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German Pages 637 [640] Year 2009
Die Immobilie als Kapitalmarktprodukt herausgegeben von Universitätsprofessor
Dr. Heinz Rehkugler
OldenbourgVerlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© 2009 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-58267-3
Vorwort Seit dem Erscheinen des ersten von der Expertengruppe „Immobilien“ der DVFA vorgelegten Buchs „Die Immobilien-AG – Bewertung und Marktattraktivität“ sind nun mehr als fünf Jahre vergangen. Inzwischen haben in Deutschland wie auch weltweit tiefgreifende Veränderungen des Marktes verbriefter Immobilien stattgefunden. Zum einen sind in vielen Ländern REITs als Anlagekategorie zugelassen worden. Zum andern sind vor allem die gelisteten Immobiliengesellschaften mit und ohne REIT-Status von der dramatischen Subprime- und Bankenkrise in massiver Weise betroffen worden. Das nun erscheinende zweite Buch der Expertengruppe will keine Kommentierung zu den aktuellen Marktentwicklungen bieten und auch nicht lediglich als Aktualisierung der Ausführungen zu Immobilien-AGs verstanden werden. Vielmehr soll, dem Titel entsprechend, mit dem Anspruch eines Handbuchs die dominante Fragestellung sein, die an organisierten Märkten verfügbaren Varianten indirekter Immobilienanlagen in Bezug auf ihre Zielbeiträge für potentielle Kapitalanleger zu vergleichen. Verständlicherweise wird dabei die Sicht auf die in Deutschland verfügbaren Anlageprodukte dominieren. Ebenso verständlich wird die Analyse der REITs ein besonderes Gewicht einnehmen, zeigt sich doch, dass dieses in vielen Ländern schon erfolgreiche, für Deutschland aber neue Produkt bei Emittenten wie bei privaten und institutionellen Investoren noch zahlreiche offene Fragen der Einordnung in das Produktspektrum indirekter Immobilienanlagen, seiner Einschätzung durch die Investoren und Analysen und der Beziehung zu anderen Assetklassen aufwirft. Der Autorenkreis setzt sich aus den Mitgliedern der Expertengruppe „Immobilien“ zusammen, partiell unterstützt durch Mitautoren aus den jeweiligen Unternehmen und Institutionen. Trotz der großen Zahl der Beiträge und Mitautoren will das Buch keine Ansammlung unverbundener, nur die jeweilige Sichtweise des Autors repräsentierender Beiträge zu Einzelaspekten liefern. Vielmehr ist unser Anspruch, die in vielen Diskussionen erarbeitete, gemeinsam getragene Position der gesamten DVFA-Expertengruppe “Immobilien“ zu den angesprochenen Fragen zu präsentieren und damit Standards für die Beurteilung verbriefter Immobilienprodukte wenn nicht zu etablieren, ihnen aber zumindest den Weg zu weisen. Dennoch ist dieses Buch keine offizielle Schrift der DVFA, sondern versteht sich als Äußerung eines Kreises engagierter Immobilien- und Kapitalmarktexperten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Wir hoffen, dass das in gemeinsamer Arbeit entstandene Buch die Erwartungen der Leser erfüllt und bei Immobilienunternehmen, Analysten, Investoren, der Beratungspraxis wie auch in Forschung und Lehre positive Resonanz findet.
VI
Vorwort
Nach Fertigstellung des Buches verbleibt mir als Leiter der Expertengruppe und Herausgeber noch die Aufgabe, den Mitautoren für ihre Beiträge, die zahlreichen Diskussionsrunden und die immer wieder veränderten und aktualisierten Fassungen zu danken. Ebenso gilt mein besonderer Dank den Herren stud. rer. pol. Martin Vollbrecht und stud. rer. pol. Tim Krönke, die sich in den letzten Monaten erfolgreich mit den verbliebenen Fehlern in den Manuskripten und den Tücken und Unzulänglichkeiten von WORD und Powerpoint auseinandersetzten und die Einzeltexte in eine einheitliche Form brachten. Ebenso sei Herrn Dr. Jürgen Schechler vom Oldenbourg Verlag gedankt, die viel früher versprochene und immer wieder verzögerte Fertigstellung des Manuskripts mit Geduld ertragen zu haben. Freiburg, im Oktober 2008
Prof. Dr. Heinz Rehkugler
Inhaltsübersicht
VII
Inhaltsübersicht Teil 1
Einleitung
1
1.1
Verbriefte Immobilienanlagen als Kapitalmarktprodukte – eine Einführung.............3 Rehkugler/Sotelo
1.2
REIT-Strukturen: Forderung und Folgen .................................................................37 Cadmus
Teil 2
Bewertung Rehkugler/Goronczy
57
Teil 3
Renditen und Risiken im Vergleich
95
3.1
Konzepte und Probleme der Messung von Renditen und Risiken ............................97 Rehkugler/Thomas/Piazolo
3.2
Renditen und Risiken deutscher indirekter Immobilienanlagen .............................117 Thomas/Piazolo
3.3
Renditen und Risiken indirekter Immobilienanlagen im internationalen Vergleich ...................................................................................147 Rehkugler
3.4
Der Einfluss der Besteuerung auf die Renditen .....................................................161 Schäfer/Kohl
3.5
Rendite- und Risikostrukturen bei Spezialfonds .....................................................191 Helmer/Nack
3.6
Diversifikationseffekte verbriefter Immobilienprodukte ........................................205 Schnelle/Rehkugler
3.7
Risikoverstärkende Effekte bei AGs: Repräsentieren verbriefte Immobilien den Aktien- oder den Immobilienmarkt? ...............................................................251 Morawski/Rehkugler
3.8
Risikoeffekte von REIT-Neuemissionen ................................................................285 Schindler/Rehkugler
VIII
Inhaltsübersicht
Teil 4
Transparenz
313
4.1
Transparenz von Immobilienfonds und Immobilien(aktien)gesellschaften – Der Informationsbedarf von Investoren und Analysten.......................................... 315 Gütle/Rehkugler
4.2
Welchen Beitrag zur Transparenz von Immobiliengesellschaften liefert die Rechnungslegung nach IAS/IFRS? ....................................................... 331 Beck/Rehkugler
4.3
Gesetzlich geforderte Transparenz bei Immobilien-Sondervermögen .................. 371 Beck/Rehkugler
4.4
Freiwillige Transparenz nach EPRA....................................................................... 381 Breuer
4.5
Messung und Beurteilung faktischer Transparenz.................................................. 403 Rehkugler
Teil 5
Konzepte zur Beurteilung von Einzeltiteln
5.1
Kurszielermittlung bei der WestLB: Orientierung am NAV (14) ......................... 413 Kanders
5.2
Die modifizierte Economic Value Added (EVA)-Analyse zur Beurteilung und Bewertung von Immobiliengesellschaften und Immobilienportfolios ........... 429 Goronczy
5.3
Immobilienaktie oder REIT: Das Geschäftsmodell und seine Umsetzung sind entscheidend .................................................................................................... 449 Thomaschowski
5.4
Premiums und Discounts bei Immobiliengesellschaften – Theoretische Erklärungen und empirische Belege.................................................. 461 Zajonz/Rehkugler
5.5
(Fonds-)Rating als Hilfsmittel zur Beurteilung des Risikos ................................... 501 Funk
5.6
Der „G-REIT-Index“ – Eine Benchmark für das deutsche REIT-Segment ........... 529 Beck
Teil 6
Andere verbriefte Immobilienprodukte (inkl. Derivate)
6.1
Weitere indirekte Immobilienprodukte für Privatinvestoren ........................................ Beck
6.2
Innovative Immobilienanlageprodukte für institutionelle Investoren .................... 567 Helmer
411
545
Literaturverzeichnis
587
Die Autoren
613
Abbildungsverzeichnis
IX
Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1-1
Trend zur indirekten Immobilienanlage, Vergleich USA-Deutschland .............7
Abb. 1.1-2
Die vier Quadranten der Immobilienanlage........................................................8
Abb. 1.1-3
Tendenzen an den Finanzmärkten: Übersicht; Quelle: Rehkugler (2007), S. 168 ................................................................................................................11
Abb. 1.1-4
Anlagegegenstände und Anlagegrenzen Offener Immobilienfonds ................15
Abb. 1.1-5
Das Finanzierungspostulat von Williamson .....................................................20
Abb. 1.1-6
Unternehmerische Handlungsspielräume bei unterschiedlichen „Finanzierungs“formen.....................................................................................21
Abb. 1.1-7
Handlungsspielräume und Kapitalkosten .........................................................22
Abb. 1.1-8
Marktkapitalisierung der internationalen Immobilienmärkte und ihre Entwicklungen ..................................................................................................27
Abb. 1.1-9
Anzahl und Marktkapitalisierung von Equity-, Mortgageund Hybrid-US-REITs; Quelle: NAREIT (2007).............................................28
Abb. 1.1-10 Absolute und relative Größe der Märkte für Immobilienaktien weltweit ........29 Abb. 1.1-11 Marktpotentiale für die Entwicklung von REITs in einzelnen Ländern...........31 Abb. 1.1-12 Entwicklung des Fondsvermögens deutscher Offener Immobilienfonds .........32 Abb. 1.2-1
Einführung von REIT-Strukturen; Quelle: Branchenstudie HSH Nordbank, ZEW-Studie, EPRA ..........................................................................................39
Abb. 1.2-2
NAV Prämien bzw. Discounts für US-REITs; Quelle: Green Street Advisors ............................................................................................................49
Abb. 2-1
Typisierung ausgewählter Multiplikatoren.......................................................69
Abb. 2-2
Zusammenhang von P/E-Ratio und Dividend Discount Model (DDM) ..........70
Abb. 2-3
Überleitung (Reconciliation) der Net Earnings zum FFO am Beispiel des REIT Equity Residential; Quelle: Financial Statements III/2006 ..............73
Abb. 2-4
Entwicklung des FFO Multiple für US-REITs .................................................75
X
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-5
Unternehmenswert als Summe unverbundener Ertragswerte........................... 79
Abb. 2-6
Premiums/Discounts des NAREIT-Index zum NAV; Quelle: Greenstreet Advisors (August 2008).................................................................................... 91
Abb. 2-7
Premiums/Discounts zum NAV für europäische Immobiliengesellschaften; Quelle: Kempen (2008), S. 22 .......................................................................... 91
Abb. 3.1-1
Volatilität bei Normalverteilung der Renditen ............................................... 108
Abb. 3.1-2
Ausfallwahrscheinlichkeiten .......................................................................... 109
Abb. 3.2-1
Entwicklung der Fondsrendite und der Spannbreite....................................... 122
Abb. 3.2-2
Bandbreite der Fondsrenditen......................................................................... 123
Abb. 3.2-3
Zusammensetzung OFIX-10, OFIX-5 und OFIX-ALL ................................. 125
Abb. 3.2-4
Gegenüberstellung der Performance OFIX-10 und OFIX-5 .......................... 126
Abb. 3.2-5
Zehn-Jahres-Performance Offener Immobilien-Publikumsfonds (1998–2007).................................................................................................... 127
Abb. 3.2-6
Performancespannbreiten von Publikumsfonds auf jährlicher Basis im Zeitraum 1998–2007 (OFIX-10) ............................................................... 128
Abb. 3.2-7
Beste und schlechteste Fondsjahresperformance im Zeitraum von 1998–2007 (Basis: OFIX-10) .................................................................. 129
Abb. 3.2-8
Rendite-/Risikodiagramm der Offenen Immobilienfonds 1998–2007 (OFIX-10) ....................................................................................................... 130
Abb. 3.2-9
Rendite-Risiko-Verhältnis Offener Immobilienfonds im 10-Jahreszeitraum 1998–2007 (OFIX-10).................................................................................... 131
Abb. 3.2-10 Sharpe-Ratio Offener Immobilienfonds im Zehn-Jahres-Durchschnitt 1998–2007 (OFIX-10).................................................................................... 132 Abb. 3.2-11 Differenzrendite Offener Immobilienfonds 1998–2007 (OFIX-10) .............. 133 Abb. 3.2-12 RAP Offener Immobilienfonds 1998–2007 (OFIX-10) ................................. 134 Abb. 3.2-13 Ranking Offener Immobilienfonds nach risikoadjustierten Performancemaßen (OFIX-10)....................................................................... 135 Abb. 3.2-14 Zusammensetzung IAG Index ........................................................................ 137 Abb. 3.2-15 Fünf-Jahres-Performance der Immobilien-AGs (2003–2007) ....................... 138 Abb. 3.2-16 Performancespannbreiten von Immobilien-AGs auf jährlicher Basis im Zeitraum 2003–2007 ................................................................................. 138 Abb. 3.2-17 Rendite-/Risikodiagramm der Immobilien-AGs 2003–2007 ......................... 140
Abbildungsverzeichnis
XI
Abb. 3.2-18 Rendite-Risiko-Verhältnis Immobilien-AGs im 5-Jahreszeitraum 2003–2007.......................................................................................................141 Abb. 3.2-19 Sharpe-Ratio der Immobilien-AGs im Fünf-Jahres-Durchschnitt 2003–2007.......................................................................................................142 Abb. 3.2-20 Differenzrendite Immobilien-AGs 2003–2007...............................................143 Abb. 3.2-21 RAP Immobilien-AGs 2003–2007 .................................................................144 Abb. 3.2-22 Ranking von Immobilien-AGs nach risikoadjustierten Performancemaßen .........................................................................................145 Abb. 3.3-1
Performance von Immobilienaktien verschiedener Länder; Quelle: EPRA (2007), eigene Berechnungen .................................................150
Abb. 3.3-2
US-REITs im Vergleich mit anderen Aktienindizes ......................................151
Abb. 3.3-3
Renditevergleich amerikanischer Aktien und Immobilienanlagen; Quelle: NAREIT Chartbook 8/2007 ...............................................................152
Abb. 3.3-4
Renditevergleich von Aktien und Immobilienprodukten in UK, Frankreich und Australien; Quelle: IPD 2008 ................................................153
Abb. 3.3-5
Rendite-/Risikoprofil von Immobilienaktien im Vergleich zu anderen Anlagen.........................................................................................154
Abb. 3.3-6
Differenz der angestrebten Positionierungen von direkten und indirekten Immobilienanlagen .................................................................156
Abb. 3.3-7
Anpassung der Rendite- und Risikopositionen der NAREITund NCREIF-Indizes ......................................................................................158
Abb. 3.4-1
Zugelassene Vermögensgegenstände und Beteiligungen einer REIT-AG .....167
Abb. 3.4-2
inländischer Privatinvestor, 2008, Inland .......................................................174
Abb. 3.4-3
inländischer Privatinvestor, 2009, Inland .......................................................174
Abb. 3.4-4
inländischer Privatinvestor, 2009, Ausland ....................................................174
Abb. 3.4-5
ausländischer Privatinvestor, ab 2008, Inland (* Erträge aus Offenen Publikumsfonds unterliegen nicht der beschränkten Steuerpflicht) ...............175
Abb. 3.4-6
inländische Kapitalgesellschaft, ab 2008, Inland (* Streubesitzdividende) ...176
Abb. 3.4-7
inländische Kapitalgesellschaft, 2009, Ausland (* Streubesitzdividende) .....176
Abb. 3.4-8
inländische Kapitalgesellschaft, ab 2008, Inland............................................177
Abb. 3.4-9
inländische Kapitalgesellschaft, 2009, Ausland .............................................178
Abb. 3.4-10 ausländische Kapitalgesellschaft, ab 2008, Inland (* Erträge aus Offenen Publikumsfonds unterliegen nicht der beschränkten Steuerpflicht) ...............178
XII
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3.5-1
Häufigkeit der Kombinationen verschiedener Fondsvarianten ...................... 195
Abb. 3.5-2
Wachstum der Immobilien-Spezialfonds 1998–2006 (Fondsvermögen/Mittelzufluss in Mio. €)...................................................... 197
Abb. 3.6-1
Risikodiversifikationseffekt im Zwei-Wertpapier-Portfeuille; Quelle: Bodie/Kane/Marcus (2005), S. 233 ................................................... 213
Abb. 3.6-2
Risikoreduktion durch Diversifikation; Quelle: Ross/Westerfield/Jaffe (2005), S. 274 ................................................................................................. 214
Abb. 3.6-3
Tobin-Separation; Quelle: Bodie/Kane/Marcus (2005) S. 266 ...................... 216
Abb. 3.6-4
Formen der Asset Allocation; Quelle: Jandura (2003) S. 50.......................... 217
Abb. 3.6-5
Effizienzlinie bei Mischung reiner Immobilienportfolios (1973–2004); Quelle: Eigene Berechnungen ........................................................................ 223
Abb. 3.6-6
Korrelationen von Immobilienaktienmärkten (2000–2007); Quelle: Eigene Berechnungen ........................................................................ 226
Abb. 3.6-7
Rollierende Korrelationen zwischen US-REITs und Aktien (1995–2006); Quelle: Sebastian/Sturm (2007), S. 13 ........................................................... 231
Abb. 3.6-8
Rollierende Korrelationen zwischen europäischen Immobilienaktien und Anleihen (1995–2006); Quelle: Sebastian/Sturm (2007), S. 20..................... 238
Abb. 3.6-9
Korrelationen zwischen Assetklassen in den USA; Quelle: Eigene Berechnungen ................................................................................................. 245
Abb. 3.6-10 Effizienzlinie bei Mischung von Aktien, Renten und REITs (1989–2006); Quelle: Eigene Berechnungen ........................................................................ 246 Abb. 3.6-11 Korrelationen zwischen Assetklassen in Deutschland; Quelle: Eigene Berechnungen. ................................................................................................ 247 Abb. 3.6-12 Effizienzlinie bei Mischung von Aktien, Renten und DIMAX (1989–2006); Quelle: Eigene Berechnungen ................................................. 247 Abb. 3.6-13 Rollierende Korrelationen über den Zeitraum von 3 Jahren (Deutschland); Quelle: Eigene Berechnungen ........................................................................ 249 Abb. 3.6-14 Rollierende Korrelationen über den Zeitraum von 3 Jahren (USA); Quelle: Eigene Berechnungen ........................................................................ 250 Abb. 3.7-1
Leverage-Effekte und der Vergleich von Immobilienaktien mit direkten Immobilieninvestitionen................................................................................. 257
Abb. 3.7-2
Zyklenverschiebung und der Vergleich von Immobilienaktien mit direkten Immobilieninvestitionen und anderen Anlagen.............................................. 258
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abb. 3.7-3
Häufigkeit der Bewertung und der Vergleich von Immobilienaktien mit direkten Immobilieninvestitionen ...................................................................259
Abb. 3.7-4
Renditen des NAREIT-, des NCREIF- und des S&P500-Indexes (annualisiert) ...................................................................................................268
Abb. 3.7-5
Korrelationen zwischen Renditen des NAREIT-Indexes und des NCREIF- beziehungsweise des S&P 500-Indexes .........................................269
Abb. 3.7-6
Rollende 5-Jahres-Korrelationen zwischen Renditen des NAREIT-Indexes ............................................................................................270
Abb. 3.7-7
Korrelationen zwischen NCREIF- und NAREIT-Renditen, abhängig vom Lead der NAREIT-Datenreihe ................................................272
Abb. 3.7-8
Rollende 5-Jahres-Korrelationen zwischen Renditen des NAREIT-Indexes mit einem Lead und Renditen des NCREIF-Indexes von 12 Quartalen.........273
Abb. 3.7-9
Renditen des GPR UK-, des IPD UK- und des FTSE100-Indexes (annualisiert) ...................................................................................................274
Abb. 3.7-10 Korrelationen zwischen Renditen des GPR-Indexes und des IPDbeziehungsweise des FTSE 100-Indexes........................................................275 Abb. 3.7-11 Rollende 5-Jahres-Korrelationen zwischen Renditen des GPR-Indexes und des IPD- beziehungsweise FTSE 100-Indexes ........................................276 Abb. 3.7-12 Korrelationen zwischen IPD UK- und GPR UK-Renditen, abhängig vom Lag der IPD-Datenreihe..........................................................................277 Abb. 3.7-13 Rollende 5-Jahres-Korrelationen zwischen Renditen des GPR-Indexes mit Lead und Renditen des IPD-Indexes von 7 Monaten...............................278 Abb. 3.7-14 Korrelationen zwischen Renditen des DIMAX-Indexes mit einem Lead und Renditen des DIX- beziehungsweise des DAX-Index (1996–2004) .......279 Abb. 3.8-1
Empirische Befunde zum Underpricing und zur Underperformance von Aktien-IPOs .............................................................................................291
Abb. 3.8-2
Der Marktpreis bei heterogenen Erwartungen (Darstellung nach Miller (1977)..............................................................................................................293
Abb. 3.8-3
Langfristiger Renditeverlauf bei bewusstem Underpricing und rationalem Marktverhalten................................................................................................298
Abb. 3.8-4
Entwicklung der Emissionsrendite bei „fairer“ Setzung des Emissionspreises und Verkauf an optimistische Investoren...........................298
Abb. 3.8-5
Entwicklung der Emissionsrendite bei bewusstem Underpricing und anfänglicher Marktunvollkommenheit ...........................................................299
Abb. 3.8-6
Entwicklung der Emissionsrendite bei anfänglichem Overpricing ................300
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3.8-7
Einfluss des Absorptionspotentials................................................................. 301
Abb. 3.8-8
Einfluss einer unerwarteten Überschussnachfrage ......................................... 302
Abb. 3.8-9
Ersttagsrenditen bei REITs und Nicht-REITs; Quelle: Chan/Erickson/ Wang (2003), S. 162 f. ................................................................................... 306
Abb. 3.8-10 Empirische Befunde zum Underpricing und zur Underperformance von IPOs vonImmobilienunternehmen........................................................... 310 Abb. 4.1-1
Struktur der Grundsätze effektiver Finanzkommunikation; Quelle: DVFA (2008), S. 4............................................................................. 319
Abb. 4.1-2
Systematisierung des Informationsbedarfs nach Inhalt und Tiefe ................. 322
Abb. 4.2-1
Klassifizierung von Immobilienbeständen und deren Zuordnung nach IAS/IFRS ........................................................................................................ 336
Abb. 4.2-2
Stufenkonzept zum Bilanzansatz von Investment Properties (Fair Value) nach IAS 40 .................................................................................................... 346
Abb. 4.4-1
Konzern-GuV nach EPRA; Quelle: EPRA (2008)......................................... 386
Abb. 4.4-2
Konzern-Bilanz nach EPRA; Quelle: EPRA (2008) ...................................... 388
Abb. 4.4-3
Konzern-Kapitalflussrechnung nach EPRA; Quelle: EPRA (2008) .............. 389
Abb. 4.4-4
Investment Property – Rental Data; Quelle: EPRA (2008)............................ 394
Abb. 4.4-5
Investment Property – Valuation; Quelle: EPRA (2008) ............................... 395
Abb. 4.4-6
Investment Property – Lease Data; Quelle: EPRA (2008)............................. 396
Abb. 4.4-7
Investment Property – Like for Like Net Rental Income; Quelle: EPRA (2008)...................................................................................... 397
Abb. 4.4-8
Development/Redevelopment Data; Quelle: EPRA (2008) ........................... 398
Abb. 4.4-9
EPRA Earnings per Share; Quelle: EPRA (2008).......................................... 400
Abb. 4.4-10 NAV-Berechnung nach EPRA; Quelle: EPRA (2008) .................................. 401 Abb. 5.1-1
Gleichlauf von Kursen und NAV in Frankreich; Quelle: JCF, WestLB Research.......................................................................................................... 419
Abb. 5.1-2
Verhältnis von Kursen zum NAV in Frankreich; Quelle: JCF, WestLB Research Berechnungen ................................................................................. 420
Abb. 5.1-3
Entwicklung der NAV-Schätzungen; Quelle: JCF......................................... 420
Abb. 5.1-4
Entwicklung von Kurs und NAV bei Unibail ................................................ 421
Abb. 5.1-5
Erklärungsgehalt unterschiedlicher Kennzahlen ............................................ 423
Abbildungsverzeichnis
XV
Abb. 5.1-6
WestLB Schätzungen am 05.12.2006; Quelle: Unternehmensangaben .........424
Abb. 5.1-7
Kursziele und Ratings der WestLB für die IVG im Vergleich zur Kursentwicklung, Position 12/06....................................................................424
Abb. 5.1-8
Kursziele und Ratings der WestLB für die Deutsche EuroShop im Vergleich zur Kursentwicklung, Basis 12/06 ............................................425
Abb. 5.1-9
Kursziele und Ratings der WestLB für die IVG im Vergleich zur Kursentwicklung .............................................................................................426
Abb. 5.1-10 Kursziele und Ratings der WestLB für die Deutsche EuroShop im Vergleich zur Kursentwicklung.................................................................426 Abb. 5.2-1
Entwicklung des Zu- bzw. Abschlags auf den Net Asset Value auf entwickelten Immobilienaktienmärkten .........................................................431
Abb. 5.2-2
Shareholder Values bei unterschiedlichen NAVs (Beispiel)..........................444
Abb. 5.2-3
Ermittlung des Fair Value für Deutsche Euroshop.........................................446
Abb. 5.2-4
Ermittlung des Fair Value für Grundbesitz Europa ........................................447
Abb. 5.3-1
TAG AG: Entwicklung von NAV und Aktienkurs ........................................453
Abb. 5.3-2
Wohnungsbauinvestitionen in den USA im Immobilienzyklus .....................454
Abb. 5.3-3
Wohnungsbauinvestitonen in Deutschland in der langfristigen Entwicklung ....................................................................................................455
Abb. 5.3-4
Bewertungskennzahlen deutscher Immobiliengesellschaften ........................459
Abb. 5.4-1
Durchschnitt der NAV-Abweichungen bei US-REITs im langfristigen Verlauf; Quelle: Greenstreet Advisors (2007)................................................462
Abb. 5.4-2
Premiums und Discounts europäischer Immobilienaktien zum NAV; Quelle: Kempen: European Market Update: Back to Fair Value ...................463
Abb. 5.4-3
Idealtypische Markt- uhd Unternehmenskomponente von Premiums und Discounts.........................................................................................................469
Abb. 5.4-4
Querschnittsbetrachtung von 41 Bestandshaltern, absteigende Sortierung nach Marktkapitalisierung; Quelle: Eigene Berechnung ................................472
Abb. 5.4-5
Querschnittsbetrachtung von 36 Bestandshaltern, absteigende Sortierung nach Marktkapitalisierung ..............................................................................472
Abb. 5.4-6
FK/GK Verhältnisse der einzelnen Unternehmen und ihrer Volatilitäten. Aufsteigend sortiert nach FK/GK; Quelle: Eigene Berechnung.....................474
Abb. 5.4-7
Darstellung des FK /GK, der Eigenkapitalrentabilität und dem Discount. Aufsteigend sortiert nach FK/GK; Quelle: Eigene Berechnung.....................475
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 5.4-8
Unterschiede in den durchschnittlichen Discounts von REITs und Non-REITs; Quelle: Eigene Berechnung ................................................ 478
Abb. 5.4-9
Geographische Diversifikation und Discounts; Quelle: Eigene Berechnung ............................................................................ 482
Abb. 5.4-10 Sektorale Diversifikation und Discounts; Quelle: Eigene Berechnung ......... 483 Abb. 5.4-11 Sektorale Diversifikation und Discounts; Quelle: Eigene Berechnung ......... 484 Abb. 5.4-12 Spreads der bestandshaltenden Immobilien-AGs im EPIX 50. Angezeigt wird der Median, die Quartile und die Schwankungsbreite der Verteilung; Quelle: Eigene Berechnung ............................................................................ 492 Abb. 5.4-13 Idealtypische Entwicklung der Börsenkurse und NAVs ................................ 500 Abb. 5.4-14 Idealtypischer Verlauf der Premiums und Discounts ..................................... 500 Abb. 5.5-1
Faktoren der Beurteilung der Managementqualität bei Moody’s................... 507
Abb. 5.5-2
Ratingmodell von FERI Rating & Research für Offene Immobilienfonds.... 510
Abb. 5.5-3
Die grundsätzliche Gliederung des Manager-Ratings von Telos ................... 514
Abb. 5.6-1
Unternehmen im ERIX ................................................................................... 539
Abb. 5.6-2
Kursentwicklung unterschiedlicher Indizes von Immobilienaktien im Vergleich ................................................................................................... 540
Abb. 5.6-3
Performance des ERIX im Vegelich zum DJ Stoxx 50 R .............................. 541
Abb. 5.6-4
Deutsche und europäische REITs im Performancevergleich ......................... 542
Abb. 5.6-5
Performance von Asssetklassen im Langfristvergleich.................................. 543
Abb. 6.1-1
Korrelationen von Monatsrenditen verschiedener Länderbaskets ................. 551
Abb. 6.1-2
Entwicklung der Zahl der Anbieter von Immobilienaktienfonds; Quelle: Deutsche Bank ................................................................................... 552
Abb. 6.1-3
Performance europäisch investierenden Immobilienaktienfonds................... 553
Abb. 6.1-4
Performance weltweit investierender Immobilienaktienfonds....................... 553
Abb. 6.1-5
Immobilienaktien-Dachfonds; Quelle: Financial Times Deutschland, E&G................................................................................................................ 554
Abb. 6.1-6
Zuordnung der Immobilienprodukte zu Anlegertypen................................... 565
Abb. 6.2-1
Vergleich der Fonds Luxemburger Provenienz und des deutschen Immobilien-Spezialfonds mit dem G-REIT ................................................... 575
Abb. 6.2-2
Preisfeststellung von Property Index Certificates .......................................... 578
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abb. 6.2-3
Zahlungsströme im Rahmen von Total Return Swaps ...................................582
Abb. 6.2-4
Gegenüberstellung der Spreads für IPD Index Swap und FTSE Index Swap................................................................................................................582
Abb. 6.2-5
Unterschiedliche Total Return zwischen Einzelhandels- und Büroimmobilien 2003–2005 in Deutschland und Großbritannien .................583
Abb. 6.2-6
Zahlungsströme bei Sector Fund Total Return Swaps....................................584
XVIII
Abbildungsverzeichnis
1.2.4.6 Beseitigung der steuerlichen Unstimmigkeiten
1
Teil 1 Einleitung 1.1
Verbriefte Immobilienanlagen als Kapitalmarktprodukte – eine Einführung ....................................................................................3
1.2
REIT-Strukturen: Forderungen und Folgen .......................................37
1.1
Verbriefte Immobilienanlagen als Kapitalmarktprodukte – eine Einführung
Heinz Rehkugler / Ramon Sotelo 1.1.1
Zielsetzung und Schwerpunkte des Buches
4
1.1.2
Der Trend zur Verbriefung von Immobilieninvestments
5
1.1.2.1
Formen von Immobilieninvestments .........................................................................5
1.1.2.2
Vorteile der Verbriefung von Immobilienanlagen ....................................................8
1.1.2.3
Einflussfaktoren verstärkter Verbriefung ................................................................10
1.1.3
Typen verbriefter Immobilienprodukte
1.1.3.1 1.1.3.1.1 1.1.3.1.2 1.1.3.1.3 1.1.3.1.4
Beschreibung realer Produkttypen...........................................................................12 Offene Immobilienfonds..........................................................................................12 Immobilien-Spezialfonds.........................................................................................17 Immobilienaktiengesellschaften ..............................................................................17 Real Estate Investment Trusts (REITs) ...................................................................18
12
1.1.3.2
Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion unterschiedlicher Immobilienanlageformen ............................................................18 1.1.3.2.1 Finanzierungsvehikel als Herrschaftsformen: Der Handlungsspielraum als Schlüsselbegriff .......................................................................................................19 1.1.3.2.2 Das neue Finanzierungspostulat in der Anwendung: Begründung und Gestaltung von REITs................................................................................................................23 1.1.3.3
Marktstrukturen und Marktpotentiale......................................................................27
1.1.4
Attraktivitätsvergleich
32
1.1.5
Zum weiteren Vorgehen
33
1.1.1 Zielsetzung und Schwerpunkte des Buches Zwei wesentliche Ereignisse haben den Markt indirekter Immobilienanlagen in Deutschland in jüngerer Zeit geprägt und verändert. So wurde im Mai 2007 nach langen Diskussionen und Beratungen endlich das REIT-G verabschiedet, mit dem rückwirkend zum Januar 2007 REITs in Deutschland zugelassen wurden. In die Genugtuung und Freude darüber, nun auch − wie in zunehmend vielen anderen Staaten aller Kontinente – endlich dieses zusätzliche steuertransparente Anlagevehikel verfügbar zu haben, und die damit verknüpfte Hoffnung auf eine attraktive, vor allem ausländische Investoren anlockende Anlagemöglichkeit mischte sich aber auch Unzufriedenheit über die konkreten rechtlichen, aus Sicht vieler Marktteilnehmer zu einengend geratenen Bestimmungen. Zudem konnten sich auch die deutschen Immobilienaktien der fast weltweiten Achterbahnfahrt der Börsenkurse nicht entziehen. Nach einer jahrelangen Phase der Euphorie mit teilweise weit überzogenen Kursen erlitten sie nun im Gefolge der weltweiten Finanzmarktkrise einen recht abrupten kräftigen Absturz bis tief unter fundamental gerechtfertigte Werte. Dies hat sowohl Investoren wie Emittenten nachhaltig verschreckt und damit die Startphase des deutschen REIT massiv beeinträchtigt. Über all dem schon fast wieder verdrängt und vergessen scheint die Krise der Offenen Immobilienfonds in Deutschland, die mit der Aussetzung der Rücknahme einiger Fonds und heftigen Diskussionen um (un)angemessene Bewertungen im Jahr 2006 die Anleger aufgeschreckt und die Fondsbranche wie die Aufsichtsinstitutionen zu Reaktionen veranlasst hatte. Diese beiden Sachverhalte waren der Auslöser und Anlass für die Expertengruppe „Immobilien“ der DVFA, die teilweise schon in ihrem ersten, 2003 erschienenen Buch „Die Immobilien-AG – Bewertung und Marktattraktivität“ diskutierten Fragen noch einmal aufzunehmen, sie unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse und Entwicklungen zu vertiefen sowie auf alle Formen verbriefter Immobilienanlagen zu erweitern. Ziel ist damit nicht, der Flut von aktuellen Stellungnahmen und Veröffentlichungen zu Einzelaspekten eine weitere hinzuzufügen. Vielmehr soll, dem Titel entsprechend, mit dem Anspruch eines Handbuchs die dominante Fragestellung sein, die an organisierten Märkten verfügbaren Varianten indirekter Immobilienanlagen in Bezug auf ihre Zielbeiträge für potentielle Kapitalanleger zu vergleichen. Verständlicherweise wird dabei die Sicht auf die in Deutschland verfügbaren Anlageprodukte dominieren. Doch es wird eben auch darum gehen, die hier geltenden und sich ändernden rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die daraus abzuleitenden Einschätzungen der Attraktivität und der „Passung“ zu den Vorstellungen der Investoren den Rahmenbedingungen und Entwicklungen in anderen Ländern und Regionen verglei-
1.1.2.1 Formen von Immobilieninvestments
5
chend gegenüber zu stellen. Ebenso verständlich wird die Analyse der REITs ein besonderes Gewicht einnehmen, zeigt sich doch, dass dieses in vielen Ländern schon erfolgreiche, für Deutschland aber neue Produkt bei Emittenten wie bei privaten und institutionellen Investoren noch zahlreiche offene Fragen der Einordnung in das Produktspektrum indirekter Immobilienanlagen und der Beziehung zu anderen Assetklassen aufwirft. Des Weiteren will dieses Buch − die große Zahl der Mitautoren könnte den gegenteiligen Eindruck erwecken − keine Ansammlung unverbundener, nur die jeweilige Sichtweise des Autors repräsentierender Beiträge zu Einzelaspekten liefern. Vielmehr ist unser Anspruch, die in vielen Diskussionen erarbeitete, gemeinsam getragene Position der gesamten DVFAExpertengruppe “Immobilien“ zu den angesprochenen Fragen zu präsentieren und damit Standards für die Beurteilung verbriefter Immobilienprodukte wenn nicht zu etablieren, ihnen aber zumindest den Weg zu weisen. Verbliebene Differenzen bei einzelnen Punkten, so z.B. zur Priorität von Bewertungsmethodiken bei der Analyse von Einzelwerten, werden deutlich gemacht. In diesem einführenden Beitrag wollen wir im Weiteren den offensichtlichen Trend zur vermehrten Verbriefung von Immobilieninvestments begründen sowie daran anknüpfend die Typen verbriefter Immobilienprodukte in ihrer Grundstruktur vorstellen, ihre Existenz theoretisch einordnen und national wie international die Marktstrukturen und Marktpotentiale umreißen. Ein Vergleich der Attraktivität der einzelnen Produkte für die unterschiedlichen Investorengruppen muss an deren Anlagekriterien und Zielprioritäten ansetzen und ihnen die Produktcharakteristika und die jeweils geltenden Rahmenbedingungen gegenüberstellen. Der Beitrag schließt mit einer Übersicht über die Struktur des Buches und die Inhalte der folgenden Kapitel.
1.1.2 Der Trend zur Verbriefung von Immobilieninvestments 1.1.2.1 Formen von Immobilieninvestments Für private wie für institutionelle Investoren stellt der direkte gesamte oder anteilsmäßige Erwerb den bei weitem am häufigsten gegangenen Weg der Vermögensanlage in Immobilien dar. Der Käufer wird also unmittelbar alleiniger oder Miteigentümer am Immobilienobjekt. Die Gründe, diesen Weg der rechtlichen Gestaltung zu wählen, können sein:
6
1.1.2 Der Trend zur Verbriefung von Immobilieninvestments
• Ertrags-/Kostenvorteile. Der Eigentümer hat unmittelbar Einfluss auf den Nutzer bzw. die Nutzungsform, auf die Nutzungsentgelte und auf die Bewirtschaftungskosten. • Organisations- und Risikoaspekte. Der Eigentümer hat die direkte Verfügungsmacht über das Objekt und steuert hierüber die Auswahl der Anlageobjekte, die Kauf- und Verkaufszeitpunkte und die Belastungen. Zumindest vermeintlich vermeidet er damit AgencyProbleme (der Ausbeutung durch Dritte) und steuert sein Risiko besser. • Steuerliche Aspekte. Verluste aus diesen Immobilienanlagen können mit Gewinnen anderer Einkunftsarten verrechnet werden. Auch ohne Nachweis eines realen Wertverlusts können planmäßige Abschreibungen vorgenommen werden. Zumindest bisher waren eindeutige erbschaftsteuerliche Vorteile gegeben. Andererseits beschränken die dazu meist notwendigen Kapitalvolumina den direkten Erwerb von Immobilien für nicht wenige private Investoren. Selbst für institutionelle Anleger wird eine Anlage in mehreren Immobilien und eine nennenswerte Diversifikation dadurch oft erheblich erschwert. Auch der zeitliche und sachliche Aufwand des Erwerbs, der Betreuung und Verwaltung einer vermieteten Immobilie, der mögliche Ärger mit Mietern sowie rechtliche und steuerliche Unwägbarkeiten lassen häufig eine direkte Anlage in Immobilien nicht attraktiv erscheinen. Als Ausweg und Alternative dazu bietet sich der indirekte Erwerb an. Dabei nutzt der Investor eine zwischengeschaltete, oft eigens zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft, um an Immobilien und ihren Nutzungserträgen zu partizipieren. Er wird also nicht unmittelbarer (Mit-)Eigentümer der Immobilie, sondern er erwirbt Anteile an diesen als Intermediäre dazwischen geschalteten Gesellschaften, die (ausschließlich oder hauptsächlich) Immobilien entwickeln, bauen lassen oder besitzen und betreiben. Aus der Anlage in Sachvermögen wird eine Finanzanlage. Der Trend zur indirekten Anlage ist international zu beobachten. So zeigt sich z.B. (siehe Abbildung 1.1-1), dass die Volumina deutscher Offener Immobilienpublikumsfonds sich in etwa in gleicher Relation mit den US-amerikanischen Equity-REITs entwickelt haben. Ein wesentlicher, mit dem indirekten Erwerb von Immobilien angestrebter Nutzen kann die für den Anleger gegenüber dem Direkterwerb effizientere steuer- und haftungsrechtliche Gestaltung sein. Als weitere Vorteile indirekter Vehikel kommen die klare Zuordnung von Verantwortung, die Möglichkeit der Nutzung komparativer Vorteile sowie die Möglichkeit der weiteren Trennung von immobilienbezogenen und portfoliobezogenen Dienstleistungen hinzu. Für die Attraktivität indirekter Immobilienanlagen ist aber nicht zuletzt auch entscheidend, ob die Anteile verbrieft sind und an organisierten Kapitalmärkten gehandelt werden. Denn dann können die typischen Vorteile der Verbriefung von Kapitalanlagen, vor allem die Möglichkeit der Beteiligung mit kleinen Beträgen, die jederzeitige Veräußerbarkeit, die Streuung der Anlagerisiken und die jederzeitige Information über die Werthaltigkeit der Anlage, genutzt werden. Es bietet sich also an, verbriefte Immobilienanlagen als eine spezifische Kategorie indirekter Immobilieninvestments gesondert zu betrachten und ihnen das besondere Augenmerk zu widmen.
1.1.2.1 Formen von Immobilieninvestments
7 100.000
350.000,0
90.000
300.000,0
80.000 70.000 60.000
200.000,0
US REITs Offene Fonds
150.000,0
50.000 40.000
Mill. Euro
Mill. US-Dollar
250.000,0
30.000
100.000,0
20.000 50.000,0
10.000
82 19 83 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06
19
19
19
80
0 81
0,0
Abb. 1.1- 1 Trend zur indirekten Immobilienanlage, Vergleich USA-Deutschland
Indirekte Immobilienanlageprodukte können nach unterschiedlichen Kriterien differenziert werden. So gibt es Vehikel, die eher Fremdkapitalcharakter haben und solche, die eher Eigenkapitalcharakter aufweisen. Weiter unterscheiden sich die Vehikel auch danach, inwieweit sie an organisierten Märkten gehandelt sind (Public Real Estate) oder nicht (Private Indirect Real Estate). Verschiedene Produkte, wie die offenen Immobilienpublikumsfonds, nehmen hierbei eine Zwischenstellung ein, da sie zwar überwiegend nicht börsengehandelt werden, aber über die tägliche Bewertung und die jederzeitige Ausgabe und Rücknahme der Anteile wesentliche Merkmale und Vorteile börsengehandelter Produkte aufweisen. Bei Kombination dieser beiden Kriterien resultieren die vor allem in der amerikanischen Literatur häufig angesprochenen vier Quadranten der Immobilienanlage, die in Abbildung 1.1-2 wiedergegeben sind.1 Auf eine weitere Möglichkeit der Differenzierung von Immobilienanlagevehikeln – nach dem jeweilig bereitgestellten Handlungsspielraum durch das Vehikel – werden wir später noch intensiver eingehen.
1
Siehe hierzu z.B. Jandura (2003), S. 25 ff.; Jandura/Rehkugler (2002)
8
1.1.2 Der Trend zur Verbriefung von Immobilieninvestments
Eigenkapital (Equity)
Fremdkapital (Debt)
Nichtbörsengehandelt (Private)
- offene Fonds - geschlossene Fonds
- traditionelle langfr. Darlehen - Projektentwicklungskredite - (Bau-)Zwischenkredite
Börsengehandelt (Public)
- ImmobilienAktiengesellschaften/REITs
- Hypothekenpfandbriefe - Mortgage Backed Securities
Abb. 1.1- 2 Die vier Quadranten der Immobilienanlage
1.1.2.2 Vorteile der Verbriefung von Immobilienanlagen Die Abstimmung unterschiedlicher Interessenpositionen kapitalsuchender Investoren und anlagesuchender Finanziers gelingt erheblich leichter, wenn ein organisierter Primär- und Sekundärmarkt für Vermögensanteile besteht. Der Idealtypus hierfür ist der Handel von Vermögensanteilen an der Börse. Aber auch andere Formen des organisierten Marktes, wie sie z.B. für Offene Fonds gesetzlich geregelt sind, sind grundsätzlich geeignet, die im Folgenden skizzierten Vorteile verbriefter Produkte zum Tragen kommen zu lassen. Die Nutzung des organisierten Marktes erlaubt die Größentransformation. Durch die Aufspaltung des benötigten Betrags in eine Vielzahl kleiner Anteile mit standardisierten Rechten und Pflichten ist es möglich, diese kleinen Anteile auch einer großen Zahl interessierter Kapitalgeber anzubieten, die in Papiere dieses Unternehmens nur kleine Beträge investieren wollen oder können. Für das Unternehmen wird darüber dennoch der gesamte benötigte Kapitalbetrag aufgebracht. Besonders wichtig ist der Beitrag der Börse für die Fristentransformation. Als Sekundärmarkt schafft sie dem einzelnen Investor die Möglichkeit, sich börsentäglich von seiner Kapitalanlage wieder zu trennen, indem er sie an einen anderen Investor weiterveräußert oder die Gesellschaft zur jederzeitigen Rücknahme verpflichtet ist. Bei börsennotierten Papieren ist das Unternehmen davon unmittelbar gar nicht tangiert, weil ein solcher Wechsel unter den Mitfinanziers keine Auswirkungen auf die Verfügbarkeit des aufgebrachten Kapitals hat, also mit keinem Geldabfluss verbunden ist. Oft erfährt das Unternehmen von diesen Verkäufen auch gar nichts und ist nur insofern möglicherweise negativ betroffen, als unerwünschte Investoren über diesen Weg zu Finanziers des Unternehmens werden, unerwünscht deshalb, weil von ihnen Einflussnahmen auf die Unternehmensführung und/oder Benachteiligungen anderer Finanziers befürchtet werden. Eine Risikotransformation gelingt über die Börse insofern, als der Finanzier durch die Möglichkeit, sich mit kleineren Beträgen an einzelnen Unternehmen oder Immobilienvermögen zu engagieren, sein gesamtes Anlagekapital auf mehrere Anlagen streuen (diversifizieren) kann. Sein Erfolg hängt dadurch nicht mehr ausschließlich vom Wohl und Wehe eines
1.1.2.2 Vorteile der Verbriefung von Immobilienanlagen
9
einzelnen Anlageobjekts ab. Durch Diversifikation kann er das Gesamtrisiko seines Vermögensportfolios also reduzieren. In einer anderen Weise trägt die Börse ebenfalls zur Reduktion der vom Finanzier wahrgenommenen Risiken bei: Organisierte Märkte als Institutionen stellen ein Bündel von Verhaltensregeln für die Marktteilnehmer dar, deren Einhaltung geprüft und deren Nichtbeachtung sanktioniert wird. Die Zulassung der von einem Unternehmen ausgegebenen Wertpapiere zum Börsenhandel wird deshalb von den Finanziers gern als ein zusätzliches Qualitätsmerkmal interpretiert, das einen höheren Grad an Sicherheit für das eingesetzte Kapital verspricht. Inwieweit dies gerechtfertigt ist und z.B. durch spezifische gesetzliche Regelungen für den REIT oder für Offene Fonds beeinflusst wird, wird später noch aufzugreifen sein. Der organisierte Markt sorgt auch für eine Informationstransformation. Durch die laufende Preisstellung weiß der Finanzier jederzeit, wie der Markt (also die anderen aktuellen und potentiellen Finanziers) den Wert des Finanzierungstitels einschätzt. Die Kapitalmarkttheorie unterstellt gerne (vereinfachend), der Finanzmarkt sei weitgehend informationseffizient. In der Standardversion bedeutet das, dass alle öffentlich verfügbaren Informationen über das Unternehmen und seine mögliche künftige Entwicklung umgehend und korrekt im Börsenkurs verarbeitet sind. Soweit dies zutrifft, entbindet die Börse den einzelnen Finanzier von einer eigenständigen Informationssuche und -auswertung, weil er dann daraus keine zusätzlichen oder besseren Erkenntnisse gewinnen kann als die, die im aktuellen Kurs schon enthalten sind. Auch wenn der einzelne Finanzier nicht völlig auf die Informationseffizienz des Finanzmarktes vertraut, kann er aus dem aktuellen Kurs und der bisherigen Kursentwicklung − den Erkenntnissen seiner eigenen Analysen zum „fairen“ Preis gegenübergestellt − seine Entscheidung ableiten, weiter bei dem Unternehmen engagiert zu bleiben oder sein Investment zu beenden. Inwieweit dies auch für Preisstellungen Offener Fonds zutrifft, die auf andere Weise bzw. nach anderen Regeln erfolgen, wird ebenfalls noch aufzugreifen sein. Zusätzlich zu diesen zentralen Transformationsfunktionen vermögen einige eher „technische“ Aspekte zum Vorteil indirekter Immobilienanlagen zu gereichen. Insbesondere ist hier die Nutzung professionellen Immobilienmanagements anzusprechen, die in der Regel mit der Erwartung überlegener Information und Marktkenntnis sowie Effizienz- und Kostenvorteilen und als deren Folge mit der Erwartung höherer Renditen verknüpft wird. Des Weiteren unterliegt ein Engagement institutioneller Investoren in verbrieften Anlageprodukten häufig erleichterten Genehmigungsverfahren im Vergleich zu einer direkten Immobilieninvestition. Diesem Bündel potentieller Vorteile eines Investments in verbriefte Formen von Immobilien stehen einige nicht zu vernachlässigende Nachteile bzw. Risiken gegenüber: • Die zusätzlichen Managementkosten „fressen“ möglicherweise den erzielten Effizienzvorteil wieder (weitgehend) auf. • Die Einflussmöglichkeit des Investors auf die Art, den Ort und den Zeitpunkt des mit seinem Geld getätigten Investments ist häufig weit geringer bzw. gar nicht gegeben. Damit verbunden sind auch mögliche Agency-Risiken, d.h. die Befürchtung, dass das Management der Unternehmen, in denen der Investor sich engagiert hat, nicht ausschließlich in seinem Interesse und zu seinem Vorteil agiert.
10
1.1.2 Der Trend zur Verbriefung von Immobilieninvestments
• Am Kapitalmarkt, speziell an Börsen gehandelte Papiere unterliegen – dies hat die jüngere Vergangenheit wieder sehr deutlich demonstriert − hohen Kursveränderungsrisiken mit der Folge höherer Wertkorrekturbedarfe als bei direkten Immobilieninvestments. • Ein vielleicht nicht sofort einsichtiger, dennoch wichtiger negativer Aspekt kann auch sein, dass das gewählte Investitionsvehikel (z.B. der REIT) möglicherweise den Immobilienmarkt, in den man investieren wollte, gar nicht oder zumindest nicht perfekt repräsentiert. Dies hat zur Folge, dass auch die Eigenschaften der Rendite- und Risikoentwicklung und der Diversifikationspotentiale nicht die gleichen sind wie bei einer Direktanlage. Die (inzwischen ja wohl abgeschlossene) Diskussion um die Anrechnung von REIT-Anteilen auf die Immobilienquote bei Versicherungen und Pensionskassen zeigt, dass dieses Problem durchaus gesehen wurde.
1.1.2.3 Einflussfaktoren verstärkter Verbriefung Verschiedene generelle, also nicht auf Immobilienmärkte begrenzte Faktoren und Entwicklungen haben die Tendenz zur vermehrten Verbriefung von Vermögensanlagen verstärkt und beschleunigt. Wie Abbildung 1.1-3 erkennen lässt, kommt die Tendenz zur Verbriefung von Finanzierungskontrakten, also sie als Wertpapiere (oder in wertpapierähnlicher Form) auszugestalten und sie damit an organisierten Märkten handelbar zu machen, den Interessen der unmittelbaren Marktpartner (Unternehmen und Finanziers) ebenso wie der Finanzintermediäre (also von Unternehmen und Institutionen, die notwendige Transformationsleistungen zwischen den Vorstellungen der Kapitalnachfrager und -anbieter übernehmen) entgegen. Ihre mögliche Handelbarkeit reduziert zudem die Anlagerisiken, erhöht die Effizienz der Finanzmärkte und senkt die Finanzierungskosten. Insbesondere erlaubt sie auch institutionellen Finanziers, sich bei Bedarf − beispielsweise zur Refinanzierung oder zur Steuerung ihrer Risikopositionen − von ihren Forderungsbeständen zu trennen, ohne dass die ursprünglichen Finanzierungskontrakte davon tangiert sind. Während der überwiegende Teil kleiner und mittlerer Unternehmen noch durch familiäre Strukturen geprägt ist und die Leitung meist in den Händen der Eigentümer liegt, überwiegt bei den Großunternehmen der Trend zur Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht. Bei ihnen liegt das Eigenkapital in den Händen einer großen Zahl von Kleinaktionären oder großen privaten oder institutionellen Investoren. Das Management obliegt meist professionellen Fremdmanagern. Dies hat weit reichende Folgen: Zum einen treten die bekannten Probleme der Informationsasymmetrie – hier zwischen Management und Aktionären – auf. Dies weckt den Bedarf nach effizienter Corporate Governance, also nach wirksamen Institutionen und Mechanismen zur Überwachung des Managements. Ein funktionierender Kapitalmarkt mit einer ständigen Bewertung der Unternehmensperformance dient dabei als willkommenes, disziplinierend wirkendes Instrument. Zum anderen handelt es sich bei den Aktionären tendenziell um reine Finanzinvestoren ohne weitergehende Bindung an das Unternehmen. Ihre Motivation orientiert sich vorrangig an der erwarteten Aktienperformance. Das Investment wird, wenn keine dem Durchschnitt anderer Anlagen vergleichbare Rendite mehr erwartet wird – im Gegensatz zu Gesellschaftern von Eigentümer- oder Familienunternehmen, die ihr
1.1.2.3 Einflussfaktoren verstärkter Verbriefung
11
Unternehmen auch durch schlechte Zeiten begleiten – wieder aufgelöst und bei anderen Unternehmen fortgeführt. Dies erklärt auch ihre Kapitalmarktorientierung und die Präferenz für verbriefte Anlagen: Aktionäre wollen sich mit kleinen Beträgen beteiligen, ihr Risiko begrenzen, jederzeit den Marktwert ihrer Beteiligung kennen und bei Bedarf sofort das Engagement beenden können.
Tendenzen an den Finanzmärkten Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht Zunah m
Globalisierung
Kapitalmarktorientierung/ Verbriefung
e
Institutionelle Investoren erf
Rating
1. Ökonomischtechnologische Innovation - Informationstechnik - neue Finanzinstrumente 2. Deregulierung
begünstigt durch
rt de or
Normierung Standardisierung
füh rt z u
füh
u rt z
Handelbarkeit führt zu
erhöhte Effizienz von Märkten führt zu
Kostenreduzierung Abb. 1.1- 3 Tendenzen an den Finanzmärkten: Übersicht; Quelle: Rehkugler (2007), S. 168
Hand in Hand mit dem Anwachsen großer privater Geldvermögen und der Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht gewinnen institutionelle Investoren zunehmend an Bedeutung. Die spezifischen Anlagebedürfnisse, beziehungsweise das Anlageverhalten institutioneller Investoren, teilweise auch über die Anlagevorschriften gesetzlich erzwungen, haben den Druck in Richtung Verbriefung von Finanzierungstiteln verstärkt. Auch die in jüngerer Zeit stark an Bedeutung gewinnenden Private-Equity-Fonds, die ja gerade begriffstypisch in nicht börsennotierte Unternehmen investieren (bzw. bei einer Übernahme börsennotierter Unternehmen sie meist sofort von der Börse nehmen), benötigen funktionierende Kapitalmärkte als Exitmöglichkeiten. Die Finanzmärkte sind heute in hohem Maße als globale Märkte zu sehen. Sie stellen schon aufgrund der großen Volumina und der Vielzahl von Marktteilnehmern effiziente und wettbewerbsintensive Märkte dar, auf denen für Produkte, die gleiche Renditen und Risiken erwarten lassen, gleiche Preise gelten (law of one price). Kapital wandert international immer in Anlagen, die aus Sicht der Investoren attraktiver erscheinen, und der Marktmechanismus gleicht so auftretende Bewertungsungleichgewichte schnell aus. Voraussetzung für
12
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
diese Globalisierung war eine umfangreiche Deregulierung, die zu einer Beseitigung der Abschottung nationaler Teilmärkte durch Zulassungsschranken, Transferbeschränkungen oder diskriminierende Steuern in praktisch allen voll entwickelten Staaten führte. Die unterschiedlichen Steuersysteme und Institutionen der Finanzmarktaufsicht stellen letzte „Reservate“ nationaler Regulierungen der Finanzmärkte dar.
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte Wir wollen uns im Folgenden auf die Formen indirekter Immobilienanlagen konzentrieren, die an organisierten Märkten gehandelt werden und die wir als verbriefte Anlagen bezeichnet haben. Es geht uns dabei weniger um die rechtliche Abgrenzung der Schaffung von Wertpapieren mit oder ohne Ausstellung einer Urkunde, sondern um die Schaffung eines Produkttyps, der grundsätzlich und faktisch zum Handel an organisierten Märkten geeignet ist und/oder für den per Gesetz ein dem Handel ähnlicher Mechanismus zur Sicherung der Fungibilität und – unterstützend hierzu – zur Wertfeststellung eingerichtet ist. Uns ist klar, dass diese Abgrenzung, die Offene Fonds in der Form des Publikums- und des Spezialfonds sowie börsennotierte Immobilien(aktien)gesellschaften mit und ohne Steuertransparenz enthält, wirtschaftlich gesehen unscharf ist. So ist selbstverständlich – um einen solchen Grenzfall anzusprechen − der Status eines institutionellen Investors, der als alleiniger Gesellschafter einen Spezialfonds hält, bezüglich der Marktfähigkeit der Anteile und der Wertermittlung kaum signifikant anders als der eines Anteilseigners in einem geschlossenen Fonds, dagegen deutlich unterschiedlich zu einem Aktienanteil an einem REIT mit großem Free Float. Wir wollen uns dennoch an dieser Abgrenzung orientieren, verschiedentlich aber vergleichend „über die Grenze“ blicken.
1.1.3.1 Beschreibung realer Produkttypen 1.1.3.1.1 Offene Immobilienfonds Offene Immobilienfonds sind, wie Offene Aktien- und Rentenfonds auch, nicht-rechtsfähige Sondervermögen, die von einer speziellen Kapitalanlagegesellschaft geführt werden. Der Erwerber eines Fondsanteils wird damit nicht Gesellschafter dieser Kapitalanlagegesellschaft, sondern beteiligt sich an diesem (Grundstücks-)Sondervermögen.
1.1.3.1 Beschreibung realer Produkttypen
13
Als „offen“ (open-end) werden solche Fonds bezeichnet, weil sie grundsätzlich unbegrenzt neue Anteilsscheine an der Gesellschaft ausgeben und von ausscheidungswilligen Anlegern auch wieder zurücknehmen. Sowohl die Zahl der Gesellschafter als auch die Höhe des Fondskapitals kann also ständig wechseln. Eine konkrete Laufzeit des Fonds ist nicht vorgesehen. Im Gegensatz zu den geschlossenen Fonds, die mangels gesetzlicher Regelungen eine große Dispositionsfreiheit haben und auch durch große Vielfalt der Ausprägungen gekennzeichnet sind, unterliegen die Offenen Fonds einem spezifischen rechtlichen Rahmen, dem Investmentgesetz (InvG) vom 15. 12. 2003, in der novellierten Fassung vom 21.12.2007. Es regelt in durchaus einengender Weise die mögliche rechtliche Konstruktion und die Kapitalanlagemöglichkeiten sowie Fragen der Bewertung, der Fungibilität und auch der steuerlichen Behandlung. Kernelement des deutschen Rechts Offener Investmentfonds ist die strikte Aufgaben- und Kompetenzteilung zwischen der Kapitalanlagegesellschaft, dem Sondervermögen und der Depotbank, verschiedentlich auch als Investmentdreieck bezeichnet. In § 1 Abs. 1 InvG werden die Kapitalanlagegesellschaften als Unternehmen beschrieben, deren Geschäftszweck darauf ausgerichtet ist, bei ihnen angelegtes Geld im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber nach dem Grundsatz der Risikostreuung in nach diesem Gesetz zugelassene Vermögensgegenstände gesondert vom eigenen Vermögen in Form von Geldmarkt-, Wertpapier-, Beteiligungs- oder Grundstücks-Sondervermögen anzulegen und für die hieraus sich ergebenden Rechte der Anteilinhaber Anteile auszustellen. Die Kapitalanlagegesellschaften sind Spezialkreditinstitute und unterliegen als solche den Bestimmungen des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG). Die Kapitalanlagegesellschaft ist damit Eigentümerin der Grundstücke und führt die Geschäfte des Sondervermögens, d.h. sie erwirbt, verwaltet und veräußert die Vermögensgegenstände treuhänderisch auf gemeinschaftliche Rechnung der Inhaber der Fondsanteile. Das von den Erwerbern der Fondsanteile eingezahlte Geld und die erworbenen Vermögensgegenstände bilden das Sondervermögen. Es ist – dies ist zum Schutz der Anleger so geregelt − vom Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft strikt getrennt zu halten. Mit der Verwahrung von Sondervermögen und der Ausgabe und Rücknahme der Anteilsscheine ist ein Kreditinstitut als Depotbank zu beauftragen, der auch einige Funktionen der Kontrolle der Kapitalanlagegesellschaft übertragen sind. Der Sachverständigenausschuss ist für die Bewertung der Grundstücke und anderen Vermögensgegenstände zuständig, die jährlich zu erfolgen hat. Die Bestellung der drei Mitglieder setzt nach § 77 Abs. 2 InvG voraus, „dass der Sachverständige unabhängig, unparteilich und zuverlässig ist sowie angemessene Fachkenntnisse und ausreichende praktische Erfahrungen hinsichtlich der von ihm zu bewertenden Immobilienart und des jeweiligen regionalen Immobilienmarktes nachweist.“ Das InvG regelt präzise nach Art, Ort und zulässigem Mindest- und Höchstanteil die Möglichkeiten der Kapitalanlage des Fonds. So muss zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit auf jeden Fall eine Mindestliquidität (= täglich verfügbare Mittel) von 5 % des Werts des Son-
14
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
dervermögens vorgehalten werden. Die Liquiditätshaltung und Anlage in Bankguthaben, festverzinslichen Wertpapieren, Aktien und anderen Geldmarkt- und Wertpapiersondervermögen darf aber 49 % des Fondsvermögens nicht überschreiten. In diesen darf auch ein Anteil von maximal 5 % Anlagen in REITs enthalten sein. Der „Rest“ (= minimal 51 % des Sondervermögens) muss in Immobilienwerte fließen, für deren Zusammensetzung wiederum Grenzwerte einzuhalten sind. § 67 InvG definiert die möglichen Bestandteile des Grundstücks-Sondervermögens mit ihren Anlagegrenzen. Danach dürfen die Offenen Immobilienfonds unbegrenzt in EU-Ländern sowie in einem Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR) belegene • Mietwohngrundstücke, • gewerblich genutzte Grundstücke (Geschäftsgrundstücke) und • gemischt genutzte Grundstücke erwerben. Der Erwerb von im Bau befindlichen Grundstücken und unbebauten Grundstücken, die zur alsbaldigen Bebauung bestimmt sind, ist auf jeweils 20 % des Wertes des Sondervermögens beschränkt. Damit wird das Risiko aus dem Bereich Projektentwicklungen für die Anteilinhaber begrenzt. Sofern die Vertragsbedingungen es vorsehen, dürfen auch Gegenstände, z.B. Teileigentum, für das Sondervermögen erworben werden, wenn diese einen dauerhaften Ertrag erwarten lassen. Die Höchstgrenze hierfür liegt bei 15 % des Immobilien-Sondervermögens. Außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) dürfen nur Objekte erworben werden, wenn dies die Vertragsbedingungen vorsehen und der jeweilige Anteil des Sondervermögens, der in diesen Staaten höchstens anlegt werden darf, angegeben wird. Zur Sicherung ausreichender Mischung der Anlagen darf nach § 73 InvG der Wert einer einzelnen Immobilie zum Zeitpunkt ihres Erwerbs 15 % des Sondervermögens nicht übersteigen. Zusätzlich darf der Gesamtwert aller Immobilien mit Einzelwertanteilen von über 10 % zusammen den Wert von 50 % des Sondervermögens nicht überschreiten. Um das Risiko für die Fondsinhaber zu begrenzen, darf der Fonds nach § 80 a InvG Kredite nur bis zur Höhe von 50 % des Verkehrswerts der Immobilien aufnehmen. Dies muss in den Vertragsbedingungen vorgesehen, mit einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung vereinbar und in den Kreditbedingungen marktüblich sein. Zusammenfassend sind die für Offene Immobilienfonds zulässige Anlagegegenstände und deren Anlagegrenzen in Abbildung 1.1-4 aufgeführt:
1.1.3.1 Beschreibung realer Produkttypen
15
Anlagegegenstände
Anlagegrenzen
Mindestliquidität
Mind. 5% des Sondervermögens
Maximalliquidität
Max. 49% des Sondervermögens
Einzelobjektanteil zum Erwerbszeitpunkt
Max. 15% des Sondervermögens
Grundstücke im Zustand der Bebauung
Max. 20% des Sondervermögens
Unbebaute Grundstücke
Max. 20% des Sondervermögens
Erbbaurechte2
Max. 15% des Sondervermögens
Bestellung von Erbbaurechten3
Max. 10% des Sondervermögens
Minderheitsbeteiligungen an Immobilien-Gesellschaften
Max. 20% des Sondervermögens
Ungesichertes Währungsrisiko
Max. 30% des Sondervermögens
Kreditaufnahme
Max. 50 % der Verkehrswerte 23
Abb. 1.1- 4 Anlagegegenstände und Anlagegrenzen Offener Immobilienfonds
Zur weiteren Absicherung der Anleger ist vorgeschrieben, dass die Grundstücke vor dem Kauf von einem nicht dem Sachverständigenausschuss angehörenden Sachverständigen bewertet werden müssen und der Kaufpreis diesen Wert nicht oder nur unwesentlich übersteigen darf. Der Wert des Sondervermögens und damit auch des einzelnen Anteils ist von der Depotbank oder der Kapitalanlagegesellschaft börsentäglich zu berechnen. Basis sind die vom Sachverständigenausschuss während des Jahres rollierend ermittelten Verkehrswerte der Immobilien. Hierzu sind die Werte des anderen Vermögens zu addieren und die Schulden des Fonds abzuziehen. Der so ermittelte Anteilswert stellt den Rücknahmepreis der Anteile dar, soweit der Fonds in seinen Bedingungen nicht zusätzlich einen Abschlag darauf vereinbart hat. Aus der nur jährlichen Bewertung der Immobilien folgt eine weitgehende Stabilität der Anteilswerte über das Jahr. Jeder Anteilinhaber kann verlangen, dass ihm gegen Rückgabe des Anteilsscheins sein Anteil an dem Sondervermögen ausbezahlt wird. Diese generelle „Ausstiegsgarantie“ darf aber durchbrochen werden, wenn die liquiden Mittel des Fonds hierzu nicht ausreichen. Vertraglich kann hierzu eine Frist vereinbart werden. Sind auch nach dieser Frist die liquiden Mittel zu gering, um die Rücknahme abzuwickeln, so muss Sondervermögen veräußert werden. Bis zur Veräußerung, längstens aber ein Jahr (vertraglich verlängerbar auf zwei Jahre) kann der
2
Erbbaurechte bezeichnen ein aus Sicht des Erbbauberechtigten veräußerliches und vererbliches Recht, auf oder unter der Erdoberfläche des Grundstücks eines fremden Eigentümers ein Bauwerk zu besitzen. Gewerbliche Erbbaurechtsverträge haben in der Regel eine Laufzeit von 40 bis 50 Jahren.
3
Die Bestellung von Erbbaurechten bezeichnet den Sachverhalt, wenn der Eigentümer eines Grundstücks einem fremden Dritten ein Erbbaurecht verkauft.
16
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
Fonds die Rücknahme verweigern. Lange Jahre war diese Regelung ohne Bedeutung gewesen, weil die Offenen Immobilienfonds immer ausreichend Liquidität vorgehalten hatten und ein systematischer Abzug von Mitteln in großem Umfang nicht vorkam. Erst in den letzten Jahren sind einzelne Fonds zu diesem die Anleger stark verunsichernden Schritt gezwungen gewesen. Im Gegensatz zu den geschlossenen Fonds sind bei offenen Fonds die Möglichkeiten der steuerlichen Gestaltung, insbesondere der Schaffung steuerlicher Verluste und ihrer Durchreichung an den Anleger, praktisch nicht gegeben. Die Sondervermögen sind nach § 11 Investmentsteuergesetz (InvStG) von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer befreit. Auf der Ebene der Inhaber von Anteilen im Privatvermögen werden die ihnen zuzurechnenden Erträge aus dem Grundvermögen und sonstigen Vermögen − ungeachtet, ob sie ausgeschüttet oder thesauriert worden sind – als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst. Im Gegensatz zu Dividenden aus Aktien und Wertpapierfonds gilt aber für Offene Immobilienfonds nicht das Halbeinkünfteverfahren. Sie werden beim Wechsel auf die Abgeltungsteuer daher erheblich profitieren, da vermutlich die meisten Anleger höhere Grenzsteuersätze haben als der Satz von 25 % (+ Solidaritätszuschlag) für die Abgeltungsteuer. Über die laufenden Überschüsse hinaus können auch Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken und anderen Anlagen ausgeschüttet werden. Diese bleiben aber, soweit die Fristen für private Veräußerungsgeschäfte nach § 23 EStG (also für Grundstücke derzeit noch zehn Jahre) auf der Ebene des Fonds eingehalten sind, steuerfrei. Ebenso können Überschüsse aus Immobilien im Ausland, die dort der Besteuerung unterliegen, an den Anleger steuerfrei ausgeschüttet werden. Damit ist in den meisten Fällen nur ein Teil der Ausschüttungen zu versteuern, der oft in der Größenordnung von 50 % liegt. Gibt der Anleger seinen Fondsanteil zurück, so kann er bei Einhaltung der einjährigen „Spekulationsfrist“ für Wertpapiere einen evtl. Veräußerungsgewinn bei der noch geltenden Gesetzeslage steuerfrei vereinnahmen. Die Grundkonstruktion der offenen Publikumsfonds bringt zwei miteinander partiell verbundene Probleme mit sich, die die letzten Jahre schlagend geworden sind und intensive Diskussionen über einen regulatorischen Anpassungsbedarf ausgelöst haben: der im Grunde vom Fonds kaum steuerbare Zu- und Abfluss von Liquidität sowie die Festlegung des Ausgabeund Rücknahmepreises auf der Basis der Summe der einzelnen Vermögenswerte. Die Novellierung des InvG hat verschiedene, teilweise oben schon erwähnte Verbesserungen in dieser Richtung gebracht, so die Flexibilisierung der Rücknahmepflicht durch die Möglichkeit der Vereinbarung einer Rückgabefrist, die Stärkung der Unabhängigkeit der Sachverständigenausschüsse (was ihre Zusammensetzung, die maximale Dauer der Zugehörigkeit sowie die Anforderungen angeht), die Übertragung der Bewertungszuständigkeit vor dem Kauf auf Dritte, die Regelung des Umgangs mit sog. Einwertungsgewinnen sowie die Verpflichtung der Kapitalanlagegesellschaft zur Einrichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems zur Erkennung und Steuerung aller Risikoarten. In weiteren Beiträgen werden wir einzelne Aspekte davon noch vertiefen und ihren Beitrag zur Einschätzung der Attraktivität von Anlageformen vergleichend würdigen.
1.1.3.1 Beschreibung realer Produkttypen
17
1.1.3.1.2 Immobilien-Spezialfonds § 2 Abs. 3 InvG unterscheidet Spezial-Sondervermögen, deren Anteile auf Grund schriftlicher Vereinbarungen von nicht natürlichen Personen gehalten werden, und PublikumsSondervermögen. Fast alle oben aufgeführten rechtlichen Regelungen gelten sowohl für Publikums- als auch für Spezialfonds. Da ihnen ein spezieller Beitrag gewidmet ist, wird auf eine Auflistung der spezifischen Vorschriften hier verzichtet.
1.1.3.1.3 Immobilienaktiengesellschaften Als weitere Alternative der indirekten Anlage in Immobilien bietet sich für private wie für institutionelle Anleger die Immobilienaktie an. Die Immobilien-AG ist, im Gegensatz zu den später noch anzusprechenden REITs in den USA und ähnlichen Konstruktionen in anderen Ländern, in Deutschland und auch in verschiedenen europäischen Ländern nicht gesetzlich definiert. Sie zeichnen auch keine spezifischen rechtlichen oder steuerlichen Besonderheiten gegenüber anderen Aktiengesellschaften aus. Es existiert daher in der Literatur und in der Praxis keine einheitliche Begriffsfassung. Üblich ist eine Abgrenzung nach dem vorrangigen Unternehmenszweck. Immobilien-AGs sind danach Unternehmen, deren hauptsächlicher Zweck und dominante Ertragsquelle (z.B. mindestens 75 % aus dem Immobilienbereich) die Entwicklung und/oder die Verwaltung von Immobilien (sowie des Angebots dazu gehöriger Dienstleistungen) darstellt. Nach der hauptsächlichen Quelle der Erträge werden die Immobilien-AGs üblicherweise in Projektentwickler (Developer), bei denen die Erträge aus der Entwicklung und (schnellen) Weiterveräußerung von Immobilien dominieren, und in Bestandshalter getrennt, die ihre Erträge überwiegend aus der Vermietung und Verpachtung eigener Immobilienbestände erzielen. In der Realität sind allerdings überwiegend Mischunternehmen zu beobachten. Immobilienkapitalgesellschaften haben in Deutschland keinen spezifischen steuerlichen Status. Daher gelten für die Gesellschaften und die Anteilseigner die üblichen für Einkünfte aus Aktien zutreffenden Regelungen. Auf der Ebene des Anteilseigners kommt es nur zu einer Besteuerung, soweit Dividenden ausgeschüttet werden. Verluste auf der Ebene der Gesellschaft lassen sich dagegen nicht zum Anteilseigner durchreichen. Entsprechend dem derzeit noch geltenden Halbeinkünfteverfahren hat der Aktionär die Hälfte der ausgeschütteten Gewinne (abzüglich evtl. Werbungskosten und unter Berücksichtigung evtl. noch verfügbarer Freibeträge) als Einkünfte aus Kapitalvermögen mit seinem persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern. Bei der Veräußerung der Aktien realisierte Kursgewinne sind bei Privatpersonen nur zu versteuern, wenn der Verkauf innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung erfolgt oder der Aktionär eine wesentliche Beteiligung (= über 1 % der Anteile) an der Gesellschaft hält. Der Wechsel zur Abgeltungsteuer wird sich sowohl bei der laufenden Besteuerung der Dividenden als auch bei der Veräußerung von Anteilen nachteilig auswirken.
18
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
1.1.3.1.4 Real Estate Investment Trusts (REITs) Real Estate Investment Trusts (REITs) stellen eine spezielle, steuerlich begünstigte Form von Immobilienaktiengesellschaften dar und sind ursprünglich ein Begriff aus dem USSteuerrecht. Inzwischen hat eine große Zahl von Staaten vergleichbare Rechtskonstruktionen etabliert, für die zu großen Teilen ebenfalls der Begriff des REITs benutzt wird, meist ohne dass die Rechtsform des "Business Trust" hierfür notwendig oder auch nur wählbar ist. In den USA gibt es allerdings neben den Gesellschaften, deren Vermögen in Anlagen in direkten und indirekten Immobilien besteht (als Equity-REITs bezeichnet), in geringerem Umfang auch REITs, die ihr Kapital in Hypotheken, also in Papiere der Fremdfinanzierung von Immobilien, investieren (sog. Mortgage REITs), sowie Mischformen, als Hybrid REITs bezeichnet. Wenn wir im Weiteren von REITs sprechen, verstehen wir darunter immer nur den Typus des Equity REITs. Die gemeinsamen Elemente aller Equity REIT-Strukturen – ungeachtet recht unterschiedlicher Ausprägung im Einzelnen − bilden: • Es handelt sich um eine Immobilienbesitzgesellschaft (Bestandshalter); • Diese ist auf der Ebene des Unternehmens von Ertragsteuern befreit (steuerlich transparent); • Diese Steuertransparenz muss erkauft werden durch die Verpflichtung zur Ausschüttung eines hohen Anteils des Gewinns, durch die Einhaltung bestimmter Beschränkungen bezüglich der Zusammensetzung des Vermögens und der Erträge sowie durch die Einhaltung evtl. weiterer Beschränkungen hinsichtlich der Eigentümerstruktur, der Rechtsform, der Börsennotierung, der Verschuldung u.a. Da REITs, insbesondere auch die spezifischen deutschen Regelungen und Rahmenbedingungen, noch intensiv Gegenstand weiterer Beiträge sein werden, sei hier auf nähere Darlegungen verzichtet.
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion unterschiedlicher Immobilienanlageformen Die Empirie zeigt, dass in den meisten Ländern verschiedene Formen verbriefter Immobilienanlagen mit unterschiedlichen Marktanteilen nebeneinander existieren. Die Gründe für die Koexistenz mehrerer Anlageformen liegen darin, dass diese unterschiedliche Anlageziele, Risikopräferenzen, Rahmenbedingungen und Nutzenerwartungen der Investoren zu befriedigen versprechen, also keine Anlageform den anderen systematisch in der Zielerreichung für alle Investoren überlegen ist. So kann z.B. der Offene Publikumsfonds für einen risikoaversen Privatanleger das geeignete Vehikel sein, während der REIT mit seinen deutli-
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion
19
chen höheren Rendite- und Risikoerwartungen vielleicht in das Portfolio eines Pensionsfonds passt. Ungleichgewichte zwischen den Anlageformen können vor allem aus unterschiedlichen steuerlichen oder regulatorischen Rahmenbedingungen resultieren. So konnten in Deutschland − vergleicht man die Anlagevolumina − die Immobilienaktiengesellschaften in der Vergangenheit dem Wettbewerb Offener Immobilienfonds offenbar nicht standhalten, dies sicher nicht zuletzt aufgrund der Steuertransparenz der Offenen Fonds und der nicht gegebenen Steuertransparenz der Immobilien-AGs. Für eine theoretische Analyse, welche Institutionen und Organisationsformen sich generell oder situativ, also bei spezifischen Randbedingungen, als wettbewerbsfähig bzw. als anderen überlegen erweisen, eignet sich insbesondere die Institutionenökonomie.
1.1.3.2.1 Finanzierungsvehikel als Herrschaftsformen: Der Handlungsspielraum als Schlüsselbegriff Nach Schneider dient eine Institution der Reduktion von Einkommensunsicherheiten und lässt sich in Regelsysteme (Ordnungen) und Handlungssysteme (Organisationen) unterscheiden.4 Eine Finanzierungsinstitution kann demnach als eine konkrete Form der institutionellen Ausgestaltung einer Prinzipal-Agenten-Beziehung (P-A-Beziehung) interpretiert werden, bei der der Finanzier der Prinzipal und der Kapitalnehmer der Agent ist. Charakteristisch für die P-A-Beziehung ist, dass es eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen dem Agenten und dem Prinzipal gibt. Es wird angenommen, dass der Prinzipal zwar das Ergebnis des Agenten, nicht aber seinen Einsatz beobachten kann. In der Literatur wird primär die Frage behandelt, mit welchen Anreizen der Prinzipal eine weitgehende Konformität der Interessen des Agenten mit den seinigen bei möglichst geringen Kosten erreichen kann. Das Ausmaß der Risiken des Prinzipals hängt, dies ist naheliegend, vorrangig von zwei Faktoren ab: zum einen von der Art des Vermögens, in das das aufgenommene Kapital investiert wird, zum anderen vom Handlungsspielraum des Agenten, den er bei der Verwendung des Kapitals hat. Die Spezifität einer Vermögensanlage bedeutet, dass eine geringe Drittverwendungsfähigkeit besteht, so dass bei einer Markttransaktion gerade auch im Zusammenhang mit der Annahme opportunistischen Verhaltens ein hohes Risiko besteht, Kosten zu versenken. Dies wird der Finanzier durch entsprechend hohe Forderungen kompensieren. Diese Übertragung der transaktionskostenökonomischen Überlegungen durch Williamson5 auf die Frage der optimalen Finanzierungsstruktur identifiziert die unterschiedlichen Finanzierungsformen als Transaktionsformen bzw. als Herrschaftsformen.
4
Vgl. Schneider (1995), S. 23
5
Vgl. Williamson (1988)
20
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
Aktiva
Passiva
spezifische Aktiva
Eigenkapital
unspezifische Aktiva
Fremdkapital
Abb. 1.1- 5 Das Finanzierungspostulat von Williamson
Williamsons Kernaussage kann an einem Beispiel erläutert werden: Erwirbt ein Unternehmer eine Maschine, die für seinen eigenen Bedarf zugeschnitten ist, so wird er nur schwerlich eine Bank finden, die diese als Sicherungsobjekt für eine Finanzierung akzeptiert. Würde nämlich der Unternehmer insolvent, so hätte die finanzierende Bank eine Maschine, mit der kaum ein Dritter etwas anfangen könnte. Nicht das Risiko − gemessen als Streuung des Cash-Flows des Unternehmens − ist für die angemessene Fremdkapitalquote nach Williamson determinierend, sondern die Spezifität der Aktiva. Abbildung 1.1-5 gibt dies typisiert wieder. Das Risiko des Prinzipals steigt, leicht nachvollziehbar, auch mit dem Umfang des Handlungsspielraumes des Agenten. Der Begriff des Handlungsspielraumes bedarf einer klaren Definition: Der mit einer Finanzierung verbundene Handlungsspielraum umschreibt das Spektrum der Verwendungsmöglichkeiten der von den Prinzipalen an die Agenten zur Erfüllung der Aufgaben überlassenen finanziellen Mittel. Wenn beispielsweise ein Finanzier dem Agenten einen Kredit gewährt, so ist der Handlungsspielraum meistens sehr gering, insofern im Kreditvertrag die Verwendung der finanziellen Mittel klar geregelt ist. In der Immobilienwirtschaft findet sich bei Krediten, etwa bei Ankaufsfinanzierungen, häufig eine Regulierung, nach der die Mittelverwendung über einen Notar sichergestellt wird. Zeichnet ein Anleger einen geschlossenen Immobilienfonds, so steht bei Zeichnung meist fest, welche Immobilie zu welchem Preis erworben wird oder welcher Mieter diese für eine bestimmte Laufzeit mietet, so dass für den Agenten nur beschränkte Handlungsmöglichkeiten bestehen, der Handlungsspielraum der Agenten also bereits ausgefüllt ist. Demgegenüber steht dem Agenten bei der Aufnahme von Eigenkapital typischerweise ein breites, vertraglich kaum eingeschränktes Spektrum an Verwendungsmöglichkeiten offen. Institutionen unterscheiden sich also (auch) danach, wie Handlungsspielräume für den Agenten gegenüber dem Prinzipalen normiert oder festgesetzt werden. Die weiteren Regulierungen einer Finanzierungsinstitution, also die der Zahlungsansprüche, Informations- und Mitbestimmungsrechte, ergeben sich bei dieser Betrachtungsweise aus dem jeweiligen Handlungsspielraum. Anreize sind nun Kombinationen aus Zahlungsansprüchen, Informationsund Mitbestimmungsrechten innerhalb eines bestimmten Handlungsspielraums. Indem der
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion
21
Handlungsspielraum in den Vordergrund der Betrachtung einer Finanzierungsinstitution rückt, wird diese auch eine Institution der Herrschaft und die P-A-Beziehung zu einer Herrschaftsbeziehung. Bei den indirekten Formen der Immobilienanlage über den Offenen Fonds und den REIT übernimmt – in unterschiedlicher Ausprägung − zusätzlich der Gesetzgeber die Funktion, den Handlungsraum des Unternehmens einzuschränken. Zeichnet ein Anleger einen offenen Immobilienfonds, so regelt das Investmentgesetz (InvG), welche Investitionen im jeweiligen Umfang und welche Verschuldung zulässig sind. Kauft ein Anleger Anteile eines REITs, so besteht auch hier eine Regulierung bezüglich möglicher Investitionen, insoweit sich ein hoher Anteil der Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Immobilien generieren muss und auch die Immobilienbestände einen bestimmen Anteil am Gesamtvermögen darstellen. Bei einer Immobilienaktiengesellschaft hingegen ist der Handlungsspielraum des Unternehmens wesentlich größer, da es praktisch keine rechtlichen Beschränkungen bei den Investitionen gibt. Damit wirken die gesetzlichen Restriktionen bei Offenen Immobilienfonds und bei REITs faktisch wie eine Einschränkung des Handlungsspielraums durch die Finanziers und nähern die Position des Eigenkapitalgebers für diese Vehikel zumindest tendenziell und bezüglich der Notwendigkeit eines Aufschlags für das Agency-Risiko der eines Fremdkapitalgebers an. Dass mit dieser Einschränkung des operativen Spielraums und der operativen Risiken nicht gleichzeitig und in gleichem Umfang auch die Marktrisiken beschränkt sind, hat die jüngere Entwicklung mit den teilweise dramatischen Kursverlusten für REITs weltweit schmerzlich erkennen lassen. Abbildung 1.1-6 zeigt schematisch die unterschiedlichen Handlungsspielräume bei Nutzung von bestimmten Finanzierungsformen, wobei – der eben angeführten Argumentation folgend – der Offene Immobilienfonds, die Immobilien-AG und der REIT wie Finanzierungsformen eingeordnet sind.
EK-REITs Offene Immobilienfonds Kredite
klein
Venture Capital EK-AGs
Handlungsspielraum
PrivateEquity
groß
Abb. 1.1- 6 Unternehmerische Handlungsspielräume bei unterschiedlichen „Finanzierungs“formen
Mit den genannten Finanzierungsvehikeln und den damit für den Kapitalgeber verbundenen Risiken assoziieren wir unterschiedliche Kapitalkosten. Kredite sind c.p. zu den geringsten
22
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
Kosten zu erhalten, Venture Capital ist das teuerste Kapital. Nehmen wir die Kapitalkosten als eine weitere Dimension auf und tragen diese auf der Ordinate ab, so erhalten wir folgende Graphik:
VC
hoch PE
EK-AG
Kapitalkosten EK-REIT gIF gering
Kredit
oIF
klein
Handlungsspielraum
groß
Abb. 1.1- 7 Handlungsspielräume und Kapitalkosten
Abbildung 1.1-7 erinnert an bekannte Graphiken. Der Unterschied liegt formal in der Bezeichnung der Abszisse. Statt des Risikos ist hier der Handlungsspielraum abgebildet. Offensichtlich ist es so, dass die Kapitalkosten mit dem Handlungsspielraum zunächst einmal unabhängig vom finanzierten Aktivum steigen. Ist der Handlungsspielraum groß, sind es auch die Kapitalkosten. Dies ist materiell die Folge aus der Betrachtung der Finanzierung als Prinzipal-Agenten-Beziehung. Überlässt der Prinzipal dem Agenten einen weiten Handlungsspielraum, so bedeutet dies unter den Annahmen von Bounded Rationality und Moral Hazard eine hohe Unsicherheit für den Prinzipal, weil eben nicht klar ist, ob die Agenten das vollziehen, was sie in den Business-Plan schreiben. Diese Unsicherheit aus dem Handlungsspielraum führt zu höheren Kapitalverzinsungsansprüchen des Prinzipals sui generis. Die Reduktion des Handlungsspielraumes mittels der Regulierung innerhalb eines Finanzierungsvehikels impliziert eine Reduktion der Unsicherheit des Prinzipals, die er mit geringeren Kapitalkosten beantwortet. Diese institutionellen Regulierungen sind es, die – nunmehr in der Terminologie von Schneider – als Handlungssystem (im Falle der individuellen Regulierung) oder als Regelsystem (im Falle der übergeordneten Regulierung) insoweit Werte schaffen, als mit ihrer Hilfe Kapitalkosten sinken. Das daraus ableitbare Finanzierungspostulat lautet also wie folgt: Reduziere so weit wie möglich − bei gegebenen Ertragsmöglichkeiten − den Handlungsspielraum eines Finanzierungsvehikels zur Minimierung der Kapitalkosten. Oder anders: Der vom Vehikel gebotene
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion
23
Handlungsspielraum soll von den Agenten voll ausgenutzt werden, bezahlt wird er sowieso. Schließlich folgt hieraus auch: Trenne geschäftliche Aktivitäten, die jeweils einen unterschiedlichen Handlungsspielraum benötigen.
1.1.3.2.2 Das neue Finanzierungspostulat in der Anwendung: Begründung und Gestaltung von REITs Das entwickelte und dargestellte Finanzierungspostulat über den optimalen Handlungsspielraum bietet eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere im Bereich der Immobilienanlageprodukte. Auf der Grundlage der erfolgten finanzierungstheoretischen Überlegungen können analytische Aussagen über die wesentlichen Eigenschaften von REITs und Handlungsempfehlungen zur Gestaltung von REITs gemacht werden. Immobilien werden von Nicht-Immobilien-Unternehmen und öffentlichen Unternehmen gehalten. Dieser Handlungsspielraum ist grundsätzlich für das Halten von Beständen zu hoch. Es bietet sich, soweit keine anderen Überlegungen dem entgegenstehen, ein Verkauf an Private-Equity-Gesellschaften an, die mit sehr hohem Handlungsspielraum und entsprechenden Kapitalkosten die Portfolien neu strukturieren und dann zur weiteren Bestandshaltung mittels unterschiedlicher Anlagevehikel mit jeweils geringerem Handlungsspielraum wie Offene Immobilienfonds und REITs desinvestieren. Auf der Grundlage der erfolgten finanzierungstheoretischen Überlegungen können analytische Aussagen über die wesentlichen Eigenschaften von REITs und Handlungsempfehlungen zur optimalen Gestaltung von REITs gemacht werden. Wenngleich REIT-Regime verschiedener Länder nicht identisch sind, sind doch die Steuertransparenz und die Beschränkung auf Immobilienaktivitäten Gemeinsamkeiten. Doch bereits bei der Frage, was genau Immobilienaktivitäten sind, welche Aktivitäten zulässig sind und welche nicht und ob bestimmte Aktivitäten nur in einem beschränkten Umfang zulässig sind, zeigen sich Unterschiede zwischen den einzelnen REIT-Regimen. Ebenso zeigen sich Unterschiede in den REIT-Strukturen, ob eine Pflicht zur Börsennotierung besteht oder nicht und ob REITs ein internes oder ein externes Management haben dürfen bzw. müssen. Steuertransparenz von REITs Wenngleich die steuerliche Transparenz von REITs als ein konstitutives Merkmal dieses Vehikels erkannt werden kann, erscheint es doch sinnvoll, auch ökonomische Gründe für die Legitimität der steuerlichen Transparenz zu erfassen. Umgekehrt können aus der Begründung der steuerlichen Transparenz auch Rückschlüsse über die notwendige Gestaltung von REITs gezogen werden. So ergibt sich die ökonomische Legitimität der steuerlichen Transparenz von REITs zum ersten aus dem Motiv der weitgehenden Gleichstellung der steuerlichen Behandlung mit anderen Anlagevehikeln, insbesondere den Offenen Fonds. Zum zweiten kann sie auch als eine Kompensation für den eingeschränkten Handlungsspielraum von REITs interpretiert werden. REITs sind also in ihren geschäftlichen Aktivitäten auch aus steuerlichen Gründen so zu beschränken, dass der Handlungsspielraum ähnlich wie beim Fremdkapital deutlich reduziert
24
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
ist. Ein unbeschränkter Handlungsspielraum von REITs bei gleichzeitiger Steuertransparenz hätte zur Folge, dass es zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen Projektentwicklern, Immobiliendienstleistern und REITs kommen würde. Geschäftsgegenstand von REITs REITs dienen als Bestandshalter von Immobilien. Nicht-Immobilienunternehmen mögen sich auf ihr jeweiliges Kerngeschäft konzentrieren und dort ihr Eigenkapital binden. Übertragen wir die Kategorie des Handlungsspielraums, so kann formuliert werden: NichtImmobilienunternehmen – in der Regel Kapitalgesellschaften – haben aufgrund des mit dem Kerngeschäft notwendigen breiten Handlungsrahmens einen höheren Handlungsspielraum als das Halten von Bestandsimmobilien verlangt, weswegen allein und unabhängig von der Volatilität der anderen betriebsnotwendigen Aktiva die Kapitalkosten der Unternehmen höher als die Performance der gehaltenen Immobilien sind. Geben Unternehmen ihre Immobilien ab, so wird das gebundene Kapital frei und kann zum eigentlichen Geschäftszweck, der den höheren Handlungsspielraum verlangt, verwendet werden. Durch den Verkauf von Immobilien können Nicht-Immobilienunternehmen folglich allein wegen der eigenen für das Halten von Beständen zu hohen Kapitalkosten Werte schaffen. Bereits diese Überlegung verdeutlicht, dass bei REITs kein eigenes aktives PortfolioManagement mit hohen Ertragsanteilen aus Entwicklung und Handel im Vordergrund der geschäftlichen Aktivitäten stehen soll. In dem Maße, in dem REITs ihre Performance aus Immobilienhandelsgeschäften bestreiten, steigen die Kapitalverzinsungsansprüche der Anleger, wodurch die Kapitalkosten für die Refinanzierung der Bestände zu hoch werden können, was sich im Ergebnis in einem Disagio zwischen der Marktkapitalisierung des REITs zum Net Asset Value (NAV) der gehaltenen Bestände ausdrücken kann. Ein zweiter Grund spricht gegen verstärkte Immobilienhandelsaktivitäten und gewerbliche Zusatzleistungen durch REITs. REITs sollen als Immobilienanlageprodukt die Performance von Immobilien nachbilden. Nur dann sind sie als Alternative zu einer Direktinvestition in Immobilien für institutionelle Investoren (wie z.B. Versicherungen) überhaupt attraktiv. Investoren können bezüglich der Frage der Höhe der Beimischung von gewerblichen immobilienbezogenen Aktivitäten (z.B. verwalten, bauen, makeln) selbst mittels Beimischung entsprechender Werte in ihr Portfolio steuern. Eine direkte Beimischung im REIT würde die Tätigkeiten zu wenig separieren und die Abbildungsmöglichkeit der Immobilienperformance der Bestände im Finanzierungsvehikel verwässern. Die Vorstellung einzelner Manager, durch die geschickte Ausnutzung von Immobilienzyklen mit Immobilienhandelsaktivitäten die Performance deutlich über die der Underlying Assets zu erhöhen, widerspricht kapitalmarkttheoretischen Überlegungen. Ling (2005) weist empirisch nach, dass Expertenprognosen zur Entwicklung von Immobilienmärkten systematisch nicht besser sind als Zufallsvorhersagen. Der Geschäftsgegenstand von REITs sollte sich also auf das Halten und das aktive Managen von Immobilien beschränken. Projektentwicklungsaktivitäten von einem REIT sind sinnvoll und notwendig, sofern damit vorhandene oder neue Flächen für Nutzer optimiert werden können. Das systematische Handeln von Immobilien und das Trading-Development sind hingegen keine geeigneten Tätigkeiten für REITs,
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion
25
weil damit die Kapitalkosten unnötig erhöht und die Immobilienperformance verwässert wird. Gleiches gilt für immobilienbezogene Dienstleistungen für Dritte. Streubesitzkriterien Als im Jahre 1961 in den Vereinigten Staaten REITs eingeführt wurden, war das Produkt für Kleinanleger konzipiert. Zur Beschränkung des Einflusses einzelner Investoren gibt es seitdem die so genannten 5/50-Regel, die vorschreibt, dass nicht mehr als 50 % des Kapitals von weniger als fünf Investoren gehalten werden darf. Als man erkannte, dass der REIT doch primär ein Produkt für den institutionellen Investor und nicht für den privaten Kleinanleger ist, wurde diese Regel 1993 mit dem Omnibus Reconciliation Act de facto für Kapitalsammelstellen aufgehoben. Bei der 5/50-Regel standen in den Vereinigten Staaten steuerliche Motive nicht im Vordergrund, da man die Besteuerung ausländischer Anleger seit 1961 in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen regeln konnte. Sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland ist steuerlich motiviert eine Beschränkung von Anteilen an REITs in Höhe von maximal 10 % festgeschrieben. Hintergrund dieser Regulierung sind Doppelbesteuerungsabkommen sowie EU-Richtlinien wie die MutterTochter-Richtlinie, die zur Folge haben, dass Dividendeneinkünfte bei Beteiligungen von mehr als 10 % nur noch minimal – wenn überhaupt – im Belegenheitsland der Immobilie besteuert werden können. Aus finanzierungstheoretischen Gründen muss ein Streubesitzkriterium abgelehnt werden. So wird einerseits die Kapitalmarktdisziplin in unvertretbarer Weise beschränkt, wenn bei einer Übernahme eines REITs bereits bei Halten von 10 % der Anteile der steuerliche Status gefährdet wird. Andererseits ist die Marktstruktur der Kapitalsammelstellen so, dass bei Umwandlung substantieller Teile direkt gehaltener Immobilien aus deren Portfolien in REITs die Anleger umgehend mehr als 10 % halten würden. Anders formuliert wird ein wesentlicher Teil des Anlegermarkts mit einem harten Streubesitzkriterium praktisch vom Markt ausgeschlossen. Auch öffentliche Eigentümer wären dann nicht mehr in der Lage, Teile von Wohnungsbaugesellschaften mittels des Vehikels REIT zu privatisieren. Der deutsche Gesetzgeber war sich offensichtlich – wie in anderen Ländern auch − der mit einem Streubesitzkriterium verbundenen kapitalmarktbezogenen Probleme bewusst und hat die Möglichkeit von Schachtelbeteiligungen bewusst zugelassen, da diese das steuerlich motivierte Ziel nicht gefährden und den legitimen Interessen der Kapitalsammelstellen Rechnung tragen. Börsennotierung von REITs Die Erhöhung der Fungibilität der Anteile mittels Schaffung eines liquiden Sekundärmarktes mit einem hinreichenden Free Flow ist ein wichtiges Ziel bei der Einführung von REITs. Die US-amerikanische Erfahrung hat gezeigt, dass sich REIT-Märkte in Abhängigkeit von der jeweiligen zyklischen Situation am Kapitalmarkt sowie von der Entwicklung der REITMärkte mehr privat oder am Kapitalmarkt refinanzieren. Neben den USA haben auch der zweitgrößte REIT-Markt in Australien sowie der schnell wachsende junge Markt in Japan die Wahlfreiheit zur Börsennotierung gegeben. Eine Fülle von Gründen spricht für die Wahlfreiheit zur Börsennotierung:
26
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
1. Institutionelle Investoren wie Versicherungen möchten ihre Investments auch in nichtbörsennotierten REITs halten können, damit die bei gelisteten Papieren zu beobachtende hohe Volatilität nicht direkt in ihren Büchern durchschlägt; 2. Aus Gründen der Kapitalmarktdisziplin ist auf ein mögliches Delisting als letzte und härteste Möglichkeit der Disziplinierung von Gesellschaften, die die Erwartungen der Investoren nicht erfüllen, nicht zu verzichten. Eine steuerliche Bestrafung in Form der Aufhebung der steuerlichen Transparenz bei Ausübung einer Disziplinierungsmaßnahme durch den Kapitalmarkt wäre ökonomisch kontraproduktiv; 3. Auch für die stufenweise Umwandlung von Teilen der Portfolios Offener Immobilienpublikumsfonds in REITs kann die Existenz von Private REITs hilfreich sein, um so einen stufenweisen Übergang zu mehr Fungibilität und Volatilität zu erreichen. In einem ersten Schritt können so Teile der Portfolios in nicht börsennotierte REITs umgewandelt werden, anschließend kann eine Börsennotierung mit geringem Free Flow und Marktpflege erfolgen, um schließlich einen großen Free Flow mit Kapitalmarktdisziplin und im reifen und liquiden Markt vertretbarer Volatilität zu erreichen; 4. Sofern der Gesetzgeber Interesse an einer Beaufsichtigung von REITs durch eine Börsenaufsicht hat, könnte diese auch für REITs, die nicht börsennotiert sind, vorgeschrieben werden. In Europa ist bei den „jungen“, erst in den letzten Jahren geschaffenen REIT-Strukturen (Frankreich, UK und Deutschland) eine Börsennotierung Pflicht. Die Gründe hierfür liegen insbesondere in der Absicht, dadurch schnell ein Börsensegment mit ausreichender Größe zu schaffen und in der Tatsache, dass außerhalb der Börse schon andere steuertransparente Anlagevehikel für Immobilien zur Verfügung stehen. Management von REITs In den USA waren REITs zunächst als Trusts nur mit einer externen Verwaltungsmöglichkeit ausgestattet. Auch aufgrund der Einführung der Möglichkeit eines internen Managements setzte der Erfolg der US-REITs ein. Ein internes Management von REITs – häufig gepaart mit einer Beteiligung des Managements am REIT-Vermögen – ist ein geeignetes Mittel, mögliche Interessenkonflikte ex ante zu minimieren. Je stärker der Handlungsspielraum eingeschränkt ist, desto eher kann auf ein internes Management verzichtet werden. Es ist in der Tat zu beobachten, dass mit zunehmendem Handlungsspielraum das Management eher intern und bei besonders stark reduziertem Handlungsspielraum das Management eher extern ist. Der Vergleich der Konstruktion von USamerikanischen REITs und australischen REITs einerseits zu japanischen REITs andererseits zeigt diesen Zusammenhang auf. Die am stärksten im Handlungsspielraum beschränkten japanischen REITs verfügen ausschließlich über ein externes Management.6
6
Vgl. EPRA (2007), S. 114
1.1.3.3 Marktstrukturen und Marktpotentiale
27
1.1.3.3 Marktstrukturen und Marktpotentiale Die Attraktivität verbriefter Immobilienanlagen, gemessen an ihrem Volumen, hat national wie international im letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen. Insbesondere hat eine große Zahl von Ländern in jüngerer Zeit REIT-Strukturen etabliert.7 In internationalen Statistiken werden meist nur die börsennotierten Immobilienaktien erfasst, nicht aber andere Formen verbriefter Immobilienanlagen wie z.B. Offene Fonds. Abbildung 1.1-8 zeigt, dass die Marktkapitalisierung der Immobilienaktien weltweit von 2001 auf 2006 von ca. 320 Mrd. auf ca. 690 Mrd. € gewachsen ist. Das Jahr 2007 brachte einen weiteren kräftigen, vor allem von Asien getragenen Anstieg auf ca. 970 Mrd. €, wobei der Anteil der US-REITs weiter zurückging. Gerade die jüngeren Zahlen belegen, dass das Wachstum nicht allein durch die Kurszuwächse bedingt ist, sondern dass es sich um ein Mengenwachstum handelt, d.h. dass neue Immobilien-AGs/REITs dazu kamen bzw. die bisherigen Gesellschaften gewachsen sind.
Marktkapitalisierung (in Mrd. €)
800
100,00 %
700
600
500
400
100,00 %
45,04 %
300
100
32,49 %
52,57 %
200
22,46 % 30,48 % 16,95 %
0
2001 Asien inkl. Australien
2006 Europa
Nordamerika
Global
Abb. 1.1- 8 Marktkapitalisierung der internationalen Immobilienmärkte und ihre Entwicklungen
Allgemein bekannt ist die langfristige Entwicklung der REITs in den USA. Nach ihrer Einführung im Jahre 1960 verharrte lange Jahre sowohl die Zahl der REITs als auch deren Marktkapitalisierung auf einem sehr niedrigen Niveau. Erst mit der Änderung einiger wich-
7
Vgl. hierzu den Global REIT Survey von EPRA (2007) mit einer vergleichenden Gegenüberstellung der rechtlichen Regelungen
28
1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
200
500.000
180
450.000
160
400.000
140
350.000
120
300.000
100
250.000
80
200.000
60
150.000
40
100.000
20
50.000
Composite REIT (rechte Skala)
Equity REIT
Mortgage REIT
20 05
20 03
20 01
19 99
19 97
19 95
19 93
19 91
19 89
19 87
19 85
19 83
19 81
7
19 79
19 7
19
75
0
19 73
19
71
0
Marktkapitalisierung (in Mio. US-$)
Anzahl an REITs
tiger Teile des Gesetzes zu Beginn der 90er Jahre begann der rasante Anstieg, der in 2006 mit einer Marktkapitalisierung von ca. 440 Mrd. USD einen vorläufigen Höhepunkt fand. Der in der Abbildung 1.1-9 nicht enthaltene „Absturz“ der Börsenkurse in 2007 (die Marktkapitalisierung fiel auf ca. 312 Mrd. USD) ging einher mit einem schon früher einsetzenden, aber sich verstärkenden Rückgang der Zahl der REITs, der in den letzten Jahren vor allem durch Aufkäufe von Private Equity Fonds und damit verbundenen Börsenrückzügen (Going Private) verursacht war.
Hybrid REIT
Abb. 1.1- 9 Anzahl und Marktkapitalisierung von Equity-, Mortgage- und Hybrid-US-REITs Quelle: NAREIT(2007)
Um die Volumina börsennotierter Immobilienprodukte und die noch bestehenden Marktpotentiale einordnen und beurteilen zu können, lassen sie sich zum einen in das Verhältnis zum Gesamtvolumen der Immobilien des jeweiligen Landes setzen. Zum anderen kann die Marktkapitalisierung der verbrieften Immobilien zur gesamten Marktkapitalisierung aller Aktien des Landes in Beziehung gesetzt werden. Beides findet sich – bezogen auf November 2007 − in Abbildung 1.1-10, getrennt für einzelne Länder und Weltregionen. Zwischen den Ländern werden deutliche Unterschiede erkennbar. So ist z.B. in Australien und Singapur ca. die Hälfte des gesamten Immobilienmarkts verbrieft, während es in den USA mit ihrem großen REIT-Markt nur ca. 8 % sind und in Deutschland die Marktkapitalisierung der Immobilienaktien sogar nur 1,2 % des relevanten Immobilienmarkts ausmacht. Ähnliches zeigt sich für den Anteil der Immobilienaktien an der jeweiligen Marktkapitalisierung aller Aktien eines Landes. Auch hier liegt der Wert für Deutschland mit ca. 0,7 % weit unter dem internationalen Durchschnitt. Wegen der Unschärfe der zugrunde liegenden Werte sollten die Zahlenwerte nicht überinterpretiert werden. Aber die grundsätzliche Position und Situation lässt sich daraus durchaus ableiten.
Countries
2,795.52 2,205.46 2,122.25 1,762.26 1,123.01 363.53 625.40 366.00 370.58 361.72 354.67 305.28 298.63 286.25 258.08 224.92 202.19 195.14 183.06 91.93 107.14 99.35 80.88 26.81 27.90 37.11 27.68 14,902.75
33,915.98 36,592.34 35,122.69 30,354.00 27,879.42 2,489.59 38,325.90 49,121.25 35,811.58 40,253.63 5,148.03 37,343.00 7,731.31 62,568.15 47,678.33 21,123.20 50,930.65 37,418.45 17,394.48 8,958.53 10,680.05 4,443.80 1,658.78 4,959.37 13,872.05 80,153.13 3,681.54 32,407.73
2006 GDP per capita ($) 1,257.99 1,240.57 955.01 793.02 505.35 81.69 281.43 164.70 166.76 162.77 101.53 137.38 97.90 128.81 116.14 101.21 90.99 87.81 78.63 31.65 39.12 27.08 15.87 7.58 11.11 16.70 7.09 6,705.89
2006 Real Estate ($ Bn) 15.37 93.98 77.51 6.93 34.95 5.00 13.54 6.43 5.32 18.34 18.94 6.37 2.86 2.05 2.05 2.49 0.25 0.40 312.78
Nov-07 Total Listed ($ Bn)
Nov-07 Index Mrkt Cap ($ Bn) 9.66 73.17 35.50 2.76 0.34 14.52 4.48 3.99 8.38 10.51 2.23 0.90 0.53 1.27 2.61 170.84
Nov-07 Number of Companies 41 124 62 8 15 12 11 19 15 12 13 8 6 5 6 1 5 2 1 366
1.22% 7.58% 8.12% 0.87% 6.92% 6.12% 4.81% 3.90% 3.19% 11.27% 0.00% 13.78% 6.50% 2.22% 1.76% 2.02% 0.00% 2.84% 0.00% 0.00% 0.64% 1.48% 0.00% 0.00% 0.00% 0.00% 0.00% 4.66%
Nov-07 Total RE v Listed RE (%) 2,167.42 4,185.89 2,845.36 1,125.04 1,154.58 964.23 608.56 1,250.01 415.22 595.04 274.49 269.32 214.50 407.02 256.89 261.08 137.27 370.52 147.88 73.59 45.70 39.33 95.09 8.53 27.15 29.23 19.45 17,988.42
Nov-07 Stock Market ($ Bn)
Abb. 1.1- 10 Absolute und relative Größe der Märkte für Immobilienaktien weltweit, Quelle: EPRA, Monthly Statistical Bulletin Nov. 2007
Germany United Kingdom France Italy Spain Russia Netherlands Switzerland Belgium Sweden Turkey Austria Poland Norway Denmark Greece Ireland Finland Portugal Czech Republic Hungary Romania Ukraine Slovakia Slovenia Luxembourg Bulgaria Total Europe
2006 GDP ($ Bn)
Size of the total real estate market - Europe
0 . 71 % 2 . 25 % 2.7 2 % 0 .6 2 % 3.0 3 % 0.52% 2.23% 0 . 5 1% 1.28% 3.08% 0.00% 7.03% 2.97% 0.70% 0.80% 0.78% 0.00% 0.67% 0.00% 0.00% 0.55% 1.02% 0.00% 0.00% 0.00% 0.00% 0.00% 1 . 7 4%
Nov-07 Stk Mkt v Listed RE (%)
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion
Abb. 1.1- 10 Absolute und relative Größe der Märkte für Immobilienaktien weltweit
29
766.59 879.93 184.17 147.04 118.77 120.58 81.21 2,298.27
12,449.38 1,115.55 13,564.93
41,309.02
Mexico Brazil Argentina Venezuela Colombia Chile Peru Total Latin America
United States Canada Total Nth America
World
Abb. 1.1-10 (Fortsetzung)
4,436.34 2,469.09 783.96 803.58 712.60 340.46 306.72 181.90 132.90 118.59 102.11 101.59 53.24 10,543.07
Japan Hong Kong/China South Korea India Australia Taiwan Indonesia Thailand Malaysia Singapore New Zealand Philippines Vietnam Total Asia-Pacific
Countries
2006 GDP ($ Bn)
-
42,485.30 34,316.09 41,813.48
7,303.62 4,779.58 4,704.73 5,877.40 2,807.03 7,619.83 2,948.21 5,668.08
34,840.49 1,891.00 16,253.24 754.49 35,785.44 14,965.27 1,286.28 2,804.23 5,649.96 27,236.17 25,566.98 1,177.92 644.10 19,996.76
2006 GDP per capita ($)
17,215.92
5,602.22 502.00 6,104.22
246.58 245.73 51.16 43.99 27.78 39.34 19.30 673.89
1,996.35 506.22 329.21 121.29 320.67 139.09 55.30 42.53 39.24 106.73 49.87 17.79 7.62 3,731.92
2006 Real Estate ($ Bn)
Size of the total real estate market - Asia/Pacific & Americas
1,440.95
446.60 42.57 489.17
0.10 0.60 0.60 0.40 0.10 1.80
193.48 201.00 1.10 9.60 163.87 5.10 0.14 3.50 0.70 51.00 2.80 4.90 637.20
Nov-07 Total Listed ($ Bn)
1,465.00
195.00 45.00 240.00
3.00 26.00 2.00 17.00 6.00 54.00
113.00 200.00 12.00 16.00 65.00 31.00 30.00 140.00 88.00 50.00 8.00 52.00 805.00
Nov-07 Number of Companies
909.35
322.75 30.63 -
-
114.92 126.11 119.88 23.43 0.80 385.13
Nov-07 Index Mrkt Cap ($ Bn)
8.37%
7.97% 8.48% 8.01%
0.04% 0.24% 1.17% 0.00% 0.00% 1.02% 0.52% 0.27%
9.69% 39.71% 0.33% 7.91% 51.10% 3.67% 0.25% 8.23% 1.78% 47.79% 5.61% 27.55% 0.00% 17.07%
Nov-07 Total RE v Listed RE (%)
57,794.95
17,801.47 1,709.63 19,511.10
396.82 1,329.16 549.96 8.76 90.30 211.43 75.34 2,661.77
4,724.82 6,645.30 1,122.81 1,609.99 1,453.28 728.75 197.22 204.07 307.47 499.58 43.48 96.90 17,633.67
Nov-07 Stock Market ($ Bn)
2.49%
2.5 1 % 2 . 4 9% 2 . 5 1%
0.03% 0. 0 5 % 0.11% 0.00% 0.00% 0.19% 0.13% 0 . 07 %
4 . 10 % 3 . 02 % 0. 1 0 % 0. 6 0 % 11.28% 0.70% 0.07% 1.72% 0.23% 10.21% 6.44% 5.06% 0.00% 3 . 61 %
Nov-07 Stk Mkt v Listed RE (%)
30 1.1.3 Typen verbriefter Immobilienprodukte
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion
31
Die Relationen lassen sich grundsätzlich auch dafür heranziehen, mögliche Entwicklungspotentiale für die Teilmärkte in einzelnen Ländern abzuschätzen. Diese Vorgehensweise wählte z.B. Hughes8 für seine Abschätzungen künftiger Marktentwicklungen für REITs, die in Abbildung 1.1-11 wiedergegeben sind.
Abb. 1.1- 11 Marktpotentiale für die Entwicklung von REITs in einzelnen Ländern
Die von der Initiative Finanzplatz Deutschland (IFD) und auch anderen formulierten Erwartungen zum Marktpotential deutscher REITs lagen mit einer Marktkapitalisierung von 127 Mrd. € bis 2010 in einer ähnlichen Größenordnung. Sie basierten auf Schätzungen, dass Unternehmensimmobilien im Umfang von ca. 60 Mrd. € und Immobilienbestände von Wohnungsunternehmen mit einem Volumen von 30 Mrd. € über REITs desinvestiert würden (letzteres schon wegen des Ausschlusses von Wohnimmobilien im REITG nicht realisierbar) und dass geschlossene und Offene Immobilienfonds im Umfang von ca. 37 Mrd. € in das Vehikel des REITs wechseln würden. Im Februar 2008 weist der DIMAX des Bankhauses Ellwanger & Geiger, der auch teilweise nicht rein bestandshaltende Unternehmen enthält, eine Marktkapitalisierung von ca. 17 Mrd. € aus. Vor allem die schwierige Marktsituation hat dazu geführt, dass derzeit erst zwei Unternehmen als REITs gelistet sind, die zusammen gerade einmal auf eine Marktkapitali8
Vgl. Hughes (2007), S. 24
32
1.1.4 Attraktivitätsvergleich
sierung von ca. 700 Mio € kommen. Börsengänge im Umfang von ca. 10 Mrd. € sind angekündigt, ihre Realisierung wird aber vom weiteren Marktgeschehen geprägt sein. Dem steht (ebenfalls Anfang Februar 2008) ein Fondsvermögen der Offenen Immobilienfonds von ca. 84 Mrd. € gegenüber. Wie Abb. 1.1-12 zeigt, hat sich dieses Volumen vorrangig in den 90er Jahren aufgebaut. Nach einigen schwierigen Jahren mit teilweise kräftigen Mittelabflüssen insgesamt und speziell bei einzelnen Fonds sind in 2007 wieder ca. 7 Mrd. € zusätzlich bei den Offenen Immobilienfonds angelegt worden. Die Aufschlüsselung in Publikums- und Spezialfonds macht die anhaltende Attraktivität der Offenen Fonds für private wie institutionelle Investoren deutlich. Bei Überlegungen zur Entwicklung von REITs und anderen Immobilienaktien sind sie daher selbstverständlich immer als potentielles Konkurrenzprodukt zu berücksichtigen. 90.000
Fondsvermögen offener Immobilienfonds (in Mio. €)
80.000
70.000
60.000
50.000
40.000
30.000
20.000
10.000
19 59 19 60 19 62 19 65 19 66 19 70 19 75 19 80 19 81 19 82 19 83 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06
0
Abb. 1.1- 12 Entwicklung des Fondsvermögens deutscher Offener Immobilienfonds
1.1.4 Attraktivitätsvergleich Will ein Kapitalanleger oder Investor Anlageentscheidungen treffen, die seinen Zielen möglichst gut entsprechen (oder soll ein Berater ihn dabei unterstützen), dann ist es in einem ersten Schritt unerlässlich, die jeweiligen Vorteile und Nachteile einer Einzelanlage zu kennen.
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion
33
Für die Beurteilung von Immobilieninvestments gelten die gleichen Kriterien wie für jede sonstige Kapitalanlage: Rendite und Risiko. Soweit Immobilienanlagen nicht an organisierten Kapitalmärkten gehandelt werden, ist zusätzlich das Kriterium der Liquidierbarkeit zu berücksichtigen, also die Möglichkeit der Umwandlung in liquide Mittel vor Ablauf vertraglicher Bindungsfristen. Das Ziel der Verwaltbarkeit stellt auf den finanziellen, zeitlichen oder intellektuellen Aufwand ab, den der Anleger zur Suche von Anlagealternativen, zur Beschaffung von bewertungsrelevanten Informationen und zur laufenden Beobachtung und Betreuung zu tragen hat. Liquidierbarkeit und Verwaltbarkeit lassen sich zu großen Teilen über die dadurch ausgelösten Kosten operationalisieren und damit über Rendite und Risiko mit erfassen. Zumindest für private Haushalte mit in der Regel kleineren Anlagebeträgen spielt auch die Frage der Stückelung (Teilbarkeit) eine wesentliche Rolle. Zusätzlich können − vor allem beim Kauf von selbstgenutztem Wohneigentum − nicht-monetäre Aspekte relevant sein („Wohnen in den eigenen vier Wänden“), die wir aber im Weiteren vernachlässigen wollen. Diese auf die Vor- und Nachteile eines Einzelinvestments konzentrierte Sicht genügt aber nicht. Seit den bahnbrechenden Arbeiten von Markowitz in den 50-er Jahren ist bekannt, dass es darauf ankommt, die einzelnen Anlagen so zu kombinieren und zu mischen, dass der Anlegernutzen dadurch so weit wie möglich gesteigert werden kann. Hierzu ist ein Vermögensportfolio aus einer Mischung von Anlagen zu gestalten, deren Renditen sich möglichst wenig gemeinsam und gleichlaufend bewegen. Die Auswahl von Kapitalanlagen hat daher nicht (nur) nach den erwarteten Renditen und Einzelrisiken, sondern nach ihrem Beitrag zur Reduzierung des Gesamtrisikos des Vermögensportfolios, also ihrem Diversifikationspotential, zu erfolgen.
1.1.5 Zum weiteren Vorgehen Die weiteren Teile des Buches werden dazu dienen, diese Gegenüberstellung von Ansprüchen der Investoren und den Charakteristika der einzelnen Produkte zur indirekten Anlage in Immobilien zu leisten. Als Ergänzung der Palette der vorgestellten indirekten Immobilienanlagen macht zuerst der Beitrag von Alan Cadmus über „REIT-Strukturen – Forderungen und Folgen“ vertiefend mit dem Unternehmenstypus des REITs generell vertraut und stellt dann kommentierend das deutsche REIT-Gesetz vor. Teil 2 ist der „vergleichenden Bewertung von verbrieften Immobilienprodukten“ gewidmet. Der Beitrag von Heinz Rehkugler und Stefan Goronczy geht hierbei der grundlegenden Frage nach, ob es eine einheitliche Theorie und Konzeption der Bewertung gibt oder geben sollte, welche Bewertungsmethoden für verbriefte Immobilienanlagen vorgeschlagen, gesetz-
34
1.1.5 Zum weiteren Vorgehen
lich vorgegeben und praktisch eingesetzt werden und inwiefern diese Methoden problemadäquat und für alle Anlagetypen kompatibel sind. Teil 3 enthält acht Beiträge zur vergleichenden Analyse der erzielbaren und historisch realisierten Renditen und Risiken einzelner Formen verbriefter Immobilienanlagen und deren Einflussfaktoren. Einführend hierzu präsentieren und diskutieren Heinz Rehkugler, Matthias Thomas und Daniel Piazolo „Konzepte und Probleme der Messung von Renditen und Risiken indirekter Immobilienanlagen“. Der Beitrag macht deutlich, dass sowohl die Messmethodik als auch die jeweils verfügbare Datengrundlage Quellen für erhebliche Schwierigkeiten der Messung wie auch für Fehler der Interpretation der Befunde darstellen können. Darauf aufbauend stellen dann Matthias Thomas und Daniel Piazolo ihre empirischen Befunde zu „Renditen und Risiken deutscher indirekter Immobilienanlagen“ und Heinz Rehkugler seine Analyse zu „Renditen und Risiken indirekter Immobilienanlagen im internationalen Vergleich“ vor. Da ein zentrales Element von REITs die Steuertransparenz, die Befreiung von Ertragsteuern auf der Unternehmensebene ist, ist es für einen Vergleich der Anlagevarianten notwendig, dies explizit zu berücksichtigen. Clemens Schäfer und Stefan Kohl widmen sich daher in ihrem Beitrag detailliert und nach Investorentypen differenziert diesem „Einfluss der Besteuerung auf die Renditen“. Spezialfonds stellen eine offenbar recht beliebte Variante der indirekten Immobilienanlage für institutionelle Investoren dar. Mit deren besonderen Rendite- und Risikostrukturen befasst sich der Beitrag von Sven Helmer und Ulrich Nack. In der Finanzwirtschaft besteht Einigkeit, nur das Risiko als relevant und als vom Markt über Renditezuschläge zu kompensierend zu betrachten, das sich nicht durch geschickte Streuung des Kapitals auf mehrere Anlagen vermeiden lässt. Damit wird es notwendig, auch die „Diversifikationseffekte verbriefter Immobilienprodukte“ empirisch zu erfassen und zu analysieren. Dies ist Aufgabe des Beitrags von Pascal Schnelle und Heinz Rehkugler. Üblicherweise wird zwischen direkten Immobilienanlagen und Immobilienaktien eine sehr geringe Korrelation gemessen, was ein hohes Potential der Risikodiversifikation signalisiert. Bei einer differenzierteren Betrachtung, die Jaroslaw Morawski und Heinz Rehkugler in ihrem Beitrag „Repräsentieren börsennotierte Immobiliengesellschaften den Immobilien- oder den Aktienmarkt?“ vornehmen, verändert sich diese Einschätzung jedoch stark: es zeigen sich deutlich zeitliche Vorlaufeffekte der Aktien gegenüber den direkt gehaltenen Immobilien. Einen speziellen Risikotyp für Finanzinvestoren stellen die weltweit zu beobachtenden Effekte des Underpricings (als positiver Ersttagseffekt) und der langfristigen Underperformance von Neuemissionen dar. Der Beitrag von Felix Schindler und Heinz Rehkugler zeigt auf, inwieweit diese Risikoeffekte auch bei REIT-Neuemissionen auftreten. Für die Beurteilung von indirekten Kapitalanlagen spielt die Transparenz, also die Qualität der vom Unternehmen bzw. Fonds zur Verfügung gestellten Informationen, eine zentrale Rolle. Dieser Aspekt ist Gegenstand von Teil 4. Der Beitrag von Thomas Gütle und Heinz Rehkugler formuliert und strukturiert hierzu den Informationsbedarf von Investoren und
1.1.3.2 Theoretische Erklärung der Existenz, Positionierung und Konstruktion
35
Analysten. In zwei weiteren Beiträgen werden dann dem formulierten Bedarf die gesetzlichen Transparenzvorschriften für börsennotierte Immobiliengesellschaften einerseits und für Offene Immobilienfonds andererseits gegenüber gestellt. Da den internationalen Vorschriften zur Rechnungslegung eine besondere Bedeutung zukommt, behandelt der Beitrag von Martin Beck und Heinz Rehkugler die Vorschriften der Rechnungslegung nach IAS/IFRS zur Transparenz von Immobiliengesellschaften sehr ausführlich. Ergänzend stellt Martin Beck auch die wesentlich knapper gehaltenen Regelungen zu den Informationspflichten Offener Immobilienfonds vor. Die Immobilienunternehmen und Fonds selbst haben erkannt, dass die Erfüllung der gesetzlichen Informationspflichten letztlich zur Befriedigung der Informationsbedürfnisse der Investoren und Analysten nicht ausreichend ist. Daher hat die EPRA für die Immobiliengesellschaften eigene Transparenzstandards entwickelt und ihren Mitgliedsunternehmen empfohlen. Diese Standards stellt Wilhelm Breuer in seinem Beitrag vor. In einem kurzen, diesen Buchteil abschließenden Beitrag gilt es dann, zu prüfen, ob es generell oder bei einzelnen Immobiliengesellschaften und Fonds eine faktische Lücke zwischen dem Informationsbedarf der Anleger und den ihnen pflichtgemäß und freiwillig bereitgestellten Informationen gibt bzw. wie groß diese ist. In einer formalisierten Weise kann dieser jeweilige Transparenzgrad mit Hilfe eines Indexes gemessen und damit im Zeit- und Unternehmensvergleich beurteilt werden. In Teil 5 werden Konzepte und Methoden zur Bewertung und Beurteilung von Einzeltiteln vorgestellt. Dies betrifft vorrangig Immobilienaktien und REITs, ist aber auch für Immobilienfonds relevant. Georg Kanders präsentiert, warum und wie sich die WestLB bei der Kurszielermittlung für Immobilienaktien hauptsächlich am NAV orientiert. Dem stellt Stefan Goronczy „die modifizierte Economic Value Added (EVA)-Analyse zur Beurteilung und Bewertung von Immobiliengesellschaften und Immobilienportfolios“ gegenüber. Dieter Thomaschowski stellt in den Mittelpunkt seines Beitrags die Bedeutung des Geschäftsmodells und seiner Umsetzung für die Bewertung der Gesellschaft. Um den Einfluss positiver oder negativer Faktoren auf die Bewertung aus Sicht des Marktes nicht nur formal beschreiben, sondern quantifizieren zu können, liefern Heinz Rehkugler und Rafael Zajonz theoretische Erklärungen und empirische Belege zur Erklärung von Premiums und Discounts aus einer Auswertung europäischer Immobilienaktiengesellschaften. Bernhard Funk untersucht, inwiefern das Rating Offener Immobilienfonds als Hilfsmittel zur Beurteilung von deren Risiko taugt. Einschätzungen von Unternehmen und Aktien benötigen einen Vergleichsmaßstab. Michael Beck stellt deshalb den G-REIT-Index als eine mögliche Benchmark für das deutsche REITSegment vor. Das Buch wird in Teil 6 abgerundet durch eine Präsentation weiterer verbriefter Immobilienprodukte einschließlich des voraussichtlich schnell wachsenden Derivatemarktes. Michael Beck gibt in seinem Beitrag einen Überblick über weitere indirekte Immobilienprodukte für Privatinvestoren“, während sich Sven Helmer auf „innovative Immobilienanlageprodukte für institutionelle Investoren“ konzentriert.
36
1.1.5 Zum weiteren Vorgehen
1.2
REIT-Strukturen: Forderungen und Folgen
Alan Cadmus 1.2.1
Einleitung
38
1.2.2 1.2.2.1
Die Entwicklung der REITs 39 Definition des REITs ...............................................................................................40
1.2.2.2 1.2.2.2.1 1.2.2.2.2 1.2.2.2.3 1.2.2.2.4
Voraussetzungen und Folgen des REIT-Status .......................................................40 Asset and Income Test.............................................................................................41 Ownership Test........................................................................................................41 Ausschüttungsverpflichtung und Besteuerungsverfahren .......................................41 Folgen der REIT-Strukturen für die Steuerlast der Kapitalanleger bzw. das Steueraufkommen des Staates .................................................................................42
1.2.3 1.2.3.1 1.2.3.2 1.2.3.3 1.2.3.4 1.2.3.5 1.2.3.6 1.2.3.7 1.2.3.7.1 1.2.3.7.2
Die generellen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen 43 Keine steuerliche Förderung von alternativen Immobilienanlagen.........................44 Wahlfreiheit zwischen internem und externem Management .................................45 „Bewirtschaftung“ der eigenen Anlageobjekte statt passiver Investments .............45 Einbeziehung der institutionellen Anleger ..............................................................46 Steuerbegünstigte Umwandlung oder Einbringung (UPREIT, Exit-Tax)...............46 Die kapitalmarktbezogenen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen........................47 Die unternehmensbezogenen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen .....................50 Strategische Ausrichtung .........................................................................................50 Größe bzw. Marktkapitalisierung ............................................................................52
1.2.4 1.2.4.1 1.2.4.2 1.2.4.3 1.2.4.4 1.2.4.5 1.2.4.6
Das deutsche REIT-Gesetz – Eine erste Beurteilung aus Sicht des Kapitalmarkts 52 Grundlegende Mängel des deutschen REIT-Gesetzes.............................................53 Aktive Bewirtschaftung der eigenen Anlageobjekte ...............................................53 Flexible Investitionsformen .....................................................................................54 Sicherstellung der üblichen Kapitalmarktfunktionen ..............................................54 Einschränkung der Investitionsobjekte....................................................................55 Beseitigung der steuerlichen Unstimmigkeiten.......................................................55
1.2.5
Zusammenfassung
55
1.2.3.3 „Bewirtschaftung“ der eigenen Anlageobjekte statt passiver Investments
38
1.2.1 Einleitung Spätestens seit dem Vorschlag der Initiative Finanzplatz Deutschland (IFD) im Januar 2005, in Deutschland den „G-REIT“ einzuführen, ist das Konzept der Real Estate Investment Trusts (REITs) einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Nach einer lange von Experten und dem Fachpublikum geführten Diskussion hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats im März 2007 das „Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REIT-Gesetz – REITG)“ beschlossen und damit auch in Deutschland die Schaffung von Unternehmen mit REIT-Status ermöglicht. International handelt es sich keineswegs um eine neue Errungenschaft. Seit ihrer Einführung in den USA im Jahre 1960 hat sich in ihrem Heimatmarkt ein neuer Industriezweig mit rd. 150 börsennotierten Gesellschaften und einer Marktkapitalisierung von deutlich über 300 Mrd. USD entwickelt. Daneben gibt es noch etwa 800 nicht börsennotierte REITs in den USA.1 Dabei verlief die Entwicklung des REIT-Marktes in den USA keineswegs geradlinig. Zunächst war dem US-REIT – konzipiert als passive und diversifizierte Kapitalanlage für Kleinanleger – kein größerer Erfolg beschieden. Erst die weitgehende Deregulierung der zu engen Anforderungen an den US-REIT und die Öffnung für institutionelle Anleger machten das neue Anlageinstrument für den Kapitalmarkt interessant und haben dazu geführt, dass es sich als bedeutsamer Baustein einer neuen Asset Klasse etablieren konnte. Besonders erfolgreich waren darüber hinaus die australischen REITs. Nach der Einführung von REIT-Strukturen in Australien im Jahre 1985 bildete sich ein Markt von gut 20 Gesellschaften mit einer Marktkapitalisierung von rd. 65 Mrd. USD, die in ihrem Heimatmarkt nicht mehr genügend Investitionsobjekte finden und daher inzwischen vorwiegend in ausländische Immobilien investieren.2 Insgesamt haben heute, wie auch Abbildung 1.2-1 wiedergibt, etwa 20 Länder REIT- oder REIT-ähnliche Strukturen eingeführt.3 In Europa haben Großbritannien, Deutschland und
1
Vgl. Studie der Bauhaus-Universität Weimar und der European Business School im Auftrag des BFW 2006, S. 74
2
Vgl. Branchenstudie Immobilien der HSH Nordbank Oktober 2005, S. 9
3
Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Anlage zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen vom 02.11.2006
1.2.2.1 Definition des REITs
39
Italien4 diesen Schritt im Jahr 2008 getan. Finnland wird voraussichtlich in 2009 mit Wohnungs-REITs folgen. Daher stellt sich die Frage, welche Regelungen für den Erfolg der REITs in den Ländern mit vorhandenen REIT-Strukturen ursächlich waren und ob daraus konkrete Forderungen an den Gesetzgeber bei der Einführung von REITs abgeleitet werden können. Jahr 1960 1969 1985 1988 1989 1993 1994 1994 1994 1995 2000 2001 2002 2003 2003 2003 2004 2007 2007 2008 2009e
Land USA Niederlande Australien Luxemburg Malaysia Brasilien Kanada Italien Spanien Belgien Japan Südkorea Singapur Frankreich Hong Kong Taiwan Mexico Großbritannien Deutschland Italien Finnland
Abkürzung REIT FBI LPT ICAF/V REIT FII MFT FII REIF/REIC SICAFI J-REIT CR-REIT S-REIT SIIC HK-REIT REIT Fibras PIF REIT-AG Siiq REIT
Bezeichnung Real Estate Investment Trust Fiscale Beleggingsinstelling Listed Property Trust (Public Unit Trust) Societe d’Investissement a Capital fixe/variable en Immobiliere Fundos de Investimento Immobiliario Mutual Fund Trust Fondi di Investimento Immobiliare Real Estate Investment Funds/Companies Societe d’Investissement a Capital fixe en Immobiliere Real Estate Investment Trust Real Estate Investment Trust (RETF 2004) Real Estate Investment Trust Sociétés d’Investissement Immobiliers Cotées Real Estate Investment Trust Fondos de Inversion en Bienes Raices Property Investment Trust REIT-Aktiengesellschaft Società di Investimento Immobiliare Quotato
Abb. 1.2- 1 Einführung von REIT-Strukturen; Quelle: Branchenstudie HSH Nordbank, ZEW-Studie, EPRA
1.2.2 Die Entwicklung der REITs Es gibt bereits eine Vielzahl von Beiträgen, die sich gründlich mit der Entwicklung von REIT-Strukturen in den einzelnen Ländern, den jeweiligen Voraussetzungen für die Erlangung des REIT-Status und die Faktoren für den Erfolg dieser Anlageform auseinandergesetzt
4
Vgl. Schmidt (2007)
40
1.2.2 Die Entwicklung der REITs
haben.5 Im Rahmen dieses Kapitels dürfte es dagegen von Bedeutung sein, den Begriff des REITs zu definieren und auf die wesentlichen Mechanismen der verschiedenen REITStrukturen hinzuweisen.
1.2.2.1 Definition des REITs Eine allgemein anerkannte Definition eines REITs ist in der Literatur (noch) nicht zu finden. Aufgrund der doch recht unterschiedlichen gesetzlichen Rahmensetzungen für die REITs in den einzelnen Ländern ist dies wohl auch nur auf sehr allgemeiner Basis möglich. Als drei gemeinsame Strukturelemente lassen sich identifizieren: • Immobilienunternehmen, deren hauptsächlicher Zweck und dominante Ertragsquelle in der dauerhaften Bewirtschaftung ihrer im Anlagevermögen stehenden Immobilien besteht; • die durch den nationalen Gesetzgeber bei Einhaltung bestimmter Regeln mit einem privilegierten Status ausgestattet sind, nach welchem sie von Ertragsteuern weitgehend befreit, im Gegenzug zur Ausschüttung fast aller Gewinne verpflichtet sind; und • bei denen die ausgeschütteten Dividenden von den Gesellschaftern, Anteilseignern oder Aktionären nach ihren jeweils individuell anwendbaren, steuerlichen Vorschriften besteuert werden.
1.2.2.2 Voraussetzungen und Folgen des REIT-Status Um die für den REIT-Status in Frage kommenden Gesellschaften tatsächlich auf bestandshaltende Immobiliengesellschaften zu beschränken, knüpfen die meisten REITGesetzgebungen zur Verleihung des REIT-Status an die Erfüllung eines „Asset and Income Test“ an. Zusätzlich wollen viele Länder eine bestimmte Streuung der Anteile der Gesellschaften gesichert sehen und prüfen dies mit einem „Ownership Test“. Sind beide Tatbestände erfüllt, ist das Unternehmen von Ertragsteuern befreit, unterliegt aber gleichzeitig einer Ausschüttungsverpflichtung, welche die Besteuerung der Einkünfte auf der Ebene der Anteilseigner sicherstellen soll. Das konkrete Besteuerungsverfahren ist dabei recht unterschiedlich geregelt.
5
Für die USA vgl. z.B. Block (2006), Fass/Shaff/Zief (2005); des weiteren ZEW – Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung/ebs European Business School, Departement of Real Estate, Studie für das Bundesministerium der Finanzen: Real Estate Investment Trusts (REITs) – Internationale Erfahrungen und Best Practice für Deutschland, Mannheim 2005; Cadmus (2003); Cadmus/Bodecker (2005), HSH Nordbank (2005)
1.2.2.2 Voraussetzungen und Folgen des REIT-Status
41
1.2.2.2.1 Asset and Income Test Bei den US-REITs müssen mindestens 75 % des gesamten Anlagevermögens in Immobilien (Grundbesitz oder Hypotheken) angelegt sein oder als Liquiditätsreserve vorgehalten werden, mindestens 75 % des Brutto-Gewinns muss aus der Bewirtschaftung von Immobilien oder Hypothekenzinsen stammen und höchstens 30 % des Brutto-Gewinns darf aus dem Verkauf von Immobilien stammen, die sich weniger als vier Jahre im Besitz des REITs befunden haben. Mehrere Jurisdiktionen schreiben vor, dass ausschließlich passive Investments getätigt und keinerlei Nebentätigkeiten ausgeübt werden dürfen (z.B. Australien und Niederlande). Nach dem deutschen REIT-Gesetz wird eine dem US-REIT ähnliche Situation geschaffen, bei der in beschränktem Umfang Dienstleistungen für Dritte erbracht werden können, allerdings bei deutschen REITs nur durch eine Dienstleistungs-Tochtergesellschaft, die sich vollständig im Besitz der REIT-AG befinden muss und der Ertragsbesteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt.
1.2.2.2.2 Ownership Test US-REITs müssen mindestens 100 Aktionäre haben und höchstens 50 % der Aktien bzw. Anteile dürfen sich im Besitz von fünf oder weniger Einzelpersonen befinden („5/50Regel“). Um sicherzustellen, dass diese Regel eingehalten wird, haben viele US-REITs in ihren By-Laws festgelegt, dass kein Anleger 10 % oder mehr Anteile an dem Gesamtunternehmen haben soll. Ein australischer Listed Property Trust (LPT) benötigt mindestens 500 Anteilseigner. Nach dem deutschen REIT-Gesetz wird zum einen vorgegeben, dass sich bei Börsenzulassung mindestens 25 % und später mindestens 15 % der Aktien im Streubesitz befinden müssen, und zum anderen (allerdings aus rein fiskalischen Gründen) festgelegt, dass kein Anleger direkt 10 % oder mehr der Aktien halten darf.
1.2.2.2.3 Ausschüttungsverpflichtung und Besteuerungsverfahren Alle REIT-Gesetze sehen eine Mindestausschüttungspflicht vor, die von 85 % (z.B. Frankreich) über 90 % (z.B. USA und Deutschland) bis zu 100 % (z.B. Australien und Niederlande) reicht. Das Besteuerungssystem ist dagegen unterschiedlich. In den USA wird der REIT voll besteuert, kann aber die Ausschüttung als Betriebsausgabe abziehen. Damit werden alle nicht ausgeschütteten Gewinne voll versteuert. In den Niederlanden besteht ebenfalls die Steuerpflicht der FBI, aber der Körperschaftsteuersatz beträgt 0 %. In Frankreich sind nur die qualifizierten Einkünfte der SIIC von Ertragsteuern freigestellt. In Deutschland gibt es eine Befreiung der REIT-AG von Ertragsteuern nach dem Körperschaft- und Gewerbesteuergesetz, nicht aber ihrer Dienstleistungs-Tochtergesellschaften. In allen Fällen werden die Ausschüttungen auf der Ebene der Anteilseigner voll versteuert. Nur in den Niederlanden gibt es eine Pauschalversteuerung, die an den Anteilswert anknüpft, wie es dort auch bei anderen Immobilienanlagen üblich ist.
42
1.2.2 Die Entwicklung der REITs
1.2.2.2.4 Folgen der REIT-Strukturen für die Steuerlast der Kapitalanleger bzw. das Steueraufkommen des Staates Eine länderübergreifende Untersuchung der Folgen der REIT-Strukturen auf die Steuerlast der Kapitalanleger oder das Steueraufkommen des Staates ist dem Verfasser nicht bekannt. Interessant ist jedoch insoweit die Feststellung von Gantenbein im Rahmen einer globalen Untersuchung über die Performance von Immobiliengesellschaften, dass die Höhe der nationalen Durchschnittssteuersätze offenbar keinen signifikanten Einfluss auf die Performance von Immobilienunternehmen habe.6 Festzustellen sei lediglich eine ansteigende Fremdfinanzierungsquote mit zunehmendem Durchschnittssteuersatz.7 Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Investoren in Ländern mit hohem Steuersatz versuchen, die Steuerlast unter anderem durch den Einsatz von Fremdkapital zu vermindern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von viel Fremdkapital im steuerunabhängigen Bereich offenbar mit einer Belastung der Performance einhergeht.8 Es kann daher vermutet werden, dass eine wirksame Besteuerung der Erträge von bestandshaltenden Immobilienunternehmen entweder zu einer Einschränkung von grenzüberschreitenden Investitionen in den betroffenen Ländern oder zu steueroptimierten Investitionsformen mit dem entsprechenden Aufwand (= Effizienzverlust) führen dürfte. Um die Frage detailliert zu beantworten, welche Auswirkungen die REIT-Strukturen auf die Steuerlast der einzelnen Kapitalanleger haben, müsste auf die Situation der einzelnen Anlegergruppen in allen Ländern mit REIT-Strukturen eingegangen werden. Für den deutschen REIT sei hier auf den Beitrag von Schäfer und Kohl in diesem Band verwiesen. Die REITStrukturen führen bei recht unterschiedlichen steuersystematischen Ansätzen im Ergebnis alle zu einer steuerlich durchlässigen Struktur oder zu einer auf andere Weise herbeigeführten, weitgehenden Gleichbehandlung der Investitionen in REITs mit solchen in direkt gehaltenen Grundbesitz auf der Ebene des einzelnen Kapitalanlegers nach seiner individuellen steuerlichen Situation. In einigen Ländern gibt es auch andere indirekte Investitionsformen, die zu ähnlichen Ergebnissen führen, wie etwa in Deutschland die offenen und die geschlossenen Immobilienfonds. Diese Investitionsformen sind zumeist für bestimmte Anlegergruppen strukturiert und entsprechend steueroptimiert gestaltet. Börsennotierte, d.h. handelbare Fondsprodukte mit Steuertransparenz sind dagegen die Ausnahme.9 Vergleicht man steuerlich nicht transparente Unternehmen mit REITs unter Einbeziehung der von den Aktionären auf die Dividenden zu leistenden Steuern, so können teilweise erhebliche Abweichungen bei der Steuerlast festgestellt werden. In der Gesamtschau von Unter6
Vgl. Gantenbein (2004), S.83, 113
7
Vgl. Gantenbein (2004), S. 198
8
Vgl. Gantenbein (2004), S. 198
9
So z.B. die schweizerischen Immobilienfonds
1.2.2.2 Voraussetzungen und Folgen des REIT-Status
43
nehmen und Aktionär fallen i.d.R. bei den steuerlich nicht transparenten Unternehmen geringere Steuern an, wenn Gewinne nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert werden. Das ist beim REIT wegen der Pflicht zur Ausschüttung des (fast) vollständigen Gewinns nicht möglich. Beim REIT fallen dagegen geringere Steuern an, wenn der Aktionär von der Einkommensteuer befreit ist (z.B. Pensionskassen) oder sich sein Einkommen in einer niedrigen Progressionsstufe bewegt. In Deutschland werden die steuerlich nicht transparente Immobilien-AG und der REIT in einer Gesamtschau von Gesellschaft und Aktionär fast vollständig gleich behandelt, wenn sie in gleicher Höhe ausschütten (90%).10 Unterschiede ergeben sich zugunsten der deutschen Privataktionäre von REITs nach Einführung der Abgeltungsteuer, die bei Immobilienaktiengesellschaften in gleicher Höhe anfällt, obwohl sie im Unterschied zu REITs einer Gewinnbesteuerung unterliegen. Andererseits können die deutschen Immobilienaktiengesellschaften im Unterschied zu REITs Gewinne thesaurieren, stille Reserven nach § 6b EStG auf neue Anlageobjekte übertragen und von der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG Gebrauch machen. Ein wesentlicher steuerlicher Nachteil der deutschen REITs besteht darin, dass ihre Dividenden neben der Körperschaftsteuer auch der Gewerbesteuer unterliegen, während die Immobilien-AG von der erweiterten Gewerbesteuerkürzung Gebrauch machen kann und damit ihre Dividenden für Großaktionäre, die der Gewerbesteuer unterliegen und vom gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg Gebrauch machen können, insoweit unversteuert bleiben. Somit können REIT-Strukturen auch als international anerkannte, indirekte ImmobilienInvestitionsformen mit Kapitalmarktfähigkeit und steuerlicher Transparenz bezeichnet werden. Sie bezwecken in der Regel keine Steuervermeidung, sondern nur eine einheitliche und auf die individuelle Ebene des jeweiligen Anlegers verlagerte Steuererhebung, wie es auch bei direkt gehaltenem Immobilienbesitz oder den meisten Fondsmodellen der Fall wäre, und machen daher in vielen Fällen steuerlich motivierte Gestaltungsformen überflüssig.
1.2.3 Die generellen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen Bei der Einführung der REITs in den USA im Jahre 1960 wollte der Gesetzgeber kleinen Kapitalanlegern die Möglichkeit eröffnen, in große Immobilienbestände zu investieren, um sie zur privaten Altersvorsorge zu veranlassen und ihnen einen gewissen Vermögensaufbau 10
Vgl. Cadmus (2007). S. 623
44
1.2.3 Die generellen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen
zur sozialen Absicherung zu ermöglichen. Daher sollte der REIT ein sicheres Anlageinstrument mit verlässlichen Ausschüttungen darstellen und wurde zunächst in der Rechtsfigur eines Business Trust für Kleinanleger geschaffen, durch ein externes Management verwaltet, war auf passive Investments festgelegt, konnte keinerlei Nebentätigkeiten betreiben und investierte in aller Regel breit diversifiziert.11 Unter diesen Voraussetzungen, die vom Kapitalmarkt nicht honoriert wurden, hat das kumulierte Volumen aller US-REITs in den ersten 25 Jahren keine 10 Mrd. USD erreicht. In der Folgezeit haben verschiedene Veränderungen und Deregulierungen die Entwicklung positiv beeinflusst und entscheidend vorangetrieben. Weil diese Veränderungen regelmäßig mit einem Entwicklungsschub einhergingen, können aus ihnen auch weitgehend die Erfolgskriterien für den Aufbau funktionierender REITStrukturen abgeleitet werden.
1.2.3.1 Keine steuerliche Förderung von alternativen Immobilienanlagen REITs bedürfen keiner steuerlichen Bevorzugung. REIT-Strukturen können sich aber nicht entwickeln, wenn sie steuerlich benachteiligt werden. Bis 1986 konkurrierten die US-REITs u.a. mit einer steuerlichen Förderung von Immobilienanlagen im Privatvermögen und in geschlossenen Immobilienfonds. Bei der Direktanlage und innerhalb geschlossener Fonds konnten durch die Geltendmachung von Abschreibungen, die Anrechnung von Fremdkapitalzinsen und den steuerlichen Verlustausgleich mit anderen Einkünften steuerliche Vorteile erzielt werden, denen die REITs mit dem Zwang zur Ausschüttung und Versteuerung aller Gewinne nicht begegnen konnten. Durch die weitgehende Abschaffung dieser Instrumente durch den Tax Reform Act 1986 wurde eine steuerliche Gleichbehandlung der REITs als eine der Ausgangsvoraussetzung für das daraufhin einsetzende, kräftige Wachstum erreicht.12 In Deutschland dürfte diese Situation nach den verschiedenen Änderungen der steuerlichen Behandlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach dem Regierungswechsel 1998 ebenfalls erreicht sein. Es bedarf lediglich noch der vollständigen Gleichbehandlung der REIT-AG, d.h. der Beseitigung der gegenwärtig noch bestehenden und vermutlich auf Redaktionsversehen während des Gesetzgebungsverfahrens beruhenden Fälle einer Doppelbesteuerung, von Übergangsproblemen und des Gewerbesteuerthemas.13
11
Vgl. HSH Nordbank (2005), S. 7
12
Vgl. auch Väth (1999), S. 228
13
Vgl. Cadmus (2007), S. 625ff.
1.2.3.3 „Bewirtschaftung“ der eigenen Anlageobjekte statt passiver Investments
45
1.2.3.2 Wahlfreiheit zwischen internem und externem Management Ebenfalls im Jahre 1986 wurde für US-REITs die Wahlfreiheit zwischen internem und externem Management eingeführt. Bis dahin musste der REIT externe Manager mit der Verwaltung seiner Anlageobjekte beauftragen, was zu erhöhten Managementvergütungen und Interessenskonflikten führen konnte. Obwohl sich die Frage, ob sich die Vorteile des internen Managements auch in messbaren Erfolgen niederschlagen, bisher offenbar nicht eindeutig klären lässt14, hat allein die Möglichkeit des internen Managements zu einem kräftigen Wachstum des REIT-Marktes insgesamt geführt. Die Bedeutung des Managements wird auch daran deutlich, dass REITs offenbar besonders erfolgreich sind, wenn sie managementintensive Immobilien bewirtschaften. Die NAREIT vertritt als Verband der börsennotierten US-REITs sogar offiziell die Ansicht, dass internes Management mögliche Interessenskonflikte vermindere und daher bei der Einführung von neuen REIT-Strukturen in anderen Ländern zugelassen werden sollte.15 Heute wird in fast allen Ländern mit REIT-Strukturen das interne Management zugelassen und die weitaus überwiegende Anzahl der REITs wird intern verwaltet. Lediglich in Australien und Japan sind die REITs auf externes Management beschränkt, wobei in Australien über die so genannte „Stapled Structure“ (Beteiligung des REITs an der Managementgesellschaft) eine dem internen Management ähnliche Interessenlage hergestellt werden kann.
1.2.3.3 „Bewirtschaftung“ der eigenen Anlageobjekte statt passiver Investments Eng verknüpft - und daher häufig zusammen mit dem Themenkreis „internes Management“ behandelt - ist die Frage, ob der REIT auf passive Investments festgelegt sein sollte oder zumindest seine eigenen Anlageobjekte umfassend bewirtschaften darf. Zunächst waren die US-REITs auf passive Investments beschränkt, d.h. auf die Erzielung von immobilienbezogenen Einkünften („real estate related income“). Darunter fielen fast ausschließlich die Erträge aus der Vermietung der Anlageobjekte ohne alle Nebenleistungen. Diese Dienstleistungen mussten dem externen Manager oder Dritten überlassen werden. Beginnend mit dem Tax Reform Act 1986 begann ein noch heute andauernder Prozess der Liberalisierung durch eine Reihe von Gesetzen und Verwaltungsanweisungen („private letter rulings“), die den USREITs Freiheiten bei der Bewirtschaftung einräumten. So dürfen US-REITs heute alle Dienstleistungen selbst erbringen, die ihren eigenen Anlagebestand betreffen (z.B. Akquisi-
14
Vgl. Ambrose/Linneman (2001), S. 156 mit weiteren Quellenverweisen
15
Stellungnahme der NAREIT gegenüber dem Investment Product Department der Securities and Futures Commission in Hongkong vom 05.05.2005
46
1.2.3 Die generellen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen
tion und Verkauf von Anlageobjekten, Grundstücksverwaltung, Vermietung, Instandhaltung, Revitalisierung und Projektentwicklung für den eigenen Bestand).16 Seit 1996 dürfen USREITs beispielsweise Kabel-TV-Leistungen an ihre Mieter erbringen, seit 1997 in geringem Umfang auch andere Dienstleistungen und ab 1999 können US-REITs in beschränktem Umfang durch steuerpflichtige Tochtergesellschaften nicht privilegierte Dienstleistungen an Mieter und Dritte erbringen.17 In anderen Ländern sind die REITs teilweise noch auf rein passive Investments beschränkt (z.B. Australien und Niederlande).
1.2.3.4 Einbeziehung der institutionellen Anleger Im Jahre 1993 lockerte der Omnibus Budget Reconciliation Act die strengen Streubesitzanforderungen, führte die 5/50-Regel ein und ermöglichte damit institutionellen Anlegern den Zugang zu US-REITs. Die Öffnung des REIT-Marktes für institutionelle Anleger hat wesentlich zu dem Erfolg der US-REITs beigetragen und die Marktkapitalisierung an das heutige Niveau herangeführt. Heute sind mehr als 50 % der US-REIT-Aktien im Besitz von institutionellen Anlegern, darunter in erster Linie Pensionskassen. Spätere Änderungen der Verwaltungspraxis oder von Gesetzen betreffen die gleichmäßige Anwendung einer Quellensteuer von 15 % auf Dividenden eines US-REITs für die meisten Ausländer (1997) und die Beseitigung sonstiger diskriminierender Vorschriften für ausländische REIT-Aktionäre (REIT Improvement Act 2004), was auch die Investitionen von ausländischen institutionellen Anlegern erleichtern dürfte. Zwischen den USA und Großbritannien wurde im Jahre 2003 ein bilateraler Vertrag über die steuerfreie Ausschüttung von REIT-Dividenden an Pensionskassen abgeschlossen. Dieser Vertrag ist insoweit interessant, als Großbritannien bis 2006 noch keine REIT-Strukturen eingeführt hatte und damit die Gegenseitigkeit nicht gegeben war. Offenbar versprachen sich die USA mehr von möglichen US-Investments britischer Pensionskassen, als an Steuerausfall zu befürchten war.
1.2.3.5 Steuerbegünstigte Umwandlung oder Einbringung (UPREIT, Exit-Tax) Einen wesentlichen Beitrag zum Wachstum der US-REIT-Industrie hat auch die Erfindung der „Umbrella Partnership REITs“ oder kurz „UPREITs“ bzw. „DownREITs“ im Jahre 1992 geleistet. Bei diesen Konstruktionen beteiligt sich ein REIT mehrheitlich nach Stimmen 16
Vgl. Block (2006), S. 52
17
Eine detaillierte Beschreibung der zulässigen Service- und Nebenleistungen bieten Fass/Shaff/Zief (2005), S. 615 ff.
1.2.3.6 Die kapitalmarktbezogenen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen
47
und/oder Kapital, als Komplementär oder als beschränkt haftender Gesellschafter an einer Personengesellschaft (Limited Partnership) mit Grundbesitz. Die übrigen Gesellschafter erhalten häufig das Recht, ihre Anteile in Aktien des REITs zu tauschen, und werden bei der Dividendenzahlung und der Ausübung von Stimmrechten so behandelt, als wenn sie bereits Aktionäre des REITs wären. Weil durch die Beteiligung des REITs noch kein Verkauf im steuerlichen Sinne vorliegt, wird die Versteuerung etwaiger stiller Reserven aufgeschoben, bis die Beteiligung tatsächlich in Aktien des REITs getauscht oder der Grundbesitz veräußert wird. Beim „UPREIT“ fallen die Bildung dieser Struktur und der Börsengang häufig zusammen und die bisherigen, aktiven Gesellschafter übernehmen meist auch das Management des REITs. Beim „DownREIT“ wählt üblicherweise ein bereits börsennotierter REIT diese Konstruktion für weiteres Wachstum und das bisherige Management wird nicht übernommen. Die Down-REIT-Konstruktionen dienen häufig der Auflösung ehemaliger Immobilienfonds, welche nicht die kritische Masse für eigenständige Börsengänge aufbringen.18 In Frankreich wurde eine andere Konstruktion gewählt, um bewusst einen zügigen Aufbau des nationalen REIT-Marktes zu gewährleisten. Immobilienunternehmen, die sich in eine SIIC umwandeln, erhielten einen Discount auf die Besteuerung ihrer stillen Reserven in Höhe von 50 % der sonst fälligen Ertragsteuern und durften diese Steuern auf vier Jahre verteilt abführen („Exit-Tax“). Das dadurch verursachte (einmalige) Steueraufkommen diente gleichzeitig als fiskalisches Argument für die Einführung der SIICs. In Deutschland ist eine ähnliche, ebenfalls zeitlich befristete Regelung bei der Einführung von REIT-Strukturen beschlossen worden. In Belgien gilt ebenfalls eine Exit-Tax-Regelung im Falle der Umwandlung bzw. Einbringung in eine SICAFI. Darüber hinaus gibt es in einigen Ländern vergleichbare Regelungen für die Veräußerungen von Immobilien an ein REIT.
1.2.3.6 Die kapitalmarktbezogenen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen Weitere Bausteine für den Erfolg von REIT-Strukturen sind die jeweiligen Verhältnisse am nationalen Kapitalmarkt und des Teilbereiches der Immobilienunternehmen mit REIT-Status. In diesem Zusammenhang stellen sich die folgenden Fragen: • Gibt es ein genügendes Angebot von Unternehmen mit REIT-Status? • Verfügen die Unternehmen mit REIT-Status über ausreichende Marktkapitalisierung und ausreichenden Free Float? • Gibt es Indizes, die als Benchmark für die Bewertung der Unternehmen mit REIT-Status dienen können? • Verhalten sich REIT-Aktien eher wie Aktien oder wie Immobilien und welcher AssetKlasse können sie zugerechnet werden?
18
Vgl. Väth (1999), S. 242
48
1.2.3 Die generellen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen
• Können die Unternehmen mit REIT-Status bei normalen Verhältnissen am Kapitalmarkt ihres Heimatlandes und mindestens durchschnittlichem Geschäftsverlauf überhaupt auf eine Bewertung oberhalb des NAV („Prämie“) hoffen oder gibt es für REITs einen strukturellen „Discount“? Der zuletzt genannte Punkt ist heftig umstritten und in der Literatur bisher nicht eindeutig geklärt.19 Dabei ist insbesondere unklar, womit die Prämie bzw. der strukturelle Discount begründet werden kann. Bei Praktikern scheint die These verbreitet zu sein, ein Discount bei börsennotierten Immobiliengesellschaften sei „normal“; begründet wird dieses beispielsweise mit der Illiquidität von in Immobilien gebundenem Vermögen, den latenten Steuern und den „allfälligen“ Bewertungsunsicherheiten.20 Die Prämie ist für den REIT deshalb wichtig, weil sie ihm Zugang zu neuem Kapital verspricht. Eine Prämie auf den NAV bedeutet, dass der Kapitalmarkt die Aktie höher bewertet, als das Immobilien-Portfolio des betreffenden REITs. Damit sind die Kapitalkosten des REITs niedriger als die Immobilienrendite seiner Assets. Führt dieser REIT eine Kapitalerhöhung durch und investiert er das aufgenommene Kapital in gleichartige Immobilien, wird Shareholder Value geschaffen. Derselbe Effekt tritt auf, wenn dieser REIT seine hoch bewerteten Aktien als Währung einsetzt und einen schlechter bewerteten REIT übernimmt. Umgekehrt kann ein REIT, der mit einem Discount bewertet wird, eigentlich nur dadurch Shareholder Value schaffen, dass er seinen Grundbesitz veräußert und die Überschüsse an die Aktionäre ausschüttet oder Aktien zurückkauft. Jedenfalls werden die Aktionäre diesem REIT kein neues Kapital anvertrauen, wenn damit das bisherige Konzept fortgeführt werden soll, welches zu einer schlechten Bewertung geführt hat. Eine Untersuchung der EPRA aus dem Jahre 2004 zeigt, dass zumindest die Kurse der Aktien von Immobilienunternehmen in Ländern mit REIT-Status zum damaligen Zeitpunkt etwa 20 % über den Kursen in Ländern ohne REIT-Strukturen lagen.21 Wie in dem Beitrag von Rehkugler/Zajonz ausführlicher gezeigt, haben sich zwar in den letzten Jahren, wohl aufgrund der allgemein besseren Situation an den Immobilienmärkten und auch der Euphorie der erwarteten Einführung von REIT-Strukturen, die Kurse von Immobiliengesellschaften generell nach oben bewegt und sind teilweise deutlich über ihren NAV gestiegen. Im Durchschnitt hat sich die Differenz der Bewertung von Gesellschaften bzw. Ländern mit und ohne REIT-Status aber gehalten.
19
Vgl. Rehkugler/Schulz-Wulkow (2003), S. 119; Cadmus (2000) und den Beitrag von Zajonz/Rehkugler in diesem Band
20
Vgl. Gantenbein (2004), S.115
21
Vgl. EPRA (2004), S. 12, 15
1.2.3.6 Die kapitalmarktbezogenen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen
49
Das Ergebnis der EPRA-Studie wird auch in längerfristig angelegten Untersuchungen bestätigt, die zu einer durchschnittlichen Prämie von 12 − 20 % für verbriefte Immobilienanlagen kommen, weil diese über eine erhöhte Liquidität verfügen.22 Daher spricht viel dafür, dass die allgemeinen Marktbewegungen kurzfristige Betrachtungen von NAV-Prämien bzw. -Discounts überdecken. Für den entwickelten und sehr liquiden Markt der US-REITs kann jedenfalls festgestellt werden, dass ein gut geführter REIT, der die wesentlichen Kriterien für eine gute Bewertung erfüllt, unter normalen Verhältnissen am Kapitalmarkt eine Bewertung oberhalb des NAV erreichen kann. Dies zeigt plastisch Abbildung 1.2-2, die die Entwicklung der Premiums und Discounts für US-REITs im Zeitablauf zeigt. Daher kann von einem strukturellen Discount bei US-REITs nicht gesprochen werden.23
Abb. 1.2- 2 NAV Prämien bzw. Discounts für US-REITs; Quelle: Green Street Advisors
Was mögen die Ursachen für die Abweichung der Marktkapitalisierung eines Unternehmens vom NAV sein? Letztlich muss es eine Abweichung geben, weil die Einzahlungsüberschüsse und der Diskontierungszinsfuß, die zur Ermittlung des Unternehmenswertes auf der einen Seite und des NAV auf der anderen Seite herangezogen werden, niemals identisch sein können. Bei der Bewertung der Marktkapitalisierung fließen alle auf der Ebene des Unternehmens auftretenden Kosten, Erträge, Risiken, Chancen und alle anderen unternehmensbezogenen Erfolgskriterien ein, die bei der Festlegung des NAV nicht berücksichtigt werden dürfen.24 Ob REITs generell besser bewertet werden als andere Immobilienunternehmen, kann vermutlich schwer nachgewiesen werden. Es dürfte im gleichen Markt kaum Ver-
22
Vgl. Benveniste/Capozza/Seguin (2001)
23
Vgl. Cadmus/Bodecker (2005)
24
Vgl. Rehkugler/Schulz-Wulkow (2003), S. 119
50
1.2.3 Die generellen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen
gleichsgruppen geben, die teilweise über den REIT-Status verfügen und teilweise nicht, aber ähnliche Geschäftsmodelle verfolgen.25 Die Aussagekraft eines Renditevergleichs von direkt gehaltenen Immobilien und solchen in REITs dürfte ebenfalls gering sein. Wenn die These stimmt, dass REIT-Strukturen keine Steuervermeidung bezwecken, sondern nur eine Gleichbehandlung mit der Direktanlage, dürfte zumindest aus der steuerlichen Behandlung von REITs kein Renditeunterschied folgen.
1.2.3.7 Die unternehmensbezogenen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen Eine umfassende Darstellung der unternehmensbezogenen Erfolgskriterien für REITs verbietet sich im Rahmen dieses Kapitels. Insoweit kann auf andere Darstellungen verwiesen werden.26 An dieser Stelle sollen lediglich zwei dieser Erfolgskriterien herausgehoben werden, die in der letzten Zeit verstärkt diskutiert wurden:
1.2.3.7.1 Strategische Ausrichtung Es dürfte Einigkeit darüber herrschen, dass eine klare strategische Ausrichtung von Vorteil für jedes Unternehmen ist. Nach den Erfahrungen der US-REITs führen eine Fokussierung nach geographischen Gesichtspunkten und/oder Immobilientyp und die damit einhergehende Spezialisierung zu Effizienzgewinnen, einem höheren Ertrag und einer besseren Bewertung. Etwa 90 % der US-REITs sind diesem Trend gefolgt und investieren nicht mehr diversifiziert, sondern nach Immobilientyp fokussiert. Dieses Ergebnis kann offenbar auch auf andere Länder und Immobilienunternehmen übertragen werden.27 Eine ältere Veröffentlichung kommt zu dem Ergebnis, dass diversifizierte Unternehmen mit einem durchschnittlichen Discount von etwa 20 % auf den NAV rechnen müssen.28 Begründet wird dieser Discount allerdings nicht mit der Diversifizierung per se, sondern mit der Erwartung des Marktes, dass diversifizierte Unternehmen eher Einnahmen bei zukünftigen Akquisitionen verschwenden. Auch insoweit scheint die Spezialisierung von Fehlentscheidungen abzuhalten.
25
Hinweise auf eine strukturelle Outperformance steuertransparenter Immobilienunternehmen liefert allerdings die Untersuchung von Op `t Veld (2005)
26
Vgl. Cadmus/Bodecker (2005), S. 140 ff., Rehkugler/Schulz-Wulkow (2003), S. 103ff.; Cadmus (2000), S. 98ff.
27
Vgl. Gantenbein (2004), S. 151
28
Vgl. Cronquist/Högfeldt/Nilsson (2001)
1.2.3.7 Die unternehmensbezogenen Erfolgskriterien von REIT-Strukturen
51
Interessant ist eine Untersuchung, welche Arten der Spezialisierung bzw. Diversifizierung erfolgreich sind. Erfolgreich sind US-REITs, die nach Immobilientyp spezialisiert in managementintensive Immobilien investieren. Damit grenzen sie sich von Fondsprodukten ab und es spricht viel dafür, dass REITs als eine Kombination von Immobilienportfolio und Management über internes Management verfügen sollten, um eigenes Know-How aufbauen zu können, welches sich dann bei Investitionen in managementintensive Immobilien bewähren kann. Ob in diesem Rahmen eine geographische Diversifizierung Erfolg verspricht, muss wohl von Land zu Land unterschiedlich beantwortet werden. Jedenfalls hat sich eine Diversifizierung über Landesgrenzen hinweg in der Vergangenheit nicht immer bewährt.29 Daher ist für REITs eine Spezialisierung nach Immobilientyp und eine Fokussierung auf den Heimatmarkt zu empfehlen. Die Spezialisierung entspricht auch dem Bedürfnis der Kapitalanleger, im Rahmen ihres eigenen Portfoliomanagements in spezifizierte Anlageinstrumente investieren zu können. Verzichtet der REIT dementsprechend auf ein eigenes Portfoliomanagement und konzentriert sich auf seine Kernkompetenz, die in der immobilienbezogenen Dienstleistung im Rahmen seiner Spezialisierung liegt, kommt ihm das über niedrige Kapitalkosten zugute.30 Ferner stellt sich die Frage, ob eine Strategie, die auf Market-Timing setzt, Erfolg verspricht. Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass sich Timing und Selektivität meist gegeneinander aufheben, also der gute Manager häufig wenig sensibel für Marktveränderungen sei. Nach anderen Untersuchungen ist eine signifikante Verbesserung der Performance durch Market-Timing nicht nachweisbar.31 Es spricht viel dafür, dass eine Strategie, die auf Timing setzt, schon im Ansatz verfehlt ist, wenn die strategische Positionierung zugleich auf den Aufbau eines spezialisierten Unternehmens mit einem national bzw. lokal diversifizierten Immobilienportfolio gerichtet sein sollte. Wie bereits ausgeführt, sollte sich ein REIT ausschließlich auf immobilienbezogene Dienstleistungen beschränken. Schließlich stellt sich die Frage, ob REITs ein höheres Rendite-Risiko-Profil als andere Bestandshalter einhalten müssen, um die Renditeanforderungen des Kapitalmarktes zu erfüllen. Bisher ist allgemein anerkannt, dass sich Immobilienaktiengesellschaften und REITs in einem Bereich positionieren sollten, der eine erhöhte Rendite bei mittlerem Risiko erwarten lässt. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Strategien, die auf Entwicklungen und Immobilienhandel setzen und/oder dafür verstärkt Fremdkapital einsetzen, wegen der damit verbundenen Risiken vom Kapitalmarkt nicht honoriert werden und im Schnitt eine niedrigere Rendite erwarten lassen.32 Daher sollten REITs eine kapitalmarktgerechte Rendite anstreben, aber zumindest ein mittleres Risikoprofil nicht überschreiten und auf Projektentwicklung für 29
Vgl. Gantenbein (2004), S. 81, 115
30
Vgl. Sotelo (2006), S. 554
31
Vgl. Gantenbein (2004), S. 61, 115; Sotelo (2006), S. 555
32
Vgl. Gantenbein (2004), S. 114f.
52
1.2.4 Das deutsche REIT-Gesetz – Eine erste Beurteilung aus Sicht des Kapitalmarkts
Dritte sowie den Immobilienhandel verzichten, soweit diese Tätigkeiten nicht ohnehin dem REIT-Status entgegenstehen.33
1.2.3.7.2 Größe bzw. Marktkapitalisierung Bisher galt die Formel, dass die Effizienz eines REITs mit der Größe zunimmt und dass auch die Wertabschläge mit zunehmender Größe abnehmen bzw. die Premiums zunehmen. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass optimale Unternehmensgrößen auch überschritten werden können und dann Diseconomies of Scale auftreten können.34 Dennoch bleibt es bei der Feststellung, dass bestimmte Unternehmensgrößen schon wegen der mit der Börsennotierung verbundenen Kosten nicht unterschritten werden sollten. Genannt wird insoweit eine Untergrenze von 100 Mio. USD für den US-Markt.35
1.2.4 Das deutsche REIT-Gesetz – Eine erste Beurteilung aus Sicht des Kapitalmarkts Der Deutsche Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats im März 2007 das „Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REIT-Gesetz – REITG)“ beschlossen. Es ist rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten. An dieser Stelle sollen nur einige Grundlinien für die gesetzliche Regelung der deutschen REIT-AG im Lichte der vorhergehenden Ausführungen einer ersten Beurteilung unterzogen werden.36
33
Vgl. auch Sotelo (2006), S. 555
34
Vgl. Just (2006), S. 5, Gantenbein (2004), S. 72, 83
35
Vgl. Benveniste/Capozza/Seguin (2001)
36
Zur rechhtlichen Würdigung des REITG vgl. z.B. Seibt/Conradi (2008) und Striegel (2007)
1.2.4.2 Aktive Bewirtschaftung der eigenen Anlageobjekte
53
1.2.4.1 Grundlegende Mängel des deutschen REITGesetzes Das verabschiedete Gesetz hält sich in weiten Bereichen an das Vorbild der US-REITs und ist daher in seiner grundsätzlichen Ausrichtung zu begrüßen. Die Beschränkung des Anteilsbesitzes an einer REIT-AG auf unter 10 % erfolgt zur Sicherstellung einer wirksamen Besteuerung ausländischer Aktionäre, die daran gehindert werden sollen, das Schachtelprivileg in Anspruch zu nehmen. Im Hinblick auf eine ähnliche Wirkung der 5/50-Regel bei den US-REITs könnte diese Beschränkung zunächst hingenommen werden. Problematisch ist jedoch die Rechtsfolge einer Verletzung der 10 %-Regel, die in dem Verlust des REIT-Status besteht. Weil das Management des REITs nach deutschem Aktienrecht keine Mittel hat, die Einhaltung der 10 %-Grenze wirksam zu kontrollieren, könnte ein Dritter über den Erwerb einer solchen Beteiligung Druck auf die Gesellschaft ausüben und in letzter Konsequenz den REIT-Status zerstören.37 Daher sollte über alternative Rechtsfolgen nachgedacht oder die 10 %-Grenze fallen gelassen werden. Dasselbe gilt für die Streubesitzquote von 25 % bei der Börsenzulassung und anschließend 15 %. Kann das Unternehmen beim Börsengang den Umfang des Streubesitzes noch steuern, so fehlen ihm danach wirksame Eingriffsmöglichkeiten auf die Aktionäre, wenn deren Zuund Verkäufe zu einer Unterschreitung des Mindeststreubesitzes führen. Auch diese Regel setzt den REIT unkalkulierbaren Gefahren durch ungeplante oder sogar böswillige Maßnahmen Dritter aus.
1.2.4.2 Aktive Bewirtschaftung der eigenen Anlageobjekte Das REIT-Gesetz ermöglicht der Gesellschaft die aktive Bewirtschaftung ihrer eigenen Anlageobjekte einschließlich der damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Tätigkeiten und Dienstleistungen. Diese Dienstleistungen sollten möglichst wirtschaftlich erbracht werden. Dazu erscheint eine gewisse Flexibilität angebracht, soweit die Beteiligung von Partnern an der Erbringung der Dienstleistung wie auch die Erbringung von gleichartigen Dienstleistungen für Dritte als Nebentätigkeit betroffen sind. In diesem Zusammenhang erscheint die Regelung bei den US-REITs konsequent, dass sich der REIT an Dienstleistungsgesellschaften beteiligen kann und diese in beschränktem Umfang auch Dienstleistungen für Dritte erbringen können, diese Nebentätigkeiten aber wie bei allen anderen Unternehmen besteuert werden. Die Festlegung des Gesetzes, dass Dienstleis-
37
Vgl. Cadmus (2007), S. 620 f.
54
1.2.4 Das deutsche REIT-Gesetz – Eine erste Beurteilung aus Sicht des Kapitalmarkts
tungs-Tochtergesellschaften vollständig im Besitz der REIT-AG stehen müssen, erscheint unnötig eng und versperrt den Weg zu wirtschaftlich sinnvollen Kooperationen mit Dritten.
1.2.4.3 Flexible Investitionsformen REITs investieren heute wie alle Immobilienunternehmen flexibel über die verschiedenen Investitionsformen der Direktanlage oder indirekt über eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft, eine Personengesellschaft oder eine Beteiligung an einer dieser Gesellschaftsformen. Dieses sollte durch die nationale Gesetzgebung auch für REIT-Strukturen zugelassen werden, um nicht neue Diskriminierungen zu schaffen. Beschränkungen auf mehrheitlichen oder vollständigen Anteilsbesitz an indirekten Immobilienanlagen oder Einschränkungen auf bestimmte Gesellschaftsformen (z.B. im Inland auf Personengesellschaften), wie sie im REITGesetz enthalten sind, sollten vermieden werden.
1.2.4.4 Sicherstellung der üblichen Kapitalmarktfunktionen Um die Marktgängigkeit von REITs nicht unnötig einzuschränken, sollten die üblichen Kapitalmarktfunktionen nicht außer Kraft gesetzt werden. Daher sollte die nationale Gesetzgebung auch private REITs vorsehen, weil sie häufig die Vorstufe und auch den Exit für börsennotierte REITs darstellen. Sollte ein Going Private für einen REIT nicht möglich sein, müsste ein börsennotierter REIT schon im Hinblick auf den erschwerten Exit von der Börse mit Abschlägen bewertet werden. Außerdem ermöglicht die Existenz von privaten REITs eine Investition von institutionellen Anlegern, die sich nicht in einem gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmen dem Risiko von Kursschwankungen an der Börse aussetzen möchten. Dasselbe gilt für die Beteiligung an anderen REITs oder deren Übernahme durch Unternehmen mit REIT-Status. Aus der Sicht des Verfassers spricht nichts dagegen, dass sich ein REIT, der alle für ihn geltenden Regeln einhält, in beliebiger Höhe an einem anderen REIT beteiligt. Sollte keine Möglichkeit bestehen, einen REIT ohne ein Entfallen des REIT-Status zu übernehmen, wird auch dieses zu Bewertungsabschlägen führen müssen. Dabei ist das Interesse des Fiskus gewahrt, wenn die Beteiligung oder Übernahme durch einen anderen REIT erfolgt, der dieselben Regeln zur Sicherstellung der Ausschüttung und Versteuerung der Gewinne einzuhalten hat. Problematisch kann dann allerdings für den Fiskus der Fall werden, dass sich ein REIT aus dem EU-Ausland mit mehr als 10 % an einem deutschen REIT beteiligt, das Schachtelprivileg in Anspruch nimmt und damit keine wirksame Besteuerung in Deutschland mehr stattfindet. Seit dem „Stauffer“-Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 14.09.2006 wird man sich jedoch daran gewöhnen müssen, dass Wettbewerber aus dem EU-Ausland ohnehin gleich zu behandeln sind und in vergleichbaren Fällen nicht willkürlich durch ein Anknüpfen an nationale Rechtsformen diskriminiert werden kön-
1.2.4.6 Beseitigung der steuerlichen Unstimmigkeiten
55
nen. Daher wird in Deutschland vermutlich künftig keine Besteuerung von europäischen REITs erfolgen können. Vielmehr sollte diese Herausforderung möglicht bald durch die Einführung von liberalen REIT-Strukturen in Deutschland aufgenommen werden, die dann auch zur Versteuerung von Erträgen aus dem EU-Ausland in Deutschland führen können.
1.2.4.5 Einschränkung der Investitionsobjekte Wohnimmobilien sind als managementintensive Immobilienart besonders gut für REITs geeignet. Umgekehrt können Mieter von REITs viel erwarten, weil diese Unternehmen an der langfristigen Bewirtschaftung ihrer Anlageobjekte interessiert sind und daher Instandhaltung und Mieterbindung nicht vernachlässigen werden. Der ausschließlich ideologisch motivierte, sachlich ungerechtfertigte Ausschluss bestehender deutscher Wohnimmobilien als Anlagemöglichkeit von REITs sollte daher korrigiert werden.
1.2.4.6 Beseitigung der steuerlichen Unstimmigkeiten Im Rahmen einer Novelle des REIT-Gesetzes sollten die derzeit noch vorhandenen Unstimmigkeiten in steuerlicher Hinsicht beseitigt werden. Dazu gehört insbesondere die bereits dargestellte Benachteiligung des REITs durch die Besteuerung seiner Dividende mit Gewerbesteuer, eine Reihe von Doppelbesteuerungstatbeständen und die Schaffung einer Übergangsregelung für die Anwendung des § 8b KStG bei der Veräußerung von Aktien an einem REIT durch Altaktionäre.38
1.2.5 Zusammenfassung REIT-Strukturen sind heute international anerkannt und bereits in etwa 20 Ländern eingeführt oder die Einführung steht kurz bevor. Sie ermöglichen unkomplizierte Investitionen aller in- und ausländischen Anlegergruppen in den heimischen Immobilienmarkt, stellen im Regelfall eine sichere Anlageform mit verlässlichen Ausschüttungen dar und leisten einen wertvollen Beitrag für die kapitalgedeckten Versorgungssysteme der betreffenden Länder. REIT-Strukturen sind in denjenigen Ländern besonders erfolgreich, in denen die betroffenen 38
Vgl. Cadmus (2007), S. 624 ff.
56
1.2.5 Zusammenfassung
Unternehmen über passive Investments hinaus die wesentlichen Dienstleistungen für das aktive Management ihrer eigenen Anlageobjekte selbständig und mit eigenem Management erbringen können. Durch einheitliche Regeln für alle in- und ausländischen Kapitalanleger und den dadurch ermöglichten Verzicht auf steueroptimierte Strukturen für einzelne Anlegergruppen kann ein hoher Effizienzgewinn beim Umgang mit den als Anlageprodukt geeigneten Immobilien erzielt werden. Der Gesetzgeber sollte sehr bald den Mut zu weiteren Deregulierungsschritten gegenüber den jetzigen gesetzlichen Regelungen aufbringen, insbesondere die 10 %-Regel modifizieren, die Streubesitzkriterien erleichtern, jedenfalls aber den REIT-Status gegenüber feindlichen Maßnahmen Dritter schützen, Wohnimmobilien zulassen, flexiblere Investitionsformen über Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften zulassen, auf einen Zwang zur Börseneinführung verzichten, Beteiligungen an anderen REITs oder deren Übernahme zulassen und bei den Nebentätigkeiten auch Beteiligungen bzw. Kooperationen mit anderen Dienstleistungsunternehmen ermöglichen.
1.2.4.6 Beseitigung der steuerlichen Unstimmigkeiten
Teil 2 Bewertung
57
2.1
Vergleichende Bewertung von verbrieften Immobilienprodukten
Heinz Rehkugler / Stefan Goronczy 2.1.1
Einführung
60
2.1.2
Die gemeinsame Basis: Barwert künftiger finanzieller Überschüsse
61
2.1.3
Discounted Cash Flows: Varianten und praktische Probleme
62
2.1.4
Enterprise Multiples als vereinfachte DCF-Verfahren
67
2.1.4.1 2.1.4.2 2.1.4.3 2.1.4.4
Überblick und generelle Begründung........................................................................67 KGV ..........................................................................................................................69 FFO............................................................................................................................71 Andere Multiples .......................................................................................................76
2.1.4.5 Gesamteinschätzung ..................................................................................................76 2.1.5
Der Net Asset Value (NAV) als spezifische Methode der Wertfindung bei Immobilienunternehmen
78
2.1.5.1 Ökonomische Rechtfertigung des NAV als Wertbasis .............................................78 2.1.5.2 Der NAV als gesetzliche Bewertungsregel für Offene Immobilienfonds.................80 2.1.5.3 Berechnungsvarianten und Berechnungsschwierigkeiten .........................................81 2.1.6
Das Verhältnis von DCF und NAV
83
2.1.6.1 2.1.6.2 2.1.6.3 2.1.6.4 2.1.6.5
Vergleichskriterien ....................................................................................................83 Vergleich der erfassten Zahlungsströme ...................................................................84 Vergleich der Berücksichtigung der Steuern.............................................................86 Vergleich der Risikoerfassung und der Abzinsungsfaktoren....................................88 Gesamteinschätzung ..................................................................................................89
2.1.7
Wert und Preis von Immobiliengesellschaften: NAV vs. Börsenkurs
90
2.1.8
Überrenditemodelle als Brücke zwischen DCF, NAV und Börse
93
2.1.9
Zusammenfassung
94
2.1.2 Die gemeinsame Basis: Barwert künftiger finanzieller Überschüsse
60
2.1.1 Einführung Wie sollte der Kapitalmarkt die in Teil 1 skizzierten verbrieften Immobilienprodukte bewerten? Nach welchen Konzeptionen und Methoden bewertet er tatsächlich? Gelten für Offene Immobilienfonds einerseits und für Immobilien-AGs und REITs andererseits unterschiedliche Bewertungskonzeptionen (nur) aufgrund ihres unterschiedlichen rechtlichen Rahmens? Oder gibt es hierfür eine einheitliche Bewertungslogik und/oder sollte es sie geben? Die Bewertung einer Immobiliengesellschaft, deren Vermögen (überwiegend) aus fremdgenutzten Immobilienbeständen besteht, dürfte sich stark an den Werten der in dieser Gesellschaft gehaltenen Immobilie(n) orientieren, sich also grosso modo aus den Immobilienwerten ableiten lassen. Für die Bewertung von Immobiliengesellschaften hat sich daher in der Tat in der internationalen Bewertungspraxis ein besonderes Verfahren der Wertermittlung durchgesetzt: der Net Asset Value (NAV). Dabei wird der Unternehmenswert als Summe der Werte der einzelnen Grundstücke und sonstigen Vermögensposten abzüglich der Schulden der Gesellschaft berechnet. Diese Vorgehensweise ist intuitiv einleuchtend und liegt auch der Bewertung von Fonds allgemein und speziell von Immobilienfonds (§ 36, Abs. 1 und 3 InvG) zugrunde. Für andere Immobiliengesellschaften vermag der NAV einen Anhaltspunkt für den inneren Wert des Unternehmens zu liefern. Dieser Vorgehensweise zur Wertfindung steht ein grundsätzlich anderer Ansatz entgegen: Immobiliengesellschaften sind Unternehmen, also ein Gut sui generis gegenüber einer Immobilie. Insbesondere ist den Verhältnissen am Kapitalmarkt und den sich daraus ergebenden alternativen Anlagemöglichkeiten potentieller Investoren Rechnung zu tragen. Daher ist ihr Wert nach den gleichen Verfahren zu ermitteln, die generell für die Bewertung von Unternehmen herangezogen werden. Die folgenden Ausführungen und Überlegungen suchen also Antworten auf zwei Fragen: • Welches Verfahren zur Bewertung von Immobiliengesellschaften lässt sich aus theoretischer und praktischer Sicht rechtfertigen? • Welche Unterschiede zwischen den Ergebnissen sind zu beobachten und zu erwarten und wie lassen sie sich der Sache nach und im Volumen begründen? Wir werden dazu in den Kapiteln 2-5 dieses Beitrags die verschiedenen Bewertungsverfahren in ihrer Begründung und ihrer Vorgehensweise vorstellen und in Kapitel 6 dann die identifizierten Unterschiede und ihre Ursachen und Auswirkungen diskutieren und eine Einschätzung der Tauglichkeit und möglichen Überlegenheit des einen oder anderen der konkurrierenden Bewertungsverfahren versuchen.
2.1.2 Die gemeinsame Basis: Barwert künftiger finanzieller Überschüsse
61
Soweit die Anteile an Immobilienunternehmen an (organisierten) Märkten gehandelt werden, lassen sich teilweise nicht unerhebliche Abweichungen der dort gezahlten Preise zu den nach den beschriebenen Verfahren ermittelten Unternehmenswerten feststellen. Auch diesem Phänomen wollen wir uns widmen und in Kapitel 7 versuchen, rational gerechtfertigte und nicht rational erklärbare Differenzen von Wert und Preis zu unterscheiden. Überrenditemodelle könnten eine brauchbare Brücke zwischen DCF, NAV und Börsenwert bilden. Wir werden ihre Konzeption, die in dem späteren Beitrag von Goronczy in Teil 5 des Buches noch vertieft wird, in Kapitel 8 kurz skizzieren.
2.1.2 Die gemeinsame Basis: Barwert künftiger finanzieller Überschüsse In der Betriebswirtschaftslehre herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Wert eines Unternehmens bzw. generell eines Investments sich aus den Einzahlungsüberschüssen während der Laufzeit des Investments einschließlich der Veräußerungserlöse ergibt. Diese sind mit einem Zinssatz, der dem Risiko des Investors in angemessener Weise Rechnung trägt, auf den aktuellen Zeitpunkt zu diskontieren. Bei rationaler Abwägung und Beschränkung auf monetäre Zielkriterien wird niemand bereit sein, für ein Investitionsobjekt mehr zu bezahlen, als diesem Barwert des zu erwartenden Zahlungsstroms entspricht. Damit spricht alles dafür, jede Art von Investment in Immobilien, unabhängig von seiner rechtlichen Einkleidung, nach dem Barwert künftiger Zahlungsüberschüsse zu bewerten. Diese Bewertungskonzeption liegt – in unterschiedlichen konkreten Ausprägungen − den in der Praxis gängigen Methoden der Bewertung von direkten Immobilien zugrunde.1 Sie ist zweifellos auch die angemessene Methodik zur Bewertung jeder Form von Immobiliengesellschaften ohne oder mit steuerlichem Sonderstatus. Für die Offenen Immobilienfonds − wie auch für andere Offene Fonds − hat der Gesetzgeber in § 36 Abs. 1 und 3 InvG eine gesonderte Bewertungsregel vorgeschrieben, wie der Wert des Fondsanteils zu berechnen ist. Diese Bewertungsregel entspricht, wie noch zu zeigen sein wird, grundsätzlich nicht der eben als allgemeingültig bezeichneten Konzeption des Barwerts künftiger Zahlungsüberschüsse. Wenn wir aber einmal diese Vorschrift vernachläs1
Vgl. Kleiber/Simon (2007), Schulz-Wulkow (2003)
62
2.1.3 Discounted Cash Flows: Varianten und praktische Probleme
sigen und uns fragen, welchen Wert der Markt idealtypisch für Anteile an offenen Immobilienfonds fände, dann kämen wir wohl mit großer Sicherheit wieder zu der definierten Regel der Barwerte künftig erwarteter Zahlungsüberschüsse zurück. Die Entwicklung der Börsenkurse der Fondsanteile der Deutsche Grundbesitz während der zeitweiligen Aussetzung der Rücknahme der Anteile Ende 2005 kann als ein solcher Marktanpassungsprozess in Richtung des fundamental „fairen“ Preises verstanden werden, wenngleich im konkreten Fall die Wertfindung durch hohe Unsicherheiten erschwert und verzerrt war. Allerdings bedeutet die Anwendung der gleichen Wertfindungsmethodik selbstverständlich nicht, dass damit (hypothetisch) gleiche Immobilieninvestments unabhängig von ihrem konkreten rechtlichen „Mantel“, in den sie eingekleidet sind (Publikumsfonds, Spezialfonds, steuerlich transparente oder nicht transparente Immobilien-AG) den gleichen Wert aufweisen müssten. Ansonsten wäre die Diskussion um die Zulassung und Ausgestaltung unterschiedlicher Anlagevehikel wie die G-REITs ja unsinnig. Unterschiede in der Bewertung des gleichen zugrunde liegenden Immobilienbestands können vielmehr gerechtfertigt sein • durch unterschiedliche Nettozahlungsströme und/oder • durch unterschiedliche Diskontierungsfaktoren. Auf die Zahlungsströme wirken sich insbesondere die Managementkosten der Gesellschaft und die Steuerbelastung aus. Die maßgebliche Ursache für abweichende Diskontierungsfaktoren ist die unterschiedliche Einschätzung der Investitionsrisiken und des dafür geforderten Risikoaufschlags auf den risikolosen Zinssatz.
2.1.3 Discounted Cash Flows: Varianten und praktische Probleme Auf der eben beschriebenen Logik basiert die international gebräuchliche Bewertung nach dem Discounted Cash Flow (DCF). In seiner konkreten Ausprägung und praktischen Anwendung ist das DCF-Verfahren allerdings in zahlreiche Varianten aufgefächert.2 Zum einen lassen sich Equity- und Entity-Varianten unterscheiden, verschiedentlich auch als Netto- und Bruttoverfahren bezeichnet. Bei der Equity-Variante werden die den Eigenkapitalgebern nach Bedienung der Finanzbedarfe des Unternehmens (laufende Cash Flows, Investitionen in 2
Eine gute Übersicht vermitteln z.B. Drukarczyk/Schüler (2007), Ballwieser (2007) und Kuhner/Maltry (2006)
2.1.3 Discounted Cash Flows: Varianten und praktische Probleme
63
das Anlagevermögen und in das Working Capital) und nach Berücksichtigung aller Zahlungsbewegungen (Zu- und Abflüsse) mit den Fremdkapitalgebern verbleibenden periodischen Überschüsse Et mit dem risikoadjustierten Eigenkapitalzinssatz rE diskontiert. Dies führt, zusammen mit dem ebenfalls diskontierten Restwert RWT am Ende der Detailplanungsperiode, somit direkt zum Wert des Eigenkapitals. DCF-Verfahren (Equity-Variante): T
EK − Wert = ∑ t =1
Et RWT + t (1 + rE ) (1 + rE ) T
Die periodischen Überschüsse (Free Cash Flows to Equity) errechnen sich aus den Jahresabschlussdaten wie folgt: Jahresüberschuss nach Steuern + Netto-Abschreibungen + Δ Rückstellungen + Δ Sonderposten mit Rücklageanteil = Brutto Cash Flow - Netto-Investitionen in das Anlagevermögen - Δ Net-Working-Capital („Investitionen“ in Working Capital) + aufgenommenes/- zurückgezahltes Fremdkapital = Free Cash Flow (flow to equity) Die Entity-Methode dagegen führt über einen „Umweg“ zum Eigenkapitalwert des Unternehmens. Es wird zunächst der Gesamtunternehmenswert (Enterprise Value) ermittelt, indem die freien Cash Flows (FCF) des Unternehmens mit dem jeweils angemessenen Zinsfuß diskontiert werden. Der freie Cash Flow errechnet sich als der Einzahlungsüberschuss, der nach Bedienung der Finanzbedarfe des Unternehmens (wie bei der Equity-Variante) für Auszahlungen an die Eigen- und Fremdkapitalgeber verbleibt. Nach Abzug des Marktwertes der Nettoverbindlichkeiten (FKMW) von diesem Gesamtunternehmenswert erhält man den Wert des Eigenkapitals. Unter die Entity-Methode lassen sich wiederum mehrere Varianten subsumieren, die sich im Wesentlichen in der Frage der Behandlung der Steuerzahlungen und der Steuervorteile durch die Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen (Tax Shield) unterscheiden. Die wohl am häufigsten verwendete Variante ist der WACC-Ansatz. Der Eigenkapitalwert ergibt sich dabei nach folgender Formel: DCF-Verfahren (Entity-Variante, WACC-Ansatz):
FCFt RWT + − FK MW t (1 + waccST )T t =1 (1 + waccST ) T
EK − Wert = ∑
64
2.1.3 Discounted Cash Flows: Varianten und praktische Probleme
Der WACC-Ansatz erfasst die Steuerwirkungen der Verschuldung im Diskontierungssatz. Der Diskontierungsfaktor waccST (Weighted Average Cost of Capital) ist der mit den Marktwerten des Eigen- und des Fremdkapitals gewogene Kapitalkostensatz unter Berücksichtigung des Tax Shield, also des Steuervorteils aufgrund der Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen. Er ergibt sich nach der Formel:
waccST = rE +
FK EK + rD (1 − t ) EV EV
rE
= Renditeforderung der EK-Geber (meist nach CAPM abgeleitet)
rD
= Renditeforderung der FK-Geber
EK
= Marktwert des Eigenkapitals
FK
= Marktwert des Fremdkapitals
EV
= Enterprise Value (= Unternehmensgesamtwert)
t
= (Grenz-)Steuersatz
Damit der Steuereffekt nicht doppelt berücksichtigt wird, müssen die freien Cash Flows so berechnet werden, als wäre das Unternehmen ausschließlich mit Eigenkapital finanziert.
Jahresüberschuss nach Steuern + Netto-Abschreibungen + Δ Rückstellungen + Δ Sonderposten mit Rücklageanteil = Brutto-Cash Flow + Zinsaufwand - Tax Shield (Steuerersparnis aufgrund der Verschuldung) - Netto-Investitionen ins Anlagevermögen - Δ Net-Working-Capital („Investitionen“ ins Working Capital) = Free Cash Flow (flow to equity and debtors) Die weitaus seltener benutzte Variante des Total Cash Flow (TCF) geht in der Erfassung des Tax Shield den genau umgekehrten Weg: Der freie Cash Flow enthält den Steuervorteil, wird also unter Ansatz der realen Verschuldung des Unternehmens berechnet. Dafür wird dann konsequent auf die Steuerkorrektur des Fremdkapitalzinssatzes bei der Berechnung des WACC verzichtet. Eine dritte Variante, die in der Bewertungspraxis zunehmend Beachtung findet, ist der Ansatz des Adjusted Present Value (APV). Sein besonderer Reiz besteht darin, dass er geeignet ist, den Wert des Unternehmens in den Anteil der operativen Aktivitäten und den Steuereinfluss der Finanzierungsstruktur aufzuspalten. Dazu wird in einem dreistufigen Vorgehen zuerst der hypothetische Wert des Unternehmens bei vollständiger Eigenfinanzierung er
2.1.3 Discounted Cash Flows: Varianten und praktische Probleme
65
rechnet. Die freien Cash Flows entsprechen denen beim WACC-Ansatz; sie sind mit der (hypothetischen) Renditeforderung der Eigenkapitalgeber bei vollständiger Eigenfinanzierung zu diskontieren. Im zweiten Schritt gilt es dann, den Wert des Tax Shield, also der steuerlichen Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands bei der Gewerbe- und der Körperschaft- bzw. Einkommensteuer zu berechnen. Hierzu bedarf es entsprechender Daten und Annahmen über die Entwicklung des Verschuldungsgrads, der Fremdkapitalzinssätze und der Steuersätze. Die so berechneten periodischen Steuervorteile sind ebenfalls zu diskontieren, wofür meist der Nachsteuerzinssatz für risikoloses Fremdkapital herangezogen wird. Der Unternehmensgesamtwert setzt sich dann aus den Werten des unverschuldeten Unternehmens und des Tax Shield zusammen. Im dritten Schritt kann dann, wie beim WACC-Ansatz auch, durch Subtraktion des Marktwerts der Nettoverbindlichkeiten der Eigenkapitalwert berechnet werden. Die wissenschaftliche Literatur betont, dass alle angesprochenen Verfahrenstypen unter harmonisierten Prämissen sowohl hinsichtlich der Finanzierung als auch der Substanzerhaltung zum gleichen Wert führen. Im praktischen Einsatz resultieren aber dann meist doch Wertdifferenzen durch differierende implizite Annahmen. Insbesondere zeigen sich auch spezifische Probleme und Vorzüge der verschiedenen Ansätze. Für den Einsatz bei der Bewertung von Immobiliengesellschaften heben Schäfers und Matzen zurecht die Vorzüge des APV-Ansatzes hervor.3 Sie liegen zum einen, wie schon beschrieben, in dem getrennten Aufzeigen des Werteinflusses der Verschuldung (und damit des Einflusses von deren Veränderung), zum anderen in den dadurch sehr viel präziser erfassbaren Komponenten der tatsächlichen Steuerbelastung. Bei Immobiliengesellschaften mit meist langfristigen Fremdkapitaltiteln, die planmäßig zu tilgen sind, ist die Annahme einer autonomen, also sich nicht an der Optimierung des Unternehmensgesamtwerts orientierenden Finanzierungspolitik plausibel. Auch dies kommt dem Einsatz der APV-Methode entgegen. Insgesamt ist damit aus theoretischer Sicht zu konstatieren, dass die DCF-Verfahren grundsätzlich die sachlich zutreffende Methodik zur Bewertung von Immobiliengesellschaften darstellen und sich insbesondere die APV-Variante durch einige praktische Vorzüge gegenüber den anderen Varianten auszeichnet. Aufgrund der gesetzlichen Bewertungsregel für offene Immobilienfonds wird für diese der Einsatz von DCF-Bewertungsverfahren in aller Regel nicht in Erwägung gezogen. Dies könnte aber sinnvoll sein • für den hypothetischen Fall, dass die gesetzliche Regel nicht existierte, • für den praktisch relevanten Fall, dass sie nicht greift, weil der Fonds die Rücknahme der Anteile ausgesetzt hat und diese dann an der Börse gehandelt werden, • oder schlicht für den Fall, dass ein (institutioneller) Investor den tatsächlichen Wert von Fonds und Fondsanteilen ermitteln möchte, die ihm schon gehören oder die er zu erwerben gedenkt. Das ist vor allem für (Investoren von) Spezialfonds von Bedeutung, für die die Wertfindung nach der gesetzlichen Bewertungsregel zwar ein Anhaltspunkt sein
3
Vgl. Schäfers/Matzen (2005), insbes. S. 477 ff.
66
2.1.3 Discounted Cash Flows: Varianten und praktische Probleme kann, die aber auf eine Rücknahmegarantie zu dem so bestimmten Anteilswert nicht vertrauen können, soweit sie ja letztlich diese Garantie selbst zu leisten hätten.
Wie schon erwähnt, müssen für offene Fonds grundsätzlich die gleichen Bewertungsregeln gelten und anwendbar sein wie für Immobiliengesellschaften. Gewisse praktische Probleme bestünden darin, die freien Cash Flows zu bestimmen. Da die Rechnungslegung der offenen Fonds nicht auf den Grundsätzen des HGB oder der IAS/IFRS basiert und damit keine völlig vergleichbare Erfolgsrechnung und kein Cash Flow Statement verfügbar sind, müsste die Ableitung der freien Cash Flows entsprechend angepasst werden. Ein besonderes Problem wirft dabei die laufend veränderbare Zahl von Anteilen auf. Für den Analysten bzw. den Investor liegen die praktischen Herausforderungen der Ermittlung des Werts von Immobiliengesellschaften mit Hilfe eines DCF-Verfahrens in den hohen Informationsanforderungen. Es gilt ja, die oben definierten freien Cash Flows nicht (nur) für die vergangenen Perioden aus den Jahresabschlüssen herauszurechnen, um eine Startbasis der abzuleitenden Werte zu finden, sondern sie für eine im Grundsatz unendliche Periode zu prognostizieren. Schon für die ersten, nächstliegenden Perioden kann die Schätzung der relevanten Zahlungsströme erhebliche Probleme aufwerfen. Dies gilt vor allem dann, wenn dem Bewertenden keine oder unzureichende unternehmensinterne Planungsdaten vorliegen. Die zu schätzenden operativen Zahlungsströme werden sich selbstverständlich zu großen Teilen an den Einnahmen und Ausgaben orientieren, die aus den Immobilien erwartet werden. Darüber hinaus sind dann noch unternehmensspezifische Zahlungsströme wie z.B. der zusätzliche Verwaltungsaufwand und auch die Belastung mit Unternehmensteuern zu erfassen. Unabhängig davon, welche DCF-Variante eingesetzt wird, erfordert diese Vorgehensweise damit sehr viele Informationen nicht nur über die aktuellen Immobilienbestände und die daraus resultierenden Zahlungsströme, sondern auch über die geplanten Aktivitäten des Unternehmens zum Ausbau alter und zum Aufbau neuer Geschäftsfelder einerseits sowie über die erwartete Entwicklung der Immobilienvermietungs- und Immobilieninvestmentmärkte sowie der Finanzmärkte andererseits. Von besonderer Bedeutung bei Immobilienunternehmen sind hier auch die künftigen Verkäufe aus dem Bestand, bei denen nicht selten erhebliche positive wie negative Abweichungen von den Buchwerten auftreten können. Die Prognose der Zeitpunkte und der Höhe der Verkäufe sowie der dabei entstehenden Gewinne und Verluste stellt eine große Herausforderung für den Bewertenden dar. Selbst bei Verfügbarkeit unternehmensinterner Datenquellen kommt man hier nicht ohne eine Vielzahl von vereinfachenden Annahmen über die Entwicklungen der einzelnen Märkte aus, die sich ex post als mehr oder weniger verfehlt herausstellen werden. Mindestens über Zeiträume von 5-10 Jahren hinaus tendieren daher die Schätzungen zu großen Ungenauigkeiten. Deshalb beschränkt man sich bei DCF-Bewertungen in aller Regel auf eben diesen Zeithorizont, für den periodenspezifische Detailplanungen vorgenommen werden. Über diesen Horizont hinaus begnügt man sich dann mit einer pauschalen Schätzung der nominalen Wachstumsrate des freien Cash Flow. Der Barwert dieser Zahlungsreihe, bezogen auf das Ende des Detailplanungszeitraums, ist in den obigen Formeln als Restwert RWT erfasst.
2.1.4.1 Überblick und generelle Begründung
67
In dieser Intensität, Detailliertheit und Akribie, wie Matzen sowie Schäfers und Matzen die Vorgehensweise generell und konkret an einem Zahlenbeispiel demonstrieren,4 ist eine Bewertung vor allem in den Fällen vorstellbar und auch geboten, in denen es um die Vorbereitung des Verkaufs des Unternehmens oder eines Börsengangs geht. In typischen Researchberichten von Analysten dagegen erfolgt zwar meist ebenfalls eine Fortschreibung der Bilanzen und der Erfolgsrechnungen der Immobiliengesellschaften. Auf eine Ableitung des Gesamtunternehmenswerts und des Eigenkapitalwerts absolut und je Aktie mit Hilfe eines DCFVerfahrens wird aber meist verzichtet. Auf demgegenüber drastisch vereinfachten Annahmen basieren Dividend Discount Modelle. Der Wert des Eigenkapitals eines Unternehmens errechnet sich hierbei als
EK − Wertt 0 =
DIVt1 rE − g
Die für die kommende Periode erwartete Dividendensumme DIVt1 wird also mit einem Faktor kapitalisiert, der der Differenz aus dem risikoadjustierten Eigenkapitalzins rE und der für alle künftigen Perioden geschätzten durchschnittlichen Wachstumsrate der Dividenden g entspricht. Diese vereinfachte Vorgehensweise nähert sich damit sehr der Wertermittlung über Enterprise Multiples.
2.1.4 Enterprise Multiples als vereinfachte DCF-Verfahren 2.1.4.1 Überblick und generelle Begründung In der Praxis und zunehmend auch in der wissenschaftlichen Literatur zur Unternehmensanalyse und -bewertung kommt den Enterprise Multiples eine große Bedeutung zu. Verschiedentlich werden sie als „Gegenkonzept“ gegen die fundamentalen Bewertungsansätze in dem Sinne interpretiert, dass es hier nicht um eine absolute, sondern um eine relative, vergleichende Bewertung von Unternehmen durch den Markt gehe. Grundgedanke ist das „Law of 4
Vgl. Matzen (2005), insbes. S. 50 ff.; Schäfers/Matzen (2005), S. 468 ff.
68
2.1.4 Enterprise Multiples als vereinfachte DCF-Verfahren
One Price“, dass also der Markt (die Analysten und Investoren) im Ertrag und in ihrer Ertragsdynamik ähnliche Unternehmen grundsätzlich auch ähnlich bewerten wird (oder es zumindest vernünftigerweise sollte). Enterprise Multiples lassen sich allerdings auch als eine vereinfachende Variante der DCFVerfahren verstehen.5 Ihnen liegt ebenfalls die Annahme zugrunde, dass der Wert eines Unternehmens von der Fähigkeit bestimmt wird, in der Zukunft finanzielle Überschüsse für die Anteilseigner zu erwirtschaften. Der zentrale Unterschied ist, dass hierbei auf die explizite Schätzung künftiger Ertrags- oder Cash Flow-Entwicklungen für eine längere Detailplanungsperiode verzichtet wird. Stattdessen werden bestimmte geschätzte Erfolgsgrößen eines einzigen Jahresabschlusses herangezogen. Als Basisjahr wird hierfür meist das folgende Geschäftsjahr gewählt. Verschiedentlich wird als Basis auch ein Durchschnitt mehrerer vergangener und/oder geplanter Perioden angesetzt. Auf die ausgewählte(n) geschätzte(n) Erfolgsgröße(n) wird ein Multiplikator angewandt, der anhand bekannter Unternehmenswerte einer Gruppe vergleichbarer Unternehmen abgeleitet wurde. Der Unternehmenswert errechnet sich dann als das Vielfache des Periodenerfolgs. Die zur Findung des Unternehmenswerts notwendigen Schritte sind damit: • Suche nach vergleichbaren Unternehmen • Wahl der Jahresabschlussgrößen, die als Basis der Multiples herangezogen werden sollen • Berechnung der durchschnittlich für die Unternehmen der Vergleichsgruppe zutreffenden Werte für die ausgewählten Multiples • Schätzung/Ermittlung der für die Multiples herangezogenen Jahresabschlussgrößen für das zu bewertende Unternehmen • Ermittlung des “fairen” Kurswerts durch Anwendung der durchschnittlichen Werte der Multiples (Schritt 3) auf die entsprechenden Jahresabschlussgrößen des zu bewertenden Unternehmens. Vergleichbar sind Unternehmen, bei denen möglichst ähnliche Determinanten der Wertentwicklung wirksam sind. Dies wird in der Regel bei Unternehmen der gleichen (Teil-)Branche, der gleichen Marktstruktur und ähnlicher Unternehmensgröße vermutet. Bei Immobiliengesellschaften ist daher darauf zu achten, dass reine Bestandshalter wohl kaum vergleichbare Werttreiber aufweisen wie Entwickler, Händler oder Dienstleister anderer Art und diese sich daher nicht als Vergleichsgruppe eignen. Wie bei den DCF-Verfahren lassen sich Equity und Entity Multiples unterscheiden. Equity Multiples führen unmittelbar zum Eigenkapitalwert des Unternehmens, während Entity Multiples wiederum den „Umweg“ über den Unternehmensgesamtwert nehmen, der Eigenkapitalwert sich somit erst durch Subtraktion der Nettoverbindlichkeiten ergibt. Abbildung 2-1 gibt eine Übersicht über die Typen gängiger Multiples.
5
Zu Multiples generell vgl. z.B. Krolle/Schmitz/Schwetzler (2005); zu ihrer Beziehung zu DCF-Methoden vgl. z.B. Schmidbauer (2004).
2.1.4.2 KGV Equity ValueMultiples: EBTMultiplikator P/EMultiplikator
69
Bezugsgröße:
Marktwert des Eigenkapitals
+ Marktwert des Netto-Fremdkapitals
P/Net AssetsMultiplikator Weitere P-Ratios
= Enterprise Value
Enterprise ValueMultiples: SalesMultiplikator EBITDAMultiplikator EBITMultiplikator weitere EVMultiplikatoren
Abb. 2- 1 Typisierung ausgewählter Multiplikatoren
Die Zweckmäßigkeit und die Aussagekraft des Einsatzes von Multiples für die Abschätzung des Unternehmenswerts hängen vor allem davon ab, • inwieweit die gewählte Jahresabschlussgröße (bzw. ein Vielfaches davon) einen tatsächlichen, theoretisch plausiblen Bezug zum Unternehmenswert aufweist, • inwieweit die Ausgangsgröße (der Jahresabschlusswert des Basisjahrs) repräsentativ für die Entwicklung des Unternehmens in den weiteren Perioden oder durch Sondereinflüsse verzerrt ist und • inwieweit gesichert ist, dass die aus den Vergleichsunternehmen abgeleiteten Vervielfacher auf der jeweils gleichen Rechenbasis ermittelt wurden.
2.1.4.2 KGV Eine weltweit sehr häufig herangezogene Größe für den Vergleich der periodischen Performance von Unternehmen und als Basis für ein Multiple zur Ableitung des Unternehmenswerts stellt der erwirtschaftete bzw. der erwartete Gewinn je Aktie (Earnings per Share, EPS) dar, der dann zum Börsenkurs ins Verhältnis gesetzt wird (KGV bzw. P/E-Ratio). Der logische Bezug des Periodengewinns zum Eigenkapitalwert des Unternehmens ist unmittelbar einsichtig. Folgende Abbildung 2-2 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Dividend Discount Model als einem einfachen fundamentalen Bewertungsmodell und der P/E-Ratio.
70
2.1.4 Enterprise Multiples als vereinfachte DCF-Verfahren
Pt0
=
Divt1
=
Divt1 --------re - g EPSt1 * b
Da
EPSt1
=
EPSt0 * (1 + g)
folgt:
Divt1
=
b * EPSt0 (1 + g)
Dividend Discount Model
eingesetzt:
Pt0
=
b * EPSt0 (1 + g) -----------------------re - g
P/E-Ratio
Pt0 --Et0
=
b * (1 + g) --------------re - g
re = risikoadjustierte Kosten des Eigenkapitals g = Wachstumsrate der Dividenden b = Ausschüttungsgrad (Payout Ratio) Abb. 2- 2 Zusammenhang von P/E-Ratio und Dividend Discount Model (DDM)
Daraus ist ersichtlich, dass das P/E-Multiple nur dann zum „richtigen“ Unternehmenswert führt, wenn die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen auch ähnliche Ausschüttungsgrade, ähnliche risikoadjustierte Eigenkapitalverzinsungen und ähnliche Wachstumsraten der Gewinne aufweisen. Die verschiedentlich vorgenommene Anpassung der Wachstumsraten der Gewinne über die P/E-Growth-Ratio, indem die P/E-Ratio durch die Wachstumsrate der Gewinne geteilt wird, kann also nur partiell Vergleichbarkeit herstellen. Ein besonderes Problem stellt die Ermittlung der Ausgangsgröße dar. Der in den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen ausgewiesene Jahresüberschuss stellt bekanntlich eine nur bedingt taugliche Basis zur Beurteilung des nachhaltigen Periodenerfolgs von Unternehmen dar, da er durch außerordentliche Erlöse und Aufwendungen und durch unterschiedliche Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten beeinflusst sein kann. Das betrifft nicht nur das zu bewertende Unternehmen, sondern natürlich auch die Unternehmen der Vergleichsgruppe, deren Jahresergebnis ja ebenfalls bereinigt sein müsste. Hier stehen wir schon bei nationalen Vergleichen vor großen Unwägbarkeiten, noch mehr bei der Einbeziehung von Unternehmen anderer Länder mit anderen Steuerbelastungen und anderen Rechnungslegungsvorschriften. Eine große Hilfe zur Definition einer zweckmäßigen Ergebnisgröße und zur Sicherung der Vergleichbarkeit der Abschlusszahlen stellen die von Analystenvereinigungen entwickelten
2.1.4.3 FFO
71
Standards dar. So verwandten die Analysten bei HGB-Abschlüssen üblicherweise zur Berechnung des KGV statt des Jahresüberschusses das Ergebnis nach DVFA/SG, das wesentliche Teile dieser Sondereinflüsse auf das Ergebnis aufgrund ungewöhnlicher Ereignisse und dispositiver Maßnahmen herausrechnete.6 Inzwischen hat die DVFA auch für Abschlüsse nach IAS/IFRS ein Bereinigungskonzept entwickelt. Die Value Based Earnings sollen ein von allen Einflüssen, die nicht als regelmäßig wiederkehrend angesehen werden, bereinigtes Periodenergebnis darstellen, das „in erster Linie zur Prognose künftiger Unternehmenswerte bzw. Aktienkurse“7 geeignet sein soll.8 Zu den Bereinigungssachverhalten gehören nach diesen Standards auch die Ergebnisse aus Anlageabgängen. Dies ist aber für Immobilienbestandshalter nicht angemessen. Während bei Industrieunternehmen Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von Immobilien i.d.R. als atypischer Ergebnisbestandteil zu Recht zu bereinigen sind, gehört die Portfoliooptimierung und damit die Umschichtung des Bestands bei Immobilienunternehmen zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Die regelmäßige Eliminierung daraus entstehender Gewinne/Verluste ist deshalb hier nicht zu rechtfertigen. Veräußerungsgewinne/-verluste haben ordentlichen Ergebnischarakter. Es wird daher vorgeschlagen, diese Bereinigung bei Immobilienbestandshaltern nicht vorzunehmen, soweit die Veräußerungen im Rahmen der üblichen Bestandspflege erfolgen. Um die Ergebnisse transparent zu machen, sind die im Ergebnis enthaltenen Buchgewinne gesondert anzugeben. Künftig werden REITs nach deutschem und auch nach britischem Recht ihr Ergebnis nach der Fair Value-Variante von IAS/IFRS 40 zu ermitteln und auszuweisen haben. Im Ergebnis sind dann auch unrealisierte Gewinne und Verluste aus Wertveränderungen enthalten. In Fortführung ihrer Argumentation vertritt die Expertengruppe die Position, dass diese Wertveränderungen, auch wenn sie nicht realisiert sind, als Bestandteil des Periodenergebnisses behandelt werden sollen. Bei Unternehmen, die ihre Vermögenswerte und ihr Ergebnis nicht nach der Fair Value-Methode ausweisen, sollen daher Umrechnungen auf die Fair ValueVariante erfolgen. Diese Vorgehensweise ist konsistent mit den Empfehlungen der EPRA (siehe hierzu den Beitrag von Breuer in Teil 4 des Buches).
2.1.4.3 FFO In konsequenter Fortführung der Überlegung zur Definition einer geeigneten Periodenerfolgsgröße für Immobilienunternehmen hat die NAREIT,9 die US-amerikanische Standesor6
Vgl. Busse v. Colbe u.a. (2000)
7
DVFA (2006), S. 5
8
Auf ähnlichen Überlegungen basieren die Korrekturen, die S&P bei der Ermittlung von Core Earnings vornimmt, vgl. hierzu Standard & Poor`s (2005)
9
National Association of Real Investment Trusts
72
2.1.4 Enterprise Multiples als vereinfachte DCF-Verfahren
ganisation für REITs und andere Immobilienunternehmen, den Ausweis der Kennzahl FFO (Funds from Operations) empfohlen und in dem sog. White Paper on Funds from Operations10 Standards für ihre Berechnung und Ableitung aus den Jahresabschlusszahlen definiert. Die aktuelle Version stammt vom April 2002, der in 2003 und 2004 noch einige Präzisierungen und Änderungen folgten. Ausgangspunkt der Überlegungen der NAREIT war, dass das Net Income (der Jahresüberschuss) für den Vergleich von Periodenergebnissen und von Aktienkursen von REITs kein zufriedenstellendes und nützliches Maß darstellt. Denn nach den US-GAAP werden – wie nach HGB oder bei der Anwendung des Cost-Models nach IAS 40 – bei den Immobiliengesellschaften in der jetzt noch geltenden Rechnungslegungsvorschrift planmäßige Abschreibungen für die Gebäude angesetzt, die das ausgewiesene Jahresergebnis schmälern. Dem stehe aber – so die Argumentation – keine tatsächliche regelmäßige Wertminderung, ausgehend von den historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, gegenüber. Vielmehr sei die Entwicklung des relevanten Immobilienteilmarkts der dominante Treiber der Wertentwicklung der Immobilien. NAREIT war (und ist) daher überzeugt, dass für die Immobilienbranche der FFO als zusätzliches Maß des operativen Ergebnisses nützlich sei und sich als Basis eines Multiple eigne, das dem P/E-Multiple für andere Branchen vergleichbar sei.11 Die zur Ableitung des FFO am Net Income vorzunehmenden Korrekturen sind hauptsächlich folgende: • Die planmäßigen Abschreibungen auf Immobilien werden addiert, ebenso Abschreibungen auf Mietereinbauten und Mietforderungen. Abschreibungen, die aufgrund des Impairment Test anzusetzen sind, sollen dagegen nicht Bestandteil des FFO sein (also nicht wieder hinzugerechnet werden). Dies gilt auch für Abschreibungen auf andere Vermögensgegenstände. • Veräußerungsgewinne aus abschreibungsfähigen Immobilien (= Gebäuden) werden subtrahiert, Verluste addiert. • Für die Bereinigung der Gewinne und Verluste aus Verkäufen von Grundstücken und Wertpapieren wird ein Wahlrecht eingeräumt. • Das Ergebnis aus nicht fortgeführten Geschäftstätigkeiten (Discontinued Operations), das außerordentliche Ergebnis sowie die Ergebniswirkungen aufgrund von Änderungen in der Bewertung werden bereinigt (Gewinne subtrahiert, Verluste addiert). • Zusätzlich sind die auf die Minderheitsgesellschafter entfallenden Anteile an den Bereinigungen zu berücksichtigen. Praktisch alle REITs folgen dieser Empfehlung und fügen ihrem Jahresabschluss nach USGAAP und auch den Quartalsberichten eine Überleitungsrechnung des Net Income zum FFO bei. Ein Beispiel einer solchen Überleitungsrechnung zeigt Abbildung 2-3.
10
Vgl. NAREIT (2002)
11
Angesehene US-Lehrbücher der Immobilienwirtschaft sehen dies ähnlich; vgl. z.B. Brueggeman/Fisher (2008), S. 630 ff.
2.1.4.3 FFO
73
Abb. 2- 3 Überleitung (Reconciliation) der Net Earnings zum FFO am Beispiel des REIT Equity Residential Quelle: Financial Statements III/2006
Folgerichtig kommt dem FFO auch bei vielen Analysten ein großes Gewicht beim Vergleich der periodischen Performance und der Beurteilung der Angemessenheit und Entwicklungspotentiale der Aktienkurse von US-REITs zu und ist zur maßgeblichen branchenweiten Benchmark für den REIT-Periodenerfolg geworden. Im europäischen Raum dagegen wird der FFO fast durchgängig weder von den Immobilienunternehmen berechnet und ausgewiesen12 noch von den Analysten genutzt. Bei zunehmender positiver Entwicklung der europäischen REIT-Segmente und ihrer Attraktivität für US-Investoren ist aber durchaus zu erwarten, dass die Analysten der US-Investmentbanken auch vermehrt von europäischen REITs den Ausweis eines FFO wünschen oder gar fordern werden. Bei einer Bilanzierung der Immobilien nach dem Cost Model könnte der FFO dabei leicht aus den Value Based Earnings nach der Konzeption der DVFA abgeleitet werden, indem die vorgenommenen Abschreibungen auf die fremdgenutzten Immobilien wieder hinzugerechnet werden. Soweit – wie für die deutschen REITs ja Pflicht – die Immobilien zum Fair Value bilanziert werden, entfällt natürlich diese Korrektur. Der Jahresüberschuss enthält dann schon alle positiven oder negativen Wertveränderungen. Eines weiteren Maßes für das ope12
Auch die Best Practice Recommendations der EPRA sehen dies nicht vor.
74
2.1.4 Enterprise Multiples als vereinfachte DCF-Verfahren
rative Ergebnis im Sinne des FFO bedarf es dann nicht. Würde man allerdings der Logik der US-Lösung folgen, müssten dann aber über die historischen Anschaffungskosten hinausgehende Wertsteigerungen eliminiert werden. Das erscheint sachlich nicht gerechtfertigt und ist in den USA (vermutlich) nur Folge des fehlenden Ausweises der Fair Values. NAREIT und auch die den FFO ausweisenden REITs weisen deutlich darauf hin, dass der FFO kein Maß für die erwirtschafteten oder für die Ausschüttung verfügbaren Cash Flows darstellen könne und solle. NAREIT ermuntert daher die Unternehmen, zusätzliche Angaben zu solchen Bereinigungen zu machen, die zur Berechnung eines Adjusted Funds from Operations (AFFO) oder eines Funds (Cash) Available for Distribution (FAD oder CAD) führen. AFFO bzw. FAD/CAD werden – anders als der FFO – allerdings von NAREIT nicht formal definiert und auch in der Praxis nicht einheitlich behandelt. Die Anpassungen des AFFO zielen im Wesentlichen auf aktivierte und über die voraussichtliche Nutzungsdauer abzuschreibende Investitionen in bestehende Immobilien, die die Lebensdauer oder den Wert nicht nennenswert erhöhen und gleichzeitig − anders als die Immobilie selbst − einem tatsächlichen Werteverzehr unterliegen. Dazu gehören beispielsweise Modernisierungsaufwendungen, (Ersatz-) Investitionen in bestimmte Ausstattungsmerkmale (Möbel, Teppich, Einrichtungen u.ä.) und wiederkehrende Renovierungsaufwendungen wie Anstriche. Eine Korrektur der hierauf entfallenden Abschreibungen wäre demzufolge nicht sachgerecht. Üblicherweise erfolgt in den Anpassungen außerdem eine Rücknahme der von US-GAAP vorgeschriebenen Linearisierung der über die Mietdauer erwarteten Mieteinnahmen, z.B. bei mietfreien Zeiten oder Mietvorauszahlungen (straight line rents),13 sodass wieder der tatsächliche Zahlungsfluss angesetzt wird. Die Beobachtung des Price/FFO-Multiple im Zeitablauf vermag Hinweise auf mögliche Phasen der Über- oder Unterbewertung zu liefern. Abbildung 2-4 zeigt den Verlauf für die letzten 15 Jahre.
13
Vgl. NAREIT (2002); Block (2006), S. 145
2.1.4.3 FFO
75
Abb. 2- 4 Entwicklung des FFO Multiple für US-REITs
Während die Praxis weitgehend die Vorzüge des FFO als Performancemaß gegenüber dem Net Income betont,14 fällt das Urteil der Wissenschaft nicht ganz so eindeutig aus. So zeigen frühere Studien15 keine eindeutige Überlegenheit oder einen sicheren zusätzlichen Informationsnutzen des FFO im Vergleich zum Net Income oder anderen Performancemaßen. Andere Untersuchungen16 dagegen konnten einen solchen Zusatznutzen zur besseren Prognose künftiger Performance nachweisen. Higgins/Ott/Van Ness (2006) konnten eine nur sehr geringe positive Markt-(Kurs-)reaktion auf die Ankündigung der Etablierung des FFO-Standards in 1999 feststellen und interpretieren dies − sicher etwas problematisch − als Ausdruck eines vom Markt gering eingeschätzten zusätzlichen Informationswerts des FFO. Jüngere Untersuchungen kommen tendenziell zu einer positiveren Einschätzung des Informationsgehalts des FFO. So weisen Downs und Güner (2006) eine deutlich höhere Prognosequalität des FFO gegenüber dem Net Income nach und begründen dies mit der stärkeren Orientierung des FFO an den Cash Flows, die für die Bewertung maßgebend seien.17 Baik/Billings/Morton (2006) kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Bedeutung des FFO für die Investoren vor allem
14
Als Beispiel für eine Ausnahme: AMB Property Corporation betont in ihren Jahresabschlusserläuterungen, dass sie das Net Income für das geeignetste Performancemaß hält
15
Vgl. Vincent (1999); Fields/Rangan/Thiagarajan (1998)
16
Vgl. Graham/Knight (2000); Gentry/Kemsley/Mayer (2003); Tsang (2006)
17
Ähnlich argumentiert Tsang (2006), der auf die unterschiedliche Qualität der Abgrenzungen der beiden Maße abhebt
76
2.1.4 Enterprise Multiples als vereinfachte DCF-Verfahren
durch die Standardisierung seiner Ermittlung und seines Ausweises und damit durch die Einschränkung der Manipulationsmöglichkeiten erhöht hat. Wie oben bei der Diskussion des Periodenergebnisses schon deutlich geworden ist, bringt die Bilanzierung nach Fair Value gegenüber dem FFO einen eindeutigen Fortschritt, weil sie unmittelbar zu einem betriebswirtschaftlich sinnvollen Periodenergebnis führt. Die Ermittlung des FFO greift demgegenüber zu kurz und erscheint als Notlösung in Ermangelung des Ausweises von Fair Values und ihren Veränderungen in Jahresabschlüssen amerikanischer REITs. Analysten europäischer REITs sind damit in ihrer Informationslage besser gestellt. Sie bedürfen eines getrennten Ausweises eines FFO nicht, weil das auf der Basis des Fair Value ausgewiesene Ergebnis zutreffender ist als der FFO.
2.1.4.4 Andere Multiples Equity Multiples bereiten Schwierigkeiten, Unternehmen mit unterschiedlicher Kapitalstruktur, Steuerbelastung und Rechnungslegungsbasis korrekt zu vergleichen. Hier eignen sich Entity Multiples besser. Der Gesamtwert des Unternehmens wird hier als (von Vergleichsunternehmen abgeleitetes) Vielfaches des Ergebnisses vor Steuern und Zinsen (EBIT= Earnings Before Interest and Taxes), des Ergebnisses vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA= Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation) oder des Umsatzes geschätzt. Damit werden Vergleiche mit anderen Unternehmen auch bei unterschiedlicher Kapitalstruktur und/oder bei unterschiedlichem Investitionsverhalten (das sich in den Abschreibungen niederschlägt) und damit einhergehenden Unterschieden der nachhaltig zu erwartenden Gewinne möglich. Vor allem werden auch Vergleiche von Unternehmen mit unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften, beispielsweise hinsichtlich der Abschreibungsvorschriften und -möglichkeiten, und mit unterschiedlichen Steuersätzen aussagekräftiger. Den Analystenberichten zufolge kommt in der Immobilienwirtschaft vor allem dem EBITDA eine gewisse Bedeutung zu. Die Kennzahl EBITDA/Enterprise Value wird oft als Kennzahl der anfänglichen Gesamtkapitalrentabilität verstanden und kann so als Vergleichsgröße zur Nettoanfangsrendite bei direkten Immobilieninvestments dienen. Das EBITDA kann aber auch als eine Art operativer Cash Flow interpretiert werden, aber nicht im Sinne eines echten Zahlungssaldos oder gar des freien Cash Flows, der dem DCF-Verfahren in seinen Entity-Varianten zugrunde liegt.
2.1.4.5 Gesamteinschätzung In den Stärken der Anwendung von Multiples − der Einfachheit und der relativ geringen Ansprüche an Daten über die künftige Entwicklung − sind natürlich auch ihre Schwächen angelegt. Wesentliche mögliche Fehlerquellen sind die Auswahl der zum Vergleich herangezogenen Unternehmen und die Ermittlung der verwendeten Jahresabschlussgrößen.
2.1.4.5 Gesamteinschätzung
77
Allen Multiplikatoren ist gemeinsam, dass sie ein hohes Maß einer vergleichbaren operativen Tätigkeit der Peer Group wie auch eine hinreichende Zahl verfügbarer Gewinnschätzungen voraussetzen, um Rückschlüsse auf die Bewertungsfaktoren des Kapitalmarktes zuzulassen. Auf die geringe Homogenität der operativen Aktivitäten von Unternehmen, die gemeinhin als Immobiliengesellschaften zusammengefasst werden, haben wir schon hingewiesen. Reine Bestandshalter werden − leicht nachvollziehbar − andere Wertreiber aufweisen als Projektentwickler, Händler oder Dienstleister, Investments in Wohnimmobilien sind gemeinhin weniger risikoreich als in Gewerbeimmobilien. Die Zulassung von REITs wird hier aufgrund der Beschränkungen der Aktivitäten wenigstens ansatzweise die Vergleichbarkeit fördern. Die Nachhaltigkeit der bewerteten Gewinne ist außerdem auch von der Altersstruktur, eventuellen Instandhaltungsrückständen und dem Standort abhängig. Auch auf die Problematik der verwendeten Jahresabschlussgrößen und deren konkreter Berechnung haben wir mehrfach hingewiesen. Bei dem zu bewertenden Untenehmen selbst stellt sich vor allem die Frage der korrekten Ermittlung der Basisgröße und deren Repräsentativität (Nachhaltigkeit) für spätere Perioden. Die herangezogene Erfolgsgröße ist zum einen durch den anzuwendenden oder gewählten Rechnungslegungsstandard und die Ausnutzung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten und zum andern durch die nach bestimmten Standards vorzunehmenden Anpassungen und Abgrenzungen beeinflusst. Eine besondere Rolle spielen hier die Veräußerungsgewinne. Werden sie nicht bereinigt (wie hier vorgeschlagen), dann können sie das Ergebnis des Basisjahrs erheblich verzerren; werden sie − wie bei NAREIT für den FFO empfohlen − dagegen bereinigt, dann werden die Erträge von Immobilienunternehmen systematisch zu niedrig ausgewiesen. Die Abgrenzungsproblematik der Rechengrößen betrifft auch die Vergleichsunternehmen. Nur wenn sichergestellt ist, dass die Jahresabschlusszahlen der Peer Group nach der gleichen Logik und den gleichen Standards ermittelt worden sind, sind die berechneten Multiples eine verlässliche Basis für die Hochrechnung des Unternehmenswerts. Dies ist aber meist nicht gegeben. Letztlich ist zu konstatieren, dass Multiples daher als alleinige Methode nicht geeignet sind, den angemessenen Wert eines Immobilienunternehmens zu bestimmen. Ihr Nutzen ist vor allem in dem defensiven Sinne zu sehen, dass sie als eine ohne sehr großen Aufwand ableitbare Kontrollbasis für Unternehmenswerte dienen können, die auf andere Weise berechnet wurden. Zudem eignen sie sich als Signalwerte für mögliche Unter- oder Überbewertungen oder als Hinweise auf weiteren Analyse- und Erklärungsbedarf, wenn die Werte bestimmter Multiples einer gesamten (Teil-)Branche von ihrem langfristigen Durchschnitt oder die Multiplikatoren eines Unternehmens vom Durchschnitt der Peer Group deutlich und nachhaltig abweichen.
78
2.1.5 Der Net Asset Value (NAV)
2.1.5 Der Net Asset Value (NAV) als spezifische Methode der Wertfindung bei Immobilienunternehmen 2.1.5.1 Ökonomische Rechtfertigung des NAV als Wertbasis Als Folge der skizzierten Schwierigkeiten der Anwendung der DCF-Methoden und der Schwächen der Multiplikatorverfahren hat sich − alternativ oder zumindest ergänzend − für bestandshaltende Immobiliengesellschaften international die Bewertung nach dem Net Asset Value durchgesetzt. Der NAV leitet den Wert von Immobiliengesellschaften direkt aus den Werten der gehaltenen Immobilien ab. Er berechnet sich als Summe der Marktwerte des Vermögens, vermindert um die Schulden der Immobiliengesellschaft. Er ist also eine spezifische Variante der Einzelbewertungsverfahren und entspricht dem Reinvermögen einschließlich der stillen Reserven. Die Verwendung des NAV als Bewertungsbasis ist leicht begründbar und einsichtig: Der Wert einer Immobiliengesellschaft mit Bestandscharakter wird primär durch die nachhaltige Ertragskraft des Immobilienvermögens bestimmt, die wiederum maßgeblich im Marktwert des Immobilienbestands zum Ausdruck kommt. Berechnet man den Verkehrswert einer Immobilie als Gegenwartswert des Stroms der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben, so ergibt sich der Wert eines Immobilienunternehmens als Summe der einzelnen Verkehrswerte der Immobilien zuzüglich des Wertes anderer Vermögensgegenstände abzüglich des Gegenwartswertes der Schulden. Abbildung 2-5 gibt dies typisiert wieder.18
18
Quelle: Rehkugler (2003b), S.18
2.1.5.1 Ökonomische Rechtfertigung des NAV als Wertbasis
79
Unternehmenswert
Σ Ertragswerte + Wert sonstigen Vermögens - Fremdkapital
Immobilie 1 Immobilie 2 Immobilie 3
Immobilie 4 Immobilie 5
Ertragswert 1 Ertragswert 2 Ertragswert 3 Ertragswert 4 Ertragswert 5
.....
Immobilie n Ertragswert n
Abb. 2- 5 Unternehmenswert als Summe unverbundener Ertragswerte
Die unmittelbare Ableitung von Unternehmenswerten aus den Einzelwerten des gehaltenen Vermögens ist dann gerechtfertigt und entspricht der Logik der Diskontierung erwarteter Zahlungsströme, • wenn die einzelnen Vermögenswerte ihrerseits Ertragswerte sind, die sich aus der Diskontierung der durch sie ausgelösten Zahlungsströme berechnen, • wenn die Synergieeffekte, also die durch das gemeinsame Management und das Zusammenwirken der einzelnen Vermögensgegenstände bewirkte Wertschaffung, keine (große) Rolle spielen. Beides ist bei bestandshaltenden Immobiliengesellschaften tendenziell gegeben, nicht dagegen bei Unternehmen, die in größerem Umfang als Projektentwickler, Immobilienhändler oder Dienstleister tätig sind. Die national und international zur Bewertung von Immobilien genutzten Verfahren19 berechnen den Verkehrswert einer Immobilie als Gegenwartswert des Stroms der zukünftigen aus ihrer Nutzung erwarteten Einnahmen und Ausgaben, sind also ebenfalls Varianten eines DCF-Verfahrens, allerdings auf Objektebene. Immaterielle Vermögenswerte wie Goodwill, geschützte neue Produkte, Kundenbindungen, Human Resources bestimmen bei vielen Unternehmen, insbesondere der sog. New Economy, wesentlich die künftige Ertragskraft und damit den Unternehmenswert. Bei ImmobilienBestandshaltern spielen sie dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Auch die Synergieeffekte zwischen den einzelnen Immobilienobjekten halten sich in eher engen Grenzen. Die Einnahmen und Ausgaben sind daher dem einzelnen Objekt recht gut zuordenbar. Eine additive Verknüpfung der Ertragswerte der einzelnen Immobilienobjekte zum Gesamtunternehmenswert gilt damit ohne Gefahr allzu großer Bewertungsfehler als weithin gerechtfertigt und unproblematisch. 19
Vgl. hierzu die umfangreiche Literatur zu den Verfahren der Immobilienbewertung, insbes. das deutsche Standardwerk von Kleiber/Simon (2007)
80
2.1.5 Der Net Asset Value (NAV)
Bei einer solchen Betrachtung ist die Orientierung der Bewertung des Unternehmens am NAV naheliegend. Er repräsentiert nichts anderes als den Barwert der erwarteten künftigen Nettoüberschüsse aus der Nutzungsüberlassung der Immobilienobjekte (zuzüglich der Werte zusätzlicher Vermögensgegenstände) und spiegelt damit (meist) in hohem Maße den theoretisch richtigen Ansatz des Barwerts der künftigen Zahlungsüberschüsse des Gesamtunternehmens wider. Er kann damit als objektivierter Näherungswert zum „richtigen“ DCF-Wert interpretiert werden. Aus diesem Grund hat sich der NAV als eine zweckmäßige Methode für die Bewertung von bestandshaltenden Immobilienunternehmen in der Praxis der Unternehmensanalyse weitgehend durchgesetzt. Praktisch alle Branchen- oder Unternehmensreports europäischer Analysten und Investmenthäuser heben in besonderer Weise auf den NAV als zentraler Wertbasis für Immobiliengesellschaften ab. Auch in den USA gewinnt er als Basis der Prüfung der Angemessenheit von Marktpreisen von REITs zunehmend an Bedeutung. Daher findet sich in der Literatur fast durchgängig die Forderung bzw. der Vorschlag, für die Bewertung von bestandshaltenden Immobilienunternehmen den NAV als eine aussagefähige Wertbasis heranzuziehen.
2.1.5.2 Der NAV als gesetzliche Bewertungsregel für Offene Immobilienfonds Während sich der Preis von börsennotierten Immobiliengesellschaften am Markt frei bildet, sind Offene Fonds gesetzlich verpflichtet, einen Ausgabe- und Rücknahmepreis für ihre Anteile zu berechnen und diese auch bei der Ausgabe bzw. Rücknahme der Anteile zugrunde zu legen. Nach § 36 Abs. 1 InvG ist der Wert des Sondervermögens „auf Grund der jeweiligen Kurswerte der zu ihm gehörenden Vermögensgegenstände abzüglich der aufgenommenen Kredite und sonstigen Verbindlichkeiten“ zu ermitteln. Für Immobilienfonds kommt zusätzlich Abs. 3 zum Tragen. Danach ist für Vermögensgegenstände, die weder an der Börse zugelassen noch in einen organisierten Markt einbezogen sind oder für die kein handelbarer Kurs verfügbar ist, „der Verkehrswert, der bei sorgfältiger Einschätzung nach geeigneten Bewertungsmodellen unter Berücksichtigung der aktuellen Marktgegebenheiten angemessen ist, zugrunde zu legen.“ Der Wert des Sondervermögens ist bei Publikumsfonds von der Depotbank unter Mitwirkung der Kapitalanlagegesellschaft oder von der Kapitalanlagegesellschaft selbst börsentäglich zu ermitteln. Der Anteilswert ergibt sich daraus durch Teilung des Wertes des Sondervermögens durch die Zahl der in den Verkehr gelangten Anteile. Er ist, zuzüglich eines Ausgabeaufschlags oder abzüglich eines Rückgabeabschlags, „bei jeder Ausgabe oder Rücknahme von Anteilen, mindestens jedoch zweimal im Monat“ zu veröffentlichen. Spezialfonds können nach § 94 Abs. 4 InvG eine andere als die börsentägliche Ermittlung vereinbaren und sind von der Veröffentlichungspflicht befreit.
2.1.5.3 Berechnungsvarianten und Berechnungsschwierigkeiten
81
Damit hat der Gesetzgeber für ein Segment von indirekten Immobilieninvestments den NAV als Bewertungsregel festgeschrieben, an der auch die Novellierung des Investmentgesetzes nichts ändern wird. Der Markt hat damit eine eindeutige Orientierung. Sehen Analysten oder Investoren zusätzliche wertrelevante Faktoren, so vermag dies, im Gegensatz zu einer Bewertung von Immobilien-AGs und REITs, den Anteilswert und -preis nicht unmittelbar zu beeinflussen. Eine Marktreaktion ist nur über den Anteilskauf bei vermuteter Unterbewertung und Verkauf bei vermuteter Überbewertung möglich.
2.1.5.3 Berechnungsvarianten und Berechnungsschwierigkeiten Nach der obigen Definition lässt sich der NAV einer Immobiliengesellschaft wie folgt berechnen:
Schema I:
Verkehrswerte der Immobilien + Verkehrswerte sonstiger Vermögensgegenstände - Fremdkapital = Net Asset Value
Sachlich zu identischen Ergebnissen führt folgendes Berechnungsschema:
Schema II:
Verkehrswerte der Immobilien - Buchwerte der Immobilien + Verkehrswerte sonstiger Vermögensgegenstände - Buchwerte des sonstigen Vermögens + Eigenkapital zum Buchwert = Net Asset Value
Schema II orientiert sich mehr an Bilanzansätzen. Von den Verkehrswerten der Immobilien sowie der anderen Vermögensgegenstände werden deren Buchwerte subtrahiert. Die Differenzen zeigen die stillen Reserven. Durch Addition der stillen Reserven zum Eigenkapital ergibt sich der NAV. Der Verkehrswert einer Immobilie ist nun allerdings kein eindeutig ermittelbarer Wert. Zum einen stehen für seine Ermittlung mehrere Verfahren zur Verfügung, die zwar überwiegend als DCF-Varianten einzustufen sind, aber im Detail zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (können). Zum andern können (und werden in praxi auch) die Bewertungen auf differierenden Annahmen über die anzusetzenden künftigen Zahlungsströme und Diskontierungsfaktoren basieren. Für die sonstigen Vermögenswerte sind idealtypisch ebenfalls deren Marktwerte anzusetzen. Schwierigkeiten bereitet oft die Bewertung von Immobilien, die sich in der Entwicklung befinden (Development-Projekte). Die Marktwerte einschließlich der erwarteten Entwick-
82
2.1.5 Der Net Asset Value (NAV)
lungsgewinne stehen meist nicht zur Verfügung. Daher behilft man sich oft mit Buchwerten. Haben die Development-Projekte großen Umfang, dann kann deshalb der NAV größere Abweichungen zum „wirklichen“ Unternehmenswert aufweisen. Nach dem InvG ist das Fremdkapital zum Buchwert, das heißt zum Rückzahlungsbetrag, anzusetzen. Dabei wäre nach der Logik des NAV auch für das Fremdkapital eigentlich der Barwert der Rückzahlungsverpflichtungen der korrekte Wertansatz. Deren Verfügbarkeit und Höhe hängt bei nicht dem InvG unterliegenden Immobiliengesellschaften vom Rechnungslegungsstandard ab, der dem Jahresabschluss zugrunde liegt. Besondere Probleme kann es bereiten, wenn nicht eine „reine“ bestandshaltende Immobiliengesellschaft zu bewerten ist, sondern eine Gesellschaft, die auch andere Geschäftsfelder bedient. Deren Ertragswerte sind getrennt zu schätzen und dem NAV aus Immobilien hinzuzurechnen. Die Möglichkeiten des Analysten zur Schätzung eines „korrekten“ NAV sind damit wesentlich von der Datenbasis geprägt, die ihm zur Verfügung steht. Dies gilt vor allem für die Marktwerte der Immobilien selbst. Bei einer Bilanzierung nach HGB besteht keine Verpflichtung, den Marktwert des Immobilienbestands auszuweisen. Nach IAS 40 „Investment Property“, der für den Konzernabschluss börsennotierter Immobilienunternehmen nunmehr verpflichtend ist, sind dagegen die „Fair Values“ der fremdgenutzten Immobilien entweder in der Bilanz oder im Anhang auszuweisen und stehen daher unmittelbar für die Berechnung des NAV zur Verfügung. Verschiedene Immobiliengesellschaften geben die Verkehrswerte auch freiwillig in weiter aufgeschlüsselter Form an. Dies ist für Plausibilisierungen dieser Werte recht hilfreich. Die Best Practice Recommendations der EPRA empfehlen zusätzlich die Berechnung und den Ausweis des NAV insgesamt und je Aktie nach einem einheitlichen Schema. Damit finden wir hier einen der Ermittlung des FFO vergleichbaren Standard, der die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der NAV und damit seine Akzeptanz als Wertregel erheblich zu steigern vermag. Stehen die Verkehrswerte des Immobilienbestands nicht zur Verfügung oder will der Analyst den Wertangaben des Unternehmens nicht voll vertrauen, dann muss für die Ermittlung des NAV das Immobilienvermögen als Ganzes bewertet werden, indem von den erzielten Nettomieteinnahmen durch Ansatz eines Kapitalisierungszinssatzes auf den Wert des Immobilienbestands hochgerechnet wird.20 Insbesondere bei großen homogenen Beständen (z.B. Wohnimmobilien) ist diese Methodik durchaus anwendbar. Die sehr grobe Vorgehensweise weist jedoch einige Nachteile auf. Größen wie die Restlaufzeiten von Mieten, die Angemessenheit der aktuellen Mieten und die anstehende Vermietung aktuell leer stehender Flächen, Immobilienalter und -qualität, die in die Bewertung von Immobilien durch Sachverständige einfließen (müssten), finden hier
20
Zur Demonstration der Vorgehensweise sei auf die Unternehmensanalysen von Greenstreet Advisors, einem großen, unabhängigen amerikanischen Analysehaus, hingewiesen (greenstreetadvisors.com)
2.1.6.1 Vergleichskriterien
83
mangels Daten keine Berücksichtigung. Ebenso bereitet es große Schwierigkeiten, bei heterogenen Immobilienbeständen (nach Lage und Immobilientyp) geeignete und angemessene Mischkapitalisierungszinssätze zu finden. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten und der dadurch bewirkten Einschränkungen der Präzision der Wertfindung kommt dieser Vorgehensweise insbesondere in den USA große Bedeutung zu, da die US-REITs bislang nicht gehalten sind, den Wert ihrer Immobilienbestände auszuweisen. Nur vor diesem Hintergrund sind Aussagen zu bewerten und zu verstehen, der NAV sei das „least accurate measure of the value of an equity REIT.“21 Allerdings wird voraussichtlich in absehbarer Zeit auch für die nach US GAAP bilanzierenden Immobilienunternehmen die Bilanzierung der Immobilienbestände nach Fair Value verpflichtend werden oder zumindest optional möglich sein. Die Einführung des entsprechenden Rechnungslegungsstandards SOP 07-1 „Clarification of the Scope of the Audit and Accounting Guide Investment Companies and Accounting by Parent Companies and Equity Method Investors for Investments in Investment Companies“ ist zwar vom FASB (Financial Accounting Standards Board) auf unbestimmte Zeit verschoben worden, weil noch ungeklärte Teilfragen bestehen.22 Es wird aber interessant sein zu beobachten, wie die Bedeutung von FFO (und anderen erfolgsorientierten Multiples) und NAV sich in den Analyseberichten verschieben wird, wenn auch für die US-REITs die Marktwerte der Immobilien und damit die NAVs der Gesellschaften Eingang in den Jahresabschluss finden sollten.
2.1.6 Das Verhältnis von DCF und NAV 2.1.6.1 Vergleichskriterien Ein Vergleich der Bewertungsverfahren muss sich zuerst darauf richten, welches Verfahren der Wertfindung theoretisch korrekt, d.h. dem zu lösenden Bewertungsproblem angemessen ist. Ein theoretisch nicht (völlig) überzeugendes Bewertungsverfahren kann nur dann eine Berechtigung für seine Verwendung finden, wenn es im praktischen Einsatz gegenüber ei-
21
Goldman Sachs Investment Research (1999), S. 65
22
Vgl. hierzu z.B. Emrick (2006); FASB (2008)
84
2.1.6 Das Verhältnis von DCF und NAV
nem theoretisch korrekten Verfahren überlegen ist. Der mit seiner Anwendung in Kauf genommene Bewertungsfehler ist gegen den praktischen Vorteil abzuwägen. Dazu muss der Fehler in seiner Dimension messbar, zumindest beschreibbar sein. Nun ist in praxi eben dieser „richtige“ Wert nicht bekannt. Konkrete Vergleiche und Messungen der Abweichung von Werten nach einem DCF-Verfahren und nach dem NAV sind damit zum einen wegen des Fehlens dieser theoretisch korrekten Messlatte nicht sinnvoll. Zum andern sind sie meist auch praktisch nicht durchführbar, da zwar für die börsennotierten Immobiliengesellschaften von Analysehäusern oder den Unternehmen selbst NAVs berechnet und veröffentlicht werden, dagegen aber in aller Regel keine Unternehmenswerte nach DCF verfügbar sind. Im Grundsatz, nämlich der Ermittlung des Unternehmenswerts über künftige Einzahlungsüberschüsse, sind sich die Verfahren des Net Asset Value und des Discounted Cash Flow durchaus nahe. Beide Verfahren ermitteln den Eigenkapitalwert eines Unternehmens als Gegenwartswert künftig den Eigentümern zufließender Einzahlungsüberschüsse. Beim NAV werden diese Überschüsse allerdings auf der Ebene der Einzelobjekte erfasst, diskontiert und dann zu einem Gesamtwert zusammengeführt. Beim DCF-Verfahren in der Entity-Variante erfolgt die Erfassung und Diskontierung der Zahlungsüberschüsse auf der Ebene des Gesamtunternehmens.23 Unterschiede in der Bewertung zwischen dem NAV und dem DCF können damit nur auftreten, wenn entweder unterschiedliche Zahlungsströme erfasst werden oder die Zahlungsströme mit einem unterschiedlichen Zinssatz diskontiert werden.
2.1.6.2 Vergleich der erfassten Zahlungsströme Mögliche Gründe für Unterschiede in den erfassten Zahlungsströmen bei NAV und DCF können resultieren aus • einer unterschiedlichen Präzision und Detailliertheit, • unterschiedlichen Prämissen, • einer Unvollständigkeit ihrer Erfassung. Die Ableitung eines korrekten Unternehmenswerts nach einer DCF-Methode setzt eine möglichst präzise Prognose der Zahlungsströme für die künftigen Perioden voraus. Theoretisch sauber müssten, ausgehend von den einzelnen Immobilien, die aus ihrer Bewirtschaftung und ihrem späteren Verkauf zu erwartenden Ein- und Auszahlungen abgeschätzt werden und dann durch die zusätzlichen Zahlungsströme auf der Ebene des Unternehmens ergänzt werden. Informationen in dieser Detailliertheit werden meist, wie schon angesprochen, bei der 23
Daher sind die verschiedentlichen Äußerungen, es handle sich beim NAV nicht um einen Ertragswert, sondern um einen Substanzwert, unzutreffend. So ist die von Haub (1998), S. 156, angeführte Begründung für die Nutzung des NAV, der erwirtschaftete Ertrag spiele bei bestandshaltenden Immobilienunternehmen nur eine untergeordnete Rolle, die Substanz dagegen stelle einen Wert an sich dar, zumindest sehr missverständlich
2.1.6.2 Vergleich der erfassten Zahlungsströme
85
Vorbereitung von Börsengängen oder Unternehmensverkäufen erhoben. Dann bietet sich selbstverständlich der Einsatz eines DCF-Verfahrens an. Vor allem können dann auch investorspezifische Annahmen gesetzt werden. Externen Bewertern und Analysten fehlt aber meist der Zugang zu den erwarteten Zahlungsströmen der Einzelimmobilien sowie des Unternehmens insgesamt. Die Idee der Nutzung des NAV ist in diesem Fall, dass auf eigene Zahlungsstromschätzungen verzichtet werden kann. Vielmehr wird auf die Werte vertraut und aufgesetzt, die der Bewerter der Immobilien ermittelt hat. Diesem standen ja die Daten, z.B. über den Gebäudezustand, die Mietverträge und deren Marktgerechtigkeit sowie die regionale Marktsituation, in dem notwendigen hohen Detaillierungsgrad zur Verfügung. Dies bringt vor allem bei nicht homogenen Immobilienbeständen einen Gewinn an Präzision gegenüber einer pauschalen Schätzung von Zahlungsströmen, die auf Jahresmieterträgen oder dem Jahresüberschuss des Immobilienunternehmens aufsetzt. Die Erfassung künftiger Wertsteigerungen und potentieller Veräußerungsgewinne bereitet beim DCF zusätzliche Probleme. Dieser Aspekt bringt also ein eindeutiges praktisches Plus für den NAV, soweit seine Berechnung tatsächlich auf Einzelertragswerten der Immobilien beruht und bei Anwendung eines DCF-Verfahrens nicht auf Detailinformationen zu den einzelnen Immobilien zugegriffen werden kann. Wie beschrieben, unterstellt der NAV die Additionsregel, d.h. es wird unterstellt, dass sich der Wert des gesamten Immobilienunternehmens aus der Summe der einzelnen Vermögenswerte ergibt. Bei anderen Unternehmen würde die Additionsregel wohl als abwegig angesehen werden. Denn dies ist ja gerade die Philosophie unternehmerischer Tätigkeit, dass erst die Koordination der Produktionsfaktoren, der bilanzierten und nicht bilanzierungsfähigen Vermögensgüter wie des originären Goodwill und des Humanvermögens durch das Management die Ertragskraft und damit den Wert des Unternehmens bestimmt. Für Immobiliengesellschaften lässt sich dagegen durchaus argumentieren, dass diese Einflüsse nur eine untergeordnete Rolle spielen. Soweit sie sich in den Mieterträgen und niedrigeren Kosten für die Bewirtschaftung der Immobilien niederschlagen, sind sie ohnehin direkt über die Immobilienwerte erfasst. Gegenteilige Positionen hierzu vertreten Schulte und Matzen,24 ohne dass ihnen allerdings eine größenmäßige Abschätzung dieser Werteinflüsse möglich wäre. Die Additionsregel ist möglicherweise auch bei anderen Punkten verletzt. Bei der Berechnung des Ertragswerts der einzelnen Immobilien werden typischerweise von den Rohmieten nur die unmittelbar für das jeweilige Objekt anfallenden Bewirtschaftungskosten abgesetzt. Anstelle der tatsächlich je Objekt anfallenden Bewirtschaftungskosten werden verfahrensgemäß typisierte, also zwar objektart- und objektzustandstypische, aber nicht investorspezifische Prozentsätze angesetzt.25 Dies kann zu nicht unwesentlichen Abweichungen in den Zahlungsströmen und den Immobilienwerten führen.
24
Vgl. Schulte/Matzen (2003)
25
Vgl. z.B. bei Kleiber/Simon (2007), S. 1658 ff.
86
2.1.6 Das Verhältnis von DCF und NAV
Der Logik des NAV entsprechend bleiben auch die auf der Ebene des Gesamtunternehmens anfallenden zusätzlichen Leitungs- und Koordinationskosten außer Acht. Solche Kosten wie • • • • •
fixe und variable Entlohnung des Managements und des Aufsichtsrates, allgemeine Verwaltungskosten, Raum- und Raumnebenkosten, Kosten für externe Berater (z. B. Steuerberatung, Durchführung von Due Diligences), Kosten der Jahresabschlusserstellung und -prüfung (eigentlich schon in die Bewirtschaftungskosten einzurechnen), • Kosten der Gesellschafterversammlung und der Investor Relations können einen nachhaltigen Einfluss auf den Unternehmenswert haben. In der Standardvariante des NAV, so auch bei der Berechnung für die Offenen Fonds und bei den von den Immobilienunternehmen ausgewiesenen NAVs, wird auf eine entsprechende Korrektur verzichtet. Beim DCF hingegen sind diese Overheadkosten unmittelbar als Bestandteil des Zahlungsstroms des Immobilienunternehmens erfasst. Innerhalb der NAV-Methodik, die ja auf Vermögenswerte und Schulden abhebt, erscheint zwar in einer engen Betrachtung eine Berücksichtigung zusätzlicher Aufwandskomponenten als „Stilbruch“. Da man diese Aufwandskomponenten aber in einer erweiterten Sicht als indirekte Bewirtschaftungskosten interpretieren kann, halten wir es zur Berechnung eines „korrekten“ NAV für logisch zwingend, den NAV um den Barwert dieser zusätzlichen Overheadkosten zusätzlich zu kürzen. Wird der NAV indirekt aus der Kapitalisierung der Mieten ermittelt, so lassen sich die Overheadkosten direkt von den Nettomieterträgen absetzen, also schon vor der Kapitalisierung der Nettomieterträge berücksichtigen. Dies ist z.B. die Vorgehensweise von Greenstreet Advisors. Eine gewichtige Quelle für potentielle Zahlungsstromdifferenzen stellt auch der statische Charakter des NAV dar, statisch in dem Sinne, dass nur die Erträge aus den aktuell schon gehaltenen Immobilienbeständen einfließen können. Dagegen bleiben alle zusätzlichen Erträge aus dem potentiellen qualitativen oder quantitativen Wachstum des Bestands notwendigerweise unberücksichtigt. Für die nahe Zukunft ist dieses Problem durch die Schätzung des NAV für die nächste(n) Periode(n) behebbar, aber nicht grundsätzlich. Die angesprochenen Punkte haben deutlich gemacht, dass in der Tat bei NAV und DCF nicht vernachlässigbare Differenzen in den erfassten Zahlungsströmen und damit in den ermittelten Unternehmenswerten auftreten können.
2.1.6.3 Vergleich der Berücksichtigung der Steuern Eine spezifische Ausgabenkategorie, die nach allgemeiner Übereinstimmung bei der Bewertung von Unternehmen zu berücksichtigen ist, sind die Steuern. Denn unstreitig führen Steuerzahlungen auf die Substanz und den Ertrag des Immobilienobjekts bzw. des Unternehmens zu einer Verringerung der verfügbaren Zahlungsüberschüsse.
2.1.6.3 Vergleich der Berücksichtigung der Steuern
87
Auch die Anlagealternativen des Investors unterliegen typischerweise der Steuerbelastung. Daher ist auch der Diskontierungszinsfuß, der die Alternativrendite am Kapitalmarkt bei Anlage zu einem vergleichbaren Risiko zum Ausdruck bringt, um den Steuereffekt zu korrigieren. Die Berücksichtigung von Steuern bei den DCF-Varianten ist methodisch (weitgehend) klar, wenn auch in der konkreten Umsetzung in steueradjustierte Diskontierungssätze durchaus fehleranfällig. Dagegen wirft sie bei Anwendung des NAV wiederum einige Fragen auf. Denn bei der Ermittlung des Verkehrswertes für die einzelnen Immobilienobjekte und der Ableitung des NAV finden weder die Steuern auf die laufenden Nettomieterträge noch auf die Gewinne aus der Veräußerung von Immobilienbeständen explizit Eingang. In den Kommentaren zur Grundstücksbewertung wird die Meinung vertreten, dass die Steuerlast nicht explizit in den diskontierten Zahlungsströmen erfasst werde. Implizit finde der Steuereffekt aber bei Anwendung der Ertragswertmehtode über den Liegenschaftszins Eingang in die Wertfindung.26 In welcher Höhe welche Steuer enthalten ist, lässt sich aber nicht bestimmen. Die von der gif erarbeitete Empfehlung zur Standardisierung des DCFVerfahrens27 enthält keinerlei Hinweis auf die Berücksichtigung von Steuern. Keinesfalls kann also offensichtlich die „richtige“ Steuerlast erfasst werden, die aus dem steuerbaren Gewinn des gesamten Immobilienunternehmens abzuleiten wäre. Dieser aber entspricht – wie oben dargestellt – eben nicht einfach der Summe der Nettomieterträge, sondern ist um weitere Aufwendungen wie die Zinszahlungen (und die beschriebenen Overheadbelastungen) zu verringern. Der unternehmensspezifische Tax Shield lässt sich über den NAV nicht korrekt erfassen. Auch die beim Verkauf von Grundstücken erzielten Veräußerungsgewinne (als Differenz der Veräußerungserlöse und der Buchwerte verkaufter Grundstücke) sind grundsätzlich zu versteuern. Damit müsste der NAV c.p. um diese künftig drohende Steuerlast auf die stillen Reserven geringer angesetzt werden. Vermehrt wird diesem Aspekt inzwischen, auch den Empfehlungen der EPRA folgend,28 Rechnung getragen, indem zusätzlich ein NNAV (NAVs nach Abzug der latenten Steuerlast) ausgewiesen wird.29 Die praktische Schwierigkeit der Abschätzung der latenten Steuerlast besteht zum einen in der Höhe des anzusetzenden Steuersatzes, zum andern in dem Zeitpunkt, der für die Realisierung und damit für den Anfall der Besteuerung unterstellt wird.
26
Vgl. Kleiber/Simon/Weyers (1998), S. 659; auch die Wertermittlungsrichtlinien (WertR Nr. 3.5.4) führen aus, dass die üblichen steuerlichen Rahmenbedingungen schon berücksichtigt seien
27
Vgl. gif (2006)
28
Vgl. EPRA (2008) und den Beitrag von Breuer in diesem Buch
29
Werden zusätzlich zur steuerlichen Korrektur die Finanzinstrumente und das Fremdkapital, wie oben schon angesprochen, nicht mit ihren Buchwerten, sondern den Marktwerten angesetzt, dann resultiert ein triple net NAV oder NNNAV
88
2.1.6 Das Verhältnis von DCF und NAV
Für in Deutschland steuerpflichtige Unternehmen erlaubt § 6 b EStG jedoch, bei der Veräußerung aus Grund und Boden und Gebäuden entstehende Gewinne auf andere Immobilienobjekte zu übertragen. Dieses Instrument wird von den Immobiliengesellschaften in großem Umfang genutzt. Diese Steuerbefreiung bzw. -verschiebung müsste ebenfalls erfasst werden, was wiederum Schwierigkeiten bereitet. Soweit es sich um Inlandsimmobilien handelt, entfällt das Problem der Erfassung latenter Steuern praktisch für Offene Immobilienfonds und, aufgrund der Steuerbefreiung auf der Ebene des Unternehmens, künftig auch für G-REITs. Bei im Ausland gehaltenen Immobilien sind dagegen die bei einer Veräußerung evtl. anfallenden Steuern auf den Veräußerungsgewinn wertmindernd zu berücksichtigen. Auch die vergleichenden Darlegungen zur Berücksichtigung der Steuern haben damit deutlich gemacht, dass die DCF-Bewertung hier ohne Zweifel die angemessenere, auf einem bündigen theoretischen Konzept fußende Methode ist, weil sie die zu erwartende Steuerlast gleich auf der Ebene des Unternehmens erfasst.
2.1.6.4 Vergleich der Risikoerfassung und der Abzinsungsfaktoren Im Diskontierungszins zeigen sich die größten methodischen Unterschiede, die zu erheblichen Wertdifferenzen führen können. Bei den Varianten der DCF-Verfahren wird meist ein kapitalmarktorientierter, auf der Basis eines finanztheoretischen Modells (z.B. CAPM) abgeleiteter Vergleichszins angesetzt, der der durchschnittlichen erwarteten Rendite von Alternativanlagen an Finanzmärkten mit vergleichbarem Risiko entspricht. Nur das systematische Risiko der gemeinsamen Schwankung der Renditen des einzelnen Wertpapiers mit dem Wertpapiermarkt (meist repräsentiert durch einen Index) soll also in der Aktienrendite entgolten werden, nicht dagegen das spezifische („unsystematische“) Ertragsschwankungsrisiko des einzelnen Unternehmens aufgrund der individuellen Managementleistung oder gar das Ertragsrisiko der einzelnen von der Aktiengesellschaft gehaltenen Immobilien. Bei der Bestimmung der Ertragswerte der einzelnen Immobilien dagegen werden die nachhaltigen bzw. geschätzten künftigen Nettomieterträge mit dem Liegenschaftszinssatz bzw. einem All Risk Yield diskontiert. Dies ist der Zinssatz, mit dem der Verkehrswert von Grundstücken im Durchschnitt marktüblich verzinst wird. Der Liegenschaftszinssatz berücksichtigt nur die jeweiligen immobilienspezifischen Risiken, diese allerdings nicht auf den spezifischen Nutzer bezogen, sondern nach Nutzungsart (Wohnung, Büro etc.) und Makro(Region) und Mikrostandort (Gemeinde, Stadtteil) typisiert. Die mögliche und in der Regel angestrebte Reduktion der einzelnen immobilienspezifischen Risiken durch den Aufbau eines aus mehreren Objekten bestehenden Portfolios findet dagegen keinen Eingang in die Wertermittlung. Diese Zinssätze sind damit nur bedingt vergleichbar. Insbesondere berücksichtigt ein Kapitalmarktzinssatz auch Diversifikationseffekte durch geschickte risikomindernde Bildung von Immobilienportfolios und Effekte durch Ausnutzung des Verschul-
2.1.6.5 Gesamteinschätzung
89
dungshebels. Beides kann sachlogisch in isoliert ermittelten Verkehrswerten für einzelne Immobilienobjekte nicht enthalten sein. Die für die Bewertung einer Immobiliengesellschaft relevanten Kapitalkosten sind damit logisch nicht und sachlich wohl sehr selten identisch mit den Liegenschaftszinssätzen, die der Bewertung der Einzelimmobilien zugrunde liegen. Die Risiken einer Anlage am Kapitalmarkt bzw. beim Kauf einer Immobilienaktie werden sich zwar an den fundamentalen Risiken des Immobilienmarkts orientieren, aber zusätzlich von den Aktienmarktrisiken überlagert werden. Der Liegenschaftszins kann dieses Gesamtrisiko des Unternehmens nicht adäquat berücksichtigen. NAV und „echter“ Unternehmenswert werden damit selbst bei Unterstellung gleicher Zahlungsüberschüsse in aller Regel nicht identisch sein können. Wiederum spricht aus theoretischer Sicht alles für das DCF-Verfahren. Wo und in welchem Umfang allerdings die größeren „Fehler“ in der praktischen Anwendung auftreten, bleibt der empirischen Überprüfung verschlossen.
2.1.6.5 Gesamteinschätzung NAV und DCF können damit aus nachvollziehbaren Gründen zu recht unterschiedlichen Unternehmenswerten kommen. Aus theoretischer Sicht ist eindeutig das DCF-Verfahren die adäquate Methode der Bewertung. Dies trifft natürlich auch für die Offenen Fonds zu, deren gesetzlich vorgeschriebene Bewertungsregel damit betriebswirtschaftlich-theoeretisch nicht zu halten ist. Die entscheidende Frage ist, ob man – wie Schulte und Matzen – als Folge der Analyse so weit gehen soll, in der Verwendung des NAV eine Ursache für die schlechte Entwicklung der deutschen Immobilien-AGs zu sehen und als Quintessenz ihrer offenkundigen methodischen Schwächen die „Abwendung von der NAV-Methode“30 zu fordern, oder ob man den NAV dennoch als brauchbare praktische Methode akzeptiert. Kein vernünftiger Bewerter und Analyst wird „ohne Not“ ein „richtiges“ Verfahren durch ein falsches ersetzen. Der Einsatz des NAV macht daher nur dann Sinn, • wenn die notwendigen Daten für die Anwendung des DCF für das zu bewertende Unternehmen oder für Vergleiche mit anderen Unternehmen nicht vorliegen (bzw. die Schätzungen zu grob sind), oder • wenn die Bewertung nach dem DCF zu aufwendig wäre, oder • wenn der NAV als Kontrollwert zur Plausibilisierung von Bewertungen nach dem DCF benutzt wird. Die weite internationale Verbreitung der NAV-Methode kann als Beleg gelten, dass die Analysten und Investoren die beiden ersten Punkte für meist zutreffend halten und die NAVBewertung als durchaus brauchbares Instrument zur näherungsweisen Bewertung von Im-
30
Schulte/Matzen (2003), S. 403
90
2.1.7 Wert und Preis von Immobiliengesellschaften: NAV vs. Börsenkurs
mobiliengesellschaften einschätzen. HSBC bringt die Gründe hierfür auf den einfachen Nenner: „The logic is that property company net assets are relatively easily realisable and provide valuation transparency on the basis of regular and independant valuations to open market value.”31
2.1.7 Wert und Preis von Immobiliengesellschaften: NAV vs. Börsenkurs Preis und Wert sind zwei unterschiedliche ökonomische Kategorien. Die Empirie zeigt denn auch, dass teilweise nicht unerhebliche Abweichungen der für Anteile an Immobiliengesellschaften gezahlten Preise von den ermittelten Unternehmenswerten auftreten. Da auf DCFMethoden basierende Unternehmenswerte nicht regelmäßig und systematisch ermittelt und veröffentlicht werden, können für umfassende Vergleiche von Preisen und Werten den tatsächlich realisierten Börsenkursen nur die von den Analysehäusern regelmäßig berechneten NAVs gegenüber gestellt werden. Das Verhältnis dieser beiden Werte spielt denn auch die dominante Rolle in der Analyse von Immobiliengesellschaften. Festgestellte Abweichungen lassen sich (idealtypisch) auf bestimmte Einflussfaktoren zurückführen. Damit müsste grundsätzlich auch klärbar sein, ob der Preis oder der Wert die „richtige“ Größe ist. Ein Börsenwert hat zwar immer das Argument für sich, dass er Ausdruck tatsächlichen Marktverhaltens ist. Im Gegensatz zu den DCF- und NAV-Werten sind Börsenkurse keine fiktiven Größen, sondern aktuelle, tatsächlich gezahlte Preise, denen letztlich auch Bewertungen des Unternehmens durch die Käufer und Verkäufer zugrunde liegen. Es erschiene aber nur dann angebracht, sie als den „richtigen“ Wert und Abweichungen vom NAV als gerechtfertigt zu interpretieren, wenn der Markt immer perfekt wäre und sich die Marktteilnehmer immer rational verhielten. Basiert der Börsenkurs jedoch auf übertrieben positiven oder negativen Erwartungen und auf sonstigen Marktineffizienzen, sind die Differenzen zum NAV nicht fundamental gerechtfertigt. Längerfristig orientiert sich der Kurs von Immobiliengesellschaften offenbar durchaus am NAV, entwickelt sich aber im täglichen Geschehen an der Börse eigenständig und kann sich dem gesamten Börsengeschehen nicht völlig entziehen. Abbildung 2-6, die schon in letzten
31
HSBC Global Research (2006), S. 24
2.1.7 Wert und Preis von Immobiliengesellschaften: NAV vs. Börsenkurs
91
Beitrag enthalten war und noch mehrfach in diesem Buch aufzugreifen sein wird, lässt erkennen, dass der Index der US-REITs, mit zwischenzeitlich allerdings immer wieder beträchtlichen Abweichungen, auf längere Sicht fast gleichgewichtig um den NAV schwankte, im Schnitt sogar leicht über dem NAV lag.
Abb. 2- 6 Premiums/Discounts des NAREIT-Index zum NAV; Quelle: Greenstreet Advisors (August 2008)
Für die europäischen Immobiliengesellschaften, ein Mixtum aus steuerlich transparenten und steuerlich nicht transparenten Börsenwerten, zeigt Abb. 2-7 ein grosso modo ähnliches Bild, aber mit einem Kursverlauf auf deutlich niedrigerem Niveau, d.h. im Durchschnitt mit einem Discount.
Abb. 2- 7 Premiums/Discounts zum NAV für europäische Immobiliengesellschaften; Quelle: Kempen (2008), S. 22
92
2.1.7 Wert und Preis von Immobiliengesellschaften: NAV vs. Börsenkurs
Die einzelnen Gesellschaften vermögen sich vom Durchschnittsverlauf mehr oder weniger stark abzukoppeln. Sie werden mit teilweise kräftigen Zu- und Abschlägen von über 50 % zum/vom NAV gehandelt. Damit bedarf es einer Erklärung sowohl der generellen Abweichungen des Gesamtmarkts als auch von spezifischen Abweichungen des Kursverlaufs einzelner Immobiliengesellschaften vom Marktdurchschnitt. Die generelle Börsenbewertung löst sich vom NAV vor allem aufgrund • der anderen Kapitalmarktlogik des Diskontierungszinsfußes, • der schnelleren Anpassung an Marktveränderungen, • des steuerlichen Status als REIT. Wir hatten schon erläutert, dass die kapitalmarktspezifischen Diskontierungszinssätze von Unternehmenserträgen einer grundsätzlich anderen theoretischen Logik folgen als die Liegenschaftszinssätze bei der Bewertung von Einzelimmobilien. Die Bewertung von Immobilien erfolgt meist nur einmal pro Jahr und folgt den Marktveränderungen träge. Die Börse reagiert dagegen meist sofort auf relevante Entwicklungen an den Immobilien- und Kapitalmärkten, zudem nicht erst bei tatsächlichen Änderungen von Zinsund Mietniveaus, sondern schon bei deren Erwartung. Letzteres gilt auch für den steuerlichen Status. Hat ein Staat den REIT-Status eingeführt oder plant er dies ernsthaft, dann werden die daraus resultierenden Steuervorteile in die Börsenkurse eingepreist. So hat sich in den letzten Jahren, vor allem unter dem Einfluss der Erwartung der Einführung des REIT-Status in Frankreich, Großbritannien und Deutschland, der dort bislang überwiegende Discount deutlich zugunsten von Aufschlägen auf den NAV gewandelt. Für das einzelne Immobilienunternehmen sind Discounts und Premiums vor allem aufgrund der bei Vergleich von NAV und DCF angesprochenen Unterschiede in den erwarteten Zahlungsströmen gerechtfertigt. Diese sind insbesondere geprägt durch die (vermutete) Qualifikation und Qualität des Managements, die sich in einer Erfolg versprechenden Strategie, dem Immobilienmix, der Ausnutzung des Verschuldungshebels und den daraus resultierenden Wachstumserwartungen des Periodenergebnisses niederschlägt. Gründe für einen Wertabschlag können zudem in Insiderproblemen, Interessengegensätzen zwischen Gesellschaftergruppen und vor allem auch in der mangelnden Transparenz und schlechten Informationspolitik der Immobiliengesellschaften liegen. Auch Kapitalmarktineffizienzen wie mangelnde Liquidität aufgrund eines geringen Free Floats und geringer Börsenumsätze einzelner Aktienwerte sowie irrationale Verhaltensweisen der Marktteilnehmer können zu Kursabweichungen vom NAV führen. Wir werden auf diese Begründungen und den durch die Faktoren tatsächlich verursachten Wertdifferenzen in weiteren Beiträgen, insbesondere in dem Beitrag von Zajonz und Rehkugler, noch ausführlich eingehen.
2.1.8 Überrenditemodelle als Brücke zwischen DCF, NAV und Börse
93
2.1.8 Überrenditemodelle als Brücke zwischen DCF, NAV und Börse Einige Analysten benutzen inzwischen einen Typus eines Bewertungsmodells, der geeignet erscheint, das Konzept der Diskontierung künftiger Zahlungsströme mit dem NAV zu verbinden und darüber zu einer Abschätzung der „fairen“ Abweichung des Börsenkurses vom NAV zu gelangen. Die grundsätzliche Idee, die hinter allen Konzepten der wertorientierten Unternehmensteuerung steht, ist einfach und einleuchtend: Wenn ein Unternehmen auf das eingesetzte Kapital eben gerade so viel verdient wie die von den Kapitalgebern geforderte Rendite, dann wird durch die Unternehmenstätigkeit kein zusätzlicher Wert geschaffen. Liegt die erwirtschaftete Rendite über den Kapitalkosten, dann wird ein zusätzlicher Wert geschaffen und dann ist auch ein Aufschlag des Börsenkurses auf den Wert des eingesetzten Kapitals gerechtfertigt. Unter den Kapitalkosten liegende Renditen führen dagegen zu einem Abschlag. Zur Anwendung auf Immobilienunternehmen und zur Ableitung der Höhe des gerechtfertigten Premiums oder Discounts zum NAV sind – vereinfacht dargestellt - folgende Schritte notwendig: 1. Berechnung des investierten Kapitals. Betriebswirtschaftlich korrekt ist hier der Marktwert des eingesetzten Kapitals anzusetzen. Für den Wert des Eigenkapitals bietet sich hierzu der NAV an. Der Analyst kann auf die Jahresabschlussangaben des Unternehmens vertrauen oder eigene Anpassungen vornehmen. 2. Schätzung/Berechnung der erwarteten Periodenüberschüsse auf das eingesetzte Kapital. Wie beim DCF sind hier für einige Perioden detaillierte Planzahlen anzusetzen, während für die weitere Zukunft eine Durchschnittsschätzung ausreichend ist. Die erwirtschaftete Rendite je Periode errechnet sich durch Division des Periodenüberschusses durch das investierte Kapital. 3. Berechnung/Schätzung des „fairen“ Kapitalkostensatzes. Die Ableitung orientiert sich, wie bei den DCF-Verfahren, an kapitalmarkttheoretischen Modellen. 4. Die Differenz zwischen der voraussichtlich erwirtschafteten Periodenrendite und den Kapitalkosten (der Spread) wird mit dem eingesetzten Kapital multipliziert. Daraus errechnen sich die Wertzuwächse oder Wertvernichtungen je Planperiode. Diese sind dann wiederum mit dem Kapitalkostensatz zu diskontieren. 5. Die Summe der diskontierten Wertzuwächse und Wertvernichtungen lässt sich dann dem NAV gegenüberstellen. Die prozentuale Abweichung zeigt den gerechtfertigten Zu- oder Abschlag des Börsenkurses zum/vom NAV an. Wir haben die Beschreibung der heranzuziehenden Größen bewusst sehr allgemein gehalten, weil hier wiederum Equity- und Entity-Varianten benutzt werden können. So arbeitet z.B. Kempen & Co. mit einem Equity-Modell, bezieht also die Periodenüberschüsse, das einge-
94
2.1.9 Zusammenfassung
setzte Kapital und die Kapitalkosten direkt auf das Eigenkapital, also den NAV.32 Bei der HSH Nordbank dagegen kommt ein Entity-Modell zum Einsatz, dessen Komponenten und Arbeitsweise im Beitrag von Goronczy (irn Teil 5) im Detail beschrieben werden. Dort wird dann auch aufgezeigt, dass sich dieses Bewertungs- bzw. Wertüberprüfungsverfahren nicht nur für börsennotierte Immobiliengesellschaften, sondern auch zur Analyse von Offenen Immobilienfonds eignet.
2.1.9 Zusammenfassung Als Quintessenz und damit Basis der weiteren Beiträge und Untersuchungsschritte lässt sich festhalten: Es gibt keinen strukturellen Grund für eine unterschiedliche Logik und unterschiedliche Verfahren der Bewertung von bestandshaltenden Immobiliengesellschaften, die durch ihr spezifisches rechtliches „Kleid“ (Fonds, Immobilien-AGs, REITs) verursacht oder gerechtfertigt wäre(n). Die Bewertung auf der Basis von DCF-Verfahren stellt −wie bei Unternehmen anderer Branchen auch − die fundamental zutreffende Vorgehensweise dar. In der praktischen Anwendung ist sie mit den gleichen Schwierigkeiten der Schätzung der „richtigen“ Zahlungsströme und der Wahl des „richtigen“ Diskontierungsfaktors wie bei anderen Unternehmen konfrontiert. Auch die relative Bewertung über Multiples ist mit gleichen Schwächen wie bei anderen Unternehmen behaftet. Die große Bedeutung von meist unregelmäßig anfallenden Veräußerungserträgen erschwert sogar noch das Ansetzen eines Periodenergebnisses als repräsentative „Startbasis“ für die Multiplikatoren. Die Bewertung nach dem NAV erweist sich als eine meist gute Näherung. Weil sie auf Zukunftserfolgswerten der einzelnen Immobilienobjekte aufsetzt und damit den überwiegenden Teil künftiger Zahlungsströme von Unternehmen erfasst, ist sie für Immobiliengesellschaften eine angemessene Methode. Des Weiteren ist sie für Offene Immobilienfonds die gesetzlich vorgeschriebene Wertermittlungsmethode. Ausgehend vom NAV bedarf es der zusätzlichen Analyse von Ursachen gerechtfertigter Abweichungen des Unternehmenswertes und der Abschätzung von deren Umfang. Überrenditemodelle vermögen durch die Verknüpfung und den Vergleich von Bewertungen nach DCF und nach dem NAV hierzu einen wichtigen Beitrag zu leisten. 32
Vgl. Kempen (2008), S. 175 ff.
1.2.4.6 Beseitigung der steuerlichen Unstimmigkeiten
95
Teil 3 Renditen und Risiken im Vergleich 3.1
Konzepte und Probleme der Messung von Renditen und Risiken indirekter Immobilien.........................................................................97
3.2
Renditen und Risiken deutscher indirekter Immobilienanlagen ......117
3.3
Renditen und Risiken indirekter Immobilienanlagen im internationalen Vergleich ............................................................147
3.4
Der Einfluss der Besteuerung auf die Vorteilhaftigkeit der indirekten Immobilienanlagen ...................................................161
3.5
Rendite- und Risikostrukturen bei Spezialfonds ..............................191
3.6
Diversifikationseffekte verbriefter Immobilienprodukte .................205
3.7
Risikoverstärkende Effekte bei börsennotierten Immobiliengesellschaften: Repräsentieren verbriefte Immobilien den Aktien- oder den Immobilienmarkt? .........................................251
3.8
Risikoeffekte von REIT-Neuemissionen..........................................285
3.1
Konzepte und Probleme der Messung von Renditen und Risiken indirekter Immobilien
Heinz Rehkugler / Matthias Thomas / Daniel Piazolo 3.1.1
Einführung
98
3.1.2
Messung von Renditen indirekter Immobilienanlagen
99
3.1.2.1 Renditedefinitionen, Renditebestandteile, Renditemaße.........................................99 3.1.2.1.1 Renditemessung bei Immobilienaktiengesellschaften...........................................100 3.1.2.1.2 Renditemessung bei Offenen Immobilienfonds ....................................................101 3.1.2.2
Probleme ................................................................................................................103
3.1.3
Risiko
105
3.1.3.1 Risikobegriffe, Risikoverständnisse, Risikomaße .................................................105 3.1.3.1.1 Risikobegriffe und Risikoverständnisse ................................................................105 3.1.3.1.2 Statistische Risikomaße .........................................................................................107 3.1.3.2
Probleme ................................................................................................................111
3.1.4
Zweidimensionale Performancemaße
112
3.1.5
Quintessenz
115
3.1.1 Einführung Für die Beurteilung von Immobilieninvestments gelten die gleichen Kriterien wie für jede sonstige Kapitalanlage. Für erwerbswirtschaftlich orientierte Investoren sind die dominanten Entscheidungskriterien die erzielbare Rendite und das dafür von ihnen einzugehende Risiko. Soweit Immobilienanlagen nicht an organisierten Kapitalmärkten gehandelt werden, ist zusätzlich, als ein spezifischer Typs des Risikos, das Kriterium der Liquidierbarkeit zu berücksichtigen, also die Möglichkeit oder Schwierigkeit der jederzeitigen Umwandlung in liquide Mittel. Das Ziel der Verwaltbarkeit stellt auf den finanziellen, zeitlichen oder intellektuellen Aufwand ab, den der Anleger zur Suche von Anlagealternativen, zur Beschaffung von bewertungsrelevanten Informationen und zur laufenden Beobachtung und Betreuung zu tragen hat. Liquidierbarkeit und Verwaltbarkeit lassen sich zu großen Teilen über die dadurch ausgelösten Kosten operationalisieren und damit über Rendite und Risiko mit erfassen, werden aber in praxi bei Vergleichen erzielter Renditen und eingegangener Risiken meist vernachlässigt. Zumindest für private Haushalte mit in aller Regel kleineren Anlagebeträgen spielt auch die Frage der Stückelung (Teilbarkeit) eine wesentliche Rolle. Zusätzlich können nichtmonetäre Aspekte relevant sein, so in zunehmenden Umfang die Beachtung ethischer, sozialer oder ökologischer Standards. Diese auf die Vor- und Nachteile eines Einzelinvestments konzentrierte Sicht genügt aber nicht. Es gilt vielmehr, die einzelnen Anlagen so zu kombinieren und zu mischen, dass der Anlegernutzen dadurch so weit wie möglich gesteigert werden kann. Die Auswahl von Kapitalanlagen hat daher nicht (nur) nach den erwarteten Renditen und Einzelrisiken, sondern nach ihrem Beitrag zur Reduzierung des Gesamtrisikos des Vermögensportfolios, also ihrem Diversifikationspotential, zu erfolgen. In diesem Beitrag wollen wir uns auf die Messung von Renditen und Risiken konzentrieren. Dem Diversifikationspotential von indirekten Immobilienanlagen ist später ein getrennter Beitrag gewidmet. Um Renditen und Risiken unterschiedlicher Anlagevarianten fair zu vergleichen, bedarf es zum einen der Anwendung der richtigen Messmethode, wenigstens der gleichartigen Messung, und zum andern der Heranziehung zutreffender empirischer Daten. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit, ist aber in der praktischen Umsetzung oft nicht gewährleistet. Denn die Methodik der Messung von Renditen und Risiken ist nicht so einheitlich und ein-
3.1.2.1 Renditedefinitionen, Renditebestandteile, Renditemaße
99
deutig, wie es wünschenswert wäre. Wir beabsichtigen hier allerdings nicht, einen kompletten Überblick über Ansätze zur Performancemessung zu geben.1 Vielmehr wollen wir zum einen die Methoden vorstellen, die im nachfolgenden Beitrag zur Messung von Renditen und Risiken indirekter Immobilienprodukte benutzt werden, und zum andern auf verschiedene methodische und praktische Probleme hinweisen, die hierbei zu beachten und zu bewältigen sind.
3.1.2 Messung von Renditen indirekter Immobilienanlagen 3.1.2.1 Renditedefinitionen, Renditebestandteile, Renditemaße Die Rendite oder Rentabilität misst den relativen Zuwachs des Vermögens, der innerhalb eines definierten Zeitraums erreicht wird. Für das Investitionsmanagement ist dabei sowohl die vergangenheitsorientierte als auch die zukunftorientierte Sichtweise relevant. Unter Rendite wird das prozentuale Verhältnis des erzielten Vermögenszuwachses zum eingesetzten Kapital verstanden. Zur ihrer Ermittlung ist also die Messung des Vermögenszuwachses und des eingesetzten Kapitals erforderlich. Die beiden Größen können als Bruttooder Nettowerte definiert werden. Bei Nettowerten werden nicht nur die unmittelbaren Zahlungsströme aus der Immobilienanlage, sondern auch alle zusätzlich entstandenen Einnahmen und Ausgaben, wie z.B. Transaktionskosten oder steuerliche Belastungen bzw. Vorteile, berücksichtigt. Letztlich sollte ein Vergleich von Renditen unterschiedlicher Kapitalanlagen immer aus der Sicht des Investors erfolgen, also unter Berücksichtigung der bei ihm entstehenden steuerlichen Be- und Entlastungen und sonstigen Zahlungen. Dies erfordert aber die Kenntnis eben dieser investorspezifischen Gegebenheiten. Da dies selten der Fall ist, ist ein Ausweg, mit typisierten Annahmen, z.B. über durchschnittliche Steuersätze und (zur Verteilung von Transaktionskosten) durchschnittliche Haltedauern zu arbeiten. In der Praxis der Renditeberechnungen und -ausweise wird allerdings meist „radikaler“ vorgegangen und auf
1
Hierzu sei auf die umfangreiche Literatur zur Performancemessung hingewiesen; einen guten Überblick bietet z.B. Fischer (2000)
100
3.1.2 Messung von Renditen indirekter Immobilienanlagen
die direkte Berücksichtigung der Ebene des Investors verzichtet. In die Renditeberechnung gehen damit nur auf der Ebene der Gesellschaft bzw. des Fonds berechnete Kapitalbestände bzw. erzielte Überschüsse, zu tragende Steuerbelastungen und festgestellte Wertveränderungen ein. Die Vorgehensweise bei Immobiliengesellschaften und Offenen Immobilienfonds ist dabei formal weitgehend identisch, unterscheidet sich aber in den spezifisch eingehenden Daten.
3.1.2.1.1 Renditemessung bei Immobilienaktiengesellschaften Auch auf der Ebene der Immobiliengesellschaft selbst lassen sich zwei unterschiedliche Ansatzpunkte der Renditeberechnung unterscheiden. So kann zum ersten die auf das eingesetzte Eigenkapital erzielte Rendite auf der Basis der Zahlen des Jahresabschlusses berechnet werden. Hierzu wird der Jahresüberschuss zum durchschnittlich gebundenen bilanziellen Eigenkapital in Beziehung gesetzt.2 So berechnete Renditen, wegen der Orientierung an den Buchhaltungszahlen auch Buchrenditen genannt, sind jedoch potentiell fehlerhaft, wenn aufgrund der Vorschriften oder Wahlrechte der Rechnungslegung die Wertansätze nicht dem tatsächlich gebundenen Kapital entsprechen und/oder die Gewinnermittlung nicht alle ökonomisch verursachten Wertveränderungen erfasst. So wird sich bei einer börsennotierten, ihren Abschluss nach IAS erstellenden Immobiliengesellschaft allein schon die Entscheidung für das Cost-Model oder das Fair Value-Model in möglicherweise erheblich differierenden Renditeausweisen niederschlagen. Beide Modelle vermögen es wiederum nicht, Veränderungen des originären Firmenwerts in den Erträgen und damit den Renditen zu erfassen. Daher wird beim Vergleich der Performance von Einzelassets und Assetklassen gemeinhin für die Berechnung von Aktienrenditen ein zweiter Weg beschritten. Hierfür werden zwei Renditequellen unterschieden: die an den Investor fließenden Ausschüttungen und die Veränderungen des Aktienkurses während der Betrachtungsperiode. Die ersten werden periodisch realisiert, die zweite Komponente besteht aber aus unrealisierten Gewinnen/Verlusten, die eintreten würden, wenn die Aktien zum Ende der Betrachtungsperiode verkauft worden wären. Damit ist die Möglichkeit der getrennten Betrachtung von Ausschüttungs- bzw. Cash FlowRenditen und Wertveränderungsrenditen gegeben. Die Standardformeln für Periodenrenditen sind folgende: Ausschüttungsrendite:
2
RM =
CFt Vt −1
Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit Berechnungsvarianten und ihren Vor- und Nachteilen vgl. z.B. Rehkugler (2001)
3.1.2.1 Renditedefinitionen, Renditebestandteile, Renditemaße Wertveränderungsrendite: R W =
Gesamtrendite: mit:
RG =
101
Vt − Vt −1 Vt −1
Vt − Vt −1 + CFt Vt −1
CFt
= Ausschüttung bzw. Netto-Cash-Flow im Zeitpunkt t
Vt, t-1
= Preis bzw. Wert der Aktie im Zeitpunkt t bzw. t-1.
3.1.2.1.2 Renditemessung bei Offenen Immobilienfonds Diese Methode der Berechnung der Rendite kann selbstverständlich auch bei Offenen Immobilienfonds benutzt werden. Deren Rendite wird folglich ermittelt, indem die Differenz der Anteilspreise zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten auf den Anteilspreis zu Beginn des Betrachtungszeitraums bezogen wird. Der Anteilspreis errechnet sich, indem der Wert des Sondervermögens durch die Zahl der in den Verkehr gelangten Anteile dividiert wird. Der Wert des Sondervermögens wird − wie schon im Kapitel zur Bewertung beschrieben − nach der Bewertungslogik des NAV berechnet. Er ergibt sich demnach aus den Verkehrswerten der Liegenschaften, den Kurswerten der Liquiditätsanlagen und den Werten der sonstigen Vermögensgegenstände. Davon sind die aufgenommenen Kredite, sonstigen Verbindlichkeiten und Rückstellungen abzuziehen. Eine in diesem Zeitraum eventuell stattgefundene Ertragsausschüttung ist zu berücksichtigen. Die Rendite eines Fonds aus der Sicht eines Anlegers errechnet sich damit analog zu der einer Immobiliengesellschaft: Gesamtrendite: mit:
RG =
Vt − Vt −1 + CFt Vt −1
CFt
= Ausschüttung im Zeitpunkt t
Vt, t-1
= Preis bzw. Wert des Fondsanteils im Zeitpunkt t bzw. t-1.
Im Anteilspreis sind sämtliche Erträge und Wertänderungen der Liegenschaften, der Liquiditätsanlagen und des sonstigen Vermögens enthalten. Für die Ausschüttung werden davon jedoch im Wesentlichen nur die ordentlichen Erträge verwendet, um die Substanz des Fonds nicht anzugreifen. Die Performancekomponenten Offener Immobilienfonds können somit in drei wesentliche Quellen aufgeteilt werden: 1. Laufende Erträge Eine grundlegende Säule der Performance sind die laufenden Erträge. Die ordentlichen Erträge aus Mieteinnahmen in- und ausländischer Grundstücke sowie aus Beteiligungen
102
3.1.2 Messung von Renditen indirekter Immobilienanlagen
an Grundstücksgesellschaften stellen dabei den größten Anteil dar. Die Erträge aus den Liquiditätsanlagen bringen ebenfalls einen bedeutenden Erfolgsanteil. 2. Veräußerungsgewinne und -verluste Durch den Verkauf von Liegenschaften und Wertpapieren zu Preisen, die von ihren Buchwerten abweichen, können Veräußerungsgewinne oder -verluste realisiert werden. Anfallende Veräußerungsgewinne stehen ebenfalls zur Ausschüttung zur Verfügung und sind, unter Beachtung der jeweiligen Spekulationsfrist, für den Anleger steuerfrei. 3. Wertänderung des Vermögens Eine weitere wesentliche Komponente ist die Wertänderung des Liegenschaftsvermögens. Die Liegenschaften werden bei den Offenen Immobilienfonds mit dem jeweils aktuellen Verkehrswert ausgewiesen. Da jedes einzelne Objekt mindestens einmal pro Jahr durch den Sachverständigenausschuss neu bewertet werden muss, können sich Änderungen des Verkehrswertes ergeben. Diese Wertänderungen sind unrealisierte Gewinne oder Verluste. Offene Immobilienfonds legen einen Teil ihrer Liquidität – je nach Kapitalmarktsituation – am Geld- oder Kapitalmarkt an. Die Kurswertänderungen und Erträge der Wertpapiere beeinflussen ebenfalls den Anteilspreis. Auch Währungskursveränderungen ausländischer Immobilien oder Liquiditätsanlagen in Fremdwährungen können sich – soweit keine Kurssicherungen vorgenommen wurden – auf den Anteilspreis auswirken. Ausländische Mieterträge sind – soweit sie bereits versteuert sind und Doppelbesteuerungsabkommen mit den jeweiligen Ländern bestehen – für den Anleger im Inland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei.3 Die Ausschüttung ist in der beschriebenen Form genau genommen nur dann korrekt in der Renditeberechnung berücksichtigt, wenn sie am Ende der Betrachtungsperiode erfolgt. Fließen die Ausschüttungsbeträge schon früher zu, dann müsste korrekterweise die Verzinsung für die Zeit bis zum Periodenende zusätzlich angesetzt werden. Vereinfachend wird hier verschiedentlich folgender Korrekturfaktor angesetzt.
$ "#" ! AWvAt AWvAt −1 AWvA = Anteilswert vor Ausschüttung im Jahr t bzw. t-1 Dies spiegelt die Reinvestitionsprämisse wider, die aufgrund der Nichtverfügbarkeit des Anteilsscheinpreises zum Ausschüttungszeitpunkt erforderlich ist, führt aber nur dann zu einer korrekten Renditeberechnung, wenn die Ausschüttung gleich zum Anfang der Periode erfolgte und wenn der angesetzte Wertzuwachs auch der Wiederanlagerendite des Investors entspricht.
3
Progressionsvorbehalt bedeutet, dass die ausländischen steuerfreien Einkünfte lediglich bei der Festsetzung des individuellen Steuersatzes des jeweiligen Anlegers berücksichtigt werden. Vgl. IPD GmbH (2006), S. 29
3.1.2.2 Probleme
103
3.1.2.2 Probleme Über das eben angesprochene Problem der Verfügbarkeit der benötigten Daten über den Zeitpunkt von Zahlungen hinaus sind einige schwerer wiegende Probleme anzusprechen, die einer Vergleichbarkeit der ermittelten Renditen indirekter Immobilienanlagen entgegen stehen, sie zumindest erschweren. So hatten wir schon angemerkt, dass aus Vereinfachungsgründen meist die auf der Ebene des Investors zusätzlich renditerelevanten Faktoren unberücksichtigt bleiben. Dies bedeutet, dass die für den Vergleich der Renditen von Immobilienaktien und Fondsanteilen sehr unterschiedlichen Transaktionskosten keinen Eingang finden. Ein womöglich wesentlich größeres Hemmnis der Vergleichbarkeit von Renditen indirekter Immobilienanlagen resultiert aus der unterschiedlichen Datenbasis, die für ihre Berechnung herangezogen wird. Zwar suggerieren die benutzten und beschriebenen Formeln Identität der Berechnung. Aber diese Identität ist nur formal. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass bei der Aktienanlage mit den Börsenkursen Transaktionswerte im Sinne von tatsächlich beobachtbaren und grundsätzlich realisierbaren Marktpreisen der gesamten Gesellschaft die Grundlage bilden, während die Anteilswerte bei den Fonds auf Bewertungen basieren, die sich zudem nicht auf die Gesellschaft als solche richten, sondern aus der Summe der Werte der einzelnen Vermögensgegenstände errechnen. Damit ist in zweifacher Hinsicht mit unterschiedlichen Wertansätzen für Immobilienaktien und Immobilienfonds sowohl für die errechnete periodische Wertdifferenz als auch für das eingesetzte Kapital zu rechnen. Dass eine Unternehmensgesamtbewertung, wie sie der Börsenkurs darstellt, aus rationalen wie irrationalen Gründen von der Summe der Werte der einzelnen Vermögensgüter, auch wenn diese „richtig“ ermittelt sind, abweichen kann, ist schon bei der Diskussion des NAV im vorigen Kapitel erläutert worden. Der Grund für die Abweichungen kann aber auch in der fehlerhaften Bewertung der Vermögensgüter liegen. Eine Ursache liegt in der Natur des Bewertungsprozesses und wird als „Lack of Confidence“ bezeichnet. Bewertungen sind trotz Objektivierungsbemühungen ein subjektiver Vorgang, bei denen der bewertende Sachverständige keine Gewissheit haben kann, ob der ermittelte Verkehrswert den „wahren“ Marktwert widerspiegelt. Bei wiederkehrenden, regelmäßigen Bewertungen von Grundstücken wird sich ein Sachverständiger stets an dem vorherigen Wertgutachten orientieren und dieses in sein aktuelles Bewertungsergebnis einfließen lassen.4 Ein evtl. gesehener Anpassungsbedarf der Werte wird häufig auch, um allzu heftige Ausschläge zu vermeiden, auf mehrere Perioden der Anpassung verteilt. Diese Smoothing-Effekte beeinflussen die ermittelte Rendite sowohl auf Einzelgrundstücksebene als auch bei der Aggregation der Bewertungsergebnisse der einzelnen Grundstücke in einem Fonds. Die tatsächlichen Wertveränderungen am Markt, die sich bei realisierten Transaktionen beobachten lassen, gehen damit in die regelmäßigen Bewertungen der Bestandsimmobilien nur abgeschwächt und verzögert ein. 4
Vgl. Geltner (1989), S. 469
104
3.1.2 Messung von Renditen indirekter Immobilienanlagen
Ein besonderes Problem stellt bei Offenen Immobilienfonds die Berechnung unterjähriger Renditen dar. Natürlich lassen sich mit der genannten Formel auch hierfür die Renditen leicht ermitteln. Die Fehleranfälligkeit liegt aber im unterjährigen Ansatz des Anteilswerts. Werden, was für Fonds üblich ist (und auch den gesetzlichen Anforderungen genügt), die Immobilien nur einmal jährlich bewertet, dann gehen die zwischenzeitlich eingetretenen Wertveränderungen nur insoweit ein, wie die Objekte schon neu bewertet sind. Würden hypothetisch alle Bewertungen erst am Ende der jeweiligen Periode vorgenommen, dann kämen die während der Periode eingetretenen Wertveränderungen im ausgewiesenen Anteilswert gar nicht zum Tragen bzw. verändern ihn dann schlagartig. Würden also alle Immobilien zu einem Stichtag bewertet werden, so würde bei steigenden Immobilienmärkten ein Investor, welcher kurz vor diesem Stichtag Anteile erwirbt, gegenüber einem Investor, der das gesamte Jahr über Anteile gehalten hat, überdurchschnittlich von der Wertsteigerung profitieren. Es erscheint daher vernünftiger, die Bewertungen möglichst gleichmäßig über das Jahr zu verteilen, um eine Ballung von Neubewertungen zu bestimmten Stichtagen zu vermeiden (Rollierende Bewertung). Da somit nur ca. 1/12 der Immobilien pro Monat bewertet werden, wirken sich Änderungen am Immobilienmarkt über entsprechende Verkehrswertänderungen der jeweiligen Immobilien abgemildert auf den Anteilswert aus. Steigen beispielsweise die Preise am Immobilienmarkt um 10 % im ersten Halbjahr und wird gleichzeitig unterstellt, dass die Hälfte des Immobilienportfolios in diesem Zeitraum bewertet wurde und die Sachverständigen die Wertentwicklung der Immobilien marktkonform ermittelt haben, so wären diese Immobilien um 10 % im Wert gestiegen. Wird hingegen das gesamte Immobilienportfolio betrachtet, so wurde im betrachteten Zeitraum eine durchschnittliche Wertsteigerung von ca. 5 % erzielt, da sich die Verkehrswerte der im ersten Halbjahr nicht bewerteten Immobilien nicht verändert haben. Durch die gleichmäßige Verteilung der Bewertungen über das Geschäftsjahr ist der Anlageerfolg des Investors vom Timing des Investments weniger stark abhängig. Andererseits wird − wie das Beispiel ja ebenfalls zeigt − die Wertveränderung deutlich flacher und führt zu einer gegenüber den tatsächlichen Wertveränderungen Markt abgeschwächten Anpassung. Diese Problematik der Bewertungseffekte kann durch die Methode nach Geltner mit folgender Formel5 korrigiert werden:6
rtu =
(r − (1 − α )r ) t
*
* t −1
α
rtu
= bereinigte Rendite
rt*
= geglättete Rendite
α
= Bereinigungsfaktor (α = 1 für den Fall unbereinigter Renditen).
5
Vgl. Geltner (1993), S. 330
6
Vgl. Geltner (1991), S. 5-7
3.1.3.1 Risikobegriffe, Risikoverständnisse, Risikomaße
105
Laut empirischen Untersuchungen sollte für die USA der Bereinigungsfaktor zwischen 0,33 und 0,50 liegen.7 Der Bewertungseffekt ließe sich durch kürzere Bewertungsintervalle zumindest reduzieren. So haben die im Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI) zusammengeschlossenen deutschen Investmentgesellschaften am 24.01.2006 ein freiwilliges Maßnahmenpaket zur Unterstreichung der Qualität und Stärkung des Produkts „Offener Immobilienfonds“ bekannt gegeben, wonach unter anderem die im Gutachten festgehaltenen Werte alle sechs Monate durch einen Sachverständigen zu überprüfen sind.8
3.1.3 Risiko Das Risiko stellt neben der Rendite die zweite Dimension des traditionellen Investitionsentscheidungsraums dar, ist jedoch wesentlich schwieriger zu erfassen. Auf der einen Seite bereitet die genaue Definition dieses Begriffs erhebliche Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite ist auch die Wahl der Messmethode problematisch. Das gesuchte Risikomaß sollte in einem numerischen Ausdruck das gesamte Investitionsrisiko zusammenfassen und in mathematische Formeln umsetzbar sein. Für die meisten populären Finanzinstrumente, vor allem für die Wertpapiere, stehen den Investoren bereits entsprechende Ansätze zur Verfügung. Sie können auch bei den indirekten, an organisierten Märkten gehandelten Immobilieninvestitionen grundsätzlich ohne weiteres angewendet werden. An den zuvor diskutierten Vergleich von Renditen anknüpfend, stellt sich auch bei den Risiken das Problem ihrer korrekten und vergleichbaren Messung, das wiederum durch die gleichen Faktoren geprägt sein wird.
3.1.3.1 Risikobegriffe, Risikoverständnisse, Risikomaße 3.1.3.1.1 Risikobegriffe und Risikoverständnisse Das Risiko kann generell als Unsicherheit (Risiko im weiteren Sinne) oder nur als eine messbare Abweichung von geplanten bzw. durchschnittlichen Größen (Risiko im engeren 7
Vgl. Geltner (1993), S. 343
8
Vgl. BVI (2006), S. 3f.
106
3.1.3 Risiko
Sinne) definiert werden. Für die Zwecke der Auswahl von Kapitalanlagen wird nur die zweite engere Bedeutung verwendet. Die Voraussetzung dafür ist, dass das Risiko mittels einer Zahl ausgedrückt werden kann. Welche Messmethode bzw. -methodenklasse dabei angewendet wird, hängt vor allem vom individuellen Risikoverständnis ab. Es existieren zwei populäre Ansätze zum Verständnis von Risiko. Nach dem symmetrischen, schwankungsbasierten Ansatz kann das Risiko als jede Abweichung vom Plan verstanden werden, was bei Investitionen die Verfehlung der Zielrendite bedeutet. Es ist dann unwichtig, ob sie unter- oder überschritten wurde. Die Zielrendite kann sowohl als ein Punkt als auch als ein Intervall definiert werden, in der Regel wird hier aber die erwartete Rentabilität der Investition verwendet. Eine alternative Sichtweise bietet der asymmetrische Ansatz, in dem das Risiko auf die negative Entwicklung begrenzt wird. Nur die Unterschreitung einer bestimmten Ziel- oder Mindestrendite ist in diesem Fall relevant. Mehrere Werte können dabei sinnvoll als Zielrenditen eingesetzt werden. Die Verwendung der Null-Rendite würde das Streben nach der nominalen Werterhaltung, die Verwendung der Inflationsrate das Streben nach der realen Werterhaltung bedeuten. Weiterhin ist auch die Nutzung des risikofreien Zinssatzes oder der erwarteten Rentabilität ökonomisch plausibel. Dem Risiko wird in diesem Ansatz die Chance gegenübergestellt, die in der Überschreitung der Renditemarke besteht. Diese Sichtweise entspricht besser dem intuitiven Risikoverständnis der meisten Anleger, die zwar Risiken vermeiden möchten, aber nicht die Chancen. Das Gesamtrisiko einer Anlage kann in das systematische und das unsystematische Risiko unterteilt werden. Der erste Begriff bezieht sich auf die Risiken, die für den ganzen Markt gelten (Marktrisiken). Eine Vermeidung oder eine Senkung dieser Risiken ist grundsätzlich nur durch den Ausstieg aus dem jeweiligen Markt möglich. Dagegen werden von den unsystematischen Risiken nur Einzeltitel betroffen – ihre Quellen liegen in den spezifischen Eigenschaften der betroffenen Objekte und Finanzinstrumente (spezifische Risiken). Unter den Marktrisiken werden hier die Risiken verstanden, die den gesamten Markt bzw. den jeweiligen Teilmarkt betreffen und sich auf das allgemeine Niveau der Mieten, die Immobilienpreise oder andere marktweite Faktoren auswirken. Im Gegensatz dazu sind die spezifischen Risiken auf eine bestimmte Liegenschaft begrenzt, d.h. auf ihre Lage, den Zustand, die Mieterstruktur etc. Risiko im bisher beschriebenen Sinne kann als Längsschnittrisiko bezeichnet werden. Es geht um das Risiko der Abweichung der realisierten von den erwarteten bzw. durchschnittlichen Renditen im Zeitablauf. Im Sinne einer Querschnittsanalyse kann als Anlegerrisiko auch das Risiko gesehen werden, dass die Rendite des konkret gewählten Anlageobjekts (der Aktie, des Fonds) vom Durchschnitt der Rendite der jeweiligen Assetklasse negativ abweicht. Im Weiteren werden einige typische statistische Kennzahlen vorgestellt, die zur Messung von Risiken anhand von historischen Renditen herangezogen werden. Ihre Vorteile bestehen vor allem in der Einfachheit der Berechnung wie auch in der Vergleichbarkeit mit anderen Anlagen.
3.1.3.1 Risikobegriffe, Risikoverständnisse, Risikomaße
107
3.1.3.1.2 Statistische Risikomaße Volatilität Die Volatilität ist ein statistisches Maß der Streuung von Renditen. Sie wird mit der Standardabweichung gemessen, die als Quadratwurzel aus der Summe der quadrierten Abweichungen der Renditen vom Mittelwert definiert wird. Die Formel zu Berechnung der Standardabweichung ist folgende:
σˆ =
1 n (R i − R )2 ∑ n − 1 i =1
N Ri
= Anzahl der Perioden = Rendite der Anlage i
R
= durchschnittliche Rendite
Eine hohe Volatilität bedeutet, dass die Renditen stark streuen und dass es wahrscheinlich ist, dass die realisierten Renditen sowohl höher als auch geringer als erwartet ausfallen. Eine besondere Interpretation dieser Kennzahl ist möglich, wenn die Renditen normalverteilt sind, d.h. wenn die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen möglichen Renditewerte durch die Gausssche Kurve beschrieben wird. Diese Verteilung wird vollständig durch den erwarteten Wert (µ) und die Standardabweichung (σ) der Renditen definiert. Von besonderer Bedeutung ist zudem die Symmetrieeigenschaft der Normalverteilung. Anhand der Fläche unter der Normalverteilungskurve kann darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, mit welcher eine bestimmte Rendite übertroffen oder unterschritten wird.
108
3.1.3 Risiko
Wahrscheinlichkeit
Symmetrischer Risikobegriff
1 Standardabweichung
2 Std.abw. 3 Std.abw.
Erwartungswert (Durchschnitt)
Rendite
68,3% 95,5% 99,7% Abb. 3.1- 1 Volatilität bei Normalverteilung der Renditen
Ausfallwahrscheinlichkeit und Value-at-Risk Ein wesentlicher Nachteil der Volatilität als Risikomaß ist, dass auch die Chance der Erzielung einer überdurchschnittlichen Rendite als Risiko interpretiert wird. Dabei möchten die Investoren nur die Gefahren und nicht die Chancen vermeiden. Dieser Sichtweise entsprechen die schon erwähnten asymmetrischen Risikomaße. Normalerweise sollten die Schwankungen nach unten und nach oben längerfristig im Gleichgewicht bleiben. Es spielt dann keine Rolle, ob man ein symmetrisches oder ein asymmetrisches Risikomaß verwendet, in beiden Fällen sind die Relationen der betrachteten Anlagen bezüglich deren Risikos gleich. Wenn aber die Schwankungen in eine Richtung überwiegen, kann die Verwendung von symmetrischen Risikomaßen zu Unter- bzw. Überschätzung des Risikos führen. Einige empirische Untersuchungen der Renditen von direkten Immobilieninvestitionen deuten darauf hin, dass sie eher asymmetrisch verteilt sind und häufiger unter dem erwarteten Wert liegen.9 Da die Renditen von Offenen Immobilienfonds sich großenteils aus den Renditen direkter
9
Vgl. Wüstefeld (2000), S. 68 ff.
3.1.3.1 Risikobegriffe, Risikoverständnisse, Risikomaße
109
Immobilien ableiten, könnte dies bedeuten, dass die asymmetrischen Risikomaße für diese Anlagen besser geeignet sind. Zu den asymmetrischen Risikomaßen, die nur negative Entwicklungen berücksichtigen, gehört die Ausfallwahrscheinlichkeit (Shortfall Probability). Sie liefert die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Mindestrendite unterschritten wird. Eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 2 % bei einer Mindestrendite von 5 % bedeutet also, dass die Rentabilität der betrachteten Investition nur in 2 von 100 Fällen unter 5 % fällt. Wenn die Null-Mindestrendite gewählt wird und die Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,1 % ermittelt wird, heißt es, dass bei der Investition ein nominaler Verlust nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 % eintreten kann. Meistens wird diese Kennzahl anhand von historischen Daten geschätzt. Nach der Bestimmung der Parameter µ und σ und der Festlegung der Mindestrendite RMin wird sie anhand folgender Formel ermittelt.10
R Min − µ σ
Ausfallwahrscheinlichkeit = Φ mit:
Ф(.)
- Funktion der Standardnormalverteilung.
Sie kann, wie aus Abbildung 3.1-2 zu ersehen ist, auch als die Fläche unter der Verteilungsfunktion links von RMin interpretiert werden.
Abb. 3.1- 2 Ausfallwahrscheinlichkeiten 10
Vgl. Poddig/Dichtl/Petersmeier (2003), S. 133 ff.
110
3.1.3 Risiko
Ein Nachteil der Ausfallwahrscheinlichkeit als Risikomaß ist, dass nur die Wahrscheinlichkeit des Verlustes berücksichtigt wird. Beachtet wird nur die Tatsache, dass die Mindestrendite unterschritten wird, aber nicht das Ausmaß der Unterschreitung. Dabei ist es nicht ohne Bedeutung, ob im Verlustfall nur geringfügige oder sehr große Verluste zu erwarten sind. Dieses Problem kann durch die Verwendung anderer asymmetrischer Risikomaße (z.B. der Semivarianz oder der Lower Partial Moments höherer Ordnung) vermieden werden. Beta-Koeffizient Die bisher dargestellten Kennzahlen sind zur Messung des gesamten Risikos einer Investition geeignet. Für viele Investoren ist jedoch nur das systematische Risiko relevant, d.h. das Ausmaß, in dem das Risiko einer Anlage mit der Marktentwicklung verbunden ist. Der Beta-Koeffizient wird als Maß des systematischen Risikos interpretiert. Formell gesehen ist es ein Koeffizient in einem Modell, das die Rendite einer Anlage mit der Marktentwicklung erklärt (Single-Index-Modell). Er kann als ein Maß für das Marktrisiko interpretiert werden, das mit der Anlage übernommen wird. Der Markt wird dabei durch einen Index dargestellt. Das Single-Index-Modell erklärt die Rendite der untersuchten Anlage durch die Rendite eines Indexes bzw. eines repräsentativen Portfolios. Dieser Sachverhalt wird durch folgende Gleichung beschrieben: Ri = αi + βi RI + εi Ri RI α i, βi εi
= erwartete Rendite einer Anlage i = Rendite eines Indexes I = Modellparameter = Störfaktor.
Der Beta-Koeffizient (βi) stellt den Multiplikator dar, um den sich die Rendite der Anlage i bei einer Änderung der Rendite des Indexes I ändert. Liegt er über 1, reagiert die Anlage stärker auf die Änderung des Indexes, liegt er unter 1 sind die Reaktionen schwächer. Bei einer Steigerung von Indexrenditen z.B. um 10 % wird die Rendite einer Anlage mit dem Beta von 1,2 um 12 % und die Rendite einer Anlage mit dem Beta von 0,8 um 8 % steigen. Das Beta ist folglich ein Sensitivitätsmaß und kann mit folgender Formel ermittelt werden:
ßi = σ i, σ I σiI ρiI
σ iI σ = ρ iM i 2 σI σI = Standardabweichung der Anlage i und des Indexes I = Kovarianz der Anlage i und des Indexes I = Korrelation zwischen der Anlage i und dem Index I.
3.1.3.2 Probleme
111
3.1.3.2 Probleme Mit der Messung von Risiken indirekter Immobilienanlagen könnten drei unterschiedliche Probleme verbunden sein. Zum ersten wäre zu klären, ob die Renditen überhaupt einer Normalverteilung folgen, die Verteilungen also durch Mittelwert und Standardabweichung ausreichend beschrieben werden können. Zumindest für die Immobilien-AGs lässt sich die Annahme der Normalverteilung nicht halten. Für Immobilienfonds sind unseres Wissens die Verteilungseigenschaften der Renditen noch nie untersucht worden. Zum zweiten könnte das Ergebnis davon abhängig sein, welches Risikoverständnis unterstellt und welches den Anlegern tatsächlich gerecht wird. Obwohl Befragungen von Privatanlegern immer wieder zeigen, dass Risiko gemeinhin ausschließlich als negative Abweichung, als Downside Risk, empfunden wird, hat sich weltweit die Benutzung von Schwankungsrisikomaßen wie der Volatilität durchgesetzt. Das wohl entscheidende dritte Problem knüpft unmittelbar an die Argumente zur Fehlerhaftigkeit der Messung der Fondsrenditen an. Treten die beschriebenen Effekte des Smoothing aufgrund des Bewertungsverhaltens der Sachverständigen auf, dann schlägt sich dies unmittelbar auch in einem abgeschwächten Ausweis der Renditeschwankung nieder. Wie der anschließende Beitrag zeigen wird, weisen viele offene Immobilienfonds Volatilitäten von unter einem Prozent auf. Dies ist sicher zum Teil den fast risikolosen liquiden Anlagen geschuldet. Betrachtet man aber die teilweise doch heftigen Schwankungen der Immobilienindizes verschiedener Länder (die ja zusätzlich auch noch durch Smoothing-Effekte abgeschwächt sein können), in denen die deutschen Offenen Publikumsfonds in zunehmendem Maße investiert sind, dann liegt es durchaus nahe, einen gewissen Einfluss der Bewertung auf die ermittelte geringe Volatilität zu unterstellen. Dieses Problem verschärft sich noch, wenn – was verschiedentlich geschieht – Volatilitäten auf der Basis unterjähriger Renditedaten berechnet werden. Denn im Grenzfall einer Neubewertung aller Immobilien zum gleichen Zeitpunkt kommt es dann während der anderen Zeit zu (bis auf die geringen Schwankungen bei den Finanzanlagen) gar keinen Veränderungen der Renditen und damit zu keiner Volatilität. Auch bei sukzessiver Bewertung von Teilen des Immobilienbestands ändert sich daran nicht viel. Ist damit der Offene Immobilienfonds eine Institution, die das Anlagerisiko weitgehend beseitigen kann? Aufgrund der meist breiten Streuung der Anlagen und des oft hohen Anteils liquider Anlagen zu Teilen sicher. Zu anderen Teilen sind die niedrigen Volatilitäten aber schlicht die Folge der bewertungsbasierten Messung der Renditen mit ihren Abschwächungseffekten. Das Risiko ist damit nur partiell beseitigt, zu anderen Teilen aber einfach nicht mehr sichtbar. Dass es durch die Bewertungslogik nicht verschwindet, zeigt die hypothetische Betrachtung eines Spezialfonds mit einem Investor. Die Einkleidung seiner Immobilien in den Rechtsrahmen des Spezialfonds wird faktisch nichts von dem Marktrisiko beseitigen, dem die Immobilien ausgesetzt sind. Die Irritationen um einige Fonds in den vergangenen Jahren haben zudem gezeigt, dass der Verdacht der (massiven) Fehlbewertung der Immobilien sich schnell in einem Liquiditätsrisiko des Fonds manifestieren kann.
112
3.1.4 Zweidimensionale Performancemaße
3.1.4 Zweidimensionale Performancemaße Um Rendite und Risiko von Kapitalanlagen nicht isoliert gegenüber zu stellen, sondern anhand einer einzigen Kennzahl miteinander vergleichen zu können, bedarf es mehrdimensionaler Performancemaße. Sie liefern also eine Maßgröße für die risikoadjustierte Rendite. Die Unterschiede in den gängigen zweidimensionalen Performancemaßen sind darin zu sehen, in welcher Form sie eine erzielte (Über-)Rendite mit dem dabei eingegangenen Risiko in Beziehung setzen.11 Eine erste Möglichkeit, das Verhältnis zwischen Rendite und Risiko im Detail zu analysieren, bietet der Variationskoeffizient (VK). Er kann als relative Standardabweichung bezeichnet werden, da die absolute Standardabweichung durch den Mittelwert der Renditen dividiert wird.
VK i =
σi MPi
σi
= Volatilität der Kapitalanlage bzw. der Assetklasse
MPi
= R = Mittelwert der Rendite der Kapitalanlage bzw. der Assetklasse
Die Motivation für diesen Kennwert ist, dass statistische Merkmale mit großem Mittelwert im Allgemeinen eine größere Varianz aufweisen als Merkmale mit kleinem Mittelwert. Damit können Standardabweichungen verschiedener Variablen vergleichbar gemacht werden. Der Variationskoeffizient entspricht der Umkehrung des Rendite-Risiko-Verhältnisses, was im Rahmen der Performanceanalyse zusätzliche Interpretationen ermöglicht. Der Variationskoeffizient wird in Prozent ausgewiesen und gibt Auskunft darüber, wie viel Risiko pro Einheit Rendite hingenommen werden muss. Somit ist ein niedriger Wert positiv zu interpretieren, da der Anleger für die erwirtschaftete Rendite wenig Risiko in Kauf nehmen musste. Das wohl am häufigsten verwendete risikobereinigte Performancemaß ist die Reward-toVariability-Ratio von Sharpe, daher oft auch als Sharpe-Ratio bezeichnet.12 Sie misst die Überschussrendite eines Fonds über den risikolosen Zins je eingegangener Risikoeinheit: Das Risiko wird dabei − wie beim Variationskoeffizienten − mit Hilfe der Standardabweichung bestimmt. Als risikolose Geldanlage wurde in den Berechnungen im nachfolgenden
11
Für eine detaillierte Darstellung sei wiederum auf Fischer (2000), insbes. S. 271 ff. verwiesen
12
Vgl. Sharpe (1966), S. 119 ff.
3.1.3.2 Probleme
113
Beitrag der FIBOR/EURIBOR als Einmonatsgeld zu Grunde gelegt.13 Berechnet wird die Sharpe-Ratio für eine einzelne Kapitalanlage oder ein Portfolio anhand folgender Formel:
SRP =
RP RF σP
(RP − RF ) σP = Rendite der Kapitalanlage P p.a. = Rendite risikoloser Geldanlage p.a. = Volatilität der Kapitalanlage P p.a.
Die Sharpe-Ratio wird als absoluter Wert angegeben, wobei hohe Werte positiv zu interpretieren sind, da sie auf eine Überrendite bei vergleichsweise niedrigem Risiko hindeuten. Eine Interpretation bzw. Vergleich von negativen Sharpe-Ratios ist irreführend. Falls eine Kapitalanlage, z.B. ein Fonds eine negative Sharpe-Ratio erzielt, so bedeutet dies, dass die erzielte Performance unterhalb des risikolosen Zinses lag. Der Investor hat somit für ein risikobehaftetes Investment eine Rendite erzielt, die unterhalb einer risikolosen Geldanlage liegt. Ein ähnliches, allerdings auf das Ausfallrisiko beschränktes Maß stellt die Sortino-Ratio (SRP) oder Reward-to-Shortfall-Ratio dar. Sie bezieht die Differenz zwischen erzielter Rendite und geforderter Mindestrendite auf die Ausfallstandardabweichung. Die Kritik an diesen Maßen richtet sich vor allem gegen die Berücksichtigung des Gesamtrisikos, da die Portfoliobildung doch gerade auf die Beseitigung des unsystematischen Risikos angelegt ist. Das Treynor-Maß (TMP), die Reward-to-Volatility-Ratio, beseitigt diese Schwäche und setzt die Überrendite über den risikolosen Zins zum Beta des Portfolios (ßP) in Beziehung: Für die Beurteilung des Risikobeitrags von Teilportfolios ist dieses Maß zweckmäßiger.
TM P =
RP − RF βP
Ebenfalls am systematischen Risiko setzt das Jensen-Maß (JMP), auch Jensen-Alpha genannt, an. Jensen misst die absolute Differenz zwischen der erzielten Risikoprämie (RP - RF) und der erwarteten Risikoprämie βP (RM - RF):
JM P = (RP − RF ) − β P (RM − RF ) Ein positives Jensen-Alpha besagt also, dass es dem Portfoliomanager gelungen ist, eine Anlagenkombination zu finden, die über der Wertpapierlinie des CAPM liegt.
13
Durchschnittliche Rendite p.a. 3,1% im Betrachtungszeitraum 1996-2005; Quelle: Deutsche Bundesbank (2006), S. 6
114
3.1.4 Zweidimensionale Performancemaße
Auch diese beiden Maße sind kritisch zu sehen. Die Vernachlässigung des unsystematischen Risikos macht nämlich nur dann Sinn, wenn das Portfolio tatsächlich breit diversifiziert ist. Beim Jensen-Maß kann dem dadurch Rechnung getragen werden, dass es durch die portfoliospezifische Volatilität dividiert wird (Treynor/Black-Maß oder Appraisal Ratio). Die Sharpe-Ratio besitzt für viele Privatanleger nur mäßige Aussagekraft, da die Differenzen zwischen den Sharpe-Ratios einzelner Anlagen nicht intuitiv zu erklären sind. Die Differenzrendite zielt daher auf die in Renditeprozentpunkten ausgedrückte Differenz zwischen einer zu bewertenden Kapitalanlage mit einem Vergleichsportfolio mit gleichem Risiko ab. Als Vergleichsportfolio dient dabei ein fiktives Portfolio, welches die Benchmarkrendite bei identischem Risiko abbildet. Berechnet wird die Differenzrendite wie folgt:
DRP = RP − RVP RP = RF +
RVP = RF
RP Rbm RVP RF σP σ bm σ VP
Rbm − RF ×σ P σ bm
Rbm − RF × σ VP σ bm
= Rendite p.a. Anlage P = Rendite p.a. der Benchmark = Rendite p.a. des Vergleichsportfolios = Rendite risikolose Geldanlage p.a.14 = Volatilität p.a. der Anlage P = Volatilität p.a. der Benchmark = Volatilität p.a. des Vergleichsportfolios
Alternativ kann die Differenzrendite auch, ohne direkt auf die Rendite eines Vergleichsportfolios zurückzugreifen, wie folgt berechnet werden:
DRP = σ P (SRP − SRbm )
SRP = Sharpe-Ratio der Anlage P SRbm = Sharpe-Ratio der Benchmark σP = Risiko der Anlage P (Standardabweichung)
14
Als risikolose Geldanlage wird der FIBOR/EURIBOR als Einmonatsgeld zugrunde gelegt
3.1.3.2 Probleme
115
Die Differenzrendite wird in Prozentpunkten dargestellt, wobei höhere Werte positiv zu interpretieren sind. Sie ermöglicht eine Gegenüberstellung zum oben beschriebenen Vergleichsportfolio, jedoch ist ein Ranking zwischen den Kapitalanlagen nicht möglich, da die Risikonormierung anhand des identischen Risikos erfolgt und somit für jede Kapitalanlage unterschiedlich hoch ausfällt. Ein weiteres Maß, das Schwächen der Sharpe-Ratio und von Jensens Alpha beseitigen soll, ist von Modigliani/Modigliani (1997) vorgestellt worden:15 die Risk-Adjusted Performance (RAP, auch M² genannt). Wie bei der Differenzrendite bilden auch bei der RAP risikoadjustierte Vergleichsportfolios den Ausgangspunkt. Die Risikoanpassung führt hier jedoch nicht über das jeweilige anlageidentische Risiko, sondern über das marktidentische Risiko. Die Berechnung der RAP erfolgte anhand folgender Formel:
RAPP = (1 + d i )× RP − d i × RF di =
RP RF σP σ bm
σ bm −1 σP = Rendite p.a. der Anlage P = Rendite der risikolosen Geldanlage p.a. = Volatilität p.a. der Anlage f = Volatilität der Benchmark p.a.
3.1.5 Quintessenz Insgesamt kann damit konstatiert werden, dass die klassischen Messmethoden für die Performance von Wertpapieren grundsätzlich und formal auch auf indirekte Immobilienanlagen wie Offene Immobilienfonds und Immobiliengesellschaften anwendbar sind. Die Probleme der Anwendung und vor allem des Vergleichs der Performance unterschiedlicher Typen von indirekten Immobilienanlagen kommen nicht aus der Methodik, sondern aus der Umsetzung. Das formal gleiche Vorgehen führt nicht automatisch und sicher zu einem fairen Vergleich der Renditen und Risiken, wenn die Inputdaten unterschiedlichen Typs sind (transaktionsvs. bewertungsbasiert).
15
Vgl. Wilkens/Scholz (1999), S. 250 ff.
116
3.1.5 Quintessenz
Das bedeutet, dass bei der Interpretation der Performancezahlen nicht einfach „blind“ den resultierenden Kennzahlenwerten gefolgt und geglaubt werden darf, sondern dass es notwendig ist, die beschriebenen Einflüsse unterschiedlicher Messung von Renditen und Risiken bei Fonds und Immobilienaktiengesellschaften und ihre potentiellen Auswirkungen auf die Kennzahlenwerte zu erkennen und zu berücksichtigen.
3.2
Renditen und Risiken deutscher indirekter Immobilienanlagen
Matthias Thomas / Daniel Piazolo 3.2.1
Einleitung
118
3.2.2
Immobilien-Spezialfonds
119
3.2.2.1
Grundlagen ............................................................................................................119
3.2.2.2 Performanceanalyse bei Immobilien-Spezialfonds ...............................................120 3.2.2.2.1 Fondsrendite ..........................................................................................................120 3.2.2.2.2 Total Return (Immobilienrendite)..........................................................................120 3.2.2.3
Fondsrisiko bei Immobilien-Spezialfonds.............................................................121
3.2.3
Offene Immobilien-Publikumsfonds
3.2.3.1
Performancekomponenten .....................................................................................124
3.2.3.2
Performanceergebnisse Offener Publikumsfonds .................................................126
3.2.3.3
Risikoadjustierte Performancemessung bei Offenen Immobilien-Publikumsfonds ......................................................................................................................129
3.2.4
Immobilienaktiengesellschaften
3.2.4.1
Grundlagen ............................................................................................................136
124
136
3.2.4.2 Performanceanalyse bei Immobilienaktiengesellschaften.....................................137 3.2.4.2.1 Renditen von Immobilienaktiengesellschaften......................................................137 3.2.4.2.2 Risikoadjustierte Performance bei Immobilienaktiengesellschaften.....................139 3.2.5
Zusammenfassung
145
3.2.1 Einleitung Aufbauend auf dem vorangehenden Beitrag zu Konzepten und Problemen der Messung von Renditen und Risiken indirekter Immobilienanlagen stellt dieser Beitrag empirische Befunde zu den Renditen und Risiken deutscher Offener Immobilienfonds und Immobilienaktiengesellschaften vergleichend gegenüber. Der Produkttyp „Offener Immobilienfonds“ umfasst zum einen die Spezialfonds, zum andern die Publikumsfonds. Aufgrund der teilweise restriktiven, durch die spezifische Anlegerstruktur geprägte Informationspolitik bei Immobilien-Spezialfonds können für diese Form der indirekten Kapitalanlage kaum Risikokennziffern berechnet werden. Als Lösung wird im Folgenden das Risiko der Immobilien-Spezialfonds auf Basis eines Indexes für den in diesem Beitrag untersuchten Zeitraum von 1999 bis 2007 analysiert. Für ImmobilienPublikumsfonds als klassisches Produkt der indirekten Immobilienanlageform für private Anleger werden verschiedene risikoadjustierte Performancekennzahlen vorgestellt und auf Basis der monatlichen Anteilspreise für diejenigen Fonds berechnet, die im Zeitraum der Untersuchung durchgängig erwerbbar waren. Abschließend werden für Immobilienaktiengesellschaften − auf Basis der börsentäglichen Aktienpreise − die gleichen risikoadjustierten Performancekennzahlen wie bei den Offenen Immobilienfonds berechnet. Dabei werden nur diejenigen AGs detailliert analysiert, die gewisse Anforderungen hinsichtlich Marktkapitalisierung und Streubesitz erfüllen, so dass die Ergebnisse für den betrachteten Zeitraum 2001 bis 2007 vergleichbar sind. Bei der Analyse des Risikos wird dabei nicht nur die Streuung der Renditen um ihre Mittelwerte in verschiedenen Perioden beachtet. Vielmehr wird insbesondere auch das Risiko untersucht, innerhalb einer Form der indirekten Kapitalanlage durch eine falsche Auswahl auf die "Verlierer" zu setzen.
3.2.2.1 Grundlagen
119
3.2.2 Immobilien-Spezialfonds 3.2.2.1 Grundlagen Immobilien-Spezialfonds bieten institutionellen Investoren die Möglichkeit, eine indirekte Immobilienkapitalanlage auf Basis von Investmentanteilen einzugehen.1 Versicherungen als Hauptanlegerkreis bei Immobilien-Spezialfonds unterliegen in der Regel dem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG-Versicherungsaufsichtsgesetz) und der Anlageverordnung und dadurch stärkeren Restriktionen als opportunistisch ausgerichtete Investoren. Einzelne Immobilien-Spezialfonds bieten ein speziell auf die Anlageprämissen der Investoren abgestimmtes Paket aus Investitionen in Immobilien, wahlweise in Verbindung mit einem breiten Spektrum von Managementleistungen an. In der Praxis wird für Immobilien-Spezialfonds häufig – wegen fehlender Benchmarks – auf Referenzgrößen alternativer Assetklassen wie Geldmarktanlagen oder festverzinsliche Wertpapiere zurückgegriffen. Das Defizit durch diesen pragmatischen Ansatz ist den Fondsmanagern bewusst, konnte aber lange nicht anders gelöst werden.2 Eine fundierte Performanceanalyse ist zukünftig auch für Immobilien-Spezialfonds von höherer Bedeutung, um den höheren Transparenzanforderungen des Marktes gerecht zu werden. Die bis dato verfügbaren Kennzahlen, wie z.B. Mittelzu- und -abflüsse, können die Performancekraft oder Performanceschwäche eines Fonds nicht aufzeigen. Aufgrund der geringen Transparenz ist derzeit eine Analyse der Performance lediglich auf Basis der öffentlich zugänglichen Rechenschaftsberichte, die derzeit noch im Bundesanzeiger veröffentlicht werden müssen, möglich. Dabei kann grundsätzlich eine zwischen der Fondsrendite und der Immobilienrendite differenzierende Betrachtung erfolgen.
1
Vgl. hierzu den gesonderten Beitrag von Helmer in diesem Band sowie IPD (2008a)
2
Vgl. Cofalka (2000), S. 569 ff.
120
3.2.2 Immobilien-Spezialfonds
3.2.2.2 Performanceanalyse bei ImmobilienSpezialfonds 3.2.2.2.1 Fondsrendite Zur Berechnung der Fondsrendite wird, wie im vorhergehenden Beitrag beschrieben, eine Betrachtung sowohl der Ausschüttung als auch der Wertentwicklung des ImmobilienSpezialfonds vorgenommen. Die Formel zur Berechnung der Fondsrendite stellt sich wie folgt dar: Korrekturfaktor
$ "#" ! At + ( AWnAt − AWnAt −1 ) AWvAt × Rt = AWnAt −1 AWvAt −1
Rt
= Rendite im Jahr t
At AWnA AWvA t
= Ausschüttung in € in Jahr t = Anteilswert nach Ausschüttung im Jahr t bzw. t-1 = Anteilswert vor Ausschüttung im Jahr t bzw. t-1 = Jahr der Ausschüttung
3.2.2.2.2 Total Return (Immobilienrendite) Der Total Return einer Immobilie errechnet sich aus den Komponenten • Netto-Cash-Flow-Rendite, • Realisationsrendite und • Wertänderungsrendite. Zur Bestimmung der Netto-Cash-Flow-Rendite werden die Nettomieteinnahmen (Bruttomieteinnahmen abzüglich nicht umgelegter Bewirtschaftungskosten) ins Verhältnis zum gebundenen Kapital gesetzt und in Prozent wiedergegeben. Bei der Realisationsrendite kommen die erzielten Gewinne/Verluste beim Verkauf sowie bei der Wertänderungsrendite die Gewinne und Verluste aus der Neubewertung der Immobilien zum Tragen. Die Realisationsrendite entspricht hierbei dem tatsächlich erzielten Gewinn/Verlust des Nettoveräußerungserlöses gegenüber dem zuletzt ermittelten Verkehrswert der Immobilieninvestition. Im Vergleich zur Realisationsrendite spiegelt die Wertänderungsrendite die Entwicklung der Marktwerte, basierend auf Wertgutachten wider. Hier findet keine Transaktion am Markt statt, so dass Buchgewinne bzw. -verluste vorliegen.
3.2.2.3 Fondsrisiko bei Immobilien-Spezialfonds
121
Zur Berechnung des Total Return wurde folgende vereinfachte geldgewichtete Renditeformel verwendet,3 da mit den vorgegebenen Datenrestriktionen eine weiterreichende Analyse nicht möglich ist.
Rf =
(Vt − Vt −1 − I + NM )
1 1 Vt −1 + × I − × NM 2 2
Rf
= Rendite des Fonds f im Jahr t
Vt I NM
= Verkehrswert eines Grundstücks bzw. Grundstücksportfolios im Jahr t
t
= Mittelfluss aus werterhöhenden Investitionen, Umbaumaßnahmen = Nettomittelfluss aus Mietzahlungen, definiert als Mittelfluss aus Mietzahlungen abzgl. Mittelfluss für Bewirtschaftungskosten = Jahr der Performancemessung
3.2.2.3 Fondsrisiko bei Immobilien-Spezialfonds Der von der IPD Investment Property Databank GmbH entwickelte Spezial Fonds Immobilien Index (SFIX4) analysiert auf Grundlage der Rechenschaftsberichte die Rendite und Risikoeigenschaften der einbezogenen Immobilien-Spezialfonds. Für das Jahr 2007 wurden im SFIX 116 Immobilien-Spezialfonds berücksichtigt. Ein erster Überblick zur Performance der Immobilien-Spezialfonds kann durch eine Durchschnittsbetrachtung der Fondsrendite (Return) gegenüber einer Durchschnittsbetrachtung der mittleren Abweichungen (Risk) gewonnen werden. Es zeigt sich, dass sich die Performance des SFIX der Sondervermögen von 2001 – 2004 von 5,59 % p.a. um rund 2,7 Prozentpunkte auf 2,89 % p.a. verringert hat. In den folgenden drei Jahren stieg die Performance wieder um ca. 2,9 Prozentpunkte auf 6,14 % in 2007 an. Die durchschnittliche mittlere Abweichung, definiert als der Durchschnitt der absoluten Abweichungen vom jeweiligen Jahresmittelwert ist von 1999 – 2006 mit 2,08 % bis 3,37 % (siehe Abbildung 3.2-1) relativ konstant geblieben. Im Jahr 2007 stieg der Wert auf 4,50 %, so dass hier eine höhere Schwankungsbreite der Fondsrenditen zu verzeichnen war. Der Variationskoeffizient gibt Auskunft darüber, wie viel Risiko pro Einheit Rendite hingenommen werden muss. Somit ist ein niedriger Wert positiv zu interpretieren, da der Anleger für die erwirtschaftete Rendite wenig Risiko in Kauf nehmen musste.
3
Vgl. Dietz (1966), S. 10 ff.
4
Vgl. IPD (2008a)
122
3.2.2 Immobilien-Spezialfonds 2,0
7,0%
1,8
6,0%
1,6 5,0%
1,4 1,2
4,0%
1,0 3,0%
0,8 0,6
2,0%
0,4 1,0% 0,0% SFIX (Spezial Fonds Immobilien Index) Variationskoeffizient Mittlere durchschnittliche Abweichung
0,2 1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
4,64%
4,32%
5,59%
5,36%
4,73%
2,89%
3,33%
4,37%
6,14%
1,08
0,82
0,47
0,60
0,56
0,87
1,18
1,05
1,15
2,83%
2,97%
2,46%
2,44%
2,08%
2,40%
3,09%
3,37%
4,50%
0,0
Abb. 3.2- 1 Entwicklung der Fondsrendite und der Spannbreite
Eine Berechnung des Variationskoeffizienten zeigt ein leicht verändertes Bild im Vergleich zum Ergebnis der mittleren durchschnittlichen Abweichung. Die Variationskoeffizienten entwickelten sich von 1999 (1,08) bis 2001 (0,47) relativ kontinuierlich nach unten und stiegen dann wieder auf 1,15 in 2007 an, wobei der niedrigste und damit beste Variationskoeffizient in den betrachteten neun Jahren in 2001 erzielt wurde. Während die Fondsrendite im Zeitraum von 2001 bis 2004 sukzessive abgenommen hat, stieg die absolute Streuung in der Stichprobe an. Es zeigt sich, dass sich die Sondervermögen über den betrachteten Zeitablauf recht unterschiedlich entwickelt haben und nicht über homogene Chance/Risiko-Profile verfügen. Aus diesem Grund bietet eine aggregierte Durchschnittsbetrachtung nur einen ersten Überblick über die Performance der Assetklasse. Von Interesse ist daher, in welcher Bandbreite sich die Performance der Fonds bewegt. Abb. 3.2-2 gruppiert die Sondervermögen pro Jahr in ein oberes Quartil (die besten 25 %) und in ein unteres Quartil (die schwächsten 25 %) − gemessen an der erzielten Fondsrendite. Die ausgewiesenen Datenpunkte stellen jeweils das erste Quartil, den Median, das untere Quartil sowie die kapitalgewichtete Fondsperformance der in der jeweiligen Stichprobe enthaltenen Immobilien-Spezialfonds dar.
3.2.2.3 Fondsrisiko bei Immobilien-Spezialfonds
123
10,0%
9,0%
8,0%
7,0%
6,0%
5,0%
4,0%
3,0%
2,0%
1,0%
0,0% 1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Oberes Quartil
5,19%
6,45%
8,48%
7,69%
6,21%
5,35%
5,97%
7,32%
9,00%
Median
4,21%
4,33%
6,77%
4,70%
4,47%
3,55%
4,36%
4,79%
6,58%
Unteres Quartil
2,17%
2,31%
4,91%
3,26%
3,00%
1,30%
2,18%
1,81%
3,02%
SFIX (Spezial Fonds Immobilien Index)
4,64%
4,32%
5,59%
5,36%
4,73%
2,89%
3,33%
4,37%
6,14%
Abb. 3.2- 2 Bandbreite der Fondsrenditen
Es ist ersichtlich, dass die Streuung innerhalb der Fonds sehr groß ist und 25 % der Fonds in 2001 eine Durchschnittsrendite von deutlich über 8,4 % p.a. erzielten. Die Differenz zwischen dem ersten und dem unteren Quartil stieg in den Jahren 1999 bis 2007 von 3,0 Prozentpunkten auf 5,98 Prozentpunkte an. Dies zeigt, dass die Spanne zwischen den besseren und schwächeren Fonds zugenommen hat und eine divergierende Entwicklung einsetzte. Im Zeitraum von 2001 bis 2004 sank sowohl die Fondsperformance der oberen 25 % als auch der unteren 25 %, um in 2005 für beide Quartile wieder anzusteigen. In 2006 ist erneut eine entgegengesetzte Entwicklung erkennbar, bei der die Fondsperformance der oberen 25 % erneut weiter auf über 7 % anstieg, während die Performance der unteren 25 % auf rund 1,81 % zurück ging. In 2007 konnten die oberen 25 % einen erneuten Anstieg in der Performance aufweisen. Ebenso lag die Performance der unteren 25 % wieder über dem Vorjahreswert von 2006.
124
3.2.3 Offene Immobilien-Publikumsfonds
3.2.3 Offene ImmobilienPublikumsfonds 3.2.3.1 Performancekomponenten Die Performance der einzelnen Offenen Immobilienfonds wird im Folgenden im Vergleich zu den übrigen Fonds, im Vergleich zur Benchmark − den Offenen Immobilienfonds Indizes (OFIX) − und risikoadjustiert berechnet und analysiert. Die Offenen Immobilienfonds Indizes basieren auf den Anteilspreisen der Offenen Immobilien-Publikumsfonds sowie deren Ausschüttungen. Auf Basis der Parameter der einzelnen Fonds wird eine kapitalisierungsgewichtete Performancezeitreihe der Offenen Immobilienfonds ermittelt. Dies geschieht durch Gewichtung der Performance der einzelnen Fonds mit dem korrespondierenden Fondsvolumen. Als Datenmaterial werden die Anteilspreise der Immobilien-Publikumsfonds sowie deren Marktkapitalisierung jeweils zum Monatsende herangezogen. Dabei wird unterstellt, dass die Ausschüttungen sofort wiederangelegt werden. Der Ausgabeaufschlag wurde außer Acht gelassen. Diese Benchmark ist für Offene Immobilienfonds geeignet, da das Kriterium der gleichen Anlagerestriktion erfüllt wird. Somit ist anhand des OFIX die Aussage möglich, ob ein einzelner Fonds im Vergleich zu Mitbewerbern eine Über- oder Unterperformance auf Gesamtfondsebene erwirtschaftet hat. Der OFIX kann jedoch nicht als Benchmark für den deutschen Immobilienmarkt herangezogen werden, da die Offenen Immobilien-Publikumsfonds über hohe Auslandsimmobilienanteile sowie Liquiditätsanlagen verfügen. Die drei von IPD Investment Property Databank GmbH entwickelten Offenen Immobilienfonds Indizes unterscheiden sich hinsichtlich der berücksichtigten Fonds und des Berechnungszeitraums: • Der OFIX-10 berücksichtigt alle in € aufgelegten Offenen Immobilien-Publikumsfonds, die im gesamten Berechnungszeitraum von zehn Jahren von jedermann erwerbbar waren und in diesem Zeitraum allen Anlegern zur Verfügung standen. Demnach bleiben Fonds, die im Betrachtungszeitraum neu aufgelegt wurden, genauso unberücksichtigt wie solche mit Spezialfondscharakter. • Der OFIX-5 wird grundsätzlich auf gleicher Basis berechnet, wobei der Berechnungszeitraum fünf Jahre beträgt. • Der OFIX-ALL wird grundsätzlich auf gleicher Basis berechnet, wobei der Berechnungszeitraum ein Jahr beträgt. Die folgenden Auswertungen basieren im Regelfall auf dem OFIX-10. Wird auf einen anderen Index zurückgegriffen, so wird an entsprechender Stelle ausdrücklich darauf verwiesen.
3.2.3.1 Performancekomponenten
125
Welche Fonds im OFIX 10, OFIX-5 und OFIX-ALL enthalten sind, kann Abbildung 3.2-3 entnommen werden.
Fonds / Funds
Auflagedatum / Issued
HAUS-INVEST global DEUTSCHLAND FONDS NR. 1 KanAm grundinvest Fonds Deka-ImmobilienGlobal DEGI INTERNATIONAL CS PROPERTY DYNAMIC UBS (D) Euroinvest Immobilien UBS (D) 3 Kontinente Immobilien WestInvest 1 WestInvest InterSelect WestInvest ImmoValue SEB ImmoInvest CS EUROREAL A EUR CS-WV IMMOFONDS UniImmo: Deutschland UniImmo: Europa UniImmo: Global grundbesitz-europa HAUS-INVEST europa grundbesitz-global DEGI Europa Deka-ImmobilienFonds Deka-ImmobilienEuropa HANSAimmobilia EURO ImmoProfil INTER ImmoProfil AXA Immoselect TMW Immobilien Weltfonds DEGI GLOBAL BUSINESS Morgan Stanley P2 Value DEGI German Business SEB Global Property Fund
23.12.2003 01.11.2004 15.11.2001 28.10.2002 17.02.2003 01.10.2006 28.09.1999 13.10.2003 02.08.1989 02.10.2000 01.04.2003 02.05.1989 06.04.1992 20.12.1994 01.07.1966 01.04.1985 01.04.2004 27.10.1970 07.04.1972 25.07.2000 07.11.1972 03.11.1967 20.01.1997 04.01.1988 01.05.1965 18.03.1998 03.06.2002 01.06.2005 01.11.2005 04.11.2005 01.12.2006 19.10.2006
Abb. 3.2- 3 Zusammensetzung OFIX-10, OFIX-5 und OFIX-ALL
OFIX - 10
OFIX - 5
X X
X X
X X
X X X X X
X X X X X
X X
X X X X X X X X X X
X X X X X
OFIX - All X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X
126
3.2.3 Offene Immobilien-Publikumsfonds
3.2.3.2 Performanceergebnisse Offener Publikumsfonds In nachstehender Abbildung 3.2-4 erfolgt eine Betrachtung des OFIX-10 (Zeitraum 19982007) sowie des OFIX-5 (Zeitraum 2003-2007), gemäß den in Abbildung 3.2-3 gemachten Angaben. 7,0% Performance in %
6,0% 5,0%
6,1% 5,0%
4,9%
4,6%
4,01%
4,0%
3,3%
3,0%
6,1%
5,2% 3,9% 3,5%
3,65% 3,0%3,1% 2,7% 2,5% 2,5% 2,1%
2,0% 1,0% 0,0% 1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
OFIX - 10
OFIX - 5
Durchschnittliche Performance OFIX - 10 p.a.
Durchschnittliche Performance OFIX - 5 p.a.
Abb. 3.2- 4 Gegenüberstellung der Performance OFIX-10 und OFIX-5
Innerhalb des oben dargestellten 10-Jahreszeitraums erzielte der OFIX-10 eine durchschnittliche Jahresperformance von 4,01 %, während der OFIX-5 für den dargestellten 5Jahreszeitraum eine durchschnittliche Jahresperformance von 3,65 % erzielte. Innerhalb des Zeitraums von 2000-2002 wurde in jedem Jahr eine überdurchschnittliche Rendite erzielt. Deutlich erkennbar ist der negative Trend des OFIX-10 im Zeitraum zwischen 2001 und 2005. Nachdem in 2001 die höchste Performance im 10-Jahreszeitraum erzielt wurde (5,2 %), ist die Rendite in jedem darauf folgenden Jahr gesunken und erreichte in 2005 ihren Tiefpunkt bei 2,1 %. Die Entwicklung des OFIX-5 folgt ab 2003 der Entwicklung des OFIX10, wobei der OFIX-5 stets eine Rendite oberhalb des OFIX-10 erzielt. Obwohl die Differenz nur marginal ist, kann sie auf die jüngeren Offenen Immobilienfonds (gemessen am Auflagedatum) zurückgeführt werden. Da im OFIX-5 grundsätzlich alle Fonds enthalten sind, die auch im OFIX-10 enthalten sind, kann der Unterschied in diesen Jahren nur durch das Hinzukommen von jüngeren Offenen Immobilien-Publikumsfonds erklärt werden. Die niedrigen Ergebnisse des OFIX-10 als auch des OFIX-5 im Zeitraum von 2003 bis 2005 lassen sich sowohl durch die Entwicklung auf dem Kapitalmarkt mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Liquiditätsrendite, wie auch mit der Situation auf dem Immobilienmarkt mit teilweise starken Rückgängen im Mietniveau sowie deutlichen Leerstandssteigerungen zurückführen.
3.2.3.2 Performanceergebnisse Offener Publikumsfonds
127
In 2006 ist wieder eine Trendwende in der Entwicklung der Renditen zu erkennen. Der OFIX-10 erreichte eine Rendite von 3,5 %, während der OFIX-5 mit 3,9 % erstmals die durchschnittliche Performance des OFIX-5 outperformen konnte. In 2007 erreichten beide Indizes mit 6,13 % (OFIX-10) bzw. 6,07 % (OFIX-5) eine deutliche Outperformance. In Abbildung 3.2-5 werden die Performanceergebnisse der einzelnen im OFIX-5 vertretenen Offenen Immobilien-Publikumsfonds für den Zeitraum 2001 bis 2007 dargestellt.
Fonds
SEB ImmoInvest grundbesitz-europa CS EUROREAL A EUR HAUS-INVEST europa Deka-ImmobilienEuropa UniImmo: Europa WestInvest 1 UniImmo: Deutschland HANSAimmobilia Deka-ImmobilienFonds DEGI Europa CS-WV IMMOFONDS EURO ImmoProfil OFIX - 10
Nominal
Real
Zehn-JahresPerformance
Durchschnittliche Zehn-Jahres- Durchschnittliche Performance p.a. Performance Performance p.a.
64,90% 61,91% 59,75% 56,95% 56,30% 50,20% 46,71% 46,63% 45,04% 38,89% 38,16% 27,01% 21,43%
5,13% 4,94% 4,80% 4,61% 4,57% 4,15% 3,91% 3,90% 3,79% 3,34% 3,29% 2,42% 1,96%
48,22%
4,01%
42,37% 39,79% 37,92% 35,51% 34,94% 29,68% 26,67% 26,60% 25,22% 19,91% 19,29% 9,65% 4,84%
3,60% 3,41% 3,27% 3,09% 3,04% 2,63% 2,39% 2,39% 2,27% 1,83% 1,78% 0,93% 0,47%
Rang
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 -
Abb. 3.2- 5 Zehn-Jahres-Performance Offener Immobilien-Publikumsfonds (1998 - 2007)
Im betrachteten Zeitraum erzielte der SEB ImmoInvest das höchste Performanceergebnis mit einer kumulierten Zehn-Jahres-Performance von 64,90 %, was einer realen Performance von 42,37 % entsprach.5 Auf Jahresbasis ergab sich eine durchschnittliche nominale Performance von 5,13 % bzw. eine durchschnittliche reale Performance von 3,60 %. Dahinter lag der grundbesitz-europa mit einer nominalen Zehn-Jahres-Performance von 61,91 % (durchschnittlich 4,94 % p.a.). Der CS EUROREAL belegte mit einer nominalen kumulierten Performance von 59,75 % (durchschnittlich 4,80 % p.a.) Rang drei. Die Fonds auf den Rängen vier bis sechs (HAUS-INVEST europa, Deka-ImmobilienEuropa und UniImmo: Europa)) erzielten jeweils noch eine kumulierte Zehn-Jahres-Performance, die oberhalb des OFIX-5 lag. Die schwächsten sieben Fonds erwirtschafteten eine unterdurchschnittliche Rendite. Der Performanceunterschied zwischen dem am besten und dem am schwächsten performenden Fonds betrug ca. 43 Prozentpunkte auf einen Zeitraum von zehn Jahren.
5
Die durchschnittliche jährliche Inflation zwischen 1998 und 2007 betrug 1,6 % (Quelle: Statistische Bundesamt Deutschland)
128
3.2.3 Offene Immobilien-Publikumsfonds
OFIX - 10 [10-Jahres-Durchschnitt = 4,01%]
7,0%
7,0%
6,0%
6,0%
5,0%
5,0%
4,0%
4,0%
3,0%
3,0%
2,0%
2,0%
1,0%
1,0%
0,0%
0,0%
-1,0%
-1,0% -2,0%
-2,0% 1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Abb. 3.2- 6 Performancespannbreiten von Publikumsfonds auf jährlicher Basis im Zeitraum 1998 – 2007 (OFIX-10)
Große Spannbreiten zwischen der schwächsten Fondsperformance und der besten Fondsperformance konnten in allen Jahren bis auf das Jahr 2002 im Betrachtungszeitraum beobachtet werden. Die Spannbreite zwischen bestem und schwächstem Fonds betrug in diesen Jahren jeweils mindestens vier Prozentpunkte. Die geringste Spannbreite zwischen höchster Fondsperformance und schlechtester Fondsperformance wurde im Jahr 2002 mit 3 Prozentpunkten festgestellt, während im Jahr 2006 die Spannbreite mit über 7 Prozentpunkten am Größten war. In 2007 verringerte sich diese dann wieder auf rund 6,5 Prozentpunkte. Auffällig ist, dass in den Jahren 2003 bis 2005 nur noch einige der besten 25 % aller Fonds eine Performance erzielten, die oberhalb des 10-Jahres-Durchschnitt des OFIX-10 (4,01 %) lag. Dies verdeutlicht die drastische Abwärtsentwicklung in diesen drei Jahren. Die bereits zuvor beschriebene Trendwende zeigt sich auch bei den besten 25 % der Fonds. Diese konnten ab 2006 wieder über dem 10-Jahres-Durchschnitt von 4,01 % performen. Die Spannbreiten und deren zeitliche Entwicklung gibt Abbildung 3.2-6 noch einmal graphisch wieder.
3.2.3.3 Risikoadjustierte Performancemessung bei Offenen Immobilien-Publikumsfonds 129 Jahr
Bester Fonds
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Deka-ImmobilienEuropa SEB ImmoInvest Deka-ImmobilienEuropa HAUS-INVEST europa SEB ImmoInvest SEB ImmoInvest SEB ImmoInvest SEB ImmoInvest grundbesitz-europa grundbesitz-europa
Performance
Schwächster Fonds
Performance
7,43% 5,43% 6,50% 6,44% 5,52% 4,56% 4,30% 4,21% 5,80% 15,44%
UniImmo: Deutschland Deka-ImmobilienFonds EURO ImmoProfil EURO ImmoProfil EURO ImmoProfil EURO ImmoProfil CS-WV IMMOFONDS CS-WV IMMOFONDS CS-WV IMMOFONDS EURO ImmoProfil
3,97% 2,19% 3,36% 3,05% 3,04% 0,47% 0,45% 0,18% -1,64% 0,50%
Abb. 3.2- 7 Beste und schlechteste Fondsjahresperformance im Zeitraum von 1998 – 2007 (Basis: OFIX-10)
Wie Abbildung 3.2-7 erkennen läst, erzielten in den zehn betrachteten Jahren der SEB ImmoInvest fünfmal (1999, 2002, 2003, 2004 und 2005), der grundbesitz-europa (2006 und 2007) sowie der Deka-ImmobilienEuropa (1998 und 2000) zweimal und der HAUS-INVEST europa einmal (2001) die höchste Performance. Im Gegensatz wurde die schlechteste Jahresperformance fünfmal vom EURO ImmoProfil (2000 bis 2003 und 2007), dreimal vom CSWV IMMOFONDS (2004 bis 2006) sowie jeweils einmal vom UniImmo: Deutschland (1998) und vom Deka-ImmobilienFonds (1999) erzielt.
3.2.3.3 Risikoadjustierte Performancemessung bei Offenen Immobilien-Publikumsfonds Im Folgenden werden zunächst Performance und Risiko im Risiko-/Renditediagramm dargestellt. Die Messung des Gesamtrisikos erfolgt anhand der Volatilität pro Jahr – also der Standardabweichung der Renditen. Als erstes zweidimensionales Performancemaß wird dann der Variationskoeffizient untersucht.
130
3.2.3 Offene Immobilien-Publikumsfonds
5,5% SEB ImmoInvest
Performance in % p.a.
5,0% 4,5%
grundbesitz-europa
HAUS-INVEST europa
OFIX - 10
UniImmo: Europa
4,0%
WestInvest 1
3,5% 3,0%
CS EUROREAL
Deka-ImmobilienEuropa
HANSAimmobilia
UniImmo: Deutschland
Deka-ImmobilienFonds DEGI Europa
2,5%
CS-WV IMMOFONDS
2,0% 1,5% 0,5%
EURO ImmoProfil
0,7%
0,9%
1,1%
1,3% 1,5% Volatilität in % p.a.
1,7%
1,9%
2,1%
2,3%
Abb. 3.2- 8 Rendite-/Risikodiagramm der Offenen Immobilienfonds 1998 – 2007 (OFIX-10)
Die in Abbildung 3.2-8 zusammengefassten Performance- und Risikoergebnisse der Offenen Immobilien-Publikumsfonds werden im Vergleich zum Total Return des OFIX-10 dargestellt. Insbesondere werden hierbei die abweichenden Ergebnisse einzelner Fonds deutlich. Sieben Fonds liegen unterhalb des Performancedurchschnitts (Linie OFIX-10). Der SEB ImmoInvest zeigt die größten positiven Abweichungen vom Branchendurchschnitt mit einer Performance von 5,13 % und der geringsten Volatilität von 0,61 %, Die zweitgrößte Performance von 4,94 % erreichte der grundbesitz-europa, wobei er gleichzeitig jedoch auch die höchste Volatilität (2,18 %) aufweist. Umgekehrt erzielte der EURO ImmoProfil im Betrachtungszeitraum die geringste Performance (1,96 %), wobei die Volatilität (0,73 %) im Mittelfeld aller betrachteten Fonds angesiedelt ist. Variationskoeffizient Der Variationskoeffizient ermöglicht es, das Verhältnis zwischen Performance und Risiko besser im Detail analysieren zu können. In Abbildung 3.2-9 sind die entsprechenden Werte für die einzelnen Fonds dargestellt.
3.2.3.3 Risikoadjustierte Performancemessung bei Offenen Immobilien-Publikumsfonds 131
Fonds SEB ImmoInvest grundbesitz-europa CS EUROREAL A EUR HAUS-INVEST europa Deka-ImmobilienEuropa UniImmo: Europa WestInvest 1 UniImmo: Deutschland HANSAimmobilia Deka-ImmobilienFonds DEGI Europa CS-WV IMMOFONDS EURO ImmoProfil
Performance nominal p.a. 5,13% 4,94% 4,80% 4,61% 4,57% 4,15% 3,91% 3,90% 3,79% 3,34% 3,29% 2,42% 1,96%
Volatilität p.a. 0,61% 2,18% 0,88% 1,01% 0,96% 0,88% 0,75% 1,21% 0,88% 0,76% 0,70% 1,01% 0,73%
Variationskoeffizient 0,12 0,44 0,18 0,22 0,21 0,21 0,19 0,31 0,23 0,23 0,21 0,42 0,37
Abb. 3.2- 9 Rendite-Risiko-Verhältnis Offener Immobilienfonds im 10-Jahreszeitraum 1998 – 2007 (OFIX-10)
Bei der Analyse der Variationskoeffizienten ergibt sich ein etwas abweichendes Bild im Vergleich zum Ranking nach Performance. Obwohl der grundbesitz-euopa insbesondere in den letzten beiden Jahren die höchste Performance erzielte, weist er gleichzeitig mit 44 % den größten Variationskoeffizienten auf. Den niedrigsten und damit besten Variationskoeffizienten hatte in den betrachteten zehn Jahren der SEB ImmoInvest mit einem Wert von 12 % erzielt. Das bedeutet, dass beim SEB ImmoInvest pro Prozent Rendite eine Volatilität von 0,119 hingenommen werden musste. Auf Rang zwei folgte der WestInvest 1 mit einem Variationskoeffizient von 19 %, gefolgt vom Deka-ImmobilienEuropa, dem UniImmo: Europa sowie dem DEGI Europa mit einem Variationskoeffizienten von jeweils 21 %. Alle übrigen Fonds erzielten einen Variationskoeffizienten von 23 % und höher. Analog zum SEB ImmoInvest bedeutet dies für die Anleger dieser Fonds, dass sie im betrachteten Zeitraum pro Prozentpunkt Rendite ein Risiko von mehr als 0,23 eingehen mussten. Sharpe-Ratio Die Sharpe-Ratio misst die Überschussrendite eines Fonds über den risikolosen Zins je eingegangener Risikoeinheit. Auch ihre Berechnung wurde im vorigen Beitrag schon vorgestellt. Als risikolose Geldanlage wurde in den weiteren Berechnungen der FIBOR/EURIBOR als Einmonatsgeld zu Grunde gelegt.6
6
Durchschnittliche Rendite p.a. von 3,18 % im Betrachtungszeitraum 1998-2007; Quelle: Deutsche Bundesbank (2007), S. 6
132
3.2.3 Offene Immobilien-Publikumsfonds
Sharpe Ratio
3,0
3,2 1,8
2,0
1,4
1,4
1,0
1,1
1,0
0,8
0,7
0,6
0,0
0,2
0,1
-1,0
-0,8
-2,0 CS-WV IMMOFONDS
DEGI Europa
DekaImmobilienFonds
UniImmo: Deutschland
HANSAimmobilia
grundbesitzeuropa
WestInvest 1
UniImmo: Europa
HAUS-INVEST europa
DekaImmobilienEuropa
CS EUROREAL A EUR
SEB ImmoInvest
-3,0
-1,7 EURO ImmoProfil
4,0
Abb. 3.2- 10 Sharpe-Ratio Offener Immobilienfonds im Zehn-Jahres-Durchschnitt 1998 – 2007 (OFIX-10)
In Abbildung 3.2-10 wird deutlich, dass der SEB ImmoInvest mit 3,2 und der CS EUROREAL mit 1,8 die mit Abstand höchsten Sharpe-Ratios erzielten. Diese Werte bedeuten, dass die Fonds pro Prozentpunkt Gesamtrisiko eine mittlere Überschussrendite über den risikolosen Zins von 3,2 % bzw. 1,8 % erzielten. Im Vergleich dazu konnte der Fonds mit dem drittbesten Ergebnis – der WestInvest 1 – lediglich eine Sharpe-Ratio von 1,4 erzielen. Alle Fonds, bis auf den CS-WV Immofonds und den EURO ImmoProfil, konnten immerhin eine positive Sharpe-Ratio erzielen. Differenzrendite Die Differenzrendite ermöglicht eine Gegenüberstellung zum oben beschriebenen Vergleichsportfolio. Jedoch ist ein Ranking zwischen den Fonds nicht möglich, da die Risikonormierung anhand des fondsidentischen Risikos erfolgt und somit für jeden Fonds unterschiedlich hoch ausfällt.
3.2.3.3 Risikoadjustierte Performancemessung bei Offenen Immobilien-Publikumsfonds 133
1,0%
0,99% 0,24%
0,0% -0,12% -0,16% -1,0%
-0,40% -0,45%
-0,78%
-0,99% -1,03% -1,17%
-2,0%
EURO ImmoProfil
CS-WV IMMOFONDS
grundbesitzeuropa
UniImmo: Deutschland
DekaImmobilienFonds
DEGI Europa
HANSAimmobilia
WestInvest 1
UniImmo: Europa
HAUS-INVEST europa
DekaImmobilienEuropa
-2,35% -2,36% CS EUROREAL A EUR
-3,0%
-1,65%
SEB ImmoInvest
Differenzrendite
2,0%
Abb. 3.2- 11 Differenzrendite Offener Immobilienfonds 1998 – 2007 (OFIX-10)
Wie Abbildung 3.2-11 zeigt, haben es lediglich 2 der insgesamt 13 Fonds risikoadjustiert geschafft, den OFIX-10 bei jeweils fondsidentischem Risiko zu schlagen. Interpretiert werden können positive Werte so, dass es dem Management im Betrachtungszeitraum gelungen ist, den Branchendurchschnitt (gemessen anhand des OFIX-10) risikoangepasst (fondsidentisches Risiko) um die entsprechende in Renditeprozentpunkte ausgedrückte Differenz zu übertreffen. Bei negativen Werten konnte das Fondsmanagement den Branchendurchschnitt dementsprechend nicht übertreffen. Risk-Adjusted Performance (RAP) Die RAP misst die Rendite des jeweiligen Fonds bei marktidentischem Risiko. Das marktidentische Risiko wird anhand der Volatilität des OFIX-10 gemessen. Das Ergebnis ist einfach zu interpretieren, da es eine Renditegröße darstellt. Die Risikonormierung erfolgt einheitlich über das Marktrisiko, wodurch ein Ranking der Fonds erfolgen kann.
3.2.3 Offene Immobilien-Publikumsfonds 6,0% 5,0%
4,9% 4,2%
4,0%
3,9%
3,9%
3,8%
3,7%
3,6%
3,5%
3,5%
3,3%
3,3%
3,0%
2,8%
2,3%
2,0%
EURO ImmoProfil
CS-WV IMMOFONDS
DekaImmobilienFonds
DEGI Europa
UniImmo: Deutschland
HANSAimmobilia
grundbesitzeuropa
WestInvest 1
UniImmo: Europa
HAUS-INVEST europa
DekaImmobilienEuropa
0,0%
CS EUROREAL A EUR
1,0% SEB ImmoInvest
Risk-Adjusted Performance
134
Abb. 3.2- 12 RAP Offener Immobilienfonds 1998 – 2007 (OFIX-10)
Bei dieser Betrachtungsweise wird – wiedergegeben in Abbildung 3.2-12 − deutlich, dass die Ergebnisse der Fonds bei gleichem, marktidentischem Risiko mehrheitlich dicht zusammen liegen. So beträgt die Spannbreite zwischen den Fonds auf Rang 3 bis Rang 13 lediglich ca. 1,6 Prozentpunkte. Ranking der Immobilien-Publikumsfonds nach unterschiedlichen risikoadjustierten Performancemaßen Je nach verwendetem Performancemaß ergeben sich für die einzelnen Fonds unterschiedliche Ranking-Ergebnisse, wie nachfolgender Abbildung 3.2-13 zu entnehmen ist. Im Folgenden werden deshalb die zugrunde liegenden Performancemaße nochmals zusammenfassend erläutert und auf ihre Aussagekraft hin analysiert. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, an welchem Performancemaß und entsprechendem Ranking sich der Anleger orientieren sollte, um fundierte Investitionsentscheidungen treffen zu können. Grundlegende Voraussetzung für die Nutzung von Ergebnissen der Performancemessung als Entscheidungshilfe für Kauf- oder Verkaufsentscheidungen ist, dass historische Ergebnisse zumindest geringe Vorhersagekraft für zukünftige Ergebnisse besitzen und somit die Extrapolation der Vergangenheit auf die Zukunft schwer möglich ist. Ob dies für Offene Immobilien-Publikumsfonds zutrifft, kann im Rahmen dieser Studie nicht beurteilt werden und sollte in weiterführenden wissenschaftlichen Arbeiten geklärt werden. Diese Problematik der Vorhersagbarkeit betrifft alle Performance- und Ranking-Ergebnisse gleichermaßen, weshalb im Folgenden grundsätzliche Eigenschaften ausgewählter Performancemaße dargestellt werden sollen. Aus Anlegersicht sollte die Performancemessung die Anforderungen Risikoberücksichtigung, Rankingmöglichkeit und Interpretierbarkeit erfüllen. Die in Tabelle 3.2-13 dargestellten RankingErgebnisse auf Basis ausgewählter Performancemaße erfüllen alle die Anforderung der Rankingmöglichkeit.
3.2.3.3 Risikoadjustierte Performancemessung bei Offenen Immobilien-Publikumsfonds 135
Fonds SEB ImmoInvest CS EUROREAL A EUR WestInvest 1 Deka-ImmobilienEuropa UniImmo: Europa DEGI Europa HAUS-INVEST europa Deka-ImmobilienFonds HANSAimmobilia UniImmo: Deutschland EURO ImmoProfil CS-WV IMMOFONDS grundbesitz-europa
Variationskoeffizient
Sharpe Ratio
Differenzrendite
1 (0,12) 2 (0,18) 3 (0,19) 4 (0,21) 5 (0,21) 6 (0,21) 7 (0,22) 8 (0,23) 9 (0,23) 10 (0,31) 11 (0,37) 12 (0,42) 13 (0,44)
1 (3,19) 2 (1,84) 6 (0,97) 3 (1,44) 5 (1,11) 11 (0,15) 4 (1,41) 10 (0,21) 8 (0,69) 9 (0,6) 13 (-1,68) 12 (-0,75) 7 (0,81)
1 (0,99%) 2 (0,24%) 6 (-0,45%) 3 (-0,12%) 5 (-0,4%) 8 (-0,99%) 4 (-0,16%) 9 (-1,03%) 7 (-0,78%) 10 (-1,17%) 13 (-2,36%) 12 (-2,35%) 11 (-1,65%)
RiskAdjusted Performance 1 (4,88%) 2 (4,16%) 6 (3,7%) 3 (3,95%) 5 (3,77%) 11 (3,26%) 4 (3,93%) 10 (3,29%) 8 (3,55%) 9 (3,5%) 13 (2,29%) 12 (2,78%) 7 (3,61%)
Abb. 3.2- 13 Ranking Offener Immobilienfonds nach risikoadjustierten Performancemaßen (OFIX-10)
Die Sharpe-Ratio und die RAP identifizieren die Fonds, die in Kombination mit dem risikolosen Zins für jeden Risikograd die höchsten durchschnittlichen Renditen erzielen. Diese Fonds wären somit für die Anleger, die nur in einen Fonds investieren wollen, die geeigneten Anlagen. Vor diesem Hintergrund stellen die beiden erwähnten Kennzahlen ein besonders geeignetes Performancemaß dar, wobei der Vorteil der RAP gegenüber der Sharpe-Ratio darin liegt, dass sie ein in Renditeprozentpunkten ausgedrücktes Ergebnis liefert und damit für den Anleger leicht zu interpretieren ist. Die Differenzrendite gibt dagegen Aufschluss, um wie viel Prozent die erzielte Rendite über dem risikoangepassten Branchendurchschnitt liegt. Erfreulicherweise führen die einzelnen Performancemaße nur zu geringen Abweichungen im Ranking, so dass für die meisten Fonds eine recht stabile Aussage über ihre historische Performance ungeachtet der Wahl des Performancemaßes resultiert.
136
3.2.4 Immobilienaktiengesellschaften
3.2.4 Immobilienaktiengesellschaften 3.2.4.1 Grundlagen Die Bedeutung von Immobilienaktiengesellschaften als indirekte Immobilienanlage in Deutschland ist deutlich geringer als die von Offenen Immobilienfonds. So betrug die Marktkapitalisierung des vom Bankhaus Ellwanger & Geiger veröffentlichten E & G DIMAX zum 31.12.2007 14,85 Mrd. €, im Vergleich zum Fondsvolumen aller im BVI vertretenen Offenen Immobilienfonds von 83,43 Mrd. €. Ferner wird die Entwicklung des E & G DIMAX maßgeblich von einigen wenigen großen Immobilien-Aktiengesellschaften beeinflusst. Die beiden größten Aktiengesellschaften Gagfah (2,7 Mrd. €) und IVG Immobilien AG (2,6 Mrd. €) vereinen auf sich mit € 5,3 Mrd. 37,5 % der Marktkapitalisierung des gesamten Index; erst mit erheblichem Abstand folgt mit der Deutsche Euroshop AG (0,8 Mrd. €) die drittgrößte Gesellschaft. Die fünf größten Immobilien-AGs bilden 49,6 % des Indexvolumens. Zusätzlich verfügen die meisten der im E & G DIMAX aufgenommenen Immobilienaktiengesellschaften über einen geringen bis gar keinen Streubesitz, der sich auch in dem vielfach nur sehr geringen börsentäglichen Handelsvolumen niederschlägt. Aufgrund dieser geringen Marktliquidität ist es für einen Anleger im Regelfall nicht möglich, ein dem E & G DIMAX vergleichbar diversifiziertes Portfolio hinsichtlich Risiko- und Renditeeigenschaften nachzubilden, da er gewisse Aktientitel überhaupt nicht erwerben kann. Eine zusätzliche Herausforderung des E & G DIMAX liegt darin, dass der Index auch Unternehmen enthält, die ihre Erträge überwiegend nicht aus der Bestandshaltung von fremdgenutzten Immobilien, sondern aus Immobilienentwicklung, Handel oder anderen immobiliennahen Dienstleistungen erwirtschaften und daher letztlich nicht vergleichbar sind. Aus diesem Grund wurde für die folgenden Analysen ein eigenständiger Index entwickelt (im Folgenden IAG-Index), der nur solche Immobilienaktiengesellschaften umfasst, die über eine Marktkapitalisierung von mindestens 80 Mio. € und einen Streubesitz von mindestens 15 % verfügen. Als zusätzliche Nebenbedingung wurde der jeweilige Anteil eines einzelnen Aktientitels auf max. 18 % des Indexvolumens begrenzt. Hierdurch sollte verhindert werden, dass eine einzelne Aktiengesellschaft mit einer hohen Marktkapitalisierung den Index maßgeblich beeinflussen kann. Der IAG-Index wurde als Performanceindex ermittelt, so dass eine Wiederanlage von Dividenden unterstellt wurde. Es fällt auf, dass in Jahren mit niedriger Zahl an aufgenommenen Unternehmen die 18 %-Obergrenze stärker zum Tragen kommt als in Jahren mit hoher Zahl. So wurden im Jahr 2004 vier von insgesamt sechs Indexunternehmen in ihrer Gewichtung beschnitten, während im Jahr 2007 von 14 Unternehmen nur eines limitiert wurde. Entsprechend ist das Verhältnis des Indexvolumens zur Gesamtkapitalisierung der Indexunternehmen 2004 wesentlich geringer als 2007, da im Jahr 2007 alle Unternehmen bis auf die IVG mit ihrer vollen Kapitalisierung einfließen. Der Unterschied der Gesamtkapitalisierung der Indexunternehmen zum DIMAX zum 31.12.2007 (9,9 Mrd. €
3.2.4.2 Performanceanalyse bei Immobilienaktiengesellschaften
137
vs. 14,85 Mrd. €) rührt im Wesentlichen daher, dass sämtliche DIMAX Unternehmen mit weniger als 80 Mio. € Marktkapitalisierung nicht in den IAG-Index einfließen. Die nachstehende Abbildung 3.2-14 gibt die Zusammensetzung und Gewichtung der einzelnen Gesellschaften des IAG-Indexes für die betrachteten Jahre wieder. Die untersten Zeilen beziehen sich zum einen auf die Gesamtkapitalisierung der in den Index aufgenommen Unternehmen und zum anderen auf den Teil der Kapitalisierung dieser Unternehmen, der nach der Kappung durch die 18 % Hürde tatsächlich den Index ausmacht. Immobilien Aktiengesellschaft IVG Immobilien AG Patrizia Immobilien AG Deutsche Euroshop AG Deutsche Wohnen AG DIC Asset AG DIBAG Industriebau AG Colonia Real Estate AG GBWAG Bayerische Wohnungs-AG TAG Tegernsee AG GAG Gemeinnütz. AG f. Wohnungsbau Köln Hamborner AG Nymphenburg Immobilien-AG IVG Deutschland Immobilien AG Deutsche Real Estate AG AIG International Real Estate AG HAHN-Immobilien-Beteiligungs-AG Schlossgartenbau AG Summe Gesamtkapitalisierung Index (EUR mio.) Gesamtkapitalisierung Indexunternehmen (EUR mio.)
Anteil am Index in: 2003 2004 18% 18%
2005 18%
2006 18%
18% 18%
18% 18%
18% 18%
18%
18%
18%
11%
16%
11%
18% 18% 6% 15% 4% 9%
8%
12%
8%
6%
4%
4%
5% 100%
3% 100%
5% 4%
100% 2.029 3.009
100% 1.403 2.935
2.215 3.747
3.598 5.356
2007 18% 15% 13% 12% 8% 8% 6% 4% 4% 4% 3% 2% 2% 1% 100% 7.358 9.860
Abb. 3.2- 14 Zusammensetzung IAG Index
3.2.4.2 Performanceanalyse bei Immobilienaktiengesellschaften 3.2.4.2.1 Renditen von Immobilienaktiengesellschaften Um eine Vergleichbarkeit mit den im OFIX-5 vertretenen Offenen Immobilienfonds zu gewährleisten, werden im folgenden ausschließlich die Performanceergebnisse von denjenigen Immobilienaktiengesellschaften dargestellt, die in jedem einzelnen Jahr innerhalb des Zeitraums von 2003 bis 2007 im Index vertreten waren. Die in Abbildung 3.2-14 beschriebene Auswahl von 17 IAG-Indexteilnehmern in den einzelnen Jahren reduziert sich dadurch in der Fünf-Jahresbetrachtung auf fünf Unternehmen. Die Berechnung der jährlichen Rendite basiert auf den börsentäglichen Preisen der aufgeführten Aktiengesellschaften, bereinigt um Aktiensplits und Dividendenzahlungen.
138
3.2.4 Immobilienaktiengesellschaften Nominal Fünf-JahresPerformance 212,16% 89,98% 46,51% 47,94% 176,58% 81,57%
Immobilien Aktiengesellschaft IVG Immobilien AG Deutsche Euroshop AG DIBAG Industriebau AG Hamborner AG GBWAG Bayerische Wohnungs-AG IAG Index
Durchschnittliche Performance p.a. 25,57% 13,69% 7,94% 8,15% 22,56% 12,67%
Real Fünf-JahresPerformance 184,31% 73,02% 33,43% 34,74% 151,90% 65,37%
Durchschnittliche Performance p.a. 23,24% 11,59% 5,94% 6,15% 20,29% 10,58%
Abb. 3.2- 15 Fünf-Jahres-Performance der Immobilien-AGs (2003 - 2007)
Im betrachteten Zeitraum erzielte die IVG Immobilien AG die höchste Rendite mit einer kumulierten nominalen Fünf-Jahres-Performance von 212,16 % bzw. 184,31 % realer Performance. Annualisiert entspricht dies einer nominalen Rendite von 25,57 % bzw. 23,24 % realer Performance. Das zweitbeste Ergebnis erzielte die GBWAG Bayerische WohnungsAG mit einer durchschnittlichen nominalen Performance von 22,56 % (20,29 % realer Performance). Mit deutlichem Abstand folgen die Deutsche Euroshop AG (13,69 %), die Hamborner AG (8,15 %) und die DIBAG Industriebau AG (7,94 %). 150%
150%
143%
100%
100% 47%
50%
24%
0%
-50%
52% 29%
7%
50%
0% 0%
3% -50%
-23% -77%
-100%
-150%
-100%
-150% 2003
Oberes Quartil
2004 IAG-Index
2005
2006
2007
Unteres Quartil
Abb. 3.2- 16 Performancespannbreiten von Immobilien-AGs auf jährlicher Basis im Zeitraum 2003 – 2007
Im Vergleich zum OFIX-10 wird aus Abbildung 3.2-16 die höhere Renditespannbreite aller betrachteten Immobilienaktiengesellschaften im IAG-Index deutlich. Die Spannbreite bewegt sich nicht wie bei dem OFIX-10 im zweistelligen Prozentbereich, sondern es trennen in einigen Jahren Performancedifferenzen von über einhundert Prozentpunkten die beste Ge-
3.2.4.2 Performanceanalyse bei Immobilienaktiengesellschaften
139
sellschaft von der am schlechtesten performenden. Die höchsten Jahreswerte in Abbildung 3.2-16 benennen jeweils die Rendite der am besten performenden Gesellschaft, die niedrigsten Jahreswerte jeweils die Rendite der am schlechtesten performenden Gesellschaft. Die hohe Spitzenrendite im Jahr 2006 von 143 % wurde durch die Colonia Real Estate AG realisiert; zwar sticht sie aus der Gruppe heraus, doch auch die DIC ASSET AG erzielte 2006 eine Rendite von über 100 %, gefolgt von der IVG mit über 88 %. Es fällt auf, dass in den Jahren 2004 bis 2006 sämtliche der 6 (2004), 8 (2005) bzw. 10 (2006) Indexunternehmen positive Renditen erzielten, während im Jahr 2007 bei 15 Unternehmen von plus 29 % bis minus 77 % sowohl deutliche Wertsteigerungen als auch erhebliche Wertverluste zu verzeichnen waren. Die mit Abstand stärksten Verluste fallen in das Jahr 2007: Während im Jahr 2003 die niedrigste Rendite bei -23 % lag, erlitten 2007 mit der Patrizia Immobilien AG (-77 %) und der IMW Immobilien AG (-51 %) zwei von 15 Unternehmen eine Werthalbierung, bei der Patrizia sogar eine Reduktion auf weniger als ein Viertel des Vorjahreswertes. Obwohl es auch im Jahr 2007 vier von 15 Unternehmen gelang, eine positive Rendite zu erwirtschaften, liegt die gewichtete Indexperformance mit -31 % deutlich im Minus.
3.2.4.2.2 Risikoadjustierte Performance bei Immobilienaktiengesellschaften Im Folgenden werden für die analysierten Immobilien-Aktiengesellschaften analog zur Darstellung bei den Offenen Immobilienfonds verschiedene risikoadjustierte Performancekennzahlen dargestellt. Die Messung des Gesamtrisikos erfolgt dabei wieder anhand der Volatilität pro Jahr, die allerdings in diesem Fall auf Basis von Tagesrenditen und nicht wie bei Offenen Immobilienfonds auf Basis von Monatsrenditen ermittelt wurde.
140
3.2.4 Immobilienaktiengesellschaften
30% IVG IMMOBILIEN AG
Performance in % p.a.
25% GBWAG Bayerische Wohnungs-AG
20% IAG-5 Index; 11,70%; 17,97%
15% IAG-Index; 13,39%; 12,67%
DEUTSCHE EUROSHOP AG
10%
HAMBORNER AG DIMAX
5%
OFIX-5; 0,5%; 3,7%
DIBAG INDUSTRIEBAU AG
risk free rate 2,72%
0% 0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
Volatilität in % p.a. Offene Immobilienfonds
Immobilien AGs
Abb. 3.2- 17 Rendite-/Risikodiagramm der Immobilien-AGs 2003 – 2007
In Abbildung 3.2-17 erfolgt eine zusammenfassende Darstellung der Performance- und Risikoergebnisse der Immobilien-Aktiengesellschaften sowie der Offenen ImmobilienPublikumfonds. Insgesamt zeigt sich, dass alle über den Fünf-Jahreszeitraum analysierten Aktientitel eine bessere Rendite aufweisen sowie eine deutlich höhere Volatilität haben als die untersuchten Offenen Immobilienfonds. Die IVG Immobilien AG erzielte insgesamt die höchste Performance (25,57 %) innerhalb der betrachteten fünf Jahre, gleichzeitig war hier jedoch auch die zweithöchste Volatilität (28,98 %) zu beobachten. Mit einer jährlichen nominalen Performance von 22,56 % folgt die GBWAG Bayerische Wohnungs-AG auf dem zweiten Platz, allerdings bei einer mit 29,17 % sogar leicht höheren Volatilität. Die Deutsche Euroshop AG rangiert bezüglich der Performance deutlich oberhalb von Hamborner AG und DIBAG Industriebau AG, und das bei geringerer Volatilität. Der IAG-Index, in den wie schon zuvor erwähnt auch andere Gesellschaften im Jahresturnus einfließen als die fünf Gesellschaften im direkten OFIX-Vergleich, liegt mit einer Performance von 12,67 % in der Mitte der Aktiengesellschaften, allerdings bei mit 13,39 % deutlich geringerer Volatilität. Die überlegene Performance des IAG-Index gegenüber den Einzeltiteln lässt auf Diversifikationseffekte bei nicht vollständig korrelierter Kursentwicklung schließen; da der IAG-Index aber auf Grund seiner Zusammensetzung nicht zum direkten Vergleich mit den fünf Einzeltiteln geeignet ist, wurde mit dem IAG-5-Index ein Vergleichsindex erstellt. Der IAG-5-Index aggregiert die fünf in Abbildung 3.2-15 dargestellten Aktientitel gleichgewichtet, d.h. ohne
3.2.4.2 Performanceanalyse bei Immobilienaktiengesellschaften
141
Berücksichtigung der Marktkapitalisierung.7 Nunmehr ist ein Vergleich bzgl. Performance und Volatilität zwischen IAG-5 Index und den fünf Einzeltiteln möglich, mit dem Ergebnis, dass die Performance des Indexes erwartungsgemäß in der Mitte der fünf IAGs liegt (17,97 %), während die annualisierte Volatilität im Durchschnitt über den fünfjährigen Betrachtungszeitraum bei lediglich 11,70 % liegt. Dies bedeutet, dass diejenigen Titel, die nicht über den vollständigen Fünf-Jahreszeitraum Teil des IAG Indexes waren und folglich nicht als Einzeltitel im Diagramm gezeigt werden, für die reduzierte Rendite und die leicht erhöhte Volatilität des IAG-Indexes im Vergleich zum IAG-5-Index verantwortlich sind. Nachdem eine Gesamtübersicht über das Rendite-Risikospektrum von Immobilienaktien und Offenen Immobilienpublikumsfonds präsentiert wurde, widmet sich der folgende Abschnitt der Performancebeurteilung von Immobilienaktien durch geeignete Risikomaßzahlen. Variationskoeffizient Die höchsten und damit ungünstigsten Variationskoeffizienten erzielten die Hamborner AG (268 %) und die DIBAG Industriebau AG (257 %). Dies bedeutet, dass ein Investor pro Prozentpunkt Rendite in beiden Fällen eine Volatilität von mehr als 2,5 % hinnehmen musste. Die IVG Immobilien AG erzielte mit 113 % einen fast ebenso guten Variationskoeffizienten wie der IAG-Index (106 %). Die Ergebnisse sind in Abbildung 3.2-18 zusammengefasst. Da der Variationskoeffizient lediglich Volatilität und Renditen in Bezug setzt, bleibt der risikolose Zinssatz außer Betracht. Dies bedeutet die implizite Unterstellung, dass das Rendite-Risikoverhältnis innerhalb des Anlagespektrums linear wäre. Somit kann auch ein Investment einen guten Variationskoeffizienten aufweisen, das schlechter als der risikolose Zinssatz performt − eine sehr geringe Volatilität vorausgesetzt. In Renditebereichen nahe des risikolosen Zinssatzes ist diese Perfomancekennzahl nur bedingt geeignet; der Variationskoeffizient eines „risikofreien“ Geldmarktinvestments (Annahme: Volatilität gleich null) betrüge 0 % und wäre daher unschlagbar. Performance nominal (p.a.) Volatilität (p.a.) Immobilien Aktiengesellschaft IVG Immobilien AG 25,57% 28,98% Deutsche Euroshop AG 13,69% 19,08% DIBAG Industriebau AG 7,94% 20,37% Hamborner AG 8,15% 21,84% GBWAG Bayerische Wohnungs-AG 22,56% 29,17% IAG Index 12,67% 13,39% Abb. 3.2- 18 Rendite-Risiko-Verhältnis Immobilien-AGs im 5-Jahreszeitraum 2003 – 2007
7
Variationskoeffizient 113,34% 139,35% 256,66% 268,01% 129,28% 105,68%
Wenn man den IAG-5 Index in Analogie zum IAG-Gesamtindex kapitalisierungsgewichtet hätte berechnen wollen, mit der identischen Limitation auf max. 18% Indexgewicht je Titel, wäre im Ergebnis bei nur fünf Indextiteln ein nahezu gleichgewichtetes Ergebnis entstanden.
142
3.2.4 Immobilienaktiengesellschaften
Sharpe-Ratio Im Unterschied zum Variationskoeffizienten berücksichtigt die Sharpe-Ratio neben Rendite und Volatilität auch die Rendite des risikolosen Zinssatzes. Für Investitionen, deren Performance unterhalb des risikolosen Zinssatzes liegt, weist sie einen negativen Wert auf. Der Investor erzielt zum einen eine Rendite unterhalb des (zumindest langjährigen) Mindestniveaus und trägt zum anderen zusätzlich Risiken dahingehend, dass der Erwartungswert (die langjährige Durchschnittsrendite) nicht erreicht wird. Negative Sharpe-Ratios lassen Investments ex post inferior erscheinen. Sämtliche der betrachteten Immobilien-Aktiengesellschaften weisen, wie Abbildung 3.2-19 zeigt, in der Fünf-Jahresbetrachtung positive Sharpe-Ratios auf. Die IVG liegt mit 0,79 wie schon bei dem Variationskoeffizienten vorne. Da sich die untersuchten Unternehmen wesentlich stärker in Bezug auf ihre Rendite als in Bezug auf die damit verbundene Volatilität unterscheiden, liegen auch bei der Sharpe-Ratio die Unternehmen mit der höchsten Rendite im Ranking vorne. Der IAG-Index kann im Unterschied zum Ranking gemäß dem Variationskoeffizienten die IVG Immobilien AG nicht schlagen, da die Berücksichtigung des risikolosen Zinssatzes auf das höhere Renditeniveau der IVG einen geringeren Einfluss hat als auf das niedrigere des Indexes. 0,90 0,80
0,79 0,68
0,70 0,58
0,60 Sharpe-Ratio
0,74
0,50 0,40 0,30
0,26
0,25
DIBAG Industriebau AG
Hamborner AG
0,20 0,10 0,00 IVG Immobilien AG
Deutsche Euroshop AG
GBWAG Bayerische WohnungsAG
Abb. 3.2- 19 Sharpe-Ratio der Immobilien-AGs im Fünf-Jahres-Durchschnitt 2003 – 2007
IAG Index
3.2.4.2 Performanceanalyse bei Immobilienaktiengesellschaften
143
Differenzrendite Bis auf die IVG Immobilien AG ist es keiner Gesellschaft gelungen, den Index oder das diversifizierte Immobilienaktienportfolio in Bezug auf die Differenzrendite zu schlagen. Allerdings besagt eine in Abbildung 3.2-20 zu erkennende negative Differenzrendite von 10,8 % wie bei der Hamborner AG nicht, dass die Performance des Branchendurchschnitts um über 10 % verfehlt wurde. Die Aussage ist lediglich, dass über ein diversifiziertes Indexinvestment bei gleicher Volatilität 10,8 % mehr Rendite hätte erzielt werden können. Die Performancevorteile des Indexes ergeben sich aus der nicht vollständigen Korrelation der einzelnen Aktien. Analog zu den Ergebnissen der Modernen Portfolio Theorie ergeben sich umso größere Performancevorteile für ein diversifiziertes Investment (wie den IAG-Index), je weniger die einzelnen Aktien korreliert sind. Zum direkten Performancevergleich zwischen den einzelnen Immobiliengesellschaften sind die zuvor erwähnten Kennzahlen Variationskoeffizient und Sharpe-Ratio besser geeignet. Die Tatsache, dass bei den OFIX-5 Fonds mehr Unternehmen den Index schlagen (und auch hier nicht den Branchendurchschnitt) liegt darin begründet, dass das Volatilitätsniveau bei Offenen Immobilienfonds in Relation zu den Renditen und Renditedifferenzen zwischen den einzelnen Fonds wesentlich niedriger ist als bei Immobilienaktiengesellschaften. 2%
1,31%
0%
Differenzrendite
-2%
-1,83% -3,21%
-4% -6% -8% -10%
-9,92% -10,80%
-12% IVG Immobilien AG
Deutsche Euroshop AG
DIBAG Hamborner AG Industriebau AG
GBWAG Bayerische Wohnungs-AG
Abb. 3.2- 20 Differenzrendite Immobilien-AGs 2003 – 2007
Risk-Adjusted Performance (RAP) Die Risk-Adjusted-Performance ist ebenso wie die Differenzrendite eine Kennzahl, um die Performance von einzelnen Aktiengesellschaften in einem Portfoliovergleich darzustellen.
144
3.2.4 Immobilienaktiengesellschaften
Die Differenz zwischen risikoadjustierter Performance der einzelnen Gesellschaften zur Indexperformance fällt geringer aus als bei der Differenzrendite, da bei der RAP die Volatilität des Indexes zugrunde gelegt wird, um den Renditeunterschied aufzuzeigen, während bei der Differenzrendite die Volatilität der einzelnen Aktien verwendet wird, um den Unterschied zur risikoadjustierten Performance darzustellen. Wie Abbildung 3.2-21 erkennen lässt, gelingt es wieder nur der IVG Immobilien AG, risikoadjustiert die Rendite des Indexes zu schlagen. GBWAG Bayerische Wohnungs-AG und Deutsche Euroshop AG folgen mit relativ geringem Abstand, allerdings unterhalb der Indexrendite, während die risikoangepasste Rendite der DIBAG Industriebau AG und der Hamborner AG abgeschlagen bei nur etwa 50 % der Indexrendite liegt. 14,00%
13,28% 11,83%
Risk-Adjusted Performance
12,00% 10,42% 10,00% 8,00% 6,15% 6,00%
6,05%
4,00% 2,00% 0,00% IVG Immobilien Deutsche AG Euroshop AG
DIBAG Hamborner AG Industriebau AG
GBWAG Bayerische Wohnungs-AG
Abb. 3.2- 21 RAP Immobilien- AGs 2003 – 2007
Ranking risikoadjustierter Performancemaße von Immobilien-Aktiengesellschaften Die nachfolgende Abbildung 3.2-22 fasst die Rankingergebnisse der Gesellschaften bezüglich der einzelnen Performancekennzahlen zusammen. Obwohl die Kennzahlen Differenzrendite und Risk-Adjusted-Performance nicht primär zum direkten Vergleich der Unternehmen gedacht sind, wurden sie der Vollständigkeit halber mit aufgenommen. Auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass sich das Ranking der Gesellschaften bei allen vier Kennzahlen gleich darstellt: Auf Rang eins die IVG Immobilien AG, gefolgt von der GBWAG Bayerische Wohnungs-AG und der Deutschen Euroshop AG. Die großen Unterschiede − vor allem bezüglich der Performance der Gesellschaften − führen zu dem identischen Ranking nach allen vier Kennzahlen, wobei IVG und GBWAG besonders durch sehr hohe Renditen bei
3.2.4.2 Performanceanalyse bei Immobilienaktiengesellschaften
145
hoher Volatilität punkten, wohingegen die Deutsche Euroshop durch hohe Renditen bei geringerer Volatilität auffällt. Immobilien Aktiengesellschaft IVG Immobilien AG Deutsche Euroshop AG DIBAG Industriebau AG Hamborner AG GBWAG Bayerische Wohnungs-AG IAG Index
Variationskoeffizient Rang Wert 1 113% 3 139% 4 257% 5 268% 2 129% 106%
Sharpe-Ratio Rang 1 3 4 5 2 -
Wert 0,79 0,58 0,26 0,25 0,68 0,74
Differenzrendite Rang Wert 1 1,31% 3 -3,21% 4 -9,92% 5 -10,80% 2 -1,83% -
Risk-Adjusted Performance Rang Wert 1 13,28% 3 10,42% 4 6,15% 5 6,05% 2 11,83% -
Abb. 3.2- 22 Ranking von Immobilien-AGs nach risikoadjustierten Performancemaßen
3.2.5 Zusammenfassung Immobilien gelten oft als konservative Anlageform mit beständigen, wenn auch niedrigen Renditen. In diesem Beitrag wurden die indirekten Kapitalanlageformen der Immobilien in Deutschland analysiert, um zu ermitteln, wie beständig die Rendite für den institutionellen oder privaten Anleger erwirtschaftet wird. Bei dieser Untersuchung wurden die Hauptanlageformen Offene Immobilien-Spezialfonds, Immobilien-Publikumsfonds und Immobilienaktiengesellschaften auf ihre Renditen und Risiken untersucht. Es zeigt sich, dass nur eingeschränkt von einer Beständigkeit der Rendite gesprochen werden kann. Es gibt sowohl große Unterschiede von Jahr zu Jahr als auch innerhalb einer Anlageform. So erzielten die Spezialfonds im Durchschnitt in einem guten Jahr (2007) 6,14 % Fondsrendite, während in einem schlechten Jahr (2004) die Rendite nur die Hälfte davon betrug. Die Streuung innerhalb der Spezialfonds während eines bestimmten Jahres ist sogar vielfach höher. So gab es im Jahr 2007 Fonds mit einer Rendite von mehr als 20 %, aber auch Fonds mit einer Rendite von schlechter als -10 %. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Offenen Immobilien-Publikumsfonds, bezogen auf die Unterschiede von Jahr zu Jahr. In einem guten Jahr (2007) erzielten die Offenen Immobilienfonds im OFIX-10 im Durchschnitt eine Rendite von 6,1 %, während in einem schlechten Jahr (2005) die Rendite nur auf 2,1 % kam. Bezogen auf die Streuung innerhalb der indirekten Kapitalanlage ist die Spannbreite bei den Publikumsfonds geringer als bei den SpezialFonds, aber die Bandbreite im Jahr 2007 von 15,4 % bis 0,5 % verdeutlicht, dass auch hier das Risiko groß ist, den falschen Fonds auszuwählen und auf einen Verlierer zu setzen. Da bei den Immobilienaktiengesellschaften die generellen Einflüsse am Aktienmarkt und die Erwartungen der Marktteilnehmer den Wert der Aktie bestimmen, ist die Varianz naturgemäß höher. So wurde in allen Jahren eine deutlich höhere Streuung unter den analysierten Aktien beobachtet als bei den Immobilien-Spezialfonds oder den Publikumsfonds. Drastisch unterschieden sich insbesondere die Ergebnisse der Jahre 2006 und 2007. Während 2006
146
3.2.5 Zusammenfassung
noch sämtliche zehn Indexunternehmen positive Renditen erwirtschafteten, mussten nur ein Jahr später 11 von 15 Indexunternehmen Verluste hinnehmen. Die Indexperformance zeigt ein ähnliches Bild: Im Jahr 2006 erwirtschaftete der Index 49,9 % Rendite, während 2007 31,3 % Verluste zu verzeichnen waren. Die Überlegenheit des IAG-Index bezüglich der Performancekennzahlen im Vergleich zu den Einzeltiteln verdeutlicht die Vorteile eines diversifizierten Portfolios. Somit gilt auch für die indirekte Kapitalanlageform der Immobilien und ihr dazugehörendes Risiko die Aussage von James Tobin, der seine Nobelpreisarbeit so zusammenfasste: "Don't put all your eggs in one basket."
3.3
Renditen und Risiken indirekter Immobilienanlagen im internationalen Vergleich
Heinz Rehkugler 3.3.1
Einführung
148
3.3.2
Renditen und Risiken von Immobilienaktien – empirische Befunde
149
3.3.2.1 Vergleich der Renditen............................................................................................149 3.3.2.2 Vergleich der Risiken..............................................................................................153 3.3.3
Wie schaffen REITs höhere Renditen als direkte Immobilienanlagen?
156
3.3.1 Einführung Eine Darstellung und Analyse von Renditen und Risiken indirekter Immobilienanlagen beschränkt sich in anderen Ländern bzw. bei internationalen Vergleichen – vorrangig aus Gründen der Verfügbarkeit von Daten − zumeist auf börsennotierte Immobilienaktiengesellschaften (oder dem ähnliche Rechtsformen) mit und ohne Steuertransparenz. Dem soll hier gefolgt werden. Bei verschiedenen Datenanbietern und in wissenschaftlichen Beiträgen finden sich teilweise recht unterschiedliche Werte für die Renditen und Volatilitäten von REITs und nicht steuertransparenten Immobiliengesellschaften. Die Unterschiede sind hauptsächlich verursacht durch • die Länge der Datenreihe bzw. den Zeitraum, für den die Renditen und Risiken gemessen wurden. Wie noch zu zeigen sein wird, schwanken die Renditen im Zeitablauf recht stark und stabilisieren sich erst bei sehr langen Zeitreihen; • die Zahl bzw. Auswahl der Unternehmen, die in die Untersuchungen einbezogen wurden. Verschiedene Indizes (so u.a. auch von EPRA) enthalten aufgrund ihrer Auswahlkriterien von einzelnen Ländern teilweise sehr wenige Unternehmen, die jeweils nicht den gesamten heimischen Markt abbilden und daher stark der Gefahr der „Verfälschung“ durch Sonderbewegungen einzelner Unternehmen unterliegen; andere Datenbasen wie z.B. der DIMAX legen dagegen den Begriff des Immobilienunternehmens eher weit aus und nehmen daher auch Unternehmen mit auf, die wesentliche Teile ihrer Erträge aus anderen Aktivitäten als aus der Bestandshaltung erzielen. Dies erschwert auch einen Vergleich von Renditen einzelner Länder; • die der Berechnung zugrunde gelegte Währung. Die einen weisen die Renditen jeweils auf der Basis der Inlandswährung aus, während die anderen jeweils die Sicht eines bestimmten Investors einnehmen und z.B. alle Renditen auf Basis des USD oder des € berechnen. Wie schon im Beitrag zur Messmethodik als Problem beschrieben, sind fast durchgängig die Renditen auf der Ebene des Unternehmens, also ohne Berücksichtigung von Steuern und zusätzlichen Belastungen beim Investor selbst gerechnet. Sie verzerren damit etwas den Vergleich von steuertransparenten und nicht steuertransparenten Produkten. Wir wollen im Weiteren unterschiedliche empirische Befunde zu Renditen und Risiken von Immobiliengesellschaften in der Längsschnittanalyse vorstellen und sie − soweit verfügbar − den Performancedaten der Aktienmärkte generell sowie der direkten Immobilienanlage vergleichend gegenüber stellen. Dies soll eine generelle Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit
3.3.2.1 Vergleich der Renditen
149
von Investments in börsennotierten Immobiliengesellschaften im Vergleich zu anderen Assetklassen erlauben. Leider sind praktisch keine Daten zur Querschnittsanalyse verfügbar, also zur Streuung der Performance innerhalb der Klasse der Immobilienunternehmen im jeweiligen Land. Daher können wir das Risiko, in eine „falsche“ Immobiliengesellschaft zu investieren und daher eine unter dem Durchschnitt liegende Performance zu erzielen, nicht aufzeigen. Wenn sich erwartungsgemäß zeigen lässt, dass sich mit Immobilienaktien durchschnittlich höhere Renditen erzielen lassen als mit direkten Immobilien, dann provoziert dies die Frage, wie bzw. wodurch die Immobiliengesellschaften dies erreichen. In jüngerer Zeit sind hierzu für die US-amerikanischen REITs Untersuchungen durchgeführt worden, deren Resultate wir präsentieren werden.
3.3.2 Renditen und Risiken von Immobilienaktien – empirische Befunde 3.3.2.1 Vergleich der Renditen Als Basis der Berechnung der Renditen ziehen wir die FTSE EPRA/NAREIT-Indizes heran. Sie enthalten sowohl REITs als auch nicht steuertransparente Immobilienunternehmen. Wir präferieren diese Datenbasis auch, weil wir Aussagen über eine möglichst lange Zeitspanne machen wollen. Anderen Untersuchungen liegen, alternativ hierzu, teilweise die GPRIndizes zugrunde.1 Die für den Zeitraum von 1990 bis Ende 2007 für die wichtigsten Länder berechneten Renditen gibt Abbildung 3.3-1 wieder. Sie lässt erkennen, dass die erzielten Renditen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ausgefallen sind, sich also über den untersuchten langen Zeitraum keinesfalls aus- bzw. angleichen. Vor allem die USA, Australien und Frankreich heben sich kräftig z.B von Japan und einigen anderen Ländern ab.
1
Vgl. z.B. Stanislawek/Barkow (2007)
150
3.3.2 Renditen und Risiken von Immobilienaktien – empirische Befunde Mittelwert
Volatilität
Wert, min
Wert, max
SharpeRatio
1990-2006
1990-2007
1990-2006
1990-2007
1990-2007
1990-2007
1990-2007
AUS
15,44%
14,13%
10,51%
10,97%
-8,53%
31,42%
0,83
BEL
4,93%
4,21%
13,52%
13,43%
-32,25%
33,65%
-0,06
DEU
9,19%
5,84%
22,46%
22,57%
-62,34%
45,68%
0,04
FRA
13,54%
11,57%
14,52%
14,95%
-22,84%
51,52%
0,44
GB
9,63%
6,59%
17,92%
18,18%
-45,05%
58,87%
0,09
HK
12,16%
14,06%
35,16%
34,49%
-53,68%
83,48%
0,26
ITA
11,27%
7,29%
25,27%
25,57%
-60,30%
48,42%
0,09
JAP
1,22%
0,42%
30,60%
30,35%
-73,62%
56,81%
-0,15
NL
8,07%
6,89%
12,35%
12,60%
-28,21%
34,67%
0,15
SING
5,34%
5,48%
38,07%
37,39%
-64,29%
79,52%
0,01
SWD
1,92%
0,68%
33,33%
32,82%
-75,29%
39,75%
-0,13
SWZ
6,86%
5,64%
16,27%
16,16%
-43,37%
52,58%
0,04
USA
16,02%
14,14%
14,33%
14,87%
-19,25%
46,02%
0,61
Abb. 3.3- 1 Performance von Immobilienaktien verschiedener Länder, Quelle: EPRA (2007), eigene Berechnungen
Die doch heftigen Schwankungen der Jahresrenditen während des Untersuchungszeitraums machen die zusätzlichen Spalten mit deren Minimal- und Maximalwerten deutlich. So konnten in der Spitze Jahresrenditen von 83 % (Hongkong) und fast 80 % (Singapur) erzielt werden, im schlechtesten Fall mussten aber auch „Abstürze“ von ca. 75 % (in Schweden und Japan) hingenommen werden. In den breiten Märkten der REITs in den USA und in Australien dagegen fielen die Schwankungsbreiten doch deutlich geringer aus. Je kürzer der Untersuchungszeitraum gewählt wird, desto stärker könnten spezifische Marktentwicklungen sowie Sondereffekte der Kursentwicklung aufgrund der Einführung des REIT-Status in einigen Ländern verzerrend wirken. Aber auch bei dem hier bewusst gewählten langen Untersuchungszeitraum wirkt sich aufgrund der hohen jährlichen Schwankungen die Veränderung der Zeitspanne spürbar aus. So hätten die Renditen, wie die Differenz der ersten und der zweiten Spalte in Abbildung 3.3-1 belegt, bei einer Verkürzung der Berechnungsbasis um nur ein Jahr (also bis Ende 2006 und damit vor dem Beginn der aktuellen Baisse) in fast allen einbezogenen Ländern deutlich, teilweise um über 3 %, höher gelegen. Dies erklärt die doch recht unterschiedlichen Zahlen zu den Renditen von Immobilienaktien, die in der Literatur genannt werden, da sie meist auf in Lage und Länge abweichenden Untersuchungszeiträumen basieren und somit stark historische „Zufälligkeiten“ widerspiegeln. Es ist sicher Vorsicht geboten, die absoluten Werte der erzielten Renditen einzelner Länder mit denen anderer Länder zu vergleichen, soweit sich dort die wirtschaftlichen Bedingungen wesentlich unterscheiden. Da ja regelmäßig nominale Renditen gemessen werden, müssten vor allem die unterschiedlichen Inflationsraten in den einzelnen Ländern und Währungsräumen zusätzlich berücksichtigt werden.
3.3.2.1 Vergleich der Renditen
151
Performanceindizes im Vergleich (12/1989 - 10/2007) Dezember 1989 = 100
1000 900
FTSE NAREIT All REITs S&P 500 Russell 2000
800 700 600 500 400 300 200 100
De z 8 Ju 9 n D 90 ez 9 Ju 0 n D 91 ez 9 Ju 1 n D 92 ez 9 Ju 2 n D 93 ez 9 Ju 3 n D 94 ez 9 Ju 4 n D 95 ez 9 Ju 5 n De 96 z 9 Ju 6 n D 97 ez 9 Ju 7 n D 98 ez 9 Ju 8 n De 99 z Ju 99 n D 00 ez 0 Ju 0 n D 01 ez 0 Ju 1 n De 02 z 0 Ju 2 n D 03 ez 0 Ju 3 n D 04 ez 0 Ju 4 n D 05 ez 0 Ju 5 n D 06 ez 0 Ju 6 n 07
0
Abb. 3.3- 2 US-REITs im Vergleich mit anderen Aktienindizes
Aus dem gleichen Grund ist auch ein Vergleich von REITs und Nicht-REITs auf dieser Basis nicht zweckmäßig. Zwar müsste sich generell aufgrund des Steuervorteils ein Renditeunterschied zugunsten der REITs zeigen. Er ist empirisch ja auch schon eindeutig nachgewiesen.2 Ein solcher Quervergleich auf der Basis unserer Daten über Länder mit differierenden Marktverhältnissen, teilweise ganz unterschiedlichen REIT-Gesetzen und Beschränkungen der zulässigen Aktivitäten von REITs macht aber praktisch keinen Sinn. Wir werden in einem späteren Beitrag − bei der Untersuchung der Gründe für Abweichungen des Börsenkurses vom NAV − auf diese Frage noch einmal zurückkommen.3 Für die Beurteilung der Renditen von Immobiliengesellschaften ist es sinnvoller, sie mit den Renditen anderer Anlagemöglichkeiten im jeweils gleichen Land zu vergleichen. Für die USA, dem Markt mit der längsten Historie der REITs und dem weitaus größten Marktvolumen, zeigt Abbildung 3.3-2, dass über den gesamten Beobachtungszeitraum von 1990 – Mitte 2008 die REITs, trotz des sehr kräftigen Einbruchs ab 2007, besser abgeschnitten haben als die breiten Indizes S&P 500 und Russell 2000 (ein eher kleinere Unternehmen repräsentierender Index). Der Chart lässt aber auch erkennen, dass die Performance der REITs bis 2003 schlechter war, also erst in den wenigen letzten Jahren zu ihrem Höhenflug angesetzt hat. Ebenfalls auffallend ist die Abkopplung der REIT-Performance vom allgemeinen Aktienmarkt in den Jahren des Börsenhypes und des anschließenden Zusammenbruchs zwischen 2
Vgl. Op`t Veld (2005)
3
siehe den Beitrag von Zajonz und Rehkugler in Teil 5
152
3.3.2 Renditen und Risiken von Immobilienaktien – empirische Befunde
1997 und 2003. Die Werte in Abbildung 3.3-3 bestätigen für Zeiträume von 10, 15 und 20 Jahren, dass die REIT-Renditen etwas über der des allgemeinen Aktienmarkts lagen. Zieht man als Vergleichsgröße zu den US-REITs direkte Anlagen in Immobilien heran, gemessen über die Entwicklung des NCREIF, eines repräsentativen US-Index der Immobilienanlagen, dann erweisen sich die REITs auch hier als überlegen. Abbildung 3.3-3 zeigt allerdings, dass dies zwar für lange Zeiträume von 15 und 20 Jahren gilt, sich aber für kürzere Zeiträume umkehrt. Bei letzterem schlägt sich nieder, dass der Immobilienboom der letzten Jahre REITs wie direkten Immobilien hohe Wertzuwächse gebracht hat, die jüngst darauf folgende Krise sich zwar schon in der REIT-Performance, aber noch nicht im Index der direkten Immobilien niedergeschlagen hat. USA
NCREIF
FTSE NAREIT
S&P 500
Annualisierte Rendite % (8/2007)
1 Jahr 3 Jahre 5 Jahre 10 Jahre 15 Jahre 20 Jahre
8,59 14,75 14,60 12,17 11,27 8,64
-3,08 3,78 13,89 11,78 11,63 11,56
-11,09 2,85 7,03 2,91 9,19 10,41
Annualisierte Volatilität % (8/2007)
1 Jahr 3 Jahre 5 Jahre 10 Jahre 15 Jahre 20 Jahre
1,05 3,40 3,56 3,81 4,04 6,11
6,08 17,43 17,35 15,50 13,99 13,52
3,82 10,12 9,41 14,90 13,92 13,71
Abb. 3.3- 3 Renditevergleich amerikanischer Aktien und Immobilienanlagen, Quelle: NAREIT Chartbook 8/2007
Für andere Länder ergibt sich ein etwas differenziertes Bild (Abbildung 3.3-4). Nach den Auswertungen von IPD liegen im Durchschnitt der letzten 10 Jahre (längere Zeiträume sind in dieser Datenbasis nicht verfügbar) die Immobiliengesellschaften mit 8,2 % p.a. über der Rendite des gesamten Aktienmarkts (6,2 %), aber deutlich unter der Gesamtperformance direkter Immobilienanlagen (11,4 %). Auf fünf Jahre liegen dagegen die Immobilienaktien vor den Direktanlagen. Für Australien liegen sowohl für den 5-Jahres- als auch den 10-Jahres-Zeitraum die direkten Immobilien und die REITs fast gleichauf. Der Aktienmarkt hat dagegen auf 5 Jahre weit bessere Renditen erwirtschaftet. In Frankreich haben in den letzten 5 und 10 Jahren die Immobilienaktien, offenbar durch die Einführung von REITs getragen, mit 24,1 bzw. 17,9 % p.a. eine besonders hohe Rendite erzielt, die auch deutlich über der des Aktienmarkts und der direkten Immobilien lag.
3.3.2.2 Vergleich der Risiken
153 Annualisierte Rendite % (bis 2007)
UK
Frankreich
Australien
Direkte Immobilien
Property Companies
Aktien
5 Jahre
12,2
16,6
15,6
10 Jahre
11,4
8,2
6,2
5 Jahre
14,5
24,1
16,5
10 Jahre
12,3
17,9
9,3
5 Jahre
14,9
14,8
21,4
10 Jahre
12,5
13,0
13,8
Abb. 3.3- 4 Renditevergleich von Aktien und Immobilienprodukten in UK, Frankreich und Australien Quelle: IPD 2008
3.3.2.2 Vergleich der Risiken Ein Vergleich der Performance ist nur unter Berücksichtigung des dafür vom Investor einzugehenden Risikos angemessen und aussagefähig. Die eingangs eingeführte Abbildung 3.3-1 mit der Performance der Immobiliengesellschaften für einzelne Länder weist ebenso schon die Volatilitäten aus, berechnet aus Monatswerten der Renditen, wie Abbildung 3.3-3 mit den Zahlen für die REITs und die direkten Immobilien für die USA. Bei letzteren sind die Volatilitäten aus den Quartalswerten ermittelt und auf das Jahr hochgerechnet. Nicht sehr überraschend streuen die Volatilitäten von Land zu Land, auch bedingt durch die teilweise geringe Zahl von enthaltenen Immobiliengesellschaften, durchaus kräftig. Für die USA lassen die Tabellenwerte erkennen, dass die Streuung der Renditen bei den REITs und dem S&P 500 recht ähnlich ist. Dagegen liegen die Volatilitäten der im NCREIF erfassten Direktimmobilienanlagen weit niedriger, ja nicht einmal halb so hoch wie die der REITs. In der üblichen zweidimensionalen Performancedarstellung (Abbildung 3.3-5) haben wir zum einen die Rendite-/Risikopositionen der Immobilienindizes aller in Abbildung 3.3-1 erfassten Länder abgebildet.4 Zum Vergleich hierzu sind zum andern auch der S&P 500 (als Position der US-Aktien), ein europäischer Aktienindex von Datastream (als Position der europäischen Aktien) sowie der NCREIF (als Performance der direkten USImmobilienanlagen) für die letzten 20 Jahre (also im Betrachtungszeitraum leicht abweichend) aufgenommen. Es wird deutlich, • dass die Positionierungen der Immobilienunternehmen der einzelnen Länder sehr heterogen sind, 4
Wir vernachlässigen hiermit, dass für die meisten Länder die Renditen nicht normalverteilt sind, also eigentlich höhere Momente wie die Schiefe und Wölbung mit beachtet werden müssten
154
3.3.2 Renditen und Risiken von Immobilienaktien – empirische Befunde
• dass Australien und die USA eine deutlich über den anderen Ländern liegende Performance erzielt haben und in dem Beobachtungszeitraum vor allem Japan und Schweden dramatisch abfielen, • dass von den europäischen Ländern nur Frankreich eine annähernd vergleichbar gute Position erreichte, dagegen alle anderen teilweise deutlich schlechter positioniert waren als der gesamte europäische Aktienmarkt. • dass die Equity REITs der USA sich gegenüber dem breiteren amerikanischen Aktienindex gut behaupten konnten, • dass allerdings die direkten amerikanischen Immobilienanlagen aufgrund ihrer sehr geringen Volatilität in der Gesamtperformance eine herausragende Position einnahmen und fast allen Immobilienaktien eindeutig überlegen waren.
Rendite-Risiko-Profil der nationalen Immobilienaktienindizes (Zeitraum: 01/1990 - 12/2007) 16,00%
USA
14,00%
AUS
12,00%
S&P 500
HK
FRA Europäischer Aktienmarkt
Rendite p. a.
10,00%
NCREIF 8,00%
NL 6,00%
ITA
GB DEU
SWZ
SIN
BEL
4,00%
2,00%
0,00% 0,00%
JAP 5,00%
10,00%
15,00%
20,00%
25,00%
30,00%
SWD 35,00%
40,00%
Volatilität p. a.
Abb. 3.3- 5 Rendite-/Risikoprofil von Immobilienaktien im Vergleich zu anderen Anlagen
Dieses Gesamtbild verschiebt sich verständlicherweise nur wenig, wenn Rendite und Risiko in einer Kennzahl ausgedrückt werden. Verschiedentlich wird hierfür vereinfacht lediglich der Quotient aus der Rendite und deren Volatilität berechnet. So weist z.B. NAREIT in ihrem regelmäßig erscheinenden Chartbook einen auf diese Weise berechneten „Adjusted Average Annual Total Return“ aus, wobei den REITs eine Gruppe anderer Aktienindizes gegenenüber gestellt wird. Auch hier erweisen sich, bezogen auf die letzten 20 Jahre, die Equity-REITs den Aktienindizes gegenüber als überlegen oder zumindest gleichwertig. Auch in wissenschaftlichen Untersuchungen wurde teilweise dieses einfache Performancemaß benutzt. Dabei kamen Gordon/Canter/Webb (1998) in ihrer weltweiten Analyse für die
3.3.2.2 Vergleich der Risiken
155
Jahre 1984-1997 zu dem – den aktuellen Zahlen weitgehend entgegenlaufenden − Befund, dass nur in Asien die Immobilienaktien eine risikoadjustierte Rendite erreichten, die gleich oder höher war als die der vergleichbaren Aktienmärkte. Dies belegt noch einmal die starke Abhängigkeit der Ergebnisse vom gewählten Untersuchungszeitraum. Auch die Benutzung von Sharpe-Ratios als Performancemaß, das die über den risikolosen Zins hinausgehende Rendite zum eingegangenen Risiko in Beziehung setzt, lässt erwarten, dass die Rangfolge der Assetklassen gegenüber der einfachen Variante der Risikoadjustierung weitgehend stabil bleibt. Korrekterweise hätten wir hier für jede einzelne Währung und jedes Jahr den risikolosen Zins getrennt bestimmen and anwenden müssen. Aus Vereinfachungsgründen ist allerdings durchgängig mit einem risikolosen Zinssatz von 5 % gerechnet worden. Abbildung 3.3-1 hatte in der letzten Spalte auch schon die Sharpe Ratios für die Immobilienaktien der einzelnen Länder enthalten. Die Sharpe Ratios für den NAREIT-Index, den S&P 500 und für NCREIF – jeweils bezogen auf die Renditen und Volatilitäten der letzten 20 Jahre (Endwert 8/2008) – betragen 0,48 (NAREIT), 0,39 (S&P) bzw. 0,90 (NCREIF). Tatsächlich zeigt sich eine leichte Überlegenheit der REITs gegenüber dem S&P 500. Es wurde eine etwas höhere Zusatzrendite je Einheit des eingegangenen Risikos erzielt. Dagegen fällt die Sharpe Ratio für die direkten Immobilienanlagen in den USA deutlich höher aus als für die börsennotierten Papiere in den USA und in allen anderen einbezogenen Ländern. Betrachtete man kürzere Zeiträume, dann würde dieser Effekt noch stärker zutage treten. Nun ist spätestens hier allerdings eine Rückblende auf das im Beitrag zur Messmethodik schon angesprochene Problem der meist unkorrekten Messung der Volatilität direkter Immobilien notwendig. Wenn aus den dort erläuterten Gründen − vor allem der Bewertungsbasierung mit ihren Smoothing-Effekten − die Volatilität direkter Immobilienanlagen tendenziell zu niedrig ausgewiesen wird, verzerrt dies selbstverständlich alle zweidimensionalen Performancevergleiche mehr oder weniger stark. So kommen Edelstein/Quan (2006) in ihrer recht aktuellen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass bei Beseitigung der Verzerrung durch das Smoothing in der Bewertung die Volatilitäten fast doppelt so hoch ausfallen wie die offiziell im Index gemessenen und veröffentlichten Werte. Selbst wenn der Messfehlereffekt kleiner wäre, müsste dies die ansonsten deutliche Überlegenheit der Performance direkter Immobilen zumeist in ihr Gegenteil verkehren. Insgesamt gesehen sind die präsentierten Befunde als starkes Indiz zu werten, dass für die Immobiliengesellschaften mit und ohne Steuertransparenz grundsätzlich und auf lange Sicht die relative Performance, die erzielte Renditen unter Berücksichtigung des hierzu einzugehenden Risikos zu Anlagen in anderen Wertpapieren durchaus konkurrenzfähig waren und bleiben werden. Im Vergleich zu direkten Immobilienanlagen scheint es den Immobiliengesellschaften grosso modo ebenfalls gelungen zu sein, die ihnen im einführenden Beitrag idealtypisch zugewiesene Position im Rendite-/Risikofeld zu realisieren. Sie erreichen − unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der korrekten Messung der Volatilität direkter Immobilien − durchschnittlich (aber keineswegs durchgängig) deutlich höhere Renditen, die die höheren Volatilitäten zu kompensieren vermögen.
156
3.3.3 Wie schaffen REITs höhere Renditen als direkte Immobilienanlagen?
3.3.3 Wie schaffen REITs höhere Renditen als direkte Immobilienanlagen? Dass eine Börsennotierung und ein laufender Börsenhandel von Anteilen an Immobiliengesellschaften mit sich bringt, dass deren Wertveränderungen vom allgemeinen Marktgeschehen an den Finanzmärkten, von fundamentalen Veränderungen ebenso wie von Stimmungswellen und „Rauschen“ mit beeinflusst werden und dadurch die Streuung der Renditen größer wird, ist leicht einzusehen. Für höhere Risiken fordern die Anleger mehr Rendite. Höhere Risiken führen aber leider nicht automatisch zu höheren Renditen. Daher ist die Frage schwieriger zu beantworten, wie es den Immobiliengesellschaften gelingt, zur Kompensation dieser höheren Risiken entsprechend höhere Renditen zu erwirtschaften. Denn idealtypisch halten sie ja die gleichen Immobilien, die auch einer Direktanlage zugrunde liegen oder von Offenen Immobilienfonds (mit ebenfalls deutlich niedrigerer Rendite) gehalten werden. Abbildung 3.3-6 zeigt noch einmal graphisch, was es zu untersuchen gilt.
Positionierung von direkten und verbrieften Immobilienprodukten REITs
Rendite
Immobilien-AGs Offene Fonds
Zusatzrendite
Risikoloser Zins Direkte Immobilien anlagen
Zusatzrisiko Risiko
Abb. 3.3- 6 Differenz der angestrebten Positionierungen von direkten und indirekten Immobilienanlagen
3.3.2.2 Vergleich der Risiken
157
Erstaunlicherweise hat sich die Wissenschaft erst in jüngerer Zeit mit dieser Frage auseinandergesetzt. Für die US-REITs haben Riddiough/Moriarty/Yeatman (2005) − mit Daten für die Jahre 1980-1998 − sowie Pagliari/Scherer/Monopoli (2005) − mit einem etwas erweiterten, bis 2001 reichenden Untersuchungszeitraum − versucht, Erklärungen für die Renditedifferenzen von REITs und direkten Immobilienanlagen zu finden. Die beiden Studien wählen die grundsätzlich gleiche Herangehensweise. Sie starten, trotz des nicht ganz identischen Beobachtungszeitraums, mit sehr ähnlichen Ausgangsdaten, nämlich mit einer Durchschnittsrendite der direkten Immobilien von 8,4 bzw. 8,5 % und der REITs von 12,5 bzw. 13,5 % und damit mit einem jährlichen Renditevorsprung der REITs von 4,1 bzw. 5 %. Nach einer „technischen“ Korrektur der Datenbasis um REITs, für die keine durchgängigen brauchbaren Daten vorliegen, gilt der erste Erklärungsansatz der Überprüfung, ob nicht möglicherweise „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden. Das von REITs gehaltene Immobilienportfolio unterscheidet sich nämlich sowohl hinsichtlich der regionalen wie auch der funktionalen Zusammensetzung von der Zusammensetzung des NCREIF. So waren anfänglich in den REITs in deutlich größerem Ausmaß als im NCREIF-Index Einzelhandelsimmobilien vertreten, während Industrieimmobilien unterrepräsentiert waren. Im Untersuchungszeitraum hat sich die Portfoliozusammensetzung der REITs erheblich, insbesondere auch zu Spezialimmobilien wie Hotels und dem Krankenhäuser hin, verschoben. Bereinigt man also die REIT-Renditen um die Immobilientypen, die im NCREIF-Index gar nicht vertreten sind, und passt die Zusammensetzung des NCREIF-Index dann den verbleibenden Portfolios der REITs an, dann reduziert sich die zu erklärende Renditedifferenz um ca. 1,4 % (bei Riddiough/Moriarty/Yeatman) bzw. erhöht sie sich sogar um 0,3 % (bei Pagliari/Scherer/ Monopoli). Der nun schon mehrfach angesprochene Effekt des Smoothings der Renditeveränderungen aufgrund der Basierung auf teilweise überlappenden Bewertungen bedarf ebenfalls einer Korrektur. Sie führt zwar zu keiner Veränderung der ausgewiesenen Renditen, aber zu einer beträchtlichen Erhöhung der Volatilität um 3,4 % auf 8,6 %. Einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenkapitalrendite der REITs könnte die Ausnutzung des Verschuldungshebels bewirken. Die Renditen der direkten Immobilien werden dagegen für hypothetisch unverschuldete Investments berechnet. Für eine Angleichung der Bedingungen muss also die Renditewirkung des Verschuldungshebels herausgerechnet werden, indem anstelle der ausgewiesenen Rendite ein Return on Assets, also eine Gesamtkapitalrendite, berechnet wird. Diese Korrektur führt in der Tat zu einer kräftigen Reduktion der REITRenditen und damit der Renditespanne zu den Direktimmobilien um ca. 2,2 bzw. 2,3 %. Die Ausnutzung des Verschuldungshebels ist damit einer der zentralen Faktoren zur Erklärung der Renditedifferenz zwischen den Indizes der direkt gehaltenen und der Immobiliengesellschaften. Wichtig ist, dass mit einer Herausrechnung des Effekts des Verschuldungshebels auch das dadurch ausgelöste Risiko korrigiert werden muss. Überraschend zeigt sich, dass nach dieser Korrektur die Volatilität der Rendite der Immobilienaktien sogar etwas niedriger liegt als die des NCREIF-Indexes, wenn dort der Smoothing-Effekt korrigiert wird.
158
3.3.3 Wie schaffen REITs höhere Renditen als direkte Immobilienanlagen?
Riddiough/Moriarty/Yeatman korrigieren zusätzlich noch um Managementgebühren, die für Berater und Vermittler bezahlt werden. Sie argumentieren, dass diese bei den REIT-Renditen schon berücksichtigt seien, nicht aber im NCREIF-Index. Als Schätzgröße hierfür setzen sie weitere 0,8 % p.a. an, um die damit die Renditedifferenz wieder steigt. Die von Pagliari/Scherer/Monopoli5 entnommene Abbildung 3.3-7 zeigt in der Übersicht, welche der beschriebenen Korrekturen die originäre Rendite-/Risikoposition der REITs und des NCREIF-Indexes in welchem Umfang verschoben haben und welche Lücke danach noch verbleibt.
Abb. 3.3- 7 Anpassung der Rendite- und Risikopositionen der NAREIT- und NCREIF-Indizes
Alles in allem kommen beide Untersuchungen damit nach allen für notwendig gehaltenen Angleichungen auf eine fast identische verbleibende Renditedifferenz von jährlich 3 %, die es nunmehr weiter zu erklären gilt.
5
Vgl. Pagliari/Scherer/Monopoli (2005), S. 179
3.3.2.2 Vergleich der Risiken
159
Eine erste Erklärung hierfür waren wiederum simple Zeiteffekte, also in bestimmten Perioden durch besondere Ereignisse, z.B. durch veränderte Rahmenbedingungen, hervorgerufene Renditebewegungen, die aber nicht (mehr) typisch und nachhaltig sind. Darauf haben wir schon wiederholt hingewiesen. Pagliari/Scherer/Monopoli finden denn auch, wenn sie den Untersuchungszeitraum aufteilen, dass in den 80-er Jahren die korrigierte Renditedifferenz noch fast 4,8 % p.a. betrug, während sie im Jahrzehnt danach im Durchschnitt auf nur noch 0,6 % p.a.sank. Sie schließen daraus, dass inzwischen die Renditen der direkten und der indirekten Immobilienanlagen bezüglich ihrer Höhe und ihrer Ausschläge weitgehend synchron, wenn auch mit einem Lag der direkten Renditen6 verlaufen und dass es daher keiner grundlegender weiterer Erklärungen von Renditedifferenzen mehr bedürfe. Sie sehen wie Riddiough/Moriarty/Yeatman einen gewissen zusätzlichen Erklärungsbeitrag für die Restdifferenz darin, dass REITs in bestimmtem Umfang Erträge aus zusätzlichen, über die Bestandshaltung hinausgehenden Geschäften erzielen und hierfür auch höhere Risiken eingehen (müssen). Hierzu zählen vor allem die Entwicklung von Immobilien und erbrachte immobiliennahe Dienstleistungen. Beide Untersuchungen sprechen auch den möglichen Effekt der höheren Marktliquidität von REITs an. Die auch durch empirische Befunde gestützte Standardaussage der immobilienwirtschaftlichen Forschung geht nun allerdings in die Richtung, dass der Markt für die Liquidität börsennotierter Immobilienprodukte eine Liquiditätsprämie bezahle.7 Dies würde aber gerade in die gegenteilige Richtung wirken, also die Renditen der REITs senken. Riddough/Moriarty/Yeatman argumentieren aber durchaus nachvollziehbar, dass die erhöhte Liquidität durch die Börsennotierung auch als zusätzlicher Risikofaktor zu sehen sei, weil sie die Volatilität erhöhe und Diversifikationsmöglichkeiten reduziere. Bleibt nach Berücksichtigung all dieser Faktoren immer noch eine Renditedifferenz zugunsten der REITs bestehen, dann könnte diese aus deren möglicherweise höheren Effizienz des Immobilienmanagements resultieren. Zumindest für große REITs sind Skalenerträge, also Potentiale von Kosteneinsparungen durchaus plausibel. Ebenso betreiben REITs ja ein aktives Management, versuchen also gezielt Immobilien auszuwählen und in jeweils günstigen Zeiten zu investieren und Teile ihres Bestands zu verkaufen. Konkrete Größenordnungen für die Wirkung dieser Faktoren auf die Rendite nennen die Studien aber nicht. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass ein Teil der beobachtbaren Differenz der Renditen zwischen REITs und direkten Immobilienanlagen in den USA schlicht auf unterschiedlichen Zusammensetzungen des untersuchten Immobilienbestands beruhen. Einen erheblichen Einfluss hat die Ausnutzung des Verschuldungshebels. Zur Erklärung der verbleibenden Differenz bieten sich Argumente zusätzlicher Risiken und Ertragschancen von REITs, der Ausnutzung von Effizienzvorteilen und eines geschickten Portfoliomanagements an. Für andere Länder dürften die Gründe bei den gleichen Faktoren zu suchen sein, auch wenn vergleichbare Studien nicht vorliegen. 6
Wir werden auf diesen Aspekt in dem Beitrag von Morawski und Rehkugler intensiver eingehen
7
Siehe z.B. Benveniste/Capozza/Seguin (2001), die auf eine Prämie von 12-22 % kommen
160
3.3.3 Wie schaffen REITs höhere Renditen als direkte Immobilienanlagen?
3.4
Der Einfluss der Besteuerung auf die Vorteilhaftigkeit der indirekten Immobilienanlagen
Clemens Schäfer / Michael M. Kohl 3.4.1
Einleitung
162
3.4.2
Die Steuersystematik für steuertransparente und nicht steuertransparente Immobilien-(kapital)gesellschaften 163 3.4.2.1 Besteuerung von steuerlich intransparenten Immobilienkapitalgesellschaften.....163 3.4.2.1.1 Besteuerung der Gesellschaft ................................................................................163 3.4.2.1.2 Besteuerung der Gesellschafter .............................................................................164 3.4.2.2 Besteuerung des G-REITs .....................................................................................165 3.4.2.2.1 Qualifikationsvoraussetzungen..............................................................................165 3.4.2.2.2 Steuerliches Konzept .............................................................................................168 3.4.2.3
Behandlung steuerlich vorbelasteter Einkünfte .....................................................171
3.4.3 3.4.3.1 3.4.3.2
Steuerbelastungsvergleiche verschiedener Investorentypen 173 Natürliche Person als Investor ...............................................................................174 Juristische Person als Investor ...............................................................................176
3.4.4
Wettbewerbsfähigkeit des G-REITs in Europa
3.4.5 3.4.5.1 3.4.5.2 3.4.5.2.1 3.4.5.2.2 3.4.5.2.3 3.4.5.2.4 3.4.5.2.5 3.4.5.2.6
Auswirkungen der Besteuerung auf das Management von Immobiliengesellschaften 180 Vorbemerkung .......................................................................................................180 Managemententscheidungen..................................................................................181 Eigenkapitalfinanzierung/Liquiditätsplanung .......................................................181 Fremdkapitalfinanzierung......................................................................................182 Bilanz- und Einkommenstests ...............................................................................183 Auslandsinvestitionen............................................................................................185 Exit Tax .................................................................................................................186 Haltedauer..............................................................................................................187
3.4.6
Fazit
179
188
3.4.2.1 Besteuerung von steuerlich intransparenten Immobilienkapitalgesellschaften
162
3.4.1 Einleitung Nach intensiven vorbereitenden Diskussionen und einem langen Gesetzgebungsverfahren wurde am 28. Mai 2007 das Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REITG) verkündet, das ergänzend zu Änderungen von diversen Steuergesetzen geführt hat. Dieses Gesetz erlaubt nunmehr in Deutschland (rückwirkend seit Anfang 2007) die Schaffung deutscher Real Estate Investment Trusts (G-REITs). Die Zulassung steuertransparenter Kapitalgesellschaften, die ihre Erträge aus Immobilienbeständen erzielen, hat – das ist ja gerade eines der erklärten Ziele – Auswirkungen auf die Attraktivität dieser Kapitalanlage im Vergleich zu nicht steuertransparenten Gesellschaften. Wenn auch, wie in verschiedenen vorangegangenen Beiträgen betont worden ist, ein Vergleich der Vorteilhaftigkeit von REITs, Immobilien-AGs und Offenen Immobilienfonds unterschiedlichste Aspekte, so z.B. die rechtliche Begrenzung des Handlungsrahmens, zu berücksichtigen hat, spielt doch der steuerliche Aspekt für die aus der Sicht des Investors erzielbare Rendite eine nicht unwesentliche Rolle. Ziel dieses Beitrags ist daher, die Steuerbelastung der verfügbaren Anlagevehikel vergleichend gegenüber zu stellen. Nach einem kurzen Überblick zu den grundsätzlichen Besteuerungsregeln von Immobilienkapitalgesellschaften wird im Anschluss eine Einführung in die notwendigen Voraussetzungen und steuerlichen Folgen des Status eines solchen G-REIT gegeben. Nachfolgend werden die neben dem G-REIT bestehenden Alternativen für Immobilieninvestitionen in Form der Immobilienkapitalgesellschaft und des Offenen Fonds im Rahmen eines Steuerbelastungsvergleiches für verschiedene Investorentypen gegenübergestellt. Einem Überblick zur Stellung des G-REITs innerhalb der europäischen REIT-Strukturen folgt im Anschluss eine kurze Darstellung der Auswirkungen der unterschiedlichen Besteuerungsfolgen auf das Management von G-REITs.
3.4.2.1 Besteuerung von steuerlich intransparenten Immobilienkapitalgesellschaften
163
3.4.2 Die Steuersystematik für steuertransparente und nicht steuertransparente Immobilien(kapital)gesellschaften Sowohl bei einer Immobilien-AG (bzw. einer Immobilien-GmbH) als auch einem G-REIT handelt es sich um Formen von Immobilienkapitalgesellschaften. Sie unterscheiden sich allerdings u.a. in der Besteuerungssystematik, bei der eine Verschiebung von der Gesellschaftsebene hin zu der des Gesellschafters erfolgt. Im Gegensatz zum G-REIT, der gesetzlich geregelt ist, definieren sich die erstgenannten Gesellschaften ohne REIT-Status nur über den Unternehmensgegenstand und unterliegen somit grundsätzlich keinen anderen (steuerlichen) Regelungen als Kapitalgesellschaften sonstiger Branchen.
3.4.2.1 Besteuerung von steuerlich intransparenten Immobilienkapitalgesellschaften 3.4.2.1.1 Besteuerung der Gesellschaft Kapitalgesellschaften unterliegen seit dem Jahr 2008 mit ihren erzielten Gewinnen einer Körperschaftsteuer in Höhe von 15 % sowie grundsätzlich der Gewerbesteuer, deren Höhe allerdings von dem Hebesatz der jeweiligen Gemeinde abhängig ist. Bei einem unterstellten Hebesatz von 400 % ergibt sich, basierend auf der Gewerbesteuermesszahl von 3,5 %, für die Kapitalgesellschaft eine Gewerbesteuerbelastung von 14 %. Im Gegensatz zu dem bis einschließlich 2007 geltenden Recht ist ein steuerlich gewinnmindernder Abzug der Gewerbesteuer für die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht mehr möglich. Im Ergebnis unterliegen Kapitalgesellschaften somit einer Steuerbelastung einschließlich des Solidaritätszuschlags von ca. 29,83 %. Erweiterte Gewerbesteuerkürzung Abweichend hierzu besteht allerdings für Immobilienkapitalgesellschaften im Rahmen der Gewerbesteuer die Möglichkeit, die sogenannte erweiterte Kürzung in Anspruch zu nehmen (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG). Diese Vorschrift soll eine steuerliche Doppelbelastung mit Grundsteuer und Gewerbesteuer bei Grundstücksunternehmen vermeiden. So können nach dieser Regelung Mieterträge und Gewinne aus der Veräußerung von in Deutschland belegenen Immobilien unter bestimmten Voraussetzungen von der Gewerbesteuer befreit werden.
164
3.4.2 Die Steuersystematik für Immobilien(kapital)gesellschaften
Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung kann vom Grundstücksunternehmen grundsätzlich nur für die eigentlich begünstigte (Haupt-)Tätigkeit, also die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes, beansprucht werden. Darüber hinausgehende Tätigkeiten sind entweder begünstigungsschädlich und führen zur Versagung der gesamten erweiterten Kürzung oder sie sind zwar begünstigungsunschädlich, die hieraus resultierenden Erträge allerdings nicht gewerbesteuerlich begünstigt. Sofern die Immobilienkapitalgesellschaft somit ausschließlich Erträge aus begünstigten Tätigkeiten erzielt, unterliegt sie im Ergebnis nur der Körperschaftsteuer.
3.4.2.1.2 Besteuerung der Gesellschafter Die von der Immobilienkapitalgesellschaft ausgeschütteten Gewinne fließen ihren Anteilseignern in Form von Dividenden zu und unterliegen bei diesen grundsätzlich nochmals der Besteuerung. Hierbei ist zu unterscheiden, ob es sich bei dem Anteilseigner um eine natürliche oder juristische Person handelt. Natürliche Person Vereinnahmt eine natürliche Person Dividenden einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile im Privatvermögen gehalten werden, so unterliegen diese Einkünfte bei dem Anleger bis einschließlich 2008 zu 50 % dem individuellen Steuersatz von bis zu 45 %. Korrespondierend zur hälftigen Steuerbefreiung der Dividenden (sog. Halbeinkünfteverfahren) sind damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Kosten ebenfalls nur zur Hälfte steuermindernd zu berücksichtigen. Sofern die Anteile in einem Betriebsvermögen gehalten werden, kommt es noch zu einer Belastung mit Gewerbesteuer auf die volle Höhe der Dividendenerträge sofern die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft weniger als 15 % (sog. Streubesitzdividenden) beträgt. Werden die Anteile im Privatvermögen gehalten, so sind daraus erzielte Veräußerungsgewinne durch den Anteilsverkauf grundsätzlich steuerfrei. Eine Steuerpflicht kann sich allerdings aus einer Veräußerung innerhalb eines Jahres nach Anschaffung (Spekulationsgeschäft) oder durch eine Beteiligung an der veräußerten Gesellschaft von mindestens 1 % innerhalb der letzten 5 Jahre ergeben. Ist eine dieser beiden Voraussetzungen gegeben, unterliegt der erzielte Gewinn dem erläuterten Halbeinkünfteverfahren. Bei einer im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung an der veräußerten Kapitalgesellschaft erfolgt bei dem Veräußerungsgewinn stets, d. h. unabhängig von Haltefristen und Beteiligungshöhe, eine Besteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren. Zudem fällt grundsätzlich auch Gewerbesteuer an. Ab dem Jahr 2009 kommt für Privatanleger die sogenannte Abgeltungsteuer zur Anwendung. Hiernach unterliegen Dividenden in vollem Umfang – also nicht wie zuvor hälftig – der Besteuerung mit einem pauschalen Steuersatz von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag. Liegt der persönliche Einkommensteuersatz unter 25 %, kann auf Antrag des Anlegers eine Veranlagung zu dem niedrigeren persönlichen Steuersatz erfolgen. Ein Abzug von Werbungskosten (z.B. Depotgebühren) ist in jedem Fall ausgeschlossen. Abweichend hierzu erfolgt ab dem Jahr 2009 die Besteuerung von Dividenden aus Anteilen, die in einem Betriebsvermögen gehalten werden, nach dem sogenannten Teileinkünfteverfahren. Hiernach
3.4.2.2 Besteuerung des G-REITs
165
unterliegen die Dividenden zu 60 % dem persönlichen Einkommensteuersatz des Anlegers, wobei ebenfalls 60 % der im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben steuermindernd Berücksichtigung finden. Gegebenenfalls kommt es hier zusätzlich noch zum Anfall von Gewerbesteuer auf die volle Höhe der Dividendenerträge sofern Streubesitzdividenden vorliegen. Die Abgeltungsteuer kommt für Privatanleger ab dem Jahr 2009 grundsätzlich auch auf Veräußerungsgewinne aus Kapitalgesellschaftsanteilen zur Anwendung. Eine steuerfreie Vereinnahmung ist somit nicht mehr möglich. Sofern die Anteile jedoch vor dem 1. Januar 2009 angeschafft wurden, gilt weiterhin die einjährige Spekulationsfrist. Für betriebliche Anleger war eine steuerfreie Vereinnahmung der Veräußerungsgewinne bereits nach dem bis Ende 2008 geltenden Recht nicht möglich. Bei diesen kommt es nur zur Umstellung der Besteuerung vom Halb- auf das Teileinkünfteverfahren. Diese Umstellung betrifft auch Privatanleger, die an der veräußerten Gesellschaft zu mindestens einem Prozent beteiligt waren. Juristische Person Werden die Dividenden oder Veräußerungsgewinne von einer juristischen Person als Anteilseigner vereinnahmt, sind diese nach § 8b KStG im Ergebnis zu 95 % steuerfrei. Betriebsausgaben, die mit den bezogenen Dividenden bzw. Veräußerungsgewinnen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, können allerdings in voller Höhe steuermindernd berücksichtigt werden. Da Kapitalgesellschaften als Anteilseigner grundsätzlich auch der Gewerbesteuer unterliegen und die vorgenannte Befreiung nach § 8b KStG nicht automatisch auch für die Gewerbesteuer gilt, kann es hier zu einer zusätzlichen Steuerbelastung kommen. Dies betrifft die Vereinnahmung von Streubesitzdividenden, da diese wiederum in voller Höhe der Gewerbesteuer beim Anteilseigner unterliegen.
3.4.2.2 Besteuerung des G-REITs Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des G-REITs keine neue Gesellschaftsform geschaffen, sondern nur ein neues Steuerregime im rechtlichen Rahmen einer Aktiengesellschaft implementiert, auf die die für Kapitalgesellschaften geltenden Rechtsvorschriften (z.B. HGB, UmwG, WpHG) grundsätzlich anwendbar sind. Um den Status eines G-REIT zu erlangen, sind jedoch spezielle (insbesondere rechtliche und bilanzielle) Voraussetzungen zu erfüllen, die im Beitrag von Cadmus schon in der Übersicht dargestellt wurden, deren für das Verständnis der weiteren Ausführungen wesentliche Elemente aber im Folgenden noch einmal erläutert werden.
3.4.2.2.1 Qualifikationsvoraussetzungen Rechtsform und Bezeichnung Der G-REIT, der die Rechtsform einer Aktiengesellschaft aufzuweisen hat, muss sowohl seinen statutarischen Sitz als auch seine Geschäftsleitung in Deutschland haben. In der Firma
166
3.4.2 Die Steuersystematik für Immobilien(kapital)gesellschaften
der Gesellschaft muss die Bezeichnung „REIT-Aktiengesellschaft“ oder „REIT-AG“ geführt werden. Da dies Nicht-REIT-Gesellschaften nicht erlaubt ist, haben diese Wörter insofern einen Bezeichnungsschutz. Börsennotierung und Streubesitz Ein G-REIT muss in einem organisierten Markt an einem Börsenplatz in der Europäischen Union oder im EWR börsennotiert sein, d.h. die aus den USA bekannten sog. Private REITs sind nicht zulässig. Für Deutschland kommen als Börsensegmente ausschließlich der geregelte oder der amtliche Markt in Frage. Im Zeitpunkt der Börsenzulassung muss eine Streubesitzquote von mindestens 25 % bestehen. Im Anschluss kann diese Quote auf 15 % absinken, wobei nur die Anteile von Aktionären, denen jeweils weniger als 3 % der Stimmrechte zuzurechnen sind, als Streubesitz angesehen werden. Zudem darf kein Anleger zu 10 % oder mehr am G-REIT unmittelbar beteiligt sein. Kapitalausstattung Die Kapitalausstattung des G-REITs kann sowohl über Eigen- als auch Fremdkapital erfolgen. Das Grundkapital der Gesellschaft muss mindestens 15 Mio. € betragen und der GREIT muss über ein Mindesteigenkapital von 45 % des Wertes seines unbeweglichen Vermögens verfügen. Im Umkehrschluss gilt somit, dass die Höhe des Fremdkapitals auf 55 % des Verkehrswertes des unbeweglichen Vermögens zuzüglich des sonstigen Vermögens begrenzt ist. Dies könnte, abhängig vom Einzelfall, vorteilhaft gegenüber den steuerlichen Regelungen einer Immobilienkapitalgesellschaft sein, sofern diese ab dem Jahr 2008 in den Anwendungsbereich der sog. Zinsschranke (§ 4h EStG) fällt. Unternehmensgegenstand Der Unternehmensgegenstand des G-REITs ist auf den Erwerb, das Halten sowie im Rahmen der Vermietung/Verpachtung bzw. des Leasings auch auf die Verwaltung und Veräußerung von unbeweglichem Vermögen beschränkt. Als Anlagemöglichkeit ausgeschlossen sind grundsätzlich deutsche Wohnimmobilien, die vor dem 1. Januar 2007 errichtet wurden. Darüber hinaus kann der G-REIT, wie Abbildung 3.4-1 in der Übersicht zeigt, auch in bestimmte andere Vermögensgegenstände (z.B. Immobilienpersonengesellschaften, KomplementärKapitalgesellschaften, Auslandsobjektgesellschaften und REIT-Dienstleistungsgesellschaften) investieren sowie immobiliennahe Tätigkeiten ausüben bzw. bestimmte Gesellschafterdarlehen begeben. Bei Auslandsobjektgesellschaften handelt es sich um Kapitalgesellschaften, deren Gesamtvermögen zu mindestens 90 % aus im Ausland belegenem unbeweglichem Vermögen besteht. Da der G-REIT selbst nur Hilfstätigkeiten für den eigenen Anlagebestand durchführen darf, sind Nebentätigkeiten, die einem fremden Anlagebestand dienen, nur über die sog. REIT-Dienstleistungsgesellschaften möglich.
3.4.2.2 Besteuerung des G-REITs
167
REIT-AG Direktinvestitionen 100 %
100 %
100 %
100 %
0%
REITDienstleistungsgesellschaft
Auslandsobjektgesellschaft
Komplementärkapitalgesellschaft
Immobilienpersonengesellschaft
Grundvermögen im Inland
Grundvermögen im Ausland
Abb. 3.4- 1 Zugelassene Vermögensgegenstände und Beteiligungen einer REIT-AG
Ein gewerblicher Immobilienhandel ist dem G-REIT im Gegensatz zu einer (mittel- bis langfristigen) Portfolioumschichtung untersagt. Dieser schädliche Immobilienhandel liegt dann vor, wenn die Gesellschaft innerhalb von 5 Jahren mehr Veräußerungserlöse aus Immobilienanlagen erzielt, als die Hälfte des durchschnittlichen Wertes ihres unbeweglichen Vermögens in diesem Zeitraum betragen hat. Vermögens-, Ertrags- und Ausschüttungserfordernisse Die Vermögens-, Ertrags- und Ausschüttungserfordernisse des G-REITs lassen sich über die Kennzahlen 75/75/90 beschreiben. Hiernach müssen mindestens 75 % der Vermögensgegenstände in unbeweglichem Vermögen sowie 75 % der Umsatzerlöse aus Vermietung/Verpachtung/Leasing sowie Veräußerung dieser Aktiva bestehen. Für Beteiligungen an REIT-Dienstleistungsgesellschaften und den Umsatzerlösen hieraus gilt eine gesonderte Quote von jeweils 20 %. Sowohl REIT-Dienstleistungsgesellschaften als auch Auslandsobjektgesellschaften müssen vollständig durch den G-REIT gehalten werden. Für die vorgenannten Kennzahlen gilt, dass diese nicht nach den Vorschriften des HGB, sondern nach den Vorschriften der IFRS zu ermitteln sind, d.h. die Immobilien sind nicht zu fortgeführten Anschaffungs-/Herstellungskosten, sondern mit den Verkehrswerten nach IAS 40 anzusetzen. Hinsichtlich der Ausschüttungen in Form einer Dividende an die Aktionäre besteht ein Ausschüttungserfordernis von 90 % des (abweichend von den vorgenannten Kennzahlen) nach handelsrechtli-chen Vorschriften ermittelten Jahresüberschusses, wobei für Veräußerungsgewinne unter bestimmten Voraussetzungen eine Rücklage gebildet werden darf und für die Ermittlung des Jahresüberschusses nur planmäßige lineare Abschreibungen vorzunehmen sind. Vor-REIT Bei dem Vor-REIT handelt es sich um die Vorstufe zu einem vollwertigen G-REIT. Ein Vor-REIT muss sich beim Bundeszentralamt für Steuern als solcher registrieren und in dem auf die Registrierung folgenden Jahr einem dem G-REIT entsprechenden Unternehmensge-
168
3.4.2 Die Steuersystematik für Immobilien(kapital)gesellschaften
genstand sowie die beschriebenen Vermögens- und Ertragsanforderungen nachweisen. Der Vorteil des Vor-REIT besteht in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der sog. Exit Tax, auf die gleich noch näher eingegangen wird. Die für den G-REIT geltende Körperschaft- und Gewerbesteuerbefreiung gilt aber für den Vor-REIT nicht.
3.4.2.2.2 Steuerliches Konzept Da es sich beim G-REIT um eine Aktiengesellschaft handelt, ist hier grundsätzlich zwischen der Besteuerung der Gesellschaft und seiner Gesellschafter zu unterscheiden. Es gibt aber grundlegende Unterschiede zu der bei der Immobilienkapitalgesellschaft beschriebenen Besteuerung. Im Ergebnis führt, wie zu zeigen sein wird, das Steuerregime für REITs zu einer relativen Gleichbehandlung mit den Investitionsalternativen „Direktanlage“ und „Offener Immobilienfonds“. Besteuerung des G-REITs Sofern der G-REIT die bereits erläuterten Qualifikationsvoraussetzungen erfüllt, ist er von der Körperschaft- und Gewerbesteuer ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres seiner Eintragung als REIT in das Handelsregister befreit. Diese Steuerbefreiung gilt allerdings nicht für vom G-REIT gehaltene Dienstleistungsgesellschaften oder im Falle eines Vor-REITs. Sie erstreckt sich auch nicht auf die Umsatz-, Grund- und Grunderwerbsteuer. Ausländische REIT unterliegen in Deutschland ebenfalls nicht der Steuerbefreiung. Da der G-REIT mit Erhalt des REIT-Status von der Steuerpflicht in eine Steuerbefreiung wechselt, hat er auf den Stichtag der Beendigung der Steuerpflicht eine steuerliche Schlussbilanz aufzustellen, in der sämtliche Wirtschaftsgüter (einschließlich der gehaltenen Beteiligungen) mit ihren Verkehrswerten (aufgrund der Bilanzierung nach IAS 40) anzusetzen, und die hierdurch aufgedeckten stillen Reserven einer Schlussbesteuerung zu unterwerfen sind. Gegebenenfalls kann hierauf die Exit Tax anwendbar sein. Verstößt der G-REIT gegen bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen, können entweder Sanktionsmaßnahmen in Form von Strafzahlungen zu leisten sein (bei nicht dauerhafter Verletzung der Vermögens-, Ertrags- oder Ausschüttungserfordernisse) oder es kann zu einem Verlust der Steuerbefreiung kommen (z.B. bei schädlichem Immobilienhandel oder Verlust der Börsenzulassung), der zu einem Rückfall in die Regelbesteuerung einer Kapitalgesellschaft führt. Die Rückkehr in den G-REIT-Status kann dann erst nach Ablauf von vier Jahren (bei Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzungen) erfolgen. Besteuerung der Gesellschafter Da der G-REIT selbst steuerbefreit ist, ist auch eine abweichende steuerliche Behandlung der Gesellschafter notwendig. Bemerkenswert ist, dass die nachfolgend dargestellte Besteuerung der Gesellschafter allerdings auch auf deutsche Anteilseigner ausländischer REITs (obwohl diese in Deutschland keiner Steuerbefreiung unterliegen) anzuwenden ist. Und dies, obwohl die Anforderungen zur Qualifizierung solcher ausländischer Strukturen als REIT geringer ausgestaltet sind als die Anforderungen an einen G-REIT.
3.4.2.2 Besteuerung des G-REITs
169
Natürliche Person Die vom G-REIT bezogenen Dividenden unterliegen beim Anteilseigner in voller Höhe der Besteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz, d.h., das sonst für Dividenden geltende Halbeinkünfteverfahren kommt hier nicht zur Anwendung. Dies gilt auch für Dividenden aus bereits steuerlich vorbelasteten Quellen (z.B. aus REIT-Dienstleistungsgesellschaften). Ab dem Jahr 2009 werden die Dividenden im Rahmen der Einführung der Abgeltungsteuer nur noch pauschal mit 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag besteuert, ein Abzug von Werbungskosten ist dann allerdings nicht mehr zulässig. Sofern die Anteile am G-REIT in einem Betriebsvermögen gehalten werden, erfolgt neben einer vollen Besteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz ebenfalls noch eine Belastung mit Gewerbesteuer, da aufgrund der Beteiligungsquote des einzelnen Anlegers von unter 10 % an einem G-REIT stets Streubesitzdividenden vorliegen. Diese Tatsache führt somit für einen betrieblichen Anleger immer zu einer Doppelbesteuerung mit Körperschaft- und Gewerbesteuer. Werden Gewinne aus der Veräußerung von REIT-Anteilen erzielt, so unterliegen diese bei Privatanlegern, die die Aktien vor dem 1. Januar 2009 erworben haben, zu weniger als 1 % beteiligt sind und nicht innerhalb eines Jahres veräußern, keiner Besteuerung. Sofern diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt sind, unterliegt ein erzielter Veräußerungsgewinn in voller Höhe der Besteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz. Grundsätzlich erfolgt bei Beteiligungen in einem Betriebsvermögen zudem noch eine Belastung mit Gewerbesteuer. Ab dem Jahr 2009 kommt es aufgrund der Einführung der Abgeltungsteuer bei Privatanlegern zu einer steuerlichen Gleichbehandlung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien eines G-REITs und solchen aus anderen Kapitalgesellschaftsanteilen. Wie bereits eingangs bei der steuerlichen Behandlung von Immobilienkapitalgesellschaften geschildert, erfolgt hier grundsätzlich eine abgeltende Besteuerung mit 25 % Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlags ohne die Möglichkeit des Abzugs von Werbungskosten. Sofern die Beteiligungsquote von 1 % innerhalb der letzten 5 Jahre erreicht wurde oder die Beteiligung in einem Betriebsvermögen gehalten wird, ist auf Veräußerungsgewinne der volle Einkommensteuersatz anzuwenden. Bei betrieblichen Anlegern kommt es zudem noch zu einer Belastung mit Gewerbesteuer. Juristische Person Handelt es sich bei dem Anteilseigner um eine juristische Person, so kommt die 95 %ige Steuerfreiheit von Dividenden und Veräußerungsgewinnen (wie eingangs bei den Immobilienkapitalgesellschaften erläutert) nicht zur Anwendung. Sie sind also in voller Höhe zu versteuern. Zudem unterliegen sowohl Veräußerungsgewinne als auch Dividenden (aufgrund der Streubesitzvorschriften des G-REITs und somit des Vorliegens von Streubesitzdividenden) auch der Gewerbesteuer.
170
3.4.2 Die Steuersystematik für Immobilien(kapital)gesellschaften
Ausländische Gesellschafter Bei ausländischen Anteilseignern besteht die Besonderheit, dass die Besteuerung in Deutschland aufgrund von Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt werden kann. Im Regelfall kommt es so bei Dividendenausschüttungen eines G-REITs an ausländische Aktionäre zu einer Quellenbesteuerung in Deutschland von 15 %. In Einzelfällen kann sich auch eine Reduktion auf 10 % ergeben. Eine darüber hinausgehende Minderung ist aufgrund der Streubesitzvorschriften nicht möglich. Diese in dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen maximalen Quellensteuern überlagern insofern die andernfalls vorgeschriebene einzubehaltende Kapitalertragsteuer von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag), die für deutsche Anteilseigner insoweit nach Einführung der Abgeltungsteuer oftmals tatsächlich abgeltende Wirkung entfaltet. Im Falle der Beteiligung einer juristischen Person eines EU-Mitgliedsstaates ist eine Quellensteuerbefreiung der Dividenden aufgrund der Regelungen der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht möglich, da es sich bei dem G-REIT um eine steuerbefreite Gesellschaft handelt und auf diese die Richtlinie nicht anwendbar ist. Im Gegensatz zu inländischen Gesellschaftern ist aber bei ausländischen Anteilseignern selbst im Falle von juristischen Personen oder anderen betrieblichen Anlegern in Deutschland eine steuerfreie Vereinnahmung von Veräußerungsgewinnen möglich, falls diese zu weniger als 1 % beteiligt sind und keine Betriebsstätte im Inland unterhalten. Exit Tax Bei der Exit Tax handelt es sich um eine ermäßigte Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Immobilien, sofern diese an einen G-REIT oder einen Vor-REIT veräußert werden oder eine Schlussbesteuerung im Rahmen des Übergangs einer Immobilienaktiengesellschaft (in der Regel vermutlich ein Vor-REIT) in den Status eines G-REITs erfolgt. Die Ermäßigung besteht darin, dass die in diesen Fällen aufgedeckten Gewinne nur einer hälftigen Ertragsbesteuerung unterliegen. Sie kann sowohl von juristischen als auch (im Falle einer Immobilienveräußerung) natürlichen Personen in Anspruch genommen werden und soll einer beschleunigten Einführung des G-REITs sowie einer Mobilisierung der Immobilienbestände dienen. Die Inanspruchnahme der Exit Tax ist allerdings an einige Voraussetzungen gebunden bzw. wird in einer Reihe von Ausschlusstatbeständen versagt. So kann die Exit Tax nur für Immobilien eines inländischen Betriebsvermögens, in dem sie zum Anlagevermögen zählen, genutzt werden. Im Falle einer Veräußerung an einen G-REIT oder Vor-REIT muss die Immobilie diese beiden Voraussetzungen zum Stichtag 1. Januar 2007 für mindestens 5 Jahre erfüllt haben und die Veräußerung muss vor dem 1. Januar 2010 erfolgen. Sofern ein Wechsel in den Status eines G-REITs erfolgt und hierdurch eine Schlussbesteuerung durch den Ansatz der Immobilien zu Verkehrswerten ausgelöst wird, verkürzt sich die vorgehend genannte 5-jährige Behaltsfrist auf 2 Jahre. § 3 Nr. 70 EStG, der die Exit Tax regelt, enthält Sachverhalte, die die Anwendung der Exit Tax entweder vollständig oder zumindest teilweise ausschließen. Ein Ausschluss ist insbesondere dann gegeben, wenn die Übertragung nach anderen steuerlichen Vorschriften bereits
3.4.2.3 Behandlung steuerlich vorbelasteter Einkünfte
171
begünstigt ist. Dies ist bei der Veräußerung eines Betriebes und der damit zusammenhängenden ermäßigten Besteuerung nach einkommensteuerlichen Vorschriften oder bei der Bildung einer sog. § 6b-Rücklage der Fall. Weitere Ausschlusstatbestände ergeben sich aus in der Vergangenheit vorgenommenen steuermindernden Teilwertabschreibungen auf die Immobilien oder Umwandlungen bzw. Übertragungen, bei denen nicht der Verkehrswert zum Ansatz kommt. Zudem wird die Exit Tax auch bei einer Veräußerung, die zu einem Veräußerungsverlust geführt hat, nicht zur Anwendung kommen. Abschließend wurden im Rahmen der Exit Tax verschiedene Voraussetzungen definiert, bei deren Vorliegen die Steuerbefreiung rückwirkend entfällt. Dies ist dann gegeben, wenn jeweils innerhalb von 4 Jahren • • • •
der G-REIT die erworbene Immobilie wieder veräußert, im Falle eines Vor-REITs (als Erwerber) dieser nicht den Status eines G-REITs erhält, der G-REIT die Voraussetzung für die Steuerbefreiung nie erfüllt hat oder die Steuerbefreiung in dieser Zeit endet.
Weitere Konstellationen, die zum rückwirkenden Wegfall führen, sind die Aberkennung des Status als Vor-REIT oder eine Überlassung der erworbenen Immobilie an den Veräußerer oder eine diesem nahe stehende Person (sog. Sale-and-Lease-Back). Letzteres gilt allerdings nur, sofern dieser Veräußerer oder die nahe stehende Person noch an dem G-REIT mittelbar oder unmittelbar zu mehr als 50 % nach Ablauf von 2 Jahren seit Erhalt des REIT-Status beteiligt ist. Da die Steuern, die sich aus einem rückwirkenden Wegfall der Exit Tax aufgrund von Handlungen des G-REITs oder Vor-REITs ergeben, zu Lasten des Veräußerers (neben dem GREIT als Haftungsschuldner) gehen, ergibt sich hier insbesondere die Notwendigkeit, geeignete Regelungen im Kaufvertrag zu treffen, da der Veräußerer im Regelfall keinen Einfluss auf die erforderliche Einhaltung der vorgenannten Voraussetzungen durch den G-REIT haben wird.
3.4.2.3 Behandlung steuerlich vorbelasteter Einkünfte Der G-REIT unterliegt auf Gesellschaftsebene keiner Ertragsbesteuerung. Da dies allerdings nicht für die über Tochtergesellschaften oder im Ausland bezogenen Einkünfte gilt, soll nachfolgend kurz auf die sich hieraus ergebene Problematik eingegangen werden. Grundsätzliche Besteuerung ausländischer Immobilieneinkünfte Erzielen deutsche Steuerpflichtige Immobilieneinkünfte aus dem Ausland (z.B. aus Vermietung und Verpachtung), so unterliegen diese Einkünfte im Ausland der Besteuerung und werden in Deutschland in der Regel aufgrund abgeschlossener Doppelbesteuerungsabkommen freigestellt und so nicht nochmals besteuert. Gegebenenfalls sind diese Einkünfte bei
172
3.4.2 Die Steuersystematik für Immobilien(kapital)gesellschaften
der Bemessung des deutschen Einkommensteuersatzes zu berücksichtigen (sog. Progressionsvorbehalt). Doppelbesteuerung beim G-REIT Werden diese ausländischen Immobilieneinkünfte nun von einem G-REIT bezogen, kommt es weiterhin zur Belastung mit ausländischer Steuer, sofern der ausländische Staat nicht in Ausnahmefällen die Steuerbefreiung des G-REITs auch für sein nationales Recht übernimmt. Eine Steuerfreistellung entfaltet allerdings aufgrund der Steuerfreiheit des G-REITs in Deutschland keine Wirkung. Da hier die Steuererhebung auf die Ebene der am G-REIT beteiligten Gesellschafter verlagert wird, müsste es somit hier zu einer Freistellung der Dividende in Höhe der darin enthaltenen ausländischen Vermietungseinkünfte kommen. Dies ist allerdings nicht der Fall, da die Dividende in voller Höhe und unabhängig vom Gesellschafter (natürliche oder juristische Person) der Besteuerung unterliegt. Dies stellt z.B. eine Benachteiligung gegenüber dem Alternativprodukt „Offener Immobilienfonds“ dar, da dort diese Steuerfreistellung auch über den Fonds (der als steuerbefreite Körperschaft behandelt wird) an den einzelnen Anteilsscheininhaber weitergereicht wird. Ein ähnliches Problem besteht bei Dividenden, die der G-REIT aus REIT-Dienstleistungsgesellschaften, Auslandsobjektgesellschaften und gegebenenfalls Komplementär-Kapitalgesellschaften erhält. Wie bereits geschildert, unterliegen diese Gesellschaften nicht der Steuerbefreiung. Insofern sind die über diese Gesellschaften als Dividenden bezogenen Gewinne bereits steuerlich vorbelastet. Hier wäre somit eine steuerliche Behandlung der Dividenden analog der Kapitalgesellschaft konsequent. Dies erfolgt allerdings ab dem Jahr 2009 nur bei natürlichen Personen, die die Beteiligung im Privatvermögen halten, da hier in beiden Fällen (G-REIT und Kapitalgesellschaft) die Abgeltungsteuer zur Anwendung kommt. In allen anderen Fällen wird allerdings nicht nach Halb- oder Teileinkünfteverfahren bzw. nach der 95 %igen Freistellung des § 8b KStG besteuert, sondern die Dividende unterliegt in voller Höhe der jeweiligen Ertragsteuer. Reaktion des Gesetzgebers Die vorgenannten Probleme der Doppelbesteuerung dieser Einkünfte wurden auch seitens des Gesetzgebers erkannt. Im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2009 wurden diesbezüglich Änderungen des REIT-Gesetzes aufgenommen. Das REITG soll hiernach um § 19a ergänzt werden. Danach sollen Dividenden, die aus Einkünften eines REITs stammen und die einer 15 %igen Körperschaftsteuer oder einer vergleichbaren ausländischen Steuer unterlagen, entgegen der bisherigen Gesetzeslage dem Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG) unterliegen. Dies betrifft z.B. die Weiterausschüttung von an den G-REIT ausgeschütteten Gewinnen einer steuerpflichtigen REIT-Dienstleistungsgesellschaft oder einer Auslandsobjektgesellschaft. Auswirkungen auf die ab dem Jahr 2009 geltende Abgeltungsteuer ergeben sich nicht. Aufgrund dieser neuen Regelung müssen dann Feststellungen zur Zusammensetzung der Erträge hinsichtlich vorbelasteter und nicht vorbelasteter Gewinne getroffen sowie Steuerbescheinigungen erstellt und Erklärungspflichten erweitert werden. Die neue Vorschrift soll
3.4.2.3 Behandlung steuerlich vorbelasteter Einkünfte
173
erstmals auf Bezüge und Veräußerungsgewinne im Sinne des REITG anzuwenden sein, die der Anteilseigner nach dem 31.12.2007 erzielt. Es bleibt allerdings abzuwarten, inwiefern sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen ergeben bzw. die vorgenannten Regelungen des Gesetzentwurfs tatsächlich umgesetzt werden.
3.4.3 Steuerbelastungsvergleiche verschiedener Investorentypen Aufgrund der unterschiedlichen Besteuerung verschiedener Investorentypen eines G-REIT sollen im Folgenden exemplarisch die Steuerbelastung natürlicher (sofern im Privatvermögen gehalten) Personen mit 42 % zzgl. SolZ (d.h. ohne zusätzliche Reichensteuer von 3 %) und juristischer Personen (im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht auch steuerbefreiter Körperschaften), die mit ihrer Beteiligung entweder der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegen, dargestellt werden. Es erfolgt ein Vergleich mit der Investition über eine Immobilienkapitalgesellschaft (bei unterstellter Nutzung der erweiterten Kürzung für die Gewerbesteuer) und über einen Offenen Immobilienfonds als Investitionsalternativen. Hierbei werden in einer ersten Gegenüberstellung die Rechtslage bis zum 31. Dezember 2008 und im Anschluss die sich nach derzeitigem Stand ergebenen Änderungen ab dem Jahr 2009 berücksichtigt, sofern es hier zu Abweichungen kommt. In einer dritten Abbildung findet die Investition unbeschränkt Steuerpflichtiger in ausländische Immobilien ab dem Jahr 2009 Berücksichtigung. Hierbei wird von einem ausländischen Steuersatz von 25 % sowie von der Anwendbarkeit der Freistellungsmethode für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen ausgegangen (wie z.B. im Verhältnis zu Österreich). Die Wirkungen des Progressionsvorbehalts werden vernachlässigt. Im Falle einer in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtigen (und somit im Ausland ansässigen) Person wurde von der Reduzierung der einzubehaltenden Kapitalertragsteuer auf 15 % aufgrund eines mit dem anderen Staat abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen ausgegangen. Es wurde ebenfalls von einer Beteiligung des Investors an der jeweiligen Investitionsform von unter 10 % ausgegangen.
174
3.4.3 Steuerbelastungsvergleiche verschiedener Investorentypen
3.4.3.1 Natürliche Person als Investor Unbeschränkte Steuerpflicht Immobilieninvestition im Inland 2008
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
100
Besteuerung der Gesellschaft Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds
100
100
GewSt
-
0
-
KSt (15 %)
-
- 15
-
-
- 0,83
-
100
84,17
100
SolZ (5,5 %) Dividende/Ausschüttung Besteuerung des inländischen Privatinvestors ESt ohne Halbeinkünfteverfahren (Steuersatz 42 %, SolZ 5,5 %)
- 44,31
ESt mit Halbeinkünfteverfahren (Steuersatz 42 %, SolZ 5,5 %) Einkünfte nach Steuern
- 44,31 - 18,64
55,69
65,53
55,69
Abb. 3.4- 2 inländischer Privatinvestor, 2008, Inland
Immobilieninvestition im Inland ab 2009
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
Besteuerung der Gesellschaft Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds
100
100
100
GewSt
-
0
-
KSt (15 %)
-
- 15
-
SolZ (5,5 %)
-
- 0,83
-
100
84,17
100
Abgeltungsteuer (25 %, SolZ 5,5 %)
- 26,38
- 22,20
- 26,38
Einkünfte nach Steuern
73,62
61,97
73,62
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
Dividende/Ausschüttung Besteuerung des inländischen Privatinvestors
Abb. 3.4- 3 inländischer Privatinvestor, 2009, Inland
Immobilieninvestition im Ausland ab 2009 Besteuerung der Gesellschaft Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds
100
100
100
Ausländische KSt (25 %)
- 25
- 25
- 25
deutsche KSt, GewSt, SolZ (Freistellungsmethode)
0
0
0
Dividende/Ausschüttung
75
75
75
Abgeltungsteuer 25 %, SolZ 5,5 %
0
- 19,78
- 19,78
Einkünfte nach Steuern
75
55,22
55,22
Besteuerung des inländischen Privatinvestors
Abb. 3.4- 4 inländischer Privatinvestor, 2009, Ausland
3.4.3.1 Natürliche Person als Investor
175
Wie Abbildung 3.4-2 zeigt, ist die steuerliche Belastung eines Privatanlegers bei einer Immobilieninvestition im Inland mit einem G-REIT und einem Offenen Fonds identisch. Dies resultiert aus der in beiden Fällen transparenten steuerlichen Behandlung. Im Jahr 2008 ist die Immobilienkapitalgesellschaft trotz Steuerbelastung auf Unternehmensebene aufgrund der Anwendbarkeit des Halbeinkünfteverfahrens steuerlich vorteilhafter. Dies ändert sich, wie Abbildung 3.4-3 erkennen lässt, im Jahr 2009 durch die Einführung der Abgeltungsteuer. Hier erweisen sich die Investitionen über einen G-REIT oder Offenen Fonds günstiger, da einer identischen abgeltenden Besteuerung des Gesellschafters keine Besteuerung auf Gesellschaftsebene gegenübersteht. Bei einer Investition in im Ausland belegene Immobilien ergibt sich allerdings eine Definitivbelastung auf Ebene des G-REIT aufgrund der Nicht-Anrechenbarkeit der ausländischen Körperschaftsteuer. Dies führt (siehe Abbildung 3.4-4) zu einer höheren Steuerbelastung als bei einem Offenen Fonds und hier zu einer Gleichbehandlung mit der Immobilienkapitalgesellschaft. Beschränkte Steuerpflicht Als besonders vorteilhaft erweist sich, wie Abbildung 3.4-5 zu entnehmen ist, für einen beschränkt steuerpflichtigen Anleger die Investition in einen Offenen Publikumsfonds, da die hieraus erzielten Investmenterträge in Deutschland nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (vorausgesetzt es liegt keine inländische Betriebsstätte vor). Bei ausländischen Investoren sind Beteiligungen über offene Fonds allerdings trotz dieser Vorteile aufgrund seiner umfangreichen und teilweise komplizierten Regelungen wenig verbreitet. Dividenden aus einem G-REIT unterliegen im Jahr 2008 noch der Kapitalertragsteuer von 25 % und ab dem Jahr 2009 der Abgeltungsteuer in gleicher Höhe – in beiden Fällen kommt es allerdings aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens zu einer Reduktion auf 15 % (gegebenenfalls auch 10 %). Dies erweist sich im Vergleich zur Immobilienkapitalgesellschaft als steuerlich vorteilhafter, da eine Steuerbelastung auf Gesellschaftsebene beim G-REIT nicht gegeben ist. In beiden Fällen ist ggf. eine Anrechnung der einbehaltenen deutschen Kapitalertragsteuer im Ansässigkeitsstaat des Anlegers möglich. Immobilieninvestition im Inland ab 2008
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
100
Besteuerung der Gesellschaft Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds
100
100
GewSt
-
0
-
KSt (15 %)
-
- 15
-
SolZ (5,5 %) Dividende/Ausschüttung
-
- 0.83
-
100
84,17
100
0*
-12,63
-15,00
100
71,54
85,00
Besteuerung des ausländischen Privatinvestors ESt (Kapitalertragsteuer 15 %) Einkünfte nach deutschen Steuern
Abb. 3.4- 5 ausländischer Privatinvestor, ab 2008, Inland (* Erträge aus Offenen Publikumsfonds unterliegen nicht der beschränkten Steuerpflicht)
176
3.4.3 Steuerbelastungsvergleiche verschiedener Investorentypen
3.4.3.2 Juristische Person als Investor Unbeschränkte Steuerpflicht Immobilieninvestition im Inland ab 2008
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
100
100
100
Besteuerung der Gesellschaft Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds GewSt
-
0
-
KSt (15 %)
-
- 15
-
SolZ (5,5 %)
-
- 0,83
-
100
84,17
100
Dividende/Ausschüttung Besteuerung der inländischen KapGes GewSt (Hebesatz 400 %)
- 14
- 11,78*
- 14*
KSt und SolZ (15 %, 5,5 %)
- 15,83
-0,67
- 15,83
Einkünfte nach Steuern
70,17
71,72
70,17
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds
100
100
100
Ausländische KSt (Annahme: 25 %)
25
25
25
-
0
-
75
75
75
0
- 10,5*
- 10,5*
KSt und SolZ (15 %, 5,5 %)
0
- 0,59
- 11,87
Einkünfte nach Steuern
75
63,91
52,63
Abb. 3.4- 6 inländische Kapitalgesellschaft, ab 2008, Inland (* Streubesitzdividende)
Immobilieninvestition im Ausland ab 2009 Besteuerung der Gesellschaft
deutsche KSt, GewSt, SolZ (Freistellungsmethode) Dividende/Ausschüttung Besteuerung der inländischen KapGes GewSt (Hebesatz 400 %)
Abb. 3.4- 7 inländische Kapitalgesellschaft, 2009, Ausland (* Streubesitzdividende)
Die Steuerbelastungen der dargestellten Immobilieninvestitionen im Inland ändern sich für juristische Personen von 2008 zu 2009 nicht, da die Abgeltungsteuer insoweit nicht anwendbar ist. Abbildung 3.4-7 macht deutlich, dass es im Falle der Investition in ausländische Immobilien zu einer Doppelbelastung im Falle des G-REITs kommt, da eine Freistellung der Einkünfte beim Anteilseigner (der hier der vollen Besteuerung unterliegt) nicht möglich ist. Hier profitiert der Offene Fonds, der die Freistellung der Einkünfte im Ausland an seine Anteilseigner durchreicht und damit eine der Direktinvestition vergleichbare Besteuerung aufweist. Die Immobilienkapitalgesellschaft erweist sich nur deshalb nicht als steuerlich vorteilhaft, weil eine Streubesitzdividende unterstellt wurde. Wird diese Annahme fallengelassen, käme es hier zu einer fast vollständigen Entlastung mit Gewerbesteuer. Bei der
3.4.3.2 Juristische Person als Investor
177
Investition in einen G-REIT ist dies aufgrund der beschriebenen Streubesitzanforderungen aber nicht möglich. Unbeschränkte Steuerpflicht, steuerbefreit Steuerbefreite inländische Körperschaften (z.B. Pensionskassen, Stiftungen, Versicherungen) unterliegen in Deutschland grundsätzlich nicht der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Auf die diesen Gesellschaften zufließenden Ausschüttungen aus den dargestellten Beteiligungsmodellen fällt allerdings Quellensteuer (Kapitalertragsteuer) an, die den steuerbefreiten Körperschaften nur zum Teil erstattet wird. Im Ergebnis kommt es hier zu einer Belastung aus dieser definitiven Quellensteuer von 15 % zzgl. SolZ. Immobilieninvestition im Inland ab 2008
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
100
100
100
-
0
-
Besteuerung der Gesellschaft Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds GewSt KSt (15 %)
-
- 15
-
SolZ (5,5 %)
-
- 0,83
-
Dividende/Ausschüttung
100
84,17
100
-15,83
-13,32
-15,83
GewSt (Hebesatz 400 %)
0
0
0
KSt und SolZ (15 %, 5,5 %)
0
0
0
84,17
70,85
84,17
Definitive Quellensteuerbelastung (inkl. SolZ) Besteuerung der inländischen steuerbefreiten KapGes
Einkünfte nach Steuern
Abb. 3.4- 8 inländische Kapitalgesellschaft, ab 2008, Inland
Die in Abbildung 3.4-8 dargestellten Steuerbelastungen der Varianten von Immobilieninvestitionen im Inland ändern sich für juristische steuerbefreite Personen von 2008 zu 2009 nicht. Bei Investitionen im Inland zeigt sich wiederum der Nachteil der steuerlichen Vorbelastung auf Ebene der Immobilienkapitalgesellschaft. Im Falle der Investition in ausländische Immobilien profitiert der Offene Fonds von der Freistellung der ausländischen Immobilieneinkünfte, die er an seine Anteilseigner durchreicht. Es fällt somit ausschließlich ausländische Körperschaftsteuer an. Bei der Immobilienkapitalgesellschaft und dem G-REIT kommt es hier, wie Abbildung 3.4-9 zeigt, zusätzlich noch zu einer definitiven Belastung mit der Kapitalertragsteuer. Da diese allerdings im Beispiel der Höhe nach gleich ist und die Gewerbesteuer aufgrund der Steuerfreiheit der Anteilseigner keine Auswirkung hat, unterscheiden sich die Einkünfte nach Steuern dieser Anlageformen im dargestellten Fall nicht.
178
3.4.3 Steuerbelastungsvergleiche verschiedener Investorentypen
Immobilieninvestition im Ausland ab 2009
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds
100
100
100
Ausländische KSt (Annahme: 25 %)
25
25
25
Besteuerung der Gesellschaft
deutsche KSt, GewSt, SolZ (Freistellungsmethode) Dividende/Ausschüttung
-
0
-
75
75
75
0
Besteuerung der inländischen steuerbefreiten KapGes GewSt (Hebesatz 400 %)
0
0
KSt und SolZ (15 %, 5,5 %)
0
0
0
Definitive Quellensteuerbelastung (inkl. SolZ)
0
-11,87
-11,87
Einkünfte nach Steuern
75
63,13
63,13
Offener Fonds
KapGes
G-REIT
100
100
100
Abb. 3.4- 9 inländische Kapitalgesellschaft, 2009, Ausland
Beschränkte Steuerpflicht Immobilieninvestition im Inland ab 2008 Besteuerung der Gesellschaft Gewinn der Kapitalgesellschaft / Einkünfte des Fonds GewSt
-
0
-
KSt (15 %)
-
- 15
-
SolZ (5,5 %) Dividende/Ausschüttung
-
- 0,83
-
100
84,17
100
0*
-12,63
-15,00
100
71,54
85,00
Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft KSt (Kapitalertragsteuer 15%) Einkünfte nach deutschen Steuern
Abb. 3.4- 10 ausländische Kapitalgesellschaft, ab 2008, Inland (* Erträge aus Offenen Publikumsfonds unterliegen nicht der beschränkten Steuerpflicht)
Der Offene Fonds profitiert wiederum, wie Abbildung 3.4-10 erkennen lässt, von der Steuerfreiheit im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht. Die Immobilienkapitalgesellschaft weist die höchste Steuerbelastung auf, da hier neben der aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) auf 15 % reduzierten Kapitalertragsteuerbelastung beim Anleger auch eine Besteuerung auf Gesellschaftsebene erfolgt. Der G-REIT weist hier ausschließlich eine über DBA reduzierte Besteuerung des Gesellschafters mit 15 % auf. Gegebenenfalls ist die Anrechnung dieser Kapitalertragsteuer im Ausland möglich. Sollte die Beteiligung an der Immobilienkapitalgesellschaft die Voraussetzungen der Mutter-Tochter-Richtlinie erfüllen, wovon aufgrund einer Streubesitzbeteiligung hier nicht ausgegangen wird, käme es zu keiner Belastung mit Kapitalertragsteuer.
3.4.3.2 Juristische Person als Investor
179
3.4.4 Wettbewerbsfähigkeit des G-REITs in Europa Neben dem G-REIT existieren in Europa einige weitere Länder mit eigenen REIT-Strukturen. Zu den Ländern mit den größten REIT-Märkten zählen hier insbesondere Großbritannien und Frankreich, jedoch handelt es sich bei diesen REIT-Strukturen noch um relativ junge Märkte. In Frankreich wurden REITs in Form der SIIC im Jahr 2004 und in Großbritannien als UK-REIT zum 1. Januar 2007 eingeführt. Beide Märkte haben innerhalb kurzer Zeit eine beachtliche Größe erreicht, wenngleich die Marktkapitalisierung aufgrund der Immobilienkrise 2007/2008 merklich zurückgegangen ist. Als weiteres europäisches Land hat Italien zum 1. Januar 2008 REITs in der Form der SIIQ eingeführt. Frankreich Die SIICs in Frankreich sind hinsichtlich des Sitzes, der Steuerpflicht und der Gesellschaftsform weniger restriktiv als der G-REIT ausgestaltet. Eine Börsennotierung ist jedoch auch hier Voraussetzung. Während anfangs bei SIICs nur ein geringer Streubesitz bestand, der zu Steuergestaltungen führte, wurde daraufhin im Jahr 2007 durch Einführung eines Mindeststreubesitzes reagiert. Da sich SIICs vorwiegend über den Gesellschaftszweck definieren, bestehen auch nur eingeschränkte Vermögensanforderungen. Die Ausschüttungsquote liegt bei 85 % der steuerlich begünstigten Einkünfte. Auf Ebene der SIIC werden diese begünstigten Einkünfte von der Steuer befreit, was auf Anlegerebene dann unterschiedliche Besteuerungskonsequenzen (je nach Art der Einkünfte) auslöst. Unterstützt wurde die Einführung der französischen REITs – von Deutschland dann später augegriffen − durch die Gewährung einer Exit Tax. Im Gegensatz zu Deutschland kann die sich ergebende Steuerlast zusätzlich über einen Zeitraum von vier Jahren verteilt werden. Großbritannien Der UK-REIT darf ausschließlich im Inland steuerlich ansässig sein und muss börsennotiert sein. Das Gesellschaftsvermögen muss, wie beim G-REIT, zu 75 % aus begünstigten Vermögensgegenständen bestehen und die Erträge hieraus ebenfalls eine Quote von 75 % erfüllen. Der UK-REIT unterliegt einer Ausschüttungsverpflichtung von 90 % seiner begünstigten Einkünfte. Wie bei den SIICs sind auch steuerpflichtige Tätigkeiten auf Ebene des REITs möglich, die dann zu unterschiedlichen Steuerfolgen beim Anleger führen. Eine Exit Tax nach deutschem Verständnis gibt es beim UK-REIT nicht, vielmehr wurde hier eine Umwandlungsgebühr von 2 % des Verkehrswertes der Immobilien eingeführt. Vergleich mit dem G-REIT Im Vergleich zu konkurrierenden europäischen REIT-Strukturen weist der G-REIT ein vergleichbares Konzept mit einer ähnlichen steuerlichen Behandlung auf Gesellschaftsebene
180 3.4.5 Auswirkungen der Besteuerung auf das Management von Immobiliengesellschaften auf. Im Gegensatz zu den dargestellten REIT-Strukturen ist dem G-REIT allerdings ein direktes Ausüben nicht begünstigter Tätigkeiten nicht erlaubt. Die beim G-REIT bestehenden Nachteile in Bezug auf die Besteuerung des Anlegers bei bestimmten Einkünften (Doppelbesteuerung) führen jedoch dazu, dass er in erster Linie (zumindest derzeit) für eine (ausschließliche) Investition in inländische Immobilien geeignet ist. Da ähnliches allerdings auch (zumindest induziert) für die anderen europäischen REIT-Strukturen gilt, treten diese hier nur eingeschränkt in Wettbewerb zueinander. Vielmehr müssen sie sich regelmäßig mit den (inländischen) Investitionsalternativen messen.
3.4.5 Auswirkungen der Besteuerung auf das Management von Immobiliengesellschaften 3.4.5.1 Vorbemerkung Der Erfolg des Managements einer Immobiliengesellschaft (wie auch anderer Unternehmen) wird regelmäßig anhand der von ihm verantworteten Jahresergebnisse gemessen. Das Jahresergebnis einer Immobiliengesellschaft ist nachhaltig von der Höhe der gezahlten Ertragsteuern abhängig. Daher muss das Management stets die steuerlichen Auswirkungen von getroffenen Entscheidungen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen, um das Jahresergebnis zu optimieren. Es leuchtet ein, dass das Management von verschiedenen Immobilienvehikeln, die unterschiedlichen Steuerregimen unterliegen, in einer ansonsten identischen immobilienwirtschaftlichen Entscheidungssituation durch die Berücksichtigung von Steuereffekten zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangt. Das einfachste Beispiel hierzu ist die zehnjährige Haltefrist bei Veräußerungen im Privatvermögen gehaltener Immobilien: Ein Objekt steht zum Verkauf. Auch wenn der Verkauf eines im Privatvermögen gehaltenen Objektes immobilienwirtschaftlich im neunten Jahr nach Anschaffung – zum Beispiel angesichts erwarteter Marktmietrückgänge – richtig wäre, kann das Verschieben des Verkaufs bis zum Ablauf der Haltefrist durch die damit entfallenden Ertragsteuern die im Rahmen der Marktverschlechterung entstehenden Wertminderun-
3.4.5.2 Managemententscheidungen
181
gen überkompensieren und insgesamt zu einer Verbesserung der Rendite bzw. des Jahresergebnisses führen. Die in diesem Beitrag dargestellten Immobilienvehikel – Offene Immobilienfonds, G-REIT und die (Immobilien-)Kapitalgesellschaft – weisen ganz unterschiedliche steuerliche Regime auf, die Managemententscheidungen beeinflussen. Elemente dieser Regime sind nicht ursprünglich steuerlicher Natur: Der Offene Immobilienfonds unterliegt den Bestimmungen des Investmentgesetzes, die Immobilienkapitalgesellschaft den allgemeinen Bestimmungen des Gesellschaftsrechts (HGB, GmbHG, AktG) und der G-REIT unterliegt den Bestimmungen des REITG, die er einhalten muss, um in den Genuss der Steuerbefreiung zu kommen. Der Fokus in den folgenden Abschnitten soll auf den Auswirkungen der für den G-REIT geltenden Bestimmungen auf das Management liegen; die anderen Vehikel werden aber zu Vergleichszwecken herangezogen.
3.4.5.2 Managemententscheidungen 3.4.5.2.1 Eigenkapitalfinanzierung/Liquiditätsplanung Regelung Der G-REIT muss in erheblichem Umfang Eigenkapital vorhalten. Als Maßnahme zur Kapitalbeschaffung steht dem G-REIT die wichtigste Möglichkeit der Außenfinanzierung zur Verfügung: die Kapitalerhöhung. Auf der anderen Seite ist aber das wichtigste Instrument der Innenfinanzierung, nämlich die Thesaurierung, stark beschnitten: Der G-REIT hat eine Ausschüttungsverpflichtung. Mindestens 90 % des erwirtschafteten HGB-Ergebnisses sind an seine Aktionäre auszuschütten. In wie weit andere Maßnahmen der Kapitalbeschaffung, wie z.B. über die Ausgabe von Genussscheinen, möglich sind, ist nicht Gegenstand dieser Darstellung. Gerade aber die Genussscheinfinanzierung – mit ihrer Zwitterstellung zwischen Eigen- und Fremdkapital – könnte ein interessantes Instrument zur Finanzierung eines G-REIT werden. Relevanz Die Innenfinanzierung ist ein Finanzierungsmittel von erheblicher Bedeutung für alle Unternehmen, so natürlich auch für den G-REIT. Es ist vor dem Hintergrund der Rechnungslegung nach IFRS/IAS 40 als großer Erfolg zu beurteilen, dass sich die 90 %ige Ausschüttungsverpflichtung nicht auf dieses Ergebnis bezieht, sondern auf den gewöhnlich um z.B. die handelsrechtliche planmäßige AfA geringeren Jahresüberschuss nach HGB. Zudem können im Falle von Veräußerungsgewinnen unter bestimmten Voraussetzungen Rücklagen gebildet werden. Damit ergibt sich zumindest in Höhe der AfA (und im Falle von Rücklagen aus Veräußerungsgewinnen) eine Innenfinanzierungswirkung. In der Immobilienwirtschaft und angesichts der aktuell restriktiven Kreditvergabestandards vieler Banken ist aber die Innenfinanzierung von entscheidender Bedeutung, gerade auch für
182 3.4.5 Auswirkungen der Besteuerung auf das Management von Immobiliengesellschaften die junge Gattung der G-REITs. Da Banken wieder zunehmend laufende Tilgungen von den Kreditnehmern verlangen, muss die dafür benötigte Liquidität aus der Innenfinanzierung kommen. In Höhe der AfA steht hierfür Liquidität zur Verfügung. Implikationen für das Management Um nicht auf weiterführende Finanzierungsmaßnahmen angewiesen zu sein und nicht von hohen Tilgungsbeträgen oder anderen zahlungs-, aber nicht aufwandsrelevanten Forderungen überrascht und in Richtung Insolvenz gebracht zu werden, muss das Management des GREITs eine sehr präzise Liquiditätsplanung durchführen. Vergleich Die Liquiditätssteuerung bei Offenen Immobilienfonds ist – wenn auch aus anderen Gründen – ebenso von sehr hoher Bedeutung. Bei diesen Fondsprodukten rührt dies vielmehr aus den gesetzlichen Vorgaben zur Liquiditätshaltung (insbesondere die Vorschriften des Investmentgesetzes zur Mindest- und Höchstliquidität) und, von größerer Bedeutung, aus den schwierig plan- und steuerbaren Mittelzu- und -abflüssen her. Die Kapitalgesellschaft kennt grundsätzlich diese erweiterten Anforderungen – sei es regulatorisch oder steuerlich motiviert – nach Liquiditätssteuerung nicht. Die Ansprüche an die Liquiditätssteuerung unterscheiden sich unerheblich von den Erfordernissen von Unternehmen anderer Branchen.
3.4.5.2.2 Fremdkapitalfinanzierung Regelung Der G-REIT ist bezüglich der Fremdkapitalaufnahme beschränkt. Die Höhe seines Fremdkapitals darf 55 % seines unbeweglichen Vermögens zuzüglich des beweglichen Vermögens nicht überschreiten. Um seinen steuerlichen Status als G-REIT (und die damit einhergehende Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer) nicht zu verlieren, ist das Management darauf angewiesen, diese Grenze nicht zu verletzen. Relevanz Immobilienvehikel setzen regelmäßig Fremdkapital ein, um Immobilieninvestitionen zu finanzieren. Sie verfolgen damit u.a. folgende Ziele: • Verbesserung der Eigenkapitalrentabilität des Investitionsvorhabens (so genannter „Financial Leverage“) • Reduzierung der Steuerbelastung • Verbesserung der Diversifikation des Portfolios (durch den zusätzlichen Einsatz von Fremdkapital kann mit dem gegebenen Eigenkapital eine größere Anzahl von Investitionsvorhaben realisiert werden, was die Diversifikation verbessert) Viele Marktteilnehmer gehen bei ihren Investitionen über eine Fremdfinanzierungsquote von 55 % hinaus, um die vorstehenden Effekte verstärkt zu nutzen.
3.4.5.2 Managemententscheidungen
183
Implikationen für das Management Die strikte Vorgabe der minimalen Eigenkapitalquote verlangt vom Management, die Verschuldung regelmäßig zu überwachen, um die Grenze nicht zu verletzen. Da Überschreitungen zum Verlust der Steuerbefreiung führen können, ist das Management gehalten, nicht direkt an der gesetzlichen Grenze zu operieren. Gründe hierfür sind: • Einhaltung des maximalen Fremdkapitals auch im Falle von Bewertungsverlusten des Bestandsportfolios (zum Beispiel, wenn die Bewertung nach IFRS/IAS 40 und nicht nach HGB erfolgt) • Schnelle Reaktionsfähigkeit bei sich ergebenen, guten Ankaufsgelegenheiten, ohne erst durch eine Kapitalerhöhung die Eigenkapitalbasis verbreitern oder durch einen Verkauf Eigenkapital frei setzen zu müssen. Dies bedeutet, dass sich die G-REITs zur Beschränkung dieses Risikos und zur Erhaltung von Handlungsspielraum unterhalb der gesetzlich zulässigen Verschuldungsgrenze bewegen werden. Vergleich Offene Immobilienfonds weisen eine ähnliche, im Investmentgesetz im Einzelnen geregelte Beschränkung in Höhe von 50 % der Verkehrswerte der Immobilien auf. Die Überwachungsund Beachtungsimplikationen finden sich hier genauso. Um diese Finanzierungsgrenze nicht zu verletzen, operieren Manager Offener Immobilienfonds regelmäßig in einigem Sicherheitsabstand von dieser, um Spielraum bei Mittelrückflüssen oder bei Neuakquisitionen (wie für den G-REIT empfohlen) zu haben. Die Immobilienkapitalgesellschaft kennt diese Beschränkungen nicht. Eine entsprechende Überwachung verfolgt vielmehr aus Gründen der allgemeinen Unternehmenssteuerung und nicht der Einhaltung expliziter gesetzlicher Grenzen. Vielmehr haben börsennotierte Immobilienkapitalgesellschaften mit hoher Verschuldung die Analysten und Investoren als Korrektiv, die Verschuldung insbesondere in Zeiten rückläufiger Immobilienwerte sehr kritisch sehen. Durch gesetzliche Grenzen ungehindert, finanzierten in den Jahren 2006 und 2007 viele Marktteilnehmer Immobilieninvestitionen mit 75 % und mehr. Und auch auf der Portfolioebene lagen die Fremdkapitalquoten (in Prozent des Immobilienvermögens) häufig bei deutlich über 55 % bis zu 80 %. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die reguläre Kapitalgesellschaft die mit dem Einsatz von Fremdkapital einhergehenden Effekte besser nutzen kann als der G-REIT.
3.4.5.2.3 Bilanz- und Einkommenstests Regelung Der G-REIT unterliegt der Vorschrift, dass sein unbewegliches Vermögen mindestens 75 % seines gesamten Vermögens ausmachen muss. Zusätzlich muss er mindestens 75 % seiner Umsatzerlöse aus Vermietung und Verpachtung, Leasing und der Veräußerung der unbeweg-
184 3.4.5 Auswirkungen der Besteuerung auf das Management von Immobiliengesellschaften lichen Aktiva erzielen. Für Beteiligungen an G-REIT-Dienstleistungsgesellschaften und den Umsatzerlösen hieraus gilt eine gesonderte maximale Quote von jeweils 20 %. Relevanz Viele Immobilienunternehmen erzielen ihre Umsätze nicht ausschließlich aus Vermietung und Verpachtung, Leasing und der Veräußerung der unbeweglichen Aktiva. Es gibt eine Vielzahl von anderen Umsatzquellen: Immobilienunternehmen bieten u.a. Property Management, Asset Management und Due Diligence Dienstleistungen an. Von großer Bedeutung ist es auch, neben den Eigeninvestments in Immobilien auch Treuhandgeschäft (Fondsgeschäft) anzubieten. Hier ist zum Beispiel an die Aktivitäten der Colonia Real Estate im geschlossenen Fondsbereich oder der Patrizia und der IVG im Spezialfondsbereich zu denken. Da diese Aktivitäten erheblichen Umfang annehmen können, ist die für REITs geltende Beschränkung bei den Aktiva und den Umsätzen praktisch relevant. Ein Beispiel hierfür könnte auch ein G-REIT sein, der schon nahe an der 20 %-Grenze für die REIT-Dienstleistungsgesellschaft operiert. Ein möglicher, sehr attraktiver Verkauf eines Großinvestments und die damit einhergehende Kreditrückführung könnte durch die Bilanz und Umsatz verkürzende Wirkung zu einer Überschreitung der 20 %-Grenze führen. Damit könnte das Management gezwungen sein, den Verkauf zu verschieben und die günstige Marktchance könnte ungenutzt verstreichen. Die Gesellschaft wird aber ggf. in ihrem Wachstum und ihrer Entwicklung gehemmt; sie kann sich nicht so entwickeln, wie es die Marktgegebenheiten erlauben, sondern muss sich an den Quoten für Umsatz und Bilanz orientieren und deshalb gegebenenfalls auch gute Geschäfte ziehen lassen. Implikationen für das Management Auch hier besteht – vergleichbar zu den vorangegangenen Abschnitten – ein erhebliches Controlling-Erfordernis. Ähnliches gilt ebenfalls für die Ausnutzung der Grenzen. Um gute Gelegenheiten nicht verstreichen lassen zu müssen, sollte das Management bemüht sein, die Grenzen nicht auszureizen. Damit erhält es sich die Flexibilität, um auf Marktveränderungen reagieren zu können. Insgesamt ist es sogar wahrscheinlich, dass Unternehmen, die in der Immobilienwirtschaft breit aufgestellt sind, vom REIT-Status keinen Gebrauch machen können, da ihr Geschäftsmodell von den Grenzen für die REIT-Dienstleistungsgesellschaft zu stark eingeschränkt wird. Entweder würden solche Gesellschaften die entsprechenden Tests schon eingangs nicht erfüllen können oder sie empfänden die mit den genannten Grenzen einhergehende Inflexibilität als so gravierend, dass sie daher erst gar nicht versuchen würden, den REIT-Status zu erhalten. Vergleich Die vorgenannten Bilanz- und Einkunftstest gibt es nicht für Offene Immobilienfonds (dort aber Beschränkung der Liquidität auf 49 %). Insofern erscheint dieses Investitionsvehikel in dieser Beziehung weniger stark reguliert als der G-REIT. Da aber Offene Immobilienfonds Tätigkeiten, die für den G-REIT im Rahmen von REIT-Dienstleistungsgesellschaften zulässig sind, gar nicht durchführen dürfen, verflüchtigt sich der auf den ersten Blick eines Vorteils entstandene Eindruck schnell.
3.4.5.2 Managemententscheidungen
185
Kapitalgesellschaften sind bezüglich ihrer Einkunftsgenerierung und ihrer Bilanzrelationen grundsätzlich unbeschränkt und daher für Geschäftsmodelle, die nicht wesentlich auf die Bestandshaltung fokussiert sind, vorteilhaft.
3.4.5.2.4 Auslandsinvestitionen Regelung Grundsätzlich ist der G-REIT nicht bezüglich ausländischer Investitionen beschränkt. Allerdings schreibt das Gesetz vor, dass im Falle von Auslands-Immobiliengesellschaften diese nur zu 100 % erworben werden können. Relevanz Große deutsche Immobiliengesellschaften wie die IVG AG und die Deutsche Euroshop AG investieren europaweit. Um die unterschiedlichen Konjunkturzyklen in Europa nutzen zu können, ist dies auch erforderlich. Die Bedeutung von paneuropäischen REITs wird zukünftig wegen der engen wirtschaftlichen Verzahnung der europäischen Volkswirtschaften noch weiter zu nehmen. U. a. wegen der so genannten Mutter-Tochter-Richtline (ermöglicht quellensteuerfreie bzw. -arme, grenzüberschreitende Dividendenausschüttungen innerhalb von Konzernen) bestehen erhebliche Anreize, dass die G-REITs ihre ausländische Investitionstätigkeit über ausländische Kapitalgesellschaften abwickeln. Da viele G-REITs aber anfänglich keine eigenen Büros im europäischen Ausland haben werden (die Investitionsvolumina können dies anfänglich ökonomisch nicht rechtfertigen), besteht vor diesem Hintergrund ein erheblicher Bedarf an Co-Investitionen mit lokalen Partnern, um die lokale Expertise nicht nur Analysten gegenüber nachzuweisen, sondern auch de facto sicher zu stellen. Das beste „Alignment of Interest“ oder die stärkste Vermeidung von Interessenkonflikten erreicht man gewöhnlich dadurch, den lokalen Partner als Gesellschafter in die ausländische Immobiliengesellschaft eintreten zu lassen und ihm durch eigenen Eigenkapitaleinsatz zu motivieren, weniger seine Gebühreneinnahmen für das Asset Management der Immobilien zu optimieren, sondern auch eine nachhaltige Kapitalverzinsung zu erreichen. Gerade die Gesellschafterstellung aber kann einem lokalen Partner nicht angeboten werden, da vorgeschrieben ist, ausschließlich 100 %-Beteiligungen zu halten. Implikationen für das Management Diese Vorschrift hat weitreichende Implikationen für die Unternehmensorganisation. Auslandsinvestitionen eines G-REITs sollten daher nicht Beimischung sein, sondern müssen auf einem fundierten Business Plan für die Unternehmensentwicklung aufbauen. Eigene Leute vor Ort oder ausgereifte Beziehungen zu lokalen Dienstleistern jeweils mit einem gewissen Mindestinvestment in einem Land/an einem Standort sind die Voraussetzung für Auslandsinvestments.
186 3.4.5 Auswirkungen der Besteuerung auf das Management von Immobiliengesellschaften Vergleich Immobilienaktiengesellschaften und auch Offene Immobilienfonds sind diesbezüglich nicht limitiert. Co-Investments sind grundsätzlich möglich und in der Praxis auch üblich.
3.4.5.2.5 Exit Tax Regelung Wie in Abschnitt 2.2.2 beschrieben, verfügt der G-REIT gegenüber anderen Immobilienanlage-Vehikeln über einen erheblichen Vorteil: Unter den dort beschriebenen Voraussetzungen kann der an einen G-REIT verkaufende Eigentümer von inländischem Grundvermögen in den Genuss kommen, seine Ertragsteuern auf den Veräußerungsgewinn zu halbieren. Dies setzt ferner voraus, dass der G-REIT das Objekt für mindestens 4 Jahre nach Erwerb hält. Relevanz Diese Regelung ist von ganz erheblicher Relevanz, welche sich am Besten anhand eines Zahlenbeispiels erläutern lässt. Angenommen, ein Unternehmen verfüge über eine Immobilie zu einem Verkehrswert von 100 GE (= Geldeinheiten). Der steuerliche Restbuchwert betrage 40 GE und die Ertragsteuerbelastung auf den Gewinn betrage insgesamt 30 %. Ein Verkauf an einen Offenen Immobilienfonds oder eine Immobilienkapitalgesellschaft würde daher zu einem Nettozufluss für das Unternehmen von 100 – (30 % x (100 – 40)) = 82 GE führen. Ein G-REIT müsste nur einen Kaufpreis von 90 GE bieten, und das Unternehmen würde – wegen der Halbierung der Steuern auf den dann anfallenden Gewinn von 50 – auf einen Nettozufluss von 82,5 GE kommen. Damit sind G-REITs anderen Immobilienanlage-Vehikeln gegenüber deutlich im Vorteil: Diese können erheblich billiger einkaufen. Implikationen für das Management Diese Vorschrift hat diverse Implikationen. Offensichtlich wird, dass der Vorteil, den der G-REIT dem Verkäufer offerieren kann, von der Höhe der steuerlichen stillen Reserve abhängig ist. Daher täte das Management eines G-REITs gut daran, seine Ankäufe auf Verkäufer zu konzentrieren, die über erhebliche (steuerliche) stille Reserven verfügen, um den Einkaufsvorteil optimal nutzen zu können. Ebenso wichtig ist aber auch hier eine Besonderheit im Zusammenhang mit der Exit Tax. Wie bereits erwähnt, wird der Verkäufer regelmäßig vom G-REIT eine Sicherheit dafür verlangen, dass ihm der verheißene Steuervorteil nicht durch das Verhalten des G-REITs wieder verloren geht. Dies insbesondere, da der Verkäufer keinerlei Einfluss auf das zukünftige, gegebenenfalls zum Verlust der Steuervergünstigung führende Verhalten des G-REITs hat. Im vorgenannten Abschnitt sind die Tatbestände dargelegt, die zum rückwirkenden Verlust der Steuerbefreiung führen können. Als Sicherungsinstrument kommen Grundschulden, Kaufpreiseinbehalte, Freistellungserklärungen, Bürgschaften, etc. in Frage. Die Kosten für diese Sicherung müssen nicht notwendiger Weise zu Lasten des G-REITs gehen – sie können durchaus auch aus dem gewährten Steuervorteil vom Käufer bestritten werden. Die direkten Kosten sind auch hier nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr spielt hier der bilanzielle
3.4.5.2 Managemententscheidungen
187
Ausweis der gegebenenfalls gewährten Absicherungsinstrumente eine Rolle. Zudem stellt sich auch hier wieder das vorgenannte Controlling-Erfordernis, um zu verhindern, dass man versehentlich oder aber im Unwissen über das Ausmaß der finanziellen Konsequenzen eine Verletzung des G-REIT Regulariums herbeiführt. Vergleich Offenen Immobilienfonds und Immobilien-Kapitalgesellschaften steht das Instrument der Exit Tax nicht zur Verfügung. Sie können diesen Vorteil daher nicht nutzen und stellen sich hierdurch schlechter.
3.4.5.2.6 Haltedauer Regelung Der Gesetzgeber hatte das Ziel zu verhindern, dass klassische Projektentwickler und Immobilienhändler, ihre Gewinne im Gewand eines G-REITs zukünftig steuerfrei realisieren könnten. Daher musste eine Mindesthaltedauer im Gesetz verankert werden. Dies wiederum hätte aber die Attraktivität des G-REITs reduziert, da mit einer solchen Vorschrift ein aktives Portfoliomanagement unterbunden worden wäre. Daher hat der Gesetzgeber keine einzelobjektbezogenen Mindesthaltedauern vorgegeben, sondern einen Portfolioansatz gewählt, der reinen Immobilienhändlern den G-REIT-Status verwehren und aktives Portfoliomanagement gestatten soll, ohne dass die Steuerbefreiung verloren geht. Die gesetzliche Vorschrift normiert das Vorliegen eines schädlichen Immobilienhandels wie folgt: Wenn die Gesellschaft innerhalb von 5 Jahren mehr Veräußerungserlöse aus Immobilienanlagen erzielt, als der Hälfte des durchschnittlichen Wertes ihres unbeweglichen Vermögens in diesem Zeitraum entspricht, liegt ein schädlicher Immobilienhandel vor. Relevanz Gerade bei neuen, schnell wachsenden G-REITs kann diese Grenze zu einer Einengung der Flexibilität des Geschäfts beitragen, da gemessen am Immobilienbestand am Ende der Fünf-Jahresperiode der Abverkauf von wenigen Objekten auf den ersten Blick in Relation zum Bestandsportfolio unproblematisch erscheint, aber vor dem Hintergrund der Durchschnittsbetrachtung evtl. gegen die Vorschrift verstößt. Die Konsequenz des Verstoßes gegen die Limitierung des Immobilienumschlags ist der sofortige Wegfall der Steuerbefreiung mit Rückwirkung, was – gerade wegen des hohen Umschlags und den potentiellen hohen Gewinnen – sogar eine Insolvenz nach sich ziehen kann, insbesondere dann, wenn viele dieser Gewinne bereits in den vorangegangenen Geschäftsjahren ausgeschüttet wurden und nun nachträglich Steuern anfallen. Implikationen für das Management Für große Bestandshalter ist die Grenze großzügig bemessen. Für Unternehmen, die aktiv ihre Portfolien managen und viel Wertschöpfung durch den Verkauf von Objekten nach Entwicklung oder Modernisierung erzielen, kann die Vorschrift aber recht beengend wirken.
188
3.4.6 Fazit
Daher bestünde eine Implikation darin, einen langfristig zu haltenden Bestand an Immobilien zu haben. Dieser ermöglicht es, ggf. in einer getrennt operierenden Unternehmenseinheit, sehr viel aktiver bei der Realisierung von Marktchancen zu sein. Offensichtlich ist auch hier die Bedeutung des Controllings. Vergleich Vergleichbar strikte Regelungen gibt es weder bei Offenen Immobilienfonds noch bei Immobilien-Kapitalgesellschaften. Allerdings unterliegen auch sie bestimmter Regelungen, deren Nichteinhaltung zu Steuernachteilen führt. Die Nicht-Beachtung von Haltefristen kann für Investoren in Offene Immobilienfonds dazu führen, dass steuerfreie Veräußerungsgewinne doch steuerpflichtig würden. Hier ist an die 10jährige Spekulationsfrist für natürliche Personen gedacht, die ihre Anteile im Privatvermögen halten, oder aber daran, dass bei zu reger Verkaufsaktivität von britischen Objekten die Steuerfreiheit verloren geht. Bei Immobilien-Kapitalgesellschaften können sich aus dem gewerblichen Immobilienhandel negative gewerbesteuerliche Konsequenzen, z.B. der Verlust der so genannten erweiterten Kürzung, ergeben.
3.4.6 Fazit Die in vielen Ländern bereits etablierte und vor kurzem durch den deutschen Gesetzgeber auch hierzulande zur Verfügung gestellte Alternative für Immobilieninvestitionen in Form des G-REITs wird aufgrund ihrer steuerlichen Regelungen in Deutschland langfristig zu mehr Wettbewerb unter den Investitionsformen führen. Trotz umfangreicher gesetzlicher Vorschriften und Voraussetzungen zur Erlangung des Status eines G-REITs werden sowohl die Exit-Tax als auch die Verlagerung der Besteuerung auf den beteiligten Investor insbesondere aufgrund der Einführung der Abgeltungsteuer, ohne dass eine steuerliche Vorbelastung des G-REITs erfolgt ist, entscheidende Argumente für einen G-REIT sein. Vorteile kann der G-REIT auch für ausländische Anleger haben, die in der Regel eine Reduktion der deutschen Kapitalertragsteuer über abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch nehmen können. Als steuerlich nachteilig erweist sich der G-REIT insbesondere bei der Investition in ausländischen Grundbesitz oder, sofern Tätigkeiten über Tochtergesellschaften, die der Regelbesteuerung unterliegen, ausgeführt werden. In diesen Punkten sind noch Nachbesserungen des REITG notwendig bzw. wünschenswert. Zudem kommt es beim gewerbesteuerpflichtigen Anteilseigner eines G-REITs stets zu einer Doppelbelastung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer, da auf-
3.4.5.2 Managemententscheidungen
189
grund der Streubesitzvorschriften des G-REITs stets Streubesitzdividenden im Sinne des Gewerbesteuergesetzes vorliegen. Aus diesem Grund kann sich die Immobilienkapitalgesellschaft trotz steuerlicher Vorbelastung auf Gesellschaftsebene, insbesondere aufgrund der gestiegenen Bedeutung der Gewerbesteuer durch die Unternehmensteuerreform 2008, im Vergleich zum G-REIT als steuerlich vorteilhaft erweisen. Wir haben des Weiteren gezeigt, dass die dem G-REIT gewährten steuerlichen Vorteile in Form der Befreiung von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer nicht umsonst sind: Einerseits verliert das Management viel an Flexibilität, um auf Marktentwicklungen und auf Opportunitäten reagieren zu können. Gleichzeitig ist das Management von G-REITs sehr stark auf ein gut funktionierendes Controlling angewiesen, da die Verletzung der REIT-Vorschriften zu erheblichen finanziellen Strafen und auch zum Verlust der Steuerbefreiung, dies u.U. sogar rückwirkend, führen kann. Von daher ist die Situation mit der der Offenen Immobilienfonds vergleichbar: Das Management von Offenen Immobilienfonds fürchtet zwar nicht den Verlust von Steuerprivilegien, hat dafür aber keinerlei Spielräume, von den Vorgaben des Investmentgesetzes abzuweichen. Die maximale Freiheit hingegen hat das Management der Immobilienkapitalgesellschaft. Hier gelten die allgemeinen Vorschriften des Gesellschaftsrechts, bei (börsennotierten) Immobilienaktiengesellschaften ergänzend die des AktG. Diese schreiben dem Manager aber nicht vor, welchen Verschuldungsgrad er maximal eingehen kann oder welches Geschäft zulässig ist und welches nicht. Dafür ist aber auch die steuerliche Stellung solcher Kapitalgesellschaften am unvorteilhaftesten. Die Entscheidung für oder gegen den Status als G-REIT muss daher immer (auch) eine immobilienwirtschaftliche sein und nicht nur steuerlich motiviert sein. Der Status des G-REITs fordert nämlich das Management eines solchen Unternehmens durch den Zwang zur laufenden Einhaltung der REIT-Voraussetzungen zur Einrichtung und Fortentwicklung eines ausgeprägten Controllings und schränkt die Flexibilität von Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen nicht unerheblich ein.
190
3.4.6 Fazit
3.5
Rendite- und Risikostrukturen bei Spezialfonds
Sven Helmer / Ulrich Nack 3.5.1
Investmentrechtliche und steuerliche Grundlagen von ImmobilienSpezialfonds
192
3.5.2
Fondstypen
195
3.5.3
Marktgröße und Marktteilnehmer
196
3.5.4
Bewertung, Performance und Risiko
198
3.5.5
Weitere Entwicklung im Vergleich zum G-REIT
204
192
3.5.1 Investmentrechtliche und steuerliche Grundlagen von Immobilien-Spezialfonds
Schon im einleitenden Kapitel zu diesem Buch war der Offene Immobilien-Spezialfonds als Anlagevariante für institutionelle Investoren kurz vorgestellt und in seinen strukturellen Vorzügen und Nachteilen skizziert worden. Die Entwicklung der Zahl der Fonds und des verwalteten Vermögens sind starke Indizien für die anhaltende Attraktivität dieser Form indirekter Immobilienanlage. Um fundiert beurteilen zu können, ob bzw. warum und unter welchen Voraussetzungen sich der Immobilien-Spezialfonds auch nach Zulassung von REITs als ein konkurrenzfähiges Anlagevehikel wird behaupten können, sollen in diesem Beitrag die Konstruktionselemente und -freiheiten und – sich daraus ableitend – die typischen Rendite- und Risikostrukturen von Immobilien-Spezialfonds vertieft untersucht werden.
3.5.1 Investmentrechtliche und steuerliche Grundlagen von Immobilien-Spezialfonds Der Immobilien-Spezialfonds ist eine Produktvariante des Offenen Immobilienfonds und ist als sog. „Spezial-Sondervermögen“ in §§ 91-95 InvG geregelt. Die Besonderheiten für Immobilien-Spezialfonds sind in den §§ 92-95 InvG dargestellt; ansonsten wird in § 91 Abs. 2 InvG insbesondere auf die investmentrechtlichen Vorschriften für Offene Immobilienfonds verwiesen. Die Novellierung des Investmentgesetzes durch das Investmentänderungsgesetz vom 8.11.2007 hat einige Investmenterleichterungen für Spezialfonds im Vergleich zu Publikumsfonds gebracht. Der Offene Immobilien-Spezialfonds im Sinne des Investmentgesetzes ist als investmentrechtliche Ausprägung von Offenen Immobilienfonds nur eine von mehreren institutionellen Gestaltungsvarianten für Immobilieninvestitionen. Der Gesetzgeber hat sich mit den Regelungen des Investmentgesetzes für den sog. „Vertragstyp“ entschieden. Im Unterschied zum sog. „Gesellschaftstyp“, bei dem Fonds- und Betriebsvermögen nicht voneinander getrennt und die Anteilinhaber selbst zumeist als Aktionäre Eigentümer der Investmentgesellschaft sind, unterliegen beim Vertragstyp Fondsvermögen und Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft einer strikten Trennung. Die Kapitalanlagegesellschaft verpflichtet sich durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag, die Verwaltung der Anlagemittel zu übernehmen. Das Management des Immobilien-Spezialfonds wird somit extern durchgeführt. Ein internes Management, d.h. das Management ist bei der Immobiliengesellschaft angestellt, ist bei den vertragstyp-basierten Spezialfonds gesetzlich ausgeschlossen. Gleichfalls war bisher ein Börsenhandel der Anteilscheine faktisch durch die Begrenzung auf 30 Anleger, die nicht natürliche Personen sein dürfen, ausgeschlossen. Auch nach der Novel-
3.5.1 Investmentrechtliche und steuerliche Grundlagen von Immobilien-Spezialfonds
193
lierung des InvG, die die Begrenzung auf 30 Anleger aufgegeben hat, wird bei den meisten Spezialfonds ein Börsenhandel nicht möglich oder nicht gewünscht sein. Eine vereinfachte Übertragung ist allerdings im Vergleich zu geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform von Personengesellschaften möglich, da die Anteilscheine Wertpapiere sind und eine regelmäßige Bewertung der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten stattfindet. Grundsätzlich können jederzeit Anteile zum Nettoinventarwert ausgegeben und zurückgenommen werden. Eine Übertragung der Anteilscheine bedarf der Zustimmung der Kapitalanlagegesellschaft. Im Vergleich zum Offenen Publikums-Immobilienfonds verfügt der Immobilien-Spezialfonds über zahlreiche Erleichterungen hinsichtlich Zulassungs-, Publizitäts- und Übertragungsver-pflichtungen. Die wichtigsten Ausnahmen aus ökonomischer Sicht sind folgende: • Die Vertragsbedingungen für Immobilien-Spezialfonds bedürfen nicht der Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und ein Halbjahresbericht gemäß § 44 Abs. 2 InvG ist nicht erforderlich; • Die für Immobilienpublikumsfonds gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 InvG verpflichtende Mindestliquidität (5 % des Wertes des Sondermögens bedarf der Anlage in täglich verfügbaren Mitteln) ist für Immobilien-Spezialfonds nicht vorgeschrieben; • Die weitere Ausgabe von Anteilscheinen ist auch bei Aussetzung der Rücknahme möglich; • Eine börsentägliche Bewertung des Sondervermögens ist nicht zwingend vorgeschrieben; • Abweichend zum Publikumsfonds kann für einen Spezialfonds vereinbart werden, dass die Rücknahme von Anteilen nur zu bestimmten Rücknahmeterminen, jedoch mindestens einmal innerhalb von 2 Jahren erfolgt. Die zahlreichen Regelungen zur Diversifikation des Fondsvermögens sowie zur Begrenzung der Fremdfinanzierung, die bei Offenen Immobilien-Publikumsfonds maßgeblich sind, gelten üblicherweise auch für Immobilien-Spezialfonds. Der Gesetzgeber hat allerdings im Invest-mentänderungsgesetz (§ 91 Abs. 3 InvG-E) den Kapitalanlagegesellschaften die Möglichkeit eingeräumt von einigen Anlagegrenzen abzuweichen, wenn die Anleger zustimmen und weitere rechtliche Voraussetzungen vorliegen. Die Kapitalanlagegesellschaft darf grundsätzlich für ein Immobilien-Sondervermögen nur folgende und die in den §§ 68 und 80 InvG genannten Vermögensgegenstände erwerben: 1. Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke; 2. Grundstücke im Zustand der Bebauung, wenn die genehmigte Bauplanung den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen entspricht und nach den Umständen mit einem Abschluss der Bebauung in angemessener Zeit zu rechnen ist und wenn die Aufwendungen für die Grundstücke insgesamt 20 % des Wertes des Sondervermögens nicht überschreiten; 3. Unbebaute Grundstücke, die für eine alsbaldige eigene Bebauung nach Maßgabe der Nummer 1 bestimmt und geeignet sind, wenn zur Zeit des Erwerbs ihr Wert zusammen
194
3.5.1 Investmentrechtliche und steuerliche Grundlagen von Immobilien-Spezialfonds
mit dem Wert der bereits in dem Sondervermögen befindlichen unbebauten Grundstücke 20 % des Wertes des Sondervermögens nicht übersteigt; 4. Erbbaurechte unter den Voraussetzungen der Nummern 1 bis 3. Wenn die Vertragsbedingungen dies vorsehen und die Vermögensgegenstände einen dauernden Ertrag erwarten lassen, darf die Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung eines Immobilien-Sondervermögens auch andere Grundstücke und andere Erbbaurechte sowie Rechte in Form des Wohnungseigentums, Teileigentums, Wohnungserbbaurechts und Teilerbbaurechts erwerben. Diese Grundstücke und Rechte dürfen grundsätzlich nur erworben werden, wenn zur Zeit des Erwerbs ihr Wert zusammen mit dem Wert der bereits in dem Sondervermögen befindlichen Grundstücke und Rechte gleicher Art 15 % des Wertes des ImmobilienSondervermögens nicht überschreitet. Eine Immobilie darf im Rahmen der üblichen Anlagegrenzen zur Zeit des Erwerbs 15 % des Wertes des Sondervermögens nicht übersteigen. Der Gesamtwert aller Immobilien, deren einzelner Wert mehr als 10 % des Wertes des Sondervermögens beträgt, darf 50 % des Wertes des Sondervermögens nicht überschreiten. Bei der Berechnung des Wertes des Sondervermögens gemäß den Sätzen 1 und 2 werden aufgenommene Darlehen nicht abgezogen. Darüber hinaus können auch unter den näheren Bedingungen von § 68 InvG bis 49 % des Wertes des Sondervermögens Grundstücks-Gesellschaften erworben werden.1 Die Regelungen zum Erwerb von Anteilen an Grundstücks-Gesellschaften sind wiederum mit zahlreichen Bedingungen verbunden. Die bisher dabei geltende Beschränkung, dass solche Gesellschaften maximal drei Immobilienobjekte halten durften, ist mit der Novellierung des InvG entfallen. Die Fremdfinanzierung ist auf 50 % des Verkehrswertes der im Sondervermögen befindlichen Immobilien begrenzt. Gleichfalls dürfen Investments außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes u.a. nur getätigt werden, wenn dies die Vertragsbedingungen vorsehen. Das Währungsrisiko darf maximal 30 % der Vermögensgegenstände des Sondervermögens betragen. Die vergleichsweise restriktiven Investitions- und Finanzierungsvorschriften führen dazu, dass die Anlage in Immobilien-Spezialfonds weit überwiegend den sog. „Core“- und „Core plus“-Investments mit niedrigem Rendite-/Risikoprofil zuzuordnen ist. Investitionen in Projektentwicklungen, Wohnungsunternehmen oder Asset Management-Unternehmen sind nur sehr begrenzt möglich. Immobilien-Spezialfonds werden steuerlich transparent behandelt, d.h. das Sondervermögen ist von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit und die Besteuerung erfolgt auf Anlegerebene. Da es sich bei den Investoren um steuerbefreite Sondervermögen und Versiche-
1
Der Wert von Vermögensgegenständen, die zu einer Immobilien-Gesellschaft gehören, an denen eine Kapitalanlagegesellschaft zu 100 % am Kapital und an den Stimmrechten beteiligt ist, wird auf die o.g. Grenze nicht angerechnet
3.5.2 Fondstypen
195
rungen handelt, die die Erträge den Aufwendungen für versicherungstechnische Rückstellungen gegenüberstellen, ist die Besteuerung der Erträge vergleichsweise gering. Erträge von ausländischen Immobilien werden in der Regel im Belegenheitsstaat besteuert, so dass die im Vergleich zu Deutschland häufig geringeren Steuersätze zur Geltung kommen und zur Reduktion der Besteuerungsgrundlage eine höhere Fremdfinanzierung gewählt wird.
3.5.2 Fondstypen Rund zwei Drittel aller Immobilien-Spezialfonds sind sog. „Einbringungsfonds“, d.h. institutionelle Investoren bringen ihre eigenen Immobilienbestände in den ImmobilienSpezialfonds ein und übertragen das Asset Management gänzlich oder zum Teil an die Kapitalanlagegesellschaft. Die zweite Fondsvariante sind sog. „Blind Pools“, die auf Basis einer dezidierten Anlagestrategie den Aufbau durch Mittelzusagen vornehmen. Häufig handelt es sich bei den Einbringungsfonds um Individualfonds, also speziell für nur einen Investor aufgelegten Fonds, um komplizierte Bewertungsfragen bei der Einbringung von Immobilienbeständen von anderen Anteilsinhabern einzugrenzen. Für einen von mehreren Investoren getragenen Gemeinschaftsfonds eignet sich ein Blind Pool besser, der die eingebrachten Mittel nach einer spezifischen vereinbarten Strategie anlegt. Die Motivation für die Einbringung von Immobilien aus dem Direktbestand ist in der Regel das Outsourcing von Asset Management-Dienstleistungen bei institutionellen Investoren, eine Fremdfinanzierung des Objektbestandes von Versicherungsunternehmen oder ein verbesserter bilanzieller Gewinnausweis im Rahmen von Spezialfonds im Vergleich zur Direktanlage. Abbildung 3.5-1 verdeutlicht die Häufigkeit der vorliegenden Kombinationen von Fondsvarianten. Anzahl der Investoren/Art des Vermögensaufbaus Individualfonds Gemeinschaftsfonds
Einbringungsfonds
Blind Pool
Häufig
Selten
Sehr selten
Häufig
Abb. 3.5- 1 Häufigkeit der Kombinationen verschiedener Fondsvarianten
Demnach sind die häufigsten Kombinationen der Einbringungsfonds im Rahmen eines Individualfonds eines institutionellen Anteilinhabers sowie der Blind Pool im Rahmen des Gemeinschaftsfonds. Die Mitsprache der institutionellen Investoren erfolgt in der Regel über den Anlageausschuss, der zwar rechtlich nur beratende Funktion besitzt, faktisch bei abwei-
196
3.5.3 Marktgröße und Marktteilnehmer
chender Auffassung zwischen Anleger und Fondsmanagement mit dem drohenden Abzug des Mandats ein erhebliches Sanktionspotential besitzt.
3.5.3 Marktgröße und Marktteilnehmer Immobilien-Spezialfonds haben in den letzten Jahren ein erhebliches Wachstum erzielt. So stieg das Fondsvolumen von 1998 bis September Juni 2008 von 2,9 Mrd. € auf rd. 121,7 Mrd. €. Besonders im Jahr 2006 stieg das Fondsvolumen mit 2,9 Mrd. € recht stark, während die Entwicklung seither eher gebremst verläuft. Das Brutto-Fondsvermögen von Immobilien-Spezialfonds betrug Ende 2007 29,7 Mrd. €, das reine Grundstücksvermögen rd. 22,7 Mrd. € und das Kreditvolumen stieg auf 7,2 Mrd. €, so dass der durchschnittliche Fremdfinanzierungsanteil des Grundvermögens rd. 29 % entspricht. Insgesamt bestehen derzeit 117 Immobilien-Spezialfonds (Stand: Juni 2008),2 davon ist der weit überwiegende Teil inländischen Investoren zuzuordnen. Die weitaus größte Anlegergruppe bilden inländische Versicherungsunternehmen und Altersvorsorgeeinrichtungen, insbesondere Pensionskassen sowie berufsständische Versorgungswerke, die 2006 je 56 Spezialfonds (rd. 11,8 Mrd. € Vermögen) bzw. 27 Spezialfonds (rd. 3,4 Mrd. € Vermögen) hielten. Ausländische Investoren hatten dagegen mit einem Vermögen von rd. 911 Mio. € nur einen sehr geringen Anteil an Immobilien-Spezialfonds. Sämtliche Fonds sind Ausschüttungsfonds, nicht Thesaurierungsfonds. Einer der wichtigsten Vorteile des Immobilien-Spezialfonds ist die Zuordnung zur sog. „Immobilienquote“ im Sinne des § 2 Abs. 5 Anlageverordnung3 innerhalb des gebundenen Vermögens von Versicherungen. Demnach kann bis zu 25 % des Sicherungsvermögens und des sonstigen gebundenen Vermögens in Immobilien-Sondervermögen bzw. ImmobilienSpezialfonds, Grundstücke bzw. grundstückgleiche Rechte und Beteiligungen an Grundstücksgesellschaften gehalten werden. Da die Immobilienquote bei deutschen Versicherungsunternehmen derzeit auf Marktwertbasis durchschnittlich bei rund 5 % des gebundenen Vermögens liegt, ist noch ein erheblicher Investitionsspielraum vorhanden. Zusätzlich ist im 2
Vgl. Entzian (2008)
3
Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungen (Anlageverordnung – AnlV) vom 20.12.2001, zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 22.05.2005 (BGBl. I s. 1373)
3.5.3 Marktgröße und Marktteilnehmer
197
Rahmen des Immobilien-Spezialfonds eine Fremdfinanzierung bis zu 50 % des Wertes des gesamten Grundvermögens möglich. Im Rahmen der Direktinvestition oder der Beteiligung an Grundstücksgesellschaften von Versicherungen ist dagegen eine Fremdfinanzierung grundsätzlich nicht gestattet, so dass positive Leverage-Effekte nicht ausgenutzt werden können. Für Immobilienaktien dagegen ist die Zuordnungsmöglichkeit in die sog. „Immobilienquote“ von Versicherungen nicht gegeben. Sie werden der sog. „Aktienquote“ im Sinne des § 2 Abs. 3 Anlageverordnung zugeordnet. Hierbei sind gemeinsam mit anderen Aktien, Forderungen aus nachrangigen Verbindlichkeiten und nicht-börsennotierten Beteiligungen maximal 35 % der Anlage des Sicherungsvermögens und des sonstigen gebundenen Vermögens erlaubt (Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 9, 10, 12, 13 Anlageverordnung). Aufgrund der Konkurrenz zu den genannten Anlageformen erfährt die Anlage in Immobilienaktien eine typischerweise geringere Bedeutung innerhalb der Anlagegruppe „nachrangige Verbindlichkeiten, Aktien und Beteiligungen“ als dies im Rahmen der Immobilienanlage im Sinne des § 2 Abs. 5 Anlageverordnung der Fall wäre. Für Investments in REITs ist eine Anrechnung auf die Immobilienquote inzwischen positiv beschieden. Damit ist eine Gleichstellung von Investments in Fonds- und REIT-Anteile innerhalb der Immobilienquote erreicht.
25.000
120
20.000
100 80
15.000
60 10.000
40
5.000
Fondsvermögen Mittelzufluss Anzahl Spezialfonds
20
0
0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 4
Abb. 3.5- 2 Wachstum der Immobilien-Spezialfonds 1998-2006 (Fondsvermögen/Mittelzufluss in Mio. €)
Zukünftig ist von einem steigenden Anteil der Immobilienanlage an den gesamten Vermögensanlagen von Versicherungsunternehmen auszugehen. Der nach Expertenschätzungen erwartete Immobilienanteil an den Vermögensanlagen in Höhe von 7,2% zum Jahresende 2007 ist allerdings bei weitem verfehlt worden. Mit 3,1 % am Gesamtvolumen ist er sogar gegenüber füheren Jahren (Jahresende 2004: ca. 5%) deutlich rückläufig gewesen.5 Innerhalb 4
Bis einschließlich 30. September 2006
5
Anteile an geschlossenen Fonds und andere Immobilienvehikeln werden hier allerdings nicht mit erfasst
198
3.5.4 Bewertung, Performance und Risiko
der Immobilienanlagen ist zu erwarten, dass der Immobilien-Spezialfonds der ImmobilienDirektanlage weiter Marktanteile abnimmt. So erreichten zum Jahresende 2007 die Anlagen in Offenen Immobilienfonds einen Anteil von 34 % (Jahresende 2004: 20%) an der gesamten Immobilienanlage von Versicherungsunternehmen. Im Vergleich zur Wertpapieranlage ist dies immer noch einer geringer Anteil, da hier der Outsourcing-Anteil rd. 80% beträgt. Insgesamt werden Immobilien-Spezialfonds von 23 Kapitalanlagegesellschaften angeboten. Marktführer ist die IVG Institutional Funds GmbH (vormals: Oppenheim ImmobilienKapitalanlagegesellschaft mbH) mit einem Marktanteil von rd. 31,7 %, gemessen am Fondsvermögen von Immobilien-Spezialfonds. In der Regel wird bei der Auflage eines Immobilien-Spezialfonds von einem Mindestinvestitionsbetrag von 250 Mio. EUR auszugehen sein. Die Mehrzahl der Investments beziehen sich auf gewerbliche Objekte mit Schwerpunkten im Büroimmobilien- (ca. 70%), Einzelhandelsimmobilien- (ca. 10%-15%) und Logistikimmobilienbereich (ca. 10%).
3.5.4 Bewertung, Performance und Risiko Rendite- und Risikostrukturen bei Spezialfonds unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen bei anderen Formen der indirekten Immobilienanlage. Besonderheiten ergeben sich allerdings aus dem Investmentgesetz, das für Spezialfonds und Publikumsfonds gleichermaßen gilt. Die Erleichterungen, die das Investmentgesetz den Spezialfonds gegenüber den Publikumsfonds einräumt, betreffen im Wesentlichen nicht Rendite- und Risikostrukturen. Spezialfonds-Investoren sind professionelle Investoren, die in der Regel eine hohe Erwartung an die Erfassung von Rendite und Risiko stellen. Insofern weisen die Reportingtools bei Spezialfonds oft einen besonders hohen fachlichen Standard auf. Zur Erfassung der Renditestrukturen wird in vielen Fällen ein Top-Down-Ansatz gewählt. Die institutionellen Investoren, die in Spezialfonds investieren, sind typischerweise an mehreren Fonds beteiligt. Insofern erfolgt aus Sicht der Investoren eine Portfoliobildung durch Beteiligung an mehreren Immobilienfonds. Im ersten Schritt interessiert von daher der Performance-Beitrag eines einzelnen Fonds zum gesamten Portfolio. Erst danach kommt die Frage nach dem Beitrag einzelner Objekte, bestimmter Nutzungsarten oder Objektgruppen (z.B. Unterteilung nach Ländern).
3.5.4 Bewertung, Performance und Risiko
199
Eine übliche Messung der Rendite eines Immobilien-Spezialfonds erfolgt über die sogenannte BVI-Performance. Es handelt sich dabei um eine Renditemessung auf Anteilswertebene, die nach der einheitlichen Formel des Bundesverbands Investment und Asset Management e.V. erfolgt. Die BVI-Performance wird bei Wertpapier- und Immobilienfonds einheitlich angewendet und führt so aus Sicht der Investoren zu einem hohen Maß an Vergleichbarkeit. Eingangsgrößen für die Berechnung der BVI-Performance sind die Anteilswerte am Anfang und am Ende des Berichtszeitraums, eine etwaige Ausschüttung und der Anteilswert nach Ausschüttung. Konkret berechnet sich die Formel wie folgt: BVI-Performance = (Anteilswert am Ende des Berichtszeitraums x (1 + Ausschüttung während des Berichtszeitraums / Anteilswert unmittelbar nach Ausschüttung) – Anteilswert am Anfang des Berichtszeitraums) / Anteilswert am Anfang des Berichtszeitraums In die BVI-Performance fließen somit die Mietrenditen aus den Überschüssen der Mieteinnahmen, die Bewertungsrenditen aus der turnusmäßigen Neubewertung der Objekte und die Liquiditätsrenditen ein. Die BVI-Performance ist somit das umfassendste Maß zur Beurteilung der Rendite eines Immobilien-Spezialfonds. Im Sinne einer tiefer gehenden Erfassung der Renditestruktur eines Immobilien-Spezialfonds gibt es eine Vielzahl an Performance-Maßen, die in nicht wenigen Fällen zu Missverständnissen bei den Investoren führen können. Zu unterschiedlich sind Definitionen, die jeweils zur Bemessung des Renditebeitrages verwendet werden. Seitens des BVI wurden auch hier im Sinne einer Vereinheitlichung Branchenstandards erarbeitet, die im Folgenden dargelegt werden: Netto-Mietrendite: Die Netto-Mietrendite ist bezogen auf das durchschnittlich direkt gehaltene Immobilienvermögen des Fonds. Sie wird unter Berücksichtigung der Betriebskosten, der Instandhaltungskosten sowie der Kosten der Immobilienverwaltung errechnet: Netto-Mietrendite
= Nettomiete/Verkehrswert.
Bewertungsrendite: Die Bewertungsrendite ist bezogen auf das durchschnittlich direkt gehaltene Immobilienvermögen des Fonds: Bewertungsrendite
= Verkehrswertveränderung innerhalb des Berichtszeitraums/ Verkehrswert am Anfang des Berichtszeitraums.
Immobilienrendite nach Darlehensaufnahme und vor Fondskosten: Die Immobilienrendite ist bezogen auf das durchschnittliche eigenkapitalfinanzierte Immobilienvermögen des Fonds: Immobilienrendite:
= (Nettomiete - Zinsaufwand - Steuern + Verkehrswertverände rungen innerhalb des Berichtszeitraums)/durchschnittliches eigenkapitalfinanziertes Immobilienvermögen.
Liquiditätsrendite: Die Liquiditätsrendite ist bezogen auf das durchschnittliche Liquiditätsvermögen des Fonds. Sie wird unter Berücksichtigung von Zinsen aus Bankguthaben, Zinsen
200
3.5.4 Bewertung, Performance und Risiko
und Wertänderungen des Liquiditätsvermögens sowie Ausschüttungen aus Investmentanteilen ermittelt. Liquditätsrendite
= Zinsen + Ausschüttungen + Wertveränderungen des Liquiditätsvermögens/(Liquiditätsvermögen am Anfang + Liquiditätsprognose am Ende des Berichtszeitraums/2).
Wertveränderungen der Immobilien gehen damit in fast allen Fällen in die ausgewiesene Renditeberechnung ein. Hierfür stehen aber, im Gegensatz zu den Anteilen einer börsennotierten Gesellschaft, keine Marktpreise zur Verfügung. Eine zentrale Bedeutung kommt daher der Bewertung der Immobilienbestände zu. Als ein Element der Sicherheit der Investoren hat der Gesetzgeber diese Bewertung nicht in die Hände der Kapitalanlagegesellschaft selbst, sondern einer sachverständigen und (möglichst) unabhängigen Institution gelegt. Daher gilt für Immobilien-Publikumsfonds wie für -Spezialfonds, dass jede Kapitalanlagegesellschaft einen Sachverständigenausschuss oder mehrere Sachverständigenausschüsse mit unabhängigen Sachverständigen einzurichten hat. Der Sachverständigenausschuss besteht aus drei Mitgliedern (bisher: mindestens drei) und bewertet die Vermögensgegenstände nach Maßgabe der §§ 67 und 68 InvG mindestens einmal jährlich. Vor dem Erwerb von Immobilien hat eine Bewertung durch einen Sachverständigen zu erfolgen, der nicht dem Sachverständigenausschuss angehört. Der Kaufpreis darf dabei den von ihm ermittelten Wert nur unwesentlich überschreiten. Der Wert der Beteiligung an Immobiliengesellschaften ist von einem Abschlussprüfer nach den allgemeinen Regeln der Unternehmensbewertung zu ermitteln. Die sonstigen Vermögensgegenstände der Immobiliengesellschaft sind unter Beachtung der in § 36 Abs. 1 bis 3 InvG enthaltenen Grundsätze mit den Verkehrswerten zu bewerten. Die aufgenommenen Kredite und sonstigen Verbindlichkeiten sind nach § 36 Abs. 1 von diesen Werten abzuziehen. Im Rahmen des Grundvermögens erfolgt die Wertermittlung auf Basis des Baugesetzbuches (BauGB), der Wertermittlungsverordnung (WertV) und der Wertermittlungs-Richtlinien (WertR). Die Sachverständigen ermitteln für jede Fondsimmobilie, mit Ausnahme der in Bau befindlichen Objekte, den Verkehrswert. Gemäß Baugesetzbuch wird der Verkehrswert durch den Preis bestimmt, „der in dem Zeitpunkt auf den sich die Wertermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und den tatsächlichen Eigenschaften (...) ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“6 Der Verkehrswert ist somit nicht als subjektiver Kaufpreis, sondern als „objektivierter“ Wert zu verstehen, den ein potentieller Erwerber unter den Bedingungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs bezahlen würde. Die Sachverständigen haben am Wertermittlungsstichtag die bei „ordnungsgemäßer“ Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung „nachhaltig erzielbaren“ Miet- und Pachteinnahmen anzusetzen. Die Kapitalisierung der Miet- und Pachteinnahmen erfolgt über den Liegenschaftszinssatz. Der Liegenschaftszinssatz ist der Zinssatz,
6
§ 194 BauGB
3.5.4 Bewertung, Performance und Risiko
201
„(...) mit dem der Verkehrswert von Liegenschaften im Durchschnitt marktüblich verzinst wird.“7 Die Verwendung von objektivierten Ertrags- und Kostenansätzen sowie die Verwendung eines marktüblichen Liegenschaftszinssatzes können zu einer Abweichung zwischen Verkehrswert und Marktpreis führen. Die Erwartungen hinsichtlich der Managementleistung werden durch die Objektivierung der Erträge, Kosten und des Liegenschaftszinses deutlich geringer berücksichtigt als dies beispielsweise bei börsennotierten Immobilienaktiengesellschaften der Fall ist. Bei börsennotierten Unternehmen ist nicht der objektivierte Wert, sondern vielmehr der intersubjektiv überprüfbare Marktpreis maßgeblich. Die für die Fonds maßgebliche Bewertungskonzeption ist zum einen eine gewichtige Ursache für die Attraktivität von Fondsinvestments, zum andern entstehen daraus auch Anlagerisiken. Das attraktive Element bilden die geringen Wertschwankungen, die deutlich seltenere und geringere negative Wertanpassungen in der Rechnungslegung erforderlich machen. Sie resultieren zum einen aus der nur jährlichen Bewertung der Immobilien. Im Gegensatz zu börsennotierten Anlagen mit täglichen Preisänderungen bleibt bei den Immobilienfonds hiermit die wesentliche Basis der täglichen Berechnung der Anteilswerte über das Jahr (fast) stabil, suggeriert also Wertstabilität und Sicherheit. Zum andern kann der Verkehrswertansatz aus dem bzw. den Vorjahr(en) zu dem weltweit bekannten Phänomen des „Smoothing“ der Verkehrswertentwicklung führen. Im Ergebnis sind in Phasen ansteigender Immobilienpreise die Verkehrswerte im Vergleich zu den Marktpreisen zu niedrig und in Phasen sinkender Immobilienpreise zu hoch. Dass auch die Bewertungen den tatsächlichen Marktpreis nur bedingt treffen, wird durch eine Studie von IPD im Rahmen des Vergleichs von Bewertungen und Verkäufen im Jahr 2004 bestätigt. Nur rund 60 % sämtlicher Bewertungen von Immobilien in Deutschland lagen innerhalb eines Korridors von +/- 10 % des Verkaufspreises8, obwohl viele Immobilien − insbesondere bei Offenen Immobilienfonds − kurz vor dem Verkauf noch einmal bewertet werden.9 Die geringen Kursschwankungen der Anteilspreise von Immobilien-Spezialfonds sind daher gleichzeitig mit folgenden Problemen bei der Anlage behaftet: • Intertemporale Vermögensverschiebungen In besonderen Marktphasen kann es daher zu intertemporalen Vermögensverschiebungen zwischen den Anteilinhabern kommen, wenn Anteilinhaber die Fondsanteile veräußern. Der neue Anteilinhaber muss ggf. durch eine eigene Portfoliobewertung sicherstellen, dass der Kaufpreis gerechtfertigt ist. • Nivellierung der Managementleistung
7
§ 11 Abs. 1 WertV
8
Vgl. DID Deutsche Immobilien Datenbank GmbH, Wiesbaden 2004
9
Gesetzliche Verpflichtungen für offene Immobilienfonds im Rahmen des InvG, Immobilien vor Veräußerung spätestens 6 Monate vorher bewertet zu haben
202
3.5.4 Bewertung, Performance und Risiko
Das gesetzliche Objektivierungsgebot nivelliert die Erwartung über die zukünftigen Erfolge der Managementleistung. Im Extremfall wird eine Immobilie mit unterdurchschnittlichen Mieteinnahmen ähnlich wie eine Immobilie mit überdurchschnittlichen Mieteinnahmen bewertet. Die Folge ist, dass wiederum Fonds mit überdurchschnittlichem Management zu niedrig und Fonds mit unterdurchschnittlichem Management zu hoch bewertet werden können. • Einschränkung des Investment-Timings Die Preisschwankungen werden durch die jährlich einmalige Bewertung nur zeitverzögert reflektiert. Anleger, die aufgrund ihrer Erwartungen am Immobilienmarkt in ein bestimmtes Segment investieren, erzielen im kurzfristigen Zeitraum auf Basis der Anteilscheinbewertung, selbst wenn sich die Erwartungen realisieren lassen, voraussichtlich eine deutlich geringere Rendite. Eine Lösung zur Realisierung der Marktpreise wäre höchstens der zeit- und kostenintensive Verkauf des Liegenschaftsportfolios bzw. von Einzelimmobilien, der die Flexibilität im Rahmen der Asset Allocation deutlich einschränkt. Darüber hinaus ist durch die großen Losgrößen und aufgrund des Fehlens eines Sekundärmarktes die Liquidität von Anteilscheinen von Immobilien-Spezialfonds sehr gering. Der geringe Anteil von Sekundärmarkttransaktionen von Anteilscheinen im Vergleich zu Umplatzierungen von Immobilienaktien ist nicht zuletzt ein Ergebnis, welches auf die Bewertungsunsicherheiten bei Immobilien-Spezialfonds zurückzuführen ist. Falls eine Verkaufsabsicht von Spezialfonds-Anlegern vorliegt, wäre alternativ zu den o.g. Verkaufsmöglichkeiten in Sondersituationen die kreditfinanzierte Anteilscheinrücknahme der Kapitalanlagegesellschaft sowie der Erwerb von Anteilscheinen von bestehenden Investoren des Spezialfonds möglich. Die Risikosituation von Immobilienfonds ist darüber hinaus durch folgende Aspekte geprägt. Das novellierte Investmentgesetz verpflichtet die Fonds in § 80 b InvG explizit zur Einrichtung und Anwendung eines geeigneten Risikomanagementsystems. Diese Systeme unterscheiden typischerweise zwischen nicht operationellen und operationellen Risiken. Ferner gibt es Risiken, die sich nicht genau einer der beiden Klassen zuordnen lassen. Nicht operationelle Risiken sind u.a. Marktrisiken, wie sie sich z.B. aus der allgemeinen Konjunktur ergeben. Konkretisiert werden können diese Marktrisiken durch Research, beispielsweise zur Flächennachfrage und Mietpreisentwicklung in den jeweiligen Märkten. Die Unterhaltung eines entsprechenden Research ist heute bei vielen Kapitalanlagegesellschaften bereits ein Standard, der zugleich ein gutes Vertriebsargument bei der Gewinnung neuer Investoren darstellt. Im Rahmen der Berichterstattung von Immobilien-Spezialfonds gegenüber den Investoren wird in der Regel auf die Entwicklung der Märkte zu o.g. Fragen intensiv eingegangen. Die operationellen Risiken ergeben sich aus dem Betrieb des Unternehmens. Die Berichterstattung hierüber erfolgt aus nahe liegenden Gründen in der Regel nicht durch die Kapitalanlagegesellschaft. Vielmehr versuchen die Investoren (teilweise auch über Consultants) die Risiken der Kapitalanlagegesellschaft zu beurteilen. Operationelle Risiken gibt es in großer Zahl. Beispielhaft seien nur die folgenden Punkte genannt:
3.5.4 Bewertung, Performance und Risiko • • • •
203
Verlust wertvoller Mitarbeiter Demotivation der Mitarbeiter durch schlechte Führung Mangelnde Sicherheit der IT Einbruchs- und Vandalismusrisiken
Auch die Einhaltung der o.g. Diversifikationskriterien aus dem Investmentgesetz ist eine Managementaufgabe, deren mangelnde Erfüllung zu Risiken für die Investoren führen kann. Darüber hinaus ist eine Reihe von Risiken den Kategorien operationell und nicht operationell nicht eindeutig zurechenbar: So können z.B. Vermietungsrisiken aus dem Markt oder auch aus dem Management resultieren. Gleiches gilt für die Risiken aus der Immobilienbewertung, die unmittelbar bilanzwirksam für die Investoren sind, weil die gutachterlich festgestellten Verkehrswerte bei Immobilien-Spezialfonds unmittelbar in die Anteilswertermittlung einfließen. Die Diskussion über die Richtigkeit von Sachverständigen-Gutachten ist seit der Krise der Offenen ImmobilienFonds sehr populär. Der Branche der Sachverständigen ist zu Gute zu halten, dass sie aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. So gibt es z.B. heute einen Bundesverband der Immobilieninvestment Sachverständigen (BIIS), der eine Datenbank unterhält, in der alle Wertgutachten von Offenen Immobilienfonds und der jeweiligen Sachverständigen erfasst werden. Hierdurch entsteht erhöhte Transparenz der Wertansätze, die wiederum zu mehr Objektivität bei der Bewertung zwingt. Ein weiteres Risiko besteht in der für die Kapitalanlagegesellschaft überraschenden Rückgabe von Anteilscheinen. Freilich ist das Risiko bei Spezialfonds bei Weitem nicht so ausgeprägt wie bei Publikumsfonds. Die Kapitalanlagegesellschaften kennen ihre Investoren persönlich und können sich langfristig auf Strategieänderungen bei den Investoren einstellen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Struktur der Investoren in einem ImmobilienSpezialfonds. Bei Gemeinschaftsfonds steht in vielen Fällen die Möglichkeit, Anteile aussteigewilliger Investoren bei anderen Investoren zu platzieren. Diese Möglichkeit besteht bei Individualfonds nicht. Insgesamt sind Panikreaktionen wie bei der Krise der Offenen Immobilien-Publikumsfonds bei Immobilien-Spezialfonds allerdings noch nicht vorgekommen. Risiken können sich auch aus der Struktur des Immobilienportfolios ergeben. Auch hier ergibt sich ein differenziertes Bild: Es gibt Individualfonds, bei denen einzelne Investoren ihr bestehendes Portfolio in einen Fonds eingebracht haben. Bei diesen Fonds sind die Handlungsmöglichkeiten des Managements zunächst einmal stärker eingeschränkt als bei solchen Fonds, bei denen die Kapitalanlagegesellschaft mit neu zugesagten Mitteln ein Portfolio entlang einer definierten Strategie objektweise aufbaut. Die Immobilien-Kapitalanlagegesellschaften setzen verschiedene Systeme zur Risikoerfassung ein. Dazu gehört in jedem Falle eine leistungsfähige Software für das ImmobilienManagement. Sie gibt Aufschluss über Flächenbelegungen, Leerstände (Mietlaufzeiten) und offene Posten.
204
3.5.5 Weitere Entwicklung im Vergleich zum G-REIT
In der Regel bestehen Meldesysteme zu definierten Risiken. Insbesondere sind die Berichtsverantwortung sowie der Turnus zu klären, in dem berichtet wird. Die Risiken können abgestuft sein nach Gefährlichkeitsklassen und Eintrittswahrscheinlichkeit. Bei einer Reihe von Kapitalanlagegesellschaften müssen so genannte Schadensdatenbanken eingerichtet werden, in denen eine institutionelle Erfassung von Risiken erfolgt. Beim BVI gibt es für die gesamte Branche eine Schadensdatenbank, in der die teilnehmenden Kapitalanlagegesellschaften entsprechende Schadensfälle in kategorisierter Form eintragen. Die Auswertungen sind den teilnehmenden Mitgliedern zugänglich. Allen Systemen zur Risikoerfassung ist gemein, dass sie nur effizient sein können, wenn sie von den Mitarbeitern sachgerecht angewendet werden. Insofern ist die Qualität der Dateneingabe von herausragender Bedeutung. Ferner ist es eine Frage der Unternehmenskultur, wie konstruktiv mit Problemen umgegangen wird. Ein Instrument der Risikoerfassung ist von daher auch die in verschiedenen Kapitalanlagegesellschaften praktizierte anonyme Mitarbeiterbefragung von unabhängiger Stelle. Ergebnis solcher Befragung ist ein „gefühltes Unternehmensrisiko“, das durch Scoring-Modelle ausgedrückt wird.
3.5.5 Weitere Entwicklung im Vergleich zum G-REIT Immobilien-Spezialfonds werden auch in den Folgejahren ihre Marktanteile im Vergleich zur Immobilien-Direktanlage deutlich ausweiten. Insbesondere für die langfristig orientierte Immobilienanlage von institutionellen Investoren im „Core“- bis „Core plus“-Bereich ist der Immobilien-Spezialfonds ein sehr geeignetes Instrument zur Diversifizierung der Immobilienanlage ohne größere Schwankungen der Anteilscheinpreise. Auch begünstigt die Zuordnung von Immobilien-Spezialfonds zur sog. „Immobilienquote“ im Rahmen der Anlageverordnung das weitere Wachstum der Mittelzuflüsse in Immobilien-Spezialfonds. Zukünftig ist mit einer Ausweitung der regionalen Investitionsschwerpunkte, z.B. Immobilienfonds mit asiatischen und amerikanischen Investitionsschwerpunkten sowie mit einer Ausweitung von Themenfonds, die sich ausschließlich auf eine Nutzungsart beziehen, zu rechnen. Immobilien-Spezialfonds werden allerdings hierbei zunehmende Konkurrenz durch Immobilien-Aktiengesellschaften bzw. REITs erhalten, die eine größere Flexibilität im Rahmen der taktischen Asset Allocation von institutionellen Investoren bei allerdings deutlich größeren Kursschwankungen ermöglichen.
3.6
Diversifikationseffekte verbriefter Immobilienprodukte
Pascal Schnelle / Heinz Rehkugler 3.6.1
Einleitung
207
3.6.2
Moderne Portfoliotheorie und Diversifikationseffekt
208
3.6.2.1
Anwendbarkeit der Modernen Portfoliotheorie auf Immobilien...........................208
3.6.2.2
Rendite und Risiko von Portfolios.........................................................................211
3.6.2.3
Der Diversifikationseffekt .....................................................................................212
3.6.2.4
Effiziente und optimale Portfolios.........................................................................214
3.6.2.5
Asset Allocation.....................................................................................................216
3.6.3
Diversifikation innerhalb der Assetklasse Immobilien
3.6.3.1 3.6.3.1.1 3.6.3.1.2 3.6.3.1.3 3.6.3.1.4 3.6.3.1.5
Diversifikation innerhalb von Teilassetklassen von Immobilien ..........................218 Diversifikation nach Immobilientypen ..................................................................218 Diversifikation nach Regionen ..............................................................................221 Beispiel der Risikodiversifikation nach geographischen Regionen ......................222 Regionale Diversifikation vs. Diversifikation nach Immobilientypen..................224 Diversifikation nach wirtschaftlichen Regionen ...................................................224
3.6.3.2
Die Mischung von verbrieften Immobilienprodukten ...........................................225
3.6.4
Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen in Mixed-Asset-Portfolios
3.6.4.1 3.6.4.1.1 3.6.4.1.2 3.6.4.1.3 3.6.4.1.4 3.6.4.1.5
Diversifikationspotential von US-REITs...............................................................227 Die Mischung von REITs und Aktien ...................................................................228 REITs im US-amerikanischen Mixed-Asset Portfolio ..........................................231 US-REITs im internationalen Mixed-Asset-Portfolio...........................................233 US-REITs und direkte Immobilienanlagen im Mixed-Asset-Portfolio.................235 Zentrale Erkenntnisse zum Diversifikationspotential von US-REITs...................236
3.6.4.2
Europäische Immobilienaktien im Mixed-Asset- Portfolio...................................237
3.6.4.3
Deutsche Immobilien-AGs im Mixed-Asset- Portfolio.........................................239
218
226
206
3.6.1 Einleitung
3.6.4.4
Offene Immobilienfonds im Mixed-Asset-Portfolio............................................. 241
3.6.4.5
Direkte und indirekte Immobilienanlagen in internationalen Mixed-Asset-Portfolios ......................................................................................... 243
3.6.5
Eigene empirische Berechnung zum Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen 244
3.6.5.1
REITs im Mixed-Asset Portfolio in den USA....................................................... 245
3.6.5.2
Immobilien AGs im Mixed-Asset Portfolio in der BRD ...................................... 246
3.6.6
Probleme bei der Konstruktion von Portfolios
248
3.6.1 Einleitung Für die Bildung von Vermögensportfolios sind nicht nur die Rendite und das Risiko des einzelnen Anlageobjektes entscheidend, sondern auch ihr Zusammenwirken. Denn durch das Mischen von Anlagen lassen sich unsystematische Risiken, d.h. Risiken, die nur das einzelne Objekt betreffen, vernichten. Finanzanlagen sollten demnach nicht isoliert, sondern im Kontext mit anderen Anlagemöglichkeiten betrachtet werden. Die Risikovernichtung (Diversifikation) resultiert aus der unterschiedlichen Renditeentwicklung der einzelnen Finanzanlagen. Vor diesem Hintergrund bieten indirekte Immobilienanlagen dann ein Diversifikationspotential, wenn ihre Renditen − wie zu zeigen sein wird − sich nicht im perfekten Gleichlauf mit anderen Anlageklassen wie Aktien und Renten entwickeln. Eben darin wird häufig die besondere Attraktivität der Zumischung von Immobilienanlagen zu anderen Assetklassen gesehen. Wir betrachten im Weiteren indirekte Immobilienanlagen in der Form der Offenen Immobilienfonds, der Immobilien-AGs und REITs. Ihr Diversifikationspotential lässt sich zum einen auf der Ebene reiner Immobilienportfolios untersuchen, also auf die Frage konzentrieren, ob die Mischung von Typen indirekter Immobilienprodukte bzw. von direkten und indirekten Anlageformen zur Steigerung der Effizienz des Vermögensportfolios beiträgt. Zum andern – und dies wird für die meisten privaten und institutionellen Investoren die relevante Fragestellung sein – interessiert, welche Verbesserung hinsichtlich des Rendite-Risiko-Verhältnisses die Beimischung indirekter Immobilienanlagen zu einem Mixed-Asset-Portfolio zu bieten vermag. Hierzu stellen wir zunächst den theoretischen Rahmen der Risikovernichtung durch Diversifikation vor und überprüfen, ob indirekte Immobilienanlagen die dort geforderten Annahmen erfüllen.
208
3.6.2 Moderne Portfoliotheorie und Diversifikationseffekt
3.6.2 Moderne Portfoliotheorie und Diversifikationseffekt 3.6.2.1 Anwendbarkeit der Modernen Portfoliotheorie auf Immobilien Das theoretische Fundament zur Herleitung eines Diversifikationseffektes bildet die Moderne Portfoliotheorie (MPT, Portfolio Selection) nach Markowitz (1952, 1959) und Tobin (1958).1 In ihrer ursprünglichen Form wurde die MPT für alle Formen von Vermögensgegenständen (Wertpapiere wie Aktien und Renten, Rohstoffe, Immobilien etc.) konzipiert.2 Das Hauptanwendungsgebiet der Portfolio Selection ist jedoch das Management von Wertpapieren, da diese die sehr restriktiven Annahmen des Modells am ehesten erfüllen. Seit den 80er Jahren wenden amerikanische institutionelle Investoren die Portfolio Selection auch auf Immobilienportfolios an. Sie betrachten dabei Immobilien als eigenständige Assetklasse3 und berücksichtigen diese bei der Zusammenstellung der verschiedenen Assetklassen im Portfolio (sog. Mixed-Asset-Portfolio) in der Erwartung, dass sie zu einer Verringerung des gesamten Portfoliorisikos beitragen können.4 Die Modellannahmen der Portfoliotheorie können unterschieden werden in Annahmen, die den betrachteten Kapitalmarkt betreffen, und in Annahmen bezüglich der Anleger, die auf diesem Kapitalmarkt agieren. Während die anlegerbezogenen Prämissen aufgrund der allgemeinen Formulierung der MPT auch für indirekte Immobilienanlagen als erfüllt gelten,5 muss die Erfüllung der kapitalmarktbezogenen Annahmen, die einen vollkommenen Markt
1
Ausführlichere Lehrbuchdarstellungen finden sich z.B. in Bodie/Kane/Marcus (2005), S. 135 ff. sowie Steiner/Bruns (2007), S. 7 ff.
2
Vgl. Markowitz (1952) S. 91
3
Assetklassen werden dabei als in sich homogene Gruppen von Anlageobjekten mit gemeinsamen Merkmalen gesehen. Vgl. Sharpe (1992), S. 8
4
Vgl. hier und im Folgenden Jandura (2003), S. 73 ff.
5
Den Investoren wird ein Anlagehorizont von einer Periode und risikoaverses Verhalten unterstellt. Außerdem wird angenommen, dass die Investoren nach dem Erwartungswert-Risiko-Prinzip rational entscheiden. Die Präferenz der Investoren wird dabei durch eine Bernoulli-Nutzenfunktion (nach Neumann/Morgenstern (1944)) ausgedrückt, deren Erwartungswert die Investoren maximieren. Siehe hierzu Eisenführ/Weber (2003), S. 211 sowie Schneeweiß (1967), S. 77 ff.
3.6.2.1 Anwendbarkeit der Modernen Portfoliotheorie auf Immobilien
209
voraussetzen,6 für die Märkte von verbrieften Immobilienprodukten Schritt für Schritt überprüft werden. • Unbegrenzte Teilbarkeit aller am Kapitalmarkt gehandelten Wertpapiere Die MPT setzt idealtypisch eine unendliche Teilbarkeit des Anlageobjektes voraus. Dadurch sollen die Anleger in die Lage versetzt werden, in ihren Portfolios nach Belieben Finanzanlagen (-titel) jeder Art und jeden Umfangs zu mischen. Eine Einschränkung der Teilbarkeit behindert eine effiziente Diversifikation. Unbegrenzte Teilbarkeit ist dann gegeben, wenn die Anlage keiner bestimmten Stückelung unterliegt, kein Mindestanlagevolumen erfordert oder nicht nur „ganz oder gar nicht“ erworben werden kann. Direkte Immobilienanlagen genügen dieser Annahme nicht. Eine Immobilie kann nur als Ganzes erworben werden.7 Für indirekte Immobilienanlagen hingegen kann die Bedingung als erfüllt angesehen werden. Die üblichen Stückelungseinheiten von börsengehandelten REITs und Immobilien-AGs sowie Offenen Immobilien-Publikumsfonds sind im Verhältnis zum Anlagevolumen gering und können als vernachlässigbar eingestuft werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Spezialfonds. Sie setzen zwar meist mehr oder weniger hohe Mindestanlagevolumina. Im Verhältnis zu den gesamten Vermögensvolumina institutioneller Investoren sind diese aber relativ klein. Damit ist faktisch eine genügende Teilbarkeit der Anlage gegeben. • Keine diskriminierenden Transaktionskosten und Steuern für die Investoren Oft wird auch gefordert, dass es keine diskriminierenden, d.h. einzelne Anlagevarianten unterschiedlich belastenden Transaktionskosten oder Steuern geben dürfe, da diese in der Tat den Aufbau optimaler Portfolios behindern und die Vorteilhaftigkeiten verzerren. Der Erwerb direkter Immobilien ist in den meisten Ländern, so auch in Deutschland, mit hohen Transaktionskosten verbunden (Grunderwerbsteuer, Notarkosten etc.). Auch Offene Immobilien-Publikumsfonds weisen oft hohe Transaktionskosten auf, die allerdings je nach Anlagevolumen und Investorentyp stark variieren.8 Für Anlagen in Spezialfonds liegen sie jedoch eher niedrig. Die Transaktionskosten für Immobilienaktien beschränken sich auf die üblichen Makler- und Börsengebühren und sind damit wesentlich geringer als bei anderen Immobilienanlagen. Während hohe Transaktionskosten tatsächlich die laufende Anpassung von Portfolios hemmen, lässt sich eine unterschiedliche steuerliche Behandlung einzelner Immobilienanlagen, die ohne Zweifel gegeben ist (darauf beruht ja z.B. gerade die Argumentation für die Einführung von REITs), formal einfach dadurch berücksichtigen, dass mit Nachsteuerrenditen gearbeitet wird. Die üblichen Renditevergleiche auf der Basis von Indizes vernachlässigen
6
Eine Diskussion zu vollkommenen Märkten findet sich in Fama/Miller (1972), S. 21 ff. Von Leerverkäufen (negative Aktienbestände) wird abgesehen
7
Allerdings kann dies auch in Teil- oder Gesamthandseigentum mit mehreren anderen Investoren zusammen geschehen. Ein Mehrfacherwerb von direkten Immobilien ist hingegen nicht möglich, da eine Immobilien ein heterogenes Anlagegut darstellt. Eine Immobilie ist bspw. einzigartig hinsichtlich ihrer Lage, Nutzungsmöglichkeiten, Mieterstruktur etc.
8
Die Transaktionskosten in Form eines Ausgabeaufschlages liegen zwischen 1 % und 5,5 %
210
3.6.2 Moderne Portfoliotheorie und Diversifikationseffekt
jedoch eben diesen Einfluss, weil sie in aller Regel Renditen vor persönlichen Steuern ausweisen. Eine Optimierung auf dieser Grundlage führt dann zu suboptimalen Portfolios. • Freiheit von Marktzutritts- und Marktaustrittsbarrieren Die Freiheit von Marktzutrittsschranken und Marktaustrittsbarrieren sichert den Anlegern eine jederzeitige Erwerbbarkeit und Liquidierbarkeit aller Anlageobjekte in beliebiger Menge. Die Erfüllung dieser Annahme hängt also von der Verfügbarkeit beliebiger Transaktionsgrößen und der Marktliquidität ab. Durch die Komplexität von Immobilientransaktionen nimmt ein Kauf oder Verkauf von direkten Immobilien einen größeren Zeitraum in Anspruch. Ein Verkauf unter Zeitdruck ist häufig mit zum Teil erheblichen Preisabschlägen verbunden. Ein Grundelement des Offenen Immobilien-Publikumsfonds ist − unter Beachtung gesetzlicher und zunehmend auch vertraglicher Einschränkungen − die jederzeitige Möglichkeit des Erwerbs und der Rückgabe von Anteilen. Für Spezialfonds dagegen ist bei Gemeinschaftsfonds die Fungibilität meist vertraglich deutlich eingeschränkt und im Fall des Individualfonds letztlich mit einer Direktanlage in Immobilien vergleichbar. Eine Anlage in börsennotierte Immobilien-AGs und REITs genügt der Annahme der vollen Fungibilität insofern, als der Markt für alle Anleger offen ist. Ein sofortiger Erwerb und eine jederzeitige Liquidierung setzen aber zumindest bei größeren Anlagebeträgen ein ausreichendes Handelsvolumen und einen ausreichenden Free Float (Streubesitz) voraus. Dies ist bei kleinen Gesellschaften häufig nicht gegeben. • Informationszugang der Marktteilnehmer In der Modellwelt der MPT sollte jeder Marktteilnehmer einen kostenlosen Zugang zu den relevanten Informationen haben. Informationen über direkte Immobilienanlagen sind − wenn überhaupt vorhanden − nicht für jeden Investor frei zugänglich. Die Beschaffung von Informationen ist meist mit hohen Kosten und erheblichem Zeitaufwand verbunden. Anleger von Offenen Immobilienfonds erhalten bei Erwerb der Anteile ein Verkaufsprospekt und geschäftsjährlich einen Rechenschaftsbericht, der die Anleger über die Vermögenspositionen des Fonds und deren Veränderungen informieren soll. Die börsentägliche Preisermittlung für Fondsanteile zeigt zwar die geltenden An- und Verkaufskurse. Sie ist aber – wie an anderer Stelle schon thematisiert − bewertungs-, nicht transaktionsbasiert und liefert aufgrund der nur in Jahresabständen erfolgenden Bewertung der Immobilienobjekte nur bedingt „wahre“ Werte. REITs und Immobilien-AGs liefern börsentäglich Marktpreise der Anteilswerte. Zusätzlich sichern wie bei anderen börsennotierten Aktiengesellschaften die gesetzlich vorgeschriebenen Publizitätsbestimmungen einen bestimmten Informationsstandard für die Investoren. • Atomistische Marktstruktur Laut dieser Annahme dürfen Käufer und Verkäufer auf dem Markt lediglich als Preisnehmer auftreten. Ihre Transaktionen dürfen demnach keine Auswirkungen auf die Preise haben. Wie die Forderung nach der Freiheit von Marktzutritts- und Marktaustrittsbarrieren hängt auch diese Annahme stark vom Verhältnis zwischen den Transaktionsvolumina und der Marktliquidität des Anlageobjektes ab. Bei hohen Transaktionsvolumina und/oder geringer Marktliquidität kann es sowohl bei direkten Immobilieninvestitionen als auch bei börsennotierten Anlagen zu Preisbeeinflussungen durch Käufer oder Verkäufer kommen. Der Anteilspreis eines Offenen Immobilienfonds bestimmt sich hingegen nach gesetzlichen Vorgaben aus der
3.6.2.2 Rendite und Risiko von Portfolios
211
Teilung des Fondsvermögens durch die Anzahl der ausgegebenen Anteile. Käufe und Rückgaben von Anteilen haben demnach keinen bzw. einen nur sehr indirekten Einfluss auf den Preis. Die Analyse macht insgesamt deutlich, dass eine Anwendung der MPT auf direkte Immobilienanlagen nur unter teilweise erheblicher Verletzung einiger Annahmen möglich ist. Im Vergleich dazu erfüllen die Märkte für indirekte Immobilienanlagen, insbesondere die für REITs und Immobilienaktiengesellschaften, die Prämissen der MPT in ähnlicher Weise wie klassische Wertpapiermärkte. Bei Offenen Immobilienfonds sind dagegen einige Einschränkungen − vor allem bei den Annahmen hinsichtlich der Transaktionskosten und der Information − zu konstatieren. Diese Einschränkungen gehen bei Spezialfonds noch deutlich weiter, insbesondere wenn es sich um Individualfonds handelt.
3.6.2.2 Rendite und Risiko von Portfolios Die Portfolio Selection fußt auf dem Gedanken, dass ein Anleger bei der Beurteilung von Vermögensportfolios sich nicht allein an dem Erwartungswert der Rendite orientiert, sondern auch an dem damit verbundenem Risiko. Der Anleger steht demnach zwei konkurrierenden Zielen gegenüber, dem Rentabilitätsziel und dem Sicherheitsziel.9 Hierbei stellt der Erwartungswert den nutzenstiftenden Renditeparameter und – wegen der Annahme der Risikoaversion − die Varianz der Renditen den nutzenmindernden Risikoparameter dar. Die erwartete Rendite eines Portfolios µPF ist die Summe der mit den Anteilen wi am Portfoliovermögen gewichteten erwarteten Renditen µi der verschiedenen Wertpapiere i : n
µ PF = ∑ wi µi mit: i =1
n
∑w
i
i =1
=1
Das Risiko eines Portfolios wird durch die Varianz der erwarteten Portfoliorendite σ2PF ausgedrückt. Diese ergibt sich jedoch nicht einfach aus der Summe der mit dem Quadrat ihres jeweiligen Anteils gewichteten Einzelvarianzen der im Portfolio enthaltenen Wertpapiere. Vielmehr spielt für das Portfoliorisiko eine Rolle, wie sich die Renditen der einzelnen Anlagen zueinander verhalten. Dies misst der Kovarianzterm, der die Abhängigkeiten der Wertpapierrenditen untereinander beschreibt: n
n
2 = ∑ wi2σ i2 + ∑ σ PF i =1
n
∑w w σ
i =1 j =1, i ≠ j
i
j
ij
2
mit: cov[µ i , µ j ] = σ ij und cov[µi , µi ] = σ i 9
Zu Anlegerzielen generell siehe Schmidt-von Rhein (1996), S. 97 ff. sowie Rehkugler (1998), S. 7 ff. Eine Analyse der Ziele von privaten Anlegern bietet Schmidt-von Rhein (1998), S. 35 ff.
212
3.6.2 Moderne Portfoliotheorie und Diversifikationseffekt
Die Kovarianz σ ij kann standardisiert werden durch den Korrelationskoeffizienten ρ ij . Dieser misst die linearen Abhängigkeiten von zwei Wertpapieren im Intervall [-1, 1] und wird definiert als:
ρij =
σ ij σ iσ j
Der Korrelationskoeffizient ermöglicht somit die Vergleichbarkeit beliebiger Kovarianzen.
3.6.2.3 Der Diversifikationseffekt Der Diversifikationseffekt besagt, dass durch Mischung von Vermögensgegenständen das Gesamtrisiko eines Portfolios im Vergleich zu der gewichteten Summe der Einzelrisiken geringer ausfällt.10 Somit kann bei gleicher erwarteter Rendite ein günstigeres Risikoniveau oder bei gleichem Risiko eine höhere erwartete Rendite erreicht werden. Verantwortlich für den Diversifikationseffekt ist der Kovarianzterm der Varianzgleichung des Vermögensportfolios. Der Grad der erreichten Risikodiversifikation hängt von dem Gleichlauf der erwarteten Renditen der Portfoliobestandteile untereinander ab, der durch den Korrelationskoeffizienten gemessen werden kann. Die Abhängigkeit der Wertpapierrenditen voneinander kann grundsätzlich drei Ausprägungen annehmen. Die Wertpapierrenditen können unkorreliert voneinander sein ( ρ ij = 0 ), sie können sich gleichgerichtet ( ρ ij > 0 ) oder entgegengesetzt voneinander entwickeln ( ρ ij < 0 ). Abbildung 3.6-1 verdeutlicht den Effekt der Risikodiversifikation durch Mischung zweier Wertpapiere WPi und WPj. Sie zeigt Funktionen der erwarteten Portfoliorendite in Abhängigkeit von der Portfoliostandardabweichung für verschiedene Korrelationskoeffizienten. Diese Funktionen sind der geometrische Ort aller Portefeuilles, die durch Mischung von WPi und WPj für einen Investor realisierbar sind. Ersichtlich ist hierbei, dass durch eine Mischung der Wertpapiere eine Risikoreduktion erreicht werden kann, sobald der Korrelationskoeffizient kleiner als Eins ist, also kein völliger Gleichlauf der Renditen zu erwarten ist. Im Fall vollständig negativ korrelierter Wertpapierrenditen gleichen sich die gegenläufigen Renditen bei einem bestimmten Mischungsverhältnis sogar exakt aus, so dass eine Portfoliovarianz von Null realisiert werden kann. Die Extremfälle eines Korrelationskoeffizienten von ρ ij = −1 oder ρ ij = +1 sind in der Realität wahrscheinlich nicht vorzufinden, so dass sie
10
Vgl. Grubel (1968), S. 1300 f.
3.6.2.3 Der Diversifikationseffekt
213
eher als theoretisches Konstrukt interpretiert werden können, um den Diversifikationseffekt zu demonstrieren.11
µ WPi
µi ρij = −1 ρ ij = 0
ρ ij = +1
ρij = 0,3
µj
WPj
σj
σi
σ
Abb. 3.6- 1 Risikodiversifikationseffekt im Zwei-Wertpapier-Portfeuille; Quelle: Bodie/Kane/Marcus (2005), S. 233
Analytisch kann für die gezeigten Kurven möglicher Portfolios ein Minimum-VarianzPortfolio (MVP oder varianzminimales Portfolio) ermittelt werden.12 Das MVP ist das Portfolio aus der Menge der erreichbaren Portfolios, welches das geringste Risiko aufweist. Stehen den Investoren beliebig viele Wertpapiere zur Verfügung, bilden die erreichbaren Portfolios eine Fläche und nicht mehr eine Hyperbel. Durch den oben beschriebenen Effekt lassen sich allein durch Erhöhung der Anzahl der Wertpapiere im Portfolio günstigere µ-σKombinationen realisieren, soweit sie nicht perfekt positiv korreliert sind. Die Diversifikationsmöglichkeiten erhöhen sich also durch die Einbeziehung weiterer Wertpapiere in das Portfolio. Da das spezifische Anlagerisiko des einzelnen Objektes durch Diversifikation vermieden werden kann, wird es als unsystematisches Risiko bezeichnet. Hingegen lässt sich das Risiko, dass sich die Anlagerenditen, z.B. durch die allgemeine Wirtschaftsentwicklung, gemeinsam in die gleiche Richtung bewegen, auch durch gute Mischung nicht beseitigen. Es verbleibt also das systematische Risiko, das auch als Marktrisiko bezeichnet wird. Aus Ab-
11
Der Diversifikationseffekt kann anhand eines einfachen Beispiels illustriert werden. Die Annahmen der MPT gelten als erfüllt und auf dem Markt werden zwei Wertpapiere A und B gehandelt. Beide Wertpapiere weisen eine erwartete Rendite von 5 % und eine Standardabweichung von 10 % auf. Bei naiver Diversifikation ist die Rendite des Portfolios 0,5*5 %+0,5*5 %=5 %. Ein undiversifiziertes Portfolio hätte somit eine Standardabweichung von 10 %. Weisen die Renditen einen Gleichlauf auf, der mit dem Korrelationskoeffizient 0,3 beschrieben werden kann, beträgt bei einer gleich bleibenden Rendite von 5 % das Gesamtrisiko des Portfolios nach obiger Formel lediglich 8 %
12
Zum Vorgehen siehe Fischer (2002), S. 43
214
3.6.2 Moderne Portfoliotheorie und Diversifikationseffekt
bildung 3.6-2 wird deutlich, dass sich mit zunehmender Zahl der Immobilien im Portfolio das Portfoliorisiko dem systematischen Marktrisiko annähert.13
σ2
Diversifizierbares, unsystematische Risiko
Systematisches Risiko
n Abb. 3.6- 2 Risikoreduktion durch Diversifikation; Quelle: Ross/Westerfield/Jaffe (2005), S. 274
Im Falle der Gleichgewichtung der Wertpapiere im Portfolio (naive Diversifikation) entspricht der Varianzterm der rechten Seite der Portfoliorisikogleichung dem diversifizierbaren (unsystematischen) Risiko, der Kovarianzterm hingegen entspricht dem nicht-diversifizierbaren (systematischen) Risiko. Ein Grund, in ein zusätzliches Wertpapier zu investieren, besteht demnach darin, dass es durch eine niedrige Korrelation zu den übrigen Wertpapieren im Portfolio dazu beiträgt, eine vorteilhaftere Rendite-Risiko-Kombination zu erreichen. Ein weiterer Grund besteht in der Erwartung, dass es einen Beitrag zur Erhöhung der absoluten oder risikobereinigten Rendite des Portfolios leistet. Der gesamte Effekt, den eine Beimischung eines Wertpapiers zum Portfolio nach sich zieht, kann demnach in einen Diversifikationseffekt und einen Renditeeffekt unterschieden werden.14
3.6.2.4 Effiziente und optimale Portfolios Effiziente Portfolios sind solche, die hinsichtlich des Rendite-Risiko-Verhältnisses von keinem anderen Portfolio dominiert werden. Ein Portfolio dominiert ein anderes, wenn es bei gleicher erwarteter Rendite ein geringeres Risiko, bei gleichem Risiko eine höhere Rendite oder beide Bedingungen miteinander kombiniert erwarten lässt. Der geometrische Ort der 13
Dabei wird angenommen, dass die Wertpapiere untereinander eine Korrelation von kleiner eins aufweisen
14
Vgl. z.B. Hartzell et al. (1986), S. 230, Hudson-Wilson et al. (2005), S. 17, Liang/McIntosh (1999), S. 55
3.6.2.4 Effiziente und optimale Portfolios
215
effizienten Portfolios ist die Effizienzkurve. Sie ist ein Teil der Kurve, auf dem die möglichen Portfolios abgetragen sind, und verläuft zwischen dem MVP und dem Wertpapier mit der höchsten erwarteten Rendite. Die Investoren realisieren nun entsprechend ihrer individuellen Risikoeinstellung optimale Portfolios auf der Effizienzlinie, die sich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden.15 Besteht für die Investoren zusätzlich die Möglichkeit einer sicheren Mittelaufnahme bzw. Mittelanlage zu einem risikolosen Zinssatz, liegen die effizienten Portfolios nicht länger auf einer Effizienzkurve, sondern auf einer effizienten Geraden. Gilt vereinfachend die Annahme, dass der sichere Habenzinssatz dem sicheren Sollzinssatz entspricht, dann hat (s. Abbildung 3.6-3) die effiziente Gerade ihren Ursprung auf der Ordinate im sicheren Zins und tangiert die Effizienzkurve im sog. Tangentialportfolio. Alle effizienten Portfolios sind demnach Kombinationen aus dem Tangentialportfolio und dem risikolosen Instrument. Das für einen Investor optimale Portfolio ist jenes, das ihm das höchste Nutzenniveau bietet. Welches Portfolio der Investor tatsächlich realisiert, hängt somit von dem Grad seiner Risikoaversion ab. Graphisch können unterschiedliche Erwartungsnutzenniveaus eines spezifischen Investors mit Nutzenindifferenzkurven als Kombinationen gleicher Nutzenniveaus abgebildet werden. Abbildung 3.6-3 zeigt zwei spezifische Indifferenzkurven. Eine stellt die Indifferenzkurve für einen Investor mit relativ hoher Risikoaversion dar, die andere entspricht eher einem Investor mit relativ geringer Risikoaversion. Sämtliche Investoren wählen ein Portfolio auf der effizienten Geraden, welches sich aus dem risikolosen Instrument und dem Tangentialportfolio zusammensetzt. Der Investor mit verhältnismäßig hoher Risikoaversion wird ein optimales Portfolio wählen, das sich aus einem Anteil des Tangentialportfolios und einer Anlage zum risikolosen Zins ergibt. Der relativ gering risikoaverse Investor wird hingegen einen Kredit zum risikolosen Zins aufnehmen, um diesen zusätzlich in das Tangentialportfolio zu investieren. Der riskante Teil der optimalen Portfolios ist folglich in seiner anteiligen Zusammensetzung für alle Investoren identisch und unabhängig von der individuellen Risikoeinstellung der Investoren. Dieses Phänomen der Portfoliotheorie wird als Separationstheorem oder Tobin-Separation16 bezeichnet.
15
Die Risikoeinstellungen der Investoren werden mittels einer Bernoulli-Nutzenfunktion ausgedrückt. Diese Nutzenfunktion hat die Eigenschaft, dass verschiedene Zustände auf Grund des dazugehörigen Nutzenerwartungswertes beurteilt werden können. Dies ist dann der Fall, wenn die Neumann/Morgenstern- Axiome erfüllt sind. Siehe hierzu Neumann/Morgenstern (1944), S. 1 ff., sowie Eisenführ/Weber (2003), S. 211 ff.
16
Unter der Tobin-Separation versteht man die Trennbarkeit der Entscheidung über die Zusammensetzung eines Portefeuilles risikobehafteter Wertpapiere von der Risikoneigung des Investors
216
3.6.2 Moderne Portfoliotheorie und Diversifikationseffekt
Investor mit geringer Risikoaversion
µ
Effiziente Gerade
Investor mit hoher Risikoaversion
µTPF Tangentialportfolio
r
MVP
σ TPF Geldanlage zu r Kreditaufnahme zu r
σ
Abb. 3.6- 3 Tobin-Separation; Quelle: Bodie/Kane/Marcus (2005) S. 266
3.6.2.5 Asset Allocation Die Asset Allocation ist der Schritt im Rahmen des Portfoliomanagements, der die Aufteilung des Anlagevermögens auf verschiedene Assetklassen bzw. Einzelanlageobjekte festlegt. Wie in Abbildung 3.6-4 dargestellt, läuft diese Auswahl in mehreren Schritten bzw. Stufen ab.17 Bei einem abnehmenden Aggregationsniveau wird von einer Top Down-Strategie gesprochen, bei einem zunehmenden von einer Bottom Up-Strategie. Eine Top Down-Portfoliobildung sieht zunächst eine Aufteilung des Vermögens auf die zentralen Assetklassen vor. Innerhalb dieser Klassen teilt man dann die Vermögensanteile auf Länder, Branchen, Immobilientypen etc. auf. Diese ersten Aggregationsstufen der Portfoliobildung werden als strategische Asset Allocation bezeichnet. Nach Brinson/Hood/ Beebower (1986) bestimmt sie zu mehr als 90 % die Performance eines Portfolios und ist somit als der wichtigste Schritt der Portfoliobildung anzusehen.18 Danach erfolgt in der niedrigsten Aggregationsebene die gezielte Einzeltitel- und Objektauswahl (Security Selection).
17
Vgl. hier und im Folgenden Schmidt-von Rhein (1996), S. 55 ff.
18
Vgl. Brinson/Hood/Bebower (1986), S. 133 ff. Zur Diskussion der relativen Wichtigkeit von Asset Allocation und Portfolio Selection siehe Assoè./L’Her./Plante (2006), S. 46 ff., Hood (2006), S. 11 ff., Kritzman/Page (2003), S. 11 ff. sowie Brinson/Singer/Bebower (1991), S. 40 ff.
3.6.2.5 Asset Allocation
Top-Down
217
Mixed-Asset Portfolio
zentrale Assetklassen z.B. Aktien, Renten, Immobilien
Rangniedrigere Assetklassen z.B. Länder, Branchen, Regionen, Immobilientypen
Bottom-Up
Anlagetitel / Investitionsobjekte
strategische Asset Allocation
taktische Asset Allocation Security / Property Selection
Abb. 3.6- 4 Formen der Asset Allocation; Quelle: Jandura (2003) S. 50
Verfolgt ein Anleger dagegen eine Bottom Up-Strategie, dann beginnt die Portfoliokonstruktion in umgekehrter Reihenfolge. Der erste Schritt ist dann die Auswahl einzelner Anlageobjekte und Anlagetitel. Hier werden auf der Grundlage der Bewertung der einzelnen Anlagetitel und -objekte Anlageentscheidungen getroffen. Risikodiversifikationseffekte zwischen den einzelnen Anlagen werden dabei nicht explizit berücksichtigt. Das Gesamtrisiko eines Portfolios ergibt sich hierbei gleichsam „zufällig“ als Folge der Einzeltitelauswahl und kann daher nur über zusätzliche Korrekturschritte gesteuert werden. Je nach Annahmen und Anlegerpräferenzen folgt die Aufteilung des Vermögens einer passiven oder aktiven Strategie.19 Die Wahl der Strategie hängt von der Einschätzung der Informationseffizienz des Zielmarktes und von der Einschätzung der Fähigkeit des Investors ab, durch gezielte Auswahl „den Markt zu schlagen“.20 Wird ein effizienter Markt angenommen, verfolgen Investoren (vernünftigerweise) eine passive Strategie, weil Übergewinne durch gezielte Über- bzw. Untergewichtung von Assetklassen oder Einzeltiteln dann nicht möglich sind. Werden Elemente aktiver und passiver Strategien miteinander kombiniert, ist von einer semi-aktiven Strategie die Rede. Exemplarisch für eine solche Strategie wäre ein aktives Management der Rendite eines Portfolios, während das Risiko identisch zur Benchmark sein soll. 19
Die Einteilung geht auf eine Arbeit von Treynor/Black (1973) zurück
20
Zu informationseffizienten Märkten und zur Abstufung der Informationseffizienz siehe Fama (1970), S. 383 ff. und Fama (1991), S. 1575 ff. Zu empirischen Studien über die Informationseffizienz von Immobilienmärkten siehe Case/Shiller (1989), S. 125 ff. und Clayton (1998), S. 41 ff.
218
3.6.3 Diversifikation innerhalb der Assetklasse Immobilien
Die weiteren Analysen zeigen zuerst die Möglichkeiten und Performancewirkungen einer Diversifikation innerhalb der Assetklasse der Immobilien auf. Danach wird der Beitrag einer Zumischung von indirekten Immobilienanlagen zur Performance und Diversifikation in einem Mixed-Asset-Portfolio gezeigt, also unter Berücksichtigung von (allen) anderen verfügbaren Assetklassen. Wir bleiben damit auf der Ebene der strategischen Asset Allocation stehen und verzichten auf eine Analyse des Diversifikationsbeitrags einer gezielten Auswahl spezifischer Einzeltitel. Damit wird, realen Vermögensportfolios natürlich nicht gerecht werdend, implizit unterstellt, dass der Anleger jeweils in die gesamte untersuchte Asset(teil)klasse (z.B. alle Offenen Publikumsfonds, alle US-REITs etc.) investiert hätte.
3.6.3 Diversifikation innerhalb der Assetklasse Immobilien 3.6.3.1 Diversifikation innerhalb von Teilassetklassen von Immobilien In der englischsprachigen Literatur finden sich bereits in den 80er Jahren Arbeiten, die sich mit Portfoliokonstruktionen innerhalb der Assetklasse Immobilien auseinandersetzen. Dabei werden drei grundsätzliche Diversifikationsstrategien abgegrenzt. Demnach kann eine Diversifizierungsstrategie innerhalb eines Immobilienportfolios nach Immobilientypen, nach geographischen und wirtschaftlichen Regionen erfolgen. Investitionen in indirekte Immobilienanlagen können ihrer Form nach auch als mittelbare Beteiligungen an Portfolios aus direkten Immobilienanlagen betrachtet werden. Deswegen beziehen sich die folgenden Darstellungen hinsichtlich der Diversifikationseffekte durch Mischung verschiedener Immobilientypen und -regionen innerhalb der Assetklasse Immobilien zum Teil auch auf direkte Immobilienanlagen.
3.6.3.1.1 Diversifikation nach Immobilientypen Diversifikationseffekte innerhalb eines Immobilienportfolios können durch Mischung von verschiedenen Immobilientypen erzielt werden. Diese Immobilientypen können grob eingeteilt werden in Wohn-, Gewerbe- und Büroimmobilien. Richtet sich die Strukturierung eines Immobilienportfolios nach verschiedenen Immobilientypen, wird implizit unterstellt, dass
3.6.3.1 Diversifikation innerhalb von Teilassetklassen von Immobilien
219
sich die Immobilientypen hinsichtlich der Mietentwicklung und der Wertsteigerung unterschiedlich entwickeln, bzw. unterschiedlich auf Einflussfaktoren reagieren und sich somit Diversifikationspotentiale ergeben. Die geographische Lage der Immobilien spielt dabei keine Rolle. Eine erste empirische Analyse in Bezug auf das Immobilienvermögen US-amerikanischer REITs21 bieten Miles/McCue (1982). Sie verwendeten Daten über das Immobilienvermögen von US-amerikanischen REITs im Zeitraum 1972 bis 1978 und stellen zwischen den Immobilientypen Retail, Office und Residential äußerst geringe Korrelationen fest, was auf hohe Diversifikationseffekte hindeutet. Dabei fallen insbesondere die Korrelationen zwischen Residential und Office (-0,4916) und Residential und Retail (0,0806) sehr gering aus. Des Weiteren prüfen sie in einem Regressionsmodell, inwiefern die REIT-Renditen als abhängige Variable durch Renditen der einzelnen Immobilientypen erklärt werden können und erhalten eine Bestätigung dafür, dass eine Mischung von Immobilientypen mit einer höheren risikoadjustierten Rendite einhergeht. In einer späteren Studie bestätigen Miles/McCue (1984) nochmals für einen erweiterten Zeitraum von 1973 bis 1981 ein wesentliches Diversifikationspotential durch Mischung verschiedener Immobilientypen, indem sie niedrige Korrelationen der Renditen zwischen den Immobilientypen Industrial, Office, Retail, Residential und Motel ausweisen. Ihre verwendeten Daten basieren dabei auf dem Immobilienvermögen eines großen Immobilienfonds (Commingled Real Estate Fund (CREF)). Auch Hartzell/Hekman/Miles (1986) errechnen anhand der Daten eines großen Immobilienfonds zwischen den verschiedenen Immobilientypen geringe Korrelationen für einen Zeitraum von 1973-1983. Sie geben jedoch gleichzeitig zu verstehen, dass unter Berücksichtigung hoher Kosten für die Diversifikation (Informationskosten usw.) die Unterteilung auf verschiedene Immobilientypen zu grob erscheint (naive Diversifikation), da Gruppierungen nach Immobilientypen keine in sich homogene Assetklassen darstellen, die untereinander heterogen sind. Somit bescheinigen Hartzell/Hekman/Miles (1986) der Mischung von Immobilientypen kein ausreichendes Diversifikationspotential. Eine weitere Studie zum Diversifikationspotential der Mischung unterschiedlicher Immobilientypen bieten Grissom/Kuhle/Ealther (1987). Sie verwenden Daten von 170 Immobilien in zwei geographischen Regionen der USA (Houston und Austin) über einen Zeitraum von 1975 bis 1983 und erhalten Bestätigung dafür, dass eine Einbeziehung von weiteren Immobilientypen ins Portfolio das unsystematische Risiko stark reduziert. Nur geringes Diversifikationspotential durch die Mischung von Immobilientypen ermitteln Jandura/Rehkugler (2001). Ihre Analyse basiert auf dem Datenmaterial der NCREIF (National Council of Real Estate Investment Fiduciaries) Indexfamilie. Sie untersuchten die Diversifikationseffekte durch eine Mischung der vier Subindizes des NCREIF (Office, Retail,
21
Aufgrund von Problemen bei der Datenbeschaffung von Immobilienvermögen in Deutschland beziehen sich empirische Studien zum Diversifikationspotential im reinen Immobilienportfolio auf den US-amerikanischen Immobilienmarkt
220
3.6.3 Diversifikation innerhalb der Assetklasse Immobilien
Industrial, Apartment) in einem Zeitraum von 1984 bis 2000. Die Korrelationen zwischen den einzelnen Immobilientypen liegen in diesem Zeitraum zwischen 0,923 und 0,541, was relativ hohen Werten entspricht. Anhand einer Effizienzlinienberechnung demonstrieren Jandura/Rehkugler (2001), dass eine Mischung von Immobilientypen lediglich geringfügige Diversifikationseffekte nach sich zieht.22 Auch US-amerikanische REITs können nach dem Immobilientyp, der den jeweiligen Anlageschwerpunkt des REITs bildet, differenziert betrachtet werden. Diese Unterscheidung folgt einer feineren Kategorisierung in Retail (Einzelhandel), Industrial/Office (Industrie,Büro), Health Care (Gesundheit), Residential (Wohnungen und Häuser), Lodging/Resorts (Hotel), Self Storage (Lagerhallen) und Speciality (Spezialimmobilien).23 Ein REIT, der nicht mindestens sein Vermögen zu 50 % auf eine dieser Immobilienklassen aufteilt, wird als diversifiziert eingestuft.24 Neueste Studien der European Public Real Estate Association (EPRA) zeigen, dass REITs in Nordamerika zum großen Teil auf Immobilientypen spezialisiert sind. Lediglich 9 % der US-amerikanischen REITs werden demnach als diversifiziert ausgewiesen. Im Vergleich dazu werden im europäischen Raum 56 % der REITs als diversifiziert bezeichnet.25 Mueller/Laposa (1996) untersuchen in einer empirischen Studie Renditen von REITs, die verschiedenen Immobilientypen zugeordnet werden können. In ihrer Studie müssen 70 % des Immobilienvermögens eines spezifischen REITs einem bestimmten Immobilientyp zugeordnet werden können, damit der REIT in eine Immobilientypenkategorie aufgenommen wird. Ihre Berechnungen basieren auf NAREIT-Renditen und beziehen sich auf den Zeitraum von 1986 bis 1995. Als Resultat ihrer Untersuchung erhalten sie stark unterschiedliche Renditeentwicklungen der REITs, die unterschiedlichen Immobilientypen zugeordnet werden können, so dass sie von einem hohen Diversifikationspotential ausgehen, das eine Mischung von REITs, die jeweils auf unterschiedliche Immobilientypen spezialisiert sind, mit sich bringt. Eine weitere Studie zum Diversifikationspotential einer Mischung von REITs mit unterschiedlichen Immobilientypen bieten Gyourko/Nelling (1996) für die Jahre 1988 bis 1992. Sie ordnen die REITs den Immobilientypen Health Care, Industrial/Warehouse, Office, Residential, Retail und Other zu. Obgleich Gyourko/Nelling (1996) unterschiedlich hohe systematische Risiken in der jeweiligen Kategorie feststellen, können sie kein Diversifikationspotential aus einer Streuung über verschiedene Immobilientypen ausmachen.
22
Weitere Studien zu Diversifikationseffekten durch die Mischung von Immobilientypen bieten Mueller/Laposa (1995) sowie Fisher/Liang (2000)
23
Einer etwas gröberen Einteilung folgt bspw. die Analyse von Gyourko/Nelling (1996)
24
Vgl. Seiler et. al. (2001), S. 28
25
Vgl. EPRA (2007), S. 38 f. ; dies bestätigen auch Gyourko/Nelling (1996)
3.6.3.1 Diversifikation innerhalb von Teilassetklassen von Immobilien
221
3.6.3.1.2 Diversifikation nach Regionen Eine Risikoreduktion innerhalb von Immobilienportfolios kann grundsätzlich auch durch eine Streuung über verschiedene geographische Regionen erreicht werden. Diese Vorgehensweise unterstellt implizit, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Regionen unterschiedlich voneinander entwickeln und daher einen geringen Gleichlauf aufweisen. Da diese Annahme keineswegs gesichert erscheint, wird die Diversifizierung nach Regionen in der Literatur oftmals als „naive Diversifikation“ bezeichnet,26 obgleich sie in der Praxis des Asset Management als die wichtigste Form der Diversifizierung angesehen wird. So bewerten US-amerikanische Immobilieninvestoren (REITs), die systematisch Diversifikation betreiben, in einer Umfrage die Mischung unterschiedlicher Regionen als die wichtigste Diversifikationsstrategie.27 In den USA beziehen sich empirische Studien oftmals auf eine geographische Einteilung auf der Basis der Russel NCREIF Regionen: East, Midwest, South und West.28 Die empirischen Studien zum Diversifikationspotential durch Streuung über Immobilientypen untersuchen zum Teil auch Diversifikationseffekte durch eine regionale Streuung. So verwenden Miles/McCue (1982) in ihrer vorher genannten Studie zum Immobilienvermögen US-amerikanischer REITs als Proxy für eine Streuung über verschiedene Regionen als unabhängige Variable in einem Regressionsmodell die Anzahl der Staaten, in denen ein REIT Immobilien besitzt. Eine Gewichtung bezüglich der Größe der Investments findet dabei nicht statt. Miles/McCue können ein gewisses, aber niedriges Diversifikationspotential nachweisen, ebenso wie in einer späteren Studie (Miles/McCue (1984)), bei der sie das Datenset in die vier genannten Regionen East, Midwest, South und West aufteilen. Ihre Korrelationsmatrix zeigt dann, dass zwischen diesen Regionen hohe positive Korrelationen bestehen, was auf ein eher niedriges Potential zur Vernichtung von unsystematischen Risiken schließen lässt. Die Studie von Grissom/Kuhle/Ealther (1987) bestätigt einen Diversifikationseffekt durch Mischung von Regionen, obgleich hierbei zu beachten ist, dass lediglich zwei geographische Regionen (Houston und Austin) berücksichtigt wurden. Hartzell/Hekman/Miles (1986) dagegen kommen zu dem Ergebnis, dass eine Diversifikation nach Regionen wenig Sinn ergibt. Die definierten Regionen (wieder East, Midwest, South, West) erscheinen in sich wenig homogen und untereinander nicht ausreichend heterogen, um ein Diversifikationspotential zu bieten, das die Kosten der Streuung rechtfertigt. Auch bei Jandura/Rehkugler (2001) hält sich der erzielbare Diversifikationseffekt durch eine eine Mischung von geographischen Regionen in den USA in eher engen Grenzen. 26
Vgl. exemplarisch Miles/McCue (1984), S. 356 und Gyourko/Nelling (1996), S. 497
27
Vgl. Webb/McIntosh (1986), S. 81. In einer neueren Befragung von Real Estate Asset Managern von Pensionsfonds werden sowohl die Streuung über Regionen als auch die Streuung über Immobilietypen als die wichtigsten Diversifikationsstrategien identifiziert. So gaben 76 % der Befragten an, dass sie Diversifikationseffekte einer Mischung von Immobilientypen berücksichtigen, eine Diversifikation nach Regionen ziehen 73 % der Investoren in Erwägung, 23 % davon folgen einer Einteilung nach MSAs. Vgl. Worzala/Bajtesmit (1997), S. 52
28
Falls die Einteilung der Regionen nicht explizit offenbart wird, folgen auch die im Weiteren vorgestellten empirischen Studien dieser Einteilung
222
3.6.3 Diversifikation innerhalb der Assetklasse Immobilien
Neben der oben genannten Einteilung in Regionen des US-amerikanischen Immobilienmarktes sind andere Einteilungen nach geographischen Regionen denkbar. Shilton/Stanley (1995) stellen in einer Studie auf Basis von NCREIF-Daten fest, dass sich institutionelle Immobilien Investitionen auf bestimmte Gegenden und städtische Großräume, sog. Metropolitan Statistical Areas (MSAs), konzentrieren.29 Cheng/Roulac (2007) zeigen daraufhin anhand einer empirischen Studie, wann ein Immobilienportfolio durch Streuung über MSAs als diversifiziert gilt.30 Dabei ist zu beachten, dass die Immobilieninvestoren alleine durch eine Mischung von verschiedenen Immobilientypen innerhalb einer bestimmten MSA ein gewisses unsystematisches Risiko vernichten. Die eigentlich untersuchte Fragestellung von Cheng/Roulac lautete daher: Wieviel Diversifikationspotential bietet eine Mischung von MSAs nach einer Streuung innerhalb einer bestimmten MSA. Als Datengrundlage verwenden sie NCREIFDaten für eine Zeitspanne von 1993 bis 2004. Während der zusätzliche Effekt einer Beimischung einer weiteren MSA nach ca. 10 MSAs im Portfolio rapide abnimmt, ist eine komplette Reduktion des diversifizierbaren Portfoliorisikos erst ab ca. 60 verschiedenen MSAs im Portfolio zu erreichen. Mit direkten Immobilien-Anlagen stellt dies jedoch selbst für die größten Investoren eine Aufgabe dar, die kaum zu bewältigen ist. Die Autoren verweisen deshalb auf verbriefte Immobilienprodukte, mit denen eine solche Diversifikation eher erreichbar wäre. Ein womöglich größerer Diversifikationseffekt als bei einer regionalen Streuung innerhalb eines Landes lässt sich bei einer Streuung auf Immobilienanlagen in mehreren Ländern erzielen. Hierbei wird plausiblerweise unterstellt, dass sich Immobilienrenditen in verschiedenen Ländern unterschiedlich entwickeln und zumindest partiell von länderspezifischen Faktoren abhängen.31 Hastings/Nordby (2007) führen eine solche Studie durch und verwenden Daten von Büroimmobilien von 1991 bis 2005. Eine Korrelationsanalyse und die Berechnung von Effizienzlinien illustriert, dass sich durch internationale Streuung erhebliche Diversifikationseffekte ergeben, auch wenn Währungseffekte berücksichtigt werden.
3.6.3.1.3 Beispiel der Risikodiversifikation nach geographischen Regionen Exemplarisch wird im Folgenden ein Immobilienportfolio aus deutschen Wohnimmobilien gebildet, welches nach geographischen Regionen zusammengesetzt ist. Bei der Berechnung der Portfolios wurde in 5 %-Schritten vorgegangen. Abbildung 3.6-5 stellt die aus der Kom-
29
So werden 30 % der gesamten NCREIF Immobilieninvestments in den sieben größten Gegenden getätigt. 45 % in den 15 größten und 60 % der Immobilieninvestments teilen sich auf die 30 größten Gegenden auf. Siehe hierzu die Studie von Shilton/Stainley (1995), S. 569 ff.
30
Siehe hierzu Cheng/Roulac (2007), S. 29 ff. Die zentrale Fragegestellung ist analog zu denen der Studien von Archer/Evans (1968), Elton/Gruber (1977) und Statman (1987)
31
Eine Literaturübersicht bieten Sirmans/Worzala (2003), S. 1090 ff.
3.6.3.1 Diversifikation innerhalb von Teilassetklassen von Immobilien
223
bination von einzelnen (Wohn-)Immobilien aus den Regionen Nürnberg, Duisburg und Frankfurt realisierbaren Portfolios dar.32 In der Graphik ist auf der Ordinate die Rendite (das Verhältnis zum eingesetzten Kapital) und auf der Abszisse das Risiko (als Standardabweichung der Renditen) abgetragen. Die im Rendite-Risiko-Diagramm eingezeichneten Punkte zeigen Portfoliokombinationen aus den verschiedenen Städten. Effizient sind die Portfolios, die nicht von einem anderen Portfolio dominiert werden, d.h. die Portfolios, die bei gleicher Rendite ein geringeres Risiko oder bei gleichem Risiko eine höhere Rendite aufweisen. 7,00% Frankfurt
6,50%
Δ 1,8 % -Punkte
Rendite
6,00%
Duisburg
5,50%
5,00%
Δ 8,3 % -Punkte
MVP
4,50%
4,00% 5,00%
Nürnberg
7,00%
9,00%
11,00%
13,00%
15,00%
Risiko
Abb. 3.6- 5 Effizienzlinie bei Mischung reiner Immobilienportfolios (1973-2004); Quelle: Eigene Berechnungen
Der effiziente Rand liegt zwischen dem varianzminimalen Portfolio (MVP) und dem Portfolio mit dem maximalen Ertrag (MaxEP). Das MVP hat eine Rendite von 5,00 % und ein Risiko von 6,17 % und besteht zu 10 % aus Frankfurter, zu 30 % aus Duisburger und zu 60 % aus Nürnberger Immobilien. Das Portfolio mit dem maximalen Ertrag besteht zu 100 % aus Immobilien aus Frankfurt, da diese die höchste Rendite aufweisen. Bewegt man sich vom MaxEP hin zum MVP, muss eine Renditeeinbuße von 1,8 % hingenommen werden, das Risiko hingegen sinkt um 8,3 %. In Abbildung 3.6-5 wird also durch die Mischung der geographischen Regionen ein Diversifikationseffekt im Immobilienportfolio deutlich. So ist es ineffizient, alleine in Duisburg zu investieren (Rendite: 5,55 %; Risiko: 9,25 %). Durch Kombination mit den Regionen Nürnberg und Frankfurt kann bei gleichem Risiko eine höhere Rendite erzielt werden (Rendite: 6,18 %; Risiko: 9,25 %), oder es kann bei gleicher Rendite ein Portfolio realisiert werden, das ein geringeres Risiko aufweist (Rendite: 5,55 %; Risiko: 6,91 %). 32
Die Berechnung basiert auf jährlichen Daten im Zeitraum 1973 bis 2004
224
3.6.3 Diversifikation innerhalb der Assetklasse Immobilien
3.6.3.1.4 Regionale Diversifikation vs. Diversifikation nach Immobilientypen Welche Diversifikationsstrategie ist leistungsfähiger? Die Befunde sind eher uneinheitlich, wenn auch der überwiegende Teil der Studien zu der Erkenntnis kommt, dass eine Mischung unterschiedlicher Immobilientypen ein größeres Diversifikationspotential besitzt als die Mischung unterschiedlicher Regionen. In ihren zwei aufeinander aufbauenden, empirischen Studien zeigen Miles/McCue (1982, 1984), dass die Korrelationen zwischen den verschiedenen geographischen Regionen höher ausfallen als die Korrelationen zwischen den verschiedenen Immobilientypen. Demnach ist durch die Streuung von Immobilientypen ein größerer Risikoreduktionseffekt zu erzielen.33 Eine Studie, die Diversifikationseffekte durch Mischung von Regionen und Immobilientypen auf dem Immobilienmarkt in UK untersucht, bietet Lee (2001). Er findet heraus, dass im Zeitraum von 1981 bis 1995 eine Streuung über verschiedene Immobilientypen eine relativ höhere Risikoreduktion zur Folge hatte als die eine Streuung über Regionen. Jandura/Rehkugler (2001) stellten für die Korrelationen der Renditen aus den einzelnen Regionen Werte zwischen 0,65 und 0,90 und nach Immobilientypen zwischen 0,57 und 0,92 − also insgesamt recht ähnliche Werte − fest. Die Effizienzlinienberechnungen zeigten einen leicht höheren Diversifikationseffekt bei der Mischung der Indizes nach Regionen als bei einer Mischung nach Immobilientypen.
3.6.3.1.5 Diversifikation nach wirtschaftlichen Regionen Von einer Diversifikation über geographische Regionen abzugrenzen ist die Streuung über verschiedene wirtschaftliche Regionen, die sog. „Economic Diversification“. Bei dieser Form der Immobilienportfoliobildung werden Regionen gebildet, die sich zukünftig wirtschaftlich in ähnlicher Weise entwickeln könnten. Eine geographische Zuordnung spielt hierbei keine (dominante) Rolle. In Deutschland könnte man sich beispielsweise einen starken Gleichlauf der wirtschaftlichen Entwicklung der Städte vorstellen, die für die Automobilbranche eine große Bedeutung haben, also z.B. zwischen den Städten Wolfsburg (VW), Ingolstadt (Audi), Rüsselsheim (Opel) und Stuttgart (Daimler und Porsche). Hartzell/Shulman/Wurtzebach (1989) analysieren in einer Studie acht wirtschaftliche Regionen in den USA und finden Evidenz dafür, dass eine Mischung von wirtschaftlichen Regionen einen stärkeren Diversifikationseffekt nach sich zieht als eine Mischung von geographischen Regionen.34
33
Zu derselben Erkenntnis kommen auch Grissom/Kuhle/Ealther (1987), Fisher/Liang (2000) sowie Lee (2001)
34
Weitere Studien zur Diversifikation über wirtschaftliche Regionen bieten Malizia/Simons (1991), Mueller/Ziering (1992), Ziering/Hess (1995) sowie Viezer (2000)
3.6.3.2 Die Mischung von verbrieften Immobilienprodukten
225
3.6.3.2 Die Mischung von verbrieften Immobilienprodukten Auch bei der Anlage in Immobilienaktien stellt sich die Frage, ob Immobiliengesellschaften nach Regionen oder nach Immobilientypen im Portfolio kombiniert werden sollten, um möglichst große Diversifikationseffekte zu generieren. Eichholtz (1997) untersucht diese Fragegestellung in einem internationalen Kontext. Hierfür aggregiert er die Renditen von Immobiliengesellschaften auf kontinentaler Ebene Europa, Nordamerika und Ferner Osten. Auf der anderen Seite sortiert Eichholtz (1997) nach Immobilientyp in Office, Retail, Industrial und Residential. Sein Datenmaterial bezieht sich auf einen Zeitraum von 1984 bis 1997. Während eine Sortierung nach Regionen Korrelationskoeffizienten von 0,31 bis 0,40 ergibt, nehmen die Werte zwischen den Immobilientypen Korrelationen von 0,48 bis 0,71 an. Auf dieser Grundlage äußert Eichholtz (1997) die Vermutung, dass eine Mischung internationaler Immobilien größere Diversifikationseffekte mit sich bringt als eine Mischung von Immobilienaktien nach Immobilientypen.35 Einen Literaturüberblick und -auswertung zu bestehenden Arbeiten, die sich mit einer Mischung internationaler Immobilienaktien auseinandersetzen, bieten Worzala/Sirmans (2003). Subsumierend stellen sie fest, dass „the conclusions are almost unanimous in indicating that an international real estate stock investment strategy provides diversification benefits.“36 Eine Korrelationsanalyse der Performance von US-amerikanischen REITs und europäischen Immobilienaktien leisten Bond/Glascock (2006). Sie weisen für einen Zeitraum von 1990 bis 2006 einen Korrelationskoeffizienten zwischen US-amerikanischen REITs und europäischen Immobilienaktien (EPRA-Index) von 0,39 aus. Der Gleichlauf zwischen europäischen Immobilienaktien und australischen Immobilienaktien (EPRA-Index Australien) entspricht hingegen 0,47. Die geringste Korrelation besteht zwischen australischen Immobilienaktien und US-amerikanischen REITs, die Bond/Glascock (2006) mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,31 beschreiben. Als Resultat ihrer Untersuchung stellen sie fest, dass „…subject to currency risk positions, European real estate as represented by the EPRA index shows very good diversification potential for a global investor.“37 Ein beträchtliches Diversifikationspotential durch die Mischung von Immobilienaktienmärkten verschiedener Regionen belegt auch die Abbildung 3.6-6. Sie zeigt die Korrelationen der monatlichen Renditen der jeweiligen FTSE EPRA/NAREIT-Indizes der bedeutendsten Immobilienaktienmärkte. Die Korrelationen weisen recht niedrige Werte zwischen 0,57 (Europa, USA) und 0,08 (Japan, Hong Kong) auf, so dass eine internationale Streuung von Immobilienaktien Diversifikationseffekte nach sich ziehen sollte. 35
Für einen Vorteilhaftigkeitsvergleich von Diversifikationseffekten durch Mischung von Immobilienaktien auf Länder- oder Kontinentebene siehe Eichholtz et al. (1998)
36
Worzala/Sirmans (2003), S. 1126
37
Bond/Glascock (2006), S. 15
226 EPRA/NAREIT (2000-2007) Europa USA Australien Hong Kong Japan
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen Europa 1,00 0,57 0,49 0,43 0,36
USA 1,00 0,46 0,35 0,32
Australien Hong Kong 1,00 0,37 0,22
1,00 0,08
Abb. 3.6- 6 Korrelationen von Immobilienaktienmärkten (2000-2007); Quelle: Eigene Berechnungen
Japan
1,00
Eine Analyse der Korrelationen zwischen Offenen Immobilienfonds und Immobilien-AGs bietet die Studie von Hübner/Schwaiger/Winkler (2004). Sie stellen die Renditeentwicklung des DIMAX für den Zeitraum von 1989 bis 2002 der Renditeentwicklung eines selbst entwickelten Index Offener deutscher Immobilienfonds (OIF für Offener Immobilienfonds-Index) gegenüber.38 Immobilienaktien wiesen zwar im genannten Untersuchungszeitraum eine höhere mittlere Rendite auf, für die aber ein höheres Risiko eingegangen werden musste. Den Gleichlauf der Renditen überprüfen Hübner/Schwaiger/Winkler mit einer Korrelationsanalyse, die einen Wert von -0,053 ergibt und somit ein unterschiedliches Renditeverhalten dieser Immobilienanlagen zum Ausdruck bringt. Auf die Probleme der Adäquanz der Messung von Renditen und Risiken Offener Fonds, die hier deutlich zutage treten, war schon in vorangehenden Beiträgen eingegangen worden.
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen in Mixed-Asset-Portfolios Empirische Arbeiten zum Diversifikationspotential von Immobilien bei einer Mischung mit anderen Assetklassen sind in großer Anzahl vorhanden. Ein Großteil dieser Studien bezieht sich auf den US-amerikanischen Markt für direkte Immobilien. In einem überwiegenden Teil dieser Arbeiten basiert der Immobilienanteil des Portfolios auf aggregierten Immobiliendaten in Form von Immobilienindizes. Für den US-Immobilienmarkt wird dabei am häufigsten auf den NCREIF-Index zugegriffen. Dieser Index misst die Wertentwicklung von direkten Im-
38
Der von Hübner/Schwaiger/Winkler (2004) entwickelte OIF bildet zu jedem Zeitpunkt ca. 80 % des Marktvolumens aller Fonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland ab. Dies werten sie als repräsentativ für den gesamten Markt
3.6.4.1 Diversifikationspotential von US-REITs
227
mobilienanlagen.39 Andere Studien nutzen Immobiliendaten großer Immobilienfonds, die meist von CREF (Commingled Real Estate Funds) bereitgestellt wurden.40 Ältere Studien verwenden teilweise Näherungswerte für Immobilienrenditen, die aus anderen Kapitalanlagen oder Konsumindizes abgeleitet sind.41 Während das verwendete Datenmaterial und die angewendeten Methoden äußerst heterogen sind, stellen sich die Ergebnisse und Erkenntnisse recht einheitlich dar. Alle bisherigen Arbeiten kommen zu der Erkenntnis, dass die Aufnahme von direkten Immobilien in ein Vermögensportfolio vorteilhaft ist. Die Korrelationen zwischen Immobilienanlagen und den klassischen Finanzanlagen (Aktien, Renten, etc.) sind gering und bieten somit ein großes Potential, das Portfoliorisiko zu reduzieren. Eine Zumischung von Immobilienanlagen in ein Mixed-Asset-Portfolio, welches per definitionem aus unterschiedlichen Assetklassen besteht, erfährt also Rechtfertigung durch die Annahme und den empirischen Nachweis einer differierenden Renditeentwicklung zwischen Immobilienanlagen und anderen Assetklassen. Im Zentrum des Interesses der folgenden Ausführungen steht nun die Frage, inwiefern eine Beimischung von verbrieften Immobilienprodukten in ein Mixed-Asset-Portfolio ebenfalls ein Diversifikationspotential mit sich bringt. Bei einer aktiven Top-Down-Strategie stellt sich zudem die Frage nach dem konkreten Anteil verbriefter Immobilienanlagen in einem optimalen Portfolio, zu der allerdings nur wenige Untersuchungen konkrete Aussagen treffen.42
3.6.4.1 Diversifikationspotential von US-REITs Die häufigsten Studien zu verbrieften Immobilienprodukten in Mixed-Asset-Portfolios beziehen sich auf US-amerikanische Immobiliengesellschaften in der Form von Real Estate Investment Trusts (REITs). Es existieren aber auch Arbeiten, die einer internationalen Ausrichtung folgen und das Diversifikationspotential US-amerikanischer REITs aus Sicht von Investoren aus anderen Ländern herausarbeiten. Die Renditeentwicklung der US-
39
Siehe exemplarisch die Studien von Firstenberg/Ross/Zisler (1988), Miles/Coler/Guilkey (1990), Grauer/ Hakansson (1995), Rubens/Louton/Yobaccio (1998), Corgel/deRoos (1999) sowie Georgiev/Gupta/Kunkel (2003)
40
Siehe exemplarisch die Studien von Miles/McCue (1984), Hartzell/Hekman/Miles (1986) und Kallberg/ Crocker/Greig (1996)
41
Siehe Fogler (1984)
42
Während es in der Literatur unumstritten ist, dass direkte Immobilienanlagen einen positiven Effekt auf ein Mixed-Asset Portfolio haben, herrscht Uneinigkeit über den optimalen (effizienten) Anteil von Immobilien im Mixed-Asset-Portfolio. So empfehlen verschiedene Studien auf der Basis unterschiedlicher Datensets und Datenzeiträumen unterschiedlich große Anteile. Kallberg/Crocker/Greig (1996) gehen davon aus, das der effiziente Anteil 9 % ausmachen sollte. Giliberto (1992) postuliert einen Immobilienanteil, der zwischen 10 % und 12 % des Mixed-Asset-Portfolios ausmacht. Fogler (1984) hält einen 20 %igen Anteil für angemessen, ebenso Firstenberg/Ross/Zisler (1988); Webb/Curcio/Rubens (1988) empfehlen einen Anteil von 66 %
228
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen
amerikanischen REITs wird in empirischen Studien meistens durch den Index der National Association of Real Estate Investment Trusts (NAREIT) repräsentiert. Der NAREIT-Index enthält alle drei Formen von REITs: Equity-REITs, Hybrid-REITs und Mortage-REITs.43 Für jede dieser REIT-Arten stellt die NAREIT aber auch gesonderte Indizes zur Verfügung. Falls im Folgenden keine zusätzlichen Angaben gemacht werden, benutzen die zitierten Studien den gesamten NAREIT-Index. Die ausschließliche Verwendung des Indexes für EquityREITs (NAREIT-Equity-REIT-Index), die im internationalen Vergleich angemessener wäre, sollte die Ergebnisse wenig verändern, da Equity-REITs den überwiegenden Teil im Gesamtindex ausmachen.44 In der Literatur besteht kein Konsens hinsichtlich des Diversifikationspotentials von REITs. So existieren konträre Meinungen, in welchem Umfang REITs in ein Mixed-Asset-Portfolio einbezogen werden sollten.45
3.6.4.1.1 Die Mischung von REITs und Aktien In einem ersten Schritt stellt sich die Frage, inwiefern REITs bei Mischung mit einem Portfolio, das lediglich aus Aktien besteht, ein Diversifikationspotential aufweisen. Manche Autoren behaupten beispielsweise, dass sich REIT-Renditen ähnlich verhalten wie Aktienrenditen und folglich REITs im Gegensatz zu direkten Immobilienanlagen kein hohes Diversifikationspotential aufweisen.46 Schon sehr früh untersuchte Kuhle (1987) diese Frage. Sein Datenset bezieht sich dabei auf den Zeitraum 1980 bis 1985 und umfasst 26 Equity-REITs, 16 Mortage-REITs und 42 weitere Aktiengesellschaften, die die Assetklasse Aktien widerspiegeln sollen. Demnach bestehen die konstruierten Mixed-Asset Portfolios lediglich aus einer REIT-Komponente und aus Aktien. Kuhle kommt zu dem Ergebnis, dass Equity REITs ein höheres Potential zur Risikoreduktion beinhalten als Mortage REITs. Insgesamt kommt er zu dem Schluss, dass „… REIT portfolios are more efficient, in a Markowitz sense, than portfolios of only common stocks.“47 Paladino/Mayo (1995, 1998) ermitteln Korrelationen zwischen dem NAREIT-Index und dem S&P 500. Da REITs im Vergleich zu den Aktien, die der S&P 500 umfasst, meist kleiner sind, berechnen sie zusätzlich Korrelationen zwischen dem NAREIT- und dem Frank Russel Company 2000-Index (Russel 2000), um einen Zusammenhang zwischen REITs und Aktien mit geringer Marktkapitalisierung (Small Caps) zu untersuchen. Für den früheren Beobach-
43
Eine ausführliche Darstellung der NAREIT-Indizes findet sich in Grupe/Dirocco (1999) und auf der Homepage der NAREIT
44
Im Folgenden wird der Terminus REITs synonym für Equity-REITs verwendet
45
Ausführliche Übersichtsarbeiten zu bisherigen Studien bieten exemplarisch Corgel/McIntosh/Ott (1995), S. 28 f. und Zietz/Sirmans/Friday (2003), S. 155 ff.
46
Siehe zu dieser Fragestellung den anschließenden Beitrag von Morawski und Rehkugler
47
Kuhle (1987), S. 8
3.6.4.1 Diversifikationspotential von US-REITs
229
tungszeitraum von 1979 bis 1993 errechnen Paladino/Mayo (1995) einen hohen Korrelationskoeffizienten von 0,722 zwischen dem NAREIT-Index und dem S&P 500. Zwischen dem NAREIT-Index und dem Russel 2000 zeigt sich eine noch etwas höhere Korrelation von 0,779. Dieses Ergebnis bestätigt die Vermutung, dass sich REIT-Renditen entsprechend ihrer Marktkapitalisierung eher wie Small Cap-Renditen entwickeln. Ihre Resultate interpretieren sie in der Art, dass REITs lediglich marginal dazu beitragen, ein Aktienportfolio zu diversifizieren. Die Ergebnisse einer späteren Studie von Paladino/Mayo (1998) bekräftigen dieses Resultat. Ihr Datenset umfasst in dieser Studie einen größeren Zeitraum von 1979 bis 1996. Für diesen nimmt der Korrelationskoeffizient einen Wert von 0,6897 zwischen NAREITIndex und S&P 500 an. Zwischen dem NAREIT-Index und dem Russel 2000 fällt er mit 0,7401 wieder ein wenig höher aus. Eine Aufteilung der Daten in zwei Subperioden von 1979 bis 1988 und 1989 bis 1996 lässt erkennen, dass die Korrelationen im Zeitablauf abnahmen und somit nicht stabil sind. Eine Abnahme der Korrelationen zwischen Aktien und REITs im Laufe der 90er Jahre bestätigen auch Hartzell et al. (1999). Sie weisen für eine etwas längere Periode von 1978 bis 1998 eine Korrelation von 0,57 zwischen dem Wilshire REIT-Index und dem S&P 500 aus. Wie schon in den Studien von Paladino/Mayo fielen bei Hartzell et al. (1999) die Korrelation zwischen den REITs und Small Cap Aktien (Russel 2000) mit 0,72 höher aus als die Korrelation zum S&P 500. Evidenz für abnehmende Korrelationen zwischen Aktien- und REIT-Renditen in den 90er Jahren bietet auch die Studie von Imperiale (2002). Sein Datenset umfasst die Jahre 1972 bis 2000. Die REITs bildet er mit dem NAREIT-Equity-REIT-Index ab, Large Cap-Aktien werden durch den S&P 500 repräsentiert, während der Ibbotson U.S. Small Stock Series für die Abbildung der Small Caps herangezogen wird. Die abnehmenden Korrelationen illustriert ein Diagramm, welches Graphen darstellt, die sich aus Berechnungen von Korrelationskoeffizienten über rollierende Zeiträume von 60 Monaten ergeben. Sie weisen in den 90er Jahren einen stark abfallenden Verlauf auf. Auch die ausgewiesenen Werte der Korrelationskoeffizienten über die Subperioden belegen abnehmende Korrelationen in den 90er Jahren. Für den gesamten Zeitraum berechnet Imperiale (2002) eine Korrelation zwischen Large Caps und REITs von 0,63 und zwischen Small Caps und REITs von 0,55. In einem verkürzten Zeitraum (1993 bis 2000) hingegen weisen die Korrelationen nur noch Werte von 0,26 (Large Caps) und 0,25 (Small Caps) auf. Die geringsten Korrelationskoeffizienten ermittelt Imperiale (2002) zwischen Bonds und REITs. Er hat für den gesamten Beobachtungszeitraum von 1972 bis 2000 einen Wert von 0,20. Schließlich folgert Imperiale (2002): „The correlation coefficient of REITs compared to large and small stocks and bonds is surprisingly low.”48 Auch Ziering/Liang/McIntosh (1999) finden abnehmende Korrelationen zwischen dem Aktien- und REIT-Markt in den 90er Jahren. Sie legen dabei das Hauptaugenmerk auf die unterschiedlichen Fristen für die Berechnung von Korrelationen und entdecken, dass insbesondere kurzfristige Korrelationen (ihre Berechnung erfolgt in einem 3-Jahres-Zeitraum) in besonderem Maße volatil sind und sich nicht prognostizieren lassen. Berechnungen des Korrela48
Imperiale (2002), S. 67
230
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen
tionskoeffizienten auf lange Sicht (10 Jahre und länger) sind dagegen deutlich stabiler und werden von Ziering/Liang/McIntosh (1999) zu Portfoliokonstruktionen empfohlen. Sie merken allerdings an, dass diese irreführend sein können, wenn sich aktuelle Variationen der Korrelation ergeben und diesen durch den langen Berechnungszeitraum nicht genug Bedeutung zukommt. Sie berechnen für einen Zeitraum von 1993 bis 1998 eine Durchschnittskorrelation zwischen REITs (NAREIT-Equity-REIT-Index) und Aktien (S&P 500) von 0,28 mit einer Standardabweichung von 0,09. Auf lange Frist lässt dies mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 66% einen Korrelationskoeffizienten von 0,19 bis 0,37 erwarten. Clayton/MacKinnon (2001) vermuten, dass die Entwicklung der Korrelationen zwischen Aktien und REITs langfristigen Trends folgt und durch kurzfristige Zyklen geprägt ist. Sie unterscheiden in zyklische und strukturelle Einflussfaktoren, die sich auf die Korrelationsbeziehung zwischen REIT- und Aktienrenditen auswirken. Als strukturelle Komponente gilt die zunehmende Marktreife des REIT-Marktes. Nach den Autoren fand in den 90er Jahren ein „Reifungsprozess“ („Maturation Process“) des REIT-Marktes statt, der durch ein starkes Marktwachstum des REIT-Sektors, verbunden mit dem damit gestiegenen Interesse von Investoren und Analysten an REITs, ausgelöst wurde. Durch dieses gesteigerte Interesse an REIT-Märkten wurden mehr Informationen über REITs verfügbar und transparent, so dass „REIT returns can begin to better reflect their ‚true’ nature and therefore have a stronger relationship to unsecuritized real estate returns.“49 Dies bedeutet gleichfalls eine Abnahme der Korrelation zwischen Aktien- und REIT-Renditen. Die zyklische Komponente wird durch das sog. „Asymmetric REIT-Beta Puzzle“50 repräsentiert. Dieses geht zurück auf die Studie von Goldstein/Nelling (1999), die ebenfalls die Entwicklung der Korrelationen zwischen Aktien (S&P 500) und REITs (NAREIT-Equity-REIT-Index) analysieren. Mittels einer Regressionsanalyse versuchen Goldstein/Nelling (1999), REIT-Renditen durch Aktienrenditen zu erklären, und stellen fest, dass die Regressionskoeffizienten von REITs (BetaKoeffizienten) in schlechten Marktphasen hoch und in guten Marktphasen niedrig ausfallen.51 Die abnehmende Wechselbeziehung in den 90er Jahren kann somit als eine Kombination aus einem zyklischen Faktor (Aktienhausse der 90er Jahre) und einem strukturellen Faktor (Reifeprozess des REIT-Marktes) angesehen werden. Daneben bieten die Studien empirische Evidenz, dass das Marktverhalten von REITs eher dem von Small Cap-Aktien entspricht als dem von Large Cap-Aktien.52 49
Clayton/MacKinnon (2001), S. 43
50
Siehe Chatrath/Liang/McIntosh (2000), S. 101 ff.
51
„…while equity REIT returns are not related to the S&P 500 return in advancing stock markets, they are significantly positively related when the market declines.“ Goldstein/Nelling (1999), S. 73. Evidenz für diesen Zusammenhang bieten die Analysen von Goldstein/Nelling (1999), Chatrath/Liang/McIntosh (2000) sowie Jandura (2003), S. 130 f.
52
In einer weiteren Studie finden Clayton/MacKinnon (2003), dass die Schwankungen von REIT-Renditen zum Großteil durch Large Cap-Renditen erklärt werden können. Mit Small Cap-Renditen können sie hingegen nicht mehr so gut erklärt werden und mit Bond-Renditen kaum noch. Im Gegensatz dazu finden Liang/McIntosh (1998), dass REIT-Renditen einen starken Gleichlauf mit Small Caps aufweisen. Nach ihren Analysen kann ein REIT Portfolio mit einem 40 %igen Anteil von Small Caps und einem 60 %igen Anteil von Bonds nachgebildet werden
3.6.4.1 Diversifikationspotential von US-REITs
231
Abb. 3.6- 7 Rollierende Korrelationen zwischen US-REITs und Aktien (1995-2006) Quelle: Sebastian/Sturm (2007), S. 13
Sebastian/Sturm (2007) zeigen in einer Korrelationsanalyse ebenfalls im Zeitablauf stark abnehmende Korrelationen zwischen US-REITs (FTSE EPRA/NAREIT) und USamerikanischen Aktien (MSCI USA) wie auch zwischen US-REITs und europäischen Aktien (MSCI Europe) in den neunziger Jahren. Ab dem Jahr 2001 lässt sich ein Anstieg der Korrelationen erkennen. Sebastian/Sturm berechnen über einen Gesamtzeitraum von 1991 bis 2006 auf Quartalsbasis rollierende 5-Jahres-Korrelationen. Die Entwicklung der Korrelationen im Beobachtungszeitraum ist in Abbildung 3.6-7 aufgezeigt.
3.6.4.1.2 REITs im US-amerikanischen Mixed-Asset Portfolio Weitere Studien versuchen, das Diversifikationpotential von REITs in einem Mixed-AssetPortfolio zu messen, das sowohl aus Aktien als auch aus anderen Assetklassen (z.B. Anleihen) besteht, also bereits durch die Einbeziehung verschiedener Assetklassen (zumindest partiell) diversifiziert ist. Eine der ersten Studien, die das Diversifikationspotential einer Beimischung von REITs zu Mixed-Asset-Portfolio untersuchen, bieten Burns/Epley (1982). Ihr Mixed-Asset-Portfolio bezieht sich auf den US-amerikanischen Markt im Zeitraum von 1970 bis 1979 und umfasst neben 35 REITs53 auch 13 Closed-End Funds, 13 Mutual Funds und den Performanceindex S&P 500, der die Assetklasse Aktien repräsentiert. Die REITs wurden in dieser Studie ursprünglich als Proxy für ein Portfolio aus reinen Immobilienanlagen herangezogen. Die be-
53
Von diesen 35 REITs sind 10 Equity-REITs, 8 Hybrid-REITs und 17 Mortage-REITs; vgl. Burns/Epley (1982)
232
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen
rechneten Effizienzlinien zeigen deutlich, dass Mixed-Asset-Portfolios Single-AssetPortfolios auf jedem Risiko- und Renditeniveau dominieren. Dieses Ergebnis kann auch bei einer Aufspaltung des gesamten Untersuchungszeitraumes auf die Subperioden 1970 bis 1974 und 1975 bis 1979 bestätigt werden. Mueller/Pauley/Morrill (1994) konstruieren für den Zeitraum 1976 bis 1993 ein Portfolio, das die Assetklassen Aktien, Renten und REITs umfasst. Als Proxy für den Aktienmarkt ziehen sie zum einen den S&P 500-Index heran und zum anderen den Russel 2000, der lediglich Small Cap-Aktien abbildet. Für die Assetklasse Renten verwenden sie den Shearson Lehman Bond-Index, während sie den REIT-Markt mit dem NAREIT-Equity-REIT-Index abbilden. Mueller/Pauley/Morrill finden heraus, dass REITs eine relativ hohe Korrelation zu Small Caps aufweisen. Durch die verhältnismäßig geringen Korrelationen von REITs zu den übrigen Assetklassen, Aktien und Renten, kommen sie trotzdem zu dem Schluss, dass durch eine Inklusion von REITs zum Mixed-Asset-Portfolio die Effizienzlinie im Rendite-RisikoRaum nach oben verschoben werden kann. Chandrashekaran (1999) vergleicht die Ergebnisse aus einer dynamischen ex-ante und einer ex-post Portfoliooptimierung. Dazu bildet er ein Mixed-Asset-Portfolio, das aus Aktien (S&P 500), Staatsanleihen und Unternehmensanleihen (Shearman-Lehman Brothers Government/Corporate Bond-Index) sowie einem selbst konstruierten REIT-Index besteht. Dieser wird von Chandrashekaran jedes Quartal neu zusammengestellt und enthält 75 % der Equity-REITs, die die höchste Marktkapitalisierung aufweisen. Zunächst analysiert er die Risiko-/Rendite- und Korrelationsstruktur der Indizes für den gesamten Zeitraum von 1975 bis 1996 sowie für 4 Subperioden, wobei sich zeigt, das REITs in den meisten Fällen sowohl höhere Renditen als auch eine höhere Sharpe-Ratio aufweisen als Aktien oder Anleihen. Hiernach versucht Chandrashekaran (1999) in Renditezeitreihen von REITs Muster zu erkennen, die eine Erwartungsbildung hinsichtlich der Rendite, des Risikos und der Kovarianzen erlauben.54 Im Ergebnis stellt er fest, dass sich in unterschiedlichen Marktphasen das Risiko und die Korrelationen von REITs unterschiedlich verhalten. Die Varianzen und Kovarianzen mit anderen Assetklassen nehmen nach einem Anstieg des REIT-Indexes ab und erhöhen sich nach einer Abwärtsbewegung des Indexes. Dies belegt, dass REITs in einer dynamischen Asset Allocation eine zentrale Rolle einnehmen. Der Vergleich verschiedener Portfoliooptimierungen zeigt dann, dass ein Investor ex-post im besten Falle nur geringe Anteile seines Vermögens in REITs investiert hätte. Hingegen zeigt eine dynamische ex-ante Optimierung, dass REITs signifikante Diversifikationseffekte mit sich bringen und MixedAsset- Portfolios, die einen Anteil REITs enthalten, überlegene Rendite-/Risikoprofile aufweisen. Georgiev/Gupta/Kunkel (2003) finden für den Zeitraum von 1990 bis 2002 ebenfalls eine nach ihrer Einschätzung recht hohe Korrelation von 0,39 zwischen REITs und Aktien. Als Proxy für den REIT-Markt verwenden sie den NAREIT-Index, als Proxy für den Aktien-
54
Hierbei verwendet Chandrashekaran diverse volkswirtschaftliche Daten, um mit Hilfe eines Regressionsmodells Abhängigkeiten der REIT-Renditen zu bestimmen und somit zukünftige REIT-Renditen prognostizieren zu können
3.6.4.1 Diversifikationspotential von US-REITs
233
markt den S&P 500. Einen geringen Wert von 0,16 weist hingegen der Korrelationskoeffizient zum Anleihemarkt (Lehman Aggregate Bond-Index) auf. Durch eine Einbeziehung von REITs in ein Portfolio, das zudem Aktien und Anleihen umfasst, lässt sich die Sharpe-Ratio nur marginal von 0,55 auf 0,58 erhöhen. Umfasst das Portfolio zusätzlich zu den Aktien und Anleihen noch Rohstoffe (GSCI Index) und Hedgefonds (EACM 100) verringert sich die Sharpe Ratio sogar von 0,75 auf 0,67. Georgiev/Gupta/Kunkel (2003) kommen zu dem gegen die meisten anderen Studien laufenden Schluss, dass „…REITs seem to be an inadequate diversifier for stocks, bonds, hedge funds, and commodities.“55 Obgleich die beschriebenen Studien sich unterschiedlicher Daten über verschiedene Zeiträume und unterschiedlicher Methoden bedienen, bescheinigen sie einer Einbeziehung von REITs in ein Mixed-Asset-Portfolio ein gewisses Diversifikationspotential. Auch wenn die Korrelationen zwischen Aktien und REITs bisweilen relativ hoch ausfallen, resultiert dieses Diversifikationspotential aus den recht geringen Korrelationen zwischen REITs und Anleihen.
3.6.4.1.3 US-REITs im internationalen Mixed-Asset-Portfolio Sämtliche bisher vorgestellten Studien konstruieren Mixed-Asset-Portfolios lediglich auf der Basis von US-amerikanischen Assetklassen. Daneben finden sich auch Studien, die USREITs im Kontext eines internationalen Mixed-Asset-Portfolios betrachten. Ein internationales Mixed-Asset-Portfolio verwenden beispielsweise Ennis/Burik (1991) in ihrer Studie. Es besteht aus dem Wilshire 5000-Index, der den US-amerikanischen Aktienmarkt repräsentiert, dem MSCI EAFE-Index als Proxy für ausländische (internationale) Aktien, dem Lehman Brothers Aggregate Bond-Index stellvertretend für US-Anleihen, dem Salomon Brothers Non-U.S. World Government Bond-Index für ausländische Anleihen sowie dem NAREIT-Equity REIT-Index. Für eine Betrachtungsperiode von 1980 bis 1989 berechnen sie erwartete Renditen und Risiken der einzelnen Assetklassen, die sie dann zur Portfoliooptimierung verwenden. Auch wenn die REITs über die letzten fünf Jahre des Beobachtungszeitraumes eine hohe Korrelation mit den US-Aktien von 0,79 aufweisen, stellen Ennis/Burik (1991) fest, dass effiziente, diversifizierte Portfolios einen 10- bis 15 %igen Anteil von REITs enthalten sollten. Mull/Soenen (1997) nehmen in ihrer Studie den Blickwinkel eines Investors aus den G7Staaten (Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, UK und USA) ein. Sie untersuchen in ihrer Studie, mit welchen Diversifikationseffekten Investoren aus den jeweiligen Ländern rechnen können, wenn sie ihren Portfolios, die jeweils aus Anleihen und Aktien der einzelnen Staaten bestehen, US-amerikanische REITs hinzufügen würden. Anleihemärkte werden mittels der Salomon Brothers Bond-Indizes abgebildet, Aktienmärkte mit den MSCIAktienindizes und REITs mit dem NAREIT Equity-REIT-Index. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich dabei über 10 Jahre von 1985 bis 1994. Eine Korrelationsanalyse zeigt zu-
55
Georgiev/Gupta/Kunkel (2003), S. 32
234
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen
nächst, dass US-REITs und Aktien in den einzelnen Ländern Korrelationskoeffizienten zwischen 0,11 (Japan) und 0,61 (USA) aufweisen. Die Korrelationen zwischen REITs und Anleihen fallen hingegen geringer aus mit einem Höchstwert von 0,28 (USA) und Tiefstwerten von -0,11 (UK und Japan). Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse und insbesondere der generell hohen Korrelation zwischen Aktien und REITs vermuten Mull/Soenen (1997), dass „the potential for risk reduction through portfolio diversification through REITs is somewhat limited.“56 Im weiteren Verlauf ihrer Studie berechnen sie für jedes Land optimale Portfolios nach dem Kriterium einer möglichst hohen Sharpe-Ratio. Zunächst berechnen sie dieses Portfolio lediglich für die Assetklassen Aktien und Anleihen und fügen anschließend USamerikanische REITs hinzu. Sie stellen fest, dass lediglich Investoren aus UK und Kanada einen Anteil US-REITs im optimalen Portfolio halten sollten. Während dieses Ergebnis in Kanada auf die unterlegene Performance des Aktienmarktes zurückzuführen ist, vermag eine Zumischung von REITs in dem Portfolio eines UK-Investors bei konstantem Risiko die Performance um 1,57 % zu erhöhen. Des Weiteren betonen Mull/Soenen (1997) die Instabilität der Beziehungen der Assets zueinander, wenn sie den Beobachtungszeitraum in zwei Subperioden einteilen. Es zeigt sich, dass in den optimalen Länderportfolios der ersten Subperiode von 1985 bis 1990 REITs nicht vertreten sind. In der zweiten Periode von 1991 bis 1994 ist der Anteil von US-REITs dagegen deutlich höher und ihre Zumischung führt zu deutlich höheren Renditen und Sharpe Ratios. Eine konkrete Aussage bezüglich des Diversifikationspotentials von US-REITs unterbleibt also. Stattdessen verweisen Mull/Soenen (1997) auf die intertemporal instabilen Beziehungen der Assets zueinander, was eine Portfoliooptimierung auf Vergangenheitsdaten problematisch macht. Vor diesem Hintergrund untersuchen Lee/Stevenson (2005) den Zusammenhang zwischen dem Diversifikationspotential von REITs im Mixed-Asset-Portfolio und dem unterstellten Anlagehorizont. Hierfür verwenden sie ebenfalls ein internationales Mixed-Asset-Portfolio, um auf dieser Basis effiziente Portfolios für vier variierende Zeithorizonte von 5 Jahren bis hin zu 20 Jahren zu ermitteln. Ihr Datenset umfasst dabei einen Zeitraum von 1980 bis 2002. Das Mixed-Asset-Portfolio besteht aus dem NAREIT-Index, zudem aus dem S&P 500 (Large Caps), verschiedenen Wilshire-Indizes, die Aktien geringer und mittlerer Marktkapitalisierung (Small- und Mid-Caps) repräsentieren, diversen DataStream-Indizes, um USAnleihen für verschiedene Laufzeiten abzubilden, sowie MSCI-Indizes, die den asiatischen und den europäischen Aktienmarkt abbilden sollen. Als Ergebnis erhalten Lee/Stevenson (2005) Bestätigung dafür, dass eine Einbeziehung von REITs in das Mixed-Asset-Portfolio über alle vier Anlagehorizonte positive Diversifikationseffekte bewirkt und somit die effizienten Portfolios stets einen Anteil REITs enthalten. Zudem stellen sie fest, dass der Anteil der REITs im Portfolio mit zunehmendem Investmenthorizont ebenfalls zunimmt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bisherigen Untersuchungsergebnisse uneinheitlich sind und die Frage, ob REITs in einem internationalen Mixed-Asset-Portfolio Potential zur Risikoreduktion bieten, nur eingeschränkt beantwortet werden kann. So offenbaren die empirischen Studien eine starke Abhängigkeit der Ergebnisse von den jeweils zugrunde liegenden Zeiträumen. 56
Mull/Soenen (1997), S. 57
3.6.4.1 Diversifikationspotential von US-REITs
235
3.6.4.1.4 US-REITs und direkte Immobilienanlagen im MixedAsset-Portfolio Die Studien von Giliberto (1990), Paladino/Mayo (1995, 1998) und Hartzell et al. (1999) zeigen, dass im Gegensatz zu REITs die Korrelationen zwischen direkten Immobilienanlagen (NCREIF-Index) und Aktien sehr gering sind. So betragen die Korrelationen für den längsten Betrachtungszeitraum von 1978 bis 1998 zwischen dem NCREIF-Index und dem S&P 500 0,04.57 Folglich können REITs, die relativ hohe Korrelationskoeffizienten zu dem S&P 500 und dem Russel 2000 aufweisen, nicht als Substitute für direkte Immobilienanlagen bei der Portfoliobildung verwendet werden.58 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob REITs ein Diversifikationspotential besitzen, auch wenn das Mixed-Asset-Portfolio schon direkte Immobilienanlagen enthält.59 Eine der ersten Studien die Diversifikationseffekte durch eine Beimischung von direkten wie auch indirekten Immobilien im Mixed-Asset-Portfolio untersucht bietet Feldman (2003). Den Markt für direkte Immobilien deckt er mit dem NCREIF-Index ab, während REITs durch den NAREIT Equity-REIT-Index repräsentiert werden. Für den Zeitraum von 1987 bis 2001 findet er heraus, dass sowohl direkte Immobilien als auch REITs sich in effizienten Portfolios wieder finden. Der errechnete maximale Anteil von Immobilienanlagen (REITs und direkte Immobilienanlagen) in einem effizienten Portfolio beträgt ca. 45 %. Dabei gehen REITs mit 15 % und direkte Immobilien mit 30 % ein. Mueller/Mueller (2003) bilden ebenfalls Mixed-Asset-Portfolios, die eine Kombination von direkten Immobilienanlagen (NCREIF-Index) und REITs (NAREIT-Equity-REIT-Index) beinhalten. Diese konstruieren sie über fünf verschiedene Perioden von 5 Jahren bis 25 Jahren. Für alle diese Perioden finden sie zunächst geringe Korrelationskoeffizienten zwischen REITs und direkten Immobilienanlagen, was auf ein hohes Diversifikationspotential von REITs schließen lässt. Dies bestätigen sie dann auch anhand der Berechnung von Effizienzlinien, die durch die Einbeziehung von REITs günstigere Relationen zwischen Rendite und Risiko bieten. Die Erkenntnisse der Studien lassen vermuten, dass ein Investment in direkte Immobilienanlagen nicht durch eine Anlage in REITs substituiert werden kann. Dies zeigt sich beispielsweise in den geringen Korrelationen zwischen direkten Immobilienanlagen und REITs. Dies bedeutet gleichzeitig, dass REITs zur Diversifikation eines Portfolios beitragen, wenn dieses zum Teil schon aus direkten Immobilienanlagen besteht. Wären REITs und direkte Immobi57
Im gleichen Zeitraum betragen die Korrelationen zwischen dem NCREIF und dem Russel 2000 auch nur 0,05
58
„…the absence of correlation between EREITs and traditional real estate returns suggest the EREIT returns are not reasonable substitutes for unsecuritized real estate investments.“ Giliberto (1990), S. 260
59
Seiler/Webb/Myer (2001) testen in einer empirischen Studie, ob REITs bei der Portfoliobildung und Umstrukturierung als Substitute für direkte (private) Immobilien dienen können. Sie vergleichen zunächst den NCREIF mit dem NAREIT und anschließend beide Indizes im Mixed-Asset-Portfolio. Dabei gehen sie nach verschiedenen Immobilientypen vor. Sie stellen fest, dass die unterschiedlichen Immobilienanlagen nicht als Substitute geeignet sind. Zu einem gleichen Ergebnis kommen auch Georgiev/Gupta/Kunkel (2003)
236
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen
lienanlagen perfekte Substitute, wäre eine Zumischung von REITs in ein Portfolio, das direkte Immobilienanlagen umfasst, redundant.60
3.6.4.1.5 Zentrale Erkenntnisse zum Diversifikationspotential von US-REITs Die zitierten Studien zum Diversifikationspotential von US-amerikanischen REITs bedienen sich unterschiedlichster Analysemethoden und beziehen sich zudem auf verschiedene Untersuchungszeiträume. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, dass die empirischen Analysen zu differierenden Ergebnissen gelangen. Die gewonnenen Erkenntnisse, in denen die vorgestellten Studien weitgehend übereinstimmen, werden im Folgenden überblicksartig zusammengefasst: • REIT-Renditen weisen einen recht hohen Gleichlauf mit Aktienrenditen auf. • Ein noch höherer Gleichlauf lässt sich zwischen REIT- und Small Cap-Renditen feststellen. • Die Korrelationskoeffizienten zwischen REITs und Anleihen fallen hingegen sehr gering aus. • Die beschriebenen Beziehungen zwischen den Renditen von REITs und denen anderer Assetklassen verändern sich im Zeitablauf und sind somit stark vom Betrachtungszeitraum abhängig. • In Phasen fallender Aktienkurse korrelieren REIT-Renditen stärker mit Aktienrenditen als in Phasen steigender Kurse. • Insgesamt zeigt sich, dass REITs ein gewisses Diversifikationspotential im Rahmen eines Mixed-Asset-Portfolios bieten. • In einem internationalen Mixed-Asset-Portfolio ist dieses Diversifikationspotential neben dem Betrachtungszeitraum auch stark von dem Blickwinkel des hypothetischen internationalen Investors abhängig. • Zudem besteht Evidenz dafür, dass direkte Immobilienanlagen und REITs keine perfekten Substitute sind, was durch niedrige Korrelationskoeffizienten zwischen den Assetklassen verdeutlicht wird.61 • Dies ist wiederum der Grund für einen Diversifikationseffekt, den REITs bewirken, wenn das Mixed-Asset Portfolio bereits direkte Immobilienanlagen enthält.
60
In diesem Kontext stellt sich zusätzlich die Frage, ob der REIT-Markt integriert ist mit dem Markt für direkte Immobilienanlagen. Dies würde bedeuten, dass gemeinsame Faktoren existieren, die beide Märkte beeinflussen und auf lange Sicht die Zeitreihen zu einem gemeinsamen Gleichgewicht führen. Die Diversifikationspotentiale von REITs würden dann, insbesondere bei einer langfristigen Betrachtung, eventuell nicht mehr vorhanden sein und eine Einbindung von REITs neben direkten Immobilienanlagen wäre ohne Wirkung. Studien, die die Integrationsbeziehung von REIT- und direkten Immobilienmärkten analysieren, bieten exemplarisch Glascock/Lu/So (2000)
61
Siehe hierzu den anschließenden Beitrag von Morawski und Rehkugler
3.6.4.2 Europäische Immobilienaktien im Mixed-Asset- Portfolio
237
3.6.4.2 Europäische Immobilienaktien im Mixed-AssetPortfolio Die Zahl der Studien, die das Diversifikationspotential von europäischen Immobilienaktien untersuchen, ist gegenüber den Analysen zu US-REITs schon aufgrund der geringeren Volumina und – damit zusammenhängend – der wenigen verfügbaren Daten weit geringer. Der Markt für europäische Immobilienaktien wird häufig durch den FTSE EPRA/NAREIT-Index abgebildet, der je nach länderspezifischer Ausgestaltung sowohl REITs als auch Immobilienaktien, die keinen REIT-Status besitzen, umfasst. Diesen Marktindex für europäische Immobilienaktien verwenden Bond/Glascock (2006). Sie bieten eine aktuelle Studie zum Diversifikationspotential von Immobilienaktien im MixedAsset-Portfolio auf europäischer Ebene. Der Markt für europäische Immobilienaktien und der für Immobilienaktien der einzelnen europäischen Länder wird durch den jeweiligen FTSE EPRA/NAREIT-Index repräsentiert. Bond/Glascock (2006) vergleichen die Renditen von europäischen Aktien (MSCI Europe) mit den Renditen von europäischen Immobilienaktien und stellen fest, dass in dem Untersuchungszeitraum (1990-2006) die Renditen der Immobilienaktien sowohl absolut als auch risikoadjustiert den Aktienmarkt nicht übertreffen. Werden jedoch einzelne Teilperioden betrachtet, fällt auf, dass die Immobilienaktien in einer Zeitspanne von 2000 bis 2006 eine bessere Performance bieten als Aktien. Bond/Glascock folgern, dass europäische Immobilienaktien defensive Werte sind, die grundsätzlich auf dieselben Faktoren reagieren wie der Aktienmarkt, aber eben nicht so stark. In den Jahren des „Dot.com Crash“ 2000 und 2001 kann sogar gezeigt werden, dass Immobilienaktien eine gegenläufige Entwicklung zu Aktien aufweisen. Diese defensive Natur von Immobilienaktien ergibt sich aus den Immobilienportfolios, die den Immobilienaktien zugrunde liegen. Diese lassen solide Überschüsse erwarten, die in der Regel weniger von allgemeinen Marktfaktoren abhängen. Zur Überprüfung des Diversifikationspotentials von Immobilienaktien konstruieren Bond/Glascock jeweils für die Länder Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien, Schweden, Schweiz und UK ein Mixed-Asset-Portfolio, welches Aktien, Anleihen und eine Kassenposition umfasst. Diesen Länderportfolios fügen sie zunächst 10 % und dann 20 % Immobilienaktien bei. Es zeigt sich, dass sich die Rendite durch Immobilienaktien erhöht und zusätzlich das Risiko − gemessen als Standardabweichung − reduziert werden kann. Dies lässt sich für die meisten Länder feststellen, außer für Italien, Spanien und UK, in denen sich neben der Rendite auch das Risiko (marginal) erhöht. Die Studie von Bond/Glascock zeigt zudem die Korrelationen zwischen europäischen Immobilienaktien, Aktien, Anleihen und einer Kassenposition. Zwischen Aktien und Immobilienaktien besteht eine relativ hohe Korrelation von 0,46. Hingegen fällt der Korrelationskoeffizient zwischen Immobilienaktien und Anleihen bzw. der Kassenposition sehr gering mit 0,06 bzw. negativ mit -0,09 aus. Trotz der hohen Korrelation zum Aktienmarkt bieten europäische Immobilienaktien also ein Diversifikationspotential im europäischen Mixed-Asset-Portfolio. Sebastian/Sturm (2007) errechnen über einen Zeitraum von 1990 bis 2006 ebenfalls hohe Korrelationen zwischen europäischen Immobilienaktien (FTSE EPRA/NAREIT Europe) und
238
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen
europäischen Aktien (MSCI Europe). Sie berechnen jeweils 5-Jahres-Korrelationen und weisen eine intertemporal relativ stabile Korrelation aus mit einem Durchschnittswert von 0,715 und einer Standardabweichung von 0,108. In einer weiteren Analyse zeigen Sebastian/Sturm (2007) niedrige Korrelationen zwischen europäischen Immobilienaktien und Anleihen. Der Markt für europäische Immobilienaktien wird durch den FTSE EPRA/NAREIT Europe abgebildet, während der Anleihemarkt jeweils durch den deutschen, den britischen und den US-amerikanischen Anleihemarkt repräsentiert wird.62 Die ausgewiesenen durchschnittlichen 5-Jahres-Korrelationen betragen -0,133 zwischen deutschen Anleihen und europäischen Immobilienaktien, -0,149 zwischen UK-Anleihen und europäischen Immobilienaktien sowie -0,263 zwischen US-Anleihen und europäischen Immobilienaktien. Die Entwicklung der Korrelationen zwischen europäischen Immobilienaktien und den jeweiligen Anleihemärkten in Deutschland, UK und den USA zeigt Abbildung 3.6-8.
Abb. 3.6- 8 Rollierende Korrelationen zwischen europäischen Immobilienaktien und Anleihen (1995-2006) Quelle: Sebastian/Sturm (2007), S. 20
Jandura (2003) bietet ebenfalls eine Korrelationsanalyse zwischen europäischen Immobilienaktien und europäischen Aktien sowie Anleihen. Als Proxy für den Markt europäischer Immobilienaktien verwendet sie den GPR 250 Europa, als Repäsentant des Aktienmarktes den DataStream-Index TOTMKEU63 sowie den Europa Bond-Index für den europäischen Anleihemarkt. Ihr Beobachtungszeitraum erstreckt sich auf die Zeitspanne von 1990 bis 2002. Die Korrelation zwischen Immobilienaktien und Aktien fällt in diesem relativ hoch aus mit 62
Dabei werden die Anleihemärkte jeweils durch einen „DataStream Total All Lives Government Bond Index“ widergespiegelt, der Anleihen unterschiedlicher Liquiditätsstufen umfasst, um die gesamte Anleihenmarktentwicklung abzudecken. Vgl. Sebastian/Sturm (2007), S. 9
63
Total Market Index Europe
3.6.4.3 Deutsche Immobilien-AGs im Mixed-Asset- Portfolio
239
0,587, während die Korrelation zwischen den Immobilienaktien und Anleihen mit 0,326 relativ gering ausfällt. Eine Zerlegung des Beobachtungszeitraumes in zwei Teilperioden verdeutlicht die Abnahme der Korrelationen im Zeitablauf. So betragen die Korrelationen in der ersten Teilperiode von 1990 bis 1995 zwischen Immobilienaktien und Aktien 0,836 beziehungsweise 0,569 zwischen Anleihen und Immobilienaktien. In der zweiten Teilperiode von 1996 bis 2002 fallen die Korrelationen deutlich geringer aus mit 0,375 (Immobilienaktien und Aktien) beziehungsweise 0,077 (Immobilienaktien und Anleihen). Einen recht hohen Gleichlauf von Immobilienaktien einzelner europäischer Länder mit Aktien und einen relativ niedrigen mit Anleihen zeigen auch frühere Studien. Beispielsweise zeigen Maurer/Sebastian/Stephan (2000) für britische und französische Immobilienaktien über einen Zeitraum von 1980 bis 1998 solche Korrelationen. Für französische Aktien (CAC 40) und französische Immobilienaktien ermitteln sie einen Korrelationskoeffizienten von 0,52. Zu französischen Anleihen (SBWG-Frankreich) weisen Immobilienaktien hingegen eine Korrelation von 0,35 auf. Auch britische Immobilienaktien haben in diesem Betrachtungszeitraum einen recht hohen Gleichlauf mit Aktien (FTSE 30) von 0,66, während die Korrelation zu britischen Anleihen mit 0,34 geringer ausfällt.
3.6.4.3 Deutsche Immobilien-AGs im Mixed-AssetPortfolio Der Markt deutscher Immobilienaktien wird meist mit Hilfe des Deutschen Immobilienaktienindex (DIMAX) des Bankhauses Ellwanger & Geiger,64 dessen Konstruktion jener des DAX gleicht. Aufgrund des engen Marktes wurden bisher keine Grenzen bezüglich der Marktkapitalisierung oder Mindestquoten hinsichtlich des Streubesitzes festgelegt. Einzige Bedingung für die Aufnahme in den Index ist, dass mindestens 75 % des Ertrags der Aktiengesellschaft aus dem Immobiliengeschäft generiert wird. Daher umfasst der DIMAX praktisch alle deutschen Immobilienaktiengesellschaften.65 Hierunter befinden sich nicht nur Immobilienbestandshalter, sondern auch Unternehmen, die vorwiegend Immobilienverwaltung, -handel, -entwicklung und -beratung betreiben. In einer der ersten Studien zum Diversifikationspotential deutscher Immobilienaktien verwenden Maurer/Sebastian (1998) den DIMAX lediglich als Ausgangspunkt. Sie beziehen in ihre Analysen nur solche Gesellschaften ein, deren Unternehmenszweck zum überwiegenden Teil in der Vermietung und Verpachtung von Immobilien besteht.66 Als Proxies für den deut64
Siehe hierzu Beck (2003)
65
Zum Stichtag 1.6.2008 wurden im DIMAX 75 Immobilienaktien erfasst. Informationen zur anteiligen Zusammensetzung finden sich auf der Homepage des Bankhauses Ellwanger & Geiger
66
Vgl. auch die Studie von Nelles et al. (2002). Sie konstruieren Portfolios, die lediglich aus Immobilienaktien (Ausgangspunkt DIMAX) und Aktien (DAX) bestehen, und kommen zu dem Schluss, dass „Immobilien-AGs und Aktienwerte nicht perfekt positiv miteinander korreliert sind und durch Kombination beider Anlagemög-
240
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen
schen Aktienmarkt ziehen Maurer/Sebastian (1998) den DAX und für den Markt für Bundesanleihen den deutschen Rentenindex REXP heran. Ihr gesamter Analysezeitraum er streckt sich auf die Jahre von 1976 bis 1996. Die Korrelationskoeffizienten zwischen Immobilienaktien und Aktien sowie zwischen Immobilienaktien und Anleihen wiesen über den gesamten Zeitraum Werte von 0,39 bzw. von 0,05 auf.67 Es zeigt sich, dass Immobilienaktien eher einen Gleichlauf mit Aktien aufweisen als mit Anleihen, von denen sie sich fast unabhängig entwickeln. Die Korrelationskoeffizienten zwischen Immobilienaktien und Anleihen fallen zwischen den vier gleichlangen Subperioden sehr unterschiedlich aus. So nehmen sie Werte von -0,03 bis 0,2 an. Zwischen Immobilienaktien und Aktien schwanken die Werte zwischen 0,22 und 0,52. In einem zweiten Schritt folgt der Korrelationsanalyse eine Portfoliooptimierung. Das Optimierungskriterium stellt hierbei eine möglichst hohe Sharpe-Ratio dar. Zunächst werden Portfolios berechnet, die lediglich aus Aktien und Anleihen bestehen, um diese anschließend mit Portfolios zu vergleichen, die aus allen drei Assetklassen − Aktien, Anleihen und Immobilienaktien − bestehen. Es zeigt sich, dass sich durch Beimischung von Immobilienaktien geringfügig höhere Sharpe-Ratios realisieren lassen. Diese Ergebnisse fallen zwischen den einzelnen Teilperioden unterschiedlich aus, so lässt sich die SharpeRatio in der Teilperiode von 1986 bis 1990 erheblich von 0,17 auf 0,30 steigern. Durch einen Signifikanztest stellen Maurer/Sebastian (1998) jedoch fest, dass die Beimischung von Immobilienaktien zu keiner signifikanten Effizienzsteigerung führt im Vergleich mit einem Portfolio, das aus Aktien und Anleihen besteht. Zudem führen sie eine ex-ante Optimierung durch. Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine Beimischung von Immobilienaktien nicht vorteilhaft ist. Die Portfolios aus Aktien und Anleihen dominieren hier die Portfolios, die aus Aktien, Anleihen und Immobilienaktien bestehen. Folglich können Maurer/Sebastian (1998) kein signifikantes Diversifikationspotential von deutschen Immobilienaktien nachweisen. Dieses Ergebnis bestätigen Maurer/Sebastian (1999) durch eine weitere Studie, die zwar auf derselben Datengrundlage aufbaut, sich jedoch einer anderen Optimierungsmethode bedient. Sie teilen die Betrachtungsperiode in einen Schätz- und in einen Optimierungszeitraum auf. Der Schätzzeitraum umfasst 60 Monate, auf dieser Grundlage finden die Portfoliooptimierungen statt. Das Portfolio wird dann einen Monat lang gehalten. Sie berechnen ein varianzminimales Portfolio, ein naives Portfolio, das sich aus jeweils gleichen Anteilen zusammensetzt, sowie ein Portfolio, das die gleiche Varianz aufweist wie das naive Portfolio, jedoch effizient ist. Im Ergebnis spielen Immobilienaktien kaum eine Rolle für einen konservativen Anleger. Das varianzminimale Portfolio besteht lediglich zu 6 % aus Immobilienaktien. Sie dienen daher eher der Erhöhung von Renditechancen bei aggressiven Anlagestrategien. Die Ergebnisse der Korrelationsanalyse werden für einen aktuelleren Beobachtungszeitraum von 1980 bis 1998 durch Maurer/Sebastian/Stephan (2000) nochmals bestätigt. Hier ergibt sich ein Korrelationskoeffizient zwischen Immobilienaktien und dem deutschen Aktienmarkt (DAX) von 0,41 und zwischen den Immobilienaktien und dem REXP von 0,02. Daneben lichkeiten ein Portfolio konstruierbar ist, welches eine alleinige Investition in eine der beiden Anlageformen outperformt“. Nelles et al. (2002), S. 13 67
Vgl. auch Maurer/Sebastian (1999), S. 177 sowie Beck (2000), S. 202, der für den Zeitraum von 1989 bis 1999 einen Korrelationskoeffizienten zwischen DIMAX und DAX von 0,3745 errechnet
3.6.4.4 Offene Immobilienfonds im Mixed-Asset-Portfolio
241
stellen Maurer/Sebastian/Stephan eine schwache Korrelation zwischen direkten Immobilienanlagen68 und Immobilienaktien von 0,03 fest. Der relativ hohe Gleichlauf mit dem Aktienmarkt und die niedrige Korrelation mit dem direkten Immobilienmarkt entsprechen den Beobachtungen der oben aufgeführten Studien, die eine Korrelation zwischen US-amerikanischen REITs und direkten Immobilienanlagen berechnen. Maurer/Sebastian/Stephan (2000) interpretieren ihr Ergebnis in der Art, dass Immobilienaktien ein geringeres Diversifikationspotential erwarten lassen als direkte Immobilienanlagen. In einer weiteren empirischen Analyse zum Diversifikationspotential von indirekten Immobilienanlagen verwenden Hübner/Schwaiger/Winkler (2004) im Gegensatz zu Maurer/ Sebastian (1998, 1999) und Maurer/Sebastian/Stephan (2000) den gesamten DIMAX und finden für einen Betrachtungszeitraum von 1989 bis 2002 eine niedrigere Korrelation der Rendite vom DIMAX mit der DAX-Rendite von 0,349. Noch geringer ist jedoch die Korrelation von DAX und REXP, der zur Abbildung des deutschen Rentenmarktes herangezogen wurde. Sie weist einen Wert von -0,099 auf. Dies lässt zunächst auf ein sehr hohes Diversifikationspotential von Immobilienaktien im Mixed-Asset- Portfolio, das hier aus dem DAX und dem REXP besteht, schließen. Im weiteren Verlauf ihrer Untersuchung berechnen Hübner/Schwaiger/Winkler (2004) ein Minimum- Varianz-Portfolio, ein Tangentialportfolio und ein naives Portfolio, das wiederum alle einbezogenen Assetklassen jeweils zu gleichen Anteilen beinhaltet. Nach einem Signifikanztest stellt sich jedoch auch diesmal heraus, dass eine Einbeziehung von Immobilienaktien keine signifikanten Performanceverbesserungen mit sich bringt. Keine der Studien zum Diversifikationspotential deutscher Immobilien-AGs kann für diese einen signifikanten Diversifikationseffekt im Mixed-Asset-Portfolio bestätigen. Es konnte für die untersuchten, nicht aktuellen Zeiträume lediglich festgestellt werden, dass Immobilienaktien eine relativ hohe Korrelation zu Aktien aufweisen und eine relativ niedrige zu Anleihen. Demnach wird die Verwendung von Immobilienaktien als Substitut für direkte Immobilien ebenfalls abgelehnt.
3.6.4.4 Offene Immobilienfonds im Mixed-AssetPortfolio Eine bisher aufgrund ihrer geringen internationalen Bedeutung vernachlässigte Teilklasse verbriefter Immobilienprodukte stellen Offene Immobilienfonds dar. Die folgenden Ausführungen sollen ihrem potentiellen Beitrag zu diversifizierten Mixed-Asset-Portfolios gelten. Sämtliche Studien zum Diversifikationspotential deutscher Offener Immobilienfonds weisen für diese niedrigere Korrelationen zu denmeisten anderen Assetklassen aus als für Immobi-
68
Als Repräsentant für deutsche direkte Immobilienanlagen wird der IMMEX berechnet. Zur Berechnungsmethode und Datengrundlage siehe Maurer/Sebastian/Stephan (2000), S. 8 ff.
242
3.6.4 Das Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen
lienaktien. Beispielsweise weist Beck (2000) in einem Zeitraum von 1989 bis 1999 zwischen deutschen Aktien (DAX) und deutschen Offenen Immobilienfonds einen Korrelationskoeffizienten von 0,1416 aus. Der Korrelationskoeffizient zwischen DAX und DIMAX beträgt in demselben Zeitraum 0,3745.69 Maurer/Stephan (1996) konstruieren eine Rendite-Benchmark zur Messung des Anlageerfolges von Offenen Immobilienfonds. Die eigentliche Idee dahinter ist es, die durchschnittliche Immobilienrendite aus der Grundgesamtheit der Immobilienfonds zu ermitteln und diese als Vergleichsmaßstab zu verwenden.70 Dabei dienen die Rechenschafts- und Zwischenberichte der sieben größten deutschen Immobilienfonds als Datenbasis. Diese Fonds decken in dem betrachteten Zeitraum von 1980 bis 1993 80 % des Liegenschaftsvermögens aller Fonds ab. Neben der Messung des Anlageerfolgs, kann die konstruierte Benchmark zudem als Repräsentant von Investments in Offene Immobilienfonds angesehen werden und stellvertretend für diese Assetklasse in Portfoliooptimierungskalkülen als Inputfaktor benutzt werden. Erste Erkenntnisse hinsichtlich des Diversifikationspotentials einer Anlage in Offene Immobilienfonds erbringt eine Korrelationsanalyse, die einen Korrelationskoeffizienten von -0,28 zu Aktien (DAFOX) und von -0,42 zu Anleihen (REXP) zeigt. Diese sogar negativen Korrelationen lassen ein starkes Diversifikationspotential vermuten, was Maurer/Stephan (1996) auch durch eine Portfoliooptimierung bestätigen. Das varianzminimale Portfolio weist ohne die Berücksichtigung einer Anlage in Offene Immobilienfonds eine Standardabweichung von 5,14 % auf, während durch eine Einbeziehung die Standardabweichung auf 1,32 % reduziert werden kann. Maurer/Reiner/Rogalla (2004) messen für den langen Zeitraum von 1975-2003 davon deutlich abweichende Korrelationen. Sie kommen auf Werte um Null zum deutschen Aktienmarkt (DAX), während sie Korrelationskoeffizienten zwischen 0,62 und 0,88 mit dem Geldmarkt und zwischen 0,41 und 0,54 mit deutschen Rentenpapieren (REXP) finden, jeweils schwankend in Abhängigkeit von der Messung der Renditen als nominale oder reale Größen bzw. von Monats- oder Jahresrenditen. Der Beitrag zur Verbesserung von MixedAsset Portfolios durch die Zumischung von Offenen Immobilienfonds steigt nach ihrer Untersuchung stark mit zunehmendem Anlagehorizont und auch mit zunehmender Steuerbelastung des Investors. Während im Falle ohne Steuer die Zumischung Offener Immobilienfonds überraschenderweise nur für Investoren mit hoher Risikoneigung (und langem Anlagehorizont) vorteilhaft ist, verbessern Offene Immobilienfonds bei hohen Steuersätzen auch bei niedriger Risikoneigung die Portfolioperformance. Eine vergleichende Analyse von Offenen Immobilienfonds und Immobilienaktien im MixedAsset-Portfolio leisten Hübner/Schwaiger/Winkler (2004). Sie konstruieren vor dem Hintergrund einer niedrigen Korrelation zwischen DIMAX und ihrem selbst entwickelten Index für Offene Immobilienfonds (OIF) verschiedene Portfolios. Ausgangspunkt ist immer ein Basisportfolio, welches aus dem DAX und REXP besteht. Diesem fügen sie jeweils entweder 69
Eine Analyse des Diversifikationspotentials Offener Immobilienfonds in der Schweiz bieten Anderson/Hoesli (1991). Sie berechnen einen Korrelationskoeffizienten von 0,37 zu Aktienfonds und von 0,62 zu Anleihefonds. Anhand einer Effizienzlinienberechnung zeigen sie, dass durch die Einbeziehung von Immobilienfonds effizientere Portfolios realisiert werden können
70
Vgl. Maurer/Schulte (1995), S. 491 ff.
3.6.4.5 Direkte und indirekte Immobilienanlagen
243
Immobilienaktien oder Offene Immobilienfonds zu. Sie gelangen zu der Aussage, dass sich sowohl durch die Beimengung von Immobilienaktien als auch durch die Aufnahme von Offenen Immobilienfonds in das Basisportfolio eine Verbesserung der Performance erzielen lässt. Des Weiteren untersuchen sie die Wirkung der Hinzunahme einer Form der verbrieften Immobilienanlage, wenn das Portfolio bereits schon eine andere verbriefte Immobilienanlage umfasst. Hier ergeben sich zentrale Unterschiede zwischen Offenen Immobilienfonds und Immobilienaktien. Offene Immobilienfonds sind insbesondere für Portfolios, die ein geringes Risikoniveau anstreben, von großer Bedeutung. Demgegenüber erscheinen Immobilienaktien vor allem für Portfolios geeignet, die recht risikoreich sind. Eine jüngst im Auftrag des BVI von Johannig und Rudolph durchgeführte Studie zum Beitrag Offener Immobilienfonds zur Asset Allocation für private und institutionelle Investoren71 kommt zusammenfassend zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Beimischung von Offenen Immobilienfonds zu einem Portfolio aus internationalen Aktien- Renten- und Geldmarktindizes bei konstant gehaltener Portfoliorendite das Risiko sowohl risikoarm investierender Privatanleger als auch von deutlich riskanter investierenden privaten und institutionellen Anlegern signifikant (zwischen 21 und 32 %) zu senken vermag und dass für private wie für institutionelle Investoren die erreichbaren Effizienzlinien kräftig nach oben verschoben werden. Den Forschern stand mit dem Renditen, Volatilitäten und Korrelationen für den Zeitraum von 1991-2008 eine recht lange Datenreihe zur Verfügung. Interessant, aber aufgrund der relativen Stabilität der Renditen Offener Immobilienfonds verständlich ist der Befund, dass eine Zumischung Offener Immobilienfonds zu den anderen Assetklassen die durchschnittlich zu erwartende Minimalrendite deutlich verbessert (also in schlechten Fällen den „Absturz“ abfedert) und dass diese Wirkung mit steigendem Anlagehorizont noch zunimmt.
3.6.4.5 Direkte und indirekte Immobilienanlagen in internationalen Mixed-Asset-Portfolios Die erste Studie, die Immobiliengesellschaften im Rahmen von internationalen Mixed-AssetPortfolios analysiert, stammt von Maurer/Reiner (2002). Ihr Datenset berücksichtigt den Zeitraum von 1985 bis 2001. Ihr internationales Mixed-Asset-Portfolio besteht zum einen aus Aktien von Deutschland, UK, Frankreich, der Schweiz und den USA, die jeweils mittels eines MSCI Aktien-Index abgebildet werden. Für die Anleihemärkte dieser Länder wird der DataStream Goverment Bond-Index verwendet. Die verbrieften Immobilienanlagen werden für den US-amerikanischen Markt mittels des NAREIT-Index abgebildet. Für die Schweiz wird der BOPP Swiss Real Estate Fund-Index und für England der FTSE Property-Index herangezogen. Um die Assetklasse der verbrieften Immobilienanlagen in Frankreich und in der Schweiz zu repräsentieren, wird für beide Länder ein Index konstruiert, der sowohl
71
Vgl. BVI (2008)
244
3.6.5 Eigene empirische Berechnung zum Diversifikationspotential
Offene Immobilienfonds als auch Immobilienaktien enthält. Auf dieser Datengrundlage führen sie aus Sicht von deutschen und amerikanischen Investoren für den Fall von gesicherten und ungesicherten Währungsrisiken verschiedene Portfoliooptimierungen durch. Dabei vergleichen sie die Ergebnisse von Portfolios, die lediglich aus Aktien und Renten bestehen, mit Portfolios, die sich aus allen drei Assetklassen zusammensetzen. Maurer/Reiner (2002) stellen fest, dass sowohl bei der ex-ante als auch bei der ex-post Optimierung für beide Investortypen eine starke Risikovernichtung durch die Beimischung von Immobilienaktien in das Portfolio resultiert. Den Effekt der Risikoreduktion messen Maurer/Reiner (2002) mittels eines Downside-Risikomaßes, der Sortino Ratio.72 Insbesondere für ex post optimierte Portfolios zeigt sich, das die Beimischung von verbrieften Immobilienanlagen zu vorteilhafteren, höheren Sortino-Ratios führt. Bei ex ante optimierten Portfolios kann keine einheitliche Aussage zur Sortino-Ratio getroffen werden, da eine Risikoreduktion hier teilweise mit einer Renditeeinbuße einhergeht. Hoesli/Lekander/Witkiewicz (2004) bieten eine Studie, in der für sieben Länder in drei Kontinenten Mixed-Asset Portfolios gebildet werden, die neben einer Kassenposition auch internationale und nationale Aktien und Anleihen- sowie Immobilienaktien und direkte Immobilienanlagen enthalten. Alle Analysen beziehen sich auf einen Zeitraum von 1987 bis 2001 und werden sowohl mit abgesicherten Währungspositionen als auch mit nicht abgesicherten Währungspositionen durchgeführt. Während sie zeigen, dass für alle Berechnungen direkte Immobilieanlagen in effiziente Portfolios eingehen, „real estate stocks seldom enter the efficient combinations of assets.“73
3.6.5 Eigene empirische Berechnung zum Diversifikationspotential verbriefter Immobilienanlagen Wie die meisten empirischen Studien zeigen, bieten verbriefte Immobilienanlagen bei der Mischung mit anderen Assetklassen ein gewisses Diversifikationspotential. Dies wird anhand unserer eigenen Analysen nochmals verdeutlicht. Zum einen wird das Diversifikationspotential für ein US-amerikanisches Mixed-Asset Portfolio und zum anderen für ein deutsches Portfolio dargestellt. Die in den Berechnungen verwendeten Daten erstrecken sich 72
Diese stellt die Überschussrendite ins Verhältnis zum Lower Partial Moment 1. Siehe hierzu Sortino (1994)
73
Hoesli/Lekander/Witkiewicz (2004), S. 191
3.6.5.1 REITs im Mixed-Asset Portfolio in den USA
245
jeweils über einen Zeitraum von Januar 1989 bis November 2006. Bei der Korrelationsanalyse und den Portfoliokonstruktionen werden stetige, monatliche Renditen verwendet. Die expost Optimierung wird in 2,5 %-Schritten durchgeführt.74
3.6.5.1 REITs im Mixed-Asset Portfolio in den USA Die Renditeentwicklung der US-amerikanischen REITs wird, analog zu dem Großteil der vorgestellten empirischen Studien, durch den NAREIT-Index repräsentiert. Die Korrelationen zwischen den drei Assetklassen sind in Abbildung 3.6-9 in Form einer Korrelationsmatrix für den Zeitraum von Januar 1989 bis November 2006 dargestellt. Die Korrelation der Renditen zwischen einem breiten Aktienindex (S&P 500) und dem NAREIT-Index beträgt 0,37. Dies lässt auf ein hohes Diversifikationspotential schließen. Die Korrelation zwischen den Aktienrenditen bzw. REIT-Renditen und den festverzinslichen Anlagetiteln (Lehman Brothers US Aggregate Bond Index) ist mit 0,07 und 0,11 als jeweils sehr gering einzuschätzen.
USA (1989-2006) S&P 500 LB US AG NAREIT
S&P 500 LB US AG 1,00 0,07 1,00 0,37 0,11
Abb. 3.6- 9 Korrelationen zwischen Assetklassen in den USA; Quelle: Eigene Berechnungen
NAREIT 1,00
In welchem Ausmaß REITs zur Risikodiversifikation im Mixed-Asset Portfolio beitragen, kann anhand der Abbildung 3.6-10 illustriert werden. Sie zeigt die Effizienzlinie für Portfoliokonstruktionen zwischen den drei Assetklassen. Es wird deutlich, dass sich günstigere Rendite-Risiko-Kombinationen realisieren lassen, wenn der NAREIT-Index in die Portfoliobildung einbezogen wird. Die untere Effizienzlinie 1 verbindet die effizienten Portfolios, die sich lediglich aus Renten und Aktien zusammensetzen. Effizienzlinie 2 bildet alle effizienten Portfolios ab, die sich aus Aktien, Renten und REITs ergeben. Sie dominiert die Effizienzlinie 1, d.h. bei gleicher Rendite lassen sich Portfolios realisieren, die ein geringeres Risiko aufweisen (bzw. bei gleichem Risiko eine höhere Rendite erzielen). Eine Beimischung von REITs in das Mixed-Asset Portfolio ist demnach vorteilhaft. In dieser Illustration dominiert der NÀREIT Index den Aktienmarkt und stellt auch das Portfolio dar, welches den maxima74
Eine ähnliche Analyse, die eine Korrelationsanalyse der Assetklassen, Aktien Anleihen und verbrieften Immobilienprodukte (REITs und Immobilienaktien) und eine anschließende Berechnung effizienter Portfolios aus diesen Assetklassen leistet, findet sich in Jandura (2003), S.125 ff. Das Datenset bezieht sich zum einen auf Europa und zum anderen auf die USA und umfasst einen Zeitraum von 1990 bis 2002. Auch diese Analyse stellt durch die Beimischung von verbrieften Immobilieprodukten starke Risikoreduktionseffekte fest
246
3.6.5 Eigene empirische Berechnung zum Diversifikationspotential
len Ertrag erwirtschaftet. Aufgrund der Korrelation von Aktien und NAREIT haben die Aktien trotzdem einen positiven Anteil an den effizienten Portfolios. So besteht das MVP jeweils zu 6 % aus Aktien und REITs und zu 88 % aus festverzinslichen Wertpapieren. 13,00%
NAREIT 12,00%
Aktien
Rendite
11,00%
Effizienzlinie 2 10,00%
Effizienzlinie 1 9,00%
8,00%
Renten 7,00% 3,00%
5,00%
7,00%
9,00%
11,00%
13,00%
15,00%
Risiko
Abb. 3.6- 10 Effizienzlinie bei Mischung von Aktien, Renten und REITs (1989-2006); Quelle: Eigene Berechnungen
Durch die Hinzunahme von REITs in ein Mixed-Asset Portfolio ist in den USA für den Beobachtungszeitraum also ein deutlicher Diversifikationseffekt zu erzielen. Dies ist zum einen auf einen Renditeeffekt zurückzuführen, der sich allein dadurch ergibt, dass in dem Beobachtungszeitraum der NAREIT den S&P 500 dominiert. Zum anderen resultiert der Diversifikationseffekt aus den nicht perfekten Korrelationen zwischen den Assetklassen.
3.6.5.2 Immobilien AGs im Mixed-Asset Portfolio in der BRD In Deutschland wird der Markt für börsennotierte Immobiliengesellschaften durch den DIMAX repräsentiert. In Abbildung 3.6-11 sind die Korrelationskoeffizienten zwischen dem DIMAX, einem breiten deutschen Aktienindex (CDAX) und einem Index für festverzinsliche Anlagetitel (REXP) aufgeführt. Die Korrelation zwischen den Aktien und dem DIMAX ist mit einem ausgewiesenen Korrelationskoeffizienten von 0,4 ähnlich dem der US-REITs. Die Korrelationen zwischen Aktien und Renten bzw. zwischen DIMAX und Renten liegen
3.6.5.2 Immobilien AGs im Mixed-Asset Portfolio in der BRD
247
im negativen Bereich. Die Berechnungen beziehen sich dabei ebenfalls auf den Zeitraum von Januar 1989 bis November 2006.
BRD (1989-2006) CDAX REXP DIMAX
CDAX 1,00 -0,05 0,40
REXP
DIMAX
1,00 -0,10
1,00
Abb. 3.6- 11 Korrelationen zwischen Assetklassen in Deutschland; Quelle: Eigene Berechnungen.
Entsprechend den Ergebnissen für die USA wird anhand der Abbildung 3.6-12 deutlich, dass die Immobilien-AGs auch in der BRD die Aktien für den betrachteten Zeitraum dominieren. Durch die Einbeziehung von Immobilien-AGs in ein Mixed-Asset Portfolio verschiebt sich der effiziente Rand nach links oben, so dass günstigere Rendite-Risiko-Kombinationen eingegangen werden können. Es ist gekennzeichnet durch einen erwarteten maximalen Ertrag von 8,1 % bei einer Standardabweichung von 20,1 %. Durch die Aufnahme von ImmobilienAGs in das Portfolio kann die gleiche Rendite schon bei einer Standardabweichung von 9,4 % erzielt werden. Das effiziente Portfolio, das einen Ertrag von 8,1 % verspricht, besteht dann zu 5 % aus Aktien, zu 27,5 % aus Renten und zu 67,5 % aus Immobilien AGs. 9,50%
9,00%
DIMAX 8,50%
Rendite
Effizienzlinie 2 8,00%
Aktien
7,50%
Effizienzlinie 1
7,00%
6,50%
Renten 6,00% 2,00%
4,00%
6,00%
8,00%
10,00%
12,00%
14,00%
16,00%
Risiko
Abb. 3.6- 12 Effizienzlinie bei Mischung von Aktien, Renten und DIMAX (1989-2006) Quelle: Eigene Berechnungen
18,00%
20,00%
22,00%
248
3.6.6 Probleme bei der Konstruktion von Portfolios
Auch in Deutschland lässt sich zeigen, dass die Beimischung von Immobilien-AGs in ein Mixed-Asset Portfolio deutliche Diversifikationseffekte nach sich zieht und somit vorteilhaft gegenüber der Nichteinbeziehung von Immobilien-AGs ist.
3.6.6 Probleme bei der Konstruktion von Portfolios Besondere Kritikpunkte, die sich bei der praktischen Durchführung der Portfoliooptimierung ergeben, stellen die Ermittlung des Modellinputs sowie die Verwertbarkeit des Modelloutputs dar. Während die Verarbeitungsmethodik rein mathematisch-statistisch konstruiert ist und als korrekt unterstellt werden kann, ergeben sich insbesondere bei der Verfügbarkeit des notwendigen Dateninputs Probleme, die in der Regel mittels starker Vereinfachungen gelöst werden. Die Moderne Portfolio Theorie erfordert bei der Konstruktion und Optimierung von Anlegerportfolios die Schätzung der erwarteten zukünftigen Renditen, deren Standardabweichungen sowie der Korrelationsmatrix zwischen den Anlageobjekten. Auch bei der Verwendung von historischen Daten spielen Schätzrisiken eine zentrale Rolle. Zeitstabile Größen vermitteln verständlicherweise mehr Sicherheit, die „richtigen“ Annahmen getroffen zu haben, als Größen, die in der Vergangenheit stark schwankten.75 Daher ist eine deutliche Warnung bei der Verwendung von historischen Mittelwerten angebracht. Historische Größen sind oft intertemporal instabil und hängen somit stark von der jeweiligen, betrachteten Periode ab, wie sich auch anhand der vorgestellten Analysen gezeigt hat. Viele der vorgestellten Studien formulieren Vermutungen bezüglich des Diversifikationspotentials von verbrieften Immobilienanlagen und beziehen sich dabei auf die Analyse von Korrelationen zwischen den einzelnen Assetklassen. Aber auch Korrelationen können stark schwanken. Beispielsweise zeigt sich in den 90er Jahren eine klare Abnahme der Korrelation zwischen US-amerikanischen REITs und Aktien.76 Für Deutschland wurden teilweise ähnliche Aussagen getroffen. 75
Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 375 ff.
76
Siehe hierzu Kapitel 4.1.1.
3.6.5.2 Immobilien AGs im Mixed-Asset Portfolio in der BRD
249
Werden die Korrelationen im Zeitablauf dargestellt, dann zeigt sich eine große zeitliche Instabilität. Abbildung 3.6-13 zeigt die rollierenden 3-Jahres Korrelationen zwischen dem DIMAX und dem CDAX sowie die Korrelationen zwischen DIMAX und REXP. Nach der Jahrtausendwende ist ein Sinken der Korrelationen zwischen DIMAX und Aktien zu beobachten, die ihren Tiefpunkt Ende des Jahres 2001 verzeichnet. Danach steigen die Korrelationen bis zum aktuellen Rand an. Das Diversifikationspotential von Immobilien-AGs in Deutschland ist somit in den letzten Jahren wieder gesunken.
0,8
Korrelationskoeffizient
0,6 0,4 0,2 0 -0,2
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
-0,4 -0,6 Korrelation Aktien DIMAX
Korrelation Renten DIMAX
Abb. 3.6- 13 Rollierende Korrelationen über den Zeitraum von 3 Jahren (Deutschland) Quelle: Eigene Berechnungen
In ähnlicher Weise wie in Deutschland verhalten sich die Korrelationen zwischen dem S&P 500 und dem NAREIT (bzw. zwischen Renten und NAREIT) in den USA, wie anhand von Abbildung 3.6-14 zu beobachten ist. Auch hier stiegen die Korrelationen seit 2002 wieder an.
250
3.6.6 Probleme bei der Konstruktion von Portfolios 0,8
Korrelationskoeffizient
0,6 0,4 0,2 0 1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
-0,2 -0,4 -0,6 Korrelation Aktien NAREIT
Korrelation Renten NAREIT
Abb. 3.6- 14 Rollierende Korrelationen über den Zeitraum von 3 Jahren (USA); Quelle: Eigene Berechnungen
Zur Einschätzung der mit den Schätzfehlern verbundenen Risiken ist allerdings zu beachten, dass fehlerhafte Schätzungen der Renditen sich weitaus stärker als Fehler bei Varianzen und Kovarianzen auswirken, d.h. die Abweichungen zwischen der auf der Basis der Schätzungen berechneten und der tatsächlich realisierten Effizienzlinie sind weit größer.77 Ein letztes praktisches Problem sei noch angesprochen: die Berechnung optimaler Portfolios und die Beiträge einzelner Assetklassen hierzu erfolgt fast immer so (auch wir waren so vorgegangen), dass die Werte der Indices einzelner Assetklassen und Länder/Regionen herangezogen werden. Teilweise sind Investitionen in diese Indizes aber gar nicht möglich, weil kein entsprechendes Produkt existiert, oder nur mit hohen Transaktionskosten erwerbbar. Zusätzlich muss davon ausgegangen werden, dass die meisten Investoren nicht so investiert sind, dass es dem jeweiligen Index entspräche, sondern eine Auswahl aus den möglichen Anlagen getroffen haben. Die abgeleiteten Erkenntnisse zu den Diversifikationseffekten können daher verständlicherweise nicht unmittelbar auf solche Teilportfolios übertragen werden. Ungeachtet der angesprochenen Probleme kommen wissenschaftliche Arbeiten insgesamt zu der Erkenntnis, dass verbriefte Immobilienanlagen als Assetklasse ein gewisses Diversifikationspotential besitzen. Die vorgestellten Studien und die selbst berechneten Beispiele zeigen, dass indirekte Immobilienanlagen positive Risikowirkungen im Portfolio mit sich bringen. Der angemessene Anteil hängt zum einen von der Risikoneigung des Investors, zum andern von den zugrunde gelegten Annahmen über erwartete Renditen, Varianzen und Korrelationen ab.
77
Siehe hierzu exemplarisch die Studien von Chopra/Ziemba (1993) sowie Broadie (1993)
3.7
Risikoverstärkende Effekte bei börsennotierten Immobiliengesellschaften: Repräsentieren verbriefte Immobilien den Aktien- oder den Immobilienmarkt?
Jaroslaw Morawski / Heinz Rehkugler 3.7.1
Das Problem
252
3.7.2
Theoretische Vorüberlegungen
253
3.7.2.1 Immobilien-AGs repräsentieren Immobilien ..........................................................253 3.7.2.2 Immobilien-AGs repräsentieren Aktien ..................................................................254 3.7.3
Analyse der Zusammenhänge über Charakteristika verbriefter Immobilien 256
3.7.4
Stand der Forschung
260
3.7.5
Korrelations- und Laganalyse
264
3.7.5.1 Datenmaterial ..........................................................................................................265 3.7.5.2 Analyse USA ...........................................................................................................266 3.7.5.3 Analyse Großbritannien ..........................................................................................274 3.7.5.4 Analyse Deutschland ...............................................................................................279 3.7.5.5 Ergebnisse und Interpretationen..............................................................................279 3.7.6
Schluss
282
3.7.1 Das Problem Beabsichtigt ein Investor eine Kapitalanlage in Immobilien und wählt er hierfür eine indirekte Variante, dann muss er prüfen, ob diese Anlageform tatsächlich die gleichen (oder wenigstens ähnliche) Eigenschaften aufweist wie die direkte Anlage, d.h. ähnliche Einflussfaktoren von Rendite und Risiko sowie Diversifikationseigenschaften in ähnlicher Weise wirksam werden. Für geschlossene Immobilienfonds ist diese „Ähnlichkeit“ der Eigenschaften unmittelbar einleuchtend. Auch für die Offenen Fonds, deren Wert täglich durch die Addition der Einzelwerte seines Vermögens (abzüglich der Schulden) bestimmt wird − in den also unmittelbar die vom Sachverständigenausschuss vorgenommenen Bewertungen der gehaltenen Immobilien eingehen − ist dies zumindest für den Immobilienanteil plausibel. Soweit dagegen liquide Mittel und Wertpapiere gehalten werden, treten – leicht nachvollziehbar - andere Faktoren der Rendite- und Risikogenerierung hinzu. Dies könnte in besonderer Weise auch für börsennotierte Immobilienaktiengesellschaften gelten. Denn die Entwicklung und Streuung von deren Renditen wird sicher nicht nur vom Immobilienmarkt getrieben, sondern auch durch die allgemeine Börsensituation beeinflusst werden. Zahlreiche Untersuchungen − überwiegend zu US-REITs − sehen tatsächlich eine starke gemeinsame Renditeentwicklung zum generellen Aktienmarkt, damit eine geringe Prägung durch die Entwicklung des direkten Immobilienmarkts und folgerichtig auch ein geringes Diversifikationspotential bei einer Mischung mit anderen Aktien. Andere, vorwiegend jüngere empirische Analysen kommen dagegen zu deutlich abweichenden Befunden. Danach werden die REIT-Renditen in zunehmendem Maße durch die gleichen Faktoren getrieben wie der direkte Immobilienmarkt und repräsentieren daher diesen recht gut. Die insgesamt noch nicht eindeutig geklärte Frage ist nicht nur für Investoren von Bedeutung, die wissen möchten, ob ein indirektes Immobilienengagement die angestrebten Portfoliowirkungen bietet. Vielmehr ist eine eindeutige Zuordnung auch für die Auslegung mancher regulierender Vorschriften notwendig. Dies ist in den Ländern von Bedeutung, in denen die Kapitalanlage bestimmter Investoren gesetzlichen Restriktionen unterliegt. Die Frage, ob Investments in Anteile börsennotierter Immobiliengesellschaften (mit oder ohne REITStatus) auf die Aktien- oder die Immobilienquote angerechnet werden, spielt für ihre Anlagestrategien und für den Markterfolg des Anlagevehikels „börsennotierte Immobiliengesellschaft“ generell eine wichtige Rolle. Bislang erlauben die deutschen Kapitalanlagevorschriften für Versicherungen und Pensionsfonds nur eine Anrechnung auf die Aktienquote. Im Zuge der Einführung von G-REITs haben aber die Interessengruppen überwiegend eine Anrechnung auf die Immobilienquote gefordert, die inzwischen für REITs, nicht aber für andere Immobilien-AGs umgesetzt ist. Dies ist − wie angesprochen − nur gerechtfertigt, wenn die
3.7.2.1 Immobilien-AGs repräsentieren Immobilien
253
Titelfrage recht eindeutig zugunsten der Repräsentanz des Immobilienmarkts beantwortet werden kann. Dieser Beitrag möchte einen weiteren kleinen Baustein zur Klärung dieser Frage liefern. In Kapitel 2 stellen wir einige theoretische Überlegungen bezüglich der Klassifikation von börsennotierten Immobiliengesellschaften als Repräsentanten von Immobilien beziehungsweise von Aktien an. Auf theoretischer Basis wird sich jedoch wohl keine eindeutige Antwort finden; nur empirische Analysen lassen daher auf Erkenntnisfortschritt hoffen. Leider lässt die Breite und Länge der Datenbasis – dies gilt für die Immobilien-AGs wie für die Direktimmobilien – für Deutschland eine aussagefähige Untersuchung nicht zu. Daher bleibt nur die Untersuchung bereits etablierter Märkte übrig in der Hoffnung, dass die Ergebnisse auch auf Deutschland übertragbar sind. Zuvor werden in Kapitel 3 Besonderheiten besprochen, die bei der Analyse der Eigenschaften von verbrieften Immobilienanlagen zu beachten sind. Kapitel 4 gibt eine Übersicht über den aktuellen Stand der Literatur und Befunde vorliegender Untersuchungen. Unseren eigenen empirischen Beitrag, dargestellt in Kapitel 5, bildet eine Korrelationsuntersuchung der US-REITs sowie der britischen Property Companies mit den entsprechenden Aktien- und Immobilienmärkten. Wir legen dabei weniger Wert auf eine ausgefeilte Untersuchungsmethodik. Vielmehr konzentrieren wir uns auf die LagStrukturen zwischen den Renditezeitreihen und beurteilen deren Auswirkung auf die Beantwortung der Titelfrage. Trotz der gewählten einfachen Methodik können überraschend eindeutige Ergebnisse erzielt werden. Einfache Berechnungen mit rudimentären deutschen Daten bestätigen diese teilweise. Kapitel 6 fasst die wesentlichen Resultate zusammen und interpretiert sie.
3.7.2 Theoretische Vorüberlegungen Die Frage, ob börsennotierte Immobilienaktiengesellschaften (mit oder ohne REIT-Status) eher den Aktien- oder den Immobilienmarkt repräsentieren, kann zuerst auf theoretischer Basis diskutiert werden. Die Grundargumente für die eine oder für die andere Lösung sind bereits im Namen dieses Instruments verkörpert.
3.7.2.1 Immobilien-AGs repräsentieren Immobilien Das Hauptgeschäftsfeld einer börsennotierten Immobilienaktiengesellschaft ist das Halten von Immobilien und das Erzielen von Ertrag aus der entgeltlichen Nutzungsüberlassung dieser Immobilien an Dritte. Sowohl das Vermögen als auch die Ertragsquellen der Gesell-
254
3.7.2 Theoretische Vorüberlegungen
schaften sind also mit dem Immobilienmarkt und den Objekten verbunden und durch sie geprägt. Hier könnte ein erstes Problem liegen: der Begriff der Immobilienaktiengesellschaft ist – wie nun schon mehrfach betont − nicht eindeutig und wird auch nicht einheitlich gebraucht. Üblich ist eine Abgrenzung nach dem vorrangigen Unternehmenszweck. Immobilien-AGs sind danach Unternehmen, deren hauptsächlicher Zweck und dominante Ertragsquelle die Entwicklung und/oder die Verwaltung von Immobilien (sowie des Angebots dazu gehöriger Dienstleistungen) darstellt. Neben (ausschließlichen oder überwiegenden) Bestandshaltern werden damit auch Unternehmen erfasst, die einen großen Teil ihrer Erträge aus der Projektentwicklung (und schnellen Veräußerung) ziehen. Zusätzlich werden oft noch Dienstleistungen „rund um die Immobilie“ erbracht. Die Wert- und Renditeentwicklung solcher Unternehmen repräsentiert je nach Umfang dieser Zusatzgeschäfte verständlicherweise nur bedingt den direkten Immobilienmarkt. Im Gegensatz dazu kennen Länder mit REIT-Strukturen in aller Regel wesentlich engere gesetzliche Vorgaben für die Anerkennung des REIT-Status. Der Unternehmensschwerpunkt muss, wie ja in früheren Kapiteln schon ausführlich dargelegt, in der Vermietung und Verpachtung von direkt oder indirekt gehaltenen Immobilien liegen. Sinnvoll ist dabei, die gesamte Wertschöpfungskette von der Entwicklung für den eigenen Bestand über das Bestandsmanagement bis zur Realisierung möglicher Veräußerungsgewinne zu gestatten. Will der Staat sicherstellen, dass Kapitalanlagen in REITs Immobilienanlagen sind, als solche wahrgenommen werden und sich auf dem Markt auch so verhalten, dann ist es konsequent, über diese Wertschöpfungskette hinausgehende Aktivitäten wie beispielsweise die Projektentwicklung für Dritte oder immobiliennahe Dienstleistungen entweder gar nicht oder nur in geringem Umfang (als Nebentätigkeit) zuzulassen. Unter dieser Voraussetzung ist die Vermutung berechtigt, dass zumindest der Wert von REITs überwiegend durch den Marktwert ihres Immobilienbestandes bestimmt wird und die Rendite-/Risikostrukturen des REITs und der direkten Immobilienanlage sich ebenfalls ähneln müssten. Ersteres findet auch darin seine Bestätigung, dass von den Analysten der faire Wert einer Immobiliengesellschaft − wie ebenfalls schon mehrfach und ausführlich gewürdigt − weltweit (auch) über den Net Asset Value zu bestimmen versucht wird. Soweit die Abweichungen der Börsenkurse vom NAV keinen systematischen Charakter haben, sollten langfristig die Kurse von REITs vom Immobilienmarkt getrieben werden. Zusätzlich müsste die vollständige Verlagerung der Besteuerung der Einkünfte auf die Ebene des Investors die Ähnlichkeit von Renditeverläufen noch verstärken, da dadurch eine ähnliche Besteuerung wie bei direkten Grundstücksinvestments geschaffen wird.
3.7.2.2 Immobilien-AGs repräsentieren Aktien Auf der anderen Seite handelt es sich bei gelisteten Immobilienaktiengesellschaften um Unternehmen, deren Anteile wie alle anderen Aktien an den Börsen gehandelt und damit von den die Börsenkurse treibenden Faktoren beeinflusst werden. Daraus folgt, dass sie die glei-
3.7.2.2 Immobilien-AGs repräsentieren Aktien
255
chen Offenlegungs- beziehungsweise Publizitätspflichten wie „normale“ börsennotierte Gesellschaften einzuhalten haben. Aus wirtschaftlicher Sicht wichtiger als diese formale Gleichheit oder Ähnlichkeit mit anderen Aktien ist, dass an der Börse die Preise durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zustande kommen. Die dabei sich entwickelnden Kurse sollten sich zwar grundsätzlich am objektiven Wert der Gesellschaft, an fundamentalen Daten orientieren. Im Kapitel zur Begründung von Premiums und Discounts war schon gezeigt worden, dass die Gesamtverfassung des Kapitalmarktes, die allgemeine Marktstimmung, die Marktliquidität und auch das teilweise irrationale (Herden-)Verhalten der Marktteilnehmer Kursentwicklungen auszulösen vermögen, die den gesamten Markt mehr oder weniger stark gemeinsam über oder unter die fundamental gerechtfertigten Werte bewegen. So haben sich im letzten Aktiencrash trotz weitgehend konstanter Immobilienpreise die deutschen Immobilienaktien dem allgemeinen Abwärtstrend nicht entziehen können. Im Gegenzug hat in den letzten Jahren die allgemeine Euphorie der Erwartung von REITs die Kurse teilweise weit über das fundamental gerechtfertigte Niveau ansteigen lassen. Zudem gehen − durchaus fundamental gerechtfertigt − in die Börsenbewertung Faktoren ein, die bei der Ermittlung von Verkehrswerten von Immobilien keine Rolle spielen. So wird der Aktienmarkt vor allem die strategische Positionierung des Unternehmens, die Managementqualität, die Ausnutzung des Verschuldungshebels, die sich daraus ableitenden Erwartungen und Einschätzungen des Unternehmens- und Gewinnwachstums und der Portfolioentwicklung und Risikoanfälligkeit sowie insbesondere auch die Informationstransparenz und die Glaubwürdigkeit der Informationsvermittlung als wertrelevante Faktoren berücksichtigen. Aber auch die schnellere und sensiblere Reaktion des Aktienmarktes auf vermutete oder erwartete wertbeeinflussende Entwicklungen sind Ursachen eigenständiger, sich von den reinen Immobilienwerten trennender Wertfindung. Hinzu kommen noch vorübergehende Marktungleichgewichte, insbesondere bei Aktien mit sehr geringem Free-Float, wo schon geringe Käufe oder Verkäufe länger anhaltende Verwerfungen der Kurse auslösen können. Die Abweichungen des Indexes der Immobilienaktien von den NAVs, also den zugrunde liegenden Immobilienwerten, können daher teilweise beträchtliche Umfänge annehmen.
256
3.7.3 Analyse der Zusammenhänge über Charakteristika verbriefter Immobilien
3.7.3 Analyse der Zusammenhänge über Charakteristika verbriefter Immobilien Wie schon vermutet, erlauben die theoretischen Argumente für die Zuordnung der REITs zu Immobilien oder Aktien kein eindeutiges und endgültiges Urteil. Die Frage, welche von diesen Tendenzen überwiegt, welchem Teilmarkt Immobilienaktiengesellschaften also ähnlicher sind, kann letztlich nur anhand empirischer Befunde beantwortet werden. Doch auch hier ist zu beachten, dass die Antwort vom betrachteten Immobilien- und Aktienmarkt, vom gewählten Zeitraum wie auch vom genauen Untersuchungsziel und der Untersuchungsmethodik abhängen kann. Ein gegebenenfalls ernstes Problem bei der empirischen Untersuchung der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen börsennotierten Immobiliengesellschaften, Immobilien und Aktien stellt die Wahl geeigneter Maßstäbe dar. Dabei ist die Definition einer Assetklasse zu beachten.1 Unter der Zugehörigkeit von Anlagen zu einer Assetklasse ist nicht ihre eindeutig gleichlaufende Entwicklung zu verstehen. Vielmehr sind die gemeinsamen werttreibenden Faktoren entscheidend. Die Unterschiede zwischen unterschiedlichen Immobilien und Immobilienteilmärkten, sowohl hinsichtlich der Nutzungsart als auch der Lage, sind zumindest so groß wie die Unterschiede zwischen Aktien unterschiedlicher Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Entscheidend ist jedoch der Charakter der mit einer Investition in eine bestimmte Assetklasse verbundenen Renditen und Risiken. Vor diesem Hintergrund können folgende Maße als Anhaltspunkte für die Bestimmung der Zuordnung von REITs zur Assetklasse der Immobilien oder Aktien verwendet werden: 1. gleiche/gleichartige Renditen von direkten Immobilien oder Aktien und REITs, 2. gleiche/gleichartige Risiken, 3. gleichartige Beiträge zur Bildung optimaler Vermögensportfolios (indiziert von Korrelationen zu direkten Immobilienanlagen beziehungsweise zu sonstigen Aktien), 4. gleiche Zyklen der Märkte (Indizes), 5. Anteil der Renditen von REITs, der durch die Entwicklung des Immobilienmarktes beziehungsweise des Aktienmarktes erklärt werden kann. Bei der Analyse müssen jedoch bestimmte Effekte beachtet werden, die Verfälschungen der Ergebnisse verursachen könnten. So kann zum Beispiel eine durch Leverage-Effekte verursachte Erhöhung der Renditeschwankungen bei REITs zur Erhöhung der durchschnittlichen
1
Zur Definition einer Assetklasse vgl. z.B. Greer (1997)
3.7.2.2 Immobilien-AGs repräsentieren Aktien
257
Rentabilität und des Risikos dieser Anlagen führen.2 Dieser Effekt ist jedoch auf die Kapitalstruktur der Immobiliengesellschaften zurückzuführen und würde nicht unbedingt auf eine Abkopplung von der Entwicklung direkter Immobilien hindeuten. Abbildung 3.7-1 soll dies typisiert darstellen.
Überhöhung evtl. durch Leverage
Direkte Immobilien
Immobilienaktien Abb. 3.7- 1 Leverage-Effekte und der Vergleich von Immobilienaktien mit direkten Immobilieninvestitionen
Auch Phasen von stark positiven oder stark negativen Korrelationen müssen nicht unbedingt eine Ähnlichkeit oder Unterschiedlichkeit von Anlagearten bedeuten. Insbesondere bei einer Verschiebung von Zyklen von zwei Assets ist zu erwarten, dass abwechselnd Phasen positiver und negativer Korrelationen beobachtet werden. In der in Abbildung 3.7-2 modellhaft dargestellten Situation könnte man, je nachdem welche Phase man untersucht, zum Schluss kommen, dass der Zusammenhang zwischen direkten und indirekten Immobilien sehr stark oder aber schwach oder gar negativ ist. Zeitliche Verzögerungen zwischen Zeitreihen können vermutet werden, wenn zwischen ihnen eine Kausalitätsbeziehung besteht. Sie können aber auch rein zufällig zustande kommen. Um eventuelle Fehlaussagen zu vermeiden, ist eine Analyse von ausreichend langen Zeiträumen notwendig.
2
Vgl. Pagliari/Scherer/Monopoli (2005), S. 179
258
3.7.3 Analyse der Zusammenhänge über Charakteristika verbriefter Immobilien Phase negativer Korrelationen
Immobilienaktien
Phase positiver Korrelationen
Phase negativer Korrelationen
Direkte Immobilien
Abb. 3.7- 2 Zyklenverschiebung und der Vergleich von Immobilienaktien mit direkten Immobilieninvestitionen und anderen Anlagen
Eine dritte mögliche Quelle der Verfälschung könnte die Nichtberücksichtigung der unterschiedlichen Bewertungsweisen von Immobilienaktien und direkten Immobilienanlagen sein. Ermittlungen der Verkehrswerte von Immobilien werden selten häufiger als einmal jährlich vorgenommen. Dadurch ergibt sich eine gewisse Glättung der anhand von Bewertungen gebildeten Zeitreihen der Immobilienrenditen, insbesondere dann, wenn überlappend jeweils ein Teil der Immobilien neu bewertet wird und der andere (größere) Teil mit den bisherigen Werten in die Indexberechnung eingeht (vgl. Abbildung 3.7-3). Diese – ebenfalls schon mehrfach angesprochene − Glättungstendenz wird zusätzlich durch eine Tendenz der Wertermittler zur Orientierung an der letzten Bewertung, also zu gegenüber der tatsächlichen Wertänderung abgeschwächten Anpassungen verstärkt.3 Kurse der Immobilienaktien werden dagegen börsentäglich entsprechend der Nachfrage und dem Angebot ermittelt, wodurch ihre Renditen stärkere kurzfristige Schwankungen aufweisen. Bei der Betrachtung von kurzen Perioden fallen dadurch auch die Korrelationen der Renditezeitreihen geringer aus, als sie tatsächlich sind. Um solche Effekte zu vermeiden, ist eine Betrachtung und Analyse längerer Anlagehorizonte nötig.
3
Zum Glättungsproblematik bei bewertungsbasierten Immobilienindizes vgl. z. B. Giliberto (1988); Geltner (1989); Lai/Wang (1998); Geltner et al. (2003)
3.7.2.2 Immobilien-AGs repräsentieren Aktien
259
Reale Kurs-/Renditeverläufe mit der Folge niedriger Korrelationen bei Wahl kurzer Perioden
Direkte Immobilien Smoothing-Effekte der Immobilienbewertung mit der Folge niedriger Korrelationen
Immobilienaktien
Abb. 3.7- 3 Häufigkeit der Bewertung und der Vergleich von Immobilienaktien mit direkten Immobilieninvestitionen
Ein weiterer, kapitalmarkttheoretisch motivierter Grund für die Betrachtung längerer Renditeperioden bei der Analyse der Zusammenhänge zwischen Immobilienaktien und Direktimmobilien liegt in der Ineffizienz der Immobilienmärkte.4 In effizienten Märkten, in denen alle Informationen sich sofort in den Preisen widerspiegeln und die Renditen einem Random Walk folgen, sind Renditen in nachfolgenden Perioden voneinander unabhängig und stammen aus der gleichen Wahrscheinlichkeitsverteilung. Dadurch verändern sich ihre Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen proportional mit der Zeit. Die Folge ist, dass die Korrelationen zwischen Renditen zweier effizienter Anlagen nicht vom Anlagehorizont abhängen sollten. Dies ist aber bei den direkten Immobilienanlagen offensichtlich nicht der Fall – sie weisen zum Beispiel ein stark zyklisches Verhalten auf.5 Die statistischen Charakteristika der Renditen, auch die Korrelationen mit anderen Anlagen, werden daher in diesem Fall nicht für alle Renditeperioden gleich sein. Die Resultate der Analyse von kurzfristigen Zeithorizonten sind also nicht für lange Anlagefristen repräsentativ. Institutionelle Investoren sehen ein Investment in Immobilien eher als langfristiges Engagement. Der Grund dafür liegt insbesondere in den hohen Such- und Transaktionskosten, die bei kurzen Haltedauern Renditen stark beeinträchtigen würden. Im Effekt werden direkte Immobilien in den institutionellen Portfolios selten weniger als 5 bis 7 Jahre gehalten – unterjährige Umstrukturierungen aufgrund aktueller Performance-Daten oder Markterwartungen bilden eindeutig die Ausnahme.6 Auch börsengehandelte Immobiliengesellschaften investieren typischerweise längerfristig. Sollten sie die Entwicklung der Immobilienmärkte abbilden, wird dies daher eben4
Vgl. Geltner/Rodriguez/O’Connor (1995), S. 18-20. Zu empirischen Untersuchungen der Effizienz der Immobilienmärkte vgl. Guntermann/Smith (1987); Gau (1987); Case/Shiller (1989); Clayton (1998); Wang (2000)
5
Vgl. z. B. Phyrr/Roulac/Born (1999)
6
Vgl. z. B. Fisher/Young (2000); Collett/Lizieri/Ward (2003)
260
3.7.4 Stand der Forschung
falls eher für längerfristige Zeithorizonte zutreffen. Es scheint auch intuitiv nicht plausibel, dass kurzfristige (tägliche) Schwankungen der Kurse von Immobilienaktien auf die Veränderungen der Lage auf den Immobilienmärkten zurückzuführen wären.
3.7.4 Stand der Forschung Die Frage nach dem Charakter von REIT-Anlagen wird erst seit Ende der 80er Jahre intensiver untersucht. In einer Reihe von Studien wurden erhebliche Unterschiede zwischen REITs beziehungsweise anderen Formen börsennotierter Immobiliengesellschaften und direkten, unverbrieften Immobilienanlagen festgestellt. Gleichzeitig konnten auch deutliche Ähnlichkeiten zum allgemeinen Aktienmarkt nachgewiesen werden. Die beobachtete Abkopplung der Marktwerte von ihrem „Underlying“ schien, zumindest anfänglich, rätselhaft. Die Zuordnung der REITs beziehungsweise Immobilienaktien zur Assetklasse „Immobilie“, die vielfach für selbstverständlich gehalten wird,7 wurde damit in Frage gestellt. Goetzman/Ibbotson (1990) stellten fest, dass zwei zur Schätzung von Immobilienrenditen verwendete Zeitreihen: REITs und Offene Immobilienfonds (Commingled Real Estate Funds, CREFs) widersprüchliche Informationen lieferten. Sowohl die Renditen als auch die Volatilität des REIT-Indexes lagen weit über denen des CREF-Indexes und die beiden Zeitreihen wiesen nur schwache Korrelationen auf. Gleichzeitig zeigten die REITs viele Gemeinsamkeiten mit dem S&P 500-Aktienindex: hohe Korrelationen der Renditen und ähnliche Niveaus von durchschnittlichen Renditen, Risiken und Autokorrelationen. Dennoch lehnten die Autoren die These, dass REITs stark von den Entwicklungen auf dem Aktienmarkt beeinflusst werden, mit dem Argument ab, dass dies einen Spielraum für erfolgreiche Arbitrage öffnen würde, was langfristig nicht möglich sei. Unterschiede zwischen dem Index der Equity-REITs (EREITs) und anderen Immobilienindizes (dem Russell-NCREIF-Index und Evaluation Associates-Index) stellten auch Ross/Zisler (1991) fest. Für den von ihnen untersuchten Zeitraum (1978-1986) lagen sowohl die durchschnittliche Rendite als auch die Volatilität des REIT-Indexes sogar über der durchschnittlichen Rendite und der Volatilität des S&P-Indexes und ähnelten am ehesten den Aktien kleiner Unternehmen (Small Caps). Die Autoren beantworteten damit die Frage, ob die Analyse der REITs tatsächlich Auskunft über die Entwicklung der Immobilienmärkte geben kann, mit „wahrscheinlich nein“. Geringe Korrelationen zwischen den Zeitreihen der ameri-
7
Vgl. z. B. Geltner/Miller (2001), S. 131 ff.; Martin/Maurer (1997), S. 351; Mitropoulos/Andesen (2000), S. 4. Auch die meisten Investitionslehrbücher beschreiben börsengehandelte REITs und Immobiliengesellschaften im Gliederungspunkt „Immobilienanlagen“
3.7.2.2 Immobilien-AGs repräsentieren Aktien
261
kanischen REITs und denen der direkten Immobilienanlagen wurden mehrmals bestätigt.8 Ähnliches gilt auch für andere Länder. Deutlich höhere Korrelationen der Immobilienaktien zu Aktien als zu direkten Immobilien fanden auch Hoesli/Lekander/Witkiewicz (2004) für 5 der 7 von ihnen untersuchten Länder (Ausnahmen waren Großbritannien und Schweden). Zu ähnlichen Resultaten und Schlussfolgerungen führten Untersuchungen der renditetreibenden Faktoren. Die Substituierbarkeit von direkten Immobilienanlagen durch verbriefte Immobilienwerte (REITs) untersuchte Seck (1996). Er ging davon aus, dass zwei Assets substituierbar sind, wenn die unverzerrten Minimum-Varianz-Schätzer ihrer Preise auf gleichen Informationen basieren. Ein Variance-Ratio-Test sowie die Varianzzerlegung in einer Vektorautoregression ergaben ein eher geringes Niveau der Substituierbarkeit zwischen den beiden Anlagen. Ling/Naranjo (1999) verwendeten Daten aus amerikanischen Aktienmärkten (NYSE, AMEX, Nasdaq) sowie NCREIF-Daten, aus denen sie mehrere Portfolios konstruierten. Sie gingen von der Hypothese aus, dass die sich aus den einzelnen makroökonomischen Faktoren ergebenden Risikoprämien in integrierten Märkten gleich sein sollten. Demzufolge verwendeten sie das Aktienportfolio, um möglichst unabhängige Risikofaktoren zu identifizieren, und untersuchten in einem weiteren Schritt die Effekte dieser Faktoren bei Immobilienportfolios. Das Ergebnis unterstützte die These, dass REITs mit den Aktienmärkten integriert sind; direkte Immobilieninvestitionen wiesen jedoch keine solche Integration auf. Diese Ergebnisse stimmen mit vielen anderen Studien überein, darunter Peterson/Hsieh (1997) und Hübner/Schwaiger/Winkler (2003). Letztere fanden sogar Hinweise, dass dies ebenfalls für deutsche Immobilien-AGs gelten könnte. Verschiedene jüngere Untersuchungen relativieren die Gemeinsamkeiten von REITs mit dem Aktienmarkt mit Verweis auf die früher sehr hohen, vor allem im letzten Jahrzehnt aber stark zurückgegangenen Korrelationen zwischen REITs und dem allgemeinen Aktienmarkt. Laut Grupe et al. (2000) lagen die Korrelationen zwischen EREITs und dem S&P500 Index in dem Zeitraum 1972-1989 auf dem Niveau von 0,65, die entsprechenden Korrelationen für den Zeitraum 1995-2000 jedoch nur noch bei 0,28. Zu analogen Ergebnissen über zurückgehende Korrelationen zwischen den REITs und dem US-amerikanischen Aktienmarkt kamen auch Ghosh/Miles/Sirmans (1996), Ziering/Winograd/McIntosh (1997) oder McIntosh/Liang (1998). Für den europäischen Markt stellte Jandura (2003, S. 126) ein Zurückgehen der Korrelationen zwischen Immobilienaktien und Aktien von 0,84 in den Jahren 1990-1995 auf 0,38 in den Jahren 1996-2000 fest. Auf analoge Effekte weisen auch die Ergebnisse von ING Real Estate Management (2001, S. 23) für die USA (REITs) und Großbritannien (Property Companies) hin. Als Erklärung dieses Phänomens wird das Wachstum des Sektors der börsengehandelten Immobiliengesellschaften genannt. Demnach waren REITs in den früheren Jahren zu unbedeutend, um Gegenstand gesonderter Anlagestrategien zu sein, und „glitten“ deswegen mit dem allgemeinen Aktienmarkt mit. Erst die steigende Kapitalisierung und zunehmende Bedeutung dieser Gesellschaften bewirkte eine entsprechende Abkopplung von
8
Vgl. z. B. Gyourko/Kein (1992); Geltner/Kluger (1998); Corgel/deRoos (1999); Clayton/MacKinnon (2001)
262
3.7.4 Stand der Forschung
den sonstigen Aktien und ihre Wahrnehmung als eigene Assetklasse.9 Aktuellere Auswertungen belegen aber, dass die Korrelation in den letzten Jahren wieder zugenommen hat.10 Interessant ist der empirische Befund von Clayton/MacKinnon (2001), dass mit den sinkenden Korrelationen zwischen REIT- und Aktienrenditen in den 90er Jahren die Korrelationen zwischen den Renditen von REITs und direkten Immobilien gestiegen sind.11 Sie weisen jedoch auch auf die Instabilität dieser Beziehungen hin. In einer weiteren Studie haben Clayton/MacKinnon (2003) mit Hilfe einer Multifaktorenanalyse einen zunehmenden Beitrag des „Immobilienfaktors“ und einen gesunkenen Beitrag des „Aktienfaktors“ für die Erklärung der Entwicklung der REIT-Renditen bestätigt. Die einzige uns bekannte deutsche Studie zur Zuordnung von deutschen Immobilienaktien stammt von Maurer/Sebastian (1998). Die Autoren stellen die Frage, inwieweit ImmobilienAGs als wirtschaftliche Substitute von Direktanlagen in Immobilien betrachtet werden können. Sie verweisen auf die Möglichkeit der Korrelationsanalyse, verfolgen diesen Weg jedoch nicht, weil für direkte deutsche Immobilienanlagen damals kein Index verfügbar war. Als alternativer Ansatz werden Diversifikationspotentiale der Immobilienaktien und die Inflationsschutzeigenschaften dieser Instrumente untersucht. Die Autoren gehen davon aus, dass diese beiden Eigenschaften (d.h. Diversifikationspotentiale und Inflationsschutz) bei direkten Immobilienanlagen grundsätzlich zutreffen. Sollten Immobilienaktien den Direktanlagen ähneln, müssten sie ebenfalls ähnliche Charakteristika besitzen. In einer mehrstufigen Untersuchung auf dem deutschen Markt wurde diese Hypothese jedoch verworfen. Dieses Ergebnis entspricht auch den Ergebnissen ähnlicher Untersuchungen auf anderen Märkten.12 Die bisher erwähnten Untersuchungen unterstellen, dass eventuelle Zusammenhänge zwischen Immobilien, Aktien und REITs grundsätzlich auf der Basis zeitgleicher Daten gemessen werden sollten. Eine Reihe von Autoren konzentriert sich dagegen auf mögliche zeitliche Verzögerungen der Zeitreihen. Eine Studie von Giliberto (1990) nutzt Renditen der Aktienund der Anleihenmärkte als Proxies für Faktoren, die sowohl den Finanzmärkten als auch den Immobilienmärkten gemeinsam sein sollten. Die Renditen der REITs (NAREIT-Index) und die Renditen direkter Immobilieninvestitionen (NCREIF-Index) wurden auf diese Faktoren regressiert und die Residuen dieser Regressionen miteinander verglichen. Es zeigten sich relativ starke Korrelationen; der Zusammenhang war aber noch höher, wenn Leads in den REIT-Residuen berücksichtigt wurden. Giliberto zog daraus die Schlussfolgerung, dass ein 9
Vgl. Ghosh/Miles/Sirmans (1996), S. 52 f.; Murphy/Bigman/Midwinter (2003), S. 2 f.
10
Vgl. hierzu Sebastian/Sturm (2007); mit dem Diversifikationseffekt von REITs und dessen Entwicklung beschäftigt sich ausführlich der vorangegangene Beitrag von Schnelle und Rehkugler
11
Die zunehmende Korrelation mit der Rendite direkter Immobilien bestätigt eindrucksvoll die Untersuchung von Sebastian/Sturm (2007), S. 45
12
Zu Diversifikationspotentialen von REIT- und Immobilienaktien vgl. z. B. Burns/Epley (1982); Gordon/ Canter/Webb (1998); Mueller/Pauley/Morrill (1994); Martin/Maurer (1997); Jandura (2003), S. 81 ff.; Hoesli/ Lekander/Witkiewicz (2004). Zu Inflationsschutzeigenschaften dieser Anlagen vgl. z. B. Sebastian (2003); Liu/Hartzell/Hoesli (1997); Martin/Maurer (1997); Bond/Seiler (1998); Maurer/Sebastian (2002). Einen umfassenden Literaturüberblick liefern Benjamin/Sirmans/Zietz (2001)
3.7.2.2 Immobilien-AGs repräsentieren Aktien
263
positiver Zusammenhang zwischen verbrieften und direkten Immobilieninvestitionen existiert, wenn der Einfluss der allgemeinen Finanzmarktfaktoren ausgeblendet und ein Vorlauf der Immobilienaktien berücksichtigt wird. Interessante Erkenntnisse über die Beziehungen zwischen REITs und direkten Immobilienanlagen bringt auch die Untersuchung von Gyourko/Keim (1992). Sie argumentieren, dass die oft gemessenen geringen Korrelationen zwischen den Renditen von indirekten und direkten Immobilien irreführend sind. Bewertungen, auf die sich die meisten Immobilienindizes stützen, darunter auch der in den USA wohl am häufigsten verwendete NCREIF-Index, erfolgen in Zeitabständen von 6 bis 12 Monaten. Aus diesem Grund werden die Änderungen der Bewertungen nur langsam im Index wiedergegeben. Die Reaktionen auf dem Aktienmarkt erfolgen dagegen schneller. Die Folge muss eine Verzögerung der bewertungsbasierten Indizes im Vergleich zu REIT-Kursen sein. Mit Hilfe einer Regressionsanalyse stellten die Autoren tatsächlich einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen den bereinigten Renditen des NCREIF-Indexes und den um ein Jahr verzögerten Renditen des NAREIT-Indexes fest. Myer/Webb (1993) untersuchten die Verteilungen und Zeitreiheneigenschaften der Renditen von EREITs und verglichen sie mit Aktien, Aktienfonds und mit unverbrieften Immobilienanlagen. Basierend auf einem selbst berechneten REIT-Index, einem Index der Aktienfonds, mehreren Aktienindizes (darunter S&P 500) sowie den Daten von NCREIF/FRC aus dem Zeitraum 1978-1990 haben die Autoren mehrere Verteilungsparameter berechnet sowie einen Granger-Kausalitätstest durchgeführt. Es zeigte sich eine wesentlich höhere Ähnlichkeit der REITs zu Aktien und Aktienfonds als zu Immobilieninvestitionen. Ein intertemporärer Vergleich führte jedoch zu anderen Schlussfolgerungen. Es wurde eine deutliche Kausalitätsbeziehung zwischen REITs und den meisten Immobilienindizes festgestellt, wobei die Richtung der Beziehung auf REITs als Vorläufer hindeutet.13 Dies war auch die Aussage der Studie von Barkham/Geltner (1995). Die Autoren verwendeten amerikanische und britische Daten, korrigierten diese jedoch in Bezug auf Glättungseffekte (direkte Immobilien) sowie auf Leverage-Effekte (REITs, Property Companies). Sowohl eine Korrelationsanalyse der Jahresrenditen als auch ein Granger-Kausalitätstest wiesen auf einen Lead der REITs von einem bis zwei Jahren hin.14 Der Lead der britischen Immobilienaktien verschwand jedoch weitgehend nach der Entglättung des Indexes. Seiler/Webb/Myer (1999) bestätigten diese Ergebnisse. Sie ermittelten mit Hilfe der Korrelationsanalyse optimale Leads („Vorlaufzeiten“) der US-REITs für die einzelnen Immobiliensegmente. Diese lagen für Quartalsrenditen zwischen 3 und 5 Quartalen. Die Tendenz der Resultate dieser keinesfalls vollständigen Literaturanalyse scheint eindeutig – die Mehrheit der Untersuchungen lässt an einem engen, zeitgleichen Zusammenhang zwischen REITs beziehungsweise Immobilienaktien und Immobiliendirektanlagen zweifeln. Sowohl Korrelationen zwischen den beiden Anlagen als auch andere statistische Abhängigkeitsmaße weisen auf wenig gemeinsame Elemente in der Entwicklung der Renditen hin.
13
Myer/Webb (1994) fanden allerdings keine Kausalitätsbeziehung zwischen amerikanischen Handels-REITs (Retail REITs) und Handelsimmobilien
14
Vgl. auch Geltner/Rodriguez (1997)
264
3.7.5 Korrelations- und Laganalyse
Solche Elemente lassen sich dagegen, wenn auch im Laufe der Zeit deutlich nachlassend, bei den Vergleichen von REITs mit dem allgemeinen Aktienmarkt feststellen. Das Verhältnis zu den Direktimmobilien zeigt sich jedoch anders, wenn Verzögerungen in den Zeitreihen berücksichtigt werden. Der Zusammenhang nimmt deutlich zu, sobald man einen Vorlauf der REITs unterstellt. Dies wird zum Großteil auf die Konstruktion der bewertungsbasierten Immobilienindizes zurückgeführt, die Marktinformationen erst mit einer Verzögerung abbilden. Auch Ineffizienzen der Immobilienmärkte können aber dabei eine Rolle spielen. Etwas überraschend ist, dass trotz der großen Anzahl von Studien über die Zusammenhänge zwischen den Immobilienaktien und Immobilien- beziehungsweise Aktienmärkten die Frage nach dem für diese Forschung relevanten Anlagehorizont kaum problematisiert wurde.15 Die meisten Studien verwenden die kürzesten verfügbaren Renditeperioden, also in der Regel Quartale oder Jahre. Solche kurzen Anlageperioden sind allerdings höchstens bei der Analyse von Aktienmärkten, also zum Beispiel Vergleichen von Immobilienaktien und sonstigen Aktienmärkten, sinnvoll, da dort Investoren auch kurzfristige Anlagen tätigen. Bei Direktanlagen ist auf jeden Fall von deutlich längeren Anlagehorizonten auszugehen. Wie bereits in Kapitel 3 diskutiert, kann die Verwendung von zu kurzen Renditezeiträumen bei der Analyse der Zusammenhänge zwischen Immobilienaktien und Immobiliendirektinvestitionen zur Unterschätzung der tatsächlichen Beziehungen führen. In den folgenden Überlegungen wird deswegen diesem Problem eine besondere Beachtung geschenkt.
3.7.5 Korrelations- und Laganalyse In einer eigenen Untersuchung wollen wir im Folgenden die Korrelationsbeziehungen zwischen den REITs beziehungsweise Property Companies, Aktien und direkten Immobilieninvestitionen in den USA und in Großbritannien aufzeigen. Korrelationskennzahlen werden auch für Deutschland berechnet, allerdings war in diesem Fall mangels ausreichenden Datenmaterials keine vollständige Untersuchung möglich. Ergänzend zu den vielen schon vorliegenden Untersuchungen wollen wir das besondere Augenmerk zum einen auf mögliche Lagstrukturen legen, zum andern den Einfluss unterschiedlich langer Anlagehorizonte beziehungsweise Haltedauern auf die Befunde zu den Beziehungen dieser Teilmärkte sichtbar machen.
15
Eine Ausnahme bildet die Studie von Geltner/Rodriguez/O’Connor (1995), die auf die Relevanz der Anlagehorizonte im Bezug auf die Bildung von Portfolios mit verbrieften und nicht verbrieften Immobilienanlagen aufmerksam machen
3.7.5.1 Datenmaterial
265
3.7.5.1 Datenmaterial Als Datengrundlage für die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen REITs, Aktien und Immobilien in den USA dienen die Indizes: NAREIT, NCREIF und S&P 500. Zum Zeitpunkt der Berechnungen (Januar 2005) umfasste der Index der National Association of Real Estate Investment Trusts (NAREIT) 193 sich in den USA im öffentlichen Handel befindende REITs mit einer Gesamtkapitalisierung von über 307 Mrd. USD.16 Die einzelnen Werte werden mit ihrer Marktkapitalisierung gewichtet. Der NAREIT ist ein Performance-Index, d.h. er enthält sowohl Kursänderungen als auch Ausschüttungen. Da zu den REITs sowohl Bestandshalter (Equity-REITs) als auch in Hypothekendarlehen investierende Unternehmen (Mortgage-REITs) gehören, wird der Index in zwei Subindizes aufgeteilt. Um die Übereinstimmung mit der Definition der Immobilienaktiengesellschaft in anderen Ländern zu sichern, wird in der Untersuchung nur der NAREIT Equity-Index verwendet. Der Property-Index des National Council of Real Estate Investment Fiduciaries (NCREIF) basiert auf Bewertungen von Immobilien aller Typen in den ganzen USA, die von den Mitgliedern des NCREIF eingeschickt und um alle sich aus der Finanzierungsstruktur ergebende Hebeleffekte bereinigt werden. Er wird seit 1978 quartalsweise ermittelt und umfasste mittlerweile circa 4500 Objekte in den USA mit einem Marktwert von circa 165 Mrd. USD (Stand: Januar 2005). Die einzelnen Objekte werden mit dem Marktwert gewichtet. Indexberechnungen basieren auf Gesamtrenditen (d.h. Wertveränderungs- und Mietrenditen) der einzelnen Immobilien ohne Provisionen der Verwalter. Neben dem originären NCREIFIndex wird auch auf den von Fisher/Geltner (2000) entwickelten Transaction Value-Index (TVI) zurückgegriffen. Dieser wurde anhand von NCREIF-Daten entwickelt, indem mit Hilfe eines „Reverse Engineering“ Models die durch verzögerte Bewertungen entstandene Glättung der Zeitreihe korrigiert wurde.17 Es handelt sich also dabei um einen bewertungsbasierten, aber entglätteten Index. Der S&P 500 Composite-Index wird als breiter Börsenindex zur Abbildung des amerikanischen Aktienmarktes verwendet.18 Für Großbritannien basiert die Untersuchung auf dem GPR General PSI UK-Index, dem IPD UK Monthly-Index und dem FTSE 100-Index. Der GPR General PSI UK-Index ist ein Subindex des GPR General PSI-Index des Global Property Research. Dieser Performance-Index wird seit Anfang 1984 monatlich berechnet und umfasst Immobilienaktiengesellschaften, die eine frei verfügbare Marktkapitalisierung von mindestens 50 Millionen USD und eine hohe Liquidität, gemessen am Handelsvolumen des vorhergehenden Jahres, aufweisen. Im Index vertreten sind Unternehmen, bei denen mindestens 75 % der Umsätze aus Immobilieninvestitionen (Property Investment Companies) oder aus Immobilieninvestitionen und -entwicklung
16
Die Zahl der börsennotierten REITs ist bis Ende 2007 auf 143 zurückgegangen
17
Die Autoren möchten sich bei Prof. David Geltner aus dem MIT Center for Real Estate für die Bereitstellung des Datenmaterials herzlich bedanken
18
Da S&P 500 Composite als ein Total Return Index erst seit 1988 verfügbar ist, wurde die von Datastream kalkulierte Version des Indexes verwendet
266
3.7.5 Korrelations- und Laganalyse
(Hybrid Companies) kommen. Der GPR General PSI UK-Index setzte sich zum Zeitpunkt der Berechnung (September 2004) aus 41 britischen Immobilienaktiengesellschaften zusammen und wies eine Marktkapitalisierung von 46,3 Mrd. € auf. Die Gewichtung erfolgt auf der Basis der Marktkapitalisierung. Der IPD UK Monthly-Index des englischen Instituts Investment Property Databank ist ein wertgewichteter Index, der anhand der letzten verfügbaren Bewertungen (Open Market Valuations) der in Investitionsportfolios von Immobilienfonds gehaltenen Immobilien monatlich ermittelt wird. Insgesamt werden circa 3000 Objekte mit einem Marktwert von insgesamt 23,6 Mrd. £ erfasst (Stand: September 2004). Ähnlich wie der NCREIF-Index ist der IPD UK Monthly-Index ein Performance-Index, der sowohl Mieteinnahmen als auch Wertänderungen berücksichtigt.19 Der FTSE 100 Aktienindex der FTSE Group umfasst die 100 Unternehmen mit der höchsten Kapitalisierung und repräsentiert circa 80% des britischen Aktienmarktes. Für die Berechnung der Korrelationen für Deutschland wird der DIMAX des Bankhauses Ellwanger & Geiger verwendet. Der Index bestand zum Zeitpunkt der Berechnung aus 45 nach Marktkapitalisierung gewichteten Werten von Unternehmen, die mindestens 75 % der Umsätze und Erträge aus dem weit gefassten Immobiliengeschäft erwirtschaften.20 Als Immobilienindex wird der Deutsche Immobilien Index (DIX) herangezogen, der seit 1996 von der Deutschen Immobilien Datenbank GmbH (DID) berechnet und veröffentlicht wird. Er ist nach einem ähnlichen Prinzip wie die bewährten Indizes von NCREIF und IPD konstruiert. Die Grundlage bildet eine Datenbank von Immobilien in institutionellen Portfolios, die jährlich bewertet werden. Sein wesentlicher Nachteil besteht in der noch sehr kurzen Zeitreihe, die nur 9 Datensätze enthält. Schließlich dient der CDAX, der breiteste Index der Deutschen Börse AG, als Maß der Entwicklung des allgemeinen deutschen Aktienmarktes. Die unterschiedlichen Zeitspannen und Häufigkeiten der Indizes wurden entsprechend angepasst, um konsistente Datensätze zu erhalten. So wurden für die USA überwiegend Quartalsdaten im Zeitraum 1978-2004 verwendet. Nur bei der Analyse von REITs und dem allgemeinen Aktienmarkt war die Ermittlung von Tages- und Monatsrenditen möglich, wobei erstere nur ab dem Jahr 1999 verfügbar waren. Für Großbritannien wurden Monatsrenditen in den Jahren 1983-2003 verwendet. Aufgrund der Frequenz und der Länge der Zeitreihe vom DIX konnten für Deutschland nur Jahresdaten für den Zeitraum 1996-2004 betrachtet werden. Bei allen Aktienindizes wurde mit Quartals- beziehungsweise Jahresendwerten gerechnet.
3.7.5.2 Analyse USA Für den amerikanischen Markt sind die Zusammenhänge zwischen stetigen (logarithmischen) Renditen der einzelnen Indizes von Interesse. Als Werkzeug zur Beurteilung solcher 19
Vgl. IPD. Die Autoren danken IPD für die Bereitstellung des IDP UK Monthly Index
20
Zu den Aufnahmekriterien und seiner Berechnung vgl. Beck (2003)
3.7.5.2 Analyse USA
267
Zusammenhänge werden sehr häufig Korrelationskoeffizienten zwischen den Zeitreihen herangezogen. Ein Vorteil dieses einfachen Zusammenhangsmaßes bei der vorliegenden Untersuchung besteht darin, dass es auf multiplikative Verschiebungen von Zeitreihen nicht reagiert. Wird also eine der beiden Reihen mit einem Faktor multipliziert, so bleibt der Korrelationskoeffizient unverändert. Für die Analyse von REITs im Vergleich mit direkten Immobilienmärkten bedeutet das, dass sich das Vorliegen von konstanten Leverage-Effekten nicht auf die Korrelationen zwischen den Zeitreihen auswirken sollte.21 Aus diesem Grund wird auf die entsprechende Bereinigung der REIT-Zeitreihen verzichtet.22 Wie bereits in Kapitel 3 angedeutet, kann bei der Analyse von Zusammenhängen zwischen REITs und anderen Assets der unterstellte Anlagehorizont eine wesentliche Rolle spielen.23 Um diesen Einfluss kontrollieren zu können, wurden Renditen für unterschiedliche Haltedauern von einem Tag bis zu fünf Jahren verwendet (Tages- und Monatsrenditen nur für NAREIT und S&P 500; Tagesrenditen ab 1999). Ihre Verläufe sind in der Abbildung 3.7-4 dargestellt.
21
Natürlich ist in der Realität eine perfekt stabile Kapitalstruktur eher nicht denkbar. Eine solche vereinfachende Annahne wird jedoch in der Untersuchung getroffen
22
Eine Bereinigung des Leverage-Effekts führten z.B. Barkham/Geltner (1995) und Geltner/Rodriguez (1997) durch
23
Vgl. auch Geltner/Rodriguez/O’Connor (1995)
268
3.7.5 Korrelations- und Laganalyse Tagesrenditen der Indizes
Monatsrenditen der Indizes
8%
20% 15%
6%
10%
4%
5%
2%
0%
0%
-5% -10%
-2%
-15%
-4%
-20%
-6%
-25% 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
2004
2003
2002
2001
2000
-30% 1999
-8%
Quartalsrenditen der Indizes
Jahresrenditen der Indizes 60%
200%
50% 150%
40% 30%
100%
20% 10%
50%
0% 0%
-10% -20%
-50%
-30% 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
-40%
-100%
3-Jahresrenditen der Indizes
5-Jahresrenditen der Indizes 20%
30% 25% 20%
15%
15% 10%
10%
5% 0%
5%
-5% -10%
0%
-15% -20% 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
——
NCREIF
1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
-5%
-25%
—— S&P 500
—— NAREIT
Abb. 3.7- 4 Renditen des NAREIT-, des NCREIF- und des S&P500-Indexes (annualisiert)
Die Korrelationen zwischen den Renditen der Indizes über den gesamten Untersuchungszeitraum gibt Abbildung 3.7-5 wieder. Für kurzfristige Renditen kann eindeutig ein stärkerer Zusammenhang zwischen REITs und Aktien als zwischen REITs und Immobilien festgestellt werden, was auch im Einklang mit der bereits besprochenen Literatur steht. Für längere Ren-
3.7.5.2 Analyse USA
269
diteperioden ist die Tendenz vorerst unklar. 3-Jahresrenditen des NAREIT korrelieren zwar stärker mit denen des NCREIF als mit denen des S&P 500, keine der beiden Korrelationskoeffizienten ist aber statistisch signifikant. Für 5-Jahresrenditen dagegen kann bereits eine signifikant höhere Korrelation des NAREIT mit dem NCREIF als mit S&P 500 festgestellt werden. Insgesamt ergibt sich also eine klare Regelmäßigkeit: mit zunehmender Haltedauer sinkt der Zusammenhang zwischen REIT- und Aktienrenditen, der Zusammenhang der Renditen von REITs und direkten Immobilieninvestitionen steigt dagegen. Korrelationen zwischen
Tagesrenditen
Monatsrenditen
Quartalsrenditen
Jahresrenditen
3-Jahresrenditen
5-Jahresrenditen
(1999-2004)
(1978-2004)
(1978-2004)
(1978-2004)
(1978-2004)
(1978-2004)
NAREIT und NCREIF
-
-
0,03
0,08
0,12
0,31**
NAREIT und S&P 500
0,44**
0,46**
0,45**
0,35**
0,06
0,25*
** Korrelationen signifikant auf einem 1% Niveau * Korrelationen signifikant auf einem 5% Niveau Abb. 3.7- 5 Korrelationen zwischen Renditen des NAREIT-Indexes und des NCREIF- beziehungsweise des S&P 500-Indexes
Im zweiten Schritt werden die Veränderungen von Korrelationen zwischen den Renditen der einzelnen Anlageinstrumente während des untersuchten Zeitraums analysiert. Hierzu werden Korrelationskoeffizienten für rollende, also sich überlappende Zeitabschnitte von fünf Jahren berechnet; nur bei Tagesrenditen wurden wegen des kürzeren verfügbaren Zeitraums Zeitabschnitte von einem Jahr verwendet. Die Berechnungen werden wiederum für unterschiedliche Renditeperioden von einem Tag bis fünf Jahren durchgeführt. Die Ergebnisse sind in der Abbildung 3.7-6 dargestellt. Die Korrelationen der Monats- bis Jahresrenditen von NAREIT und S&P 500 sind am Anfang der Untersuchungsperiode auf einem (für Aktien) sehr hohem Niveau. Es bestätigt sich aber, wie schon beschrieben, dass sie eine deutlich sinkende Tendenz zeigen und am Ende der 90er Jahre beinahe das Niveau von Null erreichen. Dies gilt aber nicht für Tagesrenditen – die Korrelationen blieben in diesem Fall während des gesamten untersuchten Zeitraums von 1999 bis 2004 auf einem relativ stabilen Niveau von circa 0,5. Weiterhin sind die Korrelationen der kurzfristigen Renditen durchgängig wesentlich höher zwischen REITs und Aktien als zwischen REITs und Direktimmobilien. Die Koeffizienten zwischen REITs und Direktimmobilien schwanken dagegen nur leicht um die Null. Auch dieses Ergebnis entspricht in etwa den bisherigen Forschungsresultaten.
0,5
0 0
-0,5 -0,5
-1 -1
Jan 1978 - Okt 1982
0,5
Abb. 3.7- 6 Rollende 5-Jahres-Korrelationen zwischen Renditen des NAREIT-Indexes
—— NAREIT mit S&P 500 Jan 1993 - Okt 1997 Jan 1994 - Okt 1998 Jan 1995 - Okt 1999 Jan 1996 - Okt 2000 Jan 1997 - Okt 2001 Jan 1998 - Okt 2002 Jan 1999 - Okt 2003 Jan 2000 - Okt 2004
Jan 1993 - Okt 1997 Jan 1994 - Okt 1998 Jan 1995 - Okt 1999 Jan 1996 - Okt 2000 Jan 1997 - Okt 2001 Jan 1998 - Okt 2002 Jan 1999 - Okt 2003 Jan 2000 - Okt 2004
Jan 1991 - Okt 1995
Jan 1990 - Okt 1994
Jan 1989 - Okt 1993
Jan 1988 - Okt 1992
Jan 1987 - Okt 1991
Jan 1992 - Okt 1996
5-Jahresrenditen
Jan 1992 - Okt 1996
Jan 1991 - Okt 1995
Jan 1990 - Okt 1994
Jan 1989 - Okt 1993
Jan 1988 - Okt 1992
Jan 1987 - Okt 1991
1
Jan 1986 - Okt 1990
Jan 1985 - Okt 1989
Jan 1984 - Okt 1988
Jan 1983 - Okt 1987
Jan 1982 - Okt 1986
Jan 1981 - Okt 1985
Jan 1980 - Okt 1984
Okt 1999 - Sep 2004
Dez 1998 - Nov 2003
Feb 1998 - Jan 2003
Apr 1997 - Mrz 2002
Jun 1996 - Mai 2001
Aug 1995 - Jul 2000
Okt 1994 - Sep 1999
Dez 1993 - Nov 1998
Feb 1993 - Jan 1998
Apr 1992 - Mrz 1997
Jun 1991 - Mai 1996
Aug 1990 - Jul 1995
Okt 1989 - Sep 1994
Dez 1988 - Nov 1993
Feb 1988 - Jan 1993
Apr 1987 - Mrz 1992
Jun 1986 - Mai 1991
Aug 1985 - Jul 1990
Okt 1984 - Sep 1989
Dez 1983 - Nov 1988
Feb 1983 - Jan 1988
Apr 1982 - Mrz 1987
Jun 1981 - Mai 1986
Aug 1980 - Jul 1985
Okt 1979 - Sep 1984
Dez 1978 - Nov 1983
Feb 1978 - Jan 1983
Nov 2003 - Nov 2004
Sep 2003 - Aug 2004
Jun 2003 - Jun 2004
Apr 2003 - Apr 2004
Feb 2003 - Feb 2004
Dez 2002 - Dez 2003
Okt 2002 - Okt 2003
Aug 2002 - Aug 2003
Jun 2002 - Jun 2003
Apr 2002 - Apr 2003
Feb 2002 - Feb 2003
Dez 2001 - Dez 2002
Okt 2001 - Okt 2002
Aug 2001 - Aug 2002
Jun 2001 - Jun 2002
Apr 2001 - Apr 2002
Jan 2001 - Jan 2002
Nov 2000 - Nov 2001
Sep 2000 - Sep 2001
Jul 2000 - Jul 2001
Mai 2000 - Mai 2001
Mrz 2000 - Mrz 2001
Jan 2000 - Jan 2001
Nov 1999 - Nov 2000
Sep 1999 - Sep 2000
Jul 1999 - Jul 2000
Mai 1999 - Mai 2000
1
Jan 1986 - Okt 1990
1
Jan 1985 - Okt 1989
3-Jahresrenditen Jan 1979 - Okt 1983
Quartalsrenditen
Jan 1978 - Okt 1982
Jan 2000 - Okt 2004
Jan 1999 - Okt 2003
Jan 1998 - Okt 2002
Jan 1997 - Okt 2001
Jan 1996 - Okt 2000
Jan 1995 - Okt 1999
Jan 1994 - Okt 1998
Jan 1993 - Okt 1997
Jan 1992 - Okt 1996
Jan 1991 - Okt 1995
Jan 1990 - Okt 1994
Jan 1989 - Okt 1993
Jan 1988 - Okt 1992
Jan 1987 - Okt 1991
Jan 1986 - Okt 1990
-1
Jan 1984 - Okt 1988
-1
Jan 1985 - Okt 1989
-1
Jan 1983 - Okt 1987
-1 Jan 1984 - Okt 1988
-0,5
Jan 1982 - Okt 1986
-0,5
Jan 1983 - Okt 1987
-0,5
Jan 1981 - Okt 1985
-0,5
Jan 1982 - Okt 1986
0
Jan 1980 - Okt 1984
0
Jan 1981 - Okt 1985
0
Jan 1979 - Okt 1983
0
Jan 1980 - Okt 1984
0,5
Jan 1999 - Jan 2000
0,5
Mrz 1999 - Mrz 2000
Tagesrenditen
Jan 1978 - Okt 1982
Jan 2000 - Okt 2004
Jan 1999 - Okt 2003
Jan 1998 - Okt 2002
Jan 1997 - Okt 2001
Jan 1996 - Okt 2000
Jan 1995 - Okt 1999
Jan 1994 - Okt 1998
Jan 1993 - Okt 1997
Jan 1992 - Okt 1996
Jan 1991 - Okt 1995
Jan 1990 - Okt 1994
Jan 1989 - Okt 1993
Jan 1988 - Okt 1992
1
Jan 1987 - Okt 1991
0,5
Jan 1979 - Okt 1983
1
Jan 1986 - Okt 1990
0,5
Jan 1978 - Okt 1982
1
Jan 1985 - Okt 1989
Jan 1984 - Okt 1988
Jan 1983 - Okt 1987
Jan 1982 - Okt 1986
Jan 1981 - Okt 1985
Jan 1980 - Okt 1984
Jan 1979 - Okt 1983
270 3.7.5 Korrelations- und Laganalyse
Monatsrenditen
Jahresrenditen
—— NAREIT mit NCREIF
Für längere Haltedauern ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Die Korrelationen der 3- und 5Jahresrenditen von NAREIT und S&P 500 weisen deutliche Schwankungen auf. In manchen Perioden sind sie sehr hoch, in den anderen dagegen gering oder sogar negativ. Noch deutlicher ist die Instabilität der Korrelationen zwischen den Renditen von NAREIT und NCREIF. Bereits ab der Anlagedauer von einem Jahr wird hier eine immer deutlicher werdende Struktur sichtbar – die Korrelationen bewegen sich nahezu sinusoidal in regelmäßigen Zeitabstän-
3.7.5.2 Analyse USA
271
den zwischen dem positiven und dem negativen Bereich. Diese Schwankungen sind besonders stark für längere Renditeperioden: für 5-Jahresrenditen liegt die Amplitude beinahe zwischen -1 und 1. Es sind mehrere Ursachen dieser vorerst rätselhaften Schwankungen der Korrelationen möglich. Einerseits können sie tatsächlich einen stark schwankenden Zusammenhang zwischen den Renditen implizieren. Sie können auch ein Ergebnis weitgehend zufälliger Überlagerungen der Zeitreihen sein. Beides wäre aber in dieser Regelmäßigkeit sehr erstaunlich. Letztendlich spricht einiges dafür, dass die Antwort in dem oben (vgl. Abbildung 3.7-2) beschriebenen Effekt liegt, der bei zeitlich verschobenen Zeitreihen auftritt. Diese Erklärung scheint zumindest für NAREIT und NCREIF plausibel. Wenn man die Renditezeitreihen dieser Indizes betrachtet (insbesondere 3- und 5-Jahresrenditen), wird deren ähnlicher Verlauf deutlich, der jedoch um 3 bis 4 Jahre versetzt ist. In Phasen, in denen die beiden Zeitreihen „zusammenlaufen“, sind positive, und in Phasen des „Gegenlaufens“ negative Korrelationen feststellbar. Eine solche Beziehung ist für die NAREIT- und S&P 500-Renditen zumindest in dieser Deutlichkeit nicht erkennbar. Diese Überlegung findet ihre Bestätigung durch die Berechnung von Korrelationen zwischen zeitlich verschobenen Zeitreihen. Abbildung 3.7-6 zeigt die Korrelationen zwischen NAREIT- und NCREIF-Renditen abhängig vom Lead der NAREIT-Zeitreihe. Für alle Haltedauern zeigt sich ungefähr das gleiche Bild: Die Korrelationskoeffizienten steigen mit zunehmendem Lead, bis ein Maximum erreicht wird, und fallen danach wieder deutlich. Der maximale Wert wird bei einem Vorlauf der REIT-Zeitreihe bei circa 12 Quartalen erreicht.24 Dieser Effekt ist stärker für längere Anlageperioden – zwischen 5-Jahresrenditen der amerikanischen REITs und Direktanlagen ist sogar eine Korrelation von circa 60 % feststellbar. Ein Zusammenhang dieses Grades muss als außerordentlich hoch gelten. Er bedeutet, dass die Entwicklung der mittel- und langfristigen Renditen von direkten Immobilienanlagen, gemessen am NCREIF-Index, weitgehend der Entwicklung der Renditen von REITs 3 Jahre zuvor entspricht. Dies liegt weitaus höher als die bisher gemessenen Leads der US-REITs vor dem Immobilienmarkt, die zwischen 2 und 4 Quartalen betrugen. Die Erklärung dafür liegt offensichtlich darin, dass die meisten Forscher nur mit kurzfristigen Anlagehorizonten arbeiteten. Die Struktur der Korrelationen bei verschiedenen Leads ist in diesem Fall bei weitem nicht so deutlich wie bei langfristigen Anlagedauern. Dies bestätigt auch die vorliegende Studie. Betrachtet man nur die Quartalsrenditen von NAREIT und NCREIF, so wird die maximale Korrelation von 0,19 bei einem Lead von 3 Quartalen gemessen. Allerdings kann man anhand der Analyse der Korrelationskoeffizienten für verschiedene Leads, wie in Abbildung 3.7-7, leicht feststellen, dass dies nur ein lokales Maximum ist, das möglicherweise durch Zufall zustande kommt – die Korrelation bei einem Lead von 11 Quartalen fällt mit 0,17 nicht wesentlich geringer aus als bei einem Lead von 3 Quartalen. Aus der hier vorgestellten
24
Für Jahres-, 3-Jahres- und 5-Jahresrenditen werden die maximalen Werte der Korrelationskoeffizienten zwischen den NAREIT- und den NCREIF-Renditen bei einem Vorlauf von entsprechend 12, 11 und 12 Monate erreicht
272
3.7.5 Korrelations- und Laganalyse
Untersuchung folgt also eindeutig ein wesentlich längerer Vorlauf der REITs als bisher vermutet. 1 5-Jahresrenditen 3-Jahresrenditen Jahresrenditen Quartalsrenditen
0,5
0
-0,5
48
45
42
39
36
33
30
27
24
21
18
15
12
9
6
3
0
-1 Lead der NAREIT-Datereihe (Quartale) Abb. 3.7- 7 Korrelationen zwischen NCREIF- und NAREIT-Renditen, abhängig vom Lead der NAREIT-Datenreihe
Nach einer eventuellen Lead-Lag-Struktur wurde auch zwischen REIT- und Aktienrenditen gesucht. Für kurze Anlagedauern konnten praktisch keine Zusammenhänge zwischen verzögerten Zeitreihen festgestellt werden. Für längerfristige Renditen werden erhöhte Korrelationen bei Leads der NAREIT-Serie von circa 9 bis 11 Quartalen (bei 3-Jahresrenditen) beziehungsweise 7 bis 10 Quartalen (für 5-Jahresrenditen) beobachtet, ihre Regelmäßigkeit ist jedoch wesentlich schwächer als bei Korrelationen mit Direktimmobilien. In diesem Fall ist jedoch, angesichts des täglichen Börsenhandels der Aktien und der REITs, eine sinnvolle Interpretation eines eventuellen Vorlaufs eines der Assets kaum möglich. Die Informationseffizienz auf diesen Märkten müsste deutlich schnellere Reaktionen der Marktteilnehmer bewirken. Verzögerungen von mehreren Quartalen sind dabei kaum denkbar. Im bisherigen Verlauf der Untersuchung wurde klar, dass Korrelationen zwischen REITs und Direktimmobilien zweckmäßigerweise nicht mit zeitgleichen Daten untersucht werden sollten, will man den wirklichen Zusammenhang dieser Renditereihen finden. Der Vorlauf der ersten (beziehungsweise die Verzögerung der Direktanlagen) gehört zum Wesen des Problems und kann nicht außer Acht gelassen werden. Um die am Anfang dieser Untersuchung gestellte Frage der Stabilität von Korrelationen zwischen den Assets richtig beantworten zu können, ist die Analyse der Veränderungen von Korrelationen zwischen zeitlich verschobenen Daten notwendig. Rollierende Korrelationen über Subperioden von 20 Quartalen wurden analog zu denen in Abbildung 3.7-6 berechnet, diesmal jedoch wurde die NAREIT-
0,5 0,5
0 0
-0,5 -0,5
-1 -1
Jul 1995 - Apr 2000 Jan 1997 - Okt 2001
Jan 1997 - Okt 2001
Okt 1994 - Jul 1999 Apr 1996 - Jan 2001
Okt 1994 - Jul 1999 Jul 1995 - Apr 2000
Jan 1994 - Okt 1998 Jan 1994 - Okt 1998
Apr 1996 - Jan 2001
Jul 1992 - Apr 1997 Apr 1993 - Jan 1998
Apr 1993 - Jan 1998
Okt 1991 - Jul 1996
Okt 1991 - Jul 1996 Jul 1992 - Apr 1997
Jan 1991 - Okt 1995
Jan 1991 - Okt 1995
Jul 1989 - Apr 1994
Okt 1988 - Jul 1993
Jan 1988 - Okt 1992
Apr 1987 - Jan 1992
Jul 1986 - Apr 1991
Okt 1985 - Jul 1990
Jan 1985 - Okt 1989
Apr 1984 - Jan 1989
Apr 1990 - Jan 1995
5-Jahresrenditen
Apr 1990 - Jan 1995
Jul 1989 - Apr 1994
Okt 1988 - Jul 1993
Jan 1988 - Okt 1992
Apr 1987 - Jan 1992
Jul 1986 - Apr 1991
1
Okt 1985 - Jul 1990
Jul 1983 - Apr 1988
Okt 1982 - Jul 1987
Jan 1982 - Okt 1986
Apr 1981 - Jan 1986
Jul 1980 - Apr 1985
Okt 1979 - Jul 1984
Jan 1979 - Okt 1983
Apr 1978 - Jan 1983
Jan 1997 - Okt 2001
Apr 1996 - Jan 2001
Jul 1995 - Apr 2000
Okt 1994 - Jul 1999
Jan 1994 - Okt 1998
Apr 1993 - Jan 1998
Jul 1992 - Apr 1997
Okt 1991 - Jul 1996
Jan 1991 - Okt 1995
Apr 1990 - Jan 1995
Jul 1989 - Apr 1994
Okt 1988 - Jul 1993
Jan 1988 - Okt 1992
Apr 1987 - Jan 1992
Jul 1986 - Apr 1991
Okt 1985 - Jul 1990
Jan 1985 - Okt 1989
Apr 1984 - Jan 1989
Jul 1983 - Apr 1988
Okt 1982 - Jul 1987
Jan 1982 - Okt 1986
1
Jan 1985 - Okt 1989
Apr 1984 - Jan 1989
3-Jahresrenditen
Jul 1983 - Apr 1988
-1
Okt 1982 - Jul 1987
-1
Jan 1982 - Okt 1986
-0,5
Jul 1980 - Apr 1985
-0,5
Apr 1981 - Jan 1986
0
Okt 1979 - Jul 1984
0
Jan 1979 - Okt 1983
0,5
Apr 1981 - Jan 1986
Jul 1980 - Apr 1985
Okt 1979 - Jul 1984
Jan 1979 - Okt 1983
Quartalsrenditen
Apr 1978 - Jan 1983
Jan 1997 - Okt 2001
Apr 1996 - Jan 2001
Jul 1995 - Apr 2000
Okt 1994 - Jul 1999
Jan 1994 - Okt 1998
Apr 1993 - Jan 1998
Jul 1992 - Apr 1997
Okt 1991 - Jul 1996
Jan 1991 - Okt 1995
Apr 1990 - Jan 1995
Jul 1989 - Apr 1994
Okt 1988 - Jul 1993
Jan 1988 - Okt 1992
Apr 1987 - Jan 1992
Jul 1986 - Apr 1991
1
Okt 1985 - Jul 1990
0,5
Apr 1978 - Jan 1983
1
Jan 1985 - Okt 1989
Apr 1984 - Jan 1989
Jul 1983 - Apr 1988
Okt 1982 - Jul 1987
Jan 1982 - Okt 1986
Apr 1981 - Jan 1986
Jul 1980 - Apr 1985
Okt 1979 - Jul 1984
Jan 1979 - Okt 1983
Apr 1978 - Jan 1983
3.7.5.2 Analyse USA 273
Renditezeitreihe mit einem Lead herangezogen. Da die Unterschiede in den Korrelationen nicht groß waren, wurde für alle Renditeperioden ein Lead von 12 Quartalen verwendet. Das Ergebnis ist in Abbildung 3.7-8 dargestellt. Jahresrenditen
Abb. 3.7- 8 Rollende 5-Jahres-Korrelationen zwischen Renditen des NAREIT-Indexes mit einem Lead und Renditen des NCREIF-Indexes von 12 Quartalen
Als erstes fällt auf, dass die rollierenden Korrelationen keine regelmäßigen Schwankungen mehr wie in Abbildung 3.7-6 aufweisen. Eindeutig ist auch, dass ihr mittleres Niveau mit der Länge der Renditeperioden zunimmt. Sie können jedoch nicht als langfristig stabil bezeichnet werden. Im Zeitraum 1983-1995 waren alle Korrelationen noch auf einem relativ konstanten Niveau – mittelhoch bei circa 0,3-0,5 für kurzfristige Renditen und sehr hoch bei 0,70,9 für längerfristige Renditen. Davor jedoch, am Anfang des untersuchten Zeitraums, ist für Quartals- bis 3-Jahresrenditen eine Phase niedriger Korrelationen erkennbar. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass REITs in dieser Zeit erst langsam eine Bedeutung als Kapitalanlage gewannen. Weiterhin kommt es Mitte der 90er Jahre zu einem rapiden Absinken der Korrelationen. Die Vermutung liegt nahe, dass dies mit der Marktkorrektur nach der ersten Phase des REIT-Booms in den 90er Jahre zusammenhängen könnte. Dadurch ergab sich im Verlauf der NAREIT-Renditen (vgl. Abbildung 3.7-4) eine circa 2 Jahre lang dauernde Tiefphase, die sich in keiner Weise in der NCREIF-Reihe widerspiegelte und wahrscheinlich eine reine Kapitalmarktreaktion darstellte. Am Ende der 90er Jahre ist bereits eine
274
3.7.5 Korrelations- und Laganalyse
Rückkehr der Korrelationen auf das „alte“ Niveau erkennbar. Ein etwas stabileres Bild ergibt sich nur bei der Analyse von 5-jährigen Renditen, aber auch hier sind gewisse Schwankungen deutlich.
3.7.5.3 Analyse Großbritannien Die analogen Berechnungen wie für USA wurden auch für die englischen Immobilienaktien-, Aktien- und Immobilienindizes durchgeführt. Als untersuchte Anlagedauer wurden Monats-, Quartals-, Jahres- und 3-Jahresrenditen gewählt (vgl. Abbildung 3.7-9). Wegen der kürzeren Zeitreihe war die Berechnung von 5-Jahresrenditen in diesem Fall nicht zweckmäßig.
Jahresrenditen
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1987
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
-100% 1989
-200% 1988
-50%
1987
0%
-100%
1996
50%
0%
1995
100%
1994
100%
1992
150%
200%
1991
200%
300%
1990
250%
400%
1989
500%
1988
300%
1993
Quartalsrenditen
Monatsrenditen 600%
3-Jahresrenditen
—— IPD UK
—— FTSE 100
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
-50% 1996
-40%
-60% 1995
-30%
-40%
1994
-20%
-20%
1993
-10%
0%
1992
20%
1991
0%
1990
40%
1989
10%
1988
20%
60%
1987
80%
1988
30%
1987
100%
—— GPR UK
Abb. 3.7- 9 Renditen des GPR UK-, des IPD UK- und des FTSE100 -Indexes (annualisiert)
Die Korrelationen zwischen Renditen der Indizes − dargestellt in Abbildung 3.7-10 − ergeben im Groben ein ähnliches Bild wie im Falle der amerikanischen Anlagen. Der Zusammenhang zwischen Immobilienaktien und dem Aktienmarkt ist größer als der zwischen Im-
3.7.5.3 Analyse Großbritannien
275
mobilienaktien und Immobilien für kurze Anlagedauern und kleiner für lange Anlagedauern. Weiterhin weisen Korrelationen zwischen dem GPR UK-Index und dem FTSE 100-Index mit steigender Anlagedauer eine sinkende und zwischen dem GPR UK-Index und dem IPD UK-Index eine steigende Tendenz auf. Korrelationen zwischen
Monatsrenditen
Quartalsrenditen
Jahresrenditen
3-Jahresrenditen
GPR und IPD
0,17*
0,20**
0,41**
0,63**
GPR und FTSE 100
0,47**
0,57**
0,37**
0,10
(1987-2004)
(1987-2004)
(1987-2004)
(1987-2004)
* Korrelationen signifikant auf einem 5% Niveau ** Korrelationen signifikant auf einem 1% Niveau Abb. 3.7- 10 Korrelationen zwischen Renditen des GPR-Indexes und des IPD- beziehungsweise des FTSE 100Indexes
Abbildung 3.7-11 stellt die rollenden Korrelationen zwischen den Renditen des GPR UKIndexes und den des IPD UK- beziehungsweise des FTSE 100-Indexes dar. Zur Berechnung der Korrelationskoeffizienten wurden jeweils Zeitabschnitte von 5 Jahren (60 Monaten) herangezogen. Das Ergebnis ist diesmal jedoch deutlich anders als das, das sich für amerikanische Indizes ergab. Die Korrelationen der Immobilienaktien mit anderen Aktien entsprechen den Erwartungen. Sie bleiben auf einem mittelstarken Niveau und weisen eine leicht sinkende Tendenz auf. Anders als in den USA sind hier keine extremen Schwankungen zu beobachten. Im Bezug auf die Korrelationen der Immobilienaktien mit direkten Immobilienanlagen sind jedoch zwei Phänomene erkennbar. Zum einen fallen diese Korrelationen sehr gering aus; praktisch in allen Fällen sind sie deutlich unter denen mit Aktien. Zum anderen haben sie einen deutlich sinkenden Trend, der für längerfristige Renditen noch deutlicher als für kurzfristige ist. Insbesondere für 3-Jahresrenditen ist dies extrem – die Korrelationskoeffizienten ändern sich von stark positiven zu deutlich negativen.
0,5 0,5
0 0
-0,5 -0,5
-1 -1
Jun 1992 - Mai 1997
—— GPR mit FTSE 100 Jun 1992 - Mai 1997
Aug 1993 - Jul 1998
Jul 1989 - Jun 1994
Jun 1999 - Mai 2004 Jan 2000 - Dez 2004
Apr 1998 - Mrz 2003 Nov 1998 - Okt 2003
Apr 1998 - Mrz 2003 Nov 1998 - Okt 2003 Jun 1999 - Mai 2004
Sep 1997 - Aug 2002
Sep 1997 - Aug 2002
Jan 2000 - Dez 2004
Jul 1996 - Jun 2001 Feb 1997 - Jan 2002
Jul 1996 - Jun 2001 Feb 1997 - Jan 2002
Mai 1995 - Apr 2000 Dez 1995 - Nov 2000
Okt 1994 - Sep 1999
Mrz 1994 - Feb 1999
Aug 1993 - Jul 1998
Jan 1993 - Dez 1997
Jun 1992 - Mai 1997
Nov 1991 - Okt 1996
Apr 1991 - Mrz 1996
Sep 1990 - Aug 1995
Feb 1990 - Jan 1995
Jul 1989 - Jun 1994
Dez 1988 - Nov 1993
Mai 1988 - Apr 1993
Okt 1987 - Sep 1992
Mrz 1987 - Feb 1992
Jan 2000 - Dez 2004
Jun 1999 - Mai 2004
Nov 1998 - Okt 2003
Apr 1998 - Mrz 2003
Sep 1997 - Aug 2002
Feb 1997 - Jan 2002
Jul 1996 - Jun 2001
Dez 1995 - Nov 2000
Mai 1995 - Apr 2000
Okt 1994 - Sep 1999
Mrz 1994 - Feb 1999
Aug 1993 - Jul 1998
Jan 1993 - Dez 1997
Jun 1992 - Mai 1997
Nov 1991 - Okt 1996
Apr 1991 - Mrz 1996
Sep 1990 - Aug 1995
Feb 1990 - Jan 1995
Mai 1995 - Apr 2000
3-Jahresrenditen
Dez 1995 - Nov 2000
Okt 1994 - Sep 1999
Mrz 1994 - Feb 1999
1
Jan 1993 - Dez 1997
Jahresrenditen
Apr 1991 - Mrz 1996
Mai 1988 - Apr 1993 Dez 1988 - Nov 1993
1
Nov 1991 - Okt 1996
-1
Sep 1990 - Aug 1995
-1
Jul 1989 - Jun 1994
-0,5
Feb 1990 - Jan 1995
-0,5
Dez 1988 - Nov 1993
0
Mai 1988 - Apr 1993
0
Okt 1987 - Sep 1992
0,5
Okt 1987 - Sep 1992
Monatsrenditen
Mrz 1987 - Feb 1992
Jan 2000 - Dez 2004
Jun 1999 - Mai 2004
Nov 1998 - Okt 2003
Apr 1998 - Mrz 2003
Sep 1997 - Aug 2002
Feb 1997 - Jan 2002
Jul 1996 - Jun 2001
Dez 1995 - Nov 2000
Mai 1995 - Apr 2000
Okt 1994 - Sep 1999
Mrz 1994 - Feb 1999
Aug 1993 - Jul 1998
1
Jan 1993 - Dez 1997
0,5
Mrz 1987 - Feb 1992
1
Nov 1991 - Okt 1996
Apr 1991 - Mrz 1996
Sep 1990 - Aug 1995
Feb 1990 - Jan 1995
Jul 1989 - Jun 1994
Dez 1988 - Nov 1993
Mai 1988 - Apr 1993
Okt 1987 - Sep 1992
Mrz 1987 - Feb 1992
276 3.7.5 Korrelations- und Laganalyse
Quartalsrenditen
Abb. 3.7- 11 Rollende 5-Jahres-Korrelationen zwischen Renditen des GPR-Indexes und des IPD- beziehungsweise FTSE 100 -Indexes
—— GPR mit IPD UK
Das Niveau der Korrelationen zwischen GPR- und IPD-Renditen würde vorerst auf einen sehr schwachen Zusammenhang hindeuten. Doch auch hier kann vermutet werden, dass dieses Ergebnis durch eine eventuelle Verschiebung der Renditezeitreihen zustande gekommen ist. Zwar ergeben sich in diesem Fall keine eindeutig sinusförmigen Verläufe von Korrelationen für verschiedene Anlagedauern wie bei den US-amerikanischen Daten, doch bei einem genaueren Blick auf die Verläufe von Renditen in Abbildung 3.7-9 lassen sich an vielen Stellen verzögerte „Wiederholungen“ der Bewegungen von GPR-Renditen durch die IPD-Renditen erkennen. Dies kann ein Hinweis auf das Vorhandensein eines Leads der Immobilienaktien in Großbritannien sein. Um dem nachzugehen, wurden Korrelationen zwischen den Renditen des GPR-Indexes mit einem Lead und den IPD-Renditen berechnet. Das sich dabei ergebende Bild (vgl. Abbildung 3.7-12) zeigt, dass sich tatsächlich wesentlich höhere Zusammenhänge zwischen den beiden Indizes nachweisen lassen, wenn ein Lead der GPR-Zeitreihe berücksichtigt wird – bei 3-Jahresrenditen liegt die maximale Korrelation sogar über 0,8. Wie erwartet, werden dabei eindeutig höhere Korrelationswerte für längere Renditeperioden verzeichnet. Auffällig ist allerdings, dass die optimalen Leads im Vergleich
3.7.5.3 Analyse Großbritannien
277
mit den Ergebnissen für die USA wesentlich kürzer sind.25 Der höchste Zusammenhang zwischen den Immobilienaktien und direkten Immobilienmärkten wird bereits bei einem Vorlauf von circa 7 Monaten erreicht.26 1
Monatsrenditen Quartalsrenditen Jahresrenditen 3-Jahresrenditen
0,5
0
-0,5
50
48
46
44
42
40
38
36
34
32
30
28
26
24
22
20
18
16
14
12
8
10
6
4
2
0
-1 Lead der IPD-Datebreihe (Monate)
Abb. 3.7- 12 Korrelationen zwischen IPD UK- und GPR UK-Renditen, abhängig vom Lag der IPD-Datenreihe
Die Analyse der Korrelationen zwischen englischen Immobilienaktien und Aktien ließ dagegen keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen zeitlich verschobenen Zeitreihen erkennen. Auch für Property Companies ist daher anzunehmen, dass der Vorlauf-Effekt nur für deren Beziehung zu Direktimmobilien gilt. Anschließend wurden Korrelationen zwischen Immobilienaktien und dem Immobilienmarkt unter Berücksichtigung der zeitlichen Verschiebung der Renditen der beiden Anlagen untersucht. Bei den Berechnungen von rollierenden Korrelationen über 5-Jahres-Perioden wurden die GPR-Daten mit einem Lead von 7 Monaten verwendet. Die Ergebnisse werden in Abbildung 3.7-13 zusammengefasst.
25
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Barkham/Geltner (1995)
26
Die maximalen Werte für die Korrelationskoeffizienten zwischen den GPR- und den IPD-Renditen wurden für Monats-, Quartals-, Jahres- und 3-Jahresrenditen bei einem Vorlauf von entsprechend 6, 4, 7 und 8 Monaten erreicht
Aug 1987 - Jul 1992
Feb 1987 - Jan 1992
0,5 0,5
0 0
-0,5 -0,5
-1 -1
Aug 1991 - Jul 1996
Aug 1992 - Jul 1997
Aug 1987 - Jul 1992
Aug 1996 - Jul 2001
Aug 1997 - Jul 2002 Feb 1998 - Jan 2003
Feb 1998 - Jan 2003
Feb 1996 - Jan 2001
Feb 1997 - Jan 2002
Aug 1995 - Jul 2000 Feb 1996 - Jan 2001
Aug 1995 - Jul 2000
Aug 1997 - Jul 2002
Feb 1995 - Jan 2000
Feb 1995 - Jan 2000
Aug 1996 - Jul 2001
Aug 1994 - Jul 1999
Feb 1997 - Jan 2002
Feb 1994 - Jan 1999
Aug 1993 - Jul 1998
Feb 1993 - Jan 1998
Aug 1992 - Jul 1997
Feb 1992 - Jan 1997
Aug 1991 - Jul 1996
Feb 1991 - Jan 1996
Aug 1990 - Jul 1995
Feb 1990 - Jan 1995
Aug 1989 - Jul 1994
Feb 1989 - Jan 1994
Aug 1988 - Jul 1993
Feb 1988 - Jan 1993
Aug 1994 - Jul 1999
3-Jahresrenditen
Feb 1994 - Jan 1999
Aug 1993 - Jul 1998
Feb 1993 - Jan 1998
Aug 1992 - Jul 1997
Feb 1992 - Jan 1997
1
Aug 1991 - Jul 1996
Jahresrenditen Feb 1987 - Jan 1992
Feb 1999 - Jan 2004
Aug 1998 - Jul 2003
Feb 1998 - Jan 2003
Aug 1997 - Jul 2002
Feb 1997 - Jan 2002
Aug 1996 - Jul 2001
Feb 1996 - Jan 2001
Aug 1995 - Jul 2000
Feb 1995 - Jan 2000
Aug 1994 - Jul 1999
Feb 1994 - Jan 1999
Aug 1993 - Jul 1998
Feb 1993 - Jan 1998
Aug 1992 - Jul 1997
Feb 1992 - Jan 1997
Aug 1991 - Jul 1996
Feb 1991 - Jan 1996
Aug 1990 - Jul 1995
Feb 1990 - Jan 1995
Aug 1989 - Jul 1994
1
Feb 1991 - Jan 1996
-1
Aug 1989 - Jul 1994
-1
Aug 1990 - Jul 1995
-0,5
Feb 1990 - Jan 1995
-0,5
Aug 1988 - Jul 1993
0
Feb 1989 - Jan 1994
0
Aug 1987 - Jul 1992
0,5
Feb 1988 - Jan 1993
Aug 1988 - Jul 1993
0,5
Feb 1989 - Jan 1994
Monatsrenditen
Feb 1987 - Jan 1992
Feb 1998 - Jan 2003
Aug 1997 - Jul 2002
Feb 1997 - Jan 2002
Aug 1996 - Jul 2001
Feb 1996 - Jan 2001
Aug 1995 - Jul 2000
Feb 1995 - Jan 2000
Aug 1994 - Jul 1999
Feb 1994 - Jan 1999
Aug 1993 - Jul 1998
Feb 1993 - Jan 1998
1
Feb 1992 - Jan 1997
Aug 1987 - Jul 1992
Feb 1987 - Jan 1992 Feb 1988 - Jan 1993
1
Feb 1991 - Jan 1996
Aug 1990 - Jul 1995
Feb 1990 - Jan 1995
Aug 1989 - Jul 1994
Feb 1989 - Jan 1994
Aug 1988 - Jul 1993
Feb 1988 - Jan 1993
278 3.7.5 Korrelations- und Laganalyse
Quartalsrenditen
Abb. 3.7- 13 Rollende 5-Jahres-Korrelationen zwischen Renditen des GPR-Indexes mit Lead und Renditen des IPDIndexes von 7 Monaten
In allen Fällen ergeben sich höhere Korrelationen als ohne die Berücksichtigung des Leads der GPR-Reihe. In allen Fällen weisen sie auch eine sinkende Tendenz auf – bis circa Mitte der 90er Jahre bleiben sie auf einem mittleren (circa 0,4-0,5 bei Monatsrenditen), hohen (circa 0,7-0,8 bei Quartalsrenditen) bis sehr hohen (über 0,9 bei Jahres- und 3Jahresrenditen) Niveau, sinken danach aber deutlich und erreichen am Ende der Stichprobe (Subperiode 1997-2003) in etwa die Nullgrenze. Dieses Ergebnis könnte als ein schwindender Zusammenhang zwischen den englischen Immobilienaktien und den englischen Immobilien interpretiert werden. Doch eine solche Interpretation ginge vielleicht zu weit. Bei der Betrachtung der entsprechenden Renditezeitreihen bemerkt man, dass die englischen Immobilienmärkte in den letzten Jahren äußerst stabil waren – die Renditen von Direktimmobilien verliefen beinahe flach und die Renditen von Immobilienaktien oszillierten um einen stabilen Wert. Es ist bekannt, dass zwei Variablen, von denen eine schwankt und die andere konstant bleibt, eine Korrelation von Null aufweisen. Die relativ leichten, kapitalmarktbedingten Schwankungen der GPR-Renditen − verglichen mit beinahe konstanten IDP-Renditen − können also die Ursache für die (scheinbar) abnehmenden Korrelationen sein.
3.7.5.4 Analyse Deutschland
279
3.7.5.4 Analyse Deutschland Für Deutschland konnte, wie schon erwähnt, wegen nicht verfügbarer Datenreihen keine Untersuchung in der Form durchgeführt werden wie für die USA. Als Ansatz zu Überlegungen über die Beziehung zwischen den deutschen Immobilienaktien, Aktien und Immobilien kann die Berechnung der Korrelationen nur zwischen den Jahresrenditen des DIMAX mit denen des CDAX und des DIX dienen (vgl. Abbildung 3.7-14). Es fällt auf (und bestätigt das Bild in den anderen untersuchten Märkten), dass bei zeitgleicher Betrachtung Immobilienaktien kaum einen Zusammenhang mit direkten Immobilien aufweisen, die Korrelation mit dem allgemeinen Aktienmarkt jedoch hoch ist. Sobald aber ein Lead in den Immobilienaktienrenditen berücksichtigt wird, ändert sich dieses Bild. Die Korrelation zwischen dem DIMAX und dem DIX steigt deutlich und erreicht 0,75 bei einem Lead von 2 Jahren. Die Korrelation mit dem Aktienmarkt sinkt dann dagegen deutlich. Die Richtung dieser Ergebnisse stimmt also mit der vorgehenden Untersuchung überein, ihre Aussagekraft ist jedoch wegen der wenigen Datenpunkte beim DIX sowie der eher unscharfen Trennung der Immobilienaktien von „gewöhnlichen“ Aktien beschränkt. Für qualifizierte Aussagen bezüglich des deutschen Immobilienaktienmarktes bedürfte es zum einen einer engeren Abgrenzung der Immobilienunternehmen, zum andern einer Untersuchung mit längeren Zeitreihen. Lead des DIMAX (in Jahren)
Korrelation zwischen DIMAX und DIX
Korrelation zwischen DIMAX und CDAX
Anzahl der Datenpunkte
0
-0,06
0,67
9
1
0,35
0,21
8
2
0,75
-0,12
7
3
0,69
-0,87
6
Abb. 3.7- 14 Korrelationen zwischen Renditen des DIMAX-Indexes mit einem Lead und Renditen des DIX- beziehungsweise des DAX-Index (1996-2004)
3.7.5.5 Ergebnisse und Interpretationen Die Analyse der Korrelationen zwischen den Renditezeitreihen der börsengehandelten Immobilienaktien, der übrigen Aktien sowie der Direktimmobilien hat zwei wichtige Erkennt-
280
3.7.5 Korrelations- und Laganalyse
nisse über den Charakter dieser Anlagen gebracht, die mit den Ergebnissen der meisten veröffentlichten Studien übereinstimmen:27 1. Bei kurzfristigen Haltedauern und zeitgleicher Messung der Renditen besteht zwischen Immobilienaktien und dem allgemeinen Aktienmarkt eine mittelstarke Beziehung, die jedoch in den letzten Jahren abgenommen hat; 2. bei längerfristigen Haltedauern ähneln Immobilienaktien wesentlich stärker direkten Immobilienanlagen, laufen jedoch ihrer Entwicklung deutlich vor. Der erste Punkt lässt sich mit kurzfristigen „Stimmungsschwankungen“ der Aktienmarktteilnehmer und Reaktionen auf Änderungen fundamentaler Wirtschaftsdaten erklären, die sich offenbar auf den gesamten Markt auswirken. Sinkende Korrelationen auch bei kurzfristigen Haltedauern deuten jedoch darauf hin, dass Investoren im Laufe der Zeit Immobilienaktien immer mehr als eine eigenständige Anlage betrachten und ihre Bewertung getrennt von anderen Aktien vornehmen. Diese Abkopplung scheint insbesondere in den USA in den letzten Jahren in starkem Maße vollzogen zu sein – die Renditekorrelationen sind beinahe auf Null gefallen. In Großbritannien war dieser Effekt deutlich schwächer, aber ebenfalls erkennbar. Auch die Tatsache, dass Korrelationen zwischen den Renditen der Immobilienaktien und der direkten Immobilienanlagen deutlich stärker bei längeren als bei kürzeren Haltedauern ausfallen, was sowohl für USA als auch für Großbritannien beobachtet wurde, entspricht den Erwartungen. Da Direktimmobilien als langfristige Anlagen gelten, sollten sie auch vor allem in der langen Frist den Wert von Gesellschaften beeinflussen, bei denen sie sowohl als Vermögensgegenstand als auch als Hauptertragsquelle von besonderer Bedeutung sind. Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse verdeutlichen dabei die Bedeutung der korrekten Wahl der Anlagefrist für die Analyse immobilienwirtschaftlicher Zusammenhänge: die Verwendung kurzfristiger Renditen führt zur Unterschätzung dieser Beziehung. Ein zusätzlicher, sehr fruchtbarer Weg, eine langfristige Gleichgewichtsbeziehung zwischen Datenreihen zu identifizieren, ist die Kointegrationsanalyse. Die Ergebnisse der Kointegrationstests belegen denn auch in der Tat für die USA wie für UK, dass eine solche Gleichgewichtsbeziehung zwischen dem direkten Immobilienmarkt und den Immobilienaktien existiert.28 Es müssen also gemeinsame Treiber der Entwicklung der Renditen der direkten und indirekten Immobilienmärkte wirksam sein. Diese Vermutung hatten auch schon HudsonWilson/Fabozzi/Gordon (2003) und Pagliari/Scherer/Monopoli (2005) geäußert. Erklärungsbedürftig ist allerdings der deutliche Vorlauf der Renditen von Immobilienaktien vor denen der direkten Immobilienanlagen. Die zeitliche Verschiebung kann dabei mehrere Ursachen haben. Zum einen kann es an den bekannten Schwächen der bewertungsbasierten Immobilienindizes liegen. Lange Perioden, die zwischen Bewertungen von Liegenschaften liegen, führen dazu, dass bewertungsbasierte Indizes eine Tendenz haben, die tatsächliche
27
Vgl. auch Geltner/Rodriguez/O’Connor (1995)
28
Zur detaillierten Analyse vgl. Morawski/Rehkugler/Füss (2008)
3.7.5.5 Ergebnisse und Interpretationen
281
Marktentwicklung mit einer Verzögerung wiederzugeben. Verstärkt wird dies durch das Verhalten der Bewerter, die dazu neigen, die letzten vorhandenen Bewertungen als Ausgangspunkt der Wertermittlung heranzuziehen und keine abrupten Wertveränderungen vorzunehmen. Dadurch verlängert sich die Zeit, bis die auf dem Markt schon laufenden Entwicklungen sich in den Verkehrswertgutachten widerspiegeln. Dazu kommt noch die Zeit, die notwendig ist, um aus den einzelnen Bewertungen einen Index zu konstruieren. Insgesamt können sich dadurch erhebliche Verzögerungen von mehreren Monaten oder sogar Jahren ergeben. Im Vergleich dazu werden die Entwicklungen auf einem organisierten Markt praktisch sofort in entsprechenden Indizes abgebildet. Dadurch ist durchaus zu erwarten, dass sie wesentlich schneller reagieren als Indizes der unverbrieften Anlagen, die bei fehlendem öffentlichem Handel nur indirekt abgeleitet werden können. Es handelte sich dann aber nur scheinbar um verspätete Reaktionen der Immobilienmärkte. Das Problem läge vielmehr darin, dass die verwendeten Immobilienmarktindizes die tatsächliche Marktsituation nur stark verzögert abbilden. Die empirischen Studien zeigen jedoch, dass dies nicht die einzige Quelle der beobachteten Effekte sein kann. In Untersuchungen mit entglätteten Immobilienindizes, aus denen der „Bewertungslag“ entfernt wurde,29 waren Periodenverschiebungen zwischen Immobilienaktien und Direktimmobilien zwar geringer als ohne Entglättung, sie verschwanden aber nicht ganz.30 Auch bei der Wiederholung der Berechnungen in Kapitel 5.2 mit dem (entglätteten) TVI-Index ergaben sich Leads der NCREIF-Renditen vor den TVI-Renditen von circa 7-8 Quartalen. Somit liegt die Vermutung nahe, dass der Vorlauf nicht nur ein Scheineffekt ist, sondern auch ökonomisch begründet sein müsste. Die Erklärung für die Verzögerungen in der Renditeentwicklung von Direktimmobilienanlagen liegt wohl in der Ineffizienz dieser Märkte, die wiederum mehrere Ursachen hat. Zum einen sind es lange Bauzeiten, die zwangsläufig zu verspäteten Reaktionen der Angebotsseite auf Nachfrageschwankungen führen. Anders als bei den meisten anderen Gütern ist es nicht möglich, bei Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage neue Objekte sofort auf den Markt zu bringen beziehungsweise vom Markt zu nehmen. Ähnliche Auswirkung haben langfristige Mietverträge, wodurch die Anpassung der bestehenden Mieten an das Gleichgewicht, das sich aus dem Zusammenspiel zwischen der Nachfrage nach Flächen und dem Angebot dieser ergeben sollte, erheblich erschwert wird. Diese Effekte werden durch weitere Eigenschaften der Grundstücksmärkte noch verstärkt. Die Heterogenität und die damit verbundene schwierige Vergleichbarkeit der Objekte, eine schlechte Markttransparenz, lange Investitionshorizonte und nicht zuletzt hohe Transaktionskosten verhindern ein effizientes Handeln der Marktteilnehmer. Die Folge sind verzögerte Anpassungen der Mieten und Preise auf die relevanten wirtschaftlichen Nachrichten. Im Endeffekt gelten Immobilienmärkte als teilweise prognostizierbar31 und tendieren dazu, der allgemeinen Konjunkturentwicklung
29
Zu den Verfahren zur Entglättung von bewertungsbasierten Immobilienindizes vgl. Geltner (1993); Corgel/ deRoss (1999); Fisher/Geltner (2000)
30
Vgl. Barkham/Geltner (1995)
31
Vgl. Wheaton et al. (1999); Polleys et al. (1999); Morawski/Rehkugler (2003)
282
3.7.6 Schluss
nachzulaufen.32 Aktienmärkte dagegen gelten als äußerst effizient und reagieren beinahe sofort nicht nur auf laufende Ereignisse, sondern auch auf begründete Erwartungen der Marktteilnehmer. Es wäre daher nicht überraschend, wenn nicht nur die immobilienwirtschaftlich relevanten Informationen, sondern auch die Prognosen über die zukünftige Entwicklung der Immobilienmärkte in den Renditen der Immobilienaktien frühzeitig zum Ausdruck kommen würden. Angesichts der Vielzahl von Erklärungen, warum die Renditen der Direktimmobilien(indizes) den Renditen von Immobilienaktien nachlaufen, sind Verzögerungen von mehreren Jahren nicht überraschend. Die in den USA beobachteten 3 Jahre oder die für Deutschland angedeuteten 2 Jahre scheinen in etwa den theoretischen Überlegungen zu entsprechen. Dagegen fallen die Lags der englischen direkten Immobilien gegenüber den Property Companies von weniger als einem Jahr überraschend gering aus. Dies kann an der Indexkonstruktion liegen, kann aber auch eine Besonderheit der dortigen Märkte sein. Letzteres würde bedeuten, dass es keine weltweit einheitlichen Verschiebungsperioden gibt und jeder Markt einer getrennten Analyse bedarf. Weiterhin muss auch der Frage nach der zeitlichen Stabilität der Lead/Lag-Struktur nachgegangen werden. Trotz der allgemein aussagekräftigen Ergebnisse unserer Studie bleiben also im Bezug auf die Zusammenhänge zwischen Immobilienaktien-, Immobilien- und Aktienmärkten noch einige ungeklärte Aspekte.
3.7.6 Schluss Welche Antwort können wir nun auf die im Titel gestellte Frage geben? Dass uns theoretische Überlegungen wenig weiterhelfen würden, war zu erwarten. Auch die schon vorliegenden empirischen Untersuchungen, überwiegend zu US-REITs und englischen Property Companies, präsentieren wenig einheitliche, stark vom verwendeten Datenmaterial und der angewandten Methode abhängige Ergebnisse. Dennoch lässt sich eine grundlegende Eigenschaft erkennen: Das Ergebnis hängt von der betrachteten Haltedauer und von der Messmethodik der Renditen ab. Bei kurzfristiger Haltedauer und zeitgleicher Messung der Renditen ähneln börsengehandelte Immobilienaktien beziehungsweise REITs eher Aktien, bei längerfristiger Haltedauer verhalten sie sich aber ähnlich wie die direkten Immobilienanlagen. Darüber hinaus zeigen sich als bestimmte Besonderheiten der verbrieften Immobilienanlagen eine in jüngerer Zeit nachlassende Verbindung zum Aktienmarkt sowie ein gewisser Vorlauf vor den Renditen der Direktimmobilien. Auch die von uns durchgeführte Korrelationsanalyse bestätigt diese Aussagen.
32
Vgl. Grebler/Burns (1982); Dopfer (2000); Francke (2001); Francke (2005), S. 300
3.7.5.5 Ergebnisse und Interpretationen
283
Die Antwort auf die Titelfrage hängt angesichts dieser Ergebnisse vom Anlagehorizont ab. So können kurzfristige Anlagen in Immobilienaktien beziehungsweise REITs Anlagen in direkte Immobilien kaum repräsentieren. Die mehr oder weniger zufälligen Kursschwankungen, die sich oft an der allgemeinen Stimmung der Aktieninvestoren orientieren, sind keinesfalls für Immobilien spezifisch. Diese kurzfristigen Bewegungen der Kurse spielen jedoch bei langen Anlagehorizonten eine wesentlich geringere Rolle. Bei mittel- und langfristigen Haltedauern kommt der Immobilienmarkt als der werttreibende Faktor deutlich stärker zum Ausdruck. Dementsprechend kann je nach der geplanten Anlagedauer die Zuordnung von Immobilienaktien- beziehungsweise REIT-Renditen entweder zu Aktien oder zu Immobilien gefordert werden. Als „kritische Anlagedauer“ sind wenigstens drei Jahre zu sehen, da erst ab einem Anlagehorizont von circa drei Jahren eine deutlich erhöhte Ähnlichkeit zu direkten Immobilien festzustellen ist. Diese dürfte bei typischen institutionellen wie privaten Investoren, die in Immobilien anlegen, meist deutlich überschritten werden. Es gilt noch einmal zu betonen, dass es hier um den Nachweis von Ähnlichkeiten der längerfristigen Renditeentwicklung geht, nicht dagegen um ein genaues Abbild der direkten Immobilienanlage, d.h. den perfekten Gleichlauf der Renditen in Höhe und Richtung. So sei auf die zeitliche Verschiebung der Renditen von verbrieften und direkten Immobilien hingewiesen, die nach unserer Untersuchung mehrere Jahre beträgt. Das bedeutet aber, dass auch eine langfristige Investition in verbriefte Immobilien nicht genau den gleichen Effekt wie ein direkter Immobilienkauf haben muss. So ist es zum Beispiel denkbar, dass eine Direktinvestition noch in der „Hochphase“ der Renditen erfolgt, eine Immobilienaktienanlage im gleichen Zeitraum jedoch bereits in eine „Tiefphase“ gerät. Lassen sich die Ergebnisse für die US-REITs und Property Companies auf andere Länder, insbesondere auf Deutschland, übertragen? Das ist zwar durchaus plausibel, aber derzeit nicht eindeutig belegbar. Unsere kleine Zusatzuntersuchung liefert dazu jedoch positive Hinweise. Zwischen Immobilien-AGs und direkten Immobilien zeigen sich bei Lags der letzteren von zwei Jahren ebenfalls hohe Korrelationen. Zum einen ist dafür aber die Datenbasis sehr dürftig. Zum anderen ist das recht schmale und schwache Marktsegment der deutschen Immobilien-AGs der vergangenen Jahre wohl kaum für die künftige Entwicklung des deutschen REIT-Marktes repräsentativ. Die erhofften großen Marktvolumina einerseits und die diskutierten, das Geschäftsfeld der G-REITs auf die Bestandshaltung einschränkenden Vorschriften lassen erwarten, dass ein eigenständiges, sich vom allgemeinen Aktienmarkt abkoppelndes Marktsegment entstehen wird. Bei längerfristigen Haltedauern könnten dann −, wie in den USA − die REIT-Renditen den direkten Immobilienmarkt recht gut repräsentieren.
284
3.7.6 Schluss
3.8
Risikoeffekte von REITNeuemissionen
Felix Schindler / Heinz Rehkugler 3.8.1
Einführung
286
3.8.2
Underpricing und Underperformance als persistente Kapitalmarktphänomene
287
3.8.3
Millers Theorie heterogener Erwartungen – Ihre Erklärungskraft und ihre Schwächen
292
3.8.4
Eine Modifikation und Erweiterung der THE
297
3.8.4.1 Die langfristige Performance...................................................................................297 3.8.4.2 Erweiterung der THE um den Absorptionsgrad und die marginale Überschussnachfrage als Einflussfaktoren der Performance ..................................300 3.8.5
Besonderheiten bei REIT-IPOs
302
3.8.6
Ergebnisse empirischer Analysen bei REIT-IPOs
304
3.8.6.1 Underpricing............................................................................................................305 3.8.6.2 Langfristige Underperformance ..............................................................................308 3.8.7
Zusammenfassung
311
3.8.1 Einführung Die Messung und Beurteilung der Risiken von Kapitalanlagen erfolgt, wie in früheren Beiträgen dieses Buches schon gezeigt, in der Regel anhand von Streuungsmaßen, die für eine zurückliegende bestimmte Periode berechnet werden. Bei der Beurteilung von Aktienanlagen bedeutet dies, dass unterstellt wird, sie seien diese ganze Periode über an der Börse notiert. Nun zeigt uns die empirische Evidenz, dass gerade das Going Public, also der Übergang eines Unternehmens vom „privaten“ Status zur Börsennotierung, mit besonderen Kapitalmarkteffekten, somit mit besonderen Chancen und Risiken für Emittenten wie für Investoren verbunden ist. Jenseits aller Einzelfallaspekte lassen sich fast weltweit die Phänomene hoher Kursgewinne bei der Erstnotierung neuer Aktien gegenüber ihrem Ausgabekurs, als Underpricing bezeichnet, gefolgt von einer Underperformance gegenüber dem gesamten Aktienmarkt für eine längere Periode nach dem Börsengang beobachten. Dieses „IPO Puzzle“ oder „New Issue Puzzle“ bildet nach wie vor eine intellektuelle Herausforderung. Die inzwischen kaum mehr überschaubare Zahl von Beiträgen aus aller Welt belegt die ungebrochene Intensität der Forschungsanstrengungen, für beide Teilphänomene überzeugende, empirischen Tests stand haltende Erklärungen und theoretische Modellrahmen zu formulieren. Wenn es sich hierbei tatsächlich um generelle Phänomene handelt, ist die Annahme plausibel, dass sie auch bei Börsengängen von REITs bzw. Immobiliengesellschaften ohne steuerliche Transparenz zu beobachten sind. Die Gegenthese hierzu wäre, dass die Besonderheiten von Immobiliengesellschaften, die in Beiträgen dieses Buches schon genügend herausgearbeitet wurden, auch ein abweichendes Kapitalmarktverhalten beim und nach dem Börsengang bewirken. Der Beitrag will zeigen, ob und gegebenenfalls warum solche Besonderheiten tatsächlich auftreten bzw. zu erwarten sind. Dazu sind erst einmal die beiden genannten Phänomene des kurzfristigen Underpricings und der langfristigen Underperformance zu beschreiben. Anstelle einer Übersicht über die Vielzahl der vor allem für das Underpricing angebotenen Erklärungsmodelle soll ein theoretischer Erklärungsrahmen vorgestellt und, zumal er in Deutschland noch wenig rezipiert ist, ausführlich erläutert werden. Das Modell der „Divergence of Opinion“1 von Miller ist aus unserer Sicht überzeugend geeignet, beide Phänomene zu integrieren und bündig zu erklären. Aus diesem Modell lassen sich Überlegungen ableiten, dass Unterschiede im Kapitalmarktverhalten bei Börsengängen von Immobiliengesellschaften gerechtfertigt sein können. Dem werden dann empirische Befunde über das Underpricing
1
Siehe Miller (1977) und Miller (2000)
3.8.4.1 Die langfristige Performance
287
und die Underperformance von REIT-IPOs gegenübergestellt, die diese Vermutungen und Erwartungen weitgehend bestätigen. An dieser Stelle ist allerdings ein wesentlicher Vorbehalt anzubringen: Zu einer empirischen Überprüfung stehen praktisch keine deutschen und nur unzulänglich europäische Daten von Börsengängen von Immobiliengesellschaften zur Verfügung. Der weit überwiegende Teil der vorliegenden Untersuchungen bezieht sich daher auf US-REITs, die deutlich höhere Fallzahlen und eine deutlich längere Historie aufweisen. Die Übertragbarkeit dortiger Ergebnisse auf künftige Börsengänge deutscher und europäischer REITs (und nicht steuertransparenter Immobiliengesellschaften) ist keineswegs gesichert, da zum einen die rechtlichen Rahmenbedingungen differieren und sich zum andern auch die historischen Marktgegebenheiten geändert haben. Schon die Befunde für die US-REITs leiden darunter, dass der Rechtsrahmen, die Marktstrukturen, die Unternehmensgrößen und die Investorentypen in den Jahrzehnten seit Zulassung der REITs erhebliche Veränderungen erfahren haben, was sicher nicht ohne Auswirkungen auf das Kapitalmarktverhalten geblieben ist.
3.8.2 Underpricing und Underperformance als persistente Kapitalmarktphänomene Im Laufe der letzten beiden Dekaden und im Zuge einer starken Häufung an Neuemissionen während der New-Economy-Phase Ende der 1990er Jahre an den weltweiten Finanzmärkten entdeckte auch die Wissenschaft mit zunehmendem Interesse dieses Forschungsfeld und suchte mögliche Erklärungen für das auf fast allen Aktienmärkten feststellbare Underpricing und die langfristige Underperformance von neu an der Börsen emittierten Unternehmen und deren Aktien. Die überwiegende Anzahl an durchgeführten Untersuchungen der letzten 30 Jahre – unabhängig vom betrachteten Zeitraum und nationalen Markt – bestätigt ein signifikantes Underpricing bei Aktien-IPOs, auch wenn sich die Höhe des Underpricings durchaus zwischen den einzelnen Kapitalmärkten in den jeweiligen untersuchten Marktphasen sowie auf Grund von unterschiedlichen Emissionsverfahren, ungleichen Charakteristika von IPOs und institutionellen Rahmenbedingungen teilweise deutlich unterscheidet. Auffällig ist hierbei, dass die Initial Returns mit Ausnahme von Dänemark durchweg und unabhängig vom Beobachtungs-
288
3.8.2 Underpricing und Underperformance als persistente Kapitalmarktphänomene
zeitraum und dem betrachteten Markt durchschnittlich zweistellige Prozentsätze betragen. Über einen längeren Zeitraum besonders hohe Initial Returns waren den Studien zu Folge an den IPO-Märkten in Deutschland (32,6 %), Japan (49,0 %) und der Schweiz (35,0 %) zu erzielen, wobei bei Japan zu berücksichtigen ist, dass das betrachtete Zeitfenster mit einem lang anhaltenden Aufschwung der japanischen Wirtschaft und an den japanischen Finanzmärkten zusammenfällt. Die an den australischen, niederländischen und den USamerikanischen IPO-Märkten gemessene Ersttagsrendite beträgt zwischen 11,9 % und 18,8 % und weicht damit deutlich von den oben erwähnten Märkten ab. Für Deutschland relativiert sich jedoch die Höhe des Initial Returns, wenn die Phase des New-EconomyBooms an den Finanzmärkten außer Acht bleibt. Sowohl Ljungqvist (1997) als auch Rehkugler/Schenek (2001) ermitteln hierfür Initial Returns von rund 11 %, während der Initial Return für den Zeitraum von 1997 bis 2000 am deutschen IPO-Markt zwischen 30 % und 60 % liegt. Es zeigt sich somit, dass die IPO-Märkte gewissen Zyklen und Marktphasen mit nicht nur erhöhter IPO-Aktivität, sondern auch mit überdurchschnittlichen Initial Returns unterliegen. Die Ermittlung der langfristigen Emissionsrendite bringt einige methodische Fragen mit sich. So ist zu beachten, dass − bedingt durch die Konstruktion des Benchmark-Portfolios, den Beobachtungszeitraum, das verwendete Zeitfenster nach dem Börsengang und die herangezogene Messmethodik der Überrendite − erhebliche Unterschiede in den Ergebnissen resultieren können. In der Mehrzahl der Untersuchungen wird als Messkonzept der Buy-andHold-Abnormal-Return2 herangezogen. Allerdings unterscheiden sich die Analysen in der Benchmark-Auswahl teilweise sehr stark. Meist wird ein wertgewichteter nationaler Aktienindex benutzt, der in der Struktur (Größe, Branche) den IPOs in etwa entspricht. Aber auch speziell konstruierte Vergleichsportfolios, sog. Matched Samples, kommen zur Anwendung, deren Mitglieder in ihren Charakteristika (z.B. Branchenzugehörigkeit, Größe, Risikoeigenschaften, Alter) möglichst gut mit denen der IPO-Unternehmen übereinstimmen. Beim beobachteten Zeitfenster hat sich als Standard herausgebildet, die langfristige Performance als Überrendite nach einer Haltedauer von drei Jahren nach dem Börsengang zu messen. Die so ermittelten Überrenditen sind jedoch nur dann eine sinnvolle Basis für die theoretischen Erörterungen, wenn gesichert ist, dass der Prozess der Preis- und Renditeanpassung nach diesen drei Jahren auch tatsächlich abgeschlossen ist. Nun zeigen aber die Befunde bei Loughran/Ritter (1995), Gompers/Lerner (2003) und anderen, dass sowohl in den USA als auch in anderen Ländern bei einer Ausdehnung der Haltedauer auf fünf Jahre die Überrendite sich noch teilweise deutlich weiter verschlechtert.3 Wann soll man also sinnvollerweise die Überrenditen vergleichen? Wann können wir erwarten, dass der Prozess der Reduktion der Heterogenität der Meinungen durch neue Marktinformationen zum Stillstand gekommen ist und sich die Renditen von IPOs wie die „normaler“ Aktien verhalten? Schenek (2006) hat
2
Weitere Messkonzepte sind der Abnormal Performance Index, der Cumulative Abnormal Return, der logarithmierte Buy-and-Hold-Abnormal-Return sowie das Wealth Relative. Eine ausführliche Darstellung und Beschreibung der einzelnen Konzepte finden sich in Schenek (2006), S. 160 ff.
3
Als eine der wenigen Ausnahmen siehe Cai/Wei (1997) für japanische IPOs
3.8.4.1 Die langfristige Performance
289
über verschiedene statistische Tests versucht4, empirisch zu bestimmen, nach wie vielen Perioden die Überrenditen der IPOs sich nicht mehr (nennenswert) verändern, der Sekundärmarkt demnach annähernde Informationseffizienz erreicht hat. Die sich so ergebende Emissionsrendite soll persistente Emissionsrendite genannt werden. Für deutsche IPOs in den Jahren 1983-1996 ergab sich hier eine Haltedauer von fünf Jahren, während bei IPOs zwischen 1999 und 2002 offenbar schon nach ca. 2,5 Jahren der Anpassungsprozess zum Stillstand gekommen ist. Auch in dieser Frage zeigen sich also starke zeitliche Instabilitäten der Befunde. Einen zusammenfassenden Überblick über ausgewählte Untersuchungen und deren Ergebnisse zum Underpricing und der Underperformance bei Aktien-IPOs an den internationalen Finanzmärkten gibt Abbildung 3.8-1. Wir haben trotz der eben geäußerten Bedenken aufgrund der Vergleichbarkeit ein einheitliches Zeitfenster von drei Jahren nach dem Börsengang für den Vergleich der Studien zur langfristigen Underperformance gewählt. Es zeigt sich, dass das Underpricing von Aktien-IPOs ein zeitlich und räumlich stabiles Phänomen darstellt, während die empirischen Belege für eine langfristige Underperformance nicht eindeutig sind und stärker vom Untersuchungszeitraum und der Messmethodik abhängig erscheinen.5 Allerdings dominieren bei einem Betrachtungszeitraum über die 3 Jahre nach dem Börsengang die Analysen mit einer eindeutigen negativen Überrendite gegenüber einem Benchmark-Portfolio, was die Vermutung bestätigt, „dass es sich bei der langfristigen Underperformance von IPOs um ein nicht-transitorisches Phänomen handelt.“6 Bezüglich der Höhe der langfristigen Underperformance ergibt sich aus Abbildung 3.8-1 ein sehr heterogenes Bild. So weisen australische IPOs mit einer Überrendite von durchschnittlich -51,6 % die schlechteste Performance aus, während die negativen Überrenditen für Deutschland, Großbritannien und die Niederlande deutlich geringer ausfallen. Für die Schweiz ergibt sich nach Drobetz/Kammermann/Wälchli (2003) sogar eine positive Überrendite von rund 5,1 %, wenn ein Small-Cap-Index als Referenzmaßstab zugrunde gelegt wird. Neben einem unterschiedlichen Untersuchungszeitraum kann diese deutliche Spanne im Ausmaß der Underperformance von IPOs zum Teil auch auf die Auswahl der Benchmark zurückgeführt werden. Während in den meisten Studien (z.B. für Australien, Deutschland, Italien, Japan, USA) breite Aktienindizes zur Anwendung kommen, benutzen Espenlaub/ Gregory/Tonks (2000), Doeswijk/Hemmes/Venekamp (2005) und Drobetz/Kammermann/ Wälchli (2005) vermeintlich in ihrer Zusammensetzung besser mit den Charakteristika von IPOs vergleichbare Indizes wie z. B. nationale Small-Cap-Indizes oder Branchenindizes, gegen die die Entwicklung der IPOs gemessen wird. Welchen Einfluss der Beobachtungszeitraum auf die Underperformance von IPOs haben kann, zeigt sich exemplarisch an den Analysen von Schenek (2006). Bei gleichem methodi-
4
Vgl. Schenek (2006), S. 215 ff.
5
Vgl. Schenek (2006), S. 189 ff.
6
Schenek (2006), S. 195
290
3.8.2 Underpricing und Underperformance als persistente Kapitalmarktphänomene
schem Vorgehen ergibt sich für den Zeitraum von 1999 bis 2002 auf Sicht von drei Jahren eine Underperformance von IPOs gegenüber dem CDAX von 37,7 %, während über den gesamten Untersuchungszeitraum von 1983 - 2002 die Performance drei Jahre nach dem Börsengang mit 0,7 % sogar positiv ausfällt. Erst ab dem vierten Jahr begann die Rendite zu sinken und verlor im Vergleich zum CDAX bis zum Ende des fünften Jahres nach dem Börsengang volle 36 %. Die IPOs in der Zeit von 1997- 2000 hatten dagegen schon nach zwei Jahren fast 36 % im Vergleich zum CDAX eingebüßt. Am weltweit – dem Volumen nach – größten IPO-Markt, den USA, ergibt sich über einen ähnlichen Zeitraum wie in der Studie von Schenek (2006) über den deutschen IPO-Markt nach Ritter/Welch (2002) eine Underperformance von 23,4 %. Diese Untersuchung zeichnet sich vor allem durch ihren Umfang (6.249 IPOs) und die Marktbreite aus. Als Benchmark für die einzelnen Neuemissionen wird jeweils ein Index verwendet, der dem Handels- und Börsenplatz (z.B. AMEX, NASDAQ, NYSE), an dem das IPO-Unternehmen notiert ist, entspricht.
3.8.4.1 Die langfristige Performance
Land
Quelle
291
Zeitraum
IPOAnzahl
Initial Return
Langfr. Rendite
Benchmark
Zeitfenster nach IPO
Australien
Lee et al. (1996)
19761989
266
11,9 %
-51,6 %
All Industrial Accumulation Index
3 Jahre
Dänemark
Jakobsen/Sørensen (2001)
19841992
76
3,9 %
-13,4 %
Danish Total Stock Index
3 Jahre
Deutschland
Ljungqvist (1997)
19701990
154
10,6 %
-19,9 %
FAZ Index
3 Jahre
Deutschland
Rehkugler/Schenek (2001)
19831996
225
11,6 %
-8,5 %
CDAX
3 Jahre
Deutschland
Schenek (2006)
19992002
329
41,1 %
-37,7 %
CDAX
3 Jahre
Deutschland
Schenek (2006)
19832002
658
32,6 %
0,7 %
CDAX
3 Jahre
Großbritannien
Espenlaub et al. (2000)
19851992
588
n/a
-8,1 %
Hoare-Govett Smaller Companies Index
3 Jahre
Italien
Arosio et al. (2001)
19851999
150
24,8 %
-11,5 %
MIB Index
3 Jahre
Japan
Cai/Wei (1997)
19711992
180
49,0 %
-18,4 %
TSE Index
3 Jahre
Mexiko
Hensler et al. (2000)
19871992
67
n/a
-24,1 %
IPC Index
3 Jahre
Niederlande
Doeswijk et al. (2005)
19772001
154
17,6 %
-10,0 %
SektorPortfolios
3 Jahre
Schweiz
Drobetz et al. (2005)
19832000
120/87
35,0 %
-1,7 %
Swiss Performance Index
3 Jahre
Schweiz
Drobetz et al. (2005)
19832000
120/87
35,0 %
5,1 %
Vontobel Small Companies Index
3 Jahre
USA
Ritter (1991)
19831989
1.526
14,3 %
~ -16 %
NASDAQ
3 Jahre
USA
Ritter (1991)
19831989
1.526
14,3 %
~ -25 %
NYSE
3 Jahre
USA
Ritter/Welch (2002)
19802000
6.249
18,8 %
-23,4 %
AMEX, NASDAQ, NYSE
3 Jahre
USA
Gompers/Lerner (2003)
19351972
3.661
n/a
-16,7 %
CRSP Marktindex, Size und Book-toMarket Portfolios
3 Jahre
Abb. 3.8- 1 Empirische Befunde zum Underpricing und zur Underperformance von Aktien-IPOs
292
3.8.3 Millers Theorie heterogener Erwartungen
3.8.3 Millers Theorie heterogener Erwartungen – Ihre Erklärungskraft und ihre Schwächen Zur Erklärung der langfristigen Underperformance von Neuemissionen sind bislang erstaunlich wenige Ansätze entwickelt worden.7 Sie unterscheiden sich in Bezug auf die unterstellten Erwartungen der Marktteilnehmer und auf die Existenz von Ex-ante-Underpricing. Ihr gemeinsames Merkmal ist die Annahme von Marktineffizienzen mit der Folge überhöhter Emissionspreise und/oder Ersttagskurse. Mit ihrem allmählichen Verschwinden werden die Kurse auf ein fundamental gerechtfertigtes Niveau zurückgeführt. Das u.E. überzeugendste Erklärungsmodell hat schon 1977 Miller mit seiner Hypothese der „Divergence of Opinion“ vorgestellt.8 Das Modell wurde nicht explizit für die Erklärung von IPO-Renditen entwickelt (diese Anwendung ist nur knapp angedeutet), sondern als ein genereller Versuch der Beschreibung von Kapitalmarktwirkungen, wenn die Investoren heterogene Erwartungen über die Renditeverteilung risikobehafteter Kapitalanlagen haben. Erst in einem Working Paper von 2000 hat Miller sein allgemeines Modell auf die Erklärung der langfristigen Underperformance von IPOs übertragen, weiter konkretisiert und dabei auch den Begriff der „Heterogeneous Expectations“ eingeführt.9 Seine „Theory of Heterogeneous Expectations“ sei im Weiteren mit THE abgekürzt. Millers Theorie basiert also auf der Annahme, dass Investoren im Hinblick auf die zukünftigen Renditen von Neuemissionen heterogene subjektive Erwartungen besitzen. Grund für die divergenten Erwartungen sind die generelle Unsicherheit über die zukünftigen Zahlungsströme und die unterschiedliche Informationslage, die zu unterschiedlichen Meinungen über den Wert von risikobehafteten Wertpapieren führt. Die potentiellen Investoren bilden somit in Bezug auf ein bestimmtes Wertpapier mit ihren Renditeprognosen keine homogene Gruppe, sondern haben, je nachdem ob sie mit ihrer Einschätzung für das Wertpapier optimistisch oder eher pessimistisch sind, eine unterschiedliche Zahlungsbereitschaft. Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Renditen des Anlageobjekts führt immer zu unterschiedlichen Bewertungsvorstellungen und somit zur Divergence of Opinion bei den potentiellen Anlegern. 7
Vgl. in Übersicht z. B. Ritter/Welch (2002) und Rehkugler/Schenek (2001), S. 291 ff.
8
Vgl. Miller (1977); Miller (2001), S. 47, selbst ist der Überzeugung: „There appears to be no other theory that explains as much about long-run underperformance of initial offerings“
9
Vgl. Miller (2000)
3.8.4.1 Die langfristige Performance
293
Miller geht in seinem Modell davon aus, dass Leerverkäufe von neu emittierten Aktien nur bedingt möglich sind und dass bereits eine Minderheit der potentiellen Investoren die ganze Emission absorbieren kann. Aufgrund der eingeschränkten Leerverkäufe wird die Nachfrage nach den Neuemissionen von den optimistischen Anlegern dominiert, die mit ihrer höheren Zahlungsbereitschaft den Preis des Assets in der ersten Zeit nach der Emission in die Höhe treiben. Abb. 3.8-2 soll dies graphisch unterstreichen.
Aktienkurs
D A
H G B
F
I
C E N
Kumulierte Nachfrage der Investoren mit heterogenen Erwartungen
Abb. 3.8- 2 Der Marktpreis bei heterogenen Erwartungen (Darstellung nach Miller (1977))
Horizontal ist die Menge angebotener bzw. nachgefragter Aktien, vertikal deren geschätzter Wert abgetragen. Die Angebotskurve ist die vertikale Linie, die durch N verläuft. Sie wird durch die Zahl der für die Neuemission vorgesehenen Aktien bestimmt. Die Kurve ABC stellt die Nachfragekurve der Gesamtheit der Investoren nach dem Wertpapier dar. Miller nimmt vereinfachend an, dass jeder Investor lediglich eine Aktie von den insgesamt N verfügbaren Aktien kaufen kann. Die durchschnittliche Einschätzung des gerechtfertigten Preises ist durch die Gerade FBI geprägt. Der Gleichgewichtspreis, der sich aus der durchschnittlichen Bewertung aller Marktteilnehmer ergibt, ist also F. Die für die Emission vorgesehenen Anteile dagegen werden von den N Investoren mit den höchsten Ertragserwartungen erstanden, die bereit sind, einen Preis von G oder höher zu bezahlen. Jeder Emissionspreis unter G würde durch die sofort einsetzende Nachfrage den Preis auf G heben, vice versa.
294
3.8.3 Millers Theorie heterogener Erwartungen
Somit liegt der sich einstellende Sekundärmarktpreis generell über dem Preis aus der durchschnittlichen Einschätzung aller in Frage kommender Anleger, solange das gesamte Emissionsvolumen von einer optimistischen Minderheit aufgenommen werden kann. Die Differenz zwischen G und F hängt damit vom Verhältnis der Anzahl optimistischer Investoren zur Anzahl aller Marktteilnehmer und vom Grad der Divergenz der Werteinschätzungen ab. Ein höheres Maß an Divergenz bedingt also einen höheren Gleichgewichtspreis am Markt. Dies wird durch die Kurve DBE verdeutlicht, die eine höhere Divergence of Opinion unter den Anlegern repräsentiert. Bei gleichem Aktienangebot N ergäbe sich bei ihr ein Gleichgewichtspreis von H. Die empirisch meist zu beobachtenden hohen positiven Zeichnungsrenditen kommen demzufolge zustande, weil/wenn die Konsortialbanken den Emissionspreis nach Maßgabe ihrer eigenen Einschätzungen festlegen, die sich an den durchschnittlichen Erwartungen aller Marktteilnehmer orientieren: „Incidentally, if underwriters ignore the above arguments and price new issues on the basis of their own best estimates of the prices comparable seasoned securities, they will typically underprice new issues.“10 Je tiefer die Kurse festgelegt sind und je größer die Unterschiede in den Erwartungen ausfallen, desto höher sind die anfänglichen Überrenditen. Das so resultierende Underpricing, definiert als Differenz zwischen dem Ersttagskurs und dem Emissionspreis, stellt jedoch keine bewusste Unterbewertung durch die Emittenten bzw. die Emissionsbanken im Sinne eines Ex-ante-Underpricings dar. Denn sie nehmen – entgegen den Annahmen der meisten theoretischen Erklärungsmodelle zum kurzfristigen Underpricing11 – keinen Abschlag auf den Fair Value vor, sondern auf die erwarteten anfänglichen Sekundärmarktkurse. In der Literatur werden mehrere Gründe diskutiert, weshalb Konsortialbanken ein Interesse daran haben können, nicht den zum Zeitpunkt der Emission maximal möglichen Emissionspreis zu fordern; so zum Beispiel aus Reputationsgründen,12 um eventuellen Haftungsansprüchen vorzubeugen,13 aber auch aufgrund von vertraglich vereinbarten Kursstützungsverpflichtungen.14 Die langfristige Underperformance von IPOs am Sekundärmarkt entsteht durch einen Rückgang der Unsicherheit und durch die damit einhergehende Angleichung der Erwartungen der Investoren. In Abb. 3.8-2 entspricht dies einer zunehmenden Verflachung der Kurve ABC. Weil die Investoren im Laufe der Zeit über immer bessere Informationen verfügen, sinkt das mit dem Halten von IPOs verbundene Risiko. Aus diesem Grund fällt mit zunehmender Haltedauer der Marktpreis von IPOs. Der Gleichgewichtspreis sinkt dann, ohne dass sich die
10
Miller (1977), S. 1155
11
Vgl. zusammenfassend Rehkugler (2002), S. 520 ff.
12
Eine empirische Bestätigung der Reputationshypothese erbringt Dunbar (2000)
13
Vgl. Neus (1993)
14
Vgl. Aggarwal (2000). Zur Rolle von Underwritern vor, während und nach einem IPO siehe Logue/Rogalski/Seward (2002)
3.8.4.1 Die langfristige Performance
295
durchschnittliche Einschätzung der künftigen Renditen geändert hätte, und nähert sich B. Aus der Sicht der Investoren, die erst am ersten Handelstag (oder später) Aktien erworben haben, bewirkt dies eine Underperformance der IPO-Aktien gegenüber anderen Aktienanlagen. Der gesamte Renditeverlauf ergibt sich aus „einer zeitlichen Überbewertung von Wertpapieren durch Überoptimismus eines Teils der Anleger.“15 Die Zeichner der Emission werden in etwa auf längere Frist so viel relativ zu anderen Aktien verlieren, wie sie am ersten Tag gewonnen haben. Miller macht allerdings keine Angaben darüber, wann mit dem Einsetzen des Anpassungsprozesses zu rechnen ist und wie lange er voraussichtlich anhalten wird. Bei Vorliegen heterogener Erwartungen können folgende empirische Implikationen abgeleitet werden: • Orientiert sich die Emissionsbank bei der Emissionspreisfindung an der durchschnittlichen Erwartung aller Investoren, dann sind die Zeichnungsrenditen positiv korreliert mit dem Grad der Heterogenität der Erwartungen; • Je höher die anfängliche Heterogenität der Erwartungen ist, desto schlechter fällt die langfristige Performance von IPOs aus, gerechnet vom Ersttagskurs; • Orientiert sich die Emissionsbank bei der Emissionspreisfindung an der durchschnittlichen Erwartung aller Investoren, dann ist die Emissionsrendite am Ende des Anpassungsprozesses nicht signifikant von null verschieden. Zur Verifikation des Modells müssen diese Kernaussagen in einem empirischen Ansatz zusammengefasst werden, dessen wichtigste Frage die Quantifizierung von Unsicherheit über ein Wertpapier zum Zeitpunkt seiner Erstemission ist. Miller selbst hat in seinem Beitrag von 1977 keinen Ansatz zur geeigneten Operationalisierung geliefert. In seinen jüngeren Aufsätzen nennt er als geeignete Proxies zur Messung der anfänglichen Unsicherheit das Emissionsvolumen, die ex-post gemessene Volatilität, das expost gemessene Beta, das Unternehmensalter, die Branchenzugehörigkeit, den Buchwert, den jährlichen Umsatz, die Reputation des Underwriters und das gewählte Börsensegment.16 Einen davon abweichenden Weg sind Houge et al. (2001) gegangen, indem sie drei andere Proxies für die Divergence of Opinion einführten und deren Wirksamkeit für den amerikanischen Aktienmarkt von 1993 bis 1996 empirisch testeten.17 Alle drei Proxies beziehen sich auf den ersten Handelstag einer Neuemission. Das erste Proxy ist der prozentuale Eröffnungs-Bid/Ask-Spread. Die Wahl basiert auf der Annahme, dass
15
Ehrhardt (1997), S. 34
16
Siehe Miller (2000), S. 9 ff. für eine Diskussion der einzelnen Proxies
17
Vgl. Houge et al. (2001). Als Datenbasis dienten 2.025 US-IPOs der Zeit von 1.1.1993 – 31.12.1996; 87 % der Emissionen waren an der NASDAQ gelistete Werte
296
3.8.3 Millers Theorie heterogener Erwartungen
Market Maker in der Regel den Eröffnungsspread vergrößern, wenn sie sich über den ersten Börsenkurs eines IPOs unsicher sind. Als zweiter Indikator für Unsicherheit fungiert der Zeitpunkt der ersten Kursfestlegung. Houge et al. gehen davon aus, dass sich der Beginn des Handels mit dem IPO umso mehr hinauszögert, je größer die Unsicherheit über seinen angemessenen Wert ist. Denn in einem solchen Fall kann die konsortialführende Bank darauf reagieren, indem sie den Market Maker veranlasst, mit der ersten Kursfeststellung etwas zu warten. Als drittes Proxy für die Divergence of Opinion verwenden Houge et al. die Flipping Ratio. Die Flipping Ratio misst den Anteil der großvolumigen (über 10.000 Aktien) Verkaufsorders am gesamten Handelsvolumen des IPOs am ersten Tag. Sie liefert Informationen über die Erwartungen der institutionellen Investoren bezüglich des Wertes eines IPOs. Für den amerikanischen Aktienmarkt beobachten Krigman/Shaw/Womack (1999), dass IPOs mit niedrigem Initial Return eine höhere Flipping Ratio haben als IPOs mit einem hohem Ersttagsgewinn. Houge et al. (2001) überprüfen nun, ob annahmegemäß IPOs mit einer hohen Flipping Ratio, einem großen Eröffnungsspread und/oder einer beträchtlichen Startverzögerung schlechtere langfristige Renditen erfahren als IPOs, bei denen die auf diese Art gemessene anfängliche Unsicherheit niedriger ist. Die Ergebnisse dieser empirischen Tests bestätigen die Annahmen über die Bedeutung der anfänglichen Divergence of Opinion für den zukünftigen Renditeverlauf für IPOs. Zwei der Proxies, die Flipping Ratio und die Startverzögerung, zeigen eine relevante positive Korrelation zu höheren Ersttagsrenditen (Initial Returns). Bei genauerer Einteilung nach der Größe der IPOs ergibt sich ein differenzierteres Bild. So zeigt sich, dass die Flipping Ratio und die Startverzögerung bei kleinen Emissionen nur eine geringe Erklärungskraft für die Ersttagsrendite haben. Alle drei Unsicherheits-Proxies verfügen über eine statistisch signifikante Prognosekraft bezüglich der einjährigen Überrenditen. Während der Eröffnungsspread bei kleinen IPOs eine größere Bedeutung hat, weisen die Flipping Ratio und die Startverzögerung bei großen IPOs eine wesentlich höhere Aussagekraft auf. Die Betrachtung über drei Jahre bestätigt diese Resultate und deutet auch auf eine Reduzierung der Differenzen zwischen großen und kleinen IPOs hin. Zusammenfassend kann für das untersuchte Datensample gefolgert werden, dass die verwendeten drei Proxies für die Unsicherheit bei IPOs über eine signifikante Prognosekraft für langfristige Überrenditen verfügen. Somit unterstützen sie die THE, indem sie demonstrieren, wie eine Zunahme der Unsicherheit zu einer größeren langfristigen Underperformance führt. Auch andere Untersuchungen konnten die THE in ihren Grundzügen bestätigen.18
18
Eine Übersicht findet sich bei Schenek (2006), S. 189 ff.
3.8.4.1 Die langfristige Performance
297
3.8.4 Eine Modifikation und Erweiterung der THE Allerdings weist die THE in der Version von Miller auch einige Erklärungsdefizite auf. • So weist die durchschnittliche langfristige Überrendite, vom Emissionspreis aus gemessen, in zahlreichen Untersuchungen einen von Null abweichenden Wert auf. Würden sich die Emissionsbanken und Emittenten bei der Festsetzung des Ausgabekurses der Aktien tatsächlich, wie Miller dies annimmt, an der durchschnittlichen Erwartung des Marktes (= aller potentieller Investoren) orientieren, dann wäre aber für die Emissionsrendite (= Überrendite ab Emissionspreis) ein durchschnittlicher Wert von Null zu erwarten; • Die THE unterstellt einen eindeutigen und stabilen Zusammenhang zwischen der Heterogenität der Erwartungen der Investoren und der langfristigen Überrendite von IPOs auf dem Sekundärmarkt, also vom Ersttagskurs aus gemessen: je größer die Erwartungsheterogenität, desto negativer fällt die Überrendite aus. Eine solch eindeutige Beziehung ist aber empirisch nicht nachweisbar. Weitere Variablen, die diesen Zusammenhang beschreiben und beeinflussen könnten, sind in der THE aber nicht enthalten; • Fast alle Längsschnittanalysen zur Entwicklung von kurz- und langfristigen IPORenditen zeigen erhebliche zeitliche Instabilitäten. Mit der Erwartungsheterogenität allein können diese starken Variationen in den Initial Returns und den langfristigen Überrenditen nicht erklärt werden. Offenbar sind hierfür noch andere Faktoren wirksam. Wir wollen daher im Weiteren einige Modifikationen und Erweiterungen der THE formulieren, die den vorgebrachten Schwächen Rechnung tragen und sie beseitigen oder sie zumindest abschwächen. Zum Einstieg hierzu gilt es aufzuzeigen, wie sich die langfristige Performance in den Perioden nach dem Börsengang idealtypisch verhalten müsste, wenn die Annahmen bestimmter Erklärungsmodelle zum Underpricing zutreffen sollen.
3.8.4.1 Die langfristige Performance Wir wiederholen: Die meisten Erklärungsansätze zum Underpricing unterstellen ein bewusstes, durch Informationsasymmetrien „erzwungenes“ Setzen des Emissionskurses unterhalb des „fairen“ Werts und ein Springen des Kurses am Emissionstag auf den fairen Wert. Demzufolge müsste die Entwicklung der risikoadjustierten Rendite von IPOs in der Folgezeit im Durchschnitt der Rendite anderer börsennotierter Unternehmen entsprechen. Es wäre also folgender, in Abbildung 3.8-3 wiedergegebener Verlauf zu erwarten.
298
3.8.4 Eine Modifikation und Erweiterung der THE Aktienkurs Rendite
1. Börsenkurs = Fair Value Emissionspreis
Langfristige Performance (ex Emissionspreis) Initial Return
Persistenter Initial Return Haltedauer
Abb. 3.8- 3 Langfristiger Renditeverlauf bei bewusstem Underpricing und rationalem Marktverhalten
Miller dagegen unterstellt, dass die Emissionsbanken den Ausgabekurs an den durchschnittlichen Erwartungen der Investoren ausrichten. Folgerichtig ist dann folgende, in Abbildung 3.8-4 skizzierte kurz- und langfristige Performance der IPO-Aktie zu erwarten. Aktienkurs
1. Börsenkurs
Rendite
Initial Return Fair Value = Emissionspreis
Langfristige Performance
Haltedauer
Abb. 3.8- 4 Entwicklung der Emissionsrendite bei „fairer“ Setzung des Emissionspreises und Verkauf an optimistische Investoren
Der am ersten Tag des Börsenhandels erzielbare Initial Return, der durch die Nachfrage der überoptimistischen Investoren verursacht wird, geht im Laufe der Zeit wieder komplett verloren, wenn die Unsicherheit des Marktes über die Bewertung zurückgeht.
3.8.4.1 Die langfristige Performance
299
Zeigte sich empirisch dagegen im Durchschnitt aller IPOs die Entwicklung nach Abbildung 3.8-5 mit einer langfristig zwar zurückgehenden und einen Teil des Initial Returns wieder verzehrenden, aber insgesamt positiv bleibenden Emissionsrendite, dann ließe dies darauf schließen, dass der Emissionspreis unter dem fairen Wert festgelegt wurde, also ein (absichtliches) Underpricing vorgenommen wurde. Der Ersttagseffekt fällt dann um dieses Underpricing entsprechend höher aus; der relative Verlust im Laufe der Zeit aufgrund des Abbaus der Heterogenität ist der gleiche wie zuvor. Aktienkurs Rendite 1. Börsenkurs Langfristige Performance
Fairer Wert
Initial Return Persistenter Initial Return
Emissionspreis
Haltedauer
Abb. 3.8- 5 Entwicklung der Emissionsrendite bei bewusstem Underpricing und anfänglicher Marktunvollkommenheit
Beobachten wir dagegen langfristig im Durchschnitt der IPOs einen Verlauf der Emissionsrendite, wie ihn Abbildung 3.8-6 zeigt, d.h. der Zeichner eines IPOs verliert langfristig – relativ zu vergleichbaren Anlagen – mehr, als er als Initial Return gewonnen hat, dann ist dies ein Indiz dafür, dass der Emissionspreis systematisch, sei es absichtlich oder aus Fehleinschätzung, über dem Fair Value angesetzt wurde.
300
3.8.4 Eine Modifikation und Erweiterung der THE Aktienkurs
1. Börsenkurs
Rendite Initial Return
Langfristige Performance
Emissionspreis Fairer Wert
Persistenter Initial Return
Abb. 3.8- 6 Entwicklung der Emissionsrendite bei anfänglichem Overpricing
3.8.4.2 Erweiterung der THE um den Absorptionsgrad und die marginale Überschussnachfrage als Einflussfaktoren der Performance Die Heterogenität der Erwartungen der Investoren ist ohne Zweifel der dominante Faktor zur Erklärung der kurz- und langfristigen Performance von IPOs. Sie gibt aber nur das Potential für Initial Returns und spätere Underperformance vor, stellt insofern eine zwar notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dar. Zusätzliche Erklärungskraft kann u.E. die Berücksichtigung des Absorptionspotentials auf dem Primärmarkt und der unerwarteten Zusatznachfrage auf dem Sekundärmarkt bieten. Das Absorptionspotential bringt die relative Stärke der Nachfrage im Verhältnis zum Emissionsvolumen zum Ausdruck. Welcher Grenzpreis erzielbar und – unter den gesetzten Modellannahmen – nach Aufnahme des Handels erreicht wird, hängt, das gilt wie bei jedem Markt, vom Umfang der Nachfrage ab, die auf die angebotenen Aktien trifft. Jede Aktie findet ihre eigenen Investoren, die ihr Nachfragevolumen nach unterschiedlichen Kriterien (überregionaler Bekanntheitsgrad, erwartete kurz- oder langfristige Wertsteigerung, erwartete Quote der Aktie in einem Index, „Sexyness“ der Aktie bzw. des Unternehmens etc.) bestimmen werden.
3.8.4.2 Erweiterung der THE um den Absorptionsgrad
Preis eines Wertpapiers
301
A
EK EP
B
FV
I
C N
N’
Kumulierte Nachfrage bei heterogenen Erwartungen
Abb. 3.8- 7 Einfluss des Absorptionspotentials
Wie Abbildung 3.8-7 zeigt, liegt auf der Hand, dass bei einem IPO, das N Aktien emittiert, die Differenz zwischen dem fairen Wert und dem Gleichgewichtspreis erheblich größer ausfällt als bei einem Unternehmen, das – bei gleicher Nachfrage – N` Aktien anbietet. Damit sind im ersten Fall auch der Preissetzungsspielraum, die möglichen Initial Returns und die langfristigen Renditekorrekturen deutlich größer. Eine Setzung des Emissionspreises weit über dem fairen Preis wird hier gar nicht durchsetzbar sein. Phasen von Hot Markets, in denen IPOs gerade kleinerer Unternehmen oft mehrfach überzeichnet sind, dürften somit tendenziell mehr Möglichkeiten zu einem anfänglichen Overpricing bieten und müssten höhere Initial Returns und stärkere langfristige Renditeanpassungen zeigen als ruhige Marktphasen. Als zweite zusätzliche Einflussgröße vermag eine unerwartete Überschussnachfrage zu wirken. „Unerwartet“ bedeutet, dass weder Investoren noch Emittent/Emissionsbanken mit ihrem Auftreten rechnen, sie also nicht in ihre Überlegungen einbeziehen können. Sie zeigt sich erst am Sekundärmarkt, also nach der Notierungsaufnahme, und wirkt sich in einer Parallelverschiebung der Nachfragekurve nach rechts aus. Die Neigung der Nachfragekurve (Heterogenität) und die durchschnittlichen Wertvorstellungen der Investoren seien davon unberührt. Eine solche Zusatznachfrage kann ausgelöst werden • durch neue Informationen nach der Abgabe des Zeichnungswunsches der Investoren, • durch Investoren, die aus verschiedenen Gründen am Primärmarkt nicht auftreten, aber sich danach engagieren, • durch die unvollständige Abbildung höherer Zahlungsbereitschaften im BookbuildingVerfahren oder auch • durch Nachahmerverhalten von anfänglich in ihrer Einschätzung unsicheren Investoren, die sich an den Verhaltensweisen anderer Investoren orientieren. Sie reagieren demzufol-
302
3.8.5 Besonderheiten bei REIT-IPOs
ge auf eine wahrgenommene hohe/niedrige Nachfrage anderer Investoren und einsetzende Initial Returns ihrerseits mit hoher/niedriger Zusatznachfrage (Kaskadenefffekt). Die potentiellen Wirkungen einer unerwarteten Zusatznachfrage macht Abbildung 3.8-8 deutlich. Preis eines Wertpapiers
A
A‘
EK‘ EK FV
B‘
I
B
C NA‘
C‘
Kumulierte Nachfrage bei heterogenen Erwartungen
Abb. 3.8- 8 Einfluss einer unerwarteten Überschussnachfrage
Schenek (2006) konnte in seiner Untersuchung für den deutschen IPO-Markt empirisch belegen, dass es notwendig und zweckmäßig ist, die THE von Miller durch das Absorptionspotential des Marktes und die unerwartete Zusatznachfrage am Sekundärmarkt zu erweitern.
3.8.5 Besonderheiten bei REIT-IPOs Die Theorie heterogener Erwartungen von Miller und die Erweiterung des Modells durch Schenek sollten auch auf IPOs in REIT-Märkten übertragbar sein. In der Literatur sind denn auch keine Argumente zu finden, die eine solche Übertragung des Modells in Frage stellen. REIT-IPOs weisen jedoch einige Besonderheiten gegenüber IPOs in anderen Branchen auf,
3.8.4.2 Erweiterung der THE um den Absorptionsgrad
303
die teilweise auf die Charakteristika von REITs zurückzuführen sind und auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Ein wesentlicher Unterschied von REITs im Vergleich zu anderen Aktien ist der relativ stark abgegrenzte Markt, aus dem REITs ihre Umsätze und Gewinne erwirtschaften. Dies veranlasste Hartzell/Kallberg/Liu (2005) zu untersuchen, ob sich die Entwicklung von REIT-IPOs durch das Verhalten und den Zyklus des Immobilienmarktes begründen lässt. Der Vergleich von REIT-IPOs wird durch die Konzentration auf einen Markt vereinfacht und die IPOs können daher als homogener im Vergleich zu der Kategorisierung anderer IPOs betrachtet werden, wodurch sich bei empirischen Analysen dominantere wertbeeinflussende Faktoren ergeben könnten. Durch die gesetzliche Beschränkung ihrer Geschäftsaktivitäten sind REITs im Vergleich zu anderen Aktien für den Investor transparenter und besser überprüfbar. Diese zusätzliche Transparenz bei REIT-IPOs lässt geringere asymmetrische Informationen zwischen den Managern eines REITs und den potentiellen Investoren erwarten. Somit kommt dem Prinzipal-Agent-Problem bei REIT-IPOs eine geringere Bedeutung zu und die negative Wirkung bzw. die Heterogenität der Investoren sollte geringer sein, was sich wiederum − der Theorie heterogener Erwartungen folgend − in einem geringeren Underpricing auswirken sollte. Ein weiterer Aspekt, der bei der Analyse von IPOs oft angeführt wird, ist das Finanzierungsverhalten des Unternehmens bzw. dessen Verschuldungsgrad, der sich über den Leverageeffekt wiederum auf die Eigenkapitalverzinsung auswirkt. Daher wirkt sich für viele Unternehmen eine höhere Verschuldung im Vergleich zur Aufnahme von Eigenkapital vorteilhaft aus. Dieses Argument besitzt auch für REITs seine Gültigkeit. Allerdings wird die Entscheidung zur Aufnahme von Fremdkapital bzw. zur Finanzierung durch Eigenkapital bei REITs aufgrund ihrer besonderer steuerlicher Gestaltung und Behandlung nicht durch die bei Aktiengesellschaften darüber hinaus positiv wirkenden steuerlichen Effekte eines hohen Verschuldungsgrades beeinflusst. Die vorgeschriebenen hohen Ausschüttungsquoten bei Unternehmen mit REIT-Status veranlassen diese dazu, dass sie in der Regel öfter an den Kapitalmarkt herantreten, um sich Fremd- oder Eigenkapital zu beschaffen. Dies sollte REITs bei ihrem IPO dazu bringen, dass sie ihre Anteile zu einem „fairen Preis“ am Markt platzieren, da sie sonst bei weiteren Gängen an den Kapitalmarkt an Reputation verlieren würden und nur erschwerten Zugang zu weiteren Finanzierungsquellen erhalten würden. Die durch die rechtliche Gestaltung bedingten und oben aufgeführten Besonderheiten von REITs vereinfachen dem potentiellen Investor die Analyse und Bewertung eines REIT-IPOs, sollten die Heterogenität bei REIT-IPOs verringern und somit ein geringeres Underpricing und eine geringere Underperformance ausgehend vom ersten Schlusskurs bewirken. Der Anteil institutioneller Investoren bei REITs und deren IPOs war bis zu Beginn der 90-iger Jahre relativ gering und ist erst in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Bei Untersuchungen früherer REIT-IPOs könnte sich dies darin zeigen, dass höhere Emissionspreise erzielt werden konnten bzw. höhere Initial Returns zu erzielen waren, weil durch den größeren Anteil eher schlecht informierter Investoren die Heterogenität der Erwartungen größer war.
304
3.8.6 Ergebnisse empirischer Analysen bei REIT-IPOs
Zur Überprüfung der oben beschriebenen Theorien und der möglichen Unterschiede zwischen REIT- und Aktien-IPOs werden im nächsten Abschnitt die Ergebnisse verschiedener empirischer Studien dargestellt und zusammengefasst.
3.8.6 Ergebnisse empirischer Analysen bei REIT-IPOs Während für den IPO-Markt allgemein zahlreiche Untersuchungen existieren, die sich mit der empirischen Überprüfung der THE befassen und auch zu einer Bestätigung der Hypothese gelangen, ist die Anzahl an wissenschaftlichen Studien für den speziellen REIT-IPOMarkt sehr gering. Zudem beschäftigen sich die wenigen Untersuchungen fast ausschließlich mit dem US-REIT-Markt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die US-REITs im Gegensatz zu vielen anderen REITs schon seit über 40 Jahren existieren, der Markt die höchste Marktkapitalisierung aller REIT-Märkte weltweit aufweist und die Bedeutung von REITs für institutionelle Investoren auf diesem Markt am größten ist. Die Untersuchungsergebnisse kommen zu keinem eindeutigen Urteil bezüglich des Underpricings und der Underperformance von REIT-IPOs. Dagegen gibt es Übereinstimmung über die Ursachen so genannter IPO-Wellen auf den REIT-Märkten. Unter IPO-Wellen wird das zyklische und geclusterte Auftreten von IPO-Aktivitäten verstanden. Buttimer/Hyland/ Sanders (2005) und Hartzell/Kallberg/Liu (2005) kommen zu dem überein-stimmenden Ergebnis, dass IPO-Aktivitäten vor allem durch den Bedarf an Kapital und die damit verbundene Attraktivität von Investitionen auf dem Immobilienmarkt getrieben werden. Für einen Einfluss des Investor Sentiments und der Informationsasymmetrie können Buttimer/ Hyland/Sanders keine empirischen Belege finden. Hartzell/Kallberg/Liu kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen und können zeigen, dass verstärkte IPO-Aktivitäten für den Zeitraum von 1981 bis 1997 einen Vorlauf gegenüber einer verstärkten Bauaktivität von ein bis eineinhalb Jahren aufweisen, der REIT-IPO-Markt also Aktivitäten am realen Immobilienmarkt vorweg nimmt. In der Literatur wird auch immer wieder diskutiert, ob in so genannten Hot-Market-Phasen die Qualität von IPO-Unternehmen signifikant verschieden bzw. schlechter ist als von IPOUnternehmen in ruhigeren Marktphasen. Hartzell/Kallberg/Liu (2005) stellen allerdings in ihrer Analyse keinen qualitativen Unterschied zwischen den REIT-IPOs in den verschiedenen Marktphasen fest. Buttimer/Hyland/Sanders (2005) gehen zusätzlich der Frage nach, warum REIT-IPOs geclustert bzw. in so genannten Wellen auftreten und kommen zu dem Ergebnis, dass IPOs
3.8.6.1 Underpricing
305
dann gehäuft stattfinden, wenn bereits am Markt vorhandene REITs mit einer Prämie auf ihren Net Asset Value (NAV) gehandelt werden.
3.8.6.1 Underpricing Im Vergleich zu IPOs auf Aktienmärkten weisen REIT-IPOs ein wesentlich geringeres Underpricing auf. Chan/Erickson/Wang (2003) nennen einen durchschnittlichen Initial Return von über 18 % bei US-Aktien-IPOs über einen Zeitraum von 30 Jahren (1970 – 1999), während 261 US-REIT-IPOs im selben Zeitraum gerade einen durchschnittlichen Initial Return von 0,21 % aufweisen. Der Initial Return bei REIT-IPOs ist also wesentlich geringer und es ist empirisch kein signifikantes Underpricing über diesen Zeitraum belegbar. Werden Dekaden betrachtet, liegt in den 1970er und den 1980er Jahren bei einem Initial Return von 3,10 % bzw. -3,14 % im Gegensatz zu Aktien-IPOs sogar ein leichtes Overpricing vor. Ein Underpricing von durchschnittlich 2,36 % ist erst in den 1990ern zu erkennen. Zu ähnlichen Ergebnissen bezüglich des Overpricings von REIT-IPOs in den 1970er und 1980er Jahren kommen Wang/Chan/Gau (1992) und Buttimer/Hyland/Sanders (2005). Für den Zeitraum zwischen 1980 und 2001 stellen letztere bei 163 US-REIT-IPOs ein durchschnittliches Underpricing von 2,47 % fest, während Ritter und Welch (2002) für denselben Zeitraum bei Aktien-IPOs ein durchschnittliches Underpring von 18,8 % errechnen und Helwege/Liang (2004) zwischen 1975 und 2000 zu einem durchschnittlichen Initial Return zwischen 17 % und 30 % gelangen. Chan/Erickson/Wang (2003) zeigen darüber hinaus, dass der Spread zwischen den durchschnittlichen Initial Returns von Aktien- und REIT-IPOs auf dem US-amerikanischen Markt im Zeitablauf zunimmt. Während der Spread im Zeitraum von 1970 – 1979 noch bei 12,1 % liegt, steigt er auf 18,44 % bzw. 21,44 % in den folgenden Dekaden an. Recht erstaunlich ist, dass bei REIT-IPOs kein zyklisches Verhalten des Underpricings feststellbar ist. Gerade zur Zeit des Internetbooms (1998 – 2000) ist bei anderen Aktien-IPOs das Underpricing wesentlich höher ausgefallen als im langfristigen historischen Durchschnitt. Demgegenüber ist aus Abbildung 3.8-9 zu entnehmen, dass das Underpricing bei REITs im Vergleich zu anderen Aktien-IPOs nicht nur deutlich geringer ausfällt, sondern auch weit weniger durch zyklisches Verhalten geprägt ist. Im Zeitraum von 1980-2000 ist lediglich für die Jahre 1989 und 1990 eine deutliche Abweichung vom langfristigen durchschnittlichen Underpricing bei REIT-IPOs zu erkennen.
306
3.8.6 Ergebnisse empirischer Analysen bei REIT-IPOs
Durchschnittliche Ersttagsrendite in %
70
Durchschnittliche Ersttagsrendite
60 50 40 30 20 10 0 -10 -20
19 80 19 81 19 82 19 83 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00
-30
Jahr REITs
Nicht-REITs
Abb. 3.8- 9 Ersttagsrenditen bei REITs und Nicht-REITs; Quelle: Chan/Erickson/Wang (2003), S. 162 f.
Die Ursachen und Gründe, warum US-REIT-IPOs ein wesentlich geringeres Underpricing aufweisen als Aktien-IPOs, wurden in der Literatur häufig diskutiert. Obwohl ein Konsens über das Vorliegen eines sehr geringen Underpricings besteht, gibt es keine gemeinsame Meinung bezüglich der Gründe für das geringere Underpricing. Wang/Chan/Gau (1992) zeigen, dass das Emissionsvolumen und der Angebotspreis keine Auswirkung auf den Initial Return besitzen. Ein gemischtes Bild in der Literatur ergibt sich bei der Analyse des Investorentyps, der sich an IPOs beteiligt. Während Wang/Chan/Gau (1992) zu dem Ergebnis kommen, dass bei einem relativ großen Anteil von institutionellen Investoren die Höhe des Underpricings zurückgeht, zeigen Ling und Ryngaert (1997), dass bei einer Beteiligung von institutionellen Investoren von mehr als 30 % für den Zeitraum von 1991 – 1994 das Ausmaß des Underpricings steigt. Auch zum Einfluss der Vertriebsvereinbarung auf den Initial Return besteht keine Gemeinsamkeit mit anderen IPOs. Ritter (1987) und Chalk und Peavy (1987) finden bei der Verteilungsmethode des Best-Effort Contracts19 bei Aktien-IPOs ein höheres Underpricing im Vergleich zum Firm Commitment.20 Zu der gegenteiligen Aussage gelangen Wang/Chan/Gau 19
Beim best-effort-Verfahren bleibt das Risiko über die Höhe des Emissionserlöses im Gegensatz zum firm commitment beim emittierenden Unternehmen und wird nicht an einen Dritten (z. B. Emissionsbank) übertragen
20
Folgt das Emissionsverfahren einem firm commitment erklärt sich die Emissionsbank bereit, nicht vom Markt abgenommene Aktien selbst zu erwerben. Dies gibt dem IPO-Unternehmen die Sicherheit, dass der gewünschte Kapitalzufluss durch das IPO tatsächlich eintritt und nicht von der Marktsituation direkt beeinflusst wird
3.8.6.1 Underpricing
307
(1992) bei der Analyse von REIT-IPOs, bei denen aus Best-Effort Con-tracts sogar ein Overpricing in Höhe von 10,84 % folgt. Zum Kapitalmarktverhalten verbriefter Immobilien außerhalb der US-amerikanischen Kapitalmärkte existiert nur eine geringe Anzahl an Untersuchungen. Für den europäischen Markt von Immobilien-Bestandshaltern und ihr IPO-Verhalten finden Brounen und Eichholtz (2001 sowie 2002) in ihrer 83 Immobilienunternehmen umfassenden Analyse, die sich die Betrachtung von Börsengängen zwischen 1990 bis 2000 zum Ziel gesetzt hat, einen Initial Return – nach Berücksichtigung der Marktrendite am Tag des Erstlistings – von durchschnittlich 3,43 %. Diese Zeichnungsrendite entspricht damit in etwa den US-Befunden. Als mögliche Erklärungsfaktoren für die Höhe des Initial Returns betrachten Brounen und Eichholtz (2002) die Unsicherheit bzw. den Informationsgehalt vor dem IPO (gemessen durch die Volatilität nach Emission), die einen signifikanten Einfluss auf das Underpricing ausüben. Mögliche Einflüsse der Emissionsgröße und des Verschuldungsgrads sind nicht signifikant. Länderspezifische signifikante Unterschiede im Underpricing können im Rahmen der Untersuchung ebenfalls nicht festgestellt werden. Brounen und Eichholtz (2002) führen das höhere Underpricing nach 1992 im Vergleich zu den IPOs vor 1992 auf die – durch die EMU bedingt – zunehmende Ausdehnung des Anlageraumes der Investoren vom nationalen auf den europäischen Markt zurück. Dadurch nehme der durchschnittliche Informationsgehalt aller Investoren ab, da unterstellt wird, dass ausländische Investoren weniger Informationen über das Unternehmen und den Markt besitzen. Dies führe zu einer höheren Heterogenität und zu einem höheren Underpricing. Deutlich abweichende Befunde liefert die ältere Untersuchung von Gerbich/Levis/Venmore-Rowland (1995), die für den britischen Markt ein ähnlich hohes Underpricing von Property und Non-Property Companies feststellt. Neben dem amerikanischen Markt ist vor allem der australische verbriefte Immobilienmarkt weit entwickelt und weist weltweit – gemessen an der Marktkapitalisierung – den höchsten Anteil am Gesamtmarkt auf. Dimovski und Brooks (2006) stellen in ihrer 37 REIT-IPOs im Zeitraum zwischen 1994 und 1999 umfassenden Untersuchung auf dem australischen Markt kein signifikantes Underpricing fest. Während 7 Emissionen weder ein Under- noch ein Overpricing verzeichnen, gab es jeweils 15 REIT-Börsengänge mit einem Over- bzw. Underpricing. Als den Initial Return positiv beeinflussende Faktoren identifizieren sie die erwartete Dividendenrendite für das nächste Jahr, das Segment Einzelhandel als Fokussierungsbereich und das Marktsentiment. Da es in Australien üblich ist, den exakten Emissionspreis bereits bei Ausgabe des Emissionsprospektes festzulegen, wird als Proxy für die Marktstimmung die Entwicklung des Property Trust Indexes vom Tag der Veröffentlichung des Emissionsprospektes bis zum Tag der Emission verwendet. Von den übrigen Teilmärkten abzuweichen scheint Hongkong. Chan/Stohs/Wang (2001) schließen aus ihrer Analyse, dass auf diesem Markt immobilienbezogene IPOs (wenige REITs gibt es erst seit 2003) sich wesentlich homogener im Vergleich zu den übrigen IPOs verhalten. Sie finden ein Underpricing von 16 % im Vergleich zu 19 % bei nichtimmobilienbezogenen IPOs. Chan/Ericksen/Wang (2003, S. 192) folgern daraus, dass die in den USA zu beobachtenden Unterschiede zwischen dem Underpricing von REIT- und sonstigen IPOs eher durch die Organisationsstruktur und die Managementstrategie verursacht sind als durch den besonderen Typus des Vermögensgutes „Immobilie“. Dies passt zu dem
308
3.8.6 Ergebnisse empirischer Analysen bei REIT-IPOs
obigen Argument, dass nicht gesetzlich in ihrem Aktionsraum begrenzte Immobilienaktiengesellschaften keine so deutlichen Unterschiede zu anderen Unternehmen zeigen.
3.8.6.2 Langfristige Underperformance Die langfristige Performance von IPOs ist erheblich schwieriger zu messen als der Initial Return. Zum einen lässt sich trefflich über die angemessene Methodik der Messung von Überrenditen, insbesondere die angemessene Risikoadjustierung, streiten. So wird verschiedentlich das Phänomen als solches mit dem Argument bestritten, bei korrekter Risikoadjustierung sei gar keine langfristige Underperformance feststellbar.21 Zum andern bedarf es verfügbarer Daten über genügend lange Zeiträume. So brechen leider mehrere Studien die Performancemessung von REIT-IPOs nach einem Jahr ab, obwohl die Fachwelt sich heute einig ist, dass die Anpassungsprozesse erheblich länger dauern und dass daher mindestens ein Zeitraum von 3 Jahren einzubeziehen ist.22 Auf der anderen Seite ist es vielen Untersuchungen auch nicht möglich, längere Zeiträume zu betrachten, da gerade bei REITs und bestandshaltenden Immobilienunternehmen – mit Ausnahme der USA – ein genügend langer Untersuchungszeitraum auf Grund der sich erst in der letzten Dekade an den Finanzmärkten zur Eigenkapitalbeschaffung stark entwickelnden Branche nicht vorliegt. Buttimer/Hyland/Sanders (2005) ziehen in ihrer Analyse von amerikanischen REIT-IPOs ein erweitertes Fama-French-Faktormodell23 heran. Sie schließen sich damit der Vorgehensweise von Loughran und Ritter (1995) und Brav und Gompers (1997) für Aktien-IPOs anderer Branchen an. Auf dieser Basis können sie über einen Zeitraum von 5 Jahren nach dem Börsengang keine signifikanten risikoadjustierten abnormalen Renditen von REIT-IPOs feststellen. Abhängig vom Untersuchungszeitraum (3 Jahre nach IPO) und der Portfoliokonstruktion (wert- oder gleichgewichtet) treten sogar leicht positive Renditen auf. Dies interpretieren Buttimer/Hyland/Sanders (2005) als Widerspruch zur Theorie von Miller und der Hypothese asymmetrischer Informationen. Zusätzlich kommen sie durch den Vergleich von wert- und gleichgewichteten Portfolios zu dem Ergebnis, dass größere REIT-IPOs eine bessere langfristige Performance aufweisen als solche mit einem geringen Emissionsvolumen. Im Gegensatz hierzu stellen Wang/Chan/Gau (1992) und Chan/Ericksen/Wang (2003, S. 185) eine deutliche Underperformance in den ersten 200 Handelstagen gegenüber einem breiten US-amerikanischen Marktindex fest. Sie begründen dies mit der relativ hohen Unsicherheit über den Wert eines REITs und über die große Anzahl von nicht-institutionellen und vermeintlich uninformierten Investoren (vor allem im Zeitraum vor 1993). Die Aufmerksamkeit für REITs hat jedoch in den letzten Jahren auch bei institutionellen Anlegern stark
21
Vgl. Drobetz/Kammermann/Wälchli (2005), S. 253 ff.
22
Vgl. Schenek (2006), S. 189 ff.
23
Siehe Fama/French (1993)
3.8.6.2 Langfristige Underperformance
309
zugenommen. Chan/Ericksen/Wang (2003, S. 192) kommen deshalb zu dem Schluss, dass REIT-IPOs sich in der Zukunft der Entwicklung anderer IPOs angleichen sollten. In weiteren Untersuchungen zur Analyse der langfristigen Performance von US-REIT-IPOs zeigen Ling und Ryngaert (1997), dass REITs in den ersten 100 Handelstagen nach Börsengang gegenüber seasoned equity REITs keine Underperformance aufweisen, wobei auch SEOs eine negative Performance aufweisen, die jedoch geringer ist als bei SEOs in anderen Branchen. Shelor und Anderson (1998) halten fest, dass nach dem Börsengang eine Verbesserung des Return on Assets und weiterer Finanzkennzahlen festzustellen ist, aber keine Übertragung auf den Aktienkurs zu beobachten ist. In ihrem Analyserahmen über den US-amerikanischen Markt hinausgehende, internationale Studien sind wie auch bei der Analyse des Underpricings für das langfristige Verhalten von REIT- und ImmobilienIPOs auf Grund der oben angesprochenen Problematik in der Datenverfügbarkeit nur sehr begrenzt vorhanden und konzentrieren sich für den europäischen Raum im Wesentlichen auf Brounen und Eichholtz (2001 sowie 2002). Brounen und Eichholtz (2001 sowie 2002) messen die Underperformance nur für ein Jahr nach dem Börsengang, also für keine den Anpassungsprozess komplett erfassende Periode. Für IPOs europäischer Bestandshalter finden sie im Vergleich zur Entwicklung des Marktes – gemessen durch den jeweiligen GPR-General-National-Index – eine Überrendite von durchschnittlich -0,96 %. Die Underperformance fällt jedoch im Vergleich zu IPOs anderer Branchen deutlich geringer aus. Vor allem notieren im Untersuchungszeitraum nur 12,72 % aller europäischen Immobilien-IPOs nach einem Jahr unter ihrem Emissionspreis, während dieser Anteil z.B. bei Unternehmen des Technologie-Sektors mit rund 38 % wesentlich höher ausfällt. Brounen und Eichholtz (2002, S. 111) weisen darauf hin, dass die Entwicklungen in den einzelnen Ländern – durch lokale Ursachen bedingt – unterschiedlich ausfallen können. Auf der Basis allerdings sehr kleiner Fallzahlen stellen sie z. B. in Schweden eine kumulierte Überrendite von 18,89 % im ersten Jahr fest, während IPOs in Frankreich und Großbritannien mit Renditen von -12,62 % bzw. -4,53 % eindeutig negative Werte erreichen. Für die drei genannten Märkte weisen Unternehmen mit einem geringen Emissionsvolumen, einem Verschuldungsgrad von über 50 % und mit Fokussierung auf den Einzelhandel eine vergleichsweise hohe Underperformance auf. Wie auch beim Underpricing stehen die empirischen Befunde der langfristigen Underperformance der IPOs von bestandshaltenden Immobilienunternehmen in Hong-Kong nach Chan/Stohs/Wang (2001) in einem starken Kontrast zu den Ergebnissen für die übrigen Märkte. Zwar geht die Überrendite gegenüber der Entwicklung des Aktienmarktes – gemessen durch den Hang-Seng-Index – sukzessive mit zunehmender Zeitdauer des Börsenlistings zurück, weist aber auch nach 200 Handelstagen nach dem Erstlisting noch eine Überrendite von 7,34 % auf, während die meisten Untersuchungen der europäischen und USamerikanischen IPO-Märkte von Immobilienunternehmen über einen etwa gleichlangen Beobachtungshorizont negative Überrenditen und damit eine Underperformance gegenüber dem Markt feststellen. Offen bleibt allerdings in diesem Zusammenhang die Frage, ob diese Überrendite tatsächlich persistent ist oder der Anpassungsmechanismus auf dem Markt in Hong-Kong langsamer verläuft und damit bei einer längerfristigen Betrachtung sämtliche Überrenditen verschwinden würden.
310
3.8.6 Ergebnisse empirischer Analysen bei REIT-IPOs
Abschließend zu den empirischen Befunden findet sich in Abbildung 3.8-10 eine Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse zum Underpricing und zur Underperformance von IPOs von Immobilienunternehmen bzw. REITs. Die Befunde von Ländern außerhalb der USA leiden hierbei zwar unter den teilweise geringen Fallzahlen und der kürzeren Historie, bestätigen aber – mit Ausnahme des Immobilien-IPO-Marktes in Hong-Kong – tendenziell die Ergebnisse, die sich für die USA feststellen lassen.
Land
Quelle
Zeitraum
IPOAnzahl
Initial Return
Langfr. Rendite
Benchmark
Zeitfenster nach IPO
Australien
Dimovski/Brooks (2006)
19941999
37
Nicht signifikant
1,20 %
n/a
n/a
Frankreich
Brounen/Eichholtz (2002)
19841999
17
0,77 %
-12,62 %
GPRGeneral National Index
12 Monate
Großbritannien
Brounen/Eichholtz (2002)
19841999
23
4,07 %
-4,53 %
GPRGeneral National Index
12 Monate
Hong-Kong
Chan et al. (2001)
19861997
56
16,21 %
7,34 %
Hang Seng Index
200 Tage
Schweden
Brounen/Eichholtz (2002)
19841999
13
1,75 %
18,89 %
GPRGeneral National Index
12 Monate
USA
Wang et al. (1992)
19711988
87
-2,82 %
-0,64 %
S&P 500 Composite Index
190 Tage
USA
Ling/Ryngaert (1997)
19911994
85
3,60 %
2,20 %
Whilshire Real Estate Securities Index
100 Tage
USA
Chan et al. (2003)
19701999
261
0,21 %
~ -14 %
NAREIT Index
200 Tage
USA
Buttimer et al. (2005)
19802001
163
2,47 %
n/a
n/a
n/a
USA
Chen/Lu (2006)
19801999
197
2,90 %
n/a
n/a
n/a
Europa
Brounen/Eichholtz (2001)
19902000
83
3,43 %
-0,96 %
GPRGeneral National Index
12 Monate
Abb. 3.8- 10 Empirische Befunde zum Underpricing und zur Underperformance von IPOs vonImmobilienunternehmen
3.8.6.2 Langfristige Underperformance
311
3.8.7 Zusammenfassung Der Beitrag wollte (und konnte) zeigen, • dass REITs und andere gelistete Immobiliengesellschaften offenbar bedeutende Besonderheiten aufweisen, die dazu führen, dass bei ihren Börsengängen die bei anderen IPOs weltweit zu beobachtenden Phänomene des kurzfristigen Underpricings und der langfristigen Underperformance nicht oder zumindest nicht in der gleichen Stärke auftreten; • dass dieses differierende Kapitalmarktverhalten für Zeichner von Neuemissionen deutlich geringere Chancen für Ersttagsgewinne erwarten lässt, aber dafür in den folgenden Perioden auch wesentlich geringere Risiken einer im Vergleich zum Marktdurchschnitt schlechteren Performance zu befürchten sind; • dass mit der THE und ihren Erweiterungen ein brauchbares theoretisches Modell existiert, das diese empirischen Befunde plausibel zu erklären vermag. Es gibt also gute Gründe für die Vermutung, dass auch Börsengänge deutscher REITs (und anderer bestandshaltender Immobiliengesellschaften) ein ähnliches Kapitalmarktverhalten erwarten lassen. Wie zumindest Einzelfälle der jüngeren Vergangenheit deutlich machen, deren Kursverlauf in beiden Komponenten keineswegs dem beschriebenen Muster entsprach, greift hier aber kein aus der Branche bzw. dem Typus alleine erwachsender Automatismus. Vielmehr sind hierfür die Reife des Marktes und vor allem die Reife der Verhaltensweisen der Emittenten, Emissionsbegleiter wie der Investoren die letztlich entscheidenden Triebkräfte.
312
3.8.7 Zusammenfassung
1.2.4.6 Beseitigung der steuerlichen Unstimmigkeiten
313
Teil 4 Transparenz 4.1
Transparenz von Immobilienfonds und Immobilien(aktien)gesellschaften – Der Informationsbedarf von Investoren und Analysten...................................................................................315
4.2
Welchen Beitrag zur Transparenz von Immobiliengesellschaften liefert die Rechnungslegung nach IAS/IFRS?..................................331
4.3
Gesetzlich geforderte Transparenz bei ImmobilienSondervermögen...............................................................................371
4.4
Freiwillige Transparenz: Die EPRA Best Practices Policy Recommendations 381
4.5
Messung und Beurteilung faktischer Transparenzniveaus ...............403
4.1
Transparenz von Immobilienfonds und Immobilien(aktien)gesellschaften – Der Informationsbedarf von Investoren und Analysten
Thomas Gütle / Heinz Rehkugler 4.1.1
Einführung und Problemstellung
316
4.1.2
Allgemeine Anforderungen zur Transparenz: Die DVFA-Grundsätze für Effektive Finanzkommunikation 318
4.1.3
Spezifische Informationsbedarfe zur Beurteilung von Immobilienaktiengesellschaften
4.1.3.1
Transparenzfeld Umfeld und Immobilienmarkt ....................................................322
4.1.3.2
Transparenzfeld Unternehmensführung ................................................................323
4.1.3.3 4.1.3.3.1 4.1.3.3.2 4.1.3.3.3 4.1.3.3.4 4.1.3.3.5
Transparenzfeld Vermögen und Kapital................................................................324 Immobilienvermögen.............................................................................................324 Liquiditätshaltung ..................................................................................................326 Gesellschafterstruktur und Eigenfinanzierung ......................................................326 Verschuldung.........................................................................................................327 NAV.......................................................................................................................327
320
4.1.3.4 Transparenzfeld Performance................................................................................327 4.1.3.4.1 Realisierte Performance.........................................................................................328 4.1.3.4.2 Performanceerwartungen.......................................................................................329 4.1.3.5
Transparenzfeld Risiken ........................................................................................329
4.1.4
Schluss
330
4.1.1 Einführung und Problemstellung Wie bei jeder Kapitalanlageentscheidung bzw. -beratung steht der Investor oder Analyst auch bei einer indirekten Immobilienanlage über Anteile an Immobilienfonds oder Immobilien(aktien)gesellschaften vor dem Problem, die Renditechance und das damit verbundene Risiko einschätzen zu müssen. Er benötigt hierzu möglichst fundierte und detaillierte Informationen über alle Faktoren, die für die künftige Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung sind. Das betrifft zum einen das allgemeine Marktumfeld, also die Entwicklung der gesamten nationalen und internationalen Wirtschaftslage und deren Auswirkung auf die Immobilienwirtschaft. Auf der Ebene des Immobilienunternehmens selbst interessieren vor allem Informationen über das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie generell, die Struktur der Aktiva (gehaltene Immobilien mit ihren erfolgsbestimmenden Merkmalen) und Passiva, die erzielte und erzielbare Performance und die Risiken. Da Unternehmen von Personen geführt werden und diese mit ihren Entscheidungen den Erfolg wesentlich prägen, bedarf eine professionelle Analyse auch fundierter Informationen über das Management. Ein Teil dieser Informationen, insbesondere über die Situation und Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds und speziell der relevanten Immobilienteilmärkte, ist grundsätzlich vom Investor bzw. Analysten unmittelbar beschaffbar. Dies setzt aber einen weitgehend transparenten Markt voraus. Transparenz ist nicht nur wichtig für den Anleger oder den Berater, der ein Investment prüfen möchte. Vielmehr ist sie auch eine entscheidende Voraussetzung für eine Professionalisierung des Immobilienmarktes sowie für die Generierung ausreichender Liquidität und damit für faire Geschäfte. Darüber hinaus reduziert Transparenz das Risiko von Fehlentwicklungen im Immobilienmarkt. Nun gilt speziell der deutsche Immobilienmarkt als wenig transparent. Von vielen Seiten wird die Verlässlichkeit der Zahlen öffentlicher Statistiken für den Immobilienmarkt bezweifelt und das Fehlen eines amtlichen Berichtssystems bemängelt.1So nimmt Deutschland z.B. im Jones Lang LaSalle Global Real Estate Transparency Index 20082 weltweit nur den 14. Platz ein und hat sogar gegenüber der vorhergehenden Erfassung einige Plätze verloren, spielt also im internationalen Vergleich nur in der zweiten Liga. Dieser Transparenzindex erfasst allerdings neben dem Niveau der Verfügbarkeit von fundamentalen Marktdaten und Performanceindizes auch andere, hier nicht relevante Kategorien der Regulierung des Marktes und der professionellen Standards.
1
So z.B. Bulwien (2006) oder Kauffmann/Nastansky (2006), S. 1
2
Jones Lang LaSalle (2008), S. 2
4.1.3.1 Transparenzfeld Umfeld und Immobilienmarkt
317
Zur Analyse der Situation und der weiteren Entwicklungspotentiale des einzelnen Immobilienunternehmens bzw. Fonds ist der Investor und Analyst aber großenteils auf die Informationen angewiesen, die von diesen selbst – sei es in Erfüllung gesetzlicher Auflagen oder als zusätzliche freiwillige Kommunikation – zur Verfügung gestellt werden. Die Rechnungslegungsvorschriften und das Kapitalmarktrecht regeln, wann und unter welchen Umständen Unternehmen verpflichtet sind, in den Dialog mit Investoren und anderen Kapitalmarktteilnehmern zu treten. Die hierdurch geforderten Kommunikationsinhalte sind aber lediglich als Mindeststandards zu sehen, deren Erfüllung das Informationsbedürfnis der Kapitalmarktteilnehmer nicht ausreichend befriedigt. Für die darüber hinausgehende Unternehmenskommunikation haben Analystenverbände, so die DVFA, Empfehlungen und Grundsätze formuliert. Ihre zentrale Idee bildet – für Unternehmen aller Branchen grundsätzlich in gleicher Weise gültig – die Glaubwürdigkeit des Managements und seiner Kommunikation, deren Wahrnehmung einen wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung des Unternehmens ausübt. Zusätzlich sind immer wieder – so auch von der Expertengruppe „Immobilien“ der DVFA – „Publizitätswunschkataloge“ aufgestellt worden, die Art, Umfang und Detailgrad der Bereiche beschreiben, zu denen zur Vermeidung von Fehlbewertungsrisiken von den Immobiliengesellschaften selbst Informationen zur Verfügung gestellt werden sollten.3 Auf den allgemeinen „DVFA-Grundsätzen für Effektive Finanzkommunikation“ aufbauend, wollen wir den von uns früher formulierten „Publizitätswunschkatalog“ ergänzen, erweitern und präzisieren, indem wir Transparenzfelder beschreiben, anhand derer dann aufgezeigt wird, welchen Informationsbedarf nach Art, Umfang und Detailgrad Anleger bei indirekten Anlagen im Immobilienmarkt haben. Dabei wird in erster Linie auf den institutionellen Investor, den Analysten bzw. den professionellen Berater abgestellt. Dadurch sind implizit auch die Bedürfnisse von privaten Anlegern weitgehend berücksichtigt. Prima facie sehen wir keinen Grund, bei Art und Umfang der gewünschten bzw. benötigten Informationen danach zu differenzieren, ob es sich um die Beurteilung einer Immobilienaktiengesellschaft/eines REITs oder eines Offenen Immobilienfonds handelt. Aufgrund der unterschiedlichen Kapitalmarktsituation und Preisbildung von Aktiengesellschaften und Offenen Fonds werden sich im Detail dann doch abweichende Schwerpunkte der Informationsbedarfe ergeben.
3
Dieser Publizitätswunschkatalog der Expertengruppe ist in unserem früheren Buch „Die Immobilien-AG – Bewertung und Marktattraktivität“ wiedergegeben, vgl. hierzu Rehkugler (2003a), S. 70 f.
318
4.1.2 Allgemeine Anforderungen zur Transparenz
4.1.2 Allgemeine Anforderungen zur Transparenz: Die DVFAGrundsätze für Effektive Finanzkommunikation Die „DVFA-Grundsätze für Effektive Finanzkommunikation“ – 2006 dem deutschen und europäischen Kapitalmarkt vorgestellt – beschreiben Erwartungen institutioneller Anleger und Finanzanalysten an die Finanzkommunikation von Unternehmen und erläutern, wie Abweichungen von diesen Erwartungen unter Umständen von den Adressaten interpretiert werden können. Die Güte einer Finanzkommunikation kann keinesfalls verstanden und gemessen werden über einen wohldefinierbaren Katalog zu liefernder Informationen. Vielmehr beruht sie auf der Glaubwürdigkeit des Managements von Unternehmen und glaubwürdig vorgetragener Kommunikation. Glaubwürdigkeit entsteht aus Erfahrungen der Kapitalmarktteilnehmer, insbesondere der Investment Professionals (Institutionelle Investoren und Finanzanalysten). Hat ein Unternehmen in der Vergangenheit frühere Aussagen und Prognosen eingehalten bzw. mögliche Abweichungen frühzeitig kommuniziert, wird man eher darauf vertrauen, dass dies auch in Zukunft geschieht. Glaubwürdigkeit fungiert wie ein Vorschuss auf zukünftig zu erbringende Leistungen in Form von Vertrauen. Es muss der Wille sichtbar werden, sich auf die Interessen der Kapitalmarktteilnehmer einzulassen und in ernsthafter und fairer Weise über Ziele, Strategien und den Geschäftsverlauf zu informieren. Hierzu gehört es, Szenarien zu entwickeln, die zugrunde liegenden Annahmen offen zu legen und Änderungen der Parameter frühzeitig und proaktiv in den Markt zu kommunizieren. Die Informationsstände von Management und Kapitalmarktteilnehmern werden so angeglichen. Die Komplexität von Unternehmen als Zusammenspiel von Strategien, Plänen, Produkten, Märkten und Segmenten erschließen sich letztlich nur durch verbindliche und glaubwürdige Kommunikation und können nicht vollständig aus der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz oder dem Cash Flow-Statement eines Unternehmens abgeleitet werden. Analysten bauen und verfolgen häufig „ihr“ eigenes Modell und vergleichen die auf Basis historischer Daten modellierten Ergebnisse mit dem effektiv vom Unternehmen berichteten Zahlen. Hierzu bedarf es der Kenntnis der Rahmendaten und Prämissen. Entscheidend ist daher ein kontinuierlicher Dialog mit dem Unternehmen, in dem die eigenen Annahmen mit denen des Unternehmens verglichen werden. Diese Unterstützung des kontinuierlichen Abgleichs von Prämissen für einen fundamentalen Datenkranz ist eine wesentliche Zielsetzung der effektiven Finanzkommunikation.
4.1.3.1 Transparenzfeld Umfeld und Immobilienmarkt
319
Der zentrale Grundsatz der Glaubwürdigkeit der Finanzkommunikation wird, wie Abbildung 4.1-1 zeigt, über die Grundsätze der Zielgruppenorientierung, der Transparenz und der Kontinuität konkretisiert.
Abb. 4.1- 1 Struktur der Grundsätze effektiver Finanzkommunikation; Quelle: DVFA (2008), S. 4
Der Grundsatz der Zielgruppenorientierung hebt zum einen darauf ab, dass das Unternehmen die artikulierten und herangetragenen Informationsbedürfnisse ernst nimmt und offensiv, verbindlich und zuvorkommend die Ansprechpartner im Kapitalmarkt mit den von ihnen gewünschten Informationen versorgt. Dies gilt für gute wie für schlechte Nachrichten in der gleichen Weise. Wesentliche Voraussetzung hierfür sind die fachliche und kommunikative Kompetenz des Managements und der IR-Mitarbeiter zu allen Bereichen der Unternehmensperformance sowie die Einheitlichkeit der getroffenen Aussagen. Zum andern ist Merkmal guter Kommunikation die konsequente Gleichbehandlung aller Kapitalmarktteilnehmer unabhängig von ihrer Bedeutung und der früher von ihnen abgegebenen Beurteilungen und Anlageempfehlungen. Dies gebietet u.a. den Einsatz moderner Kommunikationstechniken, um allen Interessierten die Teilnahme und Information zu ermöglichen, und verbietet die selektive Nutzung bestimmter Informationskanäle. Die Qualität der Transparenz der kommunizierten Informationen bestimmt sich über ihre Wesentlichkeit und ihre Nachvollziehbarkeit. Wesentlich ist eine Information dann, wenn sie bezüglich Umfang, Tiefe, Frequenz und Vollständigkeit den Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer entspricht. Was von diesen im Einzelnen als wesentlich erachtet wird, variiert selbstverständlich in der Sache von Branche zu Branche und dürfte auch von dem jeweils vom Investor und Analysten benutzten Bewertungsmodell abhängen. Die spezifischen Vorstellungen bezüglich der Art und Tiefe der benötigten Informationen für die Beurteilung von Immobilienunternehmen werden im nächsten Kapitel vertiefend diskutiert. Die Nachvollziehbarkeit von Informationen kommt darin zum Ausdruck, ob, wie schnell und wie korrekt sich die Aussage für den Empfänger erschließt. In diesem Sinne transparente
320
4.1.3 Spezifische Informationsbedarfe
Informationen sind plausibel, möglichst quantifiziert, basieren auf standardisierten oder zumindest gut erläuterten Berechnungsmodi und lassen sich dadurch rechnerisch nachvollziehen. Der Grundsatz der Kontinuität richtet sich zum einen darauf, dass die zur Verfügung gestellten Informationen kontinuierlich angeboten und aktualisiert werden. Dies betrifft die Form der Darbietung, die möglichst wenig wechseln soll, sowie die Inhalte, die immer zeitnah an veränderte Gegebenheiten und Entwicklungen angepasst werden sollen. Zum andern – und diesem Grundsatz kommt sehr große Bedeutung zu – erfordert eine gute Finanzkommunikation, ein intelligentes Erwartungsmanagement zu etablieren, das darauf abzielt, den Kapitalmarktteilnehmern möglichst präzise Orientierungen darüber zu geben, wofür das Unternehmen steht, auf welcher Kapitalmarktstory es basiert, welche lang- und kurzfristigen Ziele es verfolgt, welche Erfolge es prognostiziert und wie Ergebnisabweichungen und Prognoseänderungen begründet werden.
4.1.3 Spezifische Informationsbedarfe zur Beurteilung von Immobilienaktiengesellschaften Wir hatten eben angesprochen, dass es zusätzlich zu den allgemeinen Grundsätzen effektiver Finanzkommunikation einer branchenspezifischen Konkretisierung dessen bedarf, was aus dem Blickwinkel der professionellen Kapitalmarktteilnehmer als wesentliche Information hinsichtlich Umfang, Tiefe, Frequenz und Vollständigkeit bei Immobiliengesellschaften und Offenen Immobilienfonds zu interpretieren ist. Allerdings haben wir dabei auch angemerkt, dass das, was von Investoren und Analysten im Einzelnen als wesentlich erachtet wird, nicht präzise und allgemeinverbindlich beschrieben werden kann. Denn der für wünschbar oder notwendig erachtete Dateninput variiert vor allem mit dem jeweils vom Investor und Analysten benutzten Bewertungsmodell. Dennoch wollen wir im Weiteren – in Präzisierung und Erweiterung des schon früher von der Expertengruppe vorgelegten „Publizitätswunschkatalogs“ – im Sinne eines „gemeinsamen Nenners“ Vorstellungen zu Art, Umfang und Detailgrad von Informationen formulieren, die aus Sicht der Analysten hohe Transparenz auszeichnen und dem Einzelnen die Möglichkeit bieten würden, die für sein Modell zur Beurteilung der Gesellschaft bzw. des Fonds erforderlichen Daten herauszuziehen.
4.1.3.1 Transparenzfeld Umfeld und Immobilienmarkt
321
Der Informationsbedarf des Anlegers, der sich an die Gesellschaft bzw. den Fonds selbst richtet, wird in der nachfolgenden Abbildung 4.1-2 in Matrixform zu systematisieren versucht. Zum einen sind die sachlichen Bereiche (Transparenzfelder) zu beschreiben, zu denen Informationen benötigt werden. Wir trennen hier in das allgemeine Umfeld, insbesondere den Immobilienmarkt, die Unternehmensstrategie und -struktur, die Vermögens- und Kapitalpositionen, die Performance sowie die Risiken. Zum andern gilt es, den notwendigen Detaillierungsgrad bzw. die Detaillierungsebene anzugeben. Informationen können sich danach grundsätzlich auf die Ebene der Branche, des gesamten Unternehmens bzw. Fonds, von regionalen oder funktionalen Geschäftsbereichen oder der einzelnen Immobilie beziehen. Im Folgenden werden dann diese Transparenzfelder weiter konkretisiert.
322
4.1.3 Spezifische Informationsbedarfe
Branche
detaillierteste Bezugsebene Bereich Unternehmen / regional oder Fonds funktional
Einzelobjekt
Umfeld / Branche / Finanzmarkt Immobilienmarkt
x
x
x
Kapitalmarkt
x
x
x
Struktur
x
x
Strategie
x
x
Unternehmensführung
Vermögen und Kapital Immobilienbestand
x
x
x
Verschuldung
x
x
x
Vergangenheit
x
x
x
Prognose Erwartung
x
x
x
x
x
x
Performance
Risiken
x
Abb. 4.1- 2 Systematisierung des Informationsbedarfs nach Inhalt und Tiefe
4.1.3.1 Transparenzfeld Umfeld und Immobilienmarkt Um die realisierte Performance eines Offenen Immobilienfonds bzw. einer Immobiliengesellschaft beurteilen und die mögliche künftige Entwicklung einschätzen zu können, benötigt der Investor – dies hatten wir schon betont – allgemeine Daten zur Entwicklung der Weltund Volkswirtschaft, der Finanzmärkte und spezifisch der Immobiliengesamt- und -teilmärkte. Denn der Wert einer Immobilie hängt grundsätzlich sehr stark von der Entwick-
4.1.3.2 Transparenzfeld Unternehmensführung
323
lung der Gesamtwirtschaft und des Mikrostandortes ab. Feri Consult schreibt bis zu 60 % des Wertes volkswirtschaftlichen Faktoren zu. Angaben des Immobilienunternehmens bzw. Fonds zu diesen wirtschaftlichen Rahmendaten und vor allem zur Einschätzung ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft sollen zum einen die vom Markt beschaffbaren Informationen ergänzen, zum andern dem Investor und Analysten einen Abgleich der Sichtweise des Managements mit seiner eigenen Einschätzung erlauben. Wesentliche Informationsfelder sind hier historische Daten sowie Prognoseaussagen über die wirtschaftliche und rechtliche Struktur und Entwicklung der Volkswirtschaften, insbesondere der Finanzmärkte (Zinsen und Börsenkurse) und der Immobilienteilmärkte, in denen die Gesellschaft engagiert ist. Statistische Daten, wie die Gesamtmarktgröße des Immobilienmarktes und die der wichtigsten Sektoren (Büro, Einzelhandel, Wohnen, Industrie), sind relevant. Auch für eine tiefer gehende Gliederung, beispielsweise bei den Einzelhandelsimmobilien in Fachmärkte, Supermärkte und Discounter, sollte Zahlenmaterial verfügbar sein. Weiterhin sind Daten über historische Wertentwicklungen, Entwicklung der Vermietungsleistung, Leerstandsentwicklung sowie Angaben über die Neubautätigkeit in der Vergangenheit und geplante Aktivitäten wichtig. Je detaillierter die Daten und je länger die Zeitreihen sind, desto besser können Immobilieninvestments im Gesamtmarkt- und Mikromarktkontext eingeschätzt werden. Vor allem kann unter Berücksichtigung der erwarteten volkswirtschaftlichen Entwicklung die künftige Angebots- und Nachfragesituation im Immobilienmarkt abgeleitet werden, was wiederum im Hinblick auf die Mietpreisentwicklung und somit für die Wertermittlung der Immobilien von entscheidender Bedeutung ist. Von diesen Basisdaten ausgehend sollte deren realisierte und für die nächsten Perioden erwartete Auswirkung auf das Gesamtunternehmen bzw. auf einzelne regionale und funktionale Teilbereiche dargestellt werden. Dies erlaubt die Plausibilisierung von Zukunftsaussagen und schafft die Brücke zum Transparenzfeld Unternehmensführung.
4.1.3.2 Transparenzfeld Unternehmensführung Hier geht es um grundsätzliche Informationen darüber, wer das Unternehmen/den Fonds mit welcher Zielrichtung führt. Da das Management eines Fonds bzw. einer Immobiliengesellschaft einen zentralen Einfluss auf die Chancen und Risiken und damit die zu erwartende Performance ausübt, sind private wie institutionelle Investoren selbstverständlich an zusätzlichen Informationen über Qualitäten, Handlungsspielräume, Steuerungsmechanismen und die historische Performance des Managements interessiert. Um eine Einschätzung des Managements vornehmen zu können, sind Informationen über die Zusammensetzung und Berufserfahrung des Managementteams notwendig. Von entschei-
324
4.1.3 Spezifische Informationsbedarfe
dender Bedeutung ist ein guter Track Record. Wichtig dabei ist allerdings, dass das entsprechende Personal noch an Bord ist. Zwar bietet ein Track Record keine Garantie für die Zukunft, aber wenn ein Manager über einen längeren Zeitraum erfolgreich Immobilien bzw. Immobilienportfolios gemanagt hat, so kann daraus Gespür und Know How für bestimmte Märkte und/oder Immobilienarten und eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit für die Zukunft abgeleitet werden. Der Unternehmenserfolg hängt des Weiteren in starkem Maße von der Wahl der passenden Strategie ab. Vor allem bei Immobiliengesellschaften bedarf es daher einer präzisen, bündigen und begründeten Beschreibung und – soweit notwendig – Fortschreibung des Geschäftsmodells auf der Gesamtunternehmensebene bzw. der strategischen Konzepte für einzelne Geschäftsbereiche sowie plausibler Gründe für ihre Angemessenheit und Durchsetzbarkeit.
4.1.3.3 Transparenzfeld Vermögen und Kapital Das Vermögen einer Immobiliengesellschaft und die Art und Quellen seiner Finanzierung sind elementare Quellen des Erfolgspotentials und unternehmerischer Risiken. Hier treten teilweise rasch Änderungen durch unternehmerische Aktivitäten wie durch Markteinflüsse auf, die ohne aktuelle Information aus dem Unternehmen vom Analysten nicht erkannt bzw. angemessen beurteilt werden können. Dieses Transparenzfeld ist damit von zentraler Bedeutung.
4.1.3.3.1 Immobilienvermögen Naturgemäß spielen bei Immobiliengesellschaften präzise und detaillierte Informationen über die Art, Umfang und Wert der Immobilienbestände, deren Veränderungen und deren erfolgsbeeinflussende Faktoren eine besonders bedeutende Rolle. Sie sagen am meisten aus, wenn sie auf Ebene des Einzelobjekts (bzw. bei homogenen Einheiten gleichartiger Objekte von Objektgruppen) zur Verfügung gestellt werden. Daher sind folgende Teilinformationen – mit zusätzlicher Aggregation auf regionaler bzw. funktionaler Bereichsebene und für das Gesamtportfolio und in geeigneten Kennzahlen ausgedrückt – wenn möglich auf dieser Detailebene erwünscht: • Kaufpreise bzw. Herstellungskosten mit getrenntem Ausweis der Erwerbsnebenkosten: Ein Vergleich mit anderen Immobilientransaktionen erlaubt eine Beurteilung des Kaufpreises, z.B. durch die Ermittlung von Kaufpreismultiplikatoren; • Behandlung der Erwerbsnebenkosten im Jahresabschluss (nur für Fonds relevant, ob sie aktiviert und über welchen Zeitraum sie abgeschrieben werden); • Verkehrswerte und deren Veränderungen: Zu ihrer Einschätzung sind sowohl Angaben über die Herkunft des Sachverständigen (intern/extern bzw. Angabe des Unternehmens), die angewandte(n) Bewertungsmethode(n), die Bewertungsprämissen (z.B. Diskontierungszins) als auch über den Bewertungszeitpunkt und -rhythmus hilfreich. Ein Vergleich
4.1.3.3 Transparenzfeld Vermögen und Kapital
• • • • • • • • • • • • • •
325
mit der Entwicklung der relevanten Marktsegmente erleichtert die Beurteilung und erhöht die Glaubwürdigkeit; Angabe, ob Verkäufer ein verbundenes Unternehmen ist; Eigentumsanteil (wenn nicht zu 100 % im Eigentum); Datum des Zugangs; Standort mit Lagebeschreibung; Gebäudebeschreibung mit Baujahr/Alter, Zustand; Objekttyp, evtl. Aufteilung nach Nutzungsarten; Grundstücksfläche (mit Bebauungsreserven): Aufgrund sehr hoher Grundstückspreise, insbesondere in innerstädtischen Lagen von Metropolen, liegt der eigentliche Wert der Immobilie oft im Grundstück; Mietfläche; Leerstand; Realisierte und erwartete Mieteinnahmen (brutto/netto): Auf Basis der Angaben über die gesamten Mieteinnahmen kann z.B. durch Berechnung von Multiplikatoren ein Plausibilitätscheck von Verkehrswert und Kaufpreis durchgeführt werden; „Like for Like“ Mieteinnahmen (Nettomieteinnahmen auf vergleichbarer Basis des Immobilienbestands, also ohne Akquisitionen und Verkäufe) zur Abschätzung des „inneren“ Wachstums; Hypothetische Mieteinnahmen bei Vollvermietung; Generalmietverträge/Mietgarantien; Overrent/Underrent (entsprechen die Vertragsmieten dem aktuellen Marktniveau?).
Bei gewerblichen Immobilien ist die Kenntnis der Mieterstruktur Voraussetzung, um Klumpenrisiken bei den Investments zu beurteilen. Daher sind folgende Sachverhalte von Interesse: • • • • •
Wichtigste Mieter mit Gewichtung; Verteilung der Mieterträge auf Branchen; Wirtschaftliche Situation in diesen Branchen; Anschlussvermietungsrisiken; Mietvertragslaufzeitenstruktur. Sie gibt Auskunft, wie lange der aktuelle Cash Flow durch Mietverträge abgesichert ist, und stellt die Basis für die Einschätzung des Anschlussvermietungsrisikos dar; • Instandhaltungs-/Modernisierungsaufwand; • Abschreibungen (Angaben zur Methode, Höhe – differenziert nach planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen).
Bei Veräußerungen sind Informationen wichtig über den Veräußerungserlös und -gewinn, die Veräußerungskosten sowie den Erwerber. Die beschriebenen Informationsfelder gelten in der gleichen Weise, wenn die Immobilien über Beteiligungen gehalten werden. Insbesondere bei Immobilienaktiengesellschaften ohne REIT-Status sorgen Projektentwicklungen für den eigenen Bestand wie für Dritte oft für einen nicht unerheblichen Teil des Periodenerfolgs. Letztlich sind für projektierte bzw. in der Entwicklung befindliche Objekte
326
4.1.3 Spezifische Informationsbedarfe
die gleichen Informationen wichtig wie für Bestandsobjekte, soweit sie schon verfügbar sind. Zusätzlich sind auf jeden Fall der voraussichtliche Abschluss der Entwicklungsphase und der Zeitpunkt der Vermietung (bei Übernahme in den Bestand) bzw. der Vermarktungsstand und die voraussichtlichen Veräußerungserlöse, -gewinne sowie die Cash-Zuflüsse von Interesse.
4.1.3.3.2 Liquiditätshaltung Die Liquidität des Fonds/der Immobiliengesellschaft hat, soweit sie den als Transaktionskasse üblichen Rahmen überschreitet, in der Regel negativen Einfluss auf die Performance, insbesondere wenn der Anlagezins hinter der Immobilienrendite zurückbleibt. Kritisch ist die Liquidität bei Fonds auch zu beurteilen, wenn darauf volle Managementgebühren entfallen. Liquiditätshaltung kann z.B. aus gesetzlichen Bestimmungen resultieren. Beispielsweise verlangt das InvG eine Mindestliquidität von 5 % für Immobilienfonds, auf die nur bei Spezialfonds mit Zustimmung der Anleger verzichtet werden kann. Aber auch vertragliche Rückgaberechte erfordern das Halten von Liquidität. So gibt es bei Publikumsfonds, die nach dem deutschen InvG aufgelegt wurden, meist signifikante Liquiditätsreserven, um die in § 37 InvG und den Vertragsbedingungen geregelte Rückgabemöglichkeit erfüllen zu können. Notwendig kann die Liquidität auch zur Gewährleistung des unternehmerischen Spielraums sein. Immobilienaktiengesellschaften oder REITs können sowohl Eigen- als auch Fremdkapital für den Immobilienerwerb meist nur über zeit- und kostenintensive Kapitalmaßnahmen erhalten.
4.1.3.3.3 Gesellschafterstruktur und Eigenfinanzierung Auf der Ebene des Fonds bzw. der Immobiliengesellschaft interessieren den (potentiellen) Investor insbesondere Informationen über Bereiche potentieller Risiken und Chancen, die aus der Gesellschafter- und Finanzierungsstruktur resultieren. Folgenden Bereichen kommt dabei besonderes Gewicht zu. Anlegerstruktur: Der Anleger in einem Fonds oder einer Immobiliengesellschaft sollte Kenntnis der Anlegerstruktur haben, um potentielle Interessenskonflikte im Vorfeld erkennen zu können. In Publikumsfonds sind neben privaten Investoren oft auch institutionelle Anleger, vor allem größere Kapitalsammelstellen, investiert. Das Anlageverhalten der institutionellen Anleger ist durch ein stärkeres aktives Management geprägt. Denn die Höhe der Performance und eine möglichst geringe Volatilität sind wichtige Marketingargumente gegenüber deren Kunden. Dabei wird auf erwartete Wertminderungen meist sehr schnell – beispielsweise durch einen Verkauf der Anteile – reagiert. Dagegen sind private Investoren eher geneigt, bei Wertschwankungen untätig zu bleiben und Wertverluste „auszusitzen“. Gerade die Erfahrungen der letzten Jahre bestätigen dieses Verhaltensmuster: Nach Bekanntwerden von Bewertungsproblemen bei verschiedenen Publikumsfonds hatten überwiegend institutionelle
4.1.3.4 Transparenzfeld Performance
327
Anleger die tägliche Rückgabemöglichkeit genutzt und dadurch Liquiditätsengpässe bei den jeweiligen Fonds (DB Real Estate, KanAM) verursacht. Bei Immobiliengesellschaften ermöglicht die Kenntnis der Anlegerstruktur eine bessere Einschätzung der Fungibilität des Anteils und der möglichen Volatilität des Preises. Bei einem geringen Streubesitz ist der tägliche Handel meist sehr eingeschränkt. Werden größere Mengen angeboten oder nachgefragt, kann dies zu erheblichen Kursschwankungen führen. Aus Sicht potentieller Investoren interessiert auch die Homogenität der Anleger. Inhomogene Anlegergruppen können sehr verschiedene Interessen haben, z.B. in der Ausschüttungspolitik. Eine Lebensversicherungsgesellschaft legt in der Regel Wert auf eine stabile laufende Ausschüttung, während ein Family Office dieser oft geringere Bedeutung beimisst; dafür stehen bei ihm aber Wertsteigerungen im Vordergrund.
4.1.3.3.4 Verschuldung Die Höhe der Verschuldung, die in den Darlehensverträgen vereinbarten Zinsen sowie die Laufzeiten dieser Darlehen sind wichtige Indikatoren für das Fonds-/Unternehmensrisiko, da Zinszahlungen sowie Tilgungen periodisch, unabhängig von den zufließenden Mieterträgen zu leisten sind. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, auf Basis der aktuellen Verschuldung den Kreditspielraum für weitere fremdfinanzierte Immobilienakquisitionen zu beurteilen.
4.1.3.3.5 NAV Den Saldo von marktbewerteten Vermögen und den Schulden bildet der NAV. Sind die vorher beschriebenen Informationen verfügbar, kann er sowohl insgesamt als auch je Aktie eigenständig berechnet werden. Wird ein NAV ausgewiesen, ist es hilfreich, neben der Standardvariante auch die international und nach EPRA-Standard üblichen Varianten des NNAV (nach Abzug von latenten Steuern) und des NNNAV (mit Marktbewertungen der Fremdkapitaltitel) anzugeben. Dies gilt für Immobilienunternehmen wie für Fonds. Bei ImmobilienAGs ist auch die Angabe des „verwässerten“ Werts notwendig.
4.1.3.4 Transparenzfeld Performance Vermögen und Kapital eines Unternehmens bilden Ressourcen und Potentiale für künftigen Erfolg ab. Das Transparenzfeld Performance soll über daraus abgeleitete konkrete Erfolgsplanungen, -erwartungen und realisierte Erfolge berichten. Wiederum geht es dabei nicht vorrangig um die Vorgabe der Präsentation der einen oder anderen Größe im Detail, sondern um die Konsistenz der Informationen und vor allem um deren Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Letztere werden durch die Verwendung von einheitlichen, branchenüblichen
328
4.1.3 Spezifische Informationsbedarfe
und gegebenenfalls erläuterten Maßgrößen sowie über die Beschreibung der Berechnungsprämissen wesentlich unterstützt. Den zentralen Kern der benötigten Informationen bilden die erwartete und realisierte Erfolgsentwicklung und die Darstellung der Erfolgsquellen. Dies bedingt eine Differenzierung nach Erfolgsbestandteilen, Erfolgstypen und Regionen.
4.1.3.4.1 Realisierte Performance Der Periodenerfolg von Immobilienunternehmen und offenen Immobilienfonds speist sich aus vier recht unterschiedlichen Quellen, vor allem was ihre Regelmäßigkeit und ihre Liquiditätswirksamkeit anbetrifft, über die daher der Investor und Analyst differenzierte Angaben benötigt. • Erfolge aus der Bewirtschaftung von Bestandsimmobilien, insbes. die Nettomieterträge; ausgewiesen als tatsächlich realisierte Werte je Einheit und Bereich sowie für die Bereiche und gesamt auch „Like for Like“, d.h. auf den Bestand der Vorperiode ohne Zukäufe und Veräußerungen berechnet; • Sonstige Erträge, insbes. aus der Entwicklung von Immobilien für den eigenen Bestand und für Dritte; • Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von Bestandsimmobilien; • Gewinne und Verluste aus Bewertungsveränderungen. Auf den benötigten Differenzierungsgrad der Brutto- und Nettomieten ist schon bei den Bewertungen hingewiesen worden. Zur Einschätzung eventueller Renovierungsstaus sind auch die aufgeschlüsselten Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten von Bedeutung. Bei den Aufwendungen wäre ein sauber getrennter Ausweis von immobilienbezogenen und allgemeinen Verwaltungsaufwendungen informativ. Im Zusammenhang mit dem Ankauf/Verkauf von Immobilien sowie dem laufenden Management fallen Gebühren an, die dem Fonds bzw. der Immobiliengesellschaft belastet werden. Übliche Gebühren sind dabei: • • • •
Ankaufsgebühr (beim Erwerb von Immobilien) Management-Gebühr (für das Portfolio- und Asset-Management) Verkaufsgebühr (bei Veräußerung von Immobilien) Property Management-Gebühr (für die Verwaltung der Immobilien).
Ihr getrennter Ausweis ist hilfreich. Insbesondere wenn solche Leistungen von gesellschaftsnahen Unternehmen erbracht werden, bietet sich ein plausibler Nachweis der Angemessenheit der vereinbarten Gebühren an. Bei Fonds ist der Ausweis der TER (Total Expense Ratio) oder auch Gesamtkostenquote nach § 41 InvG Pflicht. Entsprechend dem Standard des BVI sollten in die TER sämtliche in der Ertrags- und Aufwandsrechnung ausgewiesenen Aufwendungen Eingang finden, die zu Lasten des Fondsvermögens entnommen wurden, einschließlich solcher, die Dritten zufließen. Da hierin nach § 41 InvG die Transaktionskosten nicht enthalten sind, sollten diese zusätzlich getrennt ausgewiesen werden, soweit sie nicht schon bei den Anschaffungsneben-
4.1.3.5 Transparenzfeld Risiken
329
kosten erfasst sind. Auch für Immobiliengesellschaften wäre zur Beurteilung der Kosteneffizienz ein getrennter Ausweis der allgemeinen Verwaltungsaufwendungen von den immobilienbezogenen Aufwendungen zweckmäßig. Die Performance hängt wesentlich von der Steuerbelastung ab. Die Höhe der Steuerbelastung kann auch als ein Indikator für die Steuereffizienz der gewählten Struktur gesehen werden. Von besonderer Bedeutung bei Immobilien-AGs wie bei Auslandsinvestments von Immobilienfonds sind auch die latenten Steuern, die bei einer späteren Veräußerung der Immobilien voraussichtlich anfallen werden. In der Praxis werden handelsbilanziell Rückstellungen für latente Steuern gemäß § 274 HGB in sehr unterschiedlicher Höhe gebildet, die Bandbreite schwankt dabei zwischen 0 und 100 %. Bei signifikanten Unterschieden in der Berücksichtigung von latenten Steuern ist eine Vergleichbarkeit von Renditen nicht gegeben. Die Beurteilung der Performance von Immobiliengesellschaften und Fonds erfordert zum einen ihre Relativierung über Renditekennzahlen, zum andern ihren Vergleich im Längs- und Querschnitt. Neben dem gesamten und nach sachlichen und regionalen Marktsegmenten differenzierten Total Return, der die gesamten erzielten Überschüsse zum eingesetzten Kapital ins Verhältnis setzt, sollte dabei die Miet-(Cash Flow-) und die Wertveränderungsrendite ebenfalls auf differenzierter Ebene getrennt ausgewiesen werden.
4.1.3.4.2 Performanceerwartungen Investoren und Analysten erwarten möglichst belastbare und begründete Aussagen über Potentiale und Erwartungen hinsichtlich Veränderungen der für die Entwicklung des Unternehmenserfolgs relevanten Bereiche und deren Wirkung auf das erzielbare Ergebnis einschließlich der Prämissen bzw. Quellen für diese Erwartungen. Dies betrifft zum ersten mögliche Steigerungen der Nettomieterträge durch Wachstum, Leerstandsreduzierung, Mieterhöhungen und/oder Senkungen von Bewirtschaftungskosten (selbstverständlich auch mögliche Verschlechterungen), des Weiteren Entwicklungen anderer Ertrags- und Aufwandskomponenten wie z.B. des Abschlusses von Entwicklungsprojekten, insbesondere aber auch der erwarteten Veränderung der Immobilienwerte. Solche zukunftsbezogenen Informationen werden zwar für Immobilienaktiengesellschaften von besonderer Bedeutung für eine frühzeitige Anpassung des Kurses an die künftigen Erfolgsaussichten sein. Aber auch der Anleger in Offene Immobilienfonds bedarf möglichst präziser Informationen über die Performancerwartungen und deren Determinanten.
4.1.3.5 Transparenzfeld Risiken Wenn hier ein eigenes Transparenzfeld Risiken unterschieden wird, soll dies weder so verstanden werden, dass es einer von den anderen Transparenzfeldern getrennten Darstellung von Risiken bedarf, wie sie sich in sog. Risikoberichten zur Erfüllung der Vorschrift des § 91
330
4.1.4 Schluss
Abs. 2 AktG (Risikomanagement) in den Geschäftsberichten der börsennotierten Immobiliengesellschaften findet, noch dass hiermit dem Bedarf der Investoren an Informationen über Chancen und Risiken ausreichend Rechnung getragen wird. Letztlich sind fast alle bis hierher aufgeführten Bereiche, zu denen Informationen gewünscht sind, auch mit Risiken behaftet, so dass es zweckmäßiger ist, diese Risiken jeweils dort mit anzusprechen und auszuweisen. Sachlich lassen sich folgende Risikofelder bzw. -quellen unterscheiden: • Risiken aus der laufenden betrieblichen Tätigkeit (Mieten, Bewirtschaftung, Bewertung, rechtliche und bauliche Risiken); • Risiken aus der Investitions- und Desinvestitionstätigkeit; • Risiken aus der Finanzierungstätigkeit (Liquidität, Einhaltung von Eigenkapital- und Verschuldungsvorschriften, Zinsen, Anschlussfinanzierung, Nutzung von Fremdwährungen); • Sonstige Risiken (wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung, Rechtsstreitigkeiten). Dem Informationsbedürfnis der Investoren und Analysten ist nur dann gedient, wenn nicht nur die Art der jeweiligen Risiken angesprochen ist, sondern auch Eintrittswahrscheinlichkeiten bzw. verursachende Faktoren sowie die potentiell ausgelösten Wirkungen auf das Ergebnis abgeschätzt werden.
4.1.4 Schluss Die recht umfängliche Auflistung potentiell nach Art und Detailgrad wichtiger Informationen soll – dies sei noch einmal betont – nicht als präzise, abschließende Beschreibung des Transparanzbedarfs und der -anforderung an Immobiliengesellschaften und Fonds verstanden werden. Dafür sind die von Investoren und Analysten gewählten Herangehensweisen und Bewertungsmodelle sowie die sich daraus ergebenden Informationsbedarfe zu unterschiedlich. Vielmehr sind sie als „gemeinsamer Nenner“ der Vorstellungen der Finanzmarktteilnehmer für hohe Transparenz zu interpretieren. Sie haben sich – auch das haben wir besonders hervorgehoben – vor allem einzufügen in ein übergeordnetes Konzept effektiver Finanzkommunikation mit den zentralen Kernpunkten der Glaubwürdigkeit und der Ernsthaftigkeit, sich auf die Interessen der Kapitalmarktteilnehmer einzulassen und in ernsthafter und fairer Weise über Ziele, Strategien und den Geschäftsverlauf zu informieren. Sachlich gehen die formulierten Bedarfe – das werden die beiden nächsten Beiträge deutlich machen – teilweise weit über das vom Gesetzgeber geforderte Maß an Rechnungslegung hinaus. Dies gilt schon für die Berichte über die abgelaufene Periode, in weit stärkerem Maße aber für die Nennung von Erwartungs- und Plangrößen.
4.2
Welchen Beitrag zur Transparenz von Immobiliengesellschaften liefert die Rechnungslegung nach IAS/IFRS?
Martin Beck / Heinz Rehkugler 4.2.1
Einführung ...........................................................................................................333
4.2.2
Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen...........................................334
4.2.2.1
Grundzüge von IAS und IFRS...............................................................................334
4.2.2.2
Differenzierung nach Anlageklassen.....................................................................335
4.2.2.3 4.2.2.3.1 4.2.2.3.2 4.2.2.3.3 4.2.2.3.4
Bilanzierung nach der Anlageklasse......................................................................337 Fertigungsaufträge (Construction Contracts) ........................................................337 Sachanlagen (Property, Plant and Equipment) ......................................................339 Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien (Investment Properties) ..................342 Immobilien mit Veräußerungsabsicht (Non-Current Assets Held for Sale and Discontinued Operations) ......................................................................................350
4.2.3
Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln ..........352
4.2.3.1
Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital ...........................................................352
4.2.3.2 4.2.3.2.1 4.2.3.2.2 4.2.3.2.3 4.2.3.2.4 4.2.3.2.5 4.2.3.2.6
Verbindlichkeiten und Absicherungsmaßnahmen.................................................355 Ansatz von Verbindlichkeiten ...............................................................................355 Ausweis..................................................................................................................355 Bewertung..............................................................................................................355 Folgebewertung .....................................................................................................356 Sicherungsgeschäfte ..............................................................................................356 Angaben .................................................................................................................357
332
4.2.1 Einführung
4.2.3.3 4.2.3.3.1 4.2.3.3.2 4.2.3.3.3 4.2.3.3.4 4.2.3.3.5
Leasingverhältnisse ............................................................................................... 358 Einleitung .............................................................................................................. 358 Bilanzierung von Leasingverhältnissen: Finance-Lease ....................................... 360 Bilanzierung von Leasingverhältnissen: Operating Lease .................................... 362 Bilanzierung von Leasingverhältnissen: Sale-and-lease-back-Transaktionen...... 362 Fazit ....................................................................................................................... 363
4.2.3.4 4.2.3.4.1 4.2.3.4.2 4.2.3.4.3 4.2.3.4.4
Latente Steuern...................................................................................................... 364 Ansatz .................................................................................................................... 364 Ausweis ................................................................................................................. 365 Bewertung.............................................................................................................. 365 Anhangangaben ..................................................................................................... 365
4.2.4
Ansätze der Bilanzpolitik und der Bilanzanalyse nach IFRS ......................... 366
4.2.4.1 4.2.4.1.1 4.2.4.1.2 4.2.4.1.3
Bilanzpolitik .......................................................................................................... 366 Sachverhaltsgestaltung .......................................................................................... 366 Wahlrechte............................................................................................................. 367 Ermessenspielräume .............................................................................................. 367
4.2.4.2
Bilanzanalyse......................................................................................................... 368
4.2.1 Einführung Ausgangsbasis für die Beurteilung der Performance von Immobiliengesellschaften vergangener Perioden wie für die Abschätzung der weiteren Entwicklungspotentiale ist der Jahresabschluss. Ob es um die Berechnung des NAV, um den Cash Flow, den FFO oder das Ergebnis je Aktie geht: immer wird sich der Investor und der Analyst erst einmal an den im Jahresabschluss ausgewiesenen Zahlen orientieren. Insofern prägt die angewandte Rechnungslegungsnorm nicht nur, welche Art von Daten mit welcher Detaillierung auszuweisen ist, sondern über die Vorschriften und Wahlrechte des Ansatzes von Vermögensgegenständen und Schulden und der Ermittlung von Aufwendungen und Erträgen auch, in welcher Höhe die Werte dort erscheinen. • Börsennotierte Immobiliengesellschaften sind, wie Unternehmen anderer Branchen auch, im Konzernabschluss zur Anwendung der Rechnungslegungsstandards nach IAS bzw. IFRS verpflichtet. Um dem gerecht werden zu können, sah die EU-Kommission die Notwendigkeit, den für kapitalmarktorientierte Gesellschaften geltenden Rechtsrahmen zu ergänzen. Damit soll den Ansprüchen des Kapitalmarktes Rechung getragen werden und der Erhalt des Vertrauens in die Finanzmärkte und dementsprechend der Anlegerschutz eine stärkere Bedeutung erlangen. • Am 13. Juni 2000 hatte die EU-Kommission ihre Forderungen konkretisiert, nach der alle kapitalmarktorientierten Gesellschaften in der europäischen Gemeinschaft ihre konsolidierten Abschlüsse spätestens ab dem Jahr 2005 nach einheitlichen Rechnungslegungsstandards, den IAS bzw. IFRS, aufstellen. Die Umsetzung dieser Forderung erfolgte mit der EU-Verordnung 1606/2002 vom 19. Juli 2002 und der IAS-VO des Rates am 29. September 2003. Danach müssen alle Gesellschaften für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2005 beginnen, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den internationalen Rechnungslegungsstandards aufstellen, wenn am jeweiligen Bilanzstichtag ihre Wertpapiere in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt zugelassen sind. Die übrigen konzernabschlusspflichtigen Unternehmen erhalten ein Wahlrecht, ihren Konzernabschluss entweder nach den IAS/IFRS oder wie bisher nach den nationalen Regeln des HGB aufzustellen. Die Anwendung der IFRS im Einzelabschluss kann nur aus informatorischen Zwecken erfolgen (kein Befreiungstatbestand). Für die Gewinnausschüttung und für steuerliche Zwecke bleibt bis auf weiteres der HGBAbschluss maßgeblich. • Eine Übergangsregelung bis 2007 bestand für Unternehmen, die den Kapitalmarkt durch Begebung von Schuldtiteln in Anspruch nehmen und bzw. oder deren Wertpapiere zum öffentlichen Handel in einem Nicht-EU-Mitgliedstaat zugelassen sind und die zu diesem Zweck bereits internationale Rechnungslegungsnormen (z.B. US-GAAP) seit einem Ge-
334
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
schäftsjahr, das vor der offiziellen Veröffentlichung dieser Regelung begonnen hat anwenden. Ein zentraler Punkt, in dem die IAS/IFRS von der Bewertungslogik des HGB abweichen, ist die Möglichkeit bzw. Verpflichtung, einzelne Bilanzpositionen nicht nach den fortgeführten historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern mit ihrem Fair Value anzusetzen. Mit IAS 40 ist hier ein eigenständiger Rechnungslegungsstandard für als Finanzinvestition gehaltene Immobilien (Investment Property) geschaffen worden. Dieser räumt ein Wahlrecht ein, statt zu fortgeführten Anschaffungs-/Herstellungskosten ihre Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert vorzunehmen. Die in der Periode eingetretenen Wertveränderungen werden dann erfolgswirksam ausgewiesen. Der deutsche Gesetzgeber ist für die REITs noch ein Stück weiter gegangen. Den Nachweisen, dass der G-REIT den Vermögens- und Ertragsanforderungen nach § 12, den Eigenkapitalanforderungen nach § 15 und dem zulässigen Umfang von Immobilienverkäufen nach § 14 des REIT-G entspricht, sind auf jeden Fall beizulegende Zeitwerte im Sinne von IAS 40 für das als Finanzinvestition gehaltene unbewegliche Vermögen zugrunde zu legen. Der Veröffentlichung eines Abschlusses auf der Basis einer Bewertung zum Fair Value bedarf es dagegen nicht. Wird allerdings das Immobilienvermögen zu fortgeführten Anschaffungskosten angesetzt, dann sind gemäß § 12 Abs. 4 REIT-G in einer Nebenrechnung Bewertungsgewinne und -verluste zu ermitteln und den sonstigen Erträgen hinzuzusetzen. Dieser Beitrag soll die für Immobilienanlagen relevanten Bilanzierungsregeln der IFRS aufzeigen, um Analysten bzw. Investoren die Vergleichbarkeit von Anlagealternativen zu ermöglichen. Abschließend werden die wesentlichen Unterschiede zur handelsrechtlichen Bilanzierung sowie die Auswirkungen der Ausnutzung von Wahlrechten zusammengefasst und im Kontext der Anforderungen von Analysten für die unterschiedlichen Anlageformen in Immobilien gewürdigt.
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen 4.2.2.1 Grundzüge von IAS und IFRS Die IAS wurden bis zum April 2001 vom IASC entwickelt. Ab April 2001 übernahm das International Accounting Standards Board (IASB) die Aufgabe, eine weltweite Konvergenz
4.2.2.2 Differenzierung nach Anlageklassen
335
im Bereich internationaler Finanz-Berichterstattung zu erreichen. Die Umbenennung der IAS in International Financial Reporting Standards (IFRS) erfolgte mit Blick auf künftige internationale Rechnungslegungsstandards. Im Unterschied zum handelsrechtlichen Gläubigerschutz und Vorsichtsprinzip steht bei den Rechnungslegungsvorschriften nach IAS/IFRS der Anlegerschutz im Vordergrund. Ein Vermögenswert ist nach den Vorschriften der IFRS aktivierungspflichtig, sofern er einen zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen für den Bilanzierenden generiert. Zwingend erforderlich ist dabei die verlässliche Ermittlung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Die Einordnung als Vermögenswert ist somit grundlegend mit dem HGB konform. Inhaltlich geht er aber über die Definition des Vermögensgegenstandes hinaus. Eine Schuld ist im Framework definiert als „gegenwärtige Verpflichtung auf Grund eines vergangenen Ereignisses, deren Erfüllung voraussichtlich zu einem Abfluss von Ressourcen führt, die einen wirtschaftlichen Nutzen beinhalten." In den IFRS wird ein nach Art und Eintritt gestaffeltes Passivierungs- bzw. Ausweissystem verwendet. Dabei unterscheidet IFRS der Art nach zwischen Liabilities, Accruals, Provisions und Contingencies sowie beim Eintritt zwischen dem Grad nach, der Höhe nach oder dem Zeitpunkt nach in sicher bzw. unbestimmt. Wesentlicher Unterschied zum deutschen Bilanzrecht besteht bezüglich des Verbotes zum Ansatz von Aufwandsverpflichtungen im Innenverhältnis.
4.2.2.2 Differenzierung nach Anlageklassen Nach den IFRS werden Immobilienbestände entsprechend ihrer Nutzung im Unternehmen unterschiedlich klassifiziert. Abbildung 4.2-1 soll die Klassifizierung veranschaulichen: Wird die Immobilie zum Zweck der Weiterveräußerung (Umlaufvermögen) im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehalten, erfolgt die Bilanzierung nach IAS 2 Inventories. Zum Zweck der Weiterveräußerung im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehaltene Immobilien werden regelmäßig bei Immobilienhandelshäusern bzw. Maklern mit Eigenbestand auftreten. Da Immobilienaktiengesellschaften bzw. REITs gerade nicht mit Immobilien handeln (sollen), wird im Folgenden nicht näher auf diese Assetklasse eingegangen. Bei Fertigstellung von Immobilien im Auftrag von Dritten (Construction Contracts) erfolgt die Bilanzierung nach IAS 11. Die Erstellung im Auftrag von Dritten unterstellt einen Vertrag über die kundenspezifische Fertigung einer oder mehrerer Gebäude bzw. Gebäudeteile über mindestens eine Berichtsperiode hinaus. Auch dieses für Bauträger bzw. Projektentwickler typische Geschäft wird im Weiteren nur kurz angesprochen. Unter betrieblich genutzten Immobilien (Owner Occupied Property) werden allgemein die Verwaltungs- und Werksbauten subsumiert, die dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb dienen. Des Weiteren zählen Werkswohnungen zu den betrieblich genutzten Immobilien, wenn die Wohnungen von Mitarbeitern zu günstigeren als den marktüblichen Mietbedingungen genutzt werden. Für diese Immobilienklasse richtet sich die Bilanzierung nach IAS 16 „Prop-
336
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
erty, Plant and Equipment“. Diese Assetklasse spielt an sich für Immobilienaktiengesellschaften bzw. REITs zwar eine untergeordnete Bedeutung. Für als Finanzinvestition gehaltene Immobilien (IAS 40) wird jedoch bei der Wahl des At Cost-Models Bezug auf die Bilanzierungsvorschriften des IAS 16 genommen. Daher werden die wesentlichen Regelungen erläutert.
Unternehmenszweck
Bezeichnung
Standard
Weiterveräußerung (UV)
Inventories
IAS 2
Erst. im Auftr. von Dritten
Construction Contracts
IAS 11
betrieblich genutzt
Property, Plant and Equipment
IAS 16
Renditeimmobilie
Investment Property
IAS 40
mit Veräußerungsabsicht
Non-current Assets held for sale
IFRS 5
gemischt genutzte Immobilien (dual purpose property)
entsprechend der konkreten Zuordnung bzw. Aufteilung
Abb. 4.2- 1 Klassifizierung von Immobilienbeständen und deren Zuordnung nach IAS/IFRS
Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien nach IAS 40 (Investment Properties) zeichnen sich durch die Absicht der Erzielung von Mieteinnahmen und/oder einer Wertsteigerung aus. Sie bilden bei Immobilienaktiengesellschaften bzw. REITs den wesentlichen Anteil am Immobilienportfolio. Werden Grundstücke oder Gebäude bzw. Gebäudeteile nicht einheitlich, sondern gemischt genutzt (sog. Mischnutzung – Dual Purpose Properties), können Probleme bei der Qualifizierung auftreten. Mischnutzung liegt vor, wenn eine Immobilie nicht vollständig eigen- bzw. fremdgenutzt wird. Nach IAS 40.10 soll in einem solchen Fall ein getrennter Ansatz der Immobilienteile vorgenommen werden. Der getrennte Ansatz setzt aber eine separate Verkaufsmöglichkeit (IAS 40.10 „could be sold separately”) oder eine gesonderte Vermietung im Rahmen eines Finanzierungs-Leasingverhältnisses voraus. Sollte die Einzelveräußerbarkeit der gemischt genutzten Immobilie nicht gegeben sein, ist der gesamten Immobilie der Anlagecharakter nur dann zu unterstellen, wenn der betrieblich genutzte Teil unwesentlich (Insignificant Portion) ist. Konkrete Kriterien werden in IAS 40 nicht genannt. In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden unterschiedliche Bandbreiten zwischen 5 % und 30 % genannt. Da vom IASB dem Bilanzierenden kein konkreter Schwellenwert vorgegeben wurde, bestehen hier Möglichkeiten zur Bilanzpolitik. In Grenzfällen sind die Kriterien für den Ansatz als Investment Property im Anhang anzugeben.
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse
337
Immobilien des Anlagevermögens mit Veräußerungsabsicht sind gemäß den Vorschriften nach IFRS 5 zu bilanzieren, wenn der Buchwert des Objekts überwiegend durch ein Veräußerungsgeschäft und nicht durch fortgesetzte Nutzung realisiert wird. Bei konzerninternen Miet- und Pachtverhältnissen ist die Klassifizierung im Konzernverbund entsprechend der Einheitstheorie vorzunehmen. Aus der Sicht eines Konzernunternehmens kann somit eine an ein anderes Konzernunternehmen vermietete Immobilie ein nach IAS 40 zu klassifizierendes Investment Property sein, während im Konzernverbund eine eigengenutzte Immobilie nach den Vorschriften in IAS 16 zu bilanzieren (IAS 40.15) ist. Insofern können auch die Wertansätze, wie noch näher darzustellen ist, unterschiedlich sein. Die angesprochene Behandlung im Konzernverbund gilt nur für in den Konsolidierungskreis einbezogene Unternehmen. Demnach ist der vorstehende Grundsatz des IAS 40.15 nicht auf Mietund Pachtverhältnisse zwischen einem in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen und einem assoziierten Unternehmen bzw. einem Gemeinschaftsunternehmen, das gemäß der Definition in IAS 27.4 nicht zum Konzernverbund gehört, anwendbar.
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse 4.2.2.3.1 Fertigungsaufträge (Construction Contracts) Zielsetzung und Anwendungsbereich Zielsetzung des IAS 11 ist die Regelung der Bilanzierung von Erträgen und Aufwendungen in Verbindung mit Fertigungsaufträgen, wobei nach IAS 11.3 ein Fertigungsauftrag als ein Vertrag über die kundenspezifische Fertigung einzelner Gegenstände oder einer Gruppe von aufeinander abgestimmten Gegenständen definiert wird. Insbesondere für Bauunternehmen, Projektentwickler und Bauträger ist die bilanzielle und erfolgsmäßige Abbildung von Fertigungsaufträgen von Bedeutung. Zwischen dem Beginn eines Fertigungsauftrages und dem Ende einer langfristigen Auftragsfertigung liegen meist mehrere Berichtsperioden. Ein genauer Zeitraum wird nach IAS 11 nicht gefordert. Beginn und Ende müssen aber in unterschiedliche Perioden fallen (gilt auch für Quartale). Nach IAS 11.4 fällt die Erstellung von Gebäuden explizit unter die Bestimmungen von Fertigungsaufträgen. In IAS 11 wird die Bilanzierung beim Auftragnehmer geregelt. Für den Auftraggeber sind entsprechend der zukünftigen Nutzungsabsicht die Regelungen nach IAS 16 bzw. IAS 40 anzuwenden. Bilanzierung von Construction Contracts Regelmäßig bereitet bei der Bilanzierung von Fertigungsaufträgen die periodengerechte Zurechnung von Aufwendungen und Erträgen in der Herstellungsphase Schwierigkeiten. Außerdem stellt sich die Problematik der grundsätzlichen Aktivierungsfähigkeit und deren Umfang sowie der Bildung von Rückstellungen für Gewährleistungen und für drohende
338
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
Verluste aus schwebenden Geschäften mit entscheidender Auswirkung auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Die Abbildung von Fertigungsaufträgen kann grundsätzlich über die • Completed Contract-Methode, • Selbstkostenaktivierung, • Teilabnahmeprinzip und die • Percentage of Completion-Methode erfolgen. Nach IAS 11.22 ist bei Fertigungsaufträgen, bei denen eine verlässliche Ermittlung von Fertigstellungsgrad, Gesamtkosten und ihnen gegenüberstehenden Erlösen möglich ist, grundsätzlich eine Umsatzrealisierung nach dem Leistungsfortschritt (Percentage of Completion Method) vorzunehmen. Das bedeutet, dass während der Fertigstellungsphase zum Bilanzstichtag jeweils eine Realisierung des (Teil-)Auftraggewinns erfolgt. Andernfalls sind bei einem nicht verlässlich bestimmbaren Ergebnis die Auftragserlöse nur in Höhe der angefallenen Kosten zu erfassen. Hingegen ist bei Verlustaufträgen (IAS 11.36) der erwartete Verlust sofort in voller Höhe als Aufwand zu erfassen. Ausweis von Fertigungsaufträgen in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung Den besonderen Anforderungen der Bilanzierung von Fertigungsaufträgen nach IFRS Rechnung tragend, sind noch nicht abgerechnete Fertigungsaufträge mit aktivischem Saldo als Vermögenswert nach IAS 11.42 unter „Fertigungsaufträge mit aktivischem Saldo gegenüber Kunden“ auszuweisen. Fertigungsaufträge mit passivischem Saldo als Verpflichtung gegenüber dem Auftraggeber sind unter „Fertigungsaufträge mit passivischem Saldo gegenüber Kunden“ auszuweisen. Der Posten ermittelt sich nach IAS 11.43 f. wie folgt: Angefallene Kosten + realisierte Gewinne - antizipierte Verluste - abgerechnete Teilbeträge = Saldo gegenüber Kunden Für den Ausweis von Umsatz und Kosten in der Gewinn- und Verlustrechnung enthält IAS 11 keine konkreten Angaben. Erlöse aus Fertigungsaufträgen sind als Umsatzerlöse auszuweisen. Bei bereits erfassten Umsatzerlösen aus Fertigungsaufträgen früherer Perioden, bei denen Zweifel an der Möglichkeit einer Vereinnahmung besteht, ist eine Korrektur über den Aufwand vorzunehmen. Somit werden die bereits erfassten Umsatzerlöse nicht berichtigt (IAS 11.28). Aus der Gegenüberstellung von Gesamterlösen und Gesamtkosten wird nach der Percentage of Completion-Method der Fertigstellungsgrad ermittelt, der für die Höhe des Periodenerfolgs des Projekts maßgeblich ist. Die buchhalterische Erfassung erfolgt über die Posten Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Umsatzerlöse. Ergibt sich ein Verlust aus der Gegenüberstellung von Gesamterlösen und -kosten, ist dieser unabhängig vom Fertigstellungsgrad sofort in voller Höhe ergebniswirksam zu erfassen.
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse
339
Ein sonstiger Vermögenswert (Deferred Income) ist zu erfassen, wenn bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens die erfolgswirksam erfassten Auftragskosten höher als der Anteil an den geschätzten gesamten Auftragskosten im Verhältnis zum Fertigstellungsgrad sind. Anhangangaben Im Jahres- und Konzernabschluss sind zu Fertigungsaufträgen nachfolgende Informationen anzugeben (IAS 11.39): • der Betrag der erfassten Auftragserlöse; • die Methode zur Ermittlung der Erlöse; • die Methode zur Ermittlung des Fertigstellungsgrads, und für am Bilanzstichtag laufende Projekte (IAS 11.40): • die Summe der angefallenen Kosten und ausgewiesenen Gewinne; • der Betrag erhaltener Anzahlungen; • der Betrag von Einbehalten.
4.2.2.3.2 Sachanlagen (Property, Plant and Equipment) Anwendungsbereich Unter die Regelungen des IAS 16 fallen unter anderem selbst genutzte bebaute und unbebaute Grundstücke im Eigenbesitz sowie Gebäude auf fremden Grundstücken oder Leasinggegenstände, die im Rahmen eines Finanzierungsleasings definiert oder im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens genutzt werden und länger als eine Periode gehalten werden. Noch im Bau befindliche Immobilien, die später als zu Finanzanlagezwecken gehaltene Immobilien im Sinne des IAS 40 klassifiziert werden, sind bis zur Fertigstellung nach den Vorschriften des IAS 16 zu bilanzieren. Außerdem ist der Standard für zu Finanzanlagezwecken gehaltene Immobilien anzuwenden, wenn der Bilanzierende nach dem Anschaffungskostenmodell (At Cost) bewertet. Zugangsbewertung Selbstgenutzte Immobilien des Sachanlagevermögens sind als Vermögenswert anzusetzen, wenn ein zukünftiger Nutzenzufluss daraus wahrscheinlich ist und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten verlässlich ermittelt werden können (IAS 16.7 rev. i.V.m. F.49 u. F.83). Immobilien, die als Sachanlage gemäß IAS 16 anzusetzen sind, sind bei der erstmaligen Bilanzierung mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Anschaffungsoder Herstellungskosten gemäß IAS 16.16 sind der „Kaufpreis einschließlich Einfuhrzölle und nicht erstattungsfähige Erwerbsteuer und alle direkt zurechenbaren Kosten, die anfallen, um den Vermögenswert in den betriebsbereiten Zustand für seine vorgesehene Verwendung zu bringen. Alle Rabatte, Boni und Skonti sind vom Kaufpreis abzuziehen.“ Verwaltungsund andere allgemeine Gemeinkosten können zu den Anschaffungskosten gerechnet werden,
340
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
wenn sie direkt dem Erwerb des Vermögenswertes oder der Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand zugerechnet werden können. Bei Entstehen nachträglicher Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein bereits bilanziertes Anlagegut können diese dem Vermögenswert hinzugerechnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Nutzenpotential des Vermögenswertes erhöht wird. Andere Kosten sind dagegen in der Periode des Anfalls als Aufwand zu erfassen (z.B. Instandhaltungskosten). Änderungen durch das Improvement Project Mit dem Improvement Project wurde eine umfangreiche Überarbeitung der IFRS durch das International Accounting Standards Board (IASB) gestartet. Änderungen gegenüber der bisherigen Fassung (IAS 16 [1998]) zum revised Standard betreffen die 1. Aktivierung nachträglicher Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK), 2. Gewinnrealisierung beim Tausch von Anlagegütern sowie die 3. separaten Abschreibungsverläufe für die Komponenten einer Anlage (Komponentenansatz). Die ersten beiden Änderungen werden eher als redaktionelle Modifikation gesehen. Die Forderung von separaten Abschreibungsverläufen für einzelne wesentliche Komponenten einer Anlage würde bei konsequenter Anwendung bzw. Umsetzung insbesondere Gesellschaften mit Immobilienvermögen vor große Herausforderungen stellen. Die Neuregelung des IAS 16.43 durch das Improvement Project erwartet, dass „each part of an item of property, plant and equipment with a cost that is significant in relation to the total cost of the item shall be depreciated separately.” Es wird keine einheitliche Abschreibung der Vermögenswerte über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (ND), sondern eine Aufteilung in die wesentlichen Komponenten – mit deren individueller ND – gefordert. Vermögenswerte, welche die gleiche ND aufweisen und bei denen die gleiche Abschreibungsmethode anzuwenden ist, können in Gruppen zusammengefasst werden. Vom Komponentenansatz sind sowohl Immobilien tangiert, die zum einen betrieblich genutzt werden, als auch zum anderen für Finanzanlagezwecke gehaltene Immobilienbestände nach IAS 40, deren Wertermittlung aufgrund des Wahlrechts At Cost durchgeführt wird. Prinzipiell werden Immobilien bei der Bilanzierung in Grund und Boden sowie Gebäude aufgeteilt. Der maximale Aufteilungsgrad von Vermögenswerten in Einzelkomponenten wird explizit nicht genannt. Es soll eine Aufteilung in Komponenten soweit vorgenommen werden, bis der Wert einer Komponente oder Restgruppe nicht mehr signifikant in Relation zu den Gesamtkosten des Vermögenswertes ist. In der Immobilienwirtschaft werden unterschiedliche Klassifizierungen von Immobilien nach • Nutzungsart (eigengenutzt, fremdgenutzt – Wohnen, Gewerbe, Spezialimmobilie) oder • Alter (Neubau vs. Bestandsimmobilie) usw.
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse
341
vorgenommen. Bei einem Neubau können entsprechend den vorliegenden Rechnungen für die einzelnen Gewerke die AHK meist unproblematisch auf die definierten Komponenten aufgeteilt werden. Bei der Zerlegung von Vermögenswerten in Komponenten entstehen in der Praxis zwei weitgehend unlösbare Probleme, insbesondere bei Bestandsimmobilien: 1. Zerlegung des Vermögenswertes (Aufteilung der fortgeführten AHK) in einzelne wesentliche Bestandteile mit unterschiedlicher Nutzungsdauer, 2. Schätzung der Restnutzungsdauer. In einer abstrakten Szenariorechnung eines betrieblich genutzten Bürogebäudes wurden die Auswirkungen der in der Praxis gängigen Abschreibungssätze mit einer Komponentenabschreibung verglichen und kommentiert. Dabei konnte bewiesen werden, dass die in der Praxis angewandten erfolgswirksam zu verbuchenden Abschreibungssätze in der Regel nicht signifikant zu den separat ermittelten Abschreibungsverläufen einzelner Komponenten differieren. Literatur1 und Praxis vertreten ebenfalls die Ansicht, dass eine Aufteilung in unterschiedliche Komponenten und die Zuordnung unterschiedlicher Nutzungsdauern nicht praktikabel erscheint bzw. nicht extensiv ausgelegt werden sollte. Insgesamt wird man deshalb nicht beanstanden können, wenn eine Gruppierung in Bauwerk und technische Anlagen erfolgt. Die Behandlung des Komponentenansatzes ist als Anhangangabe im Jahresabschluss zu erläutern. Folgebewertung Nach dem erstmaligen Ansatz als Property, Plant and Equipment entsprechend IAS 16 stehen zwei Bewertungsmethoden (IAS 16.29) alternativ zur Auswahl: • Benchmark Treatment • Allowed Alternative Treatment Die gewählte Methode ist einheitlich auf alle Sachanlagen anzuwenden. Nach dem Benchmark Treatment sind Vermögenswerte des Sachanlagevermögens mit ihren Anschaffungsoder Herstellungskosten abzüglich kumulierter planmäßiger Abschreibungen und außerplanmäßiger Wertminderungen (IAS 36: Impairment of Assets) zu bewerten. Die planmäßige Abschreibung richtet sich nach den Regelungen der IAS 16.50 ff. Die Abschreibungsmethode muss dem Verbrauch des wirtschaftlichen Nutzens des Vermögenswertes entsprechen. Die Abschreibung ist für jede Periode als Aufwand zu erfassen. Aufgrund unterschiedlicher Nutzungsdauern sind Grundstücke und aufstehende Gebäude bzw. Gebäudeteile als getrennte Vermögenswerte zu behandeln, da Grundstücke in der Regel eine unbegrenzte Nutzungsdauer haben und deshalb keinem planmäßigen Werteverzehr unterliegen. Gebäude bzw. Gebäudeteile haben hingegen eine begrenzte Nutzungsdauer und stellen daher einen abschreibungsfähigen Vermögenswert dar. 1
Vgl. z.B. Hoffmann (2006), S. 385 ff.; Focken/Schaefer (2004)
342
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
Alternativ können Immobilien nach IAS 16.31 auf Basis einer Neubewertung (Revaluation) mit dem beizulegenden Zeitwert angesetzt werden. Der ermittelte und zu bilanzierende Zeitwert ist bei abnutzbaren Vermögenswerten in den Folgeperioden um planmäßige Abschreibungen und Wertminderungen bzw. -aufholungen nach IAS 36 fortzuschreiben. Bei der Entscheidung für das Allowed Alternative Treatment ist für die gewählte Gruppe von Sachanlagen in regelmäßigen Abständen (drei bis fünf Jahre) eine Neubewertung durchzuführen. Ein positiver Unterschiedsbetrag zwischen Zeitwert und Buchwert ist erfolgsneutral in eine Neubewertungsrücklage (Revaluation Surplus) einzustellen. Bei einer Werterhöhung nach einer in früheren Berichtsperioden erfolgswirksam vorgenommenen Wertminderung ist der damals erfasste Aufwand rückgängig zu machen. Somit ist der hierauf entfallende Teil der Werterhöhung erfolgswirksam (IAS 16.39) zu behandeln. Ein negativer Unterschiedsbetrag aus der Neubewertung ist grundsätzlich als Aufwand erfolgswirksam zu erfassen. Insoweit gehen die Regelungen über außerplanmäßige Abschreibungen in IAS 36 dem optionalen Neubewertungsverfahren gemäß IAS 16 vor. Bei einer bestehenden Neubewertungsrücklage ist zunächst der Wertminderungsbedarf durch Korrektur der Rücklage erfolgsneutral zu behandeln. Bei Abgang des Vermögenswertes ist die auf ihn entfallende Neubewertungsrücklage in die Gewinnrücklagen umzugliedern (Passivtausch). Eine Auflösung der Neubewertungsrücklage kann nach IAS 16.41 nicht erfolgswirksam vorgenommen werden. Anhangangaben Im Jahres- bzw. Konzernabschluss sind für jede Gruppe der Sachanlagen die Informationen nach IAS 16.73 ff. erforderlich. Bei Änderung einer Schätzung sind Art und Auswirkung, wenn sie von wesentlicher Bedeutung für die gegenwärtige und zukünftige Berichtsperioden sind, nach IAS 16.76 anzugeben. Bei Anwendung des Neubewertungsmodells sind zusätzlich Angaben nach IAS 16.77 zu machen. Außerdem können nach IAS 16.73 bei Wertminderungen Angabepflichten nach IAS 36 erforderlich sein bzw. freiwillige Angaben nach IAS 16.79 als Ergänzung dienen.
4.2.2.3.3 Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien (Investment Properties) Anwendungsbereich und Zielsetzung Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien werden zur Erzielung von Mieteinnahmen und/oder zum Zwecke der Wertsteigerung gehalten (IAS 40.7). Sie erzeugen daher Cash Flows, die weitgehend unabhängig von den anderen vom Unternehmen gehaltenen Vermögenswerten anfallen. Darin unterscheiden sich als Finanzinvestition gehaltene Immobilien von vom Eigentümer selbstgenutzten Immobilien. IAS 40.8 nennt zur Abgrenzung Beispiele für als Finanzinvestition gehaltene Immobilien: a)
Grundstücke, die langfristig zum Zwecke der Wertsteigerung und nicht kurzfristig zum Verkauf im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehalten werden;
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse
343
b) Grundstücke, die für eine gegenwärtig unbestimmte künftige Nutzung gehalten werden. (Legt ein Unternehmen nicht fest, ob das Grundstück zur Selbstnutzung oder kurzfristig zum Verkauf im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehalten wird, ist das Grundstück als zum Zwecke der Wertsteigerung gehalten zu behandeln.); c)
ein Gebäude, welches sich im Besitz des Unternehmens befindet (oder vom Unternehmen im Rahmen eines Finanzierungsleasingverhältnisses gehalten wird) und im Rahmen eines oder mehrerer Operating-Leasingverhältnisse vermietet wird;
d) ein leer stehendes Gebäude, welches zur Vermietung im Rahmen eines oder mehrerer Operating-Leasingverhältnisse gehalten wird. Eine von einem Leasingnehmer im Rahmen eines Operating-Leasingverhältnisses geleaste Immobilie ist dann, und nur dann, nach IAS 40.6 als eine als Finanzinvestition gehaltene Immobilie zu klassifizieren und zu bilanzieren, wenn diese Immobilie ansonsten die Definition von als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien erfüllen würde und der Leasingnehmer für den erfassten Vermögenswert das in IAS 40.33-55 beschriebene Modell des beizulegenden Zeitwerts anwendet. Diese alternative Klassifizierung kann für jede Immobilie einzeln gewählt werden. Sobald die alternative Klassifizierung jedoch für eine im Rahmen eines Operating-Leasingverhältnisses geleaste Immobilie festgelegt wurde, sind alle als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien nach dem Modell des beizulegenden Zeitwerts zu bilanzieren. Bei Wahl dieser alternativen Klassifizierung unterliegt jede so klassifizierte Immobilie der Berichtspflicht nach IAS 40.74-40.78. Bewertung von Investment Properties Zugangsbewertung Investment Properties sind im Zugangsjahr mit ihren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (AHK) anzusetzen (IAS 40.20 ff. i.V.m. IAS 16). Insoweit kann auf die Ausführungen zu Punkt 2.3.2 Sachanlagen (Property, Plant and Equipment) nach IAS 16 verwiesen werden. Folgebewertung Wie oben bereits angedeutet, besteht bei Investment Properties in den Folgejahren ein Wahlrecht zwischen einer Bewertung zum Fair Value (beizulegender Zeitwert) gemäß IAS 40.33 ff. oder At Cost (fortgeführte AHK – IAS 40.56). Das Wahlrecht ist nach erstmaliger Ausübung einheitlich für den gesamten Bestand an Investment Properties anzuwenden. Auf Grund der Bewertungsstetigkeit ist der Bilanzierende grundsätzlich an die einmal gewählte Bilanzierungsmethode gebunden. Eine Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes der einmal gewählten Bewertungsmethode ist bei zwei Gegebenheiten möglich: • Eine Schätzung des beizulegenden Zeitwerts erscheint unmöglich (IAS 40.53). Dann ist das entsprechende Objekt zu den fortgeführten AHK zu bilanzieren, während die übrigen Objekte des Portfolios zum Fair Value angesetzt werden; • Durch den Wechsel der Bilanzierungsmethode wird für alle Investment Properties eine aussagekräftigere Darstellung von Ereignissen oder Sachverhalten im Jahresabschluss er-
344
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
zeugt (IAS 40.31 i.V.m. IAS 8.14b). Dies wird dann angenommen, wenn der Wechsel der Bilanzierungsmethode die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage tatsachengetreuer abbildet. Ein Wechsel vom Fair Value-Modell zum At Cost-Modell kann daher ausgeschlossen werden, da Zeitwerten eine höhere Relevanz beigemessen wird. Ein Wechsel von einer At CostBilanzierung zur Fair Value-Bilanzierung ist aufgrund der unterstellten Verbesserung der Abschlussinformationen jederzeit für alle Investment Properties vorstellbar. Das Cost-Model nach IFRS entspricht grundsätzlich den deutschen handelsrechtlichen Vorschriften (§ 253 Abs. 2 HGB). Nach dem Cost-Model gemäß IAS 40.56 i.V.m. IAS 16 sind Investment Properties mit den AHK, in den Folgejahren reduziert um kumulierte Abschreibungen und Wertminderungen, zu bilanzieren. Alternativ können Investment Properties im Folgejahr des Zugangs zum Fair Value angesetzt werden, wenn dieser verlässlich bestimmt werden kann (IAS 40.47). Der Fair Value wird in IAS 40.5 folgendermaßen definiert: „The fair value is the amount for which an asset could be exchanged between knowledgeable, willing parties in an arm’s length transaction.“ Der Fair Value ist somit der wahrscheinliche Betrag, zu dem ein Investment Property zwischen sachverständigen und vertragswilligen sowie voneinander unabhängigen Geschäftspartnern auf einem aktiven Markt getauscht werden kann. Die Definition des Fair Value entspricht im Wesentlichen der deutschen Definition des Verkehrswertes von Grundstücken und Gebäuden bzw. Gebäudeteilen nach § 194 BauGB. Der Wertdefinition des Fair Value entsprechen weitestgehend auch die Wertauffassungen europäischer sowie internationaler Verbände zur Bewertung von Liegenschaften. Bei einigen europäischen bzw. internationalen Bewertungsrichtlinien sind jedoch teilweise unwesentliche Bereinigungen für einen Bilanzansatz nach IAS 40 vorzunehmen. Der für den Bilanzansatz ermittelte Fair Value ist gemäß IAS 40.38 entsprechend den Marktverhältnissen zum Bilanzstichtag und nicht zu vergangenen oder zukünftigen Zeitpunkten zu ermitteln. Für die Wertermittlung wird ein unabhängiger und fachlich qualifizierter Gutachter empfohlen, aber nicht verpflichtend gefordert (IAS 40.32). Eine Fair ValueErmittlung ist unabhängig vom gewählten Bilanzansatz ab dem Folgejahr des Zugangs jährlich durchzuführen. Wird für den Bilanzansatz das Cost-Model benutzt, so ist der Fair Value im Anhang verbindlich anzugeben (IAS 40.79e). Bei der Wahl des Fair Value-Model sind die fortgeführten AHK nicht anzugeben. Es gilt also als die präferierte Variante. Im Unterschied zum Revaluation Model nach IAS 16 sind die positiven bzw. negativen Unterschiedsbeträge zwischen dem Fair Value des Vorjahres und dem aktuellen beizulegenden Zeitwert bei Investment Properties als Gewinn bzw. Verlust erfolgswirksam (IAS 40.35) unter Berücksichtigung der latenten Steuern (IAS 12.58) zu verbuchen. Planmäßige sowie außerplanmäßige Abschreibungen nach IAS 36 sind somit nicht mehr erforderlich, da der beizulegende Zeitwert Alter und Zustand des Objekts bereits widerspiegelt und Wertänderungen jährlich erfolgswirksam berücksichtigt werden.
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse
345
Bestimmung des Fair Value für Investment Properties Der „Crucial Point“ der Bewertung nach Fair Value ist die Präzision, Qualität und Verlässlichkeit der Wertermittlung der Immobilien. Sie sind keine homogenen Güter. Im Gegensatz zu börsennotierten Wertpapieren findet für Immobilien auch keine laufende Preisfeststellung durch getätigte Transaktionen statt. Die Ableitung eines Marktwertes für Investment Properties ist daher anders als bei börsennotierten Wertpapieren nicht ohne weiteres möglich. In IAS 40.45 und 46 wird deshalb eine dreistufige Hierarchie von Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien auf der Basis dieser Grundsätze eingeführt.2 Den Idealfall (Best Evidence) der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts bilden aktuelle Preise auf einem aktiven Markt für vergleichbare Immobilien in der gleichen Lage und im gleichen Zustand mit vergleichbaren Mietverhältnissen. Liegen solche Vergleichspreise vor, dann können sie unmittelbar als Fair Value der zu bewertenden Immobilie übernommen werden. Leider werden sich solche Vergleichspreise für Immobilien nur ganz selten finden lassen. „Aktiver Markt“ kann nur bedeuten, dass weitgehend homogene Güter in größerer Zahl gehandelt werden und genügend derartige Transaktionen auch in jüngerer Zeit stattgefunden haben. Dies wird selbst in Ballungszentren kaum der Fall sein, schon gar nicht, wenn es sich um größere und in ihrer Art, ihrem Standort und ihrer baulichen Gestaltung eher einmalige Objekte handelt. Damit muss man sich mit der nächsten Stufe der Verfahrenshierarchie zu behelfen versuchen. IAS 40.46 schlägt hierfür zum einen in jüngerer Vergangenheit beobachtete Preise vergleichbarer Objekte in nicht-aktiven Märkten, zum andern Vergleiche mit aktuellen Transaktionspreisen auf aktiven Märkten für Immobilien, die sich in ihrer Art, ihrem Zustand, dem Standort oder den Mietverhältnissen unterscheiden, vor. In beiden Fällen sind dann natürlich Anpassungen notwendig, die den Unterschieden in den Objekten und ihren wertrelevanten Faktoren Rechnung tragen. In der gängigen Praxis der Immobilienbewertung ist dies Gegenstand des Vergleichswertverfahrens. Vergleichswertverfahren Mit dem Vergleichswertverfahren, das in Deutschland in der Wertermittlungsverordnung (WertV) kodifiziert ist, wird der Verkehrswert auf Basis von tatsächlich in der jüngeren Vergangenheit erzielten Preisen ähnlicher Objekte ermittelt.3 Ihm kommt, vor allem bei Grundstücken, in der Praxis der Immobilienbewertung große Bedeutung zu. Merkmale, um eine hinreichende Übereinstimmung der Vergleichsobjekte zu prüfen, sind • • • •
die Lage, Art und Maß der baulichen Nutzung, die Bodenbeschaffenheit, die Größe,
2
Vgl. hierzu auch Baetge/Zülch/Matena (2002), S. 418
3
Vgl. ausführlich Kleiber/Simon (2007), insbes. S. 1027 ff.
346 • • • • •
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
die Grundstücksgestalt, der Erschließungszustand sowie bei Bauten zusätzlich das Alter, der Bauzustand und der Ertrag.
Für einen unmittelbaren Preisvergleich stehen in aller Regel zu wenig vergleichbare Grundstückstransaktionen zur Verfügung. Daher wird für die Ermittlung des Bodenwerts häufig auf sog. Bodenrichtwerte4 zurückgegriffen. Dies sind durchschnittliche Lagewerte für unbebaute Grundstücke, die nach § 196 Baugesetzbuch aufgrund der Kaufpreissammlung von den örtlichen Gutachterausschüssen möglichst zeitnah ermittelt werden. Abweichungen der wertrelevanten Merkmale werden durch eine Anpassung der Vergleichspreise in Form von Zu- und Abschlägen berücksichtigt. Hierfür werden in der Literatur Umrechnungsfaktoren und -tabellen angeboten. In zunehmendem Maße wird auch versucht, über anspruchsvolle statistische Verfahren aus empirischen Daten geeignete Umrechnungsfunktionen zu generieren.
Schätzwert
Vergleichswert Marktwert
aus Marktwerten abgeleiteter Wert
1. Stufe
2. Stufe
Bewertung mittels anerkannter Bewertungsmethoden 3. Stufe
Abb. 4.2- 2 Stufenkonzept zum Bilanzansatz von Investment Properties (Fair Value) nach IAS 40
Die Qualität des Vergleichswertverfahrens ist in hohem Maße von der Anzahl und Aktualität der Vergleichstransaktionen sowie der Vergleichbarkeit der zugrunde liegenden Immobilien abhängig. Während sie bei Grundstücken, Eigentumswohnungen und Reihenhäusern brauchbare Ergebnisse liefert und hier als Wertermittlungsverfahren auch große Bedeutung erlangt,
4
Vgl. hierzu Kleiber/Simon (2007), S. 1175 ff.
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse
347
zeigen sich ihre Schwächen gerade bei typischen gewerblich genutzten Immobilien größeren Volumens. An Stelle der Suche nach Vergleichswerten bietet IAS 40.46 (c) auch an, die Bewertung vorzunehmen auf Basis „diskontierter Cash Flow-Prognosen, die auf einer verlässlichen Schätzung von zukünftigen Cash Flows beruhen, gestützt durch die Vertragsbedingungen bestehender Mietverhältnisse und anderer Verträge sowie durch (wenn möglich) externe substantielle Hinweise wie aktuelle marktübliche Mieten für ähnliche Immobilien am gleichen Ort und in gleichem Zustand und für die Abzinsungssätze verwendet wurden, die die gegenwärtigen Bewertungen des Marktes hinsichtlich der Unsicherheit der Höhe und des zeitlichen Anfalls künftiger Cash Flows widerspiegeln.“ Versteht man diese Formulierung wörtlich, dann ist damit ausschließlich das Verfahren des Discounted Cash Flow (DCF-Methode) angesprochen, das vor allem im angelsächsischen Bereich eingesetzt wird, aber auch dort nicht die dominante Methode der Immobilienbewertung darstellt. Die Darstellung bei Zülch5 legt zumindest nahe, dass er diese Einschätzung vertritt, diskutiert er doch ausführlich die DCF-Methode, spricht aber andere Bewertungsmethoden, die mit ähnlichem Grundansatz ebenfalls Barwerte aus künftig erwarteten Zahlungsströmen berechnen, gar nicht an. DCF-Methode Die DCF-Methode6 arbeitet bei der Immobilienbewertung in der grundsätzlich gleichen Weise, wie sie aus der Unternehmensbewertung bekannt ist. Meist wird ein zweiphasiges Vorgehen gewählt. Für die erste Phase mit einem typischen Zeithorizont von 10 Jahren werden die erwarteten Mieteinnahmen des zu bewertenden Objekts möglichst präzise, unter Berücksichtigung der laufenden Mietverträge, der Marktsituation im relevanten Immobiliensegment und der Inflationserwartungen prognostiziert. Von diesen Jahresroherträgen sind die zu erwartenden, vom Vermieter zu tragenden Bewirtschaftungskosten, insbesondere Instandhaltungsund Verwaltungskosten abzusetzen, die allerdings oft vereinfacht als prozentuale Werte des Rohmietertrags gegriffen werden. Eine detaillierte Planung berücksichtigt hier auch die mögliche Veränderung dieser Größen über die Zeit, so vor allem die typischerweise mit dem Alter der Immobilie zunehmenden Instandhaltungsaufwendungen. Die Differenz stellt den Jahresreinertrag dar. Für die Zeit nach der ersten, genau geplanten Phase wird ein fiktiver Resterlös angesetzt. Ihm liegt die Überlegung zugrunde, was ein Käufer aufgrund des zu erwartenden Mietertrags und einer bestimmten Renditeerwartung zu zahlen bereit wäre. Verschiedentlich wird dieser einfach als Barwert einer ewigen Rente aus dem anfänglichen Jahresreinertrag berechnet. Dies kann in zweifacher Hinsicht verbessert werden: Zum einen ist es plausibel, die Periodenzahl auf die tatsächlich zu erwartende Restnutzungsdauer der Immobilie zu beschränken. Zum andern ist es angebracht, auch für die zweite Phase mit Mietveränderungen zu rechnen 5
Vgl. Zülch (2003), S. 237 ff.; Zülch/Lienau (2004), S. 570; Baetge/Zülch (2001), S. 556 f.
6
Vgl. die Darstellungen bei Zülch (2003), S. 237 ff.; Kleiber/Simon (2007), S. 1504 ff. ; Schulz-Wulkow (2003), S. 92 ff.; White/Turner/Jenyon/Lincoln (1999), S. 107 ff.
348
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
und diese explizit zu berücksichtigen. Die von einem fiktiven Käufer zu tragenden Erwerbsnebenkosten sind von dem Barwert der Rente abzusetzen. Als Diskontierungssatz zur Berechnung des DCF dient die Verzinsung alternativer Kapitalanlagen mit gleichem Risiko. Wiederum werden teils lediglich pauschale Erfahrungswerte für Risikozuschläge gewählt. Teils wird aber auch versucht, auf der Basis des CAPM, also eines theoretisch fundierten Kapitalmarkt(gleichgewichts-)modells, den Risikozuschlag zu bestimmen. Theoretisch ist hieran problematisch, dass damit nur das systematische Risiko einer Anlage erfasst wird, also einen breit diversifizierten Anleger unterstellt. Das praktische Problem besteht in der Ermittlung von Korrelationswerten (Betas) für einzelne Immobilien zum Kapitalmarkt. Ertragswertverfahren Die Formulierung von IAS 40.46 (c) ist jedoch nicht in der engen Weise zu verstehen, dass nur die DCF-Methode in den aufgezeigten Spielarten zulässig ist. Es ist Kleiber (2004) zuzustimmen, dass die DCF-Methode nur eine spezifische Variante des Ertragswertverfahrens mit spezifischen Stärken und Schwächen darstellt. Andere Varianten, insbesondere die in Deutschland dominant gelehrte und in der Gutachterpraxis eingesetzte, von ihm als „umfassendes Ertragswertverfahren“ bezeichnete Methode, vermögen zumindest der DCF-Methode vergleichbare, wegen geringerer Fehleranfälligkeit sogar oft überlegene Bewertungsergebnisse zu liefern.7 Unter dem Begriff des Ertragswertverfahrens lassen sich verschiedene Varianten subsumieren. Ihnen gemeinsam ist die Ermittlung des Markt- oder Verkehrswerts einer Immobilie als der auf den Bewertungsstichtag bezogene Barwert aus allen künftigen Erträgen. Die in Deutschland als „vereinfachtes Ertragswertverfahren“ und international meist als „Investment Method“ bezeichnete Variante leitet den Wert der Immobilie aus der Multiplikation des aktuellen Reinertrags mit einem Vervielfältiger ab, der dem Kehrwert der Vergleichsrendite entspricht. Liegt die derzeitige Miete über (overrented) oder unter (underrented) der für solche Objekte erzielbaren Marktmiete, dann sind die Differenzen unter Berücksichtigung der vertraglich gegebenen oder marktlich zu erwartenden Anpassungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Die umfassende Variante des Ertragswertverfahrens8, die der WertV zugrunde liegt und daher in Deutschland das dominante Verfahren ist, verfeinert die Vorgehensweise, indem sie, vor allem wegen der unterschiedlichen Nutzungsdauern der beiden Teile, in einen Gebäudeund einen Grundstückswert aufteilt. Ausgangspunkt ist der bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung des Grundstücks nachhaltig erzielbare Reinertrag für die erste Periode. Er wird – wie bei der DCF-Methode – aus dem Rohertrag unter Abzug der vom Vermieter zu tragenden Bewirtschaftungskosten ermittelt. Bei Abweichungen der aktuellen Miete von der Marktmiete ist, wie beim vereinfachten Verfahren beschrieben, zu korrigieren. 7
So z.B. auch Simon (2000)
8
Vgl. ausführlich Kleiber/Simon (2007), S. 1381 ff.
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse
349
Im nächsten Schritt ist von diesem Reinertrag der Gesamtimmobilie die Verzinsung des Bodenwerts abzusetzen. Der diesem Vorgehen zugrunde liegende Gedanke ist, dass Grund und Boden als unzerstörbares Gut „auf ewig“ eine Bodenrente abwirft. Diese errechnet sich als Produkt aus dem Bodenwert und dem Liegenschaftszinssatz. Der Bodenwert wiederum ist in der Regel auf dem Wege eines Vergleichswertverfahrens zu bestimmen. Als Liegenschaftszins ist der Zinssatz anzusetzen, mit dem sich der Verkehrswert von Liegenschaften im Durchschnitt marktüblich verzinst. Der nach Abzug der Bodenwertverzinsung verbleibende Saldo ergibt den Reinertragsanteil der baulichen Anlagen. Dieser Reinertraganteil kann nun mit Hilfe eines Vervielfältigers kapitalisiert werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die baulichen Anlagen nur über die verbleibende wirtschaftliche Restnutzungsdauer eine Rendite erwirtschaften können. Maßgebend für den anzuwendenden Vervielfältiger ist damit zum einen die geschätzte Restnutzungsdauer des Gebäudes, zum andern der Liegenschaftszins. Der so kapitalisierte Reinertrag ist bei Vorliegen bestimmter Umstände noch um Zu- oder Abschläge zu korrigieren. Die Summe aus dem Bodenwert und dem Ertragswert der baulichen Anlage ergibt den Ertragswert der gesamten Liegenschaft. Im Unterschied zur DCF-Methode wird hier also auf eine explizite Schätzung oder Prognose der künftigen Reinerträge verzichtet. Ausgangspunkt und Bewertungsbasis ist die aktuell nachhaltig erzielbare Miete. Dennoch ist der verschiedentlich geäußerte Vorwurf, das Verfahren sei deshalb statisch und erfasse die künftige Entwicklung nicht, unzutreffend. Statt über die Zahlungsströme erfasst das Ertragswertverfahren die Dynamik der Mieten über den Liegenschaftszins. Dieser bildet in der Tat die kritische Größe. Da er, wie oben definiert, der marktüblichen Verzinsung auf Immobilien entspricht, enthält er neben dem von Immobilieninvestoren zu zahlenden Finanzierungszinssatz die Markterwartungen über die Veränderungsraten der Mieten und auch die Kompensation für das Anlagerisiko. Da er nach § 11 WertV auf der Grundlage geeigneter Kaufpreise und der ihnen entsprechenden Reinerträge für gleichartig bebaute und genutzte Grundstücke zu ermitteln ist, gehen also auch hierüber Vergleichswerte in die Ertragswertermittlung ein und leisten damit eine gewisse Objektivierung der Eingangsparameter. Damit dürfte unstrittig sein, dass die in Deutschland übliche Variante des Ertragswertverfahrens ohne Einschränkungen den Formulierungen von IAS 40.46 (c) entspricht. Ein grundsätzlicher Vorzug der DCF-Methode gegenüber dem Ertragswertverfahren, wie ihn Baumunk/Böckem/Schurbohm-Ebneth9 postulieren, lässt sich u.E. nicht rechtfertigen. Soweit die Schätzung eines Fair Value nicht möglich ist, weil zu wenige Vergleichstransaktionen vorliegen und auch mit den beschriebenen Methoden kein verlässlicher Marktwert zu bestimmen ist, ist nach IAS 40.53 die Immobilie nach dem Anschaffungskostenmodell zu bewerten. Die Komplexität und Schwierigkeit der korrekten Bewertung von Immobilien macht deutlich, dass diese Arbeit in die Hände professioneller Gutachter gehört. Um die Verlässlichkeit 9
Vgl. Baumunk/Böckem/Schurbohm-Ebneth (2002), S. 360
350
4.2.2 Bilanzierung von Immobilien nach Anlageklassen
der Wertermittlung zu erhöhen, wird daher den Unternehmen mit IAS 40.32 empfohlen, den Zeitwert „auf der Grundlage einer Bewertung durch einen unabhängigen Gutachter, der eine entsprechende berufliche Qualifikation und aktuelle Erfahrungen mit der Lage und der Art der zu bewertenden Immobilien hat, zu bestimmen.“ Zu einer zwingenden Einschaltung von externen Gutachtern, auch in größerem zeitlichem Abstand, konnte sich der IASB leider nicht durchringen. Dies hätte die verschiedentlich geäußerten und auch nicht von der Hand zu weisenden Zweifel an der Verlässlichkeit der angesetzten Immobilienzeitwerte wenn auch nicht gänzlich verstummen lassen, sie aber doch sicher vermindert. Fortschreibungen der Werte oder auch der Wertparameter, wie sie Böckem/Schurbohm-Ebneth10 für akzeptabel halten, sollten damit nur Notlösungen bleiben. Anhangangaben Die notwendigen Berichtspflichten für als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien enthält IAS 40.75. Ergänzend sind bei Anwendung des Fair Value-Modells die Anforderungen nach IAS 40.76-40.78 zu beachten. Bei der Bilanzierung nach fortgeführten Anschaffungskosten muss u.a. der Fair Value nach IAS 40.79 angegeben werden. Die in IAS 40 geforderten Anhangsangaben sind zusätzlich zu denen nach IAS 17 zu machen. Gemäß IAS 17 gelten für den Eigentümer einer als Finanzinvestition gehaltenen Immobilie die Angabepflichten für einen Leasinggeber zu den von ihm abgeschlossenen Leasingverhältnissen. Ein Unternehmen, welches eine Immobilie im Rahmen eines Financeoder Operating-Leasingverhältnisses als Finanzinvestition hält, macht die Angaben eines Leasingnehmers zu den Finanzierungsleasingverhältnissen sowie die Angaben eines Leasinggebers zu allen Operating-Leasingverhältnissen, die das Unternehmen abgeschlossen hat.
4.2.2.3.4 Immobilien mit Veräußerungsabsicht (Non-Current Assets Held for Sale and Discontinued Operations) Anwendungsbereich Im Allgemeinen müssen die folgenden Bedingungen (IFRS 5.6-5.8) erfüllt sein, um einen Vermögenswert in die Kategorie „zu Veräußerungszwecken gehalten“ einzustufen: • • • •
die Geschäftsleitung ist an einen Veräußerungsplan gebunden, der Vermögenswert ist zur sofortigen Veräußerung verfügbar, es wurde eine aktive Suche nach einem Käufer eingeleitet, der Verkauf innerhalb von 12 Monaten nach der Einstufung als „zu Veräußerungszwecken gehalten“ ist sehr wahrscheinlich (Ausnahmen), • der Vermögenswert wird aktiv zum Kauf angeboten zu einem Preis, der in einer begründbaren Beziehung zu seinem beizulegenden Zeitwert steht,
10
Vgl. Böckem/Schurbohm-Ebneth (2003), S. 341 f.
4.2.2.3 Bilanzierung nach der Anlageklasse
351
• die erforderlichen Maßnahmen zur Vollendung des Plans deuten darauf hin, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Plan wesentlich geändert oder zurückgezogen wird. IFRS 5.5 grenzt davon u.a. Vermögenswerte ab, die nach dem Fair Value bewertet werden. Somit sind als Finanzinvestition gehaltene Immobilien i.S.v. IAS 40, die mit dem Fair Value bewertet werden, auszuschließen. Ausweis von Non-Current Assets Held for Sale Langfristige Vermögenswerte, die als zur Veräußerung gehalten klassifiziert werden, sowie die Vermögenswerte einer als zur Veräußerung gehalten klassifizierten Veräußerungsgruppe sind in der Bilanz getrennt von anderen Vermögenswerten darzustellen. Die Schulden einer als zur Veräußerung gehalten klassifizierten Veräußerungsgruppe sind getrennt von anderen Schulden in der Bilanz auszuweisen. Diese Vermögenswerte und Schulden dürfen nicht miteinander saldiert und als gesonderter Betrag abgebildet werden (IAS 5.38). Der Ausweis hat innerhalb des Anlagevermögens als zur Veräußerung bestimmtes Anlagevermögen (NonCurrent Assets Held for Sale) zu erfolgen. Bewertung von Non-Current Assets Held for Sale Immobilien des Anlagevermögens, die die oben beschriebenen Kriterien erfüllen, sind mit dem niedrigeren Wert aus dem Buchwert und dem beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten (Fair Value Less Costs to Sell) anzusetzen (IFRS 5.15). Die Abwertung auf den niedrigeren Wert aus Buchwert und beizulegendem Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten ist erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen. Eine spätere Erhöhung des Net Realisable Values führt zu einer erfolgswirksamen Wertaufholung, solange diese nicht einen kumulativen Wertminderungsaufwand übersteigt, der in Übereinstimmung mit IFRS 5 oder zuvor gemäß IAS 36 erfasst wurde (IFRS 5.21-22). Ein Wertminderungsaufwand wird für jede anfängliche oder darauf folgende Abschreibung des Vermögenswertes oder der zu Veräußerungszwecken gehaltenen Gruppe von Vermögenswerten in der Gewinn- und Verlustrechnung auf den beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten erfasst (IFRS 5.20). Bei den nach IFRS 5 klassifizierten Immobilienobjekten darf keine planmäßige Abschreibung vorgenommen werden (IFRS 5.25). Anhangangaben Für Immobilienobjekte (oder -gruppen) mit Veräußerungsabsicht sind gemäß IFRS 5.41 folgende Angaben erforderlich: a)
eine Beschreibung des langfristigen Vermögenswertes (oder der Veräußerungsgruppe);
b) eine Beschreibung der Sachverhalte und Umstände der Veräußerung oder der Sachverhalte und Umstände, die zu der erwarteten Veräußerung führen, sowie die voraussichtliche Art und Weise und der voraussichtliche Zeitpunkt dieser Veräußerung;
352 c)
4.2.3 Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln der gemäß den IFRS 5.20-22 erfasste Gewinn oder Verlust und, falls dieser nicht gesondert in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen wird, in welcher Kategorie der Gewinn- und Verlustrechnung dieser Gewinn bzw. Verlust berücksichtigt wurde;
d) gegebenenfalls das Segment, in dem der langfristige Vermögenswert (oder die Veräußerungsgruppe) gemäß IAS 14 „Segmentberichterstattung“ ausgewiesen wird.
4.2.3 Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln 4.2.3.1 Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital In Deutschland ist die Fremdfinanzierung eine weit verbreitete Form der Unternehmensfinanzierung. In der Immobilienwirtschaft ist die objekt- bzw. projektbezogene Fremdfinanzierung mit über 70 % sogar der Regelfall.11 Daher ist nachvollziehbar, weshalb das deutsche Handelsrecht verstärkt auf den Gläubigerschutz ausgerichtet ist. Folglichr werden die Ausschüttungen an die Eigenkapitalgeber deutlich restriktiver gehandhabt als nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften, um die Erfüllung der Gläubigerverpflichtungen erfüllen zu können. Die Ausrichtung des Adressatenkreises an die Anteilseigner bei internationalen Rechnungslegungsnormen spiegelt die Anforderungen des Kapitalmarktes wider, eine verbesserte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu schaffen. In der Praxis ist allerdings festzustellen, dass sich die Bilanzierung deutscher Unternehmen trotz Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen noch sehr stark an den handelsrechtlichen Vorschriften orientiert.12 Vorschriften zu Ansatz, Ausweis und Bewertung finden sich in IAS 39 (Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten) sowie in IAS 32 zu Angaben und der Darstellung. 11
Vgl. Plesser (2003), S. 208
12
Vgl. Keitz (2003), S. 1801
4.2.3.1 Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital
353
Eine der wesentlichen Abweichungen zwischen HGB und IFRS ist die unterschiedliche Klassifizierung von Eigen- und Fremdkapital. Nach handelsrechtlichen Vorschriften sind dies Kriterien wie Haftung, Nachhaltigkeit, Erfolgsabhängigkeit sowie Nachrangigkeit. Das Eigenkapital wird regelmäßig als Residualgröße aus der Summe aller Aktiva abzüglich der Passiva ermittelt, die Verpflichtungen für das Unternehmen darstellen. Die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital nach IFRS ist in IAS 32.11 geregelt: Demnach ist eine finanzielle Verbindlichkeit jede vertragliche Verpflichtung, • „flüssige Mittel oder einen anderen finanziellen Vermögenswert an ein anderes Unternehmen abzugeben, oder • Finanzinstrumente mit einem anderen Unternehmen unter potentiell nachteiligen Bedingungen austauschen zu müssen.“ • Darüber hinaus Verträge, die in Eigenkapitalinstrumente des betrachteten Unternehmens erfüllt werden (können) und bei denen es sich entweder um – nicht derivative Finanzinstrumente handelt, für die das Unternehmen zur Abgabe von eigenen Eigenkapitalinstrumenten verpflichtet ist bzw. verpflichtet werden kann oder um – derivative Finanzinstrumente, die neben einem bestimmten Betrag liquider Mittel oder anderer finanzieller Vermögenswerte auch durch Eigenkapitalinstrumente des betrachteten Unternehmens erfüllt werden können. Definiert wird ein Finanzinstrument nach IAS 32.11 als ein Vertrag, „der gleichzeitig bei dem einen Unternehmen zu einem finanziellen Vermögenswert und bei dem anderen Unternehmen zu einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Eigenkapitalinstrument führt.“ Eigenkapital stellt gemäß F 49 c den nach Abzug aller Schulden verbleibenden Restbetrag der Vermögenswerte des Unternehmens dar. Besteht eine Rückforderungsmöglichkeit durch den Kapitalgeber, ist ein Ausweis als Eigenkapital nicht erlaubt. Finanzinstrumente, für die ein Rückzahlungsanspruch vereinbart worden ist, stellen nach IAS 32.18b Verbindlichkeiten dar. Diese Regelung kann insbesondere dazu führen, dass gesellschaftsrechtliches Eigenkapital als Fremdkapital auszuweisen ist. Die Abgrenzungsregelung nach IAS 32 kann zusätzlich auf das Mezzanine-Kapital erheblichen Einfluss haben. Mezannine Finanzierungsformen werden hinsichtlich ihrer Zuordnung zum Eigen- und Fremdkapital, die insbesondere von den vertraglichen Vereinbarungen abhängt, in • eigenkapitalähnliche, • fremdkapitalähnliche und • hybride unterschieden. Eigenkapitalähnliche Finanzinstrumente Darunter werden insbesondere Genussrechtskapital und stille Beteiligungen subsumiert, deren vertragliche Gestaltung auf die Erfüllung der Merkmale von Mezzanine-Kapital ge-
354
4.2.3 Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln
richtet ist. Diese werden nach IAS/IFRS als Verbindlichkeit eingestuft. Aufgrund der befristeten Kapitalüberlassung und des grundsätzlich vereinbarten Rückzahlungsanspruchs des Kapitalgebers ist gem. IAS 32.20 ein Fremdkapitalposten zu bilden. Im Vergleich zu den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften haben die Nachrangigkeit des Kapitals, eine eventuelle Verlustbeteiligung und die erfolgsabhängige Vergütung keinen Einfluss auf die Bilanzierung von eigenkapitalähnlichen Mezzanine-Finanzierungsinstrumenten. Fremdkapitalähnliche Finanzinstrumente Als fremdkapitalähnliche Finanzinstrumente sind nachrangige oder partiarische Darlehen anzusehen. Diese sind als "langfristig verzinsliche Verbindlichkeiten" anzusetzen. Wie auch im deutschen Handelsrecht haben die lange Laufzeit, die vereinbarte Nachrangigkeit des Kapitals und die ergebnisabhängigen Vergütungen keinen Einfluss auf die bilanzielle Betrachtung der fremdkapitalähnlichen Mezzanine-Finanzinstrumente. Hybride Finanzinstrumente Hybride Finanzinstrumente wie bspw. Wandel- und Optionsschuldverschreibungen enthalten sowohl einen Eigenkapital- als auch einen Fremdkapitalcharakter. Der Eigenkapitalbestandteil besteht in einer Kaufoption, die dem Erwerber das Recht einräumt, Eigenkapitalanteile an dem Unternehmen zu erwerben. Der Fremdkapitalanteil bezieht sich auf die vertragliche Vereinbarung zur Lieferung von flüssigen Mitteln (IAS 32.20). Zur Bilanzierung solcher zusammengesetzter Finanzinstrumente sind diese gem. IAS 32.28 in ihre Komponenten zu zerlegen. Diese sind dann entsprechend der jeweiligen Vorschrift unter Eigenkapital bzw. langfristige Verbindlichkeiten auszuweisen. Mezzanine-Kapital zeichnet sich durch seinen hybriden Charakter aus. Eine Bilanzierung als hybrides Finanzierungsinstrument durch einen besonderen Posten zwischen Eigen- und Fremdkapital ist jedoch nach IAS/IFRS nicht vorgesehen. Eine eindeutige Klassifizierung zum Eigen- bzw. Fremdkapital ist daher notwendig. Dabei ist ausschlaggebend, ob das Kapital vom Kapitalgeber zurückgefordert werden kann oder die vereinbarte Laufzeit befristet ist. Demnach wird Mezzanine-Kapital – bedingt durch die befristete Überlassung – nach IAS/IFRS im Jahresabschluss grundsätzlich als Fremdkapital angesetzt. Dabei ist Mezzanine-Kapital in der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aufgrund der Nachrangigkeit des Kapitals und der Verlustbeteiligung sowie der ergebnisabhängigen Vergütung eher als Eigenkapital einzuordnen. Der Ansatz von Mezzanine-Finanzinstrumenten nach IAS/IFRS wird der wirtschaftlichen Funktion als häufig eher eigenkapitalähnliches Kapital nicht gerecht.
4.2.3.2 Verbindlichkeiten und Absicherungsmaßnahmen
355
4.2.3.2 Verbindlichkeiten und Absicherungsmaßnahmen 4.2.3.2.1 Ansatz von Verbindlichkeiten Eine finanzielle Verbindlichkeit ist durch ein Finanzinstrument nur dann in der Bilanz anzusetzen, wenn das Unternehmen Vertragspartei der Regelungen wird. Dabei muss klar zwischen Auszahlungsbetrag und Kreditbetrag unterschieden werden. Die finanzielle Verbindlichkeit ist wie nach handelsrechtlichen Vorschriften nur mit dem Betrag anzusetzen, der tatsächlich in Anspruch genommen wird. Unabhängig von der Höhe der Auszahlung bzw. Inanspruchnahme sind der Gesamtkreditbetrag bzw. -rahmenvertrag und die Konditionen gemäß IAS 32 anzugeben.
4.2.3.2.2 Ausweis Verbindlichkeiten sind nach IFRS grundsätzlich in kurz- und langfristige Verbindlichkeiten zu unterteilen (IAS 1.53). Der Zeitbezug unterscheidet sich zum HGB dadurch, dass nach handelsrechtlichen Vorschriften eine Verbindlichkeit nur dann als kurzfristig qualifiziert wird, wenn sie innerhalb von zwölf Monaten nach dem Bilanzstichtag fällig wird (§ 268 Abs. 5 HGB). Nach IFRS wird eine Schuld als kurzfristig eingestuft, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien (IAS 1.60) erfüllt ist: a)
ihre Tilgung wird innerhalb des gewöhnlichen Verlaufs des Geschäftszyklus des Unternehmens erwartet;
b) sie wird primär für Handelszwecke gehalten; c)
ihre Tilgung wird innerhalb von zwölf Monaten nach dem Bilanzstichtag erwartet; oder
d) das Unternehmen hat kein uneingeschränktes Recht zur Verschiebung der Erfüllung der Verpflichtung um mindestens zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag. Alle anderen Schulden sind als langfristig einzustufen. Daraus folgt, dass Bauträgerprojektfinanzierungen grundsätzlich als kurzfristige Verbindlichkeiten ausgewiesen werden.
4.2.3.2.3 Bewertung Die Bewertung von Verbindlichkeiten erfolgt nach handelsrechtlichen Vorschriften nach dem Rückzahlungsbetrag. Nach IFRS ist der beizulegende Zeitwert der erhaltenen Gegenleistung anzusetzen. Der beizulegende Zeitwert wird nach IAS 32.11 definiert als „der Betrag, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern ein Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte.“ Kann der beizulegende Zeitwert nicht durch einen Marktpreis bestimmt werden, ist er mit Hilfe eines Barwertkalküls zukünftig zu erwartender Mittelabflüsse zu schätzen. Ein nach
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4.2.3 Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln
handelsrechtlichen Vorschriften als Rechnungsabgrenzungsposten erfasstes Disagio wird nach IFRS somit direkt von der Verbindlichkeit abgesetzt und zeitanteilig zugebucht.
4.2.3.2.4 Folgebewertung Die Folgebewertung von grundsätzlich allen finanziellen Verpflichtungen erfolgt ebenfalls zum jeweils beizulegenden Zeitwert. Eine Ausnahme besteht, wenn der beizulegende Zeitwert nicht verlässlich ermittelt werden kann. Der beizulegende Zeitwert eines Darlehens wird durch Kapitalisierung der künftig für Zins und Tilgung anfallenden Auszahlungen ermittelt. Ist der Darlehenszins niedriger als der Kapitalisierungszins, liegt der beizulegende Zeitwert unter dem nominalen Darlehensbetrag, im umgekehrten Fall darüber. Der Kapitalisierungszins muss fristenadäquat mittels unterlegter Zinsstrukturkurve verwendet werden. In der Konsequenz könnten Darlehensverbindlichkeiten mit langfristiger Konditionenbindung, die in der derzeitigen Niedrigzinsphase aufgenommen wurden, bei steigendem Marktzinsniveau zu einem Wert unter dem Nominalbetrag passiviert werden. Der dabei entstehende Bewertungsgewinn wäre ebenso wie ein im umgekehrten Fall entstehender Bewertungsverlust in der Gewinn- und Verlustrechung zu zeigen. Eine finanzielle Verbindlichkeit kann erst dann ausgebucht werden, wenn die Verpflichtungen aus dem Vertrag beglichen sind. Dies gilt analog zu den handelsrechtlichen Vorschriften auch für teilweise vorgenommene Tilgungen. Insofern ist stets der tatsächlich in Anspruch genommene Kreditbetrag als Verbindlichkeit anzusetzen und somit sind außerordentliche Rückzahlungsbeträge oder nicht mehr in Anspruch genommene Kreditrahmen zu berücksichtigen.
4.2.3.2.5 Sicherungsgeschäfte Das derzeit im Vergleich zu anderen Perioden sehr niedrige Zinsniveau wird auch bei Immobilienunternehmen genutzt, den langfristigen Finanzierungsbedarf gegen Zinsänderungsrisiken mit Sicherungsgeschäften abzusichern. Grundsätzlich werden in IAS 39.86 drei Arten von Sicherungsbeziehungen unterschieden: a)
Absicherung des beizulegenden Zeitwertes (Fair Value Hedge);
b) Absicherung von Zahlungsströmen (Cash Flow Hedge); c)
Absicherung einer Nettoinvestiton.
Eine Sicherungsbeziehung qualifiziert nur dann für die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen, wenn alle im Folgenden aufgeführten Bedingungen erfüllt sind: a)
zu Beginn der Absicherung sind sowohl die Sicherungsbeziehung als auch die Risikomanagementzielsetzungen und -strategien des Unternehmens im Hinblick auf die Absicherung formal festgelegt und dokumentiert;
4.2.3.2 Verbindlichkeiten und Absicherungsmaßnahmen
357
b) die Absicherung wird in hohem Maße als wirksam eingeschätzt hinsichtlich der Erreichung einer Kompensation der Risiken aus Änderungen des beizulegenden Zeitwertes oder der Cash Flows des gesicherten Grundgeschäfts; c)
bei Absicherung von Zahlungsströmen muss eine der Absicherung zugrunde liegende erwartete künftige Transaktion eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit haben und Risiken im Hinblick auf Schwankungen der Zahlungsströme ausgesetzt sein, die sich letztlich im Ergebnis niederschlagen können;
d) die Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung ist verlässlich bestimmbar, d.h. der beizulegende Zeitwert oder die Cash Flows des Grundgeschäfts, die auf das abgesicherte Risiko zurückzuführen sind, und der beizulegende Zeitwert des Sicherungsinstruments können verlässlich bestimmt werden; e)
die Sicherungsbeziehung wird fortlaufend beurteilt und als tatsächlich hoch wirksam über die gesamte Berichtsperiode eingeschätzt, für die die Sicherungsbeziehung designiert wurde.
Von besonderer Bedeutung in der Immobilienwirtschaft sind Absicherungsmaßnahmen für Zahlungsströme (Cash Flow Hedge). Die Absicherung von Zahlungsströmen von Zinsänderungsrisiken erfolgt in der Praxis häufig durch Zinsswaps. Der Zinsswap wird sowohl beim erstmaligen Ansatz als auch in der Folgebewertung mit dem beizulegenden Zeitwert bilanziert. Veränderungen im beizulegenden Zeitwert des Sicherungsinstruments sind in einen effektiven und ineffektiven Teil zu trennen. Der ineffektive Teil wird unmittelbar erfolgswirksam im Periodenergebnis erfasst. Der effektive Teil – der aufgrund des abzusichernden Risikos (evtl. Grundgeschäfts) besteht – ist im Eigenkapital zu erfassen. Die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen ist nach IAS 39.101 einzustellen, wenn a)
das Sicherungsinstrument ausläuft oder veräußert, beendet oder ausgeübt wird;
b) das Sicherungsgeschäft erfüllt ist; c)
mit dem Eintritt der erwarteten Transaktion nicht mehr gerechnet wird;
d) das Unternehmen die Designation zurückzieht.
4.2.3.2.6 Angaben Die für Finanzinstrumente geforderten Angabepflichten nach IAS 32.51 ff. sollen ein besseres Verständnis der Bedeutung von Finanzinstrumenten für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und die Cash Flows eines Unternehmens sicherstellen; darüber hinaus sollen sie dazu beitragen, die Beträge, die Zeitpunkte und die Eintrittswahrscheinlichkeit der künftigen Cash Flows abschätzen zu können, die aus solchen Finanzinstrumenten resultieren. Soweit die erforderlichen Angaben in der Bilanz ausgewiesen werden, brauchen sie im Anhang des Abschlusses nicht wiederholt zu werden. Die geforderten Angaben können je nach Art der Finanzinstrumente und ihrer relativen Bedeutung für das Unternehmen aus einer Kombination von beschreibendem Text und quantitativen Daten bestehen. Der zur Erfüllung der An-
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4.2.3 Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln
gabepflichten für einzelne Finanzinstrumente zu wählende Detaillierungsgrad ist anhand der relativen Bedeutung dieser Instrumente zu beurteilen. Die Angaben sind so zu fassen, dass eine Überleitung auf die betreffenden Bilanzposten möglich ist. Allgemein ist vom Unternehmen die Risikomanagementpolitik anzugeben, indem es die Ziele und Techniken des Finanzrisikomanagements beschreibt.
4.2.3.3 Leasingverhältnisse 4.2.3.3.1 Einleitung Der Anteil des Immobilien-Leasing an den gesamten Immobilieninvestitionen bewegte sich in den letzten vier Jahren zwischen 7,2 % und 9,9 %13. Die grundlegenden Vorschriften zur Bilanzierung von Leasingverhältnissen finden sich in IAS 17. Ein Leasingverhältnis ist definiert als ein Vertrag, bei dem ein Leasinggeber (Lessor) gegen Zahlung eines Entgelts die Nutzungsrechte an einem Vermögenswert für einen vereinbarten Zeitraum dem Leasingnehmer (Lessee) überträgt (IAS 17.4). Für die Bilanzierung von Leasingverhältnissen ist es von entscheidender Bedeutung, ob das wirtschaftliche Eigentum an dem Leasinggegenstand dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zugerechnet wird. Die Zurechnung von Leasinggegenständen zum Leasinggeber oder zum Leasingnehmer richtet sich danach, in welchem Umfang Risiken und Chancen, die sich aus den Rechten an dem Leasinggegenstand ergeben, beim Leasinggeber oder beim Leasingnehmer liegen. Die Risiken schließen die Möglichkeit von Verlusten aus ungenutzten Kapazitäten oder technischer Überholung sowie Ertragsschwankungen aufgrund von Veränderungen der Wirtschaftslage mit ein. Chancen stellen die Aussicht auf einen gewinnbringenden Einsatz des Assets während seiner wirtschaftlichen Lebensdauer (Economic Life) sowie die Gewinne aus Wertsteigerungen oder Buchgewinne bei Veräußerung dar (IAS 17.7). Im Gegensatz zum deutschen Handelsrecht enthalten die IFRS ausführliche Vorschriften zur Bilanzierung von Immobilien-Leasingverhältnissen in IAS 17 „Leasingverhältnisse“ und IAS 40 „Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien“. IAS 17 regelt Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie Angabepflichten, die von Leasinggeber und Leasingnehmer im Zusammenhang mit Leasingverhältnissen anzuwenden sind (IAS 17.1). Außerdem enthält der Standard ergänzende Regelungen bezüglich der Klassifizierung von Leasingverhältnissen und des Anwendungsbereichs der Vorschrift. In SIC 15 ist geregelt, wie Anreizvereinbarungen im Rahmen eines Operating-Leasingverhältnisses zu behandeln sind. Aus dem Anwendungsbereich von IAS 17 ausgenommen sind Anlageimmobilien (Investment Property), die vom Leasingnehmer als Finanzinvestitionen bilanziert werden, und Anlageimmobilien, die
13
Vgl. Weberndörfer (2005), S. 193
4.2.3.3 Leasingverhältnisse
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von Leasinggebern im Rahmen eines Operating-Leasingverhältnisses vermietet werden. Beide Fälle sind in IAS 40 geregelt (IAS 17.2). Werden im Rahmen des Leasingverhältnisses alle wesentlichen mit dem Eigentum an dem Leasinggegenstand verbundenen Risiken und Chancen auf den Leasingnehmer übertragen, so liegt ein Finanzierungs-Leasingverhältnis (Finance Lease) vor. In allen anderen Fällen spricht man von einem Operating-Leasingverhältnis (operating lease) (IAS 17.4). Die Klassifizierung eines Leasingverhältnisses als Finanzierungs-Leasingverhältnis oder OperatingLeasingverhältnis hängt dabei weniger von der formalen vertraglichen Vereinbarung (Form of the Contract) als vielmehr vom wirtschaftlichen Gehalt (Substance of the Transaction) ab (IAS 17.10). Finance-Leasingverhältnis Finance-Lease ist definiert als ein Leasingverhältnis, bei dem im Wesentlichen alle Risiken und Chancen, die sich aus dem Eigentum an einem Vermögenswert ergeben, übertragen werden. Die Übertragung des rechtlichen Eigentums ist für die Klassifizierung des Leasingverhältnisses jedoch unerheblich (IAS 17.4). Ein solches Leasingverhältnis ist in der Regel für die vereinbarte Laufzeit unkündbar und sichert dem Leasinggeber den Rückfluss des von ihm eingesetzten Kapitals einschließlich einer darauf entfallenden Verzinsung. Der Leasinggegenstand wird in diesem Fall dem Leasingnehmer zugeordnet. Beispiele für ein Leasingverhältnis, das als Finance-Lease klassifiziert wird, sind (IAS 17.10): a)
am Ende der Laufzeit des Leasingverhältnisses wird dem Leasingnehmer das Eigentum an dem Vermögenswert übertragen;
b) der Leasingnehmer hat die Kaufoption, den Vermögenswert zu einem Preis zu erwerben, der erwartungsgemäß deutlich niedriger als der zum möglichen Optionsausübungszeitpunkt beizulegende Zeitwert des Vermögenswertes ist, so dass zu Beginn des Leasingverhältnisses hinreichend sicher ist, dass die Option ausgeübt wird; c)
die Laufzeit des Leasingverhältnisses umfasst den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Vermögenswertes, auch wenn das Eigentumsrecht nicht übertragen wird;
d) zu Beginn des Leasingverhältnisses entspricht der Barwert der Mindestleasingzahlungen im Wesentlichen mindestens dem beizulegenden Zeitwert des Leasinggegenstandes und e)
die Leasinggegenstände haben eine spezielle Beschaffenheit, so dass sie ohne wesentliche Veränderungen nur vom Leasingnehmer genutzt werden können.
Die Beispielliste wird in IAS 17.11 ergänzt. Es wird demnach außerdem vermutet, dass ein Finanzierungs-Leasingverhältnis vorliegt, wenn a)
der Leasingnehmer das Leasingverhältnis auflösen kann und die Verluste des Leasinggebers in Verbindung mit der Auflösung vom Leasingnehmer getragen werden;
b) die Gewinne oder Verluste, die durch Schwankungen des beizulegenden Zeitwertes des Restwertes entstehen, dem Leasingnehmer zufallen (beispielsweise in Form einer Miet-
360
4.2.3 Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln rückerstattung, die einem Großteil des Verkaufserlöses am Ende des Leasingverhältnisses entspricht); sowie
c)
der Leasingnehmer die Möglichkeit hat, das Leasingverhältnis für eine zweite Mietperiode zu einer Miete fortzuführen, die wesentlich niedriger als die marktübliche Miete ist.
Operate-Leasingverhältnis Als Operate-Lease sind alle Leasingverhältnisse definiert, die nicht als Finance-Lease klassifiziert werden können. Risiken und Chancen, die mit den Rechten an dem Leasinggegenstand verbunden sind, verbleiben in diesem Fall im Wesentlichen beim Leasinggeber (IAS 17.4). Der Leasinggegenstand wird somit dem Leasinggeber zugeordnet. Die Zurechnung von Grundstücken und Gebäuden im Rahmen von Leasingverhältnissen erfolgt im Allgemeinen nach den gleichen Grundsätzen wie die Zurechnung von anderen Leasinggegenständen. Bei Grundstücken besteht allerdings die Besonderheit, dass sie normalerweise eine unbestimmte wirtschaftliche Nutzungsdauer aufweisen und, sofern nicht der Übergang des rechtlichen Eigentums an den Leasingnehmer zum Ende der Vertragslaufzeit erwartet wird, diesem nicht die wesentlichen mit den Rechten an dem Leasinggegenstand verbundenen Risiken und Chancen übertragen werden. Ein solches Leasingverhältnis ist daher als Operate-Leasingverhältnis zu klassifizieren (IAS 17.7, 17.8).
4.2.3.3.2 Bilanzierung von Leasingverhältnissen: Finance-Lease Bilanzierung beim Leasinggeber Im Rahmen des Finance-Lease sind Leasinggegenstände beim Leasinggeber nicht unter den Sachanlagen, sondern als Forderungen zu bilanzieren, und zwar zu einem Betrag, der dem Nettoinvestitionswert aus dem Leasingverhältnis (Net Investment in the Lease) entspricht (IAS 17.28). Dieser stellt die Summe aus den Barwerten der Mindestleasingzahlungen und dem nicht garantierten Restwert abzüglich des noch nicht realisierten Finanzertrags dar. Der Bruttoinvestitionswert aus dem Leasingverhältnis ist die Summe aus den Mindestleasingzahlungen in einem Finanzierungsleasing aus Sicht des Leasinggebers und jeglichem, dem Leasinggeber zustehenden nicht garantierten Restwert. Die Mindestleasingzahlungen sind dabei als die über die unkündbare Vertragslaufzeit vereinbarten Leasingraten zuzüglich eines dem Leasinggeber durch den Leasingnehmer oder einen Dritten garantierten Restwerts definiert. Der nicht garantierte Restwert ist der nicht vom Leasingnehmer bzw. nicht durch fremde Dritte garantierte Restwert (IAS 17.3). Die Berücksichtigung von Zinserträgen hat systematisch im Sinne einer gleichbleibenden, periodischen Rendite zu erfolgen, der entweder der noch ausstehende Nettoinvestitionswert oder der noch ausstehende Nettobarinvestitionswert des Leasingverhältnisses zugrunde zu legen ist, welches den Saldo der aus dem Leasingverhältnis resultierenden Einzahlungs- und Auszahlungsströme darstellt (IAS 17.4). Das verwendete Verfahren ist auf vergleichbare
4.2.3.3 Leasingverhältnisse
361
Leasingverhältnisse übereinstimmend anzuwenden. IAS 17.39 (rev. 1997) lässt nur noch die Verteilung anhand des noch ausstehenden Nettoinvestitionswerts zu. Die in den Bruttoinvestitionswert aus dem Leasingverhältnis eingeflossenen nicht garantierten Restwerte sind in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Wird dabei eine anhaltende Wertminderung festgestellt, so ist die geplante Vereinnahmung der Erträge über die Vertragslaufzeit zu revidieren; entsprechende Verminderungen bereits vereinnahmter Beträge sind unmittelbar aufwandswirksam zu erfassen (IAS 17.41). Vor und bei Abschluss eines Leasingvertrages entstehen dem Leasinggeber häufig anfänglich direkte Kosten wie Provisionen und Rechtsberatungskosten, die entweder unmittelbar als Aufwand zu erfassen oder über die Vertragslaufzeit zu verteilen sind (IAS 17.38). Ist der Leasinggeber Hersteller oder Händler, so hat er bei den Umsätzen von solchen Gewinnen oder Verlusten auszugehen, wie sie sich für ihn auch aus einem gewöhnlichen Verkaufsgeschäft ergeben würden. Werden in dem Leasingvertrag ungewöhnlich niedrige Zinsen berechnet, ist die Gewinnrealisierung auf den Betrag zu begrenzen, der bei Anwendung eines handelsüblichen Zinssatzes angefallen wäre. Die zu Beginn des Leasingverhältnisses verbuchten Umsatzerlöse des Herstellers oder Händlers entsprechen dem beizulegenden Zeitwert des Leasinggegenstandes oder dem niedrigeren, auf der Grundlage eines handelsüblichen Zinssatzes ermittelten Nettoinvestitionswert des Leasingverhältnisses. Als entsprechende Umsatzkosten werden die Kosten des Leasinggegenstandes bzw. dessen Buchwert gegenübergestellt. Die mit dem Vertragsabschluss in Zusammenhang stehenden direkten Kosten sind in diesem Fall zu Beginn des Leasingverhältnisses als Aufwand zu erfassen (IAS 17.42). Bilanzierung beim Leasingnehmer Der Leasingnehmer hat bei Vorliegen eines Finance-Leaseverhältnisses zu Beginn des Leasingverhältnisses den Leasinggegenstand zu aktivieren und eine Verbindlichkeit auszuweisen. Der Wertansatz entspricht dabei in beiden Fällen entweder dem beizulegenden Zeitwert des Leasinggegenstandes, korrigiert um die dem Leasinggeber zustehenden Zuschüsse und Steuergutschriften, oder dem niedrigeren Barwert der Mindestleasingrate. Für die Ermittlung des Barwerts der Mindestleasingraten wird als Abzinsungsfaktor der dem Leasingvertrag zugrunde liegende Zinssatz, sofern dessen Bestimmung praktikabel ist, oder anderenfalls der Grenzfremdkapitalzinssatz des Leasingnehmers zugrunde gelegt (IAS 17.20). Die Leasingraten sind in die Finanzierungskosten und einen Tilgungsanteil aufzuteilen. Die Finanzierungskosten sind während der vereinbarten Vertragslaufzeit so über die jeweiligen Perioden zu verteilen, dass sich ein gleichbleibender Zinssatz über die in jeder Periode bestehende Restverbindlichkeit ergibt. Die Verwendung eines Näherungsverfahrens ist dabei zulässig (IAS 17.25 bzw. 17.26). Die aktivierten Leasinggegenstände sind nach den gleichen Grundsätzen abzuschreiben wie die zu rechtlichem Eigentum erworbenen Vermögenswerte. Die Vorschriften der jeweiligen IAS sind entsprechend anzuwenden. Ist nicht hinreichend sicher, dass am Ende der Vertragslaufzeit das rechtliche Eigentum an dem Leasinggegenstand auf den Leasingnehmer übertra-
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4.2.3 Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln
gen wird, so ist der Leasinggegenstand über den kürzeren Zeitraum von Vertragslaufzeit und wirtschaftlicher Nutzungsdauer abzuschreiben.
4.2.3.3.3 Bilanzierung von Leasingverhältnissen: Operating Lease Bilanzierung beim Leasinggeber Im Rahmen von Operating-Leasingverhältnissen sind die Leasinggegenstände vom Leasinggeber als Sachanlagevermögen zu bilanzieren (IAS 17.49). Die Erlöse aus den Leasingraten sind linear über die Vertragslaufzeit zu verteilen, sofern die Periodisierung der Erträge, wie sie in der Vertragsgestaltung vorgesehen ist, nicht durch ein anderes systematisches Verfahren besser charakterisiert wird (IAS 17.50). Die Abschreibung der Leasinggegenstände hat auf der Grundlage zu erfolgen, auf der auch vergleichbare Vermögenswerte, die nicht Gegenstand von Leasingverhältnissen sind, vom Leasinggeber abgeschrieben werden. Somit sind die in den entsprechenden IAS enthaltenen Regelungen zur Vornahme von Abschreibungen auch für Leasinggegenstände anzuwenden (IAS 17.53). Bei über die planmäßigen Abschreibungen hinausgehenden Wertminderungen ist gem. IAS 17.46 IAS 36 anzuwenden. Bilanzierung beim Leasingnehmer Bei Vorliegen eines Operating-Lease sind die zu zahlenden Leasingraten vom Leasingnehmer als Aufwand zu verbuchen (IAS 17.33). Die Ermittlung des Aufwands pro Geschäftsjahr hat dabei nach einem systematischen Verfahren zu erfolgen, das den zeitlichen Nutzenverlauf für den Leasingnehmer widerspiegelt. Dieses Verfahren ist der Verbuchung des Periodenaufwands auch dann zugrunde zu legen, wenn die tatsächlichen Zahlungen nach einem anderen Muster erfolgen. Aufwendungen für Versicherungen und Instandhaltung sind von der beschriebenen Behandlung ausgenommen.
4.2.3.3.4 Bilanzierung von Leasingverhältnissen: Sale-and-lease-back-Transaktionen Die Bilanzierung von Sale-and-lease-back-Transaktionen richtet sich danach, welche Art von Leasingverhältnis ein solches Geschäft nach sich zieht. Führt die Sale-and-lease-backTransaktion zu einem Finanzierungs-Leasingverhältnis, darf ein eventuell entstehender Ertrag aus dem Veräußerungsgeschäft nicht unmittelbar im Abschluss des Verkäufers bzw. Leasingnehmers erfolgswirksam erfasst werden. Ein solcher Unterschiedsbetrag ist zunächst als passiver Abgrenzungsposten zu erfassen und dann erfolgswirksam über die Vertragslaufzeit zu verteilen (IAS 7.59). Resultiert jedoch aus der Sale-and-lease-back-Transaktion ein Operating-Leasingverhältnis und liegt dem Geschäft eindeutig der beizulegende Zeitwert des betreffenden Vermögenswertes zugrunde, dann ist das Geschäft mit einem ganz normalen Verkaufsgeschäft vergleichbar und jegliche Gewinne und Verluste sind sofort ergebniswirk-
4.2.3.3 Leasingverhältnisse
363
sam zu erfassen (IAS 17.61). Liegt der Verkaufspreis unter dem beizulegenden Zeitwert, sind Gewinne und Verluste ebenfalls sofort ergebniswirksam zu erfassen, es sei denn, Verluste werden durch künftige Leasingraten, die günstiger als die marktüblichen sind, ausgeglichen. In diesem Fall sollten die Verluste aktivisch abgegrenzt und proportional zu den Ratenzahlungen ergebniswirksam über die voraussichtliche Nutzungsdauer verteilt werden. Liegt der Verkaufspreis über dem beizulegenden Zeitwert, ist der Unterschiedsbetrag passivisch abzugrenzen und über die voraussichtliche Nutzungsdauer ertragswirksam aufzulösen (IAS 17.59 f. bzw. 17.32). Liegt ein Operating Leasingverhältnis vor und ist der beizulegende Zeitwert des Leasinggegenstandes zum Verkaufszeitpunkt niedriger als dessen Buchwert, dann ist ein Verlust in Höhe dieses Unterschiedsbetrages unmittelbar ergebniswirksam zu erfassen (IAS 17.61, bzw. 17.54). Im Falle des Finance-Lease ist eine solche Wertkorrektur nicht notwendig, es sei denn, der Buchwert ist wegen einer dauernden Wertminderung auf den niedrigeren erzielbaren Betrag abzuschreiben (17.64). Gem. IAS 17.54 ist IAS 36 anzuwenden. Im Abschluss hat der Leasinggeber bzw. Leasingnehmer umfangreiche Angabepflichten nach IAS 17 sowie IAS 32 zu erfüllen.
4.2.3.3.5 Fazit Sowohl nach den deutschen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung wie auch nach IAS 17 erfolgt eine Bilanzierung von Leasingobjekten in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Eigentum beim Leasinggeber bzw. Leasingnehmer. Bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums stellt die Vorschrift des IAS 17 im Unterschied zum HGB (überwiegend statisch geprägte Sichtweise) stärker auf den zukünftigen Nutzen ab (dynamische Sichtweise). Dies führt tendenziell eher zu einer Zurechnung beim Leasingnehmer. Vom IASB wird es im Gegensatz zu den deutschen Leasingerlassen bewusst vermieden, konkrete quantitative Vorgaben bezüglich der Zurechnungskriterien zu machen. Die Unbestimmtheit der Vorschriften des IAS 17 eröffnet dem Bilanzierenden erhebliche Ermessensspielräume (Mietzeitkriterium, Barwertkriterium) bei der Einordnung von Leasingverhältnissen. Einerseits lässt sich in der Praxis durch entsprechende Auslegung dieser Spielräume in den meisten Fällen eine übereinstimmende Zuordnung von Leasingobjekten nach HGB und IFRS erreichen. Andererseits kann es zu einer bilanziellen Doppelerfassung von Leasingobjekten bei Leasinggeber und Leasingnehmer kommen, wenn z.B. das Barwertkriterium von Leasinggeber und Leasingnehmer unterschiedlich beurteilt wird. Wesentliche Unterschiede zwischen HGB und IFRS bestehen hinsichtlich der von IAS 17 und IAS 32 geforderten umfangreichen Angabepflichten zu Leasingverhältnissen und bei der Behandlung von Sale-and-Lease-Back-Transaktionen zum Beispiel hinsichtlich der Erfassung von Vertragsabschlusskosten.
364
4.2.3 Weitere für Analysten und Investoren relevante Bilanzierungsregeln
4.2.3.4 Latente Steuern Das Thema Steuerlatenz durchzieht das gesamte Regelwerk der IFRS. Wegen des für den IFRS-Anwender unbeachtlichen Maßgeblichkeitsprinzips kommt es in der Bilanzierungspraxis gegenüber der HGB-Bilanzierung zu erheblichen Abweichungen bei der Bewertung. In IAS 12 werden die Ansatz-, Ausweis- und Bewertungsvorschriften von Steueransprüchen und Steuerschulden geregelt. Dabei wird unterschieden zwischen • tatsächlichen Steuererstattungsansprüchen und -schulden aus der Differenz von im voraus gezahlten und veranlagten Steuern sowie • latenten Ansprüchen und Schulden aus temporären Bewertungsunterschieden zwischen IFRS und Steuerbilanz. Latente Steuern ergeben sich bei Abweichungen von steuerbilanziellen Werten zur IFRSBilanz. Werden etwa – wie oben beschrieben – Investment Properties nach dem Fair ValueModel bilanziert, weichen die Gebäudebuchwerte zwischen Steuerbilanz und IFRS-Bilanz ab und es entsteht hieraus eine passive Steuerlatenz. Die zukünftigen Veräußerungsgewinne werden in IFRS in Folge der Marktbewertung tendenziell niedriger und der Steuerbilanzgewinn höher werden. Die zukünftigen Steuerzahlungen richten sich jedoch nach dem höheren Steuerbilanzgewinn. Daher muss die künftige höhere steuerliche Belastung im IFRSAbschluss passiviert werden. Umgekehrt entstehen Entlastungseffekte, die heute bereits aktiviert werden müssen, wenn der Steuerbilanzwert höher als der IFRS-Bilanzwert ausgewiesen wird.
4.2.3.4.1 Ansatz Zu latenten Steuern führen nach IFRS alle Wertunterschiede zwischen IFRS- und Steuerbilanz, die sich im Zeitablauf steuerwirksam auflösen, unabhängig davon, wie diese Differenzen entstanden sind. Nach HGB sind latente Steuern (gem. § 274 HGB) nur passivierungspflichtig bzw. aktivierungsfähig, wenn sie aus einem vergangenen oder gegenwärtigen Unterschied zwischen Handelsbilanz- und Steuerbilanzergebnis herrühren und sich der Unterschied in Zukunft umkehrt. Latente Steueransprüche sind nach IAS 12.34 auch für den Vortrag noch nicht genutzter steuerlicher Verluste zu bilanzieren. Vorausgesetzt wird die Wahrscheinlichkeit, dass zukünftig hinreichend positives steuerliches Einkommen zur Verfügung stehen wird, gegen das die Verlustvorträge verrechnet werden können. Der Ansatz der latenten Steuern hat im IFRS-Abschluss eine wesentlich höhere Bedeutung als für die Handelsbilanz. Denn • nach IFRS führen auch Verlustvorträge zu latenten Steuern. • Während steuerliche Abschreibungsvergünstigungen wegen umgekehrter Maßgeblichkeit regelmäßig in der Handelsbilanz nachvollzogen werden dürfen und müssen, ist nach IFRS keine Orientierung an steuerlichen Abschreibungen zulässig. Es ergeben sich daher
4.2.3.4 Latente Steuern
365
im Fall besonderer steuerlicher Abschreibungen zwingende Bewertungsunterschiede zur Steuerbilanz. • Soweit es auch zwischen Steuer- und Handelsbilanz zwingende Ansatz- und Bewertungsunterschiede gibt, etwa aus der steuerlichen Abzinsung von Rückstellungen oder aus dem steuerlichen Verbot der Passivierung von Drohverlustrückstellungen, weist die Handelsbilanz regelmäßig höhere Schulden (oder niedrigere Vermögenswerte) als die Steuerbilanz aus. Die latente Steuer ist in diesen Fällen aktivisch. Sie braucht deshalb handelsrechtlich nicht ausgewiesen zu werden, da § 274 HGB für aktive latente Steuer lediglich ein Aktivierungswahlrecht vorsieht. Die IFRS sehen demgegenüber ein Aktivierungsgebot vor, was daher auch in diesen Fällen zu latenten Steuern führt.
4.2.3.4.2 Ausweis Der Ausweis der latenten Steuern ist nach IAS 12 wie folgt geregelt: Latente Steueransprüche und -schulden • sind von tatsächlichen Steueransprüchen und Schulden zu unterscheiden (IAS 12.69). • sind zu saldieren, wenn sie gegenüber der gleichen Steuerbehörde bestehen (IAS 12.74). • dürfen nicht als kurzfristige Vermögenswerte oder Schulden ausgewiesen werden (IAS 12.70). In einer nach Fristigkeit gegliederten Bilanz (nach IAS 1.51) zählen sie daher zu den langfristigen Vermögenswerten bzw. Schulden.
4.2.3.4.3 Bewertung Die latenten Steueransprüche oder Steuerschulden ergeben sich aus der Multiplikation der Bewertungsunterschiede mit dem Steuersatz. Nach IAS 12.47 ist der am Bilanzstichtag gültige oder mit Rechtswirkung bereits angekündigte Steuersatz anzuwenden – obwohl latente Steuern zukunftsgerichtet sind und daher eher zukünftige Steuersätze folgerichtig anzusetzen wären.
4.2.3.4.4 Anhangangaben Die Anhangangaben sind in IAS 12.79 ff. geregelt. Das Ausmaß ist erheblich umfassender als die nach handelsrechtlichen Vorschriften verlangten Angaben. In der praktischen Umsetzung erweisen sich diese Angabepflichten zum Teil als äußerst aufwendig.
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4.2.4 Ansätze der Bilanzpolitik und der Bilanzanalyse nach IFRS
4.2.4 Ansätze der Bilanzpolitik und der Bilanzanalyse nach IFRS 4.2.4.1 Bilanzpolitik Gegenstand von Bilanzpolitik ist es, durch Nutzung von Spielräumen bei der Gestaltung von Jahres- oder Konzernabschlüssen bestimmte Ziele zu verfolgen. Die bilanzpolitische Gestaltung von Abschlüssen ist eng an deren jeweilige Funktionen gebunden. Zentrale Funktionen sind die Bemessungsgrundlage für Ausschüttung und Steuern sowie zu Informationszwecken. Während der Jahresabschluss nach HGB Ansatzpunkt für Ausschüttungs- und Steuerpolitik ist, stehen im Konzernabschluss nach IFRS informationspolitische Gesichtspunkte im Zentrum der Bilanzpolitik. Die Abkopplung des Konzernabschlusses vom Jahresabschluss hat für den Ersteller den Vorteil, dass Konzernbilanzpolitik weitgehend ohne Rücksicht auf Ausschüttungs- und Steuerwirkungen betrieben werden kann. Gleichwohl orientieren sich die Eigentümer bei der Formulierung ihrer Ausschüttungsansprüche vor allem am Konzernergebnis. Instrumente der Bilanzpolitik im Abschluss sind Wahlrechte und Ermessensspielräume. Wahlrechte liegen vor, wenn Gesetz bzw. Standards für die Abbildung eines Sachverhalts mindestens zwei sich gegenseitig ausschließende Alternativen ausdrücklich zulassen. Im Unterschied dazu ergeben sich Ermessensspielräume bei Anwendung von abstrakten Abbildungsnormen auf konkrete Sachverhalte. Die Ursache von Ermessenspielräumen liegt in der unvermeidbaren Unbestimmtheit von Abbildungsnormen und der Unsicherheit bei der Beurteilung zukunftsbezogener Sachverhalte.
4.2.4.1.1 Sachverhaltsgestaltung Jedes Bilanzrechtssystem setzt unvermeidbar Anreize zu Sachverhaltsgestaltungen. Auch die IAS/IFRS können sich dieser allgemeinen Erkenntnis nicht entziehen. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise besitzt in den IFRS tendenziell größeres Gewicht als im HGB. Dies zeigt sich u.a. bei den oben beschriebenen Sale-and-LeaseBack-Geschäften, bei denen die Gewinnrealisierung nach IFRS restriktiver als nach HGB geregelt ist. Bei einem Operate-Leasing, d.h. bei Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Leasinggeber, darf nach den IFRS der Gewinn aus der vorangegangenen Veräußerung des Vermögenswertes vom Leasingnehmer nur dann sofort vereinnahmt werden, wenn der Veräußerungspreis nicht über dem beizulegenden Zeitwert des Vermögenswerts liegt. An-
4.2.4.1 Bilanzpolitik
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dernfalls muss der überschießende Betrag über die geschätzte wirtschaftliche Nutzungsdauer des Leasingobjekts verteilt werden. Dies kann den mit einer solchen Maßnahme angestrebten Sanierungserfolg beinträchtigen. Die Aufdeckung von stillen Reserven ist ein wichtiges Motiv für Sachverhaltsgestaltungen. Hierfür kommen u.a. die Veräußerung von nicht betriebsnotwendigem Anlagevermögen, Sale-and-Lease-Back-Geschäfte und Pensionsgeschäfte in Betracht. Das Interesse für solche Maßnahmen dürfte bei Anwendung von IFRS geringer ausfallen, weil zahlreiche Bilanzposten obligatorisch oder fakultativ zum Fair Value bewertet werden. Da bei Bewertung zum Fair Value Werterhöhungen am ruhenden Vermögen erfasst werden, bedarf es keiner aufwändigen Geschäfte, um stille Reserven aufzudecken.
4.2.4.1.2 Wahlrechte Ein zentraler Kritikpunkt an den IFRS war früher die ausufernde Zahl von Wahlrechten, welche die Transparenz und Vergleichbarkeit der Abschlüsse stark beeinträchtigt haben. Um diesen Mangel zu beseitigen und sich den nahezu wahlrechtsfreien US-GAAP anzunähern, wurden in mehreren Projekten zahlreiche Wahlrechte beseitigt. Im Unterschied zum HGB gewähren die IFRS ausschließlich Bewertungswahlrechte. Bilanzierungswahlrechte sind in den IFRS nicht zu finden. Der Inhalt einer Bilanz nach IFRS ist auf Assets und Liabilities festgelegt, für die bei Vorliegen bestimmter Kriterien jeweils ein Bilanzierungsgebot gilt. Dementsprechend stehen den Bilanzierungswahlrechten nach HGB für Aktiva bzw. Passiva, die als Assets bzw. Liabilities zu qualifizieren sind, in den IFRS Bilanzierungsgebote gegenüber. Umgekehrt stehen den Bilanzierungswahlrechten nach HGB für Aktiva bzw. Passiva, die nicht als Assets bzw. Liabilities zu qualifizieren sind, in den IFRS Bilanzierungsverbote gegenüber. Das Fehlen von Bilanzierungswahlrechten in den IFRS bedeutet allerdings nicht, dass sich der Inhalt einer Bilanz nicht bilanzpolitisch gestalten ließe. Die IFRS eröffnen zu einem großen Teil dem Grunde nach erhebliche Ermessensspielräume. Diese stehen im Zusammenhang mit der international bevorzugten Fair ValueBilanzierung. Die IFRS befinden sich derzeit insofern in einem massiven Umbruch, als die Anschaffungs- und Herstellungskosten als Wertmaßstab in zunehmenden Umfang vom Fair Value abgelöst werden.
4.2.4.1.3 Ermessenspielräume Im Unterschied zum HGB bilden in den IFRS – wie beschrieben – weniger Wahlrechte als vielmehr Ermessensspielräume die Grundlage der Bilanzpolitik. Ermessensspielräume haben in den IFRS vielfältige Ursachen. Diese liegen u.a. in den • fehlenden Regelungen, • unscharfen Begrifflichkeiten, • unbestimmten Bewertungsmethoden (z.B. für die Ermittlung des Fair Value mit Zukunftserfolgsverfahren) und • prognoseabhängigen Wertmaßstäben.
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4.2.4 Ansätze der Bilanzpolitik und der Bilanzanalyse nach IFRS
Neben der Bilanzierung begründet auch die Bewertung nach IFRS weite Ermessensspielräume, die zum Teil mit offenen Wahlrechten einhergehen. Hauptquelle für Bewertungsspielräume ist das zunehmende Vordringen des Fair Value. Im Gegensatz zum Bewertungsmaßstab der Anschaffungs- und Herstellungskosten besitzt dieser fiktiven Charakter, da auf eine gedachte Markttransaktion unter idealtypischen Bedingungen abgestellt wird. Der Fair Value bietet einen Spielraum selbst in den seltenen Fällen, in denen das Bewertungsobjekt auf einem aktiven Markt gehandelt wird und Marktpreise zur Verfügung stehen. Der Spielraum vergrößert sich erheblich, wenn das Bewertungsobjekt nicht auf einem aktiven Markt gehandelt wird und zur Ermittlung des Fair Value auf Markttransaktionen für vergleichbare Vermögenswerte oder auf anerkannte finanzwirtschaftliche Bewertungsmodelle wie Discounted-Cash-Flow-Modelle zurückgegriffen werden muss.
4.2.4.2 Bilanzanalyse Die Würdigung der Regelungen nach IAS/IFRS, insbesondere zur Fair Value-Bewertung von Immobilien, die als Finanzanlagen gehalten werden, steht und fällt mir der Einschätzung, ob und in welchem Umfang dadurch die Relevanz und die Verlässlichkeit der Informationen verbessert und dadurch insgesamt die „Decision Usefulness“ für den Jahresabschlussadressaten gesteigert wird. Ohne Zweifel ist der Ausweis der Marktwerte der Immobilien vor allem bei Gesellschaften mit umfangreichem Immobilienbestand, aus dem zu großen Anteilen der Gesamtertrag des Unternehmens gespeist wird, in hohem Maße entscheidungsrelevant und vermag die ökonomische Beurteilung der Attraktivität einer Kapitalanlage in diesen Unternehmen erheblich zu erleichtern oder sicherer zu machen. Die Marktwerte der Immobilien sind die Basis für den NAV, dessen Bedeutung für die Analyse ja schon mehrfach betont wurde. Der Zusatznutzen durch den Ausweis der Marktwerte der Immobilien ist also unmittelbar einsichtig. In gleicher Weise werden Kreditgeber dadurch eine verbesserte Entscheidungsgrundlage haben, wenn sie regelmäßig über den Marktwert des Immobilienbestands informiert sind, da der von ihnen genutzte Beleihungswert sich stark am Marktwert orientiert. Insofern ist die Verpflichtung, auch bei Wahl des Anschaffungskostenmodells für die Bewertung der Renditeimmobilien deren Marktwert auszuweisen, sehr zu begrüßen. Der Ergebnisausweis ist für den Analysten von mindestens gleicher Bedeutung zur Beurteilung des Periodenerfolgs sowie als Basis für Multiples und für Prognosen künftiger Ergebnisentwicklungen. Dabei ist besonders wichtig, dass die drei Ergebniskomponenten der laufenden Nettomieterträge, der Veräußerungserlöse und der unrealisierten Wertveränderungen eindeutig getrennt ausgewiesen sind. Die gesetzliche Verpflichtung von REITs, bei Wahl des Cost-Models die Bewertungsgewinne und -verluste in einer Nebenrechnung getrennt auszuweisen, ist daher sehr zu begrüßen. So kann der Analyst unabhängig davon, ob die Gesellschaft das Fair Value- oder das Cost-Model nutzt, die ihm als Ausweis nachhaltigen Periodenerfolgs geeignet erscheinende Größe wählen und zur Grundlage seiner Beurteilungen und Auswertungen machen. Allerdings scheint vielen Kapitalmarktteilnehmern das Verständnis
4.2.4.2 Bilanzanalyse
369
und die richtige Interpretation von Periodenverlusten, die ausschließlich aus unrealisierten negativen Wertveränderungen resultieren, noch Schwierigkeiten zu bereiten, zumal im Vergleich mit Unternehmen, die dieser Vorschrift nicht unterliegen, Wertverluste also nicht in der GuV erkennbar machen. Einen weitergehenden Vorschlag zur Gestaltung des Erfolgsausweises, der auf die von Analysten vorgebrachten Informationswünsche eingeht, enthalten die „Best Practices Policy Recommendations“ der European Public Real Estate Association (EPRA). Hierzu sei auf den Beitrag von Breuer verwiesen. Zweifel könnten hinsichtlich der Verlässlichkeit der Werte berechtigt sein. An die Stelle tatsächlich (historisch) gezahlter Preise treten fiktive Marktwerte, die von Dritten kaum überprüfbar sind. Selbst wenn ein aktiver Markt in vergleichbaren Objekten gegeben ist, gewährleistet dies nicht, dass der angesetzte Vergleichswert tatsächlich auch bei einer Veräußerung erzielt würde. Wie gezeigt wurde, muss in den meisten Fällen auf Vergleichswerte früherer Perioden, auf sich in einigen wertbestimmenden Merkmalen unterscheidende Objekte oder auf die Varianten des Ertragswertverfahrens zurückgegriffen werden, die zum einen nicht unerhebliche Freiheitsgrade und Prognoseunsicherheiten enthalten, zum andern in der Qualität der Bewertungsergebnisse stark von den methodischen Fähigkeiten und den Marktkenntnissen und Informationsquellen des Bewerters geprägt sind. Die daraus von Olbrich14 abgeleitete sehr grundsätzliche Kritik geht allerdings viel zu weit. Zum einen kann es bei dem zu findenden Fair Value eben nicht um einen subjektiven Entscheidungswert gehen, weil ja nicht eine Entscheidungsunterstützung für einen konkreten Kauf- oder Verkaufsvorgang ansteht, sondern ein durchschnittlicher Wert zu bestimmen ist, der bei typisierten Marktteilnehmern mit typisiertem Verhalten ohne wertbeeinflussende Spezifika wie Synergieeffekte, besondere Steuervorteile o.ä. zu erzielen wäre. Zum andern erweisen sich die Verfahren der Immobilienbewertung in der Praxis als nicht so schlecht, wie man aufgrund der zweifellos gegebenen methodischen Schwachpunkte und der oft schlechten Verfügbarkeit relevanter Marktdaten schließen könnte. Sie bewähren sich seit langen Jahren im üblichen Geschäftsverkehr der Immobilienwirtschaft, bilden sie doch in sehr großem Umfang die Basis für Kauf- und Verkaufsentscheidungen von Immobilien. Die Zuverlässigkeit der ermittelten Werte für den Ansatz nach Fair Value wird aber damit entscheidend davon abhängen, ob diese Branchenerfahrung auch genutzt wird, will heißen, ob • tatsächlich Verfahren der Immobilienbewertung nach den Branchenstandards eingesetzt werden, • Personen zur Ermittlung der Marktwerte eingesetzt werden, die eine hohe fachliche Qualifikation für die Bewertung von Immobilien besitzen, die allgemeinen und lokalen Marktverhältnisse kennen und über Reputation verfügen und ob
14
Vgl. Olbrich (2003), S. 348 ff.
370
4.2.4 Ansätze der Bilanzpolitik und der Bilanzanalyse nach IFRS
• möglichst Unabhängigkeit dieser Sachverständigen gegeben ist.15 Es darf im Übrigen nicht übersehen werden, dass zumindest in Unternehmen mit einer größeren Zahl zu bewertender Immobilien in aller Regel ein Glättungseffekt der einzelnen möglichen Fehlbewertungen eintritt, der den Gesamtfehler zu reduzieren vermag. In Abwägung der deutlichen Relevanzgewinne und der grundsätzlichen nicht in Abrede zu stellenden, aber wohl in den Befürchtungen überschätzten Verlusten an Verlässlichkeit ist die mit IAS 40 gefundene Lösung der Bewertung von Investment Property mit dem Fair Value insgesamt zu begrüßen. Die Praxis der nächsten Jahre wird zeigen, ob diese positive Einschätzung berechtigt ist.
15
Ähnlich sehen dies Baetge/Zülch/Matena (2002), S. 421
4.3. Gesetzlich geforderte Transparenz bei ImmobilienSondervermögen Martin Beck / Heinz Rehkugler 4.3.1
Einführung
372
4.3.1.1 Anwendung der Rechtsnormen des Investmentgesetzes.........................................372 4.3.1.2 Entwicklung der Vorschriften zur Transparenz von Offenen Immobilienfonds.....373 4.3.2
Rechnungslegung bei Sondervermögen
374
4.3.2.1 Allgemeine Vorschriften für Sondervermögen .......................................................374 4.3.2.2 Besondere Vorschriften für Immobilien-Sondervermögen.....................................377 4.3.3
Zusammenfassung / Fazit
379
4.3.1 Einführung 4.3.1.1 Anwendung der Rechtsnormen des Investmentgesetzes Inländische Investmentvermögen in der Form von Investmentfonds oder von Investmentaktiengesellschaften unterliegen – wie schon in vorangehenden Beiträgen dargestellt – einer eigenen gesetzlichen Regelung, dem Investmentgesetz (InvG). Für dort geregelte Sondervermögen, die ihr Geld in Immobilien anlegen (Immobilien-Sondervermögen1, meist als Offene Immobilienfonds bezeichnet) gelten hierbei – ergänzend zu den allgemeinen Vorschriften – spezifische Regelungen, vor allem auch für deren Jahresabschluss und die dort mindestens auszuweisenden Informationen. Das InvG differenziert hierbei zusätzlich nach sog. Publikumsfonds, die grundsätzlich allen Anlegern offen stehen, und Spezialfonds, deren Anteile nur von nicht natürlichen Personen gehalten werden dürfen. Für letztere gelten verschiedene Erleichterungen, so auch hinsichtlich ihrer Jahresberichte. Grundsätzlich regelt das InvG auch die Investmentaktiengesellschaft2 (InvAG), Ziel der InvAG ist die Verwaltung von Vermögen, um ihre Unternehmensund Anlageaktionäre an dem Gewinn aus der Vermögensverwaltung zu beteiligen. Sie ist damit vergleichbar mit der SICAV3, die quasi das rechtliche Gegenstück nach französischem, belgischem, luxemburgischem, italienischem und schweizerischem Recht ist. Vergleichbare Rechtsformen finden sich in zahlreichen EU-Staaten, zum Beispiel auch im Vereinigten Königreich und in Irland. Bisher ist diese Gesellschaftsform in Deutschland für Fonds sehr wenig verbreitet. Lediglich ein paar Hedge-Fonds wurden in dieser rechtlichen Hülle aufgelegt, nicht dagegen Immobilieninvestmentaktiengesellschaften.4 Daher wird diese Form im Weiteren vernachlässigt.
1
§§ 66 ff. InvG
2
§§ 96 ff. InvG
3
Abkürzung des französischen Begriffes Société d'Investissement à Capital Variable oder des italienischen Begriffes Società di Investimento a Capitale Variabile
4
Vgl. Bödecker/Kuhn (2007), S. 405
4.3.1.2 Entwicklung der Vorschriften zur Transparenz von Offenen Immobilienfonds
373
Damit behandeln die weiteren Ausführungen ausschließlich das Immobilien-Sondervermögen mit den allgemeinen Vorschriften zur Rechnungslegung gem. § 44 und § 94 InvG und den Spezialnormen in §§ 70 und 79 InvG.
4.3.1.2 Entwicklung der Vorschriften zur Transparenz von Offenen Immobilienfonds Am 28. Dezember 2007 ist das Investmentänderungsgesetz in Kraft getreten, das in einigen entscheidenden Punkten das alte InvG novelliert hat. Ziel des Gesetzes ist die Stärkung des Investmentstandortes Deutschland. Mit einem modernen und leistungsfähigen Regulierungsund Aufsichtsrahmen soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Fondsbranche gesteigert, die Innovationstätigkeit verbessert und der Abwanderung von Fondsvermögen an andere Standorte entgegengewirkt werden. Dabei soll der wichtige und notwendige Anlegerschutz nicht vernachlässigt werden. Zur Zielerreichung wurden verschiedene Maßnahmen vorgesehen, die insbesondere den Ereignissen aus 2005 und 2006 im Immobilienbereich Rechnung tragen sollen. Die erstmalige vorübergehende Schließung Offener Immobilienfonds hatte die Schwachstellen der bisherigen gesetzlichen Regelungen bei kritischen Marktverhältnissen aufgezeigt, die aus der systemimmanenten Fristeninkongruenz zwischen täglicher Rückgabemöglichkeit und langfristiger Bindung der Anlagegelder in Immobilien resultierten. Eine Neuausrichtung des Produktes Offener Immobilienfonds zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit, zum Schutz des Anlegers und zur Integrität des Kapitalmarktes war für den Gesetzgeber aus den genannten Gründen unerlässlich. Vom Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) wurde gefordert, in den Jahresberichten der Offenen Immobilien-Publikumsfonds die Einzel-Verkehrswerte der vom Sondervermögen gehaltenen Immobilien zu veröffentlichen.5 Von den Mitgliedern des Verbandes war bisher eine Veröffentlichung von Einzel-Verkehrswerten mehrheitlich abgelehnt worden.6 Mit dem vom BVI geforderten verpflichtenden Ausweis der Einzel-Verkehrswerte wurde eine Kehrtwende in der Transparenz von Offenen Immobilienfonds eingeleitet und der schon seit Jahren von verschiedenen Seiten geforderten Veröffentlichung von EinzelImmobilienwerten gefolgt.7 Dies resultierte insbesondere aus den bereits angedeuteten Fondsschließungen im Dezember 2005 und Januar 2006. Hierdurch konnte der oft stillschweigende Widerstand einiger Kapitalanlagegesellschaften, die ihre Investmentstrategie nicht offen legen wollten, durchbrochen werden. Darüber hinaus haben sich die Kapitalanlagegesellschaften ab dem 31. März 2006 dazu verpflichtet, in ihren Jahresberichten neben den Verkehrswerten auch
5
BVI (2006), S. 7
6
Vgl. Bomke (2006), S. 4
7
Vgl. Betsch/Bender (2006), S. 72
374
4.3.2 Rechnungslegung bei Sondervermögen
• den Vermietungsstand, • auslaufende Mietverträge sowie • die Mieteinnahmen bezogen auf jedes Einzelobjekt auszuweisen. Wie später in den Spezialvorschriften für Immobilien-Sondervermögen zu zeigen sein wird, sind diese Forderungen an die Mitgliedsgesellschaften des BVI nunmehr gesetzlich normiert worden. Umfangreiche Maßnahmen wurden ergriffen, die im Einzelnen in diesem Beitrag zur gesetzlichen Transparenz von Offenen Immobilienfonds nicht aufgegriffen werden sollen. Wir werden uns in den weiteren Ausführungen ausschließlich mit den nach dem InvG geforderten Bewertungs- und Ausweisvorschriften beschäftigen.
4.3.2 Rechnungslegung bei Sondervermögen 4.3.2.1 Allgemeine Vorschriften für Sondervermögen Einschlägig für die Rechnungslegung von Sondervermögen ist prinzipiell § 44 InvG. Die Anforderungen an die Publizität sind in § 45 InvG geregelt. Für Immobilien-Sondervermögen kommen zusätzlich die Spezialnormen in Abschnitt III des InvG zur Geltung. Diese sind für die Rechnungslegung im Wesentlichen die §§ 70 und 79 InvG. Die Pflicht zur Erstellung eines Jahresberichts für das Sondervermögen obliegt der Kapitalanlagegesellschaft. Der Bericht umfasst Ausführungen zur Tätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft im abgelaufenen Geschäftsjahr und alle wesentlichen Angaben, die es den Anlegern ermöglichen sollen, sich ein Urteil über die Tätigkeit und die Ergebnisse des Immobiliensondervermögens zu bilden.8 Buchhalterische Darstellung Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sich nach ihr jeder eine einzelne Anteilklasse des Sondervermögens betreffende Geschäftsvorfall in seiner Entstehung und Abwicklung
8
§ 44 Abs. 1 InvG
4.3.2.1 Allgemeine Vorschriften für Sondervermögen
375
nach Art und Zeitpunkt verfolgen lässt und seine Zurechnung zu der jeweiligen Anteilklasse ersichtlich ist.9 Mindestinhalt der Vermögensaufstellung Die Vermögensaufstellung für das Sondervermögen muss nach § 44 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 InvG alle Vermögensgegenstände sowie die Verbindlichkeiten aus Kreditaufnahmen, Pensionsgeschäften, Wertpapier-Darlehensgeschäften und sonstigen Verbindlichkeiten enthalten. Angaben zu bestimmten Geschäften Der Jahresbericht muss Angaben über bestimmte Geschäfte enthalten. Darunter fallen insbesondere Geschäfte mit Finanzinstrumenten, Pensionsgeschäfte und Wertpapierdarlehen, soweit diese nicht mehr in der Vermögensaufstellung erscheinen.10 Wert eines Anteils Der Jahresbericht muss entsprechend der Anforderungen der geänderten Richtlinie 85/611/EWG (Anhang I Schema BII) die Anzahl der am Berichtsstichtag umlaufenden Anteile und den Wert eines Anteils11 enthalten.12 Ertrags- und Aufwandsrechnung Ein zentrales Element des Jahresberichts bildet die nach der Art der Erträge und Aufwendungen gegliederte Ertrags- und Aufwandsrechnung, deren Bestandteile in § 44 Abs. 1, Satz 3, Nr. 4 InvG beschrieben sind. Die Erträge aus Anlagen sind von den sonstigen Erträgen zu differenzieren. Bei den Aufwendungen sind die für die Verwaltung des Sondervermögens, für die Depotbank sowie die sonstigen Aufwendungen und Gebühren zu trennen. Zusätzlich sind der sich daraus errechnende Nettoertrag sowie Erhöhungen und Verminderungen des Sondervermögens durch Veräußerungsgeschäfte ersichtlich zu machen. Des Weiteren ist eine Übersicht über die Entwicklung des Sondervermögens während des Berichtszeitraumes zu erstellen, die folgende Angaben zu enthalten hat:
9
Vgl. § 2 Verordnung über die buchhalterische Darstellung, Rechnungslegung und Wertermittlung der Anteilklassen von Sondervermögen (Anteilklassenverordnung – AntKlV) vom 24. 03 2005
10
Vgl. § 44 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 InvG. Dies bezieht sich insbesondere auf Hedge-Fonds nach § 112 InvG, da für andere Sondervermögen nach § 59 InvG Leerverkäufe grundsätzlich nicht möglich sind Für ImmobilienSondervermögen ist nicht zu Investmentzwecken, wohl aber zu Absicherungszwecken zugelassen, in derivative Finanzinstrumente zu investieren. Obwohl aufgrund der Beschränkung auf Absicherungszwecke der Investitionsgrad nicht gesteigert werden kann (kein Leverage durch Derivateeinsatz), können ImmobilienSondervermögen Derivate grundsätzlich in gleichem Umfang wie richtlinienkonforme Sondervermögen einsetzen. Um Mietausfallrisiken abzusichern , ist es nach Ansicht von Bödecker/Kuhn auch zulässig, Kreditderivate einzusetzen. Damit wäre gem. § 51 InvG auch die Derivateverordnung zu beachten. Als Folge müsste die KAG, die Derivate einsetzt, das Marktrisikopotential unter Anwendung des qualifizierten oder des einfachen Ansatzes im Sinne der DerivateV ermitteln; vgl. Bödecker/Kuhn (2007), S. 305
11
Entspricht § 36 Abs. 1 Satz 2 InvG
12
Vgl. § 44 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InvG
376
4.3.2 Rechnungslegung bei Sondervermögen
• Ausgeschüttete und wiederangelegte Beträge, • Mehr- oder Minderwerte bei den ausgewiesenen Vermögensgegenständen und • Angaben über Mittelzuflüsse aus Anteilverkäufen und Mittelabflüsse durch Anteilrücknahmen. Es ist zusätzlich über die von der Kapitalanlagegesellschaft beschlossene Verwendung der Erträge des Sondervermögens zu berichten. Zur besseren Beurteilung der Entwicklung des Fonds ist im Jahresbericht auch eine vergleichende Übersicht der letzten drei Geschäftsjahre zu präsentieren, wobei zum Ende jedes Geschäftsjahres der Wert des Sondervermögens und der Wert eines Anteils anzugeben sind. Kostentransparenz Einen eigenen Paragraphen widmet das InvG der Differenzierung und dem Ausweis der Fondskosten im Jahresbericht, dem Verkaufsprospekt und den Vertragsbedingungen. So hat der Fonds gemäß § 41 Abs. 2 InvG im Jahresbericht und im vereinfachten Verkaufsprospekt eine prozentuale Gesamtkostenquote auszuweisen, die meist als Total Expense Ratio (TER) bezeichnet wird. Sie enthält aber – entgegen der Begrifflichkeit – nicht alle anfallenden Kosten (genauer: Aufwendungen). Vielmehr stellt sie das Verhältnis aller bei der Verwaltung zulasten des Sondervermögens angefallenen Kosten mit Ausnahme der Nebenkosten des Erwerbs und der Kosten der Veräußerung von Vermögensgegenständen zu dem durchschnittlichen Nettoinventarwert des Sondervermögens (also dem NAV) innerhalb des vorangegangenen Geschäftsjahrs dar. Bei erfolgsabhängigen oder für bestimmte Leistungen zusätzlich gezahlten Verwaltungsvergütungen sind diese gesondert prozentual zum durchschnittlichen Nettoinventarwert auszuweisen. Die Methodik im Einzelnen zur Berechnung der TER gibt das Gesetz nicht vor. Die Ermächtigung nach § 41 Abs. 3 InvG für das Bundesfinanzministerium, in einer Verordnung die Methoden und Grundlagen der Berechnung näher zu präzisieren, ist bisher nicht ausgeübt worden. Nur in den Vertragsbedingungen, nicht aber in den Jahresberichten, hat die KAG anzugeben, nach welcher Methode, in welcher Höhe und aufgrund welcher Berechnung die Vergütungen und Aufwandserstattungen aus dem Sondervermögen an die KAG selbst, die Depotbank sowie an Dritte zu leisten sind. Halbjahresbericht Analog zur Rechnungslegung für Kapitalgesellschaften muss die Kapitalanlagegesellschaft auch für die Mitte des Geschäftsjahrs einen Halbjahresbericht erstatten. Er beschränkt sich aber auf die Vermögensaufstellung, die Darstellung der abgeschlossenen Geschäfte und auf Anzahl und Wert der Anteile. Eine Ertrags- und Aufwandsrechnung ist nur dann notwendiger Bestandteil des Halbjahresberichts, wenn für das Halbjahr eine Zwischenausschüttung erfolgt oder vorgesehen ist.13 Eine Zusammenfassung der Informationen, die in den periodischen Berichten enthalten sein müssen, enthält 85/611/EWG, Anhang I, Schema B. 13
§ 3 Abs. 2 AntKlV
4.3.2.2 Besondere Vorschriften für Immobilien-Sondervermögen
377
4.3.2.2 Besondere Vorschriften für ImmobilienSondervermögen Für Immobilien-Sondervermögen gelten zudem die Spezialnormen aus dem III. Abschnitt des InvG ab den §§ 66 ff. InvG. Zunächst regelt § 70 InvG die monatliche Vermögensaufstellung sowie die Bewertungsansätze. In § 79 InvG sind die Anforderungen zur Darstellung der Vermögensaufstellung sowie die Anteilswertermittlung zusammengefasst. Monatliche Vermögensaufstellung/Bewertung Im Falle von mehrstöckigen Strukturen muss die Kapitalanlagegesellschaft oder die Immobiliengesellschaft demnach die Immobiliengesellschaft, an der sie beteiligt ist, vertraglich verpflichten, monatlich Vermögensaufstellungen bei der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank einzureichen und diese einmal jährlich anhand des von einem Abschlussprüfer mit einem Bestätigungsvermerk versehenen Jahresabschlusses der Immobiliengesellschaft prüfen zu lassen. Der aufgrund der Vermögensaufstellung ermittelte Wert der Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft ist bei den Bewertungen zur laufenden Preisermittlung zugrunde zu legen. Der Wert der Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft ist durch einen Abschlussprüfer im Sinne des § 319 Abs. 1 S. 1 und S. 2 HGB nach den für die Bewertung von Unternehmensbeteiligungen allgemein anerkannten Grundsätzen zu ermitteln, wobei die im Jahresabschluss oder in der Vermögensaufstellung der Immobiliengesellschaft ausgewiesenen Immobilien mit dem Wert anzusetzen sind, der von einem nach § 77 Abs. 1 InvG von der KAG gebildeten Sachverständigenausschuss festgestellt wurde. Der Sachverständigenausschuss bewertet die Vermögensgegenstände nach Maßgabe der §§ 67 f. InvG nach Erwerb der Beteiligung an der Immobiliengesellschaft mindestens einmal jährlich. Dies bedeutet, dass bei Offenen Immobilienfonds Beteiligungen an Immobiliengesellschaften nach deren NAV zu bewerten sind, andere relevante Aspekte der Bewertung solcher Unternehmen also unberücksichtigt bleiben. Vermögensaufstellung/Anteilswertermittlung In den Anforderungen zur Vermögensaufstellung in § 79 InvG wird Bezug auf die bereits beschriebenen allgemeinen Anforderungen an die Rechnungslegung nach § 44 InvG genommen. Demnach hat die KAG in den Vermögensaufstellungen nach § 44 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InvG den Bestand der zum Sondervermögen gehörenden Immobilien und sonstigen Vermögensgegenstände unter Angabe von • • • • • • •
Grundstücksgröße, Art und Lage, Bau- und Erwerbsjahr, Gebäudenutzfläche, Leerstandsquote, Nutzungsentgeltausfallquote, Fremdfinanzierungsquote,
378 • • • • • •
4.3.2 Rechnungslegung bei Sondervermögen
Restlaufzeiten der Nutzungsverträge, Verkehrswert bzw. bei Neuerwerb Kaufpreis, Nebenkosten bei der Anschaffung von Vermögensgegenständen, Ergebnisse der erstellten Wertgutachten von Sachverständigen, Etwaige Bestands- bzw. Projektentwicklungsmaßnahmen und Sonstige wesentliche Merkmale
auszuweisen. Als Wert des Vermögensgegenstandes ist nach Erwerb bis zum Ende des Berichtsjahrs der Kaufpreis anzusetzen. Der Wert von Vermögensgegenständen ist nach Ablauf von zwölf Monaten nach Erwerb durch den Sachverständigenausschuss oder Abschlussprüfer erneut zu ermitteln. Zusätzlich ist eine Neubewertung erforderlich, wenn der KAG Anzeichen bekannt werden, dass der zuletzt ermittelte Wert oder der Kaufpreis aufgrund von Veränderungen wesentlicher Bewertungsfaktoren nicht mehr sachgerecht ist. Die Anschaffungsnebenkosten sind gesondert anzusetzen und über die voraussichtliche Dauer der Zugehörigkeit des Vermögensgegenstandes zum Immobilien-Sondervermögen, längstens jedoch über zehn Jahre, in gleichen Jahresbeträgen abzuschreiben. Wird ein Vermögensgegenstand veräußert, sind die Anschaffungsnebenkosten in voller Höhe abzuschreiben. Allerdings sind die Abschreibungen nicht in der Ertrags- und Aufwandsrechnung zu berücksichtigen. Diese neu in das InvG aufgenommenen Regelungen der Anschaffungsnebenkosten sind methodisch schwer verständlich. Denn der Wert des Sondervermögens enthält verständlicherweise die Anschaffungsnebenkosten nicht. Aktivierten Anschaffungsnebenkosten stehen daher keine wirklichen Werte gegenüber, die bei einer Veräußerung erzielt werden könnten. Die Fondsanteile werden um diese Position zu hoch ausgewiesen. Mit diesem Ausweis von Anschaffungsnebenkosten weicht die Darstellung der Immobilienwerte auch von der nach handelsrechtlicher Rechnungslegung geforderten Behandlung ab. Nach IAS 40 erfolgt die Bewertung der Immobilien zum ersten Jahresabschluss, der auf den Erwerb folgt, zu deren Marktwerten. Daneben dürfen keine Anschaffungsnebenkosten aktiviert werden. Das bedeutet, dass angefallene Anschaffungsnebenkosten den Periodenertrag mindern. Beim Offenen Immobilienfonds dagegen tauchen die Anschaffungsnebenkosten, da die Abschreibungen nicht in der Ertrags- und Aufwandsrechnung zu berücksichtigen sind, weder im Jahr der Anschaffung noch über die Perioden verteilt in der Erfolgsrechnung auf. Es wäre konsequent und vorteilhaft gewesen, wenn der Gesetzgeber für die beiden ja konkurrierenden Anlagevehikel der Immobilien-AG/des REIT und des Offenen Immobilienfonds sich zu einheitlichen Bewertungsregelungen hätte durchringen können. In einer separaten Anlage zur Vermögensaufstellung sind die im Berichtszeitraum getätigten Käufe und Verkäufe von Immobilien und Beteiligungen an Immobiliengesellschaften anzugeben. Angaben beim Erwerb von Beteiligungen in der Vermögensaufstellung Hat der Fonds Beteiligungen erworben, dann hat er zusätzlich folgende Angaben in seiner Vermögensaufstellung zu machen:
4.3.2.2 Besondere Vorschriften für Immobilien-Sondervermögen
379
• Firma, Rechtsform und Sitz der Immobiliengesellschaft • das Gesellschaftskapital • die Höhe der Beteiligung und der Zeitpunkt ihres Erwerbs durch die Kapitalanlagegesellschaft und • Zahl und Beträge der durch die Kapitalanlagegesellschaft oder Dritte nach § 69 InvG gewährten Darlehen. Anteilwertermittlung Unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Vorgehensweise zur Bewertung ist der Wert des Anteils am Sondervermögen sowie der Ausgabe- und Rücknahmepreis eines Anteils nach Maßgabe des § 36 Abs. 1 InvG börsentäglich zu ermitteln.14
4.3.3 Zusammenfassung / Fazit Die gesetzlichen Vorschriften zur Transparenz von Immobilien-Sondervermögen können als rudimentär bezeichnet werden. Die Anforderungen sind bei weitem nicht so detailliert und umfangreich wie die Anhangsangaben nach deutschem Handelsrecht und den IFRS-Notes. Eine Interpretation in Form eines Kommentars zum InvG ist derzeit nicht verfügbar. Die ergänzenden Forderungen durch Branchenverbände zielen auf eine bessere Informationsversorgung der Anteilseigner und Analysten ab. Die Investmentbranche wird jedoch zunehmend mit der Rechnungslegung nach IFRS konfrontiert, da sich immer mehr Gesellschaften gezwungen fühlen, einen freiwilligen IFRSKonzernabschluss aufzustellen, um so auf dem Kapitalmarkt konkurrenzfähig zu sein. Durch die zunehmende Bilanzierung nach IFRS von Anteilseignern an Sondervermögen stellen Sondervermögen freiwillig einen IFRS-Abschluss auf. Dies ist notwendig, da für die Konsolidierung das Datenmaterial in der entsprechenden Rechnungslegungsnorm vorliegen muss. Insgesamt können jedoch noch keine Anzeichen gesehen werden, wonach die Fondsbranche die traditionelle Fondsrechnung auf IFRS umstellt. Zu den umfangreichen Ansatz-, Ausweisund Bewertungsvorschriften nach IFRS sei auf den vorangehenden Beitrag verwiesen.
14
§ 79 Abs. 3 InvG sieht eine Ausnahme für gesetzliche Feiertage, die Börsentage sind, sowiefür den 24. und 31. Dezember jeden Jahres vor
380
4.3.3 Zusammenfassung / Fazit
4.4. Freiwillige Transparenz: Die EPRA Best Practices Policy Recommendations Wilhelm Breuer 4.4.1
Einleitung
382
4.4.2
Die Best Practices Policy Recommendations
382
4.4.2.1 Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze ...........................................................383 4.4.2.1.1 Investment Properties ............................................................................................383 4.4.2.1.2 Aktivierung von Fremdkapitalkosten ....................................................................384 4.4.2.2
Gliederung von Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung.......................................385
4.4.2.3 4.4.2.3.1 4.4.2.3.2 4.4.2.3.3 4.4.2.3.4 4.4.2.3.5 4.4.2.3.6 4.4.2.3.7
Anhang und sonstige Zusatzinformationen ...........................................................390 Managementbericht ...............................................................................................390 Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung ................................................................390 Vergütungssystem für die Immobilienbewerter ....................................................391 Gemeinschaftsunternehmen...................................................................................391 Finanzierung/Verschuldung...................................................................................392 Historische Finanzinformationen...........................................................................392 Immobilienwirtschaftliches Glossar ......................................................................392
4.4.2.4 Informationen zu Bestandsimmobilien..................................................................392 4.4.2.4.1 Allgemeine Daten ..................................................................................................393 4.4.2.4.2 Performance-Daten ................................................................................................393 4.4.2.5
Informationen zu Projektentwicklungen ...............................................................398
4.4.2.6 Earnings per Share/Net Asset Value......................................................................399 4.4.2.6.1 Earnings per Share.................................................................................................399 4.4.2.6.2 Net Asset Value .....................................................................................................400 4.4.3
Fazit
402
4.4.1 Einleitung Die Transparenz von europäischen börsennotierten Immobilien-AGs erhielt 2001 mit den "EPRA Best Practices Recommendations" einen wesentlichen Schub. Nachdem sich gelistete Immobiliengesellschaften, institutionelle Investoren, Finanzanalysten, Wirtschaftsprüfer und Berater bereits 1999 zur European Public Real Estate Association (EPRA) zusammengeschlossen hatten, "to promote, develop and represent the European public real estate sector", sah es EPRA als ein wesentliches Ziel an, die sehr unterschiedlichen Reporting-Standards in Europa zu harmonisieren, zu optimieren und Empfehlungen für eine Best Practice bei Transparenz und Reporting für den gelisteten Immobiliensektor zu erarbeiten. Zu diesem Zwecke wurde im Jahr 2000 ein Expertenkomitee ins Leben gerufen, das sich aus Vertretern von institutionellen Investoren, Finanzanalysten, Wirtschaftsprüfern und börsennotierten Gesellschaften zusammensetzte. Dieses "Best Practices Committee" erarbeitet in den Folgemonaten die "Best Practices Recommendations" (BPR), welche im September 2001 auf der EPRAJahreskonferenz in Lissabon beschlossen wurden und Ende 2001 in Kraft traten. Damit erhielt der börsennotierte Immobilienaktiensektor in Europa einheitliche Empfehlungen für ein Best Practices-Reporting, die sich in den Folgejahren zu der wesentlichen Benchmark für transparente und kapitalmarktorientierte Berichterstattung in Europa durchsetzten. Mit regelmäßigen Updates wird seitdem unter dem leicht modifizierten Namen "Best Practices Policy Recommendations" den stets steigenden Anforderungen des Kapitalmarktes an die Berichterstattung Rechnung getragen. Auch in 2008 sind wieder einige wichtige Änderungen vorgenommen worden.
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations Bei EPRA handelt es sich weder um ein "Accounting Body" noch ein "Valuation Body", wie EPRA selbst konstatiert. Die Einhaltung der Standards durch die Unternehmen ist daher freiwillig. Dennoch orientieren sich zunehmend gelistete Gesellschaften daran. Weil Investoren für ihre Anlageentscheidung wesentliche der von den BPR geforderten Reporting-Daten
4.4.2.1 Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze
383
benötigen, müssen Unternehmen, die den EPRA-Empfehlungen nicht folgen, mit Abschlägen bei Bewertung und Aktienkurs rechnen. Der dadurch vom Kapitalmarkt ausgehende Druck wirkt disziplinierend auf die Einhaltung zumindest wesentlicher Teile der BPR. Die BPR bauen auf den International Financial Reporting Standards (IFRS) für den Konzernabschluss auf und geben darüber hinaus börsennotierten Immobiliengesellschaften konkrete Empfehlungen für: • Die Wahrnehmung von IFRS-Wahlrechten, • Ein einheitliches Performance Reporting, • Zusätzliche Transparenz. Davon sind insbesondere folgende Gebiete der Berichterstattung betroffen: • • • • •
Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze, Gliederung von Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung, Anhang und sonstige Zusatzinformationen, Portfolio-Informationen Net Asset Value/Earnings per Share.
4.4.2.1 Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze 4.4.2.1.1 Investment Properties Die International Financial Reporting Standards lassen in IAS 40 den Unternehmen bei der Bewertung von zu Anlagezwecken gehaltenen Immobilien (Investment Properties) die Wahl zwischen der Marktwertmethode (Fair Value-Model) und der Anschaffungskostenmethode (Cost-Model). EPRA empfiehlt hier nicht nur die Bilanzierung nach der Marktwertmethode, sondern fordert darüber hinaus auch, die Marktwerte (Fair Market Values) der Immobilien von externen Gutachtern nach den Prinzipien der International Valuation Standards (IVS) ermitteln zu lassen. Bei den IVS handelt es sich um einen weltweit von der Immobilienwirtschaft akzeptierten Bewertungsstandard für Immobilien. Falls Unternehmen aufgrund von nationalen Regelungen bei der Immobilienbewertung von den IVS abweichen, fordert EPRA die daraus resultierenden Unterschiede ausführlich zu erläutern und zu quantifizieren. Sollte in der Berichterstattung wesentlich von den durch die Gutachter ermittelten Werten abgewichen werden, müssen dies und die dafür ausschlaggebenden Gründe ebenfalls erläutert werden. Die externe Bewertung hat nach EPRA dabei mindestens einmal im Jahr und zwar zum Bilanzstichtag zu erfolgen. Es wird jedoch ausdrücklich nahe gelegt, mindestens zweimal im Jahr eine externe Bewertung durchzuführen.
384
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
Die der Bewertung zugrunde liegenden Annahmen sind zu erläutern. Sollte z.B. eine Bewertung anhand der Discounted Cash Flow-Methode erfolgen, so sind die durchschnittlichen Wachstumsraten, Diskontierungszinssätze und Exit Yields anzugeben. Zudem sollte erläutert werden, ob es sich bei den Werten um Netto- oder Bruttogrößen, d.h. Werten vor oder nach dem Einbezug von Anschaffungsnebenkosten handelt. Die EPRA-Forderungen zu den Investment Properties sind durchweg sinnvoll. Zwar lässt es sich trefflich darüber streiten, ob die Marktwerte grundsätzlich der bessere und transparentere Ausweis ist, denn zum einen sind auch bei Anwendung des Anschaffungskostenmodells die Immobilienverkehrswerte im Anhang anzugeben und damit transparent. Zum anderen führt bei Investment Properties der Marktwertansatz zwingend dazu, dass die aus der Neubewertung resultierenden Bewertungsgewinne und- verluste (Revaluation Gains and Losses) als Ertrag bzw. Aufwand quartalsweise in die Gewinn- und Verlustrechnung einfließen. Dies führt nicht nur zu einer hohen Volatilität des Ergebnisses, sondern auch dazu, dass in Phasen boomender Immobilieninvestmentmärkte das Ergebnis durch nicht zahlungswirksame Neubewertungserträge stark in die Höhe, und in Phasen von rückläufigen Immobilieninvestmentmärkten deutlich nach unten gezogen wird und damit (weiteren) Druck auf den Aktienkurs ausüben können. Finanzanalysten und institutionelle Investoren eliminieren daher oft die Neubewertungsgewinne und -verluste in ihren Bewertungsmodellen und fokussieren in der Regel auf das nachhaltige Ergebnis (Recurring Profit). Dennoch lässt es sich nicht verhindern, dass durch hohe Bewertungsgewinne die Begehrlichkeit der Aktionäre in puncto Ausschüttung wächst. Dabei ist es den Aktionären oft nur sehr schwer vermittelbar, dass Neubewertungsgewinne in der Regel nur auf Konzernebene anfallen und in den nach lokalem nationalen Handelrecht zu erstellenden Einzelabschlüssen, die die rechtliche Ausschüttungsbasis einer Aktiengesellschaft bilden, zumeist das Anschaffungskostenmodell obligatorisch ist. Neubewertungsgewinne und -verluste fallen damit dort gar nicht an. Der Marktwertansatz hat sich aber dennoch am Kapitalmarkt als Best Practice erwiesen, so dass EPRA hier nur Markt-Usance kodifiziert. Auch die Bewertung durch externe Gutachter und die Kompatibilität mit den IVS-Methodiken sind ebenso Marktstandard wie die mindestens einmal jährliche Bewertung. Wachstumsraten, Diskontierungszinssätze und Exit Yields gehören unabhängig davon mittlerweile zur Basisinformation der täglichen Investor Relations-Arbeit.
4.4.2.1.2 Aktivierung von Fremdkapitalkosten IAS 23.10 gewährt Immobilienaktiengesellschaften ein Wahlrecht zur Aktivierung von Fremdkapitalkosten, die direkt dem Erwerb oder der Herstellung eines qualifizierten Vermögenswertes zugeordnet werden können. EPRA fordert die Ausübung des Wahlrechtes und begründet dies damit, dass Fremdkapitalkosten einen bedeutenden Anteil im Rahmen von Entwicklungsprojekten einnehmen können. Die Aktivierung soll bei Projektbeginn erfolgen und mit Fertigstellung enden. Keine Aktivierung ist vorzunehmen, wenn das Projekt fertiggestellt, aber noch nicht (vollständig) vermietet ist. Die von EPRA geforderte Aktivierung ist sowohl für Unternehmen als auch für Investoren sinnvoll, da Projektentwicklungsaktivitäten inklusive Refurbishments ein wichtiges Instru-
4.4.2.2 Gliederung von Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung
385
ment zur Wertsteigerungen des Bestandes darstellen. Damit kommt der Investitionscharakter der Fremdkapitalkosten besser zur Geltung. Würde die Aktivierung nicht erfolgen, hätte dies zur Konsequenz, dass die GuV während der Bauzeit einseitig belastet wird, während Erträge aus dem Projekt erst nach Fertigstellung verbucht werden können.1 Dadurch wird die Ertragskraft während der Bauzeit zu schlecht dargestellt, während sie nach Fertigstellung und erfolgter (höherer) Neubewertung bzw. Verkauf zu gut erscheinen würde. Der anzuwendende Fremdkapitalkostensatz soll sich nach den BPR entweder an den durchschnittlichen Fremdkapitalkosten des Unternehmens, den Grenzkapitalkosten oder an den projektspezifischen Fremdkapitalkosten orientieren, sofern das Projekt über eine separate Finanzierung verfügt. Zudem fordern die BPR eine separate Darstellung der angewendeten Grundsätze bei der Aktivierung von Fremdkapitalkosten.
4.4.2.2 Gliederung von Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung Um verschiedene Unternehmen besser miteinander vergleichen zu können, schlagen die BPR einheitliche Gliederungsschemata bei Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Kapitalflussrechnung vor. Für das Gliederungsschema der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich die Grobgliederung gemäß Abbildung 4.4-1:
1
Nach der Perecentage-of-Completion-Methode können zwar auch während der Bauzeit ratierlich Erträge gebucht werden, allerdings muss dann ein Fertigungsauftrag vorliegen
386
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
Abb. 4.4- 1 Konzern-GuV nach EPRA; Quelle: EPRA (2008)
4.4.2.2 Gliederung von Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung
387
Das Gliederungsschema bei der Gewinn- und Verlustrechnung orientiert sich stark am Geschäftsmodell eines (passiven) Bestandhalters, der sein Ergebnis primär aus dem Mietergebnis bezieht, wie die BPR selbst konstatieren. Daher beginnt die Gewinn- und Verlustrechnung mit der Ermittlung des Mietergebnisses, des sogenannten "Net Rental Income". Dabei werden beginnend vom "Gross Rental Income", in mehreren Positionen die den Mieteinnahmen direkt zuordenbaren operativen Kosten abgezogen werden. Das daraus resultierende "Net Rental Income" soll dabei mit der Bewertungsbasis der "Investment Properties" in Einklang stehen, d.h. das Net Rental Income soll das Mietergebnis der Investment Properties widerspiegeln. In den nächsten Schritten werden dann das Handelsergebnis, separiert nach "Trading Properties" und "Investment Properties" sowie das Bewertungsergebnis ("Valuation Movements") aus der Anwendung der Marktwertmethode nach IAS 40 ermittelt. Durch den Abzug von allgemeinen Verwaltungskosten ("Administrative Expenses") sowie sonstiger Kosten ("Net Other Income") ergibt sich dann das operative Ergebnis vor Finanzierungskosten ("Net Operating Profit before Finance Cost"). Sollte ein Unternehmen neben Mieteinnahmen signifikante weitere Erlöse erzielen, z.B. "Management Fee Income" oder aus der Durchführung und dem Verkauf von Projektentwicklungen, sollen diese nicht in der Position "Other Income" zusammengefasst, sondern einzeln nach Erträgen und Aufwendungen aufgeführt werden. Durch die Hinzurechnung des Beteiligungsergebnisses ("Share of the Profit of Associates") und der Dividendenerträge sowie den Abzug des Finanzergebnisses ("Net Financing Costs") sowie des Ergebnisses aus der Marktwertveränderung von Derivaten, die nicht dem Hedge Account unterliegen ("Movements in Fair Value of Financial Instruments") gelangt man zum Ergebnis vor Steuern ("Profit before Tax"). Bei der dann folgenden Subtraktion der Steuern vom Einkommen und Ertrag ("Income Tax Expenses" wird empfohlen wird, nach latenten Steuern und laufenden Steuern zu trennen. Es ergibt sich damit dann das Periodenergebnis ("Profit for the Period"), das aufgeteilt wird in das den Konzernanteilseigner und den Dritten zustehende Ergebnis. Das von EPRA vorgeschlagene Gliederungsschema orientiert sich - wie bereits hervorgehoben - stark an dem Geschäftsmodell eines Bestandhalters. Die Aufteilung der GuV nach Mietergebnis, Handelsergebnis und Bewertungsergebnis ist daher folgerichtig. Allerdings finden sich Unternehmen mit signifikantem Development- oder sonstigem Immobiliengeschäft (z.B. Auflage von Fonds) nur unzureichend wieder. Die BPR empfehlen daher, die GuV in diesen Fällen entsprechend anzupassen. Auch für Bilanz und Kapitalflussrechung werden detaillierte Gliederungsschemata vorgegeben (siehe Abbildungen 4.4-2 und 4.4-3). Bei der Kapitalflussrechnung lassen die BPR zwar die Wahl zwischen der direkten und indirekten Ermittlungsmethode, das vorgeschlagene Format orientiert sich jedoch aus Praktikabilitätsgründen an der indirekten Methode. Das bedeutet, angefangen vom "Net Operating Profit before Finance Cost" wird durch Abzug zahlungsunwirksamer operativer Erträge und die Hinzurechung zahlungsunwirksamer Aufwendungen der Mittelzufluss aus laufender Geschäftstätigkeit ermittelt, dann der Mittelzufluss aus Investitionstätigkeit und schließlich der Mittelabfluss aus Finanzierungstätigkeit.
388
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
Abb. 4.4- 2 Konzern-Bilanz nach EPRA; Quelle: EPRA (2008)
4.4.2.2 Gliederung von Bilanz, GuV und Kapitalflussrechnung
Abb. 4.4- 3 Konzern-Kapitalflussrechnung nach EPRA; Quelle: EPRA (2008)
389
390
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
4.4.2.3 Anhang und sonstige Zusatzinformationen Die Empfehlungen umfassen die Themen Managementbericht, Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung, Vergütungssystem für die Immobilienbewerter, Joint Ventures, Finanzierung/Verschuldung, historische Finanzinformationen sowie ein Glossar immobilienwirtschaftlicher Definitionen.
4.4.2.3.1 Managementbericht IAS 1.8/1.9 legen Unternehmen nahe, außerhalb ihres Abschlusses einen Bericht über die Unternehmenslage durch das Management zu veröffentlichen, der die wesentlichen Merkmale der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die wichtigsten Unsicherheiten beschreibt und erläutert, denen sich das Unternehmen gegenübersieht. Dazu gehören auch zusätzliche Angaben wie Umweltberichte. Die BPR fordern hier insbesondere zusätzliche Informationen über die Unternehmensstrategie, die handelnden Personen in Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Risikopolitik in Bezug auf finanzielle Risiken. Die Informationen zur Strategie sollen neben einem Mission Statement, in dem die unternehmerische Vision dargelegt werden soll auch folgende Informationen enthalten: Welche Strategie wurde im abgeschlossenen Geschäftsjahr verfolgt und in welchem Maße konnte sie umgesetzt und konnten die gesteckten Ziele erreicht werden? Wie hat sich die Marktposition des Unternehmens entwickelt und welche Erfolgsfaktoren sind in den bearbeiteten Märkten relevant? Wie wird sich der Markt voraussichtlich in nächster Zeit entwickeln? Welche Strategie soll in den kommenden Jahren verfolgt und welche Marktpositionen eingenommen werden? Die Informationen über die handelnden Personen im Vorstand und Aufsichtsrat sollen neben Namen, Foto, Nationalität, Zuständigkeitsbereich und Mitgliedschaft in Aufsichtsrats- bzw. Vorstands-Ausschüssen auch einen Lebenslauf und bisherige Tätigkeitsschwerpunkte sowie Verbindungen mit wesentlichen Anteilseignern beinhalten. Großen Wert legen die BPR auch auf eine Erläuterung der Unternehmenspolitik in Bezug auf finanzielle Risiken. Dazu gehören eine Sensitivitätsanalyse von Zinsänderungsrisiken und deren Auswirkungen auf Zins- und sonstigen Finanzausgaben, eine Darlegung der verfolgten Politik in puncto Festzinsen/variable Zinsen, Zinsbindungszeiträumen/Duration sowie dem Management von Währungspositionen.
4.4.2.3.2 Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung Bei der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung fordert EPRA für jedes Gremienmitglied eine individuelle Auflistung der Bezüge, unterteilt nach Basisgehalt, Bonus, Fees und sonstigen Benefits. Zudem sind die Vertragslänge, Pensionsansprüche, Stock Options und gehaltenen
4.4.2.3 Anhang und sonstige Zusatzinformationen
391
Aktien (inklusive nahe stehender Personen) aufzuführen. Dies entspricht weitgehend den für alle börsennotierten Unternehmen in Deutschland bereits nach § 285 HGB vorgeschriebenen Regeln.
4.4.2.3.3 Vergütungssystem für die Immobilienbewerter Auch die ausführliche Beschreibung des Vergütungssystems für die Bewerter des Immobilienvermögens hält EPRA für wichtig, da deren Unabhängigkeit und Objektivität eine zentrale Bedeutung für die Glaubwürdigkeit der ermittelten Verkehrswerte zukommt. Daher verlangen die BPR eine Vergütung, die unabhängig vom Ergebnis der Bewertung ist. Zudem sollen Immobilienunternehmen die den einzelnen Bewertungsunternehmen gezahlten Vergütungen offen legen. Falls die Vergütung mehr als 10% des Umsatzes des Bewertungsunternehmens ausmacht, ist dies ebenfalls zu vermerken. Die von den BPR geforderten Informationen sind durchweg sinnvoll und gerade in Marktabschwungphasen bedeutend, wo dem Vertrauen auf die Angemessenheit der angesetzten Immobilienwerte besonderes Gewicht zukommt.
4.4.2.3.4 Gemeinschaftsunternehmen Die International Financial Reporting Standards regeln die Bilanzierung von Unternehmen, die unter gemeinsamer Kontrolle stehen (Gemeinschaftsunternehmen/Joint Ventures), in IAS 31. EPRA kritisiert allerdings, dass IAS 31.54-57 keine Veröffentlichung von zusätzlichen Informationen zum operativen Geschäft von Gemeinschaftsunternehmen verlangt. Um ein besseres Verständnis für deren Aktivitäten zu erhalten, fordert EPRA unter anderem die Veröffentlichung folgender Informationen, soweit dies keine mit den Joint Venture-Partnern vereinbarten Vertraulichkeitserklärungen verletzt: Firmenname, Aktivitätenspektrum, Gründungsdatum, Höhe des Anteilsbesitz/der Gesellschafterdarlehen, Berichtsperiode, Details zum Fremdkapital und dessen Rückgriffsmöglichkeiten auf die Partner, Details über die Partner, Performance des Gemeinschaftsunternehmens. Zudem beklagt EPRA, dass bei Joint Ventures nach IAS 31 auch sehr viel weniger Finanzinformationen zu veröffentlichen sind als nach vielen nationalen Rechnungslegungen. Daher fordern die BPR, dass alle Informationen, die nach IAS 31.54-57 auf aggregierter Ebene zu veröffentlichen sind - dies sind Eventualverbindlichkeiten, Capital Commitments, langfristiges Vermögen, kurzfristiges Vermögen, kurzfristiges Fremdkapital, Erträge, Aufwendungen - für jedes einzelne Joint Venture separat aufgeführt werden sollen, falls eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: 1. Der zurechenbare Anteil der Immobilien-AG am NAV, Ergebnis oder Umsatz des Joint Ventures ist größer als 10 % des eigenen NAV, Ergebnisses oder Umsatzes. 2. Der zurechenbare Anteil der Immobilien-AG am NAV, Ergebnis oder Umsatz aller Joint Ventures ist größer als 15 % des eigenen NAV, Ergebnisses oder Umsatzes. In diesem Fall sind die Daten für die größten Joint Ventures zu veröffentlichen, bis der aggregierte Anteil der restlichen weniger als 15 % beträgt.
392
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
Die von den BPR aufgestellten Forderungen sind zu begrüßen, zumal Gemeinschaftsunternehmen oft die in sie gesteckten Hoffnung nicht erfüllen, wie die Erfahrung lehrt. Umso wichtiger ist es für den Kapitalmarkt, zumindest ein besseres Verständnis vom Geschäft und der Performance der Gemeinschaftsunternehmen zu erhalten.
4.4.2.3.5 Finanzierung/Verschuldung IAS 32, 39 sowie IFRS 7 verlangen zwar viele Detailinformationen zur Finanzierungs- und Verschuldungssituation eines Unternehmens. Die BPR gehen aber davon aus, dass viele Hedging-Transaktionen zur Absicherung von Zinsrisiken nicht die Kriterien des Hedge Accountings erfüllen und daher als Aufwands- und Ertragsbestandteil in das Finanzergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung eingehen. Dies erschwert die Interpretation des Finanzergebnisses in nicht unwesentlichem Maße. EPRA empfiehlt daher, die Bestandteile des Finanzergebnisses im Detail zu erläutern sowie die Marktwerte der Hedging-Instrumente, derivativer Finanzinstrumente sowie der Verbindlichkeiten umfassend offen zulegen.
4.4.2.3.6 Historische Finanzinformationen Da IFRS nicht vorschreibt, in welchem Umfang historische Finanzinformationen anzugeben sind, Investoren sich aber gleichzeitig einen Eindruck vom Track Record eines Unternehmens im Zeitablauf machen möchten, fordern die BPR, dass Unternehmen die wichtigsten Kennzahlen mindestens über die letzten fünf Jahre darstellen. Gab es wesentliche Änderungen in der Bilanzierung, sind die die Kennzahlen für die Vorjahre entsprechend anzupassen.
4.4.2.3.7 Immobilienwirtschaftliches Glossar Einen wichtigen Beitrag zur Vereinheitlichung des Reportings und damit zur Transparenz leisten insbesondere die von EPRA vorgenommenen Definitionen immobilienwirtschaftlicher Termini. In Form eines Glossars werden die wichtigsten, am Kapitalmarkt für Immobilienaktien verwendeten Kennzahlen (insbesondere diverse Yield- und Rental IncomeBegriffen) voneinander abgegrenzt.
4.4.2.4 Informationen zu Bestandsimmobilien Ein Herzstück der BPR sind insbesondere die geforderten Informationen zu den Bestandsimmobilien. Zu unterscheiden sind hier allgemeine Daten sowie Performance Daten.
4.4.2.4 Informationen zu Bestandsimmobilien
393
4.4.2.4.1 Allgemeine Daten Die allgemeinen Daten umfassen folgende Informationen auf aggregierter Basis, z.B. Regionen oder Nutzungsarten: Fläche in Quadratmetern (nicht in Square Feet), durchschnittliche Miete pro Quadratmeter, annualisierte Miete, Marktmiete, Cash Flow, Operatives Ergebnis, Fair Market Value, Leerstand nach Fläche sowie Mieten, Zeitpunkt des Auslaufs der Mietvereinbarung, Top 10 Mieter nach Mieteinnahmen, Verteilung der Mieteinnahmen nach Branchenzugehörigkeit der Mieter. Neben diesen aggregierten Daten fordern die BPR auch folgende Angaben auf Einzelimmobilienebene: Adresse, Fläche, Mietfläche, Nutzungsart (Büro, Einzelhandel, Wohnen etc.), Leerstand, Erwerbszeitpunkt, Eigentumsquote (100 % oder weniger), Eigentumsart (Eigentum, Erbbaurecht etc.), Baujahr und Zeitpunkte der Sanierungen.
4.4.2.4.2 Performance-Daten Sie umfassen die Veröffentlichung von "Rental Data", "Valuation Data", "Lease Data" pro Standort und Nutzungsart für Investment Properties. Diese, zum Teil sehr detaillierten Daten ermöglichen es dem Kapitalmarkt, sich ein fundiertes Bild über Qualität und Potential des Bestandes zu machen. Sie sind wesentliche Basis für die Bildung eines Investmenturteils.
394
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
Abb. 4.4- 4 Investment Property - Rental Data; Quelle: EPRA (2008)
Auf aggregierter Ebene sind bei den Rental Data (siehe Abbildung 4.4-4) hier vor allem unterschiedliche Mietgrößen im Vergleich zur Marktmiete (Estimated Rental Value) anzugeben, deren Definitionen sich im immobilienwirtschaftlichen Glossar befinden.
4.4.2.4 Informationen zu Bestandsimmobilien
395
Abb. 4.4- 5 Investment Property – Valuation; Quelle: EPRA (2008)
Die Bewertungsdaten (Abbildung 4.4-5) umfassen auf aggregierter Ebene (Region und Nutzungsart) vor allem die aktuelle Bewertung (Fair Market Value), die im Laufe des Jahres angefallenen Bewertungsgewinne oder -verluste (Valuation Movement), die der Bewertung zugrunde liegende Brutto und Nettorenditen (Gross/Net Initial Yield) sowie das Mietsteigerungspotential (Reversion)
396
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
Abb. 4.4- 6 Investment Property - Lease Data; Quelle: EPRA (2008)
Ebenfalls auf aggregierter Ebene (Region und Nutzungsart) fordern die BPR (siehe Abbildung 4.4-6) einen Überblick, welches Mietvolumen in den nächsten ein, zwei sowie drei bis fünf Jahren auslaufen und wie hoch deren Marktmieten (ERV) veranschlagt werden.
4.4.2.4 Informationen zu Bestandsimmobilien
397
Abb. 4.4- 7 Investment Property - Like for Like Net Rental Income; Quelle: EPRA (2008)
Darüber hinaus wird eine sogenannte "Like for Like"-Analyse des Net Rental Income gefordert. Diese beschreibt, wie sich das Net Rental Income auf vergleichbarer Basis, also organisch verändert hat, ohne Berücksichtigung von Immobilienkäufen und -verkäufen während einer Berichtsperiode. Der Kapitalmarkt erhält damit einen Einblick in das organische Wachstum eines Immobilienunternehmens. Allerdings bleibt im Rahmen der Like-for-LikeAnalyse unberücksichtigt, dass sich organisches Wachstum auch bei während der Berichtsperiode erworbenen, und damit aus der Analyse ausgeblendeten Immobilien vollzogen haben kann. Deren Wachstum wird erst in der Folgeperiode und nur dann erfasst, wenn die Immobilie nicht vorher bereits veräußert worden ist. Eine verzerrte Sicht auf das organische Mietwachstum kann daher insbesondere bei Unternehmen mit schnellem Portfolioumschlag der Fall sein.
398
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
4.4.2.5 Informationen zu Projektentwicklungen Diese umfassen, wie Abbildung 4.4-8 zeigt, auf aggregierter Ebene (z.B. Regionen, Nutzungsarten) Angaben zu den Entwicklungskosten, den bereits angefallenen Kosten, noch verbleibenden Kosten, aktivierten Fremdkapitalkosten, den vorgesehenen Zeitpunkten der Fertigstellung, der erwarteten Marktmiete zum Zeitpunkt der Fertigstellung sowie zur Aufteilung der Mietfläche nach Nutzungsarten. Für jede Projektentwicklung, deren erwartete Mietergebnis (Net Rental Income) zwei Prozent oder mehr des letztjährigen gesamten Mietergebnisses (Net Rental Income) des Unternehmens ausmacht, sind diese auch separat aufzuführen. Für jede einzelne Projektentwicklung sind ferner folgende Daten anzugeben: Adresse, Nutzungsart(en) der Projektentwicklung, Mietfläche, Eigentumsquote, Projektziel (Eigenbestand, Verkauf, Fertigungsauftrag) Projektstatus (Baugenehmigung, Bauphase, Vermietungsquote, Vermarktungsstatus) etc..
Abb. 4.4- 8 Development/Redevelopment Data; Quelle: EPRA (2008)
4.4.2.6 Earnings per Share/Net Asset Value
399
4.4.2.6 Earnings per Share/Net Asset Value 4.4.2.6.1 Earnings per Share Die Earnings per Share (EPS) nach EPRA setzt auf den Konzern-EPS nach IFRS auf. Allerdings werden die Ergebnisbestandteile, die aus der Neubewertung der Investment Properties, von Projektentwicklungsimmobilien, die zu Investment-Zwecken gehalten werden sowie von anderen langfristigen Vermögensgegenständen ebenso eliminiert wie daraus resultierende Buchgewinne bei deren Verkauf. Diese Bereinigung ist im Best Practices Committee heftig und kontrovers diskutiert worden, da EPRA sich damit letztlich auf ein bestimmtes Geschäftsmodell, das eines passiven Bestandhalters, der sein Ergebnis primär aus dem Mietergebnis erzielt, festlegt. Diese Sichtweise orientiert sich an der vor allem bei angelsächsischen "Dedicated Real Estate"-Investoren nicht selten aufzufindenden Präferenz für "Recurring Earnings". Immobilienökonomisch ist sie kaum haltbar. Dennoch spiegelt sie aktuell die Mehrheitsmeinung nicht nur im Best Practices Committee, sondern auch in der Immobilienaktien-Community wider. Mit dem im Mai 2008 veröffentlichten Update der BPR hat allerdings eine gewisse Öffnung stattgefunden. So wird konstatiert, dass die diluted EPRA EPS zwar dem Business Model einer "True Real Estate Investment Company" entsprechen, aber eine Abweichung möglich ist, sofern Immobilienhandel zum Kerngeschäft einer Gesellschaft gehört. Auch können weitere Anpassungen erfolgen, falls das Geschäftsmodell dies erfordert. Diese Öffnung ist zu begrüßen, zumal speziell Gesellschaften ohne REIT-Status oft über signifikante Handelsaktivitäten verfügen. Weitere Anpassungen in den diluted EPRA Earnings per Share betreffen die Eliminierung von negativem Goodwill/Goodwill Impairments, Marktwertveränderungen von Derivatpositionen ("Movements in Fair Value of Financial Instruments") sowie im Ergebnis enthaltenen latenten Steuern. Hintergrund dieser Eliminierungen ist auch hier die Reduktion der diluted EPRA Earnings per Share auf das Mietergebnis. Abbildung 4.4-9 gibt die Berechnung und den Ausweis der EPS zusammenfassend wieder.
400
4.4.2 Die Best Practices Policy Recommendations
Abb. 4.4- 9 EPRA Earnings per Share; Quelle: EPRA (2008)
4.4.2.6.2 Net Asset Value Der Net Asset Value (NAV) beschreibt das ökonomische Eigenkapital einer Immobiliengesellschaft. Der NAV nach EPRA setzt dementsprechend auf dem Eigenkapital der IFRSKonzernbilanz auf. Falls das Cost-Model nach IAS 40 bei der Bewertung der Investment Properties gewählt wurde, sind statt dessen die Immobilien mit ihren Fair Values in der NAV-Rechnung anzusetzen. Ebenso sind Projektentwicklungsimmobilien, die zu Investment-Zwecken gehalten werden sowie andere langfristige Vermögensgegenständen mit ihren Fair Values zu berücksichtigen. Zudem sind Finance Lease-Immobilien sowie Trading Properties, die gemäß IAS 2 „At Cost“ bewertet wurden, mit ihrem Fair Value anzusetzen. Der Marktwert der in der Konzernbilanz abgebildeten aktivischen und passivischen derivativen Finanzinstrumente wird hingegen nicht berücksichtigt und ist herauszurechnen. Dies ist zu begrüßen, da derivative Instrumente in der Regel nur zur Absicherung von Preisrisiken angewendet werden. Auch die in der Konzernbilanz abgebildeten latenten Steuern bleiben unberücksichtigt und sind dementsprechend zurückzudrehen. Auf diese Weise gelangt man zum EPRA NAV und durch die Berücksichtigung von Verwässerungseffekten infolge der Möglichkeit der Ausübung von Options-, Wandel- und anderen Eigenkapitalrechten zum "Diluted EPRA NAV" je Aktie. Da latente Steuern unberücksichtigt bleiben, bildet er den
4.4.2.6 Earnings per Share/Net Asset Value
401
NAV des Unternehmens unter der "Going Concern"-Prämisse ab. Abbildung 4.4-10 zeigt das Berechnungsmodell des NAV im Überblick.
Abb. 4.4- 10 NAV-Berechnung nach EPRA; Quelle: EPRA (2008)
Durch Abzug der Marktwerte der in der Konzernbilanz abgebildeten aktivischen und passivischen derivativen Finanzinstrumenten und der latenten Steuern sowie durch Ersatz des Buchwerts der Verbindlichkeiten in der Konzernbilanz durch deren Marktwerte gelangt man schließlich zum "diluted EPRA NNNAV", der als eine Art "Zerschlagungs-NAV" interpretiert werden kann. Neu in dem im Mai 2008 veröffentlichten Update der BPR ist, dass bei dem "diluted EPRA NNNAV" nicht die vollen latenten Steuern gemäß Konzernbilanz abgezogen werden müssen, sondern deren Fair Value. Es bleibt den Unternehmen überlassen, ob und über welchen Zeitraum sie diese etwa im Rahmen eines DCF-Modells diskontieren, um die erwartete durchschnittliche Haltedauer darzustellen. Mit dieser Öffnungsklausel greifen die BPR ein bereits vor Jahren im Best Practices Committee diskutiertes Modell auf. Ausgangspunkt der Diskussion war die Tatsache, dass die Ansetzung der vollen latenten Steuern beim NNNAV unrealistisch ist, da nicht der komplette Immobilienbestand auf einmal verkauft wird, sondern über einen je nach Unternehmen und verfolgter Strategie unterschiedlichen Zeitraum. Ein Modell, das die latenten Steuern über einen Zeitraum diskontiert, der die
402
4.4.3 Fazit
durchschnittliche, erwartete Haltedauer widerspiegelt, ist daher sinnvoll. Allerdings - und das ist der Nachteil - geht dies zu Lasten der Vergleichbarkeit der NNNAV-Größen.
4.4.3 Fazit Die BPR leisten einen wichtigen Beitrag zur Vereinheitlichung des Reportings bei börsennotierten Immobiliengesellschaften. Allerdings ist zu kritisieren, dass dabei die Empfehlungen zumeist auf dem Geschäftsmodell eines Bestandhalters, wie die BPR selbst konstatieren, als Leitidee basieren. Ausdruck dessen ist die starke Orientierung an aus Mietergebnissen erwirtschafteten Größen wie "Net Rental Income" oder das Ermittlungsschema der Earnings per Share, bei denen ebenfalls das Mietergebnis im Vordergrund steht. Andere Ergebnisquellen, wie z.B. Gewinne aus dem Verkauf von Immobilien sowie Developmentergebnisse oder gar das Bewertungsergebnis treten dagegen in den Hintergrund. Wenn auch im jüngsten Update der BPR speziell bei den Earnings per Share eine gewisse Öffnung stattgefunden hat, bleibt doch festzuhalten, dass der (passive) Bestandshalter das Leitmotiv der BPR darstellt. Zu wünschen wäre auch, dass sich die BPR einer einheitlichen Definition der Funds from Operations (FFO) annehmen würden. Den FFO kommt speziell seit Inkrafttreten des deutschen REIT-Gesetzes und der damit verbundenen Orientierung vieler Investoren an USamerikanischen REIT-Bewertungskriterien eine verstärkte Bedeutung zu. Unternehmen ermitteln diese Größe jedoch zum Teil sehr unterschiedlich. Die einen interpretieren die FFO eher cash flow-, die anderen eher ergebnisorientiert.2 Hier könnten die BPR eine ähnliche Pionierarbeit leisten wie bei der Vereinheitlichung der NAV-Definitionen. Eines ist jedoch gewiss: Die BPR waren und sind ein Meilenstein in der Vereinheitlichung des Reportings bei börsennotierten Immobiliengesellschaften. Sie sind ein großer Wurf und erfüllen den überwiegenden Teil der formulierten Informationsbedarfe der Investoren und Analysten.
2
Vgl. dazu auch Breuer (2008)
4.5. Messung und Beurteilung faktischer Transparenzniveaus Heinz Rehkugler 4.5.1
Einführung
404
4.5.2
Unternehmenskommunikation und Finanzmarktreaktion
405
4.5.2.1 Theoretische Überlegungen.....................................................................................405 4.5.2.2 Empirische Befunde ................................................................................................406 4.5.2.3 Das faktische Informationsverhalten von Immobilienunternehmen .......................407 4.5.3
Ansätze des Ratings der Transparenz von Immobilienunternehmen
409
4.5.1 Einführung Die Übersichten über die nach IAS/IFRS und InvG geforderte Informationsversorgung der Finanzmarktteilnehmer haben erkennen lassen, dass diese in den Inhalten wie im Detaillierungsgrad teilweise weit hinter den eingangs formulierten Infomationsbedarfen der Investoren und Analysten zurückbleibt. Dass die Immobilienunternehmen selber aber die Berechtigung der Informationsanforderungen im Grundsatz akzeptieren und sie auch für erfüllbar halten, zeigen beispielhaft die im vorangehenden Beitrag dargestellten EPRA Best Practices Policy Recommandations. Sie decken einen sehr großen Teil des formulierten Informationsbedarfs ab. Ebenfalls einen großen Schritt zur Verbesserung der Transparenz bedeutete der von den im BVI zusammengeschlossenen Anbietern Offener Immobilienfonds entwickelte Katalog zur Erweiterung bei der Datenveröffentlichung in den Jahres- und Halbjahresberichten, der im im Dezember 2004 als Reaktion auf das Deka-Desaster beschlossen wurde und ab Januar 2005 in die Praxis umgesetzt werden sollte. Über die schon bestehenden Empfehlungen hinaus sieht der Transparenzstandard im Einzelnen vor:1 •
Einen nach Ländern unterteilten Ausweis der Renditen, Verkehrswerte, Wertänderungen, Mieterträge, Leerstände und Vermietungsquoten sowie Restlaufzeiten der Mietverträge mit einer Unterteilung in direkt und über Gesellschaften gehaltende Objekte;
•
Eine zusätzliche Aufschlüsselung der Jahresmieterträge, der Leerstands- und Vermietungsquoten sowie der Restlaufzeiten der Mietverträge nach Nutzungsarten;
•
Eine Ergänzung der Renditedarstellung um Angaben über die durchschnittliche Zusammensetzung des Fondsvermögens während des Geschäftsjahrs, um den Ausweis von Steuern auf Mieterträge im Ausland sowie um latente Steuern bei einer evtl. Veräußerung von Immobilien im Ausland;
•
Eine Aufspaltung der Angaben zu aufgenommenen Krediten nach Währungen und nach Laufzeiten der Zinsfestschreibungen sowie eine Veröffentlichung der zum Berichtsstichtag offenen Fremdwährungspositionen;
•
Angaben zur Zusammensetzung und Rendite anderer Fonds, wenn in diesen überwiegend die Liquidität des Fonds gehalten wird.
1
Vgl. BVI (2005)
4.5.2.1 Theoretische Überlegungen
405
Insbesondere bezüglich möglicher Entwicklungen für künftige Perioden, der Darstellung von Strategien und Risiken bleiben diese zusätzlichen Informationen allerdings hinter den Reporting Guidelines von INREV2, die vor allem für Spezialfonds nach ausländischem Recht relevant sind, sowie der im EPRA-Standard empfohlenen Transparenz zurück. Das tatsächliche Kommunikationsverhalten der Immobilienaktiengesellschaften und Offenen Fonds wiederum weist eine beträchtliche Streubreite innerhalb dieses Kontinuums zwischen gesetzlicher Verpflichtung, Umsetzung von Empfehlungen von EPRA bzw. BVI und Bedienung der Informationsbedürfnisse der Investoren und Analysten auf. Es ist hier nicht der Ort und die Notwendigkeit, eine vergleichende Übersicht über die Transparenzbemühungen der deutschen Immobilien-AGs und Immobilienfonds sowie deren konkrete Positionierung in diesem Kontinuum anzustellen, zumal die Informationsniveaus nicht nur zwischen den einzelnen Unternehmen und Fonds erhebliche Unterschiede aufweisen, sondern auch im Zeitablauf überraschend stark schwanken. Vielmehr wollen wir in einem kurzen Fazit zum einen herausstellen, dass – folgt man den gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zusammenhang von Transparenz und Performance – es eigentlich im wohlverstandenen Eigeninteresse der Unternehmen liegen müsste, die Informationsbedürfnisse der Finanzmarktteilnehmer möglichst zu erfüllen. Zum andern gehen wir der Tendenz nach, die Niveaus der von den Immobilienunternehmen an den Finanzmarkt kommunizierten Informationen vergleichend zu messen und in Transparenzindizes bzw. in Ratingskalen abzubilden.
4.5.2 Unternehmenskommunikation und Finanzmarktreaktion 4.5.2.1 Theoretische Überlegungen Es ist theoretisch einsichtig und empirisch umfänglich belegt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Qualität der Unternehmenskommunikation und der Beurteilung von Unternehmen durch den Finanzmarkt besteht.
2
Vgl. hierzu INREV (2007)
406
4.5.2 Unternehmenskommunikation und Finanzmarktreaktion
Wie im Eingangsbeitrag zu diesem Buchteil schon ausführlich angesprochen, sind die Investoren und Analysten für die Einschätzung der Ertragspotentiale und Risiken von Unternehmen auf die von diesen zur Verfügung gestellten Informationen angewiesen. Deren Wahrheitsgehalt können sie nur bedingt überprüfen. Zum allgemeinen Investorrisiko der Streuung der Renditen mit der Marktentwicklung, das nach den Finanzmarktmodellen über die unternehmensspezifisch angepasste Marktrisikoprämie kompensiert wird, tritt also das Risiko, dass die Erwartungen auf falschen Annahmen basieren. Sind sich die Investoren und Analysten aber aufgrund unzureichender oder unglaubwürdiger Informationsversorgung in ihrer Einschätzung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der unternehmerischen Strategien und Planungen und der daraus abgeleiteten Einschätzung des angemessenen Unternehmenswerts nicht sicher, dann werden sie dieses zusätzliche Risiko durch Sicherheitsabschläge in ihren Wertansätzen bzw. durch Aufschläge auf die geforderten Renditen zu kompensieren versuchen. Dies führt zu erhöhten Eigenkapitalkosten. Ein Teil der Investoren wird sogar von bestimmten Engagements gänzlich Abstand nehmen und sich auf Anlagen konzentrieren, bei denen er sich subjektiv besser informiert sieht. Eine hohe Qualität der Unternehmenskommunikation kann, wie Lambert/Leuz/Verrecchia (2006) zeigen, auch direkt eine Verringerung der Kapitalkosten bewirken, indem sie nicht nur geeignet ist, die Varianz der Unternehmensrendite zu senken, sondern auch die Kovarianz mit der Rendite anderer Unternehmen und damit den Risikozuschlag zu reduzieren. Den Analysten kommt bei der Finanzmarktreaktion auf die Qualität der Unternehmenskommunikation eine besondere Bedeutung zu. Sie sind für viele Investoren, die gar nicht in der Lage sind, fundierte eigene Analysen vorzunehmen, die wesentlichen Informationstransformatoren. Zum einen liegt nahe, dass die Zahl der Analysten, die ein bestimmtes Unternehmen beobachten, mit der Qualität der Kommunikation steigt, da dies die Researchkosten tendenziell senkt. Ein größeres Coverage ist wiederum geeignet, die Marktliquidität des jeweiligen Papiers zu steigern. Zum andern werden auch Analysten die eben beschriebenen Wertabschläge vornehmen, wenn sie sich ungenügend informiert fühlen, und dies in ihre Researchberichte einfließen lassen. Beides wirkt sich auf die Renditen aus.3
4.5.2.2 Empirische Befunde Die empirischen Befunde zur Kapitalmarktreaktion auf die wahrgenommene Qualität der Unternehmenskommunikation bestätigen weitgehend diese Argumentation, wenngleich sie nicht völlig eindeutig und einheitlich sind. So kann Botosan (1997) einen Zusammenhang zwischen dem Wert in einem von ihr selbst entwicklten Transparenzindex und den Eigenkapitalkosten nachweisen, aber nur für Unternehmen mit einer geringen Zahl von berichtenden Analysten. Für Deutschland kommt eine Studie von Schachel/Vögtle (2006) ebenfalls zu dem Ergebnis, dass ein positiver Zusammenhang zwischen guter Qualität der Investor Relations und der Aktienkursperformance besteht. Eine aktuelle Untersuchung, die auch eine 3
Vgl. z.B. Brennan/Tamaronski (2000)
4.5.2.3 Das faktische Informationsverhalten von Immobilienunternehmen
407
Übersicht über verschiedene andere Studien liefert, kann bei US-amerikanischen Unternehmen, die bezüglich der Effizienz ihrer Investor Relations hoch eingestuft sind, markante Überrenditen nachweisen.4 Den Zusammenhang zwischen erhöhten IR-Aktivitäten, verbesserter „Sichtbarkeit“ der Unternehmen am Kapitalmarkt, erhöhter Attraktivität für Analysten und Investoren sowie verbesserter Marktbewertung belegen Bushee/Miller (2005). Für den deutschen Markt kann auch Pietsch (2004) die positive Wirkung guter Investor Relations-Arbeit auf die Analystencoverage nachweisen. Damit läge es eigentlich nahe, dass die Kräfte der Selbststeuerung des Marktes dafür sorgen, dass die Unternehmen aus schlichtem Eigeninteresse ihre Unternehmenskommunikation in Richtung der von den Finanzmarktteilnehmern gewünschten Qualität anheben und ihren Mitbewerbern auf diesem Feld überlegen sein wollen, indem sie effiziente Unternehmenskommunikation als Signal für erfolgreiche Unternehmensführung und Erfolgspotentiale nutzen. Gerade für die oft kleineren Immobilienaktiengesellschaften müsste die Hoffnung – so sie berechtigt ist – auf bessere Sichtbarkeit am Markt und breitere Abdeckung durch Analysten ein starker Anreiz sein. Für Offene Immobilienfonds hingegen dürfte der Marktanreiz insofern geringer sein, als die gesetzliche Bewertung zum NAV eine kursrelevante Reaktion des Marktes und damit eine Wirkung auf die Kapitalkosten faktisch ausschließt. Des Weiteren stehen die Fonds nicht unter der laufenden Beobachtung von Analysten. Allerdings zeigt sich zunehmend, dass die Anleger auf gute bzw. schlechte Nachrichten der Fonds wie auch auf entsprechende Beurteilungen durch Finanzdienstleister mit verstärkten Anteilskäufen bzw. Rückgaben ihrer Fondsanteile reagieren. Auch das Fondsmanagement ist damit dem Druck des Marktes auf bessere Information über die Performance und die Erfolgspotentiale ausgesetzt.
4.5.2.3 Das faktische Informationsverhalten von Immobilienunternehmen Das faktische Kommunikationsniveau der deutschen Immobilienaktiengesellschaften und Immobilienfonds trägt allerdings dieser Überlegung nur bedingt Rechnung. Es zeichnet, um es vorsichtig auszudrücken, ein zumindest gemischtes Bild, wenn auch vor allem bei den Offenen Publikumsfonds in jüngerer Zeit ein Schub zu höherer Transparenz, zumindest bezogen auf vorhandeneVermögen und realisierte Performance, nicht zu übersehen ist. Die Gründe für ein hinter den maximalen Wünschen und Bedürfnissen der Marktteilnehmer zurückbleibendes Niveau der Unternehmenskommunikation sind sicher vielfältig. Sie haben auf rationaler Ebene aber sowohl mit Input- wie mit Outputfaktoren zu tun. So muss konstatiert werden, dass der Wirkungszusammenhang zwischen dem Niveau der Transparenz und 4
Vgl. Agarwal/Liao/Nash/Taffler (2008)
408
4.5.2 Unternehmenskommunikation und Finanzmarktreaktion
der Kapitalmarktreaktion, verstanden als Sicherung „fairer“ Bewertung, Senkung der Eigenkapitalkosten, Steigerung bzw. Stabilisierung des Marktwerts und/oder Steigerung der Visibilität des Unternehmens, nicht so eindeutig beschrieben werden kann, wie es für eine rationale Wahl des Niveaus wünschenswert wäre. Welches Bündel an Informationen in welcher Frequenz und mit welchem Detaillierungsgrad die Investoren und Analysten wünschen, ist nicht eindeutig zu beschreiben. Hier wird es wohl auch große Divergenzen geben. Eher noch schwieriger und weniger eindeutig lässt sich erfassen, wie eine marginale Veränderung des Informationsniveaus vom Finanzmarkt aufgenommen und in messbare Reaktionen im vorher angesprochenen Sinne umgesetzt wird. Auch hier werden – das liegt auf der Hand – sehr komplexe, sicher nicht linear und eindimensional beschreibbare Zusammenhänge wirksam werden. So wird z.B. auch das situative Umfeld hierfür eine Rolle spielen. Denn in kritischen Situationen eines Unternehmens mag der Bedarf an spezifischen Informationen anders beurteilt werden als in „ruhigen Fahrwassern“. Insbesondere hatten wir – den von der DVFA formulierten Grundsätzen Effizienter Finanzkommunikation folgend – ja auch betont, dass weniger die einzelne spezifizierte Information für die Einschätzung der Qualität der Transparenz entscheidend ist, sondern die Gesamteinschätzung der Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der Kommunikationsbemühungen der Unternehmen. Damit spielt neben der Art, Menge und Relevanz der vermittelten Fakten auch die persönliche Komponente der Vermittlung eine wesentliche Rolle. Dem möglichen unsicheren „Ertrag“ erhöhter Transparenz stehen auf der anderen Seite die durch die Kommunikationsanstrengungen ausgelösten Kosten gegenüber. Aber auch diese Zuordnung einzelner Kosten- zu den Ertragskomponenten wird keinesfalls in so eindeutiger und messbarer Weise möglich sein, dass dies in ein Optimierungskalkül umgesetzt werden könnte. Mit diesen angedeuteten Schwierigkeiten der Quantifizierung von Transparenzniveaus haben auch alle wissenschaftlichen Untersuchungen zu kämpfen, da sie zu empirischen Überprüfung des behaupteten Zusammenhangs zwischen Transparenzniveau und Kapitalmarktreaktion ja ein einheitliches Transparenzmaß benötigen. Die verschiedentlich auftretenden Unterschiede in den Befunden wissenschaftlicher Studien sind zu großen Teilen auf Unterschiede in der Messung von Transparenzinhalten und Transparenzniveaus zurückzuführen. Ebenso dringend wie die Wissenschaft bedürfen die Immobilienunternehmen einerseits und die Investoren und Analysten andererseits eines solchen möglichst einheitlichen Maßstabs der vergleichenden quantifizierten Beurteilung von Transparenzniveaus. Die danach vorgenommenen Einstufungen vermögen aufzuzeigen, wie aus Sicht des Finanzmarkts die Kommunikationsbemühungen der einzelnen Unternehmen im Vergleich zu den gewünschten Informationsniveaus und zu den Wettbewerbern eingestuft werden. Sie könnten damit durchaus motivierende Effekte für die Unternehmen entfalten, die ein schlechtes Transparenzrating erhalten. Im Folgenden wollen wir daher die mögliche Entwicklung solcher Transparenzindizes kurz aufzeigen und diskutieren.
4.5.2.3 Das faktische Informationsverhalten von Immobilienunternehmen
409
4.5.3 Ansätze des Ratings der Transparenz von Immobilienunternehmen Ein Rating der Transparenz von Unternehmen soll in quantifizierter Weise die von den jeweiligen Unternehmen geleistete Unternehmenskommunikation dem von den Investoren und Analysten geforderten bzw. gewünschen Informationsbedarf gegenüber stellen und damit eine Aussage über das absolute und relative Informationsniveau erlauben. Zur Messung der Qualität von IR-Aktivitäten bzw. der Kommunikation von Unternehmen generell, also ohne spezifischen Branchenbezug, sind schon verschiedene Indizes entwickelt und eingesetzt worden. Beispielhaft seien die sich auf die USA konzentrierte jährliche Einstufung durch das Investor Relations Magazine oder die Rating Surveys der AIMR zur Unternehmenskommunikation erwähnt.5 In Deutschland veröffentlicht die Zeitschrift Capital – unterstützt von der DVFA und deren Analysten, die die Beurteilungen vornehmen – regelmäßig eine allerdings als Ranking bezeichnete Einstufung der Güte der IR-Arbeit von börsennotierten Unternehmen. Die Urteile schlagen sich in Punktbewertungen zwischen 0 und 500 nieder. Auf der Basis der eingangs zu dem Kapitel vorgestellten „Grundsätze für Effiziente Finanzkommunikation“ hat die DVFA zudem sog. Perception Profiles entwickelt, die ebenfalls eine quantitative Einstufung sowohl nach den dort unterschiedenen Einzelkategorien als auch für die Unternehmenskommunikation insgesamt erlauben.6 Die erwähnten Ratings bzw. Rankings sind selbstverständlich grundsätzlich auch für Immobilienunternehmen einsetzbar, wie die Präsentation der Wahrnehmungen deutscher Immobilengesellschaften durch Investment Professionals anhand der Perception Profiles der DVFA zeigt.7 Immobilienspezifische Informationsbedarfe bzw. -bedarfserfüllungen sind hierbei aber nicht explizit eingegangen. Zur Entwicklung eines Transparenzindexes, der (auch) immobilienspezifische Informationsinhalte berücksichtigt und beurteilt, kann in unterschiedlicher Weise vorgegangen werden. Es ist festzulegen, • was genau gemessen und beurteilt werden soll, • ob nur eine Gesamteinstufung oder auch Teilratings einzelner Untersuchungsbereiche möglich sein sollen,
5
Vgl hierzu Agarwal/Liao/Nash/Taffler (2008), S. 3 ff.
6
Vgl. hierzu Bassen/Frank/Levermann/Plümer (2006)
7
Vgl. Frank (2008)
410
4.5.3 Ansätze des Ratings der Transparenz von Immobilienunternehmen
• wer die Beurteilungen bzw. Einstufungen vornehmen soll und • in welchem Rhythmus die Beurteilungen erfolgen sollen. Bei den Kriterien kann man sich zum einen darauf beschränken, einen formalisierten, abschließend definierten Katalog von erläuternden Informationen zum Jahresabschluss nach Art, Inhalt und Detaillierungsgrad aufzustellen, die aus Sicht des Finanzmarktteilnehmers für hilfreich gehalten werden, um das Unternehmen in seiner Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu beurteilen. Dies hat den Vorteil, dass die Beurteilung objektivierbar ist und als Desktop-Auswertung vorliegender Geschäftsberichte vorgenommen werden kann, ohne dass hierzu der Sachverstand von Marktteilnehmern herangezogen werden muss. Diesen Weg geht das jüngst zum ersten Mal vorgestellte Transparenz-Rating für Immobilienaktiengesellschaften von Feri. Der Nachteil bei dieser Vorgehensweise ist, dass man sich mit der Auswahl und Festlegung der zu beurteilenden Einzelkriterien und auch von deren Gewichten in die Rolle des Experten begeben muss, der zutreffend beurteilen kann, welche Informationen für den Investor und Analysten definitiv von Bedeutung sind und in welcher Gewichtung sie in deren Gesamturteil einfließen. Im Detail unterstellt diese Vorgehensweise auch die Additivität bzw. Kompensationsfähigkeit einzelner Informationsinhalte, also letztlich deren innere Unabhängigkeit voneinander. Wir hatten aber mehrfach betont, dass wir die Informationsbedarfe der Investoren und Analysten nicht als einen abschließend beschreibbaren Katalog von Einzelinformationen sehen, sondern dass die Finanzmarktteilnehmer durchaus recht unterschiedliche Vorstellungen zu den Bewertungen und Gewichtungen der für ihre Beurteilungen relevanten Informationsbereiche und -niveaus entwickeln. Ein alternativer Weg zu einem Transparenzrating, der dem Rechnung trägt, verzichtet daher auf eine exakte Festlegung einer Vielzahl von Einzelkriterien, sondern beschränkt sich auf eine Vorgabe von Untersuchungsbereichen, die jeweils zu beurteilen sind. Dies macht insbesondere dann Sinn, wenn auch die Beurteilungen der Unternehmen und ihrer Kommunikationsqualität nicht von einem einzelnen „Experten“, sondern unmittelbar von den einschlägigen Finanzmarktteilnehmern, vor allem den Analysten, vorgenommen werden sollen. Für diese Vorgehensweise spricht, dass dann eben die Finanzmarktteilnehmer die Einstufungen der Transparenzqualität vornehmen, die aus diesen Informationen ihre Unternehmensbewertungen ableiten. Letztlich wird sich an den Reaktionen der beurteilten Unternehmen wie auch der Investoren zeigen, ob die Struktur und die konkret abgeleiteten Einstufungen eines Transparenzratings akzeptiert werden und die erhoffte motivatorische Wirkung einer Verbesserung des Informationsstands der Immobilienaktiengesellschaften entfalten.
1.2.4.6 Beseitigung der steuerlichen Unstimmigkeiten
411
Teil 5 Konzepte zur Beurteilung von Einzeltiteln 5.1
Kurszielermittlung bei der WestLB: Orientierung am NAV ...........413
5.2
Die modifizierte Economic Value Added (EVA®)-Analyse zur Beurteilung und Bewertung von Immobiliengesellschaften und Immobilienportfolios.................................................................429
5.3
Immobilienaktie oder REIT: Das Geschäftsmodell und seine Umsetzung sind entscheidend ..........................................449
5.4
Premiums und Discounts bei Immobiliengesellschaften – Theoretische Erklärungen und empirische Belege...........................461
5.5
Ratings für Offene Immobilienfonds und REITs .............................501
5.6
Der „G-REIT-Index“ – eine Benchmark für das deutsche REIT-Segment.......................................................529
5.1
Kurszielermittlung bei der WestLB: Orientierung am NAV
Georg Kanders 5.1.1
Schwächen klassischer Kennzahlen des Periodenerfolgs
414
5.1.1.1 Der Gewinn je Aktie: Bei Bestandshaltern eine schwache Option.........................414 5.1.1.2 Erhöhte Gewinntransparenz bei EPRA-Ergebnis....................................................415 5.1.1.3 Orientierung am FFO ..............................................................................................416 5.1.1.4 Generell: Abstellung auf periodenbezogene Kennzahlen wenig sinnvoll ..............416 5.1.2
Der NAV als aussagefähigere Kennzahl des Unternehmenswerts
417
5.1.2.1 Der NAV beseitigt die Periodenproblematik ..........................................................417 5.1.2.2 Überprüfung des NAV ............................................................................................418 5.1.2.3 Der Blick nach vorn: Erwartungen an die Immobilienpreisentwicklung................418 5.1.2.4 Weitere Einflussfaktoren auf Prämien und Abschläge ...........................................421 5.1.3
Welche Kennziffer erklärt den aktuellen Kurs am besten?
422
5.1.4
Kurszielermittlung bei der WestLB
423
5.1.5
Fazit
427
414
5.1.1 Schwächen klassischer Kennzahlen des Periodenerfolgs
Dieser Beitrag zeigt auf, wie bei der WestLB Kursziele für Immobilienunternehmen ermittelt werden, die überwiegend in der Immobilienbestandshaltung tätig sind. Generell dürften wie bei „normalen Aktien“ auch bei Immobilienbestandshaltern die drei Komponenten Ertrag, Substanz und Ausschüttung sowie deren Wachstum für die Kursbildung ausschlaggebend sein. Ertrag, Substanz und Dividenden werden in Relation zum jeweiligen Kurs in den Kennziffern KGV, KNAV und Dividendenrendite erfasst. Zusätzlich sind die entsprechenden Wachstumsraten zu betrachten. Wir zeigen im Weiteren auf, aus welchen Gründen für uns die periodenorientierten Kennziffern weniger in Betracht kommen und daher eine Orientierung am NAV bei diesen Unternehmen die beste Bewertungsoption ist.
5.1.1 Schwächen klassischer Kennzahlen des Periodenerfolgs 5.1.1.1 Der Gewinn je Aktie: Bei Bestandshaltern eine schwache Option Das Ergebnis je Aktie ergibt sich als Division des Jahresüberschusses nach Anteilen von Minderheiten durch die durchschnittlich ausstehende Anzahl der Aktien. Die Bewertung von Immobiliengesellschaften auf Basis des ausgewiesenen Gewinns je Aktie erscheint uns problematisch. Bei den Immobilienaktiengesellschaften sind dabei vor allem die unterschiedlichen Ansätze der Immobilien in den Bilanzen nach IFRS und deren Rückkopplung mit der GuV eine fragwürdige Basis. Schließlich besteht nach IFRS das Wahlrecht, Immobilienanlagevermögen zu Anschaffungskosten (nach Abschreibungen) oder zum Fair Value anzusetzen.1 Für das Vorratsvermögen sind generell Anschaffungskosten anzusetzen. Bei einer Bilanzierung zu fortgeführten Anschaffungskosten werden in der GuV die planmäßigen und evtl. außerplanmäßigen Abschreibungen erfasst, nicht dagegen Werterhöhungen über die fortgeführten Anschaffungskosten hinaus. Bei Bilanzierung zum Fair Value dagegen sind alle positiven und negativen Wertveränderungen der Immobilien erfolgswirksam zu erfassen.
1
Vgl. hierzu ausführlicher der Beitrag von Beck und Rehkugler im vorhergehenden Teil des Buches
5.1.1.2 Erhöhte Gewinntransparenz bei EPRA-Ergebnis
415
Da zwar für G-REITs die Bilanzierung zum Fair Value verpflichtend ist, anderen Immobilienaktiengesellschaften aber das Wahlrecht zwischen Cost- und Fair Value-Model bleibt und es auch unterschiedlich ausgeübt wird, ist zu konstatieren, dass bei den aktuell vier großen Bestandshaltern in Deutschland unrealisierte Wertsteigerungen nicht, teilweise oder sogar vollständig angesetzt werden. • IVG und Deutsche Wohnen (Fair Value Accounting ab 2007) • Deutsche EuroShop (Fair Value-Ansatz für in Betrieb befindliche Shoppingcenter, Developments zu Buchwerten => Nach Eröffnung entstehen Erstbewertungsgewinne) • DIC Asset (Anschaffungskostenansatz und Standardabschreibungen, kein Wechsel auf Fair Value Accounting angestrebt) Die Gewinne je Aktie der vier großen Bestandshalter in Deutschland sind damit nicht vergleichbar und müssen daher zum Unternehmensvergleich um Normalabschreibungen und unrealisierte Wertsteigerungen adjustiert werden. Hier läuft man allerdings Gefahr, mit der Veröffentlichung von geschätzten Gewinnen, die deutlich von denen abweichen, die die Unternehmen kommunizieren, Verwirrung zu stiften. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse der vier angesprochenen Bestandshalter lagen auf berichteter Basis, geschätzt für 2007, zwischen 15,1 und 45,4. Bei Adjustierung um Wertveränderungen reduziert sich die Spanne auf Werte zwischen 6,9 und 12,6.
5.1.1.2 Erhöhte Gewinntransparenz bei EPRA-Ergebnis Das EPRA-Ergebnis erweitert generell das Ergebnis um unrealisierte Wertveränderungen und deren steuerliche Implikationen (latente Steuern) und lässt in einem klaren Ergebnisschema die Gewinnbestandteile erkennen, die durch Veräußerungsaktivitäten und Wertänderungen sowie das Vermietungsgeschäft entstanden sind. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Investoren dem Vermietergebnis eine höhere Qualität zubilligen als realisierten Gewinnen aus der Veräußerung von Immobilien oder gar unrealisierten Zuschreibungen, ist es sicherlich gut, dass Ergebnisbestandteile minderen Wertes deutlich sichtbar werden. Damit macht das EPRA-Ergebnis sicherlich die Ergebnisse von Immobilienbestandhaltern untereinander vergleichbarer. Wie allerdings realisierte Verkaufsgewinne und unrealisierte Wertsteigerungen in die Unternehmensbewertung eingehen, bleibt nach wie vor dem Anwender überlassen. Zudem kann wegen der Erfassung unrealisierter Ergebnisbestandteile das EPRA-Ergebnis auch keine Basis für Ausschüttungen darstellen. Im Übrigen nutzen hohe unrealisierte Gewinnbestandteile dem Investor nichts, wenn sie nicht realisiert werden, weil z.B. das Unternehmen günstige Zeitpunkte zur Veräußerung von Immobilien nicht wahrnimmt. Letztlich ist auch das EPRA-Ergebnis als einzelne Kennziffer wie der Gewinn je Aktie eher ungeeignet, da nur eine Periode für die Bewertung herangezogen wird.
416
5.1.1 Schwächen klassischer Kennzahlen des Periodenerfolgs
5.1.1.3 Orientierung am FFO Um Probleme, die durch Ausnutzen von Wahlrechten beim Ansatz von Abschreibungen und Zuschreibungen sowie durch Veräußerungsaktivitäten entstehen, zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Gewinn je Aktie durch die in den USA gebräuchlichen Funds from Operations (FFO) zu ersetzen. Die Funds from Operations haben sich in den USA als industrieweiter Standard zur Messung der operativen Performance herausgebildet. Ausdrücklich wird diese Zahl gemäß der Empfehlung der NAREIT von fast allen REITs in Ergänzung zum US-GAAP Ergebnis berechnet und im Abschluss zusätzlich ausgewiesen. Wie beim alten DVFA-Ergebnis werden ausgehend vom Ergebnis nach US-GAAP Bereinigungen vorgenommen. Dabei handelt es sich um: • Gewinne und Verluste aus Verkaufserlösen, • Abschreibungen (insb. Normalabschreibungen auf Basis historischer Anschaffungskosten), • Bei Ergebnisbeiträgen aus nichtkonsolidierten Partnerschaften und Joint Ventures werden entsprechende Bereinigungen vorgenommen (gleiche Qualität dieser Ergebnisbeiträge). Die FFO dienen ausdrücklich als Basis zur Ermittlung des angemessenen Unternehmenswerts. Sie sind aber u. E. als einzelne Kennzahl zur Unternehmensbewertung nur dann geeignet, wenn es sich um einen Bestandshalter handelt und eine starke Übereinstimmung mit dem nachhaltig erzielbaren Ergebnis gegeben ist, wie es auch das gute alte DVFA-Ergebnis zu erfassen versuchte.
5.1.1.4 Generell: Abstellung auf periodenbezogene Kennzahlen wenig sinnvoll Generell halten wir die Ausrichtung der Bewertung an einer Erfolgskennzahl nur einer Periode für problematisch. In einem Geschäftsjahr kann es zu Verzerrungen kommen, die – werden sie nicht korrigiert – zu falschen Schlussfolgerungen in der Unternehmensbewertung führen. Hier seien nur folgende Elemente erwähnt: • Verzerrung durch Verkaufserlöse (Bereinigung bzw. Sichtbarmachung bei FFO und EPRA) • Verkäufe im Dezember (Operative Basis für das nächste Jahr wird reduziert) • Investitionsphasen (Refurbishment) werden nicht berücksichtigt • Leerstand ! keine Mieteinnahmen in der Periode ! kein Eingang in Bewertung (sind leerstehende Immobilien immer wertlos?) • Bei sinkenden Mieten Überzeichnung der Gewinnentwicklung durch implizite Fortschreibung der Gewinne auf alter Vertragsbasis
5.1.2.1 Der NAV beseitigt die Periodenproblematik
417
• Demgegenüber bei steigenden Mieten Unterzeichnung • Development mit unregelmäßigen Ergebnisbeiträgen • Auch erhaltene Abstandszahlungen können Ergebnis einmalig beeinflussen, dürften aber niedrigere Mieteinnahmen nach sich ziehen • Finanzmittelbestand bei Unternehmensauf- und -ausbau findet keine Berücksichtigung. Wir halten im Allgemeinen unter den periodenbezogenen Kennzahlen den nachhaltigen Cash Flow oder den FFO nur dann für eine gute Bewertungsoption, wenn es sich bei den zu bewertenden Unternehmen um reine, vollinvestierte Bestandshalter handelt und daher keine signifikanten Handels- oder Developmentaktivitäten bestehen. Allerdings dürfte sich u. E. ein gutes Einschätzungsergebnis auch nur dann ergeben, wenn man eine in die Zukunft reichende Zeitreihe betrachtet. Diskontiert man diese Zeitreihe, würde das Ergebnis auch einem sorgfältig ermittelten NAV recht nahe kommen.2
5.1.2 Der NAV als aussagefähigere Kennzahl des Unternehmenswerts 5.1.2.1 Der NAV beseitigt die Periodenproblematik Die oben aufgezeichnete Periodenproblematik erledigt sich zu einem Großteil durch die Betrachtung des NAV. Schließlich ergibt sich der Wert der Einzelimmobilie aus dem Gegenwartswert der diskontierten Zahlungsströme. Da bei einem Unternehmen, das vorwiegend als Bestandshalter aktiv ist, die wesentlichen Ergebnisbestandteile aus dem Immobilienbesitz stammen, sehen wir den NAV als eine hervorragende Bewertungsbasis an. Allerdings ist dabei vorauszusetzen, dass sich für das betrachtete Unternehmen keine abnormalen Abweichungen bei Verwaltungs- und Finanzierungskosten ergeben. Ansonsten könnten auch NNAV (zusätzliche Berücksichtigung latenter Steuern) und NNNAV (zusätzliche 2
Sofern sich beim FFO nicht größere Abweichungen in den Verwaltungs- und Finanzierungskostenkomponenten gegenüber der Branche ergeben.
418
5.1.2 Der NAV als aussagefähigere Kennzahl des Unternehmenswerts
Berücksichtigung der Marktwerte der Passiva) betrachtet werden. Letztere könnten an Bedeutung gewinnen, wenn diese Daten auch in Deutschland von den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Der bei den REITs vorgesehene Zwang zu hohen Ausschüttungen bringt den Dividendenstrom des REITs recht nahe an die Erträge eines Immobilienportfolios heran, so dass auch theoretisch eine ähnliche Betrachtung wie bei den zugrunde liegenden Immobilien immer angebrachter erscheint.
5.1.2.2 Überprüfung des NAV Vom Analysten werden die Unternehmensangaben zum NAV in aller Regel nicht einfach übernommen, sondern „überprüft“. Dabei werden die in der NAV-Berechnung angegebenen Verkehrswerte (oft für Unterportfolien) mit den Mieteinnahmen verglichen und daraufhin geprüft, ob die erhaltenen Relationen aus dem Rahmen der marktüblichen Mietmultiplikatoren oder der Marktrenditen fallen. Vielfach lassen sich Gründe für Abweichungen erkennen: Hier sind vor allem Leerstände und geringe Restlaufzeiten von Mietverträgen oder Abweichungen von der Marktmiete zu nennen. Ein guter Indikator für die Solidität der NAV-Angaben ist auch, ob in der Vergangenheit bei Veräußerungen stets Preise oberhalb der Gutachterwerte erreicht werden konnten.
5.1.2.3 Der Blick nach vorn: Erwartungen an die Immobilienpreisentwicklung Die Preise von Aktien werden aber generell nicht von Vergangenheitsdaten bestimmt, sondern von Erwartungen. Insofern interessiert nicht, wie hoch der NAV im vergangenen Jahr war, sondern wie dieser sich voraussichtlich weiterentwickelt. Die Zu- oder Abschläge zum historischen NAV dürften sich im Wesentlichen daran orientieren, wie Investoren die Entwicklung an den Immobilienmärkten einschätzen, an denen das Bestandshalteunternehmen die Immobilien hält. Daher entfällt bereits in Relation von Kurs zu NAV ein Großteil dieser Zu- oder Abschläge, wenn nicht der historische NAV, sondern der erwartete NAV als Basis der Bewertung herangezogen wird. In Erwartung steigender Immobilienpreise werden Marktteilnehmer nämlich bereit sein, einen Aufschlag auf den NAV zu zahlen, während in Erwartung fallender Immobilienpreise eher mit Abschlägen auf den NAV zu rechnen ist. Ausschlaggebend ist daher für uns nicht der historische, sondern der erwartete NAV(t+n). Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Bereitschaft der Investoren, Erwartungen über die zukünftige Entwicklung in den aktuellen Kursen zu antipizieren, deutlich
5.1.2.3 Der Blick nach vorn: Erwartungen an die Immobilienpreisentwicklung
419
schwanken kann. Daher kann ein festes n für den NAV nicht festgelegt werden. Der NAV wird aber fast immer erst zum Jahresende festgestellt und ist daher erst in den ersten Monaten des folgenden Jahres verfügbar. Wie bei der Akzeptanz von Gewinnschätzungen lassen sich die Investoren normalerweise auf etwa zwei in die Zukunft geschätzte Periodenwerte ein. Angesichts der mangelnden Historie in Deutschland – insbesondere in Bezug auf die Veröffentlichung von NAV-Daten – sei dies am Beispiel der Immobilienaktien in Frankreich illustriert. M arktkapitalisierung orientiert sich am N AV
30.000
25.000 20.000
15.000 10.000 5.000
M arktkapi tali si erung
06 20 4/
30
/0
20
06
05
1/
31
/1 31
/0
0/ 20
05
05
7/ /0 31
4/
30
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20
20
05
04
20
04 31
/1
0/
20
20
04
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/0
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/0
1/
20
20
20
04
03
03
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7/
20
03
03
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30
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1/
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02
02
20 0/ /1
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20
7/ 20
31
/0
4/ /0 30
31
/0
1/
20
02
02
0
NAV
Abb. 5.1- 1 Gleichlauf von Kursen und NAV in Frankreich; Quelle: JCF, WestLB Research
Wie die Abbildungen 5.1-1 und 5.1-2 erkennen lassen, wurden bis in das Jahr 2005 hinein die Zuschläge zum historischen NAV weitestgehend durch gestiegene NAV-Werte zum Jahresende bestätigt. Seit 2005 jedoch scheinen sich die Aufschläge immer weiter von den NAVs zu entfernen.
420
5.1.2 Der NAV als aussagefähigere Kennzahl des Unternehmenswerts Kurs/NAV in Frenkreich 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2
3 30 /0 4/ 20 03 31 /0 7/ 20 03 31 /1 0/ 20 03 31 /0 1/ 20 04 30 /0 4/ 20 04 31 /0 7/ 20 04 31 /1 0/ 20 04 31 /0 1/ 20 05 30 /0 4/ 20 05 31 /0 7/ 20 05 31 /1 0/ 20 05 31 /0 1/ 20 06 30 /0 4/ 20 06 31 /0 7/ 20 06 31 /1 0/ 20 06
2
01 /2 00
31 /
10 /2 00
31 /
31 /
07 /2 00
2
0
Abb. 5.1- 2 Verhältnis von Kursen zum NAV in Frankreich; Quelle: JCF, WestLB Research Berechnungen
Das tatsächliche Ausmaß der Bewertungsaufschläge fällt aber niedriger aus, wenn man die Erwartungen des Marktes bezüglich der NAV-Entwicklung betrachtet. Tatsächlich sind, wie aus Abbildung 5.1-3 hervorgeht, im Jahresverlauf auch die Schätzungen (JCF-Consensus) für den NAV 2007 bei einzelnen französischen Immobilienwerten zum Teil recht kräftig gestiegen. Im ungewichteten Durchschnitt ergibt sich eine Erhöhung der Schätzungen um rund 20 %. Bei einigen SIICs, so auch beim Schwergewicht Unibail, stiegen die ConsensusSchätzungen sogar noch stärker.
Veränderung bei den NAV-Schätzungen (Consensus) 31.03.2006
04.12.2006
Veränderung
Affine
118,58
120,49
1,6%
Fonciere des Régions
68,09
99,14
45,6%
Gecina
95,91
104,82
9,3%
Klépierre
76,25
77,1
1,1%
Silic
69,55
98,45
41,6%
Unibail
117,55
144,92
23,3%
Durchschnitt Abb. 5.1- 3 Entwicklung der NAV-Schätzungen; Quelle: JCF
20,4%
5.1.2.4 Weitere Einflussfaktoren auf Prämien und Abschläge
421
200 180 160 140 120 100 80 60 40 20
Unibail
17.11.2006
03.11.2006
20.10.2006
06.10.2006
08.09.2006
22.09.2006
25.08.2006
11.08.2006
28.07.2006
14.07.2006
30.06.2006
16.06.2006
02.06.2006
19.05.2006
05.05.2006
21.04.2006
07.04.2006
24.03.2006
10.03.2006
24.02.2006
10.02.2006
27.01.2006
13.01.2006
30.12.2005
0
NAV 2007E
Abb. 5.1- 4 Entwicklung von Kurs und NAV bei Unibail
Bei starker Ausnutzung des Leverage wird der Effekt auf Zu- oder Abschläge noch ausgeprägter sein. In Marktaufschwungphasen dürften die Investoren höher verschuldete Unternehmen bevorzugen, da sich Wertsteigerungen im Immobilienportfolio dann überproportional auf den NAV des Unternehmens durchschlagen. In unsicheren Zeiten dürften die Marktteilnehmer dann wieder Unternehmen mit geringerer Verschuldung bevorzugen. Einen dämpfenden Effekt auf leveragebedingte Ausschläge dürften sich u.E. durch hohe Ausschüttungen ergeben, da sich dadurch der zeitgewichtete Zahlungsstrom näher an die Gegenwart verschiebt und sich später in der Zeitachse ergebende Wertveränderungen relativ an Gewicht verlieren.
5.1.2.4 Weitere Einflussfaktoren auf Prämien und Abschläge Darüber hinaus sehen wir noch Chancen auf Bewertungsprämien durch verschiedene andere Faktoren quantitativer wie auch qualitativer Natur: • Transparenz (siehe Beiträge im vorigen Teil) • Prognostizierbarkeit der nachhaltigen Erträge • Managementqualität: Immobilienexpertise und Finanzmarktkommunikation (auf Versprechungen müssen Fakten folgen) • Gewinnwachstum und Volatilität der operativen Ergebnisse (Track Record) • Niedrige Kosten des Managements (allerdings entstehen auch Verwaltungskosten bei eigenem Immobilienportfolio)
422 • • • • •
5.1.3 Welche Kennziffer erklärt den aktuellen Kurs am besten?
Diversifizierte Mieterstruktur, Qualität der Mieter (keine Klumpenrisiken) Hoher Vermietungsgrad, diversifizierte Laufzeitenstruktur der Mietverträge Ausnutzen des Leverage (aber nur in Marktphasen mit niedrigen Zinsen!) Niedrige Finanzierungskosten Hohe Liquidität der Aktien (Marktkapitalisierung des Free-Float, Durchschnitt bei den US-Reits ca.1,5 Mrd USD)
Die Liquiditätskomponente ist zumindest bei normalen Aktien des Öfteren untersucht worden und dürfte sich zwischen den einzelnen Größenklassenindizes auf jeweils rund 5% belaufen. D.h. ein kleines Immobilienunternehmen unterhalb des S-DAX könnte wegen fehlender Liquidität und damit fehlenden Interesses großer internationaler Anleger durchaus mit bis zu 20 % Abschlag zu einem vergleichbaren Unternehmen im DAX (> 5 Mrd € Free-Float Marktkapitalisierung) gehandelt werden. Als den wesentlichen Faktor in der Bewertung sehen wir allerdings die Wachstumskomponente an. Diese kann nicht allein auf das Wachstum des NAV beschränkt bleiben, sondern muss auch die erwarteten Ausschüttungen, die ja zu Lasten des zukünftigen NAV gehen, erfassen. Wir bezeichnen die Summe aus Dividendenzahlung und Veränderung des NAV gegenüber dem Vorjahr als Wertgenerierung. Die Wertgenerierung lässt sich in Prozent des jeweils am Periodenbeginn historischen oder geschätzten NAV ausdrücken. Besteht im Vergleich zu anderen Unternehmen überdurchschnittliches Potential, dürfte diesem Unternehmen eine höhere Prämie zuzubilligen sein.
5.1.3 Welche Kennziffer erklärt den aktuellen Kurs am besten? In einem Vergleich einzelner Kennziffern bei vier großen Bestandshaltern in Deutschland (siehe Abbildung 5.1-5) zeigt sich eindeutig, dass deren Kurse sehr gut durch den erwarteten NAV erklärt werden können. Bei der Kennzahl EV/EBITDA fällt der Erklärungsgehalt schon deutlich schlechter aus. Beim KGV und erstaunlicherweise auch beim Kurs/FFO-Verhältnis sehen wir extrem hohe Abweichungen vom Durchschnittswert.
5.1.2.4 Weitere Einflussfaktoren auf Prämien und Abschläge
423
DIC Asset
Deutsche EuroShop
Deutsche Wohnen
IVG
P/NAV
1,19
1,04
1,20
1,09
0,08
1,13
6,9%
P/E
15,1
17,2
45,4
24
13,85
25,43
54,5%
Basierend auf 2007E
EV/EBITDA
Standardabweichung
Durchschnitt
STD in% des Durchschnitts
17
21,8
24,4
15,9
4,01
19,78
20,3%
P/FFO
15,1
28,3
156,6
92,1
65,08
73,03
89,1%
Kurs (4.12.06)
27,78
52,9
48,54
29,57
12,87
39,70
32,4%
Abb. 5.1- 5 Erklärungsgehalt unterschiedlicher Kennzahlen
Die extrem hohen Werte bei der Kennzahl Kurs zu FFO der Deutsche Wohnen und der IVG sind wahrscheinlich auch an der Ausrichtung des Unternehmens auf die Erzielung von Verkaufsgewinnen zurückzuführen. Die dafür aufgewendeten Kosten und Investitionen werden aber (mit Ausnahme der Vertriebsprovisionen bei der Deutsche Wohnen) nicht gesondert ausgewiesen und können daher nicht berücksichtigt werden. Da wir beim Kurs/NAV-Verhältnis eine sehr geringe Streuung sehen, haben wir bei der WestLB den erwarteten NAV als Basis der Kurszielermittlung und damit für unsere Empfehlungen gewählt. Dass diese Kennzahl eine gute Indikation des „wahren“ Werts und der Wertentwicklung liefert, hatten wir allerdings schon vor Jahren aufgezeigt.3
5.1.4 Kurszielermittlung bei der WestLB Basis für die Kurszielermittlung ist ein für die Zukunft geschätzter NAV. Im Dezember 2006 (dies ist der Zeitpunkt, auf dem die folgenden Analysen basieren) war dies der geschätzte NAV für das Jahr 2007. In der Regel bezieht sich der zugrunde liegende Wert auf den Jahresabschluss zwei Perioden nach den letzten verfügbaren veröffentlichten Unternehmensdaten. Die im Dezember 2006 zugrunde gelegten Schätzwerte für die NAVs und Dividenden deutscher Immobilien-AGs sind in Abbildung 5.1-6 wiedergegeben.
3
Vgl. Kanders/Thomaschowski (2003), S. 130
424
5.1.4 Kurszielermittlung bei der WestLB
NAV je Aktie
2005
2006E
2007E
2008E
DIC Asset
13,98
20,95
23,26
24,96
Dt. EuroShop
46,22
48,6
50,81
55,86
18
24,58
27,05
30,21
37,86
37,72
40,48
43,08
2005
2006E
2007E
2008E
DIC Asset
0,56
0,70
1,70
2,10
Dt. EuroShop
2,00
2,00
2,00
2,20
IVG
0,38
0,45
0,50
0,55
Dt. Wohnen
1,75
1,75
1,75
1,75
IVG Dt. Wohnen
Dividende je Aktie
Abb. 5.1- 6 WestLB Schätzungen am 05.12.2006; Quelle: Unternehmensangaben
Bei der IVG (siehe Abbildung 5.1-7) sahen wir damals hinreichendes Wachstum, gute Transparenz und einen guten Track Record und eine hohe Liquidität, so dass wir eine Prämie von 12% für gerechtfertigt erachteten. Hinzu rechneten wir die Dividendenzahlungen, die wir für 2006 und 2007 erwarteten. Erwartete Wertgenerierung
2006E
2007E
2008E
Durchschnitt 06E-08E
Durchschnitt 07/08
DIC Asset
54,9%
19,1%
16,3%
30,1%
17,7%
Dt. EuroShop
9,5%
8,7%
14,3%
10,8%
11,5%
IVG
39,1%
12,1%
13,7%
21,6%
12,9%
Dt. Wohnen
4,3%
12,0%
10,7%
9,0%
11,4%
Abb. 5.1- 7 Kursziele und Ratings der WestLB für die IVG im Vergleich zur Kursentwicklung, Position 12/06
Den NAV für IVG sahen wir zum Jahresende 2007 bei 27,05 €. Mit einer Prämie von 12 % errechnete sich ein Zwischenwert von 29,76 €. Addieren wir die damals geschätzten Dividenden von 0,45 € und 0,50 € hinzu, ergab sich abgerundet ein Kursziel von 31 €.
5.1.2.4 Weitere Einflussfaktoren auf Prämien und Abschläge
425
Bei der DIC Asset erwarteten wir ein deutlich höheres Wachstum. Hier erwarteten wir für 2007 und 2008 eine Wertgenerierung, die fast fünf Prozentpunkte über dem Durchschnitt der Wertgenerierung der übrigen großen Bestandshalter in Deutschland liegt. Schaffte es das Unternehmen, dies nur drei Jahre durchzuhalten, war der Ansatz einer um 15 Prozentpunkte höheren Prämie (10 %+15 %=25 %) gerechtfertigt. Entsprechend ergab sich ein Kursziel von 32 €. Die Deutsche EuroShop (siehe Abbildung 5.1-8) überzeugte durch sehr hohe Visibilität, einen guten Track Record und ein vergleichsweise geringes Risiko. Hier hielten wir den Ansatz einer Prämie von 10 % auf den geschätzten NAV für gerechtfertigt. Hinzu kamen die beiden erwarteten Dividendenzahlungen von jeweils 2 €, die aufgrund der Konstruktion der Dt. EuroShop (technisch Rückzahlung von Einlagen) steuerfrei sind. Den Wert der Steuerfreiheit dieser Dividende setzten wir mit einem Viertel der Dividendenzahlungen an. Für das Shopping-Center Projekt in Danzig, das erst 2008 in die Bewertung eingehen wird, haben wir zusätzlich einen Euro angesetzt. Dieses Projekt spiegelt sich in der Beschleunigung der Wertgenerierung in 2008 auf über 14 % wider. Wir waren der Ansicht, dass dieses Potential, da am Markt bekannt, bereits damals in die Kursbildung einfließen sollte. Insgesamt sahen wir ein Kursziel von aufgerundet 62 €.
Kursziele
IVG
DES
DIC
DWN
NAV 2007E
27,05
50,81
23,26
40,48
Prämie
12%
10%
25%
17%
Prämie €
3,25
5,08
5,82
6,88
Dividenden
0,95
4,00
2,40
3,50
Sonstiges
0,00
1,00
0,00
0,00
Steuerfreiheit der Dividenden
0,00
1,00
0,00
0,88
31,25
61,89
31,48
51,74
Abb. 5.1- 8 Kursziele und Ratings der WestLB für die Deutsche EuroShop im Vergleich zur Kursentwicklung, Basis 12/06
Bei der Deutsche Wohnen haben wir aufgrund des sehr risikoarmen Portfolios eine Prämie von 17 % angesetzt. Hinzu rechneten wir ebenfalls zwei steuerfreie Dividenden. Wie bei der
426
5.1.4 Kurszielermittlung bei der WestLB
Dt. EuroShop setzten wir den Wert der Steuerfreiheit mit einem Viertel der Dividendenzahlungen an. Aufgerundet ergab sich ein Kursziel von 52 €. Mit diesem Verfahren der Kurszielsetzung haben wir in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gemacht. Wie aus den folgenden Grafiken für die IVG und die Deutsche EuroShop ersichtlich wird, konnten wir meist rechtzeitig Kurspotentiale aufzeigen, die sich dann später realisierten. IVG Immobilien IVGG.F 35 30 25 20 15 10 5 Dez 03
Jun 04
Dez 04
Jun 05
Dez 05
Jun 06
Datum
Kurs
Verändert zu …
Datum
Kurs
Verändert zu …
Datum
Kurs
Verändert zu …
25. Okt 06
29,20
Halten
28. Apr 06
22,75
Kaufen
21. Jan 05
13,10
Halten
16. Aug 06
26,74
Akkumulieren
24. Feb 06
21,80
Akkumulieren
31. Mrz 04
9,05
Akkumulieren
22. Mai 06
21,47
Kaufen
31. Jan 06
23,75
Halten
12. Mai 06
26,62
Akkumulieren
13. Apr 05
13,90
Akkumulieren
Abb. 5.1- 9 Kursziele und Ratings der WestLB für die IVG im Vergleich zur Kursentwicklung
Deutsche EuroShop DEQGn.DE 65 60 55 50 45 40 35 30 Dez 03
Jun 04
Dez 04
Jun 05
Dez 05
Jun 06
Datum
Kurs
Verändert zu …
Datum
Kurs
Verändert zu …
Datum
Kurs
15. Mai 06
54,40
Akkumulieren
27. Jan 06
52,84
Halten
24. Jun 05
44,00
03. Apr 06
57,23
Halten
15. Aug 05
48,26
Akkumulieren
09. Feb 06
51,99
Akkumulieren
28. Jul 05
50,10
Halten
Verändert zu …
Abb. 5.1- 10 Kursziele und Ratings der WestLB für die Deutsche EuroShop im Vergleich zur Kursentwicklung
Die Coverage der Deutschen EuroShop wurde am 24.6.2005 mit einem ADD-Rating aufgenommen.
5.1.2.4 Weitere Einflussfaktoren auf Prämien und Abschläge
427
Auf vergleichbare Grafiken von Dt. Wohnen und DIC Asset haben wir verzichtet, da bei beiden Unternehmen die Coverage erst im Sommer 2006 aufgenommen wurde und die Grafiken somit noch nicht aussagekräftig waren.
5.1.5 Fazit Wir verlassen uns nicht vollständig auf eine einzelne Kennziffer, sehen aber den geschätzten NAV als wesentliche Basis zur Bewertung von Immobilienbestandshaltern an. Die Zu- oder Abschläge auf diese Basis hängen von einer Vielzahl von Faktoren (auch qualitativer Natur) ab. Die wichtigsten Faktoren sind dabei u.E. das Wachstum des NAV und die Dividende, die wir in der sogenannten Wertgenerierung zusammenfassen. Daneben spielen Risiko, Transparenz und die Liquidität der Aktie eine wichtige Rolle.
428
5.1.5 Fazit
5.2
Die modifizierte Economic Value Added (EVA®)-Analyse zur Beurteilung und Bewertung von Immobiliengesellschaften und Immobilienportfolios
Stefan Goronczy 5.2.1
Problem: Marktbewertung von Immobilienaktien weicht vom Net Asset Value ab
430
5.2.2
Modifizierte Economic Value Added-Analyse für Immobilien
433
5.2.2.1 Beschreibung der allgemeinen Economic Value Added-Analyse ..........................434 5.2.2.2 Modifizierungen für den Immobilienbereich ..........................................................437 5.2.2.3 Eignung der EVA®-Analyse für Bewertungen im Immobilienbereich...................440 5.2.2.4 Wechselwirkung von NAV- und EVA®-Konzept am theoretischen Beispiel ........442 5.2.3
Anwendung der EVA®-Analyse am praktischen Beispiel
445
5.2.3.1 Beispiel: Immobilienaktie Deutsche Euroshop .......................................................445 5.2.3.2 Beispiel: Offener Immobilienfonds Grundbesitz Europa........................................446 5.2.4
Fazit: Modifizierte EVA®-Analyse in der Immobilienbewertung
448
5.2.1 Problem: Marktbewertung von Immobilienaktien weicht vom Net Asset Value ab Die Marktbewertung von Immobilienaktien an der Börse stimmt sehr häufig nicht mit ihrem Nettoinventarwert, dem Net Asset Value (NAV), überein. Auf fast allen Immobilienaktienmärkten der Welt kommt es periodisch abwechselnd zu teilweise sehr erheblichen Kursaufschlägen zum bzw. -abschlägen vom NAV. In Deutschland wurden Immobilienaktien bis etwa 2004 jahrelang mit Kursabschlägen von zeitweise über 40 % auf den NAV gehandelt. Bis Mitte 2007 waren Investoren bereit, für einige Immobilienaktien Prämien von über 40 % zu zahlen, während derzeit fast alle Immobilienaktien unterhalb ihres NAV notieren. Dabei erwartet eine Vielzahl von Marktteilnehmern grundsätzlich, dass sich der Börsenkurs einer Immobilienaktie bzw. eines Real Estate Investment Trust (REIT) sehr nahe am NAV, dem Wert des Vermögens abzüglich der verschiedenen Verbindlichkeiten des Immobilienunternehmens bewegt. Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen der Erwartungshaltung von Marktteilnehmern und dem Geschehen am Immobilienaktienmarkt lässt sich u.E. nicht allein durch die Antizipation zukünftiger Höher- oder Abwertung des Immobilienbestands erklären. Vielmehr ergeben sich bereits aus der Bewertungskonzeption des NAV die ersten Ursachen für eine Abweichung des theoretischen Wertes einer Immobilienaktie und ihrer Marktbewertung. Dass diese periodischen Über- und Unterbewertungen ein weltweites Phänomen sind, belegt Abbildung 5.2-1.
5.2.2.1 Beschreibung der allgemeinen Economic Value Added-Analyse
431
Abb. 5.2.- 1 Entwicklung des Zu- bzw. Abschlags auf den Net Asset Value auf entwickelten Immobilienaktienmärkten
Der NAV ist das Ergebnis der Subtraktion verschiedener Verbindlichkeitspositionen vom Wert der Immobilien und des sonstigen Vermögens. Schon bei der Wertermittlung des Vermögens dürften die verschiedenen Akteure, die sich an der Findung eines fairen Marktwertes für die Immobilienaktie versuchen, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Als Akteure sind dabei neben den vom Immobilienunternehmen beauftragten Immobiliensachverständigen und dem Management selbst auch die Financial Community, also Investoren und Analysten, zu nennen. Letztere analysieren nach eigenen Kriterien, soweit es die Transparenz des Unternehmens zulässt, die Vermögensgegenstände und kommen zu eigenen Bewertungsergebnissen. Natürlich haben die beauftragten Immobiliensachverständigen und das Management einen evidenten Informationsvorsprung, aber letztlich ist auch ihr objektiviertes Werturteil nur eine Meinung, wenn gleich eine sehr fundierte. Die Unterschiede bei den Annahmen zur zukünftig erzielbaren Miete, deren Wachstum, dem Bewirtschaftungs- und Reinvestitionsaufwand sowie dem Kapitalisierungszinssatz führen abhängig von der Größe des Immobilienportfolios zu einer großen Bandbreite für das Bruttovermögen des Immobilienunternehmens. Diese Bandbreite wird durch die unterschiedliche Bewertung von Unternehmensaktivitäten, die nicht Vermietungs- oder Projektentwicklungsgeschäft sind, noch erhöht. Die an der Findung eines fairen Marktwertes Beteiligten beginnen bei ihrer NAV-Berechung also bereits mit unterschiedlichen Ausgangsgrößen für das Bruttovermögen. Von dieser werden die relativ unstrittigen Werte für Kredite und sonstige Verbindlichkeiten subtrahiert. Bei den ebenfalls abzuziehenden Rückstellungen kann es auch
432
5.2.1 Problem: Marktbewertung von Immobilienaktien weicht vom Net Asset Value ab
zu unterschiedlichen Ansätzen kommen. Als Summe ergibt sich ein erster NAV, der häufig die Basisgröße zur Identifizierung von Kurszu- und abschlägen durch die Börsenbewertung ist. Er berücksichtigt allerdings noch nicht die Kosten des Unternehmens, die sich nicht auf einzelne Immobilien zuordnen lassen, und auch nicht die einer möglichen Liquidation der Vermögenswerte. Diese hypothetisch unterstellte Liquidation würde zudem zur Realisierung von Buchgewinnen führen, auf die latente Steuern zu berücksichtigen sind. Außerdem kann für die verzinslichen Verbindlichkeiten anstatt des Nominalkapitals der zu Marktzinsen diskontierte Marktwert des Fremdkapitals angesetzt werden. Werden der Barwert der Overheadkosten, latente Steuern und modifizierte Ansätze berücksichtigt und abgezogen, kommt man zum NNNAV. Da auch für diese Abzugsgrößen bei den Beteiligten unterschiedliche Annahmen zu Grunde liegen, dürfte sich eine große Bandbreite unterschiedlicher NAVs ergeben.
Ermittlungsschema des NAV: Verkehrswerte Immobilienportfolio (Bestand u. Projektentwicklung) + sonstige Vermögenswerte ./. Verbindlichkeiten (Kredite, Rückstellungen, sonstige Verbindlichkeiten) = NAV ./. Transaktionskosten eines hypothetischen Verkaufs ./. latente Steuern auf Veräußerungsgewinne ./. Differenz aus Nominal- und Marktbewertung des Fremdkapitals = NAV nach EPRA-Empfehlung ./. Overheadkosten der AG = NAV nach potenziellen Abzügen Die Ursachen für eine vom NAV abweichende Marktbewertung der Immobilienaktien bzw. die unterschiedliche Höhe der ermittelten NAVs scheint uns mit den aufgezeigten verschiedenen Annahmen bei der Ermittlung des NAV aber noch nicht erschöpft zu sein. Es gibt u.E. mehrere Faktoren, die nicht nur zu einer unterschiedlichen Bewertung der Immobilien führen, sondern diese auch rechtfertigen. Diese Faktoren ergeben sich vor allem daraus, dass eine Immobilienaktie mehr ist als die Summe der einzelnen Immobilien des Unternehmens. Denn eine Immobilienaktie oder ein REIT repräsentiert ein im Immobilienmarkt agierendes Unternehmen, dessen Management sich in seiner Fähigkeit, das Immobilienportfolio zu bewirtschaften, durchaus von den Managementteams anderer Immobilienunternehmen unterscheiden kann. Anders gesagt, ergeben sich zwei Bereiche, die für weitere Bewertungsunterschiede verantwortlich sein können. Erstens kann ein Immobilienportfolio/-unternehmen – wie schon im Beitrag zu den Grundlagen der Bewertung dargestellt – anders bewertet werden als die Summe der einzelnen Immobilien, und zweitens kann das Management fähig sein, mehr aus dem Portfolio zu erwirtschaften, als bei der Wertermittlung für die einzelnen Immobilien unterstellt wurde. Dass ein Immobilienunternehmen/-portfolio anders zu bewerten ist als die Einzelimmobilien, ist auf die Faktoren Unternehmensbesteuerung, Finanzierung und Risikobeurteilung des Portfolios zurückzuführen. So spielt bei der Bewertung der Einzelimmobilien die Besteue-
5.2.2.1 Beschreibung der allgemeinen Economic Value Added-Analyse
433
rung keine Rolle. Weder bei den zu bewertenden Cash Flows noch im Diskontierungszinssatz werden Unternehmenssteuern berücksichtigt. Sie kommen erst bei der Bewertung des Immobilienunternehmens zum Tragen. Daraus ergeben sich Bewertungsunterschiede zwischen steuerlich transparenten REITs und nicht steuerlich transparenten Immobilienaktien, wie Abbildung 5.2-1 zeigt. So wurden die nicht steuertransparenten britischen Immobilienaktien nahezu durchgehend mit einem höheren Abschlag auf den NAV gehandelt als die steuerlich transparenten REITs in Australien, den USA und den Niederlanden. Ebenso wie die Besteuerung ist die Finanzierung bei der Einzelbewertung der Immobilien nicht relevant. Bei der Immobilienunternehmensbewertung spielt die Finanzierung des Portfolios aufgrund der Nutzung des Leverage-Effekts hingegen eine wichtige Rolle. Schon allein daraus, aber auch aus der unterschiedlichen Beurteilung des Unternehmens- bzw. Portfoliorisikos auf der einen und den Risikoprämien bei den einzelnen Immobilien auf der anderen Seite, resultieren unterschiedliche Kapitalisierungszinssätze für die Bewertung. Identische Kapitalisierungszinssätze sind aufgrund der unterschiedlichen theoretischen Herleitung auch nicht zu erwarten. Während die von den Immobiliensachverständigen ermittelten Kapitalisierungszinssätze idealtypisch aus Transaktionen vergleichbarer Immobilien abgeleitet werden, resultieren die Diskontierungsfaktoren der Immobilienunternehmensbewertung aus dem am Kapitalmarkt verwendeten Capital Asset Pricing Modell (CAPM). Neben diesen rein bewertungstheoretischen Unterschieden kann es u.E. sein, dass der Kapitalmarkt bei der Bewertung einer Immobilienaktie den Umstand berücksichtigt, dass das Management mehr oder weniger aus dem Portfolio erwirtschaften wird als die Immobiliensachverständigen bei der Bewertung der Immobilien unterstellen. Wir meinen, dass dieser qualitative Unterschied eine wichtige Ursache für Zu- bzw. Abschläge zum NAV ist und durch fundamentale Unternehmensbewertungsmethoden wie die Discounted-Cash-Flow(DCF) oder Economic Value Added-Methode (EVA®) quantifiziert werden kann.
5.2.2 Modifizierte Economic Value Added-Analyse für Immobilien Die Bewertung von Immobilienunternehmen ist mehr als die Addition von Werten für Einzelimmobilien, denn sie bewertet Immobilienportfolios, ergänzende Geschäftsaktivitäten und Unternehmenswachstum sowie die Fähigkeiten des Managements. Es können die klassischen fundamentalen Bewertungsmethoden auf Basis des Discounted-Cash-Flow (DCF) oder des Economic Value Added (EVA®) herangezogen werden. Wir halten die EVA®-Methode für Immobilienunternehmen für geeigneter als die DCF-Methode. Das liegt an der nur indirekten
434
5.2.2 Modifizierte Economic Value Added-Analyse für Immobilien
Berücksichtigung von Investitionen und Desinvestitionen in der bewertungsrelevanten Größe der EVA®-Methode. Immobilienunternehmen sind kapitalintensiver als die meisten anderen Unternehmen und ihr Wachstum ist zwingend mit sehr hohen Investitionen verbunden. Der Kapitalumschlag ist bei Immobilienunternehmen vergleichsweise gering. Der Zahlungsstrom für Investitionen und aus Desinvestitionen beeinflusst den bewertungsrelevanten Cash Flow eines Immobilienunternehmens mehr als den eines Industrieunternehmens. Die Bedeutung des Investitions-/Desinvestitions-Cash Flows ist umso höher, je mehr es sich um ein Immobilienunternehmen handelt, das ein aktives Portfoliomanagement betreibt oder noch stark wächst. Die Einbeziehung zukünftiger Investitionen und Desinvestitionen in den bewertungsrelevanten Free Cash Flow der DCF-Methode erschwert die zukunftsgerichtete Bewertung eines wachsenden Immobilienunternehmens. Die verschiedenen Markteilnehmer schätzen die zukünftigen Investitionen und Desinvestitionen sehr differenziert ein und beziehen sie folglich unterschiedlich in die Bewertung ein. So können Investitionen bzw. Desinvestionen die jeweils geplanten Free Cash Flows sehr stark beeinflussen. Bei der EVA®-Methode werden hingegen nur die Auswirkungen der Investitionen (Mieten) und der Desinvestitionen (realisierte Buchgewinne) in die bewertungsrelevante Größe, den Net Operating Profit After Tax (NOPAT), einbezogen. Durch die Ausblendung der künftigen Investitions-/Desinvestitions-Cash Flows ist die Planung des zukunftsgerichteten NOPATs leichter als die des Free Cash Flows. Für die Fortentwicklung des investierten Kapitals und der daraus abgeleiteten Capital Charge ist allerdings der künftige Saldo aus Investitionen und abgehenden Immobilienbuchwerten notwendig. Dieser Saldo hat aber weniger Einfluss auf das Bewertungsergebnis als im Free Cashflow-Verfahren.
5.2.2.1 Beschreibung der allgemeinen Economic Value Added-Analyse Die EVA®-Analyse ist eine Unternehmensbewertungsmethode und zugleich ein anerkanntes Instrument zur wertorientierten Unternehmensführung, insbesondere von kapitalintensiven Gesellschaften. Die EVA®-Analyse ist am Shareholder-Value-Konzept ausgerichtet und macht transparent, ob ein Unternehmen aus dem investierten Kapital die risikoadäquaten Kapitalkosten erwirtschaftet und darüber hinaus Werte schafft oder vernichtet. Der Unternehmensgesamtwert (Entity-Approach) berechnet sich als Summe aus dem investierten Kapital zu Buchwerten und dem Market Value Added (MVA). Der MVA stellt die Wertschöpfung über das investierte Kapital hinaus dar. Den MVA erhält man, wenn alle künftigen EVA®s diskontiert und addiert werden. Der EVA® gibt den Betrag der Wertschaffung im betreffenden Jahr an, sofern er positiv ist. Ist er negativ, so hat das Unternehmen Wert vernichtet. Man ermittelt den EVA® als Differenz aus dem betrieblichen Gewinn nach Steuern (NOPAT) und den absoluten Kapitalkosten (Capital Charge).
5.2.2.1 Beschreibung der allgemeinen Economic Value Added-Analyse
435
Berechnung des NOPAT EBIT + implizite Kapitalkosten für Pensionsrückstellungen - Cash operating taxes = NOPAT Berechnung der Cash operating taxes Steueraufwand + tax shield [aus Steuersatz x (Zinsaufwand - Zinsertrag)] = Cash operating taxes Die Kapitalkosten werden nach dem Entity-WACC-Ansatz ermittelt. Wobei zur Diskontierung ein nach der Kapitalstruktur des investierten Kapitals zu Marktwerten gewichteter Zinssatz aus Eigen- und Fremdkapitalkosten verwendet wird. Da die Zins-Gewichte nicht auf der Bilanzsumme basieren, sondern auf Marktwerten des investierten Kapitals, verschiebt sich bei vorhandenen stillen Reserven das Gewicht zugunsten des Eigenkapitals. Die Kapitalkosten wären dann höher als auf Buchwertbasis. Der WACC-Ansatz impliziert, dass der Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung im Diskontierungszinssatz enthalten ist und auf Ebene des NOPAT eliminiert wurde. Dies geschieht durch das Herausrechnen der durch den Zinsaufwand entstandenen Steuerersparnis. Die Eigenkapitalkosten werden, auch dies sei hier wiederholend dargestellt, nach dem Capital-Asset-Pricing-Modell (CAPM) ermittelt. Das unternehmensindividuelle Risiko fließt über den Beta-Faktor, der empirisch aus den jeweiligen Aktienkursen in Relation zu einem sehr marktbreiten Aktienmarktindex ermittelt wird, in die Kapitalkosten ein.
FKMW + rEK WACC = rFK x (1 − s ) GKMW
EKMW GKMW
WACC = gewogene durchschnittliche Kapitalkosten rFK
= risikoäquivalente Renditeforderung der Fremdkapitalgeber
s
= Unternehmenssteuersatz
rEK
= risikoäquivalente Renditeforderung der Eigenkapitalgeber
FKMW
= Marktwert des Fremdkapitals
EKMW
= Marktwert des Eigenkapitals
GKMW = Marktwert des Gesamtkapitals Berechnung des Eigenkapitalszinssatzes nach CAPM
436
5.2.2 Modifizierte Economic Value Added-Analyse für Immobilien
rEK =
rf + β (rM – rf)
rEK
= risikoäquivalente Renditeforderung der Eigenkapitalgeber
rf
= risikoloser Basiszinssatz
rM
= Rendite aus der Anlage im Marktportfolio (sehr breiter Aktienmarktindex)
β
= Beta-Faktor als Maß für systematisches Risiko
(rM – rf) = Marktprämie für systematisches Risiko Die aus der Subtraktion der absoluten Kapitalkosten vom NOPAT resultierenden EVA®’s stellen eine Art Übergewinn dar. Wert wird geschaffen, wenn der erzielte Gewinn größer ist als die Kapitalkosten. Der EVA® ist damit die Differenz aus der gewichteten Renditeforderung der Kapitalgeber (WACC) und der operativen Ertragskraft (Return on Invested Capital, RoIC) des Unternehmens und der gewichteten Renditeforderungen aller Kapitalgeber (WACC), multipliziert mit dem gesamten investierten Kapitalbetrag.
Berechnung der Capital Charge Capital Charge t = Investiertes Kapital t x WACC t t = jeweilige Periode Berechnung des EVA NOPAT t - Capital Charge t = EVA t Das investierte Kapital kann passivisch ermittelt werden, in dem die verzinslichen Kapitalpositionen addiert werden. Das sind das Eigenkapital der Aktionäre und der Minderheitsgesellschafter von Konzerntochtergesellschaften sowie das Fremdkapital aus Krediten und Schuldverschreibungen sowie Pensionsrückstellungen. Bei der allgemeinen EVA®-Analyse wird – angesichts der Logik des Verfahrens und der Bestimmung des WACC eigentlich widersprüchlich – das Eigenkapital nicht mit Marktwerten, sondern mit dem Buchwert im investierten Kapital berücksichtigt. Die EVA®-Analyse zeigt dann also eine Rendite auf Buchwertbasis.
Berechnung des Investierten Kapitals Buchwert des Eigenkapitals (einschließlich Minderheitenanteile) + Buchwert der verzinslichen Finanzschulden + Pensionsrückstellungen = Invested Capital
5.2.2.2 Modifizierungen für den Immobilienbereich
437
Für die Unternehmensbewertung wird mindestens ein Zwei-Phasen-Modell verwendet, um die Entwicklung des Unternehmens im Zeitablauf abzubilden. In der ersten Phase – die einen überschaubaren mittelfristigen Zeitraum umfasst – werden die EVA®s explizit auf Basis der Planungsrechnung ermittelt. Idealerweise sollte in einer deutlich längeren zweiten Phase mit einer vereinfachten Fortschreibung auf ein Gleichgewicht zugesteuert werden, in dem das Unternehmen seine Kapitalkosten erwirtschaftet und der EVA® null wird. Denn theoretisch spricht wenig dafür, dass ein Unternehmen immer eine Überrendite erwirtschaften kann. Statt der expliziten Planung dieses Anpassungsprozesses kann man in der zweiten Phase aber auch vereinfachend aus dem moderat geschätzten nachhaltigen EVA® als ewige Rente einen Terminal Value ermitteln. Dabei wird eine konstante Wachstumsrate (Terminal Growth) unterstellt, die das langfristige Wachstum des Gesamtmarktes widerspiegelt. Die jeweiligen EVA®s aus der expliziten Planungsphase und der Terminal Value werden mit dem WACC diskontiert. Sie ergeben in der Summe den MVA. Zur Ermittlung des Shareholder Values bzw. des Eigenkapitalwertes werden vom Unternehmensgesamtwert die zinstragenden Verbindlichkeiten – Finanzschulden und Pensionsrückstellungen – und die Minderheitenanteile im Eigenkapital abgezogen sowie die liquiden Mittel addiert. Der Vorteil der EVA®-Analyse liegt darin, dass sie anzeigt, ob ein kapitalintensives Unternehmen die kapitalgewichteten risikoadäquaten Renditeforderungen der verschiedenen Kapitalgeber erwirtschaftet oder nicht. Sind die EVA®s bzw. der MVA positiv, werden Werte über die risikoadäquaten Kapitalkosten hinaus geschaffen. Falls die EVA®s bzw. der MVA negativ sind, werden die risikoadäquaten Kapitalkosten nicht gedeckt. Damit werden Werte vernichtet, weil die Kapitalgeber zu wenig aus ihrer Investition erzielen.
5.2.2.2 Modifizierungen für den Immobilienbereich Die allgemeine EVA®-Analyse sollte für die Bewertung von Immobilienunternehmen modifiziert werden, um den besonderen Gegebenheiten des Immobiliengeschäfts Rechnung zu tragen. So bestehen sowohl bei den Erträgen und den Aufwendungen als auch beim Vermögen von Immobilienunternehmen deutliche Unterschiede zu Unternehmen anderer Branchen. Bei bestandshaltenden Immobilienunternehmen sind die Mieteinnahmen die wichtigste Ertragsquelle. Hinzu kommen unrealisierte und realisierte Buchgewinne der Immobilien. Während die unrealisierten Buchgewinne durch die Neubewertung von Anlageimmobilien im Rahmen jährlicher Impairment Tests entstehen können und den Cash Flow nicht verändern, werden realisierte Buchgewinne durch den Verkauf von Immobilien erzielt und erhöhen den Cash Flow. Anders als bei den Unternehmen anderer Branchen kann der Verkauf von Anlagegütern (Immobilien) für Immobilienunternehmen eine sehr bedeutende ordentliche Ertragsquelle sein. Mit dem Verkauf der Immobilien realisieren und sichern sie sich den Erfolg ihres aktiven Portfoliomanagements, denn im Gegensatz dazu können unrealisierte Buchgewinne bei zukünftigen Objektbewertungen durch eingetretene Wertminderungen auch wieder
438
5.2.2 Modifizierte Economic Value Added-Analyse für Immobilien
verloren gehen. Alle drei Ertragsquellen müssen im NOPAT enthalten sein, da sie die Rendite des in Immobilien investierten Kapitals darstellen. Eine weitere Ertragsquelle bei Immobilienunternehmen können die Verkaufserlöse aus Projektentwicklungen sein. Sie fallen aufgrund des mehrjährigen Fertigstellungsprozesses deutlich unregelmäßiger an als Mieten. Werden die Projekte begonnen und gefertigt, ohne dass sie bereits an Dritte verkauft sind, erfolgt ihr Bau zunächst für den eigenen Bestand. Eine ratierliche Teilgewinnrealisierung (Percentage of Completion Method = PoC) findet dann nicht statt. Erst mit dem Verkauf des Objekts kann auf die PoC-Methode gewechselt werden oder eine vollständige Gewinnrealisierung bei Übergabe (Completed Contract Method) verbucht werden. Diese auf den International Financial Reporting Standards (IFRS) basierende Rechnungslegung passt zum EVA®-Konzept, so dass keine Anpassungen erforderlich sind. So belastet die zusätzliche Kapitalbindung von unfertigen Projekten über erhöhte Kapitalkosten die EVA®s der Projektentwicklungszeit, bevor die eigene Vermietung bzw. der erfolgreiche Verkauf später die kapitalkostendeckende Rendite erbringen und die EVA®s dann entlasten. Dagegen kann ein kontinuierliches Projektentwicklungsgeschäft die Volatilität der Gewinne reduzieren und so zu nachhaltig positiven bzw. zur Vermeidung negativer EVA®s beitragen. Auf der Aufwandsseite von Immobilienunternehmen können Modifizierungen für die sinnvolle Anwendung der EVA®-Methode notwendig werden. Sie sind davon abhängig, ob das Immobilienunternehmen nach IFRS die empfohlene Fair Value-Methode zur Bilanzierung der Anlageimmobilien oder die erlaubte Alternative der At Cost-Bilanzierung anwendet. Bei Anwendung der At Cost-Bilanzierung schreibt das Unternehmen den Immobilienbestand regelmäßig ab und führt die Anschaffungs- und Herstellungskosten fort. Um die Werthaltigkeit des Immobilienbestands beizubehalten oder zu erhöhen, werden aber gleichzeitig Instandhaltungen und Modernisierungen durchgeführt. Während Modernisierungen zumeist aktiviert werden und damit werterhöhend wirken, werden Instandhaltungsausgaben erfolgsmindernd wie Abschreibungen verbucht. Die regelmäßigen Abschreibungen sind steuerlich motiviert und müssen nicht der tatsächlichen Wertveränderung der Immobilien entsprechen. Vielmehr wird die Erfolgsrechnung durch planmäßige Abschreibungen und Instandhaltungen doppelt belastet. Da lediglich die Instandhaltungsausgaben eine reale zahlungswirksame Erfolgsminderung sind, müssen daher die regelmäßigen Abschreibungen bereinigt und das Immobilienvermögen zu Marktwerten berücksichtigt werden, um die EVA®-Methode sinnvoll anwenden zu können. Damit passt man die At Cost- der Fair Value-Bilanzierung an, die dem EVA®-Konzept bereits entspricht. Außerplanmäßige Abschreibungen, die aus Neubewertungen im Rahmen von Impairment Tests resultieren, müssen hingegen weiterhin den Erfolg mindern, da sie einen konkret ermittelten Wertverlust darstellen. Ihnen stehen allerdings Wertzuschreibungen gegenüber, die ebenfalls bei Impairments festgestellt werden.
5.2.2.2 Modifizierungen für den Immobilienbereich
439
Berechnung des modifizierten NOPAT für Immobilienunternehmen EBIT (einschl. realisierter Buchgewinne und Neubewertung der Immobilien) + planmäßige Abschreibungen auf den Immobilienbestand (bei ‚at cost’ Bilanzierenden) + implizite Kapitalkosten für Pensionsrückstellungen - Cash operating taxes = NOPAT Folglich berücksichtigt man damit auch bei Unternehmen, die At Cost bilanzieren, die Immobilien mit ihrem Marktwert, um in ihrem investierten Kapital die stillen Reserven des Immobilienbestands einzubeziehen. Somit wird für Immobilienunternehmen der NAV als Marktwert des Eigenkapitals verwendet. Der Kapitalkostenanspruch der Eigenkapitalgeber wird damit auf die nicht realisierten und nicht ausgeschütteten stillen Reserven ausgeweitet. Dies ist insofern folgerichtig, als die Aktionäre mit dem Fortbestehen der Immobiliengesellschaft auf eine Liquidation des Immobilienbestands verzichten und dadurch die erwirtschafteten Erfolge aus dem Aufbau von stillen Reserven thesaurieren. Diese Erfolge aus einem aktiven Portfolio-Management und die Veränderungen von Immobilienmarktwerten werden durch den Einbezug und die Fortentwicklung stiller Reserven im investierten Kapital periodengerecht widergespiegelt. Werden diese Erträge nur den Eigenkapitalkosten gegenübergestellt, die aus dem Buchwerteigenkapital von At Cost bilanzierenden Immobilienunternehmen ermittelt würden, würde eine zu hohe Überrendite ausgewiesen, die der periodengerechten Befriedigung der Kapitalkostenforderung nicht entspricht. Vielmehr würde man damit die Fortentwicklung des Eigenkapitals durch Veränderungen der Marktwerte ignorieren und zukünftige Mieteneinnahmen einem zu geringen Eigenkapital gegenüberstellen. Der Ansatz der stillen Reserven im investierten Kapital kann allerdings noch weiter modifiziert werden. Es ist zu überlegen, ob die bewusste Thesaurierung stiller Reserven sich nur auf die Teile beziehen sollte, die nach einer Liquidation wirklich beim Aktionär ankommen würden. Folgt man diesem Gedanken, können Veräußerungskosten und latente Steuern auf die erzielten Buchgewinne in Abzug gebracht werden. Da sich eine Veräußerung des kompletten Immobilienportfolios über einen längeren Zeitraum hinziehen würde, dürfte es durchaus gerechtfertigt sein, die Verkaufskosten und latenten Steuern nur mit ihrem über einen längerfristigen Zeitraum diskontierten Barwert abzuziehen. Damit würde der von der EPRA empfohlene NNNAV in das investierte Kapital einfließen. Mit der Einbeziehung des NAV in das modifizierte EVA®-Konzept für Immobilienunternehmen kann auch die Berechnung des Shareholder Value umgestellt werden. Anstatt den Shareholder Value wie im allgemeinen Ansatz:
Invested Capital + Market Value Added – zinstragende Verschuldung = Shareholder Value
440
5.2.2 Modifizierte Economic Value Added-Analyse für Immobilien
zu ermitteln, kann nunmehr gleich vom NAV auf den fairen Wert des Shareholder Values geschlossen werden, da der NAV nichts anderes ist als das um die zinstragende Verschuldung reduzierte investierte Kapital zu Marktwerten:
Invested Capital – zinstragende Verschuldung = Net Asset Value Net Asset Value + Market Value Added = Shareholder Value Der Market Value Added ist demnach nichts anderes als der Ab- oder Zuschlag auf den NAV.
5.2.2.3 Eignung der EVA®-Analyse für Bewertungen im Immobilienbereich Die EVA®-Analyse ermöglicht es, den bislang häufig nur qualitativ begründeten Ab- oder Zuschlag zum NAV als Market Value Added zu quantifizieren. Sie setzt auf dem Konzept des NAV auf und erweitert es um die Bestandteile, die beim NAV unberücksichtigt blieben. Dazu zählen die Finanzierung der Immobilien, die Overhead-Kosten, die Steuern und die Erträge anderer Geschäfte sowie die Managementleistung. Außerdem eröffnet die EVA®Analyse den Marktteilnehmern die Möglichkeit, andere Erwartungen für die Immobilien und die Kapitalkosten in die Bewertung einzubeziehen als die Immobiliensachverständigen bei der Immobilieneinzelbewertung. Der NAV ist für die Investoren am Kapitalmarkt nur mit den vom Unternehmen bereitgestellten Informationen und den Marktkenntnissen näherungsweise zu plausibilisieren. Der Informationsvorsprung des Managements und der umfangreichere Zeitaufwand seitens der vom Unternehmen beauftragten Immobiliensachverständigen bei der Bewertung einzelner Immobilien begünstigt die Ermittlung eines fundierten NAV stellt diesen aber nicht unbedingt sicher. Die Veröffentlichung eines NAV seitens des Unternehmens kann auch durch die Interessen des Managements bzw. besser informierter Großaktionäre beeinflusst sein. Insofern ist auch der vom Immobilienunternehmen publizierte NAV nur eine Meinung über den Wert der Immobilienaktie und kann als Versprechen an den außenstehenden Aktionär interpretiert werden. Mit der EVA®-Analyse hat der außenstehende Aktionär nun die Möglichkeit, die Einhaltung dieses Versprechens zu verifizieren. Die für den Immobilienbereich modifizierte EVA®-Analyse ist umfassender als die reine Wertermittlung der Immobilien. Von den Immobiliensachverständigen werden nur alle auf einzelne Immobilien bezogenen Erträge und Aufwendungen zur Ermittlung der Immobilien-
5.2.2.3 Eignung der EVA®-Analyse für Bewertungen im Immobilienbereich
441
marktwerte und schließlich des NAV geschätzt. Die außenstehenden Marktteilnehmer erstellen dagegen eine umfangreichere Planungsrechnung für alle Erträge und Kosten des Unternehmens. Dabei werden die außenstehenden Bewertenden andere Annahmen treffen als die internen, weil sie eigene Erwartungen an die Entwicklung der entsprechenden Immobilienmärkte knüpfen und diese in der Planungsrechnung für die Ermittlung des NOPAT einfließen lassen können. In dieser Planungsrechnung werden die unternehmensindividuellen Kostenannahmen zur Finanzierung, der Portfoliobewirtschaftung und Unternehmensführung sowie die Steuern berücksichtigt, die bei der Ermittlung des NAV entweder nur indirekt pauschaliert oder gar nicht einbezogen werden. Auch bei den Kapitalkosten können unterschiedliche Annahmen getroffen werden. Während die Immobiliensachverständigen zur Einzelbewertung objektspezifische Liegenschaftszinssätze heranziehen, die die Finanzierung der Immobilien und Steuern völlig ausblenden, benutzen die außenstehenden Bewerter für die EVA®-Analyse einen Kapitalkostensatz, der die Finanzierungsstruktur, das systematische Risiko des gesamten Unternehmens und die steuerliche Situation berücksichtigt. Die Kombination beider Methoden in der modifizierten EVA®-Analyse ermöglicht es, Immobilienvermögen kapitalmarktadäquat zu bewerten. Denn Immobilien sind kapitalintensiv und legen eine wertorientierte Bewertung nahe, die gleichzeitig in der Lage ist, zu prüfen, ob die an das Immobilienunternehmen gerichteten Renditeforderungen erfüllt werden oder nicht. Dabei können die Erträge und Aufwendungen von nicht-immobilienwirtschaftlichen Geschäften und das dafür nötige Kapital problemlos in die Bewertung integriert werden. Eine gesonderte Bewertung wie bei einer ausschließlichen Bewertung mittels NAV erübrigt sich. Die modifizierte EVA®-Analyse erlaubt damit die Einbeziehung unterschiedlicher Annahmen bei Immobiliennettoerträgen und Kapitalkosten in die Immobilienunternehmensbewertung. Bei der Ermittlung des investierten Kapitals wird der NAV als das wirtschaftliche Eigenkapital zu Marktwerten sowohl im NAV- als auch im modifizierten EVA®-Konzept interpretiert. Hier werden beide Konzepte verknüpft und entfalten ihre für den außenstehenden Investor so sinnvolle Wechselwirkung. Es besteht ein Trade-off zwischen NAV und MVA. Je höher der NAV ist, desto schwieriger wird es, einen positiven MVA als Bewertungszuschlag auf den NAV zu ermitteln. Bei einem hohen NAV wird mehr Eigenkapital im investierten Kapital berücksichtigt, so dass dessen Anteil gegenüber dem Fremdkapital steigt. Da in der Regel der Eigenkapitalzins höher ist als der Fremdkapitalzins, erhöhen sich zwangsläufig die Kapitalkosten und somit die Hürde, welche das NOPAT überspringen muss, um positive EVA®s zu erwirtschaften. Ist der NAV – interessengeleitet durch das Unternehmen – zu ambitioniert berechnet, können negative EVA®s die Folge sein. Gelingt es dem Unternehmen auch nachhaltig nicht, die risikoadäquaten Kapitalkosten zu erwirtschaften, ist ein Abschlag vom NAV gerechtfertigt. Dies impliziert eine zukünftige korrigierende Abwertung des NAV. Fließt hingegen ein niedriger NAV in das investierte Kapital ein, fällt es dem Management leichter, die nun geringeren Kapitalkosten zu erwirtschaften. Ein Bewertungsaufschlag auf den NAV ist dann aus Sicht der außenstehenden Kapitalmarktinvestoren durchaus gerechtfertigt. Während der NAV als ein Wertversprechen des Unternehmens über die Immobilienaktie an die Investoren gewertet werden kann, ist der MVA das positive oder negative Werturteil der Investoren selbst.
442
5.2.2 Modifizierte Economic Value Added-Analyse für Immobilien
Trade-off zwischen NAV und MVA Niedriger NAV = geringere Kapitalkosten = geringerer Ab- bzw. höherer Zuschlag NAV Höherer NAV = höhere Kapitalkosten = höherer Ab- bzw. geringerer Zuschlag NAV Der Erfolg eines Immobilienunternehmens bemisst sich demnach nicht in der Höhe seines NAV, sondern daran, ob die risikoadäquaten Kapitalkosten, die sich aus den Renditeerwartungen der Kapitalgeber ableiten, erwirtschaftet werden können. Diese Renditeerwartungen orientieren sich stärker am gesamten Portfolio und dessen erfolgreichem Management als an den kumulierten Einzelbewertungen der enthaltenen Immobilien. So hat eine Untersuchung der EPRA aus dem Jahr 2004 ergeben, dass die Portfoliozusammensetzung und das daraus resultierende Portfoliorisiko sowie das Unternehmensrisiko maßgebliche Faktoren für Zu- und Abschläge auf den NAV sind.1 Die steuerliche Situation, ob REIT oder Non-REIT, lässt sich empirisch (siehe die obige Abbildung 5.2-1) ebenfalls als Einflussgröße festhalten. In der modifizierten EVA®-Analyse gelingt die quantifizierte Einbeziehung dieser Faktoren (Beta-Faktor, Zinsaufwand, Cash Operating Taxes) und die Verknüpfung mit dem von den Marktteilnehmern akzeptierten NAV-Konzept. Bereits heute werden am Kapitalmarkt modifizierte EVA®-Methoden zur Bewertung von Immobilienunternehmen verwendet. Ursprünglich haben nur die Investmentbanken ABN Amro und Goldman Sachs Verfahren, die der EVA®-Analyse sehr nahe sind, angewendet. Die HSH Nordbank bewertet schon seit Jahren nach der modifizierten EVA®-Analyse Immobilienunternehmen. Zuletzt stellte auch die französische BNP Paribas in der Immobilienunternehmensbewertung auf die EVA®-Analyse um. Es spricht vieles dafür, dass sich weitere Marktteilnehmer anschließen und sich die modifizierte Form der EVA®-Analyse zur Bewertung von Immobilienunternehmen zunehmend durchsetzt.
5.2.2.4 Wechselwirkung von NAV- und EVA®-Konzept am theoretischen Beispiel Für die Ermittlung eines fairen Shareholder Value sind nicht allein der vom Unternehmen publizierte NAV, sondern vor allem die zu Grunde gelegten Cash Flows und Kapitalkosten maßgeblich. In der nachfolgenden Beispielrechnung werden die Irrelevanz der unterschiedlichen Verkehrswertermittlung und die Wechselwirkung von NAV- und EVA®-Konzept offengelegt. Das Beispiel (Abbildung 5.2-2) zeigt, dass sich die fairen Shareholder Value-Werte zweier Immobilienaktien mit unterschiedlichen Net Asset Values, aber identischen Cash Flows nahezu entsprechen. Je höher der NAV ist, desto mehr Eigenkapital fordert eine risikoadäquate Verzinsung. Diese Kapitalkostenhürde muss vom operativen Gewinn (NOPAT) über1
Vgl. EPRA (2004)
5.2.2.4 Wechselwirkung von NAV- und EVA®-Konzept am theoretischen Beispiel
443
sprungen werden, um jährlich einen positiven EVA® und, kumuliert, einen positiven MVA zu erzeugen. Dieser kann als Prämie dem NAV zugeschlagen werden (Fall 2), um den fairen Wert zu ermitteln. Werden die Kapitalkosten nicht erwirtschaftet, führt der negative MVA zu einem Bewertungsabschlag vom NAV (Fall 1). Fall 1 Eigenkapitalzins Kreditzins Steuersatz
6,50% 5,00% 15%
Mietrendite in 2007 Immobilienvermögen Kredite Net Asset Value Investiertes Kapital davon Eigenkapital davon Fremdkapital WACC
5,4% 5.000 2.500 2.500 5.000 50% 50% 5,38%
Bei REITs 0% bei Non-REITs bis zu 30% Mietrendite Fall 1 Fall 2 5,40% 2007 6,00% 5,90% 2010 6,56%
Jahr / Angaben in € 2007e 2008e 2009e 2010e Mieten 270 278 286 295 sonstiger Aufwand -12 -12 -12 -13 Zinsen -125 -125 -125 -125 AfA (4.000 € Buchwert, 2%) -80 -80 -80 -80 Gewinn vor Steuern 53 61 69 77 Steuern -8 -9 -10 -12 Gewinn nach Steuern 45 52 59 66 tax shield -19 -19 -19 -19 Investiertes Kapital 5.000 5.000 5.000 5.000 ROIC 4,63% 4,76% 4,90% 5,04% WACC 5,38% 5,38% 5,38% 5,38% Spread (ROIC - WACC) -0,75% -0,62% -0,48% -0,34% NOPAT 231 238 245 252 Kapitalkostenhürde 269 269 269 269 ® EVA -37 -31 -24 -17 Diskontfaktor 0,949 0,901 0,855 0,811 Barwert -36 -28 -20 -14 Market Value Added -351 als Summe der Barwerte NAV 2.500 Fair Value 2.149 Discount -14,0%
TV
-312 0,811 -253
444
5.2.2 Modifizierte Economic Value Added-Analyse für Immobilien
Fall 2 Eigenkapitalzins Kreditzins Steuersatz
6,50% 5,00% 15%
Mietrendite in 2007 Immobilienvermögen Kredite Net Asset Value Investiertes Kapital davon Eigenkapital davon Fremdkapital WACC
6,0% 4.500 2.500 2.000 4.500 44% 56% 5,25%
Jahr / Angaben in € Mieten sonstiger Aufwand Zinsen AfA (4.000 € Buchwert, 2%) Gewinn vor Steuern Steuern Gewinn nach Steuern tax shield Investiertes Kapital ROIC WACC Spread (ROIC - WACC) NOPAT Kapitalkostenhürde ® EVA Diskontfaktor Barwert Market Value Added NAV Fair Value Premium
2007e 2008e 2009e 2010e 270 278 286 295 -12 -12 -12 -13 -125 -125 -125 -125 -80 -80 -80 -80 53 61 69 77 -8 -9 -10 -12 45 52 59 66 -19 -19 -19 -19 4.500 4.500 4.500 4.500 5,14% 5,29% 5,44% 5,60% 5,25% 5,25% 5,25% 5,25% -0,11% 0,04% 0,19% 0,35% 231 238 245 252 236 236 236 236 -5 2 9 16 0,950 0,903 0,858 0,815 -5 2 7 13 261 als Summe der Barwerte 2.000 2.261 13,0%
Differenz im Fair Value von der Differenz im WACC von
112 € resultiert aus 0,13% Punkten
TV
299 0,815 244
Wird der Eigenkapitalzins wegen der höheren Verschuldung erhöht, so dass der WACC um o.a. %-Punkte steigt, nähern sich die Werte an. ®
EVA Diskontfaktor Barwert Market Value Added NAV Fair Value Premium
-11 -4 3 10 0,949 0,901 0,855 0,811 -10 -4 3 8 149 als Summe der Barwerte 2.000 2.149 7,5%
Abb. 5.2.- 2 Shareholder Values bei unterschiedlichen NAVs (Beispiel)
188 0,811 152
5.2.3.1 Beispiel: Immobilienaktie Deutsche Euroshop
445
Das Beispiel zeigt, dass obwohl im Fall 1 ein um 25 % höherer NAV als im Fall 2 ausgewiesen wird (weil die Immobilien um 10 % höher bewertet werden), der faire Wert der Immobilienaktie nahezu gleich ist, weil die zu Grunde liegenden operativen Cash Flows identisch sind. Die geringe Bewertungsdifferenz resultiert ausschließlich aus dem unterschiedlichen WACC, der im Fall 1 höher ist, weil das Gewicht des Eigenkapitals höher ist. In einem zweiten Schritt könnten aufgrund der höheren relativen Verschuldung der Beta-Faktor und damit die Eigenkapitalkosten steigen. Erhöht sich der WACC dadurch um 0,13 %-Punkte, nähern sich die Fair Values weiter an. Der Einfluss des NAV auf den Shareholder Value ist im Beispiel begrenzt, da der MVA eine Korrektivwirkung hat. Bei der Bewertung durch die Marktteilnehmer dürften u.E. die operativen Cash Flows und weniger der häufig verwendete NAV entscheidend sein.
5.2.3 Anwendung der EVA®-Analyse am praktischen Beispiel Die modifizierte EVA®-Analyse für den Immobilienbereich lässt sich u.E. sowohl für Immobilienunternehmen als auch für Immobilienfonds anwenden. Das Bewertungsergebnis ist natürlich von den zugrunde liegenden Annahmen für die Zukunft und den Bewertungsparametern abhängig. In dem nachfolgenden Beispiel veranschaulichen wir die Anwendung der modifizierten EVA®-Analyse anhand der Deutschen Euroshop AG und des Offenen Immobilienfonds Grundbesitz Invest/Europa der DB Real Estate Investment GmbH.
5.2.3.1 Beispiel: Immobilienaktie Deutsche Euroshop Die Deutsche Euroshop AG investiert in Shopping-Center in Europa, wobei der Schwerpunkt in Deutschland liegt. Das Unternehmen betreibt keine Projektentwicklung und keine über das Immobilienportfoliomanagement hinausgehenden Aktivitäten. Die operative Immobilienbewirtschaftung ist an Dritte ausgelagert. Aufgrund dieser strategischen Ausrichtung ist die Deutsche Euroshop relativ gut vergleichbar mit einem Immobilienfonds. Die Dividende ist für die Aktionäre zudem steuerfrei, da es sich um Eigenkapitalrückzahlungen handelt. Zur Ermittlung der Kapitalkosten ziehen wir langfristige Durchschnittswerte für die allgemeine Marktrendite und den risikofreien Zins heran. Die daraus resultierende Marktrisikoprämie führt bei einem Beta-Faktor von 0,40 zu einem Risikozuschlag von 1,40 % und ei-
446
5.2.3 Anwendung der EVA®-Analyse am praktischen Beispiel
nem Eigenkapitalzins von 6,90 %. Basierend auf einem langfristigen Fremdkapitalzins von 5,25 % und einer knapp hälftigen Kreditfinanzierung ergibt sich ein WACC von 5,75 %. Ermittlung des Fair Value für die Deutsche Euroshop AG Unseren Schätzungen liegt die Annahme eines moderaten Wachstums und zukünftig geringerer Zuschreibungen aus der Neubewertung zugrunde. Langfristig gehen wir von einer Mietrendite von 6 % sowie realisierten und unrealisierten Wertsteigerungen von etwa 1,5 % aus. Basierend auf den o.a. Annahmen ermitteln wir eine Prämie auf den NAV. Deutsche Euroshop AG in Mio. EUR nach IFRS Netto-Mieteinnahmen / Beteiligungsertrag Mietrendite in % Rohertrag Immobilienverkauf / Neubewertung Wertzuwachs (realisiert und unrealisiert) andere Einnahmen Betriebliche Erträge Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) Ergebnis vor Steuern (EBT) Jahresüberschuss Dividende Immobilienvermögen zu Marktwerten (inkl. Beteiligungen) zinstragende Gesamtverbindlichkeiten Net Asset Value Steueraufwand Cash operating taxes Net Operating Profit after Tax (NOPAT) Invested Capital (NAV+Total Debt, Jahresdurchschnitt) ROIC (NOPAT x Invested Capital) in % WACC in % (Eigenkapitalzins: 6,90%, Beta: 0,40) Capital Charge (WACC x Invested Capital) ® ® Economic Value Added (EVA ) in Mio. EUR Market Value Added (MVA) in Mio. EUR Börsenwert (vor 2007) / Fair Value (ab 2007) in Mio. EUR Prämie (+) / Abschlag (-) zum NAV in % Kennzahlen je Aktie in EUR Net Asset Value Kurswert (bis 2006); Fair Value (ab 2007) Gewinn (EPS) Dividende (DPS) Enterprise Value / EBIT (EV / EBIT) KGV Dividendenrendite in %
2004 64,4 5,3% 12,8 1,1% 6,4 83,6 62,5 37,2 26,4 30,0 1.203 604 687 10,8 18,9 43,6 1.291 3,38%
2005 75,5 5,7% 49,9 3,8% 3,9 129,3 112,4 81,0 61,7 34,4 1.327 664 794 19,4 27,4 85,0 1.375 6,18%
2006 93,1 5,7% 85,9 5,2% 4,1 183,1 160,6 124,0 106,7 36,1 1.636 781 877 17,4 22,8 137,8 1.558 8,84%
2008e 111,9 6,0% 28,0 1,5% 5,2 145,0 124,7 81,1 68,9 36,1 1.864 845 940 11,0 18,7 106,0 1.755 6,04% 5,75% 100,9 5,1 48 988 5%
2009e 112,5 6,0% 28,1 1,5% 5,4 146,0 125,5 81,7 69,5 39,5 1.874 825 977 10,4 18,8 106,7 1.793 5,95% 5,79% 103,8 2,9
891 1%
2007e 107,5 6,0% 26,9 1,5% 5,0 139,3 119,8 77,9 66,2 36,1 1.791 818 908 11,1 18,0 101,9 1.692 6,02% 5,75% 97,2 4,7 50 957 5%
561 -18%
763 -4%
43,96 35,89 1,69 1,92 20,7 x 21,2 x 5,35%
46,22 44,37 3,59 2,00 13,0 x 12,4 x 4,51%
2010e 112,5 6,0% 28,1 1,5% 5,6 146,2 125,7 83,0 70,6 39,5 1.874 802 1.012 9,6 18,9 106,8 1.808 5,91% 5,82% 105,3 1,6
51,05 51,81 6,21 2,10 10,3 x 8,3 x 4,05%
52,80 55,69 3,85 2,10 14,0 x 14,7 x 3,70%
54,71 57,50 4,01 2,10 13,7 x 14,1 x 3,70%
56,86
58,87
60,98
4,04 2,30 13,7 x 14,0 x 4,06%
4,11 2,30 13,5 x 13,8 x 4,06%
4,18 2,50 13,3 x 13,6 x 4,41%
Terminal Growth:
2011e 112,5 6,0% 28,1 1,5% 5,8 146,4 125,9 84,5 71,8 43,0 1.874 774 1.048 10,5 18,9 107,0 1.817 5,89% 5,87% 106,6 0,4 2,50%
Quelle: Deutsche Euroshop, eigene Schätzungen und Berechnungen
Abb. 5.2.- 3 Ermittlung des Fair Value für Deutsche Euroshop
5.2.3.2 Beispiel: Offener Immobilienfonds Grundbesitz Europa Der Offene Immobilienfonds Grundbesitz Europa (früher Grundbesitz Invest) investiert in europäische Gewerbeimmobilien. Der Schwerpunkt des 2007 in Grundbesitz Europa umbenannten Fonds liegt mit knapp 60 % aber immer noch in Deutschland. Wie für deutsche Immobilienfonds üblich, konzen-triert sich der Grundbesitz Europa auf Bestandsimmobilien, obgleich der Fonds auch in Projektentwicklungen investieren darf. Die Ausschüttungen des Fonds sind für Privatanleger teilweise steuerfrei, da sie entweder aus bereits besteuerten Auslandseinkünften oder Verkaufsgewinnen langfristig gehaltener Immobilien stammen. Den ermittelten Kapitalkosten liegen dieselben Grundannahmen wie bei der Deutsche Euroshop zu Grunde. Wir setzen allerdings einen geringeren Beta-Faktor von 0,30 an. Darin spie-
5.2.3.2 Beispiel: Offener Immobilienfonds Grundbesitz Europa
447
gelt sich die von Angebot und Nachfrage unabhängige Rückgabemöglichkeit wider. Das Immobiliengeschäft und das daraus resultierende Risiko sind aber vergleichbar, da nicht zuletzt auch die Verschuldung seit 2006 ähnlich hoch ist. Obgleich wir denselben Fremdkapitalzinssatz unterstellen, ist der Netto-Fremdkapitalzins etwas höher als bei der Deutsche Euroshop. Das liegt daran, dass die inländischen Immobilieneinkünfte steuerlich transparent behandelt werden und der steuerliche Fremdfinanzierungsvorteil deshalb nur bei Auslandsimmobilien zum Tragen kommt. Deren Erträge sind im Fonds zu versteuern. Dies macht sich aufgrund der für Offene Immobilienfonds relativ hohen Kreditfinanzierung des Immobilienportfolios im WACC bemerkbar. Wir ermitteln einen WACC von ebenfalls etwa 5,7 %. Ermittlung des Fair Value für Grundbesitz Europa Wir unterstellen in unseren Schätzungen wiederum ein moderates Wachstum und zukünftig geringe Zuschreibungen aus der Neubewertung. Langfristig gehen wir – wie bei Deutsche Euroshop – von einer Mietrendite von 6 % sowie realisierten und unrealisierten Wertsteigerungen von etwa 1,5 % aus. Basierend auf den obigen Annahmen ermitteln wir einen Abschlag auf den NAV. Das bedeutet, dass Käufer von Fondsanteilen, die ja zum NAV notieren, zu dem zugrunde liegenden Bewertungszeitpunkt und bei den gesetzten Annahmen einen höheren Preis bezahlen, als er aufgrund der erwarteten Überschüsse gerechtfertigt wäre. Verkäufer profitieren demgegenüber, da sie einen höheren als den „fairen“ Rückgabewert realisieren können. Grundbesitz Invest / Europa der DB Real Estate Investment GmbH in Mio. EUR Netto-Mieteinnahmen / Beteiligungsertrag Mietrendite in % Rohertrag Immobilienverkauf / Neubewertung Wertzuwachs (realisiert und unrealisiert) andere Einnahmen Betriebliche Erträge Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) Ergebnis vor Steuern (EBT) Jahresüberschuss Dividende Immobilienvermögen zu Marktwerten (inkl. Beteiligungen) zinstragende Gesamtverbindlichkeiten Net Asset Value Steueraufwand Cash operating taxes Net Operating Profit after Tax (NOPAT) Invested Capital (NAV+Total Debt, Jahresdurchschnitt) ROIC (NOPAT x Invested Capital) in % WACC in % (Eigenkapitalzins: 6,55%, Beta: 0,30) Capital Charge (WACC x Invested Capital) ® ® Economic Value Added (EVA ) in Mio. EUR Market Value Added (MVA) in Mio. EUR Börsenwert (vor 2007) / Fair Value (ab 2007) in Mio. EUR Prämie (+) / Abschlag (-) zum NAV in % Kennzahlen je Aktie in EUR Net Asset Value Rücknahmewert (bis 2006); Fair Value (ab 2007) Gewinn (EPS) Dividende (DPS) Enterprise Value / EBIT (EV / EBIT) KGV Dividendenrendite in %
2004 418,8 5,9% -123,9 -1,7% 90,0 384,9 281,7 245,6 220,7 337,1 7.100 801 7.802 24,9 28,6 253,1 8.603 2,94%
2005 411,3 6,1% -145,1 -2,2% 38,4 304,6 204,8 151,4 138,4 211,1 6.704 1.088 6.181 13,0 17,6 187,3 7.936 2,36%
2006 329,4 7,5% -73,5 -1,7% 19,2 275,1 188,0 119,2 109,2 156,4 4.371 1.651 2.826 10,0 15,7 172,3 5.873 2,93%
2008e 268,3 6,0% 33,5 0,8% 48,8 350,6 269,9 149,6 137,6 172,1 4.471 2.332 2.766 11,0 21,6 248,3 3.863 6,43% 5,75% 222,3 26,1 -136 2.630 -5%
2009e 271,3 6,0% 56,5 1,3% 50,8 378,6 302,8 178,7 164,4 197,3 4.521 2.396 2.758 10,4 24,2 278,6 5.126 5,44% 5,74% 294,3 -15,7
2.826 0%
2007e 265,3 6,0% 0,0 0,0% 46,8 312,0 234,0 131,6 118,4 159,9 4.421 2.252 2.788 11,1 23,4 210,6 4.759 4,43% 5,72% 272,4 -61,8 -187 2.601 -7%
7.802 0%
6.181 0%
40,50 40,50 1,15 1,75 30,5 x 35,4 x 4,32%
39,52 39,52 0,89 1,35 35,5 x 44,7 x 3,42%
39,76 39,76 1,54 2,20 23,8 x 25,9 x 5,53%
39,22 36,59 1,67 2,25 19,7 x 25,6 x 5,28%
38,91 37,00 1,94 2,42 18,1 x 22,0 x 5,68%
38,80
38,47
38,10
2,31 2,78 16,3 x 18,4 x 6,52%
2,44 2,81 15,8 x 17,4 x 6,59%
2,44 2,81 15,8 x 17,4 x 6,60%
Abb. 5.2.- 4 Ermittlung des Fair Value für Grundbesitz Europa
2010e 274,3 6,0% 68,6 1,5% 52,8 395,6 316,5 188,6 173,5 199,5 4.571 2.477 2.734 9,6 25,3 291,2 5.183 5,62% 5,72% 296,6 -5,5 Terminal Growth:
2011e 277,3 6,0% 69,3 1,5% 54,8 401,4 321,1 188,9 173,8 199,8 4.621 2.560 2.709 10,5 25,7 295,4 5.240 5,64% 5,71% 299,0 -3,6 2,50%
Quelle: DB Real Estate Investment, eigene Schätzungen und Berechnungen
448
5.2.4 Fazit: Modifizierte EVA®-Analyse in der Immobilienbewertung
5.2.4 Fazit: Modifizierte EVA®Analyse in der Immobilienbewertung Die modifizierte EVA®-Analyse kombiniert in der Immobilienunternehmensbewertung zwei sich ergänzende Wertermittlungskonzepte. Die von den einzelnen Immobilien her kommende Verkehrswertermittlung und der daraus abgeleitete NAV fließen als substantielle Einflussfaktoren in die kapitalmarktorientierte EVA®-Analyse ein, um die risikoadäquate Verzinsung der von den Investoren bereitgestellten Kapitalbeträge zu überprüfen und darauf eine zukunftsorientierte Unternehmensbewertung aufzusetzen. Die Einbeziehung des NAV als substantielle Einflussgröße auf den fairen Unternehmenswert gelingt in der EVA®-Analyse deutlich transparenter als bei der DCF-Methode. Bei der Bewertung eines dynamisch wachsenden Immobilienunternehmens mit einem aktiven Portfoliomanagement ist die modifizierte EVA®-Analyse zudem aufgrund der einfacheren Planung des NOPAT der DCF-Methode mit deren schwieriger zu prognostizierenden Free Cash Flows überlegen. Dies liefert gute Argumente, die modifizierte EVA®-Analyse für die fundamentale Bewertung von Immobilienunternehmen gegenüber der DCF-Methode zu präferieren. Daneben sprechen die Kapitalintensität von Immobilienunternehmen, die Quantifizierbarkeit der Fähigkeiten des Managements, die hohe Bandbreite von NAV-Werten – abhängig vom Bewertenden – und die korrigierende Wechselwirkung zwischen NAV- und EVA®-Konzept für eine vermehrte Anwendung der modifizierten EVA®-Analyse in der Immobilienunternehmensbewertung.
5.3
Immobilienaktie oder REIT: Das Geschäftsmodell und seine Umsetzung sind entscheidend
Dieter Thomaschowski 5.3.1
Das Geschäftsmodell: Plausibilität, Stetigkeit und Flexibilität
450
5.3.2
Umsetzung, Erfolge
453
5.3.3
Transparenz und eigene Analyse
456
5.3.3.1 Die Bedeutung guter Datenbasen ............................................................................456 5.3.3.2 Wie sind die Unternehmen finanziert?....................................................................458 5.3.4
Schluss: REIT oder Immobilienaktie mit Freiheitsgraden?
460
450
5.3.1 Das Geschäftsmodell: Plausibilität, Stetigkeit und Flexibilität
Die vorangehenden Beiträge von Kanders und Goronczy haben schon gezeigt, dass – wie auch im theoretischen Teil beschrieben – für den Analysten der NAV eine erste robuste Ausgangsbasis zur Abschätzung des angemessenen Kurses einer Immobiliengesellschaft mit oder ohne REIT-Status bildet, dass aber zahlreiche Faktoren eine positive oder negative Abweichung davon rechtfertigen. Einen zentralen Faktor hierfür bildet – dies betont die gesamte Literatur zur Bewertung von Immobiliengesellschaften – die Managementqualität. Sie lässt sich originär kaum vernünftig messen, wenn auch die persönliche Überzeugungskraft des Top-Managements bei Unternehmenspräsentationen eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt. Sie findet aber ihren nachhaltigen Niederschlag im formulierten Geschäftsmodell der Gesellschaft, in der Art und Stetigkeit seiner Umsetzung und den dabei realisierten und zu erwartenden Erfolgen (ausgedrückt in der Portfoliostruktur und in Wachstumsraten der Erfolgsmaße) sowie in der Bereitschaft und im Ausmaß der Transparenz, über Strukturen, Aktivitäten und Erfolge ausreichend und korrekt zu berichten. Diese drei eng zusammenhängenden Aspekte sollen hier noch ein wenig vertieft und anhand von Beispielen konkretisiert werden.
5.3.1 Das Geschäftsmodell: Plausibilität, Stetigkeit und Flexibilität Das Geschäftsmodell umschreibt idealtypisch, welchen Nutzen das Unternehmen dem Markt zu bieten verspricht, durch welche Struktur der Wertschöpfungsprozesse dies erreicht werden soll und wodurch demzufolge der Erfolg des Unternehmens generiert werden soll. Es muss den Investoren erstens so konkretisiert vermittelt werden, dass es eindeutig erkennbar ist, und zweitens in seiner Tragfähigkeit, inneren Stimmigkeit und praktischen Umsetzbarkeit plausibel erscheinen. Dies setzt einen deutlichen Grad an Stetigkeit voraus, soll aber dessen Flexibilität im Sinne der Anpassungsfähigkeit an veränderte Marktverhältnisse oder veränderte Unternehmensspezifika (z.B. wechselnder Investorenkreis) nicht behindern. Ein m.E. geglücktes Beispiel für eine durch Marktveränderungen hervorgerufene Anpassung des Geschäftsmodells ist die Deutsche EuroShop. Die starke Nachfrage nach Shopping Centern führte dazu, dass das Unternehmen überlegte, die eigene Strategie zu modifizieren und künftig nicht mehr nur in große Einkaufszentren zu investieren. Die Deutsche EuroShop machte sich Gedanken darüber, wie das Geschäftsmodell ausgeweitet und außerhalb des Top-Segments von Shopping-Centern Wachstum generiert werden kann. Denkbar sind Investitionen in andere Arten von Einzelhandelsimmobilien, etwa in Fachmärkte, Stadtteilzent-
5.3.3.1 Die Bedeutung guter Datenbasen
451
ren oder Discounter. Nach eingehender Prüfung wurden diese Optionen jedoch verworfen. Die Aktie der Deutsche EuroShop (DES) hat sich in den vergangenen Jahren stabiler entwickelt als das Segment der Immobilienaktien im Allgemeinen. Der Gesellschaft wird eine Managementprämie zugestanden, da die Equitystory plausibel bei Investoren und Analysten ankommt und eine Anpassung der Strategie schlüssig kommuniziert wird. Die DES-Aktie notiert aktuell (2/08) 20 Prozent unter dem NAV. Der faire Wert der Aktie liegt nach meiner Einschätzung oberhalb von 29 €. In der Bewertung muss eine Managementprämie berücksichtigt werden. Des Weiteren ist DES sehr ausgewogen finanziert. Die Medien berichten häufig darüber, dass Wettbewerber ein großes Interesse haben, die Gesellschaft zu übernehmen. Gute Einzelhandelslagen – und dann noch mit Rabatt – sind eben ein knappes Gut. Für die Hamborner brachte der Wechsel der Eigentümerstruktur neue Freiheitsgrade: Die alten Anteilseigener der Hamborner betrachteten ihre Immobiliengesellschaft eher als „Sparstrumpf“. Der Einsatz von Fremdmitteln hatte keine nennenswerte Bedeutung. Unter den neuen Anteilseignern wurde der Fokus noch stärker auf das Immobilienbestandsgeschäft und auf gute Büro- und Einzelhandelslagen gerichtet. Das Aktienportfolio und Objekte ohne nachhaltige Perspektive wurden veräußert. Die Struktur des Portfolios wurde geschärft und es wurde eine solide Fremdmittelaufnahme fest eingeplant. Erst in einer zweiten Stufe wird der Schritt einer Kapitalerhöhung ins Auge gefasst. Dass das richtige Einzelhandelskonzept Mehrwert schaffen kann, zeigt folgendes Beispiel: Harrods und KaDeWe spielen in der Champions Liga. Aber ein Objekt, das Karstadt nicht mehr ins Konzept passte, hat der heutige CEO der Hamborner für Strauss Innovation passend gemacht. Hamborner verfügt über reichlich Eigenkapital – neue Objekte lassen sich so problemlos finanzieren. Das Immobilienportfolio der Hamborner ist inzwischen auf über 250 Mio. € gewachsen. Das Unternehmen besitzt ein gut strukturiertes Portfolio, das weiter ausgebaut wird. Im nächsten Schritt wird das Portfolio auf 500 Mio. € wachsen. Von den von uns aktiv beobachteten Werten verfügt Hamborner aktuell (2/2008) über die niedrigste Fremdmittelquote. Mit einem Abschlag von 35 % auf den NAV 2008 und einer Dividendenrendite von deutlich über 4 % ist Hamborner ausgesprochen attraktiv. Etwas weniger klar ist die Beurteilung von TAG Tegernsee und deren Tochtergesellschaft Bau-Verein zu Hamburg. Die TAG Tegernsee steht auf den Säulen Gewerbeimmobilien, Wohnimmobilien und Asset Management. TAG baut auch den Bestand sehr strukturiert auf. Schwerpunkte bilden Hamburg, Berlin, Köln-Düsseldorf und der Süden. Stuttgart und der Großraum München bilden hier den Schwerpunkt. Anfang 2008 gab der Bau-Verein zu Hamburg und der Joint VenturePartner bekannt, dass das Projekt „Wohnen und Arbeiten am Stadtpark“ an einen internationalen Investor verkauft wurde. Der NAV je Aktie wurde um 35 Cent je Aktie (nach Steuern) gesteigert. Das heißt, der NAV des Bau-Verein per 31.12.2007 verbesserte sich auf über 7,50 € je Aktie. Das bedeutet beim jetzigen Kurs (2/2008) einen Abschlag auf den NAV von 48 Prozent!!
452
5.3.1 Das Geschäftsmodell: Plausibilität, Stetigkeit und Flexibilität
Untergegangen war auch, dass die TAG im Asset Management eine Partnerschaft mit der HSH Real Estate eingegangen war. Verwaltet werden Portfolios aus Gewerbeimmobilien von zunächst 1,2 Mrd. Euro. Per Ende 2007 rechnen wir mit einem Net Asset Value je Aktie von 12,50 €. Geplant hatte die Gesellschaft einen NAV von 12 € je Aktie. Hier liegt der Discount mit über 50 % sogar noch etwas höher. TAG hat frühzeitig neues Kapital akquiriert, um rechtzeitig für den Portfolioerwerb mit ausreichend Kapital versorgt zu sein und um die TAG Gewerbe AG als REIT zu positionieren sowie den Bau-Verein als solide strukturiertes Wohnungsunternehmen zu positionieren. Die Freiheitsgrade liegen bei der TAG als Holding, während der Bau-Verein im Bereich Wohnen wachsen soll. Die TAG Gewerbe wird im Korsett und in perfekter Passform nach REITKriterien agieren. Einerseits ist die Kursentwicklung (siehe Abbildung 5.3-1) der TAG damit ein Spiegelbild gelungener Restrukturierung und systematischer strategischer, offensichtlich von Erfolg gekrönter Planung. Andererseits macht die TAG den Analysten und Investoren die Einschätzung des weiteren Wegs und dessen Erfolgsträchtigkeit dadurch schwer, dass sie recht abrupte Strategie- und Geschäftsmodellwechsel vornimmt. Sie führen unweigerlich zu Verunsicherung und zu Vertrauensverlust, was sich in Preisabschlägen niederschlägt. Mittelbis langfristig strukturiert auf Gewerbeimmobilien zu setzen, sollte sich aber nachhaltig als richtig erweisen.
5.3.3.1 Die Bedeutung guter Datenbasen
453
Abb. 5.3- 1 TAG AG: Entwicklung von NAV und Aktienkurs
5.3.2 Umsetzung, Erfolge Ein im Grunde überzeugendes Geschäftsmodell garantiert allerdings noch keinen nachhaltigen operativen Erfolg. Hierzu bedarf es auch einer effizienten Umsetzung. Vor allem gehört hierzu, ein richtiges Marktgespür zu zeigen und rechtzeitig in Teilmärkten mit Wachstumspotential für Mieten und Preise investiert zu sein.
454
5.3.2 Umsetzung, Erfolge
Abb. 5.3- 2 Wohnungsbauinvestitionen in den USA im Immobilienzyklus
Sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland denn wirklich so schlecht? Am deutschen Immobilienmarkt machte sich 2007 der Konjunkturaufschwung bemerkbar. Die Nachfrage nach Immobilien ist gestiegen. In den 1a-Lagen legen die Mieten zu. Der Gewerbemietpreisspiegel des Maklerverbands IVD weist ebenfalls für Büros in Metropolen und Mittelstädten steigende Mieten aus. In allen Städten ist ein Trend zurück in die A-Lagen erkennbar. Auch im Jahr 2008 wird die deutsche Wirtschaft wachsen, wenn auch nicht so dynamisch wie im Vorjahr. Die Nachfrage nach Immobilien, die Mieten und auch die Preise für Gewerbe- und Mietobjekte stagnieren oder fallen sogar kräftig in den USA, Großbritannien und in Spanien. In diesen Ländern sind die Mieten und die Objektpreise über Jahre nahezu explosionsartig nach oben geschnellt. Ganz anders in Deutschland. Megatransaktionen wie die Veräußerung des Viterra-Portfolios oder die GEHAG-Übernahme in Berlin wird es in 2008 weniger geben. Viel wichtiger ist jedoch, dass die Mieten für Wohnimmobilien über 15 Jahre stagnierten. Im abgelaufenen Jahr sind die Netto-Kalt-Mieten nur unwesentlich gestiegen. Lediglich in den guten Lagen und Top-Lagen steigen die Mieten und auch die Objektpreise. Das heißt in Berlin-Mitte, Hamburg-Harvestehude, Hamburg-Winterhude, Düsseldorf-Oberkassel ziehen die Mietpreise, die Multiplikatoren und demzufolge die Kaufpreise für Wohnimmobilien wieder an. Ebenfalls gut nachgefragt werden Objekte in guten Randlagen mit optimaler Verkehrsanbindung an die urbanen Zentren der Top-Metropolen. Städte wie Hamburg, Düsseldorf und inzwischen auch die Bundeshauptstadt, aber auch Leipzig und Dresden verzeichnen wieder Zuläufe.
5.3.3.1 Die Bedeutung guter Datenbasen
455
Abb. 5.3- 3 Wohnungsbauinvestitonen in Deutschland in der langfristigen Entwicklung
Vergleicht man die Entwicklung am amerikanischen und deutschen Wohnungsmarkt, so ist die Entwicklung zwischen 1991 und 2007 gänzlich anders verlaufen. Während der USWohnungsbau, gemessen an Baugenehmigungen und Fertigstellung, bereits in 2006 den Zenit überschritten hat (siehe Abbildung 5.3-2), bewegen sich Baugenehmigungen und Fertigstellungen in Deutschland auf dem niedrigsten Niveau nach der Wiedervereinigung. Dies zeigt Abbildung 5.3-3. Von Überhitzung kann auf dem deutschen Wohnungsmarkt aber keinesfalls gesprochen werden. Gegen einen starken Aufwärtstrend spricht, dass es z.B. in Berlin, Hamburg, Düsseldorf oder Frankfurt am Main ausreichend Wohnraum in akzeptablem Zustand mit guter Verkehrsanbindung für 4,50 Euro nettokalt den Quadratmeter gibt. Das Gleiche gilt für Büro- bzw. für Gewerbeimmobilien. Auch wenn sich gerade Nokia vom Standort Bochum verabschiedet hat, so bessern sich nachhaltig die Rahmenbedingungen für die Metropolregion Rhein-Ruhr. Rhein-Ruhr zählt zu den drei wichtigsten Metropolregionen in Europa, sozusagen in Augenhöhe mit Paris und London. Selbstverständlich ist das Einkommen in London höher und auch das BIP je Einwohner aber auch die Immobilienpreise. Seit die internationalen Investoren, insbesondere die großen Private Equity Fonds, den deutschen Markt entdeckt hatten, schossen die Preise in einigen Regionen teilweise kräftig in die Höhe. Bereits 2004 hatten wir erstmals herausgestellt, dass bei einem systematisch aufgebauten Portfolio mit deutschen Wohnimmobilien z.B. Berliner Objekte nicht fehlen sollten.
456
5.3.3 Transparenz und eigene Analyse
Entsprechend dem Geschäftsmodell der Real Estate Private Equity Fonds und aufgrund des historisch niedrigen Zinsniveaus wurden Portfolios extrem stark mit Fremdkapital gehebelt. Waren früher für große Pakete deutliche Abschläge nicht unüblich, so wurden unter dem Aspekt der Zukunftserwartungen im Jahr 2006 teilweise Aufschläge beim Portfolioerwerb gezahlt und erzielt. Zuletzt wurde für ein großes Wohnungsportfolio die 25-fache Miete gezahlt. Der Käufer eines Wohnungsportfolios argumentierte mit dem Zukunftspotential des Standortes und dass die Mieten deutlich unter Marktniveau liegen würden. Das Unternehmen wurde für diesen Deal sehr deutlich abgestraft. Binnen weniger Tage verloren die Aktien dieses Unternehmens vorübergehend mehr als 35 Prozent. Bereits vor der Transaktion zählte die Aktie zu den Underperformern. Die Möglichkeit, zügig die Mieten auf das Niveau des Mietspiegels oder sogar darüber hinaus anheben zu können, wurde nicht plausibel vermittelt. Dem Analysten genügten hier einfache Controlling-Maßnahmen; ein Blick in das Mietangebot der Gesellschaft, eine Recherche im Internet und vor Ort sowie die Aktivierung des Netzwerks. Ob es sich um gute Standorte, mittlere Ausstattung etc. handelt oder nicht, stand noch nicht einmal im Vordergrund. Es stellte sich zudem heraus, dass aktive Marktteilnehmer noch für das 14-fache der jährlichen Nettokaltmiete attraktive – wenn auch kleinere – Portfolios vermitteln können, und dies in kommenden mittleren bis guten Lagen. Der massive Unterschied einer Anfangsrendite von 4 % oder 7% wird sich in den weiteren Jahresergebnissen kräftig negativ bemerkbar machen. Wieso kam es bei dem gelisteten Unternehmen daher zu einer Unterperformance? Die Gesellschaft hatte die Präsenz in wichtigen Metropolregionen nicht frühzeitig erkannt. Timinggesichtspunkte und der Effekt der Lemminge beeinflussen damit die Performance entscheidend.
5.3.3 Transparenz und eigene Analyse 5.3.3.1 Die Bedeutung guter Datenbasen Gute Investor Relations schlägt sich – diese Erkenntnis ist inzwischen Gemeingut – in niedrigeren Kapitalkosten und damit höheren Bewertungen nieder. Für den Analysten sind der Umfang und der Detaillierungsgrad der vom Unternehmen gelieferten Informationen von großer Bedeutung. Worauf sich die Informationswünsche richten, ist wiederholt in der „Pub-
5.3.3.1 Die Bedeutung guter Datenbasen
457
likationswunschliste“ der Expertengruppe1 zusammengestellt und in diesem Band (Beitrag Gütle/Rehkugler) noch einmal präzisiert und erweitert worden. Als Aufgabe des Analysten verbleibt, vom Unternehmen gelieferte Daten auf ihre Plausibilität zu überprüfen und – in Kombination mit weiteren, selbst erhobenen bzw. beschafften Daten – Berechnungen und Auswertungen vorzunehmen, um die Unternehmensdaten bewerten zu können. Unternehmen wie Analysten sehen sich hier mit der Frage konfrontiert, wie weit jeweils der Aufwand für die Datenbeschaffung, das eigene Research und die Auswertung getrieben werden soll und welcher zusätzliche Informationsgewinn den zusätzlichen, teilweise erheblichen Kosten gegenübersteht. So sind z.B. für die Analyse des Wohnungsmarkts die Statistiken häufig viel zu spät verfügbar, Expertendatenbanken sind teilweise extrem teuer und lohnen sich häufig nur für große professionell agierende Asset Manager bzw. Großinvestoren. Die Research-Berichte großer Makler sind häufig nicht frei zugänglich oder nur über Umwege zu erhalten. Öffentlich zugängliche Berichte sind schnell überholt, da sie teilweise nur einmal jährlich publiziert werden. Auch der Einbezug des Mietspiegels einer Kommune und des Berichts des örtlichen Gutachterausschusses in die Betrachtungen bringt häufig Schwierigkeiten mit sich. Der Mietspiegel wird in Zeiten fallender Mieten nur sehr zögerlich angepasst – wenn überhaupt. Und die Berichte der Gutachterausschüsse erscheinen inder Regel nur einmal pro Jahr und geben den Status des abgelaufenen Kalenderjahres erst mit einer Zeitverzögerung von sieben bis acht Monaten wieder. Gelegentlich kann auf einen vorläufigen Bericht des Gutachterausschusses zurückgegriffen werden. Auch Leerstandsdaten und -quoten in einem Portfolio oder in einer Region gilt es, ob Wohnen oder Gewerbe, sehr differenziert zu betrachten. In den neuen Bundesländern wird für Plattenbauten und für Altbauten, die sich nicht mehr wirtschaftlich restaurieren oder modernisieren lassen eine sogenannte Abrissprämie gewährt. Mit der Umsetzung der Rückbauprogramme nach dem Programm „Stadtumbau Ost“ in den neuen Bundesländern wird ein erhebliches Potential an recyclingfähigem Baumaterial frei, dass auch bei der Umsetzung der im Wettbewerb projektierten Neubauten zur städtebaulichen Nach- und Weiterverdichtung eine Schlüsselrolle spielen könnte. Dabei fiel auf, dass die Mehrzahl der Rückbaumaßnahmen Gebäude des jüngsten Bautyps WBS 70 betreffen. Dies sind Objekte, die Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre entstanden sind. 50 % aller Gebäude werden komplett abgebrochen, so dass im günstigsten Fall die andere Hälfte der Rückbauprojekte auch ohne Wiederverwendungsabsicht wiederverwendungsfreundlich demontiert wird. Wichtig ist hierbei nur, ob nicht bedarfsgerechter Wohnraum entsorgt wird. Hinzu kommt, dass in Städten wie Leipzig oder Dresden aufgrund einer aktiven Standortpolitik Zuwanderer und Rückkehrer für neue Nachfrage nach Wohnraum sorgen. Einer besonderen Analyse bedürfen die Angaben über die Lage der Objekte. Eine ungefähre Übersicht über einzelne Mikrolagen erlangt man über Immobilienscout24 oder über die Do-
1
Vgl. Thomaschowski/Rehkugler/Nack (2003), S. 70 ff.
458
5.3.3 Transparenz und eigene Analyse
main der großen Immobilienbestandshalter. Sehr gutes statistisches Material und eine gute Markteinschätzung für einzelne große Standorte erhält man beispielsweise über Corpus Sireo, LBS Hamburg oder HVB Expertise. Der Berliner Immobilienmarkt ist für den erfahrenen Investor oder Analysten transparent. Die regelmäßig erscheinenden Marktberichte geben auch größeren Investoren einen vernünftigen Überblick über den Berliner Wohnungsmarkt. Doch selbst Studien, die aus dem gleichen Haus stammen, sind nur bedingt auf gleichem Niveau. Bei Gewerbeimmobilien geht ohne Netzwerk und ohne die großen etablierten Beratungsgesellschaften und Maklergesellschaften sowie ohne eigene/professionelle Datensammlung so gut wie gar nichts. Pflichtlektüre für jeden Investor bzw. Analysten sollte für deutsche Immobilieninvestments die Immobilien Zeitung sein. Da wir Verfechter des Bottom-UpAnsatzes sind, verschaffen wir uns natürlich regelmäßig vor Ort einen Überblick über die wichtigsten deutschen Immobilienstandorte, die wichtigsten Mikrolagen und bringen dies in Einklang mit Standort- und Wirtschaftspolitik in den betreffenden Regionen. Immer ist zu beachten, dass der Markt zu heftigen Überreaktionen neigt. Sei es die Subprime-Krise oder seien es mehrere große Immobilientransaktionen: Es wird schnell verallgemeinert. Selbst wenn es grundsätzlich wenig hilft, sich alleine gegen den Markt oder Trends zu stellen, hilft aktives Research, um zu fundamental gerechtfertigten Werten zu kommen.
5.3.3.2 Wie sind die Unternehmen finanziert? Auch die Finanzierung der Unternehmen und die dadurch geschaffenen Chancen- und Risikopotentiale sind für die Einschätzung der Immobilienunternehmen durch den Markt von Bedeutung. Immobilienbestandshalter, die mit einem hohen Fremdkapitalhebel agieren, gehen das Risiko ein, dass der NAV überproportional fällt, falls der Marktwert der Immobilien sinkt. Negative Substanzwerte – also auch der Exitus eines Unternehmens – sind vorstellbar. Nur mit geringen Fremdmitteln arbeitet die HambornerAG. Bis zur Übernahme durch die HSH Real Estate AG hat das Unternehmen nahezu gänzlich auf die Aufnahme von Fremdkapital verzichtet. Aktuell verfügt die Hamborner über einen Immobilienbestand von 250 Mio. € bei einer Eigenmittelquote von rund 80 %. Das Portfolio soll durch Zukauf von weiteren Qualitätsimmobilien deutlich ausgebaut werden. Beim Kauf fokussiert sich die Hamborner AG vor allem auf Einzelhandelsobjekte in 1a-Lagen mittelgroßer deutscher Städte sowie auf Büroimmobilien an etablierten Standorten im ganzen Bundesgebiet. In 2007 wurde ein Objekt in guter Lage in Münster und ebenso eine Büroimmobilie im Technologiepark in Bremen erworben. Zu den Mietern zählen O2, OAS und die Universität Bremen. Die Anfangsrendite beträgt 6,7 % nettokalt. In Hamburg wurde an der Alster ein Hotelobjekt erfolgreich in eine hochwertige Büroimmobilie umgewandelt. In der nächsten Stufe wird ein Portfolio von 500 Mio. € angepeilt. Die Fremdkapitalquote wird unter dem neuen Management auf gut 50 % erhöht.
5.3.3.2 Wie sind die Unternehmen finanziert?
459
Wie zuvor bereits erwähnt, wurden Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von weniger als ca. 30 % vom Kapitalmarkt sehr stark abgestraft. Dies zeigt auch tendenziell Abbildung 5.3-4 mit einer Übersicht über die Bewertungskennzahlen deutscher Immobiliengesellschaften. Deutsche Wohnen und Colonia Real Estate notieren unter dem für 2008 angepeilten NAV. Bei der Deutsche Wohnen haben wir in dieser Betrachtung sogar den Liegenschaftsbzw. Diskontierungssatz angepasst. TAG Tegernsee und der Bau-Verein zu Hamburg gehörten bis in die letzten Jahre auch zu den Unternehmen mit niedriger Eigenkapitalunterlegung. Sie werden mit einem Abschlag auf den NAV per 31.12.2007 für TAG von 54 % und den Bau-Verein von 43 % sowie auf den geschätzten NAV per 31.12.2008 für TAG von 58,3 % und Bau-Verein von 46,8 % quasi verschenkt! Wir sind allerdings der Meinung, dass, bei börsennotierten Wohnungsgesellschaften grundsätzlich eine Eigenkapitalquote von 25 bis 35 % reicht, weil die Wertänderungsrisiken deutlich kleiner einzuschätzen sind.
Abb. 5.3- 4 Bewertungskennzahlen deutscher Immobiliengesellschaften
460
5.3.4 Schluss: REIT oder Immobilienaktie mit Freiheitsgraden?
5.3.4 Schluss: REIT oder Immobilienaktie mit Freiheitsgraden? Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es für die Bewertung von Immobiliengesellschaften am Kapitalmarkt nicht ausschließlich darauf ankommen wird, ob die Gesellschaft die Vorteile der Steuertransparenz, die der REIT-Status mit sich bringt, wahrnimmt. Im Grunde wird stärker entscheidend sein, ob das Geschäftsmodell überzeugt und wie es gelebt wird. Es wird in den nächsten Jahren vor allem interessant sein zu beobachten, in welcher Weise die Immobiliengesellschaften, die keinen REIT-Status haben oder anstreben, es schaffen, durch die Nutzung ihrer größeren Freiheitsgrade den Steuernachteil gegenüber den REITs zu kompensieren.
5.4
Premiums und Discounts bei Immobiliengesellschaften – Theoretische Erklärungen und empirische Belege
Rafael Zajonz / Heinz Rehkugler 5.4.1
Einleitung
462
5.4.2
Überblick über die Erklärungsansätze in der Literatur
464
5.4.3
Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren
470
5.4.3.1
Die Unternehmensgröße ........................................................................................470
5.4.3.2
Die Kapitalstruktur ................................................................................................473
5.4.3.3
Der steuerliche Status – REIT oder Non-REIT .....................................................476
5.4.3.4
Funktionaler und geographischer Fokus................................................................479
5.4.3.5
Transparenz............................................................................................................484
5.4.3.6
Liquidität der Aktien..............................................................................................485
5.4.4
Erklärungsmodelle mit Markt(verhaltens)faktoren
5.4.4.1
Ansatzpunkte zur Erfassung des Marktverhaltens.................................................487
5.4.4.2
Das Noise Trader-Modell ......................................................................................489
5.4.5
Fazit
5.4.5.1
Konkurrierende Erklärungsmodelle und unklare Befunde....................................494
5.4.5.2 5.4.5.2.1 5.4.5.2.2 5.4.5.2.3
Wert oder Preis – Was ist die richtige Orientierungsgröße für den Investor?.......496 Der NAV ist die Führgröße ...................................................................................497 Der Börsenkurs ist die Führgröße..........................................................................498 Liegt die Wahrheit in der Mitte? ...........................................................................499
487
494
5.4.1 Einleitung Dieser Beitrag knüpft an drei in mehreren vorangegangenen Beiträgen schon angesprochene Aspekte zur theoretisch richtigen und empirisch an den Aktienmärkten zu beobachtenden Bewertung von börsennotierten Immobiliengesellschaften mit und ohne REIT-Status an: • dem NAV als wohl begründeter und praktisch vielfach verwendeter Startbasis für die Wertfindung dieser Gesellschaften, • den theoretischen Argumenten für ein gerechtfertigtes Abweichen des Preises und Wertes des Gesamtunternehmens von der Summe der Einzelwerte des Vermögens und der Schulden, • dem empirischen Phänomen häufiger Abweichungen der Börsenkurse von dem vom Unternehmen genannten oder vom Analysten berechneten/geschätzten NAV. Zur Bestätigung des letzteren Aspekts sei ein weiteres Mal die schon mehrfach verwendete Darstellung von Greenstreet Advisors zu der Entwicklung von Premiums und Discounts für die US-REITs über die letzten zwei Jahrzehnte und die vergleichbare Auswertung von Kempen für europäische Immobilienwerte herangezogen.
Abb. 5.4- 1 Durchschnitt der NAV-Abweichungen bei US-REITs im langfristigen Verlauf Quelle: Greenstreet Advisors (2007)
5.4.3.1 Die Unternehmensgröße
463
Abb. 5.4- 2 Premiums und Discounts europäischer Immobilienaktien zum NAV Quelle: Kempen: European Market Update: Back to Fair Value
Die Graphik für die US-REITs (Abbildung 5.4-1) lässt ein langfristiges Oszillieren der Marktkapitalisierung um den NAV mit phasenweise allerdings beträchtlichen Abweichungen erkennen, was eine „Mean Reversion“ nahe legt. Im Vergleich zu den europäischen Immobilienaktien (Abbildung 5.4-2) ist ein grundlegender Unterschied festzustellen. Auch hier sind oszillierende Bewegungen mit zum Teil gravierenden Abweichungen sichtbar. Im Gegensatz zu den USA, bei denen der Durchschnitt der Marktkapitalisierung leicht über dem NAV liegt (die Aktien also auf lange Frist mit einem Premium gehandelt wurden), wurden die europäischen Werte aber im Durchschnitt mit einem Discount zum NAV gehandelt. Für die britischen Property Companies bewegte sich dieser Abschlag im Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte sogar bei fast 20 %. Einen Eindruck über die ökonomische Dimension solcher Abweichungen mögen folgende Daten liefern. So betrug z.B. im Jahr 2002 der kumulierte Discount auf den NAV der 42 größten europäischen bestandshaltenden Immobilienaktienunternehmen 27,34 % und entsprach somit einer Wertdifferenz zwischen NAV und Börsenwerten von 22,48 Mrd. €.1 Auch derzeit (Juli 2008) notieren sehr viele europäische Gesellschaften mit teilweise noch weit darüber hinausgehenden Abschlägen auf ihren NAV. Erfolgte eine solche Bewertung unterhalb des NAV ungerechtfertigt, dann führte sie zu einer Hemmung der Entwicklung einer ganzen Branche und zu Allokationsverzerrungen in der Ökonomie. Ausmaß, Persistenz, ökonomische Rechtfertigung und Auswirkungen dieses Phänomens sind damit sowohl für die Praxis der Immobilienbranche als auch für die Finanzmarkttheorie gleichermaßen von Bedeutung. Wir wollen im Folgenden eine vertiefende theoretische Analyse bieten, welche Einflussfaktoren eine positive (Premium) oder negative Abweichung (Discount) des Börsenkurses vom 1
Quelle: Eigene Berechnung anhand eines Samples von Unternehmen des EPIX 50-Indexes
464
5.4.2 Überblick über die Erklärungsansätze in der Literatur
NAV erklären und fundamental rechtfertigen können. Zusätzlich wollen wir anhand von empirischen Daten zeigen, ob die identifizierten Faktoren auch tatsächlich Eingang in die Bewertungen durch den Markt finden und mit welchem Gewicht sie jeweils die Preisbewegungen und die Abweichungen beeinflussen. Ein Überblick über Erklärungsansätze für das Auftreten von Premiums und Discounts in der Fachliteratur diene zur „Einstimmung“ und zur Ableitung einer Systematisierung.
5.4.2 Überblick über die Erklärungsansätze in der Literatur Trotz der großen Bedeutung des Verständnisses der Bewertungsdynamik von Immobilienaktien für das weitere Wachstum dieses Börsensegmentes ist die Anzahl der Studien für den europäischen Raum als gering zu erachten. Der Großteil der Forschung auf dem Gebiet der Bewertungsanomalien bei Immobilienunternehmen stammt aus den USA und/oder bezieht sich auf deren Daten, da sich dort über Jahrzehnte ein inzwischen reifer und gut entwickelter Markt für indirekte Immobilienanlagen entwickelt hat. Die Fachliteratur beginnt erst ab der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, sich des Themas anzunehmen.2 Mit Capozza/Lee (1995) erscheint die erste Studie, die sich explizit mit der Abweichung der Börsenbewertung verbriefter Immobilienanlagen vom Wert des ihnen zugrunde liegenden Immobilienvermögens befasst. Es wird ein Verfahren zur Bestimmung des NAVs entwickelt und im Anschluss daran werden mögliche Ursachen für die festgestellten Discounts/Premiums bei amerikanischen REITs für die Jahre 1985-1992 analysiert. Capozza/Lee untersuchen dabei den Einfluss, den einige unternehmensinterne Faktoren wie Verschuldungsgrad, sektorale Fokussierung oder auch Unternehmensgröße und Cash Flow auf die Abweichung vom NAV haben. Externe Faktoren, wie allgemeine Tendenzen am Aktienmarkt, Liquidität, das Zinsniveau oder andere konjunkturelle Rahmenbedingungen, werden bei der Analyse nicht mit einbezogen. Aus den Resultaten dieser ersten Studie schließen die Autoren auf eine Abhängigkeit der Premiums/Discounts vom Immobilientyp, auf den sich die REITs spezialisieren, und auf einen signifikant positiven Einfluss der Größe der Unternehmung auf die Bewertung.
2
Erste, allerdings eher indirekte Hinweise auf Bewertungsanomalien finden sich bei Shilling/Sirmans/Wansley (1986)
5.4.3.1 Die Unternehmensgröße
465
Während in dieser initialen Untersuchung das Hauptaugenmerk auf einer Querschnittsbetrachtung der operativen Unternehmenscharakteristika als möglichen Gründen einer abweichenden Bewertung lag, erweiterten nachfolgende Studien in den Jahren danach den Umfang der Erklärungsansätze beträchtlich. Damit trugen sie den neueren empirischen Ergebnissen aus der Beobachtung der langfristigen Abweichungen vom NAV Rechnung. Die Auf- und Abschläge treten dabei zum einen bei den einzelnen Immobilienunternehmen auf, zum andern lassen sich für US-REITs aber auch Marktphasen differenzieren, in denen – ungeachtet großer Unterschiede zwischen der Börsenbewertung einzelner Gesellschaften – die Mehrzahl der Werte des Marktes sich gleichzeitig in einer „Aufschlags-„ oder „Abschlags-“ Phase befindet. Es werden nun verstärkt Einflussfaktoren gesucht, die exogener Natur sind, wie z.B. die Liquidität der Wertpapiere, Marktsentiment der Investoren und steuerliche Überlegungen.3 Seit dem Ende der neunziger Jahre findet das Problem auch bei Forschern aus dem europäischen Raum verstärkt Beachtung. So wurde mit Barkham/Ward (1999) eine erste Untersuchung für den britischen Markt veröffentlicht, der seitdem weitere mit gesamteuropäischer Perspektive folgten. Neben der zeitlichen und geographischen Ausweitung der Betrachtung ist es insbesondere auch die Inklusion von Erkenntnissen aus der Forschung über ein ähnliches Phänomen aus dem Bereich der geschlossenen Aktienfonds, die für eine Befruchtung des wissenschaftlichen Disputes gesorgt hat. Ein geschlossener Aktienfonds ist eine Investmentgesellschaft, deren Kapital fix ist. Die Anteilsscheine werden frei an der Börse gehandelt, ihr Preis ergibt sich also nicht direkt aus dem Wert des zugrunde liegenden Vermögens der Gesellschaft, sondern wird durch Angebot und Nachfrage am Markt bestimmt. Ähnlich den Immobilienaktiengesellschaften hat also der Börsenkurs nur eine indirekte Verbindung mit dem korrespondierenden Wert des Anteils am Gesamtportfolio. Für diese „Closed-End“-Fonds wird nun schon seit den sechziger Jahren auf dem amerikanischen und britischen Markt ein ähnliches Phänomen beobachtet, wie es auch die Immobilienaktien zeigen. Die Börsenkurse weichen in einem zum Teil beträchtlichen Ausmaß langfristig von ihrem als fundamental gerechtfertigt angesehenen Wert ab. Dieser Sachverhalt zeigt, dass die Differenzen zwischen dem Wert des Anteils am zugrunde liegenden Vermögen und dem Wertpapierpreis keineswegs ein lediglich auf Immobilienaktien beschränktes Problem sind.4 Lösungsansätze aus dem Bereich des „Closed-End Puzzles“ wurden für das Real Estate Szenario übernommen und angepasst. Dies führte dazu, dass in neueren Studien als Ursachen nicht nur immobilienspezifische und unternehmensinterne Faktoren untersucht
3
Vgl. Clayton/MacKinnon (2000a) oder auch Barkham/Ward (1999)
4
Zum sog. „Closed-End Puzzle“ siehe auch der Übersichtartikel von Dimson/Minio-Kozerski (1998)
466
5.4.2 Überblick über die Erklärungsansätze in der Literatur
werden, sondern verstärkt auch irrationales Anlegerverhalten („Noise Trader“-Approach) und Marktsentiment als erklärende Variablen einbezogen werden.5 Ein weiterer, potentiell fruchtbarer Erklärungsansatz zeichnet sich seit Anfang der neunziger Jahre unter dem Begriff des „Smoothings“ ab. Auf diese durch den Bewertungsprozess verursachte Verzerrung und Reduktion der berichteten Renditevolatilität von kommerziellen Immobilien im Vergleich zu den am Markt tatsächlich erzielten Transaktionspreisen ist in verschiedenen vorangegangenen Beiträgen hingewiesen worden.6 Zur Performancemessung von Immobilien werden oftmals Immobilienpreisindizes verwendet, die auf mit geringer Periodizität erstellten Wertgutachten beruhen. Diese basieren teils auf Vergleichsdaten von Transaktionen ähnlicher Objekte, meist aber auf einem Bewertungsmodell, das den Barwert künftiger erwarteter Zahlungsüberschüsse zu bestimmen versucht. So nur einmal oder wenige Male im Jahr ermittelte bzw. geschätzte Werte sind letztlich nicht mit Werten und Preisen an den Aktien- und Anleihemärkten vergleichbar, die auf tatsächlichen Transaktionen basieren und damit viel häufiger aktualisiert werden. In gewisser Weise sind Gutachter das Analogon des Immobilienmarktes zum Aktienanalysten.7 Beide haben bei der Wertermittlung eines Anlageobjektes einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Resultat. Je geringer die Liquidität und Informationsqualität des Objektes ist, desto stärker kann sich dieser Einfluss niederschlagen. Die Literatur liefert in zahlreichen Studien Belege dafür, dass Gutachter bei der Schätzung eines Immobilienwertes Informationen über gegenwärtige Marktbedingungen mit zeitgewichteten Gutachten der vergangenen Jahre mischen. Durch diese retrospektive Komponente erhält das Gutachten den Charakter eines gleitenden Durchschnitts. Angesichts der oftmals spärlichen Informationslage in der aktuellen Periode ist dieses Vorgehen auf der Ebene der einzelnen Immobilien nicht per se als irrational oder gar falsch zu werten.8 Jedoch kommt es bei der Aggregation dieser Einzelwerte zu einem Index meist zum so genannten „Smoothing“-Effekt. Die Volatilität des Indexes wird deutlich geringer ausgewiesen, als sie auf der Basis von Transaktionspreisen wirklich ist, und der Index läuft der tatsächlichen Wertentwicklung mit einem Time-Lag hinterher. Eine durch den Smoothing-Effekt künstlich reduzierte Volatilität eines Indexes führt zwangsläufig zu einer Unterschätzung des Risikos der abgebildeten Assets. Die für eine sachgerechte Portfoliosteuerung nötigen Korrelationsmaße mit anderen Anlageinstrumenten verlieren an Aussagekraft oder werden gänzlich unbrauchbar. Für die Bewertung von Immobilienaktienunternehmen ergeben sich aber auch noch weitere Implikationen. Denn es steht zu erwarten, dass sich der Effekt über die Ermittlung der Immobilienwerte nach dem Gutachtenverfahren auch in den NAV einschleicht und ihn verfälscht. So könnten die Diskontierungssätze zur Ermittlung des Present Value der Zahlungs5
Vgl. Barkham/Ward (1999) und Morri/McAllister/Ward (2005). Zum „Noise Trader“-Approach siehe auch DeLong/Shleifer/Summers/Waldmann (1989)
6
Eine erste einflussreiche Publikation hierzu ist Fisher/Geltner/Webb (1994). Eine neuere Studie hierzu findet sich bei Bond/Hwang (2005)
7
Geltner/MacGregor/Schwann (2003), S. 2
8
Siehe Baum/Crosby/MacAllister (2002)
5.4.3.1 Die Unternehmensgröße
467
ströme aus der Immobilie durch das vermeintlich geringere Risiko beeinträchtigt werden. Dies würde dann zu einer verminderten Renditeforderung führen und damit den diskontierten Wert der Immobilien erhöhen. Das Ergebnis wäre ein „aufgeblähter“ NAV. Wenn nun gut informierte rationale Investoren dem Immobilienbestand der AG eine höhere immanente Renditevolatilität zurechnen als die durch die Gutachten suggerierte, erschiene aus dieser Sicht ein Discount auf den NAV gerechtfertigt. Aufgrund der schwierigen Datenlage im Bereich der privat gehaltenen Immobilien ist es jedoch überaus schwierig, einen solchen vermuteten Zusammenhang zwischen Smoothing-Effekt und NAV-Discount empirisch zu verifizieren. So verwundert es nicht, dass es bislang keine Studie hierzu gibt. Es gibt damit insgesamt gute Gründe zum einen für die Annahme, dass der korrekt ermittelte und unverfälschte NAV dem „fairen“ Eigenkapitalwert einer Immobilienaktiengesellschaft entspreche. Einige Erklärungsansätze teilen diese Ansicht und sehen infolgedessen einen davon abweichenden Börsenkurs als nicht gerechtfertigt an. Positive wie negative Divergenzen vom NAV müssten damit auf Marktineffizienzen, insbesondere auf irrationales Verhalten der Investoren zurückgeführt werden. Schon in früheren Beiträgen, vor allem bei der Diskussion der Bewertungsmethodik, hatten wir zum andern einige starke Argumente für die konträre Position diskutiert, dass der NAV nicht immer, nicht unbedingt oder konsequent gesehen auf keinen Fall den wahren Wert wiedergibt und wir eine abweichende Marktkapitalisierung durchaus erwarten sollten. Durch den Erwerb von Aktien einer Immobiliengesellschaft erwirbt ein Investor ein Anlagegut, dessen Charakteristika von denen des ihm zugrunde liegenden Bündels an Immobilien abweichen. In etlichen wichtigen Punkten wie Fungibilität, Diversifikation, Steuern und Mindestanlagesumme gibt es zum Teil gravierende Unterschiede zwischen einem Investment in direkte Immobilien und in eine börsennotierte bestandshaltende Immobiliengesellschaft, die ohne Zweifel wertrelevant sind und ex ante einen anderen fairen Wert als den NAV nahe legen.9 Weiterhin könnte die Summe der Zahlungsströme aus dem Immobilienbestand und der gesamten Unternehmung durch die fehlende Berücksichtigung von Overhead-Kosten, vor allem aber durch den Einfluss der Aktivitäten des Managements unterschiedlich ausfallen. Ebenso muss davon ausgegangen werden, dass die Zahlungsströme auf der Ebene der einzelnen Immobilien (und somit des NAV) zum Zwecke ihrer Bewertung mit einem anderen Diskontierungszins diskontiert werden, als dies durch die Investoren auf der Unternehmensebene geschieht.10 Bei der zu erklärenden Variablen, der Differenz zwischen dem NAV und der Marktkapitalisierung, gilt es des Weiteren zu beachten, dass das Phänomen in zwei Teilaspekte aufgespalten werden muss, die unterschiedlicher Erklärungsmodelle bedürfen. Die obigen Graphiken 9
So fragen zum Beispiel Morri/MacAllister/Ward (2005), S. 4, ob es nicht ein Rätsel sei, dass man, trotz der klaren Überlegenheit der indirekten Anlageform in den meisten der angeführten Punkte, Discounts häufiger als Premiums beobachtet
10
Diesen Fragen geht z.B. Rehkugler (2005), S. 314 ff. nach
468
5.4.2 Überblick über die Erklärungsansätze in der Literatur
betonen den Aspekt der Differenz zwischen Börsenkapitalisierung und NAV im Zeitablauf und für eine gesamte Gruppe von Unternehmen (alle US-REITs, eine ausgewählte Gruppe europäischer Immobiliengesellschaften). Hier gilt es also, die Fluktuation der durchschnittlichen Abweichung des gesamten Sektors im Zeitablauf zu erklären. Hierzu dürften sich vorrangig exogene Einflussgrößen wie das makroökonomische Umfeld, allgemeine Tendenzen an den Aktienmärkten, irrationale Marktakteure, aber auch Bewertungslags eignen. Auf der Ebene der einzelnen Immobiliengesellschaft geht es dagegen darum, bei ihr im Vergleich zum Gesamtmarkt auftretende Discounts und Premiums zu erklären. Es geht also um die Frage, warum der Aktienmarkt ein Unternehmen mit einer höheren oder niedrigeren positiven oder negativen Abweichung vom NAV bewertet, als dies für den Marktdurchschnitt geschieht. Wiederum können Marktfaktoren wie die (eingeschränkte) Liquidität eines Papiers eine Rolle spielen. Aber vorrangig müssten hier unternehmensinterne Faktoren wie die Größe der Unternehmung, ihr Verschuldungsgrad, die strategische Fokussierung oder ihr Transparenzniveau zum Tragen kommen. Abbildung 5.4-3 soll die unterschiedlichen Ansatzpunkte der beiden Fragenkreise noch einmal verdeutlichen. Der obere Teil zeigt das stilisierte Oszillieren der Marktkapitalisierung aller REITs um den NAV. Die beiden zusätzlichen Kurven seien Verläufe zweier unterschiedlicher REITs. Die Marktkapitalisierung von U1 bewegt sich perfekt mit dem Gesamtmarkt, aber mit einem deutlichen Abschlag. Die Börsenbewertung des REITs U2 dagegen zeigt dagegen meist einen höheren Zuschlag auf den NAV als im Marktdurchschnitt, streut aber im Zeitablauf mehr. Der untere Teil der Abbildung isoliert den unternehmensspezifischen Bewertungseffekt dadurch, dass nunmehr die durchschnittliche Differenz des NAV zur Börsenkapitalisierung für die Entwicklung des Marktes als Konstante gesetzt und nur die Abweichung des unternehmensspezifischen Premiums/Discounts vom Gesamtmarktdurchschnitt gezeigt wird. Die hier resultierenden Differenzen gilt es über unternehmensspezifische Faktoren zu erklären.
5.4.3.1 Die Unternehmensgröße
469
U2 Markt U1
U2 Markt U1 Abb. 5.4- 3 Idealtypische Markt- uhd Unternehmenskomponente von Premiums und Discounts
Die Fachliteratur trennt erstaunlicherweise bislang nicht sauber und konsequent zwischen diesen beiden Bereichen. Wir werden im Weiteren zunächst Ansätze zur Erklärung unternehmensspezifischer Zuschläge zum bzw. Abschläge vom NAV vorstellen. Dabei wird deutlich werden, dass, obwohl diese Ansätze intuitiv ansprechend sind, ihr Erklärungsgehalt für das zu beschreibende Phänomen noch nicht als befriedigend angesehen werden kann. Es folgt ein Überblick über Einflussfaktoren zur Erklärung der Abweichungen auf Gesamtmarktebene. Dieser erst in den letzten Jahren aufgekommene Zweig der Forschung erweist sich als sehr viel versprechend und interessant. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse kann dann beurteilt werden, inwieweit der NAV ein guter Wert- und vor allem Kursindikator ist, ob sich also der vorübergehend „falsche“ Kurs tendenziell immer wieder auf den NAV zu bewegt oder ob der NAV die „falsche“ Größe bildet und mit Verzögerung sich an den Marktpreis annähert.
470
5.4.3 Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren
5.4.3 Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren Die erste und größte Gruppe von Ansätzen zur Erklärung der NAV-Abweichungen wird in der Literatur zusammenfassend auch als „rationaler“ Ansatz bezeichnet. Darunter werden alle Hypothesen subsumiert, welche die Discounts und Premiums auf unternehmensspezifische Faktoren zurückführen, die einen Abschlag vom bzw. einen Aufschlag zum NAV fundamental rechtfertigen. Der dominante Faktor ist hier ohne Zweifel die Fähigkeit des Managements, Erträge zu erwirtschaften und/oder Risiken zu reduzieren. Originär lässt sich aber Managementqualität kaum messen. Daher muss die empirische Forschung an messbaren Rahmenbedingungen bzw. Aktivitäten des Managements ansetzen und hierfür geeignete Proxies finden. Zu diesen gehören z.B. die Größe der Unternehmung, ihr strategischer Geschäftsfokus, die geographische Aufstellung, die Verschuldungspolitik oder die Liquidität der Anteile und der steuerliche Status der Unternehmung. Diese auf endogenen Faktoren basierenden Modelle sind unter allen Ansätzen auf diesem Forschungsgebiet die am besten und häufigsten untersuchten. Als Grund hierfür kommen vor allem die vergleichsweise einfache Verfügbarkeit von Datenmaterial und der intuitive Appeal der Erklärungen in Frage. Im Folgenden werden die in der Literatur behandelten unternehmensspezifischen Erklärungen dargestellt und die Ergebnisse zu den jeweiligen Faktoren diskutiert. Dem werden Resultate aus einer eigenen Untersuchung gegenüber gestellt. Dabei handelt es sich um die empirische Auswertung von Daten der im EPIX 50 Index vertretenen Immobilienaktienunternehmen für die Jahre 2000 bis 2006. Das Datensample wurde dabei aus den veröffentlichten Geschäftsberichten gewonnen und erlaubt eine umfassende Analyse der in der Literatur postulierten Erklärungsmodelle. Die aus dem Index in das Panel aufgenommenen Unternehmen sind allesamt als Bestandshalter einzustufen und eignen sich daher für eine Evaluation der NAV-Methode.
5.4.3.1 Die Unternehmensgröße Seit der ersten Studie von Capozza/Lee (1995) wird die Größe der Unternehmen (gemessen an der Marktkapitalisierung) als eine wichtige erklärende Variable in praktisch allen Untersuchungen verwendet. Die Theorie nimmt im Allgemeinen einen positiven Zusammenhang zwischen der Abweichung vom NAV und der Marktkapitalisierung an; eine Immobiliengesellschaft mit höherer Kapitalisierung sollte demnach also einen geringeren Discount bzw. ein höheres Premium haben. So wurden in amerikanischen Studien deutliche Hinweise dafür gefunden, dass größere REITs im Vergleich zu ihren kleineren Mitbewerbern eine höhere
5.4.3.1 Die Unternehmensgröße
471
Profitabilität und eine bessere Entwicklung des Unternehmens aufgrund der Realisierung von Economies of Scale haben.11 Des Weiteren wird angeführt, dass kleinere Unternehmen für institutionelle Investoren von geringerem Interesse seien und somit auch eine geringere Abdeckung durch Analysten erhielten. Dies wiederum sei für die Transparenzbemühungen nachteilig und steigere die Kapitalkosten von kleinen Immobiliengesellschaften. Bei Clayton/MacKinnon (2000a) findet sich ferner die Vermutung, dass die Qualität des Managements von größeren REITs dem von kleineren REITs überlegen ist. Allerdings gibt es auch Argumente die für einen negativen Zusammenhang zwischen Größe und Discount sprechen. Barkham/Ward (1999) führen an, dass für den Fall, dass eine große Unternehmung zu einer Totalliquidation ihrer Immobilienbestände gezwungen wäre, dies einen erheblichen temporären Angebotsüberschuss auf den betreffenden Immobilienmärkten zur Folge hätte. In einer solchen Situation erscheint es als unwahrscheinlich, dass die Assets der Gesellschaft die Verkaufspreise erzielen, mit denen sie zuvor in der Bilanz (und somit in der NAV-Berechnung) aufgeführt wurden. Somit könnte argumentiert werden, dass bei größeren Immobilienunternehmen ein latentes Liquiditätsproblem existiert, wodurch ein Abschlag auf den NAV gerechtfertigt wäre. Ein Blick auf die bisherigen Untersuchungsergebnisse zeigt ein uneinheitliches Bild. Während in den Studien für die USA noch ein positiver Zusammenhang auftaucht, zeigt sich in den Untersuchungen für europäische Unternehmen, dass dem Faktor Marktkapitalisierung allenfalls eine marginale Bedeutung zugeschrieben werden kann. Capozza/Lee (1995) untersuchen als Erste den Einfluss der Größe mit einem Sample von 75 REITs für die Jahre 1985 bis 1992. Sie finden eine signifikante positive Korrelation. Jedoch wird die Aussagekraft durch einige Bedenken bezüglich der statistischen Durchführung der Untersuchung gemindert.12 Einige Jahre später bestätigt die Studie von Clayton/MacKinnon (2000a) den positiven Befund jedoch mit einem recht robusten Ergebnis für den Koeffizienten der Marktkapitalisierung in den Jahren 1996-1999.13 Demnach werden größere US-REITs mit höheren Premiums bzw. niedrigeren Discounts gehandelt als REITs aus dem unteren Größenquartil. Während man also bei indirekten Immobilienanlagen in den USA angesichts der Datenlage einen Einfluss der Unternehmensgröße auf die NAV-Abweichung als sehr plausibel erachten muss, kann für europäische Unternehmen ein solcher Zusammenhang bislang nicht nachgewiesen werden. So finden Barkham/Ward (1999) in ihrer Untersuchung für britische Immobilienaktienunternehmen nur eine minimale Korrelation zwischen der Größe und dem Discount, die zudem nur einen geringen t-Wert aufweist.14 Auch in einer jüngeren Studie von Morri/MacAllister/Ward (2005) können die Autoren keinen signifikanten Einfluss der Marktkapitalisierung feststellen. Da die Null-Hypothese nicht verworfen 11
Zu Economies of Scale bei REITs siehe Bers/Springer (1997) und Ambrose/Highfield/Linneman (2004)
12
So besteht der Verdacht auf ein hohes Maß an Kollinearität bei den erklärenden Variablen Größe und Verwaltungskosten pro Asset
13
Siehe Clayton/MacKinnon (2000a), S. 37
14
Siehe Barkham/Ward (1999), S. 299
472
5.4.3 Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren
werden konnte, kommen sie zu dem Fazit, dass es keinen Einfluss der Unternehmensgröße auf die beobachteten Discounts gibt. Eine Ausdehnung der Untersuchungssubjekte auf den ganzen europäischen Raum kommt zu demselben negativen Ergebnis. Unsere eigene Untersuchung der Discounts der größten europäischen Immobilienaktienunternehmen kann für die Jahre 2000 bis 2006 keine statistisch relevante Korrelation feststellen.15
10,00% 0,00% -10,00% -20,00% -30,00% -40,00% -50,00% -60,00%
6 5 4 3 2 1 0 1
3
5
7
Discount
Mkt. Kap. in Mrd.€
Marktkapitalisierung und Discount 2002 Korrelationskoeffizient: -0,026
9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 Marktkapitalisierung
Discount
Marktkapitalisierung und Discount 2005 Korrelationskoeffizient: -0,007
14 12 10 8 6 4 2 0 1
3
5
7
9
40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% -10,00% -20,00% -30,00%
Discount
Mkt. Kap. in Mrd.€
Abb. 5.4- 4 Querschnittsbetrachtung von 41 Bestandshaltern, absteigende Sortierung nach Marktkapitalisierung; Quelle: Eigene Berechnung
11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 Marktkapitalisierung
Discount
Abb. 5.4- 5 Querschnittsbetrachtung von 36 Bestandshaltern, absteigende Sortierung nach Marktkapitalisierung
Die exemplarische Darstellung des Sachverhalts für die Jahre 2002 und 2005 in den Abbildungen 5.4-4 und 5.4-5 zeigt das Fehlen eines erkennbaren Zusammenhangs zwischen der Marktkapitalisierung der Unternehmen und ihrer Abweichung vom NAV. Unterstützt wird 15
Querschnittsanalyse der EPIX 50 Unternehmen
5.4.3.2 Die Kapitalstruktur
473
diese Aussage durch die im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführte Regressionsanalyse, bei der sich die Kapitalisierung für den betrachteten Gesamtzeitraum 2000 bis 2006 als nicht signifikant erwiesen hat. Als Resümee der vorliegenden Studien lässt sich der Schluss ziehen, dass bei amerikanischen REITs deutliche Hinweise auf einen positiven Einfluss der Marktkapitalisierung beobachtet werden können. Hingegen kann bei ihren europäischen Pendants eine solche Korrelation nicht nachgewiesen werden. Mögliche Ursachen einer solchen Divergenz wären eine interessante Fragestellung für zukünftige Untersuchungen.
5.4.3.2 Die Kapitalstruktur Der Verschuldungsgrad ist eine wesentliche Determinante für die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens und wird von Investoren als ein wichtiges Maß für das finanzielle Risiko angesehen. Durch eine geschickte Nutzung der Fremdkapitalaufnahme können der Immobilienbestand attraktiver gestaltet, über den Verschuldungshebel die Gesamtrentabilität des Unternehmens gesteigert und die Kapitalkosten gesenkt werden. Eine optimale Verschuldungspolitik des Managements sollte sich daher auch positiv in der Bewertung an der Börse widerspiegeln. Jedoch ist die Fremdkapitalaufnahme auch mit Belastungen verbunden. Höhere Verschuldung kann die finanzielle und strategische Flexibilität mindern, erhöht die Sensibilität für Änderungen der Marktbedingungen und Zinsen und steigert die Volatilität der Gewinne. Die Wahl des Verschuldungsgrades erfolgt also in einem Spannungsfeld zwischen diesen Vorund Nachteilen. Eine höhere Verschuldung sollte bei Immobilienaktien also in der Regel mit einer Steigerung der Volatilität des Aktienkurses einhergehen. Dass dies tatsächlich der Fall ist, zeigt sich recht gut in der Darstellung der Korrelation zwischen dem Fremdkapitalanteil (FK/GK) und der Aktienvolatilität der größten europäischen Immobilienaktienunternehmen für die Jahre 2000 bis 2006, die Abbildung 5.4-6 wiedergibt.
474
5.4.3 Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren Zusam menhang zw ischen FK/GK und der Aktienvolatilität für die Jahre 2000 bis 2006 Korrelationskoeffizient: + 0,366
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1
11 21 31
41 51 61
71 81 91 101 111 121 131 141 151 161 171 181 191 201 211 221 231 241 251 261 FK/GK
Jahresvolatilität
Abb. 5.4- 6 FK/GK Verhältnisse der einzelnen Unternehmen und ihrer Volatilitäten. Aufsteigend sortiert nach FK/GK; Quelle: Eigene Berechnung
Aus diesen Gründen wird in der Literatur üblicherweise ex-ante ein negativer Zusammenhang zwischen dem Anteil des Fremdkapitals an der Bilanzsumme und der Bewertung postuliert. Die erste Untersuchung, bei welcher der Verschuldungsgrad als erklärende Variable getestet wird, ist die von Barkham/Ward (1999) für britische Unternehmen. Der Koeffizient wird aufgrund des geringen t-Wertes von 1 als insignifikant verworfen.16 Bei einer jüngeren Untersuchung britischer Immobilien-AGs kommen Morri/MacAllister/Ward (2005) für die Verschuldung auf ein etwas robusteres Ergebnis mit einem t-Wert von -2,78. Das negative Vorzeichen entspricht dabei wie erwartet den ex-ante Annahmen der Theorie. Für die gesamteuropäische Perspektive ist das Ergebnis, das Bond/Shilling (2003) präsentieren, uneinheitlich.17 Ein signifikanter Einfluss der Verschuldung auf den Discount kann lediglich für ein einzelnes Modellsetting nachgewiesen werden. Je nach Wahl der Modellparameter fällt die Verschuldungsvariable als nicht relevant heraus, wodurch sich keine eindeutige Aussage treffen lässt. Unsere eigene Untersuchung der bestandshaltenden EPIX 50 Unternehmen kommt für die Jahre 2000 bis 2006 zu einem ähnlichen Ergebnis wie bei Morri/MacAllister/Ward (2005). Es findet sich ein erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Verschuldungsgrad, gemessen als Verhältnis des Fremdkapitals zum Gesamtkapital, und dem Discount, der zwar nicht stark, aber dennoch signifikant ist. Der Koeffizient hat einen kleinen t-Wert von -2,1 und trägt lediglich 1,1 % zum adjustierten R2 Wert der Regressionsgleichung von 64 % bei. Für Europa spricht also einiges für einen schwachen, aber dennoch messbaren negativen Einfluss des Verschuldungsgrades.
16
Es muss jedoch gesagt werden, dass das Datensample lediglich 30 Unternehmen und bei 3 Jahren somit nur 90 Datenpunkte hat. Dies mindert die Aussagekraft der Untersuchung beträchtlich
17
Analysiert wurden 29 britische und 21 kontinentaleuropäische Immobilien-AGs über einen Zeitraum von 5 Jahren bis Mai 2003
5.4.3.2 Die Kapitalstruktur
475
Der optimale Verschuldungsgrad ist keine statische Größe. Seine Höhe hängt von zahlreichen Faktoren des Marktumfeldes ab und passt sich diesen im Zeitablauf dynamisch an. Auch sein Einfluss auf eine mögliche Bewertungsabweichung vom NAV könnte variabel sein. So weisen Morri/MacAllister/Ward (2005) darauf hin, dass die Wirkung des Fremdkapitalanteils auf den Discount von den gegenwärtigen und erwarteten Marktbedingungen abhängen kann.18 In einem Szenario fallender Zinsen und boomender Immobilienmärkte halten sie es für möglich, dass ein höherer Verschuldungshebel von den Investoren sogar mit einem Bewertungsaufschlag honoriert wird. Im Gegenzug ist in einem Umfeld steigender Zinsen und eines schwachen Immobilienmarkts mit einem Bewertungsmalus zu rechnen. Ein solches Boom-Szenario konnte in Europa in den letzten Jahren beobachtet werden. Ein Blick auf das Datensample (Abbildung 5.4-7) lässt für die Jahre 2000-2006 erwartungsgemäß erkennen, dass ein höherer Schuldenstand mit einer höheren Eigenkapitalrendite einherging. Zusammenhang zwischen Verschuldung, Discount und der Eigenkapitalrentabilität in den Jahren 2000-2006
100% 80% 60% 40% 20% 0% 1
13
25
37
49
61
73
85
97 109 121 133 145 157 169 181 193 205 217 229 241 253 265
-20% -40% -60% -80% Fremdkapitalanteil
Eigenkapitalrentabilität
Discount
Abb. 5.4- 7 Darstellung des FK /GK, der Eigenkapitalrentabilität und dem Discount. Aufsteigend sortiert nach FK/GK; Quelle: Eigene Berechnung
Dennoch kann trotz dieses offensichtlichen Vorteils der Verschuldung von einem Bewertungsbonus durch die Investoren keine Rede sein. Die graue Linie zeigt die zugehörigen Discounts der Unternehmen an. Sie spiegelt den bereits bei der Regressionsanalyse gefundenen leicht negativen Zusammenhang mit dem Fremdkapitalanteil wider. Die Vermutung von 18
Vgl. Morri/MacAllister/Ward (2005), S.5
476
5.4.3 Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren
Morri/MacAllister/Ward (2005), dass in einem für Immobilienunternehmen günstigen Marktumfeld der Einfluss ins Positive schwenken kann, lässt sich, zumindest für Europa, nicht bestätigen. Eine hohe Verschuldung von Immobilien-AGs geht, auch in guten Zeiten, in der Regel mit einem etwas höheren Bewertungsabschlag gegenüber dem NAV einher. Für die USA finden Clayton/McKinnon (2000a) ebenfalls einen zwar signifikanten, aber eher schwachen Einfluss der Kapitalstruktur.19 Des Weiteren wirkte dieser nur in der Abschwungphase des Marktes von 1998 bis 1999 negativ. Für die Boom-Jahre 1997-1998 ist der Koeffizient statistisch nicht signifikant von Null verschieden.
5.4.3.3 Der steuerliche Status – REIT oder Non-REIT Die steuerliche Behandlung der Jahresüberschüsse von europäischen Immobilien-AGs wird von der Forschung derzeit als das dominante Modell aus der Gruppe der rationalen Erklärungen angesehen. Gewöhnliche Immobilienaktienunternehmen befinden sich unter Gesichtspunkten der Ertragsbesteuerung in einer ganz anderen Lage als ihre steuertransparenten Mitbewerber und die Offenen Immobilienfonds. So werden die von REITs erwirtschafteten Gewinne auf Gesellschaftsebene nicht besteuert, sofern sie zum größten Teil an die Anteilseigner als Dividende ausgeschüttet werden und darüber hinaus noch einige weitere Anforderungen erfüllen.20 Die Besteuerung findet ausschließlich auf der Ebene der Aktionäre statt und richtet sich im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens nach den persönlichen Einkommensteuersätzen der Anteilseigner. Es kommt also nicht zu der bei normalen ImmobilienAGs auftretenden Doppelbesteuerung der Gewinne. Dies kann aus Sicht des Anlegers, insbesondere des internationalen Investors, in einer reduzierten Gesamtsteuerbelastung resultieren. Die Abgeltungsteuer wird auch für den inländischen Investor einen deutlichen Steuervorteil gegenüber „normalen“ Aktienanlagen bringen. Wie die Berechnungsmodelle in dem Beitrag zu den steuerlichen Wirkungen gezeigt haben, sind die Differenzen der steuerlichen Belastungen von Unternehmen mit und ohne REIT-Status durchaus beträchtlich. Ein steuertransparentes Investmentvehikel sollte also aus diesem Grunde ceteris paribus eine höhere Bewertung aufweisen als ein normal besteuertes Unternehmen. Ein weiterer Nachteil für die Non-REITs ergibt sich aus der Besteuerung von Gewinnen aus dem Verkauf von Immobilienbeständen. Bestandshaltende Unternehmen halten ihre Immobilien über einen längeren Zeitraum, innerhalb dessen diese Assets in der Regel einen deutlichen Wertzuwachs erfahren. Der bei einer Veräußerung zu versteuernde Profit ergibt sich als Differenz aus dem realisierten Transaktionspreis und dem steuerlichen Restbuchwert, mit dem das Objekt in der Bilanz geführt worden ist.21 Dieser Abzug findet bei der Berechnung
19
Siehe Clayton/McKinnon (2000a), S. 38
20
Vgl. hierzu vertiefend den Beitrag zu den steuerlichen Wirkungen von REITs
21
Im Rahmen des § 6b EStG gibt es für deutsche Unternehmen die Möglichkeit, die Steuerzahlungen auf die Veräußerungsgewinne aus Immobilienverkäufen unter bestimmten Voraussetzungen in eine steuerfreie Rückla-
5.4.3.3 Der steuerliche Status – REIT oder Non-REIT
477
des NAV keine Beachtung, da im Rahmen der Verkehrswertermittlung der einzelnen Anlageobjekte lediglich die steuerliche Belastung der laufenden Erträge berücksichtigt wird. Als Resultat existiert bei praktisch jeder Immobilien-AG eine latente Steuerlast, die vom NAV abzuziehen ist und der von den Marktteilnehmern durch eine geringere Börsenbewertung Rechnung getragen werden sollte. Bei REITs bleiben Veräußerungsgewinne hingegen steuerfrei, sofern sie in Form von Dividenden ausgeschüttet werden. Bei der Betrachtung der latenten Steuerschulden als mögliche Erklärungsvariable gibt es allerdings auch einige Einschränkungen zu beachten. So weisen Dimson/Minio-Kozerski (1999) darauf hin, dass man bei Gültigkeit des Arguments in Boom-Zeiten und bei steigenden Immobilienwerten mit einer zunehmenden Divergenz zwischen den Verkehrswerten und ihren Buchwerten eigentlich wachsende Discounts sehen müsste. Allerdings wird gerade das Gegenteil beobachtet. Auch kann man damit weder Premiums noch Discounts bei REITs erklären. Eine Analyse der Vor- und Nachsteuerdiscounts der EPIX 50-Unternehmen zeigt denn auch deutlich, dass nach Berücksichtigung der latenten Steuerlast auf Veräußerungsgewinne auch weiterhin ein zwar geringerer, aber immer noch deutlicher Abschlag zum NAV verbleibt. Die Ausführungen zu den steuerlichen Nachteilen, mit denen sich Non-REITs konfrontiert sehen, legen einen Bewertungsabschlag zu ihrem NAV nahe.22 So wird denn auch in den Publikationen zu diesem Thema dem steuerlichen Status eine besonders prominente Rolle bei der Erklärung des Discounts eingeräumt. Dabei muss jedoch zwischen den beiden steuerlichen Hauptaspekten (REIT vs. Non-REIT sowie die latente Steuerlast bei Immobilienverkäufen) unterschieden werden. Letzteres betrifft nur die „normalen“ Immobilien-AGs. Barkham/Ward (1999) sind bislang die einzigen, die in ihrer Studie dem postulierten Effekt der „Capital Gains Tax“ auf den Discount nachgehen. Sie kommen für den britischen Markt zu dem Ergebnis, wonach die latente Steuerschuld des Unternehmensportfolios von allen untersuchten Variablen den stärksten negativen Einfluss auf die Bewertung hat. Jedoch muss einschränkend gesagt werden, dass die vier als signifikant ausgemachten erklärenden Variablen des Modells lediglich einen R2 Wert von 15 % erreichen. Die Erklärungskraft dieses Faktors ist also als eher gering zu erachten. Aus diesem Grund und in Anlehnung an die oben genannten Einschränkungen lassen Morri/MacAllister/Ward (2005) die latente Steuerschuld in ihrer Untersuchung unberücksichtigt. Im Gegensatz dazu können bei der vergleichenden Betrachtung von Immobilienaktiengesellschaften, die in einer steuertransparenten Geschäftsform agieren, und solchen, die normal besteuert werden, interessante und weitreichende Ergebnisse gewonnen werden. Die zuneh-
ge zum Erwerb anderer Immobilien einzustellen und somit die Steuerinzidenz erheblich hinauszuzögern. So resümiert Schreier (2002), S.154: “Im Endeffekt kann eine Immobilienaktiengesellschaft, soweit sie ihr inländisches Grundvermögen überwiegend im Anlagevermögen hält, durch die Anwendung der § 6b EStG ihren ertragssteuerlichen Nachteil gegenüber einem Immobilieninvestmentfonds so weit über zukünftige Perioden verlagern, dass er nicht mehr rentabilitätsentscheidend ist.“ 22
Siehe hierzu auch Sinai/Gyourko (2000)
478
5.4.3 Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren
mende Verbreitung des REIT-Status in Europa ermöglichte es erstmals, aussagekräftige Vergleiche mit konventionellen Immobilien-AGs durchzuführen. In der ersten gesamteuropäischen Untersuchung von Immobilien-AGs dokumentieren Bond/Shilling (2004) einen sehr starken Einfluss des Steuerstatus auf den Discount. Es zeigt sich, dass die Abschläge bei belgischen, niederländischen und französischen Unternehmen, die den REIT-Status haben, etwa 25 % geringer sind als im europäischen Durchschnitt anderer AGs. Nach der Überprüfung der in Frage kommenden Erklärungen folgern die Autoren, dass diese Differenz in der steuertransparenten Unternehmensform begründet ist.23 Auch unsere Analyse von 42 der im EPIX 50 vertretenen Gesellschaften zeigt das gleiche Bild. Über den gesamten Zeitraum von 2000 bis 2006 hinweg erfahren REITs einen wesentlich geringeren Bewertungsabschlag bzw. genießen größere Premiums als ihre Non-REIT Peers.24 Durchschnittliche NAV-Spreads der EPIX 50 Unternehmen
30% 20% 10% 0% -10%
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
-20% -30% -40%
Non-REIT
REIT
Abb. 5.4- 8 Unterschiede in den durchschnittlichen Discounts von REITs und Non-REITs Quelle: Eigene Berechnung
Abbildung 5.4-8 verdeutlicht, dass es sich hierbei weder um einen kleinen, vernachlässigbaren Unterschied noch um ein temporäres Phänomen handelt. Offensichtlich bewertete der Markt REITs grundsätzlich, d.h. weitgehend unabhängig von der generellen Höhe der Premiums und Discounts, wesentlich höher (zwischen 10 % und 20 %) als normale ImmobilienAGs. Nur im letzten einbezogenen Jahr 2006 verringert sich dieser Unterschied deutlich.
23
Vgl. Bond/Shilling (2004). Die Variable für den Steuerstatus ist in allen von Bond/Shilling (2004) durchgeführten Modellvarianten hochsignifikant und trägt einen großen Teil zu der erklärten Streuung bei. Untersucht wurden 50 Unternehmen im Zeitraum von 1998 bis 2002
24
Das Sample umfasst ca. 42 bestandshaltende Unternehmen des EPIX 50 mit insgesamt 263 Datenpunkten
5.4.3.4 Funktionaler und geographischer Fokus
479
Hier fand offensichtlich bei vielen Gesellschaften schon die Erwartung des Wechsels in den REIT-Status ihren Niederschlag in einem Abbau der Bewertungsdifferenzen. Unterstützt wird diese graphische Darstellung von den Ergebnissen der Regressionsanalyse. Dabei trägt die REIT-Variable 10,8 % zum adjustierten R2 –Wert von 64 % bei.25 Keine andere endogene Variable kommt ihr bei der Erklärungskraft nahe. Als robustes Fazit lässt sich ziehen, dass der Steuerstatus ein sehr wichtiger Bestandteil bei der Erklärung des DiscountPhänomens ist. Im Hinblick auf die in Deutschland und Großbritannien beschlossene und in einigen anderen europäischen Staaten debattierte Einführung von REITs lässt dieses Ergebnis für die Zukunft auf eine deutliche und dauerhafte Erhöhung der Bewertungen der tangierten Gesellschaften hoffen.
5.4.3.4 Funktionaler und geographischer Fokus Die Aufteilung der Aktiva nach Immobilientypen und die geographische Diversifikation über die eigenen Landesgrenzen hinweg sind für jede Immobiliengesellschaft wichtige Entscheidungsparameter und beeinflussen nicht zuletzt die Ertragsdynamik und das Geschäftsrisiko.26 Die Überlegungen bezüglich der Vor- und Nachteile einer Fokussierung gehen auf eine lange Debatte in der theoretischen Literatur zurück. Der Grundtenor der Studien ist, dass eine Diversifikation auf der Ebene des Immobilienunternehmens den Wert der Unternehmung senkt. Als eine der wichtigsten Begründungen hierfür wird oftmals angeführt, dass Unternehmen, die sich auf ein einzelnes Geschäftsfeld spezialisieren, auf diesem gegenüber diversifizierten Mitbewerbern Kompetenz- und Kostenvorteile erzielen können. Manager spezialisierter Immobilienunternehmen könnten demnach attraktive Investitionsobjekte besser identifizieren und die Geschäftsstrategie erfolgreicher umsetzen. Das Vorhandensein eines solchen kompetitiven Vorteils sollte sich auch in der Bewertung der Unternehmung niederschlagen. Capozza/Seguin (1999) finden eine Zunahme der anteiligen Managementkosten bei diversifizierten Firmen und führen dies auf den teuren Ankauf von Managementkapazitäten auf den peripheren Geschäftsfeldern zurück. Aus Investorensicht ist weiterhin die geringere Transparenz stark diversifizierter Unternehmen anzuführen, wodurch das Problem der asymmetrischen Information und der Informationskosten bei diesen Firmen schwerer wiegt. Zu den Argumenten, die für eine Diversifikation sprechen, zählt die breitere Streuung des Geschäftsrisikos, insbesondere die Möglichkeit, schwache Marktphasen auf einem Gebiet
25
Bei einem t-Wert von 6,1. Den größten Teil des R -Wertes macht die Schwankung des langfristigen Branchendiscounts aus
26
Vgl. Capozza/Seguin (1999)
2
480
5.4.3 Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren
durch Partizipation an der guten Entwicklung auf einem anderen zu kompensieren. Ein weiterer Punkt könnte die größere Flexibilität bei geschäftspolitischen Entscheidungen sein. So ist es für ein auf mehreren Feldern breit aufgestelltes Unternehmen denkbar, dass es über eine wesentlich größere Auswahl von Erfolg versprechenden Projekten verfügt und somit in Phasen, in denen auf einem Gebiet die Marktopportunitäten rar sind, einen geringeren Zwang hat, auch in weniger interessante Anlagen zu investieren. Dieses Argument der Risikostreuung wird jedoch durch die Tatsache relativiert, dass bei Vorhandensein einer genügend großen Auswahl an hoch spezialisierten Unternehmen der Investor in der Lage ist, sich die gewünschte Diversifikation im Portfolio durch eine entsprechende individuelle Mischung der Wertpapiere selbst zu generieren. Ein mit der Fokussierungsstrategie notwendig verbundener Aspekt ist die Wahl der Immobilienkategorien, in die investiert wird. Durch ihre Charakteristika und ihr unterschiedliches Risiko prägen sie das Profil der Gesellschaft wesentlich. So sind Wohnimmobilien in der Regel mit geringeren Schwankungen in ihrer Ertrags- und Wertentwicklung behaftet, als dies bei Bürogebäuden oder bei Spezialimmobilien der Fall ist. Letztere sind den Branchen- und Konjunkturzyklen und auch sehr spezifischen Brancheneinflüssen in einem viel stärkeren Maße ausgesetzt. Eine weitere, mit der Fokussierungsentscheidung über Immobilientypen teilweise verbundene strategische Option ist die Entscheidung über eine geographische Konzentration oder Diversifikation. Auch hier lassen sich theoretisch Argumente der besseren/schlechteren Marktkenntnis, der geringeren/höheren Effizienz und der höheren/geringeren Risiken für und gegen eine räumliche Diversifikation finden, die eine Verbesserung der Unternehmenssituation und damit eine relativ bessere Bewertung durch den Markt rechtfertigen könnten. Die Antwort wird sicher auch anders ausfallen, ob es sich um eine Anlagestreuung in mehreren Regionen des gleichen (großen) Landes oder um eine Ausdehnung der Investitionen auf „exotische“ Staaten und Standorte mit (allgemein oder zumindest aus der subjektiven Sicht des jeweiligen Managements) nicht überschaubaren Marktstrukturen und erheblichen Entwicklungsrisiken handelt. Angesichts dieser und zahlreicher weiterer Argumente verwundert es nicht, dass die funktionale und geographische Spezialisierung von Anfang an als ein möglicher Faktor für den NAV-Spread angesehen wurde. Bereits in der ersten Studie haben Capozza/Lee (1995) die Wahl der unterschiedlichen Immobilientypen und den Grad der geographischen Fokussierung untersucht.27 Ihr Befund spricht für einen merklichen Einfluss des Immobilientyps auf die Bewertung. So weisen Einzelhandels-REITs in dem betrachteten Zeitraum von allen Immobilienkategorien die höchsten Bewertungen auf. Bei auf Warenhäusern spezialisierten Gesellschaften ist das Gegenteil der Fall. Sie bilden das Schlusslicht im Sample und haben einen erheblichen Bewertungsmalus gegenüber den anderen Gesellschaften. Bei den übrigen betrachteten Immobilientypen sind die Abweichungen vom Mittelwert nicht signifikant. Entgegen der Erwartungen spiegelt sich diese Bewertungsdiskrepanz jedoch nicht in den 27
Als Konzentrationsmaß wird dabei der aus der Industrieökonomik bekannte Herfindahl-Index verwendet. Die Immobilien werden in die Kategorien Büro, Warenhäuser, Einzelhandel und Appartements eingeteilt
5.4.3.4 Funktionaler und geographischer Fokus
481
durchschnittlichen Cash Flow-Renditen der verschiedenen Immobilientypen wider. Diese unterscheiden sich nur unwesentlich voneinander und ohne erkennbare Korrelation zum NAV-Spread. Der Großteil der Variation ist zeitlicher Natur. Die Untersuchung der geographischen Streuung führt zu keinem erkennbaren Einfluss auf die Bewertung.28 Capozza/Lee folgern daraus, dass die Art der Immobilien neben der Größe des REITs eine Hauptdeterminante der Abweichung vom NAV ist. Bond/Shilling (2004) kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Einbezug einer Fokussierungsvariablen den Erklärungsgehalt ihres Modells erhöht. Allerdings verwenden sie eine andere Messzahl für die Konzentration, weswegen ihr Ergebnis nicht ohne weiteres mit dem von anderen Untersuchungen vergleichbar ist. Auch ist der Einfluss – wenngleich sichtbar – nicht sehr stark und nahe an der üblichen Signifikanzgrenze.29 Im Folgenden werden die Ergebnisse unserer eigenen Untersuchung der EPIX 50-Werte dargestellt. Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob es einen erkennbaren Zusammenhang zwischen einer länderübergreifenden Investitionsstrategie und dem Discount gibt. Hierzu werden die Firmen in zwei Gruppen aufgegliedert. Gruppe A setzt sich aus den Unternehmen zusammen, die nahezu vollständig in ihrem Heimatland investiert sind (Herfindahl-Indexzahl >0,9). Die Mitglieder der Gruppe B verfolgen dagegen eine Assetpolitik der geographischen Diversifikation in andere Länder und haben einen Herfindahl-Index von unter 0,5.
28
Eine Betrachtung des Herfindahl-Wertes für die Gesamtkonzentration zeitigt kein Ergebnis, da die Indizes nur gering von einander abweichen. Die geographische Diversifikation in den USA dürfte angesichts der homogeneren institutionellen und makroökonomischen Rahmenbedingungen ohnehin als weniger bedeutsam wie im innereuropäischen Raum angenommen werden
29
Der Koeffizient weist einen t-Wert von 1,8 bei einem Signifikanzniveau von 8 % auf. Der Fokus wird hier nicht wie üblich mit dem Herfindahl-Index ermittelt, sondern als Anteil des unsystematischen Risikos am Gesamtrisiko gemessen
482
5.4.3 Erklärungsmodelle mit unternehmensspezifischen Bewertungsfaktoren Jahr
Anzahl der Unternehmen
Durchschnitt. Herf. Index
Discount
2006
21
0,993609524
18,04%
2005
23
0,990426046
2,14%
Gruppe A
2004
28
0,994786857
-9,11%
Regionaler Index
2003
30
0,99744
-20,53%
H>=0,9
2002
31
0,997522581
-31,47%
2001
20
0,996500685
-31,78%
2000
19
0,994253352
-27,95%
Jahr
Anzahl der Unternehmen
Durchschnitt. Herf. Index
Discount
2006
18
0,454277377
25,79%
2005
17
0,425885625
4,43%
Gruppe B
2004
15
0,410454319
0,46%
Reginonaler Index
2003
14
0,425000815
-11,54%
H=0,8
2004
9
0,946517
-4,38%
"Spezialisten"
2005
13
0,925613846
7,01%
2006
11
0,921657364
20,86%
Jahr
Anzahl der Unternehmen
Durchschnitt. Herf. Index
Discount
2000
10
0,587088925
-15,62%
2001
12
0,615552698
-23,40%
Gruppe B
2002
19
0,619879357
-26,07%
Sektoraler Index
2003
19
0,610282042
-17,37%
0,8>H>0,5
2004
19
0,612733173
-5,58%
"Mischform"
2005
15
0,596629419
-2,99%
2006
14
0,618823657
13,06%
Jahr
Anzahl der Unternehmen
Durchschnitt. Herf. Index
Discount
2000
14
0,403545957
-32,77%
2001
16
0,393482893
-34,14%
Gruppe C
2002
18
0,373791941
-34,11%
Sektoraler Index
2003
18
0,379104442
-19,47%
H