S. 266 f.). B machte der Günderrode weis – fummeln: »kurhessisch: etwas flüchtig tun, unordentlich sein« (Schellberg/Fuchs 1942, S. 42) –, Creuzer habe keine Sympathie für Savigny, an den die Günderrode ihren von B mitgeschickten Brief schrieb. 8 Daß Winckelmann Todt ist] Vgl. zu Nr. 175,29. 12 George] Sohn Franz und Antonia Brentanos.
179.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Marburg Karstorf, 11. Mai 1806, Sonntag
B: –. A: Nr. 180. H: FDH 7224. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 188 mm; 1r-2v 4 beschr. S. | Ku ca. 98 × 122 mm. – Papier: Fleckig, Schrift durchscheinend und verwischt; Ku beschmutzt, verknittert, rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild | darunter: Jan Kool. Fremdeinträge: 1r aoRl: 139 | 2v auRr: 7224. Besonderheiten: Der Brief wurde B von Marburg nach Trages nachgeschickt. Auf dem Kuvert notierte sie: Karsdorf 11 Mai 1806 (Kur) bzw. Kaarsdorf den 11ten Mai 1806 (Kuv). Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXII, Nr. 452.E). Postzeichen: Stempel: HAMBURG. | Portozeichen. D1: Steig 1912 f, S. 268; TD. D2: Steig 1913, S. 24 f. D3: Betz/Straub 1986, S. 52–54 (Nr. A6). D4: WAA XXXII, S. 218–220 (Nr. 452). DV: H.
Veränderungen 5–6 feurige] aus wuthige 14 und mit 〈…〉 Zeit] üdZ eing. 26 achtzehnjähriges] zehn aus 〈xxx〉 46 ein] aus eine
1587
Zu Nr. 179
58 61
in seinem Neste] üdZ eing. und so bleibe ich still bey mir] üdZ eing.
Erläuterungen 15 Familienconvent in Trages] Bezug auf Bs Mitteilung vom 8. April (Nr. 174), daß sich Anfang Mai alle Glieder der Brentano-Familie vereinen würden – allerdings in Frankfurt –, wobei Arnim im Sinn gehabt haben wird, daß Convent »die Vereinigung der in einer römischen Provinz lebenden römischen Bürger, die eine Art Korporation bilden« (MGKL XI, S. 448), bezeichnete. Vielleicht dachte er auch an den National-Convent, die Volksversammlung der Französischen Revolution. 44–47 Mösler 〈…〉 juristisches Lexikon] Johann Gottfried Mössler, System der Lehre von persönlichen Klagen. Erfurt 1805 (Theoretischpraktisches System der Lehre von gerichtlichen Klagen und Einreden, Bd. V).
180.
An Ludwig Achim von Arnim in Berlin Trages und Frankfurt, 3. und 10. Juni 1806, Dienstag und Dienstag
B: Nr. 176, 179. A: Nr. 190. H: FDH 7390. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. 236 × 193 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; vmtl. 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: I: leicht beschmutzt, aoR verknittert und eingerissen; II: dünn, verknittert, verschmutzt, aoR braune Flecke, Ränder beschädigt. – WZ: I: 1801 BLOXAM & FORDRINER LONDON | II: –. Fremdeinträge: 1r aoRl: 140 | 2v auRr: 7390 | 3v auRr: 7390. Datierung: Datierungskriterium des ersten Briefteils ist Bs Mitteilung, Gall werde in Frankfurt morgen seine Vorlesungen beginnen. Das war der 4. Juni. (Vgl. zu Z. 50–51.) D1: Steig 1912 f, S. 269–271; TD. D2: Steig 1913, S. 26–31; als zwei Briefe ediert. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17 (TD, kurzer Auszug). D4: Betz/Straub 1986, S. 56–60 (Nr. B5), S. 60–63 (Nr. B6); als zwei Briefe ediert.
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Zu Nr. 180
D5: WAA XXXII, S. 257–263 (Nr. 459); datiert: 3. und 10. Juni 1806. DV: H.
Veränderungen 14 in kaltem] aus in 〈xxx〉 28 wegziehen] z aus s 39 recht] danach gestr. 〈xxx〉 46 Sie] danach gestr. es 51 Claudinens] C aus K 54 sieht] danach gestr. sich 55 Kränklichkeit] aus Krankheit | danach gestr. 〈x〉 55 entstand] a aus ä 79 in] n aus m 85 Schlaf] la aus 〈xxx〉 92 Die] ie aus 〈xx〉 94 was] w aus h 99 gemahlt] m aus s 104 mich] danach gestr. als ein 114 Zuversicht] v aus s 114 auf Gott] üdZ eing. 127 da] a aus 〈x〉 127 hier] aus 〈xxx〉 134 alles] danach gestr. was 165 einer] danach gestr. 〈x〉 170 und] danach gestr. de 175 da] aus darinn 182 es] aus 〈xx〉 185 umher] r aus h
Erläuterungen 2 7 7
Verdeutigung] Verteidigung. Abreise] Vgl. Nr. 178 (Datierung). den alten Thurm] Vgl. Nr. 147,29 und Erl.
1589
Zu Nr. 180
9–10 Feldberg, den auch Sie 〈…〉 sahen] Arnim sah die höchste Erhebung des Taunus während seines Frankfurt-Aufenthalts im Spätsommer und Frühherbst 1805, als er im Englischen Hof wohnte. 13 das alte Schloß hoch hinter mir] Das von den hessischen Landgrafen errichtete gotische Schloß oberhalb des Forsthofes, in dem B wohnte. 44–46 in der Braunschweiger Zeitung 〈…〉 Winkelmann 〈…〉 Trepas erreicht hat] Vgl. Braunschweiger Anzeigen, 17. Stück vom 26. Februar 1806: Am 21. dieses Monats starb mein innigst geliebter Sohn, Stephan
August Winckelmann, der Philosophie und Arzneikunst Doktor, und Professor an dem Fürstl. Anatomisch chirurgischen Collegio, in seinem kaum eingetretenen 27. Lebensjahre, an einem Nervenfieber. Indem ich diesen mir so höchst schmerzlichen Verlust anzeige, bitte ich alle diejenigen, die Alles, was Kunst, Freundschaft und Zuneigung nur vermögen, in der letzten Krankheit des theuren Verstorbenen, zu seiner Erhaltung so edelmüthig angewandt haben, von meiner und der Meinigen unbegränzten und unauslöschlichen Dankbarkeit überzeugt zu seyn. Marianne Louise Winckelmann, geborne Leisewitz. (Schnack 1984, S. 86.) – Trepas: trépas (frz.); Hinscheiden, Tod. 50–51 Gall 〈…〉 wird morgen seine Vorlesungen dort anfangen] Der Anatom und Phrenologe Franz Joseph Gall, der seit den neunziger Jahren in Wien gelebt und praktiziert hatte, war seit dem Frühjahr 1805 in Deutschland unterwegs, um seine heftig umstrittenen Ansichten über das Gehirn, dessen Strukturen, Funktionen und Wechselwirkungen zu demonstrieren. In Frankfurt begann er seine Vorträge am 4. Juni, wie aus einer Anzeige des Frankfurter Intelligenzblatts vom 3. Juni hervorgeht: Auf Verlangen mehrerer
hiesigen Freunde hat sich Herr Dr. Gall entschlossen, Mittwochs am 4. Juni im Saale des roten Hauses einen Cours über seine Gehirn- und Schädellehre für Personen beiderlei Geschlechts zu eröffnen (Schellberg/Fuchs 1942, S. 40). 54 Lumen] (lat.) Licht. 62–63 Dem Clemenz 〈…〉 Schwung ins Possige] Ein entsprechender Brief Bs an Clemens ist nicht bekannt und erübrigte sich vielleicht, da Savigny den Bruder am 4. Juni informierte (DjBr Nr. 1254). Der reiste Mitte Juni nach Frankfurt und lernte dort Gall kennen, über den er seiner Frau am 20. und 29. Juni berichtete (DjBr Nr. 1259 und 1266). 63–64 Cristian wird wahrscheinlich kommen] Christian Brentano, der von Marburg nach Frankfurt kam, hatte Wuth für Gall (Clemens Brentano an Savigny, vmtl. zwischen 18. und 20. Juni 1806; DjBr Nr. 1258), war leidenschaftlich für Gall (derselbe an seine Frau Sophie, 20. Juni 1806; DjBr Nr. 1259).
1590
Zu Nr. 180
Savigny 〈…〉 nach Nürnberg 〈…〉 einer zweiten guten Hoffnung abzuwarten] Savigny und Gunda brachen am 5. Juni von Trages nach
66–68
Nürnberg auf, wo das neugeborene Kind am 4. August starb. 83 Froschteig] teig entsprechend Frankfurter Aussprache. 88–89 von Cassel und der Bildergallerie] Vgl. Nr. *163 und Erl. 104 der Apoll] Übergroße gut erhaltene Kopie einer römischen Marmorstatue aus dem 2. Jh nach einem verschollenen griechischen Bronzeoriginal; 1776/77 von Landgraf Friedrich II. erworben und seit 1779 im Museum Friedericium ausgestellt. (Vgl. Gercke 1991.) 126 Sporflecken] Schimmel- oder Moderflecken. (Vgl. DWb XVI, Sp. 2678.) 141 Familien Convent] Vgl. Nr. 179,15 und Erl. 143 Toni und Marie 〈…〉 Familie zu vermehren] Schwangerschaften Antonia Brentanos, der Frau des Bruders Franz, mit Franziska (geb. 26. Juni) und Marie Brentanos, der Frau des Bruders Georg, mit Sofie (geb. 5. September). 144–145 Franz hat einen Garten gemiethet von einem Zuckerbäcker] Franz Brentano mietete den Garten von dem Frankfurter Konditor und Sammler Johann Valentin Prehn. Vgl. Brentanos Bericht an Arnim vom 16. Juli 1806 (WAA XXXII, Nr. 459,146–194 und Erl.). 153–154 Eine Löwen Grube 〈…〉 Daniel darinn] Vgl. Stücke zu Daniel 2,33. 172 Virgils Grabmal] Die Authentizität des Vergilschen Grabmals bei Neapel ist nicht verbürgt. Eine Nachbildung wurde 1775 in Wilhelmshöhe bei Kassel errichtet (Kegelstumpf auf würfelförmigem Unterbau), und sie wird im Prehnschen Garten imitiert worden sein. 179 Antichambre] Vorzimmer. 180 Schorstein] Ältere Form von Schornstein; Schorn ist von schorren (hervorragen) abgeleitet. (Vgl. DWb XV, Sp. 1579.) 186–187 Bockenheimer Thor] Frankfurter Stadttor nach Bockenheim. 194–195 Vor 8 Tagen 〈…〉 Briefe Göthes 〈…〉 an F: v: Laroche 〈…〉 meiner Mutter] B hatte von ihrer Großmutter Sophie von La Roche die Briefe zu lesen bekommen, die der junge Goethe an diese schrieb, nachdem er sie in Ehrenbreitstein als Gattin des kurtrierischen Kanzlers Georg Michael Anton von La Roche kennengelernt und sich in deren Tochter Maximiliane verliebt hatte. B erhielt insgesamt 42 Goethesche Briefe und Billetts und nahm von ihnen doppelte Abschrift: »die eine auf lauter feinen Einzelquartblättern, die 40 Nummern enthält, und die zweite, die auf gröberem Papier hintereinander fort, zum Teil mit Blei, 42 Nummern bietet. Die 42 Stücke nebst dem Manuskript Salomos Königs von Israel und Juda güldene
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Zu Nr. 180
Worte von der Zeder biß zum Issop lieh Bettina 〈…〉 Fritz Schlosser in Frankfurt, der sich ebenfalls mit eigner Hand Abschriften anfertigte.« (Steig 1910a, S. 323; ebd., S. 323–327 zur weiteren Überlieferung und zum Verhältnis der Abschriften zueinander.) Bs Mitteilung, sie habe die Briefe Vor 8 Tagen abgeschrieben, ist ungenau, da sie erst am 5. Juni von Trages nach Frankfurt zurückgekehrt war und die Briefe bei einem Besuch von dort in Offenbach kennengelernt haben wird. 195–196 ein Gedicht 〈…〉 Gottes Wort nachahmend] Salomos Königs
von Israel und Juda güldene Worte von der Zeder biß zum Issop (1774/75). Teilveröffentlichung in Arnims Zeitung für Einsiedler, Nr. 4 vom 12. April 1808. 201 Ist mein Johann von Leiden 〈…〉 angekommen] Bs am 25. April mit Nr. 177 geschickte Abschrift einer Wiedertäuferbroschüre. Arnim dankte am 14. Juni (Nr. 182).
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Von Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny nach Frankfurt Nürnberg, 11. Juni 1806, Mittwoch
B: –. A: Nr. 185. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. 228 × 189 mm; 1r-3r 5 beschr. S.; 3v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, Bl. 3 links eingerissen. – WZ: Jeweils: VANDER LEY. Fremdeinträge: 1r aoR: 1, aoRr: 1, auRl: 15 | 1v aoRr: 2 | 2r aoRr: 3, auRl: 16 | 2v aoRr: 4 | 3r aoRr: 5, auRl: 17 | 3v aoRr: 6. D1: Härtl 1979, S. 114 f. (Nr. 13, 13a). DV: H.
Veränderungen 29 artige] am Schluß gestr. R 36 ein] am Schluß gestr. e 73 das] danach gestr. auf das 73 er] aus es 75 heimliche] am Schluß gestr. 82 könnte] danach gestr. h 100 mich] am Schluß gestr. t
s
1592
Zu Nr. 181
Erläuterungen 1 Nürnberg] Vgl. Nr. 180,66–88 und Erl. 32 Brief an sie] Nicht bekannt. 32–35 v. Murr 〈…〉 Curiositäten] Vgl. die Beschreibung Arnims in seinem Brief an Brentano von etwa 10. Dezember 1805 (WAA XXXII, Nr. 402,42–47). Sowie Savigny an Friedrich Creuzer, 30. Juni 1806: Ich kenne nichts ermü-
denderes als den Umgang mit dieser alten, höchst verwirrten Curiositätensammlung. (Stoll 1927, S. 284.) 37–38 Carl XII. von Schweden 〈…〉 in Wachs bossirt] Von der Nürnberger Wachsbossiererin Anna Maria Pfründ. (Vgl. Hirsching 1805, S. 191.) 42–43 in einem großen Werke bekannt zu machen] Nicht ausgeführter Plan. Vgl. Savigny an Friedrich Creuzer, 30. Juni 1806: Jezt geht sein ganzes
Dichten und Trachten auf die Edition einer großen Sammlung von autographis, meist bloße Unterschriften, aus Briefen oder Stammbüchern geschnitten, großentheils von so unbedeutenden Menschen, daß ganze Bücher von ihnen neu entdeckt werden könnten, ohne daß sie Jemand lesen würde. (Stoll 1927, S. 284.) 70–87 Garten Hauses 〈…〉 Grafen Hatzfeld 〈…〉 Frauen gelebt] Welchem Grafen Hatzfeldt die üble Nachrede galt, ist unklar. Karl Eugen Innocenz Ludwig Graf von Hatzfeld-Wildenburg, seit 1792 mit Friederike Maria Hubertina Cölestine von Hersel verheiratet, hatte sich von ihr getrennt und Karoline Elisabeth Held geheiratet – eine Verbindung, die von seiner Familie nicht anerkannt wurde. 1799 wurde seine erste Frau als Vormund gemeinsamer Kinder unter Mitaufsicht ihrer Schwiegermutter eingesetzt, der Graf wegen Geistesschwäche entmündigt. Den Garten kann jedoch auch sein Vater Edmund Gottfried Wilhelm Cornelius von Hatzfeldt-Wildenburg zu Weisweiler angelegt und bewohnt haben, der zwar 1798 dem Sohn seinen gesamten Besitz überschrieb, den ein Jahr später Gestorbenen aber um sieben Jahre überlebte. Möglich ist außerdem, daß der Sohn 1799 gar nicht gestorben, sondern mit seiner neuen Frau in Nürnberg untergetaucht war. (Vgl.: Friedhoff 2004, S. 69 f.; www.burgbodenheim.heim.at/bewohner.htm). »Nach einem von dem Architekten August Nagel (1876–1959) skizzierten Plan lag der Garten des Grafen Hatzfeld zwischen der Äußeren Cramer-Klett-Straße und der Kesslerstraße im Stadtteil Gärten bei Wöhrd.« (Frdl. Auskunft des Stadtarchivs Nürnberg.) 75 heimliche] häuslich, traulich, vertraut. (Vgl. DWb X, Sp. 874.) 102 Das Kind] Tochter Bettina.
1593
Zu Nr. 182
182.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Berlin, 14. Juni 1806, Sonnabend
B: Nr. 177. A: –. H: FDH 7225. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 228 × 188 mm; 1r-4r 7 beschr. S.; 1x längs, 3x quer gefaltet. – Papier: II: dünn, grau. – WZ: I: Jan Kool | II: bekrönter Posthornschild | I. HONIG & ZOONEN. Beilagen: Louise Reichardt, XII Deutsche und italiänische Gesaenge
mit Begleitung des Piano-Forte componirt und Ihrer Durchlaucht der Herzogin Mutter Anna Amalia von Sachsen Weimar und Eisenach aus reiner Verehrung zugeeignet (Berlin 1806). Als Notenbüchlein erwähnt Z. 42–43. Daß es beilag, geht deutlicher aus Arnims Brief vom 12. Juli (Nr. 190,30–31) hervor; die Gesaenge enthalten drei Vertonungen von Liedern aus Ariel’s Offenbarungen: Lilie, sie mich; Wenn ich gestorben bin; Ist Lerchenklang am Bergeshang (vgl. Mallon 1925, S. 23). Fremdeinträge: 1r aoRl: 141 | 2v auRr: 7225. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXII, Nr. 461.E). D1: Steig 1913, S. 31–33. D2: Betz/Straub 1986, S. 63–66 (Nr. A7). D3: WAA XXXII, S. 263–265 (Nr. 461). DV: H.
Veränderungen 6 Feder] danach gestr. in der Hand 39 ist] i aus s 42 Sie S aus s 45 toll] t aus v 60 ihm] aus 〈xxx〉 70–71 wunderbarer] barer aus 〈xxx〉 73 werden] üdZ eing. 84 Ihr] aus 〈xxx〉
1594
Zu Nr. 182
Erläuterungen 4 lieber Mahler Müller] Anspielung auf die Beischrift der Kopie des Holzschnitts mit dem Bild Johann von Leydens, die B mit ihrer Abschrift einer Wiedertäuferschrift aus Savignys Bibliothek geschickt hatte: M. Müller fec. 1806. (Vgl. zu Nr. 177,1–4.) Zugleich Bezug auf den Dichter-Maler Friedrich Müller, genannt Maler Müller. Arnim zielte mit der Anrede auf die »Vereinigung von Schrift und Zeichnung« (Steig 1913, S. 31). 5 sehr glücklichen Hand] Der Abschrift der Wiedertäufer-Schrift. 7 schämerlich] Verschämt. (DWb XIV, Sp. 2114 belegt: schämerig, schamerig). 8–9 ob mein Johann von Leiden 〈…〉 hervorgeht] Arnims Dramenfragment Johann von Leyden, betitelt nach dem gleichnamigen Wiedertäufer, blieb unvollendet. 14 eine Stille] »die stille menschlicher räume und wohnungen 〈…〉 weniger als eigentliche ›lautlosigkeit‹, denn als die in ihnen herrschende atmosphäre« (DWb XVIII, Sp. 2996). 17 dahlen] »kindische, läppische dinge reden und thun, verliebt tändeln« (DWb II, Sp. 696). 19–21 In Karsdorf 〈…〉 ein Engländer mit mir über] Vgl. Arnim an Goethe, etwa Mitte Mai–Anfang Juni 1806: Ein brauner Engländer (den
ich an die Stange gewöhnen wollte) schlug sich bäumend über, ich muß ihm das Zeugniß geben in dem gepflasterten Hofe mir eine ungepflasterte Stelle aus gesucht, der Lebensseulen Knochen und Mark geschont zu haben und doch wünsche ich ihm heimlich, daß er in der Schwemme geblendet werden möchte, daß ich ihn noch todt reiten könnte. (WAA XXXII, Nr. 454,26–31.) 21 Kapereien der Engländer gegen uns] Vgl. Nr. 176,68–69 und Erl. 37–38 Alexander den Homer 〈…〉 unter den Kopf] Zufolge dem achten Abschnitt der Alexander-Biographie Plutarchs legte Alexander der Große ein Exemplar der Ilias und seinen Dolch unter das Kopfkissen. 38–39 ein gut Gewissen 〈…〉 Ruhe kissen] Sprichwort. (Wander I, Sp. 1669, Nr. 98.) 47–48 Scheerwerk mit Schnüffelaccompagnement] Stupide mechanische Wiedergabe, wie das Klappern von Scheren, wobei der Interpret vernehmbar schnüffelte. – Scherwerk eigtl.: »in der kriegsbaukunst ehemals ein auszenwerk mit zwei seiten und einem einspringenden winkel; auch die einfache schere genannt. die doppelte schere hatte vier seiten und zwei einspringende winkel.« (DWb XIV, Sp. 2594.) – Accompagnement (frz.): Begleitung.
1595
Zu Nr. 182
48–49 wie Circe die edelsten Helden verwandelte] Die Zauberin Kirke (lat. Circe) verwandelte Odysseus’ Gefährten in Schweine. (Odyssee X, 230– 243.) 51–52 in Mecklenburg 〈…〉 Privattheater] Graf Carl Friedrich von Hahn-Neuhaus, ein Theater-Enthusiast und »einer der reichsten Grundbesitzer des nördlichen Deutschlands« (Meyer 1858, S. 4), hatte auf seinem Schloß in Remplin – 12 km nordöstlich von Karstorf – am 1. März 1806 ein Privattheater eröffnet, das Arnim besuchte. Vgl. seine Berichte an Goethe, etwa Mitte Mai–Anfang Juni 1806 (WAA XXXII, Nr. 454,347–377) sowie an Brentano, zweite Hälfte Mai 1806 (WAA XXXII, Nr. 455,36–44 und 86–105). 53 erfuhr dort den Tod Winkelmanns] Vgl. Arnim an Brentano, zweite Hälfte Mai 1806 (WAA XXXII, Nr. 455,42–86). 53–54 den Sie wahrscheinlich früher läuten hörte] B war darüber Ende April in Frankfurt informiert worden. Vgl. Nr. 178,8–10. 57–58 ein Hygrometer 〈…〉 Kapuziner die Kappe abzieht und aufsetzt] Messungen mit dem 1775 erfundenen Hygrometer (Feuchtigkeitsmesser) dienten zu Wettervorhersagen, insbesondere von Regenfällen. Dazu wurde die Feuchtigkeit in höheren Luftschichten (auf Bergen) gemessen, und aufgrund der Messungen berechnete man zu erwartende Niederschläge im Tal. Arnim spielt auf die Wechselhaftigkeit der Messungen und den häufigen Wechsel von Regen und Nichtregen an. Dabei rekurriert er auf den Gebrauch von Kapuziner-Figuren als Wettermännchen; vgl. an B, 25. August–1. September 1807: Lustig auf! der Kapuziner / Unser kleiner Wettermann, /
Macht mit blossem Kopf den Diener, / Nimmt den guten Morgen an (Nr. 273,18–21). 63–64 in einer Auswahl 〈…〉 in unsern Liederbrüdern ein Denkmahl zu setzen] Nicht verwirklichter Plan. Vgl. zu Nr. 172,30. 65 die Steine gestrichen und gebrannt hat] Nach 1. Mose 11,3 (Turmbau zu Babel): Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, laßt uns Ziegel
streichen und brennen! 73 seiner Schule] Die originalitätssüchtige frühromantische Schule, vor allem Friedrich Schlegels und Dorothea Veits, mit denen Winkelmann um 1800 in Jena Umgang hatte. Vgl. Arnim an Brentano, zweite Hälfte Mai 1806:
warum muste er auch der Schule in die Hände fallen, die das Höchste zu erreichen meinte, bloß durch Hinlangen nicht durch Steigen (WAA XXXII, Nr. 455,63 f.). 75 Planen] Um 1800 übliche, nicht umgelautete Pluralform. (Vgl. DWb XIII, Sp. 1886.)
1596
Zu Nr. 185
80 sein Todesbothe] Der Braunschweiger Gymnasiallehrer Jakob Ludwig Roemer. Vgl. Arnim an Brentano, zweite Hälfte Mai 1806 (WAA XXXII, Nr. 455,42–45). 84 Meßgeschenk] Anläßlich der Herbstmesse 1805, als Arnim in Frankfurt war.
*183. An Franz Joseph Gall im Rheingau Frankfurt, zwischen 16. und 20. Juni 1806, Montag und Freitag B: –. A: Nr. *184. Datierung: Da Gall vom 15. bis 21. Juni von Frankfurt in den Rheingau gereist war (vgl. zu Nr. 185,4–7) und Savigny am 21. mitteilte, B habe mit ihm korrespondiert, muß sie das in der Zeit von Galls Abwesenheit getan haben. Es wird angenommen, daß sie und er jeweils einmal geschrieben haben.
*184. Von Franz Joseph Gall nach Frankfurt Rheingau, zwischen 16. und 20. Juni 1806, Montag und Freitag B: Nr. *183. A: –. Datierung: Vgl. Nr. *183.
185.
An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, 21. Juni 1806, Sonnabend
B: Nr. 181. A: –. H: SPK/NS Nr. 7/3. – Format: 1 Bl. ca. 230 × 188 mm; 1r beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: 1v verschmutzt. – WZ: Unterlängen von VAN-
DERLEY. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN.
1597
Nr. 24, aoRr: 3 | 1v
Zu Nr. 185
Datierung: B schreibt, Gall komme heut Abend 〈…〉 wieder, und da der Phrenologe zufolge Clemens Brentanos Bericht an seine Frau vom 20. Juni am nächsten Tag nach Frankfurt zurückkehrte (vgl. zu Z. 6–7), schrieb B den Brief am 21. Juni. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 41 (Nr. 24); datiert: etwa 14. Juni 1806. DV: H.
Veränderungen 3 als] aus aber, davor gestr. 8 hörtest] h aus 〈x〉 15 keine] Schluß-n gestr. 17 ich] danach gestr. h 17 eigentlich] g aus ch 18 ich] danach gestr. nicht 25 mager] g aus ch
da
Erläuterungen 4–7 Gall 〈…〉 mit ihm Corresbondiert, 〈…〉 kommt er wieder] Gall war nach Beendigung seines ersten Frankfurter Vortragskurses am 15. Juni in den Rheingau nach Winkel gereist, kam am 21. Juni zurück und begann am 23. eine zweite Vorlesungsserie. Clemens Brentano, der ins Frankfurter BrentanoHaus geeilt war, berichtete seiner in Heidelberg zurückgebliebenen Frau am 20. Juni, einem Freitag: Gall ist der einzige Gegenstand des Gesprächs Ge-
org hat einen Schedel vor sich, Christian ist leidenschaftlich für Gall, welcher morgen wieder herkömt, er ist zur Serviere ins Rheingau gereißt, und fängt montag seine Vorlesungen wieder an, ich werde ihn nicht hören, weil ich ihn bei uns im Hauße wo er immer liegt, kennen lerne, er soll gar amüsant, und toll bei uns sein, hat zwei Affen bei sich, und einen WachsPousirer. (DjBr Nr. 1259.) Gall selbst hatte bereits am 13. Juni aus Frankfurt an Friedrich Justin Bertuch in Weimar geschrieben: Man nimmt hier sehr viel Theil an meiner Lehre (Ebstein 1924, S. 297). Daß er besondere Beziehungen zu den Brentanos hatte, geht auch aus seiner Bitte an Bertuch von Anfang Juli hervor, Briefe an ihn an Franz Brentano zu adressieren (ebd., S. 301). Warum Gall beim Publikum vor allem erfolgreich war, hatte Arnim seiner Tante Louise von Schlitz bereits vor einem Jahr, am 8. April 1805, aus Berlin
1598
Zu Nr. 187
mitgeteilt: Eine ganz eigene neue Nationalität die sich hier entwickelt, ist die Gallsche Schädeldeutung. Weder der Kaffeesatz noch das Bleygiessen noch Kartenschlagen ist mehr Mode, man ist jezt auf die Knochen gekommen. Das kann ich versichern nicht Galls ausgezeichnete Genialität reizt die Leute vornehmer Art, noch eine höhere Ansicht, noch schreckt sie das Widrige dieses Golgatha, es giebt doch etwas zu reden, etwas was leicht besprochen werden kann. (WAA XXXII, Nr. 370,39–45.) 24 Schnundelus] Kunigunde von Savigny. 26 kleinen Bettingen] Savignys Tochter.
186.
An Caroline von Günderrode in Frankfurt Frankfurt, zwischen etwa 25. Juni und 10. Juli 1806, Mittwoch und Donnerstag
B: –. A: –. Datierung: Die Angaben zur Jahreszeit deuten auf Frühsommer und die zum Verhältnis mit der Günderrode auf einen Bruch. Dieser Bruch erfolgte in der letzten Juni-Hälfte durch die Freundin, wie vor allem aus Nr. 187 hervorgeht, und da B Savigny am 21. Juni (Nr. 185) noch nichts darüber geschrieben hatte, wird als Terminus post quem des Billetts etwa 25. Juni angenommen. Nach Bs Brief an die Günderrode vom zweiten Julidrittel (Nr. 188) wird es kaum geschrieben sein. D1: Steig 1892a, S. 270. DV: D1.
187.
An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, 2. Juli 1806, Mittwoch
B: –. A: Nr. 191. H: SPK/NS 7/3. – Format: 1 Bl. ca. 226 × 186 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; vmtl. 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Sehr dünn, Beschädigung durch Tintenfraß. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 25, aoRr: 4 | 1v auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN.
1599
Zu Nr. 187
Datierung: Aufgrund der Mitteilung, der Bruder Clemens sei Gestern von Frankfurt abgereist. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 42–44 (Nr. 25); datiert: 3. Juli 1806. D2: B/WuB IV, S. 37 f. (Nr. 11); datiert: 2. Juli 1806. DV: H.
Veränderungen 20
hättest es] über gestr. warst
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen B/WuB IV, S. 768–771. 1 Brief von Arnim] Nr. 182. 5 Gestern ist Clemens fort von hier] Vgl. Datierung. 5–6 dir geschrieben 〈…〉 wolle zu dir kommen] Clemens hatte Savigny zwischen 11. und 14. Juni gebeten, ihn in Nürnberg besuchen zu dürfen (DjBr Nr. 1256). 6–7 mit dem jungen Docktor Schlosser bekannt gemacht] Friedrich Schlosser, ein Neffe von Goethes Schwager, dem Frankfurter Syndikus Johann Georg Schlosser, war Dr. iur. und seit 1806 Advokat beim Stadt- und Landgericht in Frankfurt. Vgl. Meline Brentano an Savigny, 30. Juni 1806: Nun
muß ich zuerst von einer neuen Bekanntschaft sprechen, welche uns Clemens zugeführt hat. Es ist ein junger Schlosser, 〈…〉 an welchen sich Clemens wendete, um auf die Stadtbibliothek zu kommen und welcher ihm sonst noch sehr viele Gefälligkeit erzeugt hat. Zur Dankbarkeit brachte ihn Clemens zum Tee und verschaffte ihm die Bekanntschaft seiner liebenswürdigen Schwestern. Dieser Junge hat kein vorteilhaftes Äußere, er ist still und bescheiden und man kann doch ein vernünftig Wort mit ihm sprechen, was bei hiesigen Leuten selten möglich ist. (Schellberg/Fuchs 1942, S. 50.) 7–9 drey noch ungedruckte Gedichte von Göthe 〈…〉 schicken] B erhielt Kopien des Doppeldistichons Sakontala (Incipit: Willst du die Blüthe des frühen, die Früchte des späteren Jahres), Am 1. October 1797 (Incipit: War doch gestern dein Haupt noch so braun) und eines Eintrags in August von Goethes Stammbuch (Incipit: Gönnern reiche dies Buch). (Vgl. Steig 1910a, S. 343 f.) Sie konnte die Gedichte Savigny jedoch, wie sie ihm
1600
Zu Nr. 187
Nr. 189 schrieb, nicht schicken, weil Clemens sie von Frankfurt nach Heidelberg mitgenommen hatte. 10 Bauch beym Gundel] Vgl. Nr. 180,66–68 und Erl. 11 mein kleiner Fummler] Savignys Tochter Bettina. 13–31 die Günderrod im Rheingau 〈…〉 dahin gestellt seyn] Caroline von Günderrode hatte sich mit den Frankfurter Zwillingsschwestern Charlotte und Pauline Servière in Winkel auf dem Landgut des ebenfalls aus Frankfurt stammenden Kaufmanns Joseph Merten aufgehalten. Friedrich Creuzer, ihr Geliebter, der B im April 1806 bei Savigny in Marburg kennengelernt hatte, suchte seitdem die Günderrode zu überreden, den Umgang mit der Freundin aufzugeben, insbesondere in einem Brief vom 11. Mai: So aber hörest D u
noch immer die B an, die Du doch selbst schwatzhaft nennst – und die i c h eine Kokette nenne 〈…〉 und dieses ganze Haus, herrschsüchtig und eitel, wie es ist, was hat es von jeher gewollt, als Dich b e h e r r s c h e n und v e r r a t e n ! (Preisendanz 1912, S. 266.) Als die Günderrode wohl gegen Mitte Juni von Winkel nach Frankfurt zurückkehrte, führte sie, wie B berichtet, den Abbruch der Freundschaft herbei. Die Günderrode muß darüber (in einem nicht überlieferten Brief) Creuzer unterrichtet haben, der ihr am 23. Juni schrieb: Daß das Weinen der Bettine Dir schmerzlich war
begreife ich und ich fühle, wie ich Veranlassung bin. – / Aber i n s i c h verstehe ich dies Weinen nicht. Zum Weinen hätte sie freilich Ursache genug. Sie könnte darüber weinen, s o l l t e es sogar, daß sie eine Brentano geboren ist, ferner daß Clemens ihren ersten Informator gemacht, ingleichem und folglich, daß sie egoistisch ist, und kokett und faul, und entfremdet von allem, was liebenswürdig heist. / Seit ich sie einmal in Marburg in Savignys Stube hereintreten sah – seitdem ists aus mit mir. Schenkst Du ihr in diesem Sinne Thränen, so tadle ichs nicht; in jedem andern ists nicht der Mühe werth. (Preisendanz 1912, S. 300 f.) Gegen Ende Juni kam Creuzer heimlich nach Frankfurt; Meline Brentano berichtete am 2. Juli, gleichzeitig mit B, an Savigny nach Marburg: Als
große Neuigkeit muß ich euch sagen, daß der Creutzer von Heidelberg hier sein soll. Die Günderothe hat mit der Bettine gebrochen, und ich vermuthe fast, sie that es, weil sie befürchtete von ihr in den schönen Tête a Tête gestört zu werden. (H: SPK/NS Savigny 104/4.) 14–15 der Lange] Eigtl. Engel (frz. l’ange); Charlotte Servière. 44 Antons namenstag] Namenstag Anton Brentanos am 15. Juni. 44 seinen Wellenbaum] Eigentlich: drehbarer Stamm, Achse. Hier ein Regenschirm, nach einem Einfall des Bruders Anton. Vgl. Clemens Brentano an
1601
Zu Nr. 187
Arnim, 1. Januar 1806:
mir fällt ein, daß Anton einen Regenschirm einen Wellenbaum genannt (WAA XXXII, Nr. 415,65–66). 46 Radan Kuchen] Rodonkuchen, Napfkuchen. 48 Vilbler Wasser] Mineralwasser aus Bad Vilbel.
188.
An Caroline von Günderrode in Frankfurt Frankfurt, zweites Drittel Juli 1806
B: –. A: –. H: FDH 8304. – Format: 1 Bl. ca. 228 × 188 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 1v untere Hälfte Adresse; vmtl. 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Dünn, zerknittert, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß. Fremdeinträge: 1v auRr: 8304. Datierung: B schrieb nach dem 8. Juli, da sie Goethes Mutter, die sie sich zur Freundin gewählt habe, erstmals an diesem Tag besuchte, wie aus Meline Brentanos Brief an Savigny vom 10. Juli hervorgeht (vgl. Stimmen Nr. 74). Als B Savigny von ihrem Brief an die Günderrode berichtete (Nr. 189), hatte sie dessen Nürnberger Brief vom 14. Juli (Nr. 191) noch nicht. Der Brief an die Günderrode wird daher ins zweite Julidrittel datiert. D1: Geiger 1895, S. 159–161; nicht näher datiert. D2: Oehlke 1920–1922, Bd. VII, S. 343; datiert: Juni 1806. D3: Weißenborn 1992, S. 336 f. (Nr. 224); datiert: Juli 1806. DV: H.
Veränderungen 6–7 kommen] o aus ö 10 Ich] I aus i 23 mich] aus mein, danach gestr. 37 besizest] bes aus um
Herz
Erläuterungen 2 mir noch eine Juli (Nr. 189).
4tel Stunde gönntest] Vgl. B an Savigny, zweites Drittel
1602
Zu Nr. 189
15–16 Göthes Wandrer] Goethes Jugendgedicht Der Wandrer (1772). Der Protagonist erlebt bei und in einer Hütte, die in Ruinen alter Tempel gebaut ist, eine idyllische Szene mit Mutter und Kind. 18 die Räthin Göthe zur Freundin gewählt] Vgl. Meline Brentano an Savigny, 10. Juli 1806 (Stimmen Nr. 74). 20 die Jugendgeschichte ihres Sohns] Beginn der Mitteilungen von Goethes Mutter an B über die Jugend ihres Sohnes. Das Buch in folio worinn
zerstreute und abgebrochne Notizen geschrieben von Frankfurth aus (B an Goethe, 14. November 1810; Nr. 828,217–218) ist nicht überliefert. Vgl. Clemens Brentano an seine Frau Sophie, 17. September 1806 (Stimmen Nr. 81).
189.
An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, zweites Drittel Juli 1806
B: –. A: –. H: SPK/NS 7/3. – Format: 1 Bl. ca. 227 × 188 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 26, aoRr: 5 | 1v untere Hälfte Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Nach dem Brief an die Günderrode (Nr. 188), von dem im vorliegenden die Rede ist. Savigny hatte ihn noch nicht, als er am 14. Juli schrieb (Nr. 191), und B hatte den Brief Savignys noch nicht, als sie ihren schrieb. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 44 f. (Nr. 26); datiert: nach dem 8. Juli 1806. DV: H.
Veränderungen 21 24 26 28
peinlichem] p aus s Umstand] danach gestr. sie hat dann] aus daß Kind] am Schluß gestr. g
1603
Zu Nr. 189
Erläuterungen 2 Brief den du mir versprochen hast] Vmtl. in einem Brief Savignys an einen anderen Frankfurter Adressaten. 3–4 hab ihr einen Brief geschrieben] Nr. 188. 20 R] Räthin.
190.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Giebichenstein, 12. Juli 1806, Sonnabend
B: Nr. 180. A: –. H: FDH 7226. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 232 × 186 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; 4v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Derb, brauner Fleck mit klaren Konturen der beigelegten Eisenhutblüte inmitten Dbl. I, auf Dbl. II schwächer; 2v beschmutzt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, rotes Siegel. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | D & C BLAUW | II: D & C
BLAUW. Fremdeinträge: 2v auRr:
7226 | 4v über Adresse: Gibichenstein 12ter
Juli 6. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXII, Nr. 467.E). D1: Steig 1913, S. 34–36. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17 (TD, kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 67–69 (Nr. A8). D4: WAA XXXII, S. 279–281 (Nr. 467). DV: H.
Veränderungen 12 19 22 25 44 61 65
von] aus s〈x〉 sang] aus sagt ich] idZ eing. das] üdZ Ich] aus Da Eisenhütlein] s aus n fahre] über gestr. fahge 1604
Zu Nr. 190
65 68
bey] üdZ eing. Nimmersatt] N aus n
Erläuterungen 1 Giebichenstein] Arnim, der nach Braunschweig und Göttingen und weiter zu Brentano nach Heidelberg wollte, war Ende Juni von Berlin über Wiepersdorf, den Hauptort seines im südlichen Fläming gelegenen Ländchens Bärwalde, und Wörlitz zunächst nach Giebichenstein (bei Halle) zu Johann Friedrich Reichardt gereist, wo er sich fast vier Wochen aufhielt. 2–5 Sie hatten ein Stücklein Welt 〈…〉 Häuschen 〈…〉 Fischlein 〈…〉 zugeschlagen.] Gemeint ist Bs Beschreibung ihrer Marburger Umgebung im ersten Teil des Bezugsbriefes und diejenige des von Franz Brentano in Frankfurt gemieteten Hauses mit Garten im zweiten Teil. 9–10 des Gartens 〈…〉 zwischen den Felsen] Reichardt lebte mit seiner Familie nach seiner Berliner Entlassung als königlich preußischer Kapellmeister in Giebichenstein in einem »Dichterparadies« (Neuß 1949), das »in den Jahren bis 1806 zu einem wirklichen Gasthaus literarisch-kultureller Geistigkeit aufblühte und sich, als Halle 1804 bis 1806 an die erste Stelle der deutschen Universitäten rückte, mit Berühmtheiten und Unberühmtheiten aus allen Teilen Deutschlands füllte. Auf dem Hang seines Berggartens, mit dem Blick auf das Saaletal, die Burgruine Giebichenstein und den fernen Petersberg, den Reilsberg zur Rechten, im Rücken das rauchverhangene Halle und die Ebene bis Leipzig, – konnte man damals nicht nur Musiker, sondern auch Dichter, Gelehrte und Literaten von überallher treffen, gebildete Bürger aus Halle, Beamte, Offiziere, Professoren und Studenten der Universität.« (Hartung 1964, S. 312.) Den von einer Mauer umgebenen Garten strukturierte »eine klare Zweiteilung nach dem vom Gelände vorgegebenen Oben-Unten-Gegensatz 〈…〉, wodurch ein landschaftlich angepaßter Berggarten am nach Halle gelegenen Hang sowie ein auf sanfter Höhe über dem Saaletal gelegener Talgarten entstand, wo sich das Haus befand«, dessen Gartensaal »zwar die Einheit aus Haus und Garten als archtiktonisches Bindeglied noch stärker akzentuierte, der jedoch auch auf die umgebende Landschaft des nur wenig tiefer gelegenen Saaletals bezogen war« (Tausch 2006, S. 210 f.). Arnim hatte Giebichenstein bereits als hallescher Student kennengelernt und dem Gastgeber mit seinen Töchtern in Hollin’s Liebeleben ein literarisches Denkmal gesetzt: Ein schöner heiterer Mann mit freundlichem
Blick und freier Stirn bat mich bei ihm einzutreten 〈…〉 Poleni war es, 1605
Zu Nr. 190
den wir als politischen Schriftsteller mit einander schon früh ehrten. Er erfreut sich hier nach manchen Verfolgungen einer tätigen Ruhe in der Mitte seiner Kinder. – Wir traten in sein Wohnzimmer, seine vier Töchter sangen zum Pianoforte ein Chor 〈…〉 Ich sah vor mir ausgebreitet das mannigfache Grün des Parks, der durch eine große geöffnete Tür, mit dem Lichte in den Saal zu treten schien (Arnim/W I, S. 60). Das Erlebnis der Giebichensteiner Geselligkeit schlug sich in weiteren Texten nieder, so im Freyen Dichtergarten, dem Eröffnungsgedicht der Zeitung für Einsiedler (vgl. Tausch 2006, S. 212–214). In einer späteren Aufzeichnung heißt es: Wer Halle, den Musensitz als Student in schönen Frühlingstagen
kennengelernt hat, wird gewiß auch den Musenalmanach, welchen die Saale dicht daneben bei Giebichenstein zwischen den Felsen gestammelt und herausgegeben hat durchblättert und durchgeklettert haben. Vielleicht ist der Musensohn auf einer der Höhen von einer Mauer in seiner Umschauung gehemmt worden, wo gerade einer der glücklichsten Punkte den Ueberblick über die ganze Gegend zu gewähren versprach, hat des wegen die Bekanntschaft mit dem Besitzer dieses sinnvoll angelegten, reich und mannigfaltig geschmückten Waldgartens sich gewünscht, vielleicht auch durch raschen Sprung über die Mauer sich selbst in den Besitz einer Anschauung gesetzt, die in klaren Tagen bis zum Brocken reicht und diesen Grus der Musen vielleicht für sein ganzes Leben als wohlthuende Erinnerung bewahrt. Wer diese Höhen geschaffen, wir kennen ihn alle, wir preisen ihn, wer aber den Wink des Höheren verstand, hier Wege brach, Erde sammelte, pflanzte, verdient wohl auch daß sein Name genannt werde (Härtl 1971, Bd. II, S. 365f.). 16–17 Angelegenheiten meines Guts] Arnim war in seinem Ländchen Bärwalde mit der Anstellung eines neuen Pächters befaßt. Vgl. an Brentano, 1. Juli 1806 (WAA XXXII, Nr. 466,94–98 und Erl.). 18–19 Geburtstag] Johanna Reichardts (3. Juli), der Frau des Kapellmeisters. 22 Ihre beyden neuen Lieder] Nicht bekannte Kompositionen Arnimscher Gedichte, die B mit ihren Briefen von vmtl. zweite Hälfte Februar und 8. April (Nr. 164, 174) geschickt hatte. 26–28 Geheimniß der alten Laute 〈…〉 nach der Tabulatur gespielt wird] Als Arnim sich im Sommer 1805 zunächst in Heidelberg und dann in Frankfurt aufhielt und bereits damals über Giebichenstein gereist war, führte er eine Laute mit sich, die er Brentano in seinem Brief vom 25. März 1805 geheimnisvoll angekündigt hatte: Noch eine braune Frucht die ich dir
bringe ist von wunderliger Art, sie ist nicht zum Ansehen allein, wenn man sie lange berührt brennen einem die Finger, man hält sie näher 1606
Zu Nr. 190
dem Magen als dem Herzen und doch geht sie zum Herzen, sie hat noch sechs Staubfäden wie die Blüte Achellei, die sich aber verziehen. Wenn Du es gerathen hast so sage nicht Laute, denn das ist eine Gitarre. (WAA XXXII, Nr. 367,177–183) In der Zwischenzeit hatte Louise Reichardt in Giebichenstein herausgefunden, daß sie nach einer Lautentabulatur gespielt werden mußte: einer vom 15. bis ins 18. Jh. verbreiteten Griffschrift aus Zahlen, Buchstaben und Rhythmuszeichen. 30–31 Louisens gedruckte Lieder] Vgl. Nr. 182 (Beilagen). 35–37 gestern 〈…〉 in Lauchstädt 〈…〉 Die Jagemann sang] In dem auf sächsischen Territorium gelegenen Badeort Lauchstädt (südlich von Halle) gastierte in den Sommermonaten die Weimarer Theatertruppe. Am 11. Juli war keine Aufführung, Arnim wird diejenige vom 10. Juli gemeint haben: Lodoiska, Oper von Cherubini. (Vgl. Burkhardt 1891, S. 60.) Bereits am 9. Juli hatte er Goethes Natürliche Tochter gesehen. In welcher Stimmung er das Lauchstädter Theater und die damit verbundene Geselligkeit erlebte, geht vor allem aus seinem Brief an Savigny vom 23. Juli hervor: das ganze Haus war
eine Taucherglocke, so ging einem vor Kunst-Tiefe und Hitze die Luft aus, auch die natürliche Tochter sah ich, und die ganze merkwürdige Zeit, worin wir leben, um wirbelte mich wieder. Wie traulich dann mit den lustigen Gesellen und Gesellinnen in der Abendschwüle sich abzukühlen, die einem soviel Angst und Herzeleid in den Leib gejagt haben, es ist so^schön das Vergessen und die einzige Vergebung der Sünden mag wohl ihr Vergessen seyn. Selig durchtönt sind die Felsen an denen der Rhein klingend und stäubend niederbraust, seliger die durstende Kehle durch die der volle Strom des brausenden Champagner niederwallt, nichts hindert die Aussicht, sondern der Geist hänget drüber wie ein Fischreiher anschwebend und holt die betäubten Fischlein sich heraus, lauter liebe Sächsische Leutenants, die einem so willig alles aufsagen, was sie je erfahren, dazwischen die wilden gegenspringenden Lachse, die Herren aus Halle. Hier bey der Bude ist nur noch ein Licht, unter weges nach Hause springen tausend Irrlichter. – Ich möchte wohl noch einmal studieren, – aber ins Schlimmere rollet die Zeit und kann nicht zurücke. (WAA XXXII, Nr. 471,29–46.) Zu den Zuschauern in Lauchstädt gehörte auch Varnhagen, der berichtet: Die schattenreichen, breiten Anlagen, einladende Gebäude, und bunte regsame Gesellschaft überraschten uns wie eine erquickende Oase 〈…〉 Arnim, der auch mit Gesellschaft gekommen war, fand sich zwischendurch zu uns, und unser gemeinsames Vergnügen wurde noch durch den Reiz erhöht, welchen die anmutige Erscheinung der Demoiselle Jagemann 1607
Zu Nr. 190
aus Weimar für uns hatte; sie war nicht zum Mitspielen, sondern nur als Zuschauerin gekommen, da sie jedoch mit Arnim wohl bekannt und von ihm lebhaft empfangen war, so hatten auch wir näheren Gewinn von ihrer Gegenwart. 〈…〉 Überhaupt taten Schauspieler und Zuhörer beiderseits ihr Bestes, und das kleine Haus 〈…〉 konnte in der Tat ein Musentempel dünken, in welchem Sinn, Anstand und Zusammenstimmung des Örtlichen wie des Spiels, den Mangel reicherer Mittel völlig vergessen machten. (Varnhagen 1987, Bd. I, S. 363 f.) Arnim hatte die Theaterbegeisterung der Studenten in Halle, wo das Theaterspielen verboten war, bereits 1799 erlebt und rühmte sie noch in seinem Doppeldrama Halle und Jerusalem (Halle III/2). 45–46 Steinregen 〈…〉 ein Zeichen zu überschicken] Arnim hatte im Dezember 1805 in der Herzoglichen Bibliothek in Gotha einen Band mit Holzschnitten eingesehen, aus dem er außer Liedern einen Bericht über einen merkwürdigen Steinregen abschrieb, der sich 1564 zwischen Mecheln und Brüssel ereignet hatte. Über diesen Bericht informierte er in dem Artikel Steinregen, der 1806 in den Annalen der Physik erschien, die sein ehemaliger hallescher Physik-Professor Ludwig Wilhelm Gilbert herausgab, und zusammen mit dem Bericht wurde ein farbiger Einblattdruck aus Arnims Quelle reproduziert: die phantastische Darstellung eines Meteoritenhagels. Der Himmel habe einen Widerschein auf Erden gegeben, daß alles ganz gelb anzuschauen, und es seien, so zitierte Arnim, erschreckliche Stein
vom Himmel gefallen, in Gestalt und Farb als wären sie Marblstein, darunter sind etlich gar groß bey fünf und sechs Pfund schwer, größer und kleiner gewesen. (WAA II, S. 449; vgl. ebd. Abb. 16.) 52–53 Töchterlein aus Wetzlar 〈…〉 Schwester des 〈…〉 Professor Froriep] Die 1789 geborene Friederike, Stiefschwester von Ludwig Friedrich Froriep; aus der zweiten Ehe seines Vaters Justus Friedrich Froriep mit Wilhelmine Lindemann. (Frdl. Auskunft des Stadtmuseums Weimar, Frau Reichardt.) 57 geliedert] Das Verb liedern (Lieder dichten) auch in einem Brief des jungen Goethe. (Vgl. DWb XII, Sp. 992.) 61–64 eine hohe blaue Blume 〈…〉 Eisenhütlein 〈…〉 Wagen 〈…〉 den Brief überbringt] Arnim spielt vmtl. auf die von Novalis in seinem Roman Heinrich von Ofterdingen (1802) kreierte blaue Blume an: Was ihn aber
mit Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand, und ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstlichste Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. (Novalis/Schr I, 1608
Zu Nr. 191
S. 197.) Dahingestellt sei, ob Arnim ›durch die Blume‹
auch auf den erotischen Kontext der Attraktion verweisen wollte: Heinrich badet nackt; die Flut scheint ihm eine Auflösung reizender Mädchen zu sein, die an dem Jünglinge sich augenblicklich verkörperten (ebd.); in den Blütenblättern der sich ihm zuneigenden blauen Blume erscheint ihm ein zartes Gesicht (ebd.). Unmittelbar meinte Arnim den Blauen Eisenhut (Aconitum napellus), eine 50–150 cm hohe Staude mit dunkelblauen helmartigen Blüten. Jede Blüte hat fünf Kelchblätter, von denen das obere (der Helm) die Honigblätter umschließt. Wird das obere Kelchblatt abgenommen, bleiben die unteren und seitlichen Blätter (Wagen) sowie die zahlreichen Staubblätter (Tauben). Vgl. Papier. 65 mich] Dativ-Akkusativ-Verwechslung des Berliners. 68 Immermehr und Nimmersatt] Zwar jeweils einzeln belegt, aber nicht im Zusammenhang und nicht sprichwörtlich.
191.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Nürnberg, 14. Juli 1806, Montag
B: Nr. 187. A: Nr. 192. H: GSA 03/588. – Format: 1 Bl. ca. 228 × 188 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; vmtl. 1x quer gefaltet. – Papier: Dünn. – WZ: Oberlängen von VANDERLEY. Fremdeinträge: 1r aoRm: 8, aoRr: 22, auRr: 18 | 1v aoRr: 23. D1: Härtl 1979, S. 116 (Nr. 14). DV: H.
Veränderungen 25 Gegenwart] üdZ eing. 32–33 worin] danach gestr.
z
Erläuterungen 3–4 vorigen Brief] Nr. 185. 10 Schlangenbad] Badeort im südlichen Taunus, in dem B sich im Sommer 1803 aufgehalten hatte.
1609
Zu Nr. 191
23 Die Geschichte mit dem Günderrödchen] Von B im Bezugsbrief geschildert. 25–26 Du hast dir in Creuzers Gegenwart 〈…〉 Frivolitäten 〈…〉 Ursache sind.] Vgl. Nr. 178,4–7 und Erl. 28 die Kupferstiche] Vgl. zu Nr. 172,52. 29 Wiedertäufergeschichte] Vgl. Nr. 177,1–11. 30 Die ungedruckten Gedichte von Göthe] Vgl. Nr. 187,7–9 und Erl. 32–34 Tieks »magischen Spiegel 〈…〉 umliegenden Lande«] Nicht von Tieck, sondern von Friedrich Gottlob Wetzel: Magischer Spiegel, darin zu
schauen die Zukunft Deutschlands und aller umliegenden Lande. Hiebevor ein Wort von der Herrlichkeit unsers Reiches, edler deutscher Nation an Herz und Seele gelegt durch Theophrast genannt Teutonicus (Leipzig 1806). 35 Fummler] Tochter Bettina.
192.
An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, vmtl. letztes Drittel Juli 1806
B: Nr. 191. A: –. H: SPK/NS 7/3. – Format: 1 Bl. ca. 161 × 192 mm; 1r beschr.; 1x längs, 2x quer gefaltet. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, darunter: Nr 27, aoRr: 6 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Besonderheiten: Anfang fehlt (oberes Blattdrittel abgerissen); Unterlängen von Buchstaben erkennbar. Datierung: Nach Erhalt von Savignys Brief vom 14. Juli, auf den B sich mit der Mitteilung bezieht, sie könne die Lieder noch nicht schicken. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 45 (Nr. 27); datiert: zweite Hälfte Juli 1806. DV: H.
Veränderungen 2 meinen] m aus dei 3 meiner] danach gestr. A 14 Büchern.] . aus ,
1610
Zu Nr. 194
Erläuterungen 2 lezten Brief] Nr. 189. 5–6 Der Kreuzer war hier 〈…〉 schwindlich bin] Vgl. Nr. 187,29–37 und Erl. 8 Ich bin täglich bei der Göthe] Vgl. Nr. 188,13–21 und Erl. 14–16 Verse 〈…〉 über Werthers Tod 〈…〉 die nicht aufgeschrieben sind] Freuden des jungen Werthers, 1775 auf Friedrich Nicolais Satire
Freuden des jungen Werthers. Leiden und Freuden Werthers des Mannes (1775). 16 Die Lieder von ihm 〈…〉 noch nicht schicken] Vgl. Nr. 191,30 und Erl. 16–17 der Clemens 〈…〉 nach Heidelberg genommen] Als er am 1. Juli von Frankfurt abreiste. 20 Gund Pul] Gunda und Tochter Bettina (Puller).
*193. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, erste Hälfte August 1806 B: –. A: –. Datierung: Terminus post quem: Nach Erhalt (28. Juli) der Nachricht vom Tod (26. Juli) der Günderrode. Terminus ante quem: Da Brentano den Brief etwa am 20. August mit einem eigenen (WAA XXXII, Nr. 475) an Arnim schickte und B dem Bruder nach Heidelberg geschrieben hatte, wird sie das spätestens gegen Mitte August getan haben.
194.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Wolfenbüttel, 5. August, Dienstag, und Göttingen, 16. August 1806, Sonnabend
B: –. A: Nr. 197. H: FDH 7227. – Format: 1 Dbl. ca. 225 × 188 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 97 × 117 mm. – Papier: Stark vergilbt, aoRl Abdruck von rostiger Büroklammer, arR braune Flecke; Ku braunfleckig, rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild | darunter FHF.
1611
Zu Nr. 194
Fremdeinträge: 1r aoRl:
143 | 2v auRr: 7227 | Kur aoRl: 146, daneben B: Göttingen 16 August 1806, Kuv aoR B: Göttingen 16 August 1806, arR: wort fort. Besonderheiten: Zu dem Brief sind ein Konzept und ein Exzerpt Arnims überliefert. (WAA XXXII, Nr. 473.K, 473.E.) D1: Steig 1912 f, S. 271; TD. D2: Steig 1913, S. 36 f. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17; TD, kurzer Auszug. D4: Betz/Straub 1986, S. 70 f. (Nr. A9). D5: WAA XXXII, S. 299–301 (Nr. 473). DV: H.
Veränderungen 3 möchte] üdZ eing. 4 bewustlose] b aus B 7 zu] nachträgl. idZ 12 in] aus er 13 von] aus hin 16–17 die Gallerie des Herzog von Braunschweig] üdZ eing. 17 die Gallerie von Beireis] üdZ eing. 26 Lerm] üdZ eing.
Erläuterungen 1 Wolfenbüttel] Arnim hatte Giebichenstein im letzten Juli-Drittel verlassen und reiste über Helmstedt, Braunschweig, Wolfenbüttel und Hildesheim nach Göttingen, wo er Mitte August ankam. 13–14 Ringelrennen, wer da etwas absticht] Reiterspiel, besonders im späten Mittelalter, »bei dem es darauf ankommt im scharfen anreiten mit der lanzenspitze einen aufgehängten ring zu treffen oder abzustreifen« (DWb XIV, Sp. 999). 14–15 drehende Farbenscheibe 〈…〉 weissen Schein giebt] Wird die kreisförmige Newtonsche Farbenscheibe in schnelle Rotation versetzt, erscheinen die Farben, mit denen sie bemalt ist, grauweiß. Vgl. Arnim an Brentano, 24.–27. Dezember 1803: im schnellen Umschwunge zieht die Far-
1612
Zu Nr. 194
benscheibe die drey Farben nur in weiß zusammen (WAA XXXI, Nr. 327,217–218). 16–17 in Salzdahlen die Gallerie des Herzog von Braunschweig] In dem zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig gelegenen Salzdahlum hatte Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel 1688–1694 ein Lustschloß errichten lassen, aus Kostengründen fast ausschließlich in Holzbauweise. Es enthielt auch die herzogliche Gemäldesammlung. Als Arnim Salzdahlum besuchte, war dort das höfische Leben erloschen, die Anlagen verfielen, und 1813 wurde das Schloß wegen Baufälligkeit abgerissen. Die Gemälde wurden, soweit sie nicht in den Louvre verbracht worden waren, 1810 versteigert; einige gelangten später in das Braunschweiger Herzog-Anton-Ulrich-Museum. (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_ Salzdahlum.) 17 in Helmstädt die Gallerie von Beireis] Das Sammelinteresse des gelehrten Sonderlings Beireis, der an der 1574 gestifteten, 1809 aufgehobenen braunschweigischen Universität Helmstedt lehrte, hatte zunächst vor allem Automaten und Naturalien gegolten und wurde seit 1787 von dem für Gemälde zurückgedrängt, die allerdings großenteils Kopien waren. (Vgl. Heister 1860, S. 241–246.) Im Sommer 1805 hatte ihn Goethe besucht, der darüber in seinen Tag- und Jahresheften ausführlich berichtet (Goethe/MA, Bd. XIV, S. 139–156). Arnim schilderte Beireis in der Gräfin Dolores (Abt. 3, Kap. 9) als Der wunderbare Doktor. Vgl. seinen Bericht an Brentano, 30. Juli-12. August 1806 (WAA XXXII, Nr. 472,36–95). 21 durch Lessings Hände] Lessing war seit 1770 bis zu seinem Tod Bibliothekar der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel. 24 die Wälle abgefahren wie dort] Die Frankfurter Festungsmauern waren 1804 abgerissen worden, um die Stadt wurden Wallpromenaden angelegt. 36–37 Flitter^wochen 〈…〉 des Freundes 〈…〉 Lieder im Winter sandte] Christoph Ludwig Friedrich Schultz, den Arnim im November 1805 in Ansbach wiedergesehen hatte und von dem er B mit seinem Brief vom 17. Februar 1806 (Nr. 167) zwei Vertonungen schickte, heiratete am 4. August 1806 in Hildesheim während Arnims Anwesenheit Johanna Püttmann, die älteste Tochter eines Hildesheimer Medizinalrates. 37–40 in Hannover 〈…〉 von Frankreich aufgeopfert 〈…〉 die Armee ist voll Freude] Das zuvor in Personalunion mit England verbundene Kurfürstentum Hannover war im Schönbrunner Vertrag vom 15. Dezember 1805 von Napoleon an Preußen abgetreten worden, jedoch hatte er den Engländern die Rückgabe des Kurfürstentums versprochen. Das berichtete eine Depesche des preußischen Botschafters in Paris, die am 7. August 1806 in Berlin 1613
Zu Nr. 194
eintraf. Daraufhin verfügte der preußische König am 9. August die Mobilmachung der gesamten preußischen Armee. 41–42 die Erndte ist reif 〈…〉 Sichel führen kann] Nach Joel 4,13. 42–43 Was sollte bestehen 〈…〉 dieser stolzen Erde] In Arnims Niederschrift Was soll geschehen im Glücke (Arnim/W VI, S. 200–204) ausgeführte Auffassung. 44–45 einbeissen an dieses liebliche Eigenthum] Vgl. Arnims Eintrag seines Gedichts Vaterland für das Stammbuch Varnhagen von Enses von Ende Juni/1. Juli 1806 sowie sein Stammbuchblatt vom 6. Juli 1806 mit demselben, jedoch titellosen Gedicht für Louise Reichardt, beide mit dem Eingangsvers: Fest beiß ich mich, mein schwankend Vaterland (WAA XXXII, Nr. A.63, Nr. A.64).
195.
An Friedrich Carl von Savigny in Nürnberg Frankfurt, etwa 10. August 1806, Sonntag
B: –. A: Nr. 196. H: SPK/NS 7/3. – Format: 1 Bl. ca. 227 × 192 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Beschädigung durch Tintenfraß. – WZ: Oberlängen von FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 30, aoRr: 7 | 1v untere Hälfte Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Terminus post quem: das Eintreffen der Nachricht vom Tod des Savignyschen Kindes (vgl. zu Z. 2–3) in Frankfurt. Terminus ante quem: das Datum von Savignys Antwortbrief (14. August). D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 48 f. (Nr. 30); datiert: Mitte August. DV: H.
Veränderungen 2 Ereigniße] danach gestr. nicht 4 schon] danach gestr. schon 7 ergriffen] g aus 〈x〉 | danach gestr. ab 7 werden] w aus s 10 jemand] über gestr. man 24 machtest, ] danach gestr. a
1614
Zu Nr. 196
26 33
ich] danach gestr. ich traurig, ] danach gestr. drum
Erläuterungen 2–3 Ereignisse, die Gott über euch gesendet hat] Geburt (31. Juli) und Tod (4. August) eines Kindes. Vgl. Franz Brentano an Clemens, 7. August 1806: Du weist Savigni hat einen Sohn bekommen, Sein glük wurde
aber bald getrübt, er schreibt mir unter 5 Ct das solches in der Frühe nach empfangener Tauffe in die Ewigkeit gegangen ist, sein Schmerz hierüber ist sehr tief, wir theilen ihn; Gundel schreibt er seye brav und gefaßt; das ist recht traurig seine Freude so schnell in Betrübniß verwandelt zu sehen! (DjBr Nr. 1302.) 5–6 Tod 〈…〉 der Günderode] Vgl. Meline Brentano an Savigny, 1. und 25. August 1806 (Stimmen Nr. 74, 75).
196.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Nürnberg, 14. August 1806, Donnerstag
B: Nr. 195. A: Nr. 199. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 189 × 116 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRm: 10, aoRr: 28, auRl: 19 | 1v aoRr: 29 | 2r auRl: 20 | 2v aoRr: 30. D1: Härtl 1979, S. 116 (Nr. 15). DV: H.
1615
Zu Nr. 197
197.
An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, zwischen 20. und 24. August 1806, Mittwoch und Sonntag
B: Nr. 194. A: Nr. 198, 201. H: FDH 7391. – Format: 1 Dbl. ca. 226 × 192 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Vergilbt, brüchig. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 145 | 2v auRr: 7391. Datierung: B reagiert auf Arnims am 16. August beendeten Brief. Er antwortet am 27. August, daß er den ihren einen Tag zuvor erhalten habe (Nr. 198,84). D1: Steig 1912b (TD); datiert: Ende August 1806. D2: Steig 1913, S. 38–40; nicht näher datiert. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17; TD, kurzer Auszug. D4: Betz/Straub 1986, S. 72–75 (Nr. B7); datiert: August 1806. D5: WAA XXXII, S. 304–306 (Nr. 476). DV: H.
Veränderungen 6 breiten] n aus m 30 zerschmettern] z aus s 31 solange] üdZ 31 alles] danach gestr. zerstört 39 den Schmerz] über gestr. es 66 Kriegsschiff] danach gestr. und 67 hinsenden] hin aus ver 74 und] danach gestr. und 87 sich] aus sie 88 werdenden] üdZ eing. 90 leichte] Schluß-n gestr. 99 darf] danach gestr. es
Erläuterungen 18–20
»Was sollte bestehen 〈…〉 Eichenthum.«] Vgl. Nr. 194,42–45.
1616
Zu Nr. 198
34–35 die unglückliche Günderode] Vgl. Meline Brentano an Savigny, 1. und 25. August 1806 (Stimmen, Nr. 74, 75). 70–76 Dem Savigny 〈…〉 er antwortete 〈…〉 begegnen.«] Vgl. Nr. 195, 196. 80 Zeigen] Zeichen (frankfurtisch).
198.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Göttingen, 27. und 30. August 1806, Mittwoch und Sonnabend
B: Nr. 197. A: Nr. 200.K, Nr. 200. H: FDH 7228. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 228 × 190 mm; 1r-4v 8 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Derb, Tinte durchscheinend und verblaßt | II fleckig, aoRl Abdruck von rostiger Büroklammer. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | II: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 147 | 2v auRr: 7228. | 4v auRr: 7228 | 4v zu Göthe hat an Blumenbach geschrieben (Z. 104) Hinweis Steigs auf Goethes Brief an Blumenbach vom 15. August 1806: (Weim. Ausg. IV,19,174). Besonderheiten: Arnim hat den Freitod der Günderrode in Briefen, Aufzeichnungen und im fiktionalen Werk verarbeitet. Auf Bs Bezugsbrief reagierte er zunächst mit einem sechsseitigen Antwortkonzept (WAA XXXII, Nr. 477.K), dann mit der Ausfertigung und schließlich mit einem Exzerpt (WAA XXXII, Nr. 477.E). Auf einer weiteren Verarbeitungsstufe fiktionalisierte er die Briefversionen. Der Protagonist heißt Heldenwang, und der titellose Text (H: FDH 7228) beginnt: Der sanfte blaue Blick unseres Heldenwang’s begegnet mir sicherer 〈…〉. Die Ironie, die mit der Verfremdung des Freitods verbunden ist, kommt im Namen des Protagonisten zum Ausdruck. Das Heldenwang-Fragment entstand 1808 vermutlich für die Zeitung für Einsiedler, in der es jedoch nicht veröffentlicht wurde. Erst in dem 1812 erschienenen Erzählzyklus mit Melück Maria Blainville als zweiter Erzählung fand Arnim eine angemessene Darstellungsweise für die Suizid-Thematik und den Tod der Günderrode. Derjenige der Dichterin wird kontrastiv zu dem Selbstmord des Arztes Frenel idealisiert, der in Melück Maria Blainville in die Untaten der französischen Revolutionäre verwickelt ist. Die Poesie ist nun nicht mehr wie im Heldenwang-Fragment von der Reflexion dominiert. Diese ist Gestaltung geworden und in die Beziehungen zwischen den Teilen des Zyklus eingegangen. (Vgl. Härtl 2009, S. 120.)
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Zu Nr. 198
D1: Steig 1912b; TD. D2: Steig 1913, S. 40–42. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17; TD, kurzer Auszug. D4: Betz/Straub 1986, S. 75–79 (Nr. A10). D5: WAA XXXII, S. 309–311 (Nr. 477). DV: H.
Veränderungen 13 unserm] aus meinem 14 Abschieds] üdZ eing. 14 in] aus an 18 daß] ß aus s 21 dem] m aus r 48 Sich] S aus s 62 thränenden] t aus A 70 freilich auch] üdZ eing. 83 Nachrichten] en eing. 86 tragen tr aus sa 87–88 Die Erde 〈…〉 fest und] üdZ eing. 89 und] aus nur 101 Kupfer] aus Geno
Erläuterungen
von dem Morgen 〈…〉 bis zu dem Abschieds Abende, in Ihrem Hause] Reminiszenz an den Trages-Aufenthalt des Freundeskreises im Herbst
9–15
1805. Arnim, Brentano, Savigny (der nur in Arnims Konzept erwähnt wird), B und die Günderrode reisten um den 7. November 1805 von Trages nach Frankfurt, von wo Arnim, Brentano und Savigny um den 8. November nach Heidelberg weiterreisten. Der Abend vor der Weiterreise wird der Abschiedsabend gewesen sein.
1618
Zu Nr. 198
18–19 das Lamm 〈…〉 das 〈…〉 nun selbst opferte] Vmtl. Bezug auf die Fabel Der Wolf und das Lamm, die auf Phaedrus zurückgeht; auch bei Äsop, Luther, Lessing und Lafontaine. 31 gemeinste] Vgl. zu Nr. 141,13. 60–61 der Dolch 〈…〉 zur Pflug^schaar] Nach Mi 4,3. 64–65 Auch ich verlor einen Schulfreund 〈…〉 in Halle] Franz Carl Georg von der Goltz, Mitschüler Arnims am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin und Kommilitone in Halle, hatte sich dort am 23. Juli 1798 (also vor acht Jahren) das Leben genommen. Vgl. Arnims Briefkonzept an den Vater, vmtl. zwischen Ende Juli und Ende August 1798 (WAA XXX, Nr. 65.K und Erl.), sowie seine Schülerarbeit Ueber den Selbstmord und insbesondere über den Selbstmord des Kato (WAA I, S. 265–271 und Erl.). 75–76 Meine alten Bekannten haben mich nicht vergessen] Arnim hatte vom Frühjahr 1800 bis Sommer 1801 in Göttingen studiert. 83–85 Clemens 〈…〉 Nachrichten von der Günterode 〈…〉 Kunstwelt 〈…〉 begeben soll] Vgl. Brentano an Arnim, etwa 20. August 1806; Zitat Nr. *193 sowie: bleibe der unsichtbaren Kirche der Kunst angehörig, damit ich nicht verliere, worum ich so unsäglich gern lebe, dein Dasein (WAA XXXII, Nr. 475,14–17). 93–95 drum dein Stimmlein 〈…〉 hoch dort oben] Nach dem Schluß des Liedes Schall der Nacht im ersten Band des Wunderhorns (Incipit: Komm Trost der Nacht, o Nachtigall), dessen Vorlage aus Grimmelshausens Des
Aus dem Grab der Vergessenheit wieder erstandenen Simplicissimi Abentheuerlicher und mit allerhand seltsamen Begebenheiten angefüllter Lebens-Wandel (Nürnberg 1713) stammt: Laß dein Stimmlein / Laut erschallen, denn vor allen / Kannst du loben / Gott im Himmel, hoch dort oben. (FBA VI, S. 188; vgl. Rölleke in FBA IX/1, S. 354–356.) 99–102 Schlosser aus Frankfurt 〈…〉 Beschreibung der Kupfer zur Genovefa und zur Lesche] Eduard Schlosser, Vetter Friedrich Schlossers, war am 13. Januar 1806 in Halle mit der Dissertation De Turgore Vitali zum Dr. med. promoviert worden und wurde preußischer Militärarzt. Nicht er, sondern sein Vetter Christian Schlosser war jedoch der Verfasser der Erläuterungen des
polygnotischen Gemäldes auf der rechten Seite der Lesche zu Delphi, die zu der Stichfolge der Brüder Franz und Johannes Riepenhausen Gemählde des Polygnotos in der Lesche zu Delphi nach der Beschreibung des Pausanias gezeichnet (Göttingen 1805) erschienen waren, und von Christian Schlosser ist auch der Kommentar zu den vierzehn Radierungen von ihnen zu Tiecks Leben und Tod der heiligen Genoveva (Frankfurt/M. 1806).
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Zu Nr. 198
104–105 Göthe 〈…〉 an Blumenbach 〈…〉 wohl befinde.] Goethe aus Jena an Johann Friedrich Blumenbach in Göttingen, 15. August 1806: Daß
ich Ihrer an der heiligen Carlsbader Quelle, welche mir über Erwarten gut zu statten kam, recht lebhaft gedacht habe (WA IV, Bd. 19, S. 174). 106 Hier sah ich ihn zum erstenmal] Reminiszenz Arnims an seine Begegnung mit Goethe, als dieser sich vom 6. bis 12. Juni 1801 in Göttingen aufhielt. Vgl. Arnim an Carl Friedrich von Redtel, vmtl. bald nach dem 8. Juni 1801 (WAA XXX, Nr. 156,29–30 und Erl.).
199.
An Friedrich Carl von Savigny in München Frankfurt, Ende August/Anfang September 1806
B: Nr. 196. A: –. H: SPK/NS 7/3. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 188 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 31, aoRr: 8 | 2v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Savignys reisten am 26. oder 27. August von Nürnberg weiter nach München. Da Savigny dies Brentano am 25. August nach Heidelberg mitteilte (DjBr Nr. 1318), wird die Nachricht gegen Ende August auch in Frankfurt eingetroffen sein, und da B ihren Brief nach München adressierte, wird sie Ende August/Anfang September geschrieben haben; kaum später, denn die Bemerkungen über Arnim beziehen sich auf seinen am 16. August beendeten Brief (Nr. 194), denjenigen vom 27. und 30. August (Nr. 198) scheint sie noch nicht bekommen zu haben. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 50–52 (Nr. 31); datiert: Ende August 1806. DV: H.
Veränderungen 8 deine] danach gestr. Rh 16–17 vrdrießen,] danach gestr. daß 26 war] üdZ eing. 32 mag] g aus ch 52 wird,] danach gestr. ich
1620
Zu Nr. 200.K
Erläuterungen 1 Mäusethurm] Ehemaliger Zoll- und Gefängnisturm (Mautturm; daher der Name) auf einer Rheininsel zwischen Bingen und dem gegenüber liegenden Ehrenfels. 1–2 NapoleonsTag] 15. August (Geburtstag Napoleons). 4 italienisch, bey dem Docktor Schlosser] Vgl. Stimmen Nr. 78. 4–5 übersezen den Ariost] Vmtl. dessen Epos Orlando furioso (1521). 21 Geburtstag] Am 4. April in Trages. 28 Plasphême] Blasphemie. 42–45 die Preusen wollen ihren Sand 〈…〉 O weh! Arnim] Vgl. Nr. 194,38–42 und Erl. 44 hochklofenden] kloffen: Nebenform von klopfen. (Vgl. DWb XI, Sp. 1223 f.) 61 über den Tod seiner Schwester] Cornelia Goethe, verh. Schlosser war am 8. Juni 1777 an den Folgen eines Wochenbettes gestorben. Vgl. Goethe an seine Mutter, 28. Juni 1777 (WA IV, Bd. 3, S. 161).
200.K An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, 3. September 1806, Mittwoch B: Nr. 198. A: Vgl. Nr. 201. H: FDH 7392. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 188 mm; 1r ½ beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Derb, verknittert. – WZ: Unterlängen von FHF. Fremdeinträge: 1v aoRr: LTT, auRr: 7392. Besonderheiten: 1v B zweispaltig mit Blei italienische Vokabeln, z. T. unlesbar. D1: WAA XXXII, S. 323 (Nr. 481.K). DV: H.
Veränderungen 1 3ten] 3 aus 1 10 Trähnen] nach T gestr. 14 Still] S aus s 17 ist,] danach gestr. z
h
1621
Zu Nr. 200.K
17 18 18 18 19 19
sehen] danach gestr. Seh Sie] S aus s auf die] gestr. und Streichung aufgehoben | danach gestr. Welt Erde für einen Ball zu halten] üdZ Worte] danach gestr. auf da] danach gestr. sagen
Erläuterungen 7
Weiger] weicher (frankfurtisch).
200.
An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, 5. September 1806, Freitag
B: Nr. 198. A: Nr. 201. H: FDH 7392. – Format: 1 Dbl. ca. 226 × 188 mm; 1r-2r 2¼ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, Siegelrest. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 148 | 2v auRr: 7392. Besonderheiten: Schnörkel unter Unterschrift. Postzeichen: Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 43 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17; TD. D3: Betz/Straub 1986, S. 79–81 (Nr. B8). D4: WAA XXXII, S. 323–325 (Nr. 481). DV: H.
Veränderungen 1 5ten] 5 aus 3 25 mich] danach gestr. 32 von] v aus d 35 hat] aus ist
s
1622
Zu Nr. 200
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen Steig 1913, S. 43. 24–26 diesen Schloser 〈…〉 die R Göthe 〈…〉 viel von ihm] Goethes Mutter, die Räthin, kannte Georg Schlosser gut, weil er der Sohn ihres Schwiegersohns Johann Georg Schlosser aus dessen zweiter Ehe mit Johanna Fahlmer war. 32–34 Gestern 〈…〉 M: Engelhard 〈…〉 Lieder 〈…〉 auf 〈…〉 tausend Dinge.] Caroline Engelhard, Tochter der B aus Kassel bekannten Philippine Engelhard, war seit dem Frühjahr 1805 in Heidelberg, wo sie Sophie Brentano unterstützte, und reiste über Frankfurt zurück nach Kassel. Welche Gedichte sie B brachte, ist nicht bekannt. 35 Marie mit einem Mädgen 〈…〉 beehrt] Marie Brentano, die Frau des Bruders Georg, brachte die Tochter Sofie zur Welt. 39–40 Brief 〈…〉 von Göthe 〈…〉 Gesundheit preißt] Der Brief ist nicht überliefert, jedoch bezeugt durch einen der Mutter vom 19. August 1806 an Goethe: deinen Lieben Brief 〈…〉 der das Baad 〈Karlsbad〉 gesegnet und deine Gesundheit aufs neue befestigt hat! (Köster 1968, S. 540.) 41–42 daß ich Ihnen 〈…〉 frohen Tag machen werde] Durch Mitteilung von Jugendhandschriften Goethes. Vgl. Nr. 180,194–195 und Erl. 45 »Tiefe Stille herscht im Wasser«] Das Gedicht Meeresstille (vmtl. 1795). 46 Franz hat ein Gut in Winckel gekauft] Franz und Georg Brentano erwarben das Gut in demselben Rheingau-Ort Winkel, in dem die Günderrode sich erdolcht hatte. Im Sommer 1808 trat Georg dem Bruder seinen Anteil ab. Das Haus, »ein an der Winkeler Hauptstraße gelegenes langgestrecktes Gebäude, das aus einem massiven Erdgeschoß sowie einem ausgebauten Mansardendach mit drei übereinandergestellten Fensterreihen bestand, war 1751 von der Familie Ackermann aus Bingen erbaut, 1782 erweitert worden 〈…〉 Zu dem inmitten von Rebgärten gelegenen Haus gehörte auch ein von einer Mauer umgebener Garten, der sich einst bis zum Rheinufer erstreckte, sowie ein 〈…〉 großer Laubengang aus Weinreben.« (Johannes John in Goethe/MA XI/2, S. 782.) Nicht nur durch Bs Schilderungen, auch durch einen Aufenthalt Goethes 1814 bei Antonia und Franz Brentano sowie Goethes Bericht Im Rheingau. Herbsttage ist das Brentano-Gut zu einer literarischen Attraktion geworden: Die herrliche Lage des Gebäudes läßt nach allen
Seiten die Blicke frei, und so können auch die Bewohner 〈…〉 sich ringsumher, zu Wasser und Land, fröhlich bewegen. Zu Wagen, Fuß und Schiff erreicht man, auf beiden Ufern, die herrlichsten, oft vermu1623
Zu Nr. 200
teten, öfters unvermuteten Standpunkte. Hier zeigt sich die Welt mannigfaltiger als man sie denkt (Goethe/MA XI/2, S. 116).
201.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Göttingen, 7. und 10. September 1806, Sonntag und Mittwoch
B: Nr. 197, 200. A: Nr. 203. H: FDH 7229. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 192 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 98 × 122 mm. – Papier: Vergilbt, brüchig, Faltstellen gerissen, arR und im Mittelfalz große braune Flecke; Ku vergilbt, brüchig, auR großer brauner Fleck, rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 149 | 2v auRr: 7229 | Ku aoRl B: 10ter September, darunter: 1806 28 Septem – 1806, mittig: Göttingen 10 Sept, darunter: 28 1806, alR: 149. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert. (WAA XXXII, Nr. 483.E.) D1: Steig 1913, S. 44 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17; TD, kurzer Auszug. D3: Betz/Straub 1986, S. 81–83 (Nr. A11). D4: WAA XXXII, S. 326–328 (Nr. 483). DV: H.
Veränderungen 8 wie] über gestr. mit 8–9 spitzig und rund] üdZ eing. 11 an eine andre Kirche] üdZ eing. 22 den] aus die 23 andern] a aus 〈x〉 25 Melodie] über gestr. Tackte 38 mir] aus um | danach gestr. mich 43 ich] aus es 43–44 meine Worte] über gestr. mich 52 einer] r aus m 61 die] üdZ eing.
1624
Zu Nr. 201
Erläuterungen 18–19 Feuerrohr] Flinte. 19 Blumenbachs] Arnim wird mit Emma und Adelheid Blumenbach unterwegs gewesen sein, Töchtern des Anatomen Johann Friedrich Blumenbach, die er bereits in seiner Göttinger Studentenzeit kennengelernt hatte. Zu einem weiteren Ausflug vgl. seinen Brief an Brentano, vmtl. Anfang–8. September 1806 (WAA XXXII, Nr. 479,98–101 und Erl.). 19–20 Mariaspring] Ausflugsziel etwa zehn Kilometer nördlich von Göttingen unterhalb der Burg Plesse, wo sich die Göttinger Gesellschaft zum Tanz traf. 28 verlorne Kinder] In sittlicher Hinsicht; Dirnen. 32–35 hiebevor da wir Kinder waren 〈…〉 nun so hinein!] Nach der ersten Strophe des Kinderlieds Hie bevorn, dô wir kinder waren des Wilden Alexander (13. Jh.) in der Jenaer Liederhandschrift, vor 1806 nur gedruckt in Christoph Heinrich Müllers Samlung deutscher Gedichte aus dem XII. XIII. und XIV. Jahrhundert, Bd. II, Berlin 1785, S. 144:
Hiebevorn da wir kinder waren. Und diu tzit was in den iaren. daz wir liefen of die wesen. von ienen her wider tzu desen. da wir understunden. fiol vunden. da sicht man nu rinder besen. Identifiziert Leitzmann 1941, S. 173 f. 1808 von Arnim stärker verändert als erste Strophe des Gedichts Zeit im Freyen Dichtergarten der Zeitung für Einsiedler, Nr. 2 vom 6. April. 41 Gewild] Verstärkung von Wild. (Vgl. DWb VI, Sp. 5816.) 54 Freundin] Caroline von Günderrode. 59 All Fehd hat nun ein Ende.] Schluß der ersten Strophe des Gloria in excelsis Deo (Allein Gott in der Höh sei Ehr), Melodie und deutscher Text von Nikolaus Decius.
1625
Zu Nr. 202
202.
An Ludwig Tieck in Gotha Frankfurt, zwischen 16. und 20. September 1806, Dienstag und Sonnabend
B: –. A: –. H: BJ/VS 9. – Format: 1 Bl. ca. 135 × 188 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Roter Siegelrest. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl Varnhagen: Bettina von Arnim, an Ludw. Tieck., Stempel: PR. ST. BIBLIOTHEK BERLIN, aoRr f. H.: Aus frühster Zeit!, auRr Varnhagen: Bettina von Arnim | 1v auRl: [1806] Bettine. Besonderheiten: Ob Tieck das Billett in Gotha erhalten hat, ist ungewiß. Möglicherweise wurde es nach Frankfurt zurückgeschickt. Datierung: Ludwig Tieck war am 4. September mit dem Kunsthistoriker Carl Friedrich von Rumohr von einer Italienreise zunächst nach Heidelberg zurückgekehrt, von wo Brentano sie am 10. September nach Frankfurt begleitete. Dort verkehrten sie vor allem im Brentano-Haus. Am 16. September verließen sie Frankfurt. Eine der nächsten Reisestationen Tiecks war Gotha, wohin er drei Tage – die übliche Reisezeit mit der Postkutsche – unterwegs gewesen sein wird. B wird ihm dorthin zwischen dem Abreisetag und etwa 20. September geschrieben haben. In ihrem nächsten Brief vom 3. Oktober (Nr. 205) teilte sie mit, sie habe ihm vor 14 Tagen, nach Dresden geschrieben. Damit wird das Billett gemeint gewesen sein. D1: Pfülf 1903, S. 448. D2: Steig 1923b, S. 66. D3: Steinsdorff 1997, S. 219. D4: B/WuB IV, S. 28 (Nr. 12); datiert: etwa 16.–20. September 1806. DV: H.
Veränderungen 2
unendlich] e aus d
Erläuterungen 2
Ich habe Sie unendlich lieb.] Vgl. Stimmen Nr. 79–82.
1626
Zu Nr. 204
203.
An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, 26. September 1806, Freitag
B: Nr. 201. A: Nr. 207. H: FDH 7393. – Format: 1 Bl. ca. 230 × 192 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Vergilbt, beginnender Tintenfraß, aoR ca. 10 × 15 mm Papierverlust (mit Textverlust). – WZ: Oberlängen von FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 151 | 1v auRr: 7393. D1: Steig 1913, S. 45 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 17; TD, kurzer Auszug. D3: Betz/Straub 1986, S. 84 f. (Nr. B9). D4: WAA XXXII, S. 335 f. (Nr. 490). DV: H.
Erläuterungen 16–17 Tieck 〈…〉 Nr. 202 und Erl.
204.
hier mit Clemens 〈…〉 recht gut geworden] Vgl.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Göttingen, 28. September 1806, Sonntag
B: –. A: Nr. 206. H: FDH 7230. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 192 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Vergilbt, brüchig, an den Faltstellen beschädigt, in Blattmitte großer brauner Fleck. – WZ: GIF. Beilagen: Arnim, Kriegslieder. Erste Sammlung (vgl. zu Z. 30–31). Fremdeinträge: 1r aoRl: 152 | 2v auRr: 7230. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert. (WAA XXXII, Nr. 491.E.) D1: Steig 1913, S. 46 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 85–87 (Nr. A12). D3: WAA XXXII, S. 336–338 (Nr. 491). DV: H.
1627
Zu Nr. 204
Veränderungen 1 28ten] 8 aus 9 7 es] über gestr. ich 8–9 ausgegohren] au aus he 10 das war Herkules selbst,] üdZ eing. 14 Waldnacht] Wa aus 〈xx〉 22 was er seyn möchte] üdZ eing. 24 um] aus und 31 mit] danach gestr. an 38 selbst] üdZ eing. 44 Sie] S aus s 46–47 herausgenommen] no aus k 51 stecke] aus stehe
Erläuterungen 3 aus der Keule des Herkules] In der 9,20 m hohen Keule der 70,5 m großen Kolossalstatue des farnesischen Herkules in Wilhelmshöhe bei Kassel, einer 1717 vollendeten Arbeit des Augsburger Goldschmieds Johann Jacob Anthoni, haben neun Personen Platz. 19 Claudes Tageszeiten] Claude Lorrains Gemälde Die vier Tageszeiten, die Arnim im Kasseler Galeriegebäude (vgl. zu Nr. *163) gesehen hatte. Vgl. seinen Bericht an Brentano vom 6. Oktober (WAA XXXII, Nr. 498,65–83). 21 schlafenden Ritters in der Löwenburg] Gemeint ist ein Detail der als Löwenburg bezeichneten mittelalterlichen Ritterburg-Imitation im Bergpark Wilhelmshöhe, erbaut 1793–1806: ein Sarkophag in der neogotischen Hallenkirche, auf dem in voller Rüstung ein Ritter liegt. 30–31 das Blättchen, was ich 〈…〉 vertheilt habe] Arnim hatte einen Kriegslieder. Erste Sammlung betitelten Druck (o.O.u.J., Göttingen 1806) verteilt: insgesamt neun Lieder, »in Aufmachung und Inhalt fast ausschließlich den populären Fliegenden Blättern jener Zeit verpflichtet«, wie Rölleke (1971, S. 79) seine Untersuchung der Herkunft der einzelnen Lieder resümierte. Vgl. den Nachdruck Steig 1894, S. 197–206 (Mikrofiche-Ausgabe München 1994). Der Erstdruck, der Steig noch vorlag, ist verschollen. Am 6. Oktober (WAA XXXII, Nr. 498) schickte Arnim auch ein Exemplar an Brentano. 39–40 ich bin Ihren Tritten nachgeschlichen] Nachdem B in der ersten Februarhälfte 1806 in Kassel war. Vgl. Nr. *163.
1628
Zu Nr. 206
41–42 Reden, die Sie mit der 〈…〉 Churfürsten^gesellschaft geführt] Vgl. Nr. *163. 44–45 Ein Bild von Rembrandt] Die heilige Familie mit dem Vorhang (1646).
205.
An Ludwig Tieck in Ziebingen Frankfurt, 3. Oktober 1806, Freitag
B: –. A: –. Besonderheiten: Abschrift von D1 in einem Notizbuch von Lulu Renouf, der ältesten Tochter Christian Brentanos (FDH 13871). D1: Holtei 1864, Bd. I, S. 16–18. D2: B/WuB IV, S. 39–41 (Nr. 13). DV: D1.
Erläuterungen 4–6 die Karte, von Italien 〈…〉 Sie sind nicht mehr da] Tieck war nach seiner Italienreise und der Bekanntschaft mit B (vgl. Nr. 202) nach Ziebingen zurückgekehrt, auf das Gut seines Freundes Wilhelm von Burgsdorff in der preußischen Neumark, wo er seit 1802 wohnte. 8–9 an Sie geschrieben 〈…〉 nach Dresden] Vielmehr nach Gotha (Nr. 202). 20–21 wie das Senfkörnlein] Bezug auf das Gleichnis vom Senfkorn (Mt 13,31 f.; Mk 4,30–32; Lk 13,18 f.).
206.
An Ludwig Achim von Arnim in Göttingen Frankfurt, 5. Oktober 1806, Sonntag
B: Nr. 204. A: Nr. 207. H: FDH 7394. – Format: 1 Bl. ca. 226 × 190 mm; 1r ½ beschr. S.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 153 | 1v auRr: 7394.
1629
Zu Nr. 206
Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. D1: Steig 1912 f., S. 271 f; TD. D2: Steig 1913, S. 47 f. D3: Betz/Straub 1986, S. 88 (Nr. B10). D4: WAA XXXII, S. 346 (Nr. 497). DV: H.
Veränderungen 16
sie] s aus S
Erläuterungen 15–16 Claudine ist 〈…〉 zu ihrem Bruder] Claudine Piautaz reiste zu ihrem Bruder Joseph Maria Piautaz, der seit 1803 Kriegs- und Steuerrat des preußischen Distrikts Nordhausen war.
207.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Göttingen, 13. Oktober 1806, Montag
B: Nr. 203, 206. A: –. H: FDH 7231. – Format: 1 Dbl. ca. 225 × 185 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Dünn. – WZ: D & C BLAUW. Fremdeinträge: 1r aoRl: 154 | 2v auRr: 7231. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert. (WAA XXXII, Nr. 500.E.) D1: Steig 1913, S. 48 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 18; TD, kurzer Auszug. D3: Betz/Straub 1986, S. 88–90 (Nr. A13). D4: WAA XXXII, S. 351–353 (Nr. 500). DV: H.
1630
Zu Nr. 207
Veränderungen 13 17 25 29 36 39 40 50
durchschoß] d aus w Händen. Entfloh] aus Händen und Sie] S aus s Immer] danach gestr. nach dem] m aus nn in] aus 〈xx〉 kein] k aus f in einem Käfig] üdZ eing.
Erläuterungen 11 schütterte] schüttern: Iterativbildung zu: schütten (sich heftig bewegen). (Vgl. DWb XV, Sp. 2115 f.) 20–22 Sie sagten einmal 〈…〉 Zugvöglen vereinigten] Vgl. Nr. 180,131–133. 33 wo Sie uns im vorigen Jahre begleiten wollten] Erinnerung Arnims an seinen Abschied von B in Frankfurt Anfang November 1805, als er zunächst mit Savigny und Brentano nach Heidelberg fuhr und danach über einen süddeutschen Umweg nach Berlin zurückkehrte. 35 Claudine 〈…〉 zu sehen meine] B hatte Arnim im Bezugsbrief (Nr. 206,15–17) mitgeteilt, Claudine Piautaz reise zu ihrem Bruder nach Nordhausen bey Erfurth, und angenommen, Arnims Rückreise von Göttingen nach Berlin werde über Nordhausen führen, das am südwestlichen Harzrand liegt. Arnim stimmt mit dieser Annahme überein. 41 so herrlich wir in Trages gelebt] Im Herbst 1805 anläßlich der Taufe von Savignys Tochter Bettina. 43–44 abwechselnden Denken wie das Mainzer Gebet] Großes Gebet oder Ewiges Gebet, eine Andachtsform, bei der innerhalb eines Bistums die Anbetung des Allerheiligsten über einen bestimmten Zeitraum nicht unterbrochen wird. Das Gebet findet an wechselnden Orten statt, wobei jeden Tag eine andere Pfarrei für den Gebetsdienst verantwortlich ist. Als Mainzer Gebet bezeichnet, weil die Gebetsform im 17. Jh. von St. Quintin in Mainz ausging. (Vgl. www.bistummainz.de; Zugriff 30.10.2012.) 48 Ihre liebe Lapländerin] Vgl. Nr. 203,23–40. 54 Meine Adresse ist jezt Giebichenstein] Nach der Niederlage Preußens gegen Frankreich am 14. Oktober in der Schlacht von Jena und Auerstedt
1631
Zu Nr. 207
wäre es wenig sinnvoll gewesen, einen Brief in das von Franzosen besetzte Giebichenstein zu schicken. Arnim reiste, nachdem die Nachricht vom Sieg Napoleons in Göttingen eingetroffen war, über Duderstadt am Westrand des Harzes entlang nach Braunschweig, von dort nach Tangermünde und Berlin, dann, vor den nachrückenden Franzosen weiter fliehend, über sein uckermärkisches Gut Friedenfelde und Prenzlau nach Stettin, von wo er nach Danzig (etwa 17. November) und Königsberg (etwa 26. November) gelangte.
208.
Von Sophie Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. zweite Hälfte Oktober 1806
B: –. A: –. Besonderheiten: Zufolge D1 egh. Brief o.U., 2 S. 8°, undatiert. Datierung: Aufgrund Bs Notiz 1v: Kurz vor ihrer letzten Niederkunft. Sophie Brentano und das Kind starben am 31. Oktober 1806 bei der Entbindung. D1: Kat. Meyer und Ernst 1931, Nr. 57; TD. DV: D1.
*209. Von Johann Heinrich Christian Bang nach Frankfurt Goßfelden (bei Marburg), vmtl. zweite Hälfte Oktober 1806 B: –. A: Nr. 213. Datierung: Bang bat B, ihrer Antwort zufolge, Patin seines noch nicht geborenen Kindes zu sein. In der Antwort erkundigte sie sich nach der Geburt. Daraufhin schrieb er am 8. November (Nr. 215), diese sei bereits am 30. Oktober erfolgt. Da B das beim Schreiben ihres Briefes nicht wußte, wird sie ihn Anfang November geschrieben haben, und da sie darin um Verzeihung bat, nicht gleich auf Bangs ersten Brief reagiert zu haben, wird er sie in der zweiten Oktoberhälfte um die Patenschaft gebeten haben.
1632
Zu Nr. 210
210.
An Friedrich Carl von Savigny in München Frankfurt, vmtl. 29. Oktober 1806, Mittwoch
B: –. A: –. H: SPK/NS 7/3. – Format: 1 Dbl. ca. 227 × 190; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 33, aoRr: 10 | 2r aoRr: 11 | 2v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Aufgrund von Meline Brentanos Mitteilung an Savigny vom 29. Oktober 1806: Der Butin schreibt Euch heute (SPK/NS 104/8). Vgl. Meline Brentano an Savigny, 7. November 1806 (Teil eines am 5. November begonnenen Briefes): Butin hat Euch geschrieben habt ihr den Brief. (SPK/NS 104/9.) D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 54 f. (Nr. 33); datiert: Oktober 1806. DV: H.
Veränderungen 10 15 21 32 40 40 49 51 56
Gewohnheit,] danach gestr. nicht von] danach gestr. auf umkränzt] k aus g kommen] davor gestr. kömmt Fanisca] danach gestr. von hör] aus gehör übrigen] am Schluß gestr. s er] aus es Küßt] davor gestr. G
Erläuterungen 12–13 Meline 〈…〉 daß Tieck hier war] Vgl. zu Nr. 202 (Datierung). 36 dieß hab ich auch gethan] Vgl. Nr. 202 (Datierung), 205. 40 Fanisca, so oft sie gegeben wird] Luigi Cherubini, Faniska. Eine große Oper in drey Akten. Uraufführung: Wien, 25. Februar 1806. Frankfurter Aufführungen 1806: 14., 18., 28. September, 28. Oktober, 29. November. (Ermittelt Schellberg/Fuchs 1942, S. 55.)
1633
Zu Nr. *211
*211. An Ludwig Achim von Arnim nach Berlin Frankfurt, vmtl. zwischen Anfang November 1806 und Ende Januar 1807 B: –. A: –. Datierung: Am 3. März 1807 schrieb Louise Reichardt aus Giebichenstein an ihren nach Danzig geflüchteten Vater: Wenn du Arnim schreibst oder
siehst grüß ihn doch recht herzlich. Pistor will seine Briefe nicht unerbrochen verabfolgen lassen u erbrochen will er sie auch nicht ohne besondre Erlaubniss da beyde von Brentanos Schwester sind, also wird Arnim sich Ihrer wohl nicht eher erfreuen bis er nach Berlin kommt. (Moering 2006, Bd. I und II je S. 16.) Und am 28. Juli 1807 teilte Louise Reichardt wiederum aus Giebichenstein dem in Königsberg sich aufhaltenden Arnim mit: Ich schreibe mit diesem Briefe zugleich an Redtel daß er Ih-
nen ein paar Briefe die seit dem Winter für Sie in Berlin liegen, weil der allzuängstliche Pistor sich Ihrer bemächtigte so gleich senden soll. Pistor wollte sie nicht unerbrochen fortschicken u war doch zugewissenhaft dies zuthun weil sie von weiblicher Hand, sonst hätten Sie sie längst erhalten können. (WAA XXXIII, Nr. 558.) Louise Reichardt war, nachdem die in der Jena/Auerstedter Schlacht siegreichen Franzosen Mitte Oktober 1806 Halle eingenommen und Giebichenstein geplündert hatten, mit ihrer Familie nach Berlin geflüchtet, ihr Vater weiter nach Danzig. In Berlin wird sie von den Briefen Bs an Arnim erfahren haben, die in der preußischen Hauptstadt liegenblieben, weil Arnims und ihr Bekannter Carl Philipp Heinrich Pistor Skrupel hatte, sie zu Beginn der französischen Fremdherrschaft weiter zu befördern, wozu er kraft seines Amtes – als höherer Mitarbeiter im preußischen Postdienst – in der Lage gewesen wäre. Auch Louise Reichardts anschließender Versuch, Carl Friedrich von Redtel, einen anderen Berliner Bekannten von ihr und Arnim, zur Weiterleitung zu bewegen, scheint erfolglos gewesen zu sein. Die Briefe sind verschollen, Arnim wird sie nicht erhalten haben. Als Terminus post quem wird Anfang November 1806 angenommen, als Terminus ante quem Ende Januar 1807, denn Louise Reichardt wird, ihrem zitierten Brief an den Vater zufolge, kaum nach Mitte Februar in Giebichenstein eingetroffen, ein Frankfurter Brief Bs folglich kaum nach Ende Januar geschrieben sein. Es wird angenommen, daß B, wie Louise Reichardt Arnim mitteilte, ein paar Briefe im engeren Sinn das Attributs geschrieben hat.
1634
Zu Nr. 213
*212. An Ludwig Achim von Arnim nach Berlin Frankfurt, vmtl. zwischen Anfang November 1806 und Ende Januar 1807 B: –. A: –. Datierung: Vgl. Nr. *211.
213.
An Johann Heinrich Christian Bang in Goßfelden (bei Marburg) Frankfurt, vmtl. Anfang November 1806
B: Nr. *209. A: Nr. 215. H: FDH 26742. – Format: 1 Bl. ca. 130 × 180 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 1x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Stark vergilbt, brüchig, in der Mitte zwei kleine Löcher. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1v auRr: 26742. Postzeichen: 1 Portozeichen. Datierung: Vgl. Nr. *209. D1: Schulz-Euler 1908, unpag.; Faksimile. DV: H.
Veränderungen 1
verzeihen] v aus g
Erläuterungen Vgl. Nr. *209 (Datierung).
1635
Zu Nr. 214
214.
Von Caroline Rudolphi nach Frankfurt Heidelberg, 7. November 1806, Freitag
B: –. A: –. H: BJ/VS 222. – Format: 1 Bl. ca. 230 × 188 mm, 1r ½ S. beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, verknittert, roter Oblatenrest. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | VANDERLEY. Fremdeinträge: 1r aoRl Varnhagen: Karoline Rudolphi., daneben Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN, auRl aufgeklebter rosa Zettel Varnhagens: Karoline Rudolphi an Bettina Brentano. / Heidelberg, 7. Nov.
1806. / Bettina. DV: H.
Erläuterungen 2–11 Sterbelager Ihrer Fr. Schwägerin 〈…〉 wie es um Hulda stehe.] Sophie Brentano war am 31. Oktober morgens 1 Uhr in Heildelberg »in der Geburt eines mit ihr sterbenden Kindes« (Schellberg/Fuchs 1942, S. 56) gestorben. Am 1. November fuhr Clemens von Heidelberg nach Frankfurt, und Caroline Rudolphi nahm Sophies Tochter erster Ehe, Clemens’ Stieftochter Hulda, in das Mädchenpensionat auf, das sie in Heidelberg unterhielt.
215.
Von Johann Heinrich Christian Bang nach Frankfurt Goßfelden (bei Marburg), 8. November 1806, Sonnabend
B: Nr. 213. A: Nr. *219. H: GSA 03/492. – Format: 1 Dbl. ca. 248 × 186 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Stark fleckig und verknittert, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest, vmtl. Tintenfraß. – WZ: Bekrönter Posthornschild | J H J Wallau. Fremdeinträge: 1r aoRm: 3, aoRr: 9, auRl: 1 | 1v aoRr: 10 | 2r auRl: 2 | 2v aoRr: 12. Postzeichen: Portozeichen. DV: H.
1636
Zu Nr. 216
Veränderungen 15 18
wegen] üdZ eing. uns] üdZ eing.
Erläuterungen 2 vorigen Donnerstag 〈…〉 Sohn] 30. Oktober. Name nicht ermittelt. 6–7 dass Sie 〈…〉 nicht meine liebe Jungfer Gevatterinn werden] Da ein Sohn (keine Tochter) geboren worden war. 9 da ihm das Vaterland genommen wird] Am 1. November hatte Napoleon den hessischen Kurfürsten seines Landes für verlustig erklärt, und nach dem Tilsiter Frieden wurde das ehemalige Kurfürstentum Bestandteil des neugeschaffenen Königreichs Westphalen. 23 was den Clemens betroffen hat] Der Tod seiner Frau Sophie.
216.
An Friedrich Carl von Savigny in München Frankfurt, 11. November 1806, Dienstag
B: –. A: –. H: SPK/NS 7/3. – Format: 1 Bl. ca. 224 × 192 mm; 1r-1v ½ beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: AlRm eingerissen. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 34, aoRr: 12 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Aufgrund der Mitteilung Meline Brentanos an Savigny vom 11. November 1806 (SPK/NS 104/9), am vorherigen Tag sei ein Kasten mit einem Bild für B angekommen. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 56 f. (Nr. 34). DV: H.
Veränderungen 30
wo er war] üdZ eing.
1637
Zu Nr. 216
Erläuterungen 3 Namenstag] 19. November. 6 Bild] Nicht identifiziert. 23 Brief von Bang] Nr. 215. 29–30 Schlacht bey Halle] Vielmehr bei Jena und Auerstedt (14. Oktober). 33 Dokt. Schloßer] Friedrich Schlosser. 33–34 Unser Dockter] Dominikus Brentano. 34–35 Primas 〈…〉 was daraus entstehen wird] Carl Theodor von Dalberg war seit 1806 Fürstprimas des Rheinbundes und Landesherr des Primatialstaates, zu dem Frankfurt mit den Fürstentümern Aschaffenburg und Regensburg sowie der Reichsstadt Wetzlar vereinigt wurde. »Dalberg hatte aus Respekt vor der Selbstverwaltungstradition der Freien Reichsstadt ihr im Patent zur ›Organisation der Stadt Frankfurt am Main‹ vom 10. Oktober 1806 den Status eines mediatisierten Standesherren mit den diesen in Artikel 26/27 der Rheinbundakte eingeräumten Privilegien zugestanden und dieserhalb etwa das städtische Eigentum an Domänen und Lehen nicht angetastet. Begeisterung vermochte das Patent ansonsten schwerlich auszulösen: Gleichstellung von Reformierten und Lutheranern, gleichberechtigter Zugang der drei etablierten christlichen Konfessionen zu öffentlichen Ämtern und – bei erweiterter Bewegungsfreiheit – Schutz der Juden ›gegen Beleidigung und beschimpfende Mißhandlung‹. Den bislang als oberstes Regierungs-, Justizund Verwaltungsorgan fungierenden Senat, der zu einer Selbstrekrutierungsund bedienungsinstitution verkommen war, reduzierte er – unter Eliminierung der Ersten, aus 14 Schöffen zusammengesetzten Bank – personell von 43 auf 17 Mitglieder« (Rob 1995, S. 5). 1810 änderte sich der Status Frankfurts, das mit anderen Gebieten zu einem neuen Gesamtstaat, dem Großherzogtum Frankfurt, mit Dalberg als Großherzog formiert wurde. Zur Beziehung Bs zu Dalberg vgl. Gajek 1995. 36 Doad] Dote (und ähnlich): Taufpate (vgl. DWb II, Sp. 1312); mit Bezug auf das neugeborene Kind Bangs, das zwar ein Junge war, weswegen B als Patin im eigentlichen Sinn nicht in Frage kam; vgl. jedoch an Savigny, 2. Dezember 1806: ich sorge a proportion für die Garderobe seines Kindes (Nr. 221,29–30).
1638
Zu Nr. *219
*217. Von Clemens Brentano nach Frankfurt Heidelberg, zwischen Mitte November und letztem Drittel Januar 1807 B: –. A: Nr. *218. Datierung: Brentano, der nach dem Tod seiner Frau am 2. November in Frankfurt eingetroffen war, kehrte am 11. November nach Heidelberg zurück. Als Terminus post quem werden einige Tage nach der Rückkehr angenommen. Terminus ante quem aufgrund der Datierung des Belegbriefes. Da sich weder nähere Daten noch Inhalte der muthlose〈n〉 Briefe ermitteln lassen, können sie ebensowenig einzeln registriert werden wie die Antwortbriefe, von denen nähere Daten und Inhalte ebenfalls nicht bekannt sind.
*218. An Clemens Brentano in Heidelberg Frankfurt, zwischen Mitte November 1806 und letztem Drittel Januar 1807 B: Nr. *217. A: –. Datierung: Analog. Nr. *217.
*219. An Johann Heinrich Christian Bang in Goßfelden (bei Marburg) Frankfurt, vmtl. Mitte November 1806 B: Nr. 215. A: Nr. *220. Datierung: Aufgrund der zitierten Mitteilung Bs an Savigny hat sie – nach Bangs Brief vom 8. November – etwa Mitte November nochmals an ihn geschrieben und er im letzten Monatsdrittel geantwortet.
1639
Zu Nr. *220
*220. Von Johann Heinrich Christian Bang nach Frankfurt Goßfelden (bei Marburg), vmtl. letztes Drittel November 1806 B: Nr. *219. A: –. Datierung: Vgl. Nr. *219.
221.
An Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny in München Frankfurt, 2. Dezember 1806, Dienstag
B: –. A: Nr. 225. H: SPK/NS 7/3. – Format: 1 Bl. ca. 225 × 192 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Braune Flecke im oberen Faltbereich. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 35, aoRr: 13 | 1v Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Vgl. Meline Bentano an Savigny, 2. Dezember 1806 (in einem am 29. November begonnenen Brief): War mit der Bettine bey einem Mahler
genant Reinermann, der im Zeichnen Untericht giebt, an welchen auch Budin theil nemen will. Sie hatte Heute die erste Stunde. (SPK/NS 104/9.) D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 57 f. (Nr. 35); datiert: Ende November 1806. DV: H.
Veränderungen 12 16
hätte] danach gestr. wahr das] aus was
Erläuterungen 5–8 der Meister 〈…〉 in der Schweiz] Reinermann (vgl. Datierung) arbeitete 1793–1803 in Basel im Verlag des Kupferstechers Christian von Mechel und war seitdem in Frankfurt. 23–24 der Luxus hier durch den Fürsten gestiegen] Vgl. zu Nr. 216,34–35. 30 seines Kindes] Vgl. Nr. 215,1–3.
1640
Zu Nr. 222
33 Schlacht bey Halle] Vielmehr bei Jena und Auerstedt (14. Oktober). 34 wo er auch war] Annahme aufgrund Arnims Mitteilung Nr. 207,54–55. Vgl. jedoch Erl. dazu.
222.
An Lulu Jordis in Kassel Frankfurt, 2. Dezember 1806, Dienstag
B: –. A: –. H: GSA 03/666. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 190 mm; 1r beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Fleckig. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild |
J HONIG & ZOONEN.
Fremdeinträge: 1r auRl: 1 | 1v: Francfurt 2ten Decem / Bettine 〈danach gestr.: Marie〉 Brentano / R Cassel 5ten / 7 –. Datierung: Aufgrund des Fremdeintrags. Als Jahr steht wegen der inhaltlichen Nähe zum Brief an Friedrich Carl und Kunigunde von Savigny vom gleichen Tag (Nr. 221) 1806 außer Frage. Daß die Schwester Lulu, die mit ihrem Mann nach Kassel gezogen war, die Empfängerin war, ist ebenfalls evident. DV: H.
Veränderungen 1 6
davon] idZ und] danach gestr. Degen
Erläuterungen 1 3 3 4 5 6
Lärmen hier wegen dem Hof] Vgl. Stimmen Nr. 92–95. Pantalons] Moderne, bis zu den Füßen reichende Hosen. Point de Maligne] Point de Malines: Mechelner Spitzen. jabot] Hemdkrause. Procat D’or] Goldbrokat. Doctor Schlosser] Friedrich Schlosser.
1641
Zu Nr. 223
223.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 2. Dezember 1806, Dienstag
B: –. A: –. H: FDH 7232. – Format: 1 Dbl. ca. 208 × 175 mm; 1r ½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, große braune Flecke, 2v verschmutzt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, rotes Siegel. – WZ: WADANG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 156 | 2v aoR B: 2 December 6. Königsberg, auRr:
7232. Postzeichen: Portozeichen. D1: Steig 1912 f, S. 272. D2: Steig 1913, S. 51. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 77, S. 18; (TD). D4: Betz/Straub 1986, S. 93 (Nr. A14). D5: WAA XXXII, S. 361 (Nr. 513). DV: H.
Veränderungen 1 3
2 Dec] aus 30 Nov und] u aus U
Erläuterungen 1–2 Königsberg 〈…〉 Toussaint et Comp.] Arnim wohnte in Königsberg, wo er auf der Flucht vor den nachrückenden Franzosen zwischen 25. und 27. November eintraf, zunächst im Deutschen Haus, Kehrwiedergasse (vgl. Steig 1913, S. 52). Toussaint et Comp. war ein Königsberger Handelshaus (auch erwähnt in Kants Brief an Johann Friedrich Hartknoch vom 28. Januar 1797), das von dem einer Hugenottenfamilie entstammenden Kaufmann und Kommerzienrat Jean Claude Toussaint gegründet worden war. Um und nach 1800 waren dessen Sohn Frederic und Schwiegersohn Jean Claude Laval Erben und Teilhaber der Firma. (Vgl. Gause 1996, Bd. II, S. 190.) 6 89 Psalm.] Ps 89,47–48.
1642
Zu Nr. 225
224.
Von Sophie von La Roche an Bettina und Meline Brentano in Frankfurt Offenbach, 7. Dezember 1806, Sonntag
B: –. A: –. H: GSA 03/558. – Format: 1 Bl. ca. 186 × 111 mm; 1r ½ beschr. S.; nicht gefaltet. – Papier: Unregelmäßig abgerissene Dbl.-Hälfte, verknittert. Fremdeinträge: 1r auRl: 3. DV: H.
Erläuterungen Übersetzung: Offenbach den 7. Dezember 1806 Liebe Enkelkinder! Geschmückt mit Euren schönen Tüchlein, küsse ich Euch und danke Euch von ganzem Herzen, meine lieben Kinder! von meiner Max. Gott segne Euer Leben, Eure guten Empfindungen und Eure Tätigkeiten – wenn ich Euch wiedersehe, sage ich Euch mehr – ich wünsche Euch viel Zufriedenheit und Ehre bei Eurem Erscheinen morgen in der Versammlung Adieu von Eurer Großmutter de la Roche
225.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt München, 16. Dezember 1806, Dienstag
B: Nr. 221. A: Nr. 226. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 198 × 126 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2v im Adressenbereich Nachschrift Kunigundes; 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Blume im Glas. Fremdeinträge: 1r aoRm: 9, aoRr: 24, auRl: 21 | 1v aoRr: 25, 2r aoRr: 26, auRl: 22 | 2v aoRr: 27. Besonderheiten: Beilage zu einer anderen (nicht bekannten) Sendung nach Frankfurt. D1: Härtl 1979, S. 116 f. (Nr. 16). DV: H.
1643
Zu Nr. 226
1807 226.
An Friedrich Carl von Savigny in Wien Frankfurt, etwa 23. Januar 1807, Freitag
B: Nr. 225. A: Nr. 227. H: SPK/NS 7/4. – Format: 1 Dbl. ca. 222 × 190 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 36, aoRr: 1 | 2r aoRr: 2 | 2v auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: Savigny erhielt den Brief am 30. Januar (vgl. Nr. 227); die Post Frankfurt-Wien war sieben Tage unterwegs (vgl. Reichard 1801, S. 215). D1: Schellberg/Fuchs 1942 (Nr. 36), S. 58–61; datiert: Januar 1807). D2: B/WuB IV, S. 41–44 (Nr. 14); datiert: etwa 23. Januar 1807. DV: H.
Veränderungen 14 einen] erstes e aus d 18 das] aus mein 38 andere] danach gestr. jed 38–39 in der Entfernung] üdZ eing. 43 mag] aus 〈xxx〉 51 sie] danach gestr. sie 53 sie] aus sich 79 gerne] aus mit 83 Berg] über gestr. Stein
Erläuterungen 1 neuen Aufenthalt] Savignys waren nach ihrer Süddeutschlandreise im letzten Dezemberdrittel 1806 in Wien angekommen. 2–3 auf zwey Briefe keine Antwort] Auf ihre beiden Briefe vom 11. November und 2. Dezember 1806 (Nr. 216, 221) hatte B jedoch, wie Savigny in seiner Antwort richtigstellte, seinen Brief aus München vom 16. Dezember (Nr. 225) bekommen.
1644
Zu Nr. 226
6–7 der Linster hat Euch 〈…〉 erzählt] In Briefen Meline Brentanos aus Frankfurt. Vgl. Stimmen Nr. 92–99. 12 Gemeinheit] Vgl. zu Nr. 141,13. 25–27 Der arme Clemens 〈…〉 muthlose Briefe 〈…〉 beantworte] Der Briefwechsel (Nr. *217 und *218) ist im einzelnen nicht bekannt. 47 Paß] Weg, Durchgang. (Vgl. DWb XIX, Sp. 1494 f.) 56–57 daß ich des alten Thalbergs Eroberung gemacht habe] Vgl. Stimmen Nr. 93, 97, 98 sowie Gajek 1995. 61–62 Die Liebesbezeugung der hiesigen Bürger] Huldigung am 2. Januar. Vgl. Stimmen Nr. 98. 64 Suplik] Bittschrift. 65 Stallburgsbrüngen] Vgl. Nr. 177,19–21 und Erl. 66–67 daß unser Marburger Schloß 〈…〉 legen soll] In Marburg, das zu dem seit Ende 1806 französisch besetzten Kurfürstentum Hessen-Kassel gehörte, kam es Ende Dezember nach der Flucht des Kurfürsten zu einem Aufstand mit dem Versuch, die französische Besatzung aus dem Schloß zu vertreiben. Der Aufstand scheiterte, zu den Gegenmaßnahmen gehörten Sprengungen. Das Schloß verwahrloste, wurde jedoch nicht zerstört. (Vgl. Schnack 1974, S. 453–457.) Meline Brentano hatte die Nachricht aus Marburg erhalten und berichtete Savigny am 5. Januar: Die Bauern haben re-
voltiert, haben die kleine Besatzung von Franzosen, welche in Marburg lag, angegriffen, und im Deutschhaus sich mit ihnen geschlagen, das einige todblieben. Ferner sind sie aufs Schloss, haben die französische Schildwache am Pulverthurm erschossen; das Pulver in Fässer gefült, und wolten nun diese angezündet, in die Stadt rollen. Der Professor Hauf hat durch seine öftere Besuche und durch sein Zureden dies verhindert, und die Bauern ein wenig zur Ruhe gebracht. (SPK/NS 104/11.) 69 unser Thurm] Vgl. Nr. 147,28–35 und Erl. 77 enuyante] langweilige, gelangweilte. 78–81 Die Tonie 〈…〉 nach Winkel 〈…〉 vorgefallen ist] In dem Rheingauort Winkel, wo 1806 Franz Brentano ein Gut erworben und die Günderrode sich erdolcht hatte, war sie auch beerdigt worden. B reiste nicht mit der Schwägerin dorthin, sondern am 24. Februar mit der Schwester Lulu und deren Mann nach Kassel. Vgl. Nr. 245,7–11 und Erl. sowie Stimmen Nr. 104, 105 83 Der Arnim 〈…〉 vor 3 Wochen aus Konigs Berg geschrieben.] Arnims Brief vom 2. Dezember (Nr. 223) wird erst Ende Dezember/Anfang Januar in Frankfurt angekommen sein. 86 Aufstand in Marburg] Vgl. zu Z. 66–67.
1645
Zu Nr. 226
91–92 Versteckelges] Diminutiv von Sp. 1641 f. mit B-Belegen.)
227.
Verstecken. (Vgl. DWb XXV,
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt Wien, 31. Januar 1807, Sonnabend
B: Nr. 226. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 248 × 198; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, 2v verschmutzt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. – WZ: Blume im Glas. Fremdeinträge: 1r aoRm: 11, aoRr: 31, auRl: 23 | 1v aoRr: 32 | 2r aoRr: 33, auRl: 24 | 2v aoRr:: 34. Postzeichen: Portozeichen. D1: Härtl 1979, S. 117 f. (Nr. 17). DV: H.
Veränderungen 12 14 36 42 43
sage] danach gestr. meh ich] danach gestr. weiß würde.] danach gestr. Wahrscheinlich Ganzen] Schluß-n aus s haben] danach gestr. konnte,
Erläuterungen 5–6 du lügst 〈…〉 keine Antwort] Vgl. zu Nr. 226,2–3. 10 Negligiren] Vernachlässigen. 12–13 Was da seÿn soll 〈…〉 Hieronÿmus.] Refrain des Vaudevilles am Schluß von Karl Ditters von Dittersdorfs Singspiel Hieronimus Knicker (1787), Libretto neu barbeitet von Christian August Vulpius (1793):
Ja, was seyn soll, muß geschehen, nichts kann dem Geschick entgehen, und nichts ändert seinen Schluß, das beweist Hieronimus. 1646
Zu Nr. 227
(Dittersdorf 1793, S. 77.) Savigny kann den Refrain von Brentano gehört haben, in dessen – erst 1814 erschienenem – Singspiel Victoria und ihre Geschwister mit fliegenden Fahnen und brennender Lunte ein Schulmeister zum besten gibt:
Was sein soll, das muß geschehn, Nichts kann dem Geschick entgehn, Jeder Mensch hat einen Schuß, Dies beweist Hieronymus! Sieh, mein Kind, so ist der Schluß, Von einem Dittersdorfischen Singspiel, Hieronymus Knicker, der mir grad einfiel. (Brentano 1852–1855, Bd. VII, S. 386.) Die beiden ersten Verse – ohne Bezug auf Hieronymus – auch in Brentanos Märchen von Fanferlieschen Schönefüßchen (Brentano/Werke III, S. 400). 17 damals in Marburg] Im Winter/Frühjahr 1805/06. 23–24 das Mädchen in Göthes Hans Sachs 〈…〉 unter dem Apfelbaum] In Goethes Erklärung eines alten Holzschnittes vorstellend Hans Sachsens poetische Sendung beglückt ein holdes Mägdlein, das allerdings nicht unter einem Apfelbaum, sondern beim Holunderstrauch sitzt, den Poeten mit ihrer Liebe. 30–31 Ich habe ihm von München aus geschrieben] Am 16. Dezember 1806 (DjBr Nr. 1358). 36–38 daß der Clemens 〈…〉 als in sehr großen Städten] Dieser Meinung pflichtete Arnim in einem Brief an Savigny vom 27. Dezember 1811 bei, als er Clemens’ Briefe an B gelesen hatte: In Heidelberg habe ich die
Wahrheit von einer Deiner Behauptungen, in einem Briefe an Bettine empfunden, daß Clemens nicht in eine grosse, sondern in eine kleine Stadt gehöre, ich habe gefühlt, daß er in Berlin nach seinen besten Anlagen immer mehr unter geht, während er immer mehr in die Effektmacherei ausartet, er hat unglaublich viel mit der guten Sophie verloren. (Härtl 1982, S. 38.)
1647
Zu Nr. *228
*228. Von Clemens Brentano nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. Februar/erste Hälfte März 1807 B: –. A: –. Datierung: Ausschlaggebend für die Datierung ist Meline Brentanos Mitteilung aus Frankfurt an Savigny vom 16. März 1807: Ich bekam auch noch
Gestern Abend einen Brief von Clemenz, in dem er mir sagt, daß er alle seine Bücher eingepackt, und seine Sachen versteigert habe. Er wolle die Woche nach Ostern 〈29. März〉 hierher kommen und bittet sich beÿ der Marie ein Zimmer aus. Das wird wieder eine unruhige Zeit geben vor der ich mich herzlich fürchte. Gott seÿ Dank, daß die Bettine nicht hier ist, die würde er zu sehr quälen. (SPK/NS 104/13.) Etwa gleichzeitig, vielleicht schon früher wird Brentano auch B mitgeteilt haben, daß er komme. Sie war allerdings bereits am 24. Februar nach Kassel gezogen, von wo sie erst Mitte Juli zurückkehrte. Brentano, der erst am 1. Mai in Frankfurt ankam, scheint von dem Wegzug nach Kassel nichts gewußt zu haben, denn in seinem Brief an Arnim von Mitte Juli heißt es im Anschluß an die Mitteilung über den Brief an B: da ich ankam war sie mit Jordis 〈…〉 nach Cassel (WAA XXXIII, Nr. 557).
229.
Von Kunigunde und Friedrich Carl von Savigny nach Kassel Wien, 4. März 1807, Mittwoch
B: –. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 180; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, verknittert, Beschädigung durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRm: 7, daneben: 1807, aoRr: 18, auRl: 35 | 1v aoRr: 19 | 2r aoRr: 20, auRl: 36 | 2v aoRr: 21. Besonderheiten: 2v aoRr B: Familien-Briefe zum Frühlingskranz durch-
zusehen. Datierung: Aufgrund von Kunigunde von Savignys abschließender Mitteilung, daß gestern ihr Namenstag gefeiert wurde: am 3. März. D1: Härtl 1979, S. 118 f. (Nr. 18). DV: H.
1648
Zu Nr. *230
Veränderungen 19 55 61
würdest] danach gestr. manch und] danach gestr. bedenke gefeiert] danach gestr. Wo
Erläuterungen 2–4 dein Bild 〈…〉 das Kleidchen daß du 〈…〉 gestickt hast] Vgl. Meline Brentano an Savigny, 11. Februar 1807 (Briefteil): Du wirst in etlichen Wo-
chen, durch einen Herrn von Herz, der hier durchreiste um nach Wien zu gehen, ein Alabastern Bild vom Budin, und ein Kinderkleid, auch vom Budin, erhalten. (SPK/NS 104/12.) Das Bild ist nicht bekannt. 5 Tod der Großmutter] Sophie von La Roche war am 18. Februar in Offenbach gestorben. Vgl. Stimmen Nr. 100–104. 23–24 Meline 〈…〉 Du wärst krank] Vgl. Stimmen Nr. 102. 43 ecrire] schreiben.
*230. An Meline Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 9. März 1807, Montag B: –. A: –. Datierung: Der Brief, den Meline Brentano am 11. März erhielt, wird zwei Tage von Kassel nach Frankfurt unterwegs gewesen sein. (Zur Beförderungsdauer: Den am 13. Juni aus Frankfurt geschriebenen Brief von Goethes Mutter [Nr. 251] muß B zwei Tage später in Kassel erhalten haben, da sie aus ihm in ihrem Brief an Goethe vom 15. Juni [Nr. 252] zitiert.)
1649
Zu Nr. 231
231.
An Ludwig Achim von Arnim nach Giebichenstein Kassel, Ende März 1807
B: –. A: –. H: FDH 7395. – Format: 1 Bl. ca. 247 × 205 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, stark verknittert, Ränder eingerissen. – WZ: Oberlängen von FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 158 | 1v auRr: 7395. Besonderheiten: Der Brief wurde von Giebichenstein nach Königsberg weitergeschickt. Datierung: Da B schreibt, sie sei nun schon 4 Wochen in Cassel. Dorthin war sie am 25. Februar von Frankfurt gereist D1: Steig 1913, S. 50 f.; datiert: November 1806. D2: Betz/Straub 1986, S. 90–92 (Nr. B11); datiert: November 1806. D3: WAA XXXIII, S. 12–14, Nr. 533; datiert: Ende März 1807. DV: H.
Veränderungen 38 48 53
erreicht] aus erbricht Am] danach gestr. fest Herzens] danach gestr. 〈xx〉
Erläuterungen 2 Ich bin nun schon 4 Wochen in Cassel] Vgl. Stimmen Nr. 105–108. 4–5 damals 〈…〉 wo auch Sie hier waren] Im September 1806. 5–6 Sie haben 〈…〉 Nachricht vom Clemens gehabt] Arnim hatte keine direkte Nachricht. Einer Mitteilung, daß Sophie Brentano gestorben sei, wollte er etwa gleichzeitig nicht glauben. Vgl. Nr. 232,22–24. 6–7 wo Dorne und Distlen so üppig wachsen] Nach Jes 5,6: Ich will ihn 〈den Weinberg〉 wüst liegen lassen, daß er nicht geschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen 〈…〉. Das Sprachbild von Disteln und Dornen wird zu einer Lieblingsmetapher Bs. 18–19 (»denn was Gott will 〈…〉 in Demuth«)] Nach Dan 11,36. 20–21 bey einem Mahler 〈…〉 Bildhauer] B nahm Unterricht an der Kasseler Kunstakademie, wie aus einer Mitte Juli 1807 geschriebenen Mitteilung
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Zu Nr. 232
ihres Bruders Clemens an Arnim deutlich wird: Sie ist in Kassel beständig bei den Mahlern gehockt und mahlt lauter roh Fleisch in Oehl. (WAA XXXIII, Nr. 557,211–213.) Die Lehranstalt war 1777 von Landgraf Friedrich II. als Maler- und Bildhauer-Akademie gegründet worden und wurde 1803 in Kurfürstliche Akademie der Künste umbenannt. Die Fächer waren Malerei, Zeichnung, Bildhauerei und Architektur. Ausdrücklich waren in der zweiten Klasse Frauen zugelassen. Zum 1. Juli 1807 angefertigte Listen weisen 91 Schüler nach, darunter mehrere Handwerker. (Vgl.: Knackfuß 1908; Heinz 2000.) 59 Castalischen Quell] Den Musen geheiligte Quelle am Fuße des Parnassos, in die sich, der Sage nach, die von Apoll verfolgte Nymphe Kastalia stürzte. Die Quelle soll prophetische Kraft und dichterische Begeisterung verliehen haben.
232.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 27. März 1807, Freitag
B: –. A: –. H: FDH 7233. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. 233 × 192 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 102 × 122 mm. – Papier: Dünn, II an den Faltstellen beschädigt | Ku: derb, an den Ecken beschädigt. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | J HONIG & ZOONEN | II: ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 157, aoRm: (27. März) | 2v auRr: 7233 | 3r aoRl: 169 | Kur aoR B: Karfreitag 1807 Königsberg. | Kuv aoRr: 157. Besonderheiten: Der Brief wurde über Kopenhagen und Hamburg befördert. Zu ihm ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 534.E). Brentano las den Brief im ersten Maidrittel 1807 in Frankfurt und schrieb darüber am 12. Mai an Görres: Von Arnim habe ich hier einen Brief aus Königsberg
an Betinen gefunden vom Charfreitag, er meldet daß er nich〈t Sol〉dat sei, aber ist von wenig Hofnung für sein 〈Vaterla〉nd, feierlich, liebend, treu gegen mich und Si〈e. Den T〉od Sophiens kennt er als Gerücht und giebt s〈ein eig〉en Leid als Pendant nicht als Trost, die 〈Ster〉blichkeit in Königsberg ist ungeheuer, Gott erhalte ihn, oder habe einen Himmel. (FBA XXXI, S. 600,23–30.) Postzeichen: Stempel: DANNENBERG Hambourg B. G. D. 11 Avril 1807. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 53 f. 1651
Zu Nr. 232
D2: Betz/Straub 1986, S. 93–96 (Nr. A15). D3: WAA XXXIII, S. 14–16 (Nr. 534). DV: H.
Veränderungen 1 am] a aus d 14 unbemerktes] üdZ eing. 33 meine] aus unsre 44–46 die Russen 〈…〉 kam] üdZ eing. 59 ein 〈…〉 Versuchen] üdZ eing.
Erläuterungen 8–9 ein Freund 〈…〉 nach Kopenhagen] Der Königsberger Kriegs- und Domänenrat Friedrich Ludwig August Wißmann, der im Regierungsauftrag per Schiff nach Kopenhagen gereist war, um für die Provinz Preußen für 600000 Taler Getreide anzukaufen – ein »Auftrag, den derselbe auch mit vieler Umsicht und großem Geschick zur Ausübung brachte« (Bassewitz 1851/52, Bd. I, S. 379). Vgl. Wißmann an Arnim, 10. August 1807 (WAA XXXIII, Nr. 561). 12 einen offenen Weg] Über die Kurische Nehrung nach Memel. 12–21 Doktor Schlosser 〈…〉 mit Christian sehr genau 〈…〉 seine Mutter war Göthe’s Schwester] Eduard Schlosser, der mit seinem Vetter Christian Schlosser in Jena studiert hatte und 1806 in Halle zum Dr. med. promoviert wurde, war nicht der Sohn von Cornelia, der Schwester Goethes, die seit 1773 mit dem Frankfurter Juristen Johann Georg Schlosser verheiratet gewesen war, sondern entstammte dessen zweiter Ehe mit Johanna Fahlmer. 19–20 Schlosser, von dem ich aus Göttingen schrieb] Christian Schlosser. Vgl. Nr. 198,99–103 und Erl. 25–27 dessen gute, liebe Frau 〈…〉 in einer Zeitung gelesen] Am 7. November 1806 war in der Badischen Wochenschrift (Nr. 19, Sp. 297) ein Nekrolog auf die am 1. November gestorbene Sophie Brentano erschienen. Die Nachricht soll auch in der Augsburger Allgemeinen Zeitung gestanden haben. Vgl. Johann Georg Geißler an Brentano, 1. Dezember 1806 (DjBr Nr. 1356 und Erl.). 36–46 Eylau 〈…〉 das Preußische Korps unter Lestocq 〈…〉 über sie kam] In der verlustreichen Schlacht bei Preußisch-Eylau (etwa 30 km südlich
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Zu Nr. 233
von Königsberg) am 7./8. Februar 1807 standen sich zunächst die französische Armee unter Napoleon und die russische unter Bennigsen gegenüber. Als die Franzosen die Rückzugslinie der Russen nach Nordosten bedrohten, änderte das Erscheinen des preußischen Korps unter Generalleutnant Anton Wilhelm von L’Estocq die Lage zugunsten der Russen, die sich nach Königsberg zurückziehen konnten, ohne von den erschöpften Franzosen verfolgt zu werden. Arnim hatte nach dem Kampf das Schlachtfeld aufgesucht. Vgl. sein Brief-Exzerpt an Reichardt vom 10. März 1807 (WAA XXXIII, Nr. 530.E). 53–54 ältesten Tochter 〈…〉 Auguste] Auguste Schwinck. Zu Arnims Beziehung zu ihr vgl. vor allem seinen Brief an die Mutter, Charlotte Schwinck, vom 23.–26. Oktober und 1. November 1807 (WAA XXXIII, Nr. 593.A). 71 Tod des 〈…〉 Prinzen 〈…〉 mich anzog] Louis Ferdinand, Prinz von Preußen, war am 10. Oktober 1806 in einem Gefecht bei Saalfeld gefallen. Arnim hatte ihn im Dezember 1805 in Weimar seine Dienste angeboten. Vgl. seinen Brief an Brentano, 16.–20. Dezember 1805, und sein Briefkonzept an den Prinzen, 17. Dezember 1805 (WAA XXXII, Nr. 404 und 405.K). 75 von einer edlen Fürstin gewunden] Von Luise Radziwill, der Schwester des Prinzen, seit 1796 verheiratet mit Anton Heinrich Fürst von Radziwill. 81 Ich glaube 〈…〉 in Giebichenstein] Vgl. Nr. *211, *212.
233.
An Meline Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 30. März 1807, Montag
B: –. A: Nr. 235. H: GSA NZ 6/14,2. – Format: 1 Bl. ca. 248 × 206 mm; 1r 1 beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: In der Querfaltung gerissen. Besonderheiten: Auf der oberen Blatthälfte mittig Porträtskizze in ausgespartem Feld, 45 × 45 mm. – Vgl. Stimmen Nr. 106. Datierung: Der Brief, den Meline am 1. April erhielt, wird zwei Tage unterwegs gewesen sein. (Zur Beförderungsdauer vgl. Datierung von Nr. *230.) D1: Schmidt 1900, S. 77–79; datiert: Frühjahr 1807. DV: H.
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Zu Nr. 233
Veränderungen 6 schon] danach gestr. s 7 dies] am Schlu0 gestr. e 13 zum] z aus 〈x〉 40 grauem] über gestr. rothen 41 Mannesschue] M aus 〈x〉
Erläuterungen 9–10 Ovids verwandlungen] Ovid, Metamorphoseon libri. Die Ausgabe ist nicht bekannt. 10–11 die 3 Erz-Narren] Christian Weises satirischer Roman Die drey ärgsten Ertz-Narren in der gantzen Welt nebst Fortsetzung und Gegenstück Die Drey klügsten Leute in der gantzen Welt. Welche Ausgaben (Erstdrucke 1672 bzw. 1675) B besaß, ist nicht bekannt. Daß beide Bände zusammengebunden waren, geht aus Arnims Mitteilung vom 18. und 19. April 1809 hervor, er sende ihr die drey klügsten und närrischten Leute zurück (Nr. 552,76–78). 13–14 Plato von Schleiermacher] Von Schleiermachers Platon-Übersetzung (Plato. Werke. Aus dem Griechischen übersetzt. 2 Teile in 5 Bänden. Berlin 1804–1810) waren erschienen: 1804 Teil I/1: Phaedros, Lysis, Protagoras, Laches; 1804 Teil I/2: Charmides, Parmenides, Verteidigung des Sokrates, Kriton u. a.; 1805 Teil II/1: Gorgias, Theaetetos, Menon, Euthydemos; 1807 Teil II/2: Kratylos u. a. In der Arnim-Bibliothek sind die 1805 und 1807 erschienenen Bände überliefert (Sign. B 2113). 14–16 zwei Exemplare von Sternbald 〈…〉 grün Papier eingebunden] Ludwig Tieck, Franz Sternbalds Wanderungen (Berlin 1798). In der ArnimBibliothek sind zwei Exemplare des Erstdrucks überliefert (Sign. B 1336, B 1357). Die Beschreibung trifft auf die beiden Bände B 1336 zu. 19 Stiftsdame] Nicht identifiziert. 38 Patentzopf] Ein künstlicher, einzubindender Zopf.
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Zu Nr. 235
*234. An Franz Brentano in Frankfurt Kassel, Ende März/Anfang April 1807 B: –. A: Nr. 236. Datierung: Aufgrund der Mitteilung Meline Brentanos über den Erhalt des Briefes (Nr. 235,2–3). (Zur Beförderungsdauer vgl. Datierung von Nr. *230.)
235.
Von Meline Brentano nach Kassel Frankfurt, 3. April 1807, Freitag
B: Nr. 233. A: Nr. *237. H: GSA 03/534. – Format: 1 Bl. ca. 228 × 192 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: An den Faltstellen gerissen, Papierverlust (mit Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 26, auRr: 1 | 1v aoRl: 27. D1: Hahn 1958, S. 60; TD. DV: H.
Veränderungen 22
so] üdZ eing.
Erläuterungen 10–11 die Frau von Göthe 〈…〉 beÿ ihr] Vgl. Goethe, Tagebuch, 23. März 1807: Reiste meine Frau nach Frankfurt ab (WA III, Bd. 3, S. 200). 14 Schlosser] Friedrich Schlosser. 20 Wheybischof] Kolborn. 26 Fürsten] Dalberg. 39 Madame Landré] Vmtl. eine Verwandte des Tuchfabrikanten Theodor Landré. Die Familie Landré war seit Anfang des 18. Jhs. in Kassel ansässig und besaß mehrere Häuser. (Frdl. Auskunft von Holger Ehrhardt, Kassel.)
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Zu Nr. 236
236.
Von Franz Brentano nach Kassel Frankfurt, 4. April 1807, Sonnabend
B: Nr. *234. A: Nr. *239. H: GSA 03/505. – Format: 1 Dbl. ca. 248 × 200 mm; 1r-2r 2 S. + 4 Z. beschr.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Derb, grau, verknittert, leicht fleckig, Papierverlust (mit Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. Fremdeinträge: 1r aoRm: 1, aoRr: 5, auRl: 3 | 1v aoRr: 6 | 2r aoRr: 7, auRl: 4 | 2v aoRr: 8. Besonderheiten: Am Geburtstag Bs geschrieben, ohne ihn zu erwähnen. D1: Härtl 1979, S. 108; TD. DV: H.
Erläuterungen 19 menagirst] anwendest. 29–30 Clemens ist 〈…〉 gereißt] Vgl. Meline Brentano an Savigny, Frankfurt, 1. April 1807: Von Clemenz bekam der Franz Gestern Briefe; er hat
seine Sachen versteigert, seine Bücher hierher geschickt, und Heidelberg auf immer verlassen. Er geht nach Raschstadt, Strasburg, will dort 14 Tage bleiben, und dann hierher kommen. (SPK/NS 104/12.) 33 weihbischoff] Kolborn.
*237. An Meline Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 1. Mai 1807, Freitag B: Nr. 235. A: –. Datierung: Meline Brentano bekam den Brief am 3. Mai; er wird zwei Tage unterwegs gewesen sein. (Zur Beförderungsdauer vgl. Datierung von Nr. *230.)
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Zu Nr. 240
*238. Von Clemens Brentano nach Kassel Frankfurt, etwa 4. Mai 1807, Montag B: –. A: Nr. 241. Besonderheiten: Vgl. Meline Brentano an Savigny, Frankfurt, 4. Mai 1807: Clemenz will sie 〈B〉 gerne hierher zurück haben, oder will gar zu ihr nach Cassel gehen. Doch ist alles noch unendschieden darüber. (SPK/NS 104,13.) Datierung: Nach Bs Brief an Meline Brentano von vmtl. 1. Mai (Nr. *237), durch den Clemens erfuhr, daß B wieder in Kassel war; vor dem Antwortbrief; aufgrund der Übereinstimmung mit Meline Brentanos Mitteilung an Savigny vom 4. Mai (Nr. *237).
*239. An Franz Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 5. Mai 1807, Dienstag B: Nr. 236. A: Nr. 240. Beilagen: Bild. (Nicht identifiziert.) Datierung: Der Brief kam – zufolge Meline Brentanos Belegbrief an Savigny vom 8. Mai – am 7. Mai in Frankfurt an; er wird zwei Tage unterwegs gewesen sein. (Zur Beförderungsdauer vgl. Datierung von Nr. *230.).
240.
Von Franz Brentano nach Kassel Frankfurt, 8. Mai 1807, Freitag
B: Nr. 239. A: Nr. *242. H: GSA 03/505. – Format: 1 Dbl. ca. 222 × 188 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, dünn, verknittert, fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRm: 2, aoRr: 12, auRl: 5 | 1v aoRr: 13 | 2r aoRr: 14, auRl: 6 | 2v aoRr: 15. Postzeichen: Portozeichen. D1: Härtl 1979, S. 108; TD. DV: H.
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Zu Nr. 240
Veränderungen 21
seinen] über gestr. ihren
Erläuterungen 3 das schöne Bild] Eine Kopie, wie sich aus Nr. 245,22–23 ergibt. Nicht identifiziert. 5–6 eine 〈…〉 Rahm] Feminin ansonsten nur zu der Nebenform Rahme belegt. (Vgl. DWb XIV, Sp. 64–68.) 7 aufziehren] aufschmücken. (Belegt DWb I, Sp. 785 mit einem Goethe-Zitat.) 11 orlandofurioso mäsig] In der Art von Ariosts Epos Orlando furioso (letzte Fassung 1532). 13 Carl u seine Famille] Der Onkel Carl von La Roche, seit 1805 Geheimer Oberbergrat in Berlin, dessen Frau Friederike und Kinder. 29 Dirat’on] Gerede, Geschwätz. 38–40 Dr. Lehr 〈…〉 viel dem Senkenbg stiffte vermacht.] Georg Philipp Lehr war Arzt an dem von Johann Christian Senckenberg 1763 gestifteten, 1779 eröffneten Senckenbergschen Bürgerhospital in Frankfurt.
241.
An Clemens Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 9. Mai 1807, Sonnabend
B: Nr. *238. A: Nr. *244. H: FDH 7196. – Format: 1 Dbl. ca. 250 × 205 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Stark vergilbt und beschädigt, Bl. 2 in den senkrechten Faltlinien durchgerissen, z. T. zerfetzt, Papierverlust mit Textverlust. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRr: abgedruckt Corona | 1v auRr: 7196 | 2v auRr:
7196. Besonderheiten: Am 12. Mai teilte Brentano dem Heidelberger Verleger Johann Georg Zimmer mit: Göthe hat Betinen förmlich erlaubt sein Leben
zu schreiben, doch sollen sie dieß k e i n e m M e n s c h e n sagen, Sie sollen es auch in Verlag kriegen. (FBA XXXI, S. 598,3–6.) Dem Brief legte er einen an Görres (FBA XXXI, Nr. 475) sowie für Zimmer und Görres denje-
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Zu Nr. 241
nigen Bs bei. Am 17. Mai antwortete Zimmer Brentano: Auch ich habe den Brief Ihrer Bettina gelesen. (BJ/VS 283.) Erst am 5. Juli schrieb Görres dem Bruder: Ihr Brief von Frankfurt hat mich gefreut, und Bettinens Einge-
schloßener, es hat mir wohl gethan für den alten Mann, der jetzt Alles um sich her so einstürzen sieht, daß er das doch noch erlebt hat, wie das Mädchen sich an die neigende Säule stellt wie in dem Heiligen Nilus des Donimichino 〈Domenichino, 1609/10〉, und mit seinen Kräften sie hält und trägt. Besser konnte es ihm kaum auf irgend eine andre Weiße werden, und daß es ihm auch im Herzen wohl gethan hat, zeigt daß er wie ein junges Blut übergelaufen ist. Warum ist aber doch eine Dissonanz in der Kombination Göthe der alte Mann, und man denkt sich doch Homer ohne Anstand immer als einen alten blinden Mann? (Schlechter 2006, S. 125; Faksimile von Heid. Hs. 952,1, Bl. 1r.) Datierung: Am 11. Mai 1807 schrieb Meline Brentano aus Frankfurt an Savigny: Clemenz klagt den ganzen Tag über Schwindel, und geht zu allen
seinen Bekanten, die Ärzte sind, um sich etwas verschreiben zu lassen. Die Bettine schrieb ihm, sie gedächte noch den ganzen Sommer in Cassel zu bleiben, er solle auch hinkommen, was er denn auch wohl thun wird, nur fürchtet er sich vor der Reiße. Er ist überhaupt, wie mir scheint, in dergleichen Dingen etwas faul geworden. (SPK/NS 104/13.) Bereits einen Tag zuvor hatte Meline Savigny über den Bruder berichtet – ohne den Brief Bs zu erwähnen, der folglich am 11. angekommen sein wird. Und da die Post von Kassel zwei Tage unterwegs gewesen sein dürfte (zur Beförderungsdauer vgl. Datierung von Nr. *230) und B den Brief des Bruders Franz vom 8. Mai (Nr. 240) noch nicht erhalten hatte, wird sie am 9. Mai geschrieben haben. D1: Corona 1937, S. 36–40; datiert: vor Mitte Juli 1807. D2: Müller 1961, S. 175–177; datiert: vor Mitte Juli 1807. D3: B/WuB IV, S. 44–47 (Nr. 15); datiert: Anfang Mai 1807. DV: H.
Veränderungen 4 welches] danach gestr. 26 so] aus sch 38 so] danach gestr. T 39 ist] üdZ eing. 54 den] aus die 57 schuld] aus 〈xxx〉
mich
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Zu Nr. 241
63 ihm] aus an 64 von] aus 〈xxx〉 85 nichts als mich] aus 〈xxx〉 107 du] danach gestr. dich
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen D3. 1 Wohl hast du recht nach mir zu fragen] Brentano, der am 1. Mai im Frankfurter Brentano-Haus eingetroffen war, erfuhr dort, daß B um den 10. April Kassel verlassen hatte. Mit dem Einverständnis des Bruders Franz durfte sie den Schwager Jordis und dessen Frau Lulu auf einer Geschäftsreise nach Berlin begleiten, und auf der Rückreise, die über Weimar führte, suchte sie dort am 23. April Goethe auf. Ende April waren die Reisenden wieder in Kassel. 6 eine herrliche Oper] Am 16. April wurden im Berliner Nationaltheater das Singspiel Vor den Fenstern von Nicolas Isouard und Zwei Worte, oder die Herberge im Walde von Nicolas-Marie Dalayrac gespielt. (Vgl. Teichmann 1863, S. 415.) 12–17 in Weimar, in Wielands 〈…〉 lächerlichem Revier 〈…〉 Zetelgen für Göthe] B hatte mit ihrer Schwester Lulu nachmittags um drei zunächst Wieland, den ehemaligen Verlobten ihrer Großmutter Sophie von La Roche, aufgesucht. (Vgl. Starnes 1987, Bd. III, S. 262 f.) Er wohnte Am Theater Nr. 26 (später Wielandstraße Nr. 1). Von ihm erhielt sie ein Billett für Goethe (vgl. Stimmen, Nr. 109). 20 zu Göthe] Im Haus am Frauenplan. Vgl. die Dokumentation der Berichte über die Begegnung Grumach 1999, S. 251–258. 21–22 zwei freundliche Marmorbilder] In dem 1792 nach Goethes Entwurf eingebauten Treppenhaus befinden sich verschiedene Gipsabgüsse nach antiken Originalen. B meint vmtl. die Köpfe des Apoll von Belvedere und des Ares Borghese in den Wandnischen. 23–24 Zimmer 〈…〉 voll 〈…〉 Zeichnungen] B wartete im sogenannten Deckenzimmer (nach der aus der Bauzeit erhaltenen barocken Stuckdecke), dessen Wände dicht mit Bildern behängt waren, die öfter ausgetauscht wurden. 35–36 seine Lebensgeschichte schreiben] Vgl. Nr. 188,18–24 und Erl. 44 spindisieren] »grübelnd nachdenken oder ergründen« (DWb XVI, Sp. 2550).
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Zu Nr. *242
45 einen Ring] Beschrieben mit Skizze im Brief an Clemens vom 6. Juni 1807 (Nr. 250,14–19). Vgl. Clemens an Arnim, Mitte Juli 1807, nachdem er die Schwester wiedergesehen hatte: am Finger die schöne Anticke von Göthen ein Weib das sich verschleiert (WAA XXXIII, Nr. 557,159–160). B schenkte den Ring nach Goethes Tod dem Fürsten Hermann von Pückler-Muskau, der ihn später an Irene Prokesch von Osten weitergab. 52 über Vogt] Vgl. Meline an Savigny, Frankfurt, 28. Januar 1807 (Briefteil):
Im Grund ist es gut, daß die Bettine, einmal anfängt etwas zu lernen, Vogt wird ihr nutzen. Es liegt ihr viel, an seinem Beyfall, und da giebt sie sich Mühe und befolgt seinen Rath, der allerdings gut ist, weil Vogt viele musikalische Kenntniße hat. (SPK/NS 104/12.) In ihren Briefbüchern hat B Niklas Vogt als liebenswürdiges Original dargestellt. 67 Lichtpuze] Scherenartiges Gerät zum Abschneiden des verkohlten Dochts. 70–71 meinen blühenden buschigen Garten] Lulu Jordis hatte Ende April/Anfang Mai 1807 in Kassel einen Garten gemietet, wie sich aus einem Bericht Meline Brentanos an Savigny vom 2. Mai (Briefteil; SPK/NS 104/13) ergibt. 86–88 in 8 Tagen 〈…〉 nach Weimar] Diese beabsichtigte Reise untersagte Franz Brentano mit seinem Brief vom 8. Mai (Nr. 240). 106 die ersten Theile 〈…〉 von Göthes Werke] Die vier ersten, 1806 erschienenen Bänden der von Cotta in Tübingen verlegten Werke Goethes. 107 prenumerirt] vorausbezahlt.
*242. An Franz Brentano in Frankfurt Kassel, etwa 12. Mai 1807, Dienstag B: Nr. 240. A: Nr. 245. Datierung: In der zeitlichen Mitte zwischen Bezugs- und Antwortbrief.
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Zu Nr. 243
243.
An Catharina Elisabeth Goethe in Frankfurt Kassel, vmtl. 15. Mai 1807, Freitag
B: –. A: Nr. 246. H: PML/Heineman Coll. MA 6900 MS Goethe-Bettine 2. – Format: 1 Bl. ca. 250 × 205 mm; 1r ¾ beschr. S.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit Textverlust) durch Oblatenaufschnitt, Oblatenrest. Fremdeinträge: 1r aoRl: 1, aoRr Stempel: 2. Besonderheiten: Von Goethes Mutter mit einem Brief vom 19. Mai 1807 an ihre Schwiegertochter Christiane nach Weimar geschickt: Hirbey kommt ein
Briefelein von der kleinen Brentano – hiraus ist zu sehen daß Sie noch in frembten Landen sich herum treibt – auch beweißen die Ausdrücke ihres Schreibens – mehr wie ein Alvabeth wie es ihr bey Euch gefallen hat 〈…〉 am ersten Pfingstfest schickte sie mir mit der Post 2 Schachtelen – mit 2 Süperben Blumen auf Hauben so wie ich sie trage – und eine prachtige porzelärne Schocolade Taße weiß und gold. (Köster 1904, Bd. II, S. 156 f.) Christiane sandte beide Briefe an Goethe nach Jena, der ihr am 24. Mai schrieb: Der Mutter Brief hat mich weit mehr erbaut als der
Brief von Bettinen. Diese wenigen Zeilen haben ihr mehr bey mir geschadet, als deine und Wielands Afterreden. Wie das zusammenhängt, auszulegen, dazu würde ich viele Worte brauchen. (WA IV, Bd. 19, S. 335.) – In Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde ist der Brief nahezu wörtlich wiedergegeben und auf den 5. Mai datiert. Dort einziger weitgehend authentischer Brief Bs an Catharina Elisabeth Goethe. Ihre anderen Briefe an Goethes Mutter im Goethe-Buch sind fingiert und dessen Entstehungszeit zuzuschreiben. Datierung: Goethes Mutter erhielt das in Bs Brief angekündigte Geschenk am 17. Mai (Pfingstsonntag); B wird ihn im Zusammenhang mit der Geschenksendung geschrieben haben: vmtl. am 15. Mai; die Post wird zwei Tage unterwegs gewesen sein (zur Beförderungsdauer vgl. Datierung von Nr. *230). Catharina Elisabeth Goethe erwähnte den Brief noch nicht in ihrem Brief an Christiane vom 16. Mai, sondern schickte ihn erst mit dem folgenden vom 19. D1: Steig 1922, S. 12; datiert: Mai 1807. D2: Kat. Henrici 148, Nr. 39, S. 9; TD. D3: B/WuB II, S. 575, 1110; datiert: vor dem 17. Mai 1807. DV: H.
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Zu Nr. 245
Veränderungen 2 4
daß] s aus ß Verehrung] er aus h
*244. Von Clemens Brentano nach Kassel Frankfurt, zweite Hälfte Mai 1807 B: Nr. 241. A: Nr. 250. Datierung: Am 12. Mai hatte Clemens aus Frankfurt an Görres geschrieben, B sei in Kassel und er gehe also auch hin (FBA XXXI, S. 599,7–8). Bald danach muß sich die Reiseabsicht aber geändert haben, wie sich aus seinem gegen Mitte Juli an Arnim geschriebenen Brief ergibt: der Bruder Georg gieng
plötzlich nach Amsterdam und ich gieng mit und habe im Frühling Holland sehr lieb gewonnen in l4 Tagen (WAA XXXIII, Nr. 557,146–148). Einem etwa gleichzeitigen Brief an Görres zufolge war er vier Wochen in Holland und drei Wochen in Koblenz (FBA XXXI, S. 610,27). Da B ihren Antwortbrief vom 6. Juni nach Koblenz adressierte, wird er ihr spätestens Ende Mai aus Frankfurt die beabsichtigte Reise mitgeteilt haben.
245.
Von Franz Brentano nach Kassel Frankfurt, 16. Mai 1807, Sonnabend
B: Nr. *242. A: –. H: GSA 03/505. – Format: 1 Bl. ca. 248 × 198 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, derb, Ränder beschädigt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß. Oblatenrest. – WZ: F Gruhl. Fremdeinträge: 1r aoRm: 3, aoRr: 16, auRl: 7 | 1v aoRr: 17. DV: H.
Veränderungen 14
hat er] danach gestr. ge
1663
Zu Nr. 245
Erläuterungen 3 du würdest mit Clödgen her kommen] Vgl. Meline Brentano an Savigny, Frankfurt, 14. Mai 1807: Den Mitwoch 〈13. Mai〉 〈…〉 wie wir so alle ver-
sammelt waren, schlich sich die Claudine zum Zimmer herein. Sie kömmt über Cassel, hat dort einen Tag bey Jordis ausgeruht. Die Bettine hatte ihr viel von Berlin und von Göthe zu erzählen. (SPK/NS 104/13.) 8–11 angst vor winkel 〈…〉 Tony mit den Kinder] Vgl. Nr. 226,78–81 und Erl. sowie Meline Brentano an Savigny, Winkel, 24. Mai 1807: Diesen Morgen 〈…〉 Dann giengen wir in großer Sonnenhitze, nach Oestrig; ich gieng dort in die Kirche; auf dem Rückweg sahen wir das Grab der Günderoth, welches aber schlecht ausgefallen ist. Es ist nämlich an der Wand, ein großer grauer Stein eingemauert, auf welchem ein Grabschrift, von ihr selbst gedichtet eingegraben ist, aber so schlecht, daß man es schon jezt nicht mehr lesen kann. (SPK/NS 104/14.) 12–14 Dein armes Künstlerlein 〈…〉 Bild Copirt?] Der Kopist des von Franz Brentano am 8. Mai bewunderten, nicht identifizierten Bildes. Vgl. Nr. 240,1–10. 12 der Fürst] Dalberg. 17 schank] »nebenform zu schrank in gleicher bedeutung« (DWb XIV, Sp. 2160).
246.
Von Catharina Elisabeth Goethe nach Kassel Frankfurt, 19. Mai 1807, Dienstag
B: Nr. 243. A: Nr. *247. H: FDH 17319. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 192 mm; 1r beschr.; 2r[!] Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig, rotes Siegel; restauriert. – WZ: VANDERLEY. Fremdeinträge: 2v aoRm: 17319. Besonderheiten: In Blattmitte B: von Weise gelesen. (Vmtl. Christian Hermann Weiße.) D1: B 1848, Bd. II, S. 206 f.; etwas verändert. D2: Carriere 1880, S. 82; mit Angabe der Varianten in D1. D3: Köster 1904, Bd. II, S. 157 f. (Nr. 385). D4: Fränkel 1906, Bd. II, S. 175. D5: Steig 1922, S. 12 f.
1664
Zu Nr. *248
D6: Kat. Stargardt 559, S. 206, Nr. 90; S. 207 Faksimile; TD. DV: H.
Erläuterungen 5 dein Geschenk] Die im Bezugsbrief angekündigte Tasse. 14–15 da ich von meiner Schwieger Tochter hörte] Der Brief Christianes ist nicht bekannt.
*247. An Catharina Elisabeth Goethe in Frankfurt Kassel, vmtl. letztes Drittel Mai/erstes Drittel Juni 1807 B: Nr. 246. A: Nr. 251. Besonderheiten: B muß bald nach ihrem überlieferten Brief an die Frau Rath vom 15. Mai (Nr. 243) noch (zumindest) einen weiteren an sie geschrieben haben. Das kann aus dem Brief der Frau Rath vom 13. Juni geschlossen werden, in dem es heißt: verzeihe wenn ich nicht jeden deiner mir so theuren Briefe beantworte (Nr. 251,10–12). Demnach hat B bis dahin (mindestens) zweimal an Goethes Mutter geschrieben, und mit dem zweiten wird sie deren Brief vom 19. Mai bald nach Erhalt beantwortet haben. Vgl. B an Savigny, vmtl. 28. Juni 1807: mit der Alten Goethe bin ich in Correspondence (Nr. 257,59). Datierung: Vgl. Besonderheiten.
*248. Von Antonia Brentano nach Kassel Winkel, zwischen Anfang und Ende Juni 1807 B: –. A: Nr. *249. Datierung: Franz Brentano hatte B am 16. Mai berichtet, zunächst würden der Bruder Georg und andere auf 14 Tage nach Winkel im Rheingau reisen, dann Tony mit den Kinder (Nr. 245,8–10 ). Bs Schwägerin wird demnach Ende Mai/Anfang Juni nach Winkel gefahren sein; daß sie vom Rhein schrieb, geht aus dem Belegbrief Bs an Savigny hervor. Terminus post quem des Briefwechsels ist demnach Anfang Juni. Der Terminus ante quem ist mit dem er-
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Zu Nr. *248
schlossenen Datum des Belegbriefs gegeben. Es wird jeweils ein Brief an und von B registriert.
*249. An Antonia Brentano in Winkel Kassel, zwischen Anfang und Ende Juni 1807 B: Nr. *248. A: –. Datierung: Vgl. Nr. *248.
250.
An Clemens Brentano in Frankfurt Kassel, 6. Juni 1807, Freitag
B: Nr. *244. A: –. H: GSA 03/1052. – Format: 1 Bl. ca. 248 × 207 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß; restauriert. – WZ: –. Fremdeinträge: 1r aoRl: 1, aoRr unter Datum: 1807, auRl: 1. Besonderheiten: Der Brief wurde zunächst, wie sich aus der gestrichenen Adresse und Neuadressierung (vgl. Postzeichen) ergibt, nach Koblenz geschickt und dann von dort nach Frankfurt befördert. B wird angenommen haben, Clemens halte sich auf seiner (vmtl. im Bezugsbrief angekündigten) Reise nach Holland noch in Koblenz auf. Er war jedoch bereits abgereist, wie aus einem Brief Joseph Görres’ vom 3. Juni aus Heidelberg an seine Schwiegermutter Maria Christine Clementine de Lassaulx in Koblenz geschlossen werden kann (Schellberg 1911, Bd. II, S. 97), und las den Brief erst, als er gegen Mitte Juli wieder in Frankfurt war. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORD. | Portozeichen | Bs Adressierung mit Ausnahme der ersten Zeile (Herrn Clemens Brentano) gestrichen und dafür neu adressiert: in der Sandgaße / Francfort / s/m. Quer neben Adresse: Cassel. D1: Kat. Henrici 149, S. 56, Nr. 163; TD. D2: Hahn 1958, S. 48 f. DV: H.
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Zu Nr. 251
Veränderungen 29 denselben] erstes n aus 〈x〉 31 kleinen] kl aus Fe 37–41 adresse: 〈…〉 Coblentz] Vgl. Postzeichen.
Erläuterungen 5 Reise] Vgl. Nr. *244 (Datierung). 15 der Ring] Vgl. Nr. 241,45–46 und Erl.
251.
Von Catharina Elisabeth Goethe nach Kassel Frankfurt, 13. Juni 1807, Freitag
B: Nr. *247. A: –. H: StA Hannover, Autographensammlung Culemann, Sign. 0750. – Format: 1 Dbl. ca. 230 × 190 mm; 1r–1v 1¾ beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: VANDERLEY. Fremdeinträge: 1r auRl Stempel: K. M., darin: S. B. K. V. 137, daneben: 750, auRr: 137. D1: Anonym 1846, Nr. 248; Faksimile; »Aus der Sammlung des Hrn Carl Künzel in Heilbronn«. D2: B 1848, Bd. II, S. 207–209; etwas verändert. D3: Loeper 1879, S. 148–157; Paralleldruck mit Version in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde. D4: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 159–161 (Nr. 1). D5: Köster 1904, Bd. II, S. 158 f. (Nr. 386). D6: Fränkel 1906, Bd. II, S. 176 f. D7: Steig 1922, S. 16 f. DV: H.
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Zu Nr. 251
Veränderungen 5 dich] danach gestr. Buchstabenansatz 16 die] alR 33 gebührt] danach gestr. je mehr es 〈xxx〉
Erläuterungen 6 Meine Schwieger^Tochter 〈…〉 geschrieben] Der Brief Christianes ist nicht bekannt. 16–18 Recenzion aus den Theoloischen Annalen 〈…〉 im 3ten Band von Goethens Wercken.] Kurze anonyme Besprechung des sechsten Buchs (Bekenntnisse einer schönen Seele) von Wilhelm Meisters Lehrjahren, erschienen in: Neue Theologische Annalen und theologische Nachrichten, hg. von Ludwig Wachler, 1807, Bd. I, Stück 19 (Mai), nachdem die Bekenntnisse im dritten Band (Tübingen 1806) der Cottaschen Ausgabe der Werke Goethes erneut erschienen waren. Auch Goethe erhielt von seiner Mutter eine Abschrift.
252.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Kassel, 15. Juni 1807, Sonntag
B: –. A: Nr. *263. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 250 × 203 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; vmtl. 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 2, aoRr: 1e lettre à Goethe S. 185, darunter Stempel: 1, 2r nach Datum: [1807]. Besonderheiten: In Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde auf den 15. Mai 1807 zurückdatiert. D1: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 159–161. D2: Fränkel 1906, Bd. II, S. 177–179. D3: Steig 1922, S. 17–19. D4: Bergemann 1927, S. 185–187 (Nr. 1). D5: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (1), S. 10; TD (kurzer Auszug).
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Zu Nr. 252
D6: B/WuB II, S. 575 f. DV: H.
Veränderungen 42
Schönste] S aus 〈x〉
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen B/WuB II, S. 989 f. 1–4 Liebe Liebe Tochter 〈…〉 liebt] Vgl. Nr. 251,2–5. 9 Dorne und Distlen] Vgl. Nr. 231,6–7 und Erl. 31–32 mein Kind 〈…〉 Liebes Herz!] Von Goethe variiert in Vers 9 seines Sonetts Sie kann nicht enden: Lieb Kind! Mein artig Herz! Mein einzig Wesen! (Goethe/MA IX, S. 17.) Auch in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde (B/WuB II, S. 130 f.) Vgl. Nr. 287 (Besonderheiten). 45–46 »Im Arm der Liebe 〈…〉 Erde«] Anfangsverse des Liedchens von der Ruhe (1788 im Göttinger Musenalmanach) von Hermann Wilhelm Franz Ueltzen, vertont von Peter von Winter und Ludwig van Beethoven; ebenfalls in Ueltzens Liedchen vom Erwachen (in seinen Mannigfaltigkeiten zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung, Gera 1807). Die erste Strophe im Göttinger Musenalmanach lautet:
Im Arm der Liebe ruht sich’s wohl, Wohl auch im Schoß der Erde; Ob’s dort noch oder hier sein soll, Wo Ruh ich finden werde, Das forscht mein Geist und sinnt und denkt Und fleht zur Vorsicht, die sie schenkt. (Kippenberg/Michael 1922, S. 322.) 46–47 »Ich wollt ich läg 〈…〉 tief«] Anfang des Volkslieds den. Die erste Strophe lautet:
Ich wollt, ich läg und schlief Viel Tausend Klaftern tief, Im kühlen Schoß der Erden, Weil du nicht mein kannst werden Und nichts zu hoffen hab Als nur das kühle Grab. 1669
Liebeswun-
Zu Nr. 252
(Erk/Böhme 1893–1894, Bd. II, S. 507 f.) 48 mit einem Blick in Ihre Augen] Von Goethe variiert in Vers 1 seines Sonetts Die Liebende schreibt: Ein Blick von deinen Augen in die meinen (Goethe/MA IX, S. 16). Auch in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde (B/WuB II, S. 129).
253.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 17. Juni 1807, Mittwoch
B: –. A: Nr. 261. H: FDH 7234. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 186 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 98 × 118 mm. – Papier: Leicht fleckig; Ku an den Ecken beschädigt, braune Flecke, Siegel. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 159 | 2v auRr: 7234 | Kur B: Königsberg 17ter
Juni 1807. Besonderheiten: Der Brief wurde B von Bruder Franz mit Nr. 260 von Frankfurt nach Kassel nachgeschickt. Zu ihm ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 547.E). D1: Steig 1913, S. 55 f. D2: Kat. Henrici 149, S. 18, Nr. 78; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 96–98 (Nr. A16). D4: WAA XXXIII, S. 33–34 (Nr. 547). DV: H.
Veränderungen 13 19 20 26 43 54 56
Mensch] üdZ eing. allen] aus den als] aus 〈xx〉 die] üdZ eing. Gouverneur] danach gestr. der Stadt nicht] n aus 〈x〉 als] aus wenn
1670
Zu Nr. 253
Erläuterungen 5 Die Fluth ist über unsre Köpfe hingezogen] Am 14. Juni hatte Napoleon in der Schlacht von Friedland (etwa 40 km südöstlich von Königsberg) die russischen Truppen unter Bennigsen vernichtend geschlagen. Am 16. Juni nahmen die Franzosen Königsberg ein. 8 der Weg ist offen] Nach der Aufhebung der Belagerung Königsbergs durch die siegreichen französischen Truppen. 17 einen Garten gebaut] Vgl. Arnim an Brentano, ab Mitte Mai–17. Juni 1807: er wurde so allmählich aus einer Bohnenlaube am Teiche, erst
ein Blumenbeet zur Erinnerung deines Hauses mit zwey Levcojenstöcken geziert, die herrlich roth blühen, drüber erheben sich Sonnenblume, Nachtviole, Mayblumen, Vergißmeyn nicht an der Seite; dann ein Berg zur Erinnerung an Heidelberg, ein Berg, einen Fuß hoch, oben mit wilden Pflanzen gedeckt wie mit Wildem Holz unten mit Gärten. Weiterhin zur Ehre von Bettine ein Hügel mit weissen Lilien und Feuerlilien, die bald aufblühen werden, den Beschluß machen vermischte Saaten aller Art. Es wird eine Weltgeschichte wenn ich so fort arbeite, denn alles ist wieder allegorisch dabey. (WAA XXXIII, Nr. 543,71–81.) 23–24 auf dem Schloßteiche 〈…〉 die Königin 〈…〉 umherfuhr] Die preußische Königin Luise, die am 5. Januar 1807 von Königsberg nach Memel geflüchtet war, hielt sich vom 18. April bis Anfang Juni wieder in Königsberg auf, von wo sie nach Memel zurückging. Vgl. Arnim an seinen Bruder Carl Otto, 8. Juni: Du würdest hier deine wahre Freude gehabt haben, an Wasserfesten, mit ihr 〈der Königin〉, kleine Soupers, wo alle Teufelskerl
von sogenannten Staatsmännern, ich habe es nicht ohne Rührung und Lust mitgemacht, zu weilen auch mit Langeweile (WAA XXXIII, Nr. 545,20–24). Der hannoversche Geschäftsträger am preußischen Hof Georg Albrecht von Hugo berichtete am 31. Mai 1807 aus Königsberg: Achim
von Arnim, der Bruder Pitts, ist hier und macht Verse. Die Königin singt am liebsten seine herausgegebenen Lieder zur Guitarre, als »Juchhei, lieblich ist die Jägerei« und »Es ritten drei Reiter zum Thore hinaus, Ade«. Ich bin auf einer Wasserpartie auf dem Schloßteich mit gewesen, wo ich diese göttlichen Töne gehört habe, und wo man bis der Mond heraufzog, auf dem Wasser blieb, im Schwimmen Thee trank und sich erkältete. (Ompteda 1869, Abt. I, S. 298.) Vgl. Arnim an B, 22. Juli 1810 (Nr. 791,13–14). 26 der König] Friedrich Wilhelm III. von Preußen, nach Memel geflüchtet.
1671
Zu Nr. 253
33–34 d* 16 〈…〉 im Gedächtniß trage] Reminiszenz an den 16. November 1797, als mit dem Tod Friedrich Wilhelms II. von Preußen und dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. eine neue, progressivere Phase der preußischen Geschichte begann. 35 Morgens um drey Uhr den Einmarsch der Franzosen] Mit einem Korps unter Marschall Soult. Napoleon kam erst am 10. Juli, nach Abschluß des Tilsiter Friedens, nach Königsberg. 36 daß ich ihn aus dem Englischen Hause sah] Reminiszenz Arnims an seinen Frankfurt-Aufenthalt im Sommer und Frühherbst 1805, als er im Englischen Hof am Roßmarkt wohnte. Am 1. September 1805 hatte er an Sophie Brentano geschrieben: wenn Sie Lust haben mit 〈dem französischen Luftschiffer〉 Garnerin auf zu steigen, kommen Sie bald, den siebenten fährt
er gen Himmel. Auch wunderbare Drathtänzer der Sr Furioso und Consorten, beginnen ihr Spiel, Bonaparte läst seine guten Landes Kinder zur Messe kommen, viel altes gutes ehrliges biedres Schwitzer Volk ist schon zusammengelaufen, der Krieg fängt an; was wollen Sie mehr zur Unterhaltung von Frankfurt fordern? (WAA XXXII, Nr. 386,14–20.) 40–41 Ihre Ahndungen 〈…〉 Troja] Rückbezug auf Nr. 197,26–39. 47–48 Statue Friedrichs des ersten] Friedrich Wilhelm III. hatte der Stadt Königsberg 1801 das von Andreas Schlüter 1697 entworfene Denkmal des ersten preußischen Königs Friedrich I. geschenkt, das 1802 auf einem von Gottfried Schadow entworfenen Sockel vor der Schloßwache aufgestellt wurde. (1945 verschollen; Kopie vor dem Charlottenburger Schloß in Berlin.) 55 wo der Preussische Name entstanden] Der Name Preußen geht auf den heidnischen Stamm der Prußen zurück, der das Gebiet zwischen den Flüssen Weichsel und Memel besiedelte und zu den baltischen Völkern gehörte. In der ersten Hälfte des 13. Jhs. besetzten die Deutschordensritter das Siedlungsgebiet, wogegen sich die Prußen zwar auflehnten, aber nicht vertrieben wurden. Der Frieden von Christburg 1249 regelte das Verhältnis zwischen ihnen und dem Orden, die prußische Sprache erhielt sich vereinzelt noch bis ins 17. Jh. (Vgl. Neugebauer 2004, S. 12 f.) 57 ein Mädchen] Auguste Schwinck. 61–62 in meinem vorigen 〈…〉 Namen genannt] Nr. 232,53–55.
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Zu Nr. 255
*254. An Franz Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. letztes Drittel Juni/erstes Drittel Juli 1807 B: –. A: Nr. 260. Datierung: Der Terminus ante quem ist durch das Datum des Antwortbriefes (11. Juli) bestimmt, eine genauere Datierung nicht möglich.
255.
Von Dettmar Basse nach Kassel Paderborn, 25. Juni 1807, Donnerstag
B: –. A: Nr. *258. H: GSA 03/494. – Format: 1 Dbl. ca. 332 × 210 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 1x längs, 3x quer gefaltet. – Papier: Derb, 2v verschmutzt. – WZ: Lilienschild. Fremdeinträge: 1r aoRm: 4, aoRr: 12, auRl: 1 | 1v aoRr: 13 | 1r am Ende des ersten Absatzes: cf 〈xxx〉 S 88. DV: H.
Veränderungen
muß. –] danach mit anderer Tinte 〈x〉 Liebe Sie Ich h von] üdZ eing. Welt] danach gestr. versetzen einigen] danach gestr. gewohn Sie] danach gestr. ihn Dbasse] darunter mit anderer Tinte bald Ihr Gemahl oder Sie die Gemahlin eines anderen. 21 37 40 42 48 57
Erläuterungen 3–6 Der Abschied von so lieben Menschen 〈…〉 von einem Bauern] Der 1803 nach Pennsylvania ausgewanderte Dettmar Basse war Anfang 1807 nach Frankfurt zurückgekehrt, um seine Kinder nach Übersee abzuholen. Kassel wird er im Zusammenhang seiner früheren diplomatischen Tätigkeit für den Landgrafen von Hessen-Kassel besucht haben. Er dürfte auch Beziehungen zu Bs Schwager, dem Bankier Jordis, gehabt haben und über diesen mit
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Zu Nr. 255
ihr bekannt geworden sein. Sie wird ihn jedoch bereits von Frankfurt her gekannt oder von ihm gehört haben. 11 Harmonisten] Die Harmonie-Gesellschaft, eine aus Württemberg ausgewanderte pietistische Vereinigung, der Basse die Hälfte seines in Pennsylvania erworbenen Landes vorteilhaft verkauft hatte. (Vgl. Spangenberg 2001, S. 95–99.) 16 Welsch=Korn=Feld] Maisfeld. 19 Schwester] Lulu Jordis. 24 Wmshöhe] Wilhelmshöhe (bei Kassel). 28 sprang der Böse Bock von Wagen] Basse führte zwei kostbare Merinoschafböcke in Pennsylvania ein, mit denen er dort erfolgreich Handel betrieb. (Vgl. Spangenberg 2001, S. 103, 106–108.) 44–46 Frau Rath Göthe 〈…〉 zu empfehlen] Goethes Mutter war über Basses Schwiegervater, den Frankfurter Kaufmann und Ratsherrn Johann Leonhard Kellner, mit Basse bekannt. Sie gehörte zu den regelmäßigen Sonntagsgästen auf Kellners Landgut in Oberrad (bei Frankfurt). (Vgl. Dietz 1925, Bd. IV/2, S. 573.)
*256. An Meline Brentano in Frankfurt Kassel, vmtl. 28. Juni 1807, Sonntag B: –. A: –. Beilagen: Nr. 257. Datierung: Meline Brentano erhielt den Brief vmtl. am selben Tag, an dem sie den ihm beigelegten an Savigny diesem weiterschickte: am 30. Juni (vgl. Belegbrief). Der Brief wird zwei Tage von Kassel nach Frankfurt unterwegs gewesen sein; (Zur Beförderungsdauer vgl. Datierung von Nr. *230.)
257.
An Friedrich Carl von Savigny in Wien Kassel, vmtl. 28. Juni 1807, Sonntag
B: –. A: Nr. 262. H: SPK/NS 7/4. – Format: 1 Dbl. ca. 250 × 205 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, oben und unten ein-
1674
Zu Nr. 257
gerissen, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 38, aoRr: 3 | 2r aoRr: 4 | 2v auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Besonderheiten: Beilage zu Nr. *256. Von Meline Brentano von Frankfurt nach Wien weitergeschickt. Datierung: Vgl. Nr. *256. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 64 f. (Nr. 38); datiert: Juni 1807; nach S. 64 Faksimile von 1r. DV: H.
Veränderungen 34 56 57
ich] danach gestr. die rührt] danach gestr. pp mal] danach gestr. darum gebethen
Erläuterungen 8 das hat dir Meline erzählt] Vgl. Nr. *237. 11 Ring von Göthe] Vgl. Nr. 241,45–46 und Erl. 34–35 wie die Herzogin Gloster 〈…〉 Gefängniß«] König Heinrich VI. Zweiter Teil, II/4, Schluß: Geh, führe. Mich verlangt in mein Gefängnis. 37 Gemeinheit] Vgl. zu Nr. 141,13. 38–39 die Toni 〈…〉 Briefwechsel] Vgl. Nr. *248, *249. 46 vis a vis d’elle] gegenüber von ihr. 54 der treue Arnim schreibt mir immer noch] B wird zuletzt Arnims Brief vom 27. März 1807 (Nr. 232) erhalten haben. 56 Tieks bildniß 〈…〉 in Gips basrelief] Vmtl. Friedrich Tiecks Relief von seinen Geschwistern Ludwig und Sophie Tieck, Medaillon aus dem Jahr 1796. (Vermutung Schellberg/Fuchs 1942, S. 65.) 57 ich hab ihm zwei mal geschrieben] Vgl. Nr. 202, 205. 59 mit der Alten Goethe 〈…〉 in Correspondence] Vgl. Nr. 243, 246, *247, 251.
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Zu Nr. *258
*258. An Dettmar Basse in Amsterdam Kassel, vmtl. Anfang Juli 1807 B: Nr. 255. A: Nr. 259. Datierung: In der zeitlichen Mitte zwischen Bezugs- und Antwortbrief.
259.
Von Dettmar Basse nach Kassel Amsterdam, 10. Juli 1807, Freitag
B: Nr. *258. A: –. H: GSA 03/494. – Format: 1 Dbl. ca. 245 × 204 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, rotes Siegel. – WZ: J WHATMAN. Fremdeinträge: 1r auRl: 2 | 2r auRl: 3. DV: H.
Veränderungen 70–71
Einige Minuten 〈…〉 seÿn,] nachträgl. links neben Unterschrift
Erläuterungen 6 Meine Kinder] Basses Tochter Friederike Wilhelmine, genannt Zélie, der seit 19. Juni mit ihr verheiratete Philipp Louis Passavant sowie der sechzehnjährige Sohn Carl. (Vgl. Spangenberg 2001, S. 100–103.) 8 Helder] Das noch nicht eingedeichte Marschland. 31 Meine Schafe] Vgl. Nr. 255,27–32 und Erl. 46–47 Wir 〈…〉 werden 〈…〉 vor den 25t Europa nicht verlassen.] Die Reisegesellschaft stach an Bord der Frederick Augustus am 25. Juli 1807 in Amsterdam in See und traf am 15. September 1807 in Philadelphia ein. (Vgl. Spangenberg 2001, S. 100–103.) 52 Schwester] Lulu Jordis. 64 Bruder] Vmtl. Clemens.
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Zu Nr. 260
260.
Von Franz Brentano nach Kassel Frankfurt, 11. Juli 1807, Sonnabend
B: Nr. *254. A: –. H: GSA 03/505. – Format: 1 Bl. ca. 225 × 214 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Abgerissene Dbl.-Hälfte, zerknittert, fleckig, links eingerissen. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | HONIG & ZOO-
NEN. Beilagen: Arnims Brief vom 17. Juni 1807 (Nr. 253). Fremdeinträge: 1r aoRr: 18, aoRm nach Anrede: 4, auRl: DV: H.
8 | 1v aoRr: 19.
Erläuterungen 3–6 Kleinen Künstler 〈…〉 sein Bild hier geehrt zu finden] Der Kasseler Kopist des von Franz Brentano geschätzten Bildes, das B ihm geschickt hatte (vgl. Nr. 245,11–15). Sie unterstützte den (nicht identifizierten) Maler mit einem Stipendium für einen Paris-Aufenthalt, wie aus Brentanos Brief an Arnim von Mitte Juli 1807 hervorgeht: Einen armen talent vollen Buklichen hat sie auf eigne Kosten nach Paris geschickt. (WAA XXXIII, Nr. 557,213–214.) 5 bei Städel] Bei dem Frankfurter Bankier und Kunstsammler Johann Friedrich Städel, der Interessenten Zutritt zu seinen Schätzen gewährte und das nach seinem Tod (1816) öffentlich zugängliche Städelsche Kunstinstitut stiftete. 16–17 der schreiber 〈…〉 bei der Preusischen feurigen Catastrophe nicht verbrennt] Arnim bei den preußischen Niederlagen gegen Frankreich. 22–23 Brandimarte 〈…〉 Roger] Helden in Ariosts Ritterepos Orlando furioso (1532). 24 Hasen Ritter] Der Name geht auf ein Mißgeschick zurück, das dem Grafen Wilhelm IV. von Holland und Hennegau begegnet sein soll. »Er stand in Schlachtordnung gegen die Engländer, vor ihm seine französischen Verbündeten. Da sprang im Felde ein Hase auf und flüchtete sich unter die Franzosen. Diese schrieen darüber und lärmten und machten großen Halloh. Nun glaubte man in den hinteren Reihen, vorn sei schon Alles an den Feind, rasch wurden Ritter geschlagen, und Wilhelm allein machte vierzehn. Es kam aber nicht zur Schlacht, und die vierzehn Ritter wurden den Namen ›Hasenritter‹ Zeit ihres Lebens nicht mehr los.« (Löher 1861, S. 401.)
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Zu Nr. 261
261.
An Ludwig Achim von Arnim in Königsberg Kassel, 13. Juli 1807, Montag
B: Nr. 253. A: Nr. 264. H: FDH 7396. – Format: 1 Dbl. ca. 248 × 202 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Zerknittert, fleckig. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 160. Besonderheiten: B geht in dem Brief großzügig mit Zeitangaben um. Sie war nicht vor 8 Wochen in Berlin, sondern vor zwölf, und nicht schon ein ganz halb Jahr in Kassel, sondern seit Ende Februar. D1: Steig 1913, S. 56–58. D2: Kat. Henrici 149, S. 18, Nr. 78; TD (kurzer Auszug). D3: Müller 1961, S. 149 f. D4: Betz/Straub 1986, S. 99–101 (Nr. B12). D5: B/WuB IV, S. 47–49 (Nr. 16). D6: WAA XXXIII, S. 44–45 (Nr. 556). DV: H.
Veränderungen 5 und] danach gestr. Ihre 10 In] davor gestr. Schon 21 ist] aus im 21 wohl] alR eing. 21 Auch] A aus 〈x〉 44 ehrend] danach gestr. was 47 löst,] danach gestr. und
Erläuterungen 8 In Berlin 〈…〉 vor 8 Wochen] Mit dem Ehepaar Jordis von etwa 13. bis 20. April. 9 Ihrer Wohnung] Das Haus der Großmutter Caroline von Labes am Quarré (seit 1814 Pariser Platz) Nr. 4. 10–11 In Weimar 〈…〉 in Göthes Antliz] Am 23. April auf der Rückreise von Berlin nach Kassel. 18 das Mädgen] Auguste Schwinck.
1678
Zu Nr. 262
36 mahle 〈…〉 in Oel] An der Kasseler Kunstakademie. 37–38 Clemens 〈…〉 Reiße nach Holand 〈…〉 mit *244 (Datierung), Nr. 250 (Besonderheiten). 45 einen Ring von ihm] Vgl. Nr. 241,45–46 und Erl.
262.
George] Vgl. Nr.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt( ? ) Hietzing (bei Wien), 14. Juli 1807, Dienstag
B: Nr. 257. A: Nr. 267. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 221 × 183 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Roter Siegelrest. – WZ: HO-
NIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRm: 12, aoRr: 35 | 1v aoRr: 36 | 2r aoRr: 37 | 2v aoRr: 38. Besonderheiten: Vmtl. Beilage zu einem an die Frankfurter Verwandten gerichteten Brief. D1: Härtl 1979, S. 119 f. (Nr. 19). DV: H.
Veränderungen 7 dir] aus dich 21 was] danach gestr. in 23 worin] danach gestr. das
Erläuterungen 1 Hizingen] Westlich von Wien, später eingemeindet (Hietzing). 33 Herders Schriften 〈…〉 Cid] Herder, Sämmtliche Werke, hg. von Johannes von Müller, Johann Georg Müller u. a. Tübingen: Cotta 1805–1820. 45 Bde. Bis einschließlich 1807 erschienen 24 Bände, darunter 1805 (Abt. 2, Teil 3) Der Cid. Nach Spanischen Romanzen besungen. Vgl. Savigny an Friedrich Creuzer, 14. Juli 1807: Ich habe in der lezten Zeit viel in Her-
ders Schriften gelesen, und mich sehr daran erfreut. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, daß in seinen Fragmenten zur deutschen Lite1679
Zu Nr. 262
ratur das Wesentliche von Wolfs Ansicht des Homer enthalten ist. (Stoll 1927, S. 304.)
*263. Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Karlsbad, 20. Juli 1807, Montag B: Nr. 252. A: Nr. 276. Besonderheiten: Verschollene Beilage zu Goethes ebenfalls verschollenem Brief an seine Mutter aus Karlsbad vom 20. Juli 1807. Den Brief nebst Beilage überbrachte ihr der Frankfurter Bankier Städel erst am 16. August 1807. (Vgl. Bergemann 1927, S. 34.) Bekannt ist die in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde mitgeteilte, vmtl. weitgehend authentische Version. – Frau Rath antwortete Goethe am 8. September 1807 mit Bezug auf B. Vgl. Nr. 276 (Besonderheiten). Datierung: Aufgrund des bekannten Datums des Briefes Goethes an seine Mutter. D1: B 1835, Bd. I, S. 119. D2: Zahlreiche weitere Drucke. DV: D1.
264.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, Ende Juli–6. August 1807, Donnerstag
B: Nr. 261. A: Nr. 274. H: FDH 7235 + 7236. – Format: 2 Dbl. je ca. 235 × 193 mm; 1r-4v 8 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 105 × 128 mm. – Papier: Grau, fleckig. – WZ: Jeweils PIETER DE VRIES & COMP. Fremdeinträge: 1r aoRl: 161 | 2v auRr: 7235 | 3r aoRl: 162 | 4v auRr: 7236 | Kur spätere Notiz Bs: Königsberg 6 August 1807. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 559.E). – Vgl. Meline Brentano an Savigny, 26. August 1807: Am Sonntag 〈23. August〉 wurde Bettine krank, sie bekam heftige Krämpfe
und liegt seydem zu Bett. Jezt ist sie wieder viel besser sie wird wohl Morgen aufstehen. Diese 3 Tage brachte ich natürlich an ihrem Bett zu; ihr könnt leicht denken, daß mich das nicht sehr froh machte. Ihre 1680
Zu Nr. 264
Krämpfe kamen zum Ausbrug durch einen Brief von Arnim. Ich weiß nicht warum sie dieser Brief so reizte, denn ich las ihn, und nur ein wenig feuriger als seine vorhergehende. Bettine ist sehr krittlich, ja sogar entsezlich aprehensiv, wenn sie krank ist; dies erschwert ihre Bedienung sehr. (SPK/NS 104/16.) Datierung: Arnim schrieb den ersten, undatierten Briefteil (das erste Doppelblatt) einen Tag nach Erhalt des Bezugsbriefes, wartete jedoch mit dem Abschicken, da ihm noch unklar war, wann und wohin er nach dem Abschluß des Tilsiter Friedens (7./9. Juli), der den Vierten Koalitionskrieg beendete, von Königsberg abreisen würde. Die (vorläufige) Entscheidung teilte er B im zweiten, vom 6. August datierten Briefteil (zweites Doppelblatt) mit. Demnach war sie am vorangegangenen Sonntag (2. August) gefallen. Arnim wird den Bezugsbrief Bs einige Tage zuvor erhalten und zu beantworten begonnen haben: Ende Juli. D1: Steig 1913, S. 58–60; erster Briefteil nicht datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 101–105 (Nr. A17); erster Briefteil datiert Juli 1807. D3: WAA XXXIII, S.54–58 (Nr. 559). DV: H.
Veränderungen 11 habe ich immer wieder gelesen] üdZ eing. 12 das] d aus w 66 Fortschrit] üdZ eing. 76 was] danach gestr. die 78 alle] aus diese 90 sich] eing. 101–102 bis sie 〈…〉 bey Licht,] idZ eing. | danach gestr. die 104 aus Ihnen] üdZ eing. 107 noch] aus und 108–109 Weimar ist von Halle nur eine Tagreise] üdZ eing. 110 bey Halle im Saalkreise] üdZ
Erläuterungen 1–2 Welch ein heisser Sommer 〈…〉 um uns damit zu viertheilen] Arnim setzt Bs Kenntnis des unweit von Königsberg ausgehandelten Tilsiter Frie-
1681
Zu Nr. 264
dens voraus und spielt vmtl. darauf an. Geschlossen zwischen Napoleon und Zar Alexander I. (7. Juli) sowie zwischen Napoleon und Friedrich Wilhelm III. von Preußen (9. Juli), beendete er den Vierten Koalitionskrieg, teilte Osteuropa in eine französische und eine russische Einflußsphäre und reduzierte Preußen, das 120 Millionen Francs Kriegskontribution zahlen mußte, auf die Hälfte seines Territoriums. Der Friedensschluß war die Voraussetzung für Arnims Abreise von Königsberg. 13 Donnerkeile] »Waffen und Werkzeuge der Steinzeit, deren Zweck und Bedeutung unverständlich war, und denen der Aberglaube einen übernatürlichen Ursprung und außerordentliche Eigenschaften zuschrieb« (MGKL V, S. 118). 23–25 heute 〈…〉 zu ihr 〈…〉 sich einzuschreiben] Ein nur von Auguste Schwinck unterzeichneter Eintrag ist in Arnims Stammbuch nicht überliefert. Sie scheint sich heute nicht eingetragen zu haben – und Arnim berichtet auch nicht, daß sie das getan hat –, sondern mit Familienangehörigen und Freunden erst am 5. August (vgl. WAA XXXIII, Nr. AI.74), als der Geburtstag ihrer Mutter gefeiert wurde und Arnim einen Tag später mit Reichardt von Königsberg abreisen wollte, wie aus dem zweiten Briefteil hervorgeht. 29 meinen Blumengarten] Vgl. Nr. 253,17 und Erl. 33–34 Locken 〈…〉 zu mir herwallen] Vgl. Nr. 261,31–34. 36–37 Ich kehre mit einem Einschnit 〈…〉 Lalenburger 〈…〉 Glocke versenkt.] Im 39. Kapitel des Lalebuchs (1597, von einem anderen unbekannten Verfasser 1798 unter dem Titel Die Schiltbürger umgearbeitet) wird erzählt, wie die Laleburger ihre Kirchenglocke im See versenken, um sie vor einem drohenden Krieg vor dem Feind zu schützen. Um den Ort der Versenkung zu kennzeichnen, schnitzen sie in dem Schiff, mit dem sie das tun, an der betreffenden Stelle eine Kerbe ein. 39–40 sie hatten recht 〈…〉 zu viel Schicksal darauf gefrachtet] Rückbezug auf Bs Mitteilung über ihren Zustand nach dem Freitod der Günderrode in ihrem zwischen 20. und 24. August 1806 geschriebenen Brief (Nr. 197,26–46). 54–55 Reichardt 〈…〉 mit nach Giebichenstein] Reichardt war nach der französischen Besetzung Halles im Oktober 1806 vor den Franzosen nach Danzig geflohen und von dort, nach der Einnahme der Stadt, Ende Mai 1807 weiter nach Königsberg. Die gemeinsame Rückreise nach Giebichenstein verzögerte sich wegen Erkrankung Reichardts bis zum 25. September. 60–64 einen Singechor 〈…〉 in Geschäften abwesend] Über ihren Chor hatte Louise Reichardt Arnim am 28. Juli aus Giebichenstein in einem Brief berichtet, den er kurz vor Abfassung des zweiten Briefteils an B erhalten ha-
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Zu Nr. 264
Wolff 〈Friedrich August Wolf〉 ist in Berlin u hat uns für den Sommer seine Tochter 〈Wilhelmine〉 anvertraut, wodurch unsre Einsamkeit sehr erheitert worden; auch Redtels Braut 〈Helene Püttmann〉 haben wir seit dem Januar bey uns, ausser diesen beyden habe ich mir noch 6 allerliebste Mädchen für den Gesang zugezogen die zusammen mit meinen jüngern Schwestern 〈Wilhelmine Juliane, Johanna, Friederike〉 u einigen Männlichen Stimmen, die ich unter unseren Bekanten gefunden ein recht schönes Choor formiren. (WAA XXXIII, Nr. 558,16–22.) 65–66 von deren Fortschrit mir Clemens so viel schreibt] Vgl. Brentano an Arnim, Mitte Juli 1807: Bettine ist ruhig wie ein Engel, sie ist geistreicher als je ein Mensch vielleicht gewesen, unergründlich genial unschuldig, ihr Gesang ist viel, viel mehr geworden, sie ist nicht mehr gespannt, sie ist ein Genius, der die Flügel öfnet und senkt o lernte sie bereits, nicht im Kasten mehr zu flattern und die schönen Farben zu verlieren. (WAA XXXIII, Nr. 557,162-167.) 78–79 ein Brief von Clemens] WAA XXXIII, Nr. 557. 83–88 ging zu meiner schönen Eisenquelle 〈…〉 mit Reichardt fortzugehen.] Vgl. Arnim an Brentano, 3.–21. August 1807, Briefteil vom 3. August: es war gestern ein heisser Tag, ich lief Schwincks vorbey, die wieder auf dem Lande wohnen und zu einer lieben Quelle, die gesund seyn soll ungeachtet sie gut schmeckt, sie liegt von der Gemeine sorgsam mit einem Damme umschlagen in der Tiefe, wo unter Erlen ein verschmachtetes Flüßgen seine einzelnen Wasserspiegel unter vielen Steinen und vielem Grün gegen die Hitze bewahrt, zwey Erlen lagen gestürzt quer über, auf denen ich wenige Tage vorher den Mädchen zum Scherz über kletterte, die Quelle floß unerbittlich kalt in einen Behälter und wurde sie nicht getrunken, so floß sie in den Sand und ich mischte eine Handvoll mit meinen Thränen und machte ein heilig Thränen^opfer unsern Lieben; hier riß ich mich los daß die Quelle im Sonnenscheine flammte, ich riß mich los von meinen Hoffnungen, die mir schon lange eben so viele Verzweiflungen geworden waren. (WAA ben wird:
XXXIII, Nr. 560,4–17.) 94 Mutter] Charlotte Schwinck. 98 Geburtstage von Franz] Franz Brentanos am 17. November 1805; gefeiert in Frankfurt, kurz bevor Arnim zur Rückreise von Heidelberg nach Berlin aufbrach. 104 zum Schlusse] Des Bezugsbriefes. 115–116 St Lukas führe ihre Reise] Der Evangelist Lukas war der vieljährige Reisegefährte des Apostels Paulus.
1683
Zu Nr. 265
265.
Von Carl Friedrich von Rumohr nach Frankfurt Unterwegs von Frankfurt nach München, vmtl. erste Hälfte August 1807
B: –. A: Nr. 270. H: GSA 03/585. – Format: 1 Bl. ca. 233 × 190 mm; 1r beschr.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Stark beschädigt, Faltstellen gerissen, arR Papierverlust ca. 75 × 45 mm mit erheblichem Textverlust, weiterer Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. Besonderheiten: In der Adresse: Rumohr. Postzeichen: Poststempel: R.4 MÜNCHEN. | Vermerk: Frco frey. | Portozeichen. Datierung: Rumohr hatte sich nach seiner Italien-Reise, gegen deren Ende B ihn im September 1806 in Frankfurt kennenlernte, auf seinem Gut Krempelsdorf (bei Lübeck; 1913 eingemeindet) aufgehalten und reiste im Juli/August 1807 von dort nach Süddeutschland. In Frankfurt sah er B und Meline wieder, und auf der Weiterreise nach München schrieb er den vorliegenden, in München abgeschickten Brief, über den Meline am 17. August an Savigny berichtete: Der Rumor 〈…〉 hat an die Bettine geschrieben, und sich die Er-
laubniß verlangt, auch mir schreiben zu dürfen. Er behaupte, in mir ganz lebendig geworden zu sein. Bettine behauptet, ich müste ihn, wenn er wolte, heurathen. Er war vor wenig Tagen in München. (SPK/NS 104/16.) Dem Datum des Melineschen Briefes zufolge wird Rumohr in der ersten Augusthälfte geschrieben haben. Auf der Rückreise kam er nicht durch Frankfurt, gegen Ende September war er wieder in Krempelsdorf. Aus München berichtete Caroline Schelling am 24. August an Pauline Gotter: In
diesen Tagen ist wieder jemand bei uns gewesen, der euch bekannt ist, der Baron Rumohr, dem es an einem schönen Morgen einfiel von Lübeck nach München zu reisen. Wir haben seine Bekanntschaft h i e r erst gemacht, und ob der Mensch gleich wunderlich ist und noch nicht die gehörige Konsistenz hat, so sind wir ihm doch sehr gut geworden, und er uns fast mehr wie gut. Er ist ungern geschieden, und wir sehn ihn vielleicht auf längere Zeit wieder. (Schmidt 1913, Bd. II, S. 504.) DV: H.
1684
Zu Nr. 266
Veränderungen 7 g〈〈anz〉〉] Ergänzung aufgrund von Melines Bericht an Savigny (vgl. Datierung).
Erläuterungen 1–2
266.
Ihnen beiden] B und Meline.
Von Christian Brentano nach Frankfurt Kassel, 1. August 1807, Sonnabend
B: –. A: –. H: FDH 16627. – Format: 1 Dbl. ca. 247 × 198 mm; 1r-2r 2 beschr S. + 1 Z.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Derb, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: IVYMILL 1804. Fremdeinträge: 2v aoRl: 16627, aoR: von Christian Brentano an seine Schwester Bettine später verh. Arnim. DV: H.
Veränderungen 10 11 13 16 19 20 22 23 24 24 25 25
wo] aus war und] u aus 〈x〉 mehr] aus wie zeit,] danach gestr. meine h scheinen] sche aus 〈xxx〉 bin] danach gestr. es Denn] davor gestr. Wenn es] e aus 〈x〉 werden] danach gestr. mein feige] f aus 〈x〉 abgewälzt] ge aus 〈xx〉 | zt aus t〈x〉 zu haben] üdZ eing.
1685
Zu Nr. 266
30
nach] danach gestr. Marburg an die Frau Weinhändlerinn Zimmermann geschi 34 bereden] n aus 〈x〉 Erläuterungen 2–3 mein, und des Clemens plötzliches Verschwinden] Am 27. Juli aus Frankfurt, als Christian mit Bruder Clemens und dessen neuer Liebschaft Auguste Bußmann nach Kassel geflohen war, nachdem diese drei Tage zuvor einen Eklat herbeigeführt hatte. Vgl. zu Nr. 267,5–6. 28 Felleÿsen] Reisesack oder Ranzen aus Tierfell; von mittellat. valisia, umgedeutet velis oder fellis. 32–33 Refuge] Zuflucht.
267.
An Friedrich Carl von Savigny in Hietzing (bei Wien) Frankfurt, etwa 10. August 1807, Montag
B: Nr. 262. A: Nr. 285. H: SPK/NS 7/4. – Format: 1 Dbl. ca. 230 × 190 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr 39, aoRr: 5 | 2r aoRr: 6 | 2v auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Besonderheiten: Beilage zu einem Brief Meline Brentanos an Savigny (vgl. Datierung). Datierung: Am 17. August 1807 schrieb Meline Brentano aus Frankfurt an Savigny: es ist doch ganz wunderbar, ich bin überzeucht, der beÿkom-
mende Brief von Bettine erfreut Dich mehr, als Dich je einer von mir freute; und doch glaube ich nicht, daß Du die Bettine so bedeutend lieber hast als mich. Warum freut Dich denn nun ihr Brief mehr als der meinige? Weil Sie Dir seltner schreibt. (SPK/NS 104/16.) Anzunehmen wäre, daß B ihren undatierten Brief etwa gleichzeitig wie Meline ihren datierten geschrieben hat. Jedoch irritiert, daß B mitteilt, sie sei seit drei Wochen wieder in Frankfurt – sie wird dorthin spätestens um den 20. Juli zurückgekehrt sein –, und daß der Brief Melines, auf den sie sich bezieht, bereits am 4. August geschrieben wurde. Vielleicht blieb Bs Brief in Frankfurt liegen, bis Meline den ihren schrieb. Aufgrund der Unklarheit wird
1686
Zu Nr. 267
der Brief Bs in die zeitliche Mitte zwischen den beiden Briefen Melines datiert. D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 66–68 (Nr. 39); datiert: um den 4. August 1807. D2: Müller 1961, S. 266–268; datiert: um den 4. August 1807. D3: B/WuB IV, S. 49–52 (Nr. 17); datiert: etwa 5. August 1807. DV: H.
Veränderungen 39 76 77 85
ist] aus 〈xxx〉 ewig] aus mich zwei] danach verkleckst Qu meine] m aus d
Erläuterungen 5–6 Meline 〈…〉 davon gesprochen hatt.] Vgl. Meline Brentano an Savigny, 4. August 1807: Hier beÿ uns ist wieder ein bischen Ruhe, das heist
mehr als es diese lezte Zeit über war. Clemenz mit Augusten und Christian haben sich nach Cassel zur Jordis geflüchtet, der sie auch gutmüthig aufgenommen. Er schickte gleich ein Esstafette an uns und Morizt, um ihm dies zu melden, und sich von ihm die nöthige Papiere zur Trauung zu verschaffen. Flavigny, war unter dessen beÿ seiner Frau, die im Bad ist; er hat ihr den Fall vorgetragen, den sie mit vieler Standhaftigkeit und Ruhe erfuhr. Die Bethmanns sind sehr bereitwillig alles was zur rechtmäßigen Trauung nöthig ist, zu thun, um nur den Eklat der Sache zu vermeiden. Bis übermorgen wird der Clemenz im hiesigen Wochenblat unter den Proklamierten stehen. Doch beÿ allen dem dürfen die Flüchtlinge noch in den ersten 5 Jahren nicht am hiesigen Horizont erscheinen. 〈…〉 Beÿ der ganzen Heirath schätze ich die Bettine am glücklichsten, denn wäre Clemenz hier geblieben, er hätte sie arg gequält, hat er mir doch durch seine Phantasie, manche trübe Stunde bereitet. (SPK/NS 104/16.) Sowie Meline an Savigny, 17. August 1807: Morgen werden den Flüchtlingen die nöthige Papiere zur Trauung geschickt. Die Arme Lulu hat recht ihre Last mit ihnen, denn sie machen Trozt ihres Unglücks doch noch Pretentionen (SPK/NS 104/16.). 17–18 getadelt wie die Heftigkeit 〈…〉 lermte] Vgl. Nr. 72,17–19. 1687
Zu Nr. 267
32 82
brasseln] schreien, großtun. Miniatur bild 〈…〉 von deinem Kind] Nicht bekannt.
*268. Von Auguste Bußmann nach Frankfurt Kassel, etwa Mitte August 1807 B: –. A: Nr. *269. Datierung: Wie aus dem Belegbrief Auguste Bußmanns an Claudine Piautaz hervorgeht, hatte zunächst sie an B geschrieben und danach B an Auguste. Derjenige Bs wird nicht lange vor dem 23. August geschrieben sein, an dem Auguste wegen des Briefes an Claudine Piautaz schrieb: um den 20. August, da die Post zwischen Frankfurt und Kassel zwei Tage unterwegs war (vgl. Datierung von Nr. *230) – und der vorausgegangene Brief Augustes an B etwa Mitte August.
*269. An Auguste Bußmann in Kassel Frankfurt, etwa 20. August 1807, Donnerstag B: Nr. *267. A: –. Datierung: Vgl. Nr. *268.
270.
An Carl Friedrich von Rumohr in Krempelsdorf (bei Lübeck) Frankfurt, etwa 20. August 1807, Donnerstag
B: Nr. 265. A: Nr. 272. H: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Handschriftenabteilung, Campe-Sammlung 1. – Format: 1 Dbl. ca. 218 × 190 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; Faltung nach Restaurierung nicht erkennbar. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoR: Zwischen 1807 und 1811 (um 1809), arR mit Rötel: 4a | 2v auR Stempel: BIBLIOTHECA HAMBURG PUBL. Datierung: Der Bezugsbrief Rumohrs war spätestens am 17. August in Frankfurt (vgl. dessen Datierung). B wird nicht lange mit der Antwort gezögert, vmtl. um den 20. August geschrieben haben. Denn am 23. August
1688
Zu Nr. 270
wurde sie krank, wie Meline an Savigny berichtete (vgl. Nr. 264 [Besonderheiten]), und davon ist in dem Brief an Rumohr nicht die Rede, dessen Antwort sie Anfang September erhielt, wie aus einem weiteren Brief Melines an Savigny, vom 7. September, hervorgeht: Von Rumor, den ich Euch schon
oft genant, erhielt Bettine einen Brief, mit Einschluss an mich. Dieser Einschluss ist so zärtlich, und scheint fast, als seÿe er ein bischen in mich verliebt. (SPK/NS 104/17.) Am 26. September schrieb Rumohr an Ludwig Tieck: Bettine, die mit mir sehr liebenswürdig gewesen, hat mit mir correspondiren wollen und mir einen schönen Brief geschrieben, auf den ich recht wahnhaft geantwortet, weil ich nicht anders konnte. Ich bin ihr gut, und bewundre ihre Gabe und Leichtigkeit. Aber ihre Schwester liebe ich mehr. (Holtei 1864, Bd. III, S. 188.) D1: Koch 1892, S. CLV-CLVII. D2: B/WuB IV, S. 52–55 (Nr. 18). DV: H.
Veränderungen 6 schwehrste] zweites h aus e 22 es macht die Augen zu.] üdZ 30 Hauptast] H aus A 37 Seiten] t aus d 40 und] u aus – 44 zur] r aus m 45 in] aus und 47 gepolsterten] lst aus z 48 einem] danach gestr. Lehnstul 55 beschämen] über gestr. erleuchten 69 den] aus die 72 Bibel] nach i gestr. e
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen B/WuB IV, Nr. 18. 1 Warum kamen Sie nicht wieder hier durch] Vgl. Nr. 265 (Datierung). 2–3 meinen Nahmen 〈…〉 nicht P] Vgl. Adresse von Nr. 265. 6–7 3 Gottlichen Tugenden] Glaube, Hoffnung, Liebe. Vgl. 1. Ko 13,13.
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Zu Nr. 270
30–31 Dem Tieck 〈…〉 Mußte verdorren] Tieck antwortete nicht auf Bs Briefe Nr. 202 und 205. 43 Biegen] Pinien. 63 blau Strumpf und rothstrumpf die beiden Schlosser] Friedrich (Fritz) Schlosser, seit 1806 Rat beim Stadt- und Landgericht in Frankfurt, sowie dessen Bruder Christian, Mediziner und Pädagoge. – Blaustrumpf: »diabolus, der unvermerkt den schwarzen bockfusz sehn läszt und überall sonst der schwarze heiszt, dann aber häufig ein verleumder, angeber« (DWb II, Sp. 85); Rotstrumpf: »welcher rote strümpfe trägt, der cardinal« (DWb XIV, Sp.1315). Vgl. B an Meline, etwa Anfang Juli 1814: Der Trockne Fritz und der safftige Cristian Schlosser (B/WuB IV, S. 163). 72 weide meine Lämmer] Nach Jh 21,15. 75 Armen im Geist] Nach Mt 5,3.
*271. Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt München, etwa 25. August 1807, Dienstag B: –. A: –. Datierung: Savigny hatte Wien mit Familie gegen Mitte August 1807 verlassen, dort Bs Brief von etwa 10. August (Nr. 267) nicht mehr erhalten und war dann über Salzburg nach München gereist, wo er bis Oktober 1807 blieb. Bereits am 4. August hatte Meline ihm berichtet, daß Clemens und Auguste Bußmann heiraten würden (vgl. zu Nr. 267,5–6). Die Heirat fand am 21. August in Fritzlar statt. (Vgl. Rölleke 1978.) Wie Meline Savigny am 31. August schrieb, verweigerte B eine Mitteilung über die oft widergekäute Geschichte. Bettine hat über die Sache wenig gedacht und findet es daher
auch unmöglich, Dir darüber zu schreiben. Sie liebt die Auguste nicht, so wie Clemens nicht mehr oben an beÿ ihr ist. (SPK/NS 104/16.) Mit dem Brief beantwortete Meline denjenigen Savignys, der kurz vorher in Frankfurt eingetroffen und um den 25. August geschrieben sein wird.
1690
Zu Nr. 272
272.
Von Carl Friedrich von Rumohr nach Frankfurt Krempelsdorf (bei Lübeck), Ende August 1807
B: Nr. 270. A: –. H: GSA 03/585 (I) + BJ/VS 222 (II). – Format: 1 Dbl. (I) ca. 234 × 188 + 1 Bl. (II) ca. 232 × 192 mm; 1r-3r 5 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: I: Fleckig, brüchig, Löcher (mit Textverlust) durch Tintenfraß | II: Ränder beschädigt, Tintenfraß. – WZ: I: L D ROST | II: unterer Teil von Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRr: 5 | 2r aoRr: 7 | 3r aoRl Varnhagen: Rumohr an Bettina., darüber aufgeklebter Zettel Varnhagens: Rumohr an Bettina. München 1809. Bettina., darunter Stempel: Ex Bibl. Regia Berlin, darunter Stempel: STAATSBIBLIOTHEK BERLIN, auRl Varnhagen: Bettina. Besonderheiten: Der Zusammenhang von I und II war bisher nicht erkannt. Datierung: Nach seiner Rückkehr von München schrieb Rumohr aus Krempelsdorf am 1. September an Schelling (Dilk 2000, S. 199–201). Da sein Brief an B Am Abend meiner Rückkehr datiert ist und sie ihren Bezugsbrief um den 20. August geschrieben hatte, wird Rumohr Ende August geantwortet haben. D1: Gaedertz 1900, S. 361 f.; TD (II) ohne Kenntnis des Hauptteils (I); Z. 111 statt Judas verlesen Jedes (»schwerer Lesefehler« zufolge D2); datiert: München 1809. D2: Stock 1919, S. 173; TD (II) ohne Kenntnis des Hauptteils (I); nicht datiert. DV: H.
Veränderungen 17 Von] üdZ 17 Briefen] aus Briefe 42 thut] th aus 〈xx〉 77 Es] aus Vielleicht 79 in sich selbst] üdZ 86 Geister] aus Todten 110 zurückkehre] am Schluß gestr. 116 fühle] danach gestr. sehr
n | danach gestr. könnte.
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Zu Nr. 272
Erläuterungen 4 ich bin nicht würdig zu euch einzutreten] Nach dem auf Mt 8,8 gründenden Gebet zur Kommunionvorbereitung: Herr, ich bin nicht würdig,
daß du eingehst unter mein Dach. 7 eueren] B und Meline. 13 Stackete] Lattenzäune. 24–25 Eine Schwester 〈…〉 steht dem Hause vor] Von den vier Schwestern Rumohrs die unverheiratet gebliebene Friederike. 29 klaren Quell zu Bergen] Vmtl. Anspielung auf die Schwägerin Marie (Frau des Bruders Georg), die aus Bergen (bei Frankfurt, später Bergen-Enkheim) stammte. 35–36 daß Sie mich dem Rothen und Blaustrumpf vorsetzen] Vgl. Nr. 270,63–69 und Erl. 41 parischem Marmor] Weißer Marmor von der griechischen Insel Paros, in der Antike zu Statuen genutzt. 44–46 Matrone 〈…〉 großen Schicksahlen 〈…〉 Schelling] Da Schelling genannt wird, ist mit der Matrone die mit ihm seit 1803 verheiratete Caroline gemeint, die auf ein abenteuerliches Leben zurückblicken konnte. Rumohr hatte beide im August 1807 in München kennengelernt und korrespondierte danach mit ihnen (Schmidt 1913, Bd. II, S. 513f., 517–519; Dilk 2000, S. 181–215). Caroline beurteilte ihn reserviert, teils anerkennend, teils ironisch. 49 Fr Baader] Rumohr hatte Franz Xaver Benedikt von Baader bereits im Winter 1804/05 in München kennengelernt. (Vgl. Dilk 2000, S. 187.) 65–66 Einen sehe ich noch 〈…〉 Gott bitter prüft.] Vmtl. Philipp Otto Runge, mit dem Rumohr noch nicht lange bekannt war. Vgl. Runge an Tieck, 18. August 1807: Rumohr ist mir einigemal wie im Traum vorüberge-
gangen; er selbst sagte, daß wir uns mehr kennenlernen müßten, und so ist er wieder davon. (Runge 1840, Bd. II, S. 349.) Sowie Runge an Brentano, 5. Dezember 1809: Sie kennen meinen Freund Rumohr und wissen, wie lebendig derselbe die Totalanschauung der Architektur erfaßt hat. Dieses sein Bestreben, welches mich die lezte Zeit her so sehr an ihn gebunden, und das auf die gründlichste Erkenntniß der Verhältnisse von Architektur, Plastik und Mahlerey zu einander dringt, halte ich so achtenswerth, daß ich von Herzen wünsche, mehrere Freunde zu finden, die solches auch auf ihre Weise thun möchten. (Ebd., Bd. I, S. 188.) 71–74 Ich liebe den Mann 〈…〉 wie Algoin meldet.] Nicht Alkuin, sondern Einhard beschreibt in seiner Vita Karoli Magni (Kap. 22) das Aussehen Karls des Großen.
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Zu Nr. 273
90–94 Schwester Emilie 〈…〉 ihr Mann und Geliebter 〈…〉 zu thuen.] Emilie (Emmy) Rumohr war seit 1805 mit Friedrich Ernst August von dem Bussche verheiratet. Zu dessen Wirken als hannoverscher Major nichts ermittelt. 94–96 Eine Mutter 〈…〉 ihr Tod] Wilhelmine von Rumohr war am 10. März 1807 in Lübeck gestorben, drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes. (Frdl. Auskunft von Cai-Asmus von Rumohr.) 101 sein Bild von Buri] Friedrich Burys Bildnis aus dem Jahr 1800. »Um den blauen Frack ein purpurner Mantel geschlungen. Bis zum Tode (1842) Besitz des Kunstkenners von Rumohr.« Danach verschollen. (Wahl 1930, Nr. 39.) 104 Werther] Die Leiden des jungen Werthers (1773). 106 Meister] Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96). 106 Eugenia] Die Natürliche Tochter (1803), benannt nach der Titelheldin.
273.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 25. August–1. September 1807, Dienstag–Dienstag
B: –. A: Nr. 279. H: FDH 7237. – Format: 2 Dbl. (I, II) + 1 Bl. (III) je ca. 236 × 192 mm; 1r-5r 9 beschr. S.; 5v Adresse; je 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | PIETER DE VRIES & COMP. | II, III: PIETER DE VRIES &
COMP. Fremdeinträge: 1r aoRl:
164, aoRr: Ende August 1807 | 5v Notiz Bs: Konigsberg 1 September 1807 | auR: 7237. Postzeichen: 2 Portozeichen. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 564.E). Datierung: Briefbeginn nach dem datierten Exzerpt, Briefschluß nach dem Datum zu Beginn von 5r. D1: Steig 1913, S. 64–67; datiert: Ende August–1. September. D2: Betz/Straub 1986, S. 111–115 (Nr. A18); datiert: Ende August–1. September. D3: WAA XXXIII, S. 74–77 (Nr. 564). DV: H.
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Zu Nr. 273
Veränderungen 4 Brief] danach gestr. hatte 30 mich] ch aus r 31–32 haben〈…〉 gestärkt,] zwischen den Zeilen 34 aber] üdZ eing. 45 sie] aus es 46 ich werde] üdZ eing. 52 zu] üdZ eing. 63–64 der ersten Tage unsrer Bekanntschaft,] zwischen den Zeilen 112 die Blumen] über gestr. sie
Erläuterungen 1 Telegraphen] 1789–1792 durch die Brüder Chappe weiterentwickelte optische Vorrichtungen zur Nachrichtenübermittlung. Sie befestigten »drei Balken an einem weithin sichtbaren Orte so an einem Gestell 〈…〉, daß sie in vielfachen Kombinationen eine große Zahl bestimmter Zeichen geben konnten; ein solches Zeichen gelangte 1794 von Paris nach Lille über 20 Stationen in 2 Minuten.« (MGKL XIX, S. 382.) 3 zweyte Heirath von unserm Clemens] Am 21. August mit Auguste Bußmann in Fritzlar. (Vgl. Rölleke 1978.) 4 sein Brief] An Arnim, Mitte Juli 1807 (WAA XXXIII, Nr. 557). 7–8 durch 〈…〉 H. von Firnhaber] Vgl. Arnim an Brentano, Königsberg, 3.–21. August 1807: Firnhaber! Nun den Namen werde ich nie verges-
sen. Ich höre Sie kommen von Cassel haben Sie M. Jordis und M. Brentano gesehen? Sehr oft, aber zu^letzt nur Clemens Brentano mit seiner Frau. Mir fuhr ein Schauder über, und dann eine Freude, als ich hörte und hörte und hörte von M Busmann, schreibe mir nur recht bald ihren Vornamen, und drey mal hoch Brentano und seine Frau (WAA XXXIII, Nr. 560,181–186). 9–10 Ich reise über morgen] Nicht am 27. August, sondern erst am 25. September, da Reichardt länger krank war. 11 poste restante] Postlagernd. 14–15 jene bey Genf war durch den Aufstand unterbrochen] Reminiszenz Arnims an seinen Genf-Aufenthalt während der Bildungsreise im Spätsommer und Herbst 1802. Vmtl. im letzten Drittel September war er nach Lausanne gefahren, dem Sitz der helvetischen Regierung, um sich der Frei-
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Zu Nr. 274
heitsbewegung anzuschließen, doch schlugen am 3. Oktober französische Truppen die aufständischen helvetischen nieder. Vgl. Arnim an Brentano, 8. November 1802 (WAA XXX, Nr. 277,74–75 und Erl.). 15–16 als wir um Trages 〈…〉 jagten] Vgl. zu Nr. 175,7. 16–17 Michelsbach] Michelbach, 2 km südlich von Trages. 18 Lustig auf! Der Kapuziner] Erste Strophe von Arnims Gedicht Die Wanderung, auf ein als Kapuziner bezeichnetes Wettermännchen; Brentano hatte eines in seiner Heidelberger Wohnung. (Vgl.: Arnim/W V, S. 458 f.; Brentano an Arnim, 20. Dezember 1805 [WAA XXXII, Nr. 406,31–34].) 57 ihre Hofmeisterin] Nicht identifiziert. 62 meinem Garten] Vgl. Nr. 253,16–18 und Erl. 73 einem Nebenbuhler im Zweykampf sekundirt] Arnim sekundierte in der ersten Augusthälfte in Königsberg dem Frankfurter Kaufmann Georg Wilhelm Clarus bei einem Duell mit dem französischen Leutnant Tamaman. (Vgl. an Brentano, 3.–21. August 1807; WAA XXXIII, Nr. 560,38–50.) In einem Brief an Savigny vom 20. Juni 1814 erinnerte er sich, daß er einem Hausfreunde bei Schwincks bey einem Duelle, das er mit einem französi-
schen Offiziere hatte, 〈…〉 mit Uebereinstimmung der andern Sekundanten Papier statt Kugeln in die Pistolen lud, so daß ihm in keinem Fall Schaden geschehen konnte (Härtl 1982, S. 86). 99–101 Eilende Wolken 〈…〉 mit Zumsteegs Melodie] Lied in Schillers Maria Stuart (III/1), komponiert von Johann Rudolf Zumsteeg (Kleine Balladen und Lieder mit Klavierbegleitung, Heft 3, Leizig 1801).
274.
An Ludwig Achim von Arnim nach Giebichenstein Frankfurt, Ende August 1807
B: Nr. 264. A: Nr. 282. Vgl. Nr. *283 und 283.E. H: FDH 7397. – Format: 1 Bl. + 1 Dbl. je ca. 230 × 190 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Vergilbt, verknittert, Tintenfraß. – WZ: I: FHF | II: bekrönter Posthornschild, | DB. Fremdeinträge: 1r aoR: Frankfurt, andere H: nach dem 20 August 1807 / nach Giebichenstein!| 1v auRr: 7397 | 2r aoRl: 163 | 3v alR: 7397 | Bleistiftunterstreichungen im Text. Besonderheiten: B schickte den Brief nach Giebichenstein, da Arnim im Bezugsbrief darum gebeten hatte. Von dort wurde er nach Königsberg beför-
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Zu Nr. 274
dert, wo er jedoch erst eintraf, als Arnim abgereist war, weshalb er wieder von Königsberg zurück nach Giebichenstein kam. Datierung: Zufolge Melines Brief an Savigny vom 26. August (vgl. Nr. 264 [Besonderheiten]) war B am 23. August erkrankt, und da B zu Beginn ihres Briefes mitteilt, sie habe beinah 8 Tage im Bett gelegen, wird sie ihn Ende August geschrieben haben. D1: Steig 1913, S. 60–64; nicht näher datiert; vor Nr. 273. D2: Betz/Straub 1986, S. 105–111 (Nr. B13); datiert: August; vor Nr. 273. D3: WAA XXXIII, S. 80–84 (Nr. 565). DV: H.
Veränderungen 16 Glück] ck aus ch 23 ist] üdZ eing. 27 Wind] W aus w 32 befällt] b aus g 33 müsse] Schluß-n gestr. 35 an] a aus z 43 weiter] w aus f 53 That] danach gestr. 〈xxx〉 53 denn] danach gestr. 〈xxx〉 54 Zuweilen] W aus w 60 ja] aus die 69 kindisch] k aus v 101 eine einzige] aus einen einzigen 102 Auge] Au aus 〈xx〉 107 gerne] danach gestr. flücht 120 Wochen] aus Tagen 124 Sie] S aus d 137 that,] danach gestr. sich 146 der] d aus k 152 wurden] wur aus gin 157 ergreift ohne] danach gestr. Ahnung
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Zu Nr. 274
Erläuterungen 1 Anfall von Krankheit] Vgl. Datierung. 6–7 Brief von ihm 〈…〉 in Händen gehabt] Brentanos Brief von Mitte Juli 1807 über den Tod Sophie Brentanos (WAA XXXIII, Nr. 557) hatte Arnim spätestens am 6. August erhalten, wie sich aus seinem Bezugsbrief an B ergibt. 9–14 eine Liebesgeschichte 〈…〉 Auguste Bussmann 〈…〉 Clemens 〈…〉 noch schreiben] Vgl. Brentano an Arnim, 19.–22. Oktober 1807 (WAA XXXIII, Nr. 589). Die Heirat war am 21. August. 33–34 »wenn man etwas 〈…〉 lieben muß«] Bezug auf Nr. 264,27–28. 55 nach Berlin gereißt] Im zweiten Aprildrittel mit dem Schwager Jordis und der Schwester Lulu. Der Reisebericht ist in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde zu einer abenteuerlichen Episode gestaltet. (Vgl. B/WuB II, S. 21–23.) 70–74 Guter Don Quixote 〈…〉 Eiersüppgen zu essen.] Reminiszenz an Kapitel 1 und 21 des ersten Teils des Don Quijote. 114–115 Sie werden bald Goethe sehen] Da Arnim im Bezugsbrief mitgeteilt hatte, von Halle, wohin er zu reisen beabsichtige, sei es nur eine Tagreise nach Weimar. 120–123 Savigny war 〈…〉 nach München] Vgl. Nr. *271 (Datierung). 124–125 Trages 〈…〉 alte Zeiten] Vgl. zu Nr. 175,7. 127 ich habe ihm aber nichts geschrieben] Vgl. Nr. *271 (Datierung). 133 sie war versprochen] Vgl. Simon Moritz Bethmann an Auguste Bußmann, 3. August 1807, an diese wie über eine Dritte schreibend: Vor ohn-
gefähr einem Jahr, machte sie mir das Geständniß sie sei von einer heftigen Leidenschaft für einen wackern Krieger ergriffen 〈…〉 Ihre Mutter, ihr Stiefvater 〈Flavigny〉 geben dem edlen Manne, der gerade und offen um ihre Hand wirbt, zu erkennen, daß sie die Seine werden soll, sobald er dem Weib und den Kindern eine Existenz zusichern kann. Die Pflicht militarischer Ehre ruft ihn zu seiner Fahne, und im Schlachtgetümmel, seiner Liebe für Auguste treu eingedenk, kämpft er mit Muth und Talent, in der Hofnung sein künftiges häusliches Glük beim Frieden durch Augustens Besitz begründet zu sehen. / Der Thor 〈…〉 In dem Augenblick wo die Rükkehr Napoleons nach Frankreich, dem festen Lande Europens den Frieden verkündet, in demselben Augenblik umflattert Auguste ein bunter Schmetterling. (Enzensberger 1999, S. 22 f.) Sowie Goethes Mutter an ihren Sohn, 8. September 1807: Demoiselle Busmann Enckelin von Frau Bethmann Schaff hat
einen Bräutigam – soll nur noch etwas warten läßt sich aber von Cle1697
Zu Nr. 274
ments Brentano entführen (Köster 1904, Bd. II, S. 165). Der nicht identifizierte Verlobte war zufolge Brentanos Brief an Arnim vom 19.–22. Oktober 1807 (WAA XXXIII, Nr. 589,11–22) Adjutant des Königs von Holland (Louis Bonaparte); Auguste habe sich mit ihm ein Jahr vorher ebenso gewaltsam versprochen wie später mit ihm. 135–136 Konigen von Holand] Hortense de Beauharnais. 138–139 Mon cher époux] Mein lieber Gatte (Mann). 139–140 Tag da Bonaparte hier durch verschiedne Triumpfbögen zog] Am 24. Juli 1807. »Bei dem vierstündigen Besuch 〈…〉 bereitete Dalberg Napoleon einen triumphalen Empfang. Am Ende der Zeil, am Weidenhof, war ein großer Triumphbogen errichtet worden, auf dem lateinische und französische Lobsprüche auf den Kaiser zu lesen, ferner allegorische Darstellungen mit den Namen der Siege und Friedensschlüsse von Friedland, Tilsit, Austerlitz und Pressburg zu sehen waren. Alle Kirchenglocken läuteten, von den Stadtwällen schossen Kanonen Salut 〈…〉 Vor dem Römer war die Bürgerwehr in historischen Uniformen aufmarschiert. Auch andere hochgestellte Persönlichkeiten fanden sich ein, so Napoleons Adoptivtochter Stéphanie mit ihrem Gatten, dem Erbgroßherzog von Baden, auch der König und der Kronprinz von Württemberg mit Gefolge, um dem Kaiser die Ehre zu heben.« (Hömig 2011, S. 425.) 141 Palast] Das Thurn und Taxis’sche Palais, Residenz des Fürstprimas.
275.
Von Wilhelm von Türckheim nach Frankfurt Winnweiler, 7. September 1807, Montag
B: –. A: –. H: GSA 03/609. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 188 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: 2v verschmutzt. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRr: 82 | 2v alR im oberen Drittel rechtwinklig zur Schreibrichtung in Schönschrift und mit schwarzer Tinte: Bettine B, auRl ebenso: AM. DV: H.
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Zu Nr. 275
Veränderungen 4 plume ce] aus 〈xxx〉 17 que] üdZ 30–31 tous les Jours] üdZ eing. 68 je] üdZ eing. 75 première] danach gestr. Source 92 charge] üdZ eing.
Erläuterungen Übersetzung: Winnweiler, den 7. September 1807 Seit gestern abend, meine teure und werte Freundin, bin ich zurück in meinem Exil, das ich noch trauriger und noch unerträglicher vorgefunden habe, als ich es verlassen hatte; ich verfüge zu wenig über die Kunst, mit der Feder zu malen, warum ich diese Veränderung vorfinde, aber es ist Ihnen nicht unbekannt. Von Frankfurt bis hierher hatte ich alle Empfindungen, die eine unglückliche Leidenschaft im menschlichen Herzen hervorrufen kann; aber welch süßen Trost empfängt man doch auch, wenn man sich vergegenwärtigt, daß man eine Freundin hat, die an dem Unglück Anteil nimmt und mit ihrer Freundschaft und ihren klugen Ratschlägen die Härte mildert, und die mich, hätte ich das Glück, immer in ihrer Gesellschaft zu sein, mit ihrer Größe, mit ihrer edlen Seele und mit ihren erhabenen Gefühlen alle Schicksalsschläge, die ich in dieser niederen Welt erlitten habe, vergessen machen würde. Oh, welches Glück, in meiner traurigen Lage eine solche Freundin gefunden zu haben, ich kann es noch nicht fassen, wie ich vom ersten Augenblick an Ihr Interesse wecken und Ihre Freundschaft gewinnen konnte, während vielleicht hundert andere, Würdigere als ich, für eine solche Gunst alles geopfert hätten, aber meine unglückliche Liebe hat Ihr Herz berührt, und es hat gespürt, daß die Härte von Melines Entscheidung mich zum Äußersten treiben würde, wenn ich nicht Hilfe und Kraft aus der Wärme der Freundschaft schöpfen könnte, um mein unglückliches Leben zu ertragen. Ich schwöre Ihnen bei meiner Ehre, wenn ich Frankfurt ohne Ihre Freundschaft verlassen hätte, weiß ich nicht, was aus mir geworden wäre, aber die göttliche Vorsehung, die über die Geschicke aller Sterblichen wacht, ließ mich diese Reise unternehmen und Ihre Bekanntschaft machen, gerade als ich begann, mit mir selbst unzufrieden zu sein, was das tiefste Unglück und die äu-
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Zu Nr. 275
ßerste Verzweiflung ist. Sogar der Gedanke, mich für meine Eltern, die ich liebe und verehre, zu erhalten, konnte mich fast nicht mehr an das Leben binden. Nur Sie, meine verehrungswürdige Freundin, konnten mich retten am Rande des Abgrunds, in den mich zu stürzen ich im Begriff war; sehen Sie, was Sie vollbracht haben, und wie werde ich jemals den Preis für so viel Güte begleichen können? Was bliebe mir zu wünschen, wenn ich nur jeden Tag eine Stunde in der Gesellschaft einer verehrten Freundin verbringen könnte. Nein, ich wage nicht daran zu denken, mein Glück wäre zu groß. Da meine Grundsätze und meine Aufrichtigkeit mir verbieten, vor einer Herzensfreundin etwas zu verbergen, werden Sie mir erlauben, Ihnen alles mitzuteilen, was mich betrifft: Sie wissen schon, daß ich bei meinem Aufenthalt in Paris Meline mehrmals von meinen Gefühlen und meiner Liebe zu ihr in Kenntnis gesetzt habe. Ich erhielt stets ausweichende Antworten, und ich glaubte, der Grund dafür sei, daß ich damals ohne Posten war und daß es nicht schicklich sei, um die Hand einer jungen Dame anzuhalten ohne ein festes Einkommen und eine Position, die ein angemessenes Leben erlaubt. Das ist es auch, was mich davon abhielt, mich Herrn von Savigny gegenüber zu öffnen, aus Furcht, er würde mir diese Antwort geben. In jener Zeit begann der Krieg wieder, und die Umstände zwangen mich, wieder in die Armee einzutreten, aber mein Ziel war immer, einen zivilen Posten zu erhalten, und tatsächlich verhalfen mir beim Frieden mit Österreich mein Offiziersrang und die Protektion meines Generals dazu, die zivile Position zu erlangen, die ich heute innehabe. Ich war glücklich, denn ich sagte mir, jetzt wirst du es eher wagen, die Geliebte um ihre Hand zu bitten. – Ich erfuhr, daß sie Charles liebt; aus Feingefühl und Diskretion habe ich sie nicht aufgesucht, obwohl ich nur fünfzehn Stunden von Frankfurt entfernt war. Aber als ich erfuhr, daß diese Bindung durch die Heirat ganz zerbrochen war, hoffte ich von neuem und entschloß mich, diese Reise zu unternehmen, in der Hoffnung, Mademoiselle Meline würde weniger grausam sein zu dem, der nur durch sie glücklich werden kann. Seit einigen Monaten haben mir meine Freunde und Gönner neue Angebote für eine vorteilhafte Rückkehr in eine militärische Laufbahn gemacht, aber bis jetzt habe ich immer abgelehnt in der Hoffnung, daß ihr Herz jetzt vielleicht nicht taub sei für meine heißesten Wünsche, doch leider habe ich mich getäuscht, und nie hat sie sich mir kälter gezeigt; und nie hat sie sich so geäußert wie dieses Mal. Ihre Entschiedenheit war sehr grausam für mich, aber sie war notwendig; wenigstens mache ich mir keine Illusionen mehr über ein Glück, dessen ich nicht würdig war. Jetzt, da ich von der Ungewißheit befreit bin, muß ich eine Entscheidung
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Zu Nr. 275
treffen, die mein künftiges Los bestimmt. Soll ich in meinen Wäldern bleiben? Wo ich allein und stets mir selbst überlassen bleibe, wo ich unter Wilden lebe. Gibt es schlimmere Entbehrungen für den Menschen, als die, sich nicht mitteilen zu können und fern von den Freunden zu leben? Soll ich in den militärischen Stand zurückkehren? Wo ich leicht eine Gelegenheit fände, mein Leben zu beenden, das mir nur von Tag zu Tag mehr zur Last werden kann. Soll ich von Land zu Land irren, aber wo könnte ich Ruhe finden auf dieser Welt, es sei denn, Sie würden mir erlauben, eines Tages an dem Ort zu leben, den Sie zu Ihrem Aufenthalt wählen; aber auch das bereitet so viele Schwierigkeiten, daß ich daran verzweifle; denn ich bin sicher, daß Sie sich eines Tages an jemanden binden werden, der Ihres Herzens würdig ist, und dann würde dieser unglückliche Freund, der immer in Ihrer Nähe sein möchte, eine Kränkung bedeuten. Er wäre vielleicht der erste Anlaß für Kummer oder Argwohn. Oh, warum bin ich nicht imstande, mit meinem Blut das Glück einer Freundin zu erkaufen, mit welcher Freude würde ich dann den letzten Tropfen meines Blutes fließen sehen. Dies ist meine Lage; wofür soll ich mich entscheiden? Einer so schönen Seele wie der Ihren muß es große Freude machen, die einzige Stütze eines Unglücklichen zu sein, der ohne Ihre Freundschaft verloren wäre und nie mehr das Glück fände. Lassen Sie ihn nicht im Stich, er ist kein Undankbarer, er spürt zu genau, was Sie alles für ihn tun, aber er hat nicht Ausdrücke genug, um Ihnen zu sagen, was sein Herz für Sie empfindet. Da unsere Korrespondenz die Neugier einiger Personen erregen könnte, könnten Sie von Zeit zu Zeit Ihre Briefe an Herrn Trommler in Winweiler, über Mainz, adressieren. Bitte sagen Sie der verehrten Meline, daß ich ihr bald schreiben werde, und wenn mein Herz sich von dem Fausthieb, den ich von ihrer Hand erhalten habe, erholt hat, muß meine Seele zur Ruhe kommen. Da die übrigen Personen in diesem einzigartigen Haus von unserer Korrespondenz nichts zu wissen brauchen, trage ich Ihnen keine Grüße an sie auf. Adieu, meine teuerste und werte Freundin, schreiben Sie mir bald, denn der Tag, an dem ich einen Brief von Ihnen erhalte, wird für mich ein Glückstag sein; ich beneide den meinigen, denn er wird Ihnen nahe und ich werde fern von Ihnen sein. Adieu, ich danke Ihnen und werde Sie mein Leben lang verehren. Guillaume 2–3 retour dans mon Exil] Winnweiler, etwa 75 kam südwestlich von Frankfurt, gehörte zum mit dem Frieden von Lunéville 1801 an Frankreich gekommenen Departement Donnersberg. Türckheim hatte dort eine zivile Anstellung
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Zu Nr. 275
gefunden, nachdem er vmtl. wegen einer Verletzung vorübergehend aus dem französischen Militärdienst ausgeschieden war. (Vgl. Suphan 1892, S. 40.) 35–37 Vous Savez 〈…〉 Paris je fis Connoître à Meline 〈…〉 mon Amour pur Elle] Türckheim lernte Meline Brentano kennen, als sie sich mit Savignys von Ende 1804 bis Ende September 1805 in der französischen Hauptstadt aufhielt. 45 la Paix avec l’Autriche] Der österreichisch-französische Frieden von Preßburg (26. Dezember 1805) nach dem Sieg Napoleons in der Schlacht von Austerlitz. 49–51 Charles 〈…〉 Mariage] Wilhelm von Türckheims Bruder Carl, in den Meline verliebt war, hatte die sechzehnjährige Cäcilie Gräfin Waldner von Freundstein geheiratet. Meline erfuhr am 25. März 1807 von der bevorstehenden Heirat und schrieb an Savigny: George brachte mir heute die
Nachricht, daß sich der Carl Türkheim mit einem Mädchen von 14 Jahren in kurzer Zeit verheurathen wird. Ach möge sie ihn so glücklich machen, wie ich es ihm wünsche; Mich hat diese Nachricht nicht überrascht, denn ich war ja schon lange darauf vorbereitet. Daß sie mir Weh recht weh gethan hat will ich dir nicht läugnen; Es ist recht gut, daß es so gekommen ist, Gott hat es so gewollt. (SPK/NS 104/13.) Über einen Besuch des Ehepaars im Frankfurter Brentanohaus berichtete Meline Savigny am 12. September 1807: Der Karl war da mit seiner Frau, die
eine sehr hübsche Blondine ist. Sie ist 16 Jahr alt, sieht sehr unschuldig aus, und beträgt sich sehr gratiös. Ich sah den Karl mit vieler Ruhe an, wir waren öfters ganz nah neben einander, allein er wande sich immer ganz verlegen, ohne mit mir zu reden, oder mich nur zu grüßen weg. (SPK/NS 104/17.)
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An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, vmtl. 8. September 1807, Dienstag
B: Nr. *263. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 225 × 187 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufschnitt, Oblatenrest. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 3, darunter: 〈x〉 I 128, aoRr: 2e lettre à Goethe S. 187, darunter Stempel: 2, alR: I 129, I 130.
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Zu Nr. 276
Besonderheiten: Nachdem Goethes Brief an seine Mutter mit der Beilage an B vom 20. Juli 1807 (Nr. *263) in Frankfurt eingetroffen war, antwortete ihm die Frau Rath am 8. September u. a.: Betine Brentano ist über die Erlaub-
nüß dir zuweilen ein plättgen zu schicken zu dörfen entzückt – antworten solt du nicht – das begere Sie nicht – dazu wäre Sie zu gering – belästigen wolle Sie dich auch nicht – nur sehr selten – ein Mann wie du hätte größeres zu thun als an Sie zu schreiben – Sie wolte die Augenblicke die der Nachwelt und der Ewigkeit gehörten nicht an sich reißen. (Köster 1904, Bd. II, S. 166.) Vmtl. lag Bs undatierter Brief demjenigen der Frau Rath bei. Postzeichen: Portozeichen. Datierung: Vgl. Besonderheiten. D1: Steig 1922, S. 20 f.; datiert: nach 8. September 1807. D2: Bergemann 1927, S. 187 f. (Nr. 2); datiert: nach 8. September 1807. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (2), S. 10; TD. D4: B/WuB II, S. 577 f.; datiert: nach dem 8. September 1807. DV: H.
Veränderungen 25 25 29 36
sie] s aus S Unrecht] U aus u pflegt] p aus h sie] s aus S
Erläuterungen 3–4 da ich Ihnen geschrieben hatte] Am 15. Juni 1807 (Nr. 252). 15–16 was von der ganzen Welt 〈…〉 mit dem theilen] Anspielung auf Goethes Gedicht An den Mond (letzte Fassung 1789), vorletzte und letzte Strophe: Selig wer sich vor der Welt / Ohne Haß verschließt, / Einen
Freund am Buen hält / und mit dem genießt, // Was von Menschen nicht gewußt / Oder nicht bedacht, / Durch das Labyrinth der Brust / Wandelt in der Nacht. (Goethe/MA II/1, S. 35 f.) 20 Melodien die sich ein Lied suchten] B hatte bereits 1806 Goethes Gedicht Meeres Stille vertont. Seit Anfang 1808 entstanden ihre ersten Faust-Kompositionen. Überliefert sind auch eine Vertonung von Herbstge1703
Zu Nr. 276
fühl und Liedentwürfe zu weiteren Goethe-Gedichten. (Vgl. Moering 1992, S. 68, 72.) 23 Ihre Mutter, schrieb] Vgl. Besonderheiten. 34–36 »Zärtliche getreue Seele 〈…〉 Amor legt die Flügel an 〈…〉 warten kann«] Nach dem Lied des Basyl aus Beaumarchais’ Lustspiel Der lustige Tag oder Figaro’s Hochzeit (uraufgeführt 1784), 4. und 5. Aufzug: Zärtliche, getreue Seelen, Deren Schwur kein Leichtsinn bricht; Laßt nicht Eifersucht euch quälen, Wechseln ist so strafbar nicht. Denn Amor legt die Flügel an, Damit er weiter fliegen kann. (Beaumarchais 1785, S. 164 und 215.) Goethes Mutter hatte das Lied am 18. Dezember 1785 für ihren Sohn einem Brief an Fritz von Stein beigelegt, dem sie schrieb: damit ich hübsch im Ge-
dächtniß meines lieben Sohnes bleibe und er auch seine gute Mutter nicht vergißt, so schicke ich ihm hier ein kleines Andenken, dabei kommen auch die zwei Lieblingslieder und da ich nicht weiß ob der deutsche Figaro in Weimar Mode ist, so folgt hierbei das Liedchen auch (Köster 1904, Bd. I, S. 152). 36 Wilhelm] Vielmehr August (von Goethe). 39 von der Tochter 〈…〉 viel Treue] »Anspielung auf Christianes unerschrockenes Verhalten während der Einquartierung französischer Truppen in Weimar nach der Schlacht bei Jena am 14. 10. 1806, wodurch sie Goethe aus Lebensgefahr rettete. Sie hatte bei ihrem letzten Besuch bei Frau Rath (März/April 1807) wohl ausführlich darüber berichtet. Für Goethe war ihre ihm in dieser Situation erwiesene Treue der Anlaß, sich am 19. 10. 1806 mit ihr trauen zu lassen.« (B/WuB II, S. 1111.)
277.
Von Johann Georg Daniel Arnold nach Frankfurt Heidelberg, 12. September 1807, Sonnabend
B: –. A: –. H: GSA 03/489. – Format: 1 Dbl. ca. 246 × 203 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x quer, 2x längs gefaltet. – Papier: Leicht verknittert und fleckig, Tintenfraß. – WZ: J WHATMAN. Fremdeinträge: 1r auRl: 1 | 2r auRl: 2.
1704
Zu Nr. 277
Besonderheiten: Der angekündigte Stock wurde mit Nr. 278 geschickt. D1: Kat. Henrici 155, S. 52, Nr. 160; TD (kurzer Auszug). DV: H.
Veränderungen 19 schmalen] danach gestr. Stei 24 anlangte] aus ankam 60 den] aus die 71 gedruckt] danach gestr. gesch 76 dem] danach gestr. ble 103 ergebensten] danach gestr. Arnolds oder
Erläuterungen 1 Heidelberg 〈…〉 1807.] Der Koblenzer Jura-Professor Arnold war auf der Reise nach Heidelberg Ende August nach Frankfurt gekommen, wo er mit B Umgang hatte, worüber Meline am 7. September an Savigny berichtete: Mit
der Bettine hat er viel gesprochen, ihr zu beweisen gesucht, daß sie ein thätigeres Leben führen müsse um glücklich zu sein; daß sie dies, wenn sie ernstlich wolle, hier so gut könne, wie an jedem andern Ort. Bettine hat ihn gerne, doch wird sie seinen guten Rath nicht befolchen, denn sie hat nun einmal die feste Idee, daß sie die hiesige Luft nicht vertragen kann. Ich glaube wir sind alle mit fixen Luft Ideen gestraft. (SPK/NS 104/17.) Anschließend reiste Arnold nach Heidelberg weiter. 6 Braunfels] Frankfurter Gasthof. 11–13 Thurme wo 〈…〉 Wittelsbacher Helden] Der Dicke Turm mit den Steinfiguren der Kurfürsten Ludwig V. und Friedrich V. von der Pfalz, der Bauherren des Turms. 18 Schopen] Schoppe, Figur in Jean Pauls Titan (1800/03), ausgestattet mit einem großen dicken Stock, Freund und Erzieher des Titelhelden. 32 Zwinge] Die Metallkapsel am Ende eines Stocks. 45 in dem Hause] Im Frankfurter Brentano-Haus. 85–86 anima mia] Meine Seele.
1705
Zu Nr. 277
88–90 Vi mendo questo 〈…〉 Strada della Sabbia.] Ich lasse es Sie wissen, damit Sie ihn suchen lassen können, falls die Postboten vergessen sollten, ihn zu Ihnen in die Sandstraße zu bringen. 93 Brückenbauer] Nicht identifiziert.
278.
Von Johann Georg Daniel Arnold nach Frankfurt Heidelberg, 12. September 1807, Sonnabend
B: –. A: –. H: GSA 03/489. – Format: 1 Dbl. ca. 236 × 124 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht verknittert und fleckig, Tintenfraß. – WZ: J
WHATMAN. Fremdeinträge: 1r auRl: 3 | 2r auRl: 4. Besonderheiten: Begleitschreiben zur Sendung eines Stocks. Datierung: Da Arnold in Nr. 277 angekündigt hatte, er werde am nächsten Tag weiterreisen, und der Stock nebst Brief noch von Heidelberg nach Frankfurt befördert wurde. DV: H.
Veränderungen 10 wegen] w aus 〈x〉 32–35 Mademoiselle 〈…〉 wird] kopfstehend
Erläuterungen Vgl. Nr. 277.
1706
Zu Nr. 279
279.
An Ludwig Achim von Arnim in Königsberg Frankfurt, Mitte September 1807
B: Nr. 273. A: Nr. 282. H: FDH 7398. – Format: 1 Bl. ca. 227 × 192 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Tintenfraß. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 165. | 1v auR: 7398. Datierung: Die zwischen B und Arnim während seines Königsberg-Aufenthalts gewechselten Briefe waren etwa vierzehn Tage unterwegs. Sie wird seinen am 1. September beendeten Bezugsbrief Mitte des Monats erhalten und beantwortet haben. Wie aus seiner Antwort hervorgeht, erhielt er ihren nicht mehr in Königsberg, das er am 25. September verließ, sondern unterwegs in Sandow, wo er sich um den 3. Oktober aufhielt und wohin ihn der Brief von Königsberg nachgeschickt wurde. D1: Steig 1913, S. 67 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 116 f. (Nr. B14). D3: WAA XXXIII, Nr. 568. DV: H.
Veränderungen 8 den] aus denn 17 mit] aus sei 45 das] s aus ß
Erläuterungen 1 Ihrer Liebe] Zu Auguste Schwinck. 19 Göthe hat mich 〈…〉 ihm zu schreiben] Vgl. Nr. *263. 27–28 Von Clemens 〈…〉 geschrieben] Vgl. Nr. 274,5–16. 42 die Himmlischen Mächte] Anspielung auf das Lied des Harfners in Wilhelm Meisters Lehrjahren: Wer nie sein Brot mit Tränen aß, / Wer
nie die kummervollen Nächte / Auf seinem Bette weinend saß, / Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte. (Goethe/MA V, S. 134.) 48 Gut am Rhein] In Winkel. Vgl. Nr. 200,46 und Erl. 49 der Günderrode ihr Sterbeplaz] Vgl. Meline Brentano an Savigny, 1. August und 25. August 1806 (Stimmen Nr. 74 und 75).
1707
Zu Nr. 279
49 Bekleidung] Begleitung (frankfurtisch). 51–52 meine Stimme bei Ihnen 〈…〉 Nr. 273,81–95.
280.
vor dem ersten 7ber] Vgl.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Königsberg, 20. September 1807, Sonntag – Sandow, 3. Oktober, Sonnabend
B: –. A: –. H: FDH 7238. – Format: 1 Bl. ca. 236 × 191 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 1x quer gefaltet. Fremdeinträge: 1r aoRl: 166, aoRm: 1807, darunter: An – Bettine ( ? ) (Konzept) | 1v auRr: 7238. Besonderheiten: Arnim, der den Brief in Königsberg begann, nahm ihn mit, als er die Stadt am 25. September mit Reichardt verließ, und wollte ihn am 3. Oktober in Sandow fortsetzen, als er dort den ihm von Königsberg nachgeschickten Brief Bs von Mitte September (Nr. 279) erhielt. Mit der beabsichtigten Fortsetzung kam er jedoch nicht über das Schreiben von Ort und Datum hinaus. Der Brief wurde nicht abgeschickt. D1: Steig 1913, S. 68 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 118 (Nr. A19). D3: WAA XXXIII, S.90 (Nr. 571). DV: H.
Varianten 1 Königsberg d* 20 September 1807.] nachträgl. 6 Buchfinken] f aus m 11 täglich] üdZ eing. 18 in Corinna und Nelvil] üdZ eing. 19 lernt] aus 〈xxx〉 | davor gestr. ruht
1708
Zu Nr. 280
Erläuterungen 5–6 schiesse 〈…〉 wie in Trages] Vgl. zu Nr. 175,7. 12–17 Corinne 〈…〉 Lord Nelville 〈…〉 gut werden könne.] Germaine de Staël, Corinne ou L’Italie (2 Bde., Paris 1807; dt. Berlin 1807/08, übersetzt von Dorothea Schlegel, hg. von Friedrich Schlegel). »Lord Oswald Nelvil, seelisch und körperlich krank, reist im Winter 1794/95 nach Italien, um sich zu zerstreuen. Auf dem Kapitol in Rom macht er die Bekanntschaft Corinnes, einer berühmten Dichterin, und ist hingerissen von ihren glänzenden Gaben und ihrem persönlichen Charme. Auf gemeinsamen Streifzügen durch die Vergangenheit und Gegenwart Italiens kommen sie einander näher, was Corinne nicht davon abhält, alles, was sie sieht und erlebt, Kirchen, Monumente und Paläste, einen Ball oder eine Soirée, zum Anlaß zu nehmen, sich mit dem Charakter und den Sitten der Italiener, ihrer Literatur, Kunst, Philosophie und dem täglichen Leben zu befassen. Ihr Gefühl füreinander vertieft sich dennoch, und Oswald möchte Corinne heiraten; doch diese zögert. Sie gesteht ihm, daß sie englischer Abstammung ist, sich nach einem Familienkonflikt über die starren gesellschaftlichen Konventionen Englands hinweggesetzt hat und nun in Italien ihren künstlerischen Neigungen leben will. Hier endet der mit viel kulturhistorischen Exkursen durchsetzte erste Teil, und es beginnt die psychologisch analysierende Darstellung einer tragischen Liebe« (KNLL XV, S. 861 f.). 23 Sandow] Gut in der Nähe des bekannteren Gutes Ziebingen (ca. 20 km südöstlich von Frankfurt/O.), wo Tieck seit 1802 vorwiegend lebte. Bis zu diesem Jahr gehörten die Güter dem Tieck unterstützenden Wilhelm von Burgsdorff; noch im selben Jahr hatte sie der mit Burgsdorff befreundete Friedrich Ludwig Karl Graf Finck von Finckenstein übernommen, der sich ebenfalls mäzenatisch zu Tieck verhielt. Da Ziebingen von französischer Einquartierung betroffen war, hatte Tieck sich auf Sandow zurückgezogen. Arnim sah ihn dort wieder, und dieses Wiedersehen wird dazu beigetragen haben, daß er vom Briefschreiben abgehalten wurde. Am 4. Oktober trug Tieck sich in sein Stammbuch ein. (Vgl. WAA XXXIII, Nr. AI.76.)
1709
Zu Nr. 281
281.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, vmtl. 6. Oktober 1807, Dienstag
B: –. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Bl. ca. 225 × 187 mm, 1r-1v 2 beschr. S.; 1x quer gefaltet. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Brief der Frau Rath an Goethe vom 6. Oktober 1807. Fremdeinträge: 1r aoRl: 4, darunter: I 133–139, aoRr: 3e lettre à Goethe S. 188, darunter Stempel: 3. Datierung: Aufgrund des Datums der Beilage. D1: Steig 1922, S. 22 f. D2: Bergemann 1927, S. 188–190 (Nr. 3). D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (3), S. 10; TD. D4: B/WuB II, S. 577 f. DV: H.
Erläuterungen 4–5 verliebt 〈…〉 5 Tage lang] In Wilhelm von Türckheim, der Ende August/Anfang September nach Frankfurt gekommen war. Vgl. B an Arnim, 30. August 1808 (Nr. 424,32–38). 30 Frau von Türkheim die Sie kennen müßen] Anna Elisabeth Türckheim war vor ihrer Heirat eine Jugendliebe Goethes: Lili Schönemann. 41 in der Mutter ihrem Brief 〈…〉 vom Gehirn] Villeicht ein Gran
Hirn mehr oder weniger und du wärstes ein gantz ordinerer Mensch geworden und wo nichts drinnen ist da kan nichts raus kommen (Köster 1904, Bd. II, S. 168). 50 Dockter Schlosser] Friedrich Schlosser.
282.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Giebichenstein, 7. Oktober 1807, Mittwoch
B: Nr. 274, 279. A: Nr. 284. H: FDH 7239. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 225 × 188 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; 4v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Große braune Flecke, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, rotes Siegel. – WZ: I:
1710
Zu Nr. 282
bekrönter Posthornschild | C & I HONIG | II: wegen Siegel nicht erkennbar. Fremdeinträge: 1r aoRl: 167 | 4v auRr: 7239 | 4v Notiz Bs: Gibichenstein
7ten October 1807. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 581.E). Postzeichen: Halle. | 2 Portozeichen. | Stempel: A. v D. D1: Steig 1913, S. 69–71. D2: Betz/Straub 1986, S. 119–121 (Nr. A20). D3: WAA XXXIII, S. 94–96 (Nr. 581). DV: H.
Veränderungen 7 mir] über gestr. ich 21 ausgetanzt] erstes a aus k 30 Sandow] über gestr. Ziebingen 58 ihrer] i aus I 66 Sie] S aus s 66 dann] d aus m
Erläuterungen 2 hundert und zehn Meilen] Eine preußische Meile: 7,532 km. 5 ein früherer] Nr. 274, nach Giebichenstein geschickt. 6–7 Sandow 〈…〉 Tieck 〈…〉 Schönes von Ihnen sagte] Tieck wird Arnim in Sandow (vgl. zu Nr. 280,23) von seiner Bekanntschaft mit B im September 1806 in Frankfurt berichtet haben. 9–10 Meine Reise 〈…〉 Wüthen aller Elemente in mir] Vgl. die Reisenotizen des Grafen Karl in der Gräfin Dolores (3. Abt., 8. Kap.): es ist Sprache eines tief gekränkten Herzens (Arnim/W I, S. 196). 10–11 dieses Hauß 〈…〉 Ruhe eines glücklichen Kreises] Zu Reichardts Giebichensteiner »Dichterparadies« vgl. Nr. 190,9–13 und Erl. 18–19 Der Geburtstag 〈…〉 der letzte Tag] Der 24. September. 22–23 wie ein Mensch 〈…〉 sie behalten soll] Arnim kannte die Geschichte von dem Hinzurichtenden, der darum gebeten hatte, von seinen Mitverurteilten diejenigen freizugeben, an denen er als Geköpfter vorbeilaufen
1711
Zu Nr. 282
würde, aus Happelius’
Grösseste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genandte Relationes Curiosae (Bd. IV/2, Hamburg 1689), worin er sie unter dem Titel Der wandelende Tote gefunden hatte. Der Protagonist heißt Dietz von Schauenburg, und Arnim bearbeitete das Motiv unter dem Titel Ritter Dietz von Schauenburg als Lied für das Wunderhorn, worin es jedoch nach Kritik Brentanos nicht aufgenommen wurde. (Vgl. Rölleke 1995.) 24–25 seidene Schreibtasche 〈…〉 Haarlocken] Diese Utensilien waren 1929 noch erhalten: »Gestickte Seidentasche mit Haaren und Blumen.« (Kat. Henrici 149, S. 36, Nr. 96.) 32 seinen Sohn] Reichardts Stiefsohn Wilhelm Hensler, der als französischer Offizier den Namen Richard angenommen hatte. 46 Raritäten kammer] Arnim hatte sich Ende September 1806 in Kassel aufgehalten, dort das Museum Fridericianum besucht und Philippine Engelhard mit ihrer Familie kennengelernt, die er Brentano am 6. Oktober 1806 als Kuriosität schilderte (WAA XXXII, Nr. 498). 48–49 die Pistor, Alberti haben Sie 〈…〉 gerühmt] Reichardts Stieftöchter Charlotte Pistor und Wilhelmine Alberti werden B kennengelernt haben, als diese sich im zweiten Aprildrittel 1807 in Berlin aufhielt. 49–50 Sie Sind 〈…〉 vorbeygereist] Auf der an den Berlin-Aufenthalt anschließenden Reise von Berlin zunächst nach Weimar, die über das ca. 40 kam von Halle entfernte Leipzig führte. 52–53 Sie hat 〈…〉 Lieder von mir 〈…〉 musicirt] Vgl. Nr. 182 (Beilagen) und Nr. 190,30–33. 53 Ihr Singechor] Vgl. Nr. 264,60–64 und Erl. 54 von lauter Bräuten umgeben] Wie aus Louise Reichardts Brief an Arnim vom 28. Juli 1807 hervorgeht (vgl. zu Nr. 264,60–64), hielten sich in Giebichenstein Marie Helene Püttmann, die Braut von Arnims Universitätsfreund Carl Friedrich von Redtel, sowie Wilhelmine Wolf, Tochter des Altphilologen Friedrich August Wolf und Braut des Literaturhistorikers Wilhelm Körte, auf, und Friederike Reichardt war die Braut des Geologen Karl von Raumer. 60–61 Napoleon 〈…〉 sein Anblick] Erinnerung an eine diplomatische Audienz am 6. Februar 1803 in Paris, bei der die Brüder Arnim Napoleon vorgestellt wurden. Vgl. WAA XXXI, Nr. 287,183–185 und Erl. 62 Ihr Gefühl] Vgl. Nr. 274,142–148. 69 Sind vielleicht 〈…〉 Lautensaiten zu bekommen] Louise Reichardt erhielt die Saiten erst Anfang März 1808 durch B, die unsicher war, ob Louise Reichardt sich noch in Giebichenstein oder bei ihrem nach Kassel gezogenen Vater aufhielt, und die Saiten nach Kassel schickte. Vgl.: Nr. 295,50–52; Nr. 330,82–83.
1712
Zu Nr. 283.E
*283. An Bettina Brentano nach Frankfurt Giebichenstein, 15. Oktober 1807, Donnerstag DV: H. B: Nr. 274. A: –. Besonderheiten: Arnim schrieb den nicht überlieferten Brief und das Exzerpt Nr. 283.E, nachdem Bs Brief von Ende August (Nr. 274), den sie nach Giebichenstein geschickt hatte und der nach Königsberg weitergeschickt worden war, von dort wieder in Giebichenstein eingetroffen war. Zur von Arnim gegenüber B am 28. Januar 1808 rekapitulierten Verhinderung des Briefes vgl. sein Gedicht Amor der Tintenjunge (Nr. A.6 mit Erläuterung) sowie Friederike Reichardts Eintrag in Arnims Stammbuch vom 7. November 1807. (Vgl Nr. 283.E: Besonderzeiten.)
283.E Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Giebichenstein, 15. Oktober 1807, Donnerstag B: Nr. 274. A: –. H: GSA 03/252, 14v-15v. – Format: Exzerptheft Arnims ca. 233 × 183 mm; darin 2½ beschr. S. Besonderheiten: Arnim schrieb den (nicht überlieferten) Brief und das vorliegende Exzerpt, nachdem Bs Brief von Ende August (Nr. 274), den sie nach Giebichenstein geschickt hatte und der nach Königsberg weitergeschickt worden war, von dort wieder in Giebichenstein eintraf. Daß der Brief verloren ging, wird an einer Affäre während Arnims Giebichenstein-Aufenthalt von etwa 7. Oktober bis 7. November 1807 gelegen haben. Arnim wollte dem Brief sein Gedicht Amor der Tintenjunge (vgl. Nr. A.6) beilegen, das in Giebichenstein im intensivierten Liebes-Hinblick auf B, die er bald wiederzusehen hoffte, und im resignierten Rückblick auf Auguste Schwinck, die er in Königsberg, unerwidert in sie verliebt, verlassen hatte, entstanden war. Die Absendung verhinderte Johann Friedrich Reichardts zweiteheliche Tochter Friederike, die 1811 den Geologen und Pädagogen Karl von Raumer heiratete. Eifersüchtig, mißgünstig oder auch nur versessen auf das Gedicht, wird sie es wie auch den Brief entwendet haben, weshalb es im Raumer-Nachlaß der ULB Münster erhalten blieb. Daß Friederike sich Arnim gegenüber schuldig fühlte, läßt sich aus ihrem Eintrag in sein Stammbuch kurz vor seiner Abreise schließen: Richtet nicht! richtet nicht! / Friedericke Reichardt. / Giebichenstein d* 7t / Nov. 1807. (WAA XXXIII, Nr.
1713
Zu Nr. 283.E
AI. 77; Bezug auf Mt 7,1: Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.) D1: Burwick 1978, S. 350 f.; ohne Empfängerbestimmung. D2: WAA XXXIII, Nr. 585.E. DV: H.
Veränderungen 4 eigne] ei aus 〈x〉 22 scheint] danach gestr. heute 29 zu schreiben] sc aus 〈x〉 35–37 Ihr erster Brief 〈…〉 im Trocknen.] zwischen den Zeilen 35 wie die Muhle] üdZ
Erläuterungen 3 Sie] Vmtl. Friederike Reichardt. Vgl. Besonderheiten. 11–14 Alles liegt 〈…〉 Garten der Hesperiden 〈…〉 durch keinen Drachen verschlossen.] Die Hesperiden (Töchter der Nacht oder des Atlas und der Hesperis) hüteten in einem fern gelegenen Garten mit dem Drachen Ladon die goldenen Äpfel, die Gäa der Hera bei ihrer Vermählung mit Zeus als Brautgeschenk hatte wachsen lassen. 14–15 M. Puttmann 〈…〉 ein Brief ausgeblieben] Helene Püttmann erwartete einen Brief ihres Verlobten Carl Friedrich von Redtel. 18 er denkt aber an Vieh und Schafe] Redtel betrieb auf einer Meierei vor den Toren Berlins eine recht interessante kleine Wirthschaft, wie er am 20. April 1808 an Arnim schrieb (WAA XXXIII, Nr. 746,20–21). 19 Neckchen] Nixchen, mit etymologischen Bezug zu Neck (Nick, Wassermann). »Die weiblichen N. dagegen erscheinen in der Sonne sitzend, ihre langen Haare kämmend 〈…〉 sind gesellig 〈…〉 lieben Spiel, Gesang und Tanz« (MGKL XIV, S. 720). 24–25 So enden nun 〈…〉 die Kerzen glühen.] Als Zitat nicht ermittelt. 25–26 Göthe schrieb 〈…〉 O gieb vom weichen Pfühle.] Arnim zitiert den ersten Vers von Goethes Gedicht Nachtgesang, das 1802 entstand – wie aus dem Exzerpt gefolgert werden kann, während eines Aufenthalts in Giebichenstein. Dort und in Halle hielt Goethe sich vom 22. bis 24. Mai und zwischen 9. und 20. Juli 1802 auf. (Vgl. Steiger 1988, S. 292, 302–304.) Die
1714
Zu Nr. 284
Arnimsche Exzerptstelle scheint bisher zu Datierung und Kommentierung des Gedichts nicht herangezogen worden zu sein. 28 du bist ein Kind 〈…〉 Wohlgefallen hab] Nach 2 Pt 1,17 und Mt 17,5:
Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. 29 Sie fürchten Unsinn zu schreiben] Bezug auf den Schluß von Nr. 274. 35 Ihr erster Brief] Nr. 279 von Mitte September. 36 Ihr zweyter] Der frühere von Ende August (Nr. 274), den Arnim erst nach Nr. 279 erhielt.
284.
An Ludwig Achim von Arnim in Giebichenstein Frankfurt, vmtl. 20. Oktober 1807, Dienstag
B: Nr. 282. A: –. H: FDH 7399. – Format: 1 Bl. ca. 248 × 203 mm; 1r ½ S. beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Grau, verknittert, fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: F Buhl (lat. Schreibschrift). Fremdeinträge: 1r aoRl: 168. Postzeichen: Stempel: FRANCFORT. | 2 Portozeichen. Datierung: B, die Arnims Brief vom 7. Oktober im Moment der Abreise von Frankfurt nach Kassel erhielt und schnell noch beantwortete, kam dort mit ihrer Schwester Meline am 22. Oktober an, wie aus einem an diesem Tag in Kassel beendeten Brief Brentanos an Arnim hervorgeht: So eben ist Bettine und Meline hier angekommen (WAA XXXIII, Nr. 589,148–149). Die Schwestern werden zwei Tage unterwegs gewesen sein. (Vgl. Datierung von Nr. *230.) D1: Steig 1913, S. 71; nicht datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 122 (Nr. B15); datiert: Oktober 1807. D3: WAA XXXIII, S 108–109 (Nr. 590). DV: H.
Varianten 4
für] aus Nach
5
mir] i aus e
1715
Zu Nr. 284
Erläuterungen 2 Nach Cassel] Kassel war inzwischen Hauptstadt des von Napoleon am 1. September 1807 gegründeten Königreichs Westphalen, als dessen Herrscher sein Bruder Jérôme Bonaparte am 10. Dezember gekrönt wurde. Zu dem neuen Staat gehörte auch Halle mit angrenzendem Gebiet. 2 Savignys zu erwarten] Savignys reisten von München jedoch nicht nach Kassel, sondern nach Weimar, wo es ab Anfang November zum Wiedersehen des Arnim-Brentano-Savignyschen Freundeskreises kam. Vgl. zu Nr. 286,2. 4 für Lauten Saiten 〈…〉 gesorgt] Für Louise Reichardt. Vgl. Nr. 282,69 und Erl.
285.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Frankfurt( ? ) München, 22. Oktober 1807, Donnerstag
B: Nr. 267. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 190 × 114 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2v Adresse; 5x quer gefaltet. – Papier: Bl. 2 untere rechte Ecke abgerissen (ohne Textverlust). – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRm: 13, aoRr: 39, auRl: 27 | 1v aoRr: 40 | 2r aoRr: 41, auRl: 28 | 2v aoRr: 42. Besonderheiten: Der Brief wurde B vmtl. von Frankfurt nach Kassel nachgeschickt. D1: Härtl 1979, S. 120. DV: H
Veränderungen 20 26 28 35
harmonischer] danach gestr. Anlage zur Eine] am Schluß gestr. r erst] am Schluß gestr. e seÿn] üdZ eing.
1716
Zu Nr. 286
Erläuterungen 26
daß wir nach Weimar gehen] Vgl. zu Nr. 286,2.
286.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Kassel, 26. November 1807, Donnerstag
B: –. A: Nr. 287. H: GSA 28/166/I. – Format: 1 Dbl. ca. 250 × 210 mm; 1r-1v 1 S. + 5 Z. beschr.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer und 1x quer in der Mitte gefaltet. – Papier: Vergilbt, fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: I, aoRr: Nachl. der Enkel. Besonderheiten: Goethe benutzte Motive des Briefs nicht nur für seine Sonette Mächtiges Überraschen und Abschied, die er als Antwort schickte, sondern auch für die Sonette Das Mädchen spricht und Die Liebende abermals, die er B nicht schickte. Vgl. in Die Liebende abermals: Warum
ich wieder zum Papier mich wende? 〈…〉 Denn eigentlich hab’ ich dir nichts zu sagen 〈…〉 So stand ich einst vor dir, dich anzuschauen / Und sagte nichts. Was hätt’ ich sagen sollen? / Mein ganzes Wesen war in sich vollendet. (Goethe/MA IX, S. 16 f.) Zu Goethes Sonetten vgl. Nr. 287
(Besonderheiten). – B erhielt den Brief nach Goethes Tod nicht zurück; daher im GSA überliefert. Postzeichen: Portozeichen. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung, Savigny reise morgen nach Frankfurth. Die Abreise erfolgte am 27. November, wie sich aus Arnims Briefexzerpt an Charlotte Schwinck vom diesem Tag (WAA XXXIII, Nr. 606.E) erschließen läßt. (Die Nachricht in Brentanos am 29. November beendeten Brief an Zimmer, Savigny reise nächster Tagen nach F〈rank〉f〈ur〉t [FBA XXXI, S. 622,23], steht am Briefanfang, der früher geschrieben sein muß, wie sich aus Arnims Brief an Zimmer vom 28. November [WAA XXXIII, Nr. 608] ergibt, in dem er sich auf Brentanos Benachrichtigung als eine bereits geschriebene bezieht.) D1: Kühne 1850; nicht datiert. D2: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 162 f.; datiert: November 1807. D3: Fränkel 1906, Bd. II, S. 179 (Nr. 4); datiert: ebenso. D3: Bergemann 1927, S. 190 f. (Nr. 4); nach S. 192 Faksimile; datiert: ebenso.
1717
Zu Nr. 286
D4: B/WuB II, S. 580 f.; datiert: ebenso. DV: H.
Veränderungen 15 16 25 25 27
Zögerung] erstes g aus 〈x〉 Umarmung] U aus A stehst] st aus 〈xx〉 als] a aus 〈x〉 mich] aus nur
Erläuterungen 2 wie ich gern kam in Weimar] B traf am 1. November mit Schwester Meline in Weimar ein, hatte täglich Umgang mit Goethe und erwarb sich seine Duz-Freundschaft. Am 3. November kamen Savigny und Gunda von München, am 8. Arnim und Clemens, der zuvor nach Giebichenstein gereist war, von dort mit Reichardt. Am 11. November kehrten B und Meline in Begleitung von Savigny und Gunda, Arnim und Clemens nach Kassel zurück. Reichardt, der sich länger in Weimar aufhielt, fuhr wieder nach Giebichenstein zurück und kam im Januar nach Kassel. Vgl. die Dokumentation der Berichte über die Begegnungen Grumach 1999, S. 363–373. 27 von Stein 〈…〉 Dein Bildniß] Reminiszenz an Bs Besuch der herzoglichen Bibliothek in Weimar am 4. November in Begleitung Goethes und an die dort aufgestellte Marmorbüste des Dichters von Alexander Trippel (Rom 1787/88). Daß sie die Büste geküßt habe, deutet B in ihrem folgenden Brief an Goethe an (Nr. 288,49–51) und hat sie später in Goethes Briefwechsel mit einem Kinde gestaltet (B/WuB II, S. 560; vgl. ebd., S. 996). 31 Commissionen] Nicht bekannte Aufträge Goethes.
1718
Zu Nr. 287
287.
Von Johann Wolfgang von Goethe nach Kassel Weimar, zwischen Ende November und Mitte Dezember 1807
B: Nr. 286. A: Nr. 288. H: PML/Heineman Coll. – Format: 1 Bl. ca. 163 × 204 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: An den Faltstellen beschädigt. Fremdeinträge: 1r aoRl: 79, aoRr Stempel: 10 | 1v aoRl: 80, aoRr Stempel: 11. Besonderheiten: Goethe schickte B zwei der insgesamt siebzehn Sonette, die zwischen Ende November 1807 und Sommer 1808 entstanden und als Zyklus unter dem Titel Sonette erstmals 1815 erschienen. (Vgl. Riemers Darstellung Stimmen Nr. 136.) Wesentliche Entstehungsimpulse des Zyklus waren, außer der Inspiration durch B, daß Goethe in neuer lyrischer Frische im geselligen Kreis an der Dichtung von Sonetten Gefallen fand, seine Zuneigung zu der achtzehnjährigen Wilhelmine (Minchen) Herzlieb und zeitgenössische Auseinandersetzungen um das Sonett als Kunstform. Das außerdem von romantischen Dichtern (vor allem A. W. Schlegel und Zacharias Werner) kultivierte Sonett wurde 1808 von einer spätaufklärerischen Literatengruppe um Johann Heinrich Voß und das Morgenblatt für gebildete Stände, die Goethe auf ihre Seite zu bringen suchte, heftig befehdet. Ein Anlaß für die Attacke waren, Arnims Brief an B vom 10. März 1808 zufolge (Nr. 329,29–34), nach Süddeutschland gelangte Nachrichten über die noch unveröffentlichten neuen Sonette Goethes. Er schickte ihr eigenhändige Abschriften der von ihm später mit den Titeln Mächtiges Überraschen und Abschied versehenen Gedichte. Vgl. u.a.: Fambach 1963, S. 225–322 (Dokumentation des ausufernden Sonettenstreits); Goethe/MA IX, S. 12–21 mit Kommentar S. 1068–1086. Datierung: Nach Erhalt des Bezugsbriefes vom 26. November; vgl. Goethes Datierung seines etwa zeitgleichen Sonetts Das Mädchen spricht auf den 6. Dezember 1807 (Goethe/MA IX, S. 1077). Terminus ante quem aufgrund von Bs Antwort vom 18./19. Dezember und der Annahme, daß sie bald erfolgte. Goethes Sendung wird etwa zwei Tage unterwegs gewesen sein. D1: Steig 1922, S. 30 f.; datiert: vor Anfang Januar 1808. D2: Bergemann 1927, S. 192; datiert: wie D1. D3: B/WuB II, S. 582 f.; datiert: November 1807. DV: H.
1719
Zu Nr. 288
288.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Kassel, 18./19. Dezember 1807, Freitag/Sonnabend
B: Nr. 287. A: Nr. 293. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 252 × 208 mm, 1r-2r 2½ beschr. S.; 1x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 5, aoRm: I 183 (Grimm S. 93), aoRr: lettre à Goethe, darunter: Cassel, Anfang Januar 1808 | 1v nach ein^gewühlt: I 167 | 2r aoRr: ist also in Cassel. Datierung: B teilt am Schluß des Briefes mit, sie reise Morgen 〈…〉 nach Frankfurt. Dort traf sie am 22. Dezember ein; das geht aus Savignys Frankfurter Brief an Brentano von diesem Tag hervor: Gestern habe ich Ihren Verzweiflungsvollen Brief 〈aus Kassel〉 erhalten, heute höre ich von Bettine, daß Ihr Leben in diesem Augenblick wieder leidlicher ist. (Schellberg/ Fuchs 1939, S. 370.) Brentanos (undatierter) Brief und B werden jeweils zwei Tage unterwegs gewesen sein (vgl. Datierung von Nr. *230). Demzufolge beendete B ihren Brief an Goethe am 19. Dezember, und da aus seinem Inhalt hervorgeht, daß sie an zwei Tagen schrieb, begann sie ihn am 18. Dezember. Vgl. auch Wilhelm Grimms am 22. Dezember in einem Brief an Savigny geäußerte Hoffnung, daß B glücklich angekommen sei (Schoof 1953, S. 36). D1: Steig 1922, S. 31–33; datiert: Anfang Januar 1808. D2: Bergemann 1927, S. 193–195 (Nr. 6); datiert: Anfang Januar 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (4), S. 10 f.; TD; datiert: Anfang Januar 1808. D4: B/WuB II, S. 583–585; datiert: 21. Dezember 1807. DV: H.
Veränderungen 26 hängt] aus 〈xxx〉 33 gesessen] nach erstem 54 dich] aus auf 64 Lieb] umkringelt 71 kurz] z aus ß 79–80 Seelig] g aus ch
s gestr. s
1720
Zu Nr. 289
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen B/WuB II, S. 995 f. 37 in Carls des großen Jugendjahren] Vmtl. Johann Christoph von Aretin, Aelteste Sage über die Geburt und Jugend Karls des Großen (München 1803). 38–39 dabey gemahlt 〈…〉 wie Du mich bald sehen sollst] Vmtl. ein Aquarell von Ludwig Emil Grimm, der sich an der Kasseler Kunstakademie ausbildete. B schickte es erst im Oktober 1809 an Goethe. (Vgl.: Kat. Bettine 1985, S. 29 f.; B/WuB II, Abb. 12.) 39 das blaue Couvert] Goethe schickte B Briefe in blauen Umschlägen. Vgl. in Goethes Sonett Sie kann nicht enden: Wenn ich den blauen Umschlag dann erblickte (Goethe/MA IX, S. 17). Ein blaues Kuvert zu einer Skizze Joseph Ludwig Stolls, die Goethe B zu Weihnachten nach Frankfurt schickte, ist überliefert, (Vgl. zu Nr. 293,21–22) 40 fand mich darinn 〈…〉 wiedergebohren] Da Goethe in seinen Sonetten ihren vorausgegangenen Brief paraphrasiert hatte. 48–51 auf der Bibliotheck 〈…〉 〈…〉 daran zu wezen] Vgl. zu Nr. 286,27. 51–55 Du breiter voller Strohm 〈…〉 ein^gewühlt] Reminiszenz an Goethes Sonett Ein Strom entrauscht umwölcktem Felsensaale. 65–66 mit dem ich nicht schied] Reminiszenz an Goethes Sonett War unersättlich nach viel tausend Küssen (V. 2). 79 Seelig ist 〈…〉 Dich getragen hat] Nach Apg 11,27: Und es begab sich, da er 〈Jesus〉 solches redete, erhob ein Weib im Volk die Stimme
und sprach zu ihm: Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast.
289.
Von Auguste Brentano nach Frankfurt Kassel, 25. Dezember 1807, Freitag
B: –. A: –. H: FDH 7641. – Format: 1 Dbl. ca. 248 × 205 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Tintenfraß. – WZ: G.I.F. Fremdeinträge: 2v auRr: 7641. D1: Schellberg/Fuchs 1939, S. 370 (TD). D2: Enzensberger 1999, S. 52–54. DV: H.
1721
Zu Nr. 289
Veränderungen 5 mir] üdZ eing. 27 jenen] j aus d 31 Von] üdZ eing. 37 kann] k aus s 40 seine] Schluß-n gestr. 42 weißt] w aus 〈x〉 45 mehr] m aus d
Erläuterungen 31–32 Von Savigny 〈…〉 Brief erhalten] Nicht bekannt. 40 daß Marie seine Briefe an mich zurückhält] Marie, die Frau des Bruders Georg, vmtl. Briefe, die Clemens an Auguste in Frankfurt, vor ihrer gemeinsamen Flucht nach Kassel, geschrieben hatte. 53 Christian 〈…〉 angekommen.] Von Marburg, wo er studierte. 53–54 er reißt in wenig Tagen mit Arnim zu euch] Am 3. oder 4. Januar fuhr Christian Brentano mit Clemens und Arnim nach Marburg, wo die Geschwister zurückblieben, während Arnim ohne längeren Aufenthalt nach Frankfurt zu B weiterreiste.
1808 290.
Von Friedrich Wilhelm Riemer nach Kassel mit dem Sonett Ritterschlag Weimar, 3. Januar 1808, Sonntag
B: –. A: –. H: I: BJ/VS 9 | II: PML/Heineman Coll. – Format: I: 1 Bl. ca. 180 × 108 mm; 1r beschr. | II: 1 Bl. ca. 204 × 138 mm; 1r beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: I: Nicht identifiziert | II: –. Fremdeinträge I: aoRl: 51, aoRr Stempel. Besonderheiten: Begleitschreiben mit Sonett, womit Riemer sich für Bs Geschenk eines Kreuzes und eines Geldbeutels bedankte, das ihrer Weihnachtssendung an Goethe (vgl. Nr. 293 [Besonderheiten]) beigelegt war. Das Begleitschreiben war bisher nicht als Brief Riemers identifiziert. Das Sonett fehlt
1722
Zu Nr. 292
in der zweiten Auflage der Lyrik Riemers: Gedichte (2 Bde., Jena 1826). Vgl. Wilhelm von Humboldt an seine Frau Caroline, Wittenberg, 9. Januar 1809: Riemer treibe unendlichen gesellschaftlichen (auch Goethe nachge-
machten) meist sehr tändelnden, meist läppischen und ziemlich arg magistermäßigen Spaß. So macht er jetzt Sonette, die Goethe unendlich protegiert. Nicht genug, daß Riemer sie mir vorlesen mußte, so nahm auch Goethe selbst sie oft und las sie noch einmal. Sie sind nicht geradehin schlecht, meist komisch und satirisch, aber doch oft sehr fade. Die meisten roulieren zuletzt auf einem Wortspiel, einem angewandten Sprichwort oder einer Volksphrase usf. Du erinnerst Dich dieser alten Manier 〈Riemers〉 noch? (Sydow 1906–1916, Bd. III, S. 65.) D1: II: Riemer 1819, S. 160. D2: II: Steig 1922, S. 35. D3: II: Kat. Henrici 148, S. 23, Nr. 57. D4: II: B/WuB II, S. 1005 f. DV: I + II: H.
*291. An Johann Daniel Engelhard in Kassel Frankfurt, etwa 6. Januar 1808, Mittwoch B: –. A: Nr. 292. Datierung: Engelhard erhielt den Brief, seiner Antwort zufolge, am selben 8. Januar, an dem er ihn zu beantworten begann. Der Brief wird etwa zwei Tage unterwegs gewesen sein. (Vgl. Datierung von Nr. *230.)
292.
Von Johann Daniel Engelhard nach Frankfurt Kassel, 8. und 16. Januar 1808, Freitag und Donnerstag
B: Nr. *291. A: Vgl. Nr. 298.K. H: BJ Autographa. – Format: 1 Dbl. ca. 236 × 183 mm; 1r-1v 2 beschr. S. – Papier: Dünn. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Beilagen: Skizze von dem Grundrisse des Göthischen Landhaußes (Z. 31–32). Nicht bekannt. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: PREUSS. STAATSBIBLIOTHEK ACC. MS 1928.109. | 2v Arnim: Briefe eines Baumeisters ohne Erbauung.
1723
Zu Nr. 292
D1: Steig 1912a, S. 295–297. DV: H.
Veränderungen 5 deshalb] üdZ 5 ein] aus einen 19 ihm] i aus I
Erläuterungen 11 Caledonische Eisgegenden] Kaledonien: der nördlich vom Clyde und Firth of Forth gelegene Teil Schottlands. Die Meinung, für ihn seien Eisgegenden charakteristisch, wies B in ihrem Brief an Engelhard von Ende April/ Anfang Mai 1808 zurück. (Vgl. Nr. 360,47–52.) 31–32 Skizze von dem Grundrisse des Göthischen Landhaußes] Vgl. B an Goethe, etwa 22. November 1809 (Nr. 691,108–114). 32 bey Ihnen componirte] Während Bs Aufenthalt in Kassel.
293.
Von Johann Wolfgang von Goethe nach Kassel Weimar, 9. Januar 1808, Sonnabend
B: Nr. 288. A: Nr. 296. H: PML/Heineman Coll. MA 6907 MS Goethe-Bettina 1,9. – Format: 1 Bl. ca. 230 × 182 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 94 × 120 mm. – Papier: Kuv Siegelrest. – WZ: VANDERLEY. Fremdeinträge: 1r aoRl: 52, I 175, aoRr: 8, Stempel: 1 | Ku: 1r aoRl: (60), aoRr: 35 | 1v: (60), 8. Besonderheiten: B hatte zu Weihnachten eine Sendung nach Weimar geschickt, deren Erhalt Goethe in seinem Tagebuch vom 3. Januar 1808 notierte (WA III, Bd. 3, S. 312). Sein Dankbrief wurde ihr von Kassel nach Frankfurt nachgeschickt. Am 15. Januar schrieb Goethes Mutter an ihren Sohn: Bet-
tine ist vor Freude außer sich über deinen Brief, Sie brachte mir ihn im Triumpf – auch über Herrn Riemers Verse – Weimar ist Ihr Himmel – und die Engel /: das gantze Hauß gehört dazu :/ seyd Ihr!!! (Köster 1724
Zu Nr. 293
1904, Bd. II, S. 176.) – Zur Überarbeitung des Briefes in wechsel mit einem Kinde vgl. Bunzel 2013. D1: WA IV, Bd. 20, S. 3 f. (Nr. 5481). D2: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 163 f. (Nr. 3). D3: Steig 1922, S. 34. D4: Bergemann 1927, S. 195 f. (Nr. 7). D5: Kat. Henrici 148, Nr. 46(1), S. 18; TD. D6: B/WuB II, S. 585 f. DV: H.
Goethe’s Brief-
Erläuterungen 7 Riemer mit Kreuz und Beutel beliehen] Vgl. Riemers Dank-Sonett (Nr. 290). 8 Besteck] »Ein Messer und eine Gabel, woran jeder der beiden Stiele aus einer Gruppe von drei Kindern besteht, wovon zwei, auf den Schultern des dritten zu unterst sitzend, sich balgen. Die Verbindung ist durch Fruchtbüschel hergestellt. Zierliche Arbeit in Elfenbein.« (Schuchardt 1848–1849, Bd. II, S. 327, Nr. 29.) Vgl. B/WuB II, S. 1171 und Abb. 10. 15 die artigen Balgenden] Die Amoretten auf dem Besteck. 20 Der lieben Meline Mützchen] Vgl. Goethes Mutter an Christiane, 25. Dezember 1807: Es überschickt Demoiselle Meline Brentano inliegendes Käppgen nebst vielen hertzlichen Empfehlungen. (Köster 1904, Bd. II, S. 175.) 21–22 Hr. Stollens Attention auf dem blauen Papier] Eine von Goethe vmtl. vor seinem Brief geschickte 35 × 50 mm kleine Radierung von Joseph Ludwig Stoll, auf etwas größerem und stärkerem blauen Papier aufgezogen (PML/Heineman Coll.). Auf der Rückseite von Goethes Hand: Pour Dlle Bettine Brentano / de la part / Dr Mr de Stoll à Vienne. Die Radierung zeigt eine Schnecke im Vordergrund mit Landschafts- und Himmelsauschnitt als Mittel- und Hintergrund. (Vgl. B/WuB II, Abb. 11 und S. 999, 1171.) Das egh. von Goethe adressierte blaue Kuvert mit den Maßen 96 × 121 mm, Poststempel R.4.WEIMAR und rotem Siegel ist erhalten (GSA 29/74,1): An Demoiselle / Bettine Brentano / in / Francfurt / am Meyn. Auf die Versoseite schrieb B später: Adresse von Goethe an mich aus dem ersten Band
meines Briefwechsels mit ihm / Dem Herrn Des Moutir zum Andenken / Bettine / Arnim.
1725
Zu Nr. 293
Stoll, den B im ersten Novemberdrittel 1807 in Weimar kennengelernt hatte, wird dort aus seinem noch unveröffentlichten Lustspiel Die Schnecken rezitiert haben. (Erschienen mit dem Untertitel Ein Hochzeitsspiel und der Anweisung Mit lebendigen Puppen zu agiren in Stoll, Neoterpe. Auf das Jahr 1810. Leipzig [1809]). Vgl. die Mitteilung in einem in der Leipziger Zeitung für die elegante Welt, Nr. 200 vom 15. Dezember 1807, erschienenen Korrespondenten-Bericht aus Wien: Während seiner Anwesenheit
in Weimar wurde Stolls neuestes dramatisches Produkt: D a s B i l d d e s A m o r s , mit verdientem Beifall aufgeführt. 〈…〉 Von einem andern hochkomischen, aber etwas fantastischen Stück, d i e S c h n e c k e n betitelt, weil ein Chor von Schnecken einem jungen Ehemann erscheint, der überall Hörner erblickt, 〈…〉 läßt sich nach einigen Proben zu urtheilen, die der Dichter einigen Freunden vordeklamirte, eine große Wirkung erwarten. (Sp. 1598.). 23 wieder was zu übersetzen habe] Wie die Sonette Nr. 287.
294.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 28. Januar 1808, Donnerstag
B: –. A: Nr. 295, 299. H: FDH 7240. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 196 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet | Ku ca. 100 × 120 mm; 1r Adresse, 1v Siegel. – Papier: Vergilbt, brüchig, arR eingerissen, geringer Textverlust. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 170, IV, aoRr unter Datum: [1808] | 2v auRl: 7240 | Kur in Adresse Schreibprobe Bs: zeug / zeig. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 634.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 73–75. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 79, S. 19; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 122–125 (Nr. A21). D4: WAA XXXIII, S. 176–178 (Nr. 634). DV: H.
1726
Zu Nr. 294
Veränderungen 32 35 37 43 63 74 74 84
was] aus wie kann] üdZ eing. Sonderbarkeit] Sonder aus 〈xxx〉 möchte] aus wäre wie] aus daß dies] aus es bey] danach gestr. einem das] aus die
Erläuterungen 1 Heidelberg] Arnim, der vmtl. am 4. Januar mit Clemens und Christian Brentano von Kassel nach Marburg und nach kurzem Aufenthalt allein nach Frankfurt weitergefahren war, wollte von dort bald nach Heidelberg aufbrechen, um den Druck des zweiten Wunderhorn-Bandes zu betreiben. Er blieb jedoch länger als vorgesehen bei B in Frankfurt. Da er in seinem Heidelberger Brief vom 25. Januar an ihren von Marburg nach Kassel zurückgekehrten Bruder Clemens mitteilt, er sei in Heidelberg angekommen spät Abends (WAA XXXIII, Nr. 629,26), und von ersten Besuchen berichtet, wird er am 24. Januar in der Neckarstadt eingetroffen, am 23. in Frankfurt abgefahren sein. Vgl. B an Arnim, 4. oder 5. Februar: Morgen sind es 14 Tage daß du weg bist (Nr. 302,38–39). 13–23 König Theodor 〈…〉 mag noch wohl auf den Wassern schweben.] Theodor von Neuhoff, der einer im westfälischen Raum durch Politiker und Militärs bekannt gewordenen Familie angehörte, war ein Abenteurer, der die Unabhängigkeitsbestrebungen der Korsen mit Geld, Waffen und Kriegsvorräten unterstützte, woraufhin er 1732 als Theodor I. zum König von Korsika ernannt wurde. Arnim wird mit dem Leben des Abenteurers durch die Lektüre des anonym erschienenen Buches Der Träumende Theodor, oder
Vollkommene Abschilderung des mit Glück und Unglück streitenden Corsischen Königs, Baron Theodor Anthons von Neuhoff, und seines vermeinten Königreichs, der rebellischen Insel Corsica (Frankfurt/M.– Leipzig 1745) bekannt geworden sein. 30–31 ich bezweifle 〈…〉 die Möglichkeit seiner Rückkehr 〈…〉 fast mit allen verhetzt] Vgl. Arnim an Brentano, 6. Februar 1808: Was mir Deine
Rückkehr hieher allein zu erschweren scheint, ist wohl, daß Du mit den 1727
Zu Nr. 294
meisten Leuten verhetzt bist, Schwarz glaubt du hast ihm den Grimm entführen wollen, Voß das Haus, Schreiber die Ehre, Thümchen das Bild, Kreutzer die Günterode u. s. w (WAA XXXIII, Nr. 646,111–116; vgl. Erl. dazu). 35–38 Bey Görres 〈…〉 in der Revolution] Joseph Görres war Ende Oktober 1806 von Koblenz nach Heidelberg gekommen, wo er Vorlesungen über Philosophie und Physiologie hielt. 1793, nach Abschluß des Gymnasiums, hatte er sich in Koblenz einem republikanischen Club angeschlossen und bis Ende der neunziger Jahre die Bildung einer Cisrhenanischen Republik in den linksrheinischen deutschen Gebieten und deren Anschluß an Frankreich angestrebt. Nach Napoleons Machtergreifung am 18. Brumaire und einem Paris-Aufenthalt 1799 wandte er sich jedoch desillusioniert von den revolutionären Idealen ab. 40–41 (Clemens ehemalige Verehrte)] Katharina Görres, geb. de Lassaulx war eine Koblenzer Jugendfreundin von Clemens’ frühverstorbener Schwester Sophie und die Schwester seines Jugendfreundes Franz de Lassaulx. Seine frühe Verehrung ist ansonsten nicht belegt. 41–42 wunderschön seine Kinder] Sophie und Guido Görres. (Die Tochter Marie wurde erst im Juni 1808 geboren.) 44–47 ich wohne 〈…〉 bunter Gesellschaft von 〈…〉 Ladendienern.] Die Zimmersche Buchhandlung befand sich im König von Portugal, dem späteren Haus Hauptstraße 146, und Arnim wohnte in dem späteren Haus Hauptstraße 151 bei dem Bäcker Johann Heinrich Müller. »Damit ist die einzige 〈Heidelberger〉 Wohnung Arnims und Brentanos festgestellt, die heute noch nicht abgerissen ist.« (Derwein 1922, S. 75.) Zimmer unterhielt einen geschlossenen Mittagstisch, an dem Arnim, Böckh, Creuzer, Görres, de Wette, Aloys Schreiber, der Drucker Joseph Engelmann und dessen Neffe Theodor Hilgard teilnahmen, wie letzterer in seinen Erinnerungen überliefert. (Vgl. Becker 1922.) »Den Vorsitz bei Tisch führte Ludwig Achim von Arnim, der Erzromantiker, ein hochgewachsener, schöner Mann im polnischen Rock, der nach Berliner Weise viel sprach und viele Witze machte, die bei weitem nicht immer gerieten.« (Ebd., Sp. 159.) Zu den Gesetzen der Tischgesellschaft gehörte, »daß jeden Tag ein Tischgenosse, der Reihe nach, etwas Komisches zu erzählen hatte, das so beschaffen sein mußte, daß es die ganze Gesellschaft erheiterte. Schlug dies fehl, so kostete es den Erzähler sechs Kreuzer.« (Ebd., Sp. 160.) Vgl. Arnim an Brentano, 25. Januar 1808 (WAA XXXIII, Nr. 629,32–34). 54–56 Hast Du von meinem Journale 〈…〉 Klapperstorch ziehen kann] Arnim scheint bereits während seines Frankfurt-Aufenthalts im Januar
1728
Zu Nr. 295
1808 sein seit 1. April 1808 als Zeitung für Einsiedler realisiertes Projekt eines Periodikums geplant und besprochen zu haben, wie auch aus den Erwägungen einer Zeitung Lügen im Brief an Brentano vom 25. Januar (WAA XXXIII, Nr. 629,91) sowie der alten Zeitung in dem von Savigny vom 28. Januar (ebd., Nr. 635,15) geschlossen werden kann. Als damaliger Projektpartner kommt Johann Christian Benjamin Mohr, der Frankfurter Kompagnon Zimmers, in Frage. Die Titelidee Klapperstorch ist von Christian Reuters Schelmuffsky-Roman inspiriert, worin der Protagonist ein Hochzeitsgedicht mit dem Titel Der fröliche Klapper-Storch verfertigt; eine Arnimsche Abschrift der betreffenden Stelle ist überliefert. (Vgl. Haufe 1972, S. 99–103 und Arnim/W III, S. 1161–1164.) 56–57 beym Faust 〈…〉 singest] Bs Lektüre und Gesang lag das 1791 im siebenten Band der von Göschen verlegten Goetheschen Schriften (Neue Ausgabe 1801) und als Einzelausgabe aus diesem Band erschienene FaustFragment (Faust. Ein Fragment) zugrunde, nicht der Erste Teil, der erst im Frühjahr 1808 mit dem Titel Faust. Eine Tragödie als achter Band der ersten Cottaschen Ausgabe von Goethes Werken herauskam. 58 Lautensaiten an Louise Reichardt] Vgl. Nr. 282,69 und Erl. 60 der verhinderte Brief] Nr. *283. 72 Papierknalle] Auch in Arnims Isabella von Ägypten: während er Dir
alles gebrannte Herzeleid antat, Deine Zeichenbücher zu Papierknallen zerriß (Arnim/W III, S. 671). Nicht im DWb (vgl. Bd. XIII, Sp. 1439).
295.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 30. und 31. Januar 1808, Sonnabend und Sonntag
B: Nr. 294. A: Nr. 304. H: FDH 7400 (mit Nr. 299). – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 192 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Stark vergilbt, fleckig, Tintenfraß. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r: 171. Datierung: Der Brief wurde bisher mit Nr. 299 als Einheit aufgefaßt. Aus Bs Brief vom 4. oder 5. Februar geht jedoch eindeutig hervor, daß es zwei Briefe waren: sollten meine zwei Briefe verlohren gegangen seyn? (Nr. 302,1–2.) Den ersten dieser beiden Briefe begann sie undatiert am 30. Januar und beendete ihn am nächsten Tag (datiert: 31. Januar) aufgrund einer Unterbrechung: Zweimal hab ich dir geschrieben; eine Antwort auf
1729
Zu Nr. 295
deinen ersten Brief, und gleich den andern Tag, schrieb ich auch, da kam Hoffman und ich schickte den unterbrochnen Brief so fort (Nr. 302,16–17). Auch der Beginn des nächsten Briefes – Siehst du da bin ich wieder (Nr. 299,1) – und die Adresse auf dessen Rückseite nebst Siegelung lassen auf Selbständigkeit schließen. D1: Steig 1913, S. 75–77. D2: Kat. Henrici 149, S. 19, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 126–130 (Nr. B16). D4: B/WuB IV, S. 55–58 (Nr. 19), Faksimile von 2r (Abb. 5). D4: WAA XXXIII, S. 188–191 (Nr. 639). DV: H.
Veränderungen 9 gescheut,] danach gestr. dann 15 bin] üdZ eing. 15 Gedanken] danach gestr. d 29–30 ergözen] z aus 〈x〉 43 Seulen] darüber xx 48 Todt] über gestr. Godt 48–49 Simson] darüber xx 58 Schoos] danach gestr. siz 59 Schlaf] danach gestr. sie 62 von] v aus d 65 im] aus in, danach gestr. der 78 daß] aus wir 80 einen] en nachträgl. idZ 83 Kindgen] danach gestr. gerad 88 so] danach gestr. 〈xxx〉
Erläuterungen Wesentliche Ermittlungen B/WuB IV, S. 783 f. 6 Goethe lag auf dem Sessel] Vielleicht ein Band mit Faust. Ein Fragment. Vgl. zu Nr. 294,56–57. 6–9 Anton 〈…〉 ganz gescheut] Anton Brentano, der älteste Stiefbruder, galt als schwachsinnig.
1730
Zu Nr. 296
12–13 ihr Kind] Die dreijährige Bettina. 16 Montag] 25. Januar. 20–21 Hand in die Wunde 〈…〉 doch glauben.] Bezug auf die Geschichte vom ungläubigen Thomas (Joh 20,24–29). 23 Comtoir] Das Brentanosche Handelhaus. 48–49 blinder Simson] Simson wurde von den Philistern geblendet und überwältigt, nachdem ihnen eine Frau das Geheimnis seiner Unbesiegbarkeit verraten hatte. (Vgl. Ri 14–16, besonders 16,21.) 50–52 Saiten 〈…〉 an Reichard 〈…〉 ihre Addresse nicht] Vgl.: Nr. 282,69–71 und Erl.; Nr. 294,57–59. 52 Briefe von Claudine über Clemens] Claudine Piautaz war von Auguste nach Kassel eingeladen worden. (Vgl. Enzensberger 1999, S. 36 f.) Ihre Briefe sind nicht bekannt; vgl. Nr. *300. 55–56 Voigt 〈…〉 Zeichnungen 〈…〉 ein Bildgen] Am 12. Mai 1807 hatte Brentano aus Frankfurt an Görres über Niklas Vogt berichtet, er sei ein gar
merkwürdiger Mensch 〈…〉 er ist der einzige Mensch in der Stadt, der voll Unbefangener Ansicht ist, er zeichnet und Mahlt große historische Blätter als Dilettant mit ungeheurem Talent skitzenhaft, ebenso musizirt er, er ist überhaubt der reine Skizist in Allem, enujirt sich, ärgert sich und ist immer lustig. Den Kaiser Rothbart, den wir uns als Titelblat zu den Volksbüchern gedacht hat er bereits zu entwerfen angefangen. (FBA XXXI, S. 600,5–13.) Welches Bildgen Vogts B meinte, konnte nicht
ermittelt werden. 73–74 »Ich liege 〈…〉 wohne.«] Ps 4,9. 90–91 Was war dir 〈…〉 zurück wandtest?] Ps 114,5. 96 Papier knalle] Vgl. Nr. 294,72 und Erl. 98 Goethes Sonnette] Vgl. Nr. 287.
296.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 31. Januar 1808, Sonntag
B: Nr. 292. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 225 × 186 mm; 1r-2r 2¼ beschr. S.; 1x quer gefaltet. – Papier: 1r Tintenkleckse. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 9, darunter: I 198, aoRr: 5e lettre à Goethe, daneben Stempel: 5.
1731
Zu Nr. 296
Datierung: Vgl. B an Arnim, 1. Februar 1808: Gestern hab ich an Goethe geschrieben (Nr. 299,15). D1: Steig 1922, S. 45–47; datiert: März 1808. D2: Bergemann 1927, S. 196–198 (Nr. 8); datiert: Mitte Januar 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (5), S. 11; TD; datiert: nach Mitte Januar 1808. D4: B/WuB II, S. 586–588; datiert: nach Mitte Januar 1808. DV: H.
Veränderungen 24 27 29 31 43 43
uns] s aus d dem] danach gestr. der Ungesund] U aus u Faust] F aus 〈x〉 es] aus 〈xx〉 schadt] Schluß-s gestr.
Erläuterungen 31–32 »Ach neige du schmerzenreiche«] Diese Vertonung von Gretchens Gebet nach Faust. Ein Fragment (vgl. zu Nr. 294,56–57) konnte in Goethes Notensammlung (GSA Sign. 32/75) ermittelt werden (vgl. Moering 1998 mit Faksimile). »Die Gesangsstimme zeigt einen anderen Charakter als die Melodien, die aus Bettines Frankfurter Zeit sonst bekannt sind. 〈…〉 Nicht nur die Spitzentöne, die ›tessitura‹, die Gesangslage insgesamt, erfordert eine Sopranstimme. Der dramatische Schwung dieser Melodie zeigt eher den Charakter einer Opernarie als den eines Liedes. So ist dies eine Rollenkomposition für das verzweifelte Gretchen.« (Ebd., S. 17.) 37 Riemers Sonnet] Nr. 290. 41 Der Schneck 〈…〉 schmuziger Fantast] Vgl. zu Nr. 293,21–22.
1732
Zu Nr. 297
297.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, zwischen 1. und 4./5. Februar 1808, Montag und Donnerstag/Freitag
B: –. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 227 ca. 190 mm; 1r-2r 3 beschr. S. 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Oblatenrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 6, aoRm: I 145 Grimm S. 83, Frankfurt, Anfang Februar 1808, aoRr: 6e lettre à Goethe, daneben Stempel: 6, über 2. Absatz: I 147 | 1v über 2. Absatz: I 152 | 2r über Heidelberg: 1808 | 2v über Adresse: 1808. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Frankozeichen. Datierung: Terminus post quem: nach Bs vorigem Brief an Goethe vom 31. Januar (Nr. 296). Terminus ante quem aufgrund ihrer Mitteilung an Arnim vom 4. oder 5. Februar: ich war 〈…〉 zu weilen bei Goethe dem ich geschrieben hab von Dir (Nr. 302,52–53). Über Arnim hatte sie noch nicht in Nr. 296 berichtet. D1: Steig 1922, S. 36–38; datiert: 30. Januar 1808. D2: Bergemann 1927, S. 198–200 (Nr. 9); datiert: 30. Januar 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (6), S. 11; TD; datiert: 30. Januar 1808. D4: B/WuB II, S. 588–590; datiert: 30. Januar 1808. DV: H.
Veränderungen 23 26 28 35 36 49
duldet] d aus t er] danach gestr. sich des] alR kurz] k aus m Herz] danach gestr. ist ein bin] üdZ eing.
Erläuterungen 7–8 Wir lesen im Egmont Nr. 302,49–50 und Erl.
〈…〉 daß Du die Liebe erkanntest] Vgl.
1733
Zu Nr. 297
50 »Lieben und geliebt zu werden] Arnims Gedicht, dessen Anfang B zitiert, entstand vmtl. 1807 in Königsberg mit Bezug auf Auguste Schwinck. Der erste Vers ist in der lyrischen Tradition toposartig, der zweite weicht leicht vom Erstdruck (Ist das Einzige auf Erden) ab. Der erschien in Nr. 1 der Zeitung für Einsiedler vom 1. April 1808 als Fünfte Stimme von Arnims Gedichtzyklus Der freye Dichtergarten. Vgl. WAA VI, S. 545–547 und 745–750 (Erl. von Moering). 52–54 Angelegenheit der Fr von Schoppenhauer 〈…〉 Minister Riemer Auftrag 〈…〉 geben] B hatte während ihres letzten Weimar-Aufenthalts Adele Schopenhauer versprochen, ein Kleid für sie zu sticken – am 5. November 1807, als sie diese mit Savignys und Goethe besuchte (vgl. dessen Tagebuch; WA III, Bd. 3, S. 292). Am 10. April 1808 schickte sie das Kleid an Goethes Frau Christiane (vgl. Nr. 349,1–9) – ohne Minister Riemer in der Angelegenheit zu beauftragen, auf dessen in seinem Sonett Ritterschlag (Nr. 290) zum Ausdruck gebrachten Diensteifer (Nr. 296,38) sie mit der Titulierung anspielte. 54 Bald 〈…〉 Musick schicken.] Vgl. Nr. 303,1–5 und Erl.
298.K An Johann Daniel Engelhard in Kassel Frankfurt, erstes Drittel Februar 1808 B: Nr. 291. A: Vgl. Nr. 307. H: SPK/NS 10 (als Briefkonzept an unbekannten Empfänger). – Format: 1 Bl. ca. 227 × 190 mm; 1r beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: 1r unten links Tintenkleckse. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN | 1v auR : STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Besonderheiten: Der Konzeptcharakter wird dadurch evident, daß das letzte Wort (aus) am Beginn einer neuen Zeile steht. Datierung: Engelhard, der am 11. Februar antwortete, wird dies bald nach Erhalt des von B abgeschickten Briefes getan haben. Mit dem Datum von Engelhards Antwort ist der Terminus ante quem von Bs Konzept gegeben, als Terminus post quem wird Anfang Februar angenommen. DV: H.
1734
Zu Nr. 299
Veränderungen 5 2
mein] m idZ eing. Plans] Vgl. Nr. 292,31–36.
*298. An Johann Daniel Engelhard in Kassel Frankfurt, erstes Drittel Februar 1808 B: Nr. 291. A: Nr. 307. Datierung: Vgl. Nr. 298.K.
299.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 1. Februar 1808, Montag
B: Nr. 294. A: Nr. 304. H: FDH 7400 (mit Nr. 295). – Format: 1 Bl. ca. 225 × 194 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig, roter Siegelrest. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1v auRr: 7400. Postzeichen: Poststempel: R.4.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Vgl. Nr. 295. D1: Steig 1913, S. 77; als Teil von Nr. 295. D2: Kat. Henrici 149, S. 19, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); datiert: 31. Januar 1808. D3: Betz/Straub 1986, S. 129 f. (Nr. B16); als Teil von Nr. 295. D4: B/WuB IV, S. 58 f. (Nr. 19); als Teil von Nr. 295. D5: WAA XXXIII, S. 191–192 (Nr. 641). DV: H.
Erläuterungen 4 bei der Fr: Goethe] Bei Goethes Mutter, der Frau Rath. 15 Gestern 〈…〉 Goethe geschrieben] Nr. 296.
1735
Zu Nr. 299
16–18 Ich denke wenn man ein Herz 〈…〉 wie der Strom für seine Ufer.] Vgl. Jean Paul, Titan (Bd. II, 1801): 〈…〉 er 〈Albano〉 war still, sanft,
und in seinem Herzen wohnten alle Herzen. O liebe e i n e s rein und warm, so liebst du alle nach, und das Herz in seinem Himmel sieht wie die wandelnde Sonne vom Tau bis zum Meere nichts als Spiegel, die es wärmt und füllt. (Jean Paul 1987, Bd. III, S. 350.)
*300. Von Claudine Piautaz nach Frankfurt Kassel, zwischen 2. und 8. Februar 1808, Dienstag und Sonntag B: –. A: –. Datierung: B berichtet noch nicht im Brief an Arnim vom 4. oder 5. Februar (Nr. 302) von demjenigen Claudine Piautaz’, sondern erst in dem von vmtl. 9. und 10. Februar. Sie wird den Brief der Freundin erst nach dem 4./5. Februar erhalten haben, dieser frühestens am 2. Februar, spätestens am 8. Februar geschrieben sein; die Briefe zwischen Kassel und Frankfurt waren etwa zwei Tage unterwegs (vgl. Datierung von Nr. *230).
301.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 2. Februar 1808, Dienstag
B: –. A: Nr. 302. H: FDH 7241. – Format: 1 Bl. ca. 225 × 185 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit geringem Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Unterlängen von C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 172 v, aoRr nach Datum: 1808, 23 | 1v im Adressenbereich B: Heidelberg 2 Febr 8. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 642.E). D1: Steig 1913, S. 78. D2: Betz/Straub 1986, S. 130 f. (Nr. A22). D3: WAA XXXIII, S. 192 f. (Nr. 642). DV: H.
1736
Zu Nr. 302
Veränderungen 2 abzugeben bey 21 〈mehr〉] üdZ
〈…〉 Zimmer.] nachträgl. zwischen den Zeilen
Erläuterungen 2 abzugeben 〈…〉 Zimmer.] Mitteilung der Adresse für B. 15 Kringel] Gebäck, Bretzel. 21–22 wo ich den Flor 〈…〉 in lebendigem Weltathem schweben sehe] Die Intention wird deutlicher in Arnims nächstem Brief (Nr. 304,65–69); darin ebenfalls das seltene Kompositum Weltathem (nicht im DWb).
302.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 4. oder 5. Februar 1808, Donnerstag oder Freitag
B: Nr. 301. A: Nr. 308. H: FDH 7401. – Format: 2 Bl. (I, II) je ca. 224 × 192 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Tintenfraß; Bl. 2 Papierverlust (mit geringem Textverlust) durch Siegelaufriß; 2v rote Siegelreste. WZ: I: unterer Teil von Posthornschild | FHF | II: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 173 v | 1v auRr: 7401 | 2v auRr: 7401. Datierung: B schreibt unmittelbar nach Erhalt von Arnims Brief vom 2. Februar (Nr. 301), und er hat ihren noch nicht, als er ihr am 6. Februar (Nr. 304) wieder schreibt. D1: Steig 1913, S. 78–80; nicht näher datiert. D2: Kat. Henrici 149, S. 19, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 131–134 (Nr. B17); datiert: Februar 1806. D4: WAA XXXIII, S. 195–197 (Nr. 645). DV: H.
Veränderungen 60 60
that,] danach gestr. al fielen] l aus 〈x〉 1737
Zu Nr. 302
63 63 64 70
Herz] danach gestr. für schlecht] danach gestr. hal dächte] aus glaubte Meinung] M aus m
Erläuterungen 2 meine zwei Briefe] Nr. 295, 299. 36–37 Kringel für Meline] Vgl. Nr. 301,15–18. 38–39 Morgen 〈…〉 vierzehn Tage daß du weg bist] Nach Arnims Abreise nach Heidelberg (vmtl. 23. Januar). 49–50 »denn gleich 〈…〉 mein Herz entgegen] Nach Goethes Egmont, V. Akt, Gefängnis, Ferdinand zu Egmont: Nun hofft ich endlich dich zu sehen und sah dich und mein Herz flog dir entgegen. (Goethe/MA III/1, S. 324.) 53 Goethe 〈…〉 geschrieben hab von dir] Vgl. Nr. 297,42–51.
303.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, zwischen 5. und 20. Februar 1808, Freitag und Sonnabend
B: –. A: Nr. 316. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 222 × 190 mm; 1r-1v 1½ beschr. S., 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufschnitt, Oblatenrest. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 7, I 186, aoRr: 7e lettre à Goethe, daneben Stempel: 7, neben zweitem Absatz alR: 15. 1. 1808. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Terminus post quem aufgrund der Datierung des vorigen Briefes an Goethe (Nr. 297), an dessen Schluß B ankündigte, sie werde ihm bald Musik schicken. Terminus ante quem aufgrund des Antwortbriefes vom 24. Februar. (Die Post zwischen Frankfurt und Weimar war vier Tage unterwegs. Vgl. Faselius 1805, S. 154 f.) D1: Steig 1922, S. 38 f.; datiert: Februar 1808. D2: Bergemann 1927, S. 200 f. (Nr. 10); datiert: erste Hälfte Februar 1808.
1738
Zu Nr. 303
D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (7), S. 11; TD (kurzer Auszug); datiert: erste Hälfte Februar 1808. D4: B/WuB II, S. 590 f.; datiert: erste Hälfte Februar 1808. DV: H.
Veränderungen 7 lässest] l aus h 12 Meldung] M aus
m
Erläuterungen 1–5 Musick 〈…〉 für Dein Hausorchester 〈…〉 Stabat Mater von P:] Seit Oktober 1807 kam bei Goethe eine kleine Hauscapelle (Nr. 316,5) zusammen, am 20. Dezember wurde das erste Sonntagskonzert vor geladenem Publikum gegeben. Bereits am 27. Juli 1807 hatte er Zelter um Vierstimmige nicht zu schwere Gesänge gebeten. (Goethe/MA XX/1, S. 156; vgl. Erl. ebd. XX/3, S. 216 f.) B wird während ihres Weimar-Aufenthalts im November von Goethes Interesse erfahren haben. Ihre Notensendung enthielt zumindest Niccolò Jommellis Confirma hoc Deus, wie aus Goethes Antwort hervorgeht (vgl. Nr. 316,10–11 und Erl.), und vmtl. Pergolesis Stabat Mater (1736). Bs Formulierung läßt etwas im unklaren, ob die Kantate tatsächlich mitgeschickt wurde. Zelter hatte Goethe in einem Brief vom 23./24. August 1807 eine eigene Vertonung der Worte Stabat mater dolorosa 〈…〉 versprochen, Goethe den Freund am 22. Januar 1808 an das Versprechen erinnert, doch scheint dieser es nicht ausgeführt zu haben. (Vgl. Goethe/MA XX/1, S. 162, 170 und Erl. ebd. XX/3, S. 219.) 11–13 Alle Juden schreiben 〈…〉 Stättigkeit 〈…〉 lächerlich wizige Sachen dabey heraus.] Am 4. Januar 1808 war die vom Fürstprimas und Landesherrn des Primatialstaates Carl Theodor von Dalberg am 30. November 1807 erlassene Neue Stättigkeits- und Schutz-Ordnung der Judenschaft
zu Frankfurt a. M., deren Verfassung, Verwaltung, Rechte und Verbindlichkeiten betr. in Kraft getreten. Mit dem Begriff Stättigkeit wurde der besondere Status der Juden innerhalb der städtischen Gesellschaft bezeichnet; die Stättigkeitsordnungen regelten diesen Status in politischer, rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Die alte Frankfurter Stättigkeit stammte aus dem Jahr 1613. Die neue verbesserte die Situation der Frank-
1739
Zu Nr. 303
furter Juden, brachte ihnen aber nicht die erhoffte bürgerliche Gleichheit und hatte eine intensive öffentliche Diskussion zur Folge. (Vgl. Arnsberg 1983, Bd. I, S. 172–204.) Goethes Mutter berichtete ihrem Sohn am 15. Januar 1808 über die ironische Resonanz unter den Frankfurter Juden (vgl. Stimmen Nr. 139). In seiner Bibliothek befindet sich kein Exemplar der Neuen Stättigkeits- und Schutz-Ordnung (nicht in Ruppert 1958), Frau Rath scheint sie nicht geschickt zu haben. Er konnte sich jedoch anhand eines umfangreichen Auszugs informieren, den Peter Adolph Winkopp in der von ihm in Aschaffenburg herausgegebenen Zeitschrift Der Rheinische Bund, 14. Heft, Februar 1808, S. 303–321 veröffentlichte. 14–15 Alle Cristen 〈…〉 Plan 〈…〉 heraus] B wird vor allem Julius Bernhard Engelmanns Werbeschrift Einige Gedanken über Erziehung und
Unterricht, besonders der Töchter; als Ankündigung einer Erziehungsanstalt für Töchter aus den gebildeten Ständen gemeint haben. Vgl. ihre an Riemer geschickte Entgegnung (B/WuB I, S. 1172–1176 und Erl. dazu). 16 diese Neuen Schulen] Darüber detailliert in dem Artikel Ein Blick auf das Königreich Westphalen, die Maingegenden und Frankfurt, erschienen in: Rheinische Bundes-Zeitung, 12. Februar 1808, Nr. 58, S. 255: Im Schul- und Erziehungswesen 〈in Frankfurt〉 wird immer mehr gethan. Das von dem Fürsten 〈Dalberg〉 eingesetzte Ober-Schul-Curatelamt be-
fördert das Gute nach Kräften. Die neue B ü r g e r s c h u l e nähert sich durch den Eifer und die Thätigkeit ihrer wackern Lehrer, immer mehr dem Grade der Vollkommenheit, der ihr Anspruch auf den Ehrentitel einer M u s t e r s c h u l e giebt. Das Gymnasium ist vortrefflich; das jüdische Philanthropin, welches größten Theils durch die Geschenke des Fürsten und durch freywillige Beyträge des bessern Theils der Judenschaft besteht, hat sehr wackere jüdische und christliche Lehrer. Eben so bestehen zwey gute Privaterziehungsanstalten für Knaben und Mädchen. Privatunterrichts- und Erziehungsanstalten für Kinder der Christen sind mehrere vorhanden. Die Herren K e m m e r e r und H a b e r m a n n haben Institute für Knaben; die Institute des Hrn. d e S e r v a i s , eines Franzosen, und der Frau B u n s e n , einer würdigen Deutschen, scheinen Aufsehen zu machen. Zwey andere sind im Entstehen; an der Spitze des einen steht Mad. B a r u c h , aus dem Elsaß; das andere unternimmt Hr. E n g e l m a n n (nicht unbekannt als theoretischer und practischer Erzieher) mit seiner würdigen Gattin. Eine literarisch-artistische Gesellschaft ist im Entstehen; andere ähnliche Privatgesellschaften fehlen nicht. 1740
Zu Nr. 304
17 Judeninstitut] Das 1804 von Reformpädagogen als Schule für arme jüdische Kinder gegründete Frankfurter Philanthropin. Seit dem Regierungsantritt Dalbergs wurde es unter der Leitung des Pädagogen Michael Hess zu einer Bildungsanstalt für alle Juden mit dem gegen die jüdische Orthodoxie gerichteten Ziel verändert, Aufklärung und Judentum zu versöhnen. Im Oktober 1807 übernahm – neben Hess – der angesehene Religionsphilosoph Franz Joseph Molitor die Mitleitung der Schule, deren Reputation sich weiter erhöhte. 1810 erhielt sie den Untertitel Bürger- und Realschule für die israelitische Gemeinde. (Vgl.: Arnsberg 1983, Bd. I, S. 205–225; Schlotzhauer 1990, S. 14–22.)
304.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 6. und 7. Februar 1808, Sonnabend und Sonntag
B: Nr. 295, 299. A: Nr. 305. H: FDH 7242. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 184 mm; 1r–2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet | Ku ca. 98 × 120 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 114 v, aoRr: 1808 24 | 2v auRl: 7242 | Kur aoR Notiz Bs: Heidelberg, 6 Febr 8, | Kuv auR: zu 24. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 647.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. Datierung: Arnim, der den Brief am 6. Februar abends begann, setzte ihn am nächsten Tag nach einer die Unterbrechung bezeichnenden Linie mit neuem Schreibansatz (Z. 39) fort. D1: Steig 1913, S. 80–82; datiert: 6. Februar. D2: Kat. Henrici 149, S. 19, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); datiert: 6. Februar. D3: Betz/Straub 1986, S. 134–137 (Nr. A23); datiert: 6. Februar. D4: WAA XXXIII, S. 201–206 (Nr. 647). DV: H.
Veränderungen 8 genug] aus und 12 Unterricht] h aus 〈x〉
| ri aus u 1741
Zu Nr. 304
21 39 41 47 58
verstehn.] . aus , Ich] neuer Schreibansatz an der] aus wo der Hand des] der nachträgl. idZ | Hand des üdZ eing. und soll nur zeigen] üdZ eing.
Erläuterungen 6–7 Was erzählst Du mir vom Tode] Vgl. Nr. 295,43–49. 31 Antönchen] Vgl. Nr. 295,6–9. 31 Erfahrungsseelenkunde] Psychologische Disziplin der Aufklärung, die von Beobachtungen und deren Interpretation ausging. Besonders bekannt war die von Karl Philipp Moritz herausgegebene Zeitschrift Gnothi sautón oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (Berlin 1783–1793).. 35 Bücherschanze] Befestigungsanlage aus Büchern. 35–36 wie die Brunhilde 〈…〉 aufhängt] Vgl. Nibelungenlied, 10. Aventiure, V. 649f. 39–50 Ich bin heute einsam den heiligen Berg hinaufgestiegen 〈…〉 das Gesetz, was mehr ist als die Uebertretung.] Subtext der Passage, in der Arnim seine Besteigung des Heiligenberges (440 m) – oberhalb der jetzigen Heidelberger Stadtteile Neuenheim und Handschuhsheim mit keltischer Ringwallanlage – reflektiert, ist der berühmte Bericht Petrarcas von seiner Ersteigung des Mont Ventoux im Jahr 1335 und damit ein Höhepunkt der europäischen Geistesgeschichte. Der von Wingertszahn eruierte Bezug ergibt sich aus der Konvergenz der Briefpassage mit Arnims wohl wenig später entstandenem Text Erweckungen, einer Vorstufe zu seiner erst 1817 erschienenen Rezension von Jung-Stillings Theorie der Geisterkunde, in dem Arnim aus Petrarcas Bericht und Betrachtungen zitiert. (Vgl. Wingertszahn 1990, S. 633–638.) »Petrarca schrickt vor der neu erschlossenen Höhenperspektive auf die Welt zurück und überläßt sich der augustinischen Innerlichkeit und Weltablehnung«; in Arnims Briefpassage hingegen sei Petrarcas »theozentrische Position berichtigt um die Hochschätzung des Menschlichen« (ebd., S. 637). 41–42 Gottes Hand 〈…〉 schreibst] Vgl. Nr. 295,38–40. 51–52 Glauben 〈…〉 werdet ihr sehen] Nach 1 Pt 8. 52–54 O ihr armen Eingesperrten 〈…〉 was euch umgiebt] Diese Passage und zwei folgende Passagen entsprechen, wie Wingertszahn ebenfalls festgestellt hat, Formulierungen in Arnims fragmentarischer Niederschrift Aus dem Leben Jakob Böhmens, die mit einigen anderen überlieferten Hand-
1742
Zu Nr. 305
schriften und einer Partie im Wintergarten von seiner intensiven Beschäftigung mit Leben und Werk des Görlitzer Mystikers zeugt. (Vgl. Wingertszahn 1990, S. 531–550.) In der Briefpassage beklage Arnim »über den konkreten Anlaß der Kritik an Bettina Brentanos Naturenthusiasmus hinaus 〈…〉 die über sich reflektierende Subjektivität, die sich gegen das heilige Alltäglige und die alles umfassende Gottesschöpfung erhebe, und möchte ihr Demuth empfehlen« (ebd., S. 542). Vgl. in dem Fragment Aus dem Leben Jakob Boehmens: Alles Ausserordentliche muß sich selbst sehr natürlich vor-
kommen, es trägt eine heilige Achtung gegen das Alltägliche unter seinem Sonntagskleide (ebd., S. 531). 58–61 wie empfänglich ich 〈…〉 in seiner Liebe alle erkennt] Vgl. in dem Fragment Aus dem Leben Jakob Böhmens: Seyd empfänglich für alles Unmittelbare, was da nichts will, sondern durch sein Daseyn in der Welteinigkeit ganz und vollständig sich ausläst, denn es erkennt alles in seiner Liebe. (Ebd.) 61–62 Gebt dem Keiser 〈…〉 Gottes ist] Mt 22,21. 62–63 macht euch 〈…〉 über sie erhebet] Vgl. in dem Fragment Aus dem Leben Jakob Böhmens: Erst machet euch allen Menschen gleich, ihr steigt nicht durch eure Kraft über sie hinaus (ebd.). 65–66 jeder Baum 〈…〉 Weltathem 〈…〉 daß Früchte kommen] Vgl. Nr. 301,21–22.
305.
An Ludwig Achim von Arnim nach Heidelberg Frankfurt, vmtl. 9. und 10. Februar 1808, Dienstag und Mittwoch
B: Nr. 304. A: Nr. 308. H: FDH 7402. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 193 mm; 1r-2v 3½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: FHF. Beilagen: »Ein Moos liegt noch in einem der Couverts.« (Steig 1913, S. 87.) Es liegt nicht mehr bei. Fremdeinträge: 1r aoRl: 176 v | 2v auRl: 7402/1. Besonderheiten: FDH 7402 sind Nr. 305, 309 und 310 als e i n Brief verwahrt. Datierung: B erhält am Tag, an dem sie den am Vorabend abgebrochenen Brief fortsetzt, denjenigen, den Arnim am 7. Februar beendet hat, und Arnim erhält den Brief Bs, während er vmtl. am 12. Februar wieder an sie schreibt.
1743
Zu Nr. 305
D1: Steig 1913, S. 85–89; mit Nr. 309; nicht näher datiert. D2: Kat. Henrici 149, S. 19, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); nicht näher datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 142–144 (Nr. B18); mit Nr. 309 und 310; datiert: Anfang Februar. D4: WAA XXXIII, S. 209–212 (Nr. 649). DV: H.
Veränderungen 6 erschien] davor gestr. f 25 ich] danach gestr. ist 87 moosigen] üdZ eing.
Erläuterungen 37 in Norden] Nach Königsberg zu Auguste Schwinck. 59 heilichen Berg] Vgl. Nr. 304,39–50 und Erl. 71 Mein Lied aus dem Faust] Ach neige, du Schmerzenreiche. Vgl. Nr. 296,31–32 und Erl. 73 Claudine schreibt] Vgl. Nr. *300. 87 zum moosigen Andenken] Vgl. Beilagen.
*306. Von Clemens Brentano nach Frankfurt Kassel, vmtl. zwischen 10. und 13. Februar 1808, Mittwoch und Sonnabend B: –. A: –. Datierung: B erwähnt den Brief das Bruders noch nicht in ihrem Brief an Arnim vom 9. und 10. Februar (Nr. 305), sondern in dem von Mitte des Monats. Die Post zwischen Kassel und Frankfurt war zwei Tage unterwegs. (Vgl. Datierung von Nr. *230.)
1744
Zu Nr. 308
307.
Von Johann Daniel Engelhard nach Frankfurt Kassel, 11. Februar 1808, Donnerstag
B:Nr. *298. A: Nr. 368. H: BJ Autographa. – Format: 1 Dbl. ca. 237 × 187 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: PREUSS. STAATSBIBLIOTHEK ACC. MS 1928.109. D1: Steig 1912a, S. 297 f. DV: H.
Veränderungen 43 44
habe] b über gestr. tt Landhaußes] über gestr. für
Erläuterungen 7 Gleichnisses von Griechenland und Caledonien] Vgl. Nr. 292,9–14. 21–22 daß der Trieb zur Glückseeligkeit 〈…〉 scheine] Vgl. Nr. 292,21–23. 42 Plan, Göthes Familie betreffend] Vgl. Nr. 292,31–41 und Erl.
308.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. 12. Februar 1808, Freitag
B: Nr. 302, 305. A: Nr. 309, 310. H: FDH 7243. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 228 × 188 mm; 1r-4v 8 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 100 × 125 mm. – Papier: Fleckig. – WZ: I + II: C & I HONIG. Beilagen: Büschel vom Königstuhl. (Vgl. Z. 111–116 und Erl.) Fremdeinträge: 1r aoRl: 175 v-e, aoRr: 25 | 2v auRr: 7243 | Kur Notiz Bs: Heidelberg 12 Febr 8 | Kuv auRr: zu 7243. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 651.K).
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Zu Nr. 308
Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 82–85. D2: Kat. Henrici 149, S. 19, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 137–141 (Nr. A24). D4: WAA XXXIII, S. 212–215 (Nr. 651). DV: H.
Veränderungen 1–2 Heidelberg 〈…〉 d* 12. Feb 8.] nachträgl. 10 Du Dich] aus du dich 23 Beste] B aus b 37 in] üdZ eing. 39 verstanden] st aus m 44 ich achte und die] üdZ eing. 48 wäre] über gestr. ist 54–56 Es ist 〈…〉 zustande gekommen.] üdZ eing. 63 ich] üdZ eing. 63 beschränke] am Schluß gestr. t 73 und] aus 〈xxx〉 78 nach seinem Willen lieb] üdZ eing. 85 machen;] danach gestr. weist Du 93–95 und wirst 〈…〉 Schlegel] üdZ 111 Weil] neuer Schreibansatz 113 alles Unzarte gut machen und] üdZ eing.
Erläuterungen 5–7 »Gelt heute bin ich 〈…〉 von Holz!«] Vmtl. mündliche Äußerung; nicht in den überlieferten Briefen Bs an Arnim. 8 werde 〈…〉 Sturm genannt] Vgl. Nr. 302,58. 14 Mahler 〈…〉 Mahliaden] Wortspiel mit Meliaden (Baum-, insbesondere Eschennymphen der griech. Mythologie). 27 Rauhkopf] »bei den bürstenbindern runde bürste an einer langen stange, womit von decken und wänden der staub abgekehrt wird« (DWb XIV, Sp. 274). 33–34 meine Verwunderung 〈…〉 von der Günterrode sprachst] Vgl. Nr. 198,41–56.
1746
Zu Nr. 308
34 Tieck vielleicht nicht] Als Tieck sich zwischen 11. und 15. September 1806 in Frankfurt aufhielt und B kennenlernte – nach dem Freitod der Günderrode am 26. Juli 1806. 35 fing mit mir davon an] Während Arnims Aufenthalt in Sandow am 3./4. Oktober 1807. 41–43 daß sie in sich 〈…〉 herrlich macht.] Vgl. Nr. 302,71–74. 44–46 der Schlosserschen 〈…〉 wegnehmen soll] Vgl. Nr. 302,69–71. 54–56 in der Druckerey 〈…〉 nichts zustande gekommen.] Beim Druck des zweiten Wunderhorn-Bandes, der sich noch sehr verzögerte und komplizierte. 59–60 Kaledonischen Eisberg 〈…〉 (Engelhardt)] Arnim wird Engelhards Brief an B, in dem dieser ihr vorwarf, sich in Caledonische Eisgegenden verirrt zu haben (Nr. 292,9–12), in Frankfurt vor seiner Abreise nach Heidelberg gelesen haben. 69–71 Des Ajax Tod 〈…〉 Ulysses 〈…〉 fressen sieht.] Als Ajax’ Schiff auf der Heimfahrt von Troja bei den gyräischen Felsen scheiterte, schleuderte Poseidon ihn auf die Felsklippen, um ihn zu retten. Da aber der Gerettete triumphierend die Götter lästerte, zerschlug Poseidon den Felsen, und Ajax stürzte ins Meer. (Homer, Odyssee IV, 499–511.) Der in der Höhle des Kyklopen gefangene Odysseus mußte mit ansehen, wie der Riese sechs seiner Gefährten tötete und fraß. (Ebd. IX, 287–370.) 72–73 Dresdner Hof 〈…〉 der Churfürstin vorgestellt wurde] Während seines Dresden-Aufenthalts zu Beginn der Bildungsreise wurde Arnim im November 1801 der sächsischen Kurfürstin Maria Amalia vorgestellt. Vgl. Arnim an Louise von Schlitz, vmtl. Mitte November 1801 (WAA XXX, Nr. 180,1–2 und Erl.). 88–89 Regulus 〈…〉 Augen ausgehackt] Der römische Feldherr Marcus Atilius Regulus wurde 250 v. Chr. in der Schlacht bei Tunis von den Karthagern gefangengenommen und als Unterhändler nach Rom geschickt, um einen Friedensschluß zu vermitteln. Er riet jedoch den Römern zur Fortsetzung des Krieges, kehrte nach Karthago zurück und wurde dort zu Tode gemartert. 92 knaupelt] Mühsam an Kleinigkeiten arbeiten. (Vgl. DWb XI, Sp. 1371.) 94–95 wie ein kleiner Schlegel] Friedrich Schlegel. 111–113 Moos 〈…〉 Andenken] Beilage zu Nr. 305. 115 Kaiserstuhles] Königstuhl; 567,8 m hoher Berg oberhalb des Heidelberger Schlosses. 121–122 H. Trot aus Kassel 〈…〉 geworden] Vielleicht der Kasseler August Heinrich Freiherr von Trott auf Solz zu Imshausen, der allerdings nicht westphälischer Legationsrat am württembergischen Hof in Stuttgart wurde,
1747
Zu Nr. 308
sondern zunächst im Januar 1808 Unterpräfekt in Eschwege, danach Präfekt des Harz-, schließlich des Werradepartements. (Vgl. ADB XXXVIII, S. 659 f.)
309.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, Mitte Februar 1808
B: Nr. 308. A: Nr. 311, 312. H: FDH 7402. – Format: 2 Bl. (I, II) je ca. 224 × 192 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: 2v Siegelreste. – WZ: I: oberer Teil von bekröntem Posthornschild | II: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: v, 1v auRl: 7402,1 | 2r aoRl: v | 2v auRr: 7402,1. Besonderheiten: Vgl. Nr. 305. Datierung: B erhielt Arnims Brief vom 12. Februar einen Tag zu späth, wie sie am Schluß mitteilt. Sie wird umgehend geantwortet haben. D1: Steig 1913, S. 87–89. D2: Kat. Henrici 149, S. 19, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 144–146 (Nr. B18); mit Nr. 305 und 310. D4: WAA XXXIII, S. 222–224 (Nr. 653). DV: H.
Veränderungen 6 den] danach gestr. k 13 mir] üdZ eing. 24 der] aus ihrer 51 war] a aus 〈x〉 55 erzält] lt aus 〈xx〉
Erläuterungen 1–2 wenn du nicht 〈…〉 mußtest du fort gehen] Vgl. Nr. 308,77–79. 23–24 »es war ein Rausch ein Fieber«] Vgl. Nr. 308,16–19. 28 daß du mich mehr liebst als ich mich selber] Vgl. Nr. 308,11. 38–40 von Gottingen 〈…〉 alten Eichen 〈…〉 zu tanzen] Reminiszenz an Arnims Brief aus Göttingen vom 7. und 10. September 1806 (Nr. 201,30–32).
1748
Zu Nr. 310
41 auf dem Hohen Berg] Dem Königstuhl. Vgl. Nr. 308,114–116 und Erl. 45 auf dem Trages] Reminiszenz an den Trages-Aufenthalt des Freundeskreises anläßlich der Taufe von Savignys Tochter im zweiten Oktoberdrittel 1805. 52 Clemenz 〈…〉 Brief geschrieben] Nr. *306. 54 sie] Auguste Brentano. 55 Die Tante 〈…〉 in Cassel war] Friederike von La Roche wird ihren Mann Carl von La Roche, der sich Anfang 1808 aus geschäftlichen Gründen in Kassel aufhielt (vgl. Brentano an Arnim, vmtl. 29. Januar 1808; WAA XXXIII, Nr. 636), dort besucht haben und anschließend nach Frankfurt gekommen sein, oder sie berichtete den Brentanos brieflich. 62–63 der Caledonische Eißbergler hat mir geschrieben] Daniel Engelhard aus Kassel am 11. Februar (Nr. 307). Zur Anspielung vgl. Nr. 308,59–60 und Erl.
310.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, Mitte Februar 1808
B: Nr. 308. A: Nr. 312. H: FDH 7402. – Format: 1 Bl. ca. 224 × 192 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 177 v, aoRr: *) 21. Februar (Bezug auf Z. 2: Geburtstag) | 1v auRl: 7402,2 | 2r aoRl: v | 2v auRr: 7402,1. Besonderheiten: Vgl. Nr. 305. Datierung: Einen Tag nach Nr. 309, da B darin ankündigte: morgen schreib ich dir wieder (Z. 98); vor dem Geburtstag Savignys (21. Februar). D1: Steig 1913, S. 89. D2: Betz/Straub 1986, S. 146 f. (Nr. B18); mit Nr. 305 und 309. D3: WAA XXXIII, S. 224 f. (Nr. 654). DV: H.
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Zu Nr. 311
311.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 18. Februar 1808, Donnerstag
B: Nr. 309. A: Nr. 313. H: FDH 7244. – Format: 1 Dbl. ca. 230 × 188 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet | Ku ca. 111 × 144 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Beilagen: Ankündigung der Zeitung für Einsiedler. Vgl.: WAA VI, S. 1–3; WAA XXXIII, Nr. 659. Fremdeinträge: 1r aoRl: 138 v, aoRm: [Mitte Febr.], 2v auRr: 7244 | Kuv: zu
26. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 659.E). Postzeichen: Kur Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. Datierung: Aufgrund des datierten Exzerpts. D1: Steig 1913, S. 89–91; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 147–149 (Nr. A25); datiert: Februar 1808. D3: WAA XXXIII, S. 227 f. (Nr. 659). DV: H.
Veränderungen 24 32 33 39
daß] ß aus s Sternen] üdZ eing. Auf] neuer Schreibansatz Und] U aus u
Erläuterungen 1–2 Aufenthalt unter den klaren Wellen] Vgl. Nr. 309,5–7. 7–14 Censurstreit über die Ankündigung 〈…〉 für grob seyn können] Arnim hatte eine ironische Ankündigung seiner ab 1. April 1808 erscheinenden Zeitung für Einsiedler verfaßt, die der Zensor Wedekind in einem Heidelberger Schreiben an Arnim vom 18. Februar (WAA XXXIII, Nr. 657) bis auf die eine Beanstandung passieren ließ. In der geänderten Version der Ankündigung lautet der Satz mit der fraglichen Stelle: Wer zehn Exemplare
nimmt darf gegen Erlegung der Einrückungsgebühren Aufsätze ein1750
Zu Nr. 312
schicken, Gegenbemerkungen zahlen das Doppelte, aber diese zu vermeiden, machen wir im voraus bekannt, daß wir ausstreichen können, wenn wir wollen. (WAA VI, S. 2.) 23 dir] Dativ-Akkusativ-Verwechslung des Berliners. 39–40 Und der Morgen war ein Küssen] Brentanos Und der Morgen wird ein Küssen. Vgl. Nr. 172,40 und Erl. 41 Hofmeister] Hoffmann. 44–45 Gieb das Lied aus dem Faust.] Ach neige du Schmerzenreiche (vgl. zu Nr. 296,31–32). B stellte das Lied nicht für Arnims Zeitung zur Verfügung (vgl. Nr. 313,21–30). 48 Zimmer 〈…〉 bald zu Savigny kommen] Zimmer reiste zu Savigny nach Frankfurt, um mit ihm Kontakt aufzunehmen, nachdem er durch Brentanos Brief von etwa 25.–29. November 1807 dazu aufgefordert worden war: er hat wirklich das Bedürfniß mit einem honetten Buchhändler in
Bekanntschaft zu treten, dem er seine Arbeiten gern anvertrauen kann (FBA XXXI, S. 626,4–6). Bei dem Besuch wurde eine Publikation ins Auge gefaßt. Vgl: Arnim an Savigny, 27. Februar 1808: Deine Werke liegen ihm am Herzen (WAA XXXIII, Nr. 674,30–31); Savigny an Zimmer aus Landshut, 26. Oktober 1808: Mit meinem literarischen Project steht es jezt wieder
etwas im weiten Felde, da mich mein Umzug und die Arbeiten für meine Collegien unglaublich in allem Uebrigen unterbrochen haben. (Zimmer 1888, S. 284.) Am 25. Januar 1809 teilte er dann Zimmer mit, er hoffe auf die Ausführung ganz neuer literarischer Pläne mit ihm (ebd., S. 288), doch erst im Herbst 1812 kam es zu Vertragsverhandlungen über die Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter (vgl. Savigny an Zimmer, 16. Dezember 1812; [ebd., S. 306–308] sowie Hennig 1936), die ab 1815 im Verlag von Mohr und Zimmer erschien. 53 Gemeines] Vgl. zu Nr. 141,13.
312.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, vmtl. 20. Februar 1808, Sonnabend
B: Nr. 309, 310. A: Nr. 314. H: FDH 7246. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 185 mm; 1r-1v 1¾ beschr S.; 3x quer, 2x längs gefaltet; Ku ca. 140 × 161 mm. – Papier: Ku verschmutzt, 1x längs geknickt. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Beilagen: Vgl. Z. 15–17 mit Erl. sowie Tafelteil Abb. 20.
1751
Zu Nr. 312
Fremdeinträge: 1r aoRl: 181 v, aoRr: 29; 1v in Grußformel Dein mit Rotstift unterstr.; 2v auRr: 7246 | Kur spätere Notiz Bs: Heidelberg Febr, Kuv auRr: zu 27. Besonderheiten: Der Brief wurde von Zimmer überbracht. Daher fehlen auf dem Kuvert Portozeichen und Stempel. Das Kuvert wurde bereits von Steig 1913 (D1, S. 94) und dann auch archivalisch fälschlich Arnims Brief vom 24. Februar (Nr. 317) zugeordnet. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 664.E). Datierung: Der Brief beantwortet die beiden Briefe Bs von Mitte Februar, wie aus den Rückbezügen auf ihre Mitteilungen hervorgeht, sie möchte ihn sagen hören: Ich bin dir gut mehr wie allen (vgl. Nr. 310,17 mit Z. 2–3) und sie habe ihn über alle Maaßen lieb (vgl. Nr. 309,22 mit Z. 20–21). Da Arnim seinen vorigen Brief an B am 18. Februar schrieb und sie den vorliegenden am 22. beantwortete, wird er am 20. Februar geschrieben haben. D1: Steig 1913, S. 94; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 154 f. (Nr. A27); datiert: Februar 1808. D3: WAA XXXIII, S. 236 (Nr. 664). DV: H.
Veränderungen 11 11 20
ausgeblüht] eb aus 〈xx〉 Passionsblume] b aus p ohne] aus kein
Erläuterungen 1–2 Zimmer will eben fort] Vgl. zu Nr. 311,48. 8–9 nach Norden] Nach Königsberg an Auguste Schwinck. 11 ausgeblüht 〈…〉 wie eine Passionsblume] Arnim spielt auf seine überwundene Passion für Auguste Schwinck an, verwechselt jedoch die Passionsblume mit der Königin der Nacht (Selenicereus grandiflorus), einem Kaktus, der ebenfalls rankenartig wächst. Dessen große prächtige Blüten entfalten sich vom Mittag bis zum Abend und verwelken in der Nacht. 15–17 Bildniß einer 〈…〉 Philosophin und Juristin 〈…〉 Unterschrift siehst] Wie aus Bs Brief vom 25. oder 26. Februar hervorgeht, schickte Arnim ein Bild der Jungfrau Morella (Nr. 318,74), der spanischen Dominikaner-
1752
Zu Nr. 313
nonne Juliana Morell(a). Sie soll bereits als Kind Griechisch, Latein und Hebräisch gelernt haben, auch mit Philosophie und Jurisprudenz vertraut gewesen und von ihrem ehrgeizigen Vater 1606 in Lyon in einer öffentlichen Disputation als Wunderkind vorgeführt worden sein. Danach trat sie in Avignon in ein Kloster des Dominikanerordens ein und veröffentlichte Exercices Spirituels sur l’Eternité sowie weitere Schriften. Da Arnim auf eine Bildunterschrift verweist, derzufolge sie auch Philosophin und Juristin war, wird er einen Einzelblatt-Stich von Esme de Boulonois geschickt haben, der mit der ausführlichen Unterschrift versehen war: Ivliana Morella, Barcinonensis. Virgo Hispana,
Cappucinorum habitum, pietatis ergo gestam, Latinæ, Græcæ et Hebrææ linguarum perita, Philosophice ac Iurisprudentice studiosa, Theses Philosophicas, anno Cristi CI I CVI. ætatis XII. a se publicè disputatas Margaritæ Austrice, Hispaniarum Indiarumque Reginæ, inscripsit et euulgauit. Flores Lugduni in Gallia Musicis instrumentis, alijsque ingenij artibus aprime exercita. Diese Unterschrift fehlt in dem lediglich Iuliana Morella unterschriebenem Frontispiz zu Wielands kleinem Beitrag Zum Bilde der Juliana Morell, der 1777 in seinem Teutschen Merkur erschienen war (Drittes Vierteljahr, Juli, S. 90–94) und auch in der Vorlage dazu, Boulonois’ Stich mit der Unterschrift IULIANA MORELLA, BARCINONENSIS in Bullart 1682– 1695, Bd. II, S. 129. Wieland berichtete in seinem Beitrag skeptisch über Juliana Morell(a) und konnte auch dem Bildnis nicht viel abgewinnen: Die Phy-
siognomie des guten Nönnchens mag wohl schon in dem Original-Gemählde, das Bullard von ihr besaß, manches verlohren gehabt haben. Nun kam die Reyhe an die Kupferstecher 〈…〉 Ordentlicher Weise gewinnt man nicht viel beym Durchgang durch solche media. Und so kommt es dann, daß unsers Herrn Gottes Werke unter Menschen-Händen verpfuscht werden (a.a.O., S. 93).
313.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, vmtl. 20. Februar 1808, Sonnabend
B: Nr. 311. A: Nr. 317. H: FDH 7403. – Format: 2 Bl. (I, II) je ca. 224 × 192 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, Bl. II Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, rote Siegelreste. – WZ: I: Unterer Teil von Posthornschild, darunter: FHF.
1753
Zu Nr. 313
Fremdeinträge: 1r aoRl: 179 v | 1v auRr: 7403 | 2r aoRl: 179 | 2v auRr: 7403. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: B antwortet auf Arnims Brief vom 18. Februar und hat seinen folgenden von vmtl. 20. noch nicht erhalten. Sie schreibt vor Savignys Geburtstag am 21. Februar, mit dessen Anordnung sie beschäftigt ist. D1: Steig 1913, S. 91 f.; nicht datiert. D2: Kat. Henrici 149, S. 19, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 149–151 (Nr. B19); datiert: Februar 1808. D4: WAA XXXIII, S. 237–239 (Nr. 665). DV: H.
Veränderungen 16 18 31 40 41 44 44 49
geschrieben] ge aus 〈x〉 wissen] aus lernen wohl] aus 〈xxx〉 Gemenge] Ge aus 〈xx〉 für] f aus v hättest] aus hast Alle] A aus a mit] danach gestr. Eich
Erläuterungen 18 bezieferten Baß] Bezifferter Baß oder Generalbaß. Begleitende Baßstimme, bei der die dazugehörigen Akkorde nicht als Noten ausgeschrieben, sondern durch Ziffern und Zeichen dargestellt sind. Der Spieler muß daraus die jeweiligen Akkorde erkennen und nach den Regeln der Harmonielehre miteinander verbinden. 21–24 Mein Lied 〈…〉 zum heraus geben 〈…〉 keine Lust] Vgl. Nr. 311,44–45 und Erl. 23 Savignys Fest] Geburtstag am 21. Februar. 34 Ankündigung deiner Zeitung] Vgl. Beilage zu Nr. 311. 37 Cassino] Casinogesellschaft, 1802 gegründete Frankfurter Lesegesellschaft mit 212 Mitgliedern 1805. (Vgl. Roth 1991, S. 383.)
1754
Zu Nr. 314
43–44 daß du Dich auf Jahre verbunden hättest] Bezug auf Arnims Mitteilung in seiner Ankündigung der allgemeinsten Zeitung: Sie kostet jährlich 〈…〉, variiert in der abschließenden Bestätigung der Buchhandlung Mohr und Zimmer: Der jährliche Preis ist 〈…〉 (WAA VI, S. 2,28–29 und 3,4 f.). 49–50 mit Engelhard 〈…〉 über die Caledonischen Eisgebirge] Vgl. Nr. 298.K bzw. Nr. *298 und Nr. 307.
314.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 22. Februar 1808, Montag
B: Nr. 312. A: Nr. 319. H: FDH 7404. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 192 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Vergilbt. Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 182 v, aoRm: 22. Februar 1808, Z. 6–7 über Geburts Tag: 21. Februar | 2v auRr: 7404. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Aufgrund der Erwähnung von Savignys Geburtstag Gestern (Z. 7). D1: Steig 1913, S. 94–96. D2: Kat. Henrici 149, S. 90, Nr. 79; TD. D3: Betz/Straub 1986, S. 155–157 (Nr. B20). D4: WAA XXXIII, S. 237–239 (Nr. 666). DV: H.
Veränderungen 5 Mühe wird] danach gestr. wol 15 wir] alR 19 nach] n aus b 33 Nacht] danach gestr. nach 50 überlebt] danach gestr. ? 68 Knospen] danach gestr. hüht 72 bauen] b aus m
1755
Zu Nr. 314
Erläuterungen 1 ihr] Das von Arnim geschickte Bild der Juliana Morell(a). Vgl. Nr. 312,15–17 und Erl. 2 unter Tieck] Unter einem Porträt Ludwig Tiecks, vielleicht einer Reproduktion oder Version der Zeichnung mit schwarzer Kreide über Bleistift im Halbprofil, welche die Brüder Franz und Johannes Riepenhausen 1805 in Rom angefertigt hatten und Adam Oehlenschläger schenkten. Original im Nationalhistorischen Museum Frederiksborg; Abb. u.a: Bernhard 1975, Bd. II, S. 1393; Günzel 1981, nach S. 288. Vgl. Kat. Riepenhausen 2001, S. 104, 227. 16 Fürst Primas] Dalberg. 31 kriegen] kriechen (frankfurtisch). 41 Deut] »eine kleine niederländische kupfermünze, deren acht auf einen stüber gehen 〈…〉 bildlich für etwas das gar keinen oder einen geringen werth hat« (DWb II, Sp. 1037). 50 Nach Norden] Zu Auguste Schwinck.
315.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 23. Februar 1808, Dienstag
B: –. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 183 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 1x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRr: 9e lettre à Goethe, darunter: 1808 Früh 23. Februar. | 1v unterstr.: Savignys Geburtstag, daneben: 21. Febr. D1: Steig 1922, S. 39–41. D2: Bergemann 1927, S. 202–204 (Nr. 12). D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (9), S. 11; TD (kurzer Auszug). D4: B/WuB II, S. 591. DV: H.
Veränderungen 11 18
berühren] erstes r aus h arbeitest] r aus 〈x〉 1756
Zu Nr. 316
51 55 59
Grüße] G aus g selbst] erstes s aus m Sache] S aus s
Erläuterungen 22–23 in dem Brief 〈…〉 wie Du es gewöhnt warst] Goethe redete B in seinem Brief vom 9. Januar 1808 (Nr. 293) mit Sie an, obwohl sie sich bei ihrem letzten Weimar-Aufenthalt geduzt hatten. 27–28 Savignys Geburtstag] Vgl. Nr. 314. 43–44 die Frau Rath 〈…〉 Joseph 〈…〉 rothen Rock an] Bezug auf Jakobs Lieblingssohn Joseph, der von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde. Um seinen Tod vorzutäuschen, tränkten sie den Rock des Bruders mit dem Blut eines Ziegenbocks und schickten ihn an den Vater zurück. (1 Mo 37.) 54–56 Frau von Schoppenhauer 〈…〉 Tuch 〈…〉 mein Minister] Vgl. Nr. 297,52–54 und Erl. 57 Negotiationsfähigkeiten] Negotiation: Unterhandlung, Vermittlung. 65–66 Sohn 〈…〉 Durchreiße] August von Goethe reiste erst am 4. April von Weimar zunächst nach Frankfurt zu seiner Großmutter, der Frau Rath, traf dort am 8. April ein und fuhr am 22. zum Jura-Studium nach Heidelberg weiter.
316.
Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Weimar, 24. Februar 1808, Mittwoch
B: Nr. 303. A: Nr. 323. H: PML/Heineman Coll. MA 6907 MS Goethe-Bettina 1,9. – Format: 1 Bl. ca. 275 × 186 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Siegelrest. – WZ: Schießender Jäger vor Baum, springender Hirsch vor Baum, jeweils in blätterverziertem Rahmen. Fremdeinträge: 1r aoRl: 53, darunter: I 193, aoRr Stempel: 2. Besonderheiten: Zufolge Goethes Tagebuch (WA III, Bd. 3, S. 320) erst am 29. Februar abgeschickt. Postzeichen: Stempel: R.4.WEIMAR. D1: Loeper 1879, S. 161 f. (Nr. 1).
1757
Zu Nr. 316
D2: WA IV, Bd. 20, S. 21 f. (Nr. 5500). D3: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 164 f. (Nr. 4). D4: Steig 1922, S. 42. D5: Bergemann 1927, S. 204 f. (Nr. 13). D6: Kat. Henrici 148, S. 19 (Nr. 46); TD. D7: B/WuB II, S. 593 f. DV: H.
Erläuterungen 2–5 Ihre Gaben 〈…〉 Hauscapelle] Vgl. Nr. 303,2–7 und Erl. 10–11 Confirma hoc Deus von Jomelli] Befestige dies Gott – fünfstimmiges Offertorium von Niccolò Jommelli, bei Goethe am 3. und 7. April 1808 gesungen. Vgl. Nr. 345,26–27. 12 Salvum fac Regem] Altes Kirchenlied nach Psalm 20,20: Hilf, Herr,
dem König und erhöre uns, wenn wir rufen!
14–16 die Jüdischen Broschüren 〈…〉 neue Städtigkeit] Vgl. Nr. 303,11–13 und Erl. 17 kaiserliche Kammerknechte] Bezeichnung der Juden im Deutschen Reich als Leibeigene der kaiserlichen Kammer. Die Frankfurter Juden waren dem Kaiser direkt untertan und steuerpflichtig, bis sie Karl IV. nach 1349 der Stadt Frankfurt verpfändete, wobei er jedoch »gewisse – größtenteils symbolische – Vorbehaltsrechte für sich geltend« machte, »woraus sich für die Frankfurter Juden eine gewisse Reichsunmittelbarkeit ergab mit daraus sich ableitenden Appellationsrechten« (Arnsberg 1983, Bd. I, S. 52). 18 christlichen Erziehungsplanen] Vgl. Nr. 303,14–16 und Erl.
317.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 24. Februar 1808, Mittwoch
B: Nr. 313. A: Nr. 318. H: FDH 7245. – Format: 1 Dbl. ca. 226 × 184 mm; 1r-2v 4 beschr. S. | Ku ca. 108 × 154 mm | Kur Adresse. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Eine Prämie (Z. 55) Arnims: ein (nicht identifiziertes) Bildlein von ihm, wie aus dem Antwortbrief (Nr. 318,74) hervorgeht.
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Zu Nr. 317
Fremdeinträge: 1r aoRl: 180 v; 2v auRr: 7245 | Kur aoR Notiz Bs: Heidelberg 24 Fbr 8, 24 Februar 1808. Besonderheiten: Zum Kuvert vgl. Nr. 312. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 669.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 92–94. D2: Kat. Henrici 149, S. 19 f., Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 151–153 (Nr. A26). D4: WAA XXXIII, S. 244–246 (Nr. 669). DV: H.
Veränderungen 1 Heidelberg 〈…〉 1808.] nachträgl. 3 jezt bin ich ganz wohl] üdZ eing. 5 da] aus 〈xxx〉 13 andern] a aus 〈x〉 18 ich] aus es 19 wenig] w aus g 49 die] aus um
Erläuterungen 13–14 Du kamst von Wisbaden 〈…〉 mit dem Clemens aus wäre] B hatte Ende August 1805 von Frankfurt aus mit Franz und Antonia Brentano den Bruder Clemens in Wiesbaden besucht, wo er sich wegen der alkalischen Kochsalzquellen des Badeorts zur Kur aufhielt. 18 Judicium] Urteil, Urteilsvermögen. 22 Deine Schwester gepflegt in Marburg] Während des Marburg-Aufenthalts mit der Schwester Meline von Ende November 1805 bis Anfang Juni 1806. 22–23 beym Clemens 〈…〉 in Frankfurt um seine Frau weinte] In der ersten Novemberhälfte 1806, als der Bruder nach dem Tod Sophie Brentanos von Heidelberg nach Frankfurt gekommen war. 25–26 vom Engelhardt 〈…〉 gedacht habe] Vgl. Nr. 313,49–52 und Erl. 27–28 Plane des grossen Einsiedler Pallastes] Anspielung auf Engelhards Ausbildung zum Architekten und seine B überschickte, von ihr zurückge-
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Zu Nr. 317
schickte Skizze eines Goetheschen Landhauses, das zufolge ihrem Brief an Goethe von etwa 22. November 1809 wunderbar bombastisch gedacht war. Vgl. Nr. 292,31–41 und Erl. 38–39 Gestern 〈…〉 Frau von Krüdener] Vgl. Arnim an Brentano, 24. Februar 1808: ich fuhr mit ihr nach Neckargemünd herunter und nach
Rohrbach; sie geht nach Karlsruh, eigentlich weiß ich nicht warum, ich glaube, Sie hält den alten Großherzog für einen Heiligen (WAA XXXIII, Nr. 668,12–15). Juliane von Krüdener, die Arnim im Herbst 1802 auf seiner Bildungsreise in Genf kennengelernt und 1807 in Königsberg wiedergesehen hatte (vgl. WAAA XXXI, S. 949 f. und Reg.), erhoffte sich in Karlsruhe von Jung-Stilling Förderung und Unterstützung in ihren ihr selbst noch unklaren religiös-mystischen Neigungen. (Vgl. Kürenberg 1941, S. 147–152.) Vom 27. Februar bis 5. März war sie nochmals in Heidelberg, wo sie im Goldenen Hecht logierte. (Heidelberger Wochenblatt, 7. März 1808, S. 41; vgl. Steig 1913, S. 93.) 40–41 Geschichte der Gräfin von Westerburg bearbeitet] Vmtl. das im Brief der Krüdener an Arnim vom 2. August 1808 (WAA XXXIII, Nr. 845) erwähnte, nicht vollendete Romanprojekt Othilde. Ein Fragment erschien 1818 als Übersetzung aus dem Französischen unter dem Titel Der Einsiedler (Krüdener 1818, S. 28–46), die französische Version Histoire de’un Solitaire wurde aus dem Nachlaß herausgegeben (Mercier/Ley/Gretchanaia 2007, S. 297–314, mit Erläuterungen). 53–54 daß ich über sie geschrieben] Den Artikel Frau von Krüdener in Königsberg über ihre Fürsorge für die dortigen Verwundeten, erschienen 1807 in der Königsberger Zeitschrift Vesta (Arnim/W VI, S. 216–223). 62–63 Von Beaumont und Fletschers 〈…〉 erschienen.] Beaumont’s und Fletcher’s dramatische Werke. Hg. von Karl Ludwig Kannegießer. 2 Bde. Berlin 1808 (Arnim-Bibl. Sign. B 62) – eine Auswahl von Dramen der beiden Shakespeare-Zeitgenossen. Vgl. Arnim an Brentano, 24. Februar 1808: Beaumont und Fletschers Theater von Kannegiesser übersetzt
wird dir viel Vergnügen machen; merkwürdig ist die Darstellung der Weiber bey ihm und Schakspeare, so viel Verschiedenheit die Männer haben, die Weiber sind ihm alle entweder geil, trotzig, höhnisch, zoten witzig und superklug oder gut und schwach ohne alle andre Characterisirung; das verglichen mit Göthe. (WAA XXXIII, Nr. 668,17–23.)
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Zu Nr. 318
318.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 25. oder 26. Februar 1808, Donnerstag oder Freitag
B: Nr. 317. A: Nr. 319. H: FDH 7405. – Format: 1 Dbl. ca. 223 × 192 mm; 1r-2v 3 beschr S. + 3 Z.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, rotes Siegel. – WZ:
FHF.
Fremdeinträge: 1r aoRl: 183 v; 2r im Text unterstr. gestern 〈…〉 Savigny (Z. 54) sowie sein Bett 〈…〉 hin (Z. 66–67); 2v auRr: 7405. Postzeichen:Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: B reagiert auf Arnims Brief vom 24. Februar, er antwortet bereits am 27. Februar. D1: Steig 1913, S. 96–98; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 158–160 (Nr. B21); nicht näher datiert. D3: WAA XXXIII, S. 247–249 (Nr. 671). DV: H.
Veränderungen 24 30 38 40 55 59
ich] danach gestr. gen von] v aus b ich] danach gestr. d entfaltet] erstes e aus f ihm] danach gestr. Buchstabenansatz noch] danach gestr. seyn
Erläuterungen 1–2 Abschied in Wisbaden von Clemens] Vgl. Nr. 317,13–14 und Erl. 43–45 ich werde meinem Liebesbriefler 〈…〉 Deutlicher darüber.] Ein entsprechender Brief Bs an Engelhard wegen Arnims Nr. 317,27–30 mitgeteiltem Phantasieprojekt ist nicht überliefert. 47–48 sie daher mit mehr Recht dir schenken kann] Vgl. Nr. 313,21–34. 54–55 weil Zimmer zu ihm kommen sollte] Vgl. zu Nr. 311,48. 56–58 in Müllers Briefen an B: 〈…〉 mein einziger Freund bist!«] In den von Friederike Brun herausgegebenen Briefen Johannes von Müllers an
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Zu Nr. 318
Karl Viktor von Bonstetten: Briefe eines jungen Gelehrten an seinen Freund. Zum Besten der Schweitzerwaisen herausgegeben (Tübingen 1802); darin S. 93: Du, mein B. du bist mein Apollo, meine Muse, mein Licht, mein Selbst mehr als ichs bin, und was bist du nicht, da du mein einziger Freund bist! 61–62 Wunderwercke von hängenden 〈…〉 Gärten] Anspielung auf die hängenden Gärten der Semiramis zu Babylon, die zu den Sieben Weltwundern der Antike zählten. 63 Auswanderung ins Rhein gau] Zur Abfahrt auf das 1806 erworbene Brentanosche Gut in Winkel am Rhein (vgl. Nr. 200,46 und Erl.) kam es erst am 18. Mai (vgl. Nr. 381,3–5). 72 Dein Arnim in Deinem vorlezten Brief] Arnims Unterschrift am Schluß von Nr. 312. 74 dein Bildlein 〈…〉 bei die Jungfrau Morella gehängt.] Arnims (nicht identifizierte) Beilage zu Nr. 317 zu dem von ihm bereits zuvor an B geschickten Bildnis der Juliana Morell(a) (vgl. Nr. 312,14–18 und Erl.; im Kommentar WAA VI, S. 850 nicht identifiziert). 75 den verschämten Winter compromitiert bei einer Dame] Anspielung auf Arnims Mitteilung, er habe Juliane von Krüdener soviel gezeigt, als der schamhafte Winter zuließ (Nr. 317,40).
319.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 27. Februar 1808, Sonnabend
B: Nr. 314, 318. A: Nr. 320. H: FDH 7247. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 185 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet | Ku ca. 95 × 120 mm; Kur Adresse. – Papier: Kuv Siegel. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Brief Arnims an Savigny, 27. Februar 1808 (WAA XXXIII, Nr. 674). Fremdeinträge: 1r aoRl: 184 | 2v auRr: 7247 | Kur Notiz Bs: Heidelberg Febr. 8. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 673.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen D1: Steig 1913, S. 98 f.; nicht näher datiert. D2: Kat. Henrici 149, S. 20, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 161 f. (Nr. A28).
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Zu Nr. 319
D4: WAA XXXIII, S. 251–253 (Nr. 673). DV: H.
Veränderungen 25 29 32 34 41 44 48 49 49
trauerndes] tr aus w auswaschen] a aus i quälen] q aus Q hat] aus ohne vor sich] üdZ eing. das] d aus D ein] aus was | danach gestr. aber am] a aus i Rhein] R aus S
Erläuterungen 7 Von Clemens 〈…〉 traurigen Brief] Vom 23. Februar 1808 (WAA XXXIII, Nr. 667). 16–17 daß Du mir Briefe einer Einsiedlerin 〈…〉 hast Du Lust?] Die in Arnims Brief an B vom 2. März (Nr. 321,52–69) nochmals angeregte Fortsetzungsserie gelangte nicht über eine anonyme Teilveröffentlichung in einem anderen Kontext hinaus. Zu dieser kam es, nachdem er von B auf einem Einzelblatt den Beginn eines Märchens von einem Einsiedler erhalten hatte. Er notierte auf demselben Blatt eine Fortsetzung, woraufhin er den bisherigen Mischtext überarbeitete und danach nochmals für die Publikation in der Zeitung für Einsiedler Nr. 7 vom 23. April änderte, um ihn dem neuen Zusammenhang – seinem Zyklus Scherzendes Gemisch von der Nachahmung des Heiligen – anzugleichen. (Vgl. WAA VI, S. 75–77 und Erl. Moering S. 850–852 [mit Darstellung der Überarbeitungsstufen]). Außerdem erschien in der Zeitung für Einsiedler Nr. 12 vom 11. Mai ein Gedicht Bs, das Seelied, im Unterschied zur anonymen Mitteilung des überarbeiteten Märchenbeginns mit dem Namenskürzel B. (Vgl. WAA VI, S. 151 f. und Erl. Moering S. 911–915.) Keinen Gebrauch machte Arnim von Bs umfangreichem Märchen vom Königssohn, das sie ihn mit ihren Briefen vom 25. und 26. April (Nr. 363 und 365) schickte.
1763
Zu Nr. 319
24 getauscht mit Kupferstichen] Mit Aloys Schreiber. Vgl. Arnim an Brentano, 27. Februar 1808 ((WAA XXXIII, Nr. 672,40–47). 25–26 Ein trauerndes Weib nach Dürer von Sadeler] Vmtl. Aegidius Sadelers »Brustbild einer jungen Frau mit langem Haar, nach Dürer« (Thieme/ Becker XXIX, S. 299; nicht in: Boon/Hoop Scheffer 1980; Limouze 1991). 28–36 Einen heiligen Franziskus 〈…〉 Wesen und Werth fühlt.] Eine Darstellung der Stigmatisierung des heiligen Franziskus in der Nachfolge des berühmten Freskos von Giotto di Bondone in der Oberkirche von Assisi (um 1300; ähnlich in der Bardikapelle in Florenz, 1320/25), das den Heiligen in einer Felsenlandschaft mit lesendem Mönch zeigt; vmtl. diejenige (um 1435/1440) der beiden Darstellungen der Stigmatisierung des hl. Franziskus von Jan van Eyck mit innigem Gesichtsausdruck des Heiligen und bizarrer Felsenlandschaft. Die Bildkomposition wurde von anderen Künstlern übernommen und variiert; das von Arnim unmittelbar gemeinte Bild konnte nicht ermittelt werden. (Vgl.: Roettgen 1996, Bd. I, S. 286–291 und Tafel 174 sowie Bd. II, S. 141; Poeschke 2003, S. 19, 128 und Tafel 44.) 38–39 eine Einsiedlerlandschaft von Wilson] Stich nach Richard Wilsons The white Monk IV (Hermits by a Pool), benannt mit der Ziffer und dem Nebentitel im Unterschied zu Wilsons Gemälden The white Monk I-III. Zufolge Arnims Beschreibung kommt von den vier The white Monk-Bildern Wilsons nur IV in Frage. (Vgl. Constable 1953, S. 230 und Abb. 122a-124c, besonders 123b.) 45 meinem Einsiedler Pallast] Vgl. Nr. 317,26–31. 51 ihren Sohn] Vgl. zu Nr. 315,65–70. 54–55 In Seckendorfs Musenalmanach 〈…〉 Hölderlin Crisalin.] In Seckendorfs Musenalmanach für das Jahr 1808 erschienen von Hölderlin Pathmos, Der Rhein und Andenken; von Sinclair (mit dem Anagramm Crisalin) Auf Prinz Ludwigs Tod, Päan, An mein Vaterland, Akkorde und Nach Horaz. IV.7.
320.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, vmtl. 29. Februar 1808, Montag
B: Nr. 319. A: Nr. 321. H: FDH 7406. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 186 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: AoR braunfleckig, rote Siegelreste. – WZ: C & I HONIG.
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Zu Nr. 320
Fremdeinträge: 1r aoRl: 185 v, Z. 16: 14 ten März unterstr. | 2v auRr: 7406. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Da B mit umgehender Post (Z. 2) schreibt, wird sie das nach Eintreffen des Bezugsbriefes vom 27. Februar zwei Tage nach dessen Datum getan haben. Arnim antwortete am 2. März ebenfalls umgehend. D1: Steig 1913, S. 99 f.; nicht näher datiert. D2: Kat. Henrici 149, S. 20, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); nicht näher datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 163 f. (Nr. B22); datiert: Februar 1808. D4: WAA XXXIII, S. 257 f. (Nr. 677). DV: H.
Veränderungen 13 noch] danach gestr. recht 20 seyn] danach gestr. h〈xx〉 25–26 Ansicht] danach gestr. nach 26–27 du aber 〈…〉 besorgen] üdZ eing. 29 manche] am Schluß gestr. r 36 mein] aus 〈xxx〉 38 war] danach gestr. z
Erläuterungen 3 Alten] Goethes Mutter. 8–9 Clemens 〈…〉 Einsiedler Briefe geschrieben] Vgl. Nr. 319,15–16 und Erl. 11–12 an Goethe 〈…〉 in einem Zug 3 mal geschrieben] Die drei Absätze des am 23. Februar geschriebenen Briefes (Nr. 315). 14–15 es wird die Zeit kommen 〈…〉 pfeifen] In Goethes Brief an seine Mutter vom 7. Dezember 1783, den B bei der Frau Rath gelesen haben wird: Hätte man Ihnen in dem bösen Winter von 69 in einem Spiegel
vorausgezeigt, daß man wieder auf solche Weise an den Bergen Samariä Weinberge pflanzen und dazu pfeifen würde, mit welchem Jubel würden Sie es aufgenommen haben. (WA IV, Bd. 6, S. 222.) Vgl. Frau Rath an Goethe, 3. Juni 1808: Ja Ja man pflantzt noch Weinberge an den Bergen Samarie – man pflantzt und pfeift! So offte ich was gutses von dir höre werden alle in meinem Hertzen bewahrte Verheißungen 1765
Zu Nr. 320
lebendig (Köster 1904, Bd. II, S. 183). (Beide Stellen bereits ermittelt Steig 1913, S. 103 f.) 17 Stabat Mater von Pergolese] Vgl. Nr. 303,5–7. 21 bald an den Rhein] Vgl. Nr. 318,63 und Erl. 24 Morgen 〈…〉 Bericht] Drei Tage später (Nr. 322).
321.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 2. März 1808, Mittwoch
B: Nr. 320. A: Nr. 322. H: FDH 7248. – Format: 1 Dbl. + 1 Bl. je ca. 227 × 185 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 97 × 123 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Stich ca. 68 × 94 mm. Vgl. Z. 78–82 und Erl. Fremdeinträge: 1r aoRl: 186 v, aoRr: 30 | 2v auRr: 7248 | Kuv auR: 7248. Besonderheiten: Außer dem Stich befinden sich im Kuvert sechs vmtl. später (von B?) eingelegte sogenannte Hauchbilder ca. 91 × 58 mm. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 680.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 100–102. D2: Kat. Henrici 149, S. 20, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 165–167 (Nr. A29). D4: WAA XXXIII, S. 261–264 (Nr. 680). DV: H.
Veränderungen 9 besorgen] über gestr. erleichtern 15 Du] D aus d 19 seine] Schluß-n gestr. 26 ruhig] danach gestr. schwe 34 nicht] üdZ eing. 61 ich] aus es 64 manches] ma aus aus 67 worden. Die] aus worden, die 77 liebreich] reich aus lich
1766
Zu Nr. 321
Erläuterungen 17–18 König] Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 29 hätte Clemens nie entführt] Auguste Bußmann am 27. Juli 1807 von Frankfurt nach Kassel. 46 Hat er an Savigny nicht geschrieben?] Brentano bat Savigny in einem Brief vom 3. bis etwa 8. März (FBA XXXII, Nr. 498) um Unterstützung in seiner Ehenot. 46–47 (Mein Brief an Savigny 〈…〉 aus Deinem verloren?)] Arnims Brief an Savigny vom 27. Februar (WAA XXXIII, Nr. 674) war – nicht verlorene – Beilage zu seinem Brief an B vom gleichen Tag (Nr. 319). 52–53 Briefen einer Einsiedlerin] Vgl. Nr. 319,16–17 und Erl. 54–55 in Marburg auf deinem Thurme] Vgl. Nr. 147,29 und Erl. 55 in Cassel bey deiner Grafin Bohlen] Erinnerung Arnims an seinen Kassel-Aufenthalt mit B im November und Dezember 1807: an ihre Bekanntschaft mit Karoline Elisabeth Agnes Gräfin von Bohlen. Sie war seit Januar 1808 Palastdame am Hof König Jérômes, während ihr Mann, Friedrich Ludwig Graf von Bohlen, früher Hofmarschall des Kurfürsten von Hessen, als erster Kammerherr und Großmeister der Garderobe fungierte. (Vgl. Kleinschmidt 1893, S. 65 f.) Auguste Bußmann hatte bereits am 23. August 1807 aus Kassel an Claudine Piautaz geschrieben: Eine große Bewunderin des
Clemens ist die Gräfin Polen. Er hat ihr schon einigemal vorlesen müssen. Sie spricht sehr viel von der Bettine die sie außerordentlich liebt. Sehr oft sagt sie dem Clemens ganz freudig: auch Sie sind doch die leibhaftige Bettine. (Enzensberger 1999, S. 37.) Vgl. Varnhagen, Tagebuch, Berlin, 11. September 1854: Gegen Abend kam Frau Bettina von Arnim 〈…〉 Viele Erzählungen von Savigny’s, von Arnim, von Grimm’s, von der Gräfin von Bohlen, Aus Kassel vom Hofe Jerome’s, viel Muntres und Lustiges, aber man kann sich auf nichts verlassen. (Varnhagen 1861–1870, Bd. XI, S. 226.) Derselbe, Tagebuch, Berlin, 9. September 1857:
Es war m e i n e Gräfin Bohlen, der ich sehr anhing, die ich sehr verehrte. Sie hat mir einmal über Rahel und mich einige Worte gesagt, die mir das innerste Herz bewegten. In ihrem Alter begann sie etwas zu frömmeln, es schadete ihr wenig. (Ebd., Bd. XIV, S. 71 f.) 55–56 goldnen Kopfe] Das Frankfurter Brentano-Haus. 68–69 Namen, etwa Morella] B verzichtete auf den Namen, aber Arnim unterschrieb seine Fortsetzungsversion mit Juliana Morella & Comp., um die Autorengemeinschaft Bettina (Juliana Morella) und Arnim (& Comp.) an-
1767
Zu Nr. 321
zudeuten, unterließ in der Veröffentlichung aber schließlich die Mitteilung der Namen. Vgl. WAA VI, S. 852. 69 weil Du das 〈…〉 ins Bett zu sehen] Vgl.: Nr. 312,15–17 und Erl.; Nr. 314,1–6. 70–71 Wenn Du erlaubst 〈…〉 von Deinen Versen aus früherer Zeit besitzen] Da B im Antwortbrief nichts gegen eine Veröffentlichung hatte (vgl. Nr. 322,18–20), publizierte Arnim in Nr. 12 der Zeitung für Einsiedler vom 11. Mai 1808 ihr Seelied, wobei er allerdings auf das Pseudonym Morella zugunsten des Namenskürzels B. verzichtete. Vgl. WAA VI, S. 151 f. und Erl. Moering S. 911–915. 76 Hat Göthe nicht wiedergeschrieben.] Da Goethes Brief vom 24. Februar (Nr. 316) am 29. Februar abgeschickt wurde, erhielt B ihn erst um den 4. März. Vgl. Nr. 303 (Datierung). 76 Deine Einladung] Zum Geburtstag des Bruders Georg am 12. März. Vgl. Nr. 320,16–17. 77–78 von Druck] Vom Druck des zweiten Wunderhorn-Bandes. 78–82 das einliegende Bildchen 〈…〉 guten Sache, die sie fuhren] Die Beilage illustriert die biblische Überlieferung, daß die Jünger Jesu auf dem See Genezareth einen Sturm fürchteten, den er stillte: Und siehe, da erhob sich
ein großes Ungestüm im Meer, also daß auch das Schifflein mit Wellen bedeckt war; und er schlief. / Und die Jünger traten zu ihm und weckten ihn auf und sprachen: »Herr, hilf uns, wir verderben!« / Da sagt er zu ihnen: »Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stand auf und bedrohte den Wind und das Meer; da ward es ganz stille.« (Mt 8,24–26.) Vgl. Tafelteil Abb. 21. 82–85 Trallalaideidaa 〈…〉 schon
seh ich das Land 〈…〉 seine Lieder der Liebe und Einsamkeit geben.] Mit Schon seh ich das Land endet Goethes Gedicht Glückliche Fahrt, dessen Vertonung durch Reichardt in seiner Sammlung Lieder der Liebe und Einsamkeit zur Harfe und zum Clavier zu singen (Leipzig 1798, S. 30 f.) erschien, wobei der Schlußvers – wie in Arnims Brief – wiederholt wird:
Die Nebel zerreissen, auf einmal wirds helle und Aeolus löset das ängstliche Band. Es säuseln die Winde, es rührt sich der Schiffer, geschwinde, geschwinde! Es theilt sich die Welle, 1768
Zu Nr. 322
es naht sich die Ferne, schon seh ich das Land, schon seh ich das Land, 87 die Tochter Pharaonis 〈…〉 den kleinen Moses findet] Die Tochter Pharaos findet das Kästchen mit dem ausgesetzten Moses im Schilf (2. Mo 5).
322.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 3. März 1808, Donnerstag
B: Nr. 321. A: Nr. 326. H: FDH 7407. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 186 mm; 1r-2v 3 S. + 4 Z. beschr.; 2x längs, 3x quer gefaltet. – Papier: Dünn, fleckig. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 187 v, aoRr Bemerkung Steigs zu Gunda ihrer (Z. 12): *) Nicht Geburtstag, sondern Namenstag, der Namenstag der heil. Kunigunde ist der 3. März. / Also Datum: 3. März 1808., Z. 12: heut ist Gunda ihrer mit Tinte unterstr. | 2v auRr: 7407. Datierung: Vgl. Fremdeinträge. D1: Steig 1913, S. 103 f. D2: Kat. Henrici 149, S. 20, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 168–170 (Nr. B23). D4: WAA XXXIII, S. 256 f. (Nr. 681). DV: H.
Veränderungen 12 16 17 28 45 51
ihrer.] . aus , | danach gestr. den treibst] danach gestr. ist nicht] danach gestr. so ichs] danach gestr. 〈xxx〉 Katolischen] aus 〈x〉 bei] aus im
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Zu Nr. 322
Erläuterungen 7 Stabat Mater] Vgl. Nr. 303,1–7 und Erl. 9 George seinen Geburts Tag] 12. März. 10 Ostern] 17. April. 12 heut ist der Gunda ihrer] Namenstag (Gedenktag der heiligen Kunigunde von Luxemburg); Geburtstag am 28. Juli. Vgl. Fremdeinträge. 12–17 an meine Einsiedelei 〈…〉 drucken lassen.] Vgl. Nr. 319,16–17 und Erl. 19–20 Fablen erdacht 〈…〉 Kinder Märgen 〈…〉 all aufschreiben] Bereits in einem Frühlingskranz-Brief, dessen Original im März 1802 geschrieben sein dürfte, teilte B mit, sie habe in ihrem Schreibschrank 〈…〉 in Offenbach ein von ihr geschriebenes Märchen gefunden (B/W II, S. 712), und Charlotte von Kalb schrieb am 28. September 1802 an Charlotte von Schiller: Bruder Clemens 〈…〉 läßt jetzt Märchen von ihr drucken. (Urlichs 1862, S. 229.) Eine frühe Märchendichtung Bs ist jedoch nicht nachweisbar. Vgl. Brentano an Sophie Mereau, 22. September 1803: Ich gebe
mir alle Mühe sie zu bewegen, daß sie dichtet, und sie hat mir es versprochen, ich glaube, sie wird nicht ermangeln, durch ihre Mährchen und Träume, der Bernhardi die ihre Wunder Lümpchen zu Papier gemacht 〈Sophie Bernhardi, Wunderbilder und Träume, in elf Mährchen (1802)〉, das Licht aus zu blasen. (DjBr Nr. 874.) Vgl. Nr. 348,33–34 und Erl. 24–25
wieder eine neue Melodie 〈…〉 Himmelsfreud in ihren Armen«] Von der Vertonung ist auf dem Autograph der Komposition von Ach neige du Schmerzenreiche (vgl. zu Nr. 296,31–32) ein Fragment – »nur noch vier Takte der Begleitung« – überliefert. »Diese Komposition von Fausts Zerknirschung wäre ein Spiegelbild von Gretchens Verzweiflung geworden. Die Tonart ist vermutlich f-moll; sie steht dem c-moll von Gretchens Gesang nahe.« (Moering 1996, S. 15 f.) Zugrunde liegt Fausts Rede an Mephisto in der Szene Wald und Höhle:
Was ist die Himmelsfreud’ in ihren Armen? Laß mich an ihrer Brust erwarmen! Fühl’ ich nicht immer ihre Not? Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehaus’te? Der Unmensch ohne Zweck und Ruh? 〈…〉 Was muß geschehn, mag’s gleich geschehn! Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen 1770
Zu Nr. 323
Und sie mit mir zu Grunde gehn! (Goethe/MA VI/1, S. 632 f.) 29–33 Brief von ihm 〈…〉 Bauch und fette Backen haben.] Der von B bereits Nr. 320,14–15 zitierte Brief Goethes an seine Mutter vom 7. Dezember 1783 mit dem Passus: Sie haben mich nie mit dickem Kopf und Bau-
che gekannt, und daß man von ernsthafften Sachen ernsthafft wird, ist auch natürlich, besonders wenn man von Natur nachdencklich ist, und das Gute und Rechte in der Welt will. (WA IV, Bd. 6, S. 222; Stelle bereits Steig 1913, S. 103 ermittelt.) 43–44 Die Frau rath 〈…〉 Morgenroth 〈…〉 aufgestanden war] Vgl. Nr. 323,25–30. 48–49 deinem Bild] Vgl. Nr. 317 (Beilagen). 52–53 wenn ich den Moses nicht finde] Anspielung auf Nr. 321 (Schluß). 56 Savigny 〈…〉 heut oder Morgen schreiben] Erst am 15. März (WAA XXXIII, Nr. 697). 56–57 an die Gebrüder Vatermörder zu Gelnhausen] Vgl. Brentano an Arnim, etwa 23. Februar 1808: Grimm will dir besonders helfen 〈für die
Zeitung für Einsiedler〉, sie wollen unter der Firma Die Gebrüder Vatermörder von Gellnhausen arbeiten. (WAA XXXIII, Nr. 667,77–79.) Steif hervorstehende Hemdkragen wurden erst später als Vatermörder bezeichnet. (Vgl. DWb XXV, Sp. 35.) Zur Sendung an die Brüder Grimm ist nichts bekannt. 58 daß die Leute angestellt werden, 〈…〉 diesen nicht] Während nach der Gründung des neuen Königreichs Westphalen zahlreiche Stellen besetzt wurden, blieben die Brüder Grimm, die seit Herbst 1805 bei ihrer von Steinau nach Kassel übersiedelten Mutter lebten, zunächst unberücksichtigt. Jacob, der Ende 1807 als hessen-kasselscher Sekretär des Kriegskollegiums entlassen worden war, wurde im Juli 1808 Bibliothekar des Königs Jérôme.
323.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 5. oder 6. März 1808, Sonnabend oder Sonntag
B: Nr. 316. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 226 × 188 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 1x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 8 I 195, aoRr: 10 lettre à Goethe, darunter Stempel: 10.
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Zu Nr. 323
Datierung: Goethes Bezugsbrief wurde zufolge seinem Tagebuch erst am 29. Februar abgeschickt, und da B Arnim am 7. oder 8. März mitteilte, sie habe Goethe gestern geantwortet (Nr. 327,7), wird sie das am 5. oder 6. März getan haben. D1: Steig 1922, S. 43–45; datiert: Anfang März 1808 D2: Bergemann 1927, S. 205–207 (Nr. 14); datiert: erste Hälfte März 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (10), S. 11; TD (kurzer Auszug). D4: B/WuB II, S. 594–596; datiert: erste Hälfte März 1808. DV: H.
Veränderungen 6 kommen] alR 6 trinke] alR 40 plagt] la aus 〈xx〉 46 Wolf] l aus f
Erläuterungen 17–18 Es hat sich 〈…〉 zusammen gerottet] Gemeint sind die Gründungsmitglieder der Frankfurter Museums-Gesellschaft, die am 8. April 1808 in Gegenwart Dalbergs ihre Eröffnungssitzung und anfangs etwa siebzig Mitglieder hatte. (Vgl. Darmstaedter 1901, S. 364–366.) Sie »hat mit einem gewissen Nachdruck in der Zeit der größten politischen Übermacht Frankreichs die Förderung der deutschen Bildung auf ihre Fahne geschrieben, und, wohl nicht ohne Absicht, französische Vorträge abgelehnt.« (Ebd., S. 365 f.) 23–25 Geschichte des Kaiser Carls VII 〈…〉 in ihrem 13ten Jahr] B hatte die Geschichte von der Frau Rath gehört und erzählt sie ausführlicher in ihrem Brief an Goethe vom 14. November 1810 (Nr. 829). Sie ereignete sich bei der Kaiserkrönung Karls VII. am 12. Februar 1742 in Frankfurt, als Goethes Mutter siebzehn Jahre alt war. 25–26 wie sie 〈…〉 die Alba 〈…〉 aufgehn sieht] Vgl. Nr. 322,43–44. – Alba: Morgensonne. (Lat. lux alba: helles Licht.) 26–27 deine Büste 〈…〉 aufstellen] Vgl. Frau Rath an August von Goethe, 28. März 1808: Wir haben auch jetzt ein Museum – da steht deines Vaters Büste neben unserm Fürsten Primas seiner (Köster 1904, Bd. 2, S. 178). Vmtl. war eine Kopie der Marmorbüste Alexander Trippels aufgestellt
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Zu Nr. *325
worden, die B im November 1807 in Weimar gesehen hatte. (Vermutung in Goethe/RA V, Nr. 845.) 28 Erziehungsplane und Judenbroschüren] Vgl. Nr. 316,14–18 und Erl. 45–46 Frd. Schlegel wird Goethes Werke 〈…〉 rezensieren.] Friedrich Schlegels Rezension der ersten vier Bände der neuen Cottaschen Ausgabe der Werke Goethes erschien in den Heidelbergischen Jahrbüchern der Literatur. Abteilung für Philosophie, Historie, Literatur und Kunst, 1. Jg. 1808, H. 2, S. 145–184. 46–47 hat doch der Wolf den Hirten 〈…〉 fressen wollen.] Anspielung auf Friedrich Schlegels verändertes Verhältnis zu Goethe. Nachdem er ihn zur Zeit der Jenaer Romantik als größten lebenden Dichter gewürdigt und zur Durchsetzung seines Ruhms wesentlich beigetragen hatte, legte er in dem Maße, in dem er sich dem Christentum zuwandte, andere kritische Maßstäbe an und richtete sich vor allem gegen nichtchristliche, die Antike favorisierende Tendenzen Goethes.
*324. Von Louise Reichardt nach Frankfurt Giebichenstein, etwa 6. März 1808, Sonntag B: –. A: –. Datierung: Da B den Brief am 10. März erhielt und er etwa vier Tage unterwegs gewesen sein wird, wird Louise Reichardt um den 6. März geschrieben haben.
*325. Von Claudine Piautaz nach Frankfurt Kassel, 6. oder 7. März 1808, Sonntag oder Montag B: –. A: –. Datierung: Da B Arnim noch nicht in ihrem Brief vom 7./8. März (Nr. 327), sondern erst in dem vom 8./9. März (Nr. 328) von dem Brief Claudine Piautaz’ berichtet, wird diese ihn erst nach Nr. 327 erhalten haben, und da die Post zwischen Kassel und Frankfurt etwa zwei Tage unterwegs war, wird Claudine Piautaz am 6. oder 7. März geschrieben haben.
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Zu Nr. 326
326.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 7. März 1808, Montag
B: Nr. 322. A: Nr. 328. H: FDH 7249. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 186 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet; Ku ca. 66 × 120 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 188 v | 2v auRr: 7249. Besonderheiten: Kur Notiz Bs: Heidelb. 4 Merz 8. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 684.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1912b; TD. D2: Steig 1913, S. 104–106. D3: Kat. Henrici 149, S. 20, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D4: Betz/Straub 1986, S. 171 f. (Nr. A30). D5: WAA XXXIII, S. 273 f. (Nr. 684). DV: H.
Veränderungen 1 7] aus 〈x〉 36 vielem] m aus n 41 Art] danach gestr. 42 hier] aus in 44 Guido] üdZ eing. 50 den] n aus m 53 die] d aus g
sich
Erläuterungen 6 laß mir keine Kutte anmahlen] Vgl. Nr. 322,48–50. 7 Reichardt 〈…〉 ich wäre wirklich toll geworden.] Vgl. Brentano an Arnim, Kassel, etwa 12. Januar 1808: Reichardt sagte, daß er sehr für dei-
nen Verstand fürchte, daß er bereits glaube, daß du Etwas verrückt seist, deine Poesie beweise es schon, es sei nicht ganz just mit dir, den dritten Theil verstehe keine Seele, dein Vater sei auch in Melancholie gestorben (WAA XXXIII, Nr. 627,48–51). Worauf Arnim am 25. Januar ant1774
Zu Nr. 326
wortete:
Fast hätte ich vergessen, dir über meinen vermeinten Wahnsinn zu schreiben. Das ist ein Compliment von Reichardt, aber kein Tadel, er hält das für genial den Wahnsinn zu ehren er meint mich damit recht poetisch zu bezeichnen, denn wenn du weiter frägst wird er noch sehr viele dazu rechnen, so daß ich sicher der Ehre wegen schamroth werden könnte (ebd., Nr. 629,123–128). 16 meine Wohnung beym Becker Müller] Vgl. Nr. 294,44–47 und Erl. 19 goldnen Kopfe] Das Frankfurter Brentano-Haus. 20–21 das Stabat mater von Pergolesi] Vgl. Nr. 322,7–10. 23–25 Dem armen Clemens 〈…〉 ausführlich geschrieben] Vgl. Bren-
tano an Arnim, 1. März 1808 (WAA XXXIII, Nr. 679). 29 einzige Sachen eingetauscht] Insbesondere von Aloys Schreiber. Vgl. Nr 319,24–44 und Erl. 29–30 der Kauf bey Baldinger] Vgl. zu Nr. 172,52. 37–38 sein Verhältniß zur Günterode] Friedrich Creuzer war als Geliebter der Günderrode mit einer älteren Frau verheiratet, bei der zu bleiben er sich entschieden hatte, woraufhin die Günderrode am 26. Juli 1806 Selbstmord beging. 43–44 Graf Löben 〈…〉 Guido vom Wachsthum der Bibel] Otto Heinrich Graf von Loeben, während des Heidelberger Studiums 1807/08 Spiritus rector einer kleinen studentischen Gruppe, veröffentlichte unter dem Pseudonym Isidorus Orientalis den Roman Guido (ohne Untertitel Mannheim 1808), einen Versuch, Novalis’ Heinrich von Ofterdingen »noch einmal zu schreiben und zu Ende zu führen 〈…〉 Ein thüringisch-sächsischer Held durchwandert die Welt, hört fortgesetzt Geschichten und Gedichte an, kommt zu Ritterburg und Reichsstadt, erlebt Liebe, Tod und Auferstehung und erfährt schließlich eine alle Grenzen von Zeit und Raum aufhebende Verklärung« (Schulz 1989, S. 523). 46 der 〈…〉 Wachsthum] »das geschlecht ist von anfang an schwankend« (DWb XXVII, Sp. 148). 46–47 Zwey wunderliche Menschen sind um ihn] Joseph und Wilhelm von Eichendorff waren bereits am 17. Mai 1807 in Heidelberg angekommen, wo Brentano sie nicht mehr und Arnim, Josephs Tagebuch zufolge, am 2. Februar (Grüner polnischer Peltz. Groß, schön u. bedeutend) und 14. Februar sowie am 29. März 1808 sah (vgl. Eichendorff/SW XI/1, S. 322, 324), jedoch ohne näheren Kontakt. Am 6. April reisten die Brüder über Straßburg nach Paris, von wo sie nach einmonatiger Abwesenheit noch einmal für eine Woche (4.–12. Mai) zurückkehrten, bevor sie Heidelberg endgültig verließen. In dieser Woche werden sie Brentano, der am 29. April angekommen war,
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Zu Nr. 326
kennengelernt haben, aber Eichendorffs als Inbegriff romantischer Lebensart vielzitierte Darstellung in seinem Memoiren-Kapitel Halle und Heidelberg, Arnim und Brentano hätten auf phantastische Manier im Wirtshaus Zum faulen Pelz gelebt, ist nicht authentisch und inkorrekt, denn in dessen Nähe – und nicht in das Wirtshaus – zogen sie erst, als Eichendorff bereits abgereist war. Zu näherer Bekanntschaft kam es erst im Februar 1810 in Berlin. (Vgl.: Debon 1992, S. 35–44; zu Nr. 376,6–8.)
327.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 7. oder 8. März 1808, Montag oder Dienstag
B: –. A: Nr. 329. H: FDH 7408. – Format: 2 Bl. ca. 228 × 190 mm (I) + 228 × 185 mm (II); 1r-2r 2½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | II: –. Fremdeinträge: 1r aoRl: 189 v | 1v auRr: 7408 | 2v auRr: 7408. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. Datierung: B schrieb den Brief einen Tag vor ihrem folgenden, ebenfalls undatierten, in dem es es heißt: gestern hab ich dir auch geschrieben (Nr. 328,33). Diesen folgenden Brief schrieb sie nach Erhalt von Arnims Brief vom 7. März (Nr. 326), und Arnim beantwortete beide Briefe am 10. März (Nr. 329). Daraus ergibt sich, daß der folgende Brief am 8. oder 9. März geschrieben wurde und der vorhergehende am 7. oder 8. März. D1: Steig 1913, S. 106 f.; nicht näher datiert. D2: Kat. Henrici 149, S. 20, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); nicht näher datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 173–175 (Nr. B24); nicht näher datiert. D4: WAA XXXIII, S. 274 f. (Nr. 685); datiert: 7. oder 8. März. DV: H.
Veränderungen 6 Augen] danach gestr. se 10–11 eichnen] ch aus g 43 nicht] danach gestr. b〈xxx〉 46 wichtig] am Schluß gestr. e
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Zu Nr. 328
52 58
und] danach gestr. 〈xx〉 entbehren] b aus 〈x〉
Erläuterungen 1 Goethe hat mir geschrieben] Nr. 316. 7 an Goethe geschrieben] Nr. 323. 17 blenklen] plänkeln. 18 tiraillieur] Den Feind beunruhigender Einzelkämpfer von der Infanterie oder Kavallerie. 25 Melodien zum Faust] Vgl. zu Nr. 294,56–57. 33–35 Gemeine 〈…〉 gemeinen] Vgl. zu Nr. 141,13. 44–47 die Schweizer 〈…〉 Freiheit und ihr Herkommen] Bezug auf die antinapoleonische Unabhängigkeitsbewegung der Helvetischen Revolution (1801/02).
328.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 8. oder 9. März 1808, Dienstag oder Mittwoch
B: Nr. 326. A: Nr. 329. H: FDH 7409. – Format: 1 Dbl. ca. 227 × 190 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, Tintenfraß. – WZ: J HONIG &
ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 190 v | 2v auRr: 7409. Datierung: Vgl. Nr. 327. D1: Steig 1913, S. 107 f.; TD; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 176 f. (Nr. B25); TD (wie D1); nicht näher datiert. D3: WAA XXXIII, S. 276–278 (Nr. 686); datiert: 8. oder 9. März 1808. DV: H.
Veränderungen 4 Handlung] danach gestr. oder 11 dich] üdZ eing. 23 will] danach gestr. daß er
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Zu Nr. 328
28 vor] v aus d 30–31 durch diese exaltation] nach gestr. 〈xxx〉 üdZ eing. 44 Ton] danach gestr. d 50 wenige] üdZ eing. 55 und] danach verkleckst und gestr. Christ 63 ist.] danach gestr. s〈xxx〉
Erläuterungen 14 Claudine 〈…〉 von Clemens und seiner Frau] Nr. *325. 16 Fracas] (frz.) Aufsehen, Getöse. 47–48 ist dir der Heller 〈…〉 opfer pfennig des Reichen] Nach: Mk 12,41–44; Lk 21,1–4. 49–50 Monlidor 〈…〉 der die Judenschule dirigiert] Der katholische Religionsphilosoph Franz Joseph Molitor war seit Oktober 1807 – neben dem Reformpädagogen Michael Hess – Mitdirektor und Oberlehrer am Frankfurter Philanthropin (vgl. zu Nr. 303,17). 54–55 Goethe 〈…〉 Erziehungsplane 〈…〉 gesendet haben.] Vgl. Nr. 316,13–17. 56 ans Stabat Mater] Vgl. Nr. 326,20–24. 66 George seinen GeburtsTag] 12. März. 72 Güldenstern, und Rosenkranz] In Shakespeares Hamlet. 74–75 die kleine Sophie] Tochter von Georg und Marie Brentano.
329.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 10. März 1808, Donnerstag
B: Nr. 327, 328. A: Nr. 330. H: FDH 7250. – Format: 1 Dbl. ca. 227 × 188 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 97 × 128 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 191 v | 2v auRr: 7250 | Kur Notiz Bs: Heidelb
10 März 8. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 688.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen.
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Zu Nr. 329
D1: Steig 1912c, S. 234; TD (kurzer Auszug). D2: Steig 1913, S. 109 f. D3: Kat. Henrici 149, S. 20, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D4: Betz/Straub 1986, S. 178–180 (Nr. A31); TD. D5: WAA XXXIII, S. 279 f. (Nr. 688). DV: H.
Veränderungen 9 seyn] s aus 〈x〉 12 Du] D aus d 23 Dich] D aus d 23 ihren] i aus I 35 Du] aus ich 36 den Herausgeber des Einsiedlers] über gestr. 51 hat] danach gestr. ihm
mich eing.
Erläuterungen 4 Morgenzeitung] Das seit 1807 von Cotta verlegte Tübinger Morgenblatt für gebildete Stände, aus spätaufklärerisch-unterhaltungsliterarischer Sicht gegen moderne literarische Tendenzen und die Heidelberger Romantik opponierend. 12 die allgemeine Deutsche Bibliothek] Von Friedrich Nicolai in Berlin herausgegebene aufklärerische Rezensionszeitschrift, die 1765–1806 in 231 Bänden erschien (seit 1793 unter dem Titel Neue Allgemeine Deutsche Bibliothek). 12–13 Daß Du Göthes Brief kalt und steif nennst] Vgl. Nr. 327,8–10 und Erl. 20–21 Briefe von ihm 〈…〉 mit Vergnügen empfangen] Goethe hatte am 9. März und 26. Juni 1806 auf ausführliche Briefe Arnims knapp geantwortet (WAA XXXII, Nr. 430, 465). 24–25 Daß Du 〈…〉 wie ein Blänkeln ansiehst] Vgl. Nr. 327,16–17. 29–31 Voß hat gegen Göthe 〈…〉 jene zwey an Dich.] Bereits am 5. Januar 1807 war im Morgenblatt für gebildete Stände Nr. 4 des Jahrgangs ein anonymer, von Friedrich Haug verfaßter Artikel über Das deutsche Sonett erschienen, der sich gegen die Nachahmung der italienischen Gedicht-
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form richtete, die der deutschen Sprache unangemessen sei und zu gekünstelter Lyrik mit inhaltsarmem Form- und Reimzwang führe. Die Argumentation stützte sich auf Goethes Sonett Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben, das in dem Artikel noch vor seinem Erscheinen im ersten Band der ersten Cottaschen Ausgabe der Werke Goethes mitgeteilt wurde. Über ein Jahr später, im Morgenblatt vom 8. März 1808, Nr. 58 des Jahrgangs, rekurrierte Voß auf das Goethesche Sonett, das er wiederum zum Abdruck brachte, kombiniert mit einem eigenen, das den Verehrten zur Abkehr von der verachteten Gedichtform bewegen und sie weiterhin diskreditieren sollte:
Sonett. Als ich folgendes von G o e t h e gelesen hatte: Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben Ist heil’ge Pflicht, die wir dir auferlegen. Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben. Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben, Wenn sich die Geister gar gewaltig regen; Und wie sie sich denn auch gebärden mögen, Das Werk zuletzt ist doch vollendet blieben. So möcht’ ich selbst in künstlichen Sonetten, In sprachgewandter Massen kühnem Stolze, Das Beßte, was Gefühl mir gäbe, reimen; Doch weiß ich hier mich nicht bequem zu betten, Ich schneide sonst so gern aus ganzem Holze, Und müßte nun doch auch mitunter leimen.
An Goethe. Auch du, der, sinnreich durch Athene’s Schenkung, Sein Flügelroß, wanns unfügsam sich bäumet, Und Funken schnaubt, mit Kunst und Milde zäumet, Zum Hemmen niemals, nur zu freyer Lenkung: Du hast, nicht abhold künstelnder Beschränkung, Zwey Vierling’ und zwey Dreyling’ uns gereimet? 1780
Zu Nr. 329
Wiewohl man hier Kernholz verhaut, hier leimet, Den Geist mit Stümmlung lähmend, und Verrenkung? Laß, Freund, die Unform alter Truvaduren, Die einst vor Barbarn, halb galant, halb mystisch, Ableierten ihr klingelndes Sonetto; Und lächle mit, wo äffische Naturen Mit rohem Sang’ und Klingklang’ afterchristisch, Als Lumpenpilgrim, wallen nach Loretto. Vo ß . Voß wird nicht unbekannt geblieben sein, daß Goethe seit Dezember 1807 in neuer lyrischer Frische im geselligen Kreis an der Dichtung von Sonetten Gefallen fand. Zu denen, die später zu dem 1815 erschienenen Zyklus Sonette zusammengefaßt wurden, gehörten die beiden zwischen Ende November und Mitte Dezember 1807 an B geschickten Ein Strom entrauscht umwölcktem Felsensaale und War unersättlich nach viel tausend Küssen. Vgl. Nr. 287. 34–35 Voß 〈…〉 gegen mich geschrieben] Im Morgenblatt Nr. 57 vom 7. März 1808 erschien unter den Notizen eine anonym publizierte Reaktion auf Arnims Ankündigung der allgemeinsten Zeitung. Zeitung für Einsiedler herausgegeben von einer Gesellschaft (vgl. WAA VI, S. 1–3). Der Verfasser war jedoch nicht Voß, sondern der Morgenblatt-Redakteur Friedrich Haug (vgl. Fischer 2000, S. 288). Die Notiz lautet:
Eine G e s e l l s c h a f t (von z w e y Personen, wie Fama raunt) ist Willens, eine wunderliche Z e i t u n g f ü r E i n s i e d l e r herauszugeben. Sie beginnt (sehr ominös!) mit dem 1. April. Von dem (nicht K e r n - sondern) G e r n w itze, der in der Ankündigung übersprudelt, nur ein Pröbchen: »Wer die Zeitung nicht in f r a n k i r t e n Briefen abbestellt, dem wird sie zugeschickt, und der muß sie halten. Aufgeschnittene Exemplare werden nicht zurückgenommen; doch erscheint sie der Bequemlichkeit wegen wöchentlich zweymal in halben Bogen in Quart. – – Wer zehen Exemplare nimmt, darf gegen Erlegung der Einrückungsgebühren Aufsätze einschicken; Gegenbemerkungen zahlen das Doppelte; aber diese zu vermeiden, machen wir im voraus bekannt, daß wir sehr grob seyn können, wenn wir wollen etc.«
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Sind L i s k o v und L i c h t e n b e r g wieder auferstanden? Kein Mirakel, wenn beyde sich wenigstens in ihrem Grab umwälzen. Damit aber ja niemand den abenteuerlichen Prolog als ein bloßes K i n d e r m ä h r c h e n betrachte, mußte die Buchhandlung M o h r und Z i m m e r in Heidelberg feyerlich bescheinigen, daß es mit Herausgabe dieser Zeitung wirklich Ernst sey. – Ernst? – Wirklich? – 36–38 Antwort 〈…〉 falsche Nachrichten einzuraunen] Unter dem Titel Widerlegung und Anzeige in der Leipziger Zeitung für die elegante Welt, Intelligenzblatt 15 vom 25. März 1808; darin: Ein trauriger Vater mit sieben harmlosen Jungen, die einzigen Herausgeber der Z e i t u n g f ü r E i n s i e d l e r (Heidelberg bei Mohr und Zimmer) erklärt ihre Mutter, die berüchtigte verlaufene Fama, welche sie groß zu säugen vergessen und dem Morgenblatte die eingeklammerte Nachricht zugeraunt hat, als wäre die Gesellschaft Herausgeber wie ein Januskopf aus zwei Personen zusammen geleimt, hierdurch öffentlich für eine Lügnerin. 39 Görres wäre mit mir 〈…〉 verbunden] Das schloß Arnim aus der Passage der Morgenblatt-Notiz in Nr. 57 vom 7. März, in der z w e i aufklärerische Satiriker (Liscow und Lichtenberg) genannt werden und mit der Wendung Prolog als ein bloßes K i n d e r m ä h r c h e n auf Görres’ kleinen prologartigen Beitrag Die Kindermythen angespielt ist, der im Frankfurter Taschenbuch der Liebe und Freundschaft auf das Jahr 1806 erschienen war. 42 Quellfürsten] Das seltene Wort (im DWb nicht belegt) vmtl. nach Jakob Böhmes Aurora oder Morgenröthe im Aufgang, worin es im Kapitel Von der herrlichen Geburt und Schönheit des Königs Lucifers heißt: Nach den Qualitäten sind seine Quell-Fürsten geschaffen worden, welches da sind seine königliche Räthe, sowol alle seine Engel (Exemplar der Arnim-Bibl., o.O. 1730, S. 182 [HAAB Sign. B 1999(a)]). 42–43 dreyeinigen Sanftmuth] Anspielung auf Bs Mitteilung (Nr. 328,26–27), Claudine Piautaz und Lulu Jordis würden Auguste Brentano alle Tage bei Zwei Stunden Sanftmuth Gedult Sitsamkeit pp predigen. 43–46 Spohr 〈…〉 Seine Frau spielt Harfe.] Louis Spohr und seine Frau Dorette hatten im Herbst 1807 ihre erste gemeinsame Konzertreise angetreten, die von Gotha über Weimar, Leipzig, Dresden, Prag, München, Augsburg, Stuttgart und Karlsruhe nach Heidelberg und Frankfurt führte. Dabei spielten sie Kompositionen Spohrs für Violine und Harfe, aber auch Solostücke von ihm für die Harfe. In Heidelberg gastierten sie am 7. März 1808. (Vgl.: Göthel 1968, Bd. I, S. 109, 344; Powell 1984, S. 29f.) Vor drey Jahren wird Arnim Spohr am 3. März 1805 im Berliner Schauspielhaus gehört haben, wo der
1782
Zu Nr. 330
Musiker auf einer seiner ersten Konzertreisen auftrat. (Vgl.: Göthel 1968, Bd. I, S. 83–85, 337.) 48–49 Nenny 〈…〉 bey der Judenschule 〈…〉 mancher poetischer Arbeit] Der Schweizer Johann Conrad Nänny war 14 Jahre am Frankfurter Philantropin tätig. In der Zeitung für Einsiedler (Nr. 8 vom 26. April 1808) erschien sein Gedicht Heimweh des Schweizers (WAA VI, S. 86–88). Weitere Gedichte wurden in Taschenbüchern und Zeitschriften publiziert. (Vgl. GGr2 XIII, S. 303 f.) 50–51 Moritz 〈…〉 Ansprüchen über ihn] Vgl. Nr. 328,21–24. 52–53 Feste an Georges Geburtstag] Vgl. Nr. 328,66–67.
330.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 11. März 1808, Freitag
B: Nr. 329. A: Nr. 332. H: FDH 7410. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 190 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 192 v, aoRr Steig: 11 März 1808. (Tag vor Georges Geburtstag) | 2v Z. 4 über das morgige Fest Steig: d. i. Georges Geburtstag 12. März., auRr: 7410, Z. 70–72 Clemens 〈…〉 zusammen kommt mit Blei durchgestr. D1: Steig 1913, S. 110 f.; TD. D2: Kat. Henrici 149, S. 20 f., Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 181 f. (Nr. B26); TD (wie D1). D4: WAA XXXIII, S. 282–284 (Nr. 691). DV: H.
Veränderungen 10 17 31 40 40 44 59
aufgehäuft] gehäuft über gestr. 〈xxx〉 von ihm] üdZ eing. Du] D aus d und] aus 〈xxx〉 die] d aus s hundert] d aus t ihn] üdZ 1783
Zu Nr. 330
61 71 73 75 79
weiß] üdZ eing. ihr] üdZ Herz] H aus F recht] danach gestr. d in] davor gestr. s
Erläuterungen 6–7 Du schriebst mir 〈…〉 Briefe sich verzögern] Am 18. Februar 1808 (Nr. 311,49–50). 11–12 Brief den ich von Goethe erhielt] Vom 24. Februar 1808 (Nr. 316). 24 pretensionsfehler] Prätension: Anmaßung. 39 Von Clemens 〈…〉 Briefe an Savigny gekommen] Bekannt sind drei Briefe, von denen nur der früheste anfangs datiert ist (3. März). Da B am 14. März (Nr. 331) mitteilte, Jacob Grimm habe aus Kassel weitere Briefe mitgebracht, können die undatierten bis etwa 12. März geschrieben sein. (Vgl. FBA XXXII, Nr. 498–500, datiert: 3. bis etwa 8. März und »kurz nach dem 8. März«.) 39–40 an Moriz 〈…〉 auch geschrieben] Diese Briefe sind nicht bekannt. Bethmann bestätigte Brentano am 8. März den Empfang von drei Briefen (Enzensberger 1999, S. 69); Erwähnungen von Briefen an Bethmann in zwei undatierten Briefen Brentanos an Savigny (FBA XXXII, Nr. 499, 500). 42 kriegendes] kriechendes (frankfurtisch). 51–54 Zwey Briefe von Auguste 〈…〉 an Moriz 〈…〉 an Savigny geschickt] Die Briefe sind nicht bekannt. Vgl. Savigny an Brentano, 11. März 1808 (Konzept): Sie sind so sehr außer Fassung, daß Sie der Aug[uste] in
manchen Dingen (gewiß ohne es zu wollen) offenbar unrecht tun, so z. B. den Brief lit. A., der vielleicht das Wahrste ist, was A[uguste] je gesagt hat, und von dem ich aufrichtig sagen muß, daß er das ganze Verhältnis (von A[uguste]s beschränkterem Standpunkt aus) klarer und ruhiger übersieht als alle Ihre Briefe. (Schellberg/Fuchs 1939, S. 372.) 74 das morgige Fest] Geburtstag des Bruders Georg. 82–83 Gestern 〈…〉 Luise Reichard 〈…〉 für die Saiten.] Louise Reichardt dankte in dem nicht bekannten Brief (Nr. *324) für die von B auf Arnims Bitte geschickten Lautensaiten. Vgl. Nr. 282,69–72 und Erl.
1784
Zu Nr. 331
331.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 14. März 1808, Montag
B: –. A: Nr. 332. H: FDH 7411. – Format: 1 Bl. ca. 250 × 210 mm; 1r-1v 1¼ beschr. S; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, fleckig, Ränder eingerissen. – WZ: 1805 HENRY & SEAY FOURDRINIER LONDON. Fremdeinträge: 1r aoRl: 193 v, aoRr Steig: 14. März 1808 | 1v aoR Steig: das ist: am 14. März 1808, auRr: 7411 | Z. 17–18 heute Morgen hat Savigny einen kleinen Sohn bekommen unterstr. Datierung: Aufgrund der Mitteilung der Geburt von Savignys Sohn. D1: Steig 1913, S. 111; TD. D2: Betz/Straub 1986, S. 183 (Nr. B27); TD (wie D1). D3: WAA XXXIII, S. 288 (Nr. 694). DV: H.
Veränderungen 5 6 7
Sache] am Schluß gestr. n George] danach gestr. abe ich] aus 〈xxx〉
Erläuterungen 1 der aelteste Grimm] Jacob Grimm. 2 Neuen Briefen von Clemens an Moriz und Nr. 330,39–50 und Erl. 18 Sohn] Franz. 18 ihn zu heben] Über die Taufe zu heben (Pate zu sein).
1785
Savigny] Vgl.
Zu Nr. 332
332.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 15. März 1808, Dienstag
B: Nr. 330, 331. A: –. H: FDH 7251. – Format: 1 Dbl. ca. 227 × 185 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 97 × 118 mm. – WZ: Bekrönter Posthornschild. | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 194 v | 2v auRr: 7251 | Kur Notiz Bs: Heidelb.
15 März. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 696.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 112; TD. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 183 f. (Nr. A32); TD (wie D1). D4: WAA XXXIII, S. 292 f. (Nr. 696). DV: H.
Veränderungen 1 15] 5 aus 〈x〉 4 So] S aus s 10 einer] r aus m 16 mir] danach gestr. immer 47 ändern] ä aus 〈xx〉
Erläuterungen 6 Sohn] Franz. Vgl. Nr. 331,17–19. 7 Schwägerin] Auguste Brentano. 9 Petermännchen] Eigentlich im 17. und 18. Jh. verbreitete Kleinsilbermünze des Kurfürstentums Trier mit dem Brustbild des Apostels Petrus; in übertragener Bedeutung »hauskobold«, »in der feuerwerkerei ein sogenannter sprühteufel« (DWb XIII, Sp. 1578). 10–11 mit einer 〈…〉 Blutflecke] Vgl. Nr. 331,12–14. Flecke als Femininum im DWb nicht belegt. 12 Könige] Jérôme Bonaparte.
1786
Zu Nr. 333
dies ist ein Tag 〈…〉 erleben mag] Nach Ludwig Tiecks Parodie Der neue Hercules am Scheidewege, Verse des Autors: Es scheint heut ein kurioser Tag, An dem ich noch manches erleben mag, Es ist als wär’ die Zeit in Gährung Und trachtete nach einer seltsamen Gebärung; O lieber Gott, zu aller Zeit, Errette uns aus tiefer Noth, Bescheer’ uns unser täglich Brod Und behüt’ uns vor Gottlosigkeit und Dummheit! (Poetisches Journal. Hg. von Ludwig Tieck. Erster Jahrgang erstes Stück. 17–18
Jena 1800, S. 126.) 21–22 Ich schreibe heute noch an ihn] Vgl. WAA XXXIII, Nr. 696. 23–24 Tauftag 〈…〉 wie die kleine Bettine] Savignys am 10. April 1805 in Paris geborene Tochter wurde erst Mitte Oktober 1805 auf Trages getauft. 30–31 Was Du von Clemens sagst] Vgl. Nr. 331,2–18. 45–47 Franklin 〈…〉 sein Leben 〈…〉 Buchdrucker] Benjamin Franklin, der zunächst Buchdrucker war, in seiner Autobiographie: 〈…〉 wenn es mir
angeboten würde, so wollte ich wohl eben dieselbe Lebensbahn noch einmal von einem Ende bis zum andern durchlaufen. Ich würde mir nur das Recht der Schriftsteller ausbedingen, bey einer neuen Ausgabe ihrer Werke die Fehler der ersten zu verbessern. Allenfalls möchte ich auch wohl einige kleine Zufälle und Begebenheiten meines Lebens gegen günstigere vertauschen. (Franklin 1792, S. 5.) – Arnim hatte sich bereits in einem Brief an seinen Jugendfreund Friedrich von Raumer von vmtl. Ende August/erste Hälfte September 1797 auf Franklins Autobiographie bezogen (vgl. WAA XXX, Nr. 53,51–53 und Erl.) und besaß die Ausgabe von 1792 (HAAB Sign. B 518).
333.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 20. und 21. März 1808, Sonntag und Montag
B: –. A: Nr. 334. H: FDH 7412. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 191 mm; 1r-2v 3½ beschr. S.; 3x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig. – WZ: Bekrönter Posthornschild |
FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl:
195 v, aorR: [20. März 1808] | 2v auRr: 7412. 1787
Zu Nr. 333
Datierung: Arnim war wegen Verhandlungen über die Brentanosche Ehekrise nach Frankfurt gereist und wird dort am 16. (Mittwoch) März angekommen und am 19. (Sonnabend) wieder nach Heidelberg zurückgekehrt sein. Der Sonntag, an dem B zu schreiben begann, war daher der 20. März. D1: Steig 1913, S. 114–116. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 185–187 (Nr. B28). D4: B/WuB IV, S. 59–61 (Nr. 20). D5: WAA XXXIII, S. 301–303 (Nr. 702). DV: H.
Veränderungen 35 40 41 41 55 57
sah] am Schluß gestr. e in] aus an fühlte] davor gestr. er die] danach gestr. von ihm um] aus und begleitete] g aus k
Erläuterungen 2 Schon einen ganzen Tag 〈…〉 in diesen 3 Tagen] Vgl. Datierung. 28–29 nach Mildeberg zum Herrn Schwaab] Georg Joseph Anton Schwaab, der ehemalige Buchhalter des Brentanoschen Handelshauses, hatte 1804 die Handlung seines verstorbenen Bruders in Miltenberg am Main übernommen. 42 »sein Geist schwebt über den Wassern«] 1 Mo 1,2. 57 deiner Liebe] Zu Auguste Schwinck. 60 ersten Abend in Cassel] Etwa Mitte November 1807, nach der gemeinsamen Reise von Weimar.
1788
Zu Nr. 334
334.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 22. März 1808, Dienstag
B: Nr. 333. A: Nr. 336, 337. H: FDH 7252. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 185 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 96 × 119 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 196 v, auRr: 7252 | 2v auRr: 7252 | Kur Notiz Bs:
Heidelb: – 22 März 8. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 703.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 116 f. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 188 f. (Nr. A33). D4: WAA XXXIII, S. 303–305 (Nr. 703). DV: H.
Veränderungen 43 44 49
sein] am Schluß gestr. e verletzt] r aus 〈x〉 nicht] danach gestr. zu
Erläuterungen 19 Savignys Kind] Das erst ein paar Tage alte Söhnlein Franz, nicht die fast dreijährige Tochter Bettina, wie sich aus Bs Antwort ergibt, sie sei leichtsinnig mit dem kleinen Kind gewesen (Nr. 336,5–6). 35–37 kurzen Brief 〈…〉 grosse Verhandlung enthielt] Vom 18. März (WAA XXXIII, Nr. 701), ohne Bezug auf die Frankfurter Beratung über die Brentanosche Ehekrise. 56 Schelmufsky und die drey Erznarren] Christian Reuters Schelmuffsky (vgl. zu Nr. 175,39) hatte B nicht, jedoch konnte sie Arnim ein Exemplar von Savigny besorgen (vgl.: Nr. 336,64–65; Nr. 337,45). Aber Christian Weises satirischen Roman Die drey ärgsten Ertz-Narren in der gantzen Welt besaß sie selbst, wie auch aus ihrem vmtl. am 30. März 1807 an die Schwe-
1789
Zu Nr. 334
ster Meline geschriebenen Brief (Nr. 233,10–11) hervorgeht, und zwar zusammengebunden mit Weises Gegenstück Die Drey klügsten Leute in der gantzen Welt, was sich aus Arnims Mitteilung vom 18. und 19. April 1809 erschließt, er sende ihr die drey klügsten und närrischten Leute zurück (Nr. 552,76–77). Das Schelmuffsky-Exemplar wird nicht der Erstdruck von 1696/97 gewesen sein, sondern der in der Arnim-Bibliothek (HAAB Sign. B 960) überlieferte Nachdruck aus dem Jahr 1750. Welche Weise-Ausgaben B besaß, ist nicht bekannt. Das in der Arnim-Bibliothek (HAAB Sign. B 975) überlieferte Exemplar ist nicht das ihr zurückgeschickte, sondern ein anderes, in seinen Besitz gelangtes, von dem er B im selben Brief vom 18. und 19. April 1809 berichtete, es sei – wie das ihre – mit dem Gegenstück Die Drey klügsten Leute in der gantzen Welt zusammengebunden, jedoch
verkehrt gegen einander 〈…〉 so daß die Enden von beyden zusammen treffen. Dieses Doppelexemplar enthält Die / drey ärgsten / Ertz-Narren / In der gantzen Welt / mit vielen närrischen / Begebenheiten her-/ vor gesucht. / und Allen Interessenten zu / besserem Nachsinnen übergeben / durch / Catharinum Civilem (Leipzig 1683) sowie Die Drey / Klügsten Leute / in der gantzen Welt / Aus vielen Schein-Klugen / Begebenheiten hervor ge-/sucht / Und allen guten Freunden zu flei-/siger Nachfolge vor-/gestellet / durch Catharinum Civilem
(Leipzig 1684). (Vgl. Kratzsch 1968, S. 41 f. mit der Annahme, das Exemplar stamme aus Brentanos Besitz.) Arnim kombinierte Passagen aus Reuters Schelmuffsky und Weises Die drey ärgsten Ertz-Narren in seiner Erzählung Die drei Erznarren im Siebenten Winterabend des Wintergartens und wird die Vorlagen von B bereits mit Erzählabsicht erbeten haben. 57–58 Gesang der Mignon. Ueber Thal und Fluß getragen] B schickte ihre Vertonung von Goethes Gedicht An Mignon (1797), dessen Beginn Arnim zitiert, mit Nr. 337.
335.K An Clemens Brentano in Kassel Frankfurt, etwa 25. März 1808, Freitag B: –. A: –. H: GSA 03/621a. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 190 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; nicht gefaltet. – Papier: Stark verknittert, restauriert. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRm: 1807, aoRr: 1, auRl: 2 | 1v aoRl: 2.
1790
Zu Nr. 336
Besonderheiten: Nicht abgeschickt, wie aus dem fragmentarischen Charakter, dem nicht gefalteten Doppelblatt und Savignys Abraten geschlossen werden kann. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung an Arnim vom 25. März 1808, daß sie immer noch an einem langen Brief an Brentano schreibe, den zu schikken Savigny ihr abrate (vgl. Nr. 336,66.) D1: Meyer-Hepner 1953, S. 28 f.; datiert: vmtl. 1808. D2: Enzensberger 1999, S. 91 f. DV: H.
Veränderungen 12 16 17 25 26
dich] üdZ es] danach gestr. g wie] danach gestr. Du dein] danach gestr. Vers reizt,] z aus s | danach gestr. und
Erläuterungen 22 Gemeinheit] Vgl. zu Nr. 141,13. 35 Poltronerie] Feigheit, Großtuerei; nach frz. Poltron (Memme, Hasenfuß; auch lärmender Wortheld, Prahler).
336.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 25. März 1808, Freitag
B: Nr. 334. A: Nr. 339. H: FDH 7413. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 192 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Beilagen: Heiligenbild (nicht identifiziert). Fremdeinträge: 1r aoRl: 197 v | 2v auRr: 7413. D1: Steig 1913, S. 117–119; TD. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 190–192 (Nr. B29); TD.
1791
Zu Nr. 336
D4: WAA XXXIII, S. 309–311 (Nr. 705). DV: H.
Veränderungen 3 hattest] tt aus st 5 Stelle] St aus st 9 liebendsten] nach d gestr. en 14 deiner] r aus s 14 Seele] l aus s 47 sonne] s aus S 49 machten] aus gingen 53 Schüzende] am Schluß gestr. n 53 Mauer] M aus m 53 Mensch] danach gestr. 〈xxx〉 wie du 53 so] danach gestr. 〈xxx〉 wie du 54 bewahren] be nachträgl. idZ 55 Zeichen] Z aus S 58–59 soll. W] aus soll, w 59 Gelegenheit] G aus g 61 glarste] g aus k 62 indem] nachträgl. idZ | davor gestr. ich bed 64 Lied] d aus b 70 an] nachträgl. idZ 72 Zwei] danach gestr. b 79 her] üdZ eing. 79 allwo] erstes l nachträgl. idZ
Erläuterungen 6 leichtsinnig mit dem kleinen Kind] Vgl. Nr. 334,18–22 und Erl. 17 In Miltenberg 〈…〉 bei Hrn Schwaab] Vgl. Nr. 333,28–29 und Erl. 22 aufs alte Schloß] Die Mildenburg war 1803 in den Besitz des Fürsten Carl Friedrich Wilhelm zu Leiningen gekommen, der sie zum Verkauf angeboten hatte. Vgl. Brentano an Savigny, zwischen 11. und 14. Juni 1806: das
Schloß von Miltenberg das 〈…〉 bewohnbar ist eine Menge Gärten, Weinberg und wiessen und Höfe hat 〈…〉 ist um höchstens 12 a 1300 1792
Zu Nr. 337
Gulden feil, 800 sind geboten. Das wäre ein herrliches Besitzchen (DjBr Nr. 1256). 1808 erwarb der Heidelberger Theologe Carl Gottlieb Horstig die Burg, auf die er mit seiner Familie übersiedelte. Vgl. Nr. 339,25–34 und Erl. 29–31 die Bajadere 〈…〉 von ihren Sünden gelöst] In Goethes Ballade Der Gott und die Bajadere (1797). 50 Reiße] Rückreise von Miltenberg nach Frankfurt. 64–65 Die Erz Narren 〈…〉 das Lied 〈…〉 Schelmufsky] Vgl. Nr. 334,56–58 und Erl. 65–66 An Clemens 〈…〉 langen Brief] Nicht abgeschickt. Vgl. Nr. 335.K. 72 Auguste 〈…〉 Zwei Briefe geschrieben] Nicht bekannt.
337.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 26. oder 27. März 1808, Sonnabend oder Sonntag
B: Nr. 334. A: Nr. 339. H: FDH 7414. – Format: 1 Dbl. ca. 225 × 190 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Ränder beschädigt, rote Siegelreste. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Beilagen: Die von Arnim im Bezugsbrief erbetene Vertonung von Goethes Gedicht An Mignon. Fremdeinträge: 1r aoRl: 198 v | 2v auRr: 7414. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Nach Bs datiertem Brief vom 25. März (Nr. 336), vor ihrem auf den 28. März (Nr. 338) zu datierenden. D1: Steig 1913, S. 119 f.; datiert: gleich nach Nr. 336. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); nicht näher datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 193 f.(Nr. B30); nicht näher datiert. D4: WAA XXXIII, S. 311 f.(Nr. 706). DV: H.
Veränderungen 10 20 20 22
ich] danach gestr. beinah weil] danach gestr. ich Tags,] danach gestr. wo anzutragen] an üdZ eing. 1793
Zu Nr. 337
24 35
dich] aus dem | danach gestr. W vorkömmt] aus vor Dir
Erläuterungen
f: 〈…〉 p: 〈…〉 cres: 〈…〉 dimi:] forte 〈…〉 piano 〈…〉 crescendo 〈…〉 diminuendo. 11–17 er war mit mir 〈…〉 an denselben Ufern 〈…〉 frei war ich vor ihm] Vgl. B an Savigny, vmtl. 28. Juni 1807, großenteils übereinstimmend 2
über ihre erste Begegnung mit Goethe am 23. April 1807 in Weimar (Nr. 257,13–27). 25 in Königs berg] Während Arnim in Königsberg in Auguste Schwinck verliebt war. 37–38 von Angesicht zu Angesicht 〈…〉 Spiegel schaute] Nach 1. Kor. 13,12: Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort;
dann aber von Angesicht zu Angesicht. 45 Erznarren und Schelmufsky] Vgl. Nr. 334,56–57 und Erl.
338.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 28. März 1808, Montag
B: –. A: Nr. 339. H: FDH 7415. – Format: 1 Bl. ca. 250 × 206 mm; 1r ½ S. beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Stark beschädigt, Ränder eingerissen und mit durchsichtigen Streifen beklebt, die braun durchschlagen, aoR Papierverlust mit geringem Textverlust, rote Siegelreste. Beilagen: Brief Jacob Grimms an Savigny, Kassel, 25. März 1808 (Schoof 1953, S. 37–40). Fremdeinträge: 1r aoRl: 117 v | 1v auRr: 7415, Z. 10: Spohrs Concert rot und mit Blei unterstr. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. Datierung: Nach Bs auf dem 25. oder 26. März zu datierendem Brief (Nr. 337), vor Arnims datierter Antwort auf ihn vom 29. März (Nr. 339). D1: Steig 1913, S. 120; TD. D2: Betz/Straub 1986, S. 195 (Nr. B31); TD.
1794
Zu Nr. 339
D3: WAA XXXIII, S. 313 (Nr. 707). DV: H.
Veränderungen 5 6 7
verläumdet] v aus s sich] aus den das] d aus 〈x〉
Erläuterungen
Grims Rechtfertigung 〈…〉 von Augusten 〈…〉 verläumdet worden] Vgl. Nr. 336,72–78 sowie Jacob Grimm an Savigny, 25. März 1808,
3–5
nachdem er von der Frankfurter Beratung über die Brentanosche Ehekrise nach Kassel zurückgekehrt war: Mit der Auguste konnte ich gar nicht re-
den. Sie hält mich für ihren ärgsten Feind, und muß von meiner Reise nach Frankfurt wissen. Kaum erblickte sie mich Abends in der Theaterloge, so lief sie sogleich bloß darum allein nach Haus. Sie irrt sich wahrhaftig in mir, ich tue nichts aus Haß zu ihr und gewiß weniger aus Liebe zu Clemens, als aus Betrachtung der höchsten Widerwärtigkeit eines Verhältnisses, welches sie beide verderbt, und jedem Bösen blossetzt. (Schoof 1953, S. 38.) 9 der kleine Prinz] Franz von Savigny (geb. 14. März 1808). 10 Spohrs Concert] Vgl. Nr. 329,43–46 und Erl. sowie den von Spohr in seiner Autobiographie zitierten Bericht der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung (Göthel 1968, Bd. I, S. 110).
339.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 29. März 1808, Dienstag
B: Nr. 336, 337, 338. A: Nr. 341. H: FDH 7253. – Format: 1 Dbl. ca. 220 × 185 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 99 × 120 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG.
1795
Zu Nr. 339
Fremdeinträge: 1r aoRl: 200 v | 2v auRr: 7253. | Kuv auRr: zu 33; | Kur Notiz Bs: Heidelberg 29 März 8 | im Text Rötelunterstreichungen. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 708.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 120 f.; TD. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 195 f. (Nr. A34); TD. D4: WAA XXXIII, S. 313 f. (Nr. 708). DV: H.
Veränderungen 5 zerreist] aus verschlingt 10 Moritz] Mor aus 〈xxx〉 15 mächtig] i aus 〈x〉 23 sie] s aus h 36 auf] aus in 37 für] f aus 〈x〉
Erläuterungen 3 Uebersendung des Einsiedlers] Arnim schickte B die ersten drei Nummern seiner Zeitung für Einsiedler (vom 1., 6. und 9. April) – vor der Auslieferung der beiden Nummern vom 6. und 9., die ihm aber bereits gedruckt vorlagen. Das kann aus Bs Beschwerde nach der Lektüre über das schlechte Papier in den 3 Blättern und daraus geschlossen werden, daß sie im Zusammenhang damit mitteilt, Savigny habe nur das von J: P: weniger gefallen (Nr. 344,5) – nämlich der in Nr. 3 vom 9. April mitgeteilte Vorabdruck
Denksprüche aus einer Friedenspredigt an Deutschland von Jean Paul Fr. Richter aus dessen noch nicht erschienener Friedenspredigt an Deutschland. Vgl. Arnims Mitteilung an Tieck vom 31. März, er schicke die ersten Bogen der Zeitung für Einsiedler und dessen Nachricht an Zimmer vom 8. Mai, er habe von Arnim ein paar Bogen seiner Zeitung erhalten (WAA XXXIII, Nr. 710 und Besonderheiten dazu). 26–30 in Miltenberg 〈…〉 von Horstig 〈…〉 lächerlichen Familie 〈…〉 vom Fürsten gekauft] Vgl. Nr. 336,17–27 und Erl. sowie zur Horstigschen
1796
Zu Nr. 340
Familie Varnhagen an Rahel, 8. März 1829: Ein Konsistorialrath Horstig 〈…〉, der mit seiner Familie wegen unendlicher Absonderlichkeiten – gut verknüpft diese zwei Worte hier – weit und breit berühmt ist, z.B. daß er seine Kinder im zarten Alter in die Welt schickte, mit auf den Rücken gehefteten Schildern und der Inschrift: Kind des Konsistorialraths Horstig, dieser hatte auch ein Kind durch den Tod verloren, und im Garten begraben lassen; ein Schwein wühlte das Grab auf, und fraß die Leiche großentheils; der Thäter wurde – nicht deshalb, sondern im Lauf der Dinge – geschlachtet, Wurst gemacht, und davon an einen halbverwachsenen Sohn in der Fremde ein guter Antheil geschickt, mit dem Bedeuten, diese Wurst würde ihm trefflich schmecken, denn das Schwein habe vom Schwesterchen gefressen! (Rahel-Bibliothek 1983, Bd. VI/2, S. 336.) 36–37
340.
Deinem 〈…〉 Bildchen] Beilage zu Nr. 336.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, etwa 29. März 1808, Dienstag
B: –. A: Nr. 345. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 226 × 188 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 1x quer gefaltet. – WZ: FHF. Beilagen: Sendung von Frankfurt mit Druckschriften der Juden. (Goethe, Tagebuch, 1. April 1808; WA III, Bd. 3, S. 326.) Darin: Israel Jacobson (Jakobsohn), Unterthänigste Vorstellung an Seine Hoheit den Fürst Pri-
mas der Rheinischen Konföderation über Höchstdessen neue Stättigkeits- und Schutzordnung für die Judenschaft in Frankfurt am Main (Braunschweig 1808; Ruppert 1958, Nr. 3532); Franz Joseph Molitor, Einige Worte ueber Erziehung mit besonderer Hinsicht auf das jüdische Philanthropin zu Frankfurt am Main. Beigefügt dem Conspekt des Examens, welches den 29. und 30. Dezember gehalten wird (Frankfurt/M. 1807; Ruppert 1958, Nr. 3558). Fremdeinträge: 1r aoRl: 11, draunter: I 212, aoRr: 11e lettre à Goethe, daneben Stempel: 11. Datierung: Da die Sendung mit Bs Brief zufolge Goethes Tagebuch am 1. April in Weimar eintraf und etwa vier Tage unterwegs gewesen sein wird (vgl. Faselius 1805, S. 154 f.), wird B um den 29. März geschrieben haben. D1: Steig 1922, S. 50–52; datiert: Ende März 1808.
1797
Zu Nr. 340
D2: Bergemann 1927, S. 207 f. (Nr. 15); datiert: Ende März 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (11), S. 11 f.; TD (kurzer Auszug); datiert: Ende März 1808. D4: B/WuB II, S. 596 f.; datiert: Ende März 1808. DV: H.
Veränderungen 22 25 28 35 38
das] s aus 〈x〉 Trompeten] Trom aus blasen fror] nach o gestr. h das] aus der eignes] g aus ch
Erläuterungen 1 Reißen] Nach Miltenberg. Vgl.: Nr. 333,28–29; Nr. 336,17–27. 5–7 Journal 〈…〉 Sulamith 〈…〉 sehr weitläufig ist] Sulamith,
eine Zeitschrift zur Beförderung der Kultur und Humanität unter der jüdischen Nation. 1. Jg. Leipzig 1806–1807, 2 Bde., hg. von David Fränkel und Joseph Wolf; 2. Jg. Dessau 1808–1809, hg. von David Fränkel (je Jg. 12 Hefte). Die Zeitschrift erschien bis 1848 in Dessau und war »Die erste jüdische Zeitschrift in deutscher Sprache und deutscher Schrift« (Untertitel von Grossert 2001). David Fränkel, seit 1801 Direktor der jüdischen Knabenschule in Dessau, seit 1808 weltlicher Konsistorialrat im jüdischen Konsistorium des Königreichs Westphalen in Kassel, blieb, nachdem Joseph Wolf, seit 1802 Lehrer an der von Fränkel geleiteten Schule, dann auch Prediger der jüdischen Gemeinde in Dessau, bereits nach dem ersten Jahrgang aus der Redaktion ausschied, bis 1848 alleiniger Herausgeber. (Vgl. Grossert 2001, S. 15, 107–110.) Die ersten, umfangreichen Jahrgänge enthielten Beiträge sehr unterschiedlicher inhaltlicher und formaler Art, bereits die Inhaltsverzeichnisse lassen die Weitläufigkeit erkennen. 7 wenn Du es begehrtst 〈…〉 senden] Da Goethe interessiert antwortete, schickte B ihm vielleicht den ersten Jahrgang oder einzelne Hefte der Zeitschrift, jedenfalls zwei in ihr erschienene Beiträge, die in seiner Bibliothek in einer Mappe mit der Sammelbezeichnung Frankf. Judaica 1807–08 überliefert sind (vgl. Ruppert 1958, Nr. 3286): David Fränkel, Ueber die reli-
1798
Zu Nr. 341
giöse Bildung der Frauenzimmer jüdischen Glaubens. (Fragment aus einer freundschaftlichen Correspondenz.) A.a.O., 1. Jg., Bd. 1, 1806, H. 6, S. 473–488; derselbe, Die Lage der Juden alter und neuerer Zeiten. Ein Wort des Trostes und der Vermahnung. 1. Jg., Bd. 2, 1807, H. 6, S. 353–386. 7–8 da Die Juden es mir 〈…〉 verehren] Auf der ersten Seite (473) des ersten Beitrags aus der Zeitschrift Sulamith, der in Goethes Bibliothek überliefert ist (vgl. vorige Erl.), ist ein blauer Zettel aufgeklebt mit Bs Aufschrift:
Geisenheimer in der Scharfengasse no 34 / Sulamith ein frei Exemplar 11 f: 30. Siegmund Geisenheimer (vgl. Richel 1929, S. 176) war der Gründer des Frankfurter Philanthropins (vgl. zu Nr. 303,17), und von ihm oder über ihn wird B das Freiexemplar bekommen haben. 10 Oden die sie dem Fürst Primas widmen] Salomon Jakob Cohn, Ode
an Seine Hoheit den Durchlauchtigsten und Hochwürdigsten Herrn Karl Fürst Primas (1. Jg., 2. Bd., H. 3, S. 156–158); Benjamin Wolf Heidenheim / Lippmann Moses Büschenthal, Eine Vision Siona’s. Seiner Hoheit des Durchlauchtigsten Fürsten Primas Karl in tiefster Ehrfurcht dargereicht (ebd., S. 164–169). 12–13 des Göz altem Schloß] Götz von Berlichingen, den B in Erinnerung an Goethes Jugenddrama assoziiert haben wird, gehörte nicht die Mildenburg oberhalb Miltenberg, sondern die Burg Hornberg am Neckar.
341.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 30. März 1808, Mittwoch
B: Nr. 339. A: Nr. 342. H: FDH 7416. – Format: 1 Dbl. ca. 250 × 207 mm; 1r-1v 1¾ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Ränder eingerissen, fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 201 v | 2v auRr: 7416 | Z. 1: Gestern war ich in Spohrs Concert mit Blei unterstr. | Z. 4: meine Liebe, annimst rot unterstr. | Z. 23: Nähe eine Ehestandes rot unterstr. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 121 f. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 196 f. (Nr. B32).
1799
Zu Nr. 341
D4: WAA XXXIII, Nr. 709. DV: H.
Veränderungen 5 dir] danach gestr. so 6 sondern] aus 〈xxx〉 8 dem] d aus w 8 Zukunft] Z aus 〈x〉 19 neues] zweites e aus s 22 Zeitlang] am Schluß gestr. en 23 eines] s aus r | davor gestr. d 28 frevelhaft] v aus f
Erläuterungen 1 Gestern 〈…〉 13–21 Grimm
Spohrs Concert] Zufolge Nr. 338,9–10 vorgestern. schreibt 〈…〉 der Pfarrer 〈…〉 Augusten zu sich nehmen will 〈…〉 zu oft so war.] Nachdem Auguste eingewilligt hatte, sich zu
dem mit den Brüdern Grimm und Brentano bekannten Pfarrer Adam Mannel in Allendorf (etwa 40 km östlich von Kassel, bei Schwalmstadt-Treysa) bringen zu lassen, war Brentano am 24. März dorthin gereist und am 27. nach Kassel zurückgekehrt. Darüber berichtete Jacob Grimm Savigny am 28. März, und B gibt den Inhalt des Briefes wieder. Auch die den Passus abschließende Bemerkung, man könne sich hier 〈…〉 noch nicht freuen, referiert Jacob Grimms Bericht: Ich kann mich über diese Vorfälle noch nicht freuen, weil sie schon zu oft dagewesen sind. (Schoof 1953, S. 40.) 32 der kleine Sohn] Franz von Savigny (geb. 14. März 1808).
1800
Zu Nr. 342
342.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 1. April 1808, Freitag
B: Nr. 341. A: Nr. 343, 344. H: FDH 7254. – Format: 1 Dbl. ca. 220 × 185 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 119 × 146 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 202 v | 2v auRr: 7254 | Kur aoR Notiz Bs: Heidelbe 2 April 8 | Kuv: zu 36 | im Text Rötelunterstreichungen. Besonderheiten: Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 713.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913; S. 122 f.; datiert: 2. April 1808. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); datiert: 2. April 1808. D3: Betz/Straub 1986, S. 198 f. (Nr. A35); datiert: 2. April 1808. D4: WAA XXXIII, S. 320–322 (Nr. 713). DV: H.
Veränderungen 9 im Morgenblatte] üdZ eing. 9 als] aus im 20–21 diesem] die aus der 32 lakonisches] l aus k 37 Flaumfeder] F aus Pf 42 spinnen] aus flicken
Erläuterungen 2–3 meine Zeitung kommt bey Dir an] Vgl. zu Nr. 339,3. 4 gute Nachricht von Clemens] Vgl. Nr. 339,8–13. 8–9 Voß 〈…〉 im Morgenblatte] Vgl. Nr. 329,34–35 und Erl. 9–10 heute an Göthe geschrieben] Vgl. WAA XXXIII, Nr. 712. 10 er schickt was] Goethe schickte keine Beiträge zur Zeitung für Einsiedler. 11 Dein Lied] Bs Vertonung von Goethes An Mignon (Beilage zu Nr. 337).
1801
Zu Nr. 342
13–14
das wissen die Buchdruckergesellen] Da sie mit dem Druck des Wunderhorns und der Zeitung für Einsiedler beschäftigt waren. 14–16 zusagen 〈…〉 Deiner Schwester 〈…〉 Taufe] Kunigunde von Savigny im Hinblick auf die Taufe ihres Sohnes Franz. 16–19 Aus Grims Briefe 〈…〉 Frau Lehnhartin 〈…〉 Kinder^mährchen aus ihr loszuhauen] Arnim erfuhr erst aus Jacob Grimms Brief an Savigny vom 25. März (Beilage zu Nr. 338), daß Marie Lehnhardt, Kinderfrau bei Savignys, eine Märchenerzählerin war: Die Kindermährchen werde ich nicht vergessen. Es tut mir leid, daß erst den letzten Tag 〈in Frankfurt, vor J. Grimms Abreise〉 offenbar wurde, wieviel in dem Stück aus der
Frau Lenhardin für mich Vorteil zu ziehen war. Wenn Sie dergl. hören und aufschreiben, so teilen Sie mir doch auch mit. (Schoof 1953, S. 40.) Auf die Vermittlung von Marie Lehnhardt lassen sich jedoch keine der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen zurückführen. (Vgl. die Übersicht der Beiträger und Vermittler Rölleke 1980, Bd. III, S. 559–574 sowie Schoof 1959, S. 65–68 zur Beziehung Bs zu Marie Lehnhardt.) 20–21 spielst 〈…〉 mit diesem Daunenkissen] Bezug auf das Kissen des von Marie Lehnhardt betreuten Savignyschen Söhnleins Franz. 32–33 lakonisches Verhältniß 〈…〉 zu meinem Bedienten] Daß Arnims aus Cammin (Pommern) stammender Diener Frohreich ihm nicht besonders sympathisch war, läßt sich aus Brentanos Erinnerung an den dir unangenehmen Frohreich schließen (an Arnim, 10. Dezember 1811; Schultz 1998, Bd. II, S. 619). Immerhin half er Arnim mit Abschriften von WunderhornLiedern und anderer Texte (vgl. Rölleke in FBA IX/3, S. 807 f.) und wurde von ihm in der Gräfin Dolores zu einem Husaren literarisiert: es war ein Deut-
scher, der schon lange in französischen Diensten, aber weder sein angeblicher Name Frohreich, noch der angegebene Geburtsort Camin waren der Gesellschaft bekannt (Arnim/W I, S. 645). 33–34 Du fragst 〈…〉 Mädchen 〈…〉 denen ich gut seyn könnte.] Vgl. Nr. 337,5–6. 49 ein eignes Exemplar] Der
Zeitung für Einsiedler.
1802
Zu Nr. 343
343.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, vmtl. 2. April 1808, Sonnabend
B: Nr. 342. A: Nr. 346. H: FDH 7417. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 190 mm; 1r-2r 2½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 203 | 2v auRr: 7417 | im Text Rötelunterstreichungen. Postzeichen: Poststempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Da Arnim am 1. April geschrieben hatte und B noch mit umgehender Post antwortete (Z. 1), wird sie das, den Beförderungszeiten des angrenzenden Briefwechsels mit ihm zufolge, am 2. April getan haben. D1: Steig 1913, S. 123 f.; datiert: nach Erhalt des Bezugsbriefs. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 200 f. (Nr. B33); datiert: April 1808. D4: WAA XXXIII, S. 325 f. (Nr. 718). DV: H.
Veränderungen 20 22 27 30 34 37
mich] danach gestr. zu auf] a aus d Vertrauen] danach gestr. ha mag] g aus ch vor] danah gestr. , deren Zweige] aus die man | davor gestr. auf
Erläuterungen 2 deinen Einsiedler] Vgl. Nr. 339,3 und Erl. 4–5 mit 〈…〉 leichtsinn, wie Savigny seins] Vgl. Nr. 334,18–22. 39 Schnegans 〈…〉 zur Fr: Rath] Vmtl. Valentin Schneegans aus Straßburg oder der mit einer Frankfurterin verheiratete Straßburger Geschäftsmann Daniel Schneegans. Der Besuch bei Goethes Mutter ist in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde (B/WuB II, S. 90 f.) geschildert. 39 Tauftag] Des Söhnleins Franz.
1803
Zu Nr. 344
344.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, zwischen 3. und 6. April 1808, Sonntag und Mittwoch
B: Nr. 342. A: Nr. 346. H: FDH 7418. – Format: 1 Bl. ca. 250 × 206 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, fleckig, Ränder beschädigt (mit Textverlust), mit Tesafilm geklebt. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 204 | 1v auRm: 7418 | im Text Rötelunterstreichungen. Datierung: Mindestens einen Tag nach Bs vorigem Brief von vmtl. 2. April und einen Tag vor Arnims Antwort vom 7. April. D1: Steig 1913, S. 124 f.; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 202 f. (Nr. B34); datiert: April 1808. D3: WAA XXXIII, S. 326 f. (Nr. 719). DV: H.
Veränderungen 20 46 48
Freunde] danach gestr. dich meinen] aus mein | danach gestr. 〈xxx〉tisches ich:] danach gestr. sa
Erläuterungen 5 das von J: P: 〈…〉 in den 3 Blättern] Von Jean Paul. Vgl. zu Nr. 339,3. 12 ins Rheingau] Vgl. zu Nr. 318,63. 49 Osterfeiertag] 17. April.
1804
Zu Nr. 345
345.
Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Weimar, 3. April 1808, Sonntag
B: Nr. 340. A: Nr. 350. H: PML/Heineman Coll. MA 6907 MS Goethe-Bettina 1,9. – Format: 1 Dbl. ca. 180 × 112 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 1x quer gefaltet; Ku ca. 94 × 117 mm. – Papier: Kuv Siegelrest. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: I 215, aoRr Stempel: 3 | Kur aoR: 7. 4. 08. Besonderheiten: Vgl. Goethe, Tagebuch, 3. April 1808: An Bettina Brentano nach Frankfurt. (WA III, Bd. 3, S. 326.) Der Brief wurde von August von Goethe überbracht. D1: Loeper 1879, S. 164–166 (Nr. 2). D2: WA IV, Bd. 20, S. 42 f. (Nr. 5515). D3: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 166 f. (Nr. 5). D4: Steig 1922, S. 52 f. D5: Bergemann 1927, S. 208 f. (Nr. 16). D6: Kat. Henrici 148, S. 19 (Nr. 46; TD (kurzer Auszug). D7: B/WuB II, S. 597 f. DV: H.
Veränderungen 21
Sie] über gestr. ich
Erläuterungen 1 Documente philanthropischer Christen- und Judenschaft] Vgl. Nr. 340 (Beilagen). 7–8 Dem Braunschweigischen Juden Heiland 〈…〉 wie es seyn und werden sollte] Der jüdische Kaufmann, Kammeragent des Braunschweiger Herzogs und Landrabbiner für den Weserdistrikt Israel Jacobson als Verfasser der von B geschickten Unterthaenigsten Vorstellung an Seine Hoheit
den Fürst Primas der Rheinischen Konföderation über Höchstdessen neue Stättigkeits- und Schutzordnung für die Judenschaft in Frankfurt am Main.
1805
Zu Nr. 345
9–10 dem Fürsten Primas 〈…〉 wie es ist] Carl Theodor von Dalberg als Veranlasser der Neuen Stättigkeits- und Schutz-Ordnung der Judenschaft zu Frankfurt a. M. (vgl. zu Nr. 303,11–13). 14–15 Ueberbringer dieses] Sohn August. Vgl. zu Nr. 315,65–66. 25 nach den Carlsbader Gebirgen] Goethe reiste erst am 12. Mai 1808 nach Karlsbad. 26 confirma hoc Deus] Vgl. Nr. 316,9–12 und Erl. sowie Goethes Tagebuch, 7. April 1808 abends: Hernach die Sänger, confirma hoc deus. (WA III, Bd. 3, S. 327.)
346.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 7. April 1808, Donnerstag
B: Nr. 343, 344. A: Nr. 348. H: FDH 7255. – Format: 1 Dbl. ca. 222 × 185 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 152 × 229 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Veilchen; die ersten drei Nummern der Zeitung für Einsiedler, deren schlechte〈s〉 Papier B beklagt hatte (vgl. Nr. 344,6–9), nochmals und zusätzlich die Nr. 4 vom 12. April; Brief an Christian Schlosser vom 7. April 1808 (WAA XXXIII, Nr. *722) vmtl. ebenfalls mit Zeitung für Einsiedler Nr. 1–4 für ihn. Fremdeinträge: 1r aoRl: 205 v | 2v auRr: 7255 | Kur alR: No 16, arR Notiz Bs: Heidelberg 7 April 8 | im Text Rötelunterstreichung. D1: Steig 1913, S. 126 f. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 204 f. (Nr. A36). D4: WAA XXXIII, S. 328 f. (Nr. 721). DV: H.
Veränderungen 2 Du] D aus d 5 Wolfsbrunnen] fs aus 〈xx〉 16–17 gestritten] g aus b
1806
Zu Nr. 346
45 50
sauer] a aus ch No 16] alR quer zur Schreibrichtung
Erläuterungen 5–6 wieder beym Wolfsbrunnen 〈…〉 literarische Namen] Arnim hatte den Wolfsbrunnen bei Heidelberg, eine Brunnenanlage mit Wasserspielen und Fischteichen oberhalb Schlierbach, bereits während seines Heidelberg-Aufenthalts im Sommer 1805 kennengelernt und vorher, nach Hinweis Brentanos, durch Martin Opitz’ Sonett Vom Wolffesbrunnen bey Heydelberg, das ihn begeisterte: Opitz ist mir jezt sehr lieb seit ich den Wolfsbrunnen bey Heidelberg darin beschrieben fand. (An Brentano, 8. April 1805; WAA XXXII, Nr. 369,25–26.) 8–9 hat Werner ein schlechtes Ende in Weimar genommen] Zacharias Werner hielt sich von Anfang Dezember 1807 bis 28. März 1808 in Weimar auf, wo er Goethe von seiner Liebestheorie und seinem Glaubenssystem zu überzeugen suchte und nicht nur durch seine Mystik, sondern auch mit seinem lockeren Lebenswandel auffiel. Goethe verhielt sich fasziniert wohlwollend. (Vgl. Fröschle 2002, S. 305–314.) 16 mit einem Theologen] Georg Heinrich Moser aus Ulm, Sohn eines verstorbenen Schneidermeisters, am 30. Oktober 1806 sechsundzwanzigjährig als stud. theol. immatrikuliert (Toepke 1903, S. 404); hörte theologische Vorlesungen bei Daub, Marheineke, de Wette und philologische bei Voß, Böckh, Görres und besonders Creuzer, mit dem er sich eng befreundete. Mit Creuzer 1809 in Leyden, wohin dieser berufen worden war. (Vgl. Dahlmann 1972, Register.) Von Arnim in seinem Brief an Görres vom 22. Oktober 1808 nachnamentlich erwähnt (vgl. WAA XXXIII, Nr. 896,21). 23–24 Bedienten] Frohreich. 26 die roten Karfunkel leuchteten] Metaphorischer Bezug auf das Funkeln des Karfunkels – »bei den Alten der schön rote Granat 〈…〉, im Mittelalter Rubin oder ein fabelhafter, feuerroter, wie Gold glänzender, im Dunkeln hell leuchtender Stein« (MGKL X, S. 623). 30–31 die Kupfer 〈…〉 die Frau auf dem ersten Bilde] Abbildungen von Hans Schäufelins Ehepaar in altdeutscher Tracht in Nr. 1 und Christoffel van Sichems Faust und Mephistophiles in Nr. 3 der Zeitung für Einsiedler. Vgl. Arnims Brief an Goethe vom 1. April 1808 (WAA XXXIII, Nr. 712,49–56 und Erl.) sowie die Abb. in WAA VI, S. 13 und 32. 32–33 die überschickten Bücher] Vgl. Nr. 334,55–57 und Erl.
1807
Zu Nr. 346
34 die neuen Regimenter] Die neu gebildeten Regimenter des Königreichs Westphalen. Im April 1808 wurden die Grenadier- und Jägergarden gebildet, zwei Linieninfanterie-Regimenter, ein Chevauleger-Garde-Regiment, ein Chevauleger-Regiment und ein Jäger-Carabinier-Bataillon aufgestellt. (Vgl. Lünsmann 1935, S. 17.)
*347. An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 9. oder 10. April 1808, Sonnabend oder Sonntag B: –. A: –. Datierung: Aufgrund der Datierung von Nr. 348 (vgl. Zitat).
348.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 10. April 1808, Sonntag
B: Nr. 346. A: Nr. 351. H: FDH 7419. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 188 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Beschädigung durch Siegelaufriß, leichter Tintenfraß, 2v roter Siegelrest. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 206 v. Postzeichen: Poststempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Aufgrund der Mitteilung über die Ankunft August von Goethes vorGestern (Z. 6), am 8. April, und der Angabe, es sei Sonntag (Z. 15–16). D1: Steig 1913, S. 127 f. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 206 f. (Nr. B35). D4: WAA XXXIII, S. 336–338 (Nr. 729). DV: H.
Veränderungen 1 worinnen] wo aus als 6 vorGestern] vor nachträgl. 24 melankolisch] k aus ch
1808
Zu Nr. 348
25 29 30 31 31 33 43 46 54 55 55
was] üdZ eing. belehren] l aus h Rumohr] m aus h bei] b aus v F.] üdZ Märchen] M aus m aneinander] erstes e aus d Gethierzel] z aus g eigensten] zweites n aus st eine] Schluß-n gestr. Wiedersehens] umkringelt | davor gestr. wiedersehens
Erläuterungen 6 der Junge Goethe hier angekommen] Vgl. zu Nr. 315,65–66. 7 Brief von seinem Vater] Nr. 345. 12 sein Sohn schreibt ihm alle Tage] Vgl. Christiane an August von Goethe nach Heidelberg, Weimar, 28. April 1808: Deine uns so lieben Briefe
als auch Dein gutes Lob von Frankfurt aus hat mir und Deinem Vater sehr viel Freude gemacht. (Suphan 1889, S. 5.) Die Frankfurter Briefe an die Eltern sind nicht bekannt. 16 in der mitten Stube] Das adjektivische mitten öfter bei B; in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde: am mitten Berg, in der mitten Straße, im mitten Gang (B/W I, S. 189, 504, 518). 17 auf meinen Goethe] Auf Bs Goethe-Büste. Vgl. Nr. 274,29–32. 26–27 das St. Mater in der Fürstlichen Capell] Pergolesis Stabat Mater in der Kapelle des Thurn- und Taxis’schen Palais in Frankfurt, in dem Fürstprimas Dalberg residierte. 28–29 wie auch der theologischen Professoren 〈…〉 glauben] Vgl. Nr. 346,15–17. 30–31 Rumohr 〈…〉 nicht bei uns sehen] Rumohr reiste über Frankfurt nach München, wie bereits in der ersten August-Hälfte 1807, als er allerdings B und ihre Schwester Meline aufgesucht hatte und anschließend mit ihnen korrespondierte (vgl. Nr. 265). Am 7. März hatte er Caroline Schelling aus Krempelsdorf sein Kommen angekündigt: Ich reise nun auch in 6 bis acht
Tagen und werde wohl bis zu den ersten Tagen Aprills bei Ihnen sein. (Schmidt 1913, Bd. II, S. 518.) 32 ein wiegen] »bildlich für beruhigen, beschwichtigen« (DWb III, Sp. 343).
1809
Zu Nr. 348
33–34 Märchen von Hans ohne Bart 〈…〉 aufgeschrieben] Version des verbreiteten, als Starker Hans typisierten Schwankmärchens vom ungeschlachten Riesen. (Vgl. Lox 2002.) Es ist das erste von drei Märchen, die B Arnim im Frühjahr 1808 mitteilte, der sie jedoch nicht in seine Zeitung für Einsiedler aufnahm. B hat es Marie Lehnhardt nacherzählt, »knapp und anscheinend getreu, allerdings in bewußt archaisierender Sprache« (Rölleke 1977, Sp. 821). Für das Märchen vom sieben Jahre ausgetragenen Königssohn (Nr. 363,40–101) beanspruchte B dagegen selbständiges Erzählen – das Märchen ist von mir (Nr. 366,22) –, wobei »biblisch-romantische Symbolismen« (Rölleke 1977, Sp. 821) auffällig sind und vom volkstümlichen Märchenton abweichen. Eine niederdeutsche Version des Märchens vom starken Hans – welches eigentlich der Plattdeutsche Hercules sei – erwähnt Philipp Otto Runge in seinem Brief an Arnim vom 31. Mai 1808 (WAA XXXIII, Nr. 800,7–8). 37–38 in Stolls Journal 〈…〉 der große Hans] In der von Leopold von Seckendorf und Joseph Ludwig Stoll herausgegebenen Wiener Zeitschrift Prometheus, 1808, 1. Heft, S. 79–82 Karl Friedrich Wetzels Gedicht Vom starken Hans (auch in: Wetzel, Schriftproben. Zweytes Bändchen. Bamberg-Leipzig 1818, S. 45–49). 39 Anfang von Goethes Pandora] A.a.O., S. 1–11 unter dem Titel Pandora’s Wiederkunft. Ein Festspiel. 40 lezte Rede von Epimetheus] V. 155–167 (Der Fackel Flamme morgendlich dem Stern voran / 〈…〉). 43–44 die beiden Schlegel 〈…〉 Gedichte aneinander gemacht] A.a.O., S. 57–69: A. W. Schlegel, An Friedrich Schlegel; Friedrich Schlegel, An A. W. Schlegel. B gibt im folgenden die wechselseitige Belobigung ohne Rückgriff auf die Metaphorik der beiden Gedichte wieder. 46 Gethierzel und Geviezel] Beide Kollektivbildungen im DWb nicht belegt. 53 Deine sanfte Jungfrau] Vgl. Nr. 346,30–31 und Erl. 57 Das Geringelt ums Wort] Um Wiedersehens (Z. 55).
1810
Zu Nr. 349
349.
An Christiane von Goethe in Weimar Frankfurt, 10. April 1808, Sonntag
B: –. A: Vgl. Nr. 357. H: PML/Heineman Coll. – Format: 1 Bl. ca. 225 × 187 mm; 1r-1v 1½ beschr. S.; 1x quer gefaltet. – Papier: Ränder leicht beschädigt. Beilagen: Nr. 350; für Christiane gesticktes Kleid und Schmuck; für Goethe:
Bemerkungen über des Herrn Geh. Finanzrath’s Israel Jakobsohn unterthänigste Vorstellung an Se. Hoheit den Fürst Primas, der Rheinischen Conföderation. Höchst dessen neue Stättigkeits- und SchutzOrdnung für die Judenschaft in Frankfurt am Main betreffend ([Frankfurt/M.] 1808; Ruppert 1958, Nr. 3527) sowie [Franz Joseph Molitor,] Ueber bürgerliche Erziehung, mit besonderer Hinsicht auf das jüdische Schulwesen in Frankfurt (aus: Europäische Staats-Relationen, hg. von Niklas Vogt, Bd. VI, 1808, S. 155–168; Ruppert 1958, Nr. 3557) und vmtl. Friedrich Christian Matthiä, Einladungsschrift zu den auf den 6. 7. 8. und
11. April festgesetzten Prüfungen und Feyerlichkeiten im Gymnasium zu Frankfurt am Mayn 1808 (Frankfurt/M. 1808; Ruppert 1958, Nr. 3556a). Fremdeinträge: 1r aoRl: 13, daneben: an Vulpia, aoRm: April 1808. aoRr Stempel: 18, daneben: (1). Besonderheiten: Auf einem dem inneren Vorsatzblatt von Molitors Schrift Ueber bürgerliche Erziehung aufgeklebten Zettel steht die Bemerkung Bs:
Von Molitor / über welchen mit morgendem Posttag eine genaue Relation schreiben werde / Bettine. Zwischen den Druckseiten der Schrift vmtl von B eingelegte oder eingeklebte Leerblätter. Auf S. 162, Z. 3–6 von ihr ein Passus mit Tinte unterstrichen und auf der zugehörigen Leerseite mit derselben Tinte eine Notiz. Der unterstrichene Passus lautet mit Kontext: Die Erziehung,
und vorzüglich die bürgerliche, ist das einzige Mittel diese unglückliche Reste jener alten Nation mit den Europäern zu assimiliren. Und was ließe sich von diesem genialischen Volke erwarten, wenn es eine gehörige Leitung durch die Erziehung erhielt; von diesem Volke, aus dem einst die größte aller Weltrevolutionen hervorging, und der erste Impuls zu unserer heutigen Kultur gegeben wurde. Was ließe sich von einem solchen Volke erwarten, das in dem großen Kampfe mit dem Weltschicksale sich durch seine eigne Kraft noch immer erhalten, indeß die andere Völker des Alterthums bis auf ihre Namen untergegangen sind! – Von einem solchen Volke, das selbst unter den niedrigsten Verhältnissen so viele Zeichen von Thätigkeit und Genialität blicken ließ, und bei dem es etwas ganz gewöhnliches ist, daß seine Jugend oft mit den notdürftig1811
Zu Nr. 349
sten Lebensbedürfnissen ringend, ohne alle f r e m d e A n l e i t u n g , ohne allen L e h r e r durch eignen Fleiß, durch eigne Kraft die mächtigen Hindernisse überwand, und sich selbst den Weg in die Regionen der Wissenschaft bahnte! (S. 161f.) Die Notiz auf der Leerseite ist ein Zitat aus Luthers Bibel-Übersetzung: daß ist ein großer Trost, das wir hoffen, wenn uns die Menschen erwürgen, daß uns Gott wieder auferweckt. / 2 Maccabäer / 7 C: 14 V:. (Der Schluß des Zitats in der Luther-Bibel von 1534: daß vns Gott wird wider aufferwecken.) – Auf dem Titelblatt von Matthiäs Einladungsschrift Notiz Bs: Widerumb auf ein ander Manier. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung über ihren Theaterbesuch gestern und eines Theaterzettels, demzufolge das Singspiel Der Korsar aus Liebe am 9. April aufgeführt wurde (vgl. Bergemann 1927, S. 427). Goethe notierte am 19. April 1808 in sein Tagebuch: Kam ein Kleid von Bettina Brentano an mit verschiedenen Flugschriften. Gegenschrift gegen Jacobsen. (WA III, Bd. 3, S. 329.) Da die Post zwischen Frankfurt und Weimar vier Tage unterwegs war (vgl. Faselius 1805, S. 154 f.), ist anzunehmen, daß das Paket erst nach dem 10. April abgeschickt wurde. D1: Steig 1922, S. 57 f.; datiert: 10. April 1808. D2: Bergemann 1927, S. 209–211 (Nr. 17); datiert: 10. April 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 56 (1), S. 22; TD; datiert: 10. April 1808. D4: B/WuB II, S. 598 f.; datiert: 10. April 1808. DV: H.
Veränderungen 25 29
Sie] S aus s Büchlein] lein aus er
Erläuterungen 1–2 Abends zu Frau von Schoppenhauer] Während Bs letztem WeimarAufenthalt am 5. November 1807. 10–11 gestern 〈…〉 der Corsar gegeben] Der Korsar aus Liebe. Komische Oper in zwei Aufzügen, nach dem Italienischen von Joseph Weigl, Frankfurter Erstaufführung 1798 (vgl. Oven 1872, S. 115). Vgl. Datierung. 17–18 Gebrüdern Schlosser] Friedrich und Christian Schlosser. 18 beiden Schwächerinnen] Antonia und Marie Brentano.
1812
Zu Nr. 351
350.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 10. April 1808, Sonntag
B: –. A: Nr. 357. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Bl. ca. 225 × 180 mm; 1r-1v 1 S. + 4 Z. beschr., 1x längs gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRr: 12 lettre (Billet) à Goethe, daneben Stempel: 12. Besonderheiten: Beilage zu Nr. 349. Datierung: Analog Nr. 349. D1: Steig 1922, S. 58; datiert: April 1808. D2: Bergemann 1927, S. 210 f. (Nr. 17). D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (12), S. 11 f.; TD; datiert: 10. April 1808. D4: B/WuB II, S. 599 f., datiert: 10. April 1808. DV: H.
Erläuterungen 3 8
die beiden Jungen Frauen] Antonia und Marie Brentano. Propagation] Ausbreitung, Fortpflanzung.
351.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 12. April 1808, Dienstag
B: Nr. 348. A: Nr. 353, 355. H: FDH 7256. – Format: 1 Dbl. ca. 220 × 183 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 95 × 118 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 207 v | 2v auRr: 7256 | Kur aoR Notiz Bs: Heidelb-
12 April 8. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 129. D2: Kat. Henrici 149, S. 21, Nr. 79; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 208–210 (Nr. A37). D4: WAA XXXIII, S. 339–341 (Nr. 731). DV: H.
1813
Zu Nr. 351
Veränderungen 15 19 39 62 64 78
unbemerkt] m aus s einsam] üdZ eing. Streiter] über gestr. Waffen auf] aus zw dir] d aus s An] aus Des
Erläuterungen 3 So ist er unbewust entschwunden] Zu dem Gedicht sind zwei Entwürfe Arnims überliefert. Vgl. Arnim/W V, S. 536–538 und Erl. S. 1336 f. 40–41 War doch die Erde 〈…〉 mit Dornen sah] Vgl. Jh 19,2–7. 42 Die Stein sich an einander schlagen] Vmtl. Bezug auf den vom Grab Jesu weggewälzten Stein. Vgl. Jh 20,1. 43–44 Des Meisters Narben 〈…〉 Thomas Auferstehung glaubt] Vgl. Jh 20,24–31. 69–71 Nachricht 〈…〉 meine Großmutter 〈…〉 Anfall von Schlage gehabt] Durch einen Brief des Bruders Carl Otto von Arnim vom vmtl. 1. April (WAA XXXIII, Nr. *715). Vgl. Arnim an den Bruder, 10. April: Dein Brief
〈…〉 hat mich tief erschüttert, meine Eigenthümlichkeit alles gleich im Schrecklichsten zu sehen hat mich durch tausend Gram geführt (ebd., Nr. 727,1–4). Sowie Caroline von Labes an Arnim, 21.–23. April: Ich lebe, und bin den Todt dieses mahl noch, durch den gutten Heim entrißen worden; bin jetzt Gott lob in zunehmender Beßerung. Eße, schlaffe, fahre wieder spatzieren; wie lange – und wie lange ich für ein Dacapo gesichert bin, ist nur Gott bekandt, ich erwarte alles mit ruhigen Gemüth, einmahl muß die Stunde der Scheidung eintreten: die Zunge und folgl* die Sprache ist noch immer nicht in Ordnung; das Gedächtniß schwach – desgl* die Füße, dieses ist alles waß mir noch abgehet (ebd., Nr. 747,6–18). 75 zur Taufe] Franz von Savignys am 18. April.
1814
Zu Nr. 352
352.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, um den 12. April 1808, Dienstag
B: Nr. 345. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 227 × 186 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 12, lf I 217, darunter: dann 218, aoRr: 13e lettre à Goethe, darunter: April 1808, daneben Stempel: 13; Z. 2 über Sohn: Au-
gust von Goethe. Datierung: Den Bezugsbrief hatte Goethes Sohn August am 8. April in Frankfurt überbracht, und B wird einige Tage danach geantwortet haben (August finde sich alle Tage im Theater ein [Z. 3]), jedoch nicht lange danach. D1: Steig 1922, S. 54–56; datiert: April 1808. D2: Bergemann 1927, S. 211–213 (Nr. 18); datiert: vorm 22. April 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 41 (13), S. 12,; TD; datiert: vor dem 22. April 1808. D4: B/WuB II, S. 600–602; datiert: um den 15. April 1808. DV: H.
Veränderungen 4 glänzend] g aus k 38 Dir] D aus d 54 zu] nachträgl. idZ
Erläuterungen 15 im vorigen Jahr] Während Bs Weimar-Aufenthalt im ersten Novemberdrittel 1807. 34–35 Glauben 〈…〉 Berge versezen kann, und hab die Liebe dabei] Nach 1. Kor. 13,2. 47 Schwarzkunst] »der ursprüngliche begriff der todtenbeschwörung 〈…〉 erweitert sich zu dem der zauberei mit hülfe von geistern, die nach der lehre der kirche böse geister sein müssen, des teufels, höllischer, böser zauberkunst.« (DWb XV, Sp. 2316 f.)
1815
Zu Nr. 352
48–49 Divinations Kraft] Divination: »Ahnungsvermögen, Weissagungskraft, bei den Römern Inbegriff aller auf die Mantik bezüglichen Erscheinungen« (MGKL V, S. 64).
353.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 13., 14. oder 15. April 1808, Mittwoch–Freitag
B: Nr. 351. A: Nr. 354. H: FDH 7420. – Format: 2 Bl. je ca. 227 × 190 mm; 1r-2r 2¼ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, fleckig, 2v Siegelrest. – WZ: I: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild | II: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: v | 1v aoRl: 208, auRr: 7420 | 2v auRr:7420. Postzeichen: Poststempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Nach dem Bezugsbrief vom 12. April, vor Bs nächstem Brief vom 16. April (Nr. 355) und Arnims Antwort vom selben Datum. D1: Steig 1913, S. 130; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 211 f. (Nr. B36); datiert: April 1808. D3: WAA XXXIII, S. 324 f. (Nr. 734). DV: H.
Veränderungen 10 12 14 27
ein] am Schluß gestr. e Arnim] A aus a gelebt] eb aus 〈xx〉 mit] danach gestr. U
354.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 16. April 1808, Sonnabend
B: Nr. 351. A: –. H: FDH 7257. – Format: 1 Dbl. ca. 221 × 185 mm; 1r-2v 3¼ S. beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 174 × 139 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG.
1816
Zu Nr. 354
Fremdeinträge: 1r aoRl:
209 v | 2v auRr: 7257 | Kur aoR Notiz Bs: Heidelb
16 April 8. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 130 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 212 f. (Nr. A38). D3: WAA XXXIII, S. 344 f. (Nr. 736). DV: H.
Veränderungen 3 Gitarre] i aus ui 4 ganze] g aus k 15 die] aus es 22 Du] D aus d 28 Mit] über gestr.
Unter
Erläuterungen 10–11 bey Savigny 〈…〉 entschuldigt haben] Wegen der Abwesenheit bei der Taufe des Söhnleins Franz. 11-gestern] Vielmehr am 13. April (WAA XXXIII, Nr. 732). 13–14 Dein Stabat mater gesungen] Vgl.: Nr. 348,26–28 und Erl.; Nr. 355,12–14. 20–21 wie Magdalena 〈…〉 ihres Schmucks entledigt] Maria Magdalena, die Jesus als Jüngerin folgte, nachdem er sie von den bösen Geistern geheilt hatte (Lk 8,2). Daß sie sich ihres Schmuckes entledigt habe, ist in Heiligenlegenden überliefert (nicht im Neuen Testament). 21–24 die kleine rothe Kette 〈…〉 Hulda anzubinden, die 〈…〉 Clemens und mich verehrt] Von der Zuneigung Hulda Mereaus sowohl zu ihrem Stiefvater als auch zu Arnim zeugt ihr Brief an Brentano vom 29. Dezember 1808, in dem die Pensionärin des Rudolphischen Erziehungsinstituts ihrem Stiefvater mitteilt, daß sie ihn vermißt (Ich habe gewiß recht oft an
Dich gedacht lieber Vater und gewünscht daß Du hier wärst, und Dich mit mir Freuen köntest), Arnims Fürsorge für sie bekundet und ein Geschenk von ihm erwähnt: Daß Herr von Arnim von hier weggegangen ist, wirst du wohl schon wissen. Er war noch ein paar Tage vor seiner Abreise hier und machte mir noch ein Geschenk. (H: FDH 7682; aus der Er1817
Zu Nr. 354
wähnung der Arnimschen Abreise von Heidelberg – am 15. November – ergibt sich die bisher offene Datierung des von Hulda Mereau ohne Jahreszahl datierten Briefes in das Jahr 1808.) 25 die Messiade] Klopstocks Epos Der Messias (überarbeitete Gesamtausgaben 1780 und 1800). 27 Wielands Oberon] Oberon. Ein romantisches Heldengedicht (1780). 28 dem Theologen] Georg Heinrich Moser. Vgl. Nr. 346,14–16 und Erl. 29 Lied von Clemens in dem fünften Stücke] Der Jäger an den Hirten in Zeitung für Einsiedler Nr. 5 vom 15. April. Von Brentano Arnim bereits in zwischen etwa 16. und 21. August 1803 (WAA XXXI, Nr. 319) und am 12. Oktober 1803 (WAA XXXI, Nr. 323) geschriebenen Briefen mitgeteilt, im ersten mit der Bemerkung, er habe an dich und mich gedacht 〈…〉 aber es
paßt nicht ganz, denn ich bin der Jäger und du der Hirth, und doch sind wir beide, beides (Nr. 319,272–274). 33 daß der Knüppel beym Hunde lag] Redensart für ein unlösbares Problem. (Vgl. Wander II, Sp. 1442 f.; mehrere Versionen.) 33–34 wer nicht beten kann 〈…〉 nicht singen] So nicht als Sprichwort belegt, jedoch: Einmal gesungen ist zweimal gebetet. (Wander IV, Sp. 565, Nr. 12.) 35 Ueber meine Großmutter 〈…〉 Ungewißheit] Vgl. Nr. 351,69–71 und Erl.
355.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 16. April 1808, Sonnabend
B: Nr. 351. A: Nr. 356. H: FDH 7421. – Format: 2 Bl. ca. 228 × 189 mm (I) + ca. 203 × 190 mm (II); 1r-2r 2½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, fleckig; Bl. II aoR ca. 25 mm abgeschnitten (ohne Textverlust), 2v roter Siegelrest. – WZ: I: Unterer Teil von Posthornschild | FHF | II: –. Fremdeinträge: 1r aoRl: 210 | 2r auRr: 7421. Postzeichen: Poststempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Aufgrund der Mitteilung Ich habe gestern das St: Mater gesungen (Z. 12). Daß B das am Karfreitag (15. April) tun wollte, hatte sie Arnim am 10. April (Nr. 348,26–27) mitgeteilt. D1: Steig 1913, S. 130; nicht näher datiert.
1818
Zu Nr. 356
D2: Betz/Straub 1986, S. 214 f. (Nr. B37); datiert: April 1808. D3: WAA XXXIII, S. 345 f. (Nr. 737). DV: H.
Veränderungen 6 dieser] aus der 8 wie] danach gestr. die 12 habe] aus sang 25 Anregung] An aus 〈xx〉 29 mit] üdZ eing. 35 dürren] dü aus 〈xx〉 39 erwarten] danach gestr.
mit
Erläuterungen 12 Ich habe 〈…〉 St: Mater gesungen] Vgl. Datierung. 31–32 wo George ein kleines Gut gekauft hat] Nordwestlich von Frankfurt in Rödelheim aus dem Besitz des 1803 nach Nordamerika ausgewanderten Kaufmanns Dettmar Basse, der 1792 einen an der Nidda gelegenen Garten gekauft hatte und darin ein zweistöckiges Haus errichten ließ. Vgl. Nr. 359,1–5 sowie Krohmann 2006.
356.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 20. April 1808, Mittwoch
B: Nr. 355. A: Nr. 358. H: FDH 7258. – Format: 1 Dbl. ca. 221 × 185 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 111 × 114 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Zeitung für Einsiedler, Nr. 6 vom 20. April. Fremdeinträge: 1r aoRl: 211 v | 2v auRr: 7258 | Kur aoRl Notiz Bs: Heid 20 April 8 | Kuv auR: 7258. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 132 f.
1819
Zu Nr. 356
D2: Betz/Straub 1986, S. 215 f. (Nr. A39). D3: WAA XXXIII, S. 353 f. (Nr. 742). DV: H.
Veränderungen 5 ich] aus es 6 daß] d aus s 10 Noten] üdZ eing. 10 bey] aus in 15 kletterte] über gestr. 19 gedrungen] d aus t 23 echt] e aus d 24 vor] r aus n 26 in] aus de
schlug mich
Erläuterungen 6
der Malespini] Malespini. Nacherzählt von C. B., in Zeitung für Einsiedler, Nr. 6 vom 20. April. Nach der elften Novelle von Celio Malespinis Duecento novelle (1609) unter Mitwirkung Auguste Brentanos. Vgl. WAA VI, S. 61–69 und Erl. (Moering) S. 813–825. 9–11 bey Hofmann erkundigen 〈…〉 im Steindruck kosten] Johann Anton André besaß in Offenbach eine auf Notensatz spezialisierte Druckerei, und von dort erteilte Philipp Carl Hoffmann B am 24. April Auskunft (Nr. 361), die sie einen Tag später (mit Nr. 363) an Arnim weiterschickte. Die Preisangaben werden dazu beigetragen haben, daß der Zeitung für Einsiedler keine Liederkompositionen beigegeben wurden. 13 Taufe] Franz von Savignys am 18. April. 14 Kreutzers und Zimmermanns] Friedrich und Sophie Creuzer sowie Johann Christian und Lorchen (Eleonore) Zimmermann, die Stieftochter Creuzers. 14–24 Kloster Neuburg 〈…〉 die reichen Weber nicht] Das seit 1703 den Jesuiten gehörige Kloster, am rechten Neckarufer zwischen Alter Brücke und Ziegelhausen, war nach der Aufhebung des Ordens in der Pfalz (1773) in wechselndem Besitz. 1804–1814 besaß es der Regierungskommissar und Musikfreund Ludwig Hout. (Vgl. Berger 2002, S. 135 f.) Er war seit 1806 mit
1820
Zu Nr. 357
Antonia Weber verheiratet, und die reichen Weber waren vmtl. deren Verwandte, insbesondere die Familie ihres Bruders Gottfried Weber, der als Fiskalprokurator in Mannheim lebte. 1825 erwarb Friedrich Schlosser das Anwesen, das er zu einem Treffpunkt für Literaten und Kunstfreunde vor allem katholischer Provenienz kultivierte. 34 Polyphemischen Heerde] Die Herde des Kyklopen Polyphem in der Odyssee: Aber er trieb in die Kluft die fetten Ziegen und Schafe / Alle
zur Melke herein; die Widder und bärtigen Böcke / Ließ er draußen zurück, im hochummauerten Gehege. (Übersetzung Voß’; IX, 237–240.)
357.
Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Weimar, 20. April 1808, Mittwoch
B: Nr. 349, 350. A: Nr. 360. H: PML/Heineman Coll. MA 6907 MS Goethe-Bettina 1,9. – Format: 1 Dbl. ca. 180 × 112 mm; 2 beschr. S.; 1 x quer gefaltet; Ku 96 × 117 mm. – WZ: Nicht identifizierte Buchstaben. Fremdeinträge: 1r aoRl: 55 I 222, aoRr Stempel: 4. Besonderheiten: Vgl. Goethe, Tagebuch, 20. April 1808: An Demoiselle Bettine Brentano, Dank für das Übersendete. (WA III, Bd. 3, S. 329.) Postzeichen: R.4.WEIMAR. D1: Loeper 1879, S. 167–169 (Nr. 3). D2: WA IV, Bd. 20, S. 49 f. (Nr. 5525). D3: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 167 f. (Nr. 6). D4: Steig 1922, S. 58 f. D5: Bergemann 1927, S. 213 f. (Nr. 19). D6: Kat. Henrici 148, S. 19 (Nr. 46); TD. D7: B/WuB II, S. 603 f. DV: H.
Erläuterungen
daß man den 〈…〉 IsraelsSohn so tüchtig nach Hause geleuchtet hat] Gemeint sind die von B dem ersten Bezugsbrief beigelegten Bemerkungen über des Herrn Geh. Finanzrath’s Israel Jakobsohn unterthänigste Vorstellung an Se. Hoheit den Fürst Primas (vgl. Nr. 349
15–17
1821
Zu Nr. 357
[Beilagen]) eines unbekannten Verfassers. Die 48seitige Schrift ist gegen Jacobsons von B bereits um den 29. März geschickte Unterthänigste Vor-
stellung an Seine Hoheit den Fürst Primas der Rheinischen Konföderation (vgl. Nr. 340 [Beilagen]) gerichtet und legte den Juden nahe, sich zu assimilieren. Die abschließende Quintessenz lautet: Wenn Herr Jakobsohn einen so unwiderstehlichen Drang zum Schriftsteller in sich fühlte, und seinem Berufe zum Besten seiner Nation zu wirken, gemäß handeln wollte, so mußte er ihnen nicht ihren Fürsten, die Gerichte und Richter des Landes, die Consistorien und Schul-Curatel als Männer ohne Kenntniß und guten Willen verdächtig machen – Männer, die über seine Beschuldigungen freilich nur lächeln werden – er mußte s e i n e r N a t i o n das Wohlthätige der neuen Einrichtung auseinander setzen, und ihnen begreiflich machen, daß es schlechterdings nothwendig sey, nach der Sitte und dem Gesetz des Landes zu leben, in welchen sie Bürgerrechte verlangen; nothwendig, sich die Einsichten und Kenntnisse zu erwerben, welche bey uns Achtung und Werthschätzung verschaffen; nothwendig, Gewerbe fahren zu lassen, welche keine gesunde Policey als die Beschäftigung vieler Menschen dulden kann; nothwendig, den geschäftigen Müßiggang mit einer productiven Arbeit zu vertauschen. Nur dadurch, daß der Jude sich die Kenntnisse erwirbt, welche die vereinte Bemühung aller Nationen producirt und geläutert haben, kann seine Nation sich veredeln, und seine Religion dahin geläutert werden, daß der Staat mit ihr zufrieden seyn muß. Soll die Veredlung aus ihr selbst, ohne Benutzung dieser Mittel hervorgehn, so wird sie ewig ein Denkmal asiatischer Barbarey und rabbinischer Verschrobenheit bleiben, und bleiben müssen. Sie wird sich, je weiter Europa sich emporhebt, immer weiter von uns trennen, und die Fürsten endlich zu Zwangsmitteln berechtigen, die ganz in ihrem hohen Berufe liegen, ihres Staats Sicherheit zu befestigen. (S. 46–48.) 18–19 Plaidoyé von Beaumarchais] Beaumarchais hatte 1774–1778 seine Mémoíres du sieur Beaumarchais par lui méme veröffentlicht, vier Abhandlungen, in denen er ironisch und freimütig die Korruptheit der französischen Regierung anklagte und sich gegen Verleumdung verteidigte. Eine der Schriften hatte Goethe zu seinem Drama Clavigo (1774) angeregt. 21 Humanitätssalbader] Sonst nicht belegtes Kompositum. Salbader: »langweiliger, alberner schwätzer, oft mit dem nebensinn des salbungsvollen, frömmelnden Tons« (DWb XIV, Sp. 1681; vgl. ebd., Sp. 1682 zur Entstehung des Ausdrucks).
1822
Zu Nr. 358
22
Judenstädtigkeit] B schickte die von Dalberg erlassene Neue Stättigkeit- und Schutz-Ordnung der Judenschaft zu Frankfurt am Main (vgl.
zu Nr. 303,11–13) mit Nr. 360. 26–27 was er von der Pestalozzischen Methode sagt] Molitor konstatierte in seinem von B dem Bezugsbrief beigelegten Aufsatz Ueber bürger-
liche Erziehung, mit besonderer Hinsicht auf das jüdische Schulwesen in Frankfurt, daß sich in der Lehrart Pestalozzis der erste Anfang einer ganz neuen, den bisherigen Systemen der Erziehung fast entgegengesetzten, Methode finde (S. 164). Pestalozzis große Idee bestehe darinn, nur durch äußere Anstöße das schlummernde Seelenvermögen, und die freye Selbstthätigkeit des Menschen zu wecken. Er will, daß dem Kinde keine fremde, schon g e m a c h t e , Begriffe beygebracht werden, sondern daß das Kind alle seine Begriffe in sich selbst erzeugen soll, damit sie als organische Gedanken aus der Tiefe des eignen Innern mit lebendiger Kraft selbst hervorgehen möchten. – Dieß ist offenbar die einzig wahre Ansicht dieser Menschenbildung; der Mensch ist keine Maschine, sondern eine freyschaffende Thätigkeit. (S. 164 f.)
358.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 22. April 1808, Freitag
B: Nr. 356. A: Nr. 362. H: FDH 7423. – Format: 1 Bl.(I) + 1 Dbl. (II) + 1 Bl. (III) je ca. 226 × 190 mm; 1r-4r 7 beschr. S.; 4v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: III: Fleckig, verknittert, auR überklebte Risse, 4v Siegelreste. – WZ: I: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild | II: bekrönter Posthornschild | C & I HONIG | III: C
& I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 212, aoRr: [1808] | 1v auRr: 7422 | 2r aoRl: 212, aoRr: [zum 22. April 1808 gehörig] | 3v auRr: 7422 | 4r aoRl: 212, aoRr: [zum 22. April 1808 gehörig] | 4v auRr: 7422. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 133–136. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 79, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 217–220 (Nr. B38). D4: WAA XXXIII, S. 360–363 (Nr. 748). DV: H.
1823
Zu Nr. 358
Veränderungen 7 Diligense] s aus 〈xx〉 14–15 Aufseherin] A aus a 15 Springer] danach gestr. bande 17 Tonie,] danach gestr. bald w die 19 Vogel] V aus F 24 WaldTeufelgen] gen idZ eing. 27 gern] danach gestr. ih 33 Zerstreuung] nach u gestr. h 49 las] s aus ß 54 Deine] D aus 〈x〉 54 3 Jahren] 3 Ja aus vielen 63 der] r aus m 66 uns] danach gestr. alle 68 hier] danach gestr. über 70 schien] danach gestr. ganz 79 weil] w aus d 81 erhob] danach gestr. sich 83 jagen] aus treiben 88 schlenkert] zweites e aus t 93 ihr] Schluß-e gestr. | danach gestr. Blätter 95 kleine] k aus g 101 dem] danach gestr. schönen | schönen aus 〈xxx〉
Erläuterungen 2 trägst 〈…〉 Geißlein spazieren] Vgl. Nr. 356,25–31. 5–7 Clemens 〈…〉 bei Pfarrer Mannel abgelegt] Brentano hatte Auguste am 20. April von Kassel zur Familie des Pfarrers Mannel nach Allendorf gebracht, reiste dann über Marburg nach Frankfurt und von dort weiter nach Heidelberg, wo er am 29. April ankam. 7 Diligense] Der Verkehr mit den Diligencen wurde von einem Privatunternehmer besorgt und war schneller als der mit der Post. Vgl. WAA XXXI, zu Nr. 254,45. 44–47 vom ersten Gewitter 〈…〉 11. May 1806] Vgl. Nr. 179,2–7. 47–48 deinen Garten, voll tausend Blumen und Bäumen] Vgl. Nr. 179,10–14.
1824
Zu Nr. 358
48 schleichst den Falken nach] Vgl. Nr. 179,19–20. 49–50 aus hartem Winter 〈…〉 unwegsamen Gegenden] In den Königsberger Briefen 1807. 58–60 die Briefe von Müller 〈…〉 Freundschaft geschrieben sind] Vgl. Nr. 318,56–60 und Erl. 61 Rödelheimer Land Hauß] Vgl. Nr. 355,31–35 und Erl. 62–63 Schwester, von Schlossers] Susanna Marie Schlosser. 72–73 Carolinianischen Wachholder Zweig 〈…〉 Weihmuth] Von einer Weymouthkiefer aus Carolina (Juniperus virginiana). 74–75 Büste seiner Excelenz] Bs Goethe-Büste. 78–79 Prof: Arnold, der seit ein paar Tagen hier ist] Johann Georg Daniel Arnold, seit April 1806 Professor des Zivilrechts an der neugegründeten Rechtsschule in Koblenz, mit Savigny seit längerem bekannt, hielt sich im letzten Aprildrittel 1808 in Frankfurt auf, wo ihn das Leben und Treiben im Brentano-Haus besonders beeindruckt haben muß. Nachdem er nach Koblenz zurückgekehrt war, schrieb er am 29. April an Savigny: Meine Reise hieher
war mit einigen Abentheuern verwebt an deren Erzählung ich für die Bettine gegenwärtig arbeiten thu. Was mich aber hier wie in meinen Amtsarbeiten unaufhorlich unterbricht ist der durch einen Schrei sich heftig äußernde Gedanke, O Sandgaß, O Sandgaß!! (H: UB Marburg, Nachlaß Savigny 725/30. Vgl. Brief Nr. *369.) 90 Erdrauch] Fumaria officinalis, einjährige Pflanze mit zarten bläulichgrünen Blättern und traubenartigem Blütenstand, der aus 20–40 rosa Einzelblüten besteht, die an den Spitzen purpurrot gefärbt sind; vereinzelt auch weißblühend. 96 Stück aus dem Helden Buch 〈…〉 lezten Einsiedler] Zeitung für Einsiedler, Nr. 6 vom 20. April: Des Löwen und König Dieterichs Kampf
mit dem Lindwurm. Altes deutsches Lied aus dem Kreise des Heldenbuchs und der Nibelungen, aus dem Dänischen übersetzt von Wilhelm Grimm in Cassel. Vgl. WAA VI, S. 70–72 und Erl. (Moering) S. 825–840. 97 Malespini] Vgl. Nr. 356,6 und Erl. 98 deine liebe LiebesLieder] In Arnims Zyklus Der freye Dichtergarten: Lieben und geliebt zu werden (Zeitung für Einsiedler Nr. 1 vom 1. April; WAA VI, S. 9–12) und Dichter Wald der Dichter (Nr. 2 vom 6. April; ebd., S. 20–25); außerdem Warnung und Ermunterung (Nr. 6 vom 20. April; ebd., S. 72 f.). 110 Zimmermann] Der Verleger Zimmer; Bettinas Schreibung war inspiriert durch den Namen Zimmermann im Bezugsbrief (Nr. 356,32).
1825
Zu Nr. 359
359.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 22. April 1808, Freitag
B: –. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 2 Bl. (I, II); I: ca. 227 × 187 mm; II: 229 × 189 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: 2v Siegelreste. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRr: 8 lettre à Goethe, daneben Stempel: 8. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Der Brief wurde Goethe, der am 23. April von Weimar nach Jena gefahren war, dorthin nachgeschickt, und am 26. sandte er ihn nach Weimar an Christiane zurück: Hier ein Blat von Bettinen. (WA IV, Bd. 20, S. 51.). Zu einer genauen Datierung des Briefes, der wie üblich vier Tage von Frankfurt unterwegs gewesen sein wird (vgl. Faselius 1805, S. 154 f.), berechtigt insbesondere die Übereinstimmung der Mitteilung über den Aufenthalt in Rödelheim (gestern kletterte ich aufs Dach [Z. 3]) mit der im datierten Brief an Arnim vom 22. April: Gestern waren wir auf dem Rödelheimer Land^Hauß 〈…〉 aufs Dach bin ich auch gestiegen (Nr. 358,61–75). – In D4 ist der Brief aufgrund des Rödelheim-Berichts in Bs datiertem Brief an Arnim vom 16. April (Nr. 355,31–38) auf dieses Datum datiert; aber in Nr. 355 schreibt B nur von einem, vmtl. erstmaligen Besuch in Rödelheim, im Brief an Goethe von mehreren: bei nah alle Tage (Z. 2–3). D1: Steig 1922, S. 72 (nur letzte Seite, 2r); datiert: 16. Juni (als Schluß des ersten Briefteils von Nr. 387). D2: Bergemann 1927, S. 201, Nr. 11 (nur letzte Seite, 2r); datiert: Februar 1808?. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 39 (8), S. 11; TD (kurzer Auszug); datiert: Februar 1808? D4: B/WuB II, S. 602 f. (Bl. I+II); datiert: 16. April 1808. DV: H.
Veränderungen 35 39
grad] aus woh Vögel] e nachträgl.
1826
Zu Nr. 360
Erläuterungen 1–2 Landhauß 〈…〉 von Basset] Vgl. Nr. 355,31–38 und Erl. Goethe kann das Haus während seines Frankfurt-Aufenthalts zwischen 16. und 26. Mai 1793 kennengelernt und damals mit Basse Umgang gehabt haben. Die Beziehung wird sich über Basses Bekanntschaft mit Goethes Mutter ergeben haben. (Vgl. Spangenberg 2001, S. 41 f.)
360.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, zwischen 24. und 30. April 1808, Sonntag und Sonnabend
B: Nr. 357. A: Nr. 372. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 186 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 1x quer gefaltet. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Neue Stättigkeits- und Schutz-Ordnung der Judenschaft zu
Frankfurt a. M., deren Verfassung, Verwaltung, Rechte und Verbindlichkeiten betreffend (vgl. zu Nr. 303,11–13); nicht in Goethes Bibliothek (vgl. Ruppert 1958); Torquato-Tasso-Bildnis (um 1800) von Pietro Ermini, gestochen von Raffaello Morghen, wie aus der Übereinstimmung von Bs Beschreibung und Goethes Brief vom 22. Juni 1808 (Nr. 390,10–14) mit dem Bild erhellt. (Erhalten GNM Weimar; vgl. Schuchardt 1848–1849, Bd. I, S. 33, Nr. 301 und B/WuB II, Abb. 14.) Fremdeinträge: 1r aoRl 15, darunter: II 224, aoRr: nach 22. April 1808, daneben: 14e lettre à Goethe, darunter Stempel: 14 | 1v über August ist weg:
22. April 1808 reiste er ab nach Heidelberg. Datierung: Terminus post quem aufgrund des Bezugsbriefes vom 20. April, Terminus ante quem aufgrund des Antwortbriefes vom 4. Mai. Beide Briefe werden etwa vier Tage unterwegs gewesen sein. (Vgl. Faselius 1805, S. 154 f.) D1: Steig 1922, S. 60–62; datiert: nach 27. April 1808. D2: Bergemann 1927, S. 215 f. (Nr. 20); datiert: nach dem 22. April 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 41 (14), S. 12; TD (kurzer Auszug); datiert: nach 22. April 1808. D4: B/WuB II, S. 604–606; datiert: nach 22. April 1808. DV: H.
1827
Zu Nr. 360
Erläuterungen 8 der Wahnsinn, seiner Jugend] Tasso war seit 1576 mit Unterbrechungen geisteskrank. 26 August ist weg] Am 22. April zum Studium nach Heidelberg. 26–27 Sinds nicht diese 〈…〉 gedenck an mich] Aus Maler Müllers Soldatenabschied (1776), erste Strophe, V. 3–5, leicht variiert:
Heute scheid’ ich, heute wandr’ ich. Keine Seele weint um mich. Sind’s nicht diese sind’s doch Andre, Die da trauern, wenn ich wandre: Holder Schatz, ich denk an dich. (Maler Müller 1811, Bd. II, S. 339.) 32–33 welches verflucht ist] Der sogenannte Fluch, der angeblich auf dem jüdischen Volk lastet, geht auf eine Stelle aus dem Matthäus-Evangelium zurück. Nachdem Pontius Pilatus die Verantwortung für die Kreuzigung Jesu von sich wies, soll das vor ihm versammelte Volk ausgerufen haben: Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder (Mt 27,25). Damit wurden die Juden für den Tod Jesu verantwortlich gemacht und ihre Verfolgungen legitimiert. 39–40 in Die Schachtel 〈…〉 Granaten befestigt] Beilage zu Nr. 349 (vgl. ebd. Z. 23–25).
361.
Von Philipp Carl Hoffmann nach Frankfurt Offenbach, 24. April 1808, Sonntag
B: –. A: –.. H: GSA 03/544. – Format: 1 Bl. ca. 227 × 189 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer und 1x längs, 1x quer in der Mitte gefaltet. – Papier: An den Rändern beschädigt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, Siegelrest. – WZ: J HONIG & ZOONEN. DV: H.
Erläuterungen 3
Und André antwortete] Vgl. Nr. 356,9–13 und Erl. 1828
Zu Nr. 362
362.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 24. April 1808, Sonntag
B: Nr. 358. A: Nr. 363. H: FDH 7259. – Format: 1 Dbl. ca. 221 × 184 mm; 1r-2v 3½ beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 111 × 143 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG. Beilagen: Zeitung für Einsiedler, Nr. 7 vom 23. April. Fremdeinträge: 1r aoRl: 214 v | Z. 27 über Hesekiel s 38 Steig: 35 | 2v auRr: 7259 | Kur aoR spätere Notiz Bs: Heid– 24 April 8. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 136 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 221 f. (Nr. A40). D3: WAA XXXIII, S. 365 f. (Nr. 752). DV: H.
Veränderungen 7 das] aus der 18 aus] au aus in 21 ereignete] r aus 〈x〉 21 Der Pfarrer] D aus 〈x〉 | Pfarrer über gestr. Inspector 22 und] danach gestr. ruft wäh 23 Verstorbenen] V aus F 24 Sein] S aus s 35 rieche] Schluß-e aus en 37 für Blumen] für aus dafür | Blumen üdZ eing.
Erläuterungen 3–4 Müllers Freundschaftsgeschichten] Vgl. Nr. 358,58–60 und Erl. sowie Nr. 318,56–61 und Erl. 7 das fatale Saufell] Anspielung auf die Homosexualität Johannes von Müllers, der im November 1807 zum Minister-Staatssekretär des neugegründeten Königreichs Westphalen ernannt worden war und den Arnim, der ihn persönlich kannte, aus anderen Gründen durchaus schätzte. Vgl. an den Bruder Carl Otto, 12. Januar 1808: Ueber Müller denken wir verschieden, ich finde
1829
Zu Nr. 362
in ihm eine sehr richtige Consequenz. Anhänglichkeit an jeden Herrn, dem er dient, und er dient ihm so lange, als der Herr etwas werth ist 〈…〉 Ich erkenne aber leider noch immer das alte Berlin an Deinem Urtheile über Müller, lernt doch von der gewaltigen Zeit, denn darin liegt keine Treue, und kein Charakter daß man sich gegen das Fremde die Ohren verstopft, sondern daß man es entweder mit Aufopferung überwindet oder es in sich aufnimmt (WAA XXXIII, Nr. 624,41–58). 20–21 Geisterhistorie 〈…〉 eine Stunde von hier] Die Geisterhistorie ereignete sich in Wieblingen, wo der Pfarrer Friedrich Peter Wundt am 13. März 1808 gestorben war. Arnim erzählt sie auch in seinem Text Erweckungen (vgl. zu Nr. 304,39–50), dessen Entstehungsterminus post quem sich aus dem Todesdatum Wundts ergibt. 27 Hesekiels 38,13] Vielmehr 35,13. 32 ein Stücklein Deines Geistes] In einer von Arnim umgearbeiteten Passage seines Fortsetzungsbeitrags Scherzendes Gemisch von der Nachahmung des Heiligen. Vgl. zu Nr. 319,16–17. 33–34 wunderliche Gesellschaft 〈…〉 Fortsetzung dieses Aufsatzes] Die Serie, die sich unregelmäßig bis Nr. 37 vom 30. August durch die Zeitung für Einsiedler zieht, enthält vor allem Gedicht- und Prosabeiträge Arnims, aber auch Auszüge aus Texten anderer Autoren. 37 Doktor] Dominikus Brentano. 37 der Marder] Vgl. Nr. 326,18–20.
363.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 25. April 1808, Montag
B: Nr. 362. A: Nr. 364. H: FDH 7423. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. je 228 × 190 mm; 1r-3v 6 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: I: auR eingerissen | II: aoR fleckig. – WZ: Jeweils: FHF. Beilagen: Nr. 361. Fremdeinträge: 1r aoRl: 215 v | 2v auRr: 7423 | 3r aoRl: 215 | 3v auRm:
7423. Datierung: Aufgrund des Aufführungsdatums von Cherubinis Medea (vgl. zu Z 14) und des datierten Antwortbriefes. D1: Steig 1912g, S. 554–556; TD (Märchen; dessen weitere separate Drucke werden nicht registriert).
1830
Zu Nr. 363
D2: Steig 1913, S. 137–139; nicht datiert. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 79, S. 22; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D4: Betz/Straub 1986, S. 222–226 (Nr. B39); datiert: 25. April 1808. D5: WAA XXXIII, S. 367–369 (Nr. 753). DV: H.
Veränderungen 21 jauchzen] z aus s 33 Benehmen] erstes n aus g 40 Es] aus das 44 erfüllt] e aus b 46 Weise] danach gestr. und Goldne 48 StoßAdler] danach gestr. und 48 und] üdZ 49 Falken] lk aus 〈xx〉 52 bekomme] danach gestr. 〈xxx〉 53 daß] d aus s 55 wäre,] danach gestr. sondern ihr Leib wuchs nur immer, 60 hart] r aus t 64 um] danach gestr. zu 66 da] danach gestr. s 68 seyn] danach gestr. und 74 seyn,] danach gestr. s 92 flochen] ch aus g 102 belehren] l aus h
Erläuterungen 6 durchfallenden Noten] Durchgehende unbetonte Noten. Sie bilden die Melodie zwischen zwei betonten Noten und sind nicht mit einem Akkord untersetzt. 14 Gestern 〈…〉 Medea von Cherubini] Am 24. April. (Vgl. Oven 1872, S. 116.) 39 ein Märgen] B hat das Märchen vom Königssohn selbst erfunden. Von ihrer Arbeit an dem Text zeugt eine ebenfalls umfangreiche Entwurfsversion (Nr. A.8). Wie Arnim ihr am 29. April antwortete (Nr. 367,7–10), verzichtete
1831
Zu Nr. 363
er auf eine Veröffentlichung in der Zeitung für Einsiedler, weil er fürchtete, sie würde als aktuelle Anspielung auf Mehrfachgeburten mißverstanden. Zu Bs Märchen vgl. Burwick 2010. 72 unwürschen] unwirsch: »unwerth, ungeachtet«; auch »verächtlich, schmählich, häszlich, böse, kläglich« (DWb XXIV, Sp. 2231). 102–103 was Du vom Noten Druck wissen willst] Vgl. Nr. 356,8–12 und Erl. 105–106 Goethe 〈…〉 gestern 〈…〉 wegen den Juden] Nr. 357. 109 wo der Einsiedel vorkömt] In einer in Arnims Scherzendem Gemisch von der Nachahmung des Heiligen im Zusammenhang mit der einer Niederschrift Bs nachgebildeten Passage: Ein alter Jude bemüht sich vergeblich, ein rechter Einsiedler zu werden. Vgl. Nr. 362,33–34 und Erl.
364.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 26. April 1808, Dienstag
B: Nr. 363. A: Nr. 366. H: FDH 7260. – Format: 1 Dbl. ca. 221 × 183 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 95 × 118 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 217 v | 2v auRr: 7260 | Kur aoR Notiz Bs: Heid 26 April 8, darunter andere H: 217. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 142 f. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 79, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986I, S. 230–232 (Nr. A41). D4: WAA XXXIII, S. 361 f. (Nr. 755). DV: H.
Veränderungen 14 15 16 17 23
nur] danach gestr. mit Artiges] über gestr. Gutes wie] aus 〈xxx〉 im] aus das nicht] n aus d 1832
Zu Nr. 364
36 41
er] idZ eing. sind] aus seyn
Erläuterungen 3 Gute Nachricht von meiner Großmutter] Durch Marie Elisabeth Köppen, Nachbarin von Caroline von Labes in Berlin, 19. April 1808: Die Le-
bensgefahr ist vorüber, und Sie schläft wieder gut, auch findet sich der Apetit zum Eßen, Nur noch große Schwäche, und daß sprechen geth noch nicht recht. (WAA XXXIII, Nr. 740,4–6.) 3–4 Clemens kommt auch bald!] Vgl. Nr. 358,5–7 und Erl. 20–21 das beste Kind 〈…〉 sechs Schreyhälse 〈…〉 Mährchen] Vgl. Nr. 363,39–101. 22 von der Fr Lenhardt] Vgl. Nr. 342,16–21. 24–25 Geschichte vom starken Hans 〈…〉 Christophel und der Siegfried] Reaktion auf Bs Brief vom 10. April (Nr. 348,33–38). Der starke Hans erinnerte Arnim vmtl. an den heiligen Christophorus durch seine große Gestalt und die Bereitschaft, ohne Zorn und Widerspruch zu dienen, an den Siegfried des Nibelungenlieds durch die Fähigkeit, alle zu seinem Verderben ersonnenen Aufgaben mit übermenschlicher Kraft zu bewältigen. 25–26 Im Prometheus 〈…〉 Anfang der Pandora gelesen] Vgl. Nr. 348,39–40 und Erl. 26 Fortsetzung der Eugenie] Goethes Trauerspiel Die natürliche Tochter war Ende 1803 im Tübinger Taschenbuch auf das Jahr 1804 als erster Teil einer geplanten Trilogie erschienen, die jedoch nicht fortgesetzt wurde. Das Stück war unter dem Titel Eugenie – nach dem Namen der Protagonistin – uraufgeführt worden. 29 Der junge Göthe ist angekommen] August von Goethe wurde am 26. April in Heidelberg als stud. iur. immatrikuliert. (Vgl. Steig 1912d.) 29–30 den Vossen in die Hände gefallen] Johann Heinrich Voß war von Jena her, von wo er im Juli 1805 nach Heidelberg übersiedelte, mit Goethe gut bekannt, und der älteste Sohn Heinrich Voß war dem Vater im November 1806 an den Neckar gefolgt. Voß junior war 1804 zum Professor am Weimarer Gymnasium ernannt worden und oft bei Goethe zu Gast gewesen. Daher hatte August von Goethe in Heidelberg mit der Familie Voß nahen Umgang. 31 zum Essen zu Zimmer] Zur Tischgesellschaft des Verlegers. Vgl. Nr. 294,44–47 und Erl.
1833
Zu Nr. 364
31–32 lebendiger als in des Vaters Hause] Als Arnim vom 8. bis 11. November 1807 mit B in Weimar war. 38 mein Theologe] Georg Heinrich Moser. Vgl. Nr. 346,16 und Erl.
365.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 26. April 1808, Dienstag
B: –. A: Nr. 367. H: FDH 7424. – Format: 1 Dbl. (I) + 2 Bl. (II, III) je ca. 227 × 189 mm; 1r-4r 7 beschr. S.; 4v Adresse; 2x längs, 3x quer gefaltet. – Papier: Tintenfraß | III verknittert, eingerissen, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, überklebt, 4v rote Siegelreste. – WZ: I: J HONIG & ZOONEN | II: oberer Teil von bekröntem Posthornschild | III: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 216 v | 3r aoRl: 216 | 4r aoRl: 216. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung im vorhergehenden Brief: Adieu die Post geht ab; morgen das Ende (Nr. 363,101). D1: Steig 1912g, S. 554–556, TD (Märchen; weitere separate Drucke werden nicht registriert). D2: Steig 1913, S. 140–142; nicht datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 226–230 (Nr. B40); datiert: 26. April 1808. D4: WAA XXXIII, S. 372–375 (Nr. 757). DV: H.
Veränderungen 12 12 12 13 20 22 22 25 30 43
hört.] danach gestr. und wenn] danach gestr. , in] aus d fragt] g aus ch unruhig] danach gestr. sein ruhig] über gestr. still ihre] aus die spührt] davor gestr. ver ihr] danach gestr. mit hat] t aus 〈x〉 1834
Zu Nr. 366
63 spiegelt] g aus lt 72 die] danach gestr. 6 77 bereiten,] danach gestr. daß 80 der] danach gestr. Alt 82 und] danach gestr. Gar 90 Die] davor gestr. Aber 101 wie] üdZ eing. 104 Sprach] danach gestr. weil 106 Haupt,] davor verschrieben und gestr. Haupt | danach gestr.
das soll
heisen er will ihr König seyn 108 Ich] I aus i 112 das] aus 〈xxx〉 Erläuterungen 2
Da wuchsen die Kindlein] Vgl. Nr. 363,39–101 und Erl.
366.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 27. oder 28. April 1808, Mittwoch oder Donnerstag
B: Nr. 364. A: Nr. 367. H: FDH 7425. – Format: 1 Bl. (I) + 1 Dbl. (II) je ca. 226 × 190 mm; 1r-3r 4¾ beschr. S.; 3v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, 3v roter Siegelrest. – WZ: I: J HONIG & ZOONEN | II: bekrönter Posthornschild, | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 218 v | 2r aoRl: 218 | 3v aoRr: 7425. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Nach dem Bezugsbrief vom 26. und vor dem Antwortbrief vom 29. April. D1: Steig 1912g, S. 556 f.; TD (Märchen; weitere separate Drucke werden nicht registriert). D2: Steig 1913, S. 143–146; nicht datiert. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 79, S. 22; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D4: Betz/Straub 1986, S. 232–235 (Nr. B41); datiert: April 1808. D5: WAA XXXIII, S. 376–378 (Nr. 758). DV: H.
1835
Zu Nr. 366
Veränderungen 6 kränkt] danach gestr. b 17 so] danach gestr. 〈xxx〉 29 in] i aus a 39 und] danach gestr. bringt 42 in] üdZ eing. 49 Hans] danach gestr. ge 59 Wasser] danach gestr. l 68 Morgen] davor gestr. wieder | danach gestr. , 72 und] danach gestr. 〈xxx〉 75 die] üdZ 81 Holz,] danach gestr. bis sie 81 all] danach gestr. g 82 berg] in Skizze hineingeschrieben 89 weiß] Schluß-t gestr.
Erläuterungen 9 Savignys Kindgen] Das Söhnlein Franz. 16 Bettingen] Die Tochter Bettina. 18 Verweis darüber gabst] Vgl. Nr. 334,19–22. 19 Clemens 〈…〉 wieder sah] Brentano, der seine Frau Auguste nach Allendorf gebracht hatte, unterbrach die Weiterreise nach Heidelberg in Frankfurt, wo er am 25. abends eintraf und am 26. morgens weiterreiste. Am 26. abends oder am 27. wird er in Heidelberg eingetroffen sein. (Berechnung nach Brentanos Reisebericht an Jacob und Wilhelm Grimm, 7. Mai 1808; FBA XXXII, S. 62 f.) 22 Das Märchen ist von mir] Also nicht von Savignys Kinderfrau Marie Lehnhardt. Antwort auf Arnims Frage Nr. 364,21–23. 26 Die Geschichte von Hans ohne Bart] Vgl. Nr. 348,33–34 und Erl. 61 Fleischarden] Das seltene Wort (im DWb nicht belegt) auch in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde: Fleischmulde (mundartlich). Vgl. B/W I, S. 374 und Erl. 93 Arnold 〈…〉 Sagen aus dem vogesischen Gebürg versprochen] Johann Georg Daniel Arnold, der sich im letzten Aprildrittel in Frankfurt aufhielt, hatte B eine Version der Legende von der Heiligen Odilia erzählt, schickte ihr jedoch nichts, da er erkrankte. Vgl.: Nr. 358,78–79 und Erl.; Nr. 373,24–56.
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Zu Nr. 367
367.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 29. April 1808, Freitag
B: Nr. 365, 366. A: Nr. 370. H: FDH 7261. – Format: 1 Dbl. ca. 229 × 184 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 112 × 140 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 219 v | 2v auRr: 7261 | Kur Notiz Bs: 29 April 8. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 146 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 79, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 235–237 (Nr. A42). D4: WAA XXXIII, S. 378–380 (Nr. 759). DV: H.
Veränderungen 5 sie] s aus d 9 jezt] üdZ eing. 15 heme] he aus wi 20 mir] danach gestr. 〈xxx〉 21 von] v aus d 21 Paris] P aus 〈x〉 22 durch] danach gestr. nach 25 mich] danach gestr. nie 25 niemals] üdZ eing. 36 ihnen] i aus I 37 nun] u aus 〈x〉
Erläuterungen 5 eine böse Sieben] Sprichwörtlich. »Von bösen Eheweibern, wie von bösen Personen überhaupt« (Wander IV, Sp. 553, Nr. 21). 7–8 Zwillingen 〈…〉 Pr. Fries geboren] Am 19. April. Vgl. Jakob Friedrich Fries’ Erinnerung: Karolinens zweite Niederkunft mit zwei Mäd-
chen, die wir Fanny und Betty nannten; Fanny die stärkere verloren wir aber schon in vierzehn Tagen wieder; hingegen die schwächliche 1837
Zu Nr. 367
kleine Betty gedieh anfangs bei einer Amme recht gut. (Fries 1867, S. 115.) 10–12 Eine dieser Geschichten 〈…〉 Göthe schreiben, der 〈…〉 Judengeschichten von Dir haben will] Die von Arnim im folgenden berichtete Judengeschichte teilte B Goethe nicht mit, weil er keine Anekdoten von ihr erwartete, sondern publizistische und amtliche Veröffentlichungen zur Emanzipation der Juden im zum Rheinbund gehörenden Frankfurt und im napoleonischen Königreich Westphalen. Zuletzt hatte er B am 20. April um die von Karl Friedrich von Dalberg, dem Fürstprimas des Rheinbundes, erlassene
Neue Stättigkeit- und Schutz-Ordnung der Judenschaft zu Frankfurt am Main gebeten (Nr. 357,22–23). Über diese Bitte hatte B Arnim am 25. April pauschal mitgeteilt, Goethe habe wie^der wegen den Juden an sie geschrieben (Nr. 363,105–106), und auch ihrem Bruder Clemens, der sie in Frankfurt kurz besucht hatte, bevor er zu Arnim nach Heidelberg weiterreiste (vgl. Nr. 366,19–21 und Erl.), wird sie nur allgemein über Goethes Wunsch berichtet haben, so daß beide mißverstanden, was dieser wollte. 18–19 Von meiner Großmutter 〈…〉 Brief] Vom 21.–23. April 1808 (WAA XXXIII, Nr. 747). 20–22 ein Onkel 〈…〉 von Paris 〈…〉 bis Weinheim] Hans von Schlitz hatte in Paris als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister des Herzogtums Mecklenburg-Strelitz über den Beitritt des Landes zum Rheinbund verhandelt. Die Beitrittsverhandlungen waren im März 1808 mit einem von dem französischen Außenminister Jean-Baptiste Nompère de Champagny einerseits, von Schlitz andererseits unterzeichneten Beitrittsvertrag abgeschlossen worden (veröffentlicht in Der Rheinische Bund, hg. von Peter Adolph Winkopp, 17. Heft, Mai 1808, S. 320–322), am 6. April hatte Herzog Carl von Mecklenburg-Strelitz den Beitritt bekanntgemacht. Nach Abschluß der Verhandlungen traf sich der zurückreisende Onkel mit Arnim, der ihn auf der Weiterreise nach Frankfurt bis etwa 15 km nördlich von Heidelberg begleitete. Aus Karstorf, dem mecklenburgischen Gut des Onkels, hatte Arnim im April und Mai 1806 (Nr. 176, 179) an B geschrieben. 27–29 keinen 〈…〉 Grus an Dich auftragen 〈…〉 dort beschäftigt war] B traf Schlitz aber doch in Frankfurt. Vgl. Nr. 370,4–6. 31 die Zeitung] Die Zeitung für Einsiedler. 32 daß die alte Göthe 〈…〉 producirte] Goethes Mutter bringe täglich einen Beitrag in die Öffentlichkeit bzw. auf den Markt (lat. produco). 35 Voigts Arbeiten] Niklas Vogt betätigte sich in Frankfurt nicht nur künstlerisch (vgl. Nr. 295,55–66 und Erl.), sondern auch publizistisch im Sinne der Dalbergschen Reformen, setzte die seit 1804 erscheinenden Europäischen
1838
Zu Nr. 367
Staats-Relationen (bis 1809) fort und arbeitete an Schauspielen zur rheinischen Geschichte. 1808 erschien seine Historische Darstellung des europäischen Völkerbundes. 35–36 Molitors, weist Du etwas von ihnen?] Bs Kenntnis von Schriften Molitors erhellt aus ihren Sendungen an Goethe, dem sie zunächst Einige Worte ueber Erziehung mit besonderer Hinsicht auf das jüdische Philanthropin zu Frankfurt am Main geschickt hatte (vgl. Nr. 340, Beilagen) und danach den Aufsatz Ueber bürgerliche Erziehung, mit besonderer Hinsicht auf das jüdische Schulwesen in Frankfurt (vgl. Nr. 349, Beilagen und Besonderheiten). Vgl. Nr. 352,41–53. 36 Auf Arnolds Mährchen 〈…〉 begierig] Vgl. Nr. 366,93–94 und Erl. 37 von Runge] Philipp Otto Runge hatte den Heidelberger Verleger Johann Georg Zimmer bereits mit einem Brief vom 24. Januar 1806 die plattdeutschen Märchen Von dem Fischer un syner Fru und Von dem Machandelboom geschickt. Arnim veröffentlichte Von den Machandel Bohm in der Zeitung für Einsiedler, Nr. 29 und 30 vom 9. und 12. Juli 1808, unter Zugrundelegung der Rungeschen Sendung, verzichtete jedoch auf die Mitteilung des Märchens Von dem Fischer un syner Frau, auch nachdem er es nochmals mit einem Brief Friedrich Heinrich von der Hagens vom 10. Mai 1808 (WAA XXXIII, Nr. 781) erhalten hatte. Ende 1808 machte Arnim in Kassel beide Märchen den Brüdern Grimm zugänglich, die sie in ihre Kinderund Hausmärchen aufnahmen. Die Niederschriften Runges sind verschollen. (Vgl. Rölleke 2008.) 37–39 Savigny 〈…〉 Briefen der Mamselle Cujare 〈…〉 in Paris abgeschrieben] Arnim hatte Savigny vmtl. am 20. April 1808 (WAA XXXIII, Nr. 745) gebeten, ihm etwas von den Briefen der Tochter Susanne des französischen Juristen Jacques de Cujacius (eigtl. Cujas), von denen Savigny während seines Paris-Aufenthalts 1805 Abschriften angefertigt hatte, oder andere Beiträge zur Zeitung für Einsiedler zu schicken, doch Savigny trug nichts zu ihr bei. 40–41 mancherley 〈…〉 gesprochen an ihn] In einem Brief vom 1. April 1808 (WAA XXXIII, Nr. 712). 48–49 Wilhelm Meister 〈…〉 Mariane liebte] Mariane ist in Wilhelm Meisters Lehrjahren die vom Titelhelden geliebte Schauspielerin. 49–50 Milesierin und Persianerin] B als Geschichten- und Märchenerzählerin; nach den Milesiaka (Milesischen Geschichten), einer Sammlung erotischer Geschichten des Aristeides von Milet, die nur vom Hörensagen bekannt ist, und den persischen Märchen in Tausendundeiner Nacht.
1839
Zu Nr. 368
368.
An Johann Daniel Engelhard in Kassel Frankfurt, vmtl. Ende April/Anfang Mai 1808
B: Nr. 307. A: Nr. 374. H: BJ Autographa. – Format: 2 Bl. je ca. 224 × 192 mm; 1r-2r 2¼ beschr. S.; Faltung nicht erkennbar. – Papier: Stark verknittert. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r auR: 1928.109, Stempel: Preuß. Staatsbibliothek Ber-
lin. Datierung: Engelhard beantwortete Bs undatierten Brief am 5. Mai. Er wird dies, wie der Beginn der Antwort nahelegt, umgehend getan haben und Bs Brief etwa zwei Tage unterwegs gewesen sein. D1: Steig 1912a, S. 299 f. DV: H.
Veränderungen 13 seyn!] ! aus , 25 sie] danach gestr. als 31 –] aus pp 42–43 erscheinung] erstes 47 über] danach gestr. die
e aus d
Erläuterungen 1–4 So freue dich 〈…〉 Prediger: 12. C. V. 9] Korrektes Zitat, falsche Kapitelangabe (Prediger Salomo 11,9). 16 gemeinen] Vgl. zu Nr. 141,13. 30–32 »Ich bin 〈…〉 zu Muthe«] Zitate aus Engelhards Brief vom 8. und 16. Januar 1808 (Nr. 292,2–3+7–8+45). 39 spindisire] Vgl. Nr. 241,44 und Erl. 46 Planen] Um 1800 übliche, nicht umgelautete Pluralform. (Vgl. DWb XIII, Sp. 1886.) 48–49 »die Caledonischen Eißgebürge« 〈…〉 Caledonien] Vgl. Nr. 292,11 und Erl. 55 die Schwestern] Louise und Philippine Engelhard. (Vgl. Stummann-Bowert 1995, S. 49.)
1840
Zu Nr. 370
*369. Von Georg Daniel Arnold nach Frankfurt Koblenz, Ende April/Anfang Mai 1808 B: –. A: –. Datierung: Arnold, der Savigny am 29. April 1808 mitteilte, daß er an B schreibe, wird damit bald nach seinem Brief an Savigny fertig geworden sein, da B Arnim um den 5. Mai von Arnolds Brief berichtete. (Vgl. die beiden Belegbriefe.)
370.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 30. April, 1. oder 2. Mai 1808, Sonnabend– Montag
B: Nr. 367. A: Nr. 371. H: FDH 7426. – Format: 1 Bl. ca. 250 × 205 mm; 1r beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, brüchig, Ränder stark beschädigt (mit Textverlust). Beilagen: Brief Christian Schlossers an Arnim (WAA XXXIII, Nr. 763) nebst Schlossers Gedicht Apoll, erschienen in Zeitung für Einsiedler, Nr. 13 vom 14. Mai mit der Arnimschen Fußnote: Dieses Gedicht ist ursprünglich be-
stimmt, in einen Cyklus griechisch-mythologischer Darstellungen einzutreten. (Vgl. WAA VI, S. 153–156.) Der geplante Cyklus ist nicht erschienen. Fremdeinträge: 1r aoRl: 210 v.; 1v auRr: 7426. Datierung: Zwischen Arnims datierten Briefen vom 29. April und 3. Mai. D1: Steig 1912c, S. 234 f.; TD. D2: Steig 1913, S. 147; nicht datiert. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 79, S. 22; TD (kurzer Auszug). D4: Betz/Straub 1986, S. 238 (Nr. B42); datiert: Anfang Mai?. D5: WAA XXXIII, S. 382 f. (Nr. 764). DV: H.
Veränderungen 12 12
der] danach gestr. 〈xx〉 heilige] g aus ch 1841
Zu Nr. 370
Erläuterungen 2 Wasserblattern] Auch Wasserblase(n), »krankhafte kleine geschwulst mit wässerigem inhalt« (DWb XXVII, Sp. 2369). 4 Deinen Oncle 〈…〉 beim Fürsten] Hans von Schlitz, der von Mannheim über Heidelberg nach Frankfurt gereist war (vgl. Nr. 367,20–22 und Erl.), beim Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg. 11–12 der Anfang 〈…〉 aus: Gränzen der Menschheit 〈…〉 heilige Vater pp:] Die Gedichte Schlossers und Goethes beginnen mit den Strophen:
Apoll Wenn aus Aurorens Purpurgewölken, Die Düfte theilend Mit der Strahlen Gewalt, Phöbos, der Herrliche, tritt, Daß die goldnen Locken Im Sturme flattern, Daß unter dem leuchtenden Fuße Wonnig die Erde bebt, Und mit der Blumen thauigem Blick, Mit den befiederten Kehlen, Und der Sterblichen neuerwachtem, regen Gewühl, Schmachtend, seiner Fülle sich entgegendrängt:
Grenzen der Menschheit Wenn der uralte Heilige Vater Mit gelassener Hand Aus rollenden Wolken Segnende Blitze Über die Erde sät, Küß ich den letzten Saum seines Kleides, Kindliche Schauer Treu in der Brust.
(WAA VI, S. 153.) (Goethe/MA II/1, S. 45 f.) 12–14 das Mittelstück 〈…〉 Iphigenie 〈…〉 auf Wolken stühlen sizen] Die beiden Mittelstrophen Schlossers und die vierte und fünfte Strophe des Lieds der Parzen in Iphigenie auf Tauris (V/4) lauten:
Apoll Sieh! Er wandelt, Von ihr unbewegt, Den ewigen Gang; Sendet die glühenden Pfeile Aus belebendem Köcher Segnend zur Tiefe herab;
Lied der Parzen Sie aber, sie bleiben In ewigen Festen An goldenen Tischen. Sie schreiten vom Berge Zu Bergen hinüber: Aus Schlünden der Tiefe
1842
Zu Nr. 370
Oder verbirgt sie, Dampft ihnen der Atem Nach seinem Gefallen, Erstickter Titanen, Schlaff das Feuergeschoß, Gleich Opfergerüchen In der Wolken dunkler Umhüllung.Ein leichtes Gewölke. Denn um der Erde Es wenden die Herrscher Dürftige Kinder Ihr segnendes Auge Lebt unbekümmert Von ganzen Geschlechtern, Der Himmlischen Chor; Und meiden, im Enkel Ob in dem engen Busen, Die eh’mals geliebten, Taumelnd vor Seligkeit, Still redenden Züge Das Herz in flüchtiger Wonne Des Ahnherrn zu sehn. rast: Oder zum Abgrund geneigt, In den finstern Gewalten, Blutig die Thräne dem Aug’ entstürzt: Sie spotten seiner. Sitzend da droben Am schwellenden Mahl, Wo ewige Freude den Saal durchrauscht, Wo, von Schmerz unbedrängt, Nicht kennend die Sehnsucht, Hebe den Nektar vollschäumender Jugend schenkt! (WAA VI, S. 153 f.) (Goethe/MA III/1, S. 208.) 14–15 das ende 〈…〉 Euripides 〈…〉 nicht zu nennen weiß] Unmittelbare Parallele zum Schluß von Schlossers Gedicht in einem der beiden IphigenieDramen Euripides’ nicht ermittelt. Vgl. Arnims Antwort (Nr. 371,4–8). 22 Friedrich Schlegel 〈…〉 gesehen der hier durchreißt] Friedrich Schlegel hatte Köln am 29. April verlassen, nachdem er dort am 16. April mit seiner Frau Dorothea zum katholischen Glauben konvertiert war. Er reiste zunächst nach Frankfurt, wo er sich einige Tage aufhielt. Da er und B, seinem Brief an Arnim vom 8. Juni 1808 zufolge, sich nur eine Viertelstunde des letzten Tages sahen (WAA XXXIII, Nr. 803,13–19) und B ihren Brief Ende April/Anfang Mai schrieb, werden sie sich damals flüchtig kennengelernt haben. Von Frankfurt fuhr Schlegel nach Weißenfels zu seinem Freund Karl von Hardenberg und von dort am 11. Mai nach Dresden zur Schwester Charlotte
1843
Zu Nr. 370
Ernst. In Dresden traf er Ende Mai/Anfang Juni mit Frau von Staël und dem Bruder August Wilhelm, die von Wien kamen, zusammen. Am 22. Juni kam er in Wien an. (Vgl. Körner 1926, S. 484, 488 f.) Dort wollte er die Bücherund Handschriftenschätze der Hofbibliothek für eine Geschichte Österreichs und einen Dramenzyklus über Karl V. benutzen. Diese Werke kamen nicht zustande, aber Schlegels Reisejahre fanden mit der Ankunft in Wien, wo er im April 1809 als Hofsekretär angestellt wurde, ein Ende.
371.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 3. Mai 1808, Dienstag
B: Nr. 370. A: Nr. 373. H: FDH 7262. – Format: 1 Dbl. ca. 221 × 185 mm; 1r-2r 2¼ beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 114 × 143 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Beilagen: Zeitung für Einsiedler, Nr. 10 vom 4. Mai. Fremdeinträge: 1r aoRl: 221 v, aoRr: 44 | 2v auRr: 7262 | Kur aoR Notiz Bs:
3 May 8. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1912c, S. 235; TD. D2: Steig 1913, S. 148. D3: Betz/Straub 1986, S. 239 (Nr. A43). D4: WAA XXXIII, S. 386 (Nr. 768). DV: H.
Veränderungen 21 22
bildsamen] i nachträgl. idZ weil] il aus lch
Erläuterungen 9
daß es bald erscheinen würde] Vgl. Nr. 370 (Beilagen).
1844
Zu Nr. 372
15 auf dem Lande] In Allendorf bei Pfarrer Mannel. Vgl. Nr. 341,13–16 und Erl. 17 Onkel] Hans von Schlitz.
372.
Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Weimar, 4. Mai 1808, Mittwoch
B: Nr. 360. A: Nr. 384. H: PML/Heineman Coll. MA 6907 MS Goethe-Bettina 1,9. – Format: 1 Dbl. ca. 268 × 185 mm; 1r beschr.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. – WZ: Schießender Jäger vor Baum und springender Hirsch vor Baum jeweils in blätterverziertem Rahmen. Fremdeinträge: 1r aoRl: 56, darunter: Vgl I 222, aoRr Stempel: 5. Postzeichen: Stempel: R.4.WEIMAR. D1: Loeper 1879, S. 170 f. (Nr. 4). D2: WA IV, Bd. 20, S. 60 f. (Nr. 5535). D3: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 168 f. (Nr. 7). D4: Steig 1922, S. 62 f. D5: Bergemann 1927, S. 216 (Nr. 21). D6: Kat. Henrici 148, S. 19 (Nr. 46); TD (kurzer Auszug). D7: B/WuB II, S. 606 f. DV: H.
Veränderungen 19
mir] üdZ eing.
Erläuterungen 1 der durchreisende Passagier entfernt] August von Goethe von Frankfurt am 22. April zum Studium nach Heidelberg. 7–8 Fürsten Primas 〈…〉 Fest gegeben] Nicht Carl Theodor von Dalberg, der Fürstprimas, hatte ein Fest gegeben, sondern die Offiziere des Frankfurter Bürgermilitair-Corps hatten zu Ehren Dalbergs, der am 18. März von lang-
1845
Zu Nr. 372
wierigen und wenig erfolgreichen Verhandlungen in Paris nach Frankfurt zurückgekehrt war, am 18. April im Schauspielhaus einen Ball veranstaltet, bei dem über 2200 Personen anwesend waren. (Vgl. Hömig 2011, S. 431.) Goethes Mutter berichtete ihrer Schwiegertochter Christiane am 22. April: das
Fest das unsere Bürgerliche Offizire dem Primas gaben das war – das war so geschmack voll, so schön und prächtig – und sucht seines gleichen – Bethmann verschaffte Ihm ein Billiet – Bey unserm Fürsten hat Er nebst mir gespeißt – der Fürst tranck meines Sohnes gesundheit und war gantz allerliebst (Köster 1904, Bd. II, S. 179). August von Goethes Erinnerung an das Fest notierte Eckermann am 6. Februar 1830 (Bergemann 1968, S. 640). 13–14 seine wunderliche Zeitung geschickt] Anfang der Zeitung für Einsiedler mit Brief vom 1. April (WAA XXXIII, Nr. 712), in Goethes Tagebuch erst am 21. April bestätigt (WA III, Bd. 3, S. 329). 15–16 in Carlsbad 〈…〉 von mir hören] Goethe, der am 15. Mai in Karlsbad ankam, schrieb von dort nicht an Arnim, bat jedoch B am 22. Juni (Nr. 390), ihn zu grüßen, wobei er sich ausführlicher über die Zeitung für Einsiedler äußerte. 17 Granaten] In Bs Sendung an Christiane vom 10. April (Nr. 349 [Beilagen]).
373.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, etwa 5. Mai 1808, Donnerstag
B: Nr. 371. A: Nr. 376. H: FDH 7427. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. 226 × 190 mm; 1r-3r 4½ beschr. S.; 3v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | J HONIG & ZOONEN | II: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 222 v | 2v auRr: 7427 | 3r aoRl: 222 | 3v auRr:
7427. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Mindestens einen Tag nach dem Bezugsbrief vom 3. Mai, Tage (Nr. 376,3) vor dem Antwortbrief vom 10. Mai. D1: Steig 1912g, S. 558; TD. D2: Steig 1913, S. 148–150; nicht näher datiert. D3: Betz/Straub 1986, 240–242 (Nr. B43); datiert: Mai 1808.
1846
einige
Zu Nr. 373
D4: WAA XXXIII, S. 387–389 (Nr. 770). DV: H.
Veränderungen 8 Du] üdZ 21 denn] aus die 22 es] danach gestr. das 31 großen] über gestr. reichen 38 Einsiedler] E aus e | davor gestr. Wald 44 es] nachträgl. idZ 45 seine] am Schluß gestr. n 51 Wald,] danach gestr. man 57 gefällt] danach gestr. , da 58 dem] aus jedem | danach gestr. geringen 59 und] danach gestr. bett 69 habe] danach gestr. in seinen
Erläuterungen 5–6 an den Rhein] Auf das Brentanosche Gut in Winkel im Rheingau. 21 lezte Blatt des Einsiedlers] Nr. 10 vom 4. Mai. 22 das Lied von der Zauberin] Eine der Romanzen bzw. eine Vorstufe von ihnen zu der umfangreichen, aus einer Vorrede und acht Romanzen bestehenden Verserzählung Nelson und Meduse, in der Meduse eine zauberische Tänzerin und Sängerin ist, die den britischen Admiral Nelson umgarnt; und zwar vmtl. eine Version der vierten Romanze, von der zwei handschriftliche Fassungen überliefert sind (vgl. Ricklefs 1980, Nr. 972 und 1849). Die Verserzählung erschien nicht in der Zeitung für Einsiedler, sondern 1809 im Wintergarten (Fünfter Winterabend), und darin lauten die beiden ersten Strophen der vierten Romanze:
Knaben, Knaben, laßt euch warnen, Ihr verseht euch, seht ihr hin Auf den Fuß der Tänzerin, Künstlich kann sie euch umgarnen, Denn die Füße Netze stricken, Wo die bunten Lampen blicken. 1847
Zu Nr. 373
Zauberei müßt ihr nicht hören, Sinkt nicht in die Töne ein, In den weichen süßen Wein, Auch die Nachbarn müßt ihr stören, Denn nur Drängen, Witz und Lachen Striche durch die Rechnung machen. (Arnim/W III, S. 255 f.) Vgl. Nr. 600,73–75 und Erl. 24 Arnold schreibt uns] Vgl. Nr. *369. 25–26 die Sagen und Märchen 〈…〉 versprochen] Vgl. Nr. 366,93 und Erl. 28 von einem König 〈…〉 blinde Tochter hat] B teilt eine Version der Legende von der Heiligen Odilia mit, aufgezeichnet um 900 in der anonymen Vita Odiliae Abbatissae Hohenburgensis. (Vgl. Krohn 2002.) Die Schutzheilige der Augenkranken war die erste Äbtissin des von ihrem Vater Eticho auf der Hohenburg (bei Barr südwestl. von Straßburg) gegründeten, später nach ihr benannten Klosters Odilienberg. Arnim, der B im Antwortbrief auf die Odilienlegende hinwies, gab diese in der Zeitung für Einsiedler, Nr. 32 vom 20. Juli, unter dem Titel Von Sante Otilien Leben nach Jakob Twinger von Königshofens Lombardica Historia wieder. (Vgl. WAA VI, S. 395–399 und Erl.) 66 Oncle] Hans von Schlitz.
374.
Von Johann Daniel Engelhard nach Frankfurt Kassel, 5. Mai 1808, Donnerstag
B: Nr. 368. A: –. H: BJ Autographa. – Format: 1 Dbl. ca. 237 × 187 mm; 1r-1v 2 beschr. S.; 1x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn. – WZ: Bekrönter Posthornschild | C & I HONIG. Beilagen: Skizze eines Gartenhauses für B. Nicht bekannt. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: PREUSS. STAATSBIBLIOTHEK ACC. MS 1928.109., aoRr: 5 Mai 1808, darunter: [Wilhelm Grimms Hs] Steig. | 1v Unterschrift vervollständigt | 2r auR mit Blei: Engelhardt / Architect (der Wahlverwandtschaften) H-G., darunter Steig mit Tinte: Die Bleistiftbemerkung [ist Herman Grimms Handschrift] Steig, Graudenz 6. August 1912. D1: Steig 1912a, S. 301 f. DV: H.
1848
Zu Nr. 375
Veränderungen 20 31
dabey] bey üdZ irgend] üdZ eing.
Erläuterungen 5 Göthes Landhauß vollendete] Vgl. Nr. 292,31–40 und Erl. 11–12 wo 〈…〉 es Ihnen 〈…〉 gefallen hat] Reminiszenz an Bs Kassel-Aufenthalt im ersten Halbjahr 1807. 26 mein Portrait] Nicht identifiziert. 34–35 Lied der Mignon 〈…〉 componirt haben] Bs Vertonung von Nur wer die Sehnsucht kennt; nicht bekannt. 35–36 wo Grimm ihr Portrait mahlte] Vmtl. Ludwig Emil Grimms Aquarell Bs im roten Kleid, entstanden während ihres Kassel-Aufenthalts im Dezember 1807. (Vgl.: Koszinowski/Leuschner 1990, Bd. I, Nr. P30, S. 35 f.; Bunzel 2009, S. 30 f.)
375.
An Johann Wolfgang von Goethe in Weimar Frankfurt, 7. oder 8. Mai 1808, Sonnabend oder Sonntag
B: –. A: –. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Dbl. + 1 Bl. je ca. 230 × 192 mm; 1r-3r 4¼ beschr. S.; 3v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, 3v Siegelreste. – WZ: FHF. Beilagen: Perlen. Vgl. Z. 60 und Erl. Fremdeinträge: 1r aoRl: 16a, aoRr: 16e lettre à Goethe, Stempel: 15, daneben: A | 3r aoRl: 16b, aoRr Stempel: 15, daneben: B. Besonderheiten: Den Brief nahm der zur Leipziger Messe reisende Verleger Johann Georg Zimmer nach Weimar mit, wo er jedoch den bereits nach Karlsbad abgereisten Goethe nicht mehr antraf, so daß er Brief und Geschenk im Haus am Frauenplan abgab, von wo sie Goethe nach Karlsbad nachgeschickt wurden. Vgl. dessen Tagebuch, 7. Juni 1808: Brief von Bettine Brentano. (WA III, Bd. 3, S. 343.)
1849
Zu Nr. 375
Datierung: Am 7. Mai berichtete Brentano aus Heidelberg den Brüdern Grimm, daß Zimmer jezt nach Leipzig geht (FBA XXXIII, S. 64,32). Etwa am 12. Mai schrieb B an Arnim, sie habe Zimmer bei seiner Durchreiße in Frankfurt etwas für Goethe mitgegeben, damit Zimmer seine Begierde ihn zu sehen und zu sprechen um so eher befriedigen könne (Nr. 378,12–13). Da B Goethes Brief vom 4. Mai noch nicht erhalten hat und die Post zwischen Weimar und Frankfurt vier Tage unterwegs war (vgl. Faselius 1805, S. 154 f.), wird sie ihren Brief am 7. oder 8. Mai geschrieben haben. D1: Steig 1922, S. 64–66; datiert: Anfang Mai 1808. D2: Bergemann 1927, S. 216–218 (Nr. 22); datiert: nach dem 7. Mai 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 41 (15), S. 12; TD; datiert: nach 7. Mai 1808. D4: B/WuB II, S. 607 f.; datiert: nach 7. Mai 1808. DV: H.
Veränderungen 14 17 17 46
Du] D aus d Probe] P aus H Dirs!] ! aus , gewagt] g aus ch
Erläuterungen 5 Überbringer dieses] Vgl. Datierung. 13–15 Elsermann 〈…〉 beym Abschied] Die Schauspielerin Beate Elsermann war am 10. November 1807 wie B mittags bei Goethe (vgl. WAA III, Bd. 3, S. 294). B verließ Weimar am nächsten Tag. 19–20 wie befinden sich die Juden] Vgl. zuletzt Nr. 357,15–29. 25–27 In 4 bis 5 Tagen 〈…〉 Günderode ihr Leben geendet hat] Die Abreise nach Winkel im Rheingau, wo Franz Brentano 1806 ein Gut erworben und Caroline von Günderrode sich am 28. Juli desselben Jahres erdolcht hatte, erfolgte am 18. Mai (vgl. Nr. 379). 39–41 Cherubini Medea 〈…〉 herrlich aufgeführt] Die Oper (Uraufführung 1797) wurde am 24. April 1808 in Frankfurt gegeben. (Vgl. Oven 1872, S. 116.) 50 das August sie nicht mehr sah] Da er am 22. April abgereist war.
1850
Zu Nr. 376
60 Chinesische Früchte] Vgl. die fingierte Antwort in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde: Schachtel voll der schönsten Liebesäpfel 〈…〉, an goldnen Ketten zierlich aufgereiht (B/WuB II, S. 199). B hatte »die Perlen einer besonderen chinesischen Flußperlmuschel übersandt, wie sie in China seit dem Altertum als Schmuck getragen, aber auch als Amulett benutzt wurden« (ebd., S. 1024).
376.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 10. Mai 1808, Dienstag
B: Nr. 373. A: Nr. 378. H: FDH 7263. – Format: 1 Dbl. ca. 237 × 188 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. Fremdeinträge: 1r aoRl: 223 v | 2v auRr: 7263. D1: Steig 1913, S. 150 f.; TD. D2: Betz/Straub 1986, S. 242–244 (Nr. A44); TD. D3: WAA XXXIII, S. 398 f. (Nr. 779). DV: H.
Veränderungen 11 17 17 18 34
Anverwandten] ver aus 〈xxx〉 freue] u aus g Ungedult] U aus 〈x〉 in] n aus 〈x〉 es] aus das
Erläuterungen 6–8 Haus am Schloßberge 〈…〉 Bürgerschaft beym Biere] Arnim und Brentano wohnten bis 12. Mai in Arnims Quartier in der Hauptstraße 151 (vgl. Nr. 294,44–47 und Erl.), dann zogen beide in eine Wohnung im Bartholomäischen Garten am Schloßberghang, unter dem Schloß in einem schönen Berggarten voller Weinreben, wie Ludwig Emil Grimm sich erinnerte (Stoll 1913, S. 80). Das Wirtshaus Zum faulen Pelz, das sie einer oft
1851
Zu Nr. 376
zitierten Überlieferung Eichendorffs in seinem Aufsatz Halle und Heidelberg zufolge bewohnt haben sollen, lag der Gartenwohnung gegenüber. (Vgl. Derwein 1922, S. 77 f. mit Lageskizze.) 8–9 Horstigs 〈…〉 darin gewohnt 〈…〉 etwas verhasst] Horstigs, die Vorbesitzer, waren nach Miltenberg übersiedelt. Vgl. Nr. 339,26–30 und Erl. 9–10 Hüsgens Nachlassenschaft] Nachdem der Frankfurter Kunstsammler und -schriftsteller Henrich Sebastian Hüsgen am 8. August 1807 gestorben war, wurde die Sammlung ab 9. Mai 1808 – ohne deren Dürer-Bestand – versteigert. Vgl.: Verzeichnis einer Sammlung von Gemälden, Handzeich-
nungen, Kupferstichen, Alterthümern, geschnittenen und ungeschnittenen Steinen, Kunstsachen von Holz und Elfenbein, nebst Kupferwerken, Büchern &c.: welche der verstorbene Herr Hofrath H. S. Hüsgen hinterlassen, und am 9ten May dieses Jahrs und folgende Tage, dahier öffentlich versteigert werden sollen (Frankfurt/M. 1808); Kölsch 2007. 14 Aufträge an einen Commissionär] Arnim wird nicht gewußt haben, daß Brentano Savigny kurz vor dem 9. Mai gebeten hatte, bei der Versteigerung auf die dürerische Sammlung zu bieten, wobei er einen Freund fingierte und um Geheimhaltung bat: Ich habe von einem meiner vertrau-
testen Freunde den Auftrag auf die dürerische Sammlung 〈…〉 50 Karolins zu bieten, und bitte sie recht sehr diese Commission anzunehmen auch etwa biß 600 Gulden zu gehen, halten sie es aber geheim, sollte aber wieder Vermuthen die Sammlung gar nicht in die Auction kommen, so bitte ich sie, ohne Mittheilung an andere, sich um den bestimmten Preiß auch darinn zu bewerben. (FBA XXXII, S. 65,14–20.) Savigny antwortete am 27. Mai, die Dürer’sche Collection sei gar nicht in die Auction gekommen, weil sie schon vor einigen Monaten in der Stille an den Landgerichtsrat 〈Friedrich〉 Schlosser um 40 Carol. verkauft worden ist. Die Sammlung hat eine gewisse literarische Celebrität, und das war ohne Zweifel das angenehmste dabey, an sich gehört sie nicht zu den vorzüglichen ihrer Art. (Stoll 1927, S. 327.) Brentano erstand aber doch, ohne Arnim zu informieren, eine nicht zum Dürerbestand gehörende Zeichnungssammlung, was Arnim erst später von Görres erfuhr und dem Freund
zum Vorwurf machte. (Vgl. an Brentano, 10. August 1808; WAA XXXIII, Nr. 844,17–19 und Erl.) 18–19 Winkel 〈…〉 Dein Bruder nicht einladen] Vgl. Nr. 373,7–8. 19–20 Savigny? 〈…〉 nach Trages?] Savigny übersiedelte im ersten Junidrittel auf sein Gut Trages (bei Hanau). 23–24 von Clemens vorgelogen] Vmtl. während Arnims Kassel-Aufenthalt bis Anfang 1808, als er dort Umgang mit Lulu und Johann Karl Jordis hatte.
1852
Zu Nr. 376
24–26 Von Auguste 〈…〉 Brief 〈…〉 auf dem Lande gefällt.] An Brentano aus Allendorf; der Brief ist nicht bekannt. 31–32 in dem gemauerten Haus, wie die Zigeuner sagen] In Brentanos Erzählung Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter sagt der Zigeuner Michaly: Mitidenka 〈…〉 wird nicht in einem gemauerten Hause gefangen sein wollen (Brentano/W II, S. 696). 32–36 Dein Mährchen von Arnold 〈…〉 künftig in der Zeitung] Vgl. zu Nr. 366,93. 37–38 über die Neuen Volksmährchen der Deutschen zu meiner Meinung übergegangen] Arnim schätzte die 1791–1792 in vier Bänden anonym erschienenen Neuen Volksmährchen der Deutschen von Benedikte Naubert, deren Verfasserschaft ihm noch unbekannt war. Am 5. Juli 1807 hatte er Brentano geschrieben, er wünschte dem Verfasser 〈…〉 ein ewiges Denkmahl stiften zu können, und in einer Beilage zu dem Brief heißt es, die Märchen seien seine Wonne in kummervollen Nächten gewesen (WAA XXXIII, Nr. 552). Auch in einem Beitrag in der Zeitung für Einsiedler (Nr. 32 vom 20. Juli 1808) rühmte er die Neuen Volksmährchen, ohne die Verfasserin zu kennen, deren Namen er erst in einem nach ihrem Tod 1819 publizierten Artikel (Arnim/W VI, S. 662 f.) nannte. 38–39 Hiolm 〈…〉 Ottbert so meisterhaft] Die Geschichten Erlkönigs Tochter und Ottbert. Vgl. Arnim in der Zeitung für Einsiedler, Nr. 32 vom 20. Juli: Nie ist Kindergefühl so dargestellt worden wie in der Oti-
lie, im Hiolm, in Walther und Maria, im St. Georg, nie der Ernst des schrecklichen Lebens wie im Ottbert, kein Heiligenkampf, wie im Julian, kein Familienwesen wie im stillen Volke – ich bin unerschöpflich in dem Lobe dieses Buchs, das mir sehr traurige Nächte erhellte. (WAA VI, S. 400,8–11.) 43–44 Göthes Meister] Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96). 44 an Göthe geschrieben] Am 9. Mai (WAA XXXIII, Nr. 775). 45–46 er geht mit sehr ledernen Menschen um] Voß Vater und Sohn. Vgl. Nr. 364,29–30 und Erl. 47 Im Mayen 〈…〉 Knab und Madlen.] Nach dem Refrain von Jagdglück im ersten Band des Wunderhorns: Im Mayen, / Am Reihen, / Sich freuen alle Knaben und Mägdelein. (FBA VI, S. 298.)
1853
Zu Nr. *377
*377. An Karl Joseph Hieronymus Kolborn in Aschaffenburg Frankfurt, vmtl. zweites Drittel Mai 1808 B: –. A: –. Datierung: B wird bald, nachdem sie Goethes Brief vom 4. Mai (Nr. 372) um den 8. Mai erhalten hatte, an Kolborn geschrieben haben.
378.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, etwa 12. Mai 1808, Donnerstag
B: Nr. 376. A: Nr. 380. H: FDH 7428. – Format: 1 Dbl. ca. 224 × 193 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, 2v roter Siegelrest. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 224 v, Z. 15 über Montag: 16. Mai 1808 | 2v auRr:
7428. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Nach dem Bezugsbrief vom 10. Mai und vor dem Antwortbrief vom 16. Mai; nach einigen Tagen (Z. 7) nach Erhalt von Goethes Brief vom 4. Mai (Nr. 372), der am 8. Mai in Frankfurt eingetroffen sein wird. D1: Steig 1913, 152 f.; TD; nicht näher datiert. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 244 f. (Nr. B44); TD; datiert: Mai 1808. D4: WAA XXXII, S. 407 f. (Nr. 783). DV: H.
Veränderungen 6 um] danach gestr. um 7 mir] r aus ch 10 wünsche] e idZ 18 schwarze] danach gestr. Ab 20 der] d aus v 21 ganz] g aus 〈x〉 27 glaube] danach gestr. seh 27 schlagen] g aus ch
1854
Zu Nr. 378
29 32 37 38
niemals] m aus l auf] u aus b erzählen] danach gestr. h etwas] danach gestr. Faul
Erläuterungen 3 Auction von Hüsgen] Vgl. Nr. 376,9–14 und Erl. 5 deine Comisionen Savigny nicht zu geben] Vgl. zu Nr. 376,13–14 und Erl. 7–11 Goethe 〈…〉 von mir hören«] Vgl. Nr. 372,12–16. 12–14 Ich gab dem Zimmer 〈…〉 befriedigen könne] Vgl. Nr. 375 (Besonderheiten). 15 nächsten Montag] Erst am Mittwoch, 18. Mai. (Vgl. Nr. 381,1). 18 deine schwarze Arbeit] Vgl. Nr. 376,29–30: nur meine Correcturen
sehen mich schwarz an. Gersten körner] Nicht unter den in Kat. Hüsgen Kunstsachen, gemeint sind vmtl. Zwey Büchschen enthaltend 2 sehr schöne in Holz geschnittene Heilige (S. 2, Nr. 21). 23–24 von Auguste laufen 〈…〉 Briefe bei Moriz ein] Die Briefe sind 20 heilichen Bilder in 1808 verzeichneten 120
nicht bekannt. (Frdl. Mitteilung von Holger Schwinn, Brentano-Redaktion des Freien Deutschen Hochstifts Frankfurt/M.) 26 das Cabinet von Hüsgen kaufen könne] Die Bezeichnung Cabinet kommt im Versteigerungskatalog nicht vor. Aufgrund der genannten Summe von 3000 Gulden ist anzunehmen, daß damit die gesamte, 117 Zeichnungen und 951 Kupferstiche umfassende Grafiksammlung gemeint ist, nicht nur die Dürersammlung, die für 40 Carolin (440 Gulden) verkauft wurde. (Vgl. Nr. 376,9–14.) 32–34 gescheuter 〈…〉 zu schweigen 〈…〉 von dem Jüngling Clemente 〈…〉 wie Wieland auch] Vmtl. Erinnerung Bs an einen Brief Christoph Martin Wielands an ihre frühverstorbene Schwester Sophie vom 16.–18. April 1800 über den Bruder Clemens, nachdem dieser Ende März/Anfang April jenes Jahres das Wielandsche Gut Oßmannstedt aufgrund ungebührlichen Benehmens hatte verlassen müssen. Der außergewöhnlich ironisch-mißgünstige Brief, der Clemens eine schlimme Zukunft voraussagte, scheint damals in der Frankfurter Brentano-Familie besprochen worden zu sein. Bs Ausdruck von dem Jüngling Clemente läßt insbesondere vermuten, daß sie den Brief Wie-
1855
Zu Nr. 378
lands im Sinn hatte, denn darin ist ähnlich spielerisch von dem damals einundzwanzigjährigen Clementinische〈n〉 Ich die Rede:
Die Götter haben in den letzten 14 Tagen vor Ostern einen wunderlichen Spaß mit mir getrieben. Ich weiß nicht wie und warum Ihrem Bruder Clemens, der Aufenthalt in Jena auf einmahl so zuwider wurde, daß er mit Louis 〈Wieland〉 überein kam, dieser sollte an seiner Statt nach Jena ziehen, und er wollte dafür seine Stelle in Oßmanstätt vertreten. Des leidigen, besonders unsern n e u e s t e n jungen Filosofen u Ästhetikern sehr verhaßten Wohlstands wegen, wurde auch ich zulezt um meine Einwilligung angegangen und ertheilte sie mit gebührender Gefälligkeit. Die jungen Herren vertauschten also ihre Plätze und das Clementinische Ich zog mit seiner Guitarre am Arm im Triumf in das Osmantinische Nicht-Ich ein. In den ersten vier bis fünf Tagen ging alles ziemlich gut, so lange nehmlich, als beide Theile das bekannte Spiel der Katze des Montaigne mit einander trieben, oder, genauso zu reden, so lange Herr Clemens seinen Spaß so mit uns trieb, daß wir selbst Spaß davon hatten. Aber länger hielt er es mit so u n g e b i l d e t e n oder so v e r b i l d e t e n Wesen, wie wir alle, seiner Theorie zu folge, sind, nicht aus; sein Ich fing nun an sich der Überlegenheit, die ihm Eigendünkel, Ungezogenheit, Verachtung alles Conventionellen so wie aller natürlichen u. gesellschaftlichen Verhältnisse, über uns gab, auf eine so tyrannische Weise zu bedienen, daß die Rolle, die er 8 Tage lang in meinem Hause u an meinem Tische spielte, höchstwahrscheinlicher Weise, ohne Beyspiel, und die Gelassenheit, womit ich seine Avanien und Insolenzen duldete, ein Wunder in meinen eigenen Augen ist 〈…〉 Ich begab mich also am Sonnabend vor dem Palmensonntage auf einige Tage nach Weimar, während ich den jungen Herrn durch seinen Freund Louis verständigen ließ, daß ich ihn bey meiner Zurükkunft nach Oßmannstätt nicht mehr anzutreffen hoffte: Er zog also mit seiner Guitarre und einem unermeßlichen Porte-feuille voll aller Arten von neumodischen Exkrezionen seines Witzes und seiner Laune nach Jena zurück, und Louis (der sich seit geraumer Zeit in vielem zu seinem Vortheil geändert hat) kam von Jena mit Vergnügen wieder zu uns. Indessen wird Signor Clemente, wie ich höre, nicht zu Jena bleiben (Drude 1989, S. 103–105).
1856
Zu Nr. 379
379.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, etwa 14. Mai 1808, Sonnabend
B: –. A: Nr. 380. H: FDH 7429. – Format: 1 Bl. ca. 232 × 193 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 225 v, Z. 1 über Mitwoch: (18. Mai 1808) | 1v auRr: 7429. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Nach Bs Brief von etwa 12. Mai (Nr. 378), vor Arnims Antwort vom 16. Mai. D1: Steig 1912c, S. 232. D2: Steig 1913, S. 153; datiert: »gleich darauf« (nach Nr. 378). D3: Betz/Straub 1986, S. 246 (Nr. B45); datiert: Mai 1808. D4: WAA XXXII, S. 410 (Nr. 785). DV: H.
Veränderungen 12
bist] danach gestr. ,
Erläuterungen 4–6 Savigny 〈…〉 ein Finkenbaum 〈…〉 Elsheimer 〈…〉 Holbein] Savigny erwarb das Ölgemälde Eine sehr schön ausgeführte waldigte Landschaft, von D. Vinkenbooms, auf Holz, 20 Zoll hoch, 26 Zoll breit (Kat. Hüsgen 1808, S. 27, Nr. 44.), die Zeichnung Ein Blättgen römischer Ruinen, vermuthlich Prospekt in Rom, A. Elsheimer fec. (ebd., S. 38, Nr. 66.) und das Ölgemälde Ein Mann- und Frauenbildniß auf einem Stück von H. Holbein, 9 Zoll hoch, 14¾ Zoll breit. (Ebd., S. 24, Nr. 9.) 13 Liedgen im Einsiedler] Bs Seelied in Zeitung für Einsiedler, Nr. 12 vom 11. Mai. Vgl. WAA VI, S. 151 f. und Erl. dazu.
1857
Zu Nr. 380
380.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 16. Mai 1808, Montag
B: Nr. 378, 379. A: Nr. 381. H: FDH 7265. – Format: 1 Dbl. ca. 239 × 197 mm; 1r-1v 1¾ beschr. S.; 2v Adresse; 1x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: 2v roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 228 v, aoRr neben Datum: [Mai 1808] | 2v auRl:
7265. D1: Steig 1913, S. 155; datiert: 26. Mai. D2: Betz/Straub 1986, S. 251 f. (Nr. A46); datiert: 26. Mai. D3: WAA XXXII, S. 411 (Nr. 787). DV: H.
Veränderungen 9 vor] v aus V 12 kaum] ka aus 〈xx〉
Erläuterungen 5–6 ich habe wieder ein Gärtchen] Nach dem Umzug in den Bartholomäischen Garten (vgl. Nr. 376,6–8 und Erl.); wie vor einem Jahr in Königsberg (vgl. Nr. 253,56–58 und Erl.). 13–14 Savignys Ruf nach Bayern] Savigny war als Nachfolger Gottlieb Hufelands, den seine ehemaligen Danziger Mitbürger zum Senatspräsidenten und Bürgermeister gewählt hatten, an die Universität Landshut berufen worden. Er nahm an und reiste am 17. September mit Familie, Brentano und dessen Frau sowie B von Aschaffenburg dorthin. Arnim wird die Neuigkeit durch Creuzer erfahren haben, dem Savigny sie am 15. Mai mitgeteilt hatte (Stoll 1927, S. 324). 15–16 wie schön 〈…〉 in der Nähe 〈…〉 geworden] Savigny hatte 1807/Anfang 1808 Ambitionen auf eine Professur in Heidelberg zu erkennen gegeben (vgl. vor allem an Friedrich Creuzer, 13. März 1807; Stoll 1929, S. 296–299). Die Aussichten, berufen zu werden, die anfangs recht günstig waren, verschlechterten sich aber, da die Heidelberger Juristen Anton Friedrich Justus Thibaut, Georg Arnold Heise und Christoph Reinhard Dietrich Mar-
1858
Zu Nr. 381
tin ein Triumvirat bildeten (Creuzer an Savigny, 14. Mai 1808; Dahlmann 1972, S. 237). Der Widerspruch des Arnim-Brentano-Creuzer-Kreises gegen die drei Juristen (Creuzer an Savigny, 17. Mai 1808; Dahlmann 1972, S. 239 / Brentano an Savigny, 19. Juni 1808; FBA XXXII, S. 73) steht im Zusammenhang mit der Heidelberger Kontroverse zwischen ›Romantikern‹ und ›Spätaufklärern‹, die in der Auseinandersetzung mit Voß kulminierte. Kurz vor dem 9. Mai 1808 schrieb Brentano an Savigny: Die Nachricht, daß Sie nach
Landshut gehen, hat hier alle Leute überrascht, und die hiesige Juristen Fakultät mit einer zweierleien Empfindung berührt, theils schämen sie sich, daß Sie auf einer andern Universität sein mogten, theils freuen sie sich, daß sie ihren Kohl nach wie vor, allein so theuer verkaufen können. Jeder wohlmeinende bedauert hier, daß Sie nicht nach Heidelberg gekommen, sie wären das einzige Mittel geweßen zwischen dem Hofarth der Juristen und andern Fakultäten (FBA XXXII, S. 65 f.).
381.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 18. Mai 1808, Mittwoch
B: Nr. 380. A: –. H: FDH 7430. – Format: 1 Bl. ca. 232 × 193 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 226 v | 1v auRr: 7430. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 153. D2: Betz/Straub 1986, S. 247 (Nr. B46). D3: WAA XXXII, S. 413 (Nr. 790). DV: H.
Veränderungen 5 9
habe] h aus , sahst] danach gestr. ist
1859
Zu Nr. 381
Erläuterungen 4 das Schiff ist Seegel fertig] Zur Abfahrt nach Winkel. Vgl. Nr. 379,1–2. 7–8 von Lucas Kranach 〈…〉 eine Lukretia oder eine Arria] Vgl. Savigny an Brentano, 27. Mai 1808: Die Betina hat vor 8 Tagen von einem
reisenden Kunsthändler eine Lucretia von Cranach von großer Schönheit gekauft, die auch Ihnen große Freude machen wird. Das Bild soll im deutschen Sandrart beschrieben seyn, unter andern soll er viel von der Malerey am Pelze der Lucretia reden, ich habe hier keine Gelegenheit das Buch einzusehen. (Stoll 1927, S. 327.) In der Teutschen Akademie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künstler Joachim von Sandrarts lautet die Beschreibung: auch in meinem Kunst-Cabinet eine L u c r e t i a mit dem Dolch in der Hand / und von einem sehr sauber gemahlten Belz bekleidet / in der Handlung / als ob sie ihr selbst / durch einige Mordstiche / das Leben verkürzte (Sandrart 1675, S. 231). Demnach erwarb B von den zahlreichen Darstellungen der Lucretia durch Lucas Cranach eine Version, die sie in Halbfigur zeigt. Diese Lucretia hat blonde Locken, trägt prunkvolle Ketten und Ringe, ihre rechte Hand hält den Dolch, während die linke mit gekrümmten Fingern auf dem Kopf liegt. Der prächtige, mit Pelz besetzte Mantel ist halb geöffnet und gibt den anmutig nach rechts geneigten Oberkörper bis unter den Nabel frei. B faszinierte die Ähnlichkeit mit der Günderrode, wie sie am 13. Dezember 1808 an Goethe schrieb (Nr. 705,109–114), Als sie das Bild – wohl eine Kopie – erwarb, wußte sie allerdings noch nicht, ob es die wegen ihrer Tugendhaftigkeit verehrte Lucretia darstellte oder eine andere Römerin, Arria, die ihr Leben ebenfalls mit dem Dolch endete. 9 Albrecht Dürrer 〈…〉 bei Morgenstern sahst] Welches Bild Dürers Arnim vmtl. während seines Frankfurt-Aufenthalts im Januar 1808 bei dem Gemälderestaurator und Maler Johann Ludwig Ernst Morgenstern sah, konnte nicht ermittelt werden.
382.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Winkel, 21. Mai 1808, Sonnabend
B: –. A: –. H: FDH 7431. – Format: 2 Bl. ca. 232 × 192 mm (I) + 113 × 192 mm (II); 1r-2r 3 beschr. S.; 2x längs, 3x quer gefaltet. – Papier: I + II auR mit
1860
Zu Nr. 382
Briefmarkenrändern beklebt; II untere Hälfte abgetrennt. – WZ: I: FHF | II: –. Fremdeinträge: 1r aoRl: 229 v | 1v aoRl: 229 v, auRl: 7431 | 2v auRr: 7431. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung, sie sei schon zwei Tage (Z. 1) in Winkel, wohin sie am 18. Mai von Frankfurt abgefahren war. D1: Steig 1913, S. 156 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 247–249 (Nr. B47). D3: WAA XXXIII, S. 415 f. (Nr. 793). DV: H.
Veränderungen 5 einen] en nachträgl. idZ 7 eigentlich] g aus ch 10 Geisenheim] G aus Z 12 mit] danach gestr. der 23 Bildern] danach verschrieben und gestr. 24 es] aus ih 30 zeigen] g aus ch
liefern
Erläuterungen 2 Johanisberg] Steiler Weinberg mit Schloß und Klosterkirche oberhalb von Geisenheim, 1807–1814 auf Veranlassung Napoleons im Besitz des Marschalls Kellermann, Herzogs von Valmy. 4 unser Hauß] Vgl. zu Nr. 200,46. 8 die zwei Kinder] Claudine und Sofie, Kinder von George und Marie Brentano. 19–22 Bild von Scheiflin 〈…〉 von Spranger 〈…〉 ein Olymp] Nicht identifizierte Bilder Hans Leonhard Schäufelins und Bartholomäus Sprangers; vmtl. von demselben Kunsthändler, von dem B ihr Cranach-Bild erwarb. 25–26 das schönste Bild 〈…〉 Kranach] Vgl. Nr. 381,7–8 und Erl. 37–38 Altdorf 〈…〉 der Pfarrer] Allendorf, Adam Mannel.
1861
Zu Nr. 383
383.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Winkel Heidelberg, 22. Mai 1808, Sonntag
B: –. A: –. H: FDH 7264. – Format: 1 Dbl. ca. 236 × 197 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: E MAUPAS. Fremdeinträge: 1r aoRl: 227 v | 2v auRr: 7264. D1: Steig 1912c, S. 234. D2: Steig 1913, S. 154 f. D3: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug). D4: Betz/Straub 1986, S. 249–251 (Nr. A45). D5: WAA XXXIII, S. 416–418 (Nr. 794). DV: H.
Veränderungen 7 erzählt] erz aus ge〈x〉 20 andern] danach gestr. 37 Paar] P aus 〈x〉
die
Erläuterungen 4–7 Onkel Hessen 〈…〉 in das wüste Rußland hinein erzählt] Ludwig von Hessen, der zweite Mann von Brentanos und Bs Tante Luise verw. Möhn, war russischer Oberst. 6 Bruder Graf] Nach dem Freund des Titelhelden in Christian Reuters Schelmenroman Schelmuffskys Wahrhafftige Curiöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und zu Lande (1696/97). 7–8 Peters 〈…〉 Ermordung] Zar Peter III. war am 17. Juli 1762 ermordet worden. 24 Gemälde Auction seiner Großmutter] Die Gemälde wurden aus dem Nachlaß der am 18. Februar 1807 in Offenbach verstorbenen Sophie von La Roche versteigert. Am 23. August erfolgte die Versteigerung der Effekten und Mobilien, ab 4. November diejenige der Bücher und der Mineraliensammlung. (Vgl. Steig 1913, S. 154.) 24–25 ein Stück das Stadionsche Schloß] Vielleicht die 1781 entstandene kolorierte Radierung des Schlosses Warthausen von Johann Heinrich Tischbein
1862
Zu Nr. 384
(Staatliche Kunstsammlungen Kassel). Auf dem Schloß hatte Sophie von La Roche 1761–1770 als Gattin Georg Michael Anton von La Roches gelebt, der Rat und Privatsekretär des Schloßherrn und kurmainzischen Ministers Friedrich von Stadion war. 29 das Verzeichniß] Nicht bekannt. 37 hoher Ahndung] Vgl. Arnims Verweis auf sein System der Ahndung im Brief an B vom 12. Juli 1808 (Nr. 405,56–60 und Erl. dazu) und sein Briefkonzept an Stephan August Winkelmann, vmtl. zwischen 5. und Mitte Mai 1803: Das Princip aller Bildung heist in meinem System Ahndung 〈…〉 (WAA XXXI, Nr. 300.K,46–53 und Erl.). Zu Ahndung im Verhältnis zu Ahnung vgl. Tieck an Solger, 6. Januar 1815: Warum wollen Sie aber mit
Voss und andern a h n d e n und a h n e n unterscheiden? Mir scheint der Reichthum, und die poetische Schönheit und philosophische Richtigkeit einer Sprache nicht bloß darinn zu bestehn, daß wir recht viel sondern und unterscheiden, sondern auch gegenüber recht viele mannigfaltige Nuancen, ja Widersprüche (die doch nur scheinbar sind) in demselben Worte dulden, wie in dem schönen A h n d e n ( das Ahnen kann ich gar nicht leiden). Vorempfindung, und Rache sind doch gewiß ein und dasselbe, in der Erfüllung, in der Furcht: Rache, Strafe bleibt doch immer etwas anders als Ahndung. (Matenko 1933, S. 158.) 40 Briefe von Schiller 〈…〉 ausgezogen] Teildrucke von Briefen Schillers an Sophie Mereau aus ihrer Jenaer Zeit 1796–1798 als Auszüge aus Briefen Schiller’s an eine junge Dichterin in der Zeitung für Einsiedler, Nr. 19 vom 4. Juni 1808. Vgl. WAA VI, S. 246–249 und Erl. S. 976– 982. 44 das Wochenbett] Nach der Geburt der Tochter Joachime (13. Mai 1805) in Heidelberg.
384.
An Johann Wolfgang von Goethe in Karlsbad Winkel, etwa 27. Mai 1808, Sonntag
B: Nr. 372. A: Nr. 390. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 2 Dbl. je ca. 232 × 188 mm; 1r-4r 7 beschr. S.; 1x quer gefaltet. – WZ: Jeweils: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 17a, 231, darunter: 16e lettre à Goethe, aoRr Stempel: 16, darunter: 16e lettre à Goethe.
1863
Zu Nr. 384
Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung, sie sei bereits acht Tage in Winkel (Z. 1), wohin sie am 18. Mai von Frankfurt abgereist war. Vgl. Nr. 381. D1: Steig 1922, S. 67–70; datiert: 26./27. Mai 1808. D2: Bergemann 1927, S. 219–222 (Nr. 23); datiert: um den 26. Mai 1808. D3: Kat. Henrici 148, Nr. 41 (16), S. 12; TD (kurzer Auszug); datiert: um den 26. Mai 1808. D4: B/WuB II, S. 609–612; datiert: um den 26. Mai 1808. DV: H.
Veränderungen 25 37 39 48 49 78
Ruhe] aus 〈xxx〉 vor] nachträgl. idZ. unstäht] ht aus dt Schweine] S aus 〈x〉 weidet] d aus t das] aus die
Erläuterungen 18 Seelenverkäufer] Eigentlich Werber, die in Holland Matrosen oder Soldaten zum Dienst in den Kolonien überredeten, sie bis zur Abfahrt unterhielten und dafür von deren Sold bezahlt wurden; danach die Schiffe selbst; schließlich auf unansehnliche Kähne übertragen. 43 Johanisberg] Vgl. zu Nr. 382,2. 46–47 über unsere Wohnung 〈…〉 Vollraz 〈…〉 Burg] Vgl. Goethe in Im Rheingau. Herbsttage: Ohngefähr in der Mitte von Winkel biegt man
aus nach der Höhe zu, um V o l l r a t h zu besuchen. Erst geht der Weg zwischen Weinbergen, dann erreicht man eine Wiesenfläche, sie ist hier unerwartet, feucht und mit Weiden umgeben. Am Fuß des Gebirges, auf einem Hügel liegt das Schloß, rechts und links fruchtbare Felder und Weinberge, einen Bergwald von Buchen und Eichen im Rücken. (Goethe/MA XI/2, S. 119.) Das Schloß war um 1680 aus einer ursprünglichen Turmburg errichtet worden. 51–56 Es sind mehrere Geistreiche Männer 〈…〉 Raths^versammlung 〈…〉 in Paris 〈…〉 Professor Arnold aus Coblenz] Bs Mitteilung hat die Umgestaltung des Bildungs-, speziell Universitätswesens in Frankreich durch
1864
Zu Nr. 384
Napoleon zum Gegenstand. Nachdem die Universitäten alten Typs während der Revolution aufgelöst worden waren, kam es 1808 zu Neugründungen und dem Plan einer Superuniversität. Was sie Goethe berichtete, wird insbesondere in Arnolds Brief an sie von Ende April/Anfang Mai 1808 (Nr. *369) gestanden haben und von ihr eigenwillig wiedergegeben worden sein. Der Brief ist zwar nicht überliefert, doch können zur Rekonstruktion zeitnahe Berichte Arnolds an Savigny herangezogen werden. Bereits am 28. Februar 1808 hatte er ihm aus dem damals französischen Koblenz geschrieben: Es ist
gegenwärtig die Rede von großen neuen Organisazionen des ganzen Unterrichts Sÿstems in Frankreich u. jedermann ist in Erwartung. (UB Marburg, Nachlaß Savigny, Sign. 725/29.) Am 28. Juni 1808: Die große Universität wird mit dem ersten November in das Reich der Wirklichkeit treten. Es ist nicht unmöglich daß ich einen Theil des künftigen Jahrs in Paris zubringen werde als Mitglied des dort zusammenzuberufenden Rathskollegiums. (Ebd., Sign. 725/31.) Und am 14. April 1809: Über die auszuführenden neuen Einrichtungen im gesammten Unterrichtswesen könnte ich Ihnen mancherley merkwürdiges berichten was ich aber auf einandermal versparen will. Es wird entweder hier oder in Maintz eine neue (französische) Universität errichtet werden. 〈…〉 In Straßburg werden wohl, nach Paris, die meisten litterärischen Anstalten in Frankreich sich beisammen befinden, was mich, so wohl der Sache selbst nach als in Hinsicht der Hoffnungen in meine Vaterstadt zurückzukehren sehr freut. Die definitive Organisation der großen université impériale schiebt sich aber, wegen der ungeheuren Weitläufigkeit des Plans, immer weiter hinaus, und die Verwickelung der politischen Händel trägt auch viel Hinderndes dazu bei. (Ebd., Sign. 735/32.) Daß nach Arnolds Meinung das Erziehen als etwas höchst ekelhaftes und sclavisches anzusehen sei, dürfte B mißverstanden oder verwechselt haben mit Arnolds Unzufriedenheit über seine Situation in Koblenz, worüber er am 28. Februar 1808 an Savigny geschrieben hatte: Es ist ein in
mancherley Hinsichten, recht fataler Aufenthalt, wo ich ganz vereinzelt stehe, keine Mittel zum voran arbeiten habe und wo mich um die Wette Unmuth, Lange weile und Uberdruß auf die unerträglichste weise plagen. Hält mich ein feindliches Schicksal noch länger hier zurück, so verliere ich zulezt noch allen Geschmack an Wißenschaft u den beßern Lebenszwecken. (Ebd., Sign. 725/29.) 58 Pour et Contre] Für und Wider. 60–64 in Frankfurt 〈…〉 Plan von einer Kunstschuhle heraus gegeben 〈…〉 ohne Schwindel ertragen zu können.] Ein 1808 publizierter Plan von 1865
Zu Nr. 384
einer Kunstschuhle in Frankfurt konnte nicht ermittelt werden. Er wird im Zusammenhang gestanden haben mit der Absicht des Kunstsammlers Johann Friedrich Städel, eine Kunststiftung zu begründen. Eine solche hatte er bereits 1793 testamentarisch verfügt. Vielleicht änderte er 1808 das Testament. Änderungen aus den Jahren 1812 und 1815 sind bekannt. Die letzte Änderung war die Voraussetzung für die Gründung des Städelschen Kunstinstituts 1817 nach dem Tod des Stifters. Zu dem Institut sollte auch eine Unterrichtsanstalt gehören, in der nach dem Willen des Erblassers Kinder unbemittelter da-
hier verbürgerter Eltern ohne Unterschied des Geschlechts und der Religion, welche sich den Künsten und Bauprofessionen widmen wollen, ausgebildet werden. (Gwinner 1862, S. 557.) In Bs mißgünstiger Beurteilung des Initiators scheint die Skepsis zum Audruck zu kommen, mit der einflußreiche Frankfurter Bürger ihm und seinem Projekt begegneten: »Sein großes, durch einfaches Leben vermehrtes Vermögen gewährte ihm hierzu reiche Mittel und zugleich genügende Muße, um keine Gelegenheit zu versäumen, sein Interesse an der Förderung der Künste zu bethätigen. In diesem Streben fand er zwar damals in Frankfurt viele Gleichgesinnte; aber in dem Wunsche, die Kräfte aller zum gemeinschaftlichen Wirken im Interesse der Kunst und der Künstler in einem Mittelpunkt zu vereinigen, stand er allein. Seine Bemühungen scheiterten an der Selbstsucht und gegenseitigen Rivalität derer, von welchen er für seine Absichten Unterstützung gehofft hatte.« (Ebd., S. 555 f.) 65–67 Deinen Auftrag an Fürst Primas 〈…〉 Kohlborn geschrieben] Vgl. Nr. 372,5–11 und Nr. *377. 72–73 von deinem Sohn 〈…〉 Nachricht durch Arnim] Vgl.: Nr. 367,42–46; Nr. 376,60–61. 87–88 wie Damals 〈…〉 dein Herz dein gut Kind] Vgl. Nr. 252,30–32 und Erl.
385.
Von Catharina Elisabeth Goethe nach Winkel Frankfurt, vmtl. zwischen 3. und 5. Juni 1808, Sonntag und Dienstag
B: –. A: –. Beilagen: Vgl. Datierung. Datierung: Der Brief, den Frau Rath B beilegte, war ein (nicht überlieferter) Brief Goethes an seine Mutter, für den diese sich am 3. Juni 1808 bedankte:
1866
Zu Nr. 385
Dein Brief vom 9ten May hat mich erquickt und hoch erfreut – Ja Ja man pflantzt noch Weinberge an den Bergen Samarie – man pflantzt und pfeift! So offte ich was gutses von dir höre werden alle in meinem Hertzen bewahrte Verheißungen lebendig – Er! hält Glauben ewiglich Halleluja!!! 〈…〉 Betina ist im Reingau, Sie soll aber alles das gute das du von Ihr geschrieben hast treulich erfahren. (Köster 1904, Bd. II, S. 183.) Terminus post quem des Briefes der Frau Rath an B ist demnach der 3. Juni. Da Goethe sich in seinem Brief vom 9. Mai wohlwollend über B geäußert hatte und die Frau Rath ihr mit der Übersendung eine Freude machen wollte, wird sie das bald getan haben, nachdem sie den Sohn geantwortet hatte. – Die Annahme Köster 1923, Bd. II, S. 244, B habe von der Frau Rath Goethes Karlsbader Brief vom 22. Juni 1808 (Nr. 390) erhalten – weswegen der Brief der Mutter auf Anfang Juli 1808 datiert wurde –, ist irrig. Diesen Brief holte B Anfang Juli selbst bei der Frau Rath ab. Vgl. Nr. 387,106–107. D1: B 1848, Bd. II, S. 206 f. D2: Carriere 1880, S. 82. D3: Köster 1923, Bd. II, S. 186; datiert: Anfang Juli 1808. D4: Pfeiffer-Belli 1960, S. 885 (Nr. 414). D5: Köster 1968, S. 588 f. (Nr. 413); datiert: Anfang Juli 1808. DV: D3.
Erläuterungen
d e r 〈…〉 an den Weinbergen zu Sammaria pflantzen und dazu Pfeifen läßt!] Nach Jer 31,5 und 7: Du sollst wiederum Weinberge pflanzen an den Weinbergen Samarias; pflanzen wird man sie und ihre Früchte genießen. 〈…〉 Rufet über Jakob mit Freuden und jauchzet über das Haupt unter den Heiden 〈…〉.
7–8
1867
Zu Nr. 386
386.
An Friedrich Carl von Savigny in Trages Winkel, zwischen 5. (Dienstag) und 10. Juni (Sonntag) sowie Mitte Juli 1808
B: –. A: –. H: SPK/NS 7/5. – Format: 1 Dbl. ca. 235 × 192 mm; 1r-2v 4 beschr. S.; 2x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl Stempel: Savigny, daneben: Nr. 40, aoRr: 1 | 2r aoRr: 2 | 2v auRm Stempel: STAATS-BIBLIOTHEK BERLIN. Datierung: B berichtet im ersten Briefteil, daß Arnim vor etlichen Tagen (Z. 20–21) in Winkel eingetroffen sei. Ende Mai war er noch in Heidelberg, wie sich u. a. aus einem auf etwa 31. Mai zu datierenden Brief an Jacob Grimm (WAA XXXIII, Nr. 801) erschließen läßt. In den ersten Juni-Tagen wird er in Winkel eingetroffen sein, so daß der 5. Juni als Terminus post quem, der 10. Juni als Terminus ante quem des ersten Briefteils anzunehmen ist. Den zweiten, kürzeren Briefteil (nach Gruß und Unterschrift) schrieb B, als sie nach längerem Aufenthalt in Frankfurt, Offenbach und Trages noch einmal nach Winkel zurückgekehrt war, und zwar am Ende dieses zweiten Aufenthalts. Vgl. Nr. 387 (Besonderheiten). D1: Schellberg/Fuchs 1942, S. 70 f.; datiert: Anfang Juni–gegen Mitte Juli 1808. D2: B/WuB IV, S. 61–63 (Nr. 21); datiert: etwa Anfang Juni–kurz vor Mitte Juli 1808. DV: H.
Veränderungen 10 32
Rheingau,] danach gestr. auch begehrt] ehr aus 〈xxx〉
Erläuterungen 3 9
Vollraz] Vgl. Nr. 384,4,47 und Erl. »Die Welt ist gangbar für Menschen und Vieh«] Vmtl. nach Hes 36,11: Ja, ich will bei euch der Leute und des Viehes viel machen, daß sie sich mehren und wachsen sollen. 1868
Zu Nr. 386
13 Nonnen Kloster] Das Zisterzienserinnenkloster Tiefenthal. 52 kommt 〈…〉 ins Schlangenbad] Savigny traf in dem im westlichen Taunus gelegenen Badeort – ohne Gunda – am 19. Juli ein. 54 Brief von Goethe] Nr. 390. 55–57 von Arnim 〈…〉 keine Antwort 〈…〉 geschrieben habe] B schrieb Arnim, der Winkel um den 20. Juni verlassen hatte, nach einem Trages-Aufenthalt bei Savigny am 5. und 7. Juli von Frankfurt nach Heidelberg (Nr. 399, 402), und hatte Mitte Juli, wieder in Winkel, noch immer keine Post von ihm (vgl. Nr. 407), obwohl er ihr am 9. und 12. Juli (Nr. 403, 405) geschrieben hatte. 60–62 Sismondi hat mir geschrieben 〈…〉 daß er bei diesem Weib ist] Der Schweizer Nationalökonom und Historiker Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi war Reisebegleiter Germaine de Staëls auf ihrer Deutschlandreise im Frühjahr und Sommer 1808, die abschließend von Weimar über Frankfurt und Heidelberg zurück in die Schweiz führte. (Vgl. Stelling-Michaud 1971 sowie den damaligen Briefwechsel Germaine de Staëls: Jasinski 1993, S. 462–473.) Sie waren am 20. Juni im Reisewagen Germaine de Staëls von Weimar abgereist und am 24. in Frankfurt angekommen. Am Abend dieses Tages lernte B die berühmte Französin bei Simon Moritz Bethmann kennen (vgl. Nr. 392), und am 26. Juni wurde sie zunächst von Sismondi aufgesucht und besuchte dann selbst Germaine de Staël, mit der es also zu einer zweiten Begegnung kam (vgl. Nr. 394). Noch am 26. reisten die Staël und Sismondi sowie August Wilhelm Schlegel, der in Frankfurt zu ihnen gestoßen war, nach Heidelberg weiter. Dort schickte Germaine de Staël am 27. ein Billett an Arnim mit der Aufforderung, zu ihr zu kommen (WAA XXXIII, Nr. 812). Da Arnim an diesem Tag verhindert war, konnte er sie erst am 28., ihrem Abreisetag, aufsuchen, wobei er auch Sismondi und A. W. Schlegel begegnete. (Vgl. Nr. 396,3–7.) Am 30. Juni waren die Reisenden bereits in Basel, wo Sismondi sich von Germaine de Staël und A. W. Schlegel trennte, die nach Coppet weiterfuhren. Bs eifersüchtiger Widerwille gegen Germaine de Staël geht aus ihren beiden einschlägigen Briefen an Arnim deutlich hervor. (Vgl. insbesondere zur Literarisierung der Beziehung in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde Landfester 2008.) Sismondi schrieb ihr bereits am 1. Juli aus Basel (Nr. 397), und nachdem B darauf geantwortet hatte (Nr. 404), brach die Korrespondenz ab.
1869
Zu Nr. 387
387.
An Johann Wolfgang von Goethe in Karlsbad Winkel, 16. und 20. Juni sowie 13. Juli 1808, Donnerstag und Montag, Mittwoch
B: Nr. 390. A: Nr. 517. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 1 Bl. (I) ca. 235 × 190 mm + 1 Dbl. (II) ca. 232 × 188 mm + 1 Bl. (III) ca. 140 × 188 mm + 1 Dbl. (IV) ca. 232 × 188 mm; 1r-1v beschr. (I); 2r-3r 2½ beschr. S. (II); 4r 1 beschr. S. (III); 5r-6v 4 beschr. S. (IV); nicht gefaltet. – Papier: II, Bl. 2: Tintenklecks (mit Textverlust), III: untere Bl.-Hälfte abgeschnitten (mit Textverlust). – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 18a, darunter: I 246, aoRr: Stempel: 17a, vor Datum: Winkel, nach Datum: 1808, darunter: 17e lettre à Goethe | 2r aoRl: 19, aoRr: Hn 467b), vor Datum: Winkel, nach Datum: 1808 | 4r aoRl: 20, aoRr vor Datum: [Winkel], nach Datum: [1808], daneben Stempel: 18B. | 5r aoRl: 21, darunter: I 317 aoRr: 18 lettre à Goethe, vor Datum: [Winkel], nach Datum: [1808], daneben Stempel: 18B, alR vor immerwährend: 22. Juni 1808 | 6r vor Du schreibst mir: Ein Brief vom 22. Juni 1808. Besonderheiten: Am 16./17. Juli 1808 schrieb B an Arnim: Einen langen
langen Brief hab ich indessen an Goethe geschickt nebst vielen einzelnen Blättern die ich während meinem Aufenthalt in Winkel an ihn geschrieben (Nr. 410,27–29). Die ersten beiden, am 16. und 20. Juni in Winkel geschriebenen Briefteile (I und II) wird B dort liegengelassen haben, als sie am Tag nach dem abendlichen Besuch des Rochusberges, von dem der Briefteil vom 20. Juni berichtet, mit dem Bruder Georg nach Frankfurt reiste. Von dort fuhr sie nach Offenbach und Trages, und erst am 8. Juli kehrte sie von Frankfurt wieder nach Winkel zurück. Gegen Ende dieses zweiten WinkelAufenthalts schrieb sie am 13. Juli die beiden letzten Briefteile (III und IV), die sie mit den beiden liegengelassenen zu einer Sendung an Goethe zusammenfaßte. Ähnlich verfuhr B mit dem Brief an Savigny (Nr. 386), dessen Beginn sie nach dem ersten Winkel-Aufenthalt ebenfalls liegenließ und am Schluß des zweiten beendete. Ob zu den einzelnen Blättern der Sendung an Goethe mehr als die vorliegenden gehörten, steht dahin. Für ihren Zusammenhang spricht auch die Unterschriftslosigkeit der ersten drei, wohingegen B den abschließenden vierten unterschrieben hat. Die vier Briefteile (in D1 vier selbständige Briefe) werden erstmals als ein Brief ediert. Zwar hatte bereits Bergemann (D2) den Zusammenhang aller vier angenommen, er edierte sie jedoch als zwei Briefe (I und II einerseits, III und IV andererseits), und dieser editorischen Entscheidung folgte D4.
1870
Zu Nr. 387
Datierung: Vgl. Besonderheiten. D1: Steig 1922, S. 71 f., 72–74, 77 und 77–80. D2: Bergemann 1927, S. 222–225 (Nr. 24) und S. 226–230 (Nr. 26). D3: Kat. Henrici 148, Nr. 41 (17 und 18), S. 12 f.; TD (kurze Auszüge). D4: B/WuB II, S. 612–614 und S. 616–619. DV: H.
Veränderungen 53–54 Minuten] Min aus Sek 73 konnte] aus kann 92 schmeichelnd] ch aus g 115 dein] d aus ih 130 Nachtlaager] g aus ch 146 sich] s aus d
Erläuterungen
wenn mein Herz voll ist 〈…〉 überströhmen lassen] Nach Lk 6,45: Denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. 31 Rochusberg] Der Rochusberg bei Bingen liegt Rüdesheim gegenüber; 5–7
auf ihm die nach dem Pestjahr 1666 errichtete, dem Pestheiligen Rochus geweihte, 1795 zerstörte, 1814 neu erbaute Kapelle. Vgl. Nr. 391,14–30 sowie Goethes Schilderung Sanct Rochus-Fest zu Bingen (1814). 43 Weyhen] Weihe, habichtartiger Greifvogel. 61 Scharlach] Scharlachberg, Südwestecke des Rochusberges. 82 Alles hat seine Zeit!] Nach Prediger 3,1: Ein jegliches hat seine Zeit. 105 Bad] Schlangenbad im Taunus. 106–107 ein lieber Brief 〈…〉 selbst abholte] Nr. 390. 114 als Frau von Stael durch kam] Vgl. Nr. 386,60–62 und Erl. 117 daß Du sie Amie 〈…〉 in deinen Briefen nentest] Goethe hatte Madame de Staël in seinem Brief aus Karlsbad vom 26. Mai 1808 verehrte Freundinn und beste Freundinn genannt (WA IV, Bd. 20, S. 67 f.). 135 Du schreibst mir 〈…〉 in eine andre Gegend] Vgl. Nr. 390,15–17. 161 das Ziel 〈…〉 war ein Sauerbronnen] Die Wanderung gehörte zu den liebsten Erinnerungen Arnims und Bs. (Vgl.: B an Arnim, 7. November 1808 [Nr. 466,39–42]; Arnim an B, 1. und 4. August 1809 (Nr. 620,44–45);
1871
Zu Nr. 387
Arnim an B, 14./15. Februar 1810 [Nr. 728,35–38]; B an Arnim im Antwortbrief [Nr. 729,44–51].) 170–171 im September mit Savigny 〈…〉 nach Landshut] Savigny, der an die Landshuter Universität berufen worden war (vgl. Nr. 388,13–14 und Erl.), reiste mit seiner Familie, B, Clemens und dessen Frau Auguste am 12. September von Aschaffenburg über Landshut nach München, von wo aus sich die Familie in Landshut einrichtete, während B, von kurzfristigen Landshut-Besuchen abgesehen, ein Jahr in München blieb, bevor auch sie nach Landshut übersiedelte.
388.
Von Kunigunde von Savigny an Bettina und Meline Brentano in Winkel Trages, 21. Juni 1808, Dienstag
B: –. A: –. H: ULB Münster, Nachl. Savigny 3,070. – Format: 1 Bl. ca. 250 × 210 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Ränder rissig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, Siegelreste. Beilagen: Nr. 389. Fremdeinträge: 1r aoRl: No 71, Blattmitte Stempel: U.B. MÜNSTER Hs | 1v unter Winkel (Z. 30) Schweifklammer, darunter: im Rheingau. Besonderheiten: Savigny war Anfang Juni 1808, Gunda mit den Kindern eine Woche später, am 9. Juni, von Frankfurt nach Trages gefahren. Am 14. Juni 1808 hatte Savigny von dort an Christian Brentano nach Marburg geschrieben: Ich zweifle nicht, es wird dir einmal an deinen eigenen Kindern zu gute komen, daß du so treu und lieb für das Bübchen 〈Söhnchen Franz〉 gesorgt hast. Dieses Bübchen ist mit seiner Mutter vorigen
Samstag bey sehr schlechtem Wetter hier angekommen, und befindet sich seitdem leidlich wohl. (Stoll 1927, S. 329.) Postzeichen: Stempel: R.1.FRANC〈FURT〉. DV: H.
Veränderungen 13 16
Schritte] danach gestr. zu wissen zu thun Daß] ß aus s 1872
Zu Nr. 389
Erläuterungen 3–10 Alldieweilen die Kaiserlichen Papiere 〈…〉 sehr zufrieden.] Der beabsichtigte Güterkauf hatte vor allem den Zweck, die aufgrund der politisch-militärischen Ereignisse im Wert gefallenen österreichischen Obligationen (Oblig.; Schuldverschreibungen) anzulegen, die den größten Teil der väterlichen Erbschaft der Brentano-Geschwister ausmachten. Kunigunde, B und Meline, Christian und Clemens traten der auf Anregung Savignys bereits mit Hanauer Gesellschaftern gebildeten Sozietät bei. Sie bestand aus insgesamt zwölf Partnern, von denen Christian Brentano mit einem Ökonomen nach Böhmen reiste, um ein geeignetes Objekt zu erkunden. Erworben wurde die Gutsherrschaft Bukowan (ca. 10 km südöstlich von Pˇribram in Moldaunähe). Vgl. Savigny an Bang, 22. Dezember 1808: Gekauft ist die Herrschaft
Bukowan im Prachiner Kreise an der schiffbaren Moldau, eine kleine Tagereise über Prag, äußerst fruchtbar. Im Ganzen 1607 Böhmisch Joch Land, wovon mehr als die Hälfte sehr guter Wald, bezahlt mit Einschluß des Inventariums und der ganzen vorräthigen Erndte für 540000 fl in Banknoten (etwa 300–430000 fi Reichsgeld). (Stoll 1927, S. 368.) Die Bewirtschaftung bereitete den neuen Besitzern jedoch erhebliche Probleme und erwies sich bald als unrentabel. 1813 begannen Verhandlungen über den Verkauf, 1815 erwarb das Gut Graf Carl Rey, der es an den Fürsten Karl Philipp von Schwarzenberg weiterverkaufte. (Vgl.: Härtl 1980; Günther 2000, S. 91–133; Härtl 2004, S. 3–6.) 21–22 Hüttengeses] Hüttelngesäß, zum Savignyschen Familiengut Trages gehörender Hof. (Vgl. Günther 2000, S. 80–86.)
389.
Von Friedrich Carl von Savigny nach Winkel Trages, 21. Juni 1808, Dienstag
B: –. A: –. H: GSA 03/588. – Format: 1 Dbl. ca. 188 × 114 mm; 1r beschr.; 2v Adresse; 1x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRm: 1806 〈6 aus 8〉, aoRr: 16, auRl: 37 | 2v aoRr: 17. Besonderheiten: Beilage zu Nr. 388. Datierung: Aufgrund des datierten Briefes Nr. 388. D1: Härtl 1979, S. 120 (Nr. 21); datiert: Mai oder Juni 1808. DV: H.
1873
Zu Nr. 389
Erläuterungen 2 8
Erbprinzen] Sohn Franz. Pullers] Tochter Bettina.
390.
Von Johann Wolfgang von Goethe nach Frankfurt Karlsbad, 22. Juni 1808, Mittwoch
B: Nr. 384. A: Nr. 412. H: PML/Heineman Coll. MA 6907 MS Goethe-Bettina 1,9. – Format: 1 Dbl. ca. 182 × 114 mm; 1r-2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 1x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: Vgl I 312, aoRr Stempel: 6. Besonderheiten: Beilage zu einem nicht überlieferten Brief Goethes an seine Mutter. Vgl. Goethe, Tagebuch, 22. Juni 1808: Früh zu Hause und ver-
schiedene Briefe. A n m e i n e M u t t e r , eingeschlossen darin a n D e m o i s e l l e B r e n t a n o . (WA III, Bd. 3, S. 350.) Sowie Frau Rath an Goethe, Frankfurt, 1. Juli 1808: Deinen Lieben – freundlichen Brief an Betinen habe Ihr noch nicht können zustellen Sie fährt wie ein Irwisch bald ins Reingau – bald anders woherum so Sie bald kommt soll Ihr dieses Glück werden. (Köster 1904, Bd. II, S. 183.) Und B an Goethe, Briefteil 13. Juli 1808: ein lieber Brief von Dir erwartete mich in Franckfurt bei deiner Mutter den ich dort selbst abholte (Nr. 387,106–107). Den auf Arnim bezüglichen Teil des Briefes teilte sie ihm am 7. Juli 1808 mit (Nr. 402,1–17). D1: WA IV, Bd. 20, S. 98–100 (Nr. 5551). D2: Schüddekopf/Walzel 1899, S. 170–172 (Nr. 8). D3: Steig 1922, S. 74–76. D4: Bergemann 1927, S. 225 f. (Nr. 24). D5: Kat. Henrici 148, Nr. 46 (6), S. 19; TD (kurzer Auszug). D6: B/WuB II, S. 615 f. DV: H.
1874
Zu Nr. 390
Erläuterungen 8 die chinesischen Früchte] Vgl. Nr. 375,60–61 und Erl. 10–11 Ihren liebenswürdigen Dichter 〈…〉 Kupferstecher] Das von B mit Nr. 360 geschickte Tasso-Porträt Pietro Erminis, gestochen von Raffaello Morghen. 14 dem man 〈…〉 Genuß schuldig ist] Vor allem für das Hauptwerk, das Epos La Gerusalemme liberata (1570–1575). Goethe wird auch an sein Drama Torquato Tasso gedacht haben. 17–18 am Fuße des Johannisbergs 〈…〉 gelebt] Bekannt ist lediglich, daß Goethe, nachdem er in Ehrenbreitstein bei den La Roches fröhliche Tage verbracht hatte, mit Johann Heinrich Merck und dessen Familie am 20./21. September 1772 rheinaufwärts nach Mainz gefahren und von der Landschaft beeindruckt war: So genossen wir mit Muße der unendlich mannigfaltigen
Gegenstände, die bei dem herrlichsten Wetter, jede Stunde an Schönheit zuzunehmen und sowohl an Größe als an Gefälligkeit immer neu zu wechseln scheinen; und ich wünsche nur, indem ich die Namen R h e i n f e l s und S t . G o a r , B a c h a r a c h , B i n g e n , E l f e l d und B i b e r i c h ausspreche, daß jeder meiner Leser im Stande sei, sich diese Gegenden in der Erinnerung hervorzurufen. / Wir hatten fleißig gezeichnet, und uns wenigstens dadurch die tausendfältige Abwechselung jenes herrlichen Ufers fester eingedruckt (Dichtung und Wahrheit, 13. Buch; Goethe/MA XVI, S. 597). 19 den Rhein 〈…〉 in einem kleinen lecken Kahn] Gemeint ist eine Episode, die sich Anfang November 1792 ereignete, nachdem Goethe den ersten Koalitionskrieg im preußischen Feldlager bei Verdun beobachtet hatte und während er von Frankreich nach Deutschland zurückkehrte. (Frdl. Hinweis von Edith Zehm, München.) Von Koblenz nach Düsseldorf wollte er auf dem Rhein fahren, der Kahn, den er mietete, hatte jedoch ein starkes Leck, so daß der Fährmann ständig Wasser schöpfen mußte, und außerdem kam es zu einem Streit zwischen dem Fährmann und einem blinden Passagier, der sich zu rudern verpflichtet hatte. Der Fährmann stürzte ins Wasser, wurde nur mit Mühe herausgezogen, man mußte bei Bonn ans Ufer rudern, wo Goethe, der im Kahn nächtigen wollte, weiteres Ungemach erlitt, wie er in der Campagne in Frankreich erzählt (Goethe/MA XIV, S. 458). Die Reisenden hätten nicht bedacht 〈…〉, wie auf die weite Strecke hinab, von Co-
blenz bis Düsseldorf, der Schiffer nur ein altes Boot zu nehmen pflegt, um es unten als Brennholz zu verkaufen, und, sein Fährgeld in der Tasche, ganz leicht nach Hause zu wandern. (Ebd.) 1875
Zu Nr. 390
20
Recht an Ihr Andenken] Anspielung auf Bs Bericht, ein kleiner Seelenverkäufer habe sie auf dem Rhein mitgenommen (Nr. 384,18–19). 22 Heft, das er mir geschickt hat] Das April-Heft der Zeitung für Einsiedler. Es wird Arnims Brief an Goethe vom 9. Mai 1808 (WAA XXXIII,
Nr. 775) beigelegen haben. (In Goethes Bibliothek nicht separat überliefert, sondern im Zusammenhang der Buchausgabe der Zeitung als Troest Einsamkeit, die Arnim im Dezember 1808 nach Weimar mitbrachte; vgl. Ruppert 1958, Nr. 354.) 22–23 Ob ich gleich den Nifelheimischen Himmel nicht liebe] Niflheim ist in der nordischen Mythologie das Reich des Nebels und der Kälte, das sich am Nordende des öden, unerfüllten Raums bildete, der am Anfang der Zeit bestand, als es weder Himmel noch Erde gab. Die nordische Mythologie wurde in die Zeitung für Einsiedler durch Görres’ Beitrag Der gehörnte Siegfried und die Nibelungen (Nr. 5 vom 15. April) und Wilhelm Grimms Übersetzungen altdänischer Heldenlieder (Nr. 6 vom 20. April) eingeführt. Goethes spätere Urteile über die gesamte Zeitschrift fielen überwiegend positiv aus. Vgl. Brentano (nachdem er am 8. August 1809 in Jena mit Goethe gesprochen hatte) an Savigny, 20. August 1809:
den Einsiedler bedauerte er ungemein, er sagte, daß er bei den besten Menschen ungemeines Interesse erregt hätte, und eine ganz neue Wendung in der Litteratur hervor gebracht hätte, wenn er weniger geträumt hätte (FBA XXXII, S. 176,18–22). Sowie Brentano an Zimmer, 12. Dezember 1809: er hat von der unglücklichen Einsiedler Zeitung mit ungemeiner Achtung gesprochen, es sind seine Worte: daß nie ein so mannichfaltiges reiches und Geistreiches Zeitblatt geschrieben sei, und daß es ihm nebst andern Freunden sehr leid sei, daß es durch Zufall, durch Zeitgeist, und durch einige Ungeschicklichkeit in der Manier, die aber von mancher Originalität schwehr zu trennen sei, nicht den vollkommnen Sukceß gehabt, den es verdient, und daß er nie zweifle, es werde noch einst sehr gern und mit Nutzen gelesen werden (ebd., S. 189,6–15). 26–27 heilen wir uns durch Rennthiermoos] Nicht die Rentierflechte (Cladonia stellaris) – so genannt, weil sie besonders im Winter die Hauptnahrung der Rentiere bildet – war als häusliches Heilmittel gebräuchlich, sondern das Isländische Moos (Cetraria islandica), bei Husten, Durchfall und dergleichen. 40 Meinem August 〈…〉 ganz wohl.] Vgl. Goethe an Christiane, 15. Juni 1808: Augustens Briefe machen mir viel Freude. (WA IV, Bd. 20, S. 82.) Entsprechende Briefe des Sohnes sind nicht überliefert.
1876
Zu Nr. 391
40–41 Meine Frau 〈…〉 in Lauchstädt Theater und Tanzsaal.] Christiane war Mitte Mai zur Kur nach Bad Lauchstädt gefahren.
391.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 23. Juni 1808, Donnerstag
B: –. A: Nr. 393. H: FDH 7432. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. 228 × 189 mm; 1r–3r 4½ beschr. S.; 3v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Dünn, Tintenfraß, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, überklebt. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | J HONIG & ZOONEN | II: bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 230 v, aoRr unter Datum: [1808] | 2v auRr: 7432 | 3r aoRl: 230 | 3v auRr: 7432. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 160–162. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 252–254 (Nr. B48). D4: WAA XXXIII, S. 430 f. (Nr. 805). DV: H.
Veränderungen 8 Gutes] G aus g 10 das] danach gestr. ge 14 die] danach gestr. Reh 15 dem] danach gestr. Sthul 42 aus] danach gestr. Cl 50 wenn] w aus d
Erläuterungen 6–11 Das Schicksal 〈…〉 Volk 〈…〉 Erlösung danckt] B deutet den Iphigenie-Mythos eigenwillig um. Zunächst identifiziert sie ihren Willen mit dem König Agamemnon, der seine Tochter Iphigenie (die sie mit Arnim identifi-
1877
Zu Nr. 391
ziert) der Göttin Artemis opfern sollte, um diese für die Ausfahrt der griechischen Flotte nach Troja günstig zu stimmen. Artemis ersetzte jedoch das Opfer der Tochter durch das einer Hirschkuh und entführte Iphigenie ins Land der barbarischen Taurer, wo Iphigenie Priesterin der Göttin wurde. Von ihrer edlen Gesinnung beeindruckt, gestattete der Taurerkönig Thoas nicht nur ihre Abreise gemeinsam mit ihrem Bruder Orest, der bei den Taurern gestrandet war, sondern versprach auch dem Volk der Taurer (mit dem B ihre Liebe identifiziert) die Freiheit. B scheint partiell Euripides’ Schauspiel Iphigenie bei den Taurern zu folgen, in dem das Volk vom Chor repräsentiert wird. 15 auf den Rochus] Vgl. Nr. 387,31–60 und Erl. 15 Stuhlwäglein] »offener wagen mt stuhlartigem sitz« (DWb XX, Sp. 366). 33 Rombergs Concert] Vgl. Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung 1808, Nr. 97: Mittwoch 22. Juni wird Herr Bernhard Romberg, Violinzellist,
ein Vocal- und Instrumentalconcert im rothen Hause zu geben die Ehre haben. (Ermittelt Steig 1913, S. 161.) 40 Brief vom Sohn] Vgl. Nr. 385 (Datierung). 53 »gedenk 〈…〉 nicht der bösen«] Vmtl. mündliche Äußerung Arnims, nicht in den überlieferten Briefen an B. 56 Balsame] Balsamkraut (Impatiens balsamina).
392.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 25. Juni 1808, Sonnabend
B: –. A: –. H: FDH 7433. – Format: 1 Bl. ca. 288 × 189 mm; 1r ½ beschr. S.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 243 v, aoRr: [1808] | 1v auRr: 7433. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT; Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 164. D2: Betz/Straub 1986, S. 255 (Nr. B49). D3: WAA XXXIII, S. 434 f. (Nr. 808). DV: H.
1878
Zu Nr. 393
Erläuterungen
Gestern 〈…〉 mit Frau Staël bei Bethmann 〈…〉 gegessen 〈…〉 Eifersucht?] Vgl. Nr. 386,60–62 und Erl. 9 hüt dich schön’s Blümelein] Jeweils Schlußvers der ersten fünf Strophen des Erndtelieds (Incipit: Es ist ein Schnitter, der heißt Tod) im ersten Band des Wunderhorns (FBA VI, S. 51 f.).
2–6
393.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 26. Juni 1808, Sonntag
B: Nr. 391. A: Nr. 394. H: FDH 7266. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 241 × 192 mm; 1r–4v 7½ beschr. S.; je 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: Jeweils: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 231 v | 2v aoRl: 7266 | 3r aoRl: 231 v | 4v aoRl:
7267. D1: Steig 1913, S. 162–164. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 255–258 (Nr. A47). D4: WAA XXXIII, S. 435–437 (Nr. 809). DV: H.
Veränderungen 36 37 41 43 44 48 48 64 78 79
sey kunstreich 〈…〉 lachend] über gestr. ich will kuppeln kannst] aus 〈xxx〉 bessern] aus letzten Flügelschlage] a aus ä daß du 〈xxx〉] üdZ eing. Frankfurt] Fra aus Rom hätte] e aus et beyde] b aus s in] i aus a der] aus die
1879
Zu Nr. 393
Erläuterungen 35 Dein alter Adam] »wird oft für die erbsünde, die alte heidnische natur gebraucht, die unterdrückt sich noch immer regt« (DWb I, Sp. 175). 48 Rombergs Baßgeige] Vgl. Nr. 391,38–39. 51–54 Mad Bürger 〈…〉 abgereist] Elise Bürger, die dritte, geschiedene Frau Gottfried August Bürgers, trat als Schauspielerin eigener Stücke, mit deklamatorischen und mimischen Darstellungen auf. 54 blümerant] Verderbt aus frz. bleu-mourant (blaßblau); schwach, schwindelig. 61 Onkel Moritz] Bethmann, der Onkel Augustes. 62–63 die Ziklein 〈…〉 Selim] Rückbezug auf Bs Brief vom 21. Mai (Nr. 382,37–41). 66 L. Grimm 〈…〉 guter Junge] Ludwig Emil Grimm war am 7. Juni oder kurz zuvor von Kassel in Heidelberg eingetroffen. (Vgl. Brentano an die Brüder Grimm, spätestens 9. Juni 1808; FBA XXXII, S. 70 f.) 70 kein böser Geist von einem Hunde um uns] Vmtl. Anspielung auf den Pudel in Goethes zur Ostermesse als achter Band der ersten Cottaschen Ausgabe von Goethes Werken erschienenem Faust. Erster Teil (bereits Vermutung Steig 1913, S. 164), insbesondere auf den Schluß des Osterspaziergangs Fausts mit Wagner, zu denen sich ein schwarzer Pudel, sie umkreisend, gesellt. 72–73 von Claudine 〈…〉 Klödchen 〈…〉 Thränen] Claudine und Klödchen sind Vor- bzw. Kosename Claudine Piautaz’, auf deren Neigung zu Georg Brentano Arnim vmtl. anspielt. 73–74 Rentmeisterin 〈…〉 Tochter] Die Frau (vmtl. Witwe) des Rentmeisters Schröder in Bergen und deren mit Georg Brentano verheiratete Tochter Marie. 78–79 hat Voß 〈…〉 in der Jenaer Zeitung vernichtet] Voß fertigte Gottfried August Bürgers Sonette, die in den letzten Ausgaben der Bürgerschen Gedichte (1793, 1796, 1803) erschienen waren, in einer umfangreichen und aufwendigen Rezension ab, die in der Jenaischen Allgemeinen LiteraturZeitung, Nr. 128–131 vom 1.–4. Juni 1808, erschienen war, und nutzte die Besprechung zu einem Angriff auf die Heidelberger Romantiker. (Vgl. Fambach 1963, S. 225–322 mit Dokumentation der Reaktionen.) Die Kritik der Bürgerschen Sonette war zugleich ein Generalangriff auf das Sonett als Kunstform und deren Indienstnahme durch die Romantiker. (Vgl. Ziolkowski 2008, S. 213–218.)
1880
Zu Nr. 394
79–80 der Bericht dieser Schlacht 〈…〉 im Einsiedler erscheinen] Die von Brentano und Görres verfaßte Satire Die Sonnettenschlacht bei Eichstädt mit dem Untertitel Jenaische Literaturzeitung. Junius 1808 Nr. 128–31 erschien in der Zeitung für Einsiedler Nr. 26 vom 29. Juni (WAA VI, S. 318–320). Der Titel spielt auf Voß’ Bürger-Rezension und Heinrich Karl Abraham Eichstädt als Redakteur der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung an. (Vgl. vorige Erl.) Die Sonnettenschlacht ist »eine der witzigsten Parodien der deutschen Romantik« (Ziolkowski 2008, S. 216). 80–81 Geschichte 〈…〉 neunzig Soneten] Arnims satirische Geschichte
des Herrn Sonet und des Fräuleins Sonete, des Herrn Ottav und des Fräulein Terzine. Eine Romanze in 90 + 3 Soneten erschien mit dem Untertitel Anhang zu Bürgers Soneten in der letzten Ausgabe seiner Schriften in der abschließenden Beilage zur Zeitung für Einsiedler (WAA VI, S. 463–521).
394.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Offenbach, 27. Juni 1808, Montag
B: Nr. 393. A: Nr. 396. H: FDH 7434. – Format: 1 Dbl. ca. 230 × 193 mm; 1r–2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 234 v | 2v auRm: 7434. Datierung: B hat sich (Z. 1) mit der Datierung geirrt. Der Brief muß bereits am 27. Juni geschrieben und gestern (Z. 8), als sie zunächst von Sismondi besucht wurde und dann Germaine de Staël besuchte, der 26. Juni gewesen sein. Denn erstens berichtete Germaine de Staël unmittelbar nach Bs Weggang in einem Brief an Maurice O’Donell vom 26. über den Besuch (vgl. zu Z. 11–12), und zweitens reiste sie noch am 26. von Frankfurt nach Heidelberg ab (wie B Nr. 392,3–4 angekündigt hatte), denn am 27. versuchte sie dort zunächst vergeblich, Arnim zu treffen (vgl. Nr. 396,48–49). D1: Steig 1913, S. 165 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 259–261 (Nr. B50). D4: B/WuB IV, S. 63–65 (Nr. 22). D5: WAA XXXIII, S. 439–441 (Nr. 813). DV: H.
1881
Zu Nr. 394
Veränderungen 7 es ] e aus E 8 gestern] danach gestr. , 9 sanften] aus 〈xxx〉 17 Deinen] D aus m 23 in] üdZ eing. 24 bei] b aus w 27 Beharrlichkeit] Behar aus 〈xxx〉 28 habe] am Schluß gestr. n 43 du hast] über gestr. ich habe 46 ihr] üdZ 52 das] aus nie 54 veste] v aus f
Erläuterungen 3 aus meiner Großmutter Bett] Aus dem Bett, in dem B während ihrer Erziehung vom Sommer 1797 bis Ende 1802 bei der am 18. Februar 1807 gestorbenen Sophie von La Roche geschlafen hatte. 4 Oncle Hessen] Ludwig von Hessen als zweiter Mann der Tante Luise verw. Möhn. 5 Bei Savigny] In Trages. 6–7 Bergstraße] Am Westhang des Odenwalds nach Heidelberg, bekannt wegen der Schönheit der von ihr durchquerten Gegenden. 7 mit Fr. v. Stael, Sismondi] Vgl. Nr. 386,60–62 und Erl. 11–12 ich ging zu ihr, sie nahm mich 〈…〉 auf] Vgl. Germaine de Staël an Maurice O’Donell, Frankfurt, 26. Juni 1808: Il sort de chez moi dans ce
moment une demoiselle Brentano, qui m’a dit que dans peu je ne vivrais plus. Si je n’ai pas une explication de vous pour ce silence 〈O’Donells〉, Dieu veuille que sa prédiction s’accomplisse! (Jasinski 1993, S. 465. – Übersetzung: Im Augenblick verläßt mich eine Fräulein Brentano, die mir sagte, ich würde in Kürze nicht mehr leben. Wenn Sie mir nicht dieses Schweigen erklären, so möge Gott, daß ihre Vorhersage sich erfüllt!) 23 basse-cour] Wirtschaftshof. 38 Cedern von Libanon] Nach Ps 923,13; 104,16 und öfter. 40 Fels 〈…〉 Kirche baust] Nach Mt 16,18.
1882
Zu Nr. 395
395.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Trages, 28. Juni 1808, Dienstag
B: –. A: –. H: FDH 7436. – Format: 1 Bl. ca. 238 c 205 mm; 1r–1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Zusammengeklebtes Blatt (ca. 55 mm auR aufgeklebt), Tintenfraß, Ränder eingerissen und mit Klebstreifen ausgebessert. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 236 v. | 1v aoRl: 7436. Datierung: Am 27. Juni hatte B Arnim mitgeteilt (Nr. 394,3–5), daß sie sogleich nach Trages fahre. Sie wird den Brief am folgenden Tag, bald nach der Ankunft, geschrieben haben: Hier bin ich (Z. 2). Für eine baldige Nachricht sprechen auch die Mitteilungen im nächsten, datierten Brief vom 4. Juli, es sei hier sehr kalt seit einigen Tagen und – mit ungenauer Zeitangabe – Savigny sei diese 8 Tage sehr freundlich gewesen (Nr. 398,53–60). D1: Steig 1913, S. 167 f.; datiert: 2. Juli 1807. D2: Betz/Straub 1986, S. 265 f. (Nr. B52); datiert: 2. Juli 1807. D3: WAA XXXIII, S. 441 f. (Nr. 814). DV: H.
Veränderungen 7 gegen] gegen über gestr. das 22 mein] danach gestr. 〈xxx〉 29 gedencke,] danach gestr. s 30 ein] am Schluß gestr. e 35 Behuf] danach gestr. ein paar
Erläuterungen 9–10 Aufenthalt in Landshut] Vgl. Nr. 387,170–171 und Erl. 18 Krancke Haußfrau] Die mit Savigny verheiratete Schwester Kunigunde. 22–25 mein Bett 〈…〉 Dein Bild 〈…〉 über^schatten] Das Bett stand im sogenannten »Dichterzimmer« des Savignyschen Gutes Trages. Dieses Zimmer befindet sich im Hochparterre des alten Gutshauses der Familie. Zwei Fensterwände des ca. 4,30 × 3,30 m großen Raums sind mit Zeichnungen bedeckt: eine großformatige an der breiten Fensterwand, zwei kleinformatige
1883
Zu Nr. 395
an der schmalen rechts beziehungsweise links vom Fenster. (Vgl.: Schad 1983, S. 116–134 mit Abb.; Schad 1984a mit Abb.; Schultz 1986 mit Abb.) Die Wandzeichnungen, deren Kenntnis B bei Arnim voraussetzt, entstanden, als sich beide im Oktober 1805 anläßlich der Taufe von Savignys Tochter Bettina im Freundes- und Verwandtenkreis, darunter Christian und Clemens Brentano, in Trages aufhielten. Das von B beschriebene großformatige Bild mißt ca. 2,10 × 2,20 m und stammt der Familienüberlieferung zufolge von Christian Brentano. Es ist eine Kopie eines von Friedrich Tieck entworfenenen Stiches in August Wilhelm Schlegels Ende 1803 erschienenen Blumensträußen italiänischer, spanischer und portugiesischer Poesie. (Vgl. Schultz 1986, S. 244 f.) Der Stich eröffnet darin eine Gruppe übersetzter Gedichte Petrarcas, und dargestellt ist, wie der Dichter seine Geliebte Laura vor sich schwebend erblickt, während ihm die in einen Lorbeerbaum verwandelte Daphne von hinten einen Lorbeerkranz darbietet. Zwischen Petrarca und Laura befindet sich eine Stele mit einer Art leerer Inschriftentafel und einer Büste, die Friedrich Tieck seiner 1803 entstandenen Büste Brentanos nachgebildet zu haben scheint. B identifiziert im Brief die Petrarca-Figur mit Arnim – eine Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen –, ohne sich selbst mit der groß und schlank dargestellten Laura identifizieren zu können, und neidet auch Daphne, die sie mit Daphnis, dem sagenhaften Erfinder der bukolischen Dichtung, verwechselt (oder spielt sie metamorphosierend auf ihn an?), und der zwischen Petrarca und Laura plazierten Figur, die sie als Wahrheit welche stumm ist deutet, das bildliche Zusammensein mit dem Geliebten. 33–34 nicht auf einem Esel sondern 〈…〉 Gaul] Vgl. Nr. 388,29–30.
396.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 30. Juni 1808, Donnerstag
B: Nr. 394. A: Nr. 398, 399. H: FDH 7267. – Format: 2 Dbl. (I, II) je ca. 240 × 193 mm; 1r–4r 6½ beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: Jeweils: J HONIG & ZOONEN. Beilagen: Zeitung für Einsiedler, Nr. 26 vom 29. Juni. Vgl. zu Z. 90–91. Fremdeinträge: 1r aoRl: 238 v | 2v auRr: 7267 | 3r aoRl: 238 | 4v auRr:
7267. Besonderheiten: 4r arR Notiz Bs: friedfertig / friedvert – Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 815.E). D1: Steig 1913, S. 168–170.
1884
Zu Nr. 396
D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 261–264 (Nr. A48). D4: WAA XXXIII, S. 442–444 (Nr. 815). DV: H.
Veränderungen 3 Abschied] A aus a 5 finden] f aus w 7 ihnen] i aus I 19 (femme 〈…〉 lettres)] üdZ eing. 21 Gaben] über gestr. Güter 36 über] üb aus den 47 als] a us das 73 der] d aus z
Erläuterungen 3 von Fr v Stael Abschied genommen] Vgl. zu Nr. 386,60–62 und Erl. 8 frühen Tode Deiner Mutter] Am 19. November 1793. 15–16 Bettlergestalt 〈…〉 Odysseus 〈…〉 Freyer] Vgl. Homer, Odyssee, 17. Gesang. 25 Plane] Um 1800 übliche, nicht umgelautete Pluralform. (Vgl. DWb XIII, Sp. 1886.) 27 daß mir in Königsberg ein schönes Kind begegnet] Auguste Schwinck. 33 Relazion] Bericht. 34 Clemens, der seine Frau heimsucht] Brentano wollte, wie er Savigny am 19. Juni schrieb (FBA XXXII, S. 75), zu seiner Frau Auguste nach Allendorf und von dort weiter nach Kassel. Daß er am 27. Juni abreiste, läßt sich aus Arnims Bericht über seine Heidelberger Erlebnisse am 27. und 28. Juni schließen. Am 3. Juli teilte Görres seiner Schwiegermutter Marie Christine de Lassaulx mit: Brentano ist seit acht Tagen von hier weg. (Enzensberger 1999, S. 119.) 35 die 〈…〉 Aergerniß] Femininer Gebrauch um 1800 belegt. (Vgl. DWb I, Sp. 549.) 35 Grim] Ludwig Emil Grimm. 37 Gartenhause 〈…〉 wo Clemens 〈…〉 wohnte] Ein in Neckarnähe westlich vor dem Mitteltor gelegenes freistehendes Gartenhäuschen, das Clemens
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Zu Nr. 396
und Sophie Brentano im April 1805 bezogen hatten und wo im Sommer 1805 auch Arnim wohnte. 38 Hauswirth] Philipp Bessé. 43 Fries 〈…〉 Gemäldesammlung] Der Krappfabrikant Christian Adam Fries war Kunstsammler. 45 die Casseler Gallerie] Vgl. zu Nr. *163,3. 48–49 Billet von Fr. v. Stael] Vgl. WAA XXXIII, Nr. 812. 50–52 Schlegel 〈…〉 meinem Einsiedler Unterstützung versprach] A. W. Schlegel schickte mit einem Brief vom 12. August 1808 (WAA XXXIII, Nr. 847) das Gedicht Tells Kapelle bey Küßnacht, erschienen in der Zeitung für Einsiedler Nr. 36 vom 27. August. 52–63 F. v. Staël 〈…〉 drey Stunden beysammen] Vgl. Germaine de Staël an Maurice O’Donnell, 30. Juni 1808: J’ai vu à Heidelberg un jeune
comte d’Arnim que je connaissais, et qui est vraimant spirituel et d’une beauté remarquable. Il m’a menée au château de Heidelberg, à la tonne de Heidelberg. Il prétend qu’une demoiselle allemande s’est évanouie en voyant cette tonne qui lui révélait, disait-elle, les merveilles de la création 〈…〉 Ce M. d’Arnim m’a donné tous ses ouvrages; autant en a fait Jacobi, le poète, à Fribourg, de manière que l’essieu de ma voiture plie sous tous les dons de ce genre que j’ai reçus depuis un mois. (Jasinski 1993, S. 467.) Übersetzung: Ich habe in Heidelberg einen jungen Grafen Arnim gesehen, den ich bereits kannte und der wirklich geistreich und von einer bemerkenswerten Schönheit ist. Er hat mich zum Heidelberger Schloß und zum Heidelberger Faß geführt. Er behauptet, ein deutsches Fräulein sei beim Anblick dieses Fasses ohnmächtig geworden, weil es ihm, sagte sie, die Wunder der Schöpfung offenbarte. 〈…〉 Dieser Herr von Arnim hat mir alle seine Werke geschenkt; ebenso, wie früher, 〈Johann Georg〉 Jacobi, der Dichter, in Freiburg, so daß sich die Achse meines Wagens unter all diesen Gaben biegt, die ich seit einem Monat erhalten habe. 57–58 Prinzen Louis] Louis Ferdinand von Preußen. 64–65 er gehöre dem dicken König von Wirtemberg] Anspielung auf die Leibesfülle von Friedrich I. Wilhelm Karl von Württemberg, auch Dicker Friedrich genannt. 65–66 von einem Mädchen glücklich befreyt] Marie Görres, geboren am 28. Juni. 75–76 Onkel Hessen 〈…〉 zum Russischen Spion machen] Vgl. Nr. 383,4–7 und Erl. 76–77 ehe Du in den Olymp versetzt wirst] Vgl. Nr. 394,54–56.
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Zu Nr. 397
78 der Onkel und die Tante] Ludwig von Hessen und die mit ihm seit 1807 in zweiter Ehe verheiratete Luise, verw. Möhn. 78–79 meinem Hotel] Das Quartier im Bartholomäischen Garten (vgl. Nr. 376,6–8 und Erl.); Hotel: frz. vornehmes Privathaus. 80 Gleim mit seinem Hüttchen] Anspielung auf Gleims Gedichtsammlung Das Hüttchen (Halberstadt 1794). 80 Erbach] Im Odenwald. 90–91 ein neues Blat 〈…〉 das Vorhergehende hast] Arnim schickte Nr. 26 vom 29. Juni, wie sich aus Bs Mitteilung vom 5. Juli (Nr. 399,65–66) ergibt, er solle ihr Nr. 25 (vom 25. Juni) schicken.
397.
Von Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi nach Frankfurt Basel, 1. Juli 1808, Freitag
B: –. A: Nr. 404. H: BJ/VS 235. – Format: 1 Dbl. ca. 237 × 193 mm; 1r–1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, verknittert, Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest, Bl. 2 eingerissene Stellen geklebt. – WZ: Posthorn am Band | EXTRA〈XXX〉. Fremdeinträge: 1r aoRl Varnhagen: Sismondi an Bettina Brentano., darunter 2 Stempel: Varnhagen; Preußische Staatsbibliothek Berlin, aoRr Varnhagen: Basel, 1. Juli 1808, auRl Varnhagen: Bettina. Besonderheiten: Vgl. Varnhagen, Tagebuch, 16. Oktober 1856: Nun
kommt aber eine Geschichte, die in ihrer Art einzig ist! Vor längerer Zeit hatte mir Bettina einen Brief an sie von Sismondi geschenkt, aber eine Abschrift davon verlangt, die von Ludmilla 〈Assing〉 bereitwilligst angefertigt und Bettinen eingehändigt wurde. Heute bringt mir Bettina triumphirend ein Blatt, ich soll es lesen, aber noch nicht sehen, von wem es ist. Beim ersten Blick erkenn’ ich Ludmilla’s Hand, und rufe dies wiederholt aus. Bettina verweist mir das, und sagt, ich solle nur lesen, laut lesen, ich thue es, und sage nochmals, aber wie kommt Ludmilla’s Schrift in Ihre Hand? Beim Lesen erkenn’ ich alsbald, daß es die Abschrift jenes Briefes ist; als ich ihn zu Ende gelesen, sagt mir Bettina von dem schmeichlerischen Inhalt sehr befriedigt: »Nun, behalten Sie nur den Brief, es wird Ihnen doch lieb sein, die Handschrift eines so berühmten Mannes wie Sismondi in Ihrer Sammlung zu haben!« Bis da1887
Zu Nr. 397
hin wäre noch alles leicht erklärlich, sie kann die Abschrift für Sismondi’s Autograph gehalten, alles Frühere vergessen, und meine Ausrufe wegen Ludmilla’s Handschrift für irrig gehalten haben; aber oben am Rande der Abschrift stand C o p i e geschrieben, dies eine Wort ist vorsichtig abgerissen, nur der Strich darunter noch stehen geblieben. Wer hat das abgerissen? Wenn Bettina, so war sie also nicht getäuscht, wollte aber mich täuschen, und nur das Eine, daß die Abschrift von Ludmilla sei, war ihr ganz entfallen, ganz undenkbar. Ich begehrte von ihr keinen Aufschluß, ich befürchtete ihre zu große Beschämung, ihre zu heftige Verwirrung. (Varnhagen 1861–1870, Bd. XIII, S. 186 f.) H liegt eine Abschrift (1 Dbl., 2¾ beschr. S.) Varnhagens (nicht die von Ludmilla Assing) bei. Postzeichen: Stempel: SCHAFHAUSEN. | Portozeichen. D1: Salis 1932, S. 160 f. D2: Pellegrini 1934, Bd. I, S. 240–243. D3: Schellberg/Fuchs 1942, S. 72–74. DV: H.
Veränderungen 11
dans quel] aus 〈xxx〉
Erläuterungen Übersetzung: Gnädiges Fräulein, ich hatte das Bedürfnis, mich sowohl ausdruckvoller als auch liebenswürdiger von Ihnen zu verabschieden, als es in Ihrer Loge möglich war; gestatten Sie mir also, Ihnen zu schreiben, da ich nicht in Ruhe mit Ihnen sprechen konnte. Ich will mich nicht von Ihnen entfernen, ohne Ihnen zu sagen, wie sehr Sie mich beeindruckt haben durch eine unfaßbare Mischung aus Naivität, Anmut, Geist, auch Schalkhaftigkeit, und, wenn ich es so sagen darf, Leichtfertigkeit; Sie spielten auf meiner Seele wie ein geschickter Musiker auf einem Klavier. Alle Ansichten, die Sie äußerten, waren überraschend, Sie änderten sie sofort wieder, und sie entwischten mir schon, bevor ich die Zeit gehabt hatte, über sie nachzudenken. Ich lachte, dann war ich gerührt, staunte, dann lachte ich wieder. Nie wußte ich, in welcher Welt ich war, noch, was ich von Ihnen den-
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Zu Nr. 397
ken sollte; ich weiß es auch jetzt nicht, und das einzige, dessen ich gewiß bin, ist, daß Sie sehr liebenswert sind. Vielleicht war dieses Gefühl, das Sie hervorriefen, indem Sie selbst es zu empfinden schienen, nur ein Spiel Ihres Geistes, vielleicht haben Sie mich zum Narren gehalten, ich weiß es nicht … aber wenn es so wäre, haben Sie es mit so viel Anmut getan, daß ich Ihnen sogar dies verzeihe. Doch wenn, wie ich gern hoffen möchte, in den Gefühlen, die Sie mir gezeigt haben, etwas Wahres ist, so sollten sie nicht nur drei Tage dauern; Sie haben sich meine Freundin genannt, Sie sollen es auch noch sein, nachdem ich Frankfurt verlassen habe. Ich schreibe Ihnen, ohne um Ihre Erlaubnis gebeten zu haben, und doch erlaube ich mir die Zuversicht, dass Sie mir antworten werden, nichts ist harmloser als ein Briefwechsel in der Entfernung, in der ich sein werde, und im übrigen kennen wir uns nicht genug, und unsere Briefe sollten uns etwas mehr von einander offenbaren. Ich muß eine Neigung zur Eifersucht besitzen, die ich an mir nicht kannte. Ich war zunächst sehr begierig, Herrn von Arnim kennenzulernen, als einen Mann, mit dem ich von Ihnen sprechen könnte; doch ganz im Gegenteil haben wir, wie es scheint, eine gegenseitige Abneigung; er war fast unhöflich zu mir, und ich meinerseits brachte ihm einen heimlichen Unwillen entgegen, als einem Mann, den Sie mehr lieben als alle anderen. Ich wollte nicht einmal zugeben, daß er von schöner Gestalt sei, was doch die allgemeine Ansicht zu sein scheint. Im übrigen haben wir kaum ein paar Worte miteinander gewechselt, und ich habe ihm gesagt, daß Sie reizend seien, eher aus meinem Bedürfnis, von Ihnen zu sprechen, als dem, mich mit ihm zu unterhalten. Ich verlasse heute Madame de Stael und werde eine Reise zu Pferd durch die östliche Schweiz unternehmen, die ich noch gar nicht kenne, ich reise über Schaffhausen nach Zürich und komme über Solothurn und Bern zurück. Von der anregendsten Gesellschaft werde ich in diesen acht Tagen zur äußersten Einsamkeit wechseln. Um so mehr Muße werde ich haben, an Sie zu denken und mir unsere so lebhaften, so vielfältigen Gespräche in Erinnerung zu rufen. Diese Gespräche erstaunen mich durch die besondere Beziehung, die sie zwischen uns geschaffen haben, mir scheint, daß ich jetzt sowohl Ihren Geist als auch Ihr Herz gut kenne, mir scheint, daß Sie über mich die gleiche Kenntnis erlangt haben; in jeglicher anderen Hinsicht sind wir uns völlig fremd geblieben, ich kenne weder Ihre Bildung, noch Ihre Pläne, noch Ihre Bindungen, noch Ihre Familie, also Ihr Leben im Ganzen ist mir völlig fremd geblieben. Wenn Sie etwas von meinen Schriften gelesen haben, haben Sie freilich, was mich betrifft, einen kleinen Vorsprung, doch wenn wir plauderten, haben wir alles, was sich darauf bezieht, niemals erwähnt, und die Gedanken, die mich
1889
Zu Nr. 397
am meisten beschäftigt haben, sind vielleicht die, die Sie am wenigsten interessieren. Gleichviel, in einem Punkt zumindest fühlten wir, daß wir übereinstimmten; davon werde ich eine dauernde und kostbare Erinnerung behalten, und ich hoffe, daß mein Andenken auch bei Ihnen nicht erlöschen wird. Leben Sie wohl, mein Fräulein, lassen Sie sich erneut meiner zärtlichen und ehrerbietigen Zuneigung versichern. Basel, 1. Juli 1808 Meine Adresse in diesem Sommer ist bei Mad. de Staël in Coppet, Canton de Vaud, Schweiz. Ihr gehorsamster Diener J. Ch. L. Simonde de Sismondi 3 dans votre loge] Zum Besuch Sismondis vgl. Nr. 386,60–65 und Erl. loge: Hütte, Kämmerchen, Zelle, Kontor. 26–27 J’avois 〈…〉 Mr. d’Arnim] Zur Bekanntschaft war es am 28. Juni in Heidelberg gekommen. Vgl. ebd. 60 Votre tr. h. ob. servit.] Votre très humble obéissant serviteur. 64 nég.tr] négociateurs.
398.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Trages, 4. Juli 1808, Montag
B: Nr. 396. A: Nr. 403, 405. H: FDH 7437. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 190 mm; 1r–2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 237 v, aoRr: [1808] | 2v auRm: 7437. D1: Steig 1913, S. 170–172. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 267–269 (Nr. B53). D4: WAA XXXIII, S. 446–448 (Nr. 818). DV: H.
Veränderungen 15 26 44
gegen mich] über gestr. sich eing. denen] aus einen seyn] üdZ eing. 1890
Zu Nr. 399
45 51 64 66 75
es] üdZ solgen] g aus ch tauschte] üdZ eing. merken] r aus h gehen] g aus k | danach gestr. wenn
Erläuterungen 30
diese Frau] Madame de Staël. Vgl. Nr. 392.
399.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 5. Juli 1808, Dienstag
B: Nr. 396. A: Nr. 403, 405. H: FDH 7438. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 190 mm; 1r–2v 3½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Tintenfraß. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 239 v, aoRr: [1808], Z. 4–5 nach Straßburg rot unterstr. | 2v auRr: 7438. D1: Steig 1913, S. 172 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 269–271 (Nr. B54). D4: WAA XXXIII, S. 446–448 (Nr. 818). DV: H.
Veränderungen 11 22 23 24 32 33 38 45
mit] m aus d vermuthlich] über gestr. wahrscheinlich so] davor gestr. und Trost,] danach gestr. und jezt] danach gestr. nicht vergessen] r aus g der Stoff] über gestr. sie dem] aus ihm
1891
Zu Nr. 399
Erläuterungen 3–4 Augusten 〈…〉 an Bethmann geschrieben] Der Brief ist nicht bekannt. (Frdl. Mitteilung von Holger Schwinn, Brentano-Redaktion des Freien Deutschen Hochstifts Frankfurt/M.) 8 Clemens ist unterdessen hier durch] Vgl. Nr. 396,34 und Erl. 12 Sohn des Pfarrers] Heinrich Wilhelm Mannel. 27 zu ihr] Zu Madame de Staël nach Coppet. 33–34 femme célèbre 〈…〉 homme de lettres] Madame de Staël und Sismondi. Vgl. Nr. 396,18–20 37 Fabrike] Fabrikation (Verfertigung). 41 Görres in Landshut anzustellen] Vgl. Arnim an Savigny, etwa 24. Juni 1808: Ich weiß keinen Philosophen, der das Unüberlegte Parteywesen des 〈Professors〉 Ast in Landshut so gut dämpfen könnte wie er, ohne dem
Enthusiasmus zu schaden, den dieser mit lobenswerther Anstrengung allein unter allen zu erwecken gewust hat. (WAA XXXIII, Nr. 808,33–37.) 43–44 Jacobi gegen seine Art Gelehrtheit] Friedrich Heinrich Jacobi, seit 1807 als Präsident der bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. 44 Schelling] Seit 1806 als Generalsekretär der Akademie der bildenden Künste in München. 45–46 Clemens 〈…〉 Kreuzers Wunsch sey] Vgl. Brentano an Savigny, 19. Juni 1806: K r e u t z e r k ö n n t e Wunder dort 〈in München〉 thun (FBA XXXII, S. 74,14). 49–50 schnellen Reisen als Courier] In Rußland. Vgl. Nr. 383,3–9 und Erl. 52 Tante] Luise von Hessen, verw. Möhn. 59 Kindern] Bettina und Franz von Savigny. 63–64 sein neu Kind] Die Tochter Marie. Vgl. Nr. 396,63–64. 65 Das 25 Blatt vom Einsiedler hast Du mir nicht geschickt] Vgl. Nr. 396,90–91 und Erl. 66 zum Boye gehen] »Aeltere Leute werden sich noch des alten Boy in dem kleinen Lädchen am Pfarreisen, später im Köppler-Höfchen, erinnern, in Mitten seines chaotisch geordneten Antiquitäten-Trödels, den er nur zur Meßzeit in der Braunfels-Gallerie etwas sauberer aufzuputzen sich bemühte.« (Gwinner 1862, S. 246.) 66–67 das Bild Salvator rosa] Nicht identifiziertes Bild Salvator Rosas.
1892
Zu Nr. 402
*400. Von Lulu Jordis an Bettina und Antonia Brentano in Frankfurt Bad Ems, etwa 5. Juli 1808, Dienstag B: –. A: Nr. *401. Datierung: B erwähnt den Brief der Schwester noch nicht in ihrem Brief an Arnim vom 5. Juli (Nr. 399), sondern zwei Tage später. Er wird erst nach dem 5. Juli eingetroffen und ein/zwei Tage unterwegs gewesen sein. B und Antonia werden umgehend geantwortet haben.
*401. Von Bettina und Antonia Brentano an Lulu Jordis in Bad Ems Frankfurt, etwa 6. Juli 1808, Mittwoch B: Nr. *400. A: –. Datierung: Vgl. Nr. *400.
402.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 7. Juli 1808, Donnerstag
B: –. A: Nr. 403, 405, 409. H: FDH 7439. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 188 mm; 1r–2r 2½ beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Flecke auR, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, mit Briefmarkenrändern überklebt; Bl. 2 Oblatenrest. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 240 v, Z. 23 lecken Kahn rot unterstr., Z. 26 Morgen Freitag grün unterstr. | 2v auRr: 7439. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Aufgrund der Mitteilung Bs, ein Zufall halte sie noch bis Morgen Freitag auf (Z. 26), nach Winkel zu reisen. D1: Steig 1913, S. 173 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 272–274 (Nr. B55). D4: WAA XXXIII, S. 451 f.(Nr. 820). DV: H.
1893
Zu Nr. 402
Veränderungen 12 13 29 42 47
behagt.] danach gestr. 〈xx〉 dergestalt] a aus l sich] s aus v ihn] danach gestr. bei aerger] am Schluß gestr. t | danach gestr. ist
Erläuterungen 1–17 Vielleicht ist Arnim 〈…〉 nicht Direckt schreibe] Vgl. Nr. 390,31–34 und Erl. 20–25 er freut sich 〈…〉 zurückgerufen werde.] Vgl. Nr. 399,15–20 und Erl. 30–31 Franz 〈…〉 Winkel 〈…〉 George 〈…〉 abgetreten] Vgl. Nr. 200,46 und Erl. 40–42 Lulu 〈…〉 geantwortet] Nr. *400, *401.
403.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 9. Juli 1808, Sonnabend
B: Nr. 398, 399, 402. A: Nr. 410. H: FDH 7268. – Format: 1 Bl. ca. 240 × 192 mm; 1r beschr.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | J HONIG & ZOO-
NEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 241 v. | 1v auRr: 7268. Besonderheiten: Der Brief wurde B nach Winkel nachgeschickt. D1: Steig 1913, S. 175. D2: Betz/Straub 1986, S. 274 (Nr. A49). D3: WAA XXXIII, S. 452 f. (Nr. 822). DV: H.
1894
Zu Nr. 404
Erläuterungen 9–10 Fall vom Pferde] Vgl. Nr. 398,61–69. 11 Hessen ist hier] Vgl. jedoch Nr. 409,8–10. 12–13 Werner 〈…〉 Bewegung gesetzt] Zacharias Werner war am 6. Juli, aus Frankfurt kommend, in Heidelberg eingetroffen, von wo er am 12. Juli wieder abreiste. Vgl. dessen Tagebuch, 7. Juli: Besuch bei Marheinecke,
Arnim, Gespräch mit dem jungen Göthe, Spaziergang am Neckar. 9. Juli: Fahrt nach Schwetzingen mit Arnim und Marheinecke, Wasserkünste, Abend Promenade nach dem Schloß, unten im Souterain Johanniswürmchen. Mondschein. (Floeck 1939, S. 4.)
404.
An Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi in Coppet Winkel oder Schlangenbad, vmtl. zweites oder letztes Drittel Juli 1808
B: Nr. 397. A: –. H: Archivio di Stato di Pescia, Scatola 4, Nr. 603. – Format: 1 Dbl. ca. 235 × 193 mm; 1r–1v 2 beschr. S., 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ:
FHF. Fremdeinträge: 2v aoR Empfängernotiz:
Francfort Juillet 1808 Mlle Bet-
tina Brentano. Besonderheiten: Zu H vgl. Ricci 2008, Cap. 9: L’archivio Sismondi, S. 161–214, hier S. 169. Postzeichen: Stempel: R.1.SCHWALBACH. | Franko- und Portozeichen. Datierung: B wird Sismondis Bezugsbrief vom 1. Juli gegen Ende ihres Aufenthalts in Frankfurt erhalten oder er wird ihr nach Winkel nachgeschickt worden sein, wohin sie am 8. Juli reiste, und sie wird ihn entweder in Winkel, wo sie bis Monatsmitte blieb, oder in Schlangenbad, wo sie anschließend war, beantwortet haben. D1: Pellegrini 1946, S. 68 f. DV: H-Kopie.
1895
Zu Nr. 404
Veränderungen 14 15 24 33
vous] danach zwei Wörter gestr. montrer] üdZ eing. moi.] danach gestr. 〈xxx〉 la meilleur 〈xxx〉 peu] danach gestr. la
Erläuterungen Übersetzung: Die Seele, vor allem die meinige, hat ein so großes Bedürfnis, ihre Freuden zu vervielfachen, daß ich wohl leichtfertig erschien, während ich nur die Freiheit eines wirklich reinen Herzens zeigte, das Ihnen gegenüber nichts anderes als den Reiz und die Annehmlichkeit harmloser Vertrautheit genießen wollte. Sie behaupten, mein Herz und meinen Geist zu kennen, und Sie wissen nicht, ob ich Sie zum Narren gehalten habe! Ich hatte Ihre Geschichte Italiens gelesen; die Begeisterung, die darin herrscht, hatte mich für Sie eingenommen, obwohl ich darin nicht das gefunden hatte, was ich in einer historischen Darstellung am meisten schätze: mehr Fakten als Gedanken, mehr Individualität der Fakten als moralische Schlußfolgerungen. Sehen Sie, wie aufrichtig ich bin! Ich beschwöre Sie, nehmen Sie das als Naivität; nach Ihrem [Brief] habe ich dieses Buch mit neuer Freude aufgenommen, um ein wenig Ihren Charakter darin zu entdecken, ich fand einen Geist der Güte, mit dem Sie sehr oft die Pflicht des Historikers verletzt haben, wenn Sie das Entsetzen über die Grausamkeit der Kriege nicht überwinden können; warum Abscheu äußern gegen Fakten, die ohnehin nicht moralisch genannt werden können! Aber ich bitte um Verzeihung für alles, was ich Ihnen hier sage, ich beherrsche das Französische nicht genügend, um meine Gedanken ganz auszudrücken, und ich kann immer nur die Hälfte dessen sagen, was ich sagen möchte. Gerade weil ich Ihnen glaube, über das hinaus, was ich denke, spreche ich zu Ihnen, ohne daran zu denken. Ich weiß es nicht, aber ich glaube, wenn ich mit Ihnen spräche anstatt Ihnen zu schreiben, hätte ich keinerlei Bedenken, Ihnen viel mehr zu sagen als wenn ich schreibe; diese wenigen Worte scheinen mir schon zu kühn; doch ich nehme an, daß ich mit Ihrer grundsätzlichen Nachsicht rechnen darf. Bei einer neuen Bekanntschaft ist es auch bei besten Absichten nicht möglich, im Gespräch die ganze Wahrheit zu äußern, die nötig ist, um ganz persönliche Gedanken mitzuteilen; es muß einige Zeit vergehen, und es ist unmöglich, die
1896
Zu Nr. 405
Grenzen, die diese Notwendigkeit uns auferlegt, zu durchbrechen, vor allem, wenn man auf Briefe angewiesen ist. Verstehen Sie mich, Monsieur? – ich glaube nicht, daß wir uns durch Briefe mehr von einander offenbaren, wie Sie es sich wünschen, aber ich wäre geschmeichelt, wenn Sie mir von Zeit zu Zeit Nachricht von sich geben und mir Ihr Wohlwollen bewahren wollten. Ihr Brief hat mir so gut gefallen, daß ich, wenn ich das schreiben darf, mir nicht versage, Sie um weitere zu bitten, und ich werde Ihnen antworten, wenn Sie sich mit meinem schlechten Französisch zufrieden geben. Bettine. 7 histoire de l’Italie] Der erste Band von Sismondis Histoire des républiques italiennes du moyen-àge (Zürich 1807, fortgesetzt bis 1818; dt. Geschichte der italienischen Freistaaten im Mittelalter, Bd. I, Augsburg 1836). Vgl. Savigny an Arnim, 11. Juli 1808: Hast du sein Buch gelesen
und mit ihm darüber gesprochen? ich habe viel dagegen einzuwenden, aber ich weiß ihm sehr großen Dank, daß er es geschrieben hat. (WAA XXXIII, Nr. 824,37–39.) Sowie Savigny an Friedrich Creuzer, 17. März 1808:
Ich finde das Buch, bei manchen löblichen Eigenschaften, im Ganzen sehr unter meiner Erwartung. (Stoll 1927, S. 320.)
405.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 12. Juli 1808, Dienstag
B: Nr. 398, 399, 403. A: Nr. 410. H: FDH 7269. – Format: 1 Dbl. (I) + 1 Bl. (II) je ca. 240 × 192 mm; 1r–3r 5 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 99 × 127 mm. – Papier: Kuv rotes Siegel. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | J HONIG & ZOONEN | II: J
HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 243 v | 2v auRr: 7269 | 3r aoRl: 243, auRr: 7269 | Kur unter gestr. Frankfurt a/M vmtl. Georg Brentano: Lange Winkel / im
Rheingau –. Besonderheiten: Der nach Frankfurt geschickte Brief wurde B zunächst nach Winkel und von dort nach Schlangenbad nachgeschickt. (Vgl. Fremdeinträge.) Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 825.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 175–177. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 22 f.; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1986, S. 275–277 (Nr. A50).
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Zu Nr. 405
D4: WAA XXXIII, S. 454–456 (Nr. 825). DV: H.
Veränderungen 22 23 33 34 34 35 35 39
je] aus 〈xx〉 Baron] B aus 〈x〉 spricht] über gestr. weil in] aus 〈xx〉 hat] h aus 〈x〉 nicht] üdZ eing. Ihnen] I aus i Suchens] über gestr. Ahndens
Erläuterungen 6 Du willst 〈…〉 nicht eitel seyn] Vgl. Nr. 398,22–29. 17–18 jeder sorge 〈…〉 und wer wacht, daß er nicht schlafe] Anspielung auf die letzte Strophe von Goethes Gedicht Beherzigung:
Eines schickt sich nicht für alle Sehe jeder wie ers treibe, Sehe jeder wo er bleibe, Und wer steht, daß er nicht falle. (Goethe/MA II/1, S. 33.) 19 Karlinen] Karolinen (Goldmünzen). 26–29 Mit Werner 〈…〉 sein System der Liebe Vgl. Werner, Tagebuch, 11. Juli 1808: Vormittags
aus einander gesetzt] Spaziergang auf dem Schlosse und Expectoration mit Arnim, Nachmittags Thee und kalt Souper bei der Rudolphi, schöne Portugiesin, Abschied von den Freunden. (Floeck 1939, S. 4.) Zu Werners Liebestheorie vgl. vor allem eine 1808 entstandene Niederschrift des Dichters (Körner 1923, S. 38 f.). 33–35 Göthe 〈…〉 nicht hineinreden können] Vgl. Goethe an Jacobi, 7. März 1808: Eben so macht mir Werner Spaß, wenn ich sehe, wie er
die Weiblein mit leidlich ausgedachten und artig aufgestutzten Theorien von Liebe, Vereinigung zweyer prädestinirten Hälften, Meisterschaft, Jüngerschaft, verastralisirten Mignons zu berücken weiß (WA IV, Bd. 20, S. 28).
1898
Zu Nr. 406
47 seine Frau 〈…〉 geschieden] Werner hatte 1803 in dritter Ehe die Polin Margareta (Malgona) Marchwiatowski geheiratet, von der er 1805 geschieden wurde. 52–53 Geschichte Christi mit der Magdalena und Johannes 〈…〉 verruchte Aufschlüsse] Maria Magdalena folgte Jesus als Jüngerin nach, nachdem er sie von ihrer Besessenheit befreit hatte (Lk 8,2), war Zeugin der Kreuzigung und die erste, die ihm nach der Auferstehung begegnete (Mt 27,56; Jh 20,11–18). Zu den vielen Legenden gehört die Annahme, sie sei Jesu Lebensgefährtin gewesen. Die Aufschlüsse über Johannes wird Werner daran angeknüpft haben, daß Johannes der Lieblingsjünger Jesu war. 58 System der Ahndung] Vgl. Nr. 383,37 und Erl.
406.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Winkel, 14. Juli 1808, Donnerstag
B: –. A: Nr. 411. H: FDH 7440. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 192 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, mit Briefmarkenrändern überklebt, roter Siegelrest. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 244 v, aoRr: [1808], Z. 17 Morgen 〈…〉 Schlangenbad mit Blei unterstr., Z. 18 Sonntag grün unterstr. | 1v auRr: 7440. Postzeichen: Stempel: RUDESHEIM.R.1. | Portozeichen. Datierung: B wird sich in der Datumsangabe geirrt haben. Am 16. (Sonnabend) schrieb sie bereits den datierten Brief Nr. 408 aus Schlangenbad. Die Abreise, von der sie im vorliegenden Brief berichtet, daß sie Morgen erfolge, war demnach am 15. (Freitag). D1: Steig 1913, S. 177 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 278 f. (Nr. B56). D3: WAA XXXIII, S. 454–456 (Nr. 825). DV: H.
Veränderungen 1 4
〈〈1〉〉5] 1 auf hinterklebtem Papierstreifen ergänzt mir] üdZ eing. 1899
Zu Nr. 406
Erläuterungen 23–24
Rochusberg 〈…〉 Capelle] Vgl. Nr. 387,14–30 und Erl.
407.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Winkel, 14./15. Juli 1808, Donnerstag/Freitag
B: –. A: Nr. 411. H: FDH 7441. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 192 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, mit Briefmarkenrändern überklebt, 1v rote Siegelreste. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 245 v, aoRr: Winkel 15 Juli 1808 | 2v auRr: 7441. Postzeichen: Stempel: RUDESHEIM.R.1. | Portozeichen. Datierung: Zufolge Bs Mitteilung vom 16./17. Juli in der Nacht vom 14ten auf den 15ten (Nr. 410,20). D1: Steig 1913, S. 178. D2: Betz/Straub 1986, S. 279 f. (Nr. B57). D3: WAA XXXIII, S. 458 (Nr. 827). DV: H.
Veränderungen 6 wen] Schluß- n gestr. 7 wen] Schluß- n gestr. 8 ich] danach gestr. der 15 getragen] n aus h 16 den] aus dem
Erläuterungen 11 Rochus] Vgl. Nr. 381,14–30 und Erl. 12 Premserin] Die Ruine der Nieder- oder Brömserburg bei Rüdesheim, benannt nach dem Adelsgeschlecht der Brömser von Rüdesheim, insbesondere nach der Gisela Brömserin, einer rheinischen Sagengestalt. Brentano berichtet
1900
Zu Nr. 408
über die Burgruine in einer Frühlingskranz-Episode (B/W II, S. 513 f.) sowie in einem Brief an Winkelmann, zwischen etwa 5. und Mitte November 1801 (DjBr Nr. 517). Arnim hat ihr und Brentano in seinem Volkslieder-Essay im ersten Band des Wunderhorns ein literarisches Denkmal geschrieben: Ganz
besonders ist es aber der Rhein, wenn sich die Winzer zur schönsten aller Ernten im alten Zauberschlosse der Gisella, Nachts versammeln, da flammt der Heerd, die Gesänge schallen, der Boden bebt vom Tanz 〈…〉 Durch die lustige Schaar der Winzer zieht dann wohl ein Frankfurter mit der Guitarre, sie sammeln sich um ihn, sie staunen dem König von Tule, der Becher stürzt in den Rhein, der Ernst ihres Lebens wird ihnen klar, wie wir klar sehen in wunderbaren Gedanken durch die dunkle Nacht. (FBA VI, S. 436 f.) Und B erzählt ihrer Jugendfreundin in dem Buch Die Günderode: ich guckte indes auf der Bremserin aus dem großen schwarzen Gewölb auf die Wiese im Abendschein, es flogen als die Schmetterlinge über mich hinaus, denn da oben auf der Burg wächst soviel Thymian und Ginster und wilde Rosen und alles hat der Wind hinaufgetragen 〈…〉 Unten in der Ruine wohnt ein Bettelmann mit der Frau und zwei Kindern 〈…〉 Ich war eine ganze Stunde allein da und hab hinaus auf dem Rhein die Schiffe fahren sehen, da ist mir’s doch recht sehnsüchtig geworden (B/W II, S. 95).
408.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Winkel( ? ) Heidelberg, 16. Juli 1808, Sonnabend
B: –. A: Nr. 414. H: FDH 7270. – Format: 1 Bl. ca. 240 × 192 mm; 1r–1v 2 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Fleckig. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 242; Z. 6 mit der Straßburger Reise blau unterstr., Straßburger zusätzlich rot unterstr. | 1v auRr: 7270. Besonderheiten: Vmtl. nach Schlangenbad nachgeschickt. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 831/832.E). Datierung: Aufgrund des datierten Exzerpts. D1: Steig 1913, S. 777; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 277 f. (Nr. A51); datiert: Juli 1808. D3: WAA XXXIII, S. 459 (Nr. 829). DV: H.
1901
Zu Nr. 408
Veränderungen 6 mit der Straßburger Reise] üdZ eing. 8 Treviranus] üdZ eing. 20 um] aus tie
Erläuterungen 1–2 zweymal geschrieben] Nr. 403, 405. 3 den Staat] Das neue Königreich Westphalen. 4–6 Nachricht von ihrem Briefe an Moriz 〈…〉 Straßburger Reise] Vgl. Nr. 399,3–5. 8–10 Buchdruckergesell Treviranus 〈…〉 anführte] Der angebliche Buchdruckergeselle veröffentlichte Christian Friedrich Damberger’s
Landreise in das Innere von Afrika, vom Vorgebirge der guten Hoffnung durch die Kaffarey, die Königreiche Mataman, Angola, Massi, Monoemugi, Muschako u.a.m.; ferner durch die Wüste Sahara und die nördliche Barbarey bis nach Marocco. In den Jahren 1781 bis 1797 (2 Bde. Mit Karte und colirirten Kupfern, Leipzig 1801). Der Verfasser bezeichnete sich als Tischler, aus Sch** gebürtig (S. VI). Dieser fiktiven Reisebeschreibung war eine andere vorausgegangen, die unter dem Pseudonym Taurinius erschien, das Arnim mit seiner Namensangabe Treviranus ungenau wiedergibt: Beschreibung einiger See- und Landreisen nach Asien,
Afrika und Amerika. Vorzüglich von Holland und England nach Batavia, Madras, Bengalen, Japan und China, ingleichen vom Vorgebirge der guten Hoffnung durch die Kafferey und die Wüste Sahara nach Aegypten. Von einem gebohrnen Aegyptier Zacharias Taurinius. Mit einer Vorrede von Johann Jacob Ebert. 2 Bde. Leipzig 1799–1801 (Bd. I: Arnim-Bibl. Sign. B 788). In der Vorrede wird mitgeteilt, der Verfasser sei 1758 als Sohn eines koptischen Christen und Pelzhändlers namens Stirisch in Kairo geboren worden, habe mit seinem Vater 1764 Ägypten verlassen, sei über Riga nach Augsburg gereist und seit 1771 in Nürnberg Tuchhändler gewesen. Nach dem Übertritt zum lutherischen Glauben habe er den Namen Taurinius angenommen und eine Buchdruckerlehre in Nürnberg absolviert. Danach, also als Buchdruckergesell, sei er 1776 nach Ägypten gereist. Vor dieser Reise will der Autor eine weitere unternommen haben, die unter dem Namen Joseph Schrödter erschien: See- und Land-Reise nach Ost-Indien und Ae-
gypten, auf die Berge Sinai und Horeb, nach Gaza, Rama, Damascus, 1902
Zu Nr. 409
Sydon, Tyrus, Jerusalem, Bethlehem, nach dem todten Meer usw. in den Jahren 1795–1799 (Leipzig 1800). Zur zeitgenössischen Diskussion der fingierten Reiseberichte vgl. Über Taurinius’s, Schrödter’s und Damberger’s See- und Land-Reisen. In: Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmels-Kunde. Hg. von Franz Xaver von Zach. Bd. III. Gotha 1801, S. 268–292. 17–18 gelehrten Berliner Jüdin 〈…〉 die sich hier 〈…〉 umtreibt] Nicht identifiziert.
409.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Winkel( ? ) Heidelberg, 16. Juli 1808, Sonnabend
B: Nr. 402. A: Nr. 414. H: FDH 7271. – Format: 1 Bl. ca. 240 × 192 mm; 1r–1v 2 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: Braune Flecke am oberen und unteren Rand. – WZ: Oberer Teil von bekröntem Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 247 v | 1v auRr: 7271 | Z. 15 Unruhe 〈…〉 ertödten, Z. 15 Feldherr, Z. 19–20 Ich weiß 〈…〉 Worte sind, Z. 27 Notiz von Goethe jeweils grün unterstr. Besonderheiten: Vmtl. nachgeschickt nach Schlangenbad. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 829/830.E). D1: Steig 1913, S. 180 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 282 f. (Nr. A52). D3: WAA XXXIII, S. 460 (Nr. 830). DV: H.
Veränderungen 19–20
Ich weiß 〈…〉 sind] nachträgl. udZ
Erläuterungen 2–3 Von Savigny 〈…〉 nach Schlangenbad kommt] Vom 11. Juli aus Trages (WAA XXXIII, Nr. 824). 3 tref ich auch ein mit Kreutzer] Vmtl. am 5. August.
1903
Zu Nr. 409
18 19 27
daß du nie wieder nach Winkel möchtest] Vgl. Nr. 399,60–63. daß Du mit Vergnügen hingehst] Vgl. Nr. 402,33–36. Notiz von Göthe] Vgl. Nr. 402,1–17.
410.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, 16./17. Juli 1808, Sonnabend/Sonntag
B: Nr. 403, 405. A: –. H: FDH 7442. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 188 mm; 1r–2v 3¼ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig. – WZ: Bekrönter Posthornschild | J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 246 v | 2v auRr: 7442. Datierung: Zufolge Bs Mitteilung Es ist auch jezt wieder Mitternacht (Z. 39). D1: Steig 1913, S. 179 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 280–282 (Nr. B58). D3: WAA XXXIII, S. 461–463 (Nr. 831). DV: H.
Veränderungen 5 ich] aus 〈xxx〉 6 Serviere] Ser aus sich 9 Schwührigkeiten] S aus 〈x〉 14 deiner] dei aus der 19 den] n aus m 23 dich] ch aus r 24 so] s aus v 32 er] e aus d 36 Instrument] I aus i 37 wo] w aus d 37 gewesen] w aus s 52 draußen] n nachträgl. idZ 60 Freude] danach gestr. aber es
1904
Zu Nr. 411
Erläuterungen 16 lezten Nacht in Winkel] Vgl. Nr. 407. 18 Dein Ahndungs System] Vgl. Nr. 405,56–60 und Erl. 27 langen Brief 〈…〉 an Goethe geschickt] Nr. 387. 33 Dein System von Werner] Vgl. Nr. 405,26–59. 34–35 System der Naturansicht 〈…〉 Schlosser von Tieck 〈…〉 zu wissen] Friedrich Schlosser vmtl. während Tiecks Frankfurt-Aufenthalt Mitte September 1806 (vgl. Nr. 202 [Datierung]). 37 schon in Frankfurth] Als Werner vor seinem Heidelberg-Aufenthalt in Frankfurt war. Vgl. Frau Rath an Goethe, 1. Juli 1808: Herr Werner ist hir –
Frau von Staell gebohrne Necker war hir. In dieser Jahres Zeit ist Frankfurth mit Frembten immer gepfropft voll (Köster 1904, Bd. II, S. 184).
411.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 17. oder 18. Juli 1808, Sonntag oder Montag
B: Nr. 406, 407. A: –. H: FDH 7272. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 188 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Papierverlust (mit geringem Textverlust) durch Siegelaufriß, rote Siegelreste. – WZ: J HONIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 248 v | 1v Z. 5 einen lecken Kahn rot unterstr., auRr: 7272. Besonderheiten: Von Frankfurt nach Schlangenbad weitergeschickt. Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG daneben: etct. | Portozeichen. Datierung: Arnim schrieb umgehend nach Erhalt der beiden Briefe vom 14. und 14./15. Juli. Sie werden zwei/drei Tage unterwegs gewesen sein. D1: Steig 1913, S. 181; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 283 f. (Nr. A53); datiert: Juli 1808. D3: WAA XXXIII, S. 463 f. (Nr. 832). DV: H.
1905
Zu Nr. 411
Erläuterungen 3 meiner drey Briefe] Nr. 403, 405, 408. 5–7 Göthe einen lecken Kahn 〈…〉 Geschichte von der Ratte 〈…〉 gern erzählt] Vgl. Nr. 390,17–20 und Erl. Von einer Ratte ist in der Episode in Goethes Campagne in Frankreich nicht die Rede; die Geschichte wird er lediglich mündlich erzählt haben. Gesprächsberichte sind jedoch nicht überliefert. 14 das Heldenbuch] Titel einer Sammlung frühneuhochdeutscher Umarbeitungen mittelhochdeutscher Epen; erstmals um 1490, bis 1590 mehrfach gedruckt. Brentano hatte im Februar 1806 ein Exemplar für Arnim erworben (vgl. WAA XXXII, Nr. 424,131–132), vmtl. das in der Arnim-Bibliothek erhaltene (Frankfurt/M. 1590; Sign. B 899). 14 Brantome] Vmtl. Pierre de Bourdeille de Brantômes Mémoires (2 Bde., Leyden 1699; Arnim-Bibl. Sign. B 567). 14–15 das mythologische Wörterbuch] Vmtl. Paul Friedrich Achat Nitsch,
Neues Mythologisches Wörterbuch. Nach den neuesten Berichtigungen für studirende Jünglinge und angehende Künstler zusammengetragen (Leipzig 1793; Arnim-Bibl. Sign. B 288). Vgl. Arnim an Ludwig Emil Grimm, 15. Dezember 1808: für die ältere griechische und römische Zeit empfehle ich Ihnen Nitschs mythologisches Wörterbuch (WAA XXXIII, Nr. 940,33–34).
412.
An Johann Wolfgang von Goethe in Karlsbad( ? ) Schlangenbad, etwa 16.–30. Juli 1808, Sonnabend–Sonnabend
B: Nr. 390. A: Nr. 517. H: PML/Heineman Coll. MA 6902 MS Goethe-Bettina 2. – Format: 2 Dbl. (I + II) je ca. 232 × 190 mm; 1r–4v 7¼ beschr. S.; 1x quer gefaltet. – WZ: I: bekrönter Posthornschild | FHF | II: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 22a, aoRr: 19e lettre à Goethe, daneben Stempel: 19A, darunter: I 350 | 2r Mitte: I 353 | 2v alR: I 354 | 3r aoRl: 22b I 355, aoRr Stempel: 19B, alR: I 356 | 4v nach Datum: [1808]. Datierung: B begann den Brief vmtl. bald nach ihrer Ankunft in Schlangenbad. Von dem Vorgestern erlebten herrlichen Abend (bis: trugen nicht wenig dazu bei [Z. 69–96]) berichtet sie weitgehend übereinstimmend in ihrem auf
1906
Zu Nr. 412
vmtl. 19. Juli 1808 datierten Brief an Arnim: Gestern hab ich einen der herrlichsten Abende erlebt 〈…〉 [Nr. 415,6]). Auch die unterschiedlichen Schriftzüge des Briefes an Goethe lassen darauf schließen, daß B ihn abschnittweise an mehreren Tagen geschrieben hat. Das abschließende Datum bezeichnet den Tag seiner Beendigung und Abgabe an die Post. Vgl. B an Arnim, 1. August 1808: An Goethe hab ich vorgestern einen langen Brief abgeschickt. (Nr. 420,38.) D1: Steig 1922, S. 81–87. D2: Bergemann 1927, S. 230–238 (Nr. 27). D3: Kat. Henrici 148, Nr. 41 (19), S. 13; TD (Inhaltsangabe); datiert: 30. Juli 1808. D4: B/WuB II, S. 619–624; datiert: bald nach Bs Ankunft in Schlangenbad – 30. Juli 1808. DV: H.
Veränderungen 34 schlug] g aus ch 35 Triumpf] i aus y 40 bei] b aus w 44 Ruhe] R aus 〈xx〉 46 das] aus den 52 ich] aus 〈xxx〉 56 helle] h aus d 124 Zeigen] Z aus z 139 nun] aus 〈xxx〉 147 ihn] aus 〈xxx〉
Erläuterungen
In Berlin 〈…〉 Oper von Gluck hörte] Am 19. April 1807 Iphigenie auf Tauris, während Bs Berlin-Aufenthalt auf der Reise zu Goethe nach
31–32
Weimar mit Schwager Jordis und Schwester Lulu. 40 da ich nun 〈…〉 bei Dir war] Am 23. April 1807 in Weimar. 81 junge Fürstin von Baaden] Prinzessin Stephanie von Baden. 82–83 drey Waldhornisten vom Manheimer Orchester] Die als Hornvirtuosen bekannten Gebrüder Ahl und der erste Hornist des Mannheimer Or-
1907
Zu Nr. 412
chesters Johann Gottlieb Christian Dickhuth. Vgl. Nr. 415,11–14 und Carl Gottlieb Horstig, Die Gebrüder Ahl in Mannheim. In: Journal des Luxus und der Moden 22, 1807, Juli, S. 439–441. 87 weig] weich (frankfurtisch). 138 Flacken] Flaggen. 154 von der Mutter 〈…〉 die beste Nachricht.] Vmtl. durch Mitteilungen nach Schlangenbad gekommener Frankfurter.
413.
Von Antonia Brentano nach Schlangenbad Frankfurt, 18. Juli 1808, Montag
B: –. A: –. H: BJ/VS 37. – Format: 1 Dbl. ca. 228 × 190 mm; 1r–2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Leicht fleckig, 1v vergilbt. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl Varnhagen: Tony Brentano an Bettina, auRl Varnhagen: Bettina | 1v/2r aoRm Stempel: STAATSBIBIOTHEK BERLIN. Besonderheiten: Antonia Brentano, von Winkel nach Frankfurt zurückgekehrt, reagierte vmtl. auf mündliche Äußerungen Bs in Winkel. DV: H.
Veränderungen 2 Bettine] danach gestr. de 12–13 betrifft] danach gestr. un 18 seinen] Schluß-n aus r 23 auf] danach gestr. Irr 27 fühlt] über gestr. denkt | davor gestr. fühlt 50 nicht] danach gestr. bes 51 vermissen] danach gestr. könnte
Erläuterungen 24 32
Ephemeride] Eintagsfliege. Sandgasse] Am Frankfurter Brentano-Haus. 1908
Zu Nr. 414
36 Had.] Ludwig Hadermann. (Vgl. Kat. Richel 1929, S. 219.) 46–47 Glaube, Hoffnung und Liebe] Die christlichen Kardinaltugenden. Vgl. 1. Kor 13,1–13.
414.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, vmtl. 19. Juli 1808, Dienstag
B: Nr. 409. A: Nr. 416. H: FDH 7443. – Format: 1 Dbl. ca. 233 × 192 mm; 1r–1v 1½ beschr. S.: 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Tintenfraß, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, mit Tesafilm geklebt, Oblatenrest. – WZ:
FHF.
Fremdeinträge: 1r aoRl: 249 v. e | 1v Z. 21–22 allen Schmerz 〈…〉 ertödtet hat grün unterstr. | 2v auRr: 7443. Postzeichen: Stempel: R.1.SCHWALBACH. | 2 Portozeichen. Datierung: Savigny, über den B mitteilt, er sei ganz entzückt (Z. 5) von Schlangenbad, traf dort vmtl. am 19. Juli ein. Vgl. Savigny an Creuzer, Trages, 18. Juli: Heute gehe ich nach Frankfurt, Morgen nach Schlangenbad. (Stoll 1927, S. 334.) B wird bald nach seiner Ankunft geschrieben haben. D1: Steig 1913, S. 181 f.; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 284 f. (Nr. B59); TD; datiert: Juli 1808. D3: WAA XXXIII, S. 465 f. (Nr. 834). DV: H.
Veränderungen 4 erquicken] en aus ung 5 davon] aus 〈xxx〉 | davor gestr. 〈xxx〉 6 Zimmer] Z aus R 7 Stephanie] ph aus f 10 beklagt] k aus g 11 den] aus die 20 treiben] b aus p
1909
Zu Nr. 414
Erläuterungen 9–10
415.
Moriz soll 〈…〉 Briefen von ihr erhalten haben] Nicht bekannt.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, vmtl. 20. Juli 1808, Mittwoch
B: –. A: Nr. 416, 419. H: FDH 7444. – Format: 1 Bl. ca. 234 × 194 mm; 1r–1v 1¾ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Tintenfraß, Ränder eingerissen und geklebt. Fremdeinträge: 1r aoRl: 250 v. | 1v Z. 28 denn Du weist waß worte sind grün unterstr. | 2v auRr: 7444. Datierung: Vgl. Nr. 414. D1: Steig 1913, S. 182 f.; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 286 f. (Nr. B60). D3: WAA XXXIII, S. 466 f. (Nr. 835). DV: H.
Veränderungen 8 ist] idZ 11 zurückkamen] zurück aus an 14 Sterne] St aus ge 15 von] n aus m 18 haben,] danach ca. 5 Wörter gestr. 26 bei] b aus v
Erläuterungen 1 Lulu Briefe von Jordis] Nicht bekannt. 6 Gestern 〈…〉 einen der herrlichsten Abende erlebt] Die folgende Schilderung weitgehend übereinstimmend mit der im Brief an Goethe von etwa 16.–30. Juli (Nr. 412,69–101). 12 die Prinzesse] Stephanie von Baden. 12–13 3 Waldhörner 〈…〉 Manheim] Vgl. Nr. 412,81–85 und Erl.
1910
Zu Nr. 416
416.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 23. Juli 1808, Sonnabend
B: Nr. 414, 415. A: –. H: FDH 7273. – Format: 1 Dbl. ca. 237 × 188 mm; 1r–2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: AuR braune Flecke. – WZ: J HONIG &
ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 251 v | 2v Z. 48 Stephania mit Blei unterstr. | 2v auRr: 7273. Besonderheiten: Weiterbefördert nach Schlangenbad. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 836.E). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 183 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 287 f. (Nr. A54). D3: WAA XXXIII, S. 467–469 (Nr. 836). DV: H.
Veränderungen 11 12 14 18 20 26 38
sich] nachträgl. idZ bewegt] we aus sor doch] danach gestr. mit bekomme. Das] aus bekomme, das seinetwegen] erstes n aus t er] aus da bey Essen] aus beymischen
Erläuterungen 5 die Correctur] Der aktuellen Stücke der Zeitung für Einsiedler (Nr. 32 vom 20. Juli; Nr. 33 vom 23. Juli; Nr. 34 vom 27. Juli). 8 die Einladung] An Arnim, Trages, 11. Juli 1808: mache, daß wir dich noch in Schlangenbad oder hier sehen (WAA XXXIII, Nr. 824,40–41). 13 Ich bin ein alter Gelehrter] Creuzer war 37 Jahre alt. 16 daß die Brentanos alle da sind] Vgl. Savigny an Creuzer, 18. Juli 1808:
In dem sehr kleinen Schlangenbad 〈…〉 muß es sehr leicht seyn, Je-
1911
Zu Nr. 416
mand zu finden, besonders da die Brentano’sche Familie einen großen Theil des Einen Hauses occupirt. (Stoll 1927, S. 335.) 17 Aufenthalt in Marburg 〈…〉 her sind] Als Creuzer im letzten Aprildrittel 1806 in Marburg Savigny besuchte, bei dem sich B und ihre Schwester Meline aufhielten, war ihm B zutiefst unsympathisch. Vgl. zu Nr. 187, 13–31. 34–35 Lieder mit der Begleitung in Lala] Die Melodien wurden nicht mit Text, sondern auf die Tonsilbe la gesungen. 36–37 das Milchmädchen] Das Milchmädchen oder die beiden Jäger (Les deux chasseurs et la laitière, 1763), komische Operette von Egidio Romualdo Duni. 45 Balsaminen 〈…〉 röthlich] Die Rosenbalsaminen (Impatiens balsamina L.) haben dicht gefüllte, rosenähnliche Blüten. 48 die schöne Stephania] Stephanie von Baden. 51 beym Schloßgraben] In Kassel. 54–55 Feddinande] Vmtl. Anspielung auf eine Bekannte der Familie Brentano, über die Meline am 15. Juni 1806 an Savigny schrieb: Montag ganz
früh hatte ich die Ferdinante bestellt um einige Aufträge von der Webern, in der Stadt zu besorgen. Den Mittag ging die Tony in den kleinen Garten 〈…〉 Sie bat Ferdinante und mich mitzugehen (H: SPK/NS 104/3). Daß die Ferdinante nicht durch besondere Schönheit auffiel, läßt sich auch aus Melines Erstaunen über ihre Heirat schließen; an Savigny, 5. Oktober 1809: Als eine merkwürdige Nachricht muß ich Dir melden Daß
die Ferdinante Braut ist, mit einem Apotheker aus Worms, der Wittmann ist und drey Kinder hat. (H: SPK/NS 104/25.) Arnims Schreibung Feddinande ironisiert möglicherweise einen Sprachfehler.
417.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, vmtl. 25. Juli 1808, Montag
B: –. A: Nr. 419. H: FDH 7445. – Format: 1 Bl. ca. 232 × 192 mm; 1r–1v 1½ beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 252 v. | 2v auRr: 7545. Datierung: Creuzers Heidelberger Brief vom 23. Juli, den Savigny am 26. beantwortete, ist in Schlangenbad eingetroffen. Vgl. Z. 14–16 und Erl.
1912
Zu Nr. 417
D1: Steig 1913, S. 184 f.; nicht näher datiert. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 23; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 289 f. (Nr. B61); datiert: Juli 1808. D4: WAA XXXIII, S. 469 f. (Nr. 837). DV: H.
Veränderungen 2–3 aussteigen] sste aus 〈xxx〉 3 kämst] aus kämmest 8 Mannel] M aus se 25 erholst] l aus hl
Erläuterungen 5–6 den Savigny 〈…〉 zu begleiten] Nach Landshut. 8 Pfarrer Mannel] In Allendorf. 13 den Faust] Faust. Eine Tragödie, im Frühjahr 1808 erschienen. 14–16 daß Kreuzer ihm geschrieben 〈…〉 Anlaß seyn?] Vgl. Creuzer an Savigny, 23. Juli 1808: Ich dachte Sie mit Ihrer Frau und Kindern allein
zu treffen; nun, Sie aber in so großer Gesellschaft sind, sehe ich, daß ich meine Absicht des ruhigen, menschlich- und wissenschaftlichen Zusammenseins auf etwa zwei Tage nicht erreichen könnte. (Dahlmann 1972, S. 253.) Savigny suchte jedoch in einem Brief vom 26. Juli (Stoll 1927, S. 335 f.) Creuzers Bedenken zu zerstreuen, so daß dieser am 29. Juli (Dahlmann 1972, S. 254) mitteilte, er und Arnim würden am 4. August von Heidelberg abreisen und am 5. in Schlangenbad sein. 31–33 unsere Lisbeth 〈…〉 Meline ist nicht so Nachsichtig wie ich in solgen Fällen] Vgl. Meline Brentano an Savigny, 31. August 1808: Für Bet-
tine hoffe ich ein rechtes vortrefliches Mädchen zu bekommen, die ich schon für mich genommen habe, und sie ihr nun abtreten will. 〈…〉 Glück zu; ich habe das Kammermädchen ganz fest für Bettine genommen, nun kann die Lisbeth nichts mehr machen. (H: SPK/NS 104/20.) 34 Prinzeß] Stephanie von Baden.
1913
Zu Nr. 418
418.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, 27. Juli 1808, Mittwoch
B: –. A: –. H: FDH 7446. – Format: 1 Bl. ca. 228 × 188 mm; 1r ½ S. beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 253 v. | 1v auRr: 7446. Postzeichen: Stempel: R.1.SCHWALBACH. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 185. D2: Betz/Straub 1986, S. 290 (Nr. B62). D3: WAA XXXIII, S. 471 (Nr. 839). DV: H.
Veränderungen 5 7
so] danach gestr. geh ich ich dich] üdZ
419.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Schlangenbad Heidelberg, 27. und 28. Juli 1808, Mittwoch und Donnerstag
B: Nr. 415, 417. A: Nr. 420. H: FDH 7274. – Format: 1 Dbl. ca. 236 × 188 mm; 1r–2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit geringem Textverlust) durch Siegelaufriß, überklebt, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | J HONIG & ZOONEN. Beilagen: Billett Arnims an Savigny, 28. Juli 1808 (WAA XXXIII, Nr. 841). Fremdeinträge: 1r aoRl: 254 v | 2v auRr: 7274. D1: Steig 1913, S. 185 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 23; Inhaltsangabe. D3: Betz/Straub 1986, S. 291 f. (Nr. A55). D4: WAA XXXIII, S. 472 f. (Nr. 840). DV: H.
1914
Zu Nr. 419
Veränderungen 9 als] aus wenn 22 um] aus und 26 so] aus wie 27 Dir] D aus m 27 als] a aus s 31 dem] m aus n 32 mit] m aus d 34 von] aus 〈xx〉
Erläuterungen 6–7 mit dem Unglücklichen?] Vgl. Nr. 415,15–19. 12–14 daß in einem dicken Buche 〈…〉 der arme Görres entgelten muß] Gemeint ist die anonym erschienene Satire Comoedia divina. Mit drei Vorreden von Peter Hammer, Jean Paul und dem Herausgeber, o.O. [Heidelberg] 1808, die allerdings nicht besonders umfangreich ist (149 S.). Der Verfasser war Aloys Schreiber. (Vgl. Schlechter 2011, S. 169–177.) Die Satire richtete sich hauptsächlich gegen die Zeitung für Einsiedler, bezog aber auch einen Großteil der sonstigen aktuellen Romantik ein und nahm insbesondere Görres, den herausragenden polemischen Gegner, ins Visier. Die Zeitung für Einsiedler war primär Objekt der Satire, Görres primär deren Subjekt – insofern ist Arnims Auffassung nachvollziehbar, alles, was er gemacht habe, habe der arme Görres entgelten müssen. Aber auch Arnim wird, wenngleich vermittelter als Görres, nicht verschont, wie ein Resümee des Inhalts verdeutlichen kann. Einem Einleitungsgedicht (Die Weihe) folgen drei Vorreden, von denen zwei Zitate sind (aus Görres’ Schriftproben von Peter Hammer und von Jean Paul) und die dritte einem fingierten Herausgeber (W. G. H. Gotthardt in Basel) zugeschrieben wird. Dem schließt sich eine Erklärung eines nicht vorhandenen Titelkupfers an (im Unterschied zu Publikationen mit Titelkupfern ohne Erklärung), danach folgt der erste Hauptteil, Die Leipziger Messe. Jupiter und Merkur besuchen die Leiziger Buchmesse, auf der sie dem prototypischen Schriftsteller Novalis Octavianus Hornwunder begegnen, der seine Produkte mit romantisierenden Titeln anpreist, eine Zeitung für Bettler (Schreiber 1907, S. 34) ankündigt und von Jupiter in eine Gans verwandelt wird, die von einem in einen Fuchs verwandelten Buchhändler erwürgt wird.
1915
Zu Nr. 419
Im zweiten Hauptteil, Der Sündenfall, befinden sich Jupiter und Merkur unter den Zuschauern eines Theaters, dessen Bühne das Paradies vorstellt. Adam erschafft sich seine Eva und begeht mit ihr den Sündenfall, der in früh- und trivialromantischen sowie Görres’schen Floskeln als Koitus geschildert wird. Der Cherub, der sie aus dem Paradies vertreibt, erteilt ihnen die Lehre: Viel zu
spät kommt euer Bekehren, / Narren muß man mit Kolben lehren. (Ebd., S. 61.) So bleibt ihnen das himmlische Leben verschlossen, von dem zuvor ein Engel berichtet hatte: Ein Stück Ewigkeit ist bald verschwunden; /
Wir singen zusammen einen Chor, / Und lesen in den Abendstunden / Dem Gott Vater die Zeitung für Einsiedler vor. (Ebd., S. 52.) In einem Nachspiel zum Sündenfall steigt ein Egidio in Lauras Zimmer, worin er unter dem Einfluß des als Einsiedler erscheinenden Teufels verweilt, danach ziehen beide mit Hanswurst nach Indien. Schließlich folgen im dritten Hauptteil, Des Dichters Küchengarten, Gedichte in romantischer Manier, vor allem Sonette. Parodiert wird hauptsächlich Der freye Dichtergarten, Arnims Eröffnungsgedicht in der Zeitung für Einsiedler. Der seit Tiecks Prinz Zerbino (1799) Dichtern der Weltliteratur vorbehaltene Garten der Poesie ist zum banalen Küchengarten mit geringen, jedoch romantisierten Gewächsen und Stimmungen verkommen: Kohl und Erbsen grüßen; 〈…〉 / Knoblauch,
Rettich, alles will entsprießen. // Geheimnißvoll umarmen sich die Reben, / Und ihre Thränlein deuten Lieb und Lust, / Des Feldes Düfte lieblich musiciren: // Ein jedes Leben strebet in das Leben / Zum Wunderklang wird jeder Hauch der Brust, / Und jeder Klang zum Tempel will gefrieren. (Ebd., S. 75.) Das ironisch-parodistische Fazit der Comedia divina lautet, die romantische Poesie sei eine inhaltsentleerte und belanglose Dichtung der Austauschbarkeit, nur scheinbar dem Leben zugewandt, letztlich eine Poesie des Todes: Man kann nämlich die göttlichen Lieder unsrer ir-
dischen Sänger nach jeder Richtung lesen, auch damit anfangen und aufhören, wie man will, und man hat immer ein ganzes organisch vollendetes Werk. Bei den alten Mahlern kommen dergleichen genialische Kunststücke auch schon vor. In Merians Todtentanz ist ein Blatt, welches das Bildniß eines stattlichen Romantikers vorstellt, mit einem Knebelbart und seiner schönen Halskrause, kehrt man das Bild um, so ists ein fletschender Todtenkopf, der seine Beschauer angrinzt, wie der Berichterstatter im Einsiedler. (Ebd., S. 101.) 15 genöthigt 〈…〉 mich öffentlich zu nennen] Das geschah im Titel der ersten Beylage zur Zeitung für Einsiedler: Geschichte des Herrn Sonet und des Fräuleins Sonete, des Herrn Ottav und des Fräulein Terzine. Eine Romanze in 90 + 3 Soneten. Von Ludwig Achim von Ar1916
Zu Nr. 420
nim. Diese Beilage parodiert Voß’ Besprechung der Sonette Gottfried August Bürgers und polemisiert vor allem gegen die Comoedia divina. Vgl. zu Nr. 393,78–79. 16 Tieck 〈…〉 hier seyn] Ludwig Tieck ging im August 1808 nicht nach Heidelberg, sondern nach Wien. 16 Kreuzer 〈…〉 am Mittag fortwill] Arnim und Creuzer reisten schließlich gemeinsam erst am 4. August von Heidelberg ab. Vgl. zu Nr. 416,8. 25 von Pontius zu Pilatus] Redensart für unsinnige, vergebliche Wege, darauf zurückgehend, daß der römische Statthalter Pontius Pilatus den angeklagten Jesus zu Herodes Antipas schickte, der über ihn richten sollte, woraufhin dieser ihn wieder zurück zu Pilatus wies. (Lk 23,1–12.) 31–32 wie Jakob 〈…〉 gerungen mit Gott] 1. Mo 32,23–30. 35 meinen unterdeß abgesendeten Brief] Nr. 416.
420.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Schlangenbad, 1. August 1808, Montag
B: Nr. 419. A: –. H: FDH 7447. – Format: 1 Bl. ca. 234 × 193 mm; 1r–1v 2 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: AuR fleckig und beschädigt, überklebt. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 255 v. | 1v aoRl: 255, auRr: 7447. D1: Steig 1913, S. 186 f. D2: Betz/Straub 1986, S. 292 f. (Nr. B63). D3: WAA XXXIII, S. 473 f. (Nr. 842). DV: H.
Veränderungen 8 Pläzze] Schluß-n gestr. 11 Wasserpfüze] pf aus 〈xx〉 19–20 vermittelst eines Sprachrohrs] üdZ 21–22 kammen,] danach gestr. 〈xxx〉 33 viel] danach gestr. 〈xxx〉 34 den] über gestr. seinen
1917
Zu Nr. 420
Erläuterungen 4 Prefeckt von Mainz] Jeanbon Saint André. 5 Grimm 〈…〉 daß sie garstig sey] Vgl. Nr. 416,48–49. 7 Rauhenthal] Höchstgelegener Weinbauort im Rheingau, seit 1977 Eltville eingemeindet. 19 auf dem mitten Rhein] Vgl. Nr. 348,16 und Erl. 25 Malborough] Marlborough zieht aus zum Kriege, wer weiß, wann er zurückkehrt. Spottlied auf den angeblichen Tod des englischen Feldherrn und Staatsmannes John Churchill, Herzog von Marlborough, bei Malplaquet (1709). Der Refrain wurde sprichwörtlich für Überlästiges, in der deutschen Literatur vor allem durch Goethes zweite Römische Elegie; auch in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde (B/WuB II, S. 114). 38 An Goethe 〈…〉 langen Brief abgeschickt.] Nr. 412.
421.
Von Catharina Elisabeth Goethe in Frankfurt Frankfurt, 28. August 1808, Sonntag
B: –. A: –. Besonderheiten: Der Brief sollte B, der Adresse zufolge, nach Winkel überbracht werden, was sich jedoch als unnötig erwies. Sie war bereits am 13. August mit Arnim, Verwandten und Bekannten zunächst von Schlangenbad nach Winkel gereist und von dort nach kurzem Aufenthalt zu einer Rheinfahrt bis Köln aufgebrochen, von wo B und Arnim am 26. oder 27. August in Frankfurt eingetroffen sein werden. (Arnim, der nach Heidelberg weitergereist war, schrieb B von dort bereits am 28. und 29. August [Nr. 422].) In Frankfurt wurde B der Brief der Frau Rath übergeben, wohl von dieser selbst, als B sie besuchte: vmtl. am Geburtstag Goethes, bald nachdem der Brief geschrieben war. B notierte später darauf: Wenig Wochen vor ihrem Tode geschrieben der lezte Brief von ihrer Hand (D2, S. 65). – Der Brief war 1918 im Besitz von »Herrn Hofphotographen Carl Wolff in Neustrelitz« (ebd.); danach verschollen. D1: B 1848, Bd. II, S. 209–212; etwas verändert. D2: Köster 1918, S. 66–68; erstmals korrekt nach H. D3: Pfeiffer-Belli 1960, S. 886–888 (Nr. 415). D4: Köster 1968, S. 589–591 (Nr. 414). DV: D2.
1918
Zu Nr. 422
Erläuterungen 11 31
76 jahr] Frau Rath war siebenundsiebzig. zackern] pflügen. (Vgl. DWb XXXI, Sp. 16 f.)
422.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Frankfurt Heidelberg, 28. und 29. August 1808, Sonntag und Montag
B: –. A: Nr. 424. H: FDH 7275; Kuvert FDH 7273. – Format: 1 Dbl. ca. 214 × 172 mm; 1r–2v 4 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet; Ku ca. 92 × 116 mm. – WZ: Bekrönter Lilienschild | RH. Fremdeinträge: 1r aoRl: 256 v, aoRr Steig: [28. August], Z. 14 grazios grün unterstr., Z. 31 Görres mit Blei unterstr. | 2r Z. 36 Montags daneben Steig: 29. Aug | 2v auRr: 7275. Datierung: Nach der Rückkehr von der Rheinreise in Frankfurt war Arnim am 27. August von dort nach Heidelberg weitergefahren, wo er am 28. morgens ankam, sogleich an B zu schreiben begann und den Brief am nächsten Tag beendete. D1: Steig 1913, S. 188 f.; TD. D2: Betz/Straub 1986, S. 294 f. (Nr. A56); TD. D3: WAA XXXIII, S. 483–485 (Nr. 851). DV: H.
Veränderungen 11 14 23 28 27 28
zeigen] z aus n bey] aus an Hin] H aus m Tacktes war] w aus Schluß-s von Tacktes in] über gestr. mit Dies] Di aus Je
1919
Zu Nr. 422
Erläuterungen 5–6 daß ich Clemens verfehlt habe] Brentano war am 26. abends von Heidelberg über Frankfurt nach Trages gefahren, um dort mit Savigny seine Eheproblematik zu beraten. – Am 29. holte B ihn von dort ab und fuhr mit ihm nach Frankfurt zurück, von wo er über Marburg nach Allendorf reiste, um seine Frau Auguste zu holen, mit der er nach Trages zurückkehrte. 14 grazios] grazioso (it.): reizend. 22 Merianischen Kupfer stichs] Aus Matthäus Merians d.Ä. sechzehnbändiger Topographia Germaniae (1642–1654) mit zahlreichen Kupferstichen von Orten und Landschaften. 26 Quetschenkuchen] Quetschen: Zwetsch(k)en. 30–31 Wahrscheinlich nimmt er 〈…〉 Stückfaß Wein an] D. h. geht er auf ein Angebot von Augustes Stiefvater Flavigny ein, sich mit ihr zu versöhnen und in Frankfurt dessen Wohnung samt Wein zu übernehmen. Vgl. Brentano an Arnim, 28. August 1808: Flavigny hat Augusten den Vorschlag
gemacht in Fft sein Quartier einzunehmen, sie soll, wenn sie will sogleich hin, er will uns allen Hausrath und provision und Wein abtreten (WAA XXXIII, Nr. 852,6). Stückfaß: Altes Weinmaß, entspricht einem Faßinhalt von 10–12 Hektolitern. 31–33 Görres 〈…〉 nach Coblenz zurückzugehen] Görres verließ Heidelberg am 2. Oktober und kehrte nach Koblenz zurück, wo er wieder Naturwissenschaften an der Sekundärschule unterrichtete. 45–47 wenn der Krieg ausbreche 〈…〉 Savigny sollte seine Reise noch aufschieben] Ende 1808 fiel in Wien die Entscheidung zur Vorbereitung des Krieges gegen Frankreich, und da Bayern, das an Österreich grenzte, als Rheinbundstaat mit Frankreich verbündet war, war es von dem bevorstehenden Fünften Kolationskrieg besonders betroffen. Da er erst Anfang April 1809 mit der Kriegserklärung Österreichs an Frankreich begann, waren Savigny und die Seinen auf ihrer Reise nach Landshut und München im September 1808 von militärischen Auseinandersetzungen nicht betroffen.
1920
Zu Nr. 423
423.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 29. August 1808, Montag
B: –. A: –. H: FDH 7435. – Format: 1 Bl. ca. 228 × 192 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, verknittert, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, mit Briefmarkenrändern geklebt. Fremdeinträge: 1r aoRl: 235 | 1v auRr: 7435. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung, sie wolle in diesem Augenblick 〈…〉 nach Trages (Z. 2–3). Das war am 29. August. Vgl. zu Nr. 422,5–6. D1: Steig 1913, S. 166 f.; datiert: Ende Juni 1808. D2: Betz/Straub 1986, S. 264 f. (Nr. B51); datiert: Ende Juni 1808. D3: WAA XXXIII, S. 486 f. (Nr. 853). DV: H.
Veränderungen 12 13
traurich] aus betrübt todt] erstes t aus d
Erläuterungen 4–10 dein Geheimniß 〈…〉 wird das übel enden.] Was Arnim am 28. August durch einen Brief Clemens’ erfahren hatte – daß Augustes Stiefvater Flavigny versuchte, durch materielle Reize die Versöhnung der beiden Eheleute herbeizuführen und Clemens von sich abhängig zu machen –, war auch B bekannt geworden. Vgl. zu Nr. 422,30–31. 11 Die Alte wird wohl sterben] Goethes Mutter starb am 13. September. B erhielt durch ihre Schwester Meline, wie diese am 26. Oktober 1808 an Savigny schrieb, Haare von der alten Göthe, die mir die Lischen für B. ge-
bracht hat. Die Lischen erzehlte mir, die Alte habe mehrmals noch von B. gesprochen. (H: SPK/NS 104/21.) 14 die Durchwandernten Truppen] Nach Frankreich zurückkehrende Soldaten. Vgl. Nr. 422,44–46.
1921
Zu Nr. 424
424.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, 30. August 1808, Dienstag
B: Nr. 422. A: –. H: FDH 7448. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 192 mm; 1r–2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Tintenfraß, Bl. 2 Papierverlust (mit Textverlust) durch Oblatenaufriß. – WZ: FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 257 v, Z. 31 Gratios grün unterstr. | 2v auRr: 7448. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Aufgrund von Bs Mitteilung, sie sei gestern in Trages gewesen (Z. 1). Vgl. Nr. 423 (Datierung). D1: Steig 1913, S. 189 f.; datiert: Ende August 1808. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 23; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D3: Betz/Straub 1986, S. 296–298 (Nr. B64); datiert: Ende August 1808. D4: WAA XXXIII, S. 487–489 (Nr. 854). DV: H.
Veränderungen 1 Gestern] G aus 〈x〉 3 Flavignys] Fla aus Sav 4 Brief] danach gestr. ihm 4 Grob] G aus g 12 Nacht] N aus n 38 verrathnen] üdZ 57 nicht] danach gestr. al 65 〈〈xxx〉〉] ca. 35 mm Textverlust 66 〈〈xxx〉〉] ca. 60 mm Textverlust
Erläuterungen 3 Flavignys Vorschlage] Vgl. zu Nr. 422,30–31. 4 sein Brief] Der Brief ist nicht bekannt. (Frdl. Mitteilung von Holger Schwinn, Brentano-Redaktion des Freien Deutschen Hochstifts Frankfurt/M.) 7 das Muß] Anspielung auf Arnims ich muß dir nun einmal vorpredigen (Nr. 422,3–4). 9–11 die durchwandernden Truppen 〈…〉 Krieg] Vgl. zu Nr. 422,45–47.
1922
Zu Nr. 425
19 der Docktor] Dominikus Brentano, Dr. iur. 33–34 Türckheim 〈…〉 verliebt gewesen war] Vgl. Nr. 281,4–5 sowie in Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde: der schönste aller Jünglinge,
das wahre Kind voll Anmut und Scherz; er war unvermutet angekommen (B/WuB II, S. 74). 35 rennt 〈…〉 den Spaniern in den Rachen] Türckheim nahm als napoleonischer Offizier am französischen Feldzug gegen Spanien teil. Der Feldzug sollte guerillaartige Volksaufstände eindämmen, die seit Anfang Mai 1808 der französischen Besetzung opponierten, und die Herrschaft von Joseph Bonaparte, dem Bruder Napoleons, durchsetzen, den dieser zum König von Spanien proklamiert hatte. Nachdem die Franzosen am 13. August ihre Belagerung Saragossas hatten abbrechen müssen, schlugen vier Tage später britische Truppen, die die spanische Erhebung unterstützten, französische in der Schlacht von Vimeiro. Vgl. Nr. 426. 37–41 Amerikaner 〈…〉 ganz kahl] Vmtl. ein Irokese. 38 Rödelheim] Vgl. Nr. 355,31–32 und Erl. 46 Ephemeriden] Eintagsfliegen. 66 in 3 bi〈〈xxx〉〉 daseyn] Vmtl.: in 3 bis 4 Tagen.
425.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Frankfurt, Anfang September 1808
B: –. A: –. H: FDH 7449. – Format: 1 Bl. ca. 224 × 190 mm; 1r ¾ beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, fleckig, Tintenfraß, Papierverlust (mit geringem Textverlust) durch Oblatenaufriß, mit Tesafilm geklebt, Oblatenrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r aoRl: 258 v. | 1v auRr: 7449. Postzeichen: Stempel: R.1.FRANCFORT. | Portozeichen. Datierung: Nach Bs Brief vom 30. August (Nr. 424), vor Arnims Brief an Brentano aus Frankfurt von etwa 5. September (WAA XXXIII, Nr. 856), den er nach dem dortigen Wiedersehen mit ihr schrieb. D1: Steig 1913, S. 190 f.; nicht näher datiert. D2: Betz/Straub 1986, S. 299 (Nr. B65); datiert: Ende August 1808. D3: WAA XXXIII, S. 489 (Nr. 855). DV: H.
1923
Zu Nr. 425
Veränderungen 2 wirst] r aus 〈x〉 6 habe] danach gestr. se 12 Küsse] Schluß-n gestr.
Erläuterungen 2 das ganze Hauß] Der Goldene Kopf, das Frankfurter Brentano-Haus. 3 Docktor Schlosser ] Friedrich Schlosser. 6–7 Brief von seinem Bruder 〈…〉 auf dem Weg nach Rom] Christian Schlosser reiste über München (vgl. Nr. 441,34–36) nach Rom zu längerem Aufenthalt im Kreis romantisch-religiös gesinnter Künstler. 1812 konvertierte er dort zum Katholizismus. Der Brief ist nicht bekannt.
426.
Von Wilhelm von Türckheim nach Frankfurt Windesheim, 7. September 1808, Mittwoch
B: –. A: –. H: GSA 03/609. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 198 mm; 1r–2r 2 S. + 4 Z. beschr.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Verknittert, 2v verschmutzt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild. Fremdeinträge: 1r auRl: 5 | 2r auRl: 6. Postzeichen: Stempel: 102 SIMMERN. DV: H.
Veränderungen 10 10 13 17 24 43
konnte] am Schluß gestr. n erwerben] aus 〈xxx〉 mir] üdZ eing. langweiligeres] danach gestr. 〈xxx〉 ob] danach gestr. sch so] danach gestr. sagen 1924
Zu Nr. 427
Erläuterungen 4–5 Erlaubniß, an Sie zu schreiben 〈…〉 unterwegs] Vgl. Nr. 424,32–35 und Erl. 17–18 Mein Brief 〈…〉 nicht mehr in Frankfurth antreffen] Vgl. zu Nr. 427,3–4. 31 wie in Polen] Türckheim hatte am Vierten Koalitionskrieg teilgenommen, in dem die französischen Truppen nach dem Sieg über die preußischen und sächsischen in der Schlacht von Jena und Auerstedt (14. Oktober 1806) nach Polen und Ostpreußen vordrangen. 46 indem Sie Goethe von mir sprachen] In ihrem Brief von vmtl. 6. Oktober 1807 (Nr. 281,23–32). 56–57 poste restante] postlagernd.
427.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Würzburg, 17. September 1808, Sonnabend
B: –. A: Nr. 432. H: FDH 7450. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 202 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Tintenfraß, Ränder beschädigt, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Oblatenaufriß, geklebt, Oblatenrest. – WZ: J HO-
NIG. Fremdeinträge: 1r aoRl: 259 v. | 1v auRr: 7450. Postzeichen: Stempel: R.3.WÜRZBURG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 194. D2: Betz/Straub 1987, S. 25 (Nr. B66). D3: WAA XXXIII, S. 491 (Nr. 858). DV: H.
Veränderungen 3 gehabt] ge aus 〈xx〉 12–13 angeknüpft] k aus s 14 Liebe] danach gestr. bei
1925
Zu Nr. 427
Erläuterungen 3–4 unsere Trennung] Arnim und B waren vielleicht schon am 7. September von Frankfurt zunächst nach Trages gefahren, während Savignys am 8. dorthin reisten. (Vgl. Arnim an Brentano, etwa 5. September 1808; WAA XXXIII, Nr. 856.) Auf Trages trafen sie mit Clemens und Auguste zusammen, die dieser von Allendorf abgeholt hatte. Um den 15. September waren alle in Aschaffenburg, von wo die Süddeutschland-Reisegesellschaft am 17. morgens nach Landshut und München aufbrach, während Arnim, begleitet von dem Philosophieprofessor Karl Joseph Hieronymus Windischmann, nach Heidelberg zurückkehrte.
428.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Nürnberg, 18. September 1808, Sonntag
B: –. A: Nr. 432. H: FDH 7451. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 202 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Ränder beschädigt, Papierverlust (mit geringem Textverlust) durch Oblatenaufriß, geklebt, Oblatenrest. – WZ: Unterer Teil von Posthornschild | J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 260 v. | 1v auRr: 7451. Postzeichen: Stempel: R.3.NÜRNBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 194 f. D2: Betz/Straub 1987, S. 25 f. (Nr. B67). D3: WAA XXXIII, S. 491 f. (Nr. 859). DV: H.
Veränderungen 4 Nachts] danach gestr. 11 Wir] W aus w 21 wenn] aus 〈xxx〉
ist
1926
Zu Nr. 429
429.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Neumarkt, 20. September 1808, Dienstag
B: –. A: Nr. 433. H: FDH 7452. – Format: 1 Bl. ca. 235 × 200 mm; 1r–1v 1 S. + 3 Z. beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, verknittert, Tintenfraß, Papierverlust (mit Textverlust) durch Siegelaufriß, geklebt, Siegelrest. Fremdeinträge: 1r aoRl: 261 v. | 1v auRr: 7452. Postzeichen: Portozeichen. Datierung: Da B am 18. September nachts aus Nürnberg geschrieben hatte (Nr. 428), wo die Reisegesellschaft einen Tag blieb, und ihr nächster Brief aus Regensburg vom 21. datiert ist, wird sie den dazwischen liegenden aus Neumarkt (Oberpfalz, südwestlich von Nürnberg) am 20. September geschrieben haben. D1: Steig 1913, S. 195 (TD). D2: Betz/Straub 1987, S. 26 f. (Nr. B68). D3: WAA XXXIII, S. 494 f. (Nr. 862). DV: H.
Veränderungen 6 sie] s aus d 9 hatte] h aus w 10 ersparen] nach a gestr. h 10 diesen] n aus m 11 Augenblicken] danach gestr. 〈xxx〉 11 einzelne] zweites e nachträgl. idZ 15 gelt] davor gestr. gel 21 hätte] h aus s 25 Gewichtsteine] w aus s 25 〈〈xxx〉〉] ca. 25 mm Textverlust 26 〈〈xxx〉〉] ca. 30 mm Textverlust
1927
Zu Nr. 429
Erläuterungen 5 bei Frauenholz] In Nürnberg, wo Arnim den Kunstsammler und Verleger Johann Friedrich Frauenholz bereits Ende 1805 auf der Rückreise von Heidelberg nach Berlin besucht hatte. Vgl. WAA XXXII, Nr. 402,63–66 und Erl. 6–7 die Muttergottes von L: von Leiden 〈…〉 dem Kindgen giebt] Sulpiz Boisserée, der die Sammlung Ende April/Anfang Mai 1816 sah, nennt das Bild einen vermeinten Lucas von Leyden (Weitz 1978–1995, Bd. I, S. 325). Dem Maler werden drei Bilder Maria mit Kind zugeschrieben, jedoch nicht die von B angedeutete Konstellation. (Vgl. Friedländer 1963, Abb. 42–44.) 24 er] Clemens Brentano. 28 Keller] Schaffner, Kellermeister; auch Hausknecht. (Vgl. DWb XI, Sp. 515.)
430.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Regensburg, 21. September 1808, Mittwoch
B: –. A: Nr. 435. H: FDH 7453. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 196 mm; 1r–2v 4 beschr. S.; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Bräunlich, verknittert, Tintenfraß, aoR eingerissen, geklebt, Bl. 2 aoR Papierverlust (mit Textverlust). – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 262 v | 2v auRr: 7453. D1: Steig 1913, S. 195–197; TD. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 23; TD (kurzer Auszug); nicht datiert. D3: Betz/Straub 1987 S. 28–30 (Nr. B69); TD. D4: WAA XXXIII, S. 495–498 (Nr. 863). DV: H.
Veränderungen 5 Theater] a aus h 8 seyn] y aus h 15 sey] danach gestr. so 20 machst] danach gestr. mir 23 würde] danach gestr. würde
1928
Zu Nr. 431
23 32 35 44 51 54 60 81
in] aus einer Dir] aus Du beimaß] danach gestr. hat war sie] üdZ eing. klagen] k aus g über] aus mit Darin] danach gestr. lich alte] üdZ
Erläuterungen 2 Deine Tante] Die bei ihren Eltern in Regensburg sich aufhaltende Louise von Schlitz. 5 das Lustige Beilager] Das lustige Beilager (1797), Singspiel von Joachim Perinet, Musik von Wenzel Müller. 10 vor deiner Thür] In Trages. 14 bei ihr gelobt] Während Arnims Aufenthalt bei Onkel und Tante Schlitz auf deren mecklenburgischem Gut Karstorf im Frühjahr 1806. 23 Die Mutter] Die Muttergottes auf dem Bild, das B in Nürnberg gesehen hatte. Vgl. Nr. 429,5–8 und Erl. 56 Grab des heiligen Sebaldus] In der Nürnberger Sebalduskirche von Peter Vischer d. Ä. 57 Archenholz] Vielmehr Frauenholz; Verwechslung mit dem Historiker Johann Wilhelm von Archenholz. 61–62 Erinnerst Du 〈…〉 ein Thal zwei Stunden von Regensburg] Arnim war zu Beginn seiner Bildungsreise Anfang Dezember 1801 von Bayreuth nach Regensburg gereist. Vgl. B an Arnim, 19. März 1809 (Nr. 536,73–80).
431.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg Regensburg, 24. und 25. September 1808, Sonnabend und Sonntag
B: –. A: Nr. 435. H: FDH 7454. – Format: 1 Dbl. ca. 232 × 194 mm; 1r–2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Tintenfraß, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. – WZ: FHF.
1929
Zu Nr. 431
Fremdeinträge: 1r aoRl: 263 v | 2v auRr: 7454. Postzeichen: Stempel: R.4.REGENSBURG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 198 f.; TD. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 23; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1987, S. 31–33 (Nr. B70); TD. D4: WAA XXXIII, S. 498 f. (Nr. 864). DV: H.
Veränderungen 6 Trennung] davor gestr. T〈xx〉 14 die] aus du 22 hin] danach gestr. nach 23 dein] de aus 〈xx〉 25 tiefen] ti aus w 27 Leib] danach gestr. d〈xxx〉 27 war] üdZ eing. 28 deinen] aus den 29 mag] g aus ch 29 richten] en nachträgl. idZ 30 Sorge] danach gestr. falt 33 Nacht] Na aus 〈xx〉 33–34 wachen] w aus 〈x〉 36 ruhig. Wenn] aus ruhig, wenn 37 wie] danach gestr. der 38–39 alles] danach gestr. 〈xxx〉 55 unsern] aus den 60 mir] aus uns
Erläuterungen 8 Tante] Louise von Schlitz. 10 Umgang mit Dir in Meklenburg] Vgl. zu Nr. 430,14. 13–15 in Marburg 〈…〉 Worten und Blicken 〈…〉 gegeben hattest] Reminiszenz Bs, wie sie sich während ihres Marburg-Aufenthalts im ersten Halbjahr 1806 an das Zusammensein mit Arnim im Oktober 1805 auf Savignys Gut Trages anläßlich der Taufe von dessen Tochter Bettina erinnerte.
1930
Zu Nr. 432
20 Großmutter] Caroline von Labes. 24–25 wie Du damals 〈…〉 Strudel 〈…〉 gerissen] Anspielung auf Arnims unglückliche Königsberger Liebe zu Auguste Schwinck. 45–47 lezten Blätter vom Einsiedler 〈…〉 Gedichten 〈…〉 viel erlebt haben] Vmtl. die Nummern 34–37 vom 27. Juli bis 30. August der Zeitung für Einsiedler mit Arnims Fortsetzungsbeitrag Scherzendes Gemisch von der Nachahmung des Heiligen, der gerade in diesen Nummern mehrere Gedichte Arnims enthält, darunter den Zyklus Der an der Liebe Verzweifelte auf verschiednen Poststazionen (WAA VI, S. 422–424, 426–431), den Louise von Schlitz insbesondere gemeint haben wird. 48 Göthe soll in Franckfurth seyn] Falschmeldung. Vgl. Nr. 435,14–16 und Erl.
432.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Heidelberg, 25. und 26. September 1808, Sonntag und Montag
B: Nr. 427, 428. A: Nr. 444. H: FDH 7276. – Format: 2 Dbl. je ca. 235 × 188 mm; 1r–4v 8 beschr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – Papier: I: bekrönter Posthornschild, J HONIG & ZOONEN | II: J HONIG & ZOONEN. Beilagen: Arnim wird B geschickt haben, was er am 26. September auch A. W. Schlegel sandte (vgl. WAA XXXIII, Nr. 869): die abschließende Beylage zur Zeitung für Einsiedler; die An das geehrte Publikum überschriebene Vorrede zur als Tröst Einsamkeit, alte und neue Sagen und Wahrsagungen, Geschichten und Gedichte herausgegebenen Buchausgabe der Zeitung; den zweiten und dritten Band des Wunderhorns. Fremdeinträge: 1r aoRl: 264 v | 2v auRr: 7276 | 3r aoRl: 264, aoRr: zu Heidelberg d* 25 Sept. 1808. | 4v auRr: 7276. Besonderheiten: Da der Brief mit den Beilagen als Paket geschickt werden sollte, jedoch mit ihnen in der Buchhandlung Zimmers liegenblieb, schickte Arnim ihn schließlich separat nach Landshut (vgl. Nr. 445,3–5), von wo er nach München weiterexpediert wurde. Die Beilagen wurden später geschickt. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 868.E). Datierung: Daß Arnim den Brief am 26. September beendete, teilte er Nr. 433,2–3 mit. D1: Steig 1913, S. 199–202.
1931
Zu Nr. 432
D2: Betz/Straub 1987, S. 33–37 (Nr. A57). D3: WAA XXXIII, S. 500–503 (Nr. 866). DV: H.
Veränderungen 11 Nenne] Ne aus 〈xx〉 20 zierte] z aus m 23 So] S aus I 47 Mühlenradern] zweites r aus d 47 leuchtenden] üdZ eing. 47 Luftbällen] b aus s 52 daß] aß aus 〈xx〉 57 aus] danach gestr. Darmsta 66 Pr. Bökh] Pr. nachträgl. idZ | kh aus ch 77 vor] v aus s 89 früh] aus doch 99 Und sie brechen 〈…〉 mit Glauben,] zwischen den Z.
Erläuterungen 4 schmalgeleisten Wagen] Ein Wagen mit schmaler Wagenspur (Geleis: ursprüngliche Form von Gleis). 6–13 Ich denke mir 〈…〉 blauen Trauben fenster 〈…〉 Burg 〈…〉 das Pellersche Haus.] Reminiszenz Arnims an seinen Nürnberg-Aufenthalt Ende 1805 (vgl. an Brentano, etwa 10. Dezember 1805; WAA XXII, Nr. 402,42–66 und Erl.) und an das Nürnberger Spielzeug der Kindheit. Die zerhackten Kaiserbetten beziehen sich auf den Verkauf der Inneneinrichtung der Burg, nachdem die Reichsstadt Nürnberg 1806 an Bayern gekommen war. (Vgl. Dehio 1999, S. 748.) Wo sich die blauen Trauben fenster befanden, ist unklar, möglicherweise an einem Haus in der Weintraubengasse, vielleicht am Wirtshaus Beim Weinträublein oder am Weinmarkt in der Nähe der Sebalduskirche. (Vgl.: Nopitsch 1992, S. 189 f.; Nürnberg 2000, S. 1147.) Das Weiße Pellerhaus am Egidienplatz war 1602–1607 im Stil der deutschen Renaissance auf Veranlassung von Martin Peller, dem Begründer der Nürnberger Linie der Peller von Schopperhofs, errichtet worden (1945 vollständig zerstört). 24–29 Chausse 〈…〉 mit herrlichen Früchten] Vgl. zu Nr. 427,3–4.
1932
Zu Nr. 432
31–33 Windischmann 〈…〉 Frau, u Schwägerin und Kind] Karl Joseph Hieronymus Windischmann, dessen Frau Anna Maria, vmtl. eine Schwester von ihr und der 1805 geborene Sohn Georg Karl Ignaz. 32 schönen Busch] Park Schönbusch, ein englischer Landschaftsgarten im Süden Aschaffenburgs. 39 scherzende Gemisch] Anspielung Arnims auf seinen Scherzendes Gemisch von der Nachahmung des Heiligen betitelten Fortsetzungsbeitrag in der Zeitung für Einsiedler. Vgl. zu Nr. 362,30–32. 42 Tabledhoteerzähler] Table d’hôte: Gemeinschaftliche Gasthaustafel mit festen Preisen für das Gedeck. 44–50 Feierlichkeiten 〈…〉 zu Napoleons Ehren 〈…〉 Aufschneiderey] Die Aufschneiderey wird aus einem Korrespondentenbericht aus Frankfurt vom 26. September deutlich, der in der Allgemeinen Zeitung vom 30. September 1808 (Nr. 274, S. 1095) erschien: Nachdem gestern 〈25. September〉 um Mittagszeit ein französischer Kourier dem Fürsten Primas 〈Dalberg〉
die Nachricht überbracht hatte, daß der Kaiser Napoleon noch denselben Tag hier eintreffen würde, so fuhr der Fürst gegen 3 Uhr auf die Grenze, und Abends um 7 Uhr kam er mit dem Kaiser in seinem Palais an, wo Se. Majestät speiseten, und den fremden Herrschaften Audienz gaben. Übrigens waren alle feierliche Begrüßungen und Ceremonien nach des Kaisers eigenem Wunsche unterblieben, und so setzte der Monarch heut früh um 4 Uhr seine Reise weiter nach Erfurt fort; ohne Gepränge, blos von einer Abtheilung Kürassiere, Gensdarmes und fürstl. primatischen Husaren begleitet. Die Eile war nötig, weil der Kaiser bereits am 27. September früh am Zielort sein wollte. Das geht aus einer prognostischen Mitteilung aus Frankfurt in der Allgemeinen Zeitung vom 28. September (Nr. 272, S. 1087) hervor, deren zweiter Satz so geschrieben ist, als wäre die – noch bevorstehende – Reise bereits erfolgreich absolviert:
Es hieß, der Kaiser wollte am 25 Sept. zu Frankfurt, und am 27 des Morgens zu Erfurt eintreffen 〈…〉 Auf jeder Station über Hanau, Fulda etc. nach Erfurt standen 100 Pferde bereit. Die Eskorten wurden vom 1sten und 2ten Jägerregiment zu Pferd gestellt. 46 vom Oberkork angekührt] Vmtl. ironisch für eine für die Lampen zuständige Person und die Ingangsetzung der Illumination. Zu kühren (küren) vgl. DWb XI, Sp. 2803. 51 Schelmufskys Reise] Vgl. zu Nr. 383,6. 55 Renzheim] Vmtl. Bensheim (an der Bergstraße). 75–77 M. Claus aus Aachen 〈…〉 vor drey Jahren gekannt] Vmtl. Johanna Maria Friederike Claus, die 1811 den Frankfurter Bankier Philipp Bern-
1933
Zu Nr. 432
hard Andreas Andreae heiratete. (Vgl. Kiefer 1923, Tafel V.) Am 2. oder 3. September 1805 hatte Sophie Brentano aus Heidelberg Arnim über die damalige Pensionärin Caroline Rudolphis berichtet, ohne ihren Namen zu nennen: die niedliche Schelmin von Achen, spizt immer ihre feinen Öhr-
chen, so oft ich da bin, ob nicht vielleicht ein Wörtchen von Ihnen zu erlauschen wäre (WAA XXXII, Nr. 387,17–20). Vgl. Ludwig Emil Grimms Erinnerung: Manchmal nahm mich der Arnim zu der C. Rudolphi mit, die ein großes Erziehungsinstitut hatte, wo junge, schöne Mädchen aus allen Ländern zu sehen waren (Stoll 1913, S. 91). 79 Königsberger Grausamen] Auguste Schwinck. 97 Herbst 〈…〉 machen] Ernte, besonders Weinlese. 103–104 Jahrestag meines Abschieds von Königsberg] Arnim hatte am 24. September 1807, dem Geburtstag Auguste Schwincks, Abschied von ihr genommen. 108–109 vor dem Kreutze nicht niederfallen konnte] Vgl. die dritte Stanze in Arnims Zueignung seines Wintergartens:
Da stand am Weg ein Kreuz aus Stein gehauen, Mitleidig sah vom Kreuz ein Gott herab, Ich sehnte mich, ihn einzig anzuschauen, Vor ihm zu knieen, wie der Bettlerknab, Der mich verließ, dem Gotte zu vertrauen, Denn Klockenklang versprach ihm höhre Gab; Da hielt die Welt so zweifelnd mich gebunden, Ich wär nicht gerne gleisnerisch befunden. (Arnim/W III, S. 71.)
433.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Heidelberg, 27. September 1808, Dienstag
B: Nr. 429. A: Nr. 437. H: FDH 7277. – Format: 1 Dbl. ca. 235 × 190 mm; 1r–2v 4 bechr. S.; 1x längs, 1x quer gefaltet. – WZ: J HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 265 v | 2v auRr: 7277. Besonderheiten: Von Landshut nach München nachgeschickt. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 872.E). D1: Steig 1913, S. 202 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 23; TD (kurzer Auszug).
1934
Zu Nr. 433
D2: Betz/Straub 1987, S. 38 f. (Nr. A58). D4: WAA XXXIII, S. 510–512 (Nr. 872). DV: H.
Veränderungen 3 Umgebung] erstes g aus 〈x〉 11 Denk] danach gestr. 〈xxx〉 13 Ihr] I aus i 17 Wagen] W aus F 24 einen] en nachträgl. idZ 45 nichts] n aus s 47 das] aus 〈xxx〉 49 beym] be aus er 50 soll] aus 〈xxx〉 52 nennt] erstes n aus 〈x〉 54–55 derselbe] aus 〈xxx〉
Erläuterungen 2–3 mit einer grossen literarischen Umgebung] Vgl. Nr. 432 (Beilagen). 15–17 Boisseret und Arnold 〈…〉 nach München] Sulpiz Boisserée war vom 15. bis 23. September in Heidelberg und reiste von dort über Straßburg, Basel und Augsburg nach München weiter. (Vgl. Nr. 441,14–15 und Erl.) Zum Aufenthalt Arnolds ist nichts bekannt. 24–25 Göthe’s Sohn 〈…〉 an der Ruhr] Am 29. September 1808 benachrichtigte Arnim Goethe von der glückliche[n] Herstellung seines Sohnes in der Hoffnung, daß Sie von seiner Krankheit nichts gewust haben, die ein Paar Tage, wenn auch nicht gefährlich, doch sehr ernsthaft war (WAA XXXIII, Nr. 873,106–109). 26 den Periander] Ein (nicht ermitteltes) Buch über Periander von Korinth, Tyrann seit 629 v. Chr., das Arnim August von Goethe im Hinblick auf die Weimarer Verhältnisse unter der Regierung des Herzogs Carl August zur Lektüre gegeben haben wird. Periander »war ein kluger Herrscher, der durch wohldurchdachte Maßregeln seine Tyrannis zu befestigen suchte, und auf den daher die meisten Klugheitsregeln über Begründung einer Herrschaft zurückgeführt zu werden pflegten. Durch gemeinnützige Arbeiten sorgte er für Ver-
1935
Zu Nr. 433
dienst des Volkes, begünstigte die Kolonisation und hob Handel und Verkehr, verlieh aber auch seiner Hofhaltung durch Pflege der Wissenschaften und Künste Glanz und Ruhm, kurz, erreichte es, daß Korinth unter seiner Herrschaft auf der Höhe seiner Macht stand und er selbst um das Jahr 700 das größte Ansehen in Griechenland genoß. Aber Widerstand gegen seine wohlgemeinten Maßregeln in Verbindung mit häuslichem Unglück machte ihn verbittert, gewalttätig und grausam.« (MGKL XV, S. 585.) 27 Wurzel] Die am 13. September 1808 gestorbene Mutter. 27–28 er kommt 〈…〉 seine Frau 〈…〉 nach Frankfurt] Goethe, der durch den am 27. September eröffneten Erfurter Fürstenkongreß verhindert war, kam nicht nach Heidelberg. Seine Frau reiste am 1. Oktober zur Erledigung der Erbschaftsangelegenheiten nach Frankfurt, wohin von Heidelberg auch Sohn August kam. 29 Napoleons Durchreise] Zum Fürstenkongreß in Erfurt mit kurzem Aufenthalt in Frankfurt vom 25. abends bis 26. früh (vgl. zu Nr. 432,44–50). 32–35 über Grimm 〈…〉 nach Rom zu schicken 〈…〉 in Paris 〈…〉 zu sehr zerstreut.] Vgl. Arnim an Jacob Grimm, 26. September 1808: Ihr Bru-
der 〈…〉 ist 〈…〉 recht fleissig, aber leider hier wenig zu lernen für ihn, ich wünschte ihm bald eine recht gute ernste Schule unter einem geschickten Mahler 〈…〉 Paris wäre wohl am besten als blosse Zeichenschule, wenn er sich mit Franzosen abgeben könnte, woran ich aber zweifle. Ein andrer Vorschlag ist Rom, aber die Schwierigkeit der Reise ist zu groß es sey denn daß er Gesellschaft fände 〈…〉 Rom wäre das Vortheilhafteste in jeder Hinsicht auch in Hinsicht des Unterhalts.
(WAA XXXIII, Nr. 867,10–22.) Ludwig Emil Grimm reiste in der ersten Novemberhälfte nach Landshut und von dort bald weiter nach München, wo er an der Kunstakademie und insbesondere von dem Maler und Kupferstecher Carl Heß unterrichtet wurde. 35–36 Die Schicksale 〈…〉 erzählt] Vgl. Nr. 432. 39–40 die Professor Wilken gemalt] Das von Caroline Wilken, Frau des Heidelberger Professors Friedrich Wilken, angefertigte Arnimsche AquarellPorträt ist verschollen. (Erste – nichtfarbige – Abbildung Stoll 1896, neben S. 145; ebenfalls als Schwarz-Weiß-Reproduktion Frontispiz von Steig 1913, wozu mitgeteilt wird: »Nach Ausweis des farbigen Originals hatte Arnim blaue Augen und blondes Haar.« [Ebd., S. 203.] Als farbiges Miniaturbild erwähnt Stoll 1923, S. 168 f. mit Besitzangabe: »jetzt im Arnimschen Familienarchiv in Wiepersdorf«.) 47 daß du mit mir spielst] Vgl. Nr. 428,7.
1936
Zu Nr. 434
434.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 29. September 1808, Donnerstag
B: –. A: Nr. 439. H: FDH 7455. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 190 mm; 1r–1v 2 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Tintenfraß, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, überklebt. – WZ: Bekrönter Posthornschild | FHF. Fremdeinträge: 1r aoRl: 266 v | 2v auRr: 7455. Postzeichen: Stempel: R.4.MÜNCHEN 29 SEP 1808. | 1 Porto-, 1 Frankozeichen. D1: Steig 1913, S. 204. D2: Betz/Straub 1987, S. 41 f. (Nr. B71). D3: WAA XXXIII, S. 517 f. (Nr. 875). DV: H.
Veränderungen 11 20 27 32 33 38
traurig] danach gestr. das mögen] g aus ch nichts] n aus d verlassen] v aus f säh;] danach gestr. s fliegst] über gestr. 〈xxx〉
Erläuterungen 1 München] Nach der Ankunft in Landshut (vmtl. 26. September) fuhr die Reisegesellschaft nach München weiter, wo sie zunächst im Schwarzen Adler abstieg (vgl. Stimmen Nr. 146) und sich bald danach im Alten Pilgramhaus in der Rosenstraße (später Rosenstraße 11, abgerissen) nahe dem Marienplatz einquartierte (Abb.: ebd., neben S. 128; Bunzel 2009, S. 15). Am 16. Oktober kehrten zunächst Savigny, Clemens und Auguste Brentano nach Landshut zurück. 2–3 Landshut 〈…〉 nicht 〈…〉 abrathen zu dürfen] Vgl. Arnim an Carl Otto von Arnim, Heidelberg, 19. September 1808: Landshut in Beyern 〈…〉 vielleicht suche ich da auch mein Glück (WAA XXXIII, Nr. 860,36–37).
1937
Zu Nr. 434
Nach Landshut zu gehen wird Arnim nicht nur Bs, Brentanos und Savignys wegen erwogen haben, sondern auch, weil ein dortiger, von der Zeitung für Einsiedler begeisterter studentischer Freundeskreis religiös-patriotische Gedichte nach Heidelberg geschickt hatte, die Arnim in der Zeitung (Nr. 33 vom 23. Juli) als Zyklus zusammen mit seinem Rundgesang gegen Unterdrücker des Werdenden in der Literatur veröffentlicht hatte, woraufhin die Verfasser am 22. August mit weiteren Kommilitonen einen begeisterten Dankbrief an Görres schickten (WAA XXXIII, Nr. AII.33). 5 Savignys Wohnung] Savigny wohnte in Landshut im ersten Stock des dem Reichsgrafen Franz Xaver Jonner auf Tettenweiß gehörenden Eckhauses in der Landshuter Straße Neustadt 467, wo diese »ein wenig in die Enge der Steckengasse hineingreift« (Beckenbauer 1985, S. 16). Die Wohnung war ihm von dem Landshuter Mediziner Friedrich Tiedemann empfohlen worden: Sie
besteht aus 7–8 Zimmern, welche tapeziert (das hier eine Seltenheit ist), hell geräumig und gut zu heitzen sind. Sieben Zimmer liegen in einer Reihe. Die Wohnung liegt in einer schönen breiten Straße, und hat auch einen Hoff mit Stallung etc. Die Hausmiete wird gegen 400 Gulden betragen. (Tiedemann an Savigny, 12. Juni 1808; ebd., S. 19.) 1804–1806 hatte ein anderer namhafter Jurist, Anselm von Feuerbach, darin gewohnt. (Vgl. Stoll 1927, S. 344 und Abb. nach S. 354; Bunzel 2009, S. 16 mit Abb.) Der Student Karl von Gumppenberg nannte das Haus das schönste Haus von Landshut (Nr. 786,63–64). Zur Aufteilung der Zimmer während Bs Anwesenheit vgl. Nr. 664,24–26. Im zweiten Stock, also über Savigny, wohnte Professor Anton Michl. (Vgl. Beckenbauer 1985, S. 33.) 7 heimlich] »einheimisch, an einem bestimmten orte zu hause, gegensatz zu fremd« (DWb X, Sp. 874). 9–10 Clemens 〈…〉 Wohnung] In der Herrengasse über der Isar. (Vgl. Feilchenfeldt 1978, S. 63.) 25–26 die zwei garstige Schwester von Tempelfort] Friedrich Heinrich Jacobis unverheiratete Stiefschwestern Charlotte und Helene Jacobi, die ihrem verwitweten Bruder den Haushalt führten und ihn von unliebsamem Besuch abzuschirmen suchten. Sie hatten bereits auf seinem Landgut Pempelfort (bei Düsseldorf), einem Treffpunkt junger Intellektueller des Sturm und Drang, mit ihm gelebt. – In der englischen Übersetzung von Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde merkte B an: The two so-called careful sisters of the celebrated Jacobi (B/W I, S. 750). 27–28 Cristian Schlosser 〈…〉 in Gnaden zu stehen] Christian Schlossers Onkel Johann Georg Schlosser war in zweiter Ehe mit Jacobis Tante Johanna Fahlmer verheiratet.
1938
Zu Nr. 435
435.
Von Ludwig Achim von Arnim nach Landshut Heidelberg, 1. Oktober 1808, Sonnabend
B: Nr. 430, 431. A: Nr. 438. H: FDH 7278. – Format: 1 Dbl. ca. 234 × 188 mm; 1r–2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Papierverlust (mit geringem Textverlust) durch Siegelaufriß, Siegelrest. – WZ: Bekrönter Posthornschild | J
HONIG & ZOONEN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 270 | 2v auRr: 7278. Besonderheiten: Von Landshut nach München nachgeschickt. Zu dem Brief ist ein Exzerpt Arnims überliefert (WAA XXXIII, Nr. 877). Postzeichen: Stempel: R.1.HEIDELBERG. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 205 f.; TD. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 23; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1987, S. 42–44 (Nr. A59); TD. D4: WAA XXXIII, S. 520 f. (Nr. 877). DV: H.
Veränderungen 5 wahrscheinlich] danach gestr. blos 22 als] aus 〈xxx〉 27 der] r aus m 31 Trägheit] am Schluß gestr. en
Erläuterungen 2–3 Sag Clemens 〈…〉 davon gesagt] Vgl. Nr. 430,32–35. 10–11 daß meine Tante eine gute Frau ist] Louise von Schlitz. Vgl. Nr. 430,12. 15 er schickt blos seine Frau nach Frankfurt] Vgl. Nr. 433,28 und Erl. sowie Meline Brentano an Savigny, Frankfurt, 10. Oktober 1808: Frau von
Göthe ist hier, ich habe sie besucht, schicke ihr Täglich Billiet fürs Theater, und Georg hat mir versprochen, sie zum Essen einzuladen. Sie erzehlte mir Göthe seÿe ganz jung und schlank geworden, er seye ga〈〈r wo〉〉hl und besonders lustig zurückgekommen. Docter Melwerd hatte ihr heimlich von der Alten Krankheit Nachricht gegeben; so daß sie 1939
Zu Nr. 435
Göthe in etwas vorbereiten konnte. Wie er erfuhr die Alte seÿ Tod, wurde er ganz still, die Frau bath ihn nicht zu erschrecken wenn Sie in Trauer erscheinen würde, da sagte er, mache was du willst, ich Traure nicht für die Mutter denn für mich lebt sie immer vort. Doch ging er zur Herzogin 〈Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach〉, und wie er von ihr zurück kam, ließ er sich Trauerkleider zurecht machen. Er ist mit dem Herzoch 〈Carl August〉 in Erfurd, und hat so viele Geschäfte, daß er sich seinem Schmerz nicht viel hingeben kann, was der Frau gar lieb ist. (H: SPK//NS 104/21.) 15–16 er selbst empfängt die Kaiser] Am 26. September wurde Goethe in Weimar dem zum Erfurter Fürstenkongreß (27. September–14. Oktober) durchreisenden Zaren Alexander vorgestellt, am 2. Oktober empfing Napoleon ihn erstmals in Erfurt. 18–19 wenn die Umstände 〈…〉 sich nicht ändern 〈…〉 wegen des Landstags zurückmüssen] Während Napoleon in einer zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossenen Pariser Konvention vom 8. September 1808 die Räumung Preußens von französischen Truppen bewilligte, schlug der mit der Neugestaltung des Staates beauftragte Staatsminister Freiherr vom Stein eine Nationalrepräsentation ohne Privilegien des Adels und die Vorbereitung und Einberufung eines Reichstages sowie von Land- und Kreistagen vor. Der Erfurter Kongreß, zu dem Napoleon den Zaren und die Fürsten des Rheinbundes geladen hatte, änderte zwar nichts an der Pariser Konvention – am 27. Oktober wurde die Räumung Preußens befohlen –, doch konnten die Steinschen Reformabsichten nicht realisiert werden, da ein Brief Steins, der die Hoffnung ausdrückte, das französische Joch abzuschütteln, von den Franzosen aufgefangen wurde, Stein am 24. November seinen Abschied nehmen und am 16. Dezember geächtet aus Preußen fliehen mußte. 19–20 Was gedenkst Du an Unfälle] Vgl. Nr. 431,22–29 und Erl. 33 Görres geht morgen fort] Vgl. Nr. 422,31–33 und Erl. 34 anatomirt] zergliedert. 35 Pathchen] Die am 28. Juni geborene Tochter Marie. 43–44 was die Tante 〈…〉 gesagt hat] Vgl. Nr. 431,45–47.
1940
Zu Nr. 437
436.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 1. Oktober 1808, Sonnabend
B: –. A: Nr. 439. H: FDH 7456. – Format: 1 Bl. ca. 248 × 205 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, verknittert, Ränder eingerissen, Tintenfraß, Papierverlust (mit Textverlust) durch Oblatenaufriß, Oblatenrest. Fremdeinträge: 1r aoRl: 267 v – | 1v auRr: 7456. Postzeichen: Stempel: R.4.MUNCHEN 1 OCT 1808. | Portozeichen. D1: Steig 1913, S. 206. D2: Betz/Straub 1987, S. 44 f. (Nr. B72). D3: WAA XXXIII, S. 522 f. (Nr. 878). DV: H.
Veränderungen 11 11 29
das] aus der läst] üdZ eing. und] aus freue
437.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 5. Oktober 1808, Mittwoch
B: Nr. 433. A: –. H: FDH 7457. – Format: 1 Bl. ca. 250 × 205 mm; 1r beschr.; 1v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Fleckig, Ränder eingerissen, Papierverlust (ohne Textverlust) durch Siegelaufriß, roter Siegelrest. Fremdeinträge: 1r aoRl: 271 v | 1v auRr: 7457. Postzeichen: 1 Porto-, 1 Frankozeichen. D1: Steig 1913, S. 206 f. D2: Kat. Henrici 149, Nr. 78, S. 23; TD (kurzer Auszug). D3: Betz/Straub 1987, S. 45 f. (Nr. B73). D4: WAA XXXIII, S. 524 f. (Nr. 880). DV: H.
1941
Zu Nr. 437
Veränderungen 19
so] aus 〈xxx〉
Erläuterungen 12–16 Clemens 〈…〉 Louis Grimm 〈…〉 darüber schreiben.] Brentano schlug Wilhelm Grimm mit detaillierten Angaben vor, den Bruder zur weiteren Ausbildung nach München zu schicken (Brief vom 10.–15. Oktober; FBA XXXII, S. 90–93). Ein Brief an Ludwig Emil Grimm ist nicht bekannt. 17–20 Zu Jacobi 〈…〉 meiner Mutter 〈…〉 auch verliebt war] Jacobi gehörte zum Freundeskreis um den jungen Goethe, der zur Entstehungszeit des Werther in die junge Maximiliane Brentano verliebt war (worauf B auch hindeutet), und verkehrte, als er noch auf seinem Landsitz Pempelfort (bei Düsseldorf) lebte, in Ehrenbreitstein bei Maximilianes Eltern Sophie und Georg Michael von La Roche. Daher waren Jacobi und die Kinder bzw. Enkelkinder seiner ehemaligen Bekannten schon aus persönlichen Gründen wechselseitig aneinander interessiert. In dem von B mit Clemens geschriebenen Dramenfragment 〈Jacobi〉 (FBA XII, S. 909–920) hat dieses Interesse ironischen Ausdruck gefunden. 21 Dein Paquet mit dem langen Brief] Nr. 432 mit Beilagen. 25 Wenn Göthe in deine Nähe kommt] Vgl. Nr. 433,27–28 und Erl.
438.
An Ludwig Achim von Arnim in Heidelberg München, 9. Oktober 1808, Sonntag
B: Nr. 435. A: Nr. 445. H: FDH 7458. – Format: 2 Bl. je ca. 250 × 204 mm; 1r–2r 3 beschr. S.; 2v Adresse; 2x längs, 2x quer gefaltet. – Papier: Bl. 1 auRl Papierverlust (mit Textverlust) ca. 35 × 80 mm, Bl. 2 Papierverlust (mit geringem Textverlust) durch Siegelaufriß, rote Siegelreste. – WZ: Jeweils: J WHATMAN. Fremdeinträge: 1r aoRl: 272 v | 2r aoRl: 272 | 2v auRr: 7458. Postzeichen: Stempel: R.4.MUNCHEN 9 OCT 1808. | 1 Porto-, 1 Frankozeichen. D1: Steig 1913, S. 207–209. D2: Betz/Straub 1987, S. 47–49 (Nr. B74).
1942
Zu Nr. 438
D3: WAA XXXIII, S. 524 f. (Nr. 881). DV: H
Veränderungen 7 Gartenhause] G aus g 7 und] danach gestr. ihre 10 Arbeiten] r aus 〈x〉 16 Regensburg] b aus p 19 Gräfin] danach gestr. Schli 25 ihn] danach gestr. mit 26 〈〈xxx ge〉〉naueste] ca. 30 mm Textv