Die Idee der Phänomenologie: Text nach "Husserliana", Band II 9783787306855, 3787306854

In den Fünf Vorlesungen von 1907 entfaltet Husserl erstmals den bestimmten Begriff der "phänomenologischen Reduktio

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Die Idee der Phänomenologie: Text nach "Husserliana", Band II
 9783787306855, 3787306854

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Phi l os ophi s c heBi bl i ot he k

EdmundHus s e r l Di eI de ede rPhä nome no l ogi e

••

1•

EDMUND HUSSERL

Die Idee der Phänomenologie Fünf Vorlesungen

Herausgegeben und eingeleitet von Paul Janssen

Text nach Husserliana, Band II

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 392

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte biblio­graphische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-0685-5

Nachdruck 2016

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1986. Alle Rechte vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Spei­cherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§  53 – 54 URG ausdrücklich gestatten. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier, hergestellt aus 100 % chlor­­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in Germany.

INHALT

Einleitung. Von Paul Janssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Editorischer Bericht .......................... XLIII Bibliographische Hinweise ..................... XLV Edmund Busserl Die Idee der Phänomenologie

Gedankengang der Vorlesungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 A. Der phänomenologischen Betrachtung erste Stufe. . 4 B. Der phänomenologischen Betrachtung zweite Stufe. 7 C. Der phänomenologischen Betrachtung dritte Stufe . 10 Erste Vorlesung .............................. 15 Natürliche Denkhaltung und Wissenschaft 1 . . . . • . . . . . Philosophische (reflexive) Denkhaltung . . . . . . . . . . . . Die Widersprüche der Erkenntnisreflexion in natürlicher Einstellung ........................... Die doppelte Aufgabe der wahren Erkenntniskritik ... Die wahre Erkenntniskritik als Phänomenologie der Erkenntnis ................................ Die neue Dimension der Philosophie; ihre eigene Methode gegenüber der Wissenschaft ...............

17 18 20 22 23 24

Zweite Vorlesung ............................. 27 Der Anfang der Erkenntniskritik: das In-Frage-stellen jeglichen Wissens ........................... 29 Gewinnung des absolut gewissen Bodens im Anschluß an Descartes' Zweifelsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . 30 Die Sphäre der absoluten Gegebenheiten ........... 31 1 Die

Inhaltsgliederung ist zum größten Teil der Landgrebeschen Abschrift entnommen (s. Editorischer Bericht)

VI

Inhalt

Wiederholung und Ergänzung; Widerlegung des Argumentes gegen die Möglichkeit einer Erkenntniskritik Das Rätsel der natürlichen Erkenntnis: die Transzendenz ..................................... Scheidung zweier Begriffe von Immanenz und Transzendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das erste Problem der Erkenntniskritik: die Möglichkeit transzendenter Erkenntnis ................. Das Prinzip der erkenntnistheoretischen Reduktion ...

32 34 35 36 39

Dritte Vorlesung .............................. 41 Das Vollziehen der erkenntnistheoretischen Reduktion: Ausschaltung alles Transzendenten .............. Thema der Forschung: die reinen Phänomene ....... Die Frage der „objektiven Giltigkeit" der absoluten Phänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmöglichkeit der Beschränkung auf singuläre Gegebenheiten; die phänomenologische Erkenntnis als Wesenserkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zwei Bedeutungen des Begriffes „Apriori" . . . . . . .

43 44 47

50 51

Vierte Vorlesung ............................. 53 Erweiterung der Forschungssphäre durch die Intentionalität ................................. Die Selbstgegebenheit des Allgemeinen; die philosophische Methode der Wesensanalyse ............. Kritik der Gefühlstheorie der Evidenz; Evidenz als Selbstgegebenheit ........................... Keine Beschränkung auf die Sphäre der reellen Immanenz; Thema alle Selbstgegebenheit .............

55 56 59 60

Fünfte Vorlesung ............................. 65 Die Konstitution des Zeitbewußtseins ............. Wesenserfassung als evidente Gegebenheit der Essenz; Konstitution der singulären Essenz und des Allgemeinheitsbewußtseins ........................ Die kategorialen Gegebenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das symbolisch Gedachte als solches ..............

67

68 71 73

Inhalt

VII

Das Forschungsgebiet in seinem weitesten Umfang: die Konstitution der verschiedenen Modi der Gegenständlichkeit in der Erkenntnis; das Problem der Korrelation von Erkenntnis und Erkenntnisgegenständlichkeit ............................... 73 Beilagen ................................ .... Beilage I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beilage II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beilage III ................................ ...

77 79 81 83

Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Sachregister ................................ . 85

EINLEITUNG

1

Die Phänomenologie bahnte sich nach der Jahrhundertwende im Gefolge von Husserls Logischen Untersuchungen in der philosophischen Welt ihren Weg. Husserl blieb jedoch trotz der sich abzeichnenden Wirkung dieses Werkes mit seinen bisherigen philosophischen Leistungen unzufrieden. Es fehlten ihm seines Erachtens die philosophischen Fundamente und Methoden, die alle seine bisherigen Arbeiten zu tragen und zU: umfassen vermochten. Er glaubte, trotz fortgeschrittener Lebenszeit noch nicht einmal die Anfangsgründe der ihn bewegenden Idee von Philosophie gelegt zu haben. Diesen Zustand empfand er als existenzielle Krise. Biemel hat in der Einleitung zu Husserliana II einige Sätze aus Husserls Notizbüchern zitiert, die diesem Zustand Ausdruck verleihen. Sie seien hier wiederholt. Am 25.9.1906 hat Husserl vermerkt: „An erster Stelle nenne ich die allgemeine Aufgabe, die ich für mich lösen muß, wenn ich mich soll einen Philosophen nennen können. Ich meine eine Kritik der Vernunft. Eine Kritik der logischen und der praktischen Vernunft, der wertenden überhaupt. Ohne in allgemeinen Zügen mir über Sinn, Wesen, Methode, Hauptgesichtspunkte einer Kritik der Vernunft ins Klare zu kommen, ohne einen allgemeinen Entwurf für sie ausgedacht, entworfen, festgestellt und begründet zu haben, kann ich wahr und wahrhaftig nicht leben." 1 Husserl rückt also die von ihm angestrebte Philosophie in die Tradition jenes europäischen Denkens, dessen Leitidee die Vernunft gewesen ist. Er vermag jedoch sein eigenes Wollen in keiner der überkommenen Gedankenwelten wiederzufinden, sondern ist in der notvollen Situation, eine eigene Philosophie aufbauen zu müssen, die dem kritischen 1 Vgl.

S. Vllf.

Walter Biemel, Einleitung zu Husserlianall. Den Haag 2 1958.

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X

wissenschaftlichen Bewußtsein des beginnenden 20. Jahrhunderts standhält. Diese Philosophie wird trotz ihres Selbstverständnisses als universaler Vernunftlehre von der Tradition in wesentlichen Punkten abweichen. Ein erster, begrenzter V ersuch, die eigene Philosophie in ihren methodischen Grundzügen knapp und prägnant zu bestimmen, liegt in den „Fünf Vorlesungen" vor, die Busserl zu Beginn des Sommersemesters 1907 gehalten hat und die später unter dem Titel „Die Idee der Phänomenologie" (im folgenden als „Idee" zitiert) im Busserliana-Band II veröffentlicht worden sind. Busserl zieht hier die erkenntnistheoretische Konsequenz aus dem umfassender angelegten Versuch einer systematischen Grundlegung seiner gesamten theoretischen Philosophie, den er in der vierstündigen Vorlesung „Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie" im Wintersemester 1906/07 begonnen hatte. Die Vorlesung liegt seit 1984 ebenfalls vor (Busserliana XXIV). Trotz des quälenden Bewußtseins, noch vor dem Anfang seiner Philosophie zu stehen, hatte Busserl bis 1907 bereits einen fruchtbaren Denkweg zurückgelegt. Er hatte im Zeichen des logischen Psychologismus begonnen, der die letzten Jahrzehnte des 19.Jahrhunderts beherrschte. 2 Sein Erstlingswerk, die Philosophie der Arithmetik, hatte ihn in Auseinandersetzungen hineingeführt, die ihm die Problematik seines Rückgriffs auf die Psychologie deutlich machten. Die Prolegomena zur reinen Logik, die 1900 als 1. Band der Logischen Untersuchungen erschienen sind, enthalten die Ergebnisse von Busserls intensiver Vertiefung in die Fragwürdigkeiten des Psychologismus, gegen den die Eigenart des rein Logischen in seiner objektiv-gegenständlichen Wesensart herausgearbeitet wird. Mit den Prolegomena ist Busserl einer der anerkannten Überwinder des Psychologismus geworden. Bereits in einigen der sechs Logischen Untersuchungen, die den Prolegomena als 2. Band folgten, findet man Busserl 2 Vgl.

hierzu und zum folgenden E. Ströker, Einleitung zu E. Husserl, Fünfte Logische Untersuchung. (Studienausgabe, PhB 290) Hamburg 1975. S. Xff.

Einleitung

XI

wieder dem Subjektiven zugewandt. Das hat zahlreiche Leser verwirrt. Lag hier nicht ein Rückfall in einen Psychologismus vor? Es ist festzuhalten, daß Husserl in den Logischen Untersuchungen keineswegs gegen die Argumente verstößt, die er in den Prolegomena zur reinen Logik gegen den Psychologismus vorgetragen hat. Aber alle berechtigten Bedenken gegen den Psychologismus betreffen in den Augen Husserls nicht dasjenige Grundthema der Philosophie, das jeden Objektivismus als unphilosophisch erscheinen läßt und das zum Ausgangspunkt der Phänomenologie geworden ist: Die Philosophie hat dem einheitlichen, ganzheitlichen Phänomen der Korrelation von subjektivem Erkennen, Gegebenheit des Gegenständlichen und Gegenständlichem Rechnung zu tragen; und zwar universal in allen Erkenntnisgebieten; nicht etwa nur in der Logik. Die gesamte der Phänomenologie vorausliegende Wissenschaft, die Psychologie eingeschlossen, wird nach Husserl dieser Einheit des Subjektiven und Objektiven nicht gerecht. Sie ist ähnlich wie das vorwissenschaftliche Erkennen unmittelbar am Objekt orientiert. Diese fundamentale These wirkt sich zwar schon in den subjektiv gerichteten Analysen des 2. Teiles der Logischen Untersuchungen aus, aber radikal artikuliert wird sie erst in den „Fünf Vorlesungen" von 1907. Die Radikalität besteht darin, daß zur Durchführung dieser These die gesamte Sphäre der „natürlichen" Objekterkenntnis verlassen werden muß. Inhaltlich wird diese These durch die Ausschaltung des naiven Transzendierens zum Transzendenten in der natürlichen Denkhaltung vollzogen, die in die neue Sphäre des in der transzendenzfreien Schau Selbstgegebenen hineinführt. Die Schau von Selbstgegebenem überschreitet den Umkreis des Bewußtseins nicht mehr; Bewußtsein phänomenologisch im Sinne einer Einheit von Subjektivem und Objektivem genommen: „Das transzendentale Interesse, das Interesse der transzendentalen Phänomenologie, geht ... auf das Bewußtsein als Bewußtsein, es geht nur auf Phänomene, Phänomene im doppelten Sinn: 1) im Sinne der Erscheinung, in der Objektität erscheint, 2) andererseits im Sinne der Objektität bloß insofern betrachtet, als sie in Er-

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scheinungen eben erscheint, und zwar 'transzendental', unter Ausschaltung aller empirischen Setzungen ... " 3 Daß die Gegenstandssphären ihren eigenen Gegenstandssinn haben, der nicht psychologistisch verfehlt oder verfälscht werden darf, ist diejenige Seite der phänomenologischen Zentralthese, die die Objektivität berücksichtigt. Daß jedem möglichen Gegenstandssinn, auch dem der idealen und formalen Gegenstände, Subjektives entsprechen muß, - und zwar vorgängig als ein erstes gegenüber einem zweiten - ist die der Anerkennung aller Objektivität zugehörige subjektive Kehrseite. Die Phänomenologie faßt die Einheit dieser beiden Seiten als Korrelativität. Man darf nicht meinen, mit der Fixierung dieser These sei die Eigenart der Phänomenologie bereits hinreichend eindeutig angegeben. Es kommt vielmehr alles darauf an, wie die Korrelation von Subjektivität und Objektivität näher gefaßt wird. Aufgrund solcher Näherbestimmung kann es zu verschiedenen Ausgestaltungen einer phänomenologischen Philosophie kommen. Husserl selber ist auf seinem Denkweg zu unterschiedlichen Zentralthesen gelangt, die sich keineswegs vom Anfang her nahelegten. Aufgrund seiner Orientierung am Subjektiven ist für Husserl das Subjektive im Sinne des Psychischen ein ständiges Problem geblieben. Die von ihm deutlich gesehenen Unzulänglichkeiten mancher Fassungen des psychisch Subjetiven für seine stets erkenntnistheoretisch ausgerichteten Bemühungen haben ihn nicht davon abehalten, das Psychische so zu berücksichtigen, daß es eine wesentliche Aufgabe in der phänomenologischen Korrelationsforschung zu erfüllen vermag. 4 Selbstverständlich kann eine transzendentale Phänomenologie nicht mit einem psychisch Subjektiven auskommen. Husserl neigt gelegentlich dazu, um der Reinheit des phänomenologisch-erkenntnistheoretisc hen Subjektiven willen das psychisch Subjektive völlig auf die Seite 3Zitat aus dem Originalmanuskript B II 1, BI. 25 a f. aus 1907; zitiert nach Biemels Einleitung zu Husserliana II. S. X. 4Vgl. E. Ströker in der Einleitung zu: E. Husserl, Fünfte Logische Untersuchung (Studienausgabe, Phß 290) Hamburg 1975. S. XVIff.

Einleitung

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zu rücken - wenn er es z.B. als empirische Eigenart des Menschen interpretiert, wie es an manchen Stellen der „Idee" geschieht, und dem Eidetischen entgegensetzt. Aber das geschieht doch nur vorübergehend. Immer wieder kommt Husserl auf ein für die Phänomenologie wesentliches und rein gefaßtes Psychisches zurück. Erst im späteren Werk wird das Problem der Psychologie zentral in die Systematik der Phänomenologie eingebaut. 1906/07 artikuliert Husserl seine Stellungnahme zur Psychologie noch in einer scharfen Zurückweisung von eigenen Äußerungen aus den Logischen Untersuchungen, denen zufolge die Phänomenologie deskriptive Psychologie sein soll. 5 Die in der Vorlesung im Wintersemester 1906/07 und in den „Fünf Vorlesungen" zum ersten Male explizit vorgestellte phänomenologische Reduktion nötigt dazu, den Titel Psychologie, auch den der deskriptiven Psychologie, als für die Phänomenologie unzutreffend zu verwerfen. Das Erkenntnisphänome n als solches kann demnach nicht einer Einzelwissenschaft überantwortet werden, deren Grundlagen fragwürdig sind, weil sie in natürlicher Geisteshaltung Gegenstandserkennt nis realisiert, und daher an Voraussetzungen gebundenist, die s Zu Busserls Entwicklung in der Stellungnahme zu dieser Frage vgl. U. Panzer, Einleitung zu: E. Husserl, Logische Untersuchungen. 2. Bd. 1. Teil. Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Text der 1. und 2. Auflage. Hrsg. v. U. Panzer. Den Haag 1984. S. XXX ff., LXIIIf. - Es sei dem interessierten Leser empfohlen, die Einleitung von Panzer neben der Einleitung zu diesem Band heranzuziehen. In Panzers Einleitung zu den Logischen Untersuchungen werden aus der Schilderung von Busserls Versuchen, die Logischen Untersuchungen umzuarbeiten, wichtige Gedankenschritte deutlich, die Busserl im 1. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zurückgelegt hat. Für eine bessere Sicht der Eigenart der „Fünf Vorlesungen" sind besonders die Ausführungen Panzers zum Verhältnis Psychologie-Phänomen ologie, zum Problem der reellen und intentionalen Immanenz und zum Thema Wesensschau von Interesse. Vgl. ebenfalls U. Melle, Einleitung zu Husserliana XXIV, Dordrecht 1984. - Vgl. auch die in Frage kommenden Ausführungen bei M. Sommer, Husserl und der frühe Positivismus. Frankfurt a.M. 1985. Diese akzentuieren allerdings die in der „Idee" unterbelichtete Seite des Empfindungsproblems in Busserls Entwicklung.

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der phänomenologische Erkenntniskritiker außer Kraft zu setzen hat. Dieser thematisiert das Erkennen in einer Reinheit, die es ihm verbietet, Erkennen als reales Bewußtseinsvorkommnis eines psychophysischen Wesens zu behandeln. Aber andererseits wird die Möglichkeit nicht völlig ausgeschlossen, daß das für den Phänomenologen thematische Subjektive doch auch mit dem psychisch Subjektiven zusammenhängt. Die 1906/07 eingeführte und 1907 bestimmt herausgestellte phänomenologische Reduktion sorgt auf jeden Fall dafür, daß von jetzt an keine Identifizierung von Phänomenologie und Psychologie mehr stattfinden kann. Die wichtigsten Problemkomplexe der „Idee der Phänomenologie" seien im folgenden in Kürze vorgestellt, um einen Eindruck vom Stand der Phänomenologie im Jahre 1907 zu vermitteln.

II

Busserl ist sich 1907 darüber im klaren, daß er die Grundlegung seiner Philosophie nicht an Themen und Probleme irgendeiner Einzelwissenschaft anknüpfen darf. Für den Aufbau der gesuchten neuen philosophischen Wissenschaftlichkeit sind alle vorliegenden Wissenschaften unbrauchbar. Das gilt auch für die Logik, die im phänomenologisch entscheidenden Punkt vor den anderen Wissenschaften nichts voraus hat. Daher wirft Busserl in den „Fünf Vorlesungen" eine Frage auf, die alle Erkenntnis betrifft, sofern sie in der aller Erkenntnis zugrundeliegenden Geisteshaltung verborgen liegt. Diese Geisteshaltung herrscht als eine natürliche im vorwissenschaftlichen Leben und in den Wissenschaften. Gegen sie wird das Problem aufgeworfen, das in die Philosophie hineinführt. Busserl bezeichnet das in erkenntniskritischer Reflexion aufgedeckte Problem als das der Transzendenz. Eine bestimmte Fassung des Transzendenzproblems bildet 1907 den Zugang zur Phänomenologie als einer Lehre von der reinen Schau des absolut Selbstgegebenen, zu der die phänomenologische Reduktion den Zugang eröffnet.

Einleitung

XV

Die Fassung des Transzendenzproblems in den „Fünf Vorlesungen" ist keineswegs eindeutig. Es läßt sich in ihr Problematisches finden. Das rechte Verständnis der Phänomenologie als Bewußtseinslehre - auch noch in ihren späteren Ausgestaltungen - ist mit-abhängig von Husserls frühem Versuch, das Transzendenzproblem zur Eröffnung der spezifisch philosophischen Dimension zu benutzen. Wenn man Husserls Vorgehen zunächst nur unkritisch wiedergeben will, läßt es sich in der folgenden Weise beschreiben: In einer erkenntniskritischen Denkhaltung wird aufgedeckt, daß in der natürlichen Erkenntnis eine nicht behebbare Schwierigkeit liegt. Diese Schwierigkeit, die der Inanspruchnahme transzendenten Ansichseins, wird von Husserl nicht so behandelt, als tauche sie wesentlich nur für das philosophisch reflexive Bewußtsein auf. Denn in diesem Falle ließe sich folgern, die natürliche Erkenntnis könne sich mit dem ungelösten Problem der Transzendenz abfinden, weil es ihre Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtige, die Philosophie habe sich dagegen die Aufgabe zu stellen, dieses Problem zu lösen. Husserls Vorgehen dokumentiert eine andere Sicht der Sachlage: Diejenigen, die in der natürlichen Erkenntnis das Transzendenzproblem aufdecken, werden zur erkenntniskritischen Geisteshaltung fortgetrieben. So wird der dem Gedankengang folgende Leser von der natürlichen zur philosophischen Geisteshaltung geführt. Die Differenz zwischen natürlicher und philosophischer Einstellung gegenüber dem Transzendenzproblem und dem Erkennen spielt nach diesem unauffälligen Vorgehen keine wichtige Rolle mehr. In der philosophischen Einstellung gewinnt man einen Ausgangspunkt, auf dem man ein Gegenstandsfeld gewahrt, das aus einer eigenartigen Klasse von Erkenntnissen besteht. Diese bilden als transzendenzfreie das Forschungsfeld der Phänomenologie. Hat man sich dieses Themas vergewissert, so braucht man sich nicht mehr auf die natürliche Erkenntnis anderer Wissenschaften zurückbeziehen. Diese können als rätselhaft-uneinsichtige die Philosophie nichts lehren. Sie empfängt ihre Belehrung aus Erkenntnissen, die von selbstverständlicher Fraglosigkeit und Klarheit sind.

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Ein solches Vorgehen erinnert an die Unbekümmertheit, mit der eine (Einzel-)Wissenschaft ihren Gegenstandsbereich zu sichern berechtigt ist. - Husserl hat sich von einem solchen parallelisierenden Verständnis von Philosophie und Wissenschaft nie ganz gelöst. Allerdings hebt sich der Rückgriff der späteren Phänomenologie auf die Lebenswelt deutlich von einer bloßen Sicherung eines Gegenstandsbereichs durch eine philosophische Wissenschaft ab. - Zur rechten Beurteilung der Position der „Idee" ist nur von Interesse, daß die Differenz zwischen natürlicher und philosophischer Geisteshaltung und das Problem ihrer Einheit nicht aufdringlich werden. Das ist durch die skizzierte Weise des Vorgehens bedingt. Aber: Die genannte Differenz und die Einheit des in ihr Unterschiedenen bilden m. E. ein zentrales philosophisches Problem. Dies ist gegen Husserls Intentionen zu beleuchten, damit die problematische Wesensart der Phänomenologie von 1907 als Philosophie klar vor Augen geführt wird. Es sei zunächst Husserls Weg ein Stück weit verfolgt. Zwar spricht Husserl so, als verwende er selber (und nicht nur die natürliche Geisteshaltung) die Rede von der natürlichen Erkenntnis als einer Transzendentes treffenden „in bezeichnender Weise", aber seine entscheidenden philosophischen Maßnahmen sind derart, daß er den Begriff der Transzendenz als unzulässig beiseite rückt. Diese Maßnahmen werden dadurch erforderlich gemacht, daß das natürliche Erkennen - für das erkenntniskritische Bewußtsein als „rätselhaft", „unklar", „zweifelhaft" und „unverständlich" gilt. Wesentlich ist an diesen unterschiedlichen Charakterisierungen des Problematischen der natürlichen Erkenntnis, daß sie Husserl dazu veranlassen, sich von einem so charakterisierten Erkennen abzuwenden und einem anders gearteten Erkennen zuzuwenden, das diese für den philosophischen Erkenntnisanspruch unbefriedigenden Merkmale nicht aufweist. „Ich sagte, die Erkenntnisse, mit denen die Erkenntniskritik anheben muß, dürfen nichts von Fraglichkeit und Zweifelhaftigkeit enthalten, nichts von alledem, was uns in erkenntnistheoretische Verwirrung versetzte und was die ganze Erkenntniskritik hervortreibt.

Einleitung

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Wir müssen zeigen, daß dies für die Sphäre der cogitatio zutrifft. " 6 Es wäre in Anbetracht dieser Sachlage eigentlich konsequent, wenn Busserl folgerte, daß die natürliche Erkenntnis nicht als ohne weiteres wirklich anerkannt werden dürfe, daß auch die Rede von der natürlichen Erkenntnis als einer transzendente Objekte treffenden, weil problematisch, unzulässig wäre. Busserl tut das nicht ausdrücklich, da er sich - wahrscheinlich - auf die Unterscheidung von natürlicher und philosophischer Geisteshaltung zurückzieht und die natürliche Erkenntnis nur aus der Perspektive der philosophischen Geisteshaltung abweist. Eben diese Stellungnahme zur natürlichen Geisteshaltung und ihrer Leistung ist unbefriedigend, sofern sie nicht mehr zur Eigenart und Leistung der natürlichen Erkenntnis zurückführt. Sie besagt für die „Idee", strikt gesprochen, entgegen manchem durch Busserl selber erweckten Anschein, daß in der natürlichen Erkenntnis kein philosophisch zu traktierendes Problem liegt. Es drängt sich das Bedenken auf, daß Busserl doch später auf den Transzendenzbegriff zurückkomme, ja, daß die Phänomenologie die Klärung des Sinnes von Transzendenz leiste. Mit welchem Recht soll vor einer solchen Klärung des Transzendenzbegriffes von Transzendentem gesprochen werden? Dieses Bedenken ist berechtigt, trifft aber das anstehende Problem nicht. Denn, wenn die Phänomenologie - wie unbestritten sei - allererst durch den Gang ihrer Überlegungen den Sinn von Transzendenz klärt, so ist die Frage, ob sie genau das klärt, was ihr als natürliche Erkenntnisleistung und deren Verständnis vorausgeht. In dieser Art und Weise, die Aufgabe der Phänomenologie zu artikulieren, liegt, daß das nicht-philosophische natürliche Erkennen und seine (transzendente) Leistung als irgendwie „seiend" anerkannt worden sein müssen. Genau das geschieht bei Busserl 1907 nicht. Es mag also sein, daß Busserl von der phänomenologischen lmmanenzsituation zur Transzendenz fortschreitet. Die Frage ist, ob dieses Transzendente ein phänomenologisches Interpretament ist, oder ob 6 Husserliana

II, S. 34.

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es sich zusammenschließt mit dem Transzendenten eines Sinnes, der der phänomenologischen Gedankenführung vorausliegt. Gegen die Forderung dieses Zusammenschlusses von Unterschiedenem verschiedenen Sinnes verstößt Husserl m.E. 1907. Als Indiz für diesen Verstoß sei darauf hingewiesen, daß Husserl schon in der „Idee" den Begriff des Transzendentseins mittels des unter der Vorherrschaft des Gegebenseins stehenden Begriffspaares von gegeben und nicht-gegeben anpeilt und außerdem das Sein problemlos in das geschaute Gegebensein verlegt, nachdem er zuvor die Schau des Gegebenen im Gegensatz zur objektiv transzendierenden natürlichen Erkenntnis als transzendenzfreie Immanenz verstanden hat. In dem aber, was der Immanenz als Transzendenz entgegengesetzt bleibt, findet sich nichts von der Leistung oder der Meinung der natürlichen Erkenntnis über ihre Leistung wieder. Genau das wäre die unerläßliche Voraussetzung dafür, daß sich die natürliche Erkenntnis und ihre philosophische Aufklärung in einem philosophischen Begriff von Transzendenz geeint fänden. Ein anderes Indiz zur Überprüfung von Husserls Stellungnahme zur natürlichen Erkenntnis und zu ihrem Selbstverständnis könnte das Verhältnis von natürlich-wissenschaftlicher und phänomenologischer Erkenntnis sein. Laufen beide Erkenntnisse beziehungslos nebeneinander her; so, als gebe es zwei verschiedene Weisen der Welterfahrung und Welterkenntnis? Findet die phänomenologische Philosophie in der Konkurrenzsituation zur objektiven Wissenschaft nicht mehr zur Einheit einer Welterkenntnis zurück? In späteren Jahren sind solche Fragen für Husserl zentral geworden. 1907 treten sie noch nicht auf. Es erscheint mir zweifelhaft, ob Husserl je befriedigend mit ihnen zu einem Ende gelangt ist. In den „Fünf Vorlesungen" steht der Annahme nichts im Wege, daß die natürliche Welterkenntnis und die phänomenologische Erkenntnis getrennt verlaufen, ohne daß klar würde, wie sie irgendwie zu einer Einheit zusammengehören. Die in abstrakter Isolierung vorgetragene These von Husserls merkwürdiger, philosophisch problematischer Behandlung der natürlichen Erkenntnis und des Transzendenzpro-

Einleitung

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blems kann durch eine Konfrontierung mit einer anderen Vorgehensweise stärker abgehoben werden. Husserls Sätze sind keineswegs alle so gebaut, daß sie eindeutig in die Richtung der bisher skizzierten Konzeption weisen. Es gibt vielmehr Äußerungen, die Andersartiges besagen könnten. Dies Andersartige sei in Kürze konstruktiv entfaltet. Für die natürliche Geisteshaltung ist Erkenntnis etwas, das durch die Eigenschaft der „Triftigkeit", der „Giltigkeit" für Objekte gekennzeichnet ist. Objekte aber sind nicht in der Erkenntnis gegeben, sondern transzendent „hinausgemeint". Konzediert man, daß Erkenntnis triftig sein kann und daß Fälle solcher Erkenntnis vorliegen, dann hat man einen in der natürlichen Geisteshaltung realisierten Begriff von Erkenntnis eingeräumt. Die objektiven Wissenschaften enthalten anerkannte Muster einer solchen gelungenen Erkenntnis. Es scheint diese also geben zu können, ohne daß die Frage, wie sie möglich sein sollte, beantwortet wäre. Welche Problemstellung könnte sich für die Philosophie aus der so (mit Husserl) geschilderten Ausgangssituation ergeben? Die natürliche Erkenntnis ist durch das Fehlen des kritischen Bewußtseins, wie denn Erkenntnis möglich sein soll, bestimmt. Das Vorhandensein dieses Bewußtseins macht die Eigenart der erkenntniskritischen Bewußtheit aus. Soweit Husserls These, die sich folgendermaßen fortsetzt: „Natürliche Erkenntnis in ihrem stetigen erfolgreichen Fortgang in den verschiedenen Wissenschaften ist ihrer Triftigkeit ganz sicher und hat keinen Anlaß, an der Möglichkeit der Erkenntnis und an dem Sinn der erkannten Gegenständlich" keit Anstoß zu finden. Sowie aber die Reflexion sich auf die Korrelation von Erkenntnis und Gegenständlichkeit richtet ( ... ) stellen sich Schwierigkeiten ein, Unzuträglichkeiten, widersprechende und doch vermeintlich begründete Theorien, die zu dem Zugeständnis forttreiben, die Möglichkeit der Erkenntnis überhaupt hinsichtlich ihrer Triftigkeit sei ein Rätsel." (S. 32) Man möchte fortfahren: Also tritt die eine Erkenntnis in zwei verschiedenen Bewußtseinszuständen auf: einmal als problemlos vollzogen und realisiert, ein anderes Mal als Gegenstand eines Bewußtseins, dem ihr

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Vollzug und ihre Realisierung zum Problem geworden ist. Halten wir fest: Einern solchen Problemansatz zufolge handelte es sich am Eingang der „Fünf Vorlesungen", genau gesprochen, nicht um die Unterscheidung von zwei Arten oder Weisen von Erkennen, sondern um die eine Erkenntnis, die in zwei verschiedenen Bewußtseinsweisen vorkommen kann: Einmal als vollzogen und realisiert, so daß man von ihr so sprechen darf, als gebe es Erkenntnis. - Wenn Erkenntnis so vorkommt, heißt sie natürlich. - Ein zweites Mal als nicht vollzogen und nicht-realisiert, sondern als problematisiert, so daß man von ihr insofern noch nicht sagen dürfte, es gebe sie, weil nicht einsehbar ist, wie sie vollzogen und realisiert werden könne. - Die Rede von Erkenntnis darf hier nicht als bezeichnend mißverstanden werden, da sie nur problematisch ist. - Aufgrund des so fixierten Erkenntnisproblems liegt es nahe, der philosophischen Reflexion die Aufgabe zuzuweisen, zu klären, wie die als wirklich vorliegende natürliche Erkenntnis möglich ist. Wird so vorgegangen, dann schließen sich das natürliche (Un-)Bewußtsein vom Erkenntnisproblem und die ihm zugehörige Erkenntnis einerseits und das kritische Bewußtsein von der Möglichkeit der Erkenntnis und der von ihm evtl. geleistete Nachweis dieser Möglichkeit zur Einheit zusammen. Zur Konkretisierung dieser Möglichkeit sei an das Kantische Unternehmen erinnert. Von diesem läßt sich sagen: Es frage unter der Voraussetzung der Wirklichkeit apriorischer Erkenntnisse nach den Bedingungen von deren Möglichkeit. In dieser Sicht der Sachlage gehören die apriorischen philosophischen Thesen über die Voraussetzungen der apriorischen Erkenntnisse selber in einer bestimmten Weise zusammen; derart, daß, indem z.B. eine mathematische Erkenntnis als wirklich vorliegt, die Bedingungen der Möglichkeit dieser Erkenntnis in Kraft sein müssen. Indem das mathematische Erkennen vollzogen wird und das Erkannte zum Vorliegen kommt, muß ein vorgängiges Erkennen geschehen sein und vorgelegen haben. Dieses Vorgängige erklärt das mathematische Erkennen, ohne selber mathematisches Erkennen zu sein. Sofern das der Fall ist, dient dieses Vorgängige nicht dazu, eine neuartige Erkenntnissphäre von

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anderer Art als die mathematische zu eröffnen, eben weil es die apriorische Erkenntnis der positiven, natürlichen Wissenschaften rechtfertigen soll. In dem in Anschluß an Kant geschilderten Falle hat der Begriff des Transzendenten, in philosophischer Perspektive, folgende Eigenart: In der natürlichen Geisteshaltung wird Objekterkenntnis geleistet. Sofern das geschieht, kann in dem Sinne von einer Erkenntnis von Transzendentem gesprochen werden, als diese Rede sich auf die gelungene Leistung des natürlichen Objekt-gerichteten Erkennens bezieht. Wie diese Leistung vollbracht wird, weiß die natürliche Geisteshaltung nicht. Das zu wissen, ist Sache der Philosophie. Sie legitimiert das natürliche Erkennen durch Klärung der Möglichkeit des Transzendierens, so daß klar wird, was die Erkenntnis von Transzendentem in der Rede des natürlichen Erkennens besagt. Husserl hat diesen sich am Anfang der „Fünf Vorlesungen" aufdrängenden Weg einer Transzendentalphilo sophie später nicht beschritten, sondern eine neuartige Transzendentalphilosophie verwirklicht, von der die 1907 erreichte Position noch weit entfernt ist. - Allerdings tut man gut daran, von ihr her die „Idee der Phänomenologie" in einigen Punkten wohlwollend zu interpretieren. - In der Abhebung gegen die skizzierte Position wird deutlich: Husserl gibt 1907 das Problem der Einheit der unmittelbaren Gegenstandserkenntnis und ihrer reflexiven Erkenntnis von vornherein aus der Hand. Das geschieht, indem er zwei Arten von Erkenntnis unterscheidet, die zwei verschiedenen Geisteshaltungen zugeordnet werden, ohne daß das Unterschiedene von vornherein auf seine Einheit hin angesehen würde. Auf diese Weise sichert sich die Philosophie ein eigenes eigentümliches Gegenstandsuniversu m, das des geschauten Selbstgegebenen. In ihm kann sie wissenschaftlich forschen, ohne den objektiven Wissenschaften in die Quere zu kommen, da sie sich jeder transzendenten Setzung enthält, ohne sich deren reflexive Aufklärung zum Ziel zu setzen. Das Eigentümliche der späteren Phänomenologie wird weder in der Konzeption der „Fünf Vorlesungen", noch in einem Kant angenäherten Verständnis von Transzendental-

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philosophie sichtbar. In der Abhebung gegen diese beiden anderen Möglichkeiten gewinnt es erst seine bestimmten Konturen. Sie sind durch eine ungewöhnliche Stellungnahme zur Transzendenzfrage bedingt. Auf diese sei ein Vorblick erlaubt. Bereits im 1. Buch der „Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie" von 1913 schreitet Husserl nicht mehr von dem skizzierten unzulänglich artikulierten Transzendenzproblem zur Immanenz des geschauten Selbstgegebenen weiter. Er achtet vielmehr darauf, daß die in der natürlichen Einstellung und ihrer Generalthesis erfahrene und erkannte Welt einen Ausgangspunkt des Philosophierens bildet, der nicht mit der unverständlichen Rätselhaftigkeit und Zweifelhaftigkeit einer nicht erlebbaren Transzendenz belastet wird. Ihr gegenüber wird eine methodische Operation durchgeführt, die in die freie Vermöglichkeit unserer selbst als der Reflexion fähige Wesen gestellt ist. Die Maßnahme, die in die transzendentale Phänomenologie hineinführt, ist in ihrem entscheidenden Charakter ein „Außer-Aktion-Setzen" eines zuvor in anonymer Aktion befindlichen Subjektiven. Dieses ist blind gegenüber sich selber, da es seine Direktion von der Welt erfährt. Die Epoche von der Welt korrespondiert ihrem Sinne nach dem Außer-Aktion-Setzen der Generalthesis als eines unmittelbar vollzogenen Subjektiven. So ist von vornherein dafür gesorgt, daß die erfahrene Welt, frei von jeder undurchsichtigen Transzendenzmeinung, als neuartiges Thema in die Phänomenologie einbehalten bleibt. Konsequent spricht Husserl 1913 vornehmlich von Transzendenz in einer phänomenologischen Bedeutung des Wortes; z.B. im Sinne von inadäquater Gegebenheit oder im Sinne von Grenzidee. Auch für Husserls Rückgang auf die vorwissenschaftliche Lebenswelt gilt, daß er durch die Eigenart des unmittelbaren Lebens bereits ein problematisch-dubioses Transzendenzproblem ausgeschaltet sein läßt. Die Sachzugewandtheit ist diesem Leben ein Erstes, durch das es immer schon bei den Dingen ist, ohne diese in einer durch die reflexiv vermittelte Schau nicht einlösbaren Weise als transzendente zu meinen. Was diesem Leben aufgedeckt wer-

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den muß, ist sein vorgängiges Subjektives, in dem sich alle Objekterkenntnis „macht". Dies ist m. E. ein wesentliches Merkmal, das dem Rückgang auf die Lebenswelt in den Augen Husserls Bedeutsamkeit gibt. 7 Daß auch in dieser eliminierenden und interpretativen Stellungnahme zum Transzendenzproblem Problematisches steckt, das in einer Auseinandersetzung z.B. mit der Kan tischen Transzendentalphilosophie ans Licht gebracht werden könnte, sei hier nur noch vermerkt. Wichtiger ist es, darauf hinzuweisen, daß Husserls späterer Fassung des Transzendenzproblems, die mit der Tilgung dieses Problems aus dem Ansatz der Phänomenologie zusammengeht, die These zugehört, daß es eine durch das schauende Erkenntnisvermögen nicht einlösbare (sinnwidrige) Transzendenzmeinung gibt, die mit dem Wesen des intentionalen Bewußtseins unvereinbar ist. Und diese „These" steht, wie ich vermute, bereits hinter dem Vorgehen von 1907, sofern in ihm die Transzendenzmeinung verabschiedet wird. Allerdings wird diese 1907 zu eng mit den Erkenntnisleistungen der objektiven Wissenschaften zusammengerückt, die zugunsten einer neuen phänomenologischen Wissenschaftlichkeit einfach auf die Seite zu rücken, philosophisch unangebracht ist. Was aber schwerer wiegt, ist, daß die Transzendenzmeinung 1907 der natürlichen Erkenntnis zugesprochen wird, so daß diese durch 7Zu dieser frühen Ansetzung des Lebensweltthemas (seinem Bedeutungsgehalt nach) vgl. auch M. Sommer, Einleitung zu: E. Husserl, Die Konstitution der geistigen Welt. Hrsg. v. M. Sommer. (Studienausgabe, PhB 369). Hamburg 1984. S. IXff. - Wesentlich ist m.E. an diesem Thema für Husserl philosophisch nicht die Praxis des außerwissenschaftlichen Lebens. Diese kann man vielmehr benutzen, um einen von Husserl abweichenden Begriff der Lebenswelt zu konzipieren. Entscheidend ist die Leistung des reflexionsfähigen Bewußtseins diesem Leben gegenüber. Weil das Leben vorgängig anonyme subjektiv-objektive Einheit ist, kann es reflexiv vollständig in dem, was es ist, erfaßt werden. Es geht in der theoretischen Reflexion und Deskription auf. Im Zusammenfallen von anfänglich naiver und späterer reflektierter Deskription ihrem Gehalt nach (unter „Vorzeichenänderung") liegt das Spezifische von Husserls Lehre. Die bloße Benutzung des Wortes Deskription ist nicht hinreichend, diese Sachlage zu charakterisieren.

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eine Reduktion (als ein Außer-Aktion-Setzen eines unmittelbaren Vollzuges) nicht in ihrer Seinsmeinung verwandelt wird, sondern verlassen zu werden scheint. Die Überakzentuierung der Immanenz gegenüber der Transzendenz trägt zu diesem im Sinne der späteren Phänomenologie problematischen Vorgehen bei. Aus der Sicht der Lebensweltphänomenologie könnte es angemessener sein, den Lebenszustand, von dem auszugehen ist und der das Thema der Phänomenologie bleibt, nicht immanent zu nennen. Aber Busserls Blick ist 1907 zu stark vom Problem, über die reelle Immanenz hinauszukommen, und von der Möglichkeit, die phänomenologische Erkenntnis als Wesensschau zu bestimmen, gefesselt, als daß die aus späterer Perspektive wichtigeren Punkte stärker in sein Blickfeld gerückt wären. Unter dem Titel des Transzendenzproblems und seiner Ausschaltung wird in der „Idee" auch noch das folgende schwerwiegende Problem diskutiert. Es ergibt sich nicht auf der Seite der Objektbeziehung der Erkenntnis, sondern beim Versuch der Näherbestimmung des Erkennens als eines subjektiven Phänomens. Zur Frage steht, wie das Subjektive des Erkennens zu bestimmen ist. Busserls Ausführungen sind nicht ausreichend, aber sie deuten die Richtung, in die sich seine Intention bewegt, doch an. Das im Erkennen vorliegende Subjektive soll nicht Eigenart von Menschen in der Welt, die in Raum und Zeit leben, sein. Eine solche Charakterisierung kann Verschiedenes besagen. In der Welt lebende Menschen können von ihren Leibkörpern her verstanden werden; z.B. so, daß ihr Seelisches als abhängig von Leibkörperlichem genommen wird. Dann wäre der Körperbegriff bereits für die Klärung des erkennenden Erlebens vorausgesetzt. Dagegen wäre zu setzen, daß eine phänomenologische Thematisierung des Erkennens die Körpervoraussetzung (als eine Ansetzung von Transzendentem) nicht mitmachen darf. Wenn unter Mensch eine solche raumzeitliche Einheit verstanden wird, hat es die Phänomenologie nicht mit der Erkenntnis als Erkenntnis des Menschen zu tun. Mensch wäre dann evtl. ein Titel, der im Reich des natürlichen transzendierenden Erkennens, be-

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stenfalls aber im Universum der Erkenntnisgegenstände der Phänomenologie vorkäme. Die Sachlage kompliziert sich, wenn das Erkennen als etwas nicht psycho-physisch abgestütztes, rein Subjektives traktiert wird. Ist das Erkennen psychisches Erleben? Ist daher die Psychologie für es zuständig? Welche Psychologie? Sicherlich nicht eine naturwissenschaftliche und überhaupt keine, die das Erleben in seiner Abhängigkeit von der menschlichen Leibkörpereinheit thematisiert. Aber selbst wenn man das Erleben einer anders gearteten (z.B. deskriptiv-phänomenologischen) Psychologie zuwiese, bliebe die Frage, ob diese nicht eine natürliche Wissenschaft wäre und ob sie dem in phänomenologischer Reinheit genommenen Erkennen gerecht werden könnte, aus dessen Thematisierung jede Existenzsetzung herausgehalten werden muß so, als schwebte das Erkennen, ohne von Existierendem getragen zu sein, in der Luft. 1907 scheint das von jeder Existenzsetzung frei gehaltene Wesen, das sich einer eidetischen Disziplin (Psychologie?, Phänomenologie?) zuweisen läßt, noch teilweise in den Spielraum von Husserls Lösungsvorschlägen hineinzugehören. - Aber das ergibt, wie sich im IV. Abschnitt dieser Einleitung zeigen wird, zu viele Schwierigkeiten. Es sei daran erinnert, daß Husserl im Spätwerk das phänomenologisch Psychische vom transzendental Subjektiven unterscheidet. Vom phänomenologisch Psychischen kann dem Husserlschen Spätwerk zufolge gesagt werden, daß in ihm und in seiner wissenschaftlichen Thematisierung die transzendentalphilosophische Entscheidung, daß die Welt - der Mensch eingeschlossen - sich im Subjektiven bildet, noch nicht gefallen ist. Das gilt, selbst wenn das phänomenologisch Psychische schon als ein an nichts Andersgeartetes stoßendes Universum eigener Art gefaßt ist. Die Beschränktheit der phänomenologischen Psychologie hängt damit zusammen, daß das phänomenologisch Psychische noch nicht als ein Subjektives aufgefaßt ist, das auch dem Menschen in der Welt gegenüber vorgängig, konstitutiv ist. Der Titel Mensch bezeichnet, auch aus der Perspektive einer reinen phänomenologischen Psychologie, noch den Ort des

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Umschlages einer mundamen Wissenschaft, die es mit einem Weltbestandteil zu tun hat, zu einer prämundanen Universalwissenschaft, für die Menschen schon Konstitutionsprodukte eines vorgängigen absolut seienden Subjektiven sind. Diese Thesen liegen den „Fünf Vorlesungen" noch fern. Aber bereits in ihnen werden Schritte getan, die die Phänomenologie als reine Erkenntnislehre vom Menschen in der Welt und vom psychisch Subjektiven unabhängig zu machen beginnen. Sofern Worte wie Mensch oder Ich andeuten, daß man einen Träger des Erkennens ansetzt, neigt Husserl, wie mir scheint, in der „Idee" dazu, sie zu vermeiden, um das Erkennen nicht nur als transzendenzfreies Phänomen, sondern auch in Abgelöstheit von jedem Träger als reines Bezugsphänomen zu fassen, in der ihm eigentümlichen Absolutheit und Reinheit. Die oben gemachten Andeutungen über die Stellung von phänomenologischer Psychologie und transzendentalem Subjektivismus in Husserls Spätwerk haben implizit deutlich werden lassen, daß Husserl später von der gerade angedeuteten phänomenologischen Erkenntniskonzeption der „Idee" abgegangen ist. In der Zeit nach 1907 wird für Husserl die Abstützung des phänomenologisch rein gefaßten Erkennens in einer von Mensch und psychischem Subjekt unterschiedenen Subjekteinheit als einem absolut Seienden unerläßlich. Diese Entscheidung über die Fundamente der Phänomenologie ist in den „Fünf Vorlesungen" noch nicht endgültig gefallen. Erkennen als Bezugseinheit von Schauen und Gegebenheit ist danach ein Ursprüngliches und ein Absolutes, von dem die Bestimmungen Mensch und psychisches Subjekt ferngehalten werden müssen, ohne daß bereits der Rückgriff auf ein absolut seiendes Vollzugssubjekt des Erkennens eindeutig erfolgt wäre. Diese Konzeption spricht zumindest aus einigen wichtigen Sätzen Husserls in der „Idee der Phänomenologie". 8

8Vgl. U. Panzer, Einleitung zu den Logischen Untersuchungen, a.a.O., S. LVf.; vgl. auch Melle, a.a.O., S. XXXVIIIff.

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Husserl vergewissert sich einer vom Transzendenzproblem freien, immanenten Erkenntnis durch einen Rückgriff auf die cartesianische Zweifelsbetrachtung. Diese ist radikal, sofern sie die gesamte Welt, den Menschen eingeschlossen, aufgrund ihrer Bezweifelbarkeit in einem erkenntnistheoretischen Sinn des Wortes als eine nicht-zulässige Voraussetzung für das anfangende Philosophieren ausklammert. In dieser Maßnahme, die durch den Willen zu einem Neuaufbau der Erkenntnis motiviert ist, weiß sich Husserl mit Descartes einig, wenn sich auch die Wege der beiden Denker bald trennen. Es ist die Sphäre des Erkennens selber, die durch diese Maßnahme unberührt bleibt, - so wird wenigstens in der „Idee" gesagt. Husserl will den Umkreis des Erkennens weit gefaßt wissen - genauso wie Descartes das Reich der cogitationes -, so daß z.B. Wahrnehmen, Erinnern und Phantasieren ihm zugehören. Die neu gewonnene Immanenzsphäre ist ein Universum von „subjektiven Gegenständen", das sich der Reflexion auf das Eigenwesen der Erkenntnis verdankt. In ihm herrschen Zweifellosigkeit und Klarheit - wie im Reich des Bewußtseins bei Descartes. Zugleich aber herrscht in ihm uncartesianisch eine solche unmittelbare Entsprechung von Gegebensein und Sein, daß die gesuchte neue Erkenntnis vom Erkennen in ihm Genüge finden kann - was nach Descartes unmöglich wäre. Von Anfang an wirkt sich also Husserls Rückgriff auf Descartes, von dem er nie gelassen hat, erhellend und verdeckend aus. 9 Für Husserl besagt das immanente Erkennen ein Schauen von Gegebenem, das seinem Sein nach so geschaut wird, wie es sich gibt. Die Auffassung, daß Erkennen Schauen ist und daß Schauen unmittelbare Seinsgewißheit vermittelt, 9Vgl. die auf das Spätwerk Husserls bezogene, aber auch für den frühenm Husserl der Richtung nach bereits geltende Klarstellung der grundsätzlichen Differenz im Vorgehen Descartes' und Husserls bei E. Ströker, Einleitung zu: E. Husserl, Cartesianische Mediationen. (Studienausgabe, PhB 291) Hamburg 1969. S. XXIIff.

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hat Husserl nicht mehr aufgegeben. Wenn transzendierende Erkenntnis von Transzendentem besagt, das Schaubare zu überschreiten, so kann dies nicht mehr statt haben, wenn man einmal in der lmmanenzsphäre der cogitatio Fuß gefaßt hat. Die Ausschaltung der transzendenten „realen" Welt gibt uns keineswegs schon einen für die phänomenologische Erkenntnisabsicht hinreichend bestimmten Begriff von Immanenz an die Hand. Eine bestimmte Behandlung des Immanenzproblems ist für die „Fünf Vorlesungen" charakteristisch. Es gibt einen geläufigen Begriff von Immanenz, mittels dessen allein das phänomenologische Unternehmen nicht durchgeführt werden kann. Dieser Begriff ist der der „reellen Immanenz". Reelle Immanenz gehört, wohlgemerkt, bereits der phänomenologisch reduzierten Erkenntnissphäre an und steht insofern „im Gegensatz" zum (transzendenten) Realen. Von objektiven Raum-Zeit-Bestimmungen muß das reell Immanente daher frei gehalten werden. Da wir nicht mit isolierten Begriffen von Immanenz oder Transzendenz, sondern mit dem Begriffspaar Immanenz - Transzendenz zu arbeiten pflegen, besteht die Gefahr, daß man den Immanenzbegriff auf das reell Immanente fixiert und ihm nicht reell-Immanentes als Transzendentes gegenüberstellt. Für Husserl kommt es darauf an, den Immanenzbegriff weiter zu fassen. Er muß daher aufweisen, daß es außer dem reell Immanenten noch ein anderes Immanentes gibt - nachdem er zuvor, wie im voraufgehenden Abschnitt gezeigt, die Möglichkeit eines philosophisch haltbaren, auf etwas zutreffenden Gegenbegriffs zur Immanenz aus dem Felde geräµmt hat. Phänomenologische Immanenz meint nicht nur „reelle Immanenz", „Hineingehören" des Erkenntnisobjektes in das Erkennen, lnnesein des Erkenntnisobjektes im (erkennenden) Erleben. Hier bestände im Falle eines unphänomenologischen Verständnisses die Gefahr, daß wenn Erkennen weiter charakterisiert würde als (psychisches) Erleben, auch das Erkenntnisobjekt die Eigenart des (psychischen) Erlebens annähme. Das heißt: Man wäre wiederum im Psychologismus gelandet. Dem steht Husserls Begriff der Gegeben-

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heit der Sachen selber entgegen, die jeweils ihr eigenes Wesen zeigen, und die Immanentes eigener „anderer" Art sind. Beispiele für reelle Immanenzen finden sich in der introspektiven Selbsterkenntnis, z.B. in der inneren Wahrnehmung, in der das Wahrgenommene von derselben Art ist wie das Wahrnehmen. Reflexive Erkenntnis des Erkennens überschreitet ebenfalls nicht die Seinsweise des Erkennens. Geht Erkanntes auch hier darin auf, von derselben Seinsart zu sein wie das Erkennen? Busserl drängt sich 1907 die Möglichkeit auf, das reell Immanente - abgesehen von den nicht reell immanenten allgemeinen Wesen - als ein selbständiges phänomenologisches Universum anzusehen, das nur den Mangel hat, für die Realisierung der gesuchten neuen Wissenschaft vom Wesen nicht zuzureichen. Auch hier im Bereich reeller Immanenz scheint es nämlich bereits Selbstgegebenes (wenn auch in Einzelheit) zu geben, und zwar nicht nur in die cogitatio Bineingehöriges, sondern auch so etwas wie gegenständliche cogitata (z.B. rot). (Vgl. „Idee" S. 5) In diesem Falle hätte die reelle Immanenz andere Grenzen, als sie für die spätere Phänomenologie charakteristisch sind. Verstieße aus späterer Perspektive gesehen eine solche Charakterisierung der reellen Immanenz nicht gegen die vollständige Wesensart des intentionalen Bewußtseins? Oder träfe sie evtl. nur eine abkünftige Möglichkeit des intentionalen Bewußtseins? Warum sich eine derartige Fassung der reellen Immanenz 1907 nahe legt, wird aus dem Folgenden deutlicher werden. Auf der 1. Stufe der phänomenologisch reduktiven Betrachtung (S. 4ff.) weiß man noch nichts von Immanentem, das die Sphäre des reell Immanenten überschreitet. Derartiges muß allererst aufgedeckt, d.h. auch in der Schau ausgewiesen werden. Solange das nicht geschehen ist, legt es sich nahe, alles nicht-reell Immanente als Transzendentes anzusprechen. Dieses dürfte in der erkenntniskritischen Einstellung nicht benutzt werden. Busserls entscheidende Entdekkung ist 1907, daß der Begriff der Immanenz auch auf nicht reell im Erleben Enthaltenes angewandt werden kann. Problematisch ist, wie er diese Entdeckung versteht und realisiert.

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Eine Unterscheidung von reell Immanentem und einem „Transzendenten", das nur dadurch bestimmt ist, nichtreell immanent zu sein (reell Transzendentes), könnte den phänomenologisch entscheidenden Punkt verdecken. An der Reduktion ist nämlich nur wesentlich, daß sie die Ansetzung von nicht-schaubarem Transzendentem verbietet und die Erkenntnis in die Sphäre der Schau von Gegebenem hebt. Deren Grenzen beginnen erst dort, wo nicht mehr Selbstgegebenes geschaut wird (geschaut werden kann). An dieser Grenze ist, phänomenologisch genau genommen, von Transzendenz nicht im Sinne eines Gegensatzes zur Immanenz, sondern im Sinne dessen, was erkenntniskritisch nicht mehr sinnvoll und zulässig ist, zu sprechen. Transzendenzenthaltung besagt bei Husserl 1907 also nicht Beschränkung auf reelle Immanenz: Sondern der negativen Enthaltung, der „Epoche in Betreff alles Transzendenten" (S. 44) entspricht positiv ein Zum-Vorschein-Gelangen von absoluten Selbstgegebenheiten in der phänomenologischen Reduktion. Epoche und Reduktion sind die beiden zusammengehörenden Seiten der einen methodischen Grundoperation der Phänomenologie. Indem die Epoche an etwas vollzogen wird, wird dieses auf transzendenzfrei Gegebenes reduziert, ohne daß eine Einschränkung auf reell Immanentes erfolgte. Es ist ein Charakteristikum der „Idee der Phänomenologie", daß in ihr das nicht-reell Immanente vornehmlich in der Gestalt des Allgemeinen auftritt. Dieser Zug der Husserlschen Frühphilosophie verrät, daß in ihr noch keine entschiedene Klarheit hinsichtlich all dessen herrscht, was in die Sphäre des intentionalen Bewußtseins gehört und wie sich dies der reellen und der nicht-reellen Seite des Erkennens zuordnet. In dieser Situation ist die Versuchung, dem Begriffspaar Einzelnes-Allgemeines zu starkes Gewicht zu geben, sehr groß. Sie wird dadurch verstärkt, daß Husserl das Erkennen seiner reellen Eigenart nach durch zwei fundamentale Bestimmungen faßt: 1. Erkenntnisakte (oder -erlebnisse) sind singuläre Phänomene. 2. Sie sind zeitlich an Gegenwartsimpressionen gebunden und durch sie begrenzt. Aber der Umkreis des in der schauenden Erkenntnis zur Gegebenheit Kommenden wird nicht durch diese

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Bestimmungen des Erkennens seiner subjektiv-reellen Seite nach erschöpft. Denn als gegeben geschaut wird nach Husserl auch das Allgemeine und das sich in zeitlicher Dauer als selbig aufbauende Seiende. Auf die sich hier ergebenden Probleme ist im nächsten Abschnitt zurückzukommen. Wie steht es -nach diesen Erläuterungen -1907 mit der Subjektivität im Sinne dessen, was uns aus späterer Zeit als intentionales Bewußtsein vertraut ist? Zu antworten ist, daß sich Grundzüge von Husserls Begriff des intentionalen Bewußtseins andeuten, aber eine befriedigende Klarstellung fehlt. 10 Indem Immanentes das reell Immanente übersteigt und gleichwohl zum schaubaren Gegebenen, das vom Transzendenzproblem frei ist, zählt, zeigt sich, daß das Subjektive eine Einheit von reellen Erlebensbeständen und nichtreell Immanentem ist. Husserl spricht zu Beginn der 4. Vorlesung ausdrücklich vom nicht-reell Immanenten als dem „im intentionalen Sinn Immanenten". Zunächst hatte es in den voraufgehenden Vorlesungen den Anschein, als gehöre das geschaute Gegebene als singuläres der reellen Immanenz des schauend-erkennenden Erlebens zu, die erst in der Schau des Allgemeinen überstiegen wäre. Dann aber heißt es unmittelbar im Anschluß an die Unterscheidung von reell und intentional Immanentem: „Die Erkenntniserlebnisse, das gehört zu ihrem Wesen, haben eine intentio, sie meinen etwas, sie beziehen sich in der oder jener Art auf eine Gegenständlichkeit. Das sich auf eine Gegenständlichkeit Beziehen gehört ihnen zu, wenn auch die Gegenständlichkeit ihnen nicht zugehört." (S. 55) Es ist also ein reelles Enthaltensein im erkennenden Erleben zu unterscheiden von einem intentionalen Zugehörenozum erkennenden Erleben; und zwar ohne Rücksicht auf den Unterschied von singulär und allgemein. Das Unterschiedene kann übergreifend als Immanentes bezeichnet werden. Erst in seiner Einheit macht es die Eigenart des Subjektiven aus, von dem die Phänomenologie handeit. Vielleicht läßt sich für 1907 bereits sagen: Die Differenz iOVgl. U. Panzer, Einleitung zu den Logischen Untersuchungen, a.a.O., S. XXXII, LIV.

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zwischen erkennendem Erleben ( cogitatio) und dem ihm reell Immanenten einerseits und nicht-reell immanent Gegebenem andererseits ist nicht mit der Differenz von Singulärem und Allgemeinem identisch. Im intentionalen Charakter des Subjektiven sind die reellen Eigentümlichkeiten des Erlebens und seine nicht-reellen Gegenstandsbezugseigentümlichkeiten zusammengespannt zu einer unlösbaren Einheit, der sowohl singuläre wie allgemeine schaubare Gegebenheiten zugehören. Ob es noch ratsam ist, diese „synthetische" Einheit des intentionalen Bewußtseins als „immanent" zu charakterisieren, bleibe dahingestellt. Vielleicht wäre es, wie bereits erwähnt, angemessener, vom intentionalen Bewußtsein zu sagen, daß es aufgrund seiner lntentio· nalität immer schon über seine Immanenz und damit über ein unlösbares Transzendenzproblem wie über die reelle Immanenzsphäre hinaus ist. Aber die „Fünf Vorlesungen" zeigen Busserl erst auf dem Weg zu seiner späteren Phänomenologie. Die Wesenslehre von 1907 verliert ihre Dringlichkeit, wenn die Eigenart des intentionalen Subjektiven in seiner Doppelung verschiedener Strukturmomente nicht mehr so eng mit der Unterscheidung des Singulären und Generellen verzahnt wird, wie es in der „Idee" noch geschieht. Es sei abschließend noch ein Blick auf die Evidenz geworfen, die in der „Idee" in einer einseitigen Weise thematisiert wird, welche für Busserls Position von 1907 charakteristisch ist. In der Zusammengehörigkeit von Schau und Selbstgegebenheit hat der Begriff der Evidenz seinen erkenntnistheoretischen Ort. Schauendes Bewußtsein ist als evidentes charakterisierbar im Unterschied zu nicht-schauendem Bewußtsein, das z.B. etwas nur meint, vermutet, erschließt u.ä. Evidenz ist das, was der gegenständlichen Selbstgegebenheit auf seiten des Bewußtseins entspricht. Dieser Gedanke gehört zu einer umfassenderen Sicht des Bewußtseins, die in den „Fünf Vorlesungen" noch nicht sehr klar hervortritt: Bewußtsein verfügt danach über eine Vielheit von Weisen, in denen Gegenständliches bewußt sein kann. Die Bewußtseinsweisen sind hierarchisch und teleologisch auf evidentes Selbstgebungsbewußtsein ausgerich-

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tet. Verschiedenen Gegebenheitsweisen eines Gegenständlichen entsprechen verschiedene Bewußtseinsweisen, in denen dasselbe gegenständlich vorkommen kann, ohne als es selber geschaut zu werden. Nur dem in der Weise der Selbstgegebenheit Geschauten entspricht Evidenzbewußtsein. Busserl müht sich, alle psychologische Problematik vom Evidenzbegriff fernzuhalten. Bewußtsein zielt auf Selbstgebung von Gegenständlichem. Selbstgegebenheit von Gegenständlichem bringt Bewußtsein in den Zustand der Evidenz, ohne daß dieser über seine Gegenstandskorrespondenz hinaus etwas bloß Subjektives wäre oder indizierte wie ein Gefühl oder eine Überzeugung. Busserl setzt sich ausführlich mit dem psychologistischen Verständnis der Evidenz als Gefühlsindex auseinander, das er im Namen der Erkenntnisphänomene verwirft. Man darf sich also für nichts Subjektives in einem nicht-phänomenologischen, außer-korrelativen Sinn des Wortes auf Evidenz berufen. Nur die Erkenntnis des Gegenständlichen rechtfertigt die Rede von Evidenz. Ist sie dann nicht überflüssig? Vielleicht, wenn man das Busserl aus der philosophischen Tradition überkommene Rechtfertigungsbedürfnis und -problem nicht mehr kennt und wenn man die spätere Konzeption des intentionalen Lebens nicht mitmacht. Von dieser Konzeption aus ist der Rückgriff auf Evidenz unerläßlich, da es nicht-evidente Bewußtseinsweisen von Gegenständlichem gibt, die für die Eigenart des Bewußtseins wesentlich sind. Dieses ist aufs Ganze gesehen Evidenz-orientiert. Dieser Gedanke kommt in der „Idee" zu kurz. Dem entspricht, daß auch der wichtige Unterschied zwischen adäquater und nichtadäquater Evidenz, durch den Evidenz allererst in den dynamischen Zusammenhang von fortschreitenden Prozessen der Selbstgebung hineingezogen wird, nicht zum Zuge kommt. Evidenz scheint zumeist adäquate Evidenz zu sein, die absoluter Selbstgegebenheit korrespondiert. 11

Vgl. E. Ströker, Husserls Evidenzprinzip, in: Zeitschrift für philosophische Forschung. Bd. 32 (1978). S. lff. 11

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IV Mit dem Anspruch, (überzeitlich) Allgemeines und sich zeitlich Erstreckendes als selbstgegeben zu schauen, sind einige Schwierigkeiten verknüpft, mit denen Husserl in den „Fünf Vorlesungen" noch nicht fertig geworden ist, deren spätere Bewältigung jedoch zu Umgestaltungen der Phänomenologie beigetragen hat. Auf einige Punkte sei kurz eingegangen, damit sich Motive abzeichnen, welche die Phänomenologie weiter treiben werden. Husserl spricht in der „Idee" davon (S. 8), daß die ideierende Abstraktion zu allgemeinen Gegenständlichkeiten und dem ihnen korrespondierenden Allgemeinheitsbewußtsein führe. Er sagt auch, daß sich das Allgemeine im erkennenden Erleben vereinzele. Bedeutet das eine wie auch immer näher zu bestimmende Vorgängigkeit des Allgemeinen gegenüber dem Einzelnen? Trotz der starken Betonung des Allgemeinen als Ziel phänomenologischer Erkenntnis läßt sich in der „Idee" nichts Endgültiges über „ontologische Prioritäten" im Verhältnis des Allgemeinen zum Einzelnen ausmachen. Eine Methode zur Gewinnung des Allgemeinen vom Einzelnen aus wird nicht ausführlich expliziert, und es bleibt de facto dabei, daß alles der Erkenntnissphäre Zugehörige zunächst als einzelnes auftritt. Eindeutig wird allerdings, wie bereits in den Logischen Untersuchungen, das Eigenwesen des Allgemeinen als eines Gegenständlichen eigener Art herausgestellt. Alles in der durch die Reduktion erschlossenen Erkenntnissphäre läßt sich (in gleicher Weise) auf sein Wesen hin schauen. Aber durch die gleichartige Universalität der Rede vom Wesen wird es für den Leser schwierig, gewisse wichtige Zusammenhänge zwischen Singulärem und Allgemeinem aufzudecken. Zwar ist alles im Reich der cogitatio einzelhaft, aber dennoch ist singulär-zu-sein nicht so etwas wie ein fundamentaler Seinscharakter der cogitationes, der zum Wesensallgemeinen in Beziehung gesetzt und in dieser Beziehung gewahrt werden müßte. Auch Singuläres wird als absolut selbstgegeben geschaut und Derartiges gilt als fraglos seiend. Aber von Singulärem singuläre Urteile zu ge-

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winnen, gilt nicht als Aufgabe, die ein wissenschaftliches Erkenntnisstreben befriedigen könnte. An dieser Stelle führt Busserl seine Entdeckung ein, daß auch allgemeine Gegenstände und Sachverhalte zu absoluter Selbstgegebenheit kommen können. „Diese Erkenntnis ist von entscheidender Bedeutung für die Möglichkeit einer Phänomenologie." (S. 51) Denn sie soll Wesenswissenschaft sein. Ist Singuläres als solches für sie belanglos? Die „Fünf Vorlesungen" vermeiden diesen Anschein nicht. Es ist nur die Folge dieses Vorgehens, daß Busserl zwar die cogitatio als singuläre aufdeckt und die Möglichkeit der Schau ihres allgemeinen Wesens betont, aber die Frage, wie jenes Singulärsein, seine Schau, die Schau des Wesens und das Wesen selber seinsmäßig zueinander stehen, nicht artikuliert. Um die hier anstehenden Probleme ein wenig konkreter zu fassen, ist es ratsam, in der Erkenntnissphäre einige Unterscheidungen zu machen. Die singuläre cogitatio und ihr gegenständliches Korrelat können, wenn es um die Schau des Wesens geht, unterschiedlich behandelt werden. Die Wesensschau des Gegenständlichen kann erfolgen, ohne daß die subjektive cogitatio selber in ihrem Wesen erschaut zu werden brauchte. Es kann also eine singuläre cogitatio vorliegen, die zunächst in einem singulären cogitatum terminiert und deren cogitatum dann ins Allgemeine gehoben wird. Busserl exemplifiziert eine solche Wesensschau am Beispiel einer Einzelanschauung von Rot, „und nun vollziehe ich rein schauend den Sinn des Gedankens Rot überhaupt, Rot in specie, etwa das aus dem und jenem herausgeschaute identische Allgemeine". (S. 57) Dieser neue Gegenstand soll in eiDer neuartigen Schau von der Art einer ideierenden Abstraktion erfaßt sein. Das bedeutet bisher nur: Das selbstgegebene Singuläre und das selbstgegebene Allgemeine sind unterschieden. Zwar ist das Allgemeine aufgrund des Weges seiner Gewinnung ab künftig gegenüber dem Singulären. Aber da es der Wissenschaft nur auf das Allgemeine als Erkenntnisziel ankommt, kann das Singuläre für sie außer Betracht bleiben. Der Bezug der singulären cogitatio zum Wesen ist problematischer als das bisher zum Pol des cogitatum Ausgeführ-

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te. Zumindest werden bei ihm die Probleme, die besagen, daß die getroffenen Unterscheidungen nicht ausreichen, vordringlicher. Auf der Grundlage des einzelhaften Erlebens, das gegenüber anderem Erleben (im Zeitfluß) numerisch different ist, kommt, vermittelt durch die Wesensschau, Allgemeines zur Selbstgegebenheit, das gegen numerische Differenzen und unterschiedliche Zeitpunkte indifferent ist. Husserls Augenmerk richtet sich nur auf den folgenden Punkt: Ist das erkennend-schauende Erleben seiner reellen Seite nach durch Einzelhaftigkeit definiert, „ ... so kann das Allgemeine, das ja keine Einzelheit ist, nicht reell im Allgemeinheitsbewußtsein enthalten sein". (S. 56) Es ist Selbstgegebenes im Sinne des nicht-reell Immanenten. Aber wie steht es dann mit der Wesensschau der einzelhaften cogitatio? Ist in einzelhaften Erlebnissen schon, indem sie sich auf Gegenständlichkeit beziehen, irgendwie das Allgemeine mit präsent, das sich in ihnen vereinzelt hat? Einige Äußerungen Husserls nötigen dazu, diese Frage zu verneinen. Dann ist der Allgemeinheitsbezug gegenüber dem Gegenstandsbezug wohl sekundär; gar außerwesentlich in dem Sinne, daß er gegenüber dem intentionalen Gegenstandsbezug ein anders gearteter, höherstufiger, zweiter Gegenstandsbezug ist? Da 1907 das Allgemeine als Ziel phänomenologischen Erkennens zu ausschließlich und zu einseitig im Vordergrund steht, wird die hier artikulierte Frage niedergehalten. Die singulären Erkenntniserlebnisse selber mögen in ihrer Wesensallgemeinheit erkannt werden können, aber dadurch braucht ihr singulärer Seinscharakter nicht aufgehoben zu werden. Dieser ist geschaut. Das nicht-singuläre Wesen der cogitatio wird auch geschaut. Aber reicht eine solche Schau aus? Müßte nicht ebenfalls geschaut werden, daß singulär zu sein notwendig zur cogitatio gehört? Dann überstiege die Wesensschau das Singuläre nicht mehr zu einem allgemeinen Gegenstand, der gegenüber allem Singulär-Einzelhaften ein identisch Eines ist. Andernfalls würde es ja zugunsten eines nicht-vereinzelten allgemeinen Wesens überstiegen. Es bliebe bei der Differenz zweier verschieden gearteter Gegenstände: dem singulär verfließenden und dem

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(zeitpunktfreien) Allgemeinen. Das unmittelbar gegenständlich orientierte Erkennen wäre gar nicht in seiner Eigenart erfaßt. Es müßte sich doch als wesentlich singuläres in der Differenz zum Allgemeinen halten. Beides müßte an ihm unterschieden werden. Es dürfte in Anbetracht seiner das Ziel des Erkennens nicht durch das Allgemeine angegeben werden. Die Differenz des Singulären und des Allgemeinen bliebe für das Erkennen wesentlich. So wäre es, wenn die Erkenntniserlebnisse als wesenhaft vereinzelte erkannt würden. Als so in ihrem Wesen erkannte blieben sie vom Wesen als einem allgemeinen Gegenstand unterschieden. Zu fragen wäre, wie das Unterschiedene zusammenhinge. Problembewußtsein der angedeuteten Art findet sich in der „Idee" nicht. Busserl dürfte diese kritisch monierte Sachlage so sehen, als ob Singulärsein und Zeitlichsein zum erschaubaren allgemeinen Wesen eines Individuums gehörten, wogegen es anderen Wesen zukäme, diese Züge nicht aufzuweisen. In dieser Sicht der Sachlage kommen Singulärsein und Zeitlichsein nur als Allgemein-Gegenständliches in den Blick. Ihre Differenz zum Wesen bleibt für sie unwesentlich. Und Wesen besagt dann etwas, was sich einheitlich über Zeitliches/ Singuläres und Zeitfreies/ Allgemeines erstreckt, ohne daß diesem Unterschied anders als in der Bedingtheit durch den einheitlichen Wesensbegriff Rechnung getragen würde was besagt, daß dieser Unterschied (phänomenologisch gesprochen) nicht als er selber zur Sprache kommt. Der Unterschied des Singulären und Allgemeinen wird im späteren Werk Busserls insofern deutlicher fundamentalphilosophisch sekundär, als die in die phänomenologische Transzendentalphilosophie hineinführenden Operationen gegenüber diesem Unterschied indifferent sind. Die Aufdeckung des Subjektiven als Seinsquelle von Objektivität erfolgt ohne Rücksicht auf diesen Unterschied. Die Reduktion läßt einen zunächst nicht ratlos in der reellen Immanenzsphäre zurück, weil man von vornherein auf Wesenseinsichten als primär nicht-reell-immanente Gegenstandserkenntnisse aus gewesen ist, zu denen einem die Reduktion aufs reell Immanente nicht verhilft. Die Blickwendung aufs

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Allgemeine erfolgt vielmehr, deutlich abgesetzt, erst in einem zweiten Schritt, der den grundlegenden phänomenologischen Maßnahmen nachfolgt. So wird z.B. im 1. Buch der Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie von 1913 der überstieg über das reell Subjektive schon mit der Reduktion selber vollzogen und verbleibt im Bereich des Singulären, in der reelle und intentionale Immanenz von vornherein geeint sind. Die Unterscheidung von „Tatsache" und Wesen bleibt zwar für Husserl grundlegend in dem Sinne, wie es in dem vorbereitenden Abschnitt „Wesen und Wesenserkenntnis" zum 1. Buch der Ideen ausgeführt ist, aber dieser Unterschied verquickt sich nicht mehr so stark wie in der „Idee" mit der phänomenologische n Reduktion. Immerhin sagt Husserl noch in den Cartesianischen Meditationen, daß „die eidetische Intuition" neben der Reduktion als „Grundform aller besonderen transzendentalen Methoden" bestehe ohne daß deren Verhältnis zueinander befriedigend geklärt würde. (Vgl. Cartesianische Meditationen (Studienausgabe, PhB 291) S. 74) Ein Symptom für Husserls spätere Akzentverschiebung im Verhältnis von Transzendentalem und Eidetischem läßt sich darin sehen, daß eine eidetische Wissenschaft identischen Inhalts (abgesehen von der transzendentalen Differenz) in Parallelität in natürlicher (psychologischer) wie in transzendentaler Einstellung soll durchgeführt werden können. 1907 dagegen wirkt sich Husserls frühere Konzeption der Phänomenologie als Wesenslehre noch so aus, daß die Wesensschau in die „Kernzone" des intentionalen Bewußtseins und der Aufdeckung seiner wissenschaftlichen Erforschbarkeit hineingezogen wird. Es ist noch auf einen anderen wichtigen Punkt hinzuweisen, der in der „Idee der Phänomenologie" Fragen aufwirft, zu denen erst die spätere Phänomenologie eindeutiger Stellung nehmen wird, ohne jemals alle Bedenken aus dem Wege räumen zu können. Wie steht es mit der Schau des Selbstgegebenen in verschiedenen Bewußtseinsweisen und mit Bewußtseinsweisen, die wesentlich nicht Schau von Selbstgegebenem sind? Dieses Thema wird von Husserl vornehmlich in der problematischen 5. Vorlesung angeschnitten.

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Hier sollen nur einige Schwierigkeiten exponiert werden. Die Schau des selbstgegebenen Allgemeinen ist nicht notwendig auf (wahrnehmendes) singuläres Schauen von Einzelnem als Ausgangspunkt angewiesen. Auch das Allgemeine von Phantasievergegenwärtigungen, in denen ein Gegebenes nicht als wahrgenommen (und existierend) gesetzt ist, soll zur Schau gebracht werden können. Es ist demnach also die Differenz zwischen wahrnehmender Gegenwärtigung und Phantasievergegenwärtigung (samt der ihr zugehörigen Differenz in der Setzung von Existenz) für die Schau des Wesens und das Wesen selber belanglos. (S. 68) Wenn Dinge und ihre Eigenschaften in ihrem allgemeinen „Wasgehalt" geschaut werden sollen, mag es in der Tat irrelevant sein, ob die Wesensschau von phänomenologisch reduziert Wahrgenommenem oder Phantasiertem ausgeht, weil die Differenz von Wahrnehmungsbewußtsein und Phantasiebewußtsein nicht in das gegenständliche Wesen eingeht. Das Wesen eines Hauses läßt sich einer Einzelhauswahrnehmung wie einer Einzelhausphantasie entnehmen. In beiden Fällen handelt es sich um vereinzelte Fälle eines Allgemeinen, nämlich des Wesens von Haus. Schwieriger als in der unmittelbar gegenständlichen Orientierung wird die Sachlage, wenn das Wesen des Wahrnehmens und des Wahrgenommenen im Unterschied z.B. zur Phantasie zur Debatte gestellt wird. Ist man auch in diesem Falle nicht auf Wahrnehmen angewiesen? Läßt sich das Wahrnehmen durch das Phantasieren von Wahrnehmen ersetzen - wenn es z.B. nur um das Wesen des Wahrnehmens geht? Geht in das Wesen des Wahrnehmens dessen Weise, individuelle Existenz zu setzen, nicht ein? Oder ist die These Husserls gar nicht so radikal zu verstehen, wie man meinen könnte? Weisen alle gegenständlichen Wesen (der Natursphäre) letztlich doch auf singuläre Wahrnehmung von einzelhaft Gegebenem zurück? Sind wir etwa nur aufgrund dieser Voraussetzung in der Lage, darauf zu verzichten, bis zur Wahrnehmung zurückzugehen und die Wahrnehmung so zu imaginieren, daß der Wahrnehmungsgehalt gewahrt bleibt, ohne daß die Wahrnehmungssetzung mit vollzogen würde? Dann ließe sich allerdings problemlos ein Wahrneh-

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Pau!Janssen

mungsgehalt aus dem Wahrnehmungsakt in seiner intentionalen Ganzheit herauslösen, der in vielen nicht-wahrnehmenden Bewußtseinsweisen derselbe bleiben könnte. Husserl greift in der „Idee" zu der Lösung, daß in der Phantasievergegenwärtigung die individuelle Essenz geschaut werde - abgesehen von Möglichkeiten, zur Existenz Stellung zu nehmen. (Vgl. S. 70f.) Kann das phantasierende Vergegenwärtigen ein die Sache selbst gebendes Schauen sein, wie es allein in der „Idee" gesucht zu sein scheint? Dagegen ist daran zu erinnern, daß das Thema der späteren Phänomenologie die Bezüge von nicht-schauenden zu schauenden Bewußtseinsweisen sind. Festzuhalten ist auch, daß, wenn von der Selbigkeit des zu erkennenden gegenständlichen Wesens abgesehen wird, die Differenz zwischen Wahrnehmen, Phantasieren und Wesensschau als Bewußtseinsweisen und den ihnen korrespondierenden gegenständlichen Gegebenheitsweisen in aller Schärfe gewahrt werden muß, weil sonst gegen den in der „Idee" nicht deutlich explizierten phänomenologischen Grundsatz der Korrespondenz von Bewußtseins- und Gegebenheitsweisen verstoßen würde. Vidleicht läßt sich für die „Fünf Vorlesungen" folgende Differenzierung zwischen Wahrnehmung, Phantasie und Wesensschau festhalten: In der Wahrnehmung liegt eine Schau von individueller Essenz und Existenz, in der Phantasie nur die Vergegenwärtigung einer individuellen Essenz vor, in der Wesensschau dagegen wird das allgemeine Wesen geschaut? Und wie steht dieses zur individuellen Existenz? Essenz und Existenz gelten Husserl 1907 auf jeden Fall als zwei verschiedene Seinsweisen „in zwei verschiedenen Modis der Selbstgegebenheit". (S. 70) Würden demnach Einzelexistenz und existenzfreie Essenz geschaut? Aber ist eine Wesensschau der Einzelexistenz durchführbar? Die Einbeziehung der Phantasievergegenwärtigung in das Zentralthema der Schau des Selbstgegebenen belastet den kurzen Text der Vorlesungseinleitung mit zusätzlichen Problemen, zu deren Explikation hier Mittel und Möglichkeit nicht bereitstehen.

Einleitung

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Husserl bringt in der 5. Vorlesung auch die Zeit ins Spiel. 12 An der Zeit läßt sich, wie erwähnt, ebenfalls aufzeigen, wie das schaubare Gegebene das reell Erlebte übersteigt. Allerdings kompliziert sich dadurch die bisherige schlichtere Handhabung des Begriffspaares Schau -Selbstgegebenheit. Für die Schau von Wesen braucht man zumindest teilweise der Zeit keine Rechnung zu tragen. Ist es unerläßlich, zur Klärung des reinen Erkenntnisphänomens der Schau von Selbstgegebenem Zeit ins Spiel zu bringen? Ist Zeit nicht Grundbestimmung empirischer Existenz, z.B. der Menschen in der Welt? Haben wir Derartiges nicht ausgeschaltet? Gewiß. Es ist von Husserl zunächst nicht in wünschenswerter Eindringlichkeit gesagt worden, daß das Ausgeschaltete nur als eine noch nicht phänomenologisch thematisierte Voraussetzung ausgeschaltet wird, aber selbstverständlich unter phänomenologischen Voraussetzungen in den Themenkreis der Phänomenologie hineingehört. Gleichwohl sieht man am Beispiel der Zeit, daß Husserl so verfährt. Er thematisiert nach der Ausschaltung der Zeit (der empirischen Existenz) die Zeit in phänomenologischer Betrachtungsweise als etwas, das über die cogitatio und ihren reellen Gehalt hinausführt in die Gegenstandssphäre. Durch die Zeit aber werden Aporien vordringlich, die die Schau des Selbstgegebenen bisher nicht gekannt hat. Es ist für die Phänomenologie charakteristisch, daß sie von früh an die Zeitstruktur benutzt, um eine Weise von Selbstgegebenheit zu klären. Husserl faßt die Wahrnehmung in ihrem Zeitcharakter z.B. so, daß sich mit der Gegenwart (retentionale) Vergangenheit unmittelbar verbindet, d.h. mit zur Gegebenheit kommt. Die fundamentale Rolle, welche der Zeit in der Phänomenologie zunehmend zukommt, wird allerdings in der „Idee" noch nicht voll deutlich. Das hat mit seinen Grund darin, daß die (Zeit-unbedürftige) Wesensschau zu sehr im Zentrum steht als dasjenige, was über die reelle Präsenz der 12 Vgl. zur Zeitproblematik Einleitung und Texte des Bandes: E. Busserl, Texte zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins ( 1893-1917). Herausgegeben und eingeleitet v. R. Bemet (Studienausgabe, PhB 362) Hamburg 1985.

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Paul Janssen

cogitatio hinausführt. Aber diese Tatsache darf nicht übersehen lassen, daß Husserl bis 1907 bereits mehr an festhaltbaren inhaltlichen phänomenologischen Einsichten gewonnen hat, als er in den „Fünf Vorlesungen" hat verarbeiten können. Man muß bedenken, daß diese inhaltlichen Einsichten keineswegs unmittelbar in ihrer methodologischen Bedeutung für die Grundlegung der Phänomenologie auf der Hand liegen. Dies kann man sich an der den „Fünf Vorlesungen" folgenden Behandlung von „Ding und Raum" klar machen. Die Unzufriedenheit mit der philosophischen Unzulänglichkeit phänomenologischer Einzelanalysen hat Husserl zum Wagnis der „Fünf Vorlesungen" getrieben. Aber das Bedürfnis nach wissenschaftlicher Erkenntnis inhaltlicher Gegebenheiten führt ihn auch wiederum zur phänomenologischen Analyse zurück. Die Fruchtbarkeit der Phänomenologie Husserls resultiert nicht zuletzt daraus, daß sie sich zwischen diesen beiden Polen bewegt.

EDITORISCHER BERICHT

Dieser Studienausgabe liegt der von Walter Biemel in Husserliana II vorgelegte Text der „Idee der Phänomenologie" zugrunde, der in einer 1. Auflage 194 7 und in einer 2. im wesentlichen unveränderten Auflage 1958 erschienen ist. Biemels Text stützt sich auf ein Stenogramm Husserls, das jetzt die Blätter 112-154 des Manuskripts F I43 einnimmt. (Ältere Vorlage als: F I 43, Bll. 1-42; vgl. Biemels Bemerkungen „Zur Textgestaltung" Husserliana II, S. 87) Das Konvolut F I 43, Bll. 112-154 enthält die 5 einleitenden Vorlesungen Husserls zu seiner Vorlesung vom Sommersemester 1907, die den Titel „Hauptstücke aus der Phänomenologie und Kritik der Vernunft" trug und heute unter der Überschrift „Ding und Raum" in Husserliana XVI publiziert ist. Die 5 Vorlesungen sind in der Zeit vom 26.4. bis 2.5.1907 in Göttingen gehalten worden. Der den 5 Vorlesungen vorweggehende „Gedankengang" ist nach der letzten Vorlesung vom 2. Mai geschrieben. An diesem ursprünglichen Text hat Husserl gleichzeitig mit seiner Abfassung, aber auch nachträglich Korrekturen angebracht. Er hat in ihn bereits zur Abfassungszeit eingegriffen, weil er mit bestimmten Ausführungen, besonders der 5. Vorlesung, unzufrieden war. Der Text darf also keineswegs im ganzen und ohne weiteres als eine endgültige Darstellung der methodischen Grundzüge der Phänomenologie angesehen werden, was eine später von Husserl auf ihn bezogene Bemerkung andeutet: „Nicht ganz ausgearbeitet, aber doch lesenswert." (F I 43, Bl. 113a) Es war seine Aufgabe, indie sich ihm anschließende Vorlesung durch eine knappe Skizze der Grundlagen derjenigen Philosophie einzuleiten, die den konkreteren Ausführungen des Hauptteiles der Vorlesung vorausliegen. Landgrebe hat in den zwanziger Jahren von den 5 Vorlesungen eine maschinenschriftliche Abschrift angefertigt, die sich im Husserl-Archiv unter der Signatur M III 9 I findet. Auch in diesem Typoskript finden sich Anmerkungen

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Editorischer Bericht

und Korrekturen Husserls, die nicht alle in Husserliana II aufgenommen worden sind. Der Textkritische Anhang von W. Biemel in Husserliana II gibt über die wichtigeren Differenzen zwischen F 1 43, M III 9 1 und dem HusserlianaText Auskunft. Nach Überprüfung des Textstandes von F 1 43, Bll. 112 ff. und M III 9 1 folgt der hier abgedruckte Text dem Text des Husserliana-Bandes. Druckfehler sind stillschweigend korrigiert, die Interpunktion ist weiter korrigiert und modernisiert worden. Textberichtigungen sind auf der Grundlage des Originalmanuskriptes in der Regel unterhalb der Textkolumne notiert, von der hier folgenden umfangreicheren Ergänzung abgesehen: S. 67, Zeile 16, nach dem Wort „sich" ergänze: „dabei mit Evidenz als ein in einem temporären Strom fließendes und ev. verfließendes, schwindendes dar. Soll nun die Evidenz nur das absolute Jetzt betreffen und ist diese Jetzterfassung, wenn wir sie streng nehmen, nicht eine bloße Abstraktion? Das Jetzt sinkt alsbald herab und wird zum Nichtjetzt; haben wir davon nicht Evidenz und überschreiten wir nicht damit schon den Jetztpunkt? Das aktuelle Jetzt wird zur Vergangenheitsphase des erscheinenden Inhalts, etwa des Tones, und mit Evidenz gegeben ist mit dem Sein auch das Gewesensein. Zu scheiden ist dabei von dem im jeweiligen Jetztpunkt gegebenen Abschattungsphänomen das Gegenständliche, das sich in dieser Abschattung darstellt; und das uns selbst in ihr gegeben ist. Hören wir einen Ton und nehmen wir ihn in seiner „Immanenz", so ist mit dem Moment seines Aufhörens nicht schlechthin nichts da, sondern er „verklingt", ein Abschattungsphänomen ist da und während es in seinen Phasen, wie schon das Wort Abschattung sagt, kontinuierlich anders wird, stellt sich" Die Seitenzählung unserer Ausgabe entspricht der Paginierung Husserliana II. Daher ist auf die sonst übliche innenstehende Husserliana-Pagination im Kolumnentitel verzichtet. Im Inhaltsverzeichnis und auf den Zwischentitelblättern der einzelnen Vorlesungen ist die Inhaltsgliederung, die wohl zum größten Teil von Landgrebe stammt, unverändert belassen.

BIBLIOGRAPHISCHE HINWEISE

Außer den Arbeiten, auf die in den Anmerkungen der Einleitung hingewiesen worden ist, seien einige Werke aus der Husserl-Literatur angeführt, die dem Verf. für das Weiterstudium nützlich erscheinen. Aguirre, A.: Die Phänomenologie Husserls im Lichte ihrer gegenwärtigen Interpretation und Kritik, Darmstadt 1982. Becker, 0.: Die Philosophie Edmund Husserls (1930), in: Husserl. Hrsg. v. H. Noack. Darmstadt 1973. (Wege der Forschung Bd. XL) s. 129ff. Berger, G.: Le cogito dans la philosophie de Husserl. Paris 1941. Bernet, R.: Die ungegenwärtige Gegenwart. Anwesenheit und Abwesenheit in Husserls Analyse des Zeitbewußtseins, in: Zeit und Zeitlichkeit bei Husserl und Heidegger. (Phänomenologische Forschungen 14) Freiburg-München 1983. S. 16ff. Biemel, W.: Husserls Encyclopaedia-Britannica-Artikel und Heideggers Anmerkungen dazu (1950), in: Husserl. Hrsg. v. H. Noack. Darmstadt 1973. S. 282ff. -. Die entscheidenden Phasen der Entfaltung von Husserls Philosophie, in: Zeitschrift f. philosoph. Forschung 13 (1959), S. 187ff. Boehm, R.: Vom Gesichtspunkt der Phänomenologie, Husserl-Studien. Den Haag 1968 (Sammelband). Brand, G.: Husserl-Literatur und Husserl, in: Philosophische Rundschau 8 (1960) S. 26lff. Claesges, U.: Intentionalität und Transzendenz. Zur Konstitution der materiellen Natur, in: Analecta Husserliana Bd. 1. Ed. A.-T. Tymieniecka. Dordrech t 19 7 0. S. 91 ff. -: Edmund Husserls Theorie der Raumkonstitution. Den Haag 1964. Drüe, H.: Edmund Husserls System der phänomenologischen Psychologie. Berlin 1963. Eley, L.: Die Krise des Apriori in der transzendentalen Phänomenologie Edmund Husserls. Den Haag 1962. Fink, E.: Die phänomenologische Philosophie Edmund Husserls in der gegenwärtigen Kritik, in: E. Fink, Studien zur Phänomenologie 1930-1939. Den Haag 1966. S. 79ff. -: Das Problem der Phänomenologie, in: E. Fink, Studien zur Phänomenologie 1930-1939. Den Haag 1966. S. 226ff. Hamrick, S. (Ed.): Phenomenology in Practice and Theory. Den Haag 1985 (Phaenomenologica 92).

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Bibliographische Hinweise

Held, K.: Lebendige Gegenwart. Die Frage nach der Seinsweise des transzendentalen Ich bei Edmund Husserl, Den Haag 1966. Janssen, P.: Geschichte und Lebenswelt, Den Haag 1970. -. Edmund Husserl, Freiburg-München 1976. Kern, 1.: Husserl und Kant. Den Haag 1964. (Phaenomenologica 16) Landgrebe, L.: Faktizität und Individuation. Studien zu den Grundfragen der Phänomenologie. Hamburg 1982. -: Der Weg der Phänomenologie, Gütersloh 1963. Lauer, Q.: Phenomenologie de Husserl. Essai sur la genese de l'intentionalite. Paris 1955. Levinas, E.: La theorie de l'intuition dans la phenomenologie de Husserl. Paris 1930 (31970). Ricoeur, P.: Husserl. An Analysis of his Phenomenology. Evanston 1957. Schuhmann, K.: Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie. Zum Weltproblem der Philosophie Edmund Husserls. Den Haag 1971. Seebohm, Th.: Die Bedingungen der Möglichkeit der TranszendentalPhilosophie. Bonn 1962. Sokolowski, R.: Husserlian Meditations. Evanston 1974 (Northwestern University Press). Sommer, M.: Husserl und der frühe Positivismus. Frankfurt a. M. 1985. Ströker, E. (Hg.): Lebenswelt und Wissenschaft in der Phänomenologie Edmund Husserls, Frankfurt 1979. Das Problem der Epoche in der Philosophie Edmund Husserls, in: Analecta Husserliana 1. Hrsg. v. A. Th. Tymieniecka. Dordrecht 1971. S. 176ff.

EDMUND HUSSERL

Die Idee der Phänomenologie Fünf Vorlesungen

DIE IDEE DER PHANOMENOLOGIE

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N a t ü r 1 i c h e s, um die Schwierigkeiten der Erkenntnismöglichkeit unbekümmertes D e n k e n in Leben und Wissenschaft - p h i 1 o s o p h i s c h e s D e n k e n, bestimmt durch die Stellung zu den Problemen der Erkenntnismöglichkeit. Die Verlegenheiten, in die sich die Reflexion über die Möglichkeit einer die Sachen selbst treffenden Erkenntnis verwickelt; wie kann Erkenntnis ihrer Übereinstimmung mit den an sich seienden Sachen gewiß werden, sie „treffen"? Was kümmern sich die Sachen an sich um unsere Denkbewegungen und um die sie regelnden logischen Gesetze? Sie sind Gesetze unseres Denkens, psychologische Gesetze. - Biologismus, psychologische Gesetze als Anpassungsgesetze. Widersinn : man gerät zunächst, natürlich über die Erkenntnis reflektierend und sie mit ihrer Leistung in das natürliche Denksystem der Wissenschaften einordnend, in ansprechende Theorien, die aber jederzeit in Widerspruch oder Widersinn enden. - Neigung zum offenen Skeptizismus. Schon diesen Versuch einer wissenschaftlichen Stellungnahme zu diesen Problemen kann man Erkenntnistheorie nennen. Jedenfalls erwächst die Idee einer Erkenntnistheorie als einer Wissenschaft, welche die hier vorliegenden Schwierigkeiten löst, uns letzte, klare, also in sich einstimmige Einsicht in das Wesen der Erkenntnis und die Möglichkeit ihrer Leistung gibt. - Erkenntniskritik in diesem Sinne ist die Bedingung der Möglichkeit einer Metaphysik. Die M e t h o d e der Erkenntniskritik die phänomenologische, die Phänomenologie die allgemeine Wesenslehre, in die sich die Wissenschaft vom Wesen der Erkenntnis einordnet. Was ist das für eine Methode, wie kann, wenn Erkenntnis überhaupt ihrem Sinn und ihrer Leistung nach in Frage gestellt ist, eine Wissenschaft von der Erkenntnis sich etablieren, welche Methode kann da zum Ziele führen? 23 Leistung lies, Leistungen

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A.

D e r p h ä n o m e n o 1 o g i s c h e n B e t r a c h tu n g e r s t e S t u f e.

1) Im ersten Moment wird man bedenklich, ob solch eine

Wissenschaft überhaupt möglich ist. Setzt sie alle Erkenntnis in Frage, wie kann sie da anfangen, da jede als Ausgang gewählte Erkenntnis als Erkenntnis mit in Frage gestellt ist? Indessen das ist eine bloß scheinbare Schwierigkeit. Nicht 5 g e 1 e u g n et und nicht in j e dem Sinn als etwas Zweifelhaftes hingestellt ist die Erkenntnis dadurch, daß sie „in Frage gestellt wird". Die Frage richtet sich auf gewisse Leistungen, die ihr zugemutet werden, wobei es sogar noch offen steht, ob die 10 Schwierigkeiten alle möglichen Erkenntnistypen betreffen. Jedenfalls wenn die Erkenntnistheorie sich auf die Möglichkeit der Erkenntnis richten will, muß sie Erkenntnisse haben über Erkenntnismöglichkeit en, die als solche zweifellos sind, und zwar Erkenntnisse im prägnantesten Sinn, denen Triftigkeit eignet, 15 und über «ihre» eigene Erkenntnismöglichkeit , deren Triftigkeit absolut zweifellos ist. Wenn unklar und zweifelhaft geworden ist, wie Triftigkeit der Erkenntnis möglich sei, und wenn wir geneigt werden zu zweifeln, ob dergleichen möglich sei, müssen wir zunächst zweifellose Fälle von Erkenntnissen oder möglichen 20 Erkenntnissen im Auge haben, die ihre Erkenntnisgegenständ e wirklich treffen, bzw. treffen würden. Anfangend dürfen wir keine Erkenntnis als Erkenntnis hinnehmen, sonst hätten wir eben kein mögliches oder, was dasselbe ist, sinnvolles Ziel. Da bietet uns einen Anfang die C a r t e s i a n i s c h e 25 Zweifelsbetrac htung: das Sein der cogitatio, des Erlebnisses während des Erlebens und in schlichter Reflexion darauf, ist unzweifelhaft; das schauende direkte Erfassen und Haben der cogitatio ist schon ein Erkennen, die cogitationes sind die ersten absoluten Gegebenheiten. 2) Daran knüpft sich naturgemäß die erste erkennt30 n ist h eo r et i s c h e Reflexion an: Was macht in diesen Fällen die Unfraglichkeit aus und ihnen gegenüber bei anderen Fällen prätendierter Erkenntnis die Fraglichkeit? Warum bei gewissen Fällen die Neigung zum Skepti35 zismus und die Zweifelsfrage: wie kann ein Sein getroffen werden in der Erkenntnis, und warum bei den cogitationes dieser Zweifel und diese Schwierigkeit nicht?

Gedankengang der Vorlesungen

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Man antwortet zunächst - das ist eben die nächstliegende Antwort - mit dem Begriffspaar oder Wortpaar 1 mm an e n z und T ran s z e n d e n z. Die schauende Erkenntnis der cogitatio ist immanent, die Erkenntnis der objektiven Wissen5 schaften, der Natur- und Geisteswissenschaften, aber näher besehen auch der mathematischen Wissenschaften, ist transzendent. Bei den objektiven Wissenschaften besteht die Bed e n k 1 i c h k e i t d e r T r a n s z e n d e n z, die Frage: wie kann Erkenntnis über sich hinaus, wie kann sie ein Sein treffen, 10 das im Rahmen des Bewußtseins nicht zu finden ist? Diese Schwierigkeit fällt bei der schauenden Erkenntnis der cogitatio weg. 3) Zunächst ist man geneigt und hält das für selbstverständlich, die Immanenz als reelle Immanenz zu interpretieren und 15 wohl gar psychologisch als r e a 1 e 1 m m a n e n z: im Erkenntniserlebnis, wie es eine reale Wirklichkeit ist, oder im Ichbewußtsein, dem das Erlebnis angehört, findet sich auch das Erkenntnisobjekt. Daß im selben Bewußtsein und im selben realen Jetzt der Erkenntnisakt sein Objekt finden und treffen kann, 20 das hält man für das Selbstverständliche. Das Immanente ist, wird hier der Anfänger sagen, in mir, das Transzendente außer mir. Bei näherer Betrachtung scheidet sich aber r e e 11 e 1 mm a n e n z und 1 m m a n e n z i m S i n n e d e r i n d e r S e 1b s t g e25 E v i d e n z sich kon st it uier enden g e b e n h e i t. Das reell Immanente gilt als das Zweifellose, eben weil es nichts anderes darstellt, nichts über sich „hinausmeint", weil hierbei, was gemeint, auch voll und ganz adäquat selbstgegeben ist. Andere Selbstgegebenheit als die des reell 30 Immanenten tritt zunächst noch nicht in den Gesichtskreis. 4) Also zunächst wird nicht geschieden. Die erste Stufe der Klarheit ist nun die: reell Immanentes oder, was hier dasselbe besagt, adäquat Selbstgegebenes ist fraglos, das darf ich benützen. Transzendentes (nicht reell Immanentes) darf ich nicht 35 benützen, also ich muß p h ä n o m e n o 1 o g i s c h e R e du kt i o n, A u s s c h 1 u ß a 1 1 e r t r a n s z e n d e n t e n S e tz u n gen v o 11 z i eh e n. Warum? Ist mir unklar, wie Erkenntnis Transzendentes treffen kann, nicht Selbstgegebenes sondern „Hinausgemeintes",

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so kann mir zur Klarheit sicher keine der transzendenten Erkenntnisse und Wissenschaften etwas helfen. Was ich will, ist K 1 a r h e i t, verstehen will ich d i e M ö g 1 i c h k e i t dieses Treffens, d.h. aber, wenn wir den Sinn davon erwägen: das Wesen der Möglichkeit dieses Treffens will ich zu Gesicht bekommen, es schauend zur Gegebenheit bringen. Ein Schauen läßt sich nicht demonstrieren; der Blinde, der sehend werden will, der wird es nicht durch wissenschaftliche Demonstrationen; physikalische und physiologische Farbentheorien ergeben keine schauende Klarheit des Sinnes von Farbe, wie ihn der Sehende hat. Ist also, wie aus dieser Erwägung zweifellos wird, die Erkenntniskritik eine Wissenschaft, die immerfort nur und für alle Erkenntnisarten und Erkenntnisformen aufklären will, so kann sie v o n k e i n e r n a t ü r 1 i c h e n W i s s e n s c h a f t G e b r a u c h m a c h e n ; an ihre Ergebnisse, ihre Seinsfeststellungen hat sie nicht anzuknüpfen, diese bleiben für sie in Frage. Alle Wissenschaften sind für sie nur W i s s e n s c h a f t sP h ä n o m e n e. Jede solche Anknüpfung bedeutet eine fehlerhafte imallaa~. Sie kommt auch nur zustande durch eine fehlerhafte, aber freilich oft naheliegende P r o b 1 e m v e r s c h i e b u n g: zwischen psychologisch naturwissenschaftlicher Erklärung der Erkenntnis als Naturtatsache und Aufklärung der Erkenntnis nach Wesensmöglichkeiten ihrer Leistung. Es bedarf also, um diese Verschiebung zu meiden und beständig des Sinnes der Frage nach dieser Möglichkeit eingedenk zu bleiben, der p h ä n o m e n o 1 o g i s c h e n R e d u k t i o n. Sie besagt: alles Transzendente (mir nicht immanent Gegebene) is mit dem Index der Nullität zu versehen, d.h. seine Existenz, seine Geltung ist nicht als solche anzusetzen, sondern höchstens als G e 1 t u n g s p h ä n o m e n. Über alle Wissenschaften darf ich nur verfügen als Phänomene, also nicht als Systeme geltender, als Prämisse, selbst als Hypothese für mich als Ansatz zu verwendender Wahrheiten, z.B. die ganze Psychologie, die ganze Naturwissenschaft. Indessen 'der eigentliche S i n n d e s P r i n z i p s ist die beständige Aufforderung, bei den Sachen, die h i e r in der Erkenntniskritik in Frage sind, zu bleiben und die h i e r liegenden Probleme nicht mit ganz anderen zu vermengen. Aufklärung von Erkenntnismöglichkeiten liegt nicht auf den Wegen objektiver Wissenschaft. Die 10 der lies: jeder

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Erkenntnis zur evidenten Selbstgegebenheit bringen und darin das Wesen ihrer Leistung schauen wollen, das heißt nicht deduzieren, induzieren, ausrechnen usw., es heißt nicht, aus schon gegebenen oder als gegeben geltenden Sachen neue Sachen mit 5 Grund herleiten. B.

Der

phänomenologi schen z w e i t e S t u f e.

Betrachtung

Es bedarf nun einer neuen Schicht von Betr acht u n gen, um uns das Wesen der phänomenologischen Forschung und ihrer Probleme auf eine höhere Stufe der Klarheit zu bringen. 1) Zunächst schon die Cartesianische cogitatio bedarf der 10 phänomenologischen Reduktion. Nicht das psychologische Phänomen in der psychologischen Apperzeption und Objektivation ist wirklich eine absolute Gegebenheit, sondern nur das r e in e Ph ä n o m e n, das reduzierte. Das erlebende Ich, das Objekt, 15 der Mensch in der Weltzeit, das Ding unter Dingen etc. ist keine absolute Gegebenheit, also auch nicht das Erlebnis als sein Erlebnis. W i r v e r 1 a s s e n e n d g i 1 t i g d e n B o d e n d e r P s y c h o 1 o g i e, s e 1 b s t d e r d e s k r i p t i v e n. Damit red u ziert sich auch die ursprünglich treibende 20 Frage: nicht, wie kann ich, dieser Mensch, in meinen Erlebnissen ein Sein an sich, etwa draußen außer mir und dgl. treffen; an Stelle dieser von vornherein mehrdeutigen und vermöge ihrer transzendenten Belastung schillernden komplexen Frage tritt jetzt die r e i n e G r u n d f r a g e : wie kann das reine Erkennt25 nisphänomen etwas treffen, was ihm nicht immanent ist, wie kann die absolute Selbstgegebenheit der Erkenntnis eine NichtSelbstgegebenheit treffen und wie ist dieses Treffen zu verstehen? Zugleich reduziert sich der Begriff der r e e 11 e n Im m an e n z, sie bedeutet nicht mehr mit die r e a 1 e Immanenz, 30 Immanenz im Bewußtsein des Menschen und im realen psychischen Phänomen. 2) Haben wir die erschauten Phänomene, so scheint es, daß wir auch schon eine Phänomenologie haben, eine Wissenschaft von diesen Phänomenen. 35 Aber sobald wir da anfangen, bemerken wir eine gewisse Enge, 22 mehrdeutigen lies, schillernden

23 schillernden lies, schillernden und

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das Feld der absoluten Phänomene - diese in ihrer Einzelheit genommen - scheint nicht ausreichend unsere Intentionen zu befriedigen. Was sollen uns die einzelnen Schauungen, mögen sie noch so sicher uns cogitationes zur Selbstgegebenheit bringen, leisten? Daß man auf Grund dieser Schauungen logische Operationen vornehmen, vergleichen, unterscheiden, unter Begriffe bringen, prädizieren kann, scheint zunächst selbstverständlich, obschon dahinter, wie sich später herausstellt, neue Objektivitäten stehen. Aber diese Selbstverständlichkeit zugelassen und nicht weiter erwogen, ist nicht zu sehen, wie sich hier allgemein giltige Feststellungen der Art machen lassen sollen, die wir hier brauchen. Aber eines scheint uns weiter zu helfen: d i e i d e i e r e n d e A b s t r a kt i o n. Sie ergibt uns einsichtige Allgemeinheiten, Spezies, Wesen und damit scheint das erlösende Wort gesprochen: wir suchen ja schauende Klarheit über das Wesen der Erkenntnis. Erkenntnis gehört unter die Sphäre der cogitationes, also haben wir schauend ihre allgemeinen Gegenständlichkeiten in das Allgemeinheitsbewußtsein zu erheben und eine Wesenslehre der Erkenntnis wird möglich. Wir vollziehen diesen Schritt in Anschluß an eine Betrachtung von Descartes über die k 1a r e u n d d i s t i n kt e P e r z e pt i o n. Die „Existenz" der cogitatio ist gewährleistet durch ihre ab so 1 u t e Se 1b s t gegeben h e i t, durch ihre Gegebenheit in reiner Evidenz. Wo immer wir reine Evidenz haben, reines Schauen und Fassen einer Objektivität, direkt und selbst, da haben wir dieselben Rechte, dieselben Unfraglichkeiten. Dieser Schritt ergab uns eine neue Objektivität als absolute Gegebenheit, die W e s e n s ob j e kt i v i t ä t, und da von vornherein die logischen Akte, die im Aussagen auf Grund des Erschauten sich ausprägen, unbemerkt bleiben, so ergibt sich hier zugleich das Feld der Wes e n s au s sagen, bzw. der generellen, im reinen Schauen gegebenen Sachverhalte. Also zunächst ungeschieden von den einzelnen allgemeinen Gegebenheiten. 3) Haben wir damit nun schon alles, haben wir qamit die vollbegrenzte Phänomenologie und die klare Selbstverständlichkeit, im Besitz dessen zu sein, was wir erkenntniskritisch 11 machen lassen sollen lies, treffen lassen

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brauchen? Und haben wir Klarheit über die Probleme, die zu lösen sind? Nein, der Schritt, den wir getan, führt uns weiter. Zunächst macht er uns klar, daß r e e 11 e Immanenz (bzw. Transzendenz) nur ein Spezialfall des weiteren Begriffes d e r Im m a n e n z üb er h a u p t ist. Es ist nun nicht mehr selbstverständlich und unbesehen einerlei: ab so 1 u t g e g eb e n und r e e 1 1 i m m a n e n t; denn das Allgemeine ist absolut gegeben und nicht reell immanent. Die Erkenntnis des Allgemeinen ist etwas Singuläres, ist jeweils ein Moment im Strome des Bewußtseins; das A 1 1 g e m e i n e s e 1 b s t, das darin gegeben ist in Evidenz, ist aber kein Singuläres, sondern eben ein Allgemeines, somit im reellen Sinne transzendent. Folglich gewinnt der Begriff der p h ä n o m e n o 1 o g is c h e n Re d u kt i o n eine nähere, tiefere Bestimmung und einen klareren Sinn: nicht Ausschluß des reell Transzendenten (etwa gar im psychologisch-empirischen Sinn), sondern Ausschluß des Transzendenten überhaupt als einer hinzunehmenden Existenz, d.h. alles dessen, was nicht evidente Gegebenheit ist im echten Sinn, absolute Gegebenheit des reinen Schauens. Aber natürlich bleibt alles bestehen, was wir sagten: wissenschaftlich induzierte oder deduzierte, aus Hypothesen, Tatsachen, Axiomen abgeleitete Geltungen, Wirklichkeiten etc. bleiben ausgeschlossen und zulässig nur als „Phänomene" und ebenso natürlich jeder Rekurs auf irgendein „Wissen", auf irgendeine „Erkenntnis": die Forschung hat sich eben im reinen Sc h a u e n zu halten, aber darum nicht an das reell Immanente: sie ist Forschung in der Sphäre reiner Evidenz und zwar Wesensforschung. Wir sagten auch, ihr Feld ist das A p r i o r i inn e r h a 1 b d e r a b s o 1 u t e n S e 1 b s t g e g e b e n h e i t. So ist also das Feld jetzt charakterisiert; es ist ein Feld absoluter Erkenntnisse, für das Ich und Welt und Gott und die mathematischen Mannigfaltigkeiten und was immer für wissenschaftliche Objektivitäten dahingestellt bleiben, die also auch von ihnen nicht abhängig sind, die gelten was sie gelten, ob man in Bezug auf jene Skeptiker ist oder nicht. All das bleibt also bestehen. Das Fundament von allem aber ist d a s E r f a s s e n des Sinnes der absoluten Gegebenhei~ der a b s o 1 u t e n K 1 a r h e i t d e s G e g e b e n s e i n s, das

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jeden sinnvollen Zweifel ausschließt, mit einem Wort der abs o 1u t s c h a u e n d e n, s e 1b s t e r f a s s e n d e n E v id e n z. Gewissermaßen in ihrer Entdeckung liegt die historische Bedeutung der Cartesianischen Zweifelbetrachtung. Aber ent5 decken und fallen lassen war bei Descartes eines. Wir tun nichts weiter als reinlich fassen und konsequent fortführen, was in dieser uralten Intention schon lag. - Mit der psychologistischen Gefühlsinterpretation der Evidenz haben wir uns in diesem Zusammenhang auseinandergesetzt. C.

D e r p h ä n o m e n o 1o g i s c h e n B e t r a c h t u n g dritte Stufe

Abermals bedarf es nun einer neuen Schicht von Überlegungen, um uns in der Klarheit über den Sinn der Phänomenologie und phänomenologischen Problematik höher zu führen. Wie weit reicht Selbstgegebenheit? Ist sie beschlossen in der Gegebenheit der cogitatio und der sie generell fassenden ldeatio15 nen? Soweit sie reicht, soweit «reicht» unsere phänomenologische Sphäre, die Sphäre der absoluten Klarheit, der Immanenz im echten Sinn. Wir wurden nun etwas mehr in die Tiefe geführt, und in den Tiefen liegen die Dunkelheiten und in den Dunkelheiten die 20 Probleme. Zunächst schien alles schlicht und kaum sehr schwierige Arbeit von uns fordernd. Das Vorurteil der Immanenz als reeller Immanenz, als ob es auf sie gerade ankomme, mag man abwerfen, aber an der reellen Immanenz bleibt man doch zunächst 25 haften, wenigstens in gewissem Sinne. Es scheint zunächst, daß die Wesensbetrachtung nur das den cogitationes reell Immanente generell zu fassen und die in den Wesen gründenden Verhältnisse festzustellen habe; also scheinbar eine leichte Sache. Man übt Reflexion, blickt auf die eigenen Akte zurück, läßt ihre 30 reellen Inhalte, wie sie sind, gelten, nur unter phänomenologischer Reduktion ; dies scheint die einzige Schwierigkeit. Und nun natürlich nichts weiter als das Geschaute in das Allgemeinheitsbewußtsein zu erheben. Die Sache wird aber weniger gemütlich, wenn wir uns die :35 Gegebenheiten näher ansehen. Zunächst: die cogitationes, die

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wir als schlichte Gegebenheiten für so gar nichts Mysteriöses halten, bergen allerlei Transzendenzen. Wenn wir näher zusehen und nun achten, wie im Erlebnis etwa eines Tones, auch nach phänomenologischer Reduktion, sich E r s c h e i n u n g u n d E r s c h e i n e n d e s g e g e nü b ersetzen und sich gegenübersetzen inmitten der r e i n e n G e g e b e n h e i t, also der echten Immanenz, so werden wir stutzig. Der Ton dauert etwa; da haben wir die evident gegebene Einheit des Tones und seiner Zeitstrecke mit ihren Zeitphasen, der J etztphase und den Vergangenheitsphasen; andrerseits, wenn wir reflektieren, das Phänomen der Tondauer, das selbst ein zeitliches ist, seine jeweilige Jetztphase hat und seine Gewesenheitsphasen. Und in einer herausgegriffenen Jetztphase des Phänomens ist nicht nur gegenständlich das Jetzt des Tones selbst, sondern das Tonjetzt ist nur ein Punkt in einer Tondauer. Diese Andeutung genügt schon - ausführliche Analysen werden zu unseren speziellen Aufgaben in der Folgezeit gehören -, um uns auf das Neue aufmerksam zu machen: das Phänomen der Tonwahrnehmung, und zwar der evidenten und reduzierten, fordert innerhalb der Immanenz eine Unterscheidung zwischen E r s c h e i n u n g und E r s c h e i n e n d e m. Also zwei absolute Gegebenheiten haben wir, die Gegebenheit des Erscheinens und die Gegebenheit des Gegenstandes, und der Gegenstand ist innerhalb dieser Immanenz nicht in dem reellen Sinne immanent 1 ), er ist nicht Stück der Erscheinung: nämlich die vergangenen Phasen der Tondauer sind jetzt noch gegenständlich und doch nicht reell im J etztpunkt der Erscheinung enthalten. Also dasselbe, was wir auch beim Allgemeinheitsbewußtsein fanden, daß es ein Bewußtsein ist, das eine Selbstgegebenheit konstituiert, die nicht im Reellen enthalten ist und überhaupt nicht als cogitatio zu finden ist, das finden wir auch beim Phänomen der Wahrnehmung, Auf der untersten Stufe der Betrachtung, im Stande der Naivität, scheint es zunächst so, als wäre Evidenz ein bloßes Schauen, ein wesenloser Blick des Geistes, überall ein und dasselbe und in sich unterschiedslos: das Schauen schaut eben die Sachen, l) Jm Ms transzendent.

34 untersten Stufe lies, unteren Schicht

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die Sachen sind einfach da und im wahrhaft evidenten Schauen im Bewußtsein da, und das Schauen schaut eben einfach auf sie hin. Oder mit dem Bilde aus dem anderen Sinn: ein direktes Fassen oder Nehmen oder Hinzeigen auf etwas, das einfach ist 5 und da ist. Aller Unterschied «ist» also in den Sachen, die für sich sind und durch sich ihre Unterschiede haben. Und nun wie anders erweist sich das Schauen der Sachen bei näherer Analyse. Mag man unter dem Titel Aufmerksamkeit das an sich unbeschreibliche und unterschiedslose Schauen noch 10 festhalten, so zeigt es sich doch, daß es eigentlich gar keinen Sinn hat von Sachen zu sprechen, die einfach da sind und eben nur geschaut werden brauchen, sondern dieses „einfach dasein" das sind gewisse Erlebnisse von spezifischer und wechselnder Struktur, als da ist Wahrnehmung, Phantasie, Erinnerung, 15 Prädikation u.s.w., und in ihnen sind nicht die Sachen etwa wie in einer Hülse oder einem Gefäß, sondern in ihnen k o n s t it u i e r e n sich die Sachen, die reell in ihnen gar nicht zu finden sind. „Gegebensein der Sachen", das ist sich so und so in solchen Phänomenen dar s t e 11 e n (vorgestellt sein). Und 20 dabei sind nicht etwa die Sachen dann noch einmal für sich selbst da und „schicken in ·das Bewußtsein ihre Repräsentanten hinein". Dergleichen kann uns nicht einfallen innerhalb der Sphäre der phänomenologischen Reduktion, sondern die Sachen sind und sind in der Erscheinung und vermöge der Erscheinung 25 selbst gegeben; sie sind oder gelten von der Erscheinung zwar als individuell abtrennbar, sofern es nicht auf diese einzelne Erscheinung ( Gegebenheitsbewußtsein) ankommt, aber essentiell, dem Wesen nach, unabtrennbar. Also das zeigt sich überall, diese wunderbare Korrelation 30 zwischen E r k e n n t n i s p h ä n o m e n und E r k e n n tn i s ob j e kt. Nun merken wir, daß die Aufgabe der Phänomenologie, oder vielmehr das Feld ihrer Aufgaben und Untersuchungen keine so triviale Sache ist, als ob man bloß zu schauen, bloß die Augen aufzumachen hätte. Schon bei den ersten und 35 einfachsten Fällen, bei den niedersten Formen der Erkenntnis, stellen sich der reinen Analyse und Wesensbetrachtung die größten Schwierigkeiten entgegen ; es ist leicht, allgemein von der Korrelation zu sprechen, aber sehr schwer, die Art, wie ein Erkenntnisobjekt sich in der Erkenntnis k o n s t i tu i er t, 7-8 erweist ... Analyse. lies, stellt ... Analyse dar.

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zur Klarheit zu bringen. Und die Aufgabe ist nun doch die, innerhalb des Rahmens reiner Evidenz oder Selbstgegebenheit allen Gegebenheitsformen und allen Korr e 1 a t i o n e n n a c h z u g e h e n und an allen die aufklärende Analyse zu betreiben. Und natürlich kommen da nicht nur die einzelnen Akte in Betracht, sondern auch ihre Komplexionen, ihre Zusammenhänge der Einstimmigkeit und Unstimmigkeit und die daran zutage tretenden Teleologien. Diese Zusammenhänge sind nicht Konglomerationen, sondern eigentümlich verbundene, sich gleichsam deckende Einheiten und Einheiten der Erkenntnis, die als Erkenntniseinheiten auch ihre einheitlichen gegenständlichen Korrelate haben. Also sie gehören selbst mit zu den E r k e n n t n i s a k t e n, ihre Typen sind Erkenntnistypen, die ihnen einwohnenden Formen die Denkformen und Anschauungsformen (das Wort hier nicht im kantischen Sinne verstanden). Es gilt nun, schrittweise den Gegebenheiten in allen Modifikationen nachzugehen, den eigentlichen und uneigentlichen, den schlichten und synthetischen, den sozusagen mit einem Schlage sich konstituierenden und den sich ihrem Wesen nach nur schrittweise aufbauenden, den absolut geltenden und den eine Gegebenheit und Geltungsfülle sich im Erkenntnisprozeß in unbegrenzter Steigerung zueignenden. Auf diesem Wege gelangen wir schließlich auch zum Verständnis, wie das transzendente reale Objekt im Erkenntnisakt getroffen (die Natur erkannt) werden kann, als was es zunächst gemeint ist, und wie der Sinn dieser Meinung sich im fortlaufenden Erkenntniszusammenhange (woferne er nur die gehörigen Formen hat, die eben zur Konstitution des Erfahrungsobjektes gehören) schrittweise erfüllt. Wir verstehen dann, wie das Erfahrungsobjekt kontinuierlich sich konstituiert und wie diese Art der Konstitution ihm eben vorgeschrieben ist, daß es seinem Wesen nach eben solche schrittweise Konstitution fordert. Offenbar liegen auf diesem Wege die methodischen Formen, die für alle Wissenschaften bestimmend und für alle wissenschaftlichen Gegebenheiten konstitutiv sind, also die Aufklärung der Wissenschaftstheorie und dadurch implizite die Aufklärung aller Wissenschaften: aber freilich nur implizite, d.h. Erkenntniskritik wird, wenn diese ungeheure aufklärende Arbeit geleistet

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ist, Kritik an den Einzelwissenschaften zu üben befähigt sein und damit befähigt zu ihrer metaphysischen Auswertung. Das sind also die Probleme der Gegebenheit, die Probleme der Konstitution von Gegenständlichkeiten je5 d e r A r t i n d e r E r k e n n t n i s. Die Phänomenologie der Erkenntnis ist Wissenschaft von den Erkenntnisphänomenen in dem doppelten Sinn, von den Erkenntnissen als Erscheinungen, Darstellungen, Bewußtseinsakten, in denen sich diese und jene Gegenständlichkeiten darstellen, bewußt werden, passiv oder 10 aktiv, und andrerseits von diesen Gegenständlichkeiten selbst als sich so darstellenden. Das Wort Phänomen ist doppelsinnig vermöge der wesentlichen Korrelation zwischen E r s c h e i n e n und E r s c h e i n e n d e m.