Die Hussitische Revolution: Religiose, Politische Und Regionale Aspekte (Forschungen Und Quellen Zur Kirchen Und Kulturgeschichte Der Deutschen in Ostmittel Und Sudosteuropa, 44) (German Edition) [Aufl. ed.] 9783412208912, 3412208914


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Die Hussitische Revolution: Religiose, Politische Und Regionale Aspekte (Forschungen Und Quellen Zur Kirchen Und Kulturgeschichte Der Deutschen in Ostmittel Und Sudosteuropa, 44) (German Edition) [Aufl. ed.]
 9783412208912, 3412208914

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FORSCHUNGEN UND QUELLEN Z U R K I R C H E N - U N D K U LT U R G E S C H I C H T E OSTDEUTSCHLANDS IM AUFTRAGE DES INSTITUTES FÜR OSTDEUTSCHE KIRCHEN- UND KULTURGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON PAUL MAI Band 44

Die hussitische Revolution Religiöse, politische und regionale Aspekte

Herausgegeben von

Franz Machilek

2012 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

Die kirchliche Druckerlaubnis wird für die Veröffentlichung erteilt. Coloniae, die 3 m Februarii 2012 Jr. Nr. 106 250 I 90 Dr. Dominik Schwaderlapp vic. Gen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Hus im schwarzen Übergewand wird aus der Stadt hinausgeführt, auf dem Kopf trägt er die sog. Ketzermütze, eine mit zwei Teufeln bemalte Papiermütze. Abbildung aus: Richental-Chronik des Konzils zu Konstanz 1414–1418 (Rosgarten-Museum, Konstanz).

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20891-2

INHALT Paul Mai Geleitwort ...................................................................................................................

1

Franz Machilek Vorwort des Herausgebers...........................................................................................

3

I. Der Hussitismus – Grundsätzliche Perspektiven

Georg Denzler Reform der Kirche um 1400 .......................................................................................

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Peter Hilsch Jan Hus. Ein Reformator als Bedrohung von Reich und Kirche? ............................... 25 Dušan Coufal Der Laienkelch im Hussitentum. Neue Quellen zu Johann Rokycanas Verteidigung des Laienkelchs auf dem Basler Konzil im Januar 1433 ............................................ 39 Blanka Zilynská Hussitische Synoden. Die Vorläufer der reformatorischen Synodalität ...................... 57 Jaroslav Boubín Petr Chelčický und seine Ausführungen zur Gesellschaft .......................................... 77 Winfried Eberhard Das Problem der Toleranz und die Entwicklung der hussitischkatholischen Koexistenz im 15. Jahrhundert .............................................................. 93

II. Regionale Aspekte des Hussitismus

Franz Machilek Schlesien, Hus und die Hussiten ................................................................................. 109 Heike Faltenbacher Eger als antihussitisches Zentrum und als Verhandlungsort während des Basler Konzils ....................................................................................................... 143

VI

Inhalt

Miloslav Polívka Die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und den böhmischen Ländern während der hussitischen Revolution (1419–1434) ................................................................................................................ 163 Franz Machilek Jan Hus und die Hussiten in der Oberpfalz ................................................................. 181 Franz Fuchs Ulrich Grünsleder aus Vohenstrauß († 1421). Ein „deutscher Hussit“ in Regensburg ............................................................................................................. 223 Michaela Bleicher Kriegsführung und Kriegsalltag im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet. Die Hussitenzeit im Spiegel der Quellen des Herzogtums Niederbayern-Straubing ........ 235 Gisela Vollmann-Profe Die Hussitische Revolution im Spiegel preussischer Chroniken ................................ 251

III. Der Hussitismus in der Sicht des 19./20. Jahrhunderts

Thomas Wünsch Der Hussitismus als Deutungsparadigma der tschechischen Geschichte. Palacký, Pekař und der „Sinn der tschechischen Geschichte“ .................................... 265

Orts- und Personenregister ....................................................................... 279

Geleitwort Die Förderung der Forschung auf Feldern der ostmitteleuropäischen Kirchen- und Kulturgeschichte durch jährliche Tagungen – seit 1963 durch sogenannte Nachwuchstagungen, ab 1972 dann durch die auch heute noch so bezeichneten Arbeitstagungen – gehört zum Grundbestand der Tätigkeit des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. Trotz spürbarer Einschränkung der Finanzmittel seitens verschiedener Zuschussgeber wurde an dieser Einrichtung festgehalten. Dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ist für die Ermöglichung der Arbeitstagungen in den letzten Jahren durch Projektmittel – so auch in diesem Fall – besonders zu danken. Die 46. Arbeitstagung „Die Hussitische Revolution. Religiöse – politische – regionale Aspekte“ konnte daher vom 6.–9. August 2008 in Schloss Spindlhof, dem Bildungshaus der Diözese Regensburg, abgehalten werden. Die Böhmen benachbarte Diözese Regensburg wurde nicht durch Zufall als Veranstaltungsort gewählt, sondern aufgrund historischer Anknüpfungspunkte und Abläufe. Nicht nur, dass Jan Hus seinen Weg nach Konstanz über zahlreiche Orte der Oberpfalz – Bärnau, Neustadt a.d.W.N., Weiden, Hirschau, Sulzbach – nahm, im Bistum Regensburg gab es auch Anhänger von Hus, so beispielsweise den aus Vohenstrauß stammenden Kleriker Ulrich Grünsleder. Auch hatte die Oberpfalz unter zahlreichen Hussiteneinfällen zu leiden, bis im September 1433 den Truppen des Pfalzgraf Johann von Neunburg-Neumarkt ein wichtiger Sieg gelang. Die Beiträge von Prof. Dr. Franz Machilek und Prof. Dr. Franz Fuchs heben den regionalen Aspekt Oberpfalz und Regensburg in diesem Band in besonderer Weise hervor. Die Erinnerung an die Schlacht von Hiltersried wird bis heute in dem in Neunburg vorm Wald aufgeführten Spiel „Vom Hussenkrieg“ wachgehalten, das die Teilnehmer der HussitismusArbeitstagung von Schloss Spindlhof auch besuchten. Die Arbeitstagung über den Hussitismus 2008 setzte – ganz gezielt – in spezialisierter Weise die Thematik unserer Arbeitstagung von 2001 in Magdeburg zum Thema „Kirchliche Reformimpulse des 14./15. Jahrhunderts in Ostmitteleuropa“ fort. Es ist zu einem guten Brauch geworden, dass die Ergebnisse der Arbeitstagungen – wenn möglich – auch in einem Band der Institutsreihe „Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands“ dokumentiert werden, so auch in diesem Fall. Der Vorsitzende des Instituts für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. hat an dieser Stelle Dank abzustatten: Er dankt den Autoren für die Zurverfügungstellung ihrer Vortragsmanuskripte, er dankt den Tagungsmoderatoren Prof. Dr. Winfried Eberhard und Prof. Dr. Franz Machilek für die streckenweise gemeinsame Herausgeberschaft, Prof. Machilek schließlich für die endgültige Herausgeberschaft dieses Bandes, dem Schriftführer unseres Instituts Dr. Werner Chrobak für die Unterstützung bei der Realisierung dieses Projekts, dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien respektive dem Bundesverwaltungsamt für die Gewährung eines namhaften Druckkostenzuschusses, schließlich dem Böhlau-Verlag in Köln, Weimar, Wien – hier

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Geleitwort

Herrn Johannes van Ooyen – für die Drucklegung und Verlegung des Bandes in bewährter Zusammenarbeit und Qualität. Msgr. Dr. Paul Mai 1. Vorsitzender des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V.

VORWORT DES HERAUSGEBERS Der Hussitismus ist im Selbstverständnis des Nachbarlandes Tschechien lebendige Vergangenheit und zugleich ein Thema der europäischen Geschichte.1 In mehreren internationalen Symposien wurde Jan Hus und der hussitischen Revolution in jüngerer und jüngster Zeit in, aber auch außerhalb des Landes besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Erinnert sei hier nur an die in der Zeit der kommunistischen Herrschaft 1965 mit dem Symposium in Schloß Liblitz (Liblice bei Mělník) einsetzenden, vom Historischen Institut der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit Gelehrten der Prager Karlsuniversität veranstalteten, nach dem „Prager Frühling“ 1969 in Smolenice bei Preßburg und 1970 im südböhmischen Tábor fortgesetzten hussitologischen Symposien,2 weiterhin an das nach der „Samtenen Revolution“ 1993 in Bayreuth unter Beteiligung von Angehörigen der katholischen Kirche, den protestantischen Kirchen und der hussitischen Kirche in ökumenischer Verbundenheit veranstalteten Konferenz mit Teilnehmern aus ganz Europa und aus Übersee,3 an die große internationale Konferenz über Jan Hus und den Hussitismus im Dezember 1999 im Vorfeld des Heiligen Jahres 2000 in Rom bzw. im Vatikan, an welcher die Kardinäle Roger Etchegaray, Miloslav Vlk und Walter Kasper sowie zeitweilig auch Staatspräsident Václav Havel teilnahmen und bei welcher Papst Johannes Paul II. die Teilnehmer in Privataudienz empfangen hat,4 1 Einen Überblick über die historische Forschung bietet: Šmahel, František: Die Hussitische Revolution. Aus dem Tschechischen übersetzt von Thomas Krzenck. Redaktion: Alexander Patschovsky (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 43), 3 Teile, Hannover 2002, hier Teil I, S. 1–84; Soukup, Pavel/Šmahel, František (Hgg.): Německá medievistika v českých zemích do roku 1945 [Deutsche Mediävistik in den böhmischen Ländern bis 1945] (Práce z dějin vědy 18), Praha 2004. – Šmahel, František/Žemlička, Josef: Medieval Studies, in: Pánek, Jaroslav: Czech Historiography in the 1990s. To Professor Jaroslav Mezník, a gentleman and outstanding historian (Historica. Series Nova 7–8 (2000–2001), Prague 2001, S. 13–55, hier S. 46–54; Šmahel, František/Žemlička, Josef: Die tschechische Mediävistik 1990–2002, in: Šmahel, František/Novotný, Robert/Soukup, Pavel (Hgg.): Tschechische Mittelalterforschung 1990–2002, Praha 2003, S. 11–66, hier S. 52–64; Hledíková, Zdeňka: Die böhmische Kirchengeschichte des Mittelalters nach 1945, ebd. S. 97–124, hier S. 112–119. – Hilsch, Peter: František Šmahel und die neuere Hussitismus-Forschung, in: Historisches Jahrbuch 127 (2007), S. 395–413. 2 Zu diesen und weiteren Symposien (mit Angaben über die Publikationen der Vorträge): Šmahel, František: Die Hussitische Revolution I, S. 72 f. 3 Seibt, Ferdinand (Hg.): Jan Hus. Zwischen Zeiten, Völkern, Konfessionen. Vorträge des internationalen Symposions in Bayreuth vom 22. bis 26. September 1993 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 85), München 1997; Lášek, Jan Blahoslav (Hg.): Jan Hus mezi epochami, národy a konfesemi. Sborník z mezinárodního sympozia konaného 22.–26. září v Bayreuthu, SRN, Praha 1995. 4 Drda, Miloš/Holeček, František/Vybíral, Zdeněk (Hgg.): Jan Hus na přelomu tisícletí – mezinárodní rozprava o českém reformátoru 15. století a o jeho recepci na prahu třetího milénia. Papežská lateránská universita Řím, 15.–18. prosince 1999 [Jan Hus an der Jahrtausendwende. Internationale Abhandlung über den böhmischen Reformator des 15. Jahrhunderts und seine

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Vorwort des Herausgebers

sowie an das dem hussitischen Heerführer Jan Žižka von Trocnov und dem hussitischen Kriegswesen in der europäischen Geschichte gewidmete Symposium in Tábor im Herbst 2004.5 Jan Hus, der zu Beginn des 15. Jahrhundert als Prediger an der Bethlehemkapelle in der Prager Altstadt und Magister an der Prager Universität unter Rückgriff auf das Reformprogramm John Wyclifs und in Fortführung des Reformprogramms der einheimischen böhmischen Reformtheologen der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in seinen Predigten und Traktaten schonungslos gegen Mißstände in der Kirche auftrat, wuchs binnen weniger Jahre durch die von seinen Gegnern in Gang gesetzten Verfahren vor den kirchlichen Instanzen in Prag, an der Kurie in Rom und vor dem Konstanzer Konzil schließlich mit seinem Feuertod als notorischer Ketzer am 6. Juli 1415 in den Augen von Mit- und Nachwelt zum Verantwortlichen der im Sinn inquisistorischer Terminologie mit seinem Namen belegten Reformbewegung. Vier Jahre nach seinem Tod mündete diese in die hussitische Revolution ein. Für František Šmahel sind die hussitische Reformbewegung und die hussitische Revolution im Rahmen der großen europäischen Reformbewegungen und Revolutionen als historische Anomalien zu betrachten: „une réforme avant les réformes et une révolution avant les révolutions“.6 Mit Nachdruck wird derzeit im Hinblick auf das im Jahr 2015 anstehende Gedächtnis an den Tod des Magisters Jan Hus an der Weiterführung der in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften begonnenen kritischen Gesamtausgabe der Werke des Magisters Jan Hus (Magistri Iohannis Hus Opera Omnia) gearbeitet. Im Rahmen dieses Projektes sind in den letzten Jahren die Edition der Questiones (ed. Jiří Kejř, 2004), die Reeditionen des Quodlibets (ed. Bohumil Ryba 1948, reed. Ryba 2006) und der Polemica (ed. Jaroslav Eršil 1966, reed. Gabriel Silagi 2010)7 sowie darüber hinaus die Edition der Questiones, Polemica und Epistulae Rezeption an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Päpstliche Lateranuniversität Rom, 15.–18. Dezember 1999 (Husitský Tábor. Supplementum 1), Tábor 2001. – Pánek, Jaroslav/Polívka, Miloslav (Hgg.): Jan Hus ve Vatikánu. Mezinárodní rozprava o českém reformátoru 15. století a jeho recepci na prahu třetího tisíciletí. Jan Hus im Vatican. The International Discourse on a Czech Reformer of the 15th Century and His Reception on the Eve of the Third Millenium, Praha 2000. 5 Drda, Miloš/Vybíral, Zdeněk (Hgg.): Jan Žižka z Trocnova a husitské vojenství v evropských dějinách. VI. mezinárodni husitologické sympozium Tábor, 12.–14. října 2004 [Jan Žižka von Trocnov und das hussitische Kriegswesen in der europäischen Geschichte. VI. internationales hussitologisches Symposium Tábor 12.–14. Oktober 2004] (Husitský Tábor. Supplementum 3), Tábor 2007. 6 La révolution hussite, Paris 1985, S. 128. 7 Turnhout (Verlag Brepols): Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis, Tom. 205 (Opera omnia, Tom. XIXa), 211 (Opera Omnia, Tom. XX) und 238 (Opera Omnia, Tom. XXII). – Eine Zusammenstellung der vorausgehenden Editionen der Werke Hussens gab Anežka Vidmanová: Základní vydání spisů M. Jana Husa. Le principali edizioni degli scritti del maestro Jan Hus, Praha 1999.



Vorwort des Herausgebers

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von Hussens Freund und Weggefährten Hieronymus von Prag (ed. František Šmahel/ Gabriel Silagi 2010) erschienen.8 Die unter der Leitung von Jana Nechutová und Helena Krmíčková (beide Brünn) stehende Kommission zur Edition der Schriften des Jan Hus plant bis zum Gedächtnisjahr 2015 Editionen der Exposiciones (Opera Omnia, Tom. XVI), Posiciones, Recommendaciones, weiterer Sermones (Opera Omnia, Tom. XIXb) und Constanciensia Hussens (Opera Omnia, Tom. XXIV). Die Editionen sollen durch einschlägige Studien ergänzt werden. Das Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte hat den Themen der böhmischen Reformbewegung und hussitischen Revolution auf seiner Arbeitstagung zum Thema „Kirchliche Reformimpulse des 14./15. Jahrhunderts in Ostmitteleuropa“ in Magdeburg im Sommer 2001 bereits breiten Raum gewidmet.9 Die 46. Arbeitstagung des Instituts im Bildungshaus „Albertus Magnus“ der Diözese Regensburg in Schloß Spindlhof bei Regenstauf im August 2008 setzte bei der Magdeburger Tagung an; sie hatte das Ziel, Erscheinungsbild und Wirkung der hussitischen Revolution an ausgewählten Fragen und Problemen zu behandeln und zur Diskussion zu stellen, z.T. auf der Grundlage neu bekannt gewordener Quellen. Ein besonderer Schwerpunkt lag – auch im Hinblick auf die Betonung des Regionalismusprinzips in der Europäischen Union – auf regionalen Entwicklungen des Hussitismus in Böhmen und den Nachbarländern. Der gegenseitige Erkenntnisaustausch deutscher und tschechischer Forscher unter interdisziplinärem Ansatz sollte auch einen Beitrag zu religiöser Toleranz im „gemeinsamen Haus“ Europa liefern. Zusätzlich zu den Abdrucken der in Spindlhof gehaltenen Vorträge wurden die Beiträge „Jan Hus und die Hussiten in der Oberpfalz“ von Franz Machilek und „Die Hussitische Revolution im Spiegel preussischer Chroniken“ von Gisela Vollmann-Profe in den vorliegenden Band aufgenommen.

Prof. Dr. Franz Machilek

8 Turnhout (Verlag Brepols): Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis, Tom. 222 (Magistri Johannis Hus Opera Omnia, Supplementum I). 9 Eberhard , Winfried/Machilek, Franz (Hgg.): Kirchliche Reformimpulse des 14./15. Jahrhunderts in Ostmitteleuropa (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 36), Köln/Weimar/Wien 2006, bes. S. 219–273, 329–354.

Georg Denzler Reform der Kirche um 1400 Zu dem mir gestellten Thema „Die Situation und die Reformbedürftigkeit der römischen Kirche um 1400“ möchte ich zu Beginn die bekannte Devise zitieren: ,Ecclesia semper reformanda‘; sie ist in dieser Formulierung allerdings erst in der calvinistischen Theologie des frühen 17. Jahrhunderts verwendet worden, doch war das darin ausgedrückte Reformanliegen der Sache nach seit dem Mittelalter stets relevant.1 Gemeint ist damit, daß die Kirche als Gemeinschaft der an Jesus Christus Glaubenden ebenso wie als Institution zu allen Zeiten der Reform bedarf, weil sie bei bestem Wollen den Forderungen Jesu Christi, des unsichtbaren Hauptes der Kirche, niemals ganz gerecht werden kann. Vorstellungen von einer reinen und vollkommenen Kirche, wie sie im Laufe der Jahrhunderte immer wieder auftauchten, erwiesen sich nie mehr als bloße Utopien. Gewiß gab es Zeiten, in denen die Rufe – oft auch Schreie nach Reformen im Sinn von innerer und äußerer Erneuerung – lauter und dringlicher zu vernehmen waren als zu anderen Zeiten. Deshalb wird auch von Reformern und Reformatoren, von Reformpäpsten und Reformkonzilien, von ganzen Reformbewegungen, z.B. von der Karolingischen Reichs- und Kirchenreform, von der Gregorianischen Reform im 11. Jahrhundert, vom Cluniazenser, Gorzer oder Hirsauer Reformmönchtum, von den Reformkonzilien in Konstanz, Basel, Trient und zuletzt vom 2. Vatikanischen Konzil als Pastoralkonzil gesprochen. Freilich ist damit nicht auch schon gesagt, daß die von solchen Bewegungen oder Versammlungen ausgegebenen Reformforderungen immer auch verwirklicht worden wären.

I. Die Situation der Kirche im Spätmittelalter Im 14. und 15. Jahrhundert waren Appelle zur Reform der Kirche an Haupt und Gliedern bei Päpsten, Kardinälen und Bischöfen ebenso wie im Kirchenvolk immer lauter zu vernehmen. Das 15. Jahrhundert gilt besonders wegen der Reformkonzilien von Konstanz und Basel(-Ferrara-Florenz) sogar als Reform-Jahrhundert, obwohl in diesen Jahrzehnten 1 Medard Kehl: Ecclesia, in: Lexikon für Theologie und Kiche, Bd. 3 (31995), Sp. 437 f., hier Sp. 437. – Zum Thema des Beitrags grundlegend Karl Augustin Frech: Reform an Haupt und Gliedern. Untersuchung zur Entwicklung und Verwendung der Formulierung im Hoch- und Spätmittelalter (Europäische Hochschulschriften III/510), Frankfurt 1992. – Überblicke zur Entwicklung des Reformgedankens im Spätmittelalter finden sich bei Johannes Helmrath, Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 41–70, und Franz Machilek, Einführung, in: Winfried Eberhard/Franz Machilek (Hgg.): Kirchliche Reformimpulse des 14./15. Jahrhunderts in Ostmitteleuropa (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 36), Köln/Weimar/Wien 2006, S. 1–121 (Bibliographie S. 87–121).

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Georg Denzler

keine hervorragenden Neuerungen erfolgten, im Gegenteil diese sträflich versäumt wurden, und dies so sehr, daß die von Martin Luther ausgegangene Reformation als böse Frucht verpaßter Reformen betrachtet wurde. In der gängigen, auch von Konzilien verwendeten Formel ,reformatio tam in capite quam in membris‘2 kommt zum Ausdruck, daß die Reformappelle und Reformforderungen zuerst an den Papst als das sichtbare caput der Kirche, dann aber auch an die membra, das ganze Kirchenvolk, gerichtet waren. Für den böhmischen Raum konstatierte Peter Hilsch: „In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts etablierte sich in Böhmen, in erster Linie in Prag, eine Reformdebatte und Kirchenkritik, die sich zwar auch innerhalb des Klerus in lateinischen Synodalpredigten und in schriftlichen Traktaten artikulierte, sich durch die Predigten in den Volkssprachen, in Deutsch und zunehmend in Tschechisch, auch schon in andere, weitere Volksschichten ausbreitete.“3

1. Papstschisma Die Christianitas im Abendland litt seit 1378 an einem Papstschisma, bei dem zuerst zwei und seit dem Konzil von Pisa (1409) sogar drei Päpste miteinander um die Rechtmäßigkeit rivalisierten, und war infolgedessen in drei Anhängerschaften (Obödienzen) gespalten.4 Die Teilnehmer des von 1414 bis 1418 in Konstanz tagenden Konzils mußten zu Beginn entscheiden, ob zuerst die Reformfrage (causa reformationis) oder das Papstschisma (causa unionis) behandelt werden sollte. Die Entscheidung fiel für die Lösung des dreifachen Papstschismas. Um diese schwierige Aufgabe vollbringen zu können, mußte die vom Pisaner Papst Johannes XXIII. (1410–1415, † 1420) einberufene Versammlung erst ihre Legitimation dazu vorweisen. Dies geschah am 6. April 1415 mit dem bis heute umstrittenen Dekret ,Haec sancta synodus‘: „Diese heilige Synode zu Konstanz [...] erklärt erstens, daß sie, im Heiligen Geist rechtmäßig versammelt, ein allgemeines Konzil abhaltend und die irdische katholische Kirche repräsentierend, ihre Vollmacht unmittelbar von Christus hat. Ihr ist ein jeder, welchen Standes und welcher Würde auch immer, sei es 2 Frech: Reform an Haupt und Gliedern. 3 Peter Hilsch: Johannes Hus (um 1370–1415). Prediger Gottes und Ketzer, Regensburg 1999, S. 26 f. 4 Zusammenfassend. Hermann Tüchle: Abendländisches Schisma, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1 (1980), Sp. 19–22; Heribert Müller, Abendländisches Schisma, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1 (31993), Sp. 24–30. – Zu den Schismatraktaten: Franz P. Bliemetzrieder: Das Generalkonzil im großen abendländischen Schisma, Paderborn 1904; Franz Machilek: Das Große abendländische Schisma in der Sicht des Ludolf von Sagan, in: Remigius Bäumer (Hg.): Das Konstanzer Konzil (Wege der Forschung 415), Darmstadt 1977, S. 37–95 (mit Vergleich wichtiger Traktate); Giuseppe Alberigo: Chiesa conciliare. Identità et significato del conciliarismo (Testi e ricerche di Sciencze religiose di Bologna 19), Brescia 1981, passim. – Allgemein zu Krisensymptomen und -phänomenen in den europäischen Ländern um 1400: Ferdinand Seibt/Winfried Eberhard (Hgg.): Europa 1400. Die Krise des Spätmittelalters, Stuttgart 1984.



Reform der Kirche um 1400

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auch die päpstliche, in denjenigen Angelegenheien zum Gehorsam verpflichtet, die sich auf den Glauben, auf die Ausrottung des genannten Schisma und die allgemeine Reform der Kirche Gottes an Haupt und Gliedern beziehen.“5 Mit dieser Definition war die Superiorität des Konstanzer Konzils über dem Papst unmißverständlich ausgesprochen. Umstritten ist unter den Theologen bis heute, ob dieser Anspruch nur für dieses Konzil wegen seiner besonderen Situation – sozusagen als Notstandsmaßnahme angesichts des Papstschismas – oder prinzipiell für alle derartigen Konzilien, wie es das folgende Konzil von Basel als Dogma behauptete, Geltung haben sollte.6 Jedenfalls traf das Konzil in Konstanz mit seiner Entscheidung eine grundlegende Reform der kirchlichen Verfassung, indem es zu der Stellung und Praxis der päpstlichen Generalkonzilien im Hochmittelalter zurückkehrte. Nicht auszudenken, wie die Geschichte der katholischen Kirche verlaufen wäre, wenn dieses Dekret oberste Norm ihrer Verfassung geblieben wäre: das Allgemeine Konzil über dem Papst! Mit dieser Legitimation war das Konzil in Konstanz überhaupt in den Stand gesetzt, nachdem der römische Papst Gregor XII. seinen Rücktritt erklärt hatte, die beiden anderen Päpste Benedikt  XIII. und Johannes XXIII. für abgesetzt zu erklären. So konnte es geschehen, daß Kardinal Odo Colonna, der bis dahin nur die Subdiakonatsweihe erhalten hatte, am 11. November 1417 einstimmig zum neuen Papst Martin V. (1417–1431) gewählt wurde.

5 Conciliorum Oecumenicorum Decreta (künftig zitiert: COD), Freiburg i.Br. 21962, S. 409 f.; Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Bd. II, ausgewählt u. kommentiert v. Reinhold Mokrosch/Herbert Walz, Neukirchen-Vluyn 1980, S. 235 f. – Zu dem Dekret eingehend: Alberigo: Chiesa conciliare, S. 165–205, 347–354 u.ö. 6 Zum Konziliarismus: Brian Tierney: Foundations of the Conciliar Theory, Cambridge 31968; Georg Denzler: Zwischen Konziliarismus und Papalismus. Die Stellung des Papstes im Verständnis der Konzilien von Konstanz (1414 – 1418) und Basel (1431–1437), in: Ders. (Hg.): Das Papsttum in der Diskussion, Regensburg 1974, S. 53–72; Remigius Bäumer (Hg.): Die Entwicklung des Konziliarismus. Werden und Nachwirken der konziliaren Idee (Wege der Forschung 279), Darmstadt 1976; Alberigo: Chiesa conciliare; Hermann Josef Sieben: Traktate und Theorien zum Konzil. Vom Beginn des Großen Schismas bis zum Vorabend der Reformation (1378–1521) (Frankfurter Theologische Studien 30), Frankfurt a.M. 1983; Ders.: Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters (847–1378), Paderborn 1984; Johannes Helmrath: Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme (Kölner historische Abhandlungen 32), Köln/Wien 1987, S. 408–491 („Basler Konziliarismus“); Georg Kreuzer: Die konziliare Idee, in: Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hgg.): Pipers Handbuch der politischen Ideen, Bd. 2, München/Zürich 1993, S. 447–465; Jürgen Miethke: Konziliarismus – die neue Doktrin einer neuen Kirchenverfassung, in: Ivan Hlaváček/Alexander Patschovsky (Hgg.): Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449). Konstanz-Prager Historisches Kolloquium (11.–17. Oktober 1993), Konstanz 1996, S. 29–59; Thomas Wünsch: Konziliarismus und Polen. Personen, Politik und Programme aus Polen zur Verfassungsfrage der Kirche in der Zeit der mittelalterlichen Reformkonzilien (Konziliengeschichte, Reihe B: Untersuchungen), Paderborn u.a. 1998.

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Georg Denzler

2. Jüngere Beurteilungen der Situation der Kirche um 1400 Bevor wir auf die Betrachtung der allgemeinen Kirchenreform durch das Konzil von Konstanz etwas näher eingehen, sollen zwei Historiker und zwei Kirchenhistoriker mit ihrer Beurteilung der kirchlichen Lage im Spätmittelalter zu Wort kommen. Der frühere Würzburger Historiker Michael Seidlmayer (1902–1961) beurteilte 1947 im Rahmen einer Vortragsreihe über „Kulturprobleme der Gegenwart“ die allgemeine Lage der Kirche im Mittelalter mit diesen Worten: „So wie in der Gestaltung der öffentlichen und politischen Welt ist das christliche Mittelalter auch in der Durchformung der sittlichen Lebenshaltung der Massen – der hohen und niederen Volksschichten, des Klerus und der Laien – weit hinter seinem Programm, hinter den Normen christlicher Sittlichkeit zurückgeblieben.“7 Einer ähnlichen Einschätzung begegnen wir bei dem angesehenen französischen Historiker Michel Mollat du Jourdin (1911–1996): „Der Klerus, dessen Aufgabe in erster Linie darin bestand, Lehrer des Glaubens zu sein, erregte vor allem durch Skandale Aufsehen. Die Streitigkeiten der Kleriker ließen jegliche christliche Nächstenliebe vermissen, besonders verbreitet waren Habgier und Sittenlosigkeit, was bei den Gemeindepriestern vielleicht entschuldigt werden konnte mit ihrer völlig unzureichenden intellektuellen und geistlichen Bildung [...].“8 Am meisten überraschen wohl die Aussagen, die in dem von dem Tübinger Kirchenhistoriker Karl Bihlmeyer (1874–1942) begründeten und von seinem Schüler und späterem Professor an der Universität München Hermann Tüchle (1905–1986) fortgeführten Lehrbuch der ,Kirchengeschichte‘, das viele Jahrzehnte als das Standardwerk der Kirchengeschichtsschreibung auf katholischer Seite galt, zu lesen stehen. Beide konstatieren nicht nur beim Kirchenvolk unsittliches Leben und viel äußere Frömmigkeit, sie stellen auch dem Klerus ein schlechtes Zeugnis aus: „Besonders verhängnisvoll wirkte es, daß der führende Stand in der Christenheit, der Klerus, in seinen verschiedenen Stufen sehr darnieder lag und viele seiner Mitglieder ihrem Berufe Unehre machten. Das weltliche Leben und unwürdige Treiben am Sitz der Kurie zu Rom, im Kardinalskollegium und selbst bei einzelnen Renaissancepäpsten wurde auch jenseits der Alpen bekannt und erregte schweren Anstoß. Unter dem hohen Klerus in verschiedenen Ländern gab es neben einzelnen sittlich hochstehenden und gewissenhaften Prälaten zahlreiche Mietlinge, die weltlich lebten, durch Luxus, Herrschsucht und Üppigkeit Anstoß erregten. Die Bistümer und Abteien in Deutschland und Frankeich waren in ihrer Mehrzahl eine Domäne des Adels geworden; es lockten die reichen Einkünfte und die unabhängige Stellung ihrer Inhaber als Landesherren. Die Kanonikate an den alten Domstiften galten als Versorgungsanstalten (,Spitäler‘) für die nachgeborenen Söhne des hohen und niederen Adels. Der geistliche Stand wurde von solchen ,Junkern Gottes‘ oft ohne Beruf und Tauglichkeit 7 Michael Seidlmayer: Das Mittelalter, Göttingen 21967, S. 32 f. 8 Michel Mollat du Jourdin, Rückblick, in: Michel Mollat du Jourdin und André Vauchez (Hgg.): Die Zeit der Zerreissproben (1274–1449). Deutsche Ausgabe hg. von Bernhard Schimmelpfennig (Die Geschichte des Christentums 6), Freiburg/Basel/Wien 1991, S. 888– 895, hier S. 891.



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nur des Auskommens wegen gewählt; die ganz gewöhnliche Häufung von Pfründen in einer Hand vergrößerte das Übel noch. [...] Es gab ein zahlreiches klerikales Proletariat, das durch Unbildung, Roheit, Müßiggang, unpassenden Nebenerwerb, Simonie, Habsucht, Spielsucht, Schlemmerei und Unsittlichkeit dem Volke schweres Ärgernis bereitete. Daher auch die vielen Klagen über mangelnde Seelsorge trotz der hohen Zahl der Geistlichen. Der Konkubinat war unter dem Klerus so verbreitet, daß, wie die Synode von Paris 1439 (can.23) klagt, die Meinung entstand, als ob die einfache Unzucht keine Todsünde sei, und Kaiser Sigmund auf den Konzilien von Konstanz und Basel den Antrag auf Aufhebung des Zölibatsgesetzes stellte, freilich ohne Erfolg. Auffallend häufig sind die Gesuche um Dispens vom defectus natalium der Priestersöhne, die in den geistlichen Stand eintreten wollten. Die kirchlichen Oberen waren vielfach saumselig in Bekämpfung der Mißstände und begnügten sich mit dem Einzug der Strafgelder; sie sahen weit mehr auf die Behauptung ihrer Rechte und Ansprüche und auf die Vermehrung ihrer Einkünfte als auf die Besserung der ihnen anvertrauen Kleriker und Laien.“9

3. Reformschriften des frühen 15. Jahrhunderts Eine Reihe kurz nach 1400 entstandener Reformschriften geißelte die Mißstände an der Kurie in besonders scharfer Form, allen voran ,De praxi curiae Romanae‘ des Heidelberger Professors Matthäus von Krakau von 1403 und das ,Speculum aureum de titulis beneficiorum ecclesiasticorum‘ des Krakauer Bischofs Petrus Wysz von 1404.10 Eine um 1406 entstandene Reformschrift befaßte sich in erster Linie mit einer grundlegenden Änderung der Kirchenverfassung. Danach ruht die plenitudo potestatis allein in Gott, nicht in einem einzelnen Menschen, auch nicht im Papst. Der Papst hat keine absolute Vollgewalt, er darf sich auch nicht summus pontifex nennen, sondern nur primae sedis episcopus. Daß er sich alle Geschäfte der Untergebenen reserviert, Dignitäten und Benefizien vergibt, ist eine neue Erfindung der lateinischen Kirche und gegen die Canones. Seit Clemens V. herrschen die drei großen Übel: Kurie, Kammer und potestas plenaria. Alle Kirchen sind seitdem tributär; die Zehnten, Subsidien, Prokurationen, Reservationen, Häufung von Benefizien, Exemtionen, der willkürliche Verkauf der vollen Indulgenz an Reiche, die Provisionen, die Verwandlung der Bußen in Geldzahlungen, all das in der Hand eines einzigen Menschen! Nur Christus und die Gesamtkirche im Universalkonzil dürfen eine solche Macht haben.11 Hier liegt ein umfassender Katalog von Mißbräuchen

9 Karl Bihlmeyer/Hermann Tüchle: Kirchengeschichte, Bd. 2, Paderborn 171962, S. 531 f. 10 Zu ihnen mit kurzen Angaben über die verfügbaren Editionen und zur neueren Literatur: Machilek: Einführung, S. 44 f. 11 Richard Scholz: Eine Geschichte und Kritik der Kirchenverfassung vom Jahre 1406. Nach einer ungedruckten Reformschrift in: Albert Brackmann (Hg.): Papsttum und Kaisertum. Paul Kehr zum 65. Geburtstag, München 1926, S. 595–621, hier 609, 616; hier zitiert nach Karl August Fink: Das Konzil von Konstanz. Martin V., in: Handbuch der Kirchengeschichte, hg. v. Hubert Jedin, Bd. III/2), Freiburg/Basel/Wien 1968, Kap. 49, S. 545–572, hier S. 562.

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vor, wie sie mit der Regierung des Papstes und seiner Kurie – eigentlicher zweier Päpste und zweier Kurien – verbunden waren. Denselben Reformgeist atmete die massive Kritik des Dietrich von Nieheim (Niem) (um 1340–1418), einst Beamter an der Kurie in Rom. In seinem ,Dialog über Union und Reform der Kirche‘ (De modis uniendi et reformandi ecclesiam) von 1410 plädierte er dafür, die „usurpierte päpstliche Gewalt“ durch ein Generalkonzil zu begrenzen: „[...] concilium ergo generale [...] limitet ac terminat potestatem coactivam et usurpatam papalem.“12 Die Reform müsse von oben beginnen, denn der Papst sei nicht mehr servus servorum Dei, sondern dominus dominorum.13 Außerdem machte Dietrich von Niem konkrete Vorschläge für die Papstwahl und die Ernennung der Kardinäle. Auf dem Konzil in Konstanz trat er als Verfechter konziliaristischer Ideen auf.14

4. Jan Hus – Ketzer oder Prophet? Von dem Gesagten läßt sich leicht eine Verbindung zu dem tschechischen Priester und Professor Jan Hus herstellen. Als Theologieprofessor der Prager Universität und noch mehr als Prediger an der Bethlehem-Kapelle in der Altstadt zu Prag schuf er seit 1402 mit seiner rücksichtslos vorgetragenen Kritik an den üblen Praktiken der römischen Kurie und am skandalösen Leben des Klerus in weiten Kreisen der Bevölkerung Verwirrung und Abneigung gegen die Vertreter der Hierarchie. Die Leute strömten zu den in tschechischer Sprache vorgetragenen Predigten des charismatisch begabten und asketisch lebenden Priesters. Auch Böhmens König Wenzel IV. zählte zu seinen Sympathisanten. Als der Prager Erzbischof Zbynĕk von Hasenburg seit Sommer 1409 die Maßnahmen gegen den Wyclifismus verstärkte und über Hus das Predigtverbot erließ, appellierte dieser an den Papst und leitete damit selbst den Prozeß an der Kurie gegen sich ein. Wegen Nichterscheinens vor der Kurie verfiel er der Exkommunikation Papst Johannes XXIII. (15. März 1411), die wenige Monate später das Interdikt über die Stadt Prag zur Folge hatte (12. Juni 1411). Seine im Frühjahr 1412 vorgetragenen öffentlichen Angriffe gegen die von König Wenzel unterstützte Verkündigung des Kreuzzugsablasses Johannes XXIII. im Kampf gegen König Ladislaus von Neapel als Beschützer Gregors XII. und gegen den simonistischen Mißbrauch der Ablässe hatten den Verlust der königlichen Gunst zu Folge. Nachdem er öffentlich gegen das päpstliche Urteil an Christus als obersten Richter appelliert und sich damit von der päpstlichen Jurisdiktion distanziert hatte (18. Oktober 1412), verließ Hus bald darauf die Stadt und ging ins Exil nach Südböhmen, wo er bei Freunden 12 Dietrich von Niem: De modis uniendi et reformandi ecclesiam, ed. Hermann Heimpel (Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 3), Leipzig 1933 (ND 1969), S. 43, 46 f. – Zitiert bei Fink: Das Konzil von Konstanz, S. 562. 13 Fink: Das Konzil von Konstanz, S. 562 f. 14 Zu D.v.N. grundlegend: Hermann Heimpel: Dietrich von Niem (ca. 1340–1418) (Westfälische Biographien 2), Münster 1932; weitere Hinweise in Ders.: Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162–1447, 3 Bde., Göttingen 1982; Achim Funder: Reichsidee und Kirchenrecht. Dietrich von Niem als Beispiel spätmittelalterlicher Rechtsauffassung, Freiburg 1993.



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Unterschlupf fand. Fortan betätigte er sich als Wanderprediger und Verfasser theologischreformerischer Schriften.15 Zu Beginn des 15. Jh. stand bei den meisten Fragen nach Reformen der Kirchenbegriff im Mittelpunkt, und zwar deshalb, weil das Verständnis dessen, was Kirche ist, vor dem Trienter Konzil nicht dogmatisch, sondern nur kanonistisch einigermaßen festgelegt war.16 Dies gilt besonders für das Konzil von Konstanz, weil hier verschiedene Konzeptionen dessen, was damals als „katholisch“ gelten konnte, zum Ausdruck kamen. Warum also sollte nicht auch die konziliare Idee, daß das Allgemeine Konzil die höchste Instanz in der Kirche darstellt, wie es das Konzil von Konstanz in einem eigenen Dekret erklärte, ebenso orthodox sein wie die gegenteilige Ansicht von der Oberhoheit des Papstes? Und warum sollten nicht auch Wyclif und Hus mit ihrer Auffassung von der unsichtbaren Kirche als Gemeinschaft der Auserwählten recht haben? Hus selbst leugnete nicht das inkarnatorische Wesen der Kirche, aber er weigerte sich, den sichtbaren Leib der Kirche unmittelbar mit der Hierarchie, die ihm zudem höchst reformbedürftig erschien, gleichzusetzen. Mit einer Bejahung dieses Reformanliegens durch das Konzil hätte man auch dem Hauptprotest des Hus den Boden entziehen können. Die Notwendigkeit der Reform des konkreten Kirchenwesens war im Grunde nicht zu bestreiten. Im Herbst 1414 machte sich der mit dem Kirchenbann belegte Hus, gestützt auf einen Geleitbrief König Sigismunds, auf den Weg nach Konstanz, um vor den versammelten Konzilsvätern – Bischöfen und Theologen – sein Denken, Glauben und Tun zu rechtfertigen. Das Ende ist bekannt: der Tod auf dem Scheiterhaufen (15. Juli 1415). Nun war Jan Hus zwar tot, doch seine Hauptanliegen lebten weiter. Wenige Jahre nach dem Konstanzer Konzil forderte das revolutionäre Hussitentum in den ,Vier Prager Artikeln‘ Laienkelch, Predigtfreiheit, Armut der Priester und Bestrafung der Todsünder.17

15 Eine Aufstellung seines umfangreichen theologischen Werks bieten František Michálek Bartoš/ Pavel Spunar: Soupis pramenů k literární činnosti M. Jana Husa a M. Jeronýma pražského. Catalogus fontium M. Iohannis Hus et M. Hieronymi Pragensis, Praha 1965. – Eine Übersicht über die bis dahin erschienen Bände der neuen Gesamtausgabe der Werke Hussens bietet Anežka Viddmanová: Základní vydání spisů M. Jana Husa. Le principali edizioni degli scritti del Maestro Jan Hus, Praha 1999. – Zu Hussens Leben sei hier pauschal auf den Beitrag von Peter Hilsch im vorliegenden Band verwiesen; zu Hussens Theologie: Paul De Vooght: L’hérésie de Jean Huss, 2 Bde. (Bibliothèque de la Revue d‘histoire ecclésiastiques 34 bis/35 bis), Louvain 1975; Miloš Drda/František J. Holeček/Zdeněk Vibyral (edd.): Jan Hus na přelomu tisíciletí mezinárodní rozprava o českém reformatoru 15. století a o jeho recepci na prahu třetího milénia. Papežská lateránská universita Řím, 15.–18. prosince 1999 (Husitský Tábor. Supplementum 1) Tábor 2001. 16 Ein Überblick bei Friedrich Merzbacher: Wandlungen des Kirhenbegriffs im Spätmittelalter. Grundzüge der Ekklesiologie des ausgehenden 13., des 14. und 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 70 (1953), S. 274–361. 17 Die einzelnen Forderungen bildeten inhaltlich bereits vor der Verkündigung als gemeinsames Reformprogramm der hussitischen revolutionären Kräfte im Frühjahr 1420 den wesentlichen Kern der wyclifitisch-hussitischen Lehre. – Dazu Šmahel, Die Hussitische Revolution, Bd. 1,

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II. Das Konzil von Konstanz - ein Reformkonzil?18 Zur Zeit des Konzils von Konstanz ging der Ruf nach Reform der Kirche vorrangig an die Adresse des Papstes. Schwerstes Ärgernis erwuchs - je länger desto mehr - aus der allein von materiellen Interessen bestimmten Verleihung kirchlicher Pfründen und Erhebung diverser Abgaben. Dieselbe Einstellung treffen wir aber auch bei ungezählten Prälaten und, nicht zu vergessen, selbst bei nicht wenigen Pfarrherren, die bei der Kurie in Rom viele fette Pfründen für sich zu erlangen trachteten und die eigentliche seelsorgliche Arbeit einem Vikar, einem Hilfspriester gegen geringes Entgelt aufbürdeten. Gewiß, es gab auch vorbildliche, reformfreudige Prälaten, die selbst wieder auf wunde Stellen im corpus christianum aufmerksam machten. Denkschriften, die dem Konzil von einzelnen Nationen vorgelegt wurden – auch die Abstimmungen erfolgten nach Nationen, nicht nach Personen –, nannten einzelne gravierende Mißstände beim Namen und zeigten Wege zur Besserung auf. Namentlich Konzilsprediger übten schonungslose Kritik. Ein Prediger nannte im Mai 1416 in einer Konzilspredigt sieben „Töchter der Simonie“ beim Namen: Die stete Vermehrung der Benefizien (curatorum beneficiorum plurificacio); die Ernennung unwürdiger Prälaten (indignorum promocio); den Niedergang des Gottesdienstes (divini cultus diminucio); die unerlaubte Aneignung von Pfarrkirchen (anormala parochialium ecclesiarum appropriacio); den Mißbrauch von Dispensen (indiscreta dispensacio); die unerlaubte Exemtion (illicita exempcio); die anmaßende Appellation (frivola appellacio).19 S. 636–674; zusammenfassend Ders.: Die Vier Prager Artikel. Das Programm der Hussitischen Revolution, in: Eberhard/Machilek (Hgg.): Kirchliche Reformimpulse, S. 329–339. 18 Wichtige Quellen zu den Reformbemühungen zur Zeit des Konstanzer Konzils sind jetzt bequem zugänglich in: Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der grossen Konzilien des 15. Jahrhunderts. Erster Teil: Die Konzilien von Pisa (1409) und Konstanz (1414–1418). Ausgewählt und übersetzt von Jürgen Miethke und Lorenz Weinrich (Freiherr-vom-SteinGedächtnisausgabe XXXVIIIa), Darmstadt 2002, S. 468–499. – Zum Konzil: Walter Brandmüller: Das Konzil von Konstanz 1414–1418 (Konziliengeschichte R. A), Bd. 1, Paderborn u.a. 21999, Bd. 2, ebd. 1997. – Speziell zu den Reformbemühungen des Konzils: Walter Brandmüller: Causa Reformationis. Ergebnisse und Probleme der Reformen des Konstanzer Konzils, in: Annuarium Historiae Conciliorum 13 (1981), S. 49–66; Phillip H. Stump: The Reform of the Council of Constance (1414–1418) (Studies in the History of Christian Thought 53), Leiden/New York/Köln 1994; Alexander Patschovsky, Der Reformbegriff zur Zeit der Konzilien von Konstanz und Basel, in: Hlaváček/Patschovsky (Hgg.): Reform von Kirche und Reich, S. 7–28. 19 Acta Concilii Constantiensis, Bd. 2, ed. Heinrich Finke in Verbindung mit Johannes Hollnsteiner, Münster i.W. 1923, S. 442–444, hier S. 442. – Joseph Gill: Konstanz und BaselFlorenz (Geschichte der ökumenischen Konzilien IX), Mainz 1967, S. 118; Paul Ourliac: Das Schisma und die Konzilien (1378–1449), in: Mollat du Jourdin/Vauchez (Hgg.): Die Zeit der Zerreissproben, S. 75–131, hier S. 101. – Allgemein zu den Konzilspredigten: Paul Arendt: Die



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Neben Bemühungen um die Wiederherstellung der Einheit an der Spitze der Kirche und der Bekämpfung der mit den Namen Wyclif und Hus verbundenen Häresien richtete sich das Hauptinteresse der Konzilsteilnehmer auf die Frage der Kirchenreform. Papst und Konzil gehörten eng zusammen. Das Konzil erklärte sich, wie wir gesehen haben, zur höchsten Instanz der Kirche, natürlich in Verbindung mit dem Papst, dem die Initiative zu allem zustehen sollte. In der 39. Sitzung des Konzils am 9. Oktober 1417 wurden fünf Reformdekrete verabschiedet. Als wichtigster Beschluß kann das Dekret ,Frequens‘ gelten, das dem Papst genaue Termine für die Einberufung der folgenden Generalkonzilien vorschrieb. Das nächste Konzil soll nach fünf, das zweite nach sieben und die folgenden Konzilien sollen alle zehn Jahre einberufen werden.20 Andere Dekrete enthielten Maßnahmen zum Schutz gegen ein abermaliges Schisma, forderten vom neugewählten Papst die Ablegung eines Glaubensbekenntnisses, untersagten die unfreiwillige Versetzung von Prälaten und verboten dem Papst die Reservierung von Prokurationen und den Einzug von Nachlässen.21 In der folgenden (40.) Sitzung, am 30. Oktober 1417, wenige Tage vor der Wahl des neuen Papstes, als das Konzil sich schon seinem Ende zuneigte, verpflichtete die Versammlung den künftigen Papst zur Reform der Kirche, wie sie einzelne Nationen vorgeschlagen hatten. Das Dekret lautet: „Das Heilige Konzil von Konstanz beschließt und verordnet, daß der künftige römische Pontifex, der in naher Zukunft mit der Gnade Gottes zu wählen ist, mit Hilfe dieses Heiligen Konzils und den von jeder Nation auszuwählenden Abgeordneten die Kirche an Haupt und Gliedern und an der römischen Kurie entsprechend den Erfordernissen der Billigkeit und einer guten Kirchenregierung reformieren soll, und zwar vor Abschluß des Konzils, näherhin in den verschiedenen Punkten, welche die Nationen in ihren Reformplänen vorgelegt haben.“ Genannt werden 18 Themenkreise, die vor allen anderen behandelt werden sollten.22 Man wollte unbedingt verhindern, daß der Papst die dringend notwendige Reform der Kirche, die mit der Reform der päpstlichen Kurie beginnen sollte, unerledigt ad acta legte. Um sicher zu gehen, forderten die deutsche und die englische Nation, die Kirchenreform vor der Wahl des neuen Papstes in Angriff zu nehmen; sie wurden aber von den anderen Konzilsnationen überstimmt. Der am 11. November 1417 neugewählte Papst Martin V. benannte am 20. Januar 1418 seinerseits 18 Reformpunkte, darunter: Die Zahl der Kardinäle wird auf 24 begrenzt. Die Verleihung der Benefizien durch den Papst ist einzuschränken. Die Bischöfe und Äbte werden von zuständigen Gremien gewählt. Die Zahl der bei der Kurie geführten Prozesse Predigten auf dem Konstanzer Konzil, Freiburg 1933; Johann Baptist Schneyer: Konstanzer Konzilspredigten, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 113 (1965), S. 361–388; 115 (1967), S. 117–166; 116 (1968), S. 127–164; 118 (1970), S. 99–155; 119 (1971), S. 175–231; 120 (1972), 125–214; Ders.: Geschichte der katholischen Predigt, Freiburg 1969, S. 211–213. 20 COD 31973, S. 438 f. – Alberigo, Chiesa conciliare, S. 228–239 u.ö.; Brandmüller: Das Konzil von Konstanz, Bd. 2, S. 335–355. 21 COD 31973, S. 442–444. 22 COD 31973, S. 444. – Gill, Konstanz und Basel-Florenz, S. 124 f.; Fink, S. 564 f.; Patschovsky, Der Reformbegriff, S. 22 f.; Brandmüller: Das Konzil von Konstanz, Bd. 2, S. 357 f.; Machilek: Einführung, S. 53 f.

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ist zu verringern. Exemtionen von Kirchen und Klöstern werden eingeschränkt. Der Papst verzichtet auf Einkünfte aus vakanten Benefizien. Simonie bleibt verboten. Das Einkommen eines Kardinals soll 6000 Florinen nicht überschreiten. Die Ablässe sind wie die Annaten und Zehnten zu reduzieren.23 Die in der 43. Sitzung am 21. März 1418 durch das Konzil beschlossene allgemeine Reform umfaßte sieben Dekrete, die zum großen Teil dem Entwurf des Papstes entsprachen: Diese beinhalteten die Aufhebung der seit dem Schisma bewilligten Exemtionen und der gegen das Gesetz vorgenommenen Inkorporationen, Zusammenlegung von Klöstern, Verzicht des Papstes auf Einkünfte aus vakanten Benefizien, Bekämpfung der Simonie, Einschränkung der Dispensen, Abgaben an den Papst nur nach Billigung durch örtliche Prälaten, Erneuerung der alten Bestimmungen über Tonsur und Einfachheit der klerikalen Kleidung.24. Über weitere Änderungen einigte sich der Papst mit den einzelnen Konzilsnationen in sog. Konkordaten, die allerdings – mit Ausnahme des englischen Konkordats – nur für 5 Jahre gelten sollten. Den Kernpunkt bildeten auch hier wieder Bestimmungen über das Ämter- und Pfründenwesen, über die Gewährung von Ablässen; alles Maßnahmen, die den fiskalischen Zentralismus des Papstes beschneiden sollten.25 Daß die vielfachen Vorschläge, Vorschriften und Beschlüsse zur Reform großen Teils auf dem Papier stehen blieben, lag hauptsächlich am neuen Papst Martin V. Entgegen allen vorherigen Versprechungen hintertrieb er systematisch jede Reform. In den 15 Jahren seines Pontifikats unternahm er buchstäblich nichts, um die Kirchenreform voranzubringen. Daß er dem Dekret ,Frequens‘ zufolge 1423 ein Konzil nach Pavia und 1431 ein Konzil nach Basel einberief, geschah mehr gezwungen als freiwillig. Die Frage, ob das Konzil von Konstanz die Bezeichnung „Reformkonzil“ verdient, ist wohl mit einem eindeutigen Nein zu beantworten.26

III. Das Konzil von Basel – ein Reformkonzil?27 Auch das Basler Konzil (1431–1449) traf eine Reihe einschneidender Reformmaßnahmen, die aber erst hundert Jahre später vom Trienter Konzil aufgegriffen und mit Nachdruck eingeschärft wurden, so die in der 15. Sessio am 26. Nov. 1433 erlassene Bestimmung, daß jährlich eine Diözesan- und jedes zweite Jahr eine Provinzialsynode veranstaltet wer23 Gill, Konstanz und Basel-Florenz, S. 126–128; Brandmüller: Das Konzil von Konstanz, Bd. 2, S. 390–393. 24 Gill, Konstanz und Basel-Florenz, S. 128 f.; Brandmüller: Das Konzil von Konstanz, Bd. 2, S. 395–397. 25 Gill, Konstanz und Basel-Florenz, S. 129–134. 26 Zum Konzil von Pavia-Siena: Walter Brandmüller: Das Konzil von Pavia-Siena 1423–1424, Bd. 1: Darstellung (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 16), Münster 1968; Quellen zur Kirchenreform II, S. 15–24, 97–149. – Die Forderung „deformata reformat“ gehörte nach dem Dekret ,Frequens‘ zu den in Konstanz ausdrücklich genannten Zielen für das folgende Konzil. 27 Helmrath: Das Basler Konzil.



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den müssten (,De conciliis provincialibus et synodalibus‘).28 Nur ungenügend kam es zur Durchführung.29 Eugen IV. (1431–1439, †1447) hatte vor seiner Wahl zum Papst eine Reform der Kirche versprechen müssen. Mit der Bulle ,Dudum sacrum‘ vom 15. Dezember 1433 setzte er das von ihm zunächst suspendierte Konzil fort und verlegte es schließlich von Basel nach Florenz. Vorrangige Themen sollten die Ausrottung der Irrlehre, der Frieden in der Christenheit und eine allgemeine Kirchenreform sein, für die eine eigene Reformkommission schon konkrete Vorschläge erarbeitete.30 Tatsächlich billigten die Konzilsväter in der 20. Sessio am 22. Januar 1435 wichtige Reformmaßnahmen. Das weitverbreitete Priesterkonkubinat suchte man mit einem ausführlichen Dekret aus der Welt zu schaffen (,De concubinariis‘),31 freilich ohne nennbaren Erfolg. Weitere Beschlüsse begrenzten die rechtlichen Folgen der Exkommunikationen und sprachen sich wieder gegen eine vorschnelle Verhängung des Interdikts aus.32 Mit den Reformdekreten der 21. Sessio am 9. Juni 1435 rückte man dem ausgeklügelten päpstlichen System des Taxen- und Abgabenwesens zu Leibe, indem Annaten, Palliengelder, Kanzleigebühren und päpstliche Reservationen bei der Ernennung von Bischöfen und Äbten abgeschafft wurden.33 Eine Neuregelung erfuhr die Prozedur der Papstwahl. Die Zahl der Kardinäle, die mehreren Ländern angehören sollten, wurde auf 24 begrenzt.34 Weitere Maßnahmen betrafen die würdige Durchführung des Gottesdienstes und die Gestaltung des Chorgebets in Dom- und Stiftskirchen. Weltliche Feiern, die Aufführung unpassender Schauspiele und Handelsgeschäfte in Kirchen und auf Friedhöfen wurden verboten.35 28 COD 31973, S. 473–476; Quellen zur Kirchenreform II, S. 326–335; Helmrath: Das Basler Konzil, S. 334 f. – Zur Problematik allgemein: Josef Leineweber, Provinzialsynode und Kirchenreform im Spätmittelalter, in: Remigius Bäumer (Hg.): Reformatio Ecclesiae. Beiträge zu kirchlichen Reformbemühungen von der Alten Kirche bis zur Neuzeit. Festschrift für Erwin Iserloh, Paderborn 1980, S. 113–127; Johannes H elmrath : Partikularsynoden und Synodalstatuten des späteren Mittelalters im europäischen Vergleich, in: Annuarium Historiae Conciliorum 34 (2002), S. 57–99. 29 Nathalie Kruppa/Leszek Zygner (Hgg.): Partikularsynoden im späten Mittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Institus für Geschichte 219 = Studien zur Germania Sacra 29), Göttingen 2006 (die Beiträge enthalten nur wenige Hinweise auf die Weitergabe bzw. die Rezeption der Reformbeschlüsse der Konzilien von Konstanz und Basel). – Für das Bistum Eichstätt liegt eine spezielle Untersuchung vor, die zu positiven Ergebnissen kommt: Ernst Reiter: Rezeption und Beachtung von Basler Dekreten in der Diözese Eichstätt unter Bischof Johann von Eych (1445–1464), in: Remigius Bäumer (Hg.): Von Konstanz nach Trient, München/Paderborn/Wien 1972, S. 215–232. 30 Zur Reformarbeit des Konzils insgesamt: Helmrath: Das Baser Konzil, S. 331–341. 31 COD 31973, S. 485–487; Quellen zur Kirchenreform II, S. 344–348. – Georg Denzler, Das Papsttum und der Amtszölibat, Bd. 1 (Päpste und Papsttum 5/1), Stuttgart 1973, S. 127–130; Helmrath: Das Basler Konzil, S. 336. 32 Quellen zur Kirchenreform II, S. 348–350. 33 Quellen zur Kirchenreform II, S. 352–355, 376 f. – Helmrath: Das Basler Konzil, S. 333. 34 Quellen zur Kirchenreform II, 364–377. 35 Quellen zur Kirchenreform II, 354–363.

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Nach Meinung des Kirchenhistorikers Joseph Lortz (1887–1975) scheiterten die Programme der Kirchenreform von Konstanz ebenso wie von Basel an der Selbstsucht der Kardinäle und auch der weltlichen Mächte. Seine negative Beurteilung ließ ihn eine Linie zur Epoche der Reformation ziehen: „Da sich die Männer der Kirche nicht zur richtigen durch Opfer besiegelten Reform entschlossen, vielmehr die innerkirchliche Verderbnis in der Renaissance zunahm, kam es zu einer Reform, die ein schwerster Angriff gegen die Kirche wurde: die abendländische Glaubensspaltung, die Reformation.“36 Prägnanter noch formulierte der Tübinger Kirchenhistoriker Karl August Fink (1904–1983): „Rom hat die Reform verweigert und dafür wenig später die Reformation erhalten.“37

IV. Reformkräfte ausserhalb des Papsttums und des Konzils Trotz allgemeinem Versagen der obersten kirchlichen Autoritäten waren am Ende des Mittelalters christlicher Glaube und kirchliche Frömmigkeit Charakteristika des gläubigen Volkes. Dies gilt auch für den Hussitismus, der echt religiöse Wurzeln besaß und alles andere als ketzerisch bezeichnen werden sollte. Nach den Hussitenkriegen beherrschten nicht Ketzerprozesse, sondern Hexenprozesse die kirchliche Szene. Hermann Heimpel (1901–1988) konstatierte 1964 in einem Vortrag auf der Reichenau: „Es gab Kritik an der Kirche und an den Klerikern, ja es gab Haß gegen den Klerus, aber nicht, weil man der Kirche kalt gegenüberstand, sondern weil man die Kirche liebte. [...] Die Kirche war den Deutschen nicht kirchlich genug.“38 Noch deutlicher urteilte der Münchener Historiker Herbert Grundmann (1902–1970): „Es gab im Mittelalter außer ganz vereinzelten Ausnahmen keine Ketzer, die nicht christlich sein wollten, ja die besseren, die guten und wahren Christen zu sein beanspruchten.“39 Wenn es wirklich zu Reformen kam, dann in einzelnen Bistümern, Stiften und Klöstern.40 Auf Widerstand stießen sie allerdings meist beim Adelsprinzip der Prälaten, die als geistliche Führer der Kirche vorausgehen sollten, aber eher wie weltliche Herren regierten. Vom Mainzer Erzbischof Diether von Isenburg (1459–1461, 1475–1482) ist bekannt, daß er in seinem ganzen Priesterleben ein einziges Mal die hl. Messe feierte.41 Als Beispiele reformerischer Bischöfe seien wenigstens genannt: der Prager Erzbischof Johannes 36 Joseph Lortz: Geschichte der Kirche in ideengeschichtlicher Betrachtung, Bd. I, Münster 1962, S. 449. 37 Karl August Fink: Eugen IV. Konzil von Basel-Ferrara-Florenz, S. 588. 38 Hermann Heimpel: Das deutsche fünfzehnte Jahrhundert in Krise und Beharrung, in: Die Welt zur Zeit des Konstanzer Konzils. Reichenau-Vorträge im Herbst 1964 (Vorträge und Forschungen IX), Konstanz/Stuttgart 1965, S. 9–29, hier S. 15. 39 Herbert Grundmann: Ketzergeschichte des Mittelalters (Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch, Bd. 2, Liefg. G/1), Göttingen 1963, S. 2 (21967, S. 2). 40 Kaspar Elm (Hg.): Reformbewegungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen (Berliner Historische Studien 14 = Ordensstudien VI), Berlin 1989. – Zu monastischen Reformen in den böhmischen Ländern: Machilek: Einführung, S. 22–31, 40–42, 72–79. 41 Zu ihm: Gerlich, Alois: Diet(h)er II. v. Isenburg, in: Lexikon des Mittelalters III (1986), Sp. 1014 f.



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von Jenstein (1379–1396, †1400 in Rom),42 der Krakauer Bischof Petrus Wysz (1392– 1412),43 der Eichstätter Bischof Johannes von Eych (1445–1464)44 oder der Lübecker Bischof Johannes Schele (1420–1439), der die Anliegen der Kirchenreform mit denen der Reichsreform verknüpfte45. Unter den Frömmigkeitsbewegungen ragte die in den Niederlanden entstandene sog. Devotio moderna („Neue Frömmigkeit“) hervor, deren Vertreter sich später ,Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben‘ nannten. Gerhard (Geert) Groote (1340-84), der „Vater der devotio“, fühlte sich selbst nicht würdig, die Priesterweihe zu empfangen; er gab sich mit der Diakonatsweihe zufrieden, um predigen zu können. Rücksichtslos kritisierte er simonistische Praktiken und konkubinarische Verhältnisse unter dem Klerus. Er hielt es sogar für eine schwere Sünde, die hl. Messe eines konkubinarischen Priesters zu besuchen.Von Deventer aus erfolgte 1387 die Gründung des Chorherrenstifts Windesheim bei Zwolle. Seine Mitglieder lebten nach der Augustinusregel und legten Gelübde ab. Die ,Windesheimer Kongregation‘ erhielt vom Basler Konzil den Auftrag zur Reform der Augustinerklöster. Auch die Brüderbewegung in Deutschland erhielt ihren Anstoß aus Deventer. In Münster entstand 1401 das erste Haus der Brüder vom gemeinsamen Leben.46 Die von Thomas (Hemerken) von Kempen (1379/80–1471) stammende ,Imitatio Christi‘ wurde nach der Bibel zum einflußreichsten Buch.47 Zeitgleich zur niederländischen Devotio moderna entstand in Böhmen eine eigenständige Frömmigkeitsbewegung, die vielfach als böhmische Devotio moderna und in jüngster Zeit als „charismatische Spiritualität in Böhmen“ charakterisiert wurde.48 Als Vater 42 Jaroslav V. Polc: Jean Jenštejn, in: Dictionnaire de spiritualité 8 (1972/74), col. 558–565, wiederabgedruckt in: Ders.: Česká církev v dějinách, Praha 1999, S. 241–253; Jaroslav Kadlec: Jan z Jenštejna, in: Ders. (Hg.): Bohemia Sancta. Životopisy českých světců a přátel Božích [B.S. Lebensbilder böhmischer Heiliger und Freunde Gottes], Praha 1989, 194–207. 43 Thomas Wünsch: Das Reformprogramm des Krakauer Bischofs Petrus Wysz. Mit Neuedition der 22-Punkte-Liste „De reformatione ecclesie“, in: Eberhard/Machilek (Hgg.): Kirchliche Reformimpulse, S. 157–178. 44 Reiter: Rezeption und Beachtung von Basler Dekreten. 45 Helmrath: Das Basler Konzil, S. 184 u.ö. 46 Émile Brouette (†): Devotio moderna I, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 8, Berlin/ New York 1981 (Sonderausgabe 1993), S. 605–609. – Wilhelm Kohl: Die Windesheimer Kongregation, in: Elm (Hg.): Reformbewegungen, S. 83–106. 47 Das vor 1427 aus mehreren selbständigen Traktaten zusammengestellte Erbauungsbuch liegt in dem 1441 von Thomas bearbeiteten und vollendeten Autograph vor. – Albert Ampe: Hoe onstonden de Navolging en de auteurskwestie? Thomas a Kempis, De Navolging van Christus, Antwerpen/Kampen 1985; Ulrich Köpf: Thomas von Kempen, in: Theologische Realenzyklopädie 33 (2002), S. 480–483. 48 Grundlegend Manfred Gerwing: Malogranatum oder der dreifache Weg zur Vollkommenheit. Ein Beitrag zur Spiritualität des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 57), München 1986; Jana Nechutová: Die charismatische Spiritualität in Böhmen in vorreformatorischer Zeit, in: Österreichische Osthefte39 (1997), S. 411–419; Dies.: Die lateinische Literatur des Mittelalters in Böhmen (Bausteine zur slavischen Philologie und Kulturgeschichte NF A/59), Köln/Weimar/Wien 2007, S. 237–269.

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dieser böhmischen Frömmigkeitsbeweging gilt der Prager Priester mährischer Herkunft Jan Militsch von Kremsier († 1374).49 Ihr hervorragendster Vertreter war Matthias von Janov († 1393), Pfarrer in der westböhmischen Pfarrei Velká Ves, der in seinen zwischen 1389 und 1392 entstandenen ,Regulae Novi et Veteris Testamenti‘ die Rückkehr zur Urkirche und die tägliche Kommunion der Laien forderte.50

4. Nikolaus von Kues als Reformer Auch in den obersten Rängen der Hierarchie fehlte es nicht an Reformgesinnten, wenngleich sie dünn gesät waren. Ein Name soll hier genügen: Nikolaus von Kues (1401– 1464), seit 1448 Kardinal und seit 1450 Bischof von Brixen.51 Als päpstlicher Legat reiste er durch Deutschland, um für eine geistliche Erneuerung der Kirche zu wirken. Und als Bischof von Brixen mühte er sich um Reformen in seinem Bistum, scheiterte aber am Widerstand des Domkapitels und mancher Klöster und insbesondere an Herzog Sigmund von Tirol, so daß er 1458 seine Diözese verlassen mußte. Zum Generalvikar des Kirchenstaates ernannt, unterbreitete der Kusaner 1459 dem Humanisten-Papst Pius II. Vorschläge, die eine tiefgehende Umgestaltung der Kirchenleitung zum Ziel hatten.52 Doch der Erfolg blieb aus.

49 František Loskot: Milíč z Kroměříže, otec české reformace [M.v.K., der Vater der böhmischen Reformation], Praha 1911; Nechutová: Die lateinische Literatur, S. 255–259. 50 Mathiae de Janov dicti Magistri Parisiensis Regulae Veteris et Novi Testamenti, Vol. I–IV, ed. Vlastimil Kybal, Oeniponte 1908–1913; Vol. V, ed. Otakar Odložilík, Praha 1926 (Monumentorum ad historiam reformationis religionis in Bohemia saec. XIV. et XV. sperantium IX–XIII; Vol. VI (De corpore Christi), ed. Jana Nechutová, München 1993 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 69). – Machilek: Ludolf von Sagan, S. 16; Nechutová: Die lateinische Literatur, S. 259–262. 51 Erich Meuthen: Nikolaus von Kues 1401–1464. Skizze einer Biographie. Münster 71992. – Erwin Iserloh: Reform der Kirche bei Nikolaus von Kues (Institut für europäische Geschichte. Vorträge 38), Wiesbaden 1965; Ders.: Reform der Kirche bei Nikolaus von Kues, in Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 4 (1964), S. 54–73; Morimichi Watanabe: Nicholas of Cusa and the Reform of the Roman Curia, in: John W. O’Malley/Thomas M. Izbicki/Gerald Christianson (Hgg.): Humanity and Divinity in Renaissance and Reformation. Essays in Honor of Charles Trinkhaus (Studies in the History of Christian Thought 51), Leiden u.a. 1993, S. 185–203; Nikolaus Staubach: Cusani laudes. Nikolaus von Kues und die Devotio moderna im spätmittelalterlichen Reformdiskurs, in: Frühmittelalterliche Studien 34 (2000), S. 259–337. 52 Druck der „Reformacio generalis“ des Cusanus: Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der grossen Konzilien des 15. Jahrhunderts. Zweiter Teil: Die Konzilien von Pavia/Siena (1423/24), Basel (1431–1449) und Ferrara/Florenz (1438–1445). Ausgewählt und übersetzt von Jürgen M iethke und Lorenz W einrich (Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe XXXVIIIb), Darmstadt 2002, S. 468–499. – Dazu ebd. S. 74–81.



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V. Panorama Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen über die reformatio in capite kommentierte 1437 der Dominikaner Johannes Nider (1402–1438), der bei den Konzilien von Konstanz und Basel eine beachtliche Rolle spielte, das Programm derer, die alle Mißstände in der Kirche so schnell wie möglich ausrotten zu können meinten. Mit realistischem Blick für das, was möglich ist, meinte Nider: „Es ist unmöglich, die Reform als Ganzes in einem Zug durchzuführen; begrenzt auf bestimmte Ziele, in dieser Stadt oder in jenem Konvent, kann sie jedoch verwirklicht werden.“53 Was in diesen Zeiten am meisten not tat, war eine zeitgemäße Verkündigung des Evangeliums und eine Seelsorge, die sich auf die leiblichen und seelischen Nöte der Menschen richtete. Die Unzufriedenheit des einfachen Volkes über ihre Hirten, die eher Mietlingen als guten Hirten glichen, wurde immer größer und schlug mehr und mehr in bitteren Haß um. Die Kleriker kümmerten sich meist nur um die Wolle und das Fleisch ihrer Schafe und wenig oder gar nicht um deren Leben und Wohlergehen; und wenn schon um ihr Leben, dann nur wegen der Wolle des Fleisches.54 Wenn wir zum Schluß die allgemeinen und speziellen Anliegen der vielfältigen Kirchenkritik am Ende des Mittelalters betrachten, bleibt nüchtern festzustellen, daß sie sich fast ausschließlich auf Kirche und Geld konzentrierten, wobei ein ausgeklügeltes Finanzwesen der päpstlichen Kurie den Hauptgrund zu Kritik bot. So verwundert es nicht, daß dieses Thema schon in den moralisch-satirischen Dichtungen des 13. und 14. Jahrhunderts eine große Rolle spielte. Dies gilt bereits für die um 1225/30 wahrscheinlich an einem geistlichen Hof in den Alpenländern (vielleicht in Brixen) entstandenen und über das Kloster Benediktbeuern überlieferten ,Carmina Burana‘, die von Carl Orff teilweise vertont, eine vorzügliche Quelle für das Empfinden einfacher Christen über das skandalöse Finanzgebaren an der Spitze der Hierarchie in jener Zeit darstellt. In dieser Sammlung findet sich die Parodie eines anonymen Autors auf das Markusevangelium mit dem bezeichnenden Incipit „Initium sancti evangelii secundum marcas argenti“, die nach einer neuen deutschen Übersetzung mit folgenden Worten des Papstes an die Kardinäle und 53 Zitiert bei Francis Rapp: Die Kirchenprovinzen des Deutschen Reiches (Die Geschichte des Christentums, Bd. 6), Freiburg 1991, S. 706. – Zu Nider: Eugen Hillenbrand: Nider, Johannes OP, in: Verfasserlexikon, Bd. 6 (21987), Sp. 971–977. 54 Zur Problematik der Begriffe Kirchenkritik, Kleruskritik und Antiklerikalismus allgemein: Helga Schüppert: Kirchenkritik in der lateinischen Lyrik des 12. und 13. Jahrhunderts, München 1972; Klaus S chreiner : Gab es im Mittelalter und in der frühen Neuzeit Antiklerikalismus? Von der Schwierigkeit, aus einem modernen Kampfbegriff eine Kategorie historischer Erkenntnis zu machen, in: Zeitschrift für Historische Forschung 21 (1994), S. 513– 521; Bob S cribner : Antiklerikalismus in Deutschland um 1400, in: Europa 1500. Integrationsprozesse im Widerstreit: Staaten, Regionen, Personenverbände, Christenheit, hg. von Ferdinand Seibt/Winfried Eberhard, Stuttgart 1987, S. 368-382; Classen, Albrecht: Anticlericalism in Late Medieval German Verse, in: Anticlericalism in Late Medieval and Early Modern Europe, hg. von Peter A. Dykema/Heiko A. Oberman (Studies in Medieval and Reformation Thought 51), Leiden/New York/Köln 1993, S. 91–114. Erich Garhammer: Antiklerikalismus, in: LThK3 1 (1993), S. 760; Machilek, Einführung, S. 55 f.

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deren Diener endet: „Brüder, achtet darauf, daß keiner euch mit leeren Worten verführe. Ich will euch wahrlich ein Beispiel geben, und so, wie ich nehme, sollt auch ihr nehmen.“55 Als das Große Schisma auf seinem Tiefpunkt angelangt war, geißelte der Prager Erzbischof Johannes von Jenstein in seinem ,Liber de consideratione et de lacrymis militantis ecclesiae‘ von 1385 Habsucht und Luxus der Kardinäle mit scharfen Worten: „Ecce quam avaris, crudelibus, nefariis sancta mater ecclesia illis temporibus fuit stipata cardinalibus! – Affluebat deliciis, quodque desiderabat anima eorum non negabant sibi.“56 Nach Ludolf von Einbeck, Abt des Augustiner-Chorherrenstifts Sagan in Niederschlesien (1396–1422), bildete die Sorge um das Geld in den Tagen des römischen Papstes Bonifaz‘ IX. (1389– 1404) das Hauptanliegen der päpstlichen Kurie: „In diebus enim illis pecunie obediverunt omnia.“57 Für Jan Hus bildete der Fiskalismus an der Kurie und der Ämterkauf in der Kirche einen der Ausgangspunkte seines Reformprogramms. Hervorzuheben sind dabei insbesondere der am 2. Februar 1413 von ihm abgeschlossene tschechische Traktat über die Simonie (,O svatokupectví‘) sowie der zuerst in Latein und dann in tschechischer Sprache verfaßte Traktat über die sechs Verirrungen (,De sex eroribus‘ bzw. ,O šesti bludiech‘, letzterer vom 21. Juni 1413).58 Im Simonietraktat hat Hus seinen tiefen Abscheu vor dem Ämterkauf mit der Frage der Wahrheit und seinem eigenen Schicksal in Verbindung gebracht und damit zugleich das Ziel seines Reformwillens in eindrucksvoller Weise zum Ausdruck gebracht: „Diese Schrift über die Simonie verfaßte ich, wohl wissend, daß ich von den habgierigen Priestern und von weltlichen Leuten weder Lob noch Gnade noch einen materiellen Nutzen erhalten werde. Diese Dinge nämlich verlange ich von ihnen nicht, wohl aber göttlichen Lohn und göttliches Heil. Sollte mich aber die Verfolgung und die Folterqual erreichen, die jene mir zugedacht haben, so habe ich für diesen Fall erwogen, daß es besser sei, für die Wahrheit den Tod zu erleiden als für eine Schmeichelei einen zeitlichen Lohn zu erhalten.“59

55 Carmina Burana. Lieder aus Benediktbeuren, Übersetzung aus dem Lateinischen von Matthias Hackemann, Köln 2006, Nr. 44, S. 123 f. – Zweisprachige Ausgabe: C.B., lat. u. deutsch, von C. Fischer u. H. Kuhn, mit Anm. u. Nachwort von Günter Bernt, München 41989. – Zur Sammlung insgesamt zusammenfassend: Günter Bernt: Carmina Burana, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1, Berlin/New York 21978, Sp. 1179–1186. – Zur literarischen Gattung der Parodie allgemein: Günter Bernt u.a.: Parodie, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München/Zürich 1993, Sp. 1737–1742. 56 Ludwig Frhr. von Pastor: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 1, Innsbruck1885, Freiburg/Rom 121955, S. 130, Anm. 1; Machilek: Ludolf von Sagan, S. 16. 57 Zitiert bei Machilek: Ludolf von Sagan, S. 86. 58 Auszüge aus diesen beiden Werken in deutscher Übersetzung in: Jan Hus. Schriften zur Glaubensreform und Briefe der Jahre 1414–1415, hg. von Walter Schamschula (Sammlung Insel 49), Frankfurt a.M. 1969, S. 67–81 bzw. S. 27–66. 59 Ebd., S. 81.

Peter Hilsch Jan Hus Ein Reformator als Bedrohung von Reich und Kirche?1 „Als Schüler“, so erklärte Hus einmal, „hatte ich vor, bald Priester zu werden, um eine gute Wohnung und Kleidung zu haben und von den Menschen geschätzt zu werden“, dann fügte er freilich hinzu: „aber dieses böse Begehren erkannte ich, sobald ich die Schrift verstanden hatte“.2 Priester zu werden, war in der Tat eine Möglichkeit des wirtschaftlichen und sozialen Aufstiegs. Der um 1370 im südböhmischen Ort Husinetz geborene Johannes besuchte deswegen vermutlich die Lateinschule in Prachatitz und kam um 1390 an die Universität Prag, wo das erste Kapitel des Dramas spielte. Sein Studium begann, wie üblich, an der Artistenfakultät. Bis zum Bakkalarsexamen im Jahr 1393 benötigte Hus recht lange; wegen einer Erkrankung, die mit seiner Armut zusammenhängen mochte. Wir wissen nicht, wie er seinen Lebensunterhalt bestritt; er berichtet einmal, er habe Erbsenbrei mit einem Löffel gegessen, den er aus Brot geformt habe und zum Schluss auch den Löffel verzehrt. Vielleicht aber hatte er als älterer Student oder als Bakkalar eine Anstellung als Famulus am Karlskolleg gefunden. Das würde erklären, wie er sein Leben bestritt, wie er die böhmischen Magister kennenlernte, wie er rasch in die Frontstellung der böhmischen Universitätsnatio gegen die drei anderen weit überwiegend deutsch bestimmten Nationes (die sächsische, bayerische und polnische Natio) im Karlskolleg einbezogen wurde. Ursprünglich sind diese Universitätsnationes nicht national (im heutigen Sinn), sondern (im weitesten Sinn) landsmannschaftlich organisiert gewesen. Wer z.B. von Westen kam, also auch Rheinländer oder Schwaben, gehörte zur bayerischen Natio. Der Streit zwischen diesen Nationen ging zunächst um die Pfründen (Planstellen) im Collegium Carolinum, angesichts der Überproduktion von v.a. böhmischen Artesmagistern. Nach einem Kompromiss, der den Böhmen entgegenkam, gab es schon zu Hussens Zeit 1390 einen neuen Streit.3 Als Bakkalar studierte Hus rasch – bereits 1396 wurde er zum Magister artium promoviert. Zu seinen Studenten hatte er einen guten Kontakt, er war ein beliebter Lehrer und er 1 Der Beitrag beruht vor allem auf Hilsch, Peter: Johannes Hus. Prediger Gottes und Ketzer, Regensburg 1999. – Zu zahlreichen Einzelfragen jetzt auch Drda, Miloš/Holeček, František/ Vybíral, Zdeněk (Hgg.): Jan Hus na přelomu tisíciletí – mezinárodní rozprava o českém reformátoru 15. století a o jeho recepci na prahu třetího milénia. Papežská lateránská universita Řím, 15.–18. prosince 1999 [Jan Hus an der Jahrtausendwende. Internationale Abhandlung über den böhmischen Reformator des 15. Jahrhunderts und seine Rezeption an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Päpstliche Lateranuniversität Rom, 15.–18. Dezember 1999 (Husitský Tábor. Supplementum 1), Tábor 2001, S. 343–359. 2 Jan Hus, Knížky o svatokupectví [Büchlein über den Ämterkauf], in: Drobné spisy české [Kleine tschechische Schriften], hg. von Jiří Daňhelka (Magistri Iohannis Hus Opera omnia IV), Praha 1985, S. 187–270, hier S. 228. 3 Zu den Universitätsnationen und ihren Streitigkeiten Hilsch, Johannes Hus, S. 32–34.

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liebte den Auftritt vor einem Auditorium. Soweit wir wissen, unterschied sich seine Lehrtätigkeit inhaltlich in nichts von derjenigen seiner Kollegen. Daneben begann Hus auch an der oberen Fakultät Theologie zu studieren, wo er es 1404 bis zum Bakkalar bringen sollte.4 Die Auseinandersetzungen zwischen den Prager Universitätsnationen hatten mit Kirchenkritik oder Kirchenreform noch nichts zu tun. Kirchenkritik gab es, seitdem es Kirche gibt. Als Bedrohung wurden von der mittelalterlichen Kirche aber erst die Katharer und Waldenser im 12. Jahrhundert empfunden, die sie als Ketzer bezeichnete. War das Gefühl der Bedrohung gerechtfertigt? Nicht bei den Waldensern; die Kurialen haben Petrus von Waldes und seine Gefährten ausgelacht, als sie beim 3. Laterankonzil 1179 um Predigterlaubnis gegen die Ketzer nachsuchten. Bedrohlicher waren allerdings die Katharer, die eine regelrechte Gegenkirche ausbildeten. Aber die reich gewordene Kirche um 1200 war auch mit der viel weiter verbreiteten Armutsbewegung der Zeit konfrontiert; sie hatte ihren eigenen Reformimpetus, wie er etwa um 1100 im Zeitalter des Investiturstreits oder bei der Entstehung der Reformorden bestand, längst verloren. Die „Ketzerkreuzzüge“ und die Inquisition vernichteten zwar die Katharer, nicht jedoch die Waldenser, die im Zuge der Ostsiedlung aus dem süddeutschen Raum auch nach Südböhmen einwanderten. Ob und, wenn ja, wie eine Verbindung dieser deutschen Waldenser zu den späteren tschechischen Hussiten in fast derselben Region entstand, das ist bis heute ungeklärt.5 Die Kritik am Reichtum der Kirche und an der Geldgier der Kurie, die dem apostolischen Leben im Neuen Testament so gar nicht entsprach, bestand auch außerhalb des Ketzertums. In Prag wirkten in der Generation vor Hus in der Zeit Karls IV. einige bekannte Reformprediger: Konrad Waldhauser z.B. setzte sich für eine generelle Reform der Kirche ein und wandte sich besonders gegen die Simonie; der moralisch empfindsame und glaubwürdige Militsch von Kremsier bekannte sich persönlich zur Armut und entrüstete sich heftig über die kirchlichen Missstände; sein Schüler Matthias von Janov setzte sich für häufige Kommunion der Laien ein und wandte sich gegen Heiligen- und Reliquienkult, der Adlige Thomas von Stitna übersetzte Predigten, Traktate und die Bibel ins Alttschechische.6 Diese Reformer gerieten auch in Ketzerverdacht, wurden aber in der Regel von Karl IV. und dem Prager Erzbischof toleriert oder sogar gefördert. Einige ihrer Bestrebungen finden sich später bei Hus wieder. So galten sie vor allem der älteren tschechischen Forschung als ‚Vorläufer Hussens‘; die heimische Tradition glaubte man betonen zu müssen, um die vom deutschen Histori4 Hussens Universitätslaufbahn Hilsch, Johannes Hus, S. 38–44. 5 Dazu Hilsch, Johannes Hus, S. 17–20. – Soukup, Pavel, Die Waldenser in Böhmen und Mähren im 14. Jahrhundert, in: de Lange, Albert/Utz Tremp, Kathrin (Hgg.): Friedrich Reiser und die „waldensische Internationale“ im 15. Jahrhundert. Akten der Tagung Ötisheim-Schönenberg, 2. bis 4. Oktober 2003 (Waldenserstudien 3), Heidelberg/Ubstadt-Weiher/Basel 2006, S. 131– 160. 6 Zu ihnen: Nechutová, Jana: Die lateinische Literatur des Mittelalters in Böhmen. Aus dem Tschechischen übersetzt von Hildegard Bobková und Václav Bok, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 252–261.



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ker Johann Loserth7 behauptete totale Abhängigkeit des Hus von John Wyclif und damit seine angeblich fehlende Originalität bestreiten zu können. Aber Hus hat sie, soweit ich sehe, nie erwähnt, sodass anzunehmen ist, dass er sie wenig oder gar nicht kannte oder dass er sich selbst nicht in ihrer Tradition gesehen hat. Psychologisch könnte man dies vielleicht als das übliche Verhalten gegenüber der eigenen Elterngeneration deuten. Die Reformbewegung der jüngeren böhmischen Magister aber war wohl ein auf Wyclif beruhender Neuansatz.8 Als Hus an die Universität kam, waren es dort vor allem eine Reihe deutscher Magister, die als Kirchenkritiker und -reformer lehrten und schrieben: etwa Heinrich Totting, der Predigt und Sakramentenspendung eines in Todsünden lebenden Priesters in Frage stellte; ebenso sein Schüler Konrad von Soltau, der den Ablasshandel bekämpfte, der Theologe Matthäus von Krakau, der später eine Schrift (vorsichtshalber anonym) „Über den Sumpf an der römischen Kurie“ schrieb, oder Heinrich von Bitterfeld, der die tägliche Laienkommunion forderte und die Ablassverkünder als bloße Geschäftemacher bezeichnete. Dass Hus diese Magister, die auch manchmal in Ketzerverdacht geraten waren, nicht erwähnte, lässt sich leichter verstehen; denn sie gehörten bereits zu seinem Feindbild.9 Der große Anstoß kam also von außerhalb: es war der Einfluss des Oxforder Magisters John Wyclif, des radikalsten Kirchenkritikers des 14. Jahrhunderts10. Die Heirat der Schwester des böhmischen und deutschen Königs Wenzel, Anna, mit dem englischen König Richard II. 1382 hatte es auch böhmischen Gelehrten und Studenten erleichtert, nach Oxford zu gehen.11 Seit Mitte der 90er Jahre tauchten die ersten philosophischen (noch nicht die theologischen) Wycliftraktate bei der jüngeren böhmischen Magistergeneration auf. Den Rahmen der philosophischen Vorstellungen Wyclifs bildete der „Realismus“, wonach die Ideen, die Universalien, unabhängig und „real“ bei Gott existieren. Die Nominalisten, Gegner des Realismus (und Vorläufer der modernen empirischen Wissenschaft) bestritten die unabhängige Realität der Universalien: sie sind nur „Namen“, die wir ihnen geben. Die Prager Professoren (auch die älteren böhmischen) waren gemäßigte Nominalisten. Mit Begeisterung aber übernahmen Hus und die jüngeren böhmischen Magister den Realismus Wyclifs; jetzt konnten sie sich mit einer eigenen philosophischen Position gegenüber den älteren, besonders den deutschen Professoren behaupten und abgrenzen. Schon ein unbekannter Zeitgenosse, allerdings ein Gegner Wyclifs, sah diese Zusammenhänge: „Seit Beginn der Universität Prag […] führten die Böhmen immer etwas gegen die anderen Nationes im Schilde und suchten deswegen immer nach Besonderheiten, um sich 7 Loserth, Johann: Hus und Wyclif. Zur Genesis der hussitischen Lehre, Prag/Leipzig 1884, 2. veränd. Aufl. München/Berlin 1925. 8 Zu den „Vorläufern“ Hussens Hilsch, Johannes Hus, S. 22–27. 9 Hilsch, Johannes Hus, S. 35 f. – Nechutová, Die lateinische Literatur, S. 264–269, 273 f. 10 Zum Folgenden Hilsch, Johannes Hus, Kap.4 (Hus, Wyclif und der Streit der Philosophen), S. 45–57. 11 So z.B. Magister Adalbert Ranconis de Ericinio (Vojtĕch Raňkův z Ježova).

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von den anderen abzusetzen; deswegen ging ein gewisser Mauricius nach Oxford und brachte zuerst von dort die Schriften des Häretikers Wyclif. Dieser Spaltung und diesem Hass stimmten die Böhmen zu und akzeptierten diese Bücher.“12 Erst mit den theologischen Schriften Wyclifs wurden auch seine kirchenkritischen Positionen in Prag bekannt: Für Wyclif war die Bibel schlechthin die Wahrheit, das Fundament des Glaubens. Die Kirche ist die Gemeinschaft der von Gott Erwählten (Prädestinierten), an deren Spitze nicht der Papst, sondern Christus steht. Niemand weiß zu Lebzeiten, wer erwählt oder verdammt ist; auch Priester und Päpste können demnach Verdammte sein. Gibt es dann überhaupt noch einen Grund, kirchliche Autorität anzuerkennen? Wyclif tendierte auch zur Herabsetzung von Sakramenten; Taufe oder Buße garantierten ja nicht die Erwählung. Predigen war für ihn wichtiger als Sakramente spenden. Als Zentrum seiner Häresie begriffen seine Gegner seine Eucharistielehre: Die „Substanz“ von Brot und Wein kann bei der Wandlung nicht verändert werden (das bezeichnete man als „Remanenz“ des Brotes), der Leib Christi wird dem Brot also nur hinzugefügt – diese unkonventionellen Vorstellungen entsprachen seiner „realistischen“ Position. Wie viele andere Kirchenkritiker, aber radikaler, nahm Wyclif auch Anstoß am fehlenden apostolischen Leben der Kleriker, am materiellen Wohlstand der Kirche, an ihrer Korruption und weltlichen Herrschaft. Seine moralische Radikalität gipfelte in der Forderung, die weltliche Gewalt müsse eine sündige Kirche enteignen, um sie zu retten. Schon 1378 waren 18 Thesen Wyclifs von Papst Gregor XI. verurteilt und 1382 von einer Londoner Synode als ketzerisch bezeichnet worden; zwar wurde er von Mitgliedern des Königshauses eine Zeitlang geschützt, musste dann aber doch die Universität Oxford verlassen und starb verbittert, aber friedlich, 1384 in seiner Pfarrei Lutterworth.13 An der Universität Prag entbrannte nun ein heftiger Streit um Wyclif; die Leitfigur der Wyclifiten war der böhmische Magister Stanislaus von Znaim, zu seinen Schülern zählten u.a. Stefan Paletsch und Hus. Aber die Mehrheit der Universität beschloss 1404, niemand dürfe die 45 Artikel Wyclifs lehren oder predigen. Schon im Jahr 1400 war Hus zum Priester geweiht worden,14 das war die Voraussetzung zum Predigen. Aber Hus hat es mit der priesterlichen Lebensweise sehr ernst genommen, niemals konnte man ihm deswegen später Vorwürfe machen. 1402 hatte er schließlich das sein Leben entscheidende Betätigungsfeld gefunden, das zu seiner Lebensaufgabe und zu seinem Schicksal wurde: er wurde zum Prediger an der Bethlehemkapelle bestellt, die einige Jahre zuvor in der Prager Altstadt von dem reichen tschechischen Bürger Wenzel Kříž mit Unterstützung eines königlichen Rates gestiftet worden war, um dem dortigen Mangel an tschechischen Predigten abzuhelfen. Die Kapelle hatte Verbindungen zur böhmischen Universitätsnation.

12 Aus einer Nürnberger Handschrift zitiert von Bartoš, František Michálek: Husitství a cizina [Der Hussitismus und das Ausland], Praha 1931, S. 255. 13 Zu Wyclif Kenny, Anthony: Wyclif, Oxford 1985; Ders. (Hg.): Wyclif in his Times, Oxford 1986; Benrath, Gustav A.: John Wyclif, Doctor evangelicus. In: Köpf, Ulrich (Hg.): Theologen des Mittelalters, Darmstadt 2002, S. 197–211. 14 Zum Folgenden Hilsch, Johannes Hus Kap.5 (Hus wird Prediger), S. 58–75.



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Der seit 1403 amtierende erst 26-jährige Erzbischof Sbinko von Hasenburg hatte zwar von Theologie wenig Ahnung, war aber zunächst eifrig um Kirchenreform bemüht und zog Stanislaus und den Prediger Hus für diese Aufgabe heran. 1405 und 1407 konnte Hus vor dem versammelten hohen böhmischen Klerus die Synodalpredigten halten; das war eine Auszeichnung. In seiner Predigt deutet Hus bereits das Kirchenverständnis Wyclifs an, der eine materielle und eine geistliche Kirche unterschied; er kritisiert heftig den moralischen Verfall des Klerus, die „Hurerei des Leibes und der Seele“, die Habsucht und Herrschsucht der Kleriker, die das Volk auspressen, die fetten Bettelordensmönche, das Versagen der Gelehrten und der Bischöfe in der Reform usw. Seine moralische Standpauke, bei der er allerdings keine Namen nannte, wurde von Erzbischof und den Prälaten ungerührt aufgenommen, Generalvikar Adam lobte ihn sogar für diese Predigt. Die Brisanz von Wyclifs Kirchenverständnis wurde vielleicht nicht bemerkt, interne Kirchenkritik war man gewohnt, offensichtliche Mängel kannte man selbst. Die Kritik blieb in den eigenen Reihen, davon fühlte man sich nicht bedroht.15 Hus hatte neben seinen Universitätsverpflichtungen jährlich etwa 200 Predigten an der Kapelle zu halten, von ihnen sind recht viele erhalten. Die Predigten der vermutlich ältesten Sammlung (Sermones de sanctis) sind zwar trotz etlicher Wyclifzitate theologisch konventionell, aber durchaus reformerisch und kirchenkritisch gehalten und zeigen sein Selbstbewusstsein. Predigen sah Hus als seine gottgewollte Berufung an. Die Freude am Predigen ist seinen Äußerungen immer wieder anzumerken, damit verwirklichte er sich, modern gesprochen, selbst. Rasch wurde er als Prediger bekannt; sogar die Königin Sophie, eine Wittelsbacherin, soll ihn gelegentlich gehört haben. Der Streit um Wyclif ging an der Universität inzwischen weiter.16 Stanislaus hatte in einem Traktat die Remanenz des Brotes in der Eucharistie vertreten, seine Gegner hatten diese häretische Ansicht bekanntgemacht – Stanislaus musste vor einer Kommission des Erzbischofs den Rückzug antreten, seine Gegner aber schürten den Ketzerverdacht gegen ihn weiter und warnten den Erzbischof vor den „pestilenzischen Schriften des Ketzers Wyclif“17. Weitere Magister, welche die Remanenz wirklich oder angeblich vertraten, wurden vom Erzbischof jetzt streng verfolgt. Ihm und den Prälaten kam es darauf an, die häresieverdächtigen Vorfälle in seiner Diözese zu liquidieren; der Verdacht war bereits bis zu Papst Gregor XII. gedrungen. 1408 wiederholte Sbinko sein Verbot der Remanenz und befahl, ihm die Wycliftraktate zur Korrektur der Irrtümer abzuliefern. Ein Ketzerverdacht oder -vorwurf war für die böhmische Kirche die schlimmste damals vorstellbare Bedrohung. Der Erzbischof hatte auch verfügt, dass Prediger nicht in der Volkssprache in ärger-

15 Hilsch, Johannes Hus, S. 71–73. 16 Zum Folgenden Hilsch, Johannes Hus Kap. 6 (Der Kampf um die Remanenz – Der Erzbischof gegen die Wyclifanhänger); S. 76–86. 17 Der böhmische Magister Andreas von Brod in seinem Traktat, von ca. 1407: Kadlec, Jaroslav: Studien und Texte zum Leben und Wirken des Prager Magisters Andreas von Brod (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters NF 22), Münster 1982, S. 125–158, hier S. 128.

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niserregender Weise gegen den Stand der Prälaten und Kleriker predigen dürften, was sich bereits gegen den Bethlehemprediger gerichtet haben könnte. Aus dem Remanenzstreit hielt sich Hus heraus, bis Konstanz vertrat er, zumindest schriftlich, immer die katholische Doktrin der Eucharistie. Er brachte auch seine Wyclifschriften dem Erzbischof. Aber er wurde aktiv, als man einem Prager Priester, der vielleicht von waldensischen Einstellungen beeinflusst war, ein Predigtverbot auferlegte. Nichts fürchtete Hus mehr, als die Einschränkung auch seiner Predigttätigkeit. Heftig protestierte er gegen das Verfahren und damit geriet er in die Schusslinie der Kirche und der Wyclifgegner. Auch der Königshof hatte größtes Interesse, den bedrohlichen Ketzerverdacht gegen Böhmen auszuräumen. König Wenzel forderte daher eine schnelle Beendigung der Untersuchungen, welche die Sache weiter im Gespräch gehalten hätten, und der Erzbischof musste unter diesem Druck feierlich erklären, dass man in der Stadt, dem Bistum und der Kirchenprovinz Prag keinen Häretiker gefunden hätte, eine Äußerung, auf die Hus später immer wieder hinwies. Wenzel selbst teilte dieses Ergebnis den Kardinälen mit, nur „verbrecherische Verleumder“ hätten behauptet, der König selbst habe Ketzer verteidigt. Solche Gerüchte waren also bereits weit über Böhmen hinaus verbreitet worden. Im selben Jahr 1408 kommt es zum ersten direkten Angriff auf Hus. Der Prager Stadtklerus klagt ihn beim Erzbischof an. Hus sei ein Magister der Natio Bohemica, die schon der Häresie verdächtig sei; habe er nicht einmal gesagt, er möchte seine Seele dort wissen, wo die Seele Wyclifs sei? Seine Predigten würden den Klerus beim Volk verhasst machen. Er diffamiere mit den Schlechten auch die Guten. Er habe z.B. erklärt, wer Stolgebühren von Pfarrkindern verlange, sei ein Ketzer. Um Geld ging es den Pfarrern bei ihrem Angriff wohl auch; die vielbesuchte Bethlehemkapelle mit dem charismatischen Prediger hat den anderen Kirchen bei Opfergaben, Schenkungen und Testamenten sicher Einnahmeverluste gebracht. Hus war über die Angriffe empört und suchte sich beim Erzbischof mit einem Memorandum zu rechtfertigen. Angriff wie Antwort zirkulierten in interessierten Kreisen, Hus und die Reformer gerieten nun auch in der Prager Öffentlichkeit in die Auseinandersetzungen. In dieser prekären Situation des Jahres 1408 wurden sie durch kirchenpolitische Entwicklungen gerettet, welche Wyclif und die Remanenz zunächst in den Hintergrund drängten.18 1378 war das große Abendländische Schisma ausgebrochen; zwei Papstkurien bestanden in Rom und Avignon. Die Kirchenspaltung hatte der Kirche Ansehen und 18 Hilsch, Johannes Hus Kap.7 (Das Kuttenberger Dekret 1409), S. 87–102. – Die Vorträge einer zum Gedenken an den Erlaß des Dekrets im Januar 2009 im Collegium Carolinum der Prager Universität veranstalteten Internationalen Konferenz zum Thema „Univerzity, zeměpáni a zemské církve: Dekret kutnohorský (1409) v kontextu doby od založení Univerzity Karlovy (1348) do Augšpurského náboženského míru (1555)“ [Universitäten, Landesherren und Landeskirchen. Das Kuttenberger Dekret (1409) im Kontext der Zeit von der Gründung der Karlsuniversität (1348) bis zum Augsburger Religionsfrieden (1555)], sind vor kurzem im Druck erschienen: Zilynská, Blanka (Hg.): Universitäten, Landesherren und Landeskirchen: Das Kuttenberger Dekret von 1409 im Kontext der Epoche von der Gründung der Karlsuniversität 1348 bis zum Augsburger Religionsfrieden (1555) (Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis XLIX, 2009, Fasc. 2), Praha 2010.



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Glaubwürdigkeit gekostet. Man denke nur an die gegenseitige Verfluchung der beiden Päpste oder die notwendige Finanzierung zweier teurer päpstlicher Höfe. König Wenzel, zunächst wie die Mehrheit der Reichsfürsten auf Seiten des römischen Papstes, hatte gegen das Schisma nichts unternommen; er ist als deutscher König durch die rheinischen Kurfürsten im Jahr 1400 abgesetzt worden. Niemals hatte er diese Absetzung anerkannt. Als sich nun die Kardinäle beider Päpste aufrafften, im Jahr 1409 in Pisa ein Konzil zur Überwindung des Schismas einzuberufen und dort einen neuen Papst zu wählen, sah Wenzel eine Chance: er versprach den Kardinälen, den neuen Papst anzuerkennen, wenn sie ihn wiederum als römisch-deutschen König anerkennten. Doch weigerte sich die böhmische Kirche und die drei deutschen Universitätsnationen, den römischen Papst zu verlassen. Nur die böhmische Natio stellte sich auf die Seite des Königs, um endlich an der Universität das Übergewicht zu bekommen. Das ist die Vorgeschichte für das bekannte Kuttenberger Dekret von 1409, das der böhmischen Natio 3 Stimmen, den 3 anderen („deutschen“) Nationes nur 1 Stimme verlieh; das hatte den Auszug von 700–800 der deutschen Professoren und Studenten zur Folge. Sie waren es, die nun oft in Leipzig, Heidelberg oder sonst im Reich Stimmung gegen das „häretische Böhmen“ machten. Der erkrankte Hus war nicht der Hauptinitiator des Dekrets, sondern sein Freund, der Jurist Johann von Jessenitz. Aber Hus freute sich in der Bethlehemkapelle öffentlich sehr darüber, dass sie nun endlich die deutschen Magister aus der Universität verdrängt hatten; gegen die Anwesenheit der deutschen Studenten und Bakkalare hatte er offenbar nichts. Dass die Prager Universität durch den Auszug einen großen personellen und fachlichen Verlust erlitt, wurde ihm schnell bewusst, als er 1409/10 zum Rektor gewählt wurde.19 Das Konzil von Pisa war ein Fehlschlag; ein neuer Pisaner Papst wurde zwar mit Zustimmung auch der böhmischen Gesandtschaft gewählt, aber die alten Päpste traten nicht zurück; nun hatte man drei Päpste. Der Erzbischof von Prag verhängte das Interdikt über die Stadt; erste Unruhen brachen auf, durch Scharfmacher wie den Genossen Hussens, den Magister Hieronymus von Prag, geschürt, die geistliche und weltliche Autorität verfielen. Erst der offizielle Übertritt Sbinkos vom römischen auf die Seite des Pisaner Papstes 1410 beendete die Unruhen. Es gelang ihm jedoch schnell, auch diesen Papst, der nun über die größte Obödienz verfügte, auf seine Seite zu ziehen. Eine päpstliche Bulle erklärte, Verteidiger Wyclifs seien als Ketzer zu betrachten und sie verbot alle Volkspredigten, die nicht in regulären Kirchen gehalten würden – das war genau auf Hus und die Bethlehemkapelle gemünzt. Sofort appellierte er an den Papst, um ihn besser zu informieren. Über das Predigtverbot aber setzte er sich hinweg; das wurde für ihn zur entscheidenden Wende. Der Erzbischof seinerseits beschloss, die irrigen Traktate Wyclifs verbrennen zu lassen, die Universität protestierte dagegen und appellierte mit Hus, der nun als Führer der Bewegung erscheint, an der Kurie dagegen. Der Bethlehemprediger nahm jetzt kein Blatt mehr vor den Mund, er bezichtigte etwa den Papst der Lüge. Nach dem Predigtverbot hatte er sich für den Widerstand entschieden und fand auch beim Volk, das ihm zuhörte, Zustimmung. Zum ersten Mal sprach er von der Bedrohung seines Lebens durch einen möglichen Kirchenbann. 19 Dazu und zum Folgenden Hilsch, Johannes Hus, Kap.8 (Hus als Universitätsrektor – Die Bücherverbrennung), S. 103–115.

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Der König, der lieber auf seinen Burgen saß und keine Lust hatte, sich mit den Prager Streitereien zu befassen, forderte den Erzbischof vergeblich auf, die Bücherverbrennung zu verschieben. Von außerhalb Prags schleuderte Sbinko schließlich den Kirchenbann gegen die „ungehorsamen Rebellen“. Das Volk in Prag zerfiel in zwei Parteien, wieder begannen Unruhen. Hus stellte in seinen Predigten soziale Gesichtspunkte im Verhältnis der einfachen Menschen zur reichen Kirche stärker in den Vordergrund. Aber andere Vertreter der Reformbewegung wie Jakobellus von Mies, Simon von Tischnov oder Hieronymus von Prag mit seinen spektakulären Aktionen verhielten sich radikaler als er. Der Erzbischof, in Böhmen nun in der Defensive, betrieb seinen Kampf an der Kurie weiter.20 Die verwickelte Geschichte des Prozesses, das Vorgehen der Ankläger und Verteidiger kann hier nicht im Einzelnen geschildert werden. Hus wurde an die Kurie zitiert, um sich dort zu verantworten. Er folgte der Vorladung nicht; wie er angab, wegen der Lebensgefahr, die ihm auf der Reise von Seiten der Deutschen drohen würde. Der mit dem Prozess beauftragte Kardinal Oddo Colonna (der spätere Papst Martin V.) belegte Hus 1411 schließlich wegen Nichterscheinens mit dem Kirchenbann. Noch hielt der Königshof seine Hand über die Reformer; die Forderung Wyclifs nach Enteignung einer sündigen Kirche, die man dem König vielleicht nahegebracht hatte, dürfte er wohl nicht ungern gehört haben. Mit der Enteignung begann er auch, natürlich mit einer völlig anderen Begründung. Er ließ 1411 Güter der Geistlichen konfiszieren, die das Königreich Böhmen als häretisch verleumdeten, darunter auch Besitz der Kanoniker der Prager Kirche und des Allerheiligenstifts. Erzbischof Sbinko floh aus Prag und starb im selben Jahr auf der Flucht. Die Auseinandersetzung mit der böhmischen Kirche, welche gegen den Willen des Hofes ständig die Ketzergefahr thematisierte, und das materielle Interesse des Königs am Kirchenbesitz, der etwa ein Drittel des gesamten Landes (und damit wesentlich mehr als in den Nachbarländern) umfasste, waren es, die jetzt den Reformern zugute kamen. In der Literatur wird auch eine Reihe von Briefen des Königs, der Königin, der Barone, der Universität und der Prager Städte an den Papst als Belege für die Hus zugeneigte geschlossene Haltung am Hof und im Königreich gewertet; in ihnen wird gefordert, die Vorladung Hussens an die Kurie, das Predigtverbot und das Gebot der Bücherverbrennung zurückzunehmen. Nach neuerer und, wie ich glaube, überzeugender Auffassung von Anežka Vidmanová und Božena Kopičková handelt es sich jedoch um fingierte Texte,21 auch wenn in diesem Briefcorpus reale Zusammenhänge überliefert sein könnten. Eine reform- und husfreundliche Fraktion am Hof gab es zweifellos und die königliche Gesandtschaft in Rom könnte sich in diesem Sinne auch für Hus eingesetzt haben.

20 Zum Folgenden Hilsch, Johannes Hus, Kap.9 (Der Husprozess an der Kurie 1410/1411) und Kap. 10 (Auf dem Höhepunkt öffentlicher Wirksamkeit), S. 116–159. – Zur Causa Hus an der Kurie jetzt auch Kejř, Jiří: Husův proces [Der Hus-Prozess], Praha 2000, S. 52–96; Ders., Die Causa Johannes Hus und das Prozessrecht der Kirche, Regensburg 2005, S. 47–89. 21 Vidmanová, Anežka/Kopičková, Božena: Listy na Husovu obranu z let 1410-1412. Konec jedné legendy? [Die Verteidigungsbriefe für Hus 1410–1412. Das Ende einer Legende?], Praha 1999.



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Dort ging der Prozess weiter. Die angebliche Enteignungsgefahr und die damit verbundenen kirchlichen Bedrohungsängste wurden von dem aus Böhmen stammenden päpstlichen Prokurator Michael de Causis, einem Hauptfeind Hussens, natürlich auch benutzt, um den kurialen Prozess in seinem Sinne zu beeinflussen. Der Umschwung zu Ungunsten der Reformbewegung in Böhmen erfolgte aber erst durch den Ablass, den Papst Johannes XXIII. 1412 gegen einen christlichen Fürsten, König Ladislaus von Neapel, den Förderer eines anderen Papstes, ausgerufen hatte.22 Wenzel benötigte den Papst in Rom und unterstützte den Ablass. Denn er plante nach dem Tod seines Rivalen, König Ruprechts, und der Wahl seines jüngsten Halbbruders Sigmund zum römisch-deutschen König einen Romzug, um sich dort zum Kaiser krönen zu lassen. Vielleicht profitierte er auch selbst finanziell vom Ablass. Wie viele andere hatte sich auch Hus schon früh gegen Missbräuche im Ablasshandel ausgesprochen und wandte sich jetzt heftig gegen die Finanzierung eines Kriegs gegen einen Christen. Der König aber verbot jegliche Störung des Ablasshandels. Es war die größte Enttäuschung im Leben Hussens, dass sich die einst führenden Wyclifiten, sein Lehrer Stanislaus von Znaim und sein Freund Stefan Paletsch auf die Seite seiner Gegner, auf die Seite der „Verräter der Wahrheit“ stellten. Die Angst vor dem König und die Erfahrung eines Aufenthalts in einem päpstlichen Kerker in Bologna sah er wohl zurecht als Motive der beiden ehemaligen Reformer an. Aber bei ihnen mag auch die Einsicht mitgespielt haben, das Reformprogramm ohne Rückhalt am Hof nicht fortsetzen zu können, und die Sorge um die zunehmende Radikalisierung eines Teils der Bewegung. Hus aber konnte nicht mehr zurück; unablässig predigte er gegen die Ablässe. Aber als zwei junge Männer, die in Prager Kirchen lautstark gegen den Ablass protestiert hatten, vom Altstädter Rat hingerichtet und damit zu den ersten Märtyrern der Bewegung wurden, erschrak auch er. Im Oktober 1412 wurde der verschärfte kuriale Kirchenbann gegen ihn in Prag verkündet und ein Interdikt angedroht. Hus wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als durch eine Appellation an Christus; kirchenrechtlich ein Fehler, für den er noch in Konstanz verlacht wurde, denn Christus war keine Appellationsinstanz im kanonischen Prozess.23 Nach einem überwiegend von Prager Deutschen ausgeführten Überfall während einer Predigt in der Kapelle wurde Hussens Stellung in Prag unhaltbar24. Er verließ die geliebte Stadt. Er hielt seine Aufenthaltsorte geheim, um sie vor dem Interdikt zu schützen. Zwar kehrte er noch einige Male kurz nach Prag zurück, aber mehrere Ausgleichsversuche zwischen den Theologen und den Husanhängern scheiterten. Der König, der sich weder als Kirchenreformer noch als national-tschechischer Herrscher sah, hielt sich lieber auf seinen Burgen auf, ging auf die Jagd und sprach dem Alkohol zu; er hatte die fruchtlosen Streitigkeiten satt und verbannte sowohl Hus wie auch die führenden 22 Dazu Hilsch, Johannes Hus, Kap.11 (Der Kampf um den Ablass – Hus verliert den Schutz des Königs), S. 160–175. 23 Dazu jetzt Kejř, Jiří: Husovo odvolání od soud papežova k soudu Kristovu [Hussens Appellation vom päpstlichen Gericht an das Gericht Christi], Ústí nad Labem 1999. 24 Zum Folgenden Hilsch, Johannes Hus, Kap.12 (Hus verlässt Prag), S. 176–188, 13 (In der Verbannung I/Der letzte Ausgleichsversuch), S. 189–207, und 14 (In der Verbannung II/Das Volk), S. 208–221.

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Theologen aus dem Land. Seit Juli 1413 hielt sich Hus über ein Jahr im ländlichen Exil auf Burgen oder in Städtchen befreundeter böhmischer Adliger im Süden des Landes auf, die ihn vor möglichen Angriffen seiner Gegner oder der kirchlichen Hierarchie schützten; ein großer Teil des Adels neigte inzwischen der Reformbewegung zu. Hus vermisste Prag und seine Freunde, aber er konnte auch hier predigen. Er predigte in Städten, unter Burgen, unter den Linden, auf dem Feld und im Wald. Zahlreiche lokale Traditionen identifizierten später viele Linden, unter denen er gepredigt haben sollte. In der Verbannung entstand der Hauptteil seiner schriftstellerischen Werke, 1/4 davon in tschechischer Sprache. Damit kompensierte er die Einschränkungen seiner Predigttätigkeit. Zu erwähnen sind die Sammlung tschechischer Predigten für die Sonntage des Kirchenjahres und die tschechischen Auslegungen (Výklady) der zentralen christlichen Texte (Glaubensbekenntnis, Zehn Gebote und Vaterunser), meist Bearbeitungen von entsprechenden Werken Wyclifs. Sie zeigen Hussens pädagogisches Geschick und seine Zuneigung zur einfachen Bevölkerung. Die lateinischen Schriften gegen die Simonie, gegen Stanislaus von Znaim, Stefan Paletsch und die Theologen sind dagegen sehr polemisch gehalten. Sein bedeutendstes Werk ist De ecclesia (Über die Kirche), das wichtigste Dokument der böhmischen Reformbewegung vor dem Konstanzer Konzil. Auch De ecclesia verdankt Wyclifs gleichnamigem Traktat viel, ist aber systematischer aufgebaut. Hussens Bild der Kirche und sein Widerstand speist sich wohl, so könnte man zusammenfassend feststellen, aus drei Quellen: 1. aus dem Werk John Wyclifs, 2. aus seiner glaubwürdigen Empörung über die Sündhaftigkeit und Verlogenheit des Klerus und der Kirche und 3. aus seinem eigenen Lebensschicksal, in dem das Verbot der Predigt, das Problem des Gehorsams und seine Enttäuschung über die ehemaligen Freunde entscheidende Faktoren waren.25 Der 1410 neugewählte römisch-deutsche König Sigmund, schon seit 1387 ungarischer König, wurde indes im drängenden Problem des großen Schismas tätig. Mit Johannes XXIII., dem Papst der größten Obödienz, einigte er sich auf das Konzil in Konstanz.26 Dieses setzte sich drei Aufgaben: die Einheit der Kirche (causa unionis), die Kirchenreform (causa reformationis) sowie die Sache des Glaubens (causa fidei), unter der in erster Linie das Problem der böhmischen Häresie verstanden wurde. Da Sigmund als präsumptiver Nachfolger König Wenzels größtes Interesse an einem böhmischen Königreich ohne Ketzerverdacht hatte, aber auch wusste, dass ein beträchtlicher Teil des böhmisch-mährischen Adels der Reformbewegung nahestand, lud er Hus auf das Konzil und gab ihm dazu freies Geleit. Er nahm wohl an, dass sich Hus als rechtgläubig erweisen oder aber widerrufen würde.

25 Hilsch, Johannes Hus, Kap. 15 (Die Kirche des Johannes Hus), S. 222–234. – Zu Hussens Kirchentraktat jetzt auch Moskal, Krzysztof: „Aby lud był jeden ...“ Eklezjologia Jana Husa w traktacie De ecclesia [„Damit das Volk eins sei ...“ Die Ekklesiologie des Jan Hus im Traktat De ecclesia], Lublin 2003. 26 Brandmüller, Walter: Das Konzil von Konstanz 1414–1418, Bd. I: Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne (Konziliengeschichte, Reihe A: Darstellungen), Paderborn/München/Wien/ Zürich 21999, hier S. 323–363 (Der Prozeß gegen Wyclif und Hus).



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Warum ging Hus trotz der Warnungen einiger Freunde nach Konstanz? Wir haben keine Äußerung von seiner Seite dazu. Er hatte Todesahnungen, die er aber wieder verdrängte. Nahm er mit einer gewissen Naivität an, mit dem Konzil wie an der Universität disputieren und damit auch seine Position, von der er fest überzeugt war, rechtfertigen zu können? Er vertraute auch dem Geleitbrief. Vielleicht schien ihm zudem das Leben in der ländlichen Verbannung ohne Prag und seine Freunde allmählich unerträglich, vielleicht erhoffte er sich in Konstanz eine Klärung für sein künftiges Leben. Im Oktober 1414 brach er mit einem größeren Gefolge auf, darunter zwei Rittern Sigmunds, die zu seinen Freunden wurden.27 Die Reise durch Deutschland verlief erfreulich, überall wurde Hus mit Interesse und meist freundlich aufgenommen; in Konstanz quartierte er sich bei der Witwe Fida in der heutigen Husgasse ein. Nach einigen Wochen wurde er trotz heftiger Proteste seiner Begleiter von den Konzilsvätern im Dominikanerkloster eingekerkert. Als König Sigmund, der noch nicht in Konstanz war, dies erfuhr, soll er zornig ausgerufen haben, er werde Hus befreien und wenn er persönlich die Türen des Kerkers aufbrechen müsste. Aber als er zu Weihnachten 1414 in der Stadt eintraf, fügte er sich den Kardinälen; denn das Konzil wollte er nicht aufs Spiel setzen. Das Konstanzer Verfahren gegen Hus28 ist nicht restlos aufzuklären, da die Gerichtsprotokolle fehlen. Der fundamentale Unterschied der Auffassungen ist jedoch deutlich: Hus wollte vor dem Konzil sein Verständnis von Kirche und Christentum verteidigen und diskutieren, die Konzilsjuristen aber wollten nur den schon an der Kurie begonnenen Prozess zu Ende bringen. Hus litt im Kerker, er wurde krank; von den Mitgliedern der Kommission, die sich mit seinem Fall beschäftigten, wurde er dort mehrmals besucht und vernommen. Der König erreichte immerhin, dass er in einen angenehmeren Raum untergebracht wurde, wo er auch schreiben konnte. Seine Briefe an seine Konstanzer und böhmischen Freunde wurden von seinen Wärtern, mit denen er sich gut verstand, hinausgeschmuggelt. Sie gestatten anrührende Blicke in seinen Seelenzustand, der je nach der Entwicklung des Konzils optimistisch, pessimistisch oder gefasst war. Hoffnung schöpfte er besonders, als das Konzil Anfang 1415 einen dramatischen Verlauf nahm und Papst Johannes XXIII. aus der Stadt floh, um dadurch das Konzil aufzulösen. Denn Johannes hatte erwartet, vom Konzil als Oberhaupt der Kirche bestätigt zu werden, doch setzte sich bei den Konzilsvätern der Weg des Rücktritts aller drei Päpste (die via cessionis) als Lösung des Schismas durch. Jetzt aber dachte der König nicht daran, Hus freizulassen, denn gerade mit dem Fall einer Ketzerei konnte er das gefährdete Konzil weiter beschäftigen und dieses sich selbst gegen den Papst als rechtgläubig rechtfertigen. Sigmund war der Erfolg der Kirchenversammlung für sein Prestige überaus wichtig, auch konnte nur eine geeinte Kirche ihm Hilfe für den Kampf gegen die auf dem Balkan vordringenden Osmanen bieten. Demgegenüber war ihm nun „die Sache Hus und andere Kleinigkeiten“, wie er einmal sagte, und sein

27 Zur Reise nach Konstanz Hilsch, Johannes Hus, S. 246 f. 28 Hierzu Hilsch, Johannes Hus, Kap. 17 und 18, S. 248–283. - Zur Causa Hus in Konstanz jetzt auch Kejř, Husův proces, S. 137–199; Ders., Die Causa Johannes Hus, S. 126–184.

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Geleitversprechen zweitrangig. Das Konzil erklärte, einem Ketzer müsse man ohnehin kein Geleit halten.29 Hus wurde vom Konstanzer Bischof Otto auf seiner Burg Gottlieben wieder in schwere Kerkerhaft gebracht. Immerhin erreichte der König, mehrmals durch Briefe des böhmisch-mährischen Adels gedrängt, dass das Konzil Hus drei Audienzen gewährte. Die wichtigste Quelle für die Audienzen und Hussens weiteres Schicksal sind neben seinen eigenen Briefen die Berichte des Peter von Mladoniowitz, der ihn allerdings bereits zu einem Märtyrer zu stilisieren begann. Bei den Audienzen, teilweise in Anwesenheit des Königs, durfte sich Hus äußern, wurde dabei aber oft unterbrochen und auch verlacht. Vorgeworfen wurde ihm, er habe an der Universität und in der Bethlehemkapelle Häresien des Wyclif und eigene Ketzereien, besonders die Remanenz gelehrt, sich der Verdammung der 45 Wyclifartikel widersetzt, zu Gewalt gegen seine Gegner aufgerufen, einen Zwiespalt zwischen Volk und Prälaten geschaffen, er sei ferner schuld an der Vertreibung von Magistern aus Prag und schuld an Raub und Gotteslästerung. Ein zusätzlicher Vorwurf war der inzwischen in einigen Prager Kirchen eingeführte obligatorische Laienkelch, ein Werk vor allem des Jakobellus von Mies, den Hus vor seiner Abreise von einem überstürzten Vorgehen in dieser Sache noch abhalten wollte. Er war kein Gegner der Darreichung des Kelchs an die Laien, aber für die Heilsnotwendigkeit dieses Vorgehens hatte er nicht plädiert.30 Hus suchte sich zu verteidigen, formulierte vorsichtig und milderte manche seiner Thesen ab, etwa bei der Frage der Gültigkeit von Sakramenten, die durch sündige Priester gespendet würden oder beim Besitz der Kleriker: er selbst habe ja Besitz. Andere Vorwürfe bestritt er, nicht alle der 45 Artikel Wyclifs seien ja unter Ketzerverdacht. Einen Widerruf von Irrtümern, die er nie vertreten habe (wie der Remanenz), lehnte er ab; andere wolle er widerrufen, wenn man ihn belehre, dass sie irrig seien. Konzil und König wollten aus Hus keinen Märtyrer machen und suchten ihn zum Widerruf zu bewegen; man kam ihm bei der Formulierung des Widerrufs entgegen. Letztlich aber bestand das Konzil darauf. Einige Briefe Hussens zeugen von seinen Anfechtungen und seiner Todesangst in dieser Lage. Aber schließlich war er mit sich im Reinen: er lehnte den Widerruf ab. Von seiner Hochschätzung Wyclifs, von seinem Kirchenbild, von der von ihm erkannten Wahrheit wich er nicht ab. Konnte er seine Freunde in Böhmen, die ihn zur Standhaftigkeit mahnten, konnte er sein Lebenswerk im Stich lassen? Auch nach einem Widerruf hätte er sicher nicht nach Böhmen zurückkehren, niemals mehr hätte er predigen dürfen; er wäre wohl in Klosterhaft genommen worden. In der feierlichen Konzilssession im Konstanzer Münster wurde am 6. Juli 1415 unter Vorsitz des Königs das Urteil verlesen. Da Hus hartnäckig Irrtümer und Häresien des Wyclif verteidigt und gepredigt habe, verdammt das Konzil alle seine Schriften und erklärt ihn zu einem Ketzer. Auch seine Verachtung des Kirchenbanns, seine Appellation an Christus ohne Beachtung der kirchlichen Mittlerfunktion und die Verführung des Volkes in Böhmen werden genannt. Hus wurde dann seiner priesterlichen Kleidung und Insignien 29 Zur Geleitfrage auch Kejř, Husův proces, S. 150–153; Ders., Die Causa Johannes Hus, S. 138– 141. 30 Dazu auch Kejř, Husův proces, S. 148–150; Ders., Die Causa Johannes Hus, S. 137 f.



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entkleidet, die Ketzermütze aufgesetzt. Wie üblich wurde der verurteilte Ketzer dem weltlichen Arm übergeben. Noch auf dem Scheiterhaufen hätte er widerrufen können, ein Text war dafür vorbereitet worden. Nach dem Feuertod wurde die Asche des Toten in den Rhein gestreut, um keinerlei Reliquien zu hinterlassen. War der Reformer Hus eine Bedrohung für Kirche und Reich? Wenn wir unser heutiges Kirchenverständnis zugrundelegen, müsste die Antwort Nein lauten: ecclesia semper reformanda! Seine Angriffe gegen Simonie und das Konkubinat der Geistlichen wurden auch innerhalb der Kirche für richtig gehalten. Die Vorstellung der Remanenz in der Eucharistie, die wohl das zentrale und das Priestertum legitimierende Sakrament in der Kirche war (und ist), hatte er immer bestritten. Warum wurde sie dann so in das Zentrum des Prozesses gestellt? Die Konzilsväter und die hohen Prälaten fürchteten wohl vor allem den Angriff auf die Hierarchie, der auf dem Wyclifschen Kirchenverständnis beruhte, den Angriff auf die ideologische Oberhoheit, die Machtposition und das Eigentum der Kirche. Dazu kam, dass Hus seine Thesen in die breite Bevölkerung aller sozialen Schichten, auch in den Hochadel und an den Königshof verbreitet hatte. Hus war allerdings in diesen Fragen gemäßigter als Wyclif und es hätte sich (aus unserer Sicht) eine andere Lösung finden lassen. Jemanden zum Ketzer zu erklären, war für die Konzilsjuristen letztlich keine theologisch zu diskutierende, sondern eine juristische Frage. Da genügte es schon, nachzuweisen, dass Hus Thesen Wyclifs vertrat, die bereits früher einmal und vom Konzil selbst erneut als häretisch verurteilt worden waren. Der König fürchtete wohl den Ketzerverdacht, der ihn, wäre er bestätigt worden, in der damaligen Situation im Abendland politisch isoliert und natürlich letztlich die Herrschaft gekostet hätte; die böhmisch-mährischen Barone verwahrten sich, mit nationalen Tönen, auch gegen die aus dem Verdacht entstehende Missachtung Böhmens. Die konkreten Thesen Wyclifs, seine Angriffe auf die Kirche störten Adel und König eigentlich nicht; die Enteignungsvorschläge kamen ihren unausgesprochenen Wünschen sogar entgegen. Hus hatte an der Entstehung der hussitischen Bewegung, an der späteren „Revolution“, keinen persönlichen Anteil – Hus war kein „Hussit“31. Aber sein Tod auf dem Scheiterhaufen, der sein Wirken zu Lebzeiten beglaubigte, wurde zum entscheidenden Anstoß dieser Entwicklung und ließ ihn später zu einem protestantischen „Märtyrer“ werden.32

31 Zu den Wurzeln, dem Verlauf und den Folgen der hussitischen Revolution jetzt das grundlegende Werk von Šmahel, František: Die Hussitische Revolution, 3 Bde, Hannover 2002. 32 Hilsch, Peter/Pešek, Jaroslav: Johannes Hus. Leben/Verehrungsgeschichte, in: Samerski, Stefan (Hg.): Die Landespatrone der böhmischen Länder. Geschichte – Verehrung – Gegenwart, Paderborn/München/Wien/Zürich 2009, S. 275–286 bzw. 287–296.

Dušan Coufal Der Laienkelch im Hussitentum Neue Quellen zu Johann Rokycanas Verteidigung des Laienkelchs auf dem Basler Konzil im Januar 1433 Die Verteidigung des Laienkelchs, die Magister Johann Rokycana (Jan Rokycana) († 1471) in mehreren Abschnitten am 16., 17. und 19. Januar 1433 vor der Plenarversammlung des Basler Konzils vortrug, gehört zweifellos zu den bemerkenswertesten Zeugnissen utraquistischen Denkens, und zwar allein schon aufgrund der außergewöhnlichen Umstände ihrer Entstehung.1 Die Ausführungen Rokycanas verdanken ihre Bekanntheit vor allem der Tatsache, daß sie bereits im 18. Jahrhundert zweimal ediert wurden. Diese beiden Editionen dienen der Forschung nach wie vor als Textgrundlage. Im folgenden Beitrag möchte ich jedoch zeigen, daß der Text der Rede Rokycanas ein von der bisherigen Forschung nicht wahrgenommenes Potential birgt, das sowohl eine gründlichere Interpretation der Rede selbst als auch eine präzisere Bestimmung ihres Verhältnisses zu früheren utraquistischen Texten erlaubt. Zunächst soll allerdings der historische Entstehungskontext der Rede Rokycanas skizziert werden. Inhaltlich gehört Rokycanas Traktat zu der relativ umfangreichen apologetischen Literatur, die im Böhmen des 15. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Theologie und der liturgischen Praxis des Utraquismus entstand, also der Kommunion unter beiderlei Gestalt, bei der Brot und Wein gleichermaßen den Laien wie den Priestern gereicht wurde. Die frühesten utraquistischen Texte stammen aus dem Jahr 1414, wobei die jüngsten Forschungen der Brünner Historikerin Helena Krmíčková den Nachweis erbracht haben, daß der eigentliche Urheber der Theorie und Praxis des Laienkelchs Jacobellus von Mies (Jakoubek ze Stříbra) war, ein Baccalar der Theologie, der dem Kreis um Johann Hus (Jan Hus) angehörte.2 Aufgrund seiner Beschäftigung mit historischen und theologischen Texten, insbesondere der Regulae Veteris et Novi Testamenti des Matthias von Janov (Matěj z Janova), gelangte Jacobellus als erster zu der Überzeugung, daß die Kommunion unter 1 Leben und Werk des Johann Rokycana sind bisher nicht monographisch bearbeitet worden. Einen Überblick über die Forschung gibt Boubín, Jaroslav: Jan Rokycana. Poznámky k „druhému životu“ husitského arcibiskupa, in: Vědecká konference o životě, díle a historickém významu Mistra Jana z Rokycan (Sborník Muzea Dr. Bohuslava Horáka, Rokycany. Suppl. Historie 3/1997), Rokycany 1997, S. 1–19. – Die grundlegende Arbeit ist nach wie vor Heymann, Frederick G.: John Rokycana – Church Reformer between Hus and Luther, in: Church History 28 (1959), S. 240–280. 2 Vgl. Krmíčková, Helena: Studie a texty k počátkům kalicha v Čechách (Spisy Masarykovy univerzity v Brně, Filozofická fakulta 310), Brno 1997. Sie setzt sich kritisch mit fünf verschiedenen Theorien zu den Anfängen des Laienkelchs auseinander. Die Arbeit enthält ferner Editionen von Traktaten des Jacobellus von Mies, Nicolaus von Dresden, Peter Payne und des Predigers der Prager Bethlehem-Kapelle, Gallus (Havlík). – Zu Person und Werk des Jacobellus von Mies vgl. jetzt: Halama, Ota/Soukup, Pavel (Hgg.): Jakoubek ze Stříbra. Texty a jejich působení, Praha 2006; ferner: Mareš, Zdeněk: L’ecclesiologia Calistina di Jacobello da Misa (1373–1429), Roma 1997.

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beiderlei Gestalt allen Gläubigen nützlich, förderlich, ja sogar zum Heil notwendig sei.3 H. Krmíčková legte auch mit überzeugenden Argumenten eine neue Chronologie der Anfänge des Laienkelchs vor. Demnach entstand Jacobellus‘ erste grundlegende theoretische Abhandlung über den Laienkelch, eine universitäre Quaestio mit dem Incipit Quia heu in templis, bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1414. Zur utraquistischen Praxis kam es vermutlich im September desselben Jahres, kurz nachdem Jacobellus‘ radikaler Mitstreiter Nikolaus von Dresden in einem Sermo ad clerum mit dem Incipit Nisi manducaveritis zur Einführung des Laienkelchs aufgerufen hatte. Neu ist daran also der Nachweis, daß der Laienkelch aller Wahrscheinlichkeit nach in Böhmen bereits in Theorie und Praxis bekannt war, bevor Hus am 11. Oktober 1414 nach Konstanz aufbrach.4 Das Dekret des Konstanzer Konzils vom 15. Juni des folgenden Jahres, in dem der Laienkelch verboten wurde, bedeutete jedoch einen schweren Rückschlag für die Utraquisten und ihre Versuche, die Kirchenleitung von der Rechtgläubigkeit ihres Anliegens zu überzeugen.5 Von diesem Zeitpunkt an, und insbesondere nach der Hinrichtung des Johann Hus, kam es für die Utraquisten entscheidend darauf an, eine freie Anhörung mit dem Ziel der Revision des Konzilsdekrets zu erreichen.6 Der erste bezeugte Versuch einer Verständigung zwischen Vertretern der beiden gegnerischen Seiten war das Streitgespräch mit den ungarischen Doktoren vor König Sigmund in Kuttenberg im Mai 1420.7 Zu diesem Zeitpunkt war der Laienkelch allerdings bereits zum integralen Bestandteil eines Forderungskatalogs der hussitischen Bewegung geworden, nämlich der programmatischen Vier Prager Artikel.8 Selbst während des Verlaufs der Hussitenkriege wurden von der böhmischen 3 Vgl. Krmíčková, Studie (wie Anm. 2), S. 120–123. 4 Vgl. Krmíčková, Helena: Jakoubkova utrakvistická díla z roku 1414, in: Halama/Soukup (Hgg.), Jakoubek (wie Anm. 2), S. 171–180. – Dies., Utraquism in 1414, in: Holeton, David R. (Hg.): The Bohemian Reformation and Religious Practice. Vol. 4: Papers from the IV. International Symposium on The Bohemian Reformation and Religious Practice under the auspices of The Philosophical Institute of the Academy of Sciences of the Czech Republic held at Vila Lanna, Prague 26–28 June 2000, Prague 2002, S. 99–106. – Krmíčková, Helena: Příspěvek k edici kázání Mikuláše z Drážďan Sermo ad clerum Nisi manducaveritis, in: Listy filologické 123 (2000), 298–299. – Dies., K pramenům Husovy kvestie De sanguine Christi sub specie vini, in: Sborník prací Filosofické fakulty brněnské university C 45 (1998), S. 79–102. – Dies., Studie (wie Anm. 2), insbesondere S. 26–31. 5 Der Text des Dekrets ist ediert in: Denzinger , Heinrich (Hg.): Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Entscheidungen = Enchiridion, Freiburg im Breisgau u. a. 371991, S. 1198–1199. – Rokycana selbst sah in dem Dekret rückblickend den Auslöser der Hussitenkriege, vgl. Prokeš, Jaroslav: M. Prokop z Plzně. Příspěvek k vývoji konservativní strany husitské (Husitský archiv 3), Praha 1927, S. 60, Anm. 241 (dort Nachweis der Quelle). 6 Zur utraquistischen Polemik von 1417 gegen das Konzil vgl. jetzt Coufal, Dušan: Výklad a autorita bible v polemice mezi Janem Gersonem a Jakoubkem ze Stříbra z roku 1417, in: Listy filologické 131 (2008), Nr. 1–2, S. 45–72. 7 Vgl. Cook, William R.: The Kutná Hora Meeting of 1420. A Last Attempt to Preserve Peace in Bohemia, in: Communio viatorum 4 (1974), S. 183–191. 8 Vgl. Šmahel, František: Die Vier Prager Artikel. Das Programm der hussitischen Reformation, in: Eberhard, Winfried/Machilek, Franz (Hgg.): Kirchliche Reformimpulse des 14./15. Jahr-



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Seite mehrere Versuche unternommen, den Laienkelch und die übrigen drei Artikel vor einem Forum von Theologen und möglichst auch Laien zu verteidigen (so auf der Prager Kleinseite 1420, in Krakau 1421, in Žebrak (Žebrák) 1427, in Preßburg 1429, wieder in Krakau 1431).9 Aber erst das Scheitern des Kreuzzugs Giuliano Cesarinis bei Taus (Domažlice) im August 1431 und die anschließende Einladung einer hussitischen Delegation auf das Basler Konzil brachte Bewegung in die Verhandlungen.10 Damals war Jacobellus von Mies bereits gestorben, und die zweite Generation utraquistischer Theologen um Rokycana trat in den Vordergrund. Da Rokycanas Rede einen Höhepunkt des jahrelangen, auf theologischer ebenso wie auf militärischer Ebene ausgefochtenen, Kampfes um den Laienkelch darstellte, wäre zu erwarten, daß dieser Text nicht nur das Interesse der Zeitgenossen erregt, sondern auch in der modernen Forschung ganz besondere Beachtung gefunden hätte. Ein Blick auf die Forschungsgeschichte der letzten anderthalb Jahrhunderte zeigt allerdings, daß dies mitnichten der Fall ist. Bis zum Jahr 1949 findet sich in der Fachliteratur nichts, was den Ausführungen zweier Klassiker der tschechischen Historiographie des 19. Jahrhunderts wesentliche Aspekte hinzugefügt hätte, nämlich Franz Palackýs Behandlung der Rede Rokycanas in der „Geschichte des tschechischen Volkes“, wonach „sie die Zuhörer nicht zur Leidenschaftlichkeit reizte, und nicht nur geduldig, sondern auch mit gespannter Aufmerksamkeit vernommen wurde“11, und Wácslav Wladiwoj Tomeks Urteil: „Seine Rede hinterließ durch ihren beherrschten Ernst einen günstigen Eindruck.“12 Eine Wende in der Forschung erbrachte erst eine Arbeit von Ernst Fraser Jacob, der als erster die Anschauungen Rokycanas einer gründlicheren Untersuchung unterzog. In den rund sechs Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg erfuhr Rokycanas Text seither unterschiedliche Interpretationen, wobei einige Punkte besonders umstritten sind. Einerseits wird behauptet, und zwar in der Regel ohne direkte Belege, daß Rokycana das Werk des Matthias von Janov und mehrere Traktate des Jacobellus von Mies benutzte.13 hunderts in Ostmitteleuropa (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 36), Köln/Weimar/Wien 2006, S. 329–339. 9 Zu den Verhandlungen auf der Prager Kleinseite vgl. Šmahel, František: Die hussitische Revolution, übersetzt von Thomas Krzenck, II (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 43/II), Hannover 2002, S. 1097–1098. – Zu den vorbereitenden Verhandlungen in Krakau vgl. Machilek, Franz: Böhmen, Polen und die hussitische Revolution, in: Zeitschrift für Ostforschung 23 (1974), 401–430, hier S. 416–417. – Zu den übrigen Gesprächen vgl. Cook, William R.: Negotiations between the Hussite, the Holy Roman Emperor and the Roman Church, 1427–1436, in: East Central Europe 5 (1978), S. 90–104. 10 Die neueste Literatur zu den Verhandlungen der Böhmen mit dem Konzil verzeichnet Čornej, Petr: Velké dějiny zemí koruny české, V. 1402–1437, Praha u.a. 2000, S. 572, Anm. 51. 11 Palacký, František: Geschichte von Böhmen. Grösstentheils nach Urkunden und Handschriften, Bd. 3/3: Böhmen und das Baseler Concil. Sigmund und Albrecht. J. 1431–1439, Prag 1854, S. 79. 12 Tomek, Wácslaw W.: Dějepis města Prahy, IV, Praha 1879, S. 550–551. 13 Vgl. Jacob, Ernest F.: The Bohemians at the Council of Basel 1433, in: Seton-Watson, Robert W. (Hg.): Prague Essays, Oxford 1949, S. 95 – Kubalík, Josef: Zápas o pojetí církve, Praha 1992, S. 71 und 73. – Šmahel, František: Die hussitische Revolution, übersetzt von Thomas

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Andererseits heißt es, daß Rokycana sich von der Lehre seiner beiden Vorgänger abgewandt habe: er habe in der eucharistischen Theologie Abstriche gemacht, da er sich ganz auf den Laienkelch konzentriere,14 oder er habe im Hinblick auf den Kern der utraquistischen Theologie, die Betonung der Heilsnotwendigkeit des Laienkelchs, Zugeständnisse gemacht.15 Einerseits heißt es, seine historischen Aussagen über die Anfänge des Laienkelchs seien unzuverlässig,16 andererseits schätzt man seine historischen Aussagen höher ein als seine theologischen.17 Als Schwäche gilt der argumentative Formalismus der Rede,18 auch wenn durchaus wahrgenommen wird, daß dieser durch den geistesgeschichtlichen und situativen Kontext bedingt ist.19 Relativ häufig wird auch die ekklesiologische Argumentationslinie der Verteidigungsrede betont.20 Am weitesten ging in diese Richtung Zvjezdan Strika, der kürzlich die radikale These vertrat, daß Rokycanas Anliegen mitnichten die Verteidigung der liturgischen Praxis der Kommunion unter beiderlei Gestalt gewesen sei, sondern daß es ihm vielmehr um ekklesiologische Fragen gegangen sei, hinter denen sich grundlegend gegensätzliche Verständnisse von Kirche verbergen.21 Insgesamt ist die gegenwärtige Forschungslage wenig eindeutig und schillert zwischen einem Rokycana, der epigonenhaft die hussitischen Traditionen fortschreibt, und einem Rokycana, der als gemäßigter Vermittler zu Zugeständnissen an den theologischen Gegner bereit ist. Sofern die Aufgabe des Forschers eher im Stellen von Fragen als im Produzieren von Antworten besteht, gibt die geschilderte Forschungslage hinreichenden Anlaß, sich weiter Krzenck, III (Monumenta Germaniae Historica, Schriften 43/III), Hannover 2002, S. 1566. – Čornej, Velké dějiny V (wie Anm. 10), S. 572. 14 Vgl. Cook, William R.: The Eucharist in Hussite Theology, in: Archiv für Reformationsgeschichte 66 (1975), S. 33–34. 15 Vgl. Šmahel, František: Husitské Čechy. Struktury procesy ideje (Česká historie 9), Praha 2001, S. 296, und Ders., Die hussitische Revolution, III (wie Anm. 13), S. 1566. 16 Vgl. Bartoš, František M.: Husitská revoluce, II: Vláda bratrstev a její pád 1426–1437 (České dějiny II/8), Praha 1966, S. 129. 17 Vgl. Šmahel, Die hussitische Revolution , III (wie Anm. 13), S. 1566. 18 Vgl. Bartoš, Husitská revoluce, II (wie Anm. 16), S. 129. 19 Vgl. Hlaváček, Ivan: Husité a basilejský koncil po soudci chebském, in: Soudce smluvený v Chebu. Sborník příspěvků přednesených na symposiu k 550. výročí, Květen 1982, Cheb, Praha 1982, S. 61–70, hier S. 65. 20 Vgl. de Vooght, Paul: La confrontation des theses hussites et romaines au concile de Bâle (Janvier–Avril 1433), in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 37 (1970), S. 97–137, 254–291, hier S. 100–101. – Krämer, Werner: Konsens und Rezeption. Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus (Beiträge zur Geschichte der Philosophie im Mittelalter, N.F. 19), Münster 1980, S. 82. – H elmrath, Johannes: Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme (Kölner historische Abhandlungen 32), Köln u. a. 1987, S. 367– 368. – Bendel, Rainer: Das Kirchenbild des Johannes von Rokycana auf dem Konzil in Basel – eine brauchbare Vermittlungsposition?, in: Sudetenland 41 (1999), S. 270–281. – BendelM aidl , Lydia: Johannes von Rokycana zum Communio-Gedanken angesichts der Exkommunikation, in: Sudetenland 42 (2000), S. 410–427. 21 Vgl. Strika, Zvjezdan: Johannes von Ragusa († 1443). Kirchen- und Konzilsbegriff in der Auseinandersetzung mit den Hussiten und Eugen IV., Augsburg 2000, S. 131.



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mit Rokycanas Text zu beschäftigen. Aber damit eine solche Untersuchung auf einer soliden Grundlage beruhen kann, war es zunächst notwendig, eine kritisch verantwortete Textgrundlage zu erarbeiten.22 Dabei zeigte sich, daß die handschriftliche Überlieferung der Verteidigungsrede Rokycanas und die Identifizierung einiger darin verarbeiteter Quellen ein so aussagekräftiges Quellenmaterial darstellt, daß dieser Beitrag sich zunächst nur mit diesen neuen Befunden beschäftigen soll.

Ad fontes: Zur handschriftlichen Überlieferung Die gesamte bisherige Forschung beruhte entweder direkt auf den unkritischen Textausgaben der Verteidigungsrede aus dem 18. Jahrhundert oder verwies zumindest auf diese Editionen. Den Erstdruck legten im Jahr 1733 Edmond Martène und Ursinus Durand aufgrund einer Pariser Handschrift vor.23 Die zweite Ausgabe erschien 1792 in Mansis Sammeledition der Konzilsakten und ist lediglich ein Nachdruck der Ausgabe von 1733.24 Das Hauptproblem, das mit diesen Ausgaben ebenso wie mit anderen Texteditionen jener Zeit verbunden ist, besteht bekanntlich darin, daß es sich lediglich um den Abdruck einer einzigen, mehr oder weniger zufällig herausgegriffenen Handschrift handelt, deren Vollständigkeit und Qualität sich jedoch ohne den Vergleich mit weiteren und möglicherweise besseren Handschriften nicht beurteilen läßt. Nur die möglichst vollständige Sichtung der handschriftlichen Überlieferung läßt präzisere Aussagen über die Textgestalt zu. Das erste Verzeichnis der überlieferten Schriften Rokycanas veröffentlichte im Jahr 1928 F. M. Bartoš, der Nestor der Hussitismus-Forschung.25 Dieses Verzeichnis ist bisher noch nicht ersetzt worden, auch wenn die Erforschung des utraquistischen Schrifttums 22 Methodisch anregend für den Umgang mit den Quellentexten waren vor allem die Ausführungen der folgenden Autoren: Vidmanová, Anežka: Nejstarší česká „beletrie“ a její středolatinské kořeny a paralely, in: Lenka Jiroušková (Hg.), Speculum medii aevi = Zrcadlo středověku, Praha 1998, S. 124. – Spunar, Pavel: K obrazu a problému písemnictví na přelomu 30. let 15. století v Čechách, in: Soudce smluvený (wie Anm. 19), S. 175–181, hier S. 175 f., 178. – Hlaváček, Ivan: K dochování husitské a protihusitské literatury v 15. století, in: Nováková, Dana u.a. (Hgg.): Jihlava a Basilejská kompaktáta. 28.–26. červen 1991. Sborník příspěvků z mezinárodního sympozia k 555. výročí přijetí basilejských kompaktát, Jihlava 1992, S. 29–36. 23 Positio magistri Johannis de Rokosana Pragensis coram patribus concilii Basileensis proposita, in: Martène, Edmond/Durand, Ursinus (Ed.), Veterum scriptorum et monumentorum historicorum, dogmaticorum, moralium amplissima collectio, VIII, Parisiis 1733, coll. 262–304. 24 Positio magistri Johannis de Rockozana: Communio divinissimae Eucharistie sub specie utraque, panis scilicet et vini, utilis multum et saluti expediens, toti credentium populo est necessaria, et a Domino praecepta Salvatore, in: Mansi, J. Domenico (Ed.), Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, XXX, Venetiis 1792, coll. 269–306. 25 Vgl. Bartoš, František M.: Literární činnost M. Jana Rokycany, M. Jana Příbrama a M. Petra Payna (Sbírka pramenů ku poznání literárního života v Čechách, na Moravě a Slezsku. Skupina III; Práce bibliografické, č. 8), Praha 1928, S. 14–55. – Dazu Ergänzungen in Ders., M. Jan Rokycana, in: Ders., Světci a kacíři, Praha 1949, S. 223. – Zwei neue Handschriften der einleitenden Reden Rokycanas vor dem Konzil vom 8. und 10. Januar 1433 verzeichnet

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seither entscheidende Fortschritte gemacht hat, vor allem durch die grundlegenden Arbeiten, die Pavel Spunar in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts vorlegte.26 F. M. Bartošs Angaben sind zwar nicht in allen Einzelheiten nachvollziehbar, lassen aber erkennen, daß er zwei Fassungen unseres Textes unterschied: Einen offiziellen Wortlaut mit dem Incipit Cum super omnia, den Rokycana am 20. Januar 1433 dem Konzilsvater Johann von Ragusa zur Beantwortung überreichte,27 und eine in mancher Hinsicht abweichende Fassung desselben Textes mit dem Incipit In primis, zu der F. M. Bartoš lediglich lapidar anmerkt, daß es sich um eine „Bearbeitung“ des mutmaßlichen offiziellen Textes handle, die Rokycana vielleicht kurz nach der Rückkehr vom Konzil herstellen ließ.28 F. M. Bartoš verzeichnet insgesamt neun Handschriften,29 von denen sieben die offizielle und zwei die nichtoffizielle Fassung enthalten. Sein Verzeichnis von 1928 ergänzte F. M. Bartoš 1931 nach einer Studienreise in deutsche und schweizerische Bibliotheken um vier weitere Handschriften, drei in Basel und eine in Erlangen.30 Diese Ergänzungen entgingen übrigens 1991 der Aufmerksamkeit Ivan Hlaváčeks,31 und auch das Repertorium fontium Hussiticarum von František Šmahel und Alexander Patschovsky aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts verzeichnet keine zusätzlichen Textzeugen.32 Hlaváček, Ivan: Z merseburských bohemik, in: Československý časopis historický 13 (1965), S. 98. 26 Keine der beiden grundlegenden Arbeiten P. Spunars zur utraquistischen Literatur und ihrer Überlieferung berücksichtigt das Werk Rokycanas, vgl. Spunar, Pavel: Literární činnost utrakvistů doby poděbradské a jagellonské, in: Molnár, Amedeo (Hg.): Příspěvky k dějinám utrakvismu (Acta reformationem bohemicam illustrantia [Bd. 1]), Praha 1978, S. 165–269. – Ders., Repertorium auctorum Bohemorum provectum idearum post Universitatem Pragensem conditam illustrans, II (Studia Copernicana 25), Wratislaviae u. a. 1995. 27 Bartoš, Literární činnost (wie Anm. 25), S. 28, Nr. 10. Daß es sich bei dem unter Nr. 10 angeführten Text tatsächlich um die dem Dominikaner Johann Stojković von Ragusa übergebene Fassung handelt, bezeugt vor allem dessen Replik. – Die Übergabe durch Cesarini und das Datum sind bezeugt bei: Petri Zatecensis Orphanorum sectae presbyteri Liber diurnus de gestis Behomorum in concilio Basileensi, in: Palacký, František/Birk, Ernst (Ed.): Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti. Concilium Basileense, I, Vindobonae 1857, S. 294. 28 Bartoš, Literární činnost (wie Anm. 25), S. 29–30, Nr. 13, Abs. 2. – In Wirklichkeit beginnt der Traktat in beiden Fassungen mit der These: „Conmunio divinissime eukaristie sub specie utraque, panis scilicet et vini, utilis multum et saluti expediens, toti credencium populo est necessaria et a Domino precepta Salvatore,“ darauf folgen in den einzelnen Textzeugen der beiden Fassungen verschiedene Anfangsworte, sowohl „In primis“ als auch „Cum super omnia“. Dennoch werden im folgenden die beiden Fassungen nach der Bezeichnung als In primis = nichtoffizieller Text und Cum super omnia = offizieller Text unterschieden. 29 Bartoš, Literární činnost (wie Anm. 25); unter Nr. 10 ist Handschrift Nr. 7 zu streichen, da diese den Text der Verteidigungsrede gar nicht enthält, was übrigens bereits aus F. M. Bartošs Angaben hervorgeht. Vgl. ebd. S. 28. 30 Vgl. Bartoš, František M.: Husitika a bohemika několika knihoven německých a švýcarských, in: Věstník Královské české společnosti nauk. Třída filosoficko-historicko-jazykozpytná 1931, Praha 1932, Nr. V, S. 20, 40, 49, 65, vgl. auch 70. 31 Vgl. Hlaváček, K dochování husitské a protihusitské literatury (wie Anm 22), S. 32, Anm. 23. 32 Vgl. http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Geschichte/Patschovsky/hus.html (24. 3. 2009).



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Offensichtlich ist also noch nicht das letzte Wort zur handschriftlichen Überlieferung gesprochen. Vor allem aber hat, soweit ich weiß, bisher niemand die Tatsache, daß Rokycanas Verteidigungsrede in zwei Fassungen überliefert ist, bei der Interpretation des Textes berücksichtigt, also daß die Rede in zwei Gruppen von Handschriften mit unterschiedlichem Incipit und Explicit, aber mit weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmungen, vorliegt. Aufgrund meiner eigenen Forschungen möchte ich im folgenden F. M. Bartošs Angaben um einige Punkte ergänzen und für die Interpretation des Textes fruchtbar machen. Zusätzlich zu den von F. M. Bartoš erwähnten dreizehn Handschriften der Verteidigungsrede existiert eine Abschrift der offiziellen Fassung aus dem Besitz des Nicolaus Cusanus mit dessen eigenhändigen Anmerkungen, ferner eine Handschrift derselben Fassung in der Pariser Nationalbibliothek, so daß jetzt insgesamt fünfzehn Handschriften bekannt sind.33 Davon befinden sich vier in der Tschechischen Republik, und zwar laut F. M. Bartoš jeweils zwei Textzeugen von beiden Fassungen. Diese vier Handschriften habe ich als erste kollationiert – und zwar mit einem überraschenden Ergebnis. Bei keiner der beiden Handschriften in tschechischen Sammlungen, die laut F. M. Bartoš den offiziellen Text enthalten, konnte diese Zuordnung bestätigt werden. Weder die Handschrift C 66.1 der Bibliothek des Prager Domkapitels noch die Handschrift XVI G 1 der Bibliothek des Prager Nationalmuseums enthalten den Text Cum super omnia. Vielmehr handelt es sich bei der Handschrift der Kapitularbibliothek um einen weiteren, also dritten, Textzeugen der nichtoffiziellen Textfassung In primis.34 Dagegen hat der Text in der Handschrift des Nationalmuseums, den man bisher für ein Exzerpt aus Cum super omnia hielt, direkt nichts mit Rokycanas Verteidigungsrede zu tun, sondern ist vielmehr eine fehlerhafte Abschrift eines Traktats des Jacobellus von Mies, der nach seinem Incipit als Corde credendum bezeichnet wird.35 Nach dieser Revision kennen wir nunmehr elf Handschriften mit dem Incipit Cum super omnia, also elf Textzeugen der offiziellen Version der Verteidigungsrede, wie sie auf dem Konzil vorgelegt wurde.36 Da wir die Zuordnung der beiden tschechischen Handschriften zu dieser Textfassung ausschließen konnten, bedeutet das, daß wir gegenwärtig 33 Zur Handschrift des Cusanus vgl. Marx, Jacob: Verzeichnis der Handschriften des Hospitals zu Cues, Trier 1905, S. 152, Cod. 166. – Zum Exemplar der Pariser Nationalbibliothek vgl. Lauer, Philippe: Bibliothèque nationale, Cataloque général des manuscrits latins, Tome II (Nos 1439– 2692), Paris 1940, S. 49, Nr. 1513. 34 Prag, Archiv der Prager Burg-Kapitelbibl. (weiter Kapitelbibl.), C 66.1, fol. 228v–243v. 35 Der Traktat ist nicht ediert. Zu den Handschriften vgl. Spunar, Pavel: Repertorium auctorum Bohemorum provectum idearum post Universitatem Pragensem conditam illustrans, I (Studia Copernicana 25), Wratislaviae u. a. 1985, S. 230, Nr. 613. – Zur Datierung Bartoš, František M.: Literární činnost M. Jakoubka ze Stříbra (Sbírka pramenů ku poznání literárního života Československého; Skupina III., č. 9), Praha 1925, S. 41, Nr. 50. 36 Bernkastel-Kues, Hospitalbibliothek, 166, fol. 1r–21r; Wien, Österreichische Nationalbibliothek (weiter ÖNB), 4704, fol. 1r–20r; Paris, Bibl. Nat., Ms. lat. 1506, fol. 73v–88v; Paris, Bibl. Nat., Ms. lat. 1513, fol. 67r–124r; Paris, Bibl. Mazarine, 1686, fol. 22r–49r; Vaticano, Bibl. Apost., Palat. lat. 599, fol. 1r–18v; Koblenz, Staatsarchiv, Abt. 701, Nr. 220, fol. 1r–14r; Basel, Universitätsbibl., A I 29, fol. 1r–24v; Basel, Universitätsbibl., A V 37, fol. 1r–18r; Basel,

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keinen Textzeugen der offiziellen Fassung Cum super omnia in tschechischen Sammlungen kennen, dagegen drei in Deutschland, drei in der Schweiz, zwei in Frankreich und jeweils einen in Österreich und im Vatikan. Um so mehr interessierte mich die zweite Textfassung In primis, die ausschließlich in Böhmen erhalten ist. Da die Handschrift der Prager Kapitularbibliothek C 66.1 nunmehr dieser zweiten Gruppe zuzuordnen ist, stehen uns drei Textzeugen der abweichenden Fassung mit dem Incipit In primis zur Verfügung. Aufgrund der Kollationierung dieser drei Handschriften bin ich zu der Schlußfolgerung gelangt, daß die Handschrift VIII F 22 der Nationalbibliothek in Prag den besten Text bietet. Diese Handschrift ist ins zweite Viertel des 15. Jahrhunderts zu datieren, vielleicht kurz nach 1437, und ihr Ursprung ist aller Wahrscheinlichkeit nach hussitisch.37 Die übrigen beiden Handschriften, die bereits erwähnte in der Bibliothek des Prager Domkapitels und eine weitere in Wittingau (Třeboň), enthalten einen deutlich schlechteren Text, sind katholischen Ursprungs und stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, vielleicht aus den sechziger Jahren.38 Alle drei gehen aber offenbar auf eine gemeinsame Vorlage zurück, denn sie haben übereinstimmend eine umfangreiche Auslassung.39 Da diese Lacuna in der Handschrift der Nationalbibliothek am wenigsten geglättet ist, ist zu erwägen, daß diese Handschrift in relativer zeitlicher Nähe zu der gemeinsamen Vorlage entstand. Als Grundlage einer zukünftigen Edition von In primis wäre jedenfalls die Handschrift VIII F 22 der Nationalbibliothek heranzuziehen. Es stellt sich die Frage, ob die geographische Streuung der erhaltenen Textzeugen der beiden Fassungen mehr als ein reiner Zufall ist. Im Fall der offiziellen Version gelangten Abschriften offenbar durch die Teilnehmer des Konzils in deren westeuropäische Heimatländer. Warum läßt sich jedoch diese Textfassung nicht in Böhmen nachweisen, beziehungsweise warum finden wir den Text hier nur in einer abweichenden Gestalt? Auch wenn ich auf diese Frage gegenwärtig keine direkte Antwort geben kann, dürfte es erhelUniversitätsbibl., O III 35, fol. 110r–124r (unvollständig), und Erlangen, Universitätsbibl., 538, fol. 1r–11v (unvollständig). 37 Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 31r–83v. Die Datierung folgt den Angaben in der OnlineDatenbank Manuscriptorium, vgl. (24. 3. 2009). Den hussitischen Ursprung des Codex bezeugt u.a. die Überschrift der Replik des Johann von Ragusa: „Proposicio Iohannis de Ragusio in concilio Basiliensi contra conmunionem utriusque speciei de suburbanis inferni introducta.“ Ebd. fol. 104r. 38 Prag, Kapitelbibl., C 66.1, fol. 228v–243v. Der Codex ist auf fol. 10r vom Schreiber des Textes ins Jahr 1464 datiert. Vgl. Patera, Adolf/Podlaha, Antonín: Soupis rukopisů knihovny Metropolitní kapitoly pražské, 1. Teil: A–E, Praha 1910, S. 285–286, Nr. 495. – Wittingau, Staatsarchiv, A 15, fol. 1r–18r. Schreiber der Handschrift war der Augustinerchorherr Ulrich Kreuz von Teltsch (Oldřich Kříž z Telče), der als Abschreibedatum des in der Handschrift unmittelbar folgenden Textes, der Replik des Johann von Ragusa, den 5. März 1466 nennt. Vgl. Weber [=Kadlec], Jaroslav u.a., Soupis rukopisů v Třeboni a v Č. Krumlově, Praha 1958, S. 109–115, besonders S. 110. 39 In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 39r; Prag, Kapitelbibl., C 66.1, fol. 231r; Wittingau, Staatsarchiv, A 15, fol. 7r. Der Umfang der Auslassung läßt sich aufgrund der durchschnittlichen Textmenge pro Seite in der Handschrift des Klementinums auf mehr als ein beschriebenes Blatt schätzen, d.h. daß etwa 2% des Textes fehlen.



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lend sein, wenn wir in einem nächsten Schritt die inhaltlichen Abweichungen der beiden Fassungen vergleichen. Vielleicht erfahren wir so mehr über Anlaß, Zeit und Ort der Entstehung der beiden Textfassungen.

Das Verhältnis der beiden Textfassungen zueinander Vergleicht man zunächst die Rubriken bzw. Schlußrubriken der Verteidigungsrede in den verschiedenen Handschriften, ist keine wesentliche Abweichung festzustellen. Sowohl bei der offiziellen Textfassung als auch bei der Handschriftengruppe In primis heißt es übereinstimmend, daß es sich um eine „posicio“ oder „proposicio“ Rokycanas handle.40 In den meisten Fällen wird auch ausdrücklich das Basler Konzil erwähnt, und in denjenigen Handschriften, in denen diese direkte Angabe fehlt, geht der Zusammenhang mit dem Konzil zumindest daraus hervor, daß Rokycanas Text zwischen anderen auf dem Konzil entstandenen Texten angeordnet ist. Soweit spricht nichts gegen F. M. Bartošs Vermutung, daß die zweite Textfassung In primis tatsächlich erst in Böhmen als sekundäre Bearbeitung des auf dem Konzil vorgelegten ursprünglichen, offiziellen Wortlauts entstanden sei. Bedenken gegen diese Erklärung ergeben sich jedoch aus einer Reihe von weiteren Beobachtungen, die Inhalt und Gliederung der beiden Textfassungen betreffen. Der offizielle Wortlaut Cum super omnia weist folgende Gliederung auf: Die Einleitung bildet eine Protestation, in der der Verfasser seine Bereitschaft bekennt, sich von der Autorität, die im Hinblick auf die verhandelte Materie kompetenter ist, zurechtweisen zu lassen;41 ferner wird der sogenannte „Richter von Eger“ (Soudce chebský) erwähnt, d.h. eine verbindliche methodische Vorbemerkung, nach der bei der Argumentation verfahren werden soll;42 danach folgen die sogenannten notanda, d.h. die Begriffe, die in der eigentlichen Argumentation verwendet werden sollen, werden im voraus definiert.43 Erst dann folgen die eigentlichen Kapitel der Verteidigung. An erster Stelle verteidigt Rokycana die These, daß die Kommunion sehr nützlich und zum Heil förderlich sei (utilis multum et saluti expediens);44 im zweiten Abschnitt legt er dar, daß die Kommunion für alle Gläubigen notwendig (necessaria) sei;45 der dritte Teil verfolgt den Nachweis, daß die Kommunion unter beiderlei Gestalt von Christus geboten (de praecepto) sei.46 Am Schluß folgen 40 Hier interessieren besonders die Überschriften der drei in Böhmen erhaltenen Handschriften: „Posicio magistri Iohannis de Rokyczano.“ In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 31r. – „Posicio magistri Iohannis de Rokyczano de necessitate sacramenti.“ In primis, Prag, Kapitelbibl., C 66.1, fol. 228v. – „Questio proposita in concilio Basiliensi a magistro Iohanne de Rokyczano.“ In primis, Wittingau, Staatsarchiv, A 15, fol. 5r. Diese Handschrift weist als einzige auch eine Schlußrubrik auf: „Hec est posicio Rokyczane contra Ragusium in concilio Basiliensi, qui nichil probavit, quod sit de precepto neque pluritatem graciarum.“ Ebd., fol. 18r. 41 Cum super omnia, Bernkastel-Kues, Hospitalbibl., 166, fol. 1r. 42 Ebd. 43 Ebd. fol. 1v–3v. 44 Ebd. fol. 3v–8v. 45 Ebd. fol. 8v–14v. 46 Ebd. fol. 14v–20v.

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noch vier sogenannte rationes, d.h. Thesen in der Form von Syllogismen, zur Bekräftigung der utraquistischen Praxis.47 Die zweite Fassung In primis, die anscheinend nur in Böhmen überliefert ist, bietet einen in mancher Hinsicht abweichenden Text. Ich führe hier nur vier Abweichungen an, die ich für wesentlich und für eine kritische Überprüfung des tatsächlichen Verhältnisses der beiden Textfassungen zueinander für signifikant halte. Schon die einleitende Protestation weicht von der offiziellen Version ab.48 Bei der näheren Untersuchung zeigte sich, daß sie in ihrem vollen Umfang ein wörtliches, aber nicht gekennzeichnetes Zitat aus den Regulae Veteris et Novi Testamenti des Matthias von Janov darstellt.49 Matthias hatte sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts trotz seines gespannten Verhältnisses zur kirchlichen Hierarchie noch nicht offen gegen die Kirche aufgelehnt. Indem er in seinen Regulae betonte, daß er nicht im Sinn habe, etwas zu lehren, das „contra sacrosanctam ecclesiam katholicam“ sei, griff er daher naheliegenderweise einen üblichen Topos auf.50 Angesichts der erbitterten Auseinandersetzungen und Kriege zwischen den Hussiten und der Kirche wirken dieselben Worte im Kontext der Verteidigungsschrift Rokycanas jedoch überraschend.51 Dagegen findet in der Protestation der offiziellen Version die „heilige katholische Kirche“ keinerlei Erwähnung; stattdessen wird dort bekannt, die Hussiten glaubten fest an die lex Christi und an die heilige Kirche, die nach Gregor dem Großen und Augustin die weltweite „universitas fidelium“ sei.52 Das ist allerdings ein deutlich anderer theologischer Diskurs, der einem hussitischen Theologen in der betreffenden Situation wesentlich angemessener erscheint. Die von F. M. Bartoš vertretene Auffassung, wonach die Textfassung In primis sekundär sei, verliert damit bereits einiges an Plausibilität. Das Verhältnis der beiden Fassungen wird noch deutlicher, wenn man das Zitat des „Egerer Richters“ in den beiden Texten vergleicht. Während die offizielle Version im Wesentlichen den Wortlaut der Egerer Vereinbarungen vom Mai 1432 zitiert, wonach der Utraquist seinen Standpunkt erstens aus der Schrift, ferner den Lehren der Kirchenväter, Beispiel und Praxis der Heiligen der frühen Kirche und schließlich den Beschlüs-

47 Ebd. fol. 20v–21v. 48 In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 31r–31v. 49 Kybal, Vlastimil/Odložilík, Otakar (Hgg.): Mathiae de Janov dicti Magister Parisiensis Regulae Veteris et Novi Testamenti, Vol. V: De corpore Christi, Pragae 1926, S. 23. – Auf diese Protestation griff auch Jacobellus von Mies in seiner universitären Quaestio Quia heu in templis (1414) zurück. Vgl. Krmíčková, Studie (wie Anm. 2), S. 89–90. – Rokycana benutzt das Werk des Matthias nicht nur in der Protestation, sondern schöpft auch bei der einleitenden Definition der Begriffe insbesondere aus dem dritten und vierten Artikel des IV. Buchs der Regulae. Vgl. Kybal/Odložilík (Hgg.): Mathiae de Janov dicti Magister Parisiensis Regulae V, S. 31–33, 36, 39–41, 75. 50 Kybal/Odložilík (Hgg.), Mathiae de Janov dicti Magister Parisiensis Regulae V (wie Anm. 49), S. 23, Z. 8–9. 51 In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 31r. 52 Cum super omnia, Bernkastel-Kues, Hospitalbibl., 166, fol. 1r.



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sen der alten Konzilien erweisen will,53 enthält die Fassung In primis an dieser Stelle eine Erweiterung. Über die vier genannten Kriterien hinaus will der Hussit hier fünftens seine Auffassungen durch „raciones“ erweisen und sechstens sei er bereit, seine Überzeugung durch das Vergießen des eigenen Blutes zu bezeugen und besiegeln, sofern dies notwendig sein sollte und der Geber aller guten Gaben von oben herab, also Gott, es zuläßt.54 Im historischen Kontext der Verteidigungsrede ist die Anspielung auf das Schicksal des Johann Hus und des Hieronymus von Prag (Jeroným Pražský) auf dem Konstanzer Konzil überdeutlich. Sollte Rokycana sich aber tatsächlich nachträglich zum Helden stilisiert haben, nachdem er wohlbehalten nach Böhmen zurückgekehrt war? Plausibler erscheint die Annahme, daß Rokycana vor der Abreise nach Basel so formuliert hatte, als er noch nicht wissen konnte, wie die dortigen Verhandlungen ausgehen würden. In dieselbe Richtung deuten auch zwei andere signifikante Unterschiede der beiden Textfassungen. Wie gesagt, will der Verfasser von In primis zum Beweis seiner Auffassungen auch sogenannte rationes vorlegen, also syllogistische Beweise, mit denen er die Kommunion unter beiderlei Gestalt verteidigen will.55 Während sich in der offiziellen Version vier derartige Beweise am Schluß des ganzen Traktats finden,56 enthält In primis davon siebzehn, und zwar jeweils gleich am Schluß von jedem der drei Kapitel.57 Man kann daher diese rationes zugleich als abschließende Beweise der vorausgehenden Argumentationen nach den Gepflogenheiten der zeitgenössischen aristotelischen Logik verstehen.58 Als Beispiel dafür kann eine dieser syllogistischen rationes dienen: „Item arguitur sic: [A:] Illud cadit sub Cristi precepto, [B:] quod sub pena gravis peccati obligat. [B:] Sed tale est [C:] accedere ad eukaristiam Domini. [C:] Ergo accedere ad eukaristiam Domini [A:] est preceptum. [AB:] Maior est nota, ex quid nominis precepti. [BC:] Minor beati Ambrosii dicentis: Grave est, quod ad mensam tuam mundo corde et manibus innocentibus non venimus, sed gravius est, si dum peccata metuimus, eciam sacrificium non reddimus. Hec ille.

53 Ebd. – Zum lateinischen Wortlaut des siebten Artikels der Vereinbarungen von Eger vgl. Palacký/Birk (Ed.), Monumenta I (wie Anm. 27), S. 219–220. 54 In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 31v: „[...] 5o racionibus deducam, et sic iudicem pro nobis dictantem et nostre praxi alludentem iuxta disposicionem in Egra factam veluti digitto demonstrando. Et sexto, si opus fuerit ipseque Dator optimorum et perfectorum, a quo omne datum optimum et omne donum perfectum venit, ex alto concesserit, proprii cruoris effusione velud sigilli munimento roborabo.“ 55 Ebd. 56 Vgl. oben Anm. 47. 57 In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 45r–46r, 63r–65r, 80r–83r. 58 Zu den syllogistischen Beweisverfahren der mittelalterlichen Philosophie vgl. z.B. Thom, Paul: Syllogismus, Syllogistik, in: Ritter, Joachim/Gründer, Karlfried (Hgg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10: St–T, Basel 1998, S. 695–699. – Washell, Richard F.: Aristotle’s Syllogistics. Medieval View, in: Vivarium 12 (1974), S. 18–29. – Pinborg, Jan: Topik und Syllogistik im Mittelalter, in: Hoffmann, Fritz (Hg.): Sapienter Ordinare. Festgabe für Erich Kleineidam, Leipzig 1969, S. 157–178.

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Das Beispiel stammt aus dem Schlußkapitel, wo Rokycana darlegt, daß die Kommunion unter beiderlei Gestalt ein Gebot Christi sei. Der Syllogismus soll logisch beweisen, daß sich dies wirklich so verhält. Voraussetzung ist ein allgemeingültiger Obersatz (propositio maior), hier AB, zu dem ein Untersatz (propositio minor) tritt, der durch eine Autorität belegt sein muß (BC), in diesem Fall durch Ambrosius von Mailand bzw. Anselm von Canterbury, aus dessen Werk das Zitat in Wirklichkeit übernommen ist.60 Aus den beiden Sätzen wird anschließend eine Schlußfolgerung (conclusio) gezogen (CA). Offenbar übernahm Rokycana diesen und die übrigen Syllogismen in überarbeiteter Form aus dem bisher nicht edierten Traktat Quia plurimi adversarii des Johann von Přibram (Jan z Příbrami), der vom Beginn des Jahres 1418 datiert wird.61 Mit diesem Beweisverfahren, so selbstverständlich es auch für gebildete Zeitgenossen und insbesondere für einen Magister der freien Künste gewesen sein mag, geht Rokycana jedoch ausdrücklich über den Rahmen des „Richters von Eger“ hinaus. Auffälligerweise steht er damit der weltlichen Bildung näher als dem einfältigem Gehorsam gegenüber der lex Christi. Dies paßt besser in die Situation der Vorbereitung auf die Konzilsverhandlungen, als die Regeln

59 In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 82v–83r. 60 Anselmus Cantauriensis, Orationes, Oratio XXIII, Ad idem faciendum, hg. von J. P. Migne, PL 158, col. 926C. 61 Nicht ediert. Zur handschriftlichen Überlieferung vgl. Bartoš, Literární činnost (wie Anm. 25), S. 63, č. 2, und Spunar, Repertorium, II (wie Anm. 26), S. 156, č. 294. – Vgl. auch die in der Forschung bisher nicht berücksichtigte, allerdings unvollständige Handschrift Wien, ÖNB, 4488, fol. 81r, wo das „Ambrosius“-Zitat allerdings Augustinus zugeschrieben ist. – Es hat den Anschein, daß derartige Sammlungen von syllogistischen Beweisen der utraquistischen Praxis, denen bisher von der Forschung keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wurde, bereits seit der Anfangszeit des Laienkelchs recht verbreitet waren; vgl. mindestens zwei derartige Sammlungen: Prag, Kapitelbibl., D 109.2, fol. 187r–194v und ebd. A 163, fol. 255v–256v. Über diese Textgattung und ihre Entstehung soll jedoch an anderer Stelle ausführlicher berichtet werden.



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langsam „reiften“, aber kaum in die Situation der Verhandlungen selbst, als es geboten war, die festgelegten Positionen entschieden zu verteidigen. Die vierte und letzte Abweichung, auf die ich hier eingehen möchte, betrifft die unterschiedliche Gliederung beider Textfassungen. Es war bereits davon die Rede, daß Rokycana in In primis ankündigt, daß er nach der Beweisführung aufgrund der Heiligen Schrift, der Praxis Christi und der Urgemeinde, der Schriften der Kirchenväter und der Konzilien an fünfter Stelle auch die besagten rationes anführen will. Diese argumentativen Schritte werden im folgenden Text dann auch eingehalten. Am Ende des zweiten Kapitels heißt es noch einmal ausdrücklich, daß er die Notwendigkeit der Kommunion unter beiderlei Gestalt nun auch noch mit rationes darlegen wolle, nachdem er sie zunächst aus dem Gesetz Gottes, den Schriften der Väter, den Canones und Konzilien bewiesen habe.62 Es ist zu beachten, daß sich diese Bemerkung in beiden Textfassungen findet. Aber nur in In primis folgen auf diese Ankündigung am Ende des Kapitels nach einem Exkurs tatsächlich die syllogistischen Beweise,63 nicht dagegen in der offiziellen Version Cum super omnia. Dort schließt sich nämlich an jenen Exkurs sofort das dritte Kapitel an, die angekündigten Syllogismen fehlen.64 Die offizielle Version ist in dieser Hinsicht also inkonsequent, was sich am ehesten als nicht vollständig durchgeführter redaktioneller Eingriff in den ursprünglichen Text erklären läßt – nämlich in den Text In primis. Damit wird Bartošs Theorie endgültig hinfällig. Zusammenfassend ergibt sich der Schluß, daß die sogenannte „zweite Fassung“ der Verteidigungsrede (In primis) in Wirklichkeit die erste Fassung bzw. eine Vorbereitung auf die Verhandlungen ist. Diese erste Version arbeitete Rokycana noch vor seinem Auftreten in die offizielle Fassung (Cum super omnia) um, allerdings – wie soeben dargelegt – nicht konsequent. Dafür kann man verschiedene Gründe vermuten: In der gespannten Atmosphäre der Verhandlungen vor dem Konzil, über denen ständig der latente Streit um die Autorität und das Wesen der Kirche schwebte, erwies sich die ursprüngliche Protestation von In primis als unangemessen und als nicht dem hussitischen Kirchenbegriff entsprechend. Auch jene rationes, von denen in den Abmachungen von Eger nicht die Rede gewesen war, mußten zumindest reduziert waren, damit Rokycanas Text der in Eger vereinbarten Verhandlungsgrundlage entsprach. Ferner wäre es nicht eben diplomatisch gewesen, wenn Rokycana vor dem versammelten Konzil erklärt hätte, er sehe sein Leben wie das des Johann Hus und des Hieronymus von Prag in Gefahr, nachdem das Konzil und insbesondere dessen Vorsitzender Giuliano Cesarini der böhmischen Gesandtschaft einen vielversprechenden Empfang gewährt hatten.65 Die offizielle Ver62 In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 52v–53r: „[...] ipsa conmunio divinissime eukaristie est necessaria sive sacramentum est necessitatis; quod, quamvis pluribus sit ostensum modis, quia Dei lege, sanctorum dictis et sentenciis, canonibus et consiliis, adhuc et racionibus ipsa conmunio eukaristie divinissime necessaria fore deducetur.“ Derselbe Wortlaut findet sich auch in der offiziellen Fassung, Cum super omnia, Bernkastel-Kues, Hospitalbibl., 166, fol. 10r. 63 In primis, Prag, Nationalbibl.,VIII F 22, fol. 63r–65r. 64 Cum super omnia, Bernkastel-Kues, Hospitalbibl., 166, fol. 14v. 65 Vgl. die Begrüßungsrede vom 10. Januar 1433, Allocucio sancte synodi Basiliensis ad oratores regni Bohemie, in: Birk, Ernst (Ed.), Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti.

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sion Cum super omnia entstand also erst angesichts der aktuellen Situation als Überarbeitung der ursprünglichen, wohl noch in Böhmen niedergeschriebenen Ausarbeitung In primis.

Die Datierung der beiden Fassungen Selbstverständlich wissen wir nicht, wann genau Rokycana seine Ausarbeitung In primis niederschrieb und wann er sie letzter Hand bearbeitete. Es gibt allerdings eine Reihe von Anhaltspunkten, die zumindest eine nähere chronologische Eingrenzung erlauben. Obwohl die Kuttenberger Landtagsabschiede vom September 1432 nicht erhalten sind, geht man in der Forschung davon aus, daß die Aufgabe, die Vier Prager Artikel zu verteidigen, bereits bei dieser Gelegenheit auf die einzelnen Parteien der hussitischen Bewegung, also den Herrenstand, die Prager, die Taboriten und die Waisen, verteilt wurde.66 Umstritten ist allerdings, ob damals auch schon die Redner festgelegt wurden – nur dann hätten diese ja die Gelegenheit gehabt, sich bereits in Böhmen durch schriftliche Ausarbeitungen vorzubereiten.67 Auch wenn eine solche Annahme durchaus naheliegt, wird die spärliche Quellenlage noch komplizierter durch ein zeitgenössisches Zeugnis aus Basel, wonach am 13. Januar 1433, unmittelbar vor Beginn der Disputationen, unter den Angehörigen der Gesandtschaft ein Streit darüber ausbrach, wer den vierten Artikel über die Freiheit der Predigt des Wortes Gottes verteidigen sollte. Rokycana war bestrebt, neben der Verteidigung des Laienkelchs auch diese Aufgabe zu übernehmen, und zwar, wie er behauptete, im Auftrag des Herrenstandes. Er hatte damit jedoch keinen Erfolg, denn schließlich einigte man sich auf Ulrich von Znaim (Oldřich ze Znojma), einen Vertreter der Waisen und Pfarrer in Časlau (Čáslav).68 Daher waren F. Palacký und A. Krchňák der Auffassung, daß die Hussiten ohne eine klare Vorstellung, wer konkret welchen Artikel verteidigen sollte, nach Basel aufbrachen.69 Diese Interpretation wird von anderen Forschern abgelehnt, die die Nachricht so verstehen, daß der Verteidiger des vierten Artikels lediglich aufs neue bestimmt wurde, und zwar entweder aus dem Grunde, weil es als günstiger erschien, nach dem Vorbild des Konzils jeden Artikel von einem anderen Redner verteidigen zu lassen (W. W. Tomek), oder weil die dominante Rolle Rokycanas, der

Concilium Basileense, Tom. II: Iohannis de Segovia Historia gestorum generalis synodi Basiliensis, vol. I, lib. I–XII, Vindobonae 1873, S. 299–316. 66 Vgl. Bartoš, Husitská revoluce, II (wie Anm. 16), S. 122, Anm. 6, und Hlaváček, Husité a basilejský koncil (wie Anm. 19), S. 64 67 Dies vermuten Bartoš, Husitská revoluce II (wie Anm. 16), S. 122, und Cook, Negotiations (wie Anm. 7), S. 97. Dem widerspricht Hlaváček, Husité a basilejský koncil (wie Anm. 19), S. 64. 68 Vgl. Palacký/Birk (Ed.): Monumenta I (wie Anm. 27), S. 291. 69 Vgl. Palacký, Geschichte 3/3 (wie Anm. 11), S. 75. – Krchňák, Alois: Čechové na basilejském sněmu, Svitavy 21997, S. 28–30.



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ursprünglich zwei Artikel verteidigen sollte, bei den übrigen Gesandten auf Widerspruch stieß (I. Hlaváček).70 Auch wenn die Quellenlage es nicht erlaubt, die Hintergründe des Streits vom 13. Januar im einzelnen zu klären, erscheint es trotz aller notwendigen Fragezeichen doch plausibel, daß die Hussiten nicht unvorbereitet nach Basel fuhren. Im Gegenteil dürfte es einigermaßen sicher sein, daß sich Rokycana im Hinblick auf die Verteidigung des Kelches vorbereitet auf den Weg nach Basel begab und daß er mit der Vorbereitung schon nach dem Ende des Kuttenberger Landtags, also in der zweiten Hälfte September 1432, beginnen konnte.71 Er hatte sogar noch die Gelegenheit, seinen Text zu überarbeiten. Der Zeitpunkt, zu dem die offizielle Fassung ihre endgültige Gestalt erhielt, läßt sich mithilfe der erhaltenen Handschriften näher bestimmen. In den Prager Handschriften ist der Text In primis Bestandteil einer Sammlung von Reden vom Basler Konzil, die eine auffällige Besonderheit aufweist. Oben wurde erwähnt, daß die Textfassungen In primis und Cum super omnia jeweils eine andere Protestation enthalten. Die beiden erwähnten Codices enthalten allerdings beide Protestationen. Die Protestation der offiziellen Version Cum super omnia ist dort nämlich als selbständiger Text den Basler Verteidigungsreden und Repliken vorangestellt.72 Sie trägt dort die Überschrift: „Protestacio, sub qua omnia nostra pronunciavimus facta“ („Erklärung, die allen unseren Aussagen vorangestellt ist“). Daraus geht hervor, daß die Hussiten sich vor der Anhörung durch das Konzil auf eine gemeinsame Erklärung einigten, durch die sie deutlich zu verstehen gaben, wen sie als entscheidende und zurechtweisende Autorität ansehen. Nach dem Zeugnis des Johann von Ragusa trug Rokycana diese Erklärung als erster und anstelle aller übrigen Gesandten als Einleitung seiner Verteidigungsrede vor.73 In der handschriftlichen Überlieferung wurde diese gemeinsame Erklärung anschließend zu einem Bestandteil des Textes der Rede Rokycanas. In Anbetracht der Umstände erscheint es durchaus wahrscheinlich, daß sich die Sprecher der Hussiten, entweder auf dem Weg oder eher erst in Basel selbst, vor Beginn der Disputation auf eine gemeinsame Formulierung einigten. Demnach dürfte Rokycana seine ursprüngliche Protestation zwischen dem 6. Dezember (bzw. dem 4. Januar) und 15. Januar 1433 durch die neue Formel ersetzt haben.74 Ferner ist zu erwägen, daß er bei dieser Gelegenheit seinen vorbereiteten Text gekürzt und inhaltlich überarbeitet haben könnte, damit dieser so weit wie möglich den 70 Tomek, Dějepis IV (wie Anm. 12), S. 549. – Hlaváček, Husité a basilejský koncil (wie Anm. 19), S. 64–65. 71 Für diese Überlegungen spricht auch die Nachricht des Martin Lupáč, wonach die Redner bei ihren Verteidigungsreden vorbereitete Texte zur Verfügung hatten. Vgl. Molnár, Amedeo: Martin Lupáč. Modus disputandi pro fide, in: Folia Historica Bohemica 4 (1982), S. 161–177, hier S. 170. – Vgl. auch Šmahel, Die hussitische Revolution III (wie Anm. 13), S. 1562. 72 Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 15r–15v; Prag, Kapitelbibl., fol. 222r–222v. 73 Vgl. Oratio de S. Communione sub specie panis, in: Mansi, J. Domenico (Ed.): Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Tom. XXIX, Venetiis 1792, col. 771: „[...] protestationem, quam idem magister nomine omnium suorum proposuit in medium [...]“. 74 Die Delegation brach am 6. Dezember 1432 aus Prag auf, vgl. Bartoš, Husitská revoluce II (wie Anm. 16), S. 123, Anm. 8.

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Erfordernissen und Erwartungen entsprach. Dabei verlor die Rede allerdings auch etwas von ihrer ursprünglichen Dynamik, vor allem durch die Auslassung jener syllogistischen rationes, in denen Rokycana einen ausgesprochen polemischen Ton angeschlagen hatte.75 Das Ergebnis der Bearbeitung macht einen etwas formalistischen Eindruck, war aber nichts anderes als eine strenge Durchführung der in Eger vereinbarten Argumentationsmethode. Eine theologische Analyse des Textes könnte diesen Punkt noch vertiefen.

Ausblick auf eine theologische Analyse und Zusammenfassung Bevor ich meine Ergebnisse zusammenfasse, möchte ich noch einige Beobachtungen zum Inhalt des Textes vorstellen, wobei ich mich auf die Frage nach den von Rokycana benutzten Quellen beschränke. Ich konnte bisher vier Werke identifizieren, die Rokycana als Vorlagen oder Quellen seines Traktats benutzte. Neben den Regulae Veteris et Novi Testamenti des Matthias von Janov handelt es sich vor allem um den Traktat Corde credendum des Jacobellus von Mies. 76 Das erste Kapitel der Verteidigungsrede Rokycanas, Utilis multum et saluti expediens, besteht im Wesentlichen aus Exzerpten aus diesem Traktat des Jacobellus.77 Bei der Definition der Begriffe necessitas und praeceptum in der Einleitung der Verteidigungsrede78 benutzte Rokycana einen weiteren Traktat des Jacobellus, der den Titel Contra Gerson trägt und Ende 1417 entstanden ist.79 Ferner wurde bereits erwähnt, daß Rokycana für die syllogistischen rationes offenbar auf einen Traktat des Johann von Přibram, Quia plurimi adversarii, zurückgriff.80 Da die Nachweise stillschweigender Entlehnungen von vorutraquistischen oder utraquistischen Autoren bereits in diesem Stadium meiner Untersuchung mehr als ein Drittel von Rokycanas Text ausmachen und mit dem Nachweis weiterer Zitate im Zuge der weiteren Untersuchung zu rechnen ist, erscheinen mir die Behauptungen einiger Forscher zweifelhaft, wonach Rokycana die ursprüngliche Tradition der böhmischen eucharistischen Frömmigkeit zugunsten einer einseitigen Betonung des Laienkelchs aufgegeben oder sich von der Theologie des Jacobellus mit ihrer Betonung der Heilsnotwendigkeit der Kommunion unter beiderlei Gestalt abge75 Zum polemischen Ton der schließlich ausgelassenen rationes vgl. etwa In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 81v–82r. 76 Vgl. oben Anm. 49. 77 Aus diesem Grund verwechselte offenbar F. M. Bartoš den Traktat Corde credendum in der Handschrift XVI G 1 des Prager Nationalmuseums mit der Verteidigungsrede Rokycanas, insbesondere da sich am Schluß der Abschrift die Rubrik findet: „Hec magister Iohannes de Rokyczana“ (fol. 11r). – Zu dem Traktat des Jacobellus vgl. oben Anm. 35. 78 In primis, Prag, Nationalbibl., VIII F 22, fol. 35v–36v; Cum super omnia, Bernkastel-Kues, Hospitalbibl., 166, fol. 3r–3v. 79 Contra Gerson, Prag, Kapitelbibl., D 51, fol. 169r. Der Text ist nicht ediert. Vgl. Coufal, Výklad (wie Anm. 6). 80 Vgl. oben Anm. 61.



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wandt habe.81 Während eine abschließende Beurteilung des Problems beim gegenwärtigen Stand meiner Untersuchung noch verfrüht wäre, lautet die vorläufige Bilanz folgendermaßen: Die moderne Forschung ist sich in mehrfacher Hinsicht uneins, wie Rokycanas Verteidigungsrede in ihren historischen und theologiegeschichtlichen Kontext einzuordnen ist. Dies hat seine Ursache darin, daß der Text bisher nur in Editionen des 18. Jahrhunderts herangezogen wurde. Daher blieb weitgehend unbeachtet, daß der Text in zwei Fassungen überliefert ist, die sich an mehreren Stellen voneinander unterscheiden – lediglich F. M. Bartoš hat auf diese Tatsache im Rahmen seines Handschriftenverzeichnisses hingewiesen. Sofern die vorliegende Untersuchung der wichtigsten Abweichungen wahrscheinlich machen konnte, daß die Version In primis Rokycanas ursprüngliche Vorbereitung auf die Basler Verhandlungen darstellt und ihre Abfassung noch in Böhmen in der zweiten Hälfte des Jahres 1432 anzunehmen ist, ergibt sich daraus ein neuer Blickwinkel auf das Problem, inwiefern die Hussiten vorbereitet nach Basel aufbrachen. Wohl vor allem aus theologischen Gründen und nach Absprache mit den übrigen Teilnehmern der Gesandtschaft überarbeitete Rokycana schließlich seinen Text gemäß den Vorgaben des „Richters von Eger“ und hielt sich dadurch in seiner endgültigen, offiziellen Fassung an den mit den Vertretern des Konzils ausgehandelten Rahmen. Unklar bleibt allerdings, ob es bloßer Zufall ist, daß die vorab ausgearbeitete ursprüngliche Fassung nur in tschechischen Handschriftenbeständen überliefert ist, während die offizielle Fassung Cum super omnia nur im Ausland überliefert ist. Inhaltlich und im Hinblick auf das Verhältnis zur theologischen Tradition ergibt sich aufgrund der – noch nicht abgeschlossenen – Identifizierung der von Rokycana verarbeiteten Quellen vorerst der Eindruck, daß Rokycana nicht nach Originalität strebte, sondern sich bewußt um die gezielte und systematische Wiedergabe von Argumenten der vorangegangenen Generation böhmischer Reformtheologen bemühte. Die drei Textebenen der Verteidigungsrede (Quellen, vorläufige Fassung, offizielle Fassung) erlauben nicht nur einen bemerkenswerten Einblick in die Arbeitsweise Rokycanas, sondern bieten auch ein ungewöhnlich komplexes Bild der Entwicklung der utraquistischen Apologetik und ihrer Gattungen.82 Übersetzung aus dem Tschechischen: Martin Rothkegel, 2009

Da es zur Veröffentlichung dieses Beitrags mit einem längeren Zeitverzug kam, in dem ich mich dem Thema weiter widmete, wäre es heute in einigen Teilaspekten möglich, diese Studie nicht nur um neue Verweise auf die aktuelle Literatur, sondern auch um weitere festgestellte Fakten oder Quellen zu ergänzen und auf deren Basis einige ihrer Behauptungen genauer zu formulieren. Da es sich aber mehr um ergänzende als um korrigierende Eingriffe in den originellen Text handeln würde, dessen Hauptmitteilung 81 Vgl. oben Anm. 14 und 15. 82 Dieser Beitrag ist Ergebnis der Forschungstätigkeit im Rahmen des Forschungsvorhabens „Hermeneutik der christlichen, besonders tschechischen protestantischen Tradition in der Kulturgeschichte Europas“ (MSM 00216 20802).

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sich nicht ändert, resigniere ich in diesem Moment auf dessen Aktualisierung und ich überlasse es der vorbereiteten Dissertationsarbeit Polemika o kalich na basilejském koncilu 1433. Nevšední turnaj víra na sklonku středověku [Polemik um den Laienkelch auf dem Basler Konzil 1433. Ungewöhnliches Turnier des Glaubens am Ende des Mittelalters]. Dušan Coufal, Juni 2011.

Blanka Zilynská Hussitische Synoden Die Vorläufer der reformatorischen Synodalität* Die Epoche des Hussitismus stellt in der böhmischen Geschichte einen Markstein dar, der viele Entwicklungstendenzen beschleunigte und zahlreiche neue Elemente mit sich brachte.1 Veränderungen lassen sich nicht nur im Denken aufspüren, sondern auch in den organisatorischen Verwaltungsformen.2 Deren Veränderung war freilich nur unter der Voraussetzung möglich, dass sich auch das Denken änderte, wobei bisherige Rechtstabus fallen gelassen wurden. In diesen Bereich nun gehört auch die Entwicklung des Synodallebens in Böhmen. Änderungen in der Art und Weise, wie die Geistlichkeit nun zusammentrat, illustrieren wir an einigen Beispielen, die ganz bewusst mit Blick auf die Reformation ausgesucht sind. In den böhmischen Ländern begann sich das Synodalleben, verglichen mit den Ländern in Westeuropa, relativ spät zu entfalten. Belege für eine selbständige Einberufung der Geistlichkeit in den böhmischen Ländern haben wir erst aus der Zeit nach dem IV. Laterankonzil, und zwar keineswegs unmittelbar im Anschluss an seine Beschlüsse, sondern erst von der Mitte beziehungsweise dem Ende des 13. Jahrhunderts an.3 Um so dynamischer aber gestaltete sich das regelmäßige Synodalleben im Laufe des 14. Jahrhunderts. Für die vier Jahrzehnte vor Ausbruch der Hussitenrevolution haben wir Belege für regelmäßige, zweimal jährlich abgehaltene Diözesansynoden des Klerus der Prager Diözese, auf denen Statuten verkündet wurden, die für Jahre hinaus eine lange Kette lokaler Kirchenlegislative bildeten und dabei an die Gründertat des ersten Prager Erzbischofs Ernst von Pardubitz anknüpften: nämlich an seine Provinzialsatzungen aus dem

* Deutsche Übersetzung Wolf B. Oerter. 1 Šmahel, František: Die hussitische Revolution, 3 Bde., Hannover 2002. 2 Verwaltungsrechtliche Änderungen im Hussitismus: Malý, Karel u.a.: Dějiny českého a československého práva do roku 1945, 2. upravené vydání [Geschichte des böhmischen und tschechoslowakischen Rechts bis 1945, 2. verbesserte Aufl.], Praha 1999, S. 44–51 (Stát a právo v období husitském [Staat und Recht zur Hussitenzeit]), S. 52–75 (Český stát v období stavovském [Der böhmische Staat zur Zeit der Stände]); Janák, Jan/Hledíková, Zdeňka/Dobeš, Jan: Dějiny správy v českých zemích od počátků státu po současnost [Die Verwaltung in den böhmischen Ländern von den Anfängen des Staates bis heute], Praha 2005, S. 75–117; Seibt, Ferdinand: Die Zeit der Luxemburger und der hussitischen Revolution, in: Bosl, Karl (Hg.): Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder I, Stuttgart 1967, S. 349–568. 3 Hledíková, Zdeňka: Synoden in der Diözese Prag 1280–1417, in: Kruppa, Nathalie/Zygner, Leszek (Hgg.): Partikularsynoden im späten Mittelalter, Göttingen 2006, S. 307–329; Polc, Jaroslav V./Hledíková, Zdeňka: Pražské synody a koncily předhusitské doby [Die Prager Synoden und Konzile in vorhussitischer Zeit], Praha 2002; Krafl, Pavel: Synody a statuta olomoucké diecéze období středověku [Synoden und Statuten der Diözese Olmütz im Mittelalter], Praha 2003.

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Jahre 1349.4 Eine andere Dynamik der Synodalentwicklung weisen die beiden anderen unter die Rechtsbefugnis des Prager Erzbischofs fallenden Diözesen auf: die Leitomischler und die Olmützer Diözese. Von ersterer fehlen, von einer Ausnahme abgesehen, Zeugnisse für Synoden gänzlich.5 Für Mähren wiederum war es charakteristisch, dass die Diözesansynoden zwar weniger häufig einberufen wurden als in Prag (etwa in dreißigjährigen Abständen), doch dafür wurden auf ihnen umfangreichere und langfristige, prinzipiellere Statuten verabschiedet, als es die Prager Teilanordnungen waren, die auf aktuelle Anregungen reagierten.6 Die Entwicklung der Prager Diözesanverwaltung einschließlich des Synodallebens und der Legislative war in vorhussitischer Zeit vergleichbar lediglich mit einigen wenigen europäischen Diözesen. Eine ähnlich dichte Abfolge von Synoden finden wir beispielsweise in den Diözesen Konstanz und Speyer; die Regelmäßigkeit des Prager Synodallebens übertrifft selbst die Lage in Kastilien, das als relativ gut belegtes und bearbeitetes Gebiet gilt.7 Üblicher waren freilich Fälle, in denen jeder Ordinarius während seiner Amtszeit eine oder mehrere einzelne Synoden einberief, um auf ihnen je nach aktuellem Bedarf einmalige eigene Zusätze zur örtlichen Kirchenlegislative zu verkünden.8 Im Rahmen der ungleichmäßigen europäischen Entwicklung der spätmittelalterlichen Syno4 Polc/Hledíková, Pražské synody (wie Anm. 3), Edition: Rostislav Zelený ebd. S. 115–164; neuere Beiträge zur Wertung der Statuten: Hlaváček, Ivan: Kodikologisch-bibliotheksgeschichtliche Bemerkungen zu den Provinzialstatuten Ernsts von Pardubitz von 1349, in: Kruppa/Zygner (Hgg.): Partikularsynoden (wie Anm. 3), S. 331–350; Krafl, Pavel: Arnoštova provinciální statuta z roku 1349 – významná česká právní památka [Die Provinzialstatuten des Ernst von Pardubitz von 1349 – ein bedeutendes böhmisches Rechtsdenkmal], in: Bobková, Lenka/Gładkiewicz, Ryszard/Vorel, Petr (Hgg.): Arnošt z Pardubic (1297–1364). Osobnost – okruh – dědictví, Wrocław/Praha/Pardubice 2005, S. 59–64. 5 Sedlák, Jan: Dioecesní synoda v Litomyšli [Die Diözesansynode in Leitomischl], in: Studie a texty k náboženským dějinám českým I, Olomouc 1914, S. 129–140 (der Text einer anonymen Synodalpredigt bezeugt die einzige Synode in der Leitomischler Diözese für etwa 1401). 6 Krafl, Synody a statuta olomoucké diecéze (wie Anm. 3), S. 101 f. Dort auch Zitierung seiner älteren, eingehenderen Studien. Jüngste Übersicht für Mähren: Ders.: Middle Age synods and statutes of the Diocese of Olomouc, in: Kruppa/Zygner (Hgg.): Partikularsynoden (wie Anm. 3), S. 351–361. 7 Für Konstanz Brehm, Karl: Zur Geschichte der Konstanzer Diözesansynoden während des Mittelalters, in: Diözesanarchiv von Schwaben 22–23 (1904/5), passim, und Maier, Konstantin: Die Konstanzer Diözesansynoden im Mittelalter und in der Neuzeit, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 5 (1986), S. 53–70 (neuere revidierte Übersicht). Bewertung der Lage in Speyer und Kastilien nach älterer Literatur Helmrath, Johannes: Partikularsynoden und Synodalstatuten des späteren Mittelalters im europäischen Vergleich. Vorüberlegungen zu einem möglichen Projekt, in: Borgolte, Michael (Hg.): Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, Berlin 2001, S. 135–169, hier S. 150–152, 157. 8 Wiegand, Peter: Diözesansynoden und bischöfliche Statutengesetzgebung im Bistum Kammin. Zur Entwicklung des partikulären Kirchenrechts im spätmittelalterlichen Deutschland, Köln/ Weimar/Wien 1998, S. 30–37 (mit Verweisen auf ältere Übersichten über die Synoden im Reich); Helmrath, Partikularsynoden (wie Anm. 7), S. 157, verweist darauf, dass man in jüngster Zeit dank systematischerer Bearbeitung lokaler Zeugnisse wiederholt einräumt, dass



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dalität gehörten die böhmischen Länder zu Beginn des 15. Jahrhunderts also zu dem außerordentlich entwickelten Gebiet, in welchem sowohl die Verhältnisse im Lande (friedliche Entwicklung und wirtschaftliche Prosperität) als auch die personellen Verhältnisse auf dem hiesigen erzbischöflichen Stuhl9 für eine häufige und regelmäßige Einberufung der Geistlichkeit zu gemeinsamer liturgischer Feier, zu Verhandlungen über aktuelle Fragen und zur Anhörung des Willens des Prager Ordinarius günstig waren.10

I. Nach der Jahrhundertwende betraf die aktuelle Thematik der Prager Synodalverhandlungen in immer stärkerem Maße die sich entfaltende Reformbewegung. Während der Synoden treten bis 1407 bedeutende reformgesinnte Prediger auf. So wie in den sechziger Jahren Milíč von Kremsier und in den achtziger Jahren Adalbert Rankonis (Vojtěch Raňkův von  Ježov) oder Matthäus von Krakau, 11 so konnte die Geistlichkeit an der Jahrhundertwende Stefan von Kolin, Stanislaus von Znaim (1405) und Jan Hus (1405 und 1407) vernehmen. 12 Der Erzbischof Zbynko von Hasenburg war bemüht, in Diözesansynoden weitaus häufiger haben stattfinden können, als es die Quellen belegen (weitere Literaturhinweise ebd.). 9 Besonders drei „Gründer“-Persönlichkeiten ragen heraus: Ernst (neue biographische Monographie Hledíková, Zdeňka: Arnošt z Pardubic. Arcibiskup, zakladatel, rádce [Ernst v. Pardubitz. Erzbischof, Gründer, Ratgeber], Praha 2008), Jenstein (gewürdigt in einer Studie von Hledíková, Z.: Vyvrcholení církevně správního vývoje Čech v době Jana z Jenštejna [Der Höhepunkt in der Entwicklung der Kirchenverwaltung Böhmens zur Zeit des Johann von Jenstein], in: Jenštejn 1977. Sborník, Brandýs/Stará Boleslav s.d., 57–73) und Zbynko (Stejskal, František: Zbyněk Zajíc z Hasenburka [Zbynko Zajíc von Hasenburg], Praha 1914). 10 Allgemeine Charakteristik der Partikular-, insbesondere Diözesansynoden: Kruppa, Nathalie: Einführung, in: Dies./Zygner (Hgg.): Partikularsynoden (wie Anm. 3), S. 11–27, und weitere Beiträge ebd; Pontal, Odette: Les statuts synodaux, in: Typologie des sources du moyen age occidental, Turnhout 1975; Wiegand, Diözesansynoden (wie Anm. 8), S. 8–48. 11 Zu den einzelnen Persönlichkeiten: Kaňák, Miloslav: Milíč z Kroměříže [Milíč von Kremsier], Praha 1975; Loskot, František: Milíč z Kroměříže [Milíč von Kremsier], Praha 1911; Šmahel, František: Husitská revoluce [Die Hussitische Revolution] II, Praha 1993, S. 190–198 mit weiterer Literatur; Kadlec, Jaroslav: Leben und Schriften des Prager Magisters Adalbert Rankonis de Ericinio, Münster 1971; Nuding, Matthias: Matthäus von Krakau: Theologe, Politiker, Kirchenreformer in Krakau, Prag und Heidelberg zur Zeit des Großen Abendländischen Schismas, Tübingen 2007. 12 Die Problematik der Synodalpredigten ist für das böhmische Milieu nicht ausreichend bearbeitet. Eine grundlegende Übersicht über datierbare und mit einem bekannten Autor verbundene Predigten lieferte Hledíková, Zdeňka: Synody v pražské diecézi v letech 1349–1419 [Synoden in der Prager Diözese 1349–1419], in: Český časopis historický 18 (1970), S. 117–146; zu den genannten Persönlichkeiten: Odložilík, Otakar: M. Štěpán z Kolína [Stefan von Kolin], Praha 1924; Sousedík, Stanislav: Stanislav ze Znojma – Husův univerzitní učitel [Stanislaus von Znaim – Hussens Universitätslehrer], in: Ders., Učení o eucharistii v díle M. Jana Husa [Die Abendmahlslehre im Werk von Magister Jan Hus], Praha 1998, S. 11–36 mit weiterer Literatur;

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Übereinstimmung mit ihnen bestimmte Übertreibungen der Volksfrömmigkeit – als unpassende Formen des Pilgerwesens – zu regulieren.13 Andererseits nutzte der Erzbischof immer häufiger das Synodalforum, um die Anschauungen einiger Denker zu korrigieren. Nach dem älteren Widerruf Miličs und seiner Genossen auf der Synode von 138914 kommt es zur Anordnung gegen die Lehre über die Remanenz vom Juni 1406 in Zusammenhang mit der Kritik an den Ansichten des Stanislaus von Znaim, diese Anordnung wird im Juni 1408 erneuert.15 Kurz danach (am 16. 7. 1408) jedoch muss der Erzbischof eine außerordentliche Synode einberufen und auf ihr auf Wunsch des Königs bestätigen, dass er im Lande keine Ketzerei vorgefunden habe.16 Gegen die Wyclifschen Lehren gerichtete Anweisungen werden dann freilich auch auf weiteren Versammlungen wiederholt.17 Eine sehr interessante Situation bot sich 1412, als außer zwei regelmäßigen Diözesansynoden am 16.7. eine außerordentliche Versammlung der Geistlichen und Laien im Altstädter Rathaus in Prag stattfand.18 Die Zusammenkunft war von den königlichen Ratgedie Synodalpredigten von Hus sind im Rahmen seiner Opera omnia noch nicht neu herausgegeben, ältere Edition siehe Seibt, Ferdinand (Hg.): Jan Hus zwischen Zeiten, Völkern, Konfessionen, München 1997, S. 419–425; eine Übersicht über die Handschriften bei Bartoš, František Michálek/Spunar, Pavel: Soupis pramenů k  literární činnosti m. Jana Husa a m. Jeronýma Pražského [Quellenverzeichnis zur literarischen Tätigkeit von Magister Jan Hus und Magister Hieronymus von Prag ], Praha 1965, S. 128–130, Nr. 79 f. – Analysen von Synodalpredigten Hussens: Sedlák, Jan: M. Jan Hus, Praha 1915, S. 118–122, Novotný, Václav: M. Jan Hus. Život a učení [Magister Jan Hus. Sein Leben und seine Lehre] I/1, Praha 1919, S. 153–157, 189–192. 13 Das Verbot von Wallfahrten an wunderverdächtige Stätten fasst zusammen und wertet Hledíková, Zdeňka: Ještě k počátkům blánické pověsti [Noch zu den Anfängen der Sagen vom Berg Blanik], in: Sborník vlastivědných prací z Podblanicka 20 (1979), S. 121–140, hier S. 123 f. Zu den entsprechenden Anordnungen siehe Polc/Hledíková, Pražské synody (wie Anm. 3), S. 268, 271, 274 (Nrn. LIV/16, LV/11, LVII/2). 14 Übersichtlich und mit weiterer Literatur: Šmahel: Husitská revoluce (wie Anm. 11) II, S. 204– 209; Text des Widerrufs: Polc/Hledíková: Pražské synody (wie Anm. 3), S. 245–249, Nr. 40/1–3. 15 Polc/Hledíková: Pražské synody (wie Anm. 3), S. 278–280 (§ 20), S. 285–287 (§ 2); dazu am ausführlichsten Novotný, M. Jan Hus (wie Anm. 12) I/1, S. 165 f., 175 f., 222 f.; zur Remanenz insgesamt Sousedík, Učení (wie Anm. 12). Über die Änderung der Taktik des Erzbischofs, der von der Vervollkommnung des Zustandes der Kirchenverwaltung zur Disziplinaraufsicht über den Klerus wechselte, siehe Hledíková, Zdeňka: Církevní reforma a čeští reformátoři [Kirchenreform und böhmische Reformatoren], in: Dějiny a současnost 1995, Nr. 5, S. 29–33, hier S. 32. 16 Über die Ereignisse und ihre Umstände Novotný, M. Jan Hus (wie Anm. 12) I/1, S. 250; als außerordentliche Synode verzeichnet in: Hledíková, Synody v pražské diecézi (wie Anm. 12), S. 145. 17 18. 10. 1408, 15. 6. 1409, 16. 6. 1410, siehe Polc/Hledíková: Pražské synody (wie Anm. 3), S. 287–9, 291–301. 18 Die regelmäßigen Diözesansynoden von 1412 führt J. Kadlec (in: Polc/Hledíková, Pražské synody, wie Anm. 3) nicht an, weil ihre Statuten unbekannt sind; sie sind verzeichnet bei Hledíková, Synody v pražské diecézi (wie Anm. 12), S. 144. Die Juni-Synode ist lediglich



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bern einberufen worden, von denen zwei: Konrad von Vechta (damals Bischof von Olmütz) und Wenzel Králík von Buřenitz (Patriarch von Antiochien), Geistliche waren und einer: Janek von Chocenice, Laie. Bestätigt wurde die Verurteilung John Wyclifs. Konrad von Vechta leitete auch die außerordentliche Synode im Februar des darauffolgenden Jahres, die er zusammen mit dem Bischof von Leitomischl, Johann dem Eisernen, auf Wunsch des Königs einberief.19 Vechta benutzt den Begriff „Synode“ nicht, und die Nennung des Kreises der Geladenen ist für eine gewöhnliche Synode nicht ganz üblich: er lädt Prälaten ein, Doktoren beiderlei Rechts und Magister und bezeichnet die übrigen als „illuminati“. In der Formulierung der Einladung kommt nicht nur der königliche Wunsch zum Ausdruck, sondern auch der der Herren, die auf der Dezembersitzung des Landtages zugegen waren.20 Der einzige, der diese Aktion als „synodus generalis“ bezeichnet, ist durch eine Erwähnung bei Hus belegt, die Oktober-Synode durch eine Aufzeichnung bei Jan Długosz, siehe Flajšhans, Václav: Husovo odvolání ke Kristu [Hussens Appell an Christus], in: Český časopis historický 39 (1933), S. 237–258, hier S. 247. Auf ihr wurde die Aggravation der Husschen Ächtung verkündet, auf die Hus mit einem Appell an Christus antwortete, siehe Šmahel, Husitská revoluce II (wie Anm. 11), S. 259 und S. 344, Anm. 184; Kejř, Jiří: Husovo odvolání od soudu papežova k soudu Kristovu [Von Hussens Appell an das päpstliche Gericht zum Appell an das Gericht Christi], Ústí n. L. 1999. Die Versammlung auf dem Rathaus vom 16.7.1412 wird weder von Hledíková noch von Kadlec als außerordentliche Synode angeführt. Zu dem Ereignis Novotný, M. Jan Hus (wie Anm. 12) I/2, Praha 1921, S. 123–129; Šmahel, Husitská revoluce II (wie Anm. 11), S. 257. Durch den Ort der Handlung unterscheidet sich diese Versammlung auch von den außerordentlichen Synoden, mit ihrem Verlauf, Verhandlungsgegenstand und den teilnehmenden Personen aber reiht sie sich unter die folgenden außerordentlichen Synoden ein. Das notarielle Verhandlungsprotokoll edierte Sedlák, Jan: K dějinám českého viklefství r. 1411 a 1412 [Zur Geschichte des böhmischen Wyclifismus 1411 und 1412], in: Studie a texty I/1 (1913), S. 33–74, hier S. 55–65, mit der Überschrift: „Quae acta sint in synodo in praetorio Maioris civitatis Pragensis die 16. Julii 1412“, nach einer Handschrift aus der Krakauer Jagiellonen-Bibliothek 1478, fol. 320r–322v. Die Authentizität der Überschrift muss noch überprüft werden. Ansonsten geht aus der zeitgenössischen Terminologie hervor, dass diese Zusammenkunft nicht für eine Synode gehalten wurde und als Versammlung von Doktoren auf dem Rathaus bezeichnet wird, für die römische Seite nichtsdestoweniger „sancta fuit congregacio“, wie Páleč bemerkte (die Terminologie wird von Novotný und auch von Sedlák in der Einleitung zur Edition zitiert, über Páleč S. 41). 19 Die am 6. Februar 1413 eröffnete außerordentliche Synode verzeichnet Hledíková, Synody v pražské diecézi (wie Anm. 12), S. 145 f.; Kadlec erwähnt weder diese noch die übrigen außerordentlichen Synoden. Siehe ferner Novotný, M. Jan Hus (wie Anm. 18), I/2, S. 229, 242–254; Bartoš, František Michálek: Čechy v době Husově 1378–1415 [Böhmen in der Zeit von Hus 1378–1415], Praha 1947, S. 363–365; Kejř, Jiří: Husitský právník M. Jan z Jesenice [Der hussitische Jurist Magister Johann von Jesenitz], Praha 1965, S. 75–77; Kaminsky, Howard: A History of the Hussite Revolution, Berkeley/Los Angeles 1967, S. 92 f.; Šmahel, Husitská revoluce II (wie Anm. 11), S. 261 f. und entsprechende Anm. Die Synode nahm lediglich die gegensätzlichen Ansichten der propäpstlichen Theologen und der Anhänger von Hus zur Kenntnis, ein Erlass erging allerdings nicht. 20 Zur Einberufung der Synode siehe Palacký, František (Ed.), Documenta mag. Joannis Hus vitam, doctrinam, causam in Constantiensi concilio actam.et controversias de religione in Bohemia annis 1403–1418 motas illustrantia, Pragae 1869, S. 473 f., Nr. 51B. Der

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Johannes von Jesenitz, ein Jurist, der zu jener Zeit Hussens Verteidigung führte.21 Die Versammlung trat am 6.2.1413 im erzbischöflichen Hof in Prag zusammen und befasste sich mit mehreren Vorschlägen verschiedener Seiten zur Bereinigung der Situation in Prag, die durch den Zwist zwischen den Anhängern und Widersachern der Lehre Wyclifs entstanden war. Erhalten hat sich auch die Eröffnungspredigt von Hermann von Mindelheim, die gegen die Partei Hussens gerichtet war. Eine Beruhigung trat nicht ein, die Streitigkeiten hielten an. Erzbischof Albik von Uničov22 war damals bereits im Begriff, den erzbischöflichen Stuhl zu verlassen, und an seiner Stelle sollte gerade der bereits erwähnte Konrad treten, der im wesentlichen schon als Administrator auftrat.23 Der Austausch wurde dann erst im Sommer des Jahres 1413 perfekt. Konrad von Vechta als Prager Erzbischof machte sich die regelmäßigen Diözesansynoden zunutze, um die Entwicklung der Reformbewegung in die richtige Bahn zu lenken (VI´1413?; VI´1414) und um antihussitische Erlässe publik zu machen, nämlich das Verbot des Laienkelches (X´1414, VI´1417).24 Außerdem berief Verhandlungsgegenstand des vom 14.–17.12.1412 tagenden Landtages ist nur teilweise bekannt. Vgl. dazu Zilynskyj, Bohdan: Česká šlechta a počátky husitství (1410–1415) [Der böhmische Adel und die Anfänge des Hussitismus (1410– 1415)], in: Jihočeský sborník historický 48 (1979), S. 52–63, hier S. 57. Möglicherweise wurde auch Hussens Brief verhandelt, der seine Exkommunizierung betraf. Dem würde dann die mündliche Anweisung der Herren an Konrad von Vechta zur Einberufung der Synode entsprechen. Auch die Schrift Johanns von Jesenitz Repetitio pro defensione causae M.J.H., die kurz nach der Gerichtssitzung publiziert wurde, am 18.12.1412 bei der Universitätsversammlung, entspricht dem. Zum Inhalt siehe Sedlák, M. Jan Hus (wie Anm. 12), S. 269 f.; Novotný, M. Jan Hus (wie Anm. 18) I/2, S. 224–226; Kybal, Vlastimil: M. Jan Hus. Život a učení [Magister Jan Hus. Sein Leben und seine Lehre] II/2, Praha 1926, S. 78–82; Kejř, Husitský právník (wie Anm. 19), S. 68–71. 21 Über den Charakter der Ereignisse stellt lediglich Kejř, Jiří: Husův proces [Hussens Prozess], Praha 2000, S. 109 f., Erwägungen an und macht auf den außerordentlichen Versammlungsverlauf aufmerksam, der von einer ordentlichen Diözesansynode abweicht. Über Jesenitz Ders., Husitský právník (wie Anm. 19). Sein Ausspruch „nuper in synodo...“ enthält seinen Protest vom Frühjahr 1413, der in der sog. Chronik der Prager Universität inseriert ist, siehe Goll, Jaroslav (Ed.), Fontes rerum Bohemicarum V, Prag 1893, S. 577. 22 Als Erzbischof wirkte er nur eine sehr kurze Zeit, er war mehr mit anderen Tätigkeiten befasst, einschließlich Lehre an der Universität und ärztlicher Praxis. Zu seiner Persönlichkeit Říhová, Milada: Dvorní lékař posledních Lucemburků. Albík z Uničova, lékař králů Václava IV. a Zikmunda, profesor pražské univerzity a krátký čas i arcibiskup pražský [Der Hofarzt der letzten Luxemburger. Albik von Uničov, Arzt der Könige Wenzel IV. und Sigmund, Professor der Prager Universität und kurze Zeit auch Erzbischof von Prag], Praha 1999. 23 Zu seiner Person: Hlaváček, Ivan: Konrad von Vechta. Ein Niedersachse im spätmittelalterlichen Böhmen, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Vechta 4 (1974), S. 5–35; Ferdinand Seibt, Konrad von Vechta, in: Hussitenstudien. Personen, Ereignisse, Ideen einer frühen Revolution, München 1987, S. 241–252. 24 Die ordentliche Herbstsynode von 1414 registriert J. Kadlec in: Polc/Hledíková, Pražské synody a koncily (wie Anm. 3), S. 61, und legt in sie das Kelchverbot. Dieses wird im Zusammenhang mit einer Synode desselben Jahres von Jacobellus von Mies in seiner Predigt Probet autem erwähnt. Eine weitere Erwähnung der Synode findet sich in den Dokumenten des



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er auf Geheiß des Königs noch eine außerordentliche Versammlung Ende des Sommers 1414 ein.25 Einen Tag zuvor hatte Hus seine Bekanntmachungen veröffentlicht, die alle diejenigen, die ihn der Ketzerei beschuldigen wollten, dazu aufrief, dies vor dem Erzbischof oder der Synode zu tun. Jesenitz versuchte, auf der Synode als sein Prokurator zu erscheinen, wurde jedoch nicht vorgelassen. Anlass zur Einberufung der Synode war die Ermächtigung Johanns des Eisernen zum Einschreiten gegen Vechta, Kralik von Buřenice und den Inquisitor Nikolas, weil sie angeblich ihre Pflichten in Sachen Ketzerei nicht erfüllten.26 Gleich zu Beginn der Hussitenbewegung können wir also mehrere Phänomene feststellen. Die Diözesansynoden zeugen mit ihrer Regelmäßigkeit und Häufigkeit von einer hochentwickelten Kirchenverwaltung im Lande. Die Erzbischöfe versuchten mit ihrer Hilfe, unerwünschten Erscheinungen im Bereich abergläubischer Praktiken und Abweichungen vom dogmatischen Rahmen Einhalt zu gebieten. Andererseits ist es jedoch nicht schwer sich vorzustellen, dass solche häufigen Zusammenkünfte von Personen aus den verschiedenen Landesteilen eine ausgezeichnete Gelegenheit für den Austausch von Informationen einschließlich dogmatischer Neuigkeiten boten.27 Gleichzeitig spiegelt sich in den angeführten Jahren 1412 bis 1414 im Synodalleben auch die Destabilisierung Konsistoriums, siehe Palacký (Ed.), Documenta (wie Anm. 20), S. 595, Nr. 87. Angaben über die besagte Predigt bei Bartoš, František Michálek: Literární činnost M. Jakoubka ze Stříbra [Die literarische Tätigkeit des Magisters Jacobellus von Mies], Praha 1925, S. 36, Nr. 39; Pavel Spunar, Repertorium auctorum Bohemorum provectum idearum post Universitatem Pragensem conditam illustrans I, Studia Copernicana XXV, Wratislaviae etc. 1985, S. 231 f., Nr. 616. Vgl. dazu Bartoš, František Michálek: Počátky kalicha v Čechách [Die Anfänge des Kelches in Böhmen], in: Časopis Českého Musea 96, 1922, S. 170, ebd. 97, 1923, S. 44; Krmíčková, Helena: Studie a texty k počátkům kalicha v Čechách [Studien und Texte zu den Anfängen des Kelches in Böhmen], Brno 1997, S. 27, verweist auf die Schwierigkeit, diese Synode eindeutig als ordentliche Herbstsynode zu klassifizieren. Zu 1417 Kadlec in: Polc/Hledíková, Pražské synody a koncily (wie Anm. 3), S. 61, Anm. 17, und die dort zitierte Literatur. Zur Bedeutung dieses gesamten Zeitraums für die Entwicklung der Synoden in Böhmen Hledíková, Synoden in der Diözese Prag (wie Anm. 3), S. 322. 25 Über die außerordentliche Synode vom 27.8.1414: Hledíková, Synody v pražské diecézi (wie Anm. 12) 146; Novotný, M. J. Hus (wie Anm. 18) I/2, S. 348; Bartoš, Čechy v době Husově (wie Anm. 19), S. 381; Šmahel, Husitská revoluce (wie Anm. 11) II, 272. 26 Die Synode beschloss eine Sondersammlung für die Auslagen der Konzilsabordnung, die von Železný angeführt werden sollte. Ansonsten kennen wir nichts vom Verhandlungsverlauf. Nachrichten über die Synode liefert Peter von Mladoniowitz, auch Hus erwähnt sie, und die Sammlung wird in den zeitgenössischen Annalen erwähnt. Zitierung der Quellen und Literatur bei Hledíková (wie Anm. 25). 27 F. Šmahel, Husitská revoluce (wie Anm. 11) I, Praha 1993, S. 236. Zur Reformtätigkeit der Prager Erzbischöfe einerseits und den allmählichen Änderungen der Synoden in den letzten Jahren vor Ausbruch des Hussitismus andererseits Hledíková, Církevní reforma (wie Anm. 15) 29–33; Dies.: Ještě k počátkům blanické pověsti (wie Anm. 13), Sborník vlastivědných prací z Podblanicka 20 (1979), S. 121–140; Dies., Kodifikační úloha synodálních statut v českém prostředí předhusitské doby [Die Kodifizierungsaufgabe der Synodalstatuten im vorhussitischen Milieu Böhmens], in: Velké kodifikace I, Praha 1988, S. 103–116; Krafl, Pavel:

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des erzbischöflichen Stuhls, in dessen Neubesetzung sich nachhaltig der Herrscher einmischte, dessen Schützling Konrad von Vechta getreu königlichem Willen die ordentlichen und außerordentlichen Zusammenkünfte der Geistlichen organisierte, und zwar bereits weitaus früher, als er selbst auf dem Prager Erzbischofsstuhl saß. Die ohnehin ziemlich große Zahl gewöhnlicher Verhandlungen der Diözesansynoden wurde in angespannten Augenblicken mehrmals durch außerordentliche Zusammenkünfte ergänzt, die in Form von Disputen geführt wurden. Ihr Charakter bewegt sich an der Grenze zwischen Klerikersynode, Universitätsdisputation und gemischter Versammlung ohne feste Grenzen. In verschiedenem Ausmaße und verschiedener Rolle kommen hier der König zur Geltung, der Prager Erzbischof, weitere zwei Bischöfe als königliche Ratgeber oder Administratoren der Prager Diözese, und es nimmt ein bestimmter Ausschnitt aus der Geistlichkeit und den Universitätsmagistern daran teil. Die Quellen lassen erahnen, wie bewusst man sich der Außerordentlichkeit der Lage und einer bestimmten Verlegenheit bei der Benennung dieser Aktionen war, nichtsdestoweniger ist der Zusammenhang mit den Synoden in organisatorischer Hinsicht und hinsichtlich der hier verhandelten Sache klar ersichtlich.28 Die Lage der ersten beiden Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts nimmt also in vielem die nachfolgende Entwicklung vorweg, und es sollte uns nicht überraschen, welchen Weg die weitere Entwicklung der Synoden nehmen wird. Beim Blick auf die Entwicklung in Böhmen in den ersten beiden Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts drängt sich die Parallele mit der Entwicklung in Frankreich auf, wo es im Zusammenhang mit dem päpstlichen Schisma zwischen 1395 und 1408 ebenfalls zur Einberufung zahlreicher außerordentlicher Versammlungen des Klerus aus dem ganzen Land gekommen war. Die Versammlungen wurden vom König einberufen, den Vorsitz führte der weltliche Prinz in Vertretung des Königs. Den Zeitgenossen und Historikern ist deutlich, dass dies keine kanonischen Konzile waren, obgleich sie in der Fachliteratur so genannt werden. In den von der königlichen Kanzlei formulierten Mandaten werden die Gründe zur Einberufung erklärt und eine Teilnahme wird als Ausdruck der Loyalität gegenüber dem König gewertet. Bei Nichtteilnahme drohte der König mit Strafen und vertrat gegenüber dem Klerus den Standpunkt des bürgerlichen Rechts: wie von seinen Beamten erwartete er auch von ihnen Gehorsam. Der König sprach von erforderlicher Beratung, die Plenarversammlung des französischen Klerus sollte die Aufgabe eines königlichen Rates wahrnehmen. Die Versammlung, die eher einem Parlament glich als einem Kirchenkonzil, verwendete in ihrer Selbstreflexion jedoch auch die Bezeichnung „Konzil“. H. Millet, die sich mit der Dokumentation dieser Versammlungen ausführlich befasste, meint, dass hier der an der Pariser Universität blühende Konziliarismus zum Ausdruck komme.29 Selbstverständlich wurden auch Stimmen laut, die die Haltung der Vyškovská synoda (1413) o šíření viklefismu [Die Synode von Vyškov/Wischau (1413) über die Verbreitung des Wyclifismus], in: Dialog Evropa XXI/8 (1997), S. 2 f. 28 Die historische Literatur spricht eindeutig von Synoden, lediglich Kejř: Husův proces (wie Anm. 21), beanstandete den ungewöhnlichen Charakter der Versammlung von 1413. 29 Millet, Helène: Du conseil au concile (1395–1408). Recherche sur la nature des assemblées du clergé en France pendant le grand schisme d´Occident, in: Journal des savants, année 1985, S. 137–158.



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Teilnehmer eines derartigen „Konzils“ kritisierten (vor allem aus dem Kapitel in Toulouse) und zahlreiche Argumente für seine Nichtkanonizität lieferten. Als Reaktion darauf kamen unter den Versammlungsteilnehmern Anzeichen einer Theorie auf, wie man im Notfall vorzugehen habe, also das Problem der Konzilseinberufung ohne den Papst. In den Vordergrund schob man die Forderung nach Repräsentativität, die für die Legitimität wichtiger sein sollte als die Person, welche das Konzil einberuft. Ähnliche Situationen wiederholten sich in Frankreich auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Gebieten auch späterhin und lenkten die Entwicklung Frankreichs zum Gallikanismus hin.30 Das Vermischen traditioneller kanonischer Formen mit irregulären, rechtlich schwer feststellbaren Elementen können wir auch in der Reformation beobachten. An außerordentlichen Versammlungen nahmen auch Laien teil. Der gemischte Charakter dieser Versammlungen rief daher Zweifel hervor, ob man sie als Konzil oder als weltlichen Landtag bezeichnen sollte (Speyer 1524, Homberg 1526).31 Die reformierten Kirchen gingen jedoch noch einen Schritt weiter: die Laien wurden direkt ordentliche Teilnehmer der Synoden, die sich bei der reformierten Richtung der Kirche zu einem Leitungsorgan der Kirche entwickelten.32 Die reformatorischen Denker erkannten dem Konzil beziehungsweise der Synode eine größere Rolle bei der Lösung von Glaubensfragen zu.33 Auch in 30 Dingel, Irene: Gallikanismus, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3, Tübingen 42000, Sp. 459 f.; Müller, Heribert: Gallikanismus in: Lexikon des Mittelalters IV, München/ Zürich 1989, Sp. 1094–1096; Martin, Victor: Les origines du gallicanisme, 2 Bde, Paris 1938/39 (ND 1978); zum Konzil ecclesie Gallicane von 1423 und einer weiteren Versammlung im Zusammenhang mit dem Basler Konzil Kleinert, Christian: Philibert de Montjeu (ca. 1374– 1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges, Ostfildern 2004, S. 229–230 und passim. 31 Zur terminologischen und juristischen Unklarheit von „Synoden“ in den Anfängen der Reformation vgl. B. Zilynská und ihre bislang unveröffentlichte Dissertation. Das Problem der zeitgenössischen Terminologie, die juristische Unsicherheit und der Charakter dieser Versammlungen sind erkannt worden von Sohm, Walter: Territorium und Reformation in der hessischen Geschichte 1526–1555, Marburg 1915, S. 23–25; zum Nationalkonzil in Speyer Weizsäcker, J.: Der Versuch eines Nationalkonzils in Speyer, in: Historische Zeitschrift 64 (1890), S. 199–215. Zu  Homberg gibt es eine Unmenge von Literatur, die ältere Literatur bei Friedrich, Julius: Die Entstehung der Reformatio ecclesiarum Hassiae von 1526. Eine kirchenrechtliche Studie, Giessen 1905, S. 24–28; Lechler, Gothard Victor: Geschichte der Presbyterial- und Synodalverfassung seit der Reformation, Leiden 1854, S. 14–21; zu neuerer Literatur siehe Fäcke, Bodo/Götte, Hafale et al. (Ed.): Die Homberger Synode von 1526. Die Reformation in Hessen, Homberg 22002; Närger, Nikolaus: Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen im 19. und 20. Jahrhundert (Jus ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchenrecht 36), Tübingen 1988, S. 33. 32 Eine übersichtliche Charakteristik der Synoden als Institution in den reformierten Kirchen findet sich in den Enzyklopädien: Religion in Geschichte und Gegenwart IV, 42001, Sp. 1323– 1325; VI, 42003, Sp. 1614–1616; VII, 42004, Sp. 1971 f.; Theologische Realenzyklopädie XXXII, 2001, S. 573– 4; Lexikon für Theologie und Kirche IX, 32000, Sp. 1190. 33 Tecklenburg, Johns Christa: Luthers Konzilsidee in ihrer historischen Bedingtheit und ihrem reformatorischen Neuansatz, Berlin 1966; Stupperich, Robert: Evangelisches Konzil.

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diesem Punkt finden wir Übereinstimmung mit dem, was sich im hussitischen Böhmen spontan durchsetzte. Kehren wir noch zur Frage der Synodeneinberufer zurück. Eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der Prager Synodalpraxis spielte auch nach dem Ausbruch der Revolution der letzte vorhussitische Erzbischof Konrad von Vechta. In den Jahren 1418 bis 1420 trat er zeitweilig in den Hintergrund, doch im Frühjahr 1421 erschien er erneut auf der Bühne als eine Figur, die das prinzipielle Problem dieser Versammlungen lösen konnte: ihre Legalität nämlich, die sich von der Person des Einberufers herleitet. Im April 1421 bekannte sich Konrad zum Kelch und gleich im Mai gab er die Einberufung einer Synode nach Raudnitz bekannt, die sichern sollte, dass die gesamte böhmische Geistlichkeit den gleichen Weg beschreitet wie auch er. Allerdings fand sie nicht den entsprechenden Widerhall.34 Zwei Monate später berief Konrad, bereits in den Intentionen des Landtags, den Klerus erneut ein, diesmal nach Prag, und ernannte als Ersatz für sich selbst Prager Universitätsmagister, die der Synode vorstanden. Diese Synode am Tag des heiligen Prokop im Jahre 142135 wird dann, neben dem Statut des Ernst von Pardubitz, als weiterer Baustein der Diözesanlegislative wahrgenommen und als Konrad-Synode bezeichnet, obgleich dieser überhaupt nicht nach Prag gekommen war und der Inhalt der auf ihr gefassten Beschlüsse gänzlich in der Regie der Magister und Johanns von Selau, des radikalen Predigers der Prager Neustadt, lag. Das dritte Glied in dieser Kette bildeten 1437 die Synodalanordnungen des Legaten Filibert.36 Die Verknüpfung dieser drei legislativen Taten in den Vorstellungen der böhmischen Utraquisten der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeugt von dem Bewusstsein der Kontinuität zwischen den vorhussitischen und den utraquistischen Synoden. Konrads Person deckte freilich nicht alle priesterlichen Versammlungen der Hussiten; das prinzipielle Problem einer Charakteristik und Wertung der verschiedenen Versammlungen der hussitischen Geistlichkeit ist deshalb die Frage nach ihrem Einberufer, der diesen Versammlungen den Stempel der Legalität und Verbindlichkeit ihrer Beschlüsse aufdrücken sollte. Aus Aussprüchen von Zeitgenossen, seien diese nun Teilnehmer dieser Versammlungen gewesen oder ihre Kritiker aus den Reihen der Gegner, geht hervor, dass das gesamte 15. Jahrhundert über das Bewusstsein von den kanonischen Regeln regulär

Forderungen und Pläne lutherischer Theologen und Politiker im XVI. und XVII. Jahrhundert, in: Neue Zeitschrift für systematische Theologie 3 (1961), S. 296–314; Meinhold, Peter: Konzile der Kirche in evangelischer Sicht, Stuttgart 1962, S. 119–139; Närger, Nikolaus: Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen im 19. und 20. Jahrhundert (Jus ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchenrecht 36), Tübingen 1988, S. 30–33; Sieben, Hermann Josef: Die katholische Konzilsidee von der Reformation bis zur Aufklärung, Paderborn etc. 1988, S. 13–51. 34 Zur Raudnitzer Synode Zilynská, Blanka: Husitské synody v Čechách 1418–1440 [Die hussitischen Synoden in Böhmen 1418–1440], Praha 1985, S. 16, 44 f. 35 Zur Synode am St.-Prokops-Tag Zilynská, Husitské synody (wie Anm. 34), S. 16 f., 45 f. und die dort angeführte Literatur. 36 Siehe Zilynská, Husitské synody (wie Anm. 34), S. 22, 76–79.



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abgehaltener Synoden vorherrschte.37 Diese Regeln konnten jedoch nicht eingehalten werden, da kein ordentlicher Einberufer zugegen war, weshalb man nach anderen Mechanismen suchte. Anfangs kam das Vorgehen einer kanonischen Lösung nahe. Der Einberufer einer Synode war eine geistliche Person, die den ordentlichen Bischof vertrat: in dieser Rolle wechselten sich allmählich ab: Konrad, der Erzbischof der Schismatiker,38 der gewählte aber nicht bestätigte Erzbischof Jan Rokycana,39 1486 dann der ohne obrigkeitliche Bestätigung wirkende Bischof Augustin,40 eventuell die Administratoren des Erzbistums.41 Die Taboriten beschritten einen eigenen Weg und nahmen Zuflucht zur Wahl 37 Katholischerseits greift man zu abfälligen Bezeichnungen für die Versammlung der hussitischen Geistlichen: conciliabulum, synodus acephala (vgl. z.B. Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti, Tom. I, Wien 1857, S. 742); Jan Rokycana wirft man vor, dass er „...non existens confirmatus et coronatus, intromisit se de iurisdiccione episcopo, .....synodos celebrando“ – aus der Wittingauer Handschrift A 16 abgedruckt bei Nejedlý, Zdeněk: Mládí M. Jana z Rokycan [Die Jugend des Magisters Jan Rokycana], in: Časopis Českého musea 73 (1899), S. 517–534, hier S. 532. Überraschender ist eine ähnliche Kritik an der Nichtkanonizität hussitischer Synoden aus dem Munde von Nikolaus von Pelhřimov, Bischof von Tabor, der 1441 auf die Unangemessenheit verweist, dass ein Laie, der Hauptmann der ostböhmischen Kreise, zur Synode einlud und nicht der utraquistische Bischof (Chronicon, ed. Konstantin Höfler, Geschichtschreiber der husitischen Bewegung II, Wien 1865, S. 732). 38 Siehe Anm. 23. 39 Eine ausführlichere Biographie zu dieser Persönlichkeit gibt es nicht, vgl. Boubín, Jaroslav/ Zachová, Jana: Žaloby katolíků na Mistra Jana z Rokycan [Die Klagen der Katholiken über Magister Jan Rokycana], Rokycany 1997, auf S. 5–19 kurzer Lebenslauf und Literaturhinweise, von den fremdsprachigen Arbeiten vgl. vor allem: Heymann, Frederick J.: Rokycana – Church Reformer between Hus and Luther, in: Church History 28 (1959), S. 240–280. 40 Macek, Josef: Víra a zbožnost  jagellonského věku [Glaube und Frömmigkeit des JagiellonenZeitalters], Praha 2001, zu Augustin S. 118–131, Literatur auf S. 429. 41 Zum Stand der Kirchenverwaltung in Böhmen nach den Hussitenkriegen Šmahel, František: Pražská církevní provincie ve víru husitské revoluce [Die Prager Kirchenprovinz im Sog der hussitischen Revolution], in: Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis 31/1 (1991), S. 107–115; Hledíková, Zdeňka: Administrace pražské diecéze na sklonku prvé poloviny 15. století [Die Verwaltung der Prager Diözese am Ende der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts], ebd. S. 117–128; Zilynská, Blanka: Utrakvistická církevní správa a možnosti jejího studia [Die utraquistische Kirchenverwaltung und die Möglichkeiten ihres Studiums], in: Církevní správa a její písemnosti na přelomu středověku a novověku, in: Acta Universitatis Carolinae – Philosophica et Historica 2 (1999), Praha 2003, S. 39–53; Mařík, Antonín: K postavení katolické církve v Čechách v době poděbradské. Činnost katolických administrátorů za Jiřího z Poděbrad [Zur Stellung der katholischen Kirche in Böhmen unter Georg von Podiebrad. Die Tätigkeit der katholischen Administratoren], in: Folia Historica Bohemica 7 (1984), S. 101–196; Ders., Teritoriální rozsah katolické církevní správy v době Jiřího z Poděbrad na základě administrátorských akt [Die territoriale Ausdehnung der katholischen Kirchenverwaltung zur Zeit Georgs von Podiebrad anhand von Adminstratorenakten], in: Církevní správa (wie oben), S. 213–240; Macháčková, Veronika: Církevní správa v době jagellonské (na základě administrátorských akt) [Die Kirchenverwaltung in jagiellonischer Zeit (anhand von Administratorenakten)], in: Folia Historica Bohemica 9 (1985), S. 235–290; Macek, Víra a zbožnost (wie Anm. 40).

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ihres Verwalters beziehungsweise Seniors Nikolaus Biskupec.42 In einer Reihe von Fällen waren einige der angeführten Kirchenpersonen lediglich ein Instrument zur Willenserfüllung von Vertretern der weltlichen Macht, sei diese nun der Landtag, der Prager Stadtrat, die Kreishauptleute, später der König und schließlich die utraquistischen Ständeversammlungen. Laien waren ebenfalls oft in Synodalverhandlungen zugegen.43 Auch zur Reformation, als die Mehrheit der deutschen Länder dem bischöflichen Prinzip abgeschworen hatte, sehen wir eine ähnliche Suche nach neuen Einberufungsmechanismen von Synoden beziehungsweise Versammlungen, die sie ersetzen sollten. Im vortridentinischen Deutschland kam die Theorie von der Rolle des Kaisers bei der Einberufung des allgemeinen Konzils auf, und analog dazu wurde die Rolle der Landesherren und anderer Obrigkeiten, vor allem der Schweizer Städte, bei der Einberufung kleinerer Konzile oder Synoden wahrgenommen.44

II. Die Tagungen der hussitischen und schließlich utraquistischen Geistlichkeit nahmen verschiedene Formen an. Im zweiten Teil meines Beitrags werde ich mich mit einem Typ dieser Versammlungen befassen, und zwar mit den Disputationen. Die Disputation gehört zu den grundlegenden Unterrichtsformen an den mittelalterlichen Universitäten, an denen sie sowohl als gewöhnliche Übung in der Kunst des Argumentierens abläuft als auch in feierlich-repräsentativer Form, in der die Universität die Gelehrsamkeit ihrer Angehörigen zur Schau stellt.45 Die Prager Universität war die Quelle des hussitischen Denkens. Seit Beginn des 15. Jahrhunderts setzte sie sich mit der problematischen Theologie des John Wyclif auseinander, und ihre inneren (zwischen Artisten und Theologen) und später auch äußeren Kollisionen (mit dem Kreis um den Prager Erzbischof) erfolgten mehrmals anlässlich von Universitätsdisputationen.46 In den letzten Jahren, bevor Jan Hus das Land verließ, erweiterte sich der Radius dieser Disputationen, die Glaubensdebatte spielte sich auf Versammlungen ab, die zwischen Disputation und Synode angesiedelt waren. Diese stürmischen Diskussionen finden ihre Fort42 Zu den Synoden in Tabor siehe Nořížová, Blanka: Synody táborských kněží v letech 1420– 1430 [Die Synoden des Klerus von Tabor in den Jahren 1420–1430], in: Jihočeský sborník historický 50 (1981), S. 203–213; Šmahel, František: Dějiny Tábora [Die Geschichte der Stadt Tabor] I/1–2, České Budějovice 1988, nach dem Sachregister. 43 Zilynská, Husitské synody (wie Anm. 34). 44 Stupperich, Evangelisches Konzil (wie Anm. 33), S. 298 f.; Meinhold, Konzile der Kirche in evangelischer Sicht (wie Anm. 33), S. 124 f. 45 Rüegg, Walter (Hg.): Geschichte der Universität in Europa I, Mittelalter, München 1993, S. 147 f., 294–297; Kejř, Jiří: Kvodlibetní disputace na pražské universitě [QuodlibetDisputationen an der Prager Universität], Praha 1971. 46 Herold, Vilém: Pražská univerzita a Wyclif. Wyclifovo učení o ideách a geneze husitského revolučního myšlení [Die Prager Universität und Wyclif. Wyclifs Ideenlehre und die Genesis des hussitischen revolutionären Denkens.], Praha 1985; Marin, Olivier: L´archevêque, le maître et le dévot. Genèses du mouvement réformateur pragois: Années 1360–1419, Paris 2005.



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setzung in Ereignissen, die von zeitgenössischen Dokumenten als Disputation – „hádanie“ bezeichnet werden, in welchem Theologen zweier hussitischer Parteien aneinandergerieten: die Prager Partei und die aus Tabor. Die erste Diskussion dieser Art fand im Dezember 1420 im Haus des Herrn Zmrzlík von Svojšín (Schweissing) statt,47 die nächsten dann an verschiedenen Orten in den Jahren 1423, 1424, 1427, 1431.48 Diese direkten theologischen Disputationen befassten sich mit derselben Glaubensproblematik wie die weiteren Versammlungen, die als Synoden bezeichnet werden, und zwar entweder als gemeinsame Synoden oder als solche einzelner Parteien. Nach dem Abschluss der Kompaktaten und während der allmählichen Institutionalisierung der offiziellen utraquistischen Kirche wurde die Position der Taboriten geschwächt, so dass sie bei den folgenden Disputationen für die Prager Partei unter Führung von Jan Rokycana kein gleichwertiger Partner mehr waren. Die letzten Disputationen zwischen Prag und Tabor erfolgten in Kuttenberg und in Prag in den Jahren 1443 bis 1444 und möglicherweise auch 1452.49 Sie waren eine verzweifelte Verteidigung der letzten taboritischen Geistlichen gegen die Übermacht des offiziellen Utraquismus, der sich der prinzipiellen Unterstützung seitens des kalixtinischen Laienstandes erfreute. Auch diese Disputationen hingen örtlich und zeitlich, aber auch inhaltlich mit den Synoden zusammen, vor allem mit der großen Versammlung des Rokycanaschen Klerus im Juli 1443 in Kuttenberg. 1452 betraf die letzte Anhörung nur eine kleine Handvoll Priester, die bei der Einnahme Tabors durch Truppen des Landesverwesers Georg von Podiebrad gefangen genommen wurden. Dabei handelte es sich aber nicht mehr so sehr um Überzeugungsarbeit durch eigene Argumente als vielmehr um ein Diktat der siegreichen Partei, die die eindeutige Unterordnung der Taboriten unter die Prager utraquistische Konfession erwartete. Aus freien Diskussionen zwischen der Prager und der Taboriten-Partei wurde schließlich ein Verhör der schwächeren Partei und eine öffentliche Vorführung ihres Irrglaubens. Der Dialog zwischen Prag und Tabor endete somit in einer Liquidierung des Taboritentums. Dies bedeutet freilich nicht, dass die dogmatische Disputation als solche verschwindet. Zum Brennpunkt eines erneut sich eskalierenden dogmatischen Streites wird abermals die Prager Universität, und Protagonist des utraquistisch-katholischen Dialogs ist eine neue Generation von Universitätsmagistern (Hilarius, Křižanovský und andere), denen von ihrem Lehrer Jan Rokycana widersprochen wird.50 Außer Streitigkeiten inner47 Analyse und Übersicht über die Literatur: Zilynská: Husitské synody (wie Anm. 34), S. 39–43. 48 Ebd. S. 47–56; Kejř, Jiří: Mistři pražské univerzity a kněží táborští [Die Magister der Prager Universität und die Taboriten-Priester], Praha 1981; Molnár Amedeo/Cegna, Romolo (Edd.), Confessio Taboritarum, Roma 1983; Šmahel, Dějiny Tábora (wie Anm. 42) I/2, S. 366–372. 49 Urbánek, Rudolf: Věk poděbradský [Das Zeitalter Georgs von Podiebrad] I, Praha 1915, S. 815–885, II, Praha 1918, 2, S. 547 f.; Šmahel, Dějiny Tábora (wie Anm. 42) I/2, 525–530. 50 Kadlec, Jaroslav: Hilarius Litoměřický v čele duchovenstva podjednou [Hilarius von Leitmeritz an der Spitze der Geistlichkeit unter einer Gestalt], in: Polívka, Miloslav/Šmahel, František (Hgg.): In memoriam Josefa Macka, (1922–1991), Praha 1996, S. 187–189; Kalina, Tomáš: Hilarius Litoměřický, in: Český časopis historický 5 (1899) S. 311–321; Ders., Václav Křižanovský, ebd. 5 (1899), S. 333–359.

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halb der Universität findet das Kräftemessen auf zwei Synoden der Jahre 1454 und 1462 statt, die als Parallelversammlungen des utraquistischen und katholischen Klerus stattfanden.51 Höhepunkt ist dann die Februar-Disputation vor König Georg im Jahre 1465.52 Sie findet im Rahmen des Landtages statt, von deren Teilnehmern man 94 Personen auswählte, die gemeinsam mit dem König bei dieser Disputation zugegen waren. Der König versprach sich von dieser Aktion die Beendigung der gegenseitigen Angriffe von Katholiken und Utraquisten. Die Disputationsteilnehmer hingegen begriffen die Debatte eher als eine Erinnerung an die verschiedenen Peripetien der hussitischen Geschichte. Die Argumentation kehrte zu den Episoden aus den Anfängen des Hussitismus zurück (der Kampf um Wyclif im Jahre 1408), und die Disputation ging insgesamt ergebnislos zu Ende. Trotzdem war sie die letzte große öffentliche Disputation, die ein beträchtliches Echo auch im Ausland fand; danach allerdings versank Böhmen jäh in der zweiten Phase kriegerischer Handlungen. Nach der Thronbesteigung der Jagiellonen in Böhmen und selbst nach dem Beginn der lutherischen Reformation gibt es in Böhmen die Form der öffentlichen Disputation nicht mehr. Einzig das Verhalten der böhmischen Brüder vor dem utraquistischen Konsistorium könnte uns daran erinnern, doch waren diese Fälle eher Verhöre als Disputationen und betrafen zudem nur Einzelpersonen.53 Die öffentliche gelehrte Disputation spielte im 15. Jahrhundert in Böhmen eine bedeutende Rolle und machte auch wichtige Veränderungen durch: Aus den Universitätshörsälen wird sie in die breite Öffentlichkeit getragen, und zwar auch in die Laienöffentlichkeit (bei Zmrzlíks, auf Schloss Konopiště), kehrt dann aber vor ein gelehrtes Publikum ins Karolinum (1431) oder vor ein Synodalforum zurück (1443). Zweimal ist sie mit dem Landtag verbunden (1444, 1465). Schließlich endet sie abermals in geschlossenem Milieu, in welchem die institutionalisierte Kirche mit Dissidenten abrechnet, mit Radikalen (der Brüderunität). Die Disputationen verhalfen dazu, in Böhmen die Reformation durchzusetzen, ähnlich wie in der Schweiz und in Deutschland.54 Allerdings geschah dies Jahrzehnte früher, und zwar im Rahmen der ersten böhmischen Reformation. Nach 1517 ist von einem derartigen Vorgehen nichts zu hören. Offensichtlich deshalb wurden die böhmischen Disputationen von Bernd Moeller nicht in den Blick genommen, denn Moeller befasst sich ansonsten sehr eingehend mit den frühreformatorischen Disputationen, angefangen bei zwei 51 Urbánek, Věk poděbradský (wie Anm. 49) III, Praha 1930, S. 24–39; IV, Praha 1962, S. 570– 572; Petr Čornej, Velké dějiny zemí Koruny české [Große Geschichte der böhmischen Kronländer] VI, Praha/Litomyšl 2007, S. 122 f., 204. 52 Bartoš, František Michálek: Poslední bitva M. J. Rokycany [Die letzte Schlacht Magister Jan Rokycanas], in: Křesťanská revue 22 (1955), S. 312–317. 53 Šašková, Gerta: Jednota bratrská a konsistoř podobojí v době administrátorství M. Václava Korandy [Die Brüderunität und das Konsistorium unter beiderlei Gestalt zur Zeit des Administrators Václav Koranda], in: Věstník Královské české společnosti nauk, phil.-hist.-fil. tř., 1925, Nr. 1. 54 Moeller, Bernd: Zwinglis Disputationen. Studien zu den Anfängen der Kirchenbildung und des Synodalwesens im Protestantismus I, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Kanonistische Abteilung 56 (1970), S. 275–324.



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Disputationen, die 1523 auf Anregung von Huldrych Zwingli vom Züricher Stadtrat organisiert wurden.55 Die erste Disputation fand am 29. Januar 1523 im Rathaus von Zürich statt und wurde von mehr als 600 Personen aufgesucht. Eingeladen war auch der entsprechende lokale Bischof aus Konstanz, der nur seinen Generalvikar Fabri entsandte. Der Klerus wurde direkt vorgeladen, nicht nur eingeladen, und kurz vor Beginn wurden 67 Thesen veröffentlicht, die Grundlage des Gesprächs sein sollten. Zum Richter wurde die Heilige Schrift ernannt. Die Veranstaltung eröffnete der Bürgermeister mit einer Rede, und nach weiteren Auftritten wurde plötzlich vom Stadtrat ein Ausspruch zugunsten der Lehre Zwinglis getan. Auf ähnliche Weise wurde auch die zweite Disputation im Oktober einberufen, zu der bereits zahlreiche Laien kamen und die sich auf Fragen der Bilder und des Meßopfers konzentrierte. Die Schlussfolgerungen dieser Diskussion spiegelten sich in Anordnungen des Stadtrates wider, der auf Grund beider Disputationen im Laufe von ungefähr einem Jahr in der Stadt die Reformation einführte. Der Stadtrat stellte hier eine eigene Kraft dar, die die kirchlichen Verhältnisse änderte. Dazu wählte er die Form einer Priesterversammlung, im zweiten Falle bereits die einer gemischten Versammlung, die weder eine wirkliche Universitätsdisputation, noch eine Synode war, auf der man lediglich Statuten veröffentlicht hätte. B. Moeller stellt fest, dass Zwingli die Reformationsfragen nicht vor einem Bischofskonzil behandeln wollte (das Ereignis wurde nicht „concilium“ genannt), weshalb die Form einer „christlichen Versammlung“ gewählt wurde. Moeller zufolge knüpfte die Versammlung trotz der angeführten Absichten im wesentlichen an die hiesigen Diözesansynoden an, die wir bereits als Beispiel für eine intakte Reihe von Synoden erwähnt hatten, die den Verhältnissen in Prag ähnlich waren.56 Für Moeller gibt es keine ältere Analogie zu den Züricher Disputationen.57 Wir haben aber gesehen, dass gewisse Analogien im hussitischen Böhmen zu finden sind. Der hussitische „Meinungsaustausch“, mündlich geführt, weist genügend ähnliche Merkmale auf: er sucht nach einem konfessionellen Ausdruck für die lokale Reformation, er wird unter Mitwirkung der weltlichen Obrigkeit organisiert und bezieht einen breiteren Hörerkreis mit ein als die Universitätsdisputation oder die Synode. Er steht in direktem Zusammenhang mit der Herausbildung einer neuen Synodenform, wie dies ganz ähnlich B. Moeller feststellte. Die Züricher Disputationen fanden ein großes Echo, und in Anknüpfung an sie fanden zahlreiche weitere Disputationen an verschiedenen Orten statt. Die Stadträte griffen auf sie zurück, um der beginnenden Reformation Gewicht zu verleihen und um sie unter den örtlichen Bedingungen durchzusetzen.58 Die Böhmen territorial am nächsten stehende und zugleich zeitlich sehr frühe Disputation fand 1524 im schlesischen Breslau statt, der 55 56 57 58

Moeller, Zwinglis Disputationen I (wie Anm. 54), passim. Brehm, Zur Geschichte der Konstanzer Diözesansynoden (wie Anm. 7), passim. Moeller, Zwinglis Disputationen I (wie Anm. 54), S. 303. Moeller, Bernd: Zwinglis Disputationen. Studien zu den Anfängen der Kirchenbildung und des Synodalwesens im Protestantismus II, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Kanonistische Abteilung 60 (1974), S. 213–364, hier S. 349–364, Auswertung und Typologie der untersuchten Disputationen.

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Hauptstadt eines der wichtigsten Kronländer, die unter der Jurisdiktion des böhmischen Königs standen. Ihre Zentralfigur war Johannes Heß, Pfarrer bei Maria Magdalena, der 22 Thesen zur Disputation vorlegte. Auf den Übergangscharakter der ganzen Aktion weist zum einen das Anzeichen eines synodalen liturgischen Programmes (z. B. die HeiligGeist-Messe), zum andern die Präsenz des Stadtrates und sein entscheidendes Schlusswort.59

III. In einer Zeit, da Zwingli in Disputationen in Zűrich siegte und Heß in Breslau glänzte, kehrten die böhmischen Utraquisten nicht mehr zu Disputationen zurück und es entwickelte sich in Böhmen eine andere Form kollektiven Verhandelns der utraquistischen Geistlichkeit. Damit kommen wir zum dritten und letzten Phänomen, dem ich mich abschließend zuwenden möchte. Wir machen Halt an der Schwelle der europäischen Reformation, um kurz zu rekapitulieren, wohin die böhmische Entwicklung der Klerikertagungen gelangt war und welche Gestalt die Synodalität in Böhmen angenommen hat. Bei den böhmischen Utraquisten sehen wir im wesentlichen zwei Versammlungsformen. Die Priester werden entweder selbständig von den Administratoren zur Synode der Landdekane nach Prag gerufen (1510, 1512, 1519, 1526, 1534),60 oder der Klerus wird zur Versammlung der utraquistischen Stände geladen, wo er vielleicht eine eigene Kurie bildet.61 Die Teilnahme an einer Versammlung wurde die geläufigste Form priesterlicher Verhandlungen nach 1500. In den Jahren 1517 bis 1531 registrieren wir Priesterversammlungen praktisch einmal jedes Jahr, manchmal auch zweimal, mitunter wird auch ein Jahr übersprungen. Die Verknüpfung von Landtagen und anderen Zusammenkünften der Laien und Synoden hatte ältere, hussitische Wurzeln; eine Regel für die gleichzeitige Tagung von Geistlichen und Laien wird offensichtlich erst seit 1443 entwickelt, als eine derartige Verbindung im Juni in Kuttenberg zu vernehmen ist, und dann erst 1471 in Prag, genauso wie 1478 und 1480, 1500 und 1502. Diese Absorbierung der Priestersynoden durch die Ständeversammlungen reflektiert die Entwicklung des Ständestaates, die wachsende Autorität der weltlichen Stände, die auch in der Entstehung weltlicher Defensoren zum Ausdruck kommt, welche über die Rechte der kalixtinischen Kirche wachen.62 59 Moeller, Zwinglis Disputationen II (wie Anm. 58), S. 226–232. 60 Zilynská, Blanka: Synoda nebo sněm? Ke vztahu světské moci a utrakvistických církevních struktur v době jagellonské [Synode oder Landtag? Zum Verhältnis von weltlicher Macht und utraquistischen Kirchenstrukturen in jagiellonischer Zeit], in: Kubík, Viktor (Hg.): Doba jagellonská v zemích České koruny (1471–1526), České Budějovice 2005, S. 29–41; Eberhard, Winfried: Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478–1530, München-Wien 1981; Tomek, Václav Vladivoj: Dějepis města Prahy [Geschichte der Stadt Prag] IX–X, Praha 1893/94. 61 Die Ständetage ab 1500 haben keine neuere Bearbeitung erfahren, vgl. Tomek, Dějepis (wie Anm. 60). 62 Eberhard, Konfessionsbildung (wie Anm. 60); Rak, Jiří: Vývoj utrakvistické správní organizace v době předbělohorské [Die Entwicklung der utraquistischen Verwaltungsorganisation in



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Seit Ende der sechziger Jahre des 15. Jahrhunderts wirkt im Lande neben der offiziellen utraquistischen Kirche auch eine eigenständige Kirche oder Sekte: die böhmischen Brüder. Hinsichtlich der Synoden näherten sie sich am meisten der folgenden Reformationsentwicklung an, übernahmen freilich das lutherische oder kalvinistische Modell nicht restlos und bewahrten in ihrer Konstitution Fundamente, die sie sich noch vor dem Auftreten Luthers geschaffen hatten. Aus der zeitlichen Vorverschiebung wird deutlich, dass die Verfassung der böhmischen Brüder ihr eigener Beitrag zu den Reformationsverhältnissen war.63 Ihre Synoden waren Bestandteil der Leitung der Brüderkirche und den Bischöfen übergeordnet. Die Synode wurde von der Gemeinschaft aller Geistlichen gebildet – die Laien nahmen daran nicht teil (abgesehen von den Schutzherren aus höheren Schichten, wodurch sich die böhmischen Brüder von den Reformierten am meisten unterschieden). Anfangs bildeten ihre Synoden kein hierarchisiertes System, das von der territorialen Gliederung abhängig wäre, doch in späterer Zeit, aus der die gedruckte Version der Gemeindeordnung der böhmischen Brüder stammt (entstanden 1616, gedruckt 1632), rechnete man bereits auch mit zwei Kompetenz-Ebenen.64 Auf dem Programm einer Synode konnte die Wahl von Senioren stehen, die Ordinierung von Priestern, das Prüfen von Priestern und Verhandlungen über Angelegenheiten von Körperschaften. Die Synoden hatten auch eine geistliche Dimension, nämlich die Aufgabe, im Glauben zu festigen und die Anwesenden zu weiterem Dienst zu ermutigen und zu stärken. Die Synode wies auch eine gottesdienstliche Komponente auf: Gebet, Predigt, Andacht, Schriftlesung und Abendmahl.

Zusammenfassung Wenn wir zusammenfassen, was ein Vergleich zwischen der Reformations- und der böhmischen Synodalität im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts erbracht hat, kommen wir zu der erneuten Feststellung, dass es hier eine ganze Reihe übereinstimmender Merkmale gibt, aber auch Besonderheiten: Die utraquistischen Synoden in Böhmen haben sich nie völlig auf eine der Formen beschränkt, denen die Synodalität der Reformationskirchen unterliegt; mit beiden Systemen, dem lutherischen und dem reformierten, weisen sie Gemeinsamkeiten auf, die jedoch nie alles abdecken. Übereinstimmende Entwicklungstrends der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg], in: Sborník archivních prací 31 (1981), S. 179–206, wo schon für die Zeit nach 1526 mit Selbstverständlichkeit festgestellt wird, dass der Ständetag die höchste Institution der utraquistischen Kirche war. 63 Über die Brüdersynoden Müller, Josef Theodor: Geschichte der Böhmischen Brüder, Herrnhut 1922; tschechische Übersetzung: Bartoš, František Michálek: Dějiny Jednoty bratrské, Praha 1923, S. 147; Görözdi, Zsolt: Pojetí církve ve významnějších církevních řádech reformačních církví [Der Kirchenbegriff in den bedeutenderen Kirchenordnungen der Reformationskirchen], Dissertation der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Karlsuniversität, Praha 2005, S. 128 f. 64 Církevní řád Jednoty bratří českých [Die Kirchenordnung der Böhmischen Brüder]. In modernes Tschechisch übertragen von Zdeněk Vojtěchovský, hg. von Rudolf Říčan, Praha 1945. Eine Analyse der Ordnung von Görözdi, Pojetí církve (wie Anm. 63), S. 119–145.

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stellt der veränderte Einberufungsmechanismus dar, die Laieningerenz, die gemischte Beteiligung an der Versammlung, die als Zusammenkunft von Christen und ihre aktive Teilnahme verstanden wird. Es handelt sich weder um ein Bischofskonzil, noch um ein Forum für die Bischofslegislative. Lediglich bei den böhmischen Brüdern war die Synode als Institution oder als Organ auch Bestandteil der Kirchenleitung. Teilweise kamen auch die Brüdervisitationen den Visitationen in Reformationsgestalt nahe, die als Versammlungen veranstaltet wurden (besonders bei den Lutheranern).65 Die Utraquisten hatten es zu den lutherischen Konvokationen der Superintendenten und Pfarrer näher als zu der reformierten presbyterial-synodalen Einrichtung. Die Synoden und andere ähnliche Versammlungen des hussitischen und dann utraquistischen Klerus knüpften an das hochentwickelte synodale Leben der Prager Provinz an, das kurz vor der Hussitenbewegung seinen Höhepunkt erreichte, und zwar quantitativ, hinsichtlich der legislativen Erfüllung und hinsichtlich des geistlichen Milieus, das von bedeutenden Persönlichkeiten gebildet wurde, die sich am Programm der Prager Synoden beteiligten. Vielleicht kam gerade deshalb nach dem Ausbruch der Revolution, anders als in einigen Gebieten während der deutschen Reformation, kein Widerstand gegen Versammlungen vom Typ der Synoden auf, sondern man begann im Gegenteil sehr bald, sich gerade der Formen der Synoden zu bedienen, um kirchenadministrative, politische, vor allem aber dogmatische Probleme zu lösen. Die Gestalt derartiger priesterlicher Versammlungen änderte sich allmählich, verließ immer mehr den kanonischen Rahmen und passte sich den veränderten politischen Verhältnissen an. Dabei können wir zwei grundlegende Faktoren betonen. An erster Stelle bestimmend war der Zustand der Kirchenorganisation im Lande, der durch ein Verwaltungsprovisorium determiniert wurde: durch die Sedisvakanz des erzbischöflichen Stuhles und das langfristige getrennte Wirken von Administratoren jeweils für die katholische und für die utraquistische Geistlichkeit. An zweiter Stelle muss der Einfluss erwähnt werden, den die Herausbildung des Ständestaates hatte, in dem die Stände nicht nur die Staatsverwaltung beherrschten, sondern auch einen ganz prinzipiellen Einfluss auf die kirchlichen Angelegenheiten gewannen. Die Hussitensynoden spielten eine sehr wichtige Rolle bei der Formulierung der hussitischen Dogmatik und des Programmes der Hussitenkrieger, zugleich aber können wir an ihnen eine Veränderung des Zugangs der damaligen Gesellschaft zur Rolle des Kollektivs, zur Rolle von Versammlungen beobachten. Wie die Landtage und Interessensversammlungen verlassen auch die Priesterversammlungen die ihnen durch königlichen Willen beziehungsweise durch kanonische Vorschriften gesteckten engen Grenzen für ihre Verhandlungen und ebnen den Weg für das Tagungswesen der Neuzeit. Die Utraquistensynoden setzen sich mit zahlreichen Hindernissen auseinander, die auch die europäische Reformation wird lösen müssen. In vielerlei Hinsicht wählen sie eine ähnliche 65 Zu den Visitationen in der Reformation vgl. beispielsweise Endriss, Julius: Die Ulmer Synoden und Visitationen der Jahre 1531–47. Ein Stück Kirchen- und Kulturgeschichte, Ulm 1935. Zu den Visitationen der Brüder-Unität: Skalský, Gustav A. (Hg.): Dva vizitační řády Jednoty bratrské a Řád zvláštní mezi bratřími z r. 1609 [Zwei Visitationsordnungen der Brüder-Unität und die Besondere Ordnung unter den Brüdern von 1609], Praha 1907.



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Vorgehensweise, wenngleich oft auch nur in Ansätzen, ohne feste, genau abgesteckte Formen. Die böhmischen Synoden des 15. Jahrhunderts können wir deshalb als Vorläufer, nicht aber als Vorlage für die Synodalität der europäischen Reformation bezeichnen: augenfällig ist hier eine gemeinsame Entwicklungstendenz, aber keine direkte Übereinstimmung.66

66 Diese Studie entstand im Rahmen des Forschungsvorhabens MSM 0021620827 Die Böhmischen Länder inmitten Europas in der Vergangenheit und Gegenwart, dessen Träger die Philosophische Fakultät der Karlsuniversität Prag ist.

Jaroslav Boubín Peter Chelčický und seine Ausführungen zur Gesellschaft Peter Chelčický gehört zu den rätselhaftesten Vertretern des hussitischen Denkens. Diese Rätselhaftigkeit basiert weniger auf unserer Unkenntnis seiner wirklichen Identität, sondern vor allem auf seiner erstaunlichen gedanklichen Eigenständigkeit, die ihn zu einer unter den Zeitgenossen stark isolierten Figur werden lässt. Über sein Privatleben besitzen wir nur sehr sporadische Informationen.1 Es ist bekannt, dass er kein Priester, sondern ein Laie war – in gewissem Sinne ein Autodidakt, denn mit allergrößter Wahrscheinlichkeit hatte er nicht an einer Universität studiert. Vermutlich war Chelčický nicht ein Bauer, für den ihn noch die ältere Forschung hielt; er gehörte wohl eher den höheren Schichten der Gesellschaft an. Heute darf man mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass er ein Kleinadliger war, der um 1380 geboren wurde und vermutlich in den fünfziger Jahren des 15. Jahrhunderts starb. Wie bereits sein Name verrät, war er eng mit Südböhmen verbunden, und sein Leben spielte sich – wenn nicht ganz, so doch zu einem großen Teil – in der Umgebung von Vodňany ab.2

1 Die ältere Literatur zu Peter Chelčický erfasste in bemerkenswerter Breite Petrů, Eduard: Soupis díla Petra Chelčického a literatury o něm [Werkverzeichnis des Peter Chelčický und der Literatur über ihn]. Praha 1957. Eine neuere Bibliographie teilweise bei Boubín, Jaroslav: Petr Chelčický a jeho dílo v české i zahraniční historiografii let 1978–1994 [Peter Chelčický und sein Werk in der tschechischen und ausländischen Historiographie 1978–1994]. In: Husitský Tábor 12 (1999), 49–54, und Ders.: Dílo Petra Chelčického a současný stav jeho edičního zpřístupnění [Das Werk des Peter Chelčický und der gegenwärtige Stand seiner editorischen Zugänglichkeit]. In: Český časopis historický 102 (2004), 273–296. Von den bisherigen Biographien zu Peter Chelčický sollen wenigstens erwähnt werden: Urbánek, Rudolf: Věk poděbradský [Das Zeitalter des Georg von Podiebrad] III. Praha 1930, 882–989 (Kapitel Petr Chelčický a počátky Jednoty bratrské [Peter Chelčický und die Anfänge der Brüderunität]); Bartoš, František M.: Petr Chelčický, duchovní otec Jednoty bratrské [Peter Chelčický, der geistige Vater der Brüderunität]. Praha 1958; Míka, Alois: Petr Chelčický, Praha 1963; Wagner, Murray L.: Petr Chelčický. A Radical Separatist in Hussite Bohemia. Scottdale (Penns.)/ Kitchener (Ont.) 1983; Boubín, Jaroslav: Petr Chelčický. Myslitel a reformátor [Peter Chelčický. Denker und Reformator]. Praha 2005. 2 Der Name Chelčický wurde im Zusammenhang mit „unserem“ Peter nachweislich erstmals einige Jahre nach seinem Tod verwendet und drückte wohl seine Zugehörigkeit zur religiösen Gemeinde der Brüder von Chelčice aus, deren Zentrum bereits um die Wende des zweiten und dritten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts in der Pfarrgemeinde von Chelčice entstanden war. Der Ort selbst befindet sich etwa drei Kilometer südlich von Vodňany. Chelčickýs Wohnort wird zudem von einer schriftlichen Quelle aus den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts in Chelčice verortet.

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Einer sehr überzeugenden Hypothese nach war Chelčický mit Peter Záhorka von Záhorčí identisch.3 Dieser Kleinadlige wurde um 1380 geboren und starb im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts.4 Er stammte aus einem südböhmischen Wladykengeschlecht, dessen Angehörige häufig in einem Dienstverhältnis zu den Rosenbergern standen und auch eine wichtige Rolle in der Kirchenverwaltung spielten. So hatte einer von Peters Onkeln, Hostislav von Bílsko, über mehrere Jahrzehnte das sehr prestigeträchtige Amt des Dechanten von Bechyně und Pfarrers in Český Krumlov (Böhmisch Krumau) inne, während ein anderer Onkel, Aleš von Březí, sogar Bischof von Olomouc (Olmütz) und Litomyšl (Leitomischl) wurde. Der junge Peter Záhorka wuchs zunächst auf dem Familiensitz Petrův Dvůr (Peterhof) bei Netolice auf. Früh verlor er den Vater, und in seine Erziehung mischte sich auf markante Weise die entferntere Verwandtschaft ein (möglicherweise einschließlich der erwähnten gebildeten Onkel). Spätestens mit Erreichen der Volljährigkeit siedelte er in die Region Vodňany über, vermutlich auf die Veste in Záhorčí in enger Nachbarschaft zu Chelčice. Er gehörte dem nicht allzu vermögenden niederen Adel an, aber er scheint nicht versucht zu haben, seine Position durch die Teilnahme an den zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen des 15. Jahrhunderts, durch sichtbareren Dienst für ein reicheres Adelsgeschlecht oder andere Versuche zur Besitzvermehrung zu verbessern. Wir wissen mit Sicherheit, dass er bereits in den ersten Jahren der Hussitenkriege, vermutlich aber auch später freundschaftliche Beziehungen zu den Taboriten unterhielt. Chelčický gilt zwar als originellster hussitischer Denker, aber leider lassen sich die Wege nicht genauer erkennen, auf denen er zu seinem präzisen Blick auf die Welt um ihn herum gelangte. Zarte Andeutungen in seinem Werk lassen vermuten, dass er in einem katholisch-rechtgläubigen Umfeld aufwuchs, das vermutlich auch von markanteren Elementen der zeitgenössischen privaten Frömmigkeit geprägt war, in denen ihn dann die Lektüre der Schriften des Thomas von Štítné weiter bestärkte. Noch zu Lebzeiten von Hus sprachen ihn die Reformbemühungen der Prager Magister ebenso an wie die Lehre des John Wyclif, dessen Werk ihm aber wegen fehlender Lateinkenntnisse zum überwiegen3 Záhorčí, wo einst eine Veste existierte, war im Mittelalter eine kleine Ansiedlung in enger Nachbarschaft zu Chelčice, dessen Bestandteil es heute ist. Die Hypothese, dass Peter Chelčický mit Peter Záhorka identisch sei, formulierte als Erster Bartoš, František M.: Kdo byl Petr Chelčický? [Wer war Peter Chelčický?]. In: Jihočeský sborník historický 15 (1946), 1–8, der sie später in zahlreichen Studien näher ausführte. Wenig später wurde die Hypothese vor allem durch V. Mostecký um neue Erkenntnisse bereichert: Mostecký, Václav: Je Petr Záhorka P. Chelčickým? [Ist Peter Záhorka Peter Chelčický?]. In: Jihočeský sborník historický 25 (1956), 97–100. Bis heute beschäftigen sich etliche Historiker mit dieser Frage. Ihre Forschungen legen immer überzeugender nahe, dass beide Personen tatsächlich identisch sind; allerdings erklingen hin und wieder auch zweifelnde Stimmen. In letzter Zeit befassten sich mit diesem Problem Maur, Eduard, Ještě k Petru Záhorkovi ze Záhorčí [Noch einmal zu Peter Záhorka von Záhorčí]. In: Documenta Pragensia 23 (2004), 51–69, Ders.: Příspěvek k biografii Petra Chelčického [Ein Beitrag zur Biographie des Peter Chelčický]. In: Angelus pacis. Sborník prací k poctě Noemi Rejchrtové. Hg. von Pavel B. Kůrka, Jaroslav Pánek und Miloslav Polívka, Praha 2008, 209– 226, und Boubín: Petr Chelčický (wie Anm. 1), 42–54. 4 Die bisher späteste Erwähnung, die wir zu ihm besitzen, stammt von 1434.



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den Teil unzugänglich blieb. Das zweite Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts (vor allem die Jahre 1413–1420) darf wohl als Zeit der definitiven Formierung seiner eigenwilligen Auslegung der Welt in all jenen wesentlichen Punkten gelten, denen man später in seinen Arbeiten begegnet – von der radikalen Eschatologie bis zur konsequenten Betonung waldensischer Elemente. Peter kannte die führenden Vertreter des hussitischen Denkens persönlich. Wir wissen, dass er mit zahlreichen Prager Magistern diskutierte (beispielsweise mit Johannes Hus, Jacobellus von Mies, Johannes von Příbram und Johannes Rokycana). Eine recht enge Beziehung baute er zu den Taboritenpriestern auf, an deren Adresse er sogar verkündete: „… nebo sem vás vždy viece miloval než jiné kněžie [… denn ich habe euch immer mehr geliebt als andere Priester]“.5 Mit ihnen traf er vermutlich noch häufiger zusammen, aber trotzdem (oder vielleicht auch gerade deshalb) führte er mit ihnen nicht weniger scharfe Polemiken (zum Beispiel mit Nikolaus von Pilgram, Martínek Húska u. a.). Aufgrund der bisher bekannten Indizien darf man annehmen, dass ihn erst die erfolglose Konfrontation mit den beiden erwähnten hussitischen Strömungen dazu bewegte, sich systematisch dem literarischen Schaffen zuzuwenden. Diese Wende hängt eng mit den Ereignissen des Jahres 1420 zusammen. Das Hussitentum trat in die kriegerische Konfrontation mit dem ersten gegen die Hussiten ausgeschickten Kreuzzug ein und verletzte so das Prinzip, das nach Chelčický im Rahmen des Gesetzes Gottes eine Schlüsselposition einnahm – das Prinzip der christlichen Liebe und Gewaltlosigkeit. Deshalb protestierte Chelčický und begann, Reisen durch Böhmen zu unternehmen und Taboritenpriester und Prager Universitätsmagister zu besuchen. Er forderte sie auf, nicht mehr länger den Krieg als Gesetz Gottes zu verkünden und zu unterstützen, sondern stattdessen zum Evangelium Christi zurückzukehren. Wie wir allerdings wissen, waren Chelčickýs Bemühungen vergeblich. Und gerade diese Tatsache darf man wohl als entscheidenden Impuls dafür verstehen, dass er sich der Literatur zuwandte und sie als seine primäre Pflicht oder sogar Mission verstand. Alle Personen, die Chelčický dazu aufgefordert hatte, hatten es abgelehnt, dem Volk zu verkünden, was er selbst als Gesetz Gottes ansah. Daher kam er zu dem Schluss, dass ihm nichts anderes übrig bleibe als sich dieser Aufgabe persönlich anzunehmen, obwohl er kein Priester sei, sondern ein bloßer Laie: Denn jemand müsse hier, gerade jetzt zum Ende der Zeitalter und angesichts der Verdorbenheit der Welt, den wahren Christus verkünden. In gewissem Sinne darf man also sagen, dass Chelčický zu seinem literarischen Schaffen eigentlich gedrängt wurde – vielleicht auch entgegen seinen ursprünglichen Absichten. Da er sein Wirken nicht auf den engen Kreis von Chelčice und Umgebung beschränken wollte und ihm – aus welchen Gründen auch immer – die Laufbahn eines Wanderpredigers nicht wünschenswert erschien, begann er damit, seine Ausführungen niederzuschreiben und innerhalb Böhmens zu versenden. Die erste von Chelčickýs genau datierten Schriften entstand kurz nach dem Scheitern seiner wohl letzten Überzeugungsversuche gegenüber Jacobellus von Mies. Zu diesem Scheitern kam es am Jahresende 1420, und gleich in den ersten Monaten des neuen Jahres 1421 schrieb Chelčický den recht umfangreichen Traktat „O boji 5 Petr Chelčický, Drobné spisy [Peter Chelčický, Kleine Schriften]. Hg. von Eduard Petrů, Praha 1966, 205.

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duchovním“ [Vom geistigen Kampf]. Ab diesem Datum lässt sich eine zusammenhängende Reihe weiterer literarischer Arbeiten des Autors rekonstruieren. Von Chelčickýs Werk haben sich bis heute an die fünfzig Schriften erhalten, während zahlreiche weitere Werke verloren gegangen sind.6 Nur ein kleiner Teil dieser Schriften lässt sich zeitlich genauer einordnen. In die frühen zwanziger Jahre gehören die Traktate „O boji duchovním“ und „O rotách českých“ [Von den böhmischen Rotten]; wenig später entstanden die ersten Schriften, die sich der ekklesiologischen („O církvi svaté“ [Von der heiligen Kirche], „O trojím lidu“ [Von dreierlei Volk]) und der eucharistischen („O těle božím“ [Vom Körper Gottes], „Replika proti Mikuláši Biskupcovi“ [Replik gegen Nikolaus von Pilgram]) Problematik widmeten. Vom Anfang der dreißiger Jahre stammen seine Polemiken gegen die Prager Magister, die vor allem Fragen der Sakramente, des Fegfeuers usw. betreffen („Zprávy o svátostech“ [Nachrichten von den Sakramenten], „Replika proti Rokycanovi“ [Replik gegen Rokycana]). Mitte der dreißiger Jahre entstand wohl die umfangreiche Postille („Postila“), eines der größten und bedeutendsten Werke dieser Art in der mittelalterlichen tschechischen Literatur, und kurz darauf – in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre – verfasste Chelčický zwei Traktatzyklen mit stark apokalyptischer Färbung („O šelmě“ [Vom Tier], „O Antikristu“ [Vom Antichrist]). Zu Beginn der vierziger Jahre schrieb er Das Netz des Glaubens („Síť víry“) und noch später einige kleine Polemiken gegen die sog. Frommen von Vilémov. Die erwähnten präziseren zeitlichen Bestimmungen betreffen jedoch nur eine Minderheit von Chelčickýs Abhandlungen: Die meisten Werke lassen sich zeitlich nicht genauer einordnen. Vielfach handelt es sich um systematische Auslegungen bestimmter Bibelpassagen aus dem Neuen Testament (beispielsweise „Výklad na Otčenáš“ [Auslegung des Vaterunsers], „O synu marnotratném“ [Vom verlorenen Sohn], „Výklad na pašiji sv. Jana“ [Auslegung der Passion Christi des hl. Johannes]) oder um Schriften, die auf andere Art und Weise die Lösung damals aktueller Fragen des hussitischen Denkens in Angriff nahmen. Chelčický zögerte auch nicht, die Werke anderer Autoren zu adaptieren; er selbst bearbeitete einige Schriften des Thomas von Štítné, Johannes Hus sowie des taboritischen Priesters Markolt von Zbraslavice. Ein wichtiger Aspekt von Chelčickýs literarischem Schaffen ist die Tatsache, dass er seine Arbeiten ausschließlich in tschechischer Sprache schrieb. Ursache war zwar seine mangelnde Kenntnis des Lateinischen, aber zugleich waren seine Schriften damit für Leser mit geringerer Bildung besser zugänglich und konnten daher später eine bedeutende Rolle bei der Konstituierung der Brüderunität spielen. Auch diese Aspekte helfen, seinem Werk einen bedeutenden Rang in der Geschichte der tschechischen Literatur und des tschechischen Denkens zu sichern. Chelčický war allem Anschein nach der erste tschechische Denker, der sich systematisch mit dem Verfassen geistlicher Literatur befasste, ohne dabei über die üblichen, für den gebildeten Menschen des Mittelalters charakteristischen Lateinkenntnisse zu verfügen. Zugleich gehörte er zu den ersten Autoren, die sich syste6 Ihr Verzeichnis einschließlich der bisherigen Editionen erstellte Petrů, Soupis díla (wie Anm. 1), 31–78. Ein aktuelleres Verzeichnis publizierte Boubín, Dílo Petra Chelčického (wie Anm. 1), bzw. in kürzerer und übersichtlicherer Fassung Ders., Petr Chelčický (wie Anm. 1), 181–182.



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matisch auch anspruchsvollen und schwierigen religiösen Fragen widmeten und auf Tschechisch darüber schrieben; allerdings konnte er in dieser Hinsicht bereits an eine etwa fünfzigjährige Tradition anknüpfen. Chelčickýs Schriften sind nur in wenigen Exemplaren überliefert, was zusammen mit anderen Tatsachen den Schluss erlaubt, dass er in den zeitgenössischen Polemiken eine eher marginale Position einnahm. Die Hauptströmung des zeitgenössischen Diskurses ließ Chelčický zweifellos links liegen; etliche Ansichten des eigenwilligen südböhmischen Denkers erschienen aus der Sicht der damaligen Intellektuellen derart extrem und praktisch unbrauchbar, dass sie es zumeist nicht für notwendig hielten, ihnen größere Aufmerksamkeit zu schenken.7 Zudem verliehen die relative Isoliertheit, die deutlichen Bildungsmängel und der nicht gerade herausragende gesellschaftliche Status Chelčický kaum jene Autorität, die erforderlich gewesen wäre, um die Attraktivität seiner Werke zu erhöhen. Umso größeres Interesse an seiner Arbeit bekundete dann Mitte des 15. Jahrhunderts – also in den letzten Lebensjahren des Autors – die damals entstehende Brüderunität. Die Ideenwelt des Peter Chelčický wird in ihren Grundzügen durch solche Begriffe und Schwerpunkte strukturiert, die überwiegend auch für das hussitische Denken allgemein charakteristisch sind. In seinem politischen Denken teilte Chelčický seine Ausgangspunkte mit zahlreichen seiner hussitischen Zeitgenossen – vor allem mit jenen, die den radikaleren Zweig der böhmischen Reformation verkörperten, d. h. den Taboriten. In erster Linie handelt es sich um den Biblizismus. Die Bibel wurde für Chelčický zum einzigen, voll verbindlichen dogmatischen Richtungsweiser, wobei er eindeutig dem Neuen Testament den Vorzug vor dem Alten Testament gab. In seinen Auslegungen bemühte er sich um eine Vergegenwärtigung des biblischen Wortes, das er als radikale, an die momentane Gegenwart adressierte Herausforderung und in gewisser Weise auch als Appell zur Formierung einer neuen, wirklich christlichen Ordnung verstand, in der das gesellschaftliche Leben nach dem biblischen Vorbild organisiert sein sollte. Die Dringlichkeit von Chelčickýs Biblizismus wird naturgemäß durch die Betonung eschatologischer Elemente noch gesteigert. Chelčickýs Werk ist nicht nur ein Beleg für den angespannten eschatologischen Erwartungshorizont im hussitischen Böhmen, sondern zugleich eine der wichtigsten Äußerungen dieses Phänomens. In seinem Innersten drückt es die Haltung und die Suche eines Menschen aus, der seiner Überzeugung nach am Ende aller Zeiten stand. Chelčický arbeitete sehr häufig mit apokalyptischen bibli7 An dieser Verachtung der damaligen Intellektuellen gegenüber seiner Person und seinem Werk trug Chelčický sehr schwer. Von sich selbst und diesen Intellektuellen spricht er in seinem Werk auch auf folgende Weise: „… jsem jim velmi mál v očích [… ich bin in ihren Augen sehr klein]“ (Petra Chelčického Síť víry [Das Netz des Glaubens des Peter Chelčický]. Hg. von Emil Smetánka, Praha 1929, 388). Ähnlich spricht er auch anderswo: „…sem u nich té vážnosti jako slina na vyplivnutí z úst [… ich komme ihnen ungefähr so wichtig vor wie die Spucke zum Ausspucken aus dem Mund]“ (Petr Chelčický, Zprávy o svátostech – O rotách českých – O nejvyšším biskupu Pánu Kristu [Peter Chelčický, Nachrichten von den Sakramenten – Von den böhmischen Rotten – Vom höchsten Bischof dem Herrn Christus]. Hg. von Amedeo Molnár, Milan Opočenský und Noemi Rejchrtová, Praha 1980, 99).

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schen Begriffen, vor allem mit dem Begriff des Antichrist. Dieser sollte für ihn zu einer geradezu zentralen Kategorie werden, mit dessen Hilfe man alles, was den Menschen in der bestehenden Welt umgebe, so genau und adäquat wie möglich benennen könne. In der langen Traditionslinie des mittelalterlichen Denkens tritt der Antichrist vor allem als derjenige auf, der sich praktisch als Gott ausgibt, der sich vermessen die Befugnisse Jesu Christi aneignet, und der bestrebt ist, die Kirche Christi zu vernichten. Chelčickýs Vorstellung vom Antichrist ist primär mit der katholischen Kirche verbunden, und zwar vor allem mit dem Papst. Nicht zufällig identifiziert der allererste überlieferte Ausspruch des südböhmischen Denkers zum Thema Antichrist diesen mit dem Haupt der römischen Kirche. Gerade auf den Papst beziehen sich nach Chelčickýs Ansicht die Worte des Apostels Paulus über Christi „Widersacher, der sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt, so sehr erhebt, dass er sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich als Gott ausgibt“.8 Auf den Versuch, diesem Schlüsselbegriff des apokalyptischen Denkens eine besonders breite Bedeutungsdimension zu verleihen, stößt man zwar bereits in den ältesten Werken Chelčickýs, aber in expliziter und zugleich bemerkenswert entwickelter Form findet er sich zumeist erst in den späteren Arbeiten, die vor allem aus den dreißiger und vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts stammen. Nach einer dieser breiteren Definitionen Chelčickýs sind beispielsweise alle „geistlichen Heuchler“, d. h. besonders reiche Priester und Prälaten, der Antichrist. An anderer Stelle liest man, dass neben dem wichtigsten Antichrist, nämlich dem Papst, eigentlich jeder der Antichrist sei, der sich zu Christus nur mit Worten, nicht aber mit Taten bekenne, also jeder so genannte Christ, der Gottes Gesetz nicht befolge und der sich dem von Chelčický als Verachtung von Christi Gesetz der Liebe definierten Bösen nicht entgegenstelle. Zugleich aber bilden all diese Menschen zusammen einen großen Antichrist, wobei es gleichgültig sei, ob sie sich zum römischen Papst, zum Basler Konzil, zu den Prager Magistern oder den taboritischen Priestern bekennten. Da aber nach Ansicht des südböhmischen Denkers die ganze existierende, so genannte christliche Gesellschaft eine nur pseudo-christliche, ja sogar antichristliche Gesellschaft ist, wird eigentlich diese ganze Gesellschaft für ihn zum Antichrist. Chelčický sieht in der existierenden Gesellschaft nicht mehr den mystischen Körper Christi oder der Kirche Christi, wie dies unter mittelalterlichen Intellektuellen üblich war, sondern interpretiert die Gesellschaft mit dem ganzen Gewicht des ihm zur Verfügung stehenden Sarkasmus im Gegenteil als Körper des Antichrist. Dieser Aspekt ist übrigens für das Verständnis der „soziologischen“ Ausführungen des südböhmischen Denkers besonders wichtig. Chelčický bemüht sich, der Öffentlichkeit ein umwälzendes Bild der Gesellschaft gerade deshalb vorzulegen, weil er damit seiner Überzeugung nach den Antichrist porträtiert und so besser vor ihm warnen kann. Trotz aller seiner innovativ wirkenden Züge ist Chelčickýs „soziologisches“ Werk also ein bemerkenswerter Ableger der mittelalterlichen apokalyptischen Literatur und ein Produkt des jahrhundertelangen mittelalterlichen Nachdenkens über den Antichrist. Chelčický ist überzeugt, dass es dem Antichrist nach vielen Jahrhunderten der Anstrengung gelungen ist, die ganze Gesellschaft zu beherrschen. Damit sei zugleich bewiesen, 8 2. Thess 2,4.



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dass der Antichrist tatsächlich bereits auf den Höhepunkt seiner Macht gelangt sei und die Menschheit sich also im sechsten, d. h. nach der zeitgenössischen Chronologie im vorletzten und durch besonderen Verfall gekennzeichneten Zeitalter ihrer Entwicklung befinde – eigentlich bereits an der Schwelle zum Ende ihrer Geschichte. Chelčický zweifelt natürlich nicht daran, dass der Antichrist im nahenden Kampf von Gott bestraft und zerstört werden wird, aber getreue Christen müssten sich dem Gesetz Gottes unterwerfen, denn dies könne sie als einziges von allen zur Erlösung führen und sei damit jener Weg, „abychom jdúce skrze tento svět ohyzdný a všelikých šeredností ďábelských naplněný, nižádnú ohavností jeho nebyli poškvrněni [auf dem wir durch diese abscheuliche und mit allen möglichen teuflischen Scheußlichkeiten angefüllte Welt gehen können, ohne von deren Schändlichkeiten befleckt zu werden]“.9 Der Begriff „Gesetz Gottes“ ist eine weitere grundlegende Kategorie im politischen Denken des Peter Chelčický wie des gesamten Hussitentums. Das Gesetz Gottes geht ebenfalls aus den Prinzipien des oben erwähnten Biblizismus hervor und lässt sich fast ausschließlich in der Bibel dingfest machen. Am deutlichsten ist es in den Worten und Taten Jesu Christi und im Leben der Urkirche enthalten, so dass als Erkenntnisquelle vor allem das Neue Testament in Frage kommt. Nach Chelčický offenbart es sich in erster Linie in der Liebe zu Gott und den Nächsten, wobei es seinen perfekten verbalen Ausdruck in den „sechs kleinsten Geboten“ fand, die einen zentralen Bestandteil der Bergpredigt bilden.10 Das Gewicht dieses Gesetzes wird in Chelčickýs Ausführungen noch gebührend durch einen ausgeprägten Christozentrismus gestärkt, der ebenfalls zu den nicht wegzudenkenden Zügen seines „politischen“ Denkens zählt. Jesus Christus ist der einzige rechtmäßige Herrscher dieser Welt, denn nur er wurde von Gott mit dieser Aufgabe betraut; er ist der höchste und damit praktisch der einzige wirkliche Gesetzgeber, der in seinen Worten und Taten eigentlich das einzige rechtmäßige Gesetz, d. h. das Gesetz Gottes verkörpert. Die Ansichten Chelčickýs zur Gesellschaft sind hauptsächlich in seinen bedeutendsten ekklesiologischen Schriften enthalten, so in den Traktaten „O církvi svaté“, „O trojím lidu“, „Síť víry“ und vielen anderen. Hatten John Wyclif, Johannes Hus und ihre hussitischen Nachfolger die institutionale Dimension der Kirche stark relativiert, so ging Chelčický noch weiter und verwarf sie völlig, da sie irreführend sei. Der südböhmische Denker griff die augustinisch-wyclifitische These von der Kirche als Gemeinde aller zur Erlösung vorbestimmten Personen (congregatio omnium praedestinatorum) auf und machte sie zur Basis seines Blicks auf die christliche Gemeinschaft. Indem er die Lehre von der Prädestination verwendete, von den praedestinati und den praesciti, deren Unterscheidung den Sterblichen verborgen bleibe, verurteilte er die gesellschaftliche Ordnung seiner Zeit und griff die bekannte mittelalterliche Theorie von den drei Ständen an: Danach teilten sich die Christen nach der göttlichen Ordnung in drei große Gruppen – die Priester und Geistlichen, denen es um die menschliche Erlösung gehe, die Ritter und Adligen, die mit dem Schwert in der Hand den Glauben und die Sicherheit der Christen vertei9 Petra Chelčického Postilla [Die Postille des Peter Chelčický] II. Hg. von Emil Smetánka, Praha 1903, 174. 10 Mt 5,17–48.

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digten, und das gemeine Volk, das sich mit Landwirtschaft und Handwerk beschäftige. In dieser Lehre wurde die Gesellschaft als perfekt funktionierender Organismus vorgestellt, in dessen Rahmen jeder Christ seine Aufgabe und seinen Ort hatte, welche sich aus seiner Zugehörigkeit zu einem konkreten Stand ergaben. „Du bete, du kämpfe und du arbeite“ – dies war der Wahlspruch, der die mittelalterlichen Vorstellungen von der ideal funktionierenden Gesellschaft ausdrückte. Peter Chelčický gilt als erster bedeutender europäischer Denker, dem es gelang, diese Lehre zu überwinden und sie eindeutig zu verwerfen.11 Chelčický sprach der Lehre von der Dreiteilung das christliche Fundament ab und interpretierte sie ganz im Gegenteil als im Wesentlichen unchristliche Lehre, die sogar im schärfsten Widerspruch zum Gesetz Gottes stehe. Die Ausführungen der Kirchenlehrer verteidigen nach seiner Ansicht nur die heidnische Einteilung der Gesellschaft, die sie verlogen mit dem Namen des Christentums zu verdecken suchten. Bereits hier stößt man auf eine der zentralen methodischen Vorgehensweisen Chelčickýs, die auch für seine Überlegungen zur Gesellschaft typisch sind. Wie noch weiter zu sehen sein wird, ist für Chelčický der Versuch außerordentlich bezeichnend, den richtigen semantischen Gehalt der verwendeten Begriffe aufzudecken. Der südböhmische Denker wirft der „antichristlichen“ Gesellschaft vor, dass sie – um eine Aufdeckung ihrer tatsächlichen Identität zu verhindern – begonnen habe, Begriffe in der umgekehrten als der ihnen eigenen Bedeutung zu verwenden. Diese Gesellschaft bemühe sich so, den Anschein von etwas zu schaffen, das es nicht gebe. Chelčický ist überzeugt, dass es notwendig sei, die Dinge richtig zu 11 Dem politischen Denken Peter Chelčickýs und besonders seiner Polemik gegen die Lehre von den drei Ständen sind die meisten Arbeiten gewidmet, die sich mit Chelčický beschäftigen. Speziell mit dieser Frage setzte sich auseinander: Foustka, Radim: Politické názory Petra Chelčického [Die politischen Ansichten des Peter Chelčický]. Praha 1948, und Ders. Petra Chelčického názory na stát a právo [Peter Chelčickýs Ansichten zu Staat und Recht], Praha 1955. Eine wesentlich modernere Interpretation legte vor: Šmahel, František: Peter von Cheltschitz und seine Kritik der geistlichen und weltlichen Gewalten, Historica 2 (1995), 61–73. Eine detaillierte Erfassung des Denkens über die Dreiteilung in der böhmischen Gesellschaft des Mittelalters liefert: Iwańczak, Wojciech: Ludzie miecza, ludzie modlitwy i ludzie pracy. Trójpodział społeczeństwa w średniowiecznej myśli czeskiej [Menschen des Schwerts, Menschen des Gebets und Menschen der Arbeit. Die Dreiteilung der Gesellschaft im mittelalterlichen böhmischen Denken]. Kielce 1989. Vgl. auch Der.: Between pacifism and anarchy. Peter Chelčický´s teaching about society. In: Journal of Medieval History 23 (1997), 271–283. Iwańczaks und Šmahels Arbeiten sind bereits von der modernen westeuropäischen Forschung zum Thema der drei Stände inspiriert; vgl. beispielsweise Duby, Georges: Les trois ordres ou l’imaginaire de féodalisme, Paris 1978 (vgl. auch z. B. Duby, Georges: Die drei Ordnungen. Das Weltbild des Feudalismus. Übers. von Grete Osterwald, Frankfurt am Main 1981); Oexle, Otto G.: Die funktionale Dreiteilung der „Gesellschaft“ bei Adalbero von Laon. In: Frühmittelalterliche Studien 12 (1978), 1–54. Eine Interpretation, die den theologischen Aspekt des Problems stärker betont, legten: Brock, Peter: The Political and Social Doctrines of the Unity of Czech Brethren in the Fifteenth and Early Sixteenth Centuries. Hague 1957, 25–69 (Kapitel Petr Chelčický, Forerunner of the Unity), und Peschke, Erhard: Kirche und Welt in der Theologie der Böhmischen Brüder. Berlin 1981, 63–82 (Kapitel Peter Chelčickýs Lehre von der Kirche und der weltlichen Macht).



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benennen, wobei dem Menschen auch hier das Gesetz Gottes als Richtschnur dienen solle. Der Gesellschaft müsse zunächst der Schleier des trügerischen Scheins entrissen werden, der durch die entleerten oder eher verdrehten Begriffe entstanden sei, denn erst darunter verberge sich die wahre Tatsache. Die so genannte christliche Gesellschaft, die sich hinter der Lehre von den drei Ordnungen versteckte, ist nach Chelčickýs Interpretation in Wirklichkeit nicht nur heidnisch, sondern noch schlimmer als heidnisch. Im Unterschied zur heidnischen und jüdischen Gemeinschaft basiere sie nämlich auf der Lüge. Indem sie heidnische und christliche Elemente in sich aufnahm, sie miteinander vermischte und verflocht, und zwar so, dass die Herrschaft der heidnischen Gesetze hinter dem Anschein des christlichen Glaubens und der christlichen Gesellschaft verborgen wurde, habe sie eigentlich das monströseste System geschaffen, das je auf Erden existiert habe. Das erwähnte System zeichne sich zwar durch tiefe Widersprüche zwischen den einzelnen Schichten der so genannten christlichen Gemeinschaft (Chelčický bezeichnet sie als „Rotten“)12 und durch deren permanente Konflikte und Streitigkeiten aus,13 im Ganzen werde es jedoch durch ein großes gemeinsames Interesse der überwiegenden Mehrheit der weltlichen und geistlichen Bevölkerung am Leben erhalten. Dieses Interesse bilde das zentrale Motiv ihrer Zusammenarbeit, denn vor allem auf seinen Anstoß hin „kněží světské spasením troštují, hřiechy jim odpúštějí a rozličné milosti jim dávají a modlé se za ně ve dne i v noci, a světští jim zase hojně zboží nadávají a jich hájí a brání [trösten die Priester die Weltlichen mit der Erlösung, verzeihen ihnen die Sünden und spenden ihnen verschiedene Gnaden und beten für sie bei Tag und Nacht, und die Weltlichen geben ihnen wiederum reichlich Güter und verteidigen und schützen sie]“.14 Das erwähnte gemeinsame Interesse ist laut Chelčický der Hass auf Christus und das Gesetz Gottes – und gerade darauf und nicht etwa auf der Liebe Christi basiere die zeitgenössische so genannte christliche Gesellschaft. Diese ist seiner Ansicht nach das genaue Gegenteil dessen, was ihre Verteidiger aus den Reihen der katholischen, aber auch der utraquistischen oder taboritischen Kirche von ihr behaupten, denn das Gesetz Gottes fordere eine gänzlich anders strukturierte Gesellschaft. Um das erwähnte System zu festigen, hätten sich dabei besonders die oberen Schichten der Gesellschaft verbunden, die so das „dritte Volk“ unterdrücken konnten. 12 Es ist erwähnenswert, dass der Begriff „rota“ im Alttschechischen eine extrem negative Färbung besitzt, was zweifellos der Grund dafür ist, warum gerade Chelčický, der eine soziale Teilung der Gesellschaft strikt ablehnte, seine Verwendung im Sinne von „soziale Schicht, Gruppe oder Stand“ so sehr schätzte. Der ursprüngliche und von Chelčický gemeinte semantische Inhalt dieses Begriffs erhält deutlichere Umrisse, wenn man sich vor Augen führt, dass dieses Substantiv eng mit dem alttschechischen Verb „rotiti se“ zusammenhängt, welches „sich streiten, sich befehden“ bedeutet. Der Begriff allein enthält also bereits einen klaren Verweis darauf, dass das entsprechende Substantiv eine Tatsache bezeichnet, die eine Verleugnung von Christi Gesetz der Liebe ist. 13 Vgl. beispielsweise Petra Chelčického Síť víry (wie Anm. 7), 302–303. 14 Petra Chelčického Postilla [Die Postille des Peter Chelčický] I. Hg. von Emil Smetánka, Praha 1900, 368.

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Zu den charakteristischen Kennzeichen des Denkens von Chelčický gehört nämlich die Tatsache, dass dieser Radikale leugnete, dass die mittelalterliche und nur anscheinend christliche Gesellschaft vorteilhaft für alle ihre wesentlichen Elemente sei. Die Absurdität ihres Systems basiere darauf, dass es vor allem auf der beidseitig vorteilhaften Kooperation der beiden oberen Schichten dieser Gesellschaft basiere – also derjenigen Schichten, die laut Chelčický für die Gesellschaft am wenigsten förderlich sind und denen er zum großen Teil jegliche Daseinsberechtigung abspricht. Zum häufigsten Ziel seiner Kritik wird das „erste Volk“, also die Geistlichkeit, denn laut Chelčický ist gerade sie die Hauptschuldige für das Verderben, in das die gegenwärtige Gesellschaft gestürzt ist. Die erste Aufgabe der Geistlichkeit sollte es sein, das Gesetz Gottes zu verkünden und zu verbreiten, aber gerade dies tue sie in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht. Und indem sie es nicht tue, lästere sie Gott und falle dessen Verdammnis anheim. Außerdem gelten die Gebote Jesu zwar allgemein für alle Christen, aber der südböhmische Denker zweifelt nicht daran, dass sie vorzugsweise von den Priestern einzuhalten seien – und zwar allein schon deshalb, weil in diesen Angelegenheiten die ganze Gesellschaft zu ihnen aufschaue und sie sich häufig zum Vorbild nehme. Die Verachtung von Gottes Gesetz durch die Priester habe daher zwangsläufig vernichtendere Folgen, als wenn sich Angehörige eines anderen Standes so verhielten. Im zeitgenössischen Christentum sei es praktisch zur Zerstörung des Priesteramtes gekommen, das wegen seiner Anpassung an die menschlichen Gesetze seinen ursprünglichen Sinn und seine Funktion verloren habe. Es sei denjenigen zugänglich geworden, die Gottes Gesetz übertreten hätten, und zugleich habe man es mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden (dazu zählen laut Chelčický auch die Praktiken der Simonie), was notwendigerweise seinen ursprünglichen spirituellen Inhalt zerstören musste. In die geistlichen Ämter sollten Chelčickýs Ansicht nach aber ausschließlich Menschen auf der Grundlage offensichtlicher Zeichen göttlicher Auserwähltheit berufen werden (ein reines, christliches Leben, Ergebenheit gegenüber dem Gesetz Gottes usw.). Die Beschädigung des zeitgenössischen Priestertums sei auch eine logische Folge seiner Bindungen an das Papsttum, wo die Priester in gewissem Sinne ihr Amt aus den Händen des Papstes (in seiner Interpretation also des Antichrist) empfangen. Die Verderbtheit des Priesteramtes zeigte sich nach Meinung des hussitischen Radikalen vor allem darin, dass sich seine Träger – entgegen der ursprünglichen apostolischen Absicht – mit der Welt versöhnt hätten, deren Früchte genössen und sich in deren Angelegenheiten mischten. Ähnlich wie zahlreiche andere hussitische (vor allem taboritische) Denker lehnte Chelčický in seiner Polemik gegen die institutionalisierte Kirche deren hierarchische Struktur ab. Seine Vorstellung von der sichtbaren Kirche kommt mit dem Priester, gegebenenfalls auch mit dem Bischof aus (im Extremfall schließt er auch die Existenz einer christlichen Gemeinschaft ohne Priester nicht aus, sofern Priester von hoher Qualität, die das Gesetz Gottes respektierten, nicht zur Verfügung stünden). Seine Polemik ist allerdings umso rasanter und konsequenter, wenn er ähnlich wie die Waldenser zudem die Grundprinzipien der Pfarrorganisation angreift. Die Unterordnung des geistlichen Lebens in der Kirche unter eine strenge Organisationsregel, in der das Volk eines bestimmten territorialen Bezirks (vor allem der Pfarre) in geistlichen Angelegenheiten einem bestimmten, von oben eingesetzten Priester untergeordnet ist, weicht seiner Ansicht nach auf tragi-



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sche Weise von den Gebräuchen der Urkirche ab, in der die Gläubigen selbst ihren geistlichen Verwalter wählten – den Pfarrer oder den Bischof. Übrigens sollten die Gläubigen die Kompetenz ihrer Priester eigentlich ständig beurteilen, und zwar ausschließlich unter dem Aspekt der Erfüllung von Gottes Gesetz. Wenn sie sähen, dass ihr Priester diesen Anforderungen nicht entspreche, sollten sie ihm nicht gehorchen und von ihm auch nicht die Sakramente empfangen, weil dies ihre eigene Erlösung gefährden könne. Durch die Einrichtung einer festen Pfarrorganisation, die zudem ein Bestandteil der streng hierarchisierten Kirche war, sei die freie Verkündung des Wortes Gottes unmöglich gemacht oder zumindest maximal eingeschränkt worden. Dies brachte eine weitere schicksalhafte Folge mit sich, denn hierdurch wurde die relative Stabilität der existierenden, ihrem Wesen nach zutiefst unchristlichen Gesellschaftsordnung geschützt und gefestigt. Deshalb waren die Pfarrer nach Chelčickýs kritischem Urteil eigentlich bei der Destruktion des Christentums und des Gesetzes Gottes behilflich; überwiegend handele es sich bei ihnen um „apoštolé Antikristovi, jenž sú osáhli zemi a osedli sú kostely a počtli sú lid k těm kostelóm s jich dvory i s dědinami, aby nemohl nižádný ujíti duchu Antikristova [Apostel des Antichrist, die sich die Erde aufteilten, sich der Kirchen bemächtigten und das Volk zu diesen Kirchen mit ihren Höfen und den Dörfern zuteilten, damit niemand dem Geist des Antichrist entkommen konnte]“.15 Mit besonderer, für das ganze radikale Hussitentum typischer Verbissenheit griff Chelčický die Mönchsorden an. Ihre Vielzahl und Verschiedenartigkeit, ihr häufig aggressiver Wettbewerb untereinander deuteten seiner Meinung nach an, wie weit sie vom Gesetz Gottes entfernt seien. Da sie weder im alttestamentarischen Judentum noch in der Urkirche bekannt gewesen waren, besäßen sie keine Berechtigung in der Bibel und stellten keinen legitimen Bestandteil der christlichen Gesellschaft dar. Ihre Aktivitäten schadeten der Gemeinde nicht nur spirituell, sondern auch materiell. Die Bettelorden mit ihrer Einforderung von Almosen seien eine große wirtschaftliche Belastung für jede Gemeinde, während die übrigen Orden, die ausgedehnte Ländereien besäßen, eine große Belastung für ihre Untertanen seien, die zudem (wegen der engen Bindung dieser Güter an die königliche Kammer) zu höheren Abgaben gezwungen seien, als wenn sie direkt dem König unterstehen würden. Zum „zweiten Volk“ zählt Chelčický vor allem den Adel, dem er die Existenzberechtigung in der christlichen Gesellschaft gleich aus mehreren Gründen absprach. Vor allem fand er für den Adel keine Begründung in der Bibel, denn in der im Alten und gegebenenfalls im Neuen Testament erwähnten „Vornehmheit“ sah er nichts anderes als die Bezeichnung von tugendhaftem Leben und Weisheit. Dem alttestamentarischen Judentum und noch mehr der Urkirche waren seiner Ansicht nach Vorstellungen von einer „besseren“ Geburt vollkommen fremd. Die Bibel belege im Gegenteil, dass alle Menschen ihrem Ursprung nach gleich seien. Das theologische Schlüsselargument des südböhmischen Denkers greift gerade die angeblich bessere Herkunft des Adligen im Vergleich zu den übrigen Menschen an. Nach Chelčickýs Behauptung, die in ihrem Ausgangspunkt nicht von der orthodoxen christlichen Auslegung abweicht, werden alle Menschen in der Sünde geboren und sind gleich 15 Petra Chelčického Síť víry (wie Anm. 7), 331.

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bei ihrer Geburt mit den Folgen der Ursünde beschwert. Damit der Mensch der Verdammung ausweichen und die Erlösung erreichen könne, müsse er noch eine zweite Geburt durchlaufen, müsse spirituell – in Christus – geboren werden, müsse dem alten, körperlichen Leben im Sinne der Worte Jesu an Nikodemus aus dem Johannes-Evangelium entsagen. Denn „wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“.16 Nur diese zweite, spirituelle Geburt sei für den Christen und seine Erlösung von Bedeutung. Chelčický kritisiert den Adel als soziale Schicht, die sich im Gegensatz dazu etwas auf ihre körperliche Geburt zugute halte und daraus sogar ihren Anspruch auf eine privilegierte Stellung in der Gesellschaft ableite. Schon aus Prinzip sei sie daher unfähig, ihrer körperlichen, also adligen Herkunft den Rücken zu kehren. Diese könne sie nicht im Namen jener erwähnten zweiten Geburt verwerfen; der Adel sei nicht in der Lage, sich auf jene höhere, spirituelle Geburt zu konzentrieren, die allein den Menschen zu Jesus Christus führe. Jene angeblich bessere Herkunft des Adligen, die seine privilegierte soziale Identität begründete, wurde in Chelčickýs Auslegung so paradoxerweise zu einer schweren Last, die jedem Adligen die Chance auf Erlösung ungewöhnlich erschwerte und es ihm fast nicht erlaubte, ein wahrer Christ zu werden. Die ganze Erziehung, das gesamte Verhalten eines solchen Adligen gründe nämlich auf Respekt und Betonung seiner angeblich besseren Herkunft, auf seiner körperlichen und nicht etwa spirituellen Geburt. Der adlige Lebensstil, der in seinen Grundzügen durch den Stolz des Adelgeschlechts bedingt ist, präsentiert sich daher im Grunde als klare Verneinung von Chelčickýs Ideal des christlichen Lebens, das Demut und Nächstenliebe akzentuiert. Begriffe wie adlige Herkunft, Adelswappen, Adelsehre usw. sind das Ziel von Chelčickýs sarkastischsten Kommentaren. Adliger zu sein, bedeutete nach Chelčický, dass der Betreffende mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu den Verdammten gehörte, dass er von Gott zur Verdammnis verurteilt worden war.17 Unter diesem Aspekt muss auch die Verärgerung verstanden werden, mit der Chelčický die privilegierte Stellung dieser Schicht in der so genannten christlichen Gesellschaft kommentiert. Der südböhmische Denker erinnert mit Entsetzen an Einfluss und Macht, die der Adel über den Glauben ausüben will – beispielsweise mit Hilfe des Rechts der Adligen, die Pfarrer in ihren Pfarreien einzusetzen. Der Adel sei jedoch ein Produkt der heidnischen Welt und habe mit dem Christentum nur gemeinsam, dass er sich heuchlerisch zu ihm bekenne, obwohl er im Interesse der Erhaltung seiner Positionen praktisch dessen Untergang herbeizuführen suche. In gewisser Weise ordnet Chelčický dem „zweiten Volk“ auch die Städte zu. Ihre Existenz konnte er ebenfalls nicht aus der Bibel rechtfertigen. Ihre grundlegende biblische Dimension ist nach Chelčický durch die Tatsache gegeben, dass sie angeblich durch den 16 Joh 3,3. Vgl. Petra Chelčického Postilla II (wie Anm. 9), 62. 17 Bedenkt man, dass Chelčický mit ziemlicher Sicherheit selbst ein Adliger war, hilft diese seine Überzeugung möglicherweise dabei, einige der charakteristischen Züge seines Werks zu erhellen – vor allem den offensichtlichen enormen persönlichen Einsatz in seinen Texten, der in seinem individuellen Stil sowie der Emotionalität und dem leidenschaftlichen Interesse vieler seiner Aussagen deutlich wird.



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Brudermörder Kain ins Leben gerufen wurden, der sie nach seinen Verbrechen gegründet haben sollte, um sich in ihren Mauern vor dem göttlichen und menschlichen Zorn zu verbergen. Die Ausdehnung der Städte bezeichne daher umso stärker das sittliche Elend der zeitgenössischen Welt, denn in Chelčickýs Auslegung wurde die Gegenwart nicht nur zum Zeitalter des Antichrist, sondern auch zum Zeitalter Kains, also zur Epoche der größten Verbrechen gegen Gott und die Nächsten. Für Chelčický ist Kain nicht nur der wahre Vater der Städte und Burgen, sondern eigentlich jener ganzen Zivilisation, die Nächstenliebe verwirft und im Gegenteil sogar Totschlag rechtfertigt und sich auf ihn stützt. Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, dass Chelčický die Neigung zeigte, in den Städten auch einen gewissen Sukkus zu sehen, in dem sich die charakteristischen Elemente der existierenden Gesellschaft konzentrierten. Diese Vorgehensweise ist auch anderen Denkern des Mittelalters zueigen, die üblicherweise ebenfalls gerade die negativen Seiten des städtischen Lebens betonten – wenn auch selten in so zugespitzter Form. So war beispielsweise die Tatsache, dass die Städte von Mauern und Gräben umgeben und von Bewaffneten bewacht wurden, für unseren südböhmischen Denker ein extrem bedeutender Aspekt, der etwas über die Entleerung des Evangeliums und die Abwesenheit von Christi Gesetz der Liebe nicht nur in den Städten selbst, sondern auch in der gesamten zeitgenössischen Gesellschaft aussagte. Die Stadtbewohner – besonders die oberen, mit vollen Rechten ausgestatteten Schichten – grenzten sich laut Chelčický scharf gegenüber den sonstigen Schichten der Gesellschaft ab (erinnert sei hier an das bereits erwähnte, von ihm häufig verwendete Motiv der Mauern) und konstituierten ihr städtisches Recht, nach dem sie sich in ihrem Handeln richteten. Auf der Grundlage dieses Rechts bemühten sie sich um Einheit und Gemeinwohl. Da aber diese Einheit und dieses Gemeinwohl nicht auf der Grundlage des Gesetzes Gottes geschaffen worden seien, sondern dieses im Gegenteil bewusst übergangen worden war, könne es sich auch in diesem Fall nicht um eine christliche Gemeinschaft handeln. Es verwundere daher nicht, dass das Bürgertum auch in seinem Lebensstil das Vorbild Jesu Christi verachte und sich stattdessen bemühe, seinen Stil den höheren und von Gott verdammten Schichten – insbesondere dem Adel – anzupassen. Chelčický verweist mit seinem durchdringenden Sarkasmus auf das semantische Paradoxon der fundamentalen Begriffe, auf denen die beiden erwähnten Gesellschaftsgruppen ihre soziale Identität aufgebaut haben. Ähnlich wie der Adel Wert auf seine „bessere“ Herkunft lege, obwohl es sich in der Erlösungsperspektive eigentlich um die „schlechtere“ und weniger günstige Geburt handele, betone das Bürgertum seine angebliche „Ehrsamkeit“ und „Ehrlichkeit“, obwohl sein tatsächliches Ziel „Schelmerei“ und unsittliche Besitzhäufung zu Lasten der Nächsten seien. Chelčický nimmt die Städte als fremdartiges Element in der Gesellschaft wahr, das sich Gott nur dann annähern könne, wenn es sich seine ursprüngliche agrarische Gestalt bewahre. Die Städte sind für ihn so voll des Bösen, dass sich diese Verdorbenheit auch in die gesamte Umgebung ergieße, das Land überschwemme und Glauben wie Menschen verderbe.18 In diesen Passagen spricht Chelčický als Landbewohner und voreingenommener Sprecher einer rustikalisierten Gesellschaft, den die reißerische Dynamik des städ18 Vgl. beispielsweise Petra Chelčického Síť víry (wie Anm. 7), 292.

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tischen Lebens beunruhigte, da es die traditionellen christlichen Werte erschütterte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er die Städte vor allem im Kontext jener geschichtlichen Entwicklung wahrnimmt, die mit der ersten Gründung dieses Siedlungstyps durch den Brudermörder Kain beginnt und mit der eschatologischen Vision seiner Gleichartigkeit mit der berühmten großen Hure aus der Apokalypse ihr Ende findet.19 Obwohl Chelčickýs Lehre manchmal als erste moderne Soziologie der mittelalterlichen Gesellschaft bezeichnet wird, konzentrierte sich der südböhmische Denker in erster Linie auf Ausführungen zu den oberen Schichten der Gesellschaft, also zu denjenigen, die auf irgendeine Weise dem ersten oder zweiten Stand der mittelalterlichen Gemeinschaft zugeordnet werden können. Die niedrigeren Schichten, d. h. besonders die Bauern und Untertanen, erhielten in seinem Werk bereits keine vergleichbaren Analysen mehr. Diese Tatsache steht jedoch in völliger Übereinstimmung mit der oben genannten Ausrichtung seiner Arbeit: Chelčický porträtiert die Gesellschaft als Körper des Antichrist, aber diesen Körper bilden für ihn vordringlich die höheren Schichten, da die bestehende, also antichristliche Teilung der Gesellschaft in erster Linie ihr Werk sei und vor allem ihnen Vorteile bringe. Zu den Gliedern des Antichrist gehören zwar auf ihre Weise auch die Bauern und Untertanen, da sie ihm dienen, indem sie die deformierte Lehre Christi von den Lippen schlechter Priester hören und empfangen und indem sie den Befehlen ihrer gottlosen Obrigkeiten gehorchen, aber ihre Identifizierung mit dem Antichrist ist in Chelčickýs Ausführungen nicht mehr ganz eindeutig. Sie ist nämlich nicht in solchem Maß durch ihre gesellschaftliche Stellung gegeben, wie dies zum großen Teil für die Angehörigen der höheren Schichten gilt, sondern der Fall liegt eigentlich genau umgekehrt: Die soziale und rechtliche Inferiorität der Bauern und Untertanen gibt diesen im Grunde die Chance, näher bei Christus zu stehen, da sie nur in beschränktem Maß an den Vorteilen des bestehenden, von Gott verdammten Systems partizipieren. Die nicht-privilegierten Schichten besonders der Landbevölkerung sind zudem nach Chelčický die einzigen, die der menschlichen Gemeinschaft von Nutzen seien. Auch aus diesem Grund gehören fast alle Äußerungen des Mitleids, die in Chelčickýs Werk recht oft erklingen, gerade ihnen – denn diese Schichten sind es, auf deren Arbeit und Leid die ganze Gesellschaft gründet. Verteidigt der südböhmische Denker daher einige der großen sozialen Gruppen der mittelalterlichen Gesellschaft, dann geschieht dies ausschließlich zugunsten der Bauern und unteren Schichten der ländlichen (und zum Teil auch der städtischen) Bevölkerung. Alles, was hier gesagt wurde, führte Chelčický zu der oben erwähnten Ansicht, dass die bestehende Gesellschaft nicht den mystischen Körper Christi oder seiner Kirche verkörpere, wie die Lehre von „dreierlei Volk“ verkünde, sondern dass diese Gesellschaft sehr viel präziser zu erfassen sei, wenn man sie als Körper des Antichrist bezeichne. Die echte christliche Gesellschaft funktioniere ganz anders – nämlich nach den Prinzipien von Gottes Gesetz, vor allem des Gesetzes der Liebe. Erst dann könne die christliche Gemein19 Zum Verständnis der Städte bei Chelčický vgl. vor allem Šmahel, František: Antiideál města v díle Petra Chelčického [Das Anti-Ideal der Stadt im Werk von Peter Chelčický]. In: Československý časopis historický 20 (1972), 71–94, und Ders., Das verlorene Ideal der Stadt in der böhmischen Reformation. In: Jahrbuch des Historischen Kollegs 1995, 45–69.



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schaft wirklich „tělo duchovní Kristovo [den spirituellen Körper Christi]“ darstellen, „aby jedni druhým byli pomoc a úžitek skrze lásku, slúžíce sobě spolu, ničímž sobě dlužni nebývajíce, jediné tiem, aby se spolu milovali božím milováním, a všicku moc duchovní berúce od hlavy své, Pána Ježíše [wo die einen den anderen Hilfe und Nutzen durch die Liebe sind, wo sie einander dienen, wo sie einander zu nichts verpflichtet sind, nur darin, sich mit Gottes Liebe zu lieben und jegliche spirituelle Macht von ihrem Haupte, dem Herrn Jesus, zu empfangen]“.20 Eine wirklich christliche Gesellschaft ist laut Chelčický undenkbar ohne eine spirituelle und soziale Einheit, ohne die Gleichheit untereinander und ohne die Unterordnung des Menschen allein unter Gott und dessen Gesetz. Diese Gesellschaft setze freilich einen anderen Menschen voraus, der nicht bereits durch eine bestimmte Funktion in der Gesellschaftsordnung determiniert sei. Die funktionale Spezialisierung der drei Stände, der drei Ordnungen, wird hier in gewisser Weise durch eine größere funktionale Universalität dieses neuen Menschen ersetzt. Die nüchterne Unterteilung in Laien und Priester verliert einigermaßen ihre Gültigkeit, denn jeder Mensch ist jetzt in höherem Maß verantwortlich für seine Erlösung. Und auch die militärische Funktion des „zweiten Volks“ wird gewissermaßen auf alle übertragen, denn jeder um Erlösung bemühte Mensch sollte zum Kämpfer gegen den Teufel werden. Jeder Mensch hat damit nach Chelčický etwas vom „ersten“, vom „zweiten“ und auch vom „dritten Volk“ in sich – allerdings so, dass es dem wichtigsten Ziel des menschlichen Strebens diene: der Erlösung. In diesem Zusammenhang darf auch die Frage nicht unberücksichtigt bleiben, wie Chelčický eine solche Gesellschaft verwirklichen wollte. Analysiert man sein Werk genauer, fällt auf, dass er durchaus nicht nur mit der Besserung der Sünder rechnete, von deren Unverbesserlichkeit er zutiefst überzeugt war. In dieser Hinsicht war er Realist (wenn man diesen Begriff hier verwenden darf), aber sicherlich spielte hier auch seine die Prädestination betonende Ekklesiologie eine Rolle. Ihm, dem berühmten Pazifisten non plus ultra, blieb also nichts anderes übrig, als zum Gedanken der Gewalt Zuflucht zu nehmen. Es ist beinahe ein Paradoxon, dass er so in seiner Überzeugung, Gewalt sei bei der Schaffung einer neuen gottgefälligen Gesellschaft eine Notwendigkeit, fast einem anderen berühmten Südböhmen der Hussitenzeit die Hände reichen könnte: nämlich Jan Žižka von Trocnov. Der Unterschied zwischen den beiden ist jedoch gewichtig. Während sich Žižka entschloss, diese Aufgabe mit persönlichem Einsatz anzugehen, verließ sich Chelčický auf einen transzendenten Eingriff, auf Gott, auf die strafende Hand Gottes.21 Seine eschatologische Ungeduld, sein erregtes Erwarten dieses Eingriffs ist ein Element, das den „soziologischen“ Interpretationen Chelčickýs und seiner Polemik gegen die zeitgenössische Gestalt der Gesellschaft eine bemerkenswerte Spannung verleiht. Übersetzt von Anna Ohlídalová

20 Petra Chelčického Síť víry (wie Anm. 7), 301–302. 21 Vgl. zu dieser Frage Boubín, Jaroslav: Modlitby Petra Chelčického [Die Gebete des Peter Chelčický]. In: Angelus pacis. Sborník prací k poctě Noemi Rejchrtové. Hg. von Pavel B. Kůrka, Jaroslav Pánek und Miloslav Polívka, Praha 2008, 227–236.

Winfried Eberhard Das Problem der Toleranz und die Entwicklung der hussitisch-katholischen Koexistenz im 15. Jahrhundert Der von der Individualpsychologie bis zur Sozialwissenschaft inflationär verwendete Begriff der Toleranz1 wird im Folgenden auf den Bereich des Ideellen und Religiösen, genauer gesagt: auf das Konfessionelle und damit auf Gesellschaft eingegrenzt. Dies liegt nicht nur deshalb nahe, weil es um Hussitismus geht, sondern auch weil Toleranz in Europa zuerst auf dem Gebiet der öffentlichen, d.h. gesellschaftlich relevanten Religionsfreiheit diskutiert und gelernt wurde. Überdies ist der Toleranzbegriff hier auch in seiner Reichweite einzuschränken auf konfessionelle Koexistenz. Damit soll die Annahme vermieden werden, im 15. Jahrhundert habe Toleranz im modernen Sinne einer gegenseitigen Akzeptanz des Andersseins erreicht werden können. Obwohl in der tschechischen Historiographie gelegentlich die konfessionellen Gegensätze in Böhmen und Mähren im 15. und 16. Jahrhundert zumindest bei einem Teil des Adels als sekundär dargestellt werden und die Mentalität eines „überkonfessionellen Christentums“ in den Vordergrund gestellt wird2, dürfte dies nur für eine Minderheit gelten, die die politischen Landesinteressen über diejenigen der Konfession stellte. Die Bereitschaft zu einer wechselseitigen Akzeptanz des konfessionellen Andersseins scheint mir bis 1600 dagegen eher abgenommen zu haben und im übrigen auch im 15. Jahrhundert nicht mehrheitlich verbreitet gewesen zu sein. Entscheidend für das Verständnis der Grenzen von Toleranz in deren Entstehungsgeschichte ist es zunächst aber vor allem, daß Toleranz als Problem erkannt wird. Aus agnostischer Perspektive ist Toleranz kein wirkliches Problem im ideellen Bereich, son1 Zum Toleranzbegriff vor allem Klaus Schreiner, Toleranz I–X; Gerhard Besier: Toleranz XIII, in: Otto Brunner – Werner Conze – Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6, Stuttgart 1990, 445–494 u. 520–523; Ulrich Kronauer, Toleranz/Intoleranz, V. Philosophisch, Reiner Preul, VII. Politologisch, VIII. Sozialpsychologisch, IX. Ethisch, in: Hans Dieter Betz u.a. (Hg.), Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 8, Tübingen 42005, 464–469; Heinz-Robert Schlette, Toleranz, in: Heinrich Lutz (Hg.), Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit (Wege der Forschung 246), Darmstadt 1977, 193–202; Heinrich Schmidinger, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Wege zur Toleranz. Geschichte einer europäischen Idee in Quellen, Darmstadt 2002, 13–19. 2 Josef Válka, Die „Politiques“: Konfessionelle Orientierung und politische Landesinteressen in Böhmen und Mähren (bis 1630), in: Joachim Bahlcke – Hans-Jürgen Bömelburg – Norbert Kersken (Hg.), Ständefreiheit und Staatsgestaltung in Ostmitteleuropa. Übernationale Gemeinsamkeiten in der politischen Kultur vom 16.–18. Jahrhundert, Leipzig 1996, 229–241; Ders., Tolerance či koexistence? (K povaze soužití různých náboženských vyznání v českých zemích v 15. až 17. století) [Toleranz oder Koexistenz? (Zum Charakter des Zusammenlebens verschiedener religiöser Bekenntnisse in den böhmischen Ländern im 15. bis 17. Jahrhundert)], in: Studia comeniana et historica 18 (1988) přiloha [Beilage] 63–74, hier: 68–69.

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dern sie erübrigt sich. Wenn nämlich alles gleich wahr oder unwahr ist oder Wahres nicht erkennbar wird, wenn somit als wahr erkannte Werte keine gesellschaftlich formierende Kraft haben, ist Indifferenz, aber nicht Toleranz geboten. Schärfer gesagt: Eine Grundvoraussetzung für Toleranz im gesellschaftlichen Bereich – und um den geht es hier ja – besteht darin, dass gegensätzliche Gesellschaftsgruppen ihre gegenseitig tolerierten „Überzeugungen oder Praktiken in einem normativ gehaltvollen Sinne als falsch“ ansehen oder als schlecht verurteilen3; das heißt daß es dabei um Überzeugungen von Wahrheit geht. Diese „Ablehnungs-Komponente“ (Forst) mag mehr oder weniger stark ausgeprägt sein, dabei kommt es jedoch nicht auf die quantitative Bandbreite der dissidenten Inhalte an, sondern auf die gesellschaftliche Entschiedenheit der gegenseitigen Ausschließung4. Zum Verständnis des Problems der Toleranz ist schließlich vor allem folgende Einsicht unerläßlich: Eine jede Gesellschaft benötigt für ihre Integrationsfähigkeit und Einheit eine ideell begründete, grundlegende normative Wertordnung, ein „ideologisches System“, das ihre Zielsetzungen und ihr politisch-gesellschaftlich konsensuelles Handeln – auch im Konfliktfall – ermöglicht und letztlich orientiert5. Gegen die Gefährdung der ideellen, religiösen Einheit der Gesellschaft vor allem im Europa des 16. Jahrhunderts wurde denn auch immer wieder betont, daß es ohne Religionseinheit keinen Frieden, keinen Zusammenhalt und kein Vertrauen in der Gesellschaft geben könne6. Dieses ideelle Grundsystem bildete für die Länder des lateinischen Europa im Mittelalter das Christentum in seiner kirchlichen Form. Die Existenz eines autoritativen, in Papst und Konzil kulminierenden geistlichen Systems stärkte einerseits den integrations- und einheitsbildenden Faktor der ideologischen Grundorientierung. Andererseits rief der stets mögliche unmittelbare Rückgriff auf die Grundlagen des ideologischen Systems, auf die Heilige Schrift und insbesondere das Vorbild Christi und der Apostel, seit dem 11. Jahrhundert immer wieder die Fundamentalkritik gegen jene geistliche Autorität auf den Plan. Und wegen der engen Bindung der ideellen Inhalte an die institutionelle Autorität schlug diese Fundamentalkritik durch bis auf das ideologische System selbst und seine Werteordnung. Das Problem der gesellschaftlichen Toleranz stellte und stellt sich nun, wenn in diesem Bereich des Einheit und Orientierung garantierenden ideellen Grundsystems sich nicht nur Kritik erhebt, sondern darüber hinaus eine gesamtgesellschaftliche Spaltung eintritt, wenn also Bewegungen entstehen, die das ideologische System samt seinen insti3 Rainer Forst, Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs, Frankfurt a.M. 2003, 32. 4 Dies ist vor allem im Fall des Hussitismus zu betonen, da der hussitische Utraquismus des späteren 15. Jahrhunderts oft als bloße liturgische Abweichung von der römischen Kirche dargestellt wird, ohne dessen Biblizismus und entschiedene Ablehnung der päpstlichen Lehr- und Jurisdiktionsgewalt zu beachten. 5 Eugen Lemberg, Ideologie und Gesellschaft. Eine Theorie der ideologischen Systeme, ihrer Struktur und Funktion, Stuttgart u.a. 1971, 43–49, 149–153, 177–216; Ders., Anthropologie der ideologischen Systeme (Studien zu Gesellschaft und Bildung 1), Weinheim-Basel 1977, 60–170. 6 Marc Venard, Problèmes et modalités de la coexistence religieuse au XVIe siècle, in : Hubert Łaszkiewicz (Ed.), Churches and Confessions in East Central Europe in Early Modern Times (Proceedings of the Commission internationale d‘histoire ecclésiastique comparée, Lublin 1996, Part 3, Lublin 1999, 13–20, hier 14.



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tutionellen Repräsentanten in seinen Grundlagen attackieren. Die Toleranzfrage hätte sich somit bereits bei den dissidentischen Bewegungen – gemeinhin von offizieller Seite als Häresien bezeichnet – im 13. Jahrhundert gestellt, bei Katharern und Waldensern in Südfrankreich und Oberitalien. Sie wurden jedoch als Autoritätsgefährdung von der geistlichen wie von der weltlichen Gewalt erfolgreich bekämpft und im Wesentlichen aus der Gesellschaft eliminiert7. Das politisch-gesellschaftliche Toleranzproblem – auch und zunächst im Sinne einer geduldeten und organisierten Koexistenz – stellte sich nämlich erst dann wirklich und unabweisbar, wenn der Dissens im ideologischen System nicht nur quantitativ, sondern auch und vor allem politisch-organisatorisch eine solche Formierungskraft erreichte und alle Schichten der Gesellschaft erfaßte, daß er nicht mehr machtpolitisch unterdrückt oder anderswie aus der Gesellschaft eliminiert werden konnte. In diesem Fall kann sich weder die eine noch die andere der sich gegenseitig ausschließenden Gruppen in der Gesellschaft vollständig durchsetzen. Da somit die Gegensätze bestehen bleiben und weder durch theologischen Kompromiss noch durch Machtpolitik reduziert und zur alten Einheit zurückgebracht werden können, und da überdies und dennoch die Einheit des politischen Systems aufrechterhalten oder neugewonnen werden muß, stellt sich zwangsläufig die Frage nach einem gemeinsamen modus vivendi, nach der neuen Einheit im Dissens. Eine letzte Voraussetzung dafür, daß sich diese Frage stellt, besteht allerdings darin, daß die militärische Gewalt weder der einen noch der anderen Seite zum Ziel kommt und zur Resignation gezwungen ist8. Den ersten Fall in der europäischen Geschichte für dieses Modell bieten Böhmen und Mähren am Ende der Hussitischen Revolution, als sich wie in der Französischen Revolution die Frage stellte, wie sie zu beenden, das heißt wie sie entweder zu stabilisieren oder zu eliminieren sei9. Den ersten Schritt dazu bildete der Verzicht auf Gewalt und damit die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen. Den Anfang machte König Sigismund, als er sich 1428 an die Hussiten wandte, um sie für Gespräche über eine Anerkennung und für einen Waffenstillstand bis zur Konzilseröffnung zu gewinnen. Bei den folgenden Verhandlungen in Preßburg 1429 bot er erstmals das Konzil als Lösungsweg an. Damit verband er die Konzilsin7 Malcolm D. Lambert, Medieval heresy. Popular Movements from the Gregorian Reform to the Reformation, Oxford 32002, 121–129. 8 Ebd. 16; Winfried Eberhard, Toleranz und Religionsfreiheit im 15.–17. Jahrhundert in Mitteleuropa, in: Petr Hlaváček (Hg.), Bruncvík a víla. Přemýšlení o kulturní a politické identitě Evropy / Bruncwik und die Nymphe. Die Überlegungen zur kulturellen und politischen Identität Europas (Europaeana Pragensia 2), Praha 2010, 55–72, hier 58. 9 Winfried Eberhard, Der Weg zur Koexistenz. Kaiser Sigmund und das Ende der hussitischen Revolution, in: Bohemia 33 (1992) 1–43; František Šmahel, Pax externa et interna. Vom Heiligen Krieg zur erzwungenen Toleranz im hussitischen Böhmen (1419–1485), in : Alexander Patschovsky – Harald Zimmermann (Hg.), Toleranz im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 45), Sigmaringen 1998, 221–273; zur Toleranzentwicklung in Böhmen und Mähren im 15. und 16. Jahrhundert insgesamt Jaroslav Pánek, The question of tolerance in Bohemia and Moravia in the age of the Reformation, in: Ole Peter Grell – Bob Scribner (Ed.) Tolerance and intolerance in the European Reformation, Cambridge 1996, 231–248.

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teressen, in der causa fidei zum Erfolg zu kommen, mit dem Anliegen der Hussiten, öffentliches Gehör vor der Christenheit zu erhalten10. Den König leiteten dabei übergeordnete politische Ziele: der antiosmanische Kampf einer geeinten Christenheit unter kaiserlicher Führung, somit die Erlangung der Kaiserkrone und die Friedenspolitik in Italien, das Zustandekommen des Reformkonzils und seine Anerkennung in den böhmischen Ländern. Auch der Stellvertreter des Königs in den Hussitenkämpfen, Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg, beabsichtigte, die via belli aufzugeben, als er im „Beheimsteiner Vertrag“11 mit Prokop dem Kahlen nicht nur einen Waffenstillstand schloß, sondern den Hussiten auch die öffentliche Diskussion über ihre Vier Artikel12 auf dem nächsten Reichstag in Nürnberg anbot, die allerdings nicht zustande kam. Am militärischen Weg war König Sigismund auch 1431 offensichtlich uninteressiert13. Dagegen erhob Papst Eugen IV. ebenso wie zuvor Martin V. den Hussitenkrieg zur Voraussetzung für Sigismunds Kaiserkrönung, so daß der Konzilspräsident Giuliano Cesarini – wegen der Konzilsberufung auf Einvernehmen mit dem Papst angewiesen – den König auf den Weg der Gewalt festlegte und dieser sich ein letztes Mal beugte14. Erst die Niederlage des Reichsheeres 1431 bei Taus, in der Cesarini sich mit knapper Not retten konnte, brachte das Konzil zu der Einsicht, daß Friedensverhandlungen unausweichlich waren, obwohl der Papst Gespräche mit den Häretikern immer noch grundsätzlich ablehnte und Sigismund weiterhin auf den militärischen Weg beschränken wollte. Eine Ausnahme auf geistlicher Seite war lediglich Dr. Heinrich Toke aus Rostock, wohl der theologische Berater Kurfürst Friedrichs. Er plädierte in einem Memorandum schon 1430 dafür, die Kirche als ganze mit den Waffen des Geistes zu bessern, mit den Böhmen also um eine Reform zu verhandeln, statt sie mit Gewalt niederzuzwingen15. Bezeichnenderweise war er dann an den Konzilsverhandlungen mit den Hussiten nicht beteiligt. Unter dem Eindruck der Niederlage des Kreuzheeres 1431 lud das Basler Konzil die Hussiten zu Verhandlungen über die Vier Artikel ein und verschaffte ihnen somit tatsächlich das lange 10 Franz Machilek, Die hussitische Forderung nach öffentlichem Gehör und der Beheimsteiner Vertrag von 1430, in: Jaroslav Pánek – Miloslav Polívka – Noemi Rejchrtová (Hg.), Husitství – Reformace – Renesance. Sborník k 60. narozeninám Františka Šmahela, Praha 1994, 503–526; zu den Preßburger Verhandlungen Josef Macek, Die Versammlungen von Preßburg 1429, in: Folia diplomatica 1 (1971) 189–208. 11 Machilek, Forderung nach öffentlichem Gehör (wie Anm. 10). 12 Die Vier Artikel, die 1420 in Prag formuliert worden waren, bildeten das grundlegende Programm der hussitischen Kirchen- und Gesellschaftsreform, auf das sich alle hussitischen Richtungen als Minimalprogramm verständigen konnten. Der Text in Josef Bujnoch (Hg. u. Übers.), Die Hussiten. Die Chronik des Laurentius von Březová 1414–1421 (Slavische Geschichtsschreiber 11), Graz–Wien–Köln 1988, 109–114. 13 Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 11. 14 Zum letzten Kreuzzug gegen die Hussiten Peter Hilsch, Die Kreuzzüge gegen die Hussiten: Geistliche und weltliche Macht in Konkurrenz, in: Joachim Bahlcke – Karen Lambrecht – Hans-Christiann Maner (Hg.), Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, Leipzig 2006, 201–215, hier 210–211. 15 Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 10.



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geforderte öffentliche Gehör. Nachdem Vorverhandlungen in Eger 1432 für die künftigen Gespräche allein die Bibel als oberste Norm festgelegt hatten16, fanden die Konzilsverhandlungen 1433 in Basel als großes vierfaches (je ein Disputant jeder Seite zu jedem der Vier Artikel) Rededuell statt. Die Absicht des Konzils war es ganz offenbar, nun auf friedlichem Wege zu erreichen, was kriegerisch nicht möglich gewesen war, nämlich die Hussiten in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Das Ergebnis bestand in den bekannten „Basler Kompaktaten“ – wegen ihrer Billigung mit gewissen Modifikationen durch den nachfolgenden Prager Landtag auch „Prager Kompaktaten“ genannt –, die in der Tat die Vier Artikel so katholisch umformten, daß von ihrem reformatorischen oder gar revolutionären Charakter nichts mehr übrig blieb. Dem Text nach hatte somit das Konzil seine Absicht durchgesetzt; doch war das keineswegs das letzte Wort17. Auf hussitischer Seite gestaltete sich der Weg zur Einsicht in die Notwendigkeit des Gewaltverzichtes noch etwas schwieriger18. Ebenso wie auf katholischer Seite gab es auch hier zwei unterschiedliche Einstellungen. Bei den gemäßigten Hussiten, beim Adel und den meisten Städten, traten wie bei Sigismund um 1430 die politischen Interessen in den Vordergrund. Den Krieg praktizierten sie nicht mehr offensiv, sondern nur noch als aufgenötigte Verteidigung des Hussitentums wie gegen den Kreuzzug von 1431 19. Danach sahen die arrivierten Adligen und Bürger, die in den Besitz von Kirchen- und Königsgut gekommen waren, keinen Sinn mehr in weiteren Kämpfen, die das Erreichte nur noch gefährden konnten – zumal angesichts der Kriegsverwüstungen und der zunehmenden Wirtschaftskrise. Die politischen Interessen dieser hussitischen Richtung tendierten also zur Stabilisierung des Status quo der Revolution. Die radikalen Hussiten dagegen, Taboriten und Waisen, zeigten sich in Manifesten 1430 zwar auch zum friedlichen Religionsgespräch bereit. In ihrem hussitischen Universalismus ging es ihnen dabei jedoch um eine öffentliche Diskussion auf dem Konzil mit dem Ziel der Bekehrung der Gesamtkirche zu den Vier Artikeln. Dafür waren sie durchaus noch zu kämpfen bereit, um auf Kirche und König Druck auszuüben für größere Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft. Und wenn schon nicht die Gesamtkirche, dann sollten wenigstens die böhmischen Länder vollständig hussitisch werden. Auch aus diesem Motiv entschlossen sie sich – nach dem unbefriedigenden Ergebnis der Basler Kompakta16 Amedeo Molnár, Chebský soudce [Der Egerer Richter], in: Soudce smluvený v Chebu. Sborník příspěvků přednesených na symposiu k 550. výročí, Cheb 1982, 9–37, hier 21–28. 17 Der Text in Monumenta conciliorum generalium saeculi XV (im folgenden zit.: MC), Vol. 1, 495–498; František Palacký (Hg.), Archiv český čili staré písemné památky české a moravské sebrané z archivů domacích a cizích (im folgenden zit.: AČ) [Böhmisches Archiv oder alte böhmische und mährische Schriftdenkmäler aus einheimischen und ausländischen Archiven], Bd. 3, Praha 1844, 398–404; Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 13–18; Paul De Vooght, La confrontation des thèses hussites et romains au concile de Bâle, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 37 (1970) 97–137 und 254–291; Alois Krchňák, Čechové na basilejském sněmu [Die Böhmen auf dem Basler Konzil], Svitavy-Řím 1997; Šmahel, Pax, (wie Anm. 9) 245–255. 18 Zum Gesamtvorgang František Šmahel, Die Hussitische Revolution 3 Bde. (Monumenta Germaniae Historica, Schriften 43), Hannover 2002, hier Bd. 3, 1497–1690. 19 Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 5–6.

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ten 1433, die sie ablehnten – zur Belagerung der Stadt Pilsen, des katholischen Kontaktzentrums zum Reich20. Sie führte jedoch geradewegs zum Bündnis zwischen gemäßigten Hussiten und Katholiken und zur berühmten Schlacht bei Lipany 1434, in der die Taboriten und Orebiten eine vernichtende Niederlage erlitten. Danach mußten sie sich der von den Gegnern beschlossenen Landfriedensordnung unterstellen. Auf dem Landtag im Oktober 1434 verzichteten die Hussiten schließlich endgültig auf den Krieg auch nach außen, wenn der Status quo der hussitischen Gemeinden anerkannt werde21. Mit der Dialektik von Krieg und Frieden war der Lernprozeß in Richtung auf eine tolerante Koexistenz im Ergebnis einen wesentlichen, aber nur einen ersten Schritt vorangekommen. Denn dieser Lernprozeß war nicht von intellektueller Einsicht in eine grundsätzliche Toleranznotwendigkeit getragen, sondern vom machtpolitischen Zwang zum Ausgleich, von der Nötigung zur Einsicht ins unvermeidlich Notwendige. Die Begrenzung der hussitischen Perspektive auf den Status quo war indes keine Selbstverständlichkeit. Den Anspruch auf universelle Geltung des hussitischen Programms erhob nämlich auch die gemäßigte hussitische Richtung. Seit deren Annahme der Basler Kompaktaten auf dem Prager Landtag im November 1433 zielten die Hussiten mit ihrer Behauptung der Heilsnotwendigkeit des Laienkelches und mit der Abwehr geistlicher Herrschaft über Temporalien schon nicht mehr auf die ganze Christenheit, sondern nur noch auf Böhmen und Mähren. Darin war jedoch der geistliche Führer der Hussiten, Mag. Jan Rokycana, am unnachgiebigsten. Auf dem Regensburger Reichstag im August 1434 forderte er nämlich zum wiederholten Male, ganz Böhmen und Mähren müßten auf die Kelchkommunion verpflichtet werden. Anders seien Frieden und Einheit nicht zu erreichen22. Man konnte sich offenbar eine funktionierende politisch-gesellschaftliche Einheit nur unter der Bedingung der religiösen Einheit als „vinculum societatis“ vorstellen. Denn auch die hussitischen Stände zielten auf dem Landtag im November 1433 – der zugleich die Basler Kompaktaten annahm – auf eine einheitliche hussitische Ordnung im Lande, als sie einen Statthalter mit einem Zwölfer-Direktorium einsetzten, das die Vier Artikel im Lande verteidigen, verbreiten und zu ihnen hinführen sollte23 – und als sie im Sommer 1434 Jan Rokycana als geistlichen Administrator einsetzten, dessen Autorität die gesamte Geistlichkeit Böhmens und Mährens unter Strafe der Ausweisung anerkennen sollte24. 20 Zur Bedeutung Pilsens in dieser Zeit und in dieser Funktion Miloslav Polívka, Böhmen in der Endphase der hussitischen Revolution und internationale Aspekte seiner Entwicklung. Die Zuspitzung des Kampfes um den Charakter des böhmischen Staates in der Zeit der hussitischen Belagerung der Stadt Pilsen, in: Historica 29 (1989) 161–224, hier 168–174. 21 Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 7–8. 22 MC I, 508 und 510. Hier taucht auf der Gegenseite dasselbe Argument auf, das dann im 16. Jahrhundert häufig gegen die Koexistenzmöglichkeit gegensätzlicher Konfessionen vorgebracht wurde; vgl. Anm. 6. 23 AČ III, 412–415. 24 Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 20–22; zur Gesamtbeurteilung Robert Kalivoda, Husitství a jeho vyúštění v době předbělohorské a pobělohorské [Der Hussitismus und seine Ausmündung in der Zeit vor und nach dem „Weißen Berg“], in: Studia comeniana et historica 13 (1983) 3–44, hier 21.



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Auf katholischer Seite war man von der Vorstellung einer konfessionellen Koexistenz mindestens ebenso weit entfernt. König Sigismund beabsichtigte – gemäß seiner Instruktion für die Hussitenverhandlungen – noch 1432, die alte Ordnung unter seiner Herrschaft zu erneuern, und verlangte die Restitution geistlicher und königlicher Güter25. Vor allem aber zeigten die Kompaktaten mit dem Basler Konzil, daß dieses den Frieden mit den Hussiten nur als deren Wiederanschluß an die Kirche verstehen konnte. Die Vier Artikel waren darin, wie oben erwähnt, so katholisch umgeformt, daß von der Heilsnotwendigkeit des Laienkelches gemäß dem Evangelium oder vom Verbot geistlicher Herrschaft über weltliche Güter nicht mehr wirklich die Rede war. Die Koexistenz von „sub una“ (Katholiken) und „sub utraque“ (Utraquisten) blieb hier eine solche zwischen liturgischen Varianten. Kaiser und Konzil verstanden ihr Friedensprogramm bis 1434 als Rückkehr zur Einheit der alten religiösen Ordnung, als „reductio Hussitarum“. Einen – nach dem Gewaltverzicht – zweiten, entscheidenden Schritt zur Koexistenz unternahmen schließlich die hussitischen Stände auf dem St. Gallus-Landtag im Oktober 143426. Dies mag eine Reaktion gewesen sein auf die strikte Ablehnung der Verpflichtung ganz Böhmens und Mährens auf den Laienkelch durch Sigismund und die Konzilslegaten auf dem Regensburger Reichstag. Es dürfte aber vor allem der Einsicht geschuldet sein, daß eine Stabilisierung der Ordnung im Lande nicht ohne die Reintegration der katholischen Stände und damit nicht ohne eine Übereinkunft mit Kaiser und Konzil zu erreichen war. Der Landtag beschloß nämlich – um den Frieden zu fördern und endlich vor Kriegen Ruhe zu haben, wie es hieß – Katholiken sollten künftig nur (aber immerhin!) dort geduldet werden, wo der Laienkelch bisher nicht gereicht worden war. Das bedeutete praktisch den Status quo des Laienkelches und damit die Koexistenz von Utraquisten und Katholiken. Die politischen Interessen an Stabilität und Ordnung begannen hier die Priorität vor der fundamentalistischen religiösen Exklusivität einzunehmen und eröffneten einen pragmatischen Weg. Diesem Beschluß folgten weitere Bedingungen für eine Übereinkunft mit Kaiser und Konzil: die ständische Wahl des Erzbischofs und der Bischöfe von Olmütz und Leitomischl, denen der ganze Klerus unterstehen sollte; die Obödienz gegenüber der Kirche unter dem Vorbehalt, daß kirchliche Anordnungen der Heiligen Schrift entsprächen; die Autonomie der geistlichen Jurisdiktion in Böhmen und Mähren und die Beschränkung des Kollationsrechts für Benefizien auf Landeseinwohner. Zum letztendlich entscheidenden Forum für die Verhandlungen zwischen Hussiten, Kaiser und Konzilslegaten wurde Brünn im Juli 143527. Die Legaten wiesen alle Forderungen zurück, da es ihnen ja um Rückgliederung der Hussiten ins römische Rechtssystem ging, die Forderungen dagegen die autonome Landeskirche und eine eventuelle Expansion des Hussitismus im Blick hatten. Die zentrale Rolle für ein dennoch bald positives Ergebnis spielte dagegen die geschickte Diplomatie Kaiser Sigismunds, der die kirchlichen Grundsätze seinem Herrschaftsinteresse und den politischen Interessen des 25 Deutsche Reichstagsakten (RTA), Bd. 10, Nr. 357. 26 Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 25–26; der Landtagsbeschluß in MC I, 632-634. 27 MC I, 549–673, 746–783 und 791–810; Josef Válka, Cesta Moravy ke kompaktátům [Der Weg Mährens zu den Kompaktaten], in: Jižní Morava 24/Bd. 27 (1988) 91–112; Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 26–36; Šmahel, Hussitische Revolution (wie Anm. 18) 1662–1673.

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Landes ausdrücklich unterordnete. Er äußerte nämlich gegenüber den Legaten, er sei am Ende seiner Geduld mit den theologischen Spitzfindigkeiten, es gehe ihm in erster Linie um seinen Herrschaftsantritt im Königreich Böhmen. Gegen den Protest der Legaten vereinbarte er nun mit den böhmischen Ständen eine Übereinkunft, die auf den Beschlüssen des St.-Gallus-Landtages des Vorjahres beruhte. Die Konfessionen wurden nach dem Prinzip des Status quo und der lokalen Verhältnisse aufgeteilt: Katholiken waren nur dort zu dulden, wo bisher keine Kelchkommunion praktiziert worden war. Die Orte, an denen bisher der Laienkelch gereicht worden war, sollten aufgezeichnet werden, und dort sollte diese Praxis auf Dauer gelten. Mit der lokalen Exklusivität des Kelches war somit auch die konfessionelle Koexistenz fixiert. Auch die übrigen Forderungen des St.-Gallus-Landtags nahm Sigismund in die Abmachung auf und fertigte alles in höchster Rechtsform als Majestätsbrief aus, am 6. Juli in Brünn, definitiv einige Monate später in Stuhlweißenburg. Im Wesentlichen war damit der Weg frei für die feierliche Annahme der Kompaktaten – mit einigen neu ausgehandelten Zusätzen – in Iglau 1435 sowie für die Anerkennung des Kaisers als König von Böhmen. Die Obödienz, die die hussitischen Geistlichen und Stände dabei der Kirche versprachen, blieb jedoch in der Formulierung strittig; so etwa in der Einschränkung der Obödienz „secundum legem dei et sanctorum patrum instituta, in lege dei veraciter se fundancia“28. Dagegen nutzten die Utraquisten künftig die im Majestätsbrief bestätigte jurisdiktionelle Unabhängigkeit gegenüber Rom. Als Erzbischof wählten die Stände danach Mag. Jan Rokycana, der zwar nie von Papst oder Konzil bestätigt wurde, aber bald als geistlicher Führer (Administrator) der utraquistischen Kirche im Land allseits anerkannt wurde. Entgegen der Absicht des Konzils und des Kompaktatentextes entstand somit in Böhmen und Mähren praktisch eine unabhängige Kirche und Konfession neben der katholischen. Die Kompaktaten wurden zwar nie päpstlich approbiert, ja 1462 von Pius II. sogar formell widerrufen. Die Utraquisten beriefen sich jedoch stets auf ihre universale Anerkennung durch das Konzil und vor allem durch den Kaiser in Sigismunds Majestätsbrief, den sogenannten kaiserlichen Kompaktaten29. Erstmals war nun in einem Land der Christenheit die Koexistenz von zwei widerstreitenden Konfessionen in einer offiziellen Ordnung durchgesetzt und politisch-gesellschaftlich akzeptiert. Ermöglicht wurde dies durch den Prioritätenwechsel in den Grundlagen, die die Einheit der Gesellschaft garantieren sollten. Nicht mehr die eine Religion war die erste Basis für Orientierung und Zusammenhalt der Gesamtgesellschaft, sondern das 28 Genauer dazu Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 27–28. 29 Zu den Kompaktaten, ihrer Bedeutung und ihrem Verständnis bei den Hussiten Winfried Eberhard, Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478–1530 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 38), München–Wien 1981, 41–46 und 99. Über die verschiedenen Texte, die zum Komplex der Kompaktaten gehörten František Šmahel, Basilejská kompaktáta, jejich zpísemnění a ratifikace [Die Basler Kompaktaten, ihr Verschriftlichungsprozeß und ihre Ratifikation], in: Studia mediaevalia bohemica 1 (2009) 187–229; zur Textüberlieferung sowie zum späteren Verständnis der Kompaktaten bei den Hussiten Ders., Epilog jedné kauzy. Osudy listin basilejských kompaktát [Epilog der einen Causa. Das Schicksal der Urkunden der Basler Kompaktaten], in: Robert Novotný, Petr Šámal u.a., Zrození mýtu. Dva Životy husitské epochy, Praha-Litomyšl 2011, 121–139.



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weltliche Wohl des Landes: Frieden, Ordnung und Sicherheit sowie das politische Interesse, das den Vorrang dieser Werte vor der religiösen Einheit zu akzeptieren gelernt hatte. Das bedeutete gleichsam eine Säkularisierung des politischen Denkens30. Die Stabilität der 1435 geschaffenen Koexistenzordnung hing allerdings von der Dauerhaftigkeit dieses politischen Interesses ab. Angesichts der quantitativen, vor allem in Böhmen auch politischen Dominanz der Utraquisten hatte König Sigismund noch versucht, zugunsten eines stärkeren konfessionellen Gleichgewichtes Katholiken und konservative Utraquisten zu begünstigen31. In der Folgezeit blieb die Koexistenz jedoch instabil, da keine Seite wirklich und dauerhaft darauf verzichtete, die politische und gesellschaftliche Hegemonie zu erreichen32. Spätestens unter dem „Hussitenkönig“ Georg von Podiebrad33 schien die politische Dominanz durch die Utraquisten erreicht. König Georg war sich aber durchaus bewußt, daß er über „zweierlei Volk“ regierte und beiden gerecht werden müsse, um sich nicht eines zum Feind zu machen, wie es sein Kanzler, Prokop von Rabstein formulierte, als er beim Papst für die Approbation der Kompaktaten warb34. Den päpstlichen Widerruf der Kompaktaten und die Eröffnung des Kirchenprozesses gegen Georg nahm jedoch eine katholische Hochadelsopposition zum Anlaß, gegen den König 1465 ein Widerstandsbündnis zu schließen und 1467 den Krieg zu beginnen, nachdem der Kirchenbann über Georg verhängt worden war35. Auf dem Höhepunkt der folgenden selbstzerstörerischen, verheerenden Kämpfe verfaßte ein katholischer Geistlicher, Johann von Rabstein, Propst des Prager Stifts Wyschehrad und Bruder von König Georgs Kanzler, 1469 einen fiktiven Dialog gegen den Ketzerkrieg, der zwei wesentliche Argumente für die damalige Legitimation konfessioneller Koexistenz enthält36. Angesichts der Verwüstungen des Krieges lehnt er die gewaltsame Ketzerbekämpfung überhaupt ab, da sie nur das Land schädige und dem 30 Dieser Prioritätenwechsel von Religion zu Politik charakterisiert dann auch die Koexistenzlösungen im Europa des 16. Jahrhunderts. Venard, Problèmes (wie Anm. 6) 17. 31 Šmahel, Hussitische Revolution (wie Anm. 18) 1679–1690; Eberhard, Weg zur Koexistenz (wie Anm. 9) 36–41. 32 Forst, Toleranz (wie Anm. 3) 44–45 weist auf die Schwäche einer Koexistenzkonzeption hin, solange eine der Parteien ihr Ziel der sozialen Dominanz nicht aufgegeben hat. 33 Frederick G. Heymann, George of Bohemia, King of Heretics, Princeton 1965. 34 Šmahel, Pax (wie Anm. 9) 256–262. 35 Heymann, George of Bohemia (wie Anm. 33) 385–407; Jaroslav Boubín, Česká „národní“ monarchie. K domácím zdrojům a evropskému kontextu království Jiřího z Poděbrad [Die böhmische „nationale“ Monarchie. Zu den inländischen Quellen und zum europäischen Kontext des Königtums Georgs von Podiebrad], Praha 1992, 85–97; Winfried Eberhard, Gewalt gegen den König im spätmittelalterlichen Böhmen. Adeliger Widerstand und der Ausbau der Herrschaftspartizipation, in: Martin Kintzinger – Jörg Rogge (Hg.), Königliche Gewalt – Gewalt gegen Könige. Macht und Mord im spätmittelalterlichen Europa (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 33), Berlin 2004, 101–118, hier 114–115; die Quellen in AČ IV, 99–164. 36 Adolf Bachmann (Hg.), Johannes Rabensteinensis Dialogus, in: Archiv für österreichische Geschichte 54 (1876) 351–402; A. Grund – K. Hrdina (Hg.), Jan z Rabštejna: Dialogus, Praha

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Glauben daraus auch kein Nutzen erwachse. Der Häresie müsse friedlich begegnet werden: „Hac in heresis expulsione tante multitudinis non hanc gladii et ignis viam, sed prudencie et humanitatis fuisse accipiendam“37. Zu einem Krieg, der die eigene Zerstörung mit sich bringe, könne keiner gezwungen werden, auch nicht durch den Papst. Der Spruch der Kirche konnte hier also nicht mehr oberste Orientierungsnorm für politisches Handeln sein. Der Absolutheitsanspruch der alten Norm ebenso wie ihrer höchsten Institution hatte sich überlebt. Während der Führer der katholischen Adelsopposition in diesem Dialog meint: „Summus ius est pontifex summus“, hält dem der Geistliche entgegen: „Gentis nostre patrieque amor summus est“, und stellt die Perspektive des Gemeinwohls des Landes in den Vordergrund38. Für das Wohl der Patria also will er die religiöse Spaltung des Landes aushalten. Dieser Prioritätenwechsel in der Letztorientierung von Religion und kirchlicher Autorität zu weltlichem Gemeinwohl und Frieden war schon in den Brünner Verhandlungen Kaiser Sigismunds mit den Hussiten implizit erkennbar gewesen. Als ausdrückliche, reflektierte Begründung für friedliche Koexistenz und Gewaltverzicht finden wir ihn erst bei Johann von Rabstein39. Er scheint sich in der Folgezeit praktisch durchzusetzen. Als nach dem endlichen Friedensschluß unter Georgs von Podiebrad – nunmehr katholischem (!) – Nachfolger, König Vladislav IV., 1478 der katholische Adel in seine Herrschaften zurückkehren konnte und wieder in Landtag, Landesgericht („Landrecht“) und Landesämter integriert wurde, begann er zusammen mit König Vladislav eine Rekatholisierungspolitik, von der nun – in Umkehrung der bisherigen Situation – die Utraquisten eine katholische Dominanz befürchteten. Sie wehrten sich dagegen in Bündnissen, und schließlich brach in Prag 1483 ein hussitischer Aufstand aus, der den Anlaß für neue Kämpfe geboten hätte40. Der katholische Adel war daran aber sichtlich nicht mehr interessiert und verweigerte dem König die Unterstützung zur Niederschlagung des Aufstandes. Vielmehr schloß man 1485 einen Religionsfrieden, der nicht nur die Kompaktaten bestätigte, sondern auch den konfessionellen Status quo der Pfarrgemeinden ohne Rücksicht auf den Glauben von deren Grund- und Patronatsherren41. Adelige Patronatsrechte 1946; dazu auch Pánek, Question of tolerance (wie Anm.9) 234; Šmahel, Pax (wie Anm. 9) 265–266; Eberhard, Toleranz (wie Anm. 8) 60. 37 Bachmann (Hg.), Dialogus (wie Anm. 36), 395. 38 Ebd., 379–380 und 392. 39 Forst, Toleranz (wie Anm. 3) 34 postuliert und erläutert „Gründe höherer Ordnung“, die die Ablehnung anderer Überzeugungen überwinden können, als Voraussetzung für die Akzeptanz von Toleranz und Koexistenz. 40 Zum Aufstand ausführlich František Šmahel, Pražské povstání 1483, in: Pražský sborník historický 19 (1986) 35–102; Ders., Hussitische Revolution (wie Anm. 18) 1861–1862; Eberhard, Konfessionsbildung (wie Anm. 29) 46–53; Josef Macek, Víra a zbožnost jagellonského věku, Praha 2001, 391–394 und 396 bewertet die Bedeutung des Aufstands skeptischer. 41 Der Text des Religionsfriedens in AČ IV, 512–516, der gesamte Landtagsbeschluß in AČ V, 418–427; Winfried Eberhard, Entstehungsbedingungen für öffentliche Toleranz am Beispiel des Kuttenberger Religionsfriedens, in: Communio Viatorum 29 (1986) 129–154, hier 139–143; Macek, Víra (wie Anm. 40) 394–397; Šmahel, Pax (wie Anm. 9) 270–272; Anna Skýbová, K politickým otázkám dvojvěří v českém království doby předbělohorské [Zu den politischen



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konnten damit nicht für eine obrigkeitliche Religionshoheit und konfessionelle Unifizierung der Herrschaften genutzt werden. Soweit entsprachen die neuen Bestimmungen dem Majestätsbrief Sigismunds von 1435, den sie auch bestätigten. Darüber hinaus jedoch versprach der Religionsfrieden auch die individuelle Religionsfreiheit der Untertanen und Bürger, sodaß auch die Gemeinden und Städte keinen Konfessionszwang ausüben konnten. Eine Folge davon war es, daß Katholiken und sogar Mönche 1493 bzw. 1496 nach Prag zurückkehren konnten, obwohl die Prager Städte nach einer gesonderten Vereinbarung mit dem König von 1485 Katholiken aus der Stadt ausschließen durften42. Auch in Mähren faßte das Landesgericht um diese Zeit einen Beschluß, der die konfessionelle Freiheit der Individuen garantierte und der dann in das sog. „Tobitschauer Rechtsbuch“ einging, das der Landeshauptmann Ctibor Tovačovský von Cimburk zusammenstellte43. In der Praxis erwies sich freilich auch der „Kuttenberger Religionsfrieden“ nicht an sich schon als stabile Koexistenzordnung44. Adelige Herren, gelegentlich auch Städte (z.B. Leitmeritz 151745), versuchten in der Folgezeit trotz der Konfessionsfreiheit der Gemeinden immer wieder, ihre Herrschaften konfessionell zu vereinheitlichen46. Vor allem aber wurde in Kuttenberg 1485 keine allgemeine Religionsfreiheit verkündet. Denn die inzwischen entstandenen Gemeinden der Böhmischen Brüder wurden in den Religionsfrieden nicht einbezogen, da sie machtpolitisch noch keine Basis hatten. Koexistenz und Religionsfreiheit konnten aber nur machtpolitisch erzwungen werden. Sie wurden noch lange nicht als allgemeines und individuelles Menschenrecht betrachtet. Auf der Basis der Ständegemeinden und ihres Kooperations- und Konsenszwangs, vor allem in der Gemeinschaft des Adels, entwickelte sich jedoch zunehmend eine praktische Toleranz, die über die bloße konfessionelle Koexistenz hinausging. Nicht nur die selbstverständliche politische Kooperation und Kommunikation zwischen katholischen und utraquistischen Adeligen, sondern auch die nach Landesrecht möglichen gemischten Eheschließungen oder die wenig Aufsehen erregenden Konfessionswechsel deuten darauf hin47. Ein Prototyp dafür war etwa die mächtige Herrenfamilie Pernstein. Wilhelm von Pernstein, dessen Vater noch hussitisch gewesen war, war katholisch geworden, ließ seine Söhne Adalbert und Johann aber von einem utraquistischen Geistlichen erziehen. Adalbert trat 1523 der utraquistischen Kirche bei, der dann auch sein Bruder angehörte. Wie manche anderen katholischen und utraquistischen Adeligen protegierten sie die seit 1508 verbotenen Böhmischen Brüder auf ihren Herrschaften. Johann schrieb später, daß er alle, die an Christus glauben, für Christen halte. Mehr als die Konfession bildete das Wohl des Fragen der Bikonfessionalität im Königreich Böhmen der Zeit vor dem „Weißen Berg“], in: Husitský Tábor 4 (1981) 145–157, hier 152–155. 42 Macek, Víra (wie Anm. 40) 396 und 402. 43 Ebd., 398–399; Josef Válka, Dějiny Moravy I: Středověká Morava [Geschichte Mährens I: Das mittelalterliche Mähren] (Vlastivěda Moravská. Země a lid, Nová řada 5), Brno1991, 185–186. 44 Forst, Toleranz (wie Anm. 3) 45 zu den systematischen Aspekten der Toleranzstabilisierung. 45 Macek, Víra (wie Anm. 40) 400; Eberhard, Konfessionsbildung (wie Anm. 29) 127. 46 Skýbová, K politickým otázkám (wie Anm. 41) 150–151 und 154–155. 47 Macek, Víra (wie Anm. 40) 401–409 erwähnt mehrere Beispiele dafür.

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Landes mit einem ausgeglichenen ständestaatlichen Dualismus bei starkem Königtum die Grundlage ihrer Orientierung48. Diese religiöse Mentalität versuchte Josef Válka mit dem Begriff des „überkonfessionellen Christentums“ zu kennzeichnen49. Eine solche tolerante Koexistenz vertraten böhmische katholische Adelige noch in der Zeit erneuter konfessioneller Polarisierung zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als sie 1609 den „Ausgleich“ mit den protestantischen Ständen abschlossen und Rudolfs Majestätsbrief ausdrücklich anerkannten50. In Mähren war es damals vor allem der Landeshauptmann Karl d. Ä. von Žerotin, Mitglied der Brüderunität, der sich gegen die Politisierung der Konfessionen und ihre Instrumentalisierung für Konfrontation und Konflikt stellte51. Beherrschend und ausschlaggebend war diese Haltung aber damals schon nicht mehr. Das Toleranzproblem Böhmens zwischen 1600 und 1620 gehört jedoch nicht mehr in unseren Kontext, da es nicht mehr bloß das hussitisch-katholische Verhältnis betrifft, sondern eine komplexere konfessionelle Situation, und da es aus neuen politischen Impulsen erwuchs. Zusammenfassend komme ich nochmals auf die Einleitung zurück: 1. Das Problem der öffentlichen, rechtlich garantierten religiösen Koexistenz stellte sich für eine Gesamtgesellschaft erst unter der Vorraussetzung, daß dem die Einheit der Gesellschaft ermöglichenden traditionellen ideellen Norm- und Orientierungssystem (hier: katholischer Glaube) sich ein neues, das bisherige ablehnendes System (hier: Hussitismus) entgegenstellte – und zwar so, daß beide Systeme durch einigermaßen gleich mächtige Gruppen getragen wurden. Daraus folgt eine weitere Bedingung für das Problem und die Genese von Koexistenz: Es erweist sich nämlich als unmöglich, daß eine der beiden Gruppen verdrängt wird oder eines der beiden gegensätzlichen Systeme die Gesamtgesellschaft total dominieren kann. 2. Für die Einsicht in die Notwendigkeit des Gewaltverzichts und der Koexistenz genügt nicht allein die Erkenntnis der zu hohen Kosten des Konfliktes. Die Koexistenz ermöglichen vielmehr letztlich erst „Gründe höherer Ordnung“52, ein neues Orientierungssystem, das sich den beiden anderen, gegensätzlichen Systemen überordnet. 48 Zu den Herren von Pernstein allgemein Petr Vorel, Páni z Pernštejna. Vzestup a pád rodu zubří hlavy v dějinách Čech a Moravy [Die Herren von Pernstein. Aufstieg und Fall der Familie mit dem Auerochsenkopf in der Geschichte Böhmens und Mährens], Praha 1999. 49 Siehe oben einleitend und Anm. 2. 50 Der Text bei Kamil Krofta, Majestát Rudolfa II. [Der Majestätsbrief Rudolfs II.], Praha 1909, 40–43; Pánek, Question of tolerance (wie Anm. 9) 239–240. 51 Válka, Tolerance (wie Anm. 2); Ders., Doba náboženské koexistence a tolerance [Die Zeit der Koexistenz und Toleranz], Přerov (Muzeum Komenského) 1995, 16–19; Tomáš Knoz, Karel starší ze Žerotína. Don Quijote v labyrintu světa [Karl d. Ä. von Žerotin. Ein Don Quijote im Labyrinth der Welt], Praha 2008; Ders.: Konfessionelle Pluralität und religiöse Konflikte im Umkreis Karls d. Ä. von Žerotin in den zwanziger und dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts, in: Joachim Bahlcke – Karen Lambrecht – Hans-Christian Maner (Hg.) Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, Leipzig 2006, 459–475, hier 460–467. 52 Forst, Toleranz (wie Anm. 3) 34.



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Diese neuen höheren Gründe bestanden im 15.–17. Jahrhundert im Gemeinwohl, der Wohlfahrt des Landes, die sich mit dem Interesse an Einheit, Sicherheit, Frieden und geordneter Herrschaft durchaus verband. Um Koexistenz zu sichern, muß diese Norm allgemein akzeptiert werden und die Vorstellung überwinden, daß nur die Einheit der Religion Frieden und Zusammenhalt der Gesellschaft garantiere. Diese allgemeine und dauerhafte Akzeptanz war allerdings immer wieder infrage gestellt worden, so in Böhmen, aber auch im Reich, etwa Anfang des 17. Jahrhunderts. Erst als die machtpolitische Komponente der – eben gewaltsam erzwungenen – Koexistenz dissidenter Konfessionen ihre Absurdität selbst herbeiführte – durch Ergebnislosigkeit und unerträglich lange Leiden ebenso wie durch die offenkundige Nutzlosigkeit von Intoleranz – reifte in Mitteleuropa die dauerhafte Einsicht in den gesellschaftlichen und staatlichen Vorteil von Toleranz im Sinne der Religionsfreiheit und Koexistenz konfessioneller Gruppen – noch lange vor der Verkündung der Gleichheit individueller menschlicher Würde.

Franz Machilek Schlesien, Hus und die Hussiten 1403–1435 Nach der Tradition der Adelsfamilie von Zedlitz zu Neukirch (Nowy Kościół) an der Katzbach bei Goldberg (Złotoryja) ließ Georg von Zedlitz und Neukirch, in dessen Dienst der Lutherschüler Melchior Hofmann 1518 in Neukirch die erste evangelische Predigt auf schlesischem Boden hielt, bei Luther anfragen, ob er der Schwan sei, den einst der böhmische Magister Hus vorausgesagt habe.1 Die Legende, die durchaus einen wahren Kern In den Anmerkungen werden folgende Siglen und Abkürzungen verwendet: ASKG Archiv für schlesische Kirchengeschichte. AUC – HUCP Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis. HT Husitský Tábor. SSrerSiles Scriptores rerum Silesiacarum. Tract. Ludolf von Sagan: Tractatus de longevo schismate, ed. Johann Loserth (Bei träge zur Geschichte der husitischen Bewegung III), in: Archiv für österreichi sche Geschichte 60 (1880), S. 345–561. Urk.Beitr.. Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges vom Jahre 1419 an, hg. von Franz Palacký, 2 Bde., Praha 1873 (NDr. Osnabrück 1966). VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, bisher 14 Bde., Berlin/ New York 21978–2008. 1 Weczerka, Hugo: Neukirch, in: Ders. (Hg.): Schlesien (Handbuch der Historischen Stätten (Kröners Taschenausgabe 316), Stuttgart 1977, S. 342; Conrads, Norbert: Schlesiens frühe Neuzeit, in: Ders. (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas: Schlesien, Berlin 1994, S. 178–344, hier S. 207. – Zur Reformation in Schlesien allgemein: Engelbert, Kurt: Die Anfänge der lutherischen Bewegung in Breslau und Schlesien, 3 Teile, in: ASKG 18 (1960), S. 121–207, 19 (1961), S. 165–232, 20 (1962), S. 291–372; Machilek, Franz: Schlesien, in: Schindling, Anton/Ziegler, Walter (Hgg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, Bd. 2: Der Nordosten, Münster 1990, S. 102–138. – Luther nahm für sich die in einem Brief Hussens aus dem Gefängnis an seine böhmischen Freunde in Böhmen geäußerte Voraussage auf seinen bevorstehenden Tod in Anspruch: „Sie werden itzt eine gans braten, denn Hus heißt eine gans. Aber uber hundert jaren werden sie einen schwanen singen hören, den sollen sie leiden, da solls auch bey bleiben, ob Gott will.“ D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesammtausgabe. Schriften, Bd. 30/ III, Weimar 1906, S. 387, Z. 6–10. – Zur Symbolik der Gans, die zunächst meist im feindlichen Milieu in pejorativem Sinn gebraucht wurde: Šmahel, František: Husa na korouhvi a ve znaku. Příspěvek k husitské symbolice [Die Gans auf dem Banner und dem Abzeichen. Ein Beitrag zur hussitischen Symbolik], in: Hojda, Zdeněk/Pešek, Jiří/Zilynská, Blanka (Hgg.): Seminář a jeho hosté. Sborník prací k 60. narozeninám doc. Dr. Rostislava Nového [Das Seminar und seine Gäste. Sammelband mit Arbeiten zum 60. Geburtstag von Doz. Dr. Rostislav Nový], Praha 1992, S. 107–114. Dazu auch Weger, Tobias: Das Hussitenstereotyp im sudetendeutschen völkischen Diskurs, in: Dmitrów, Edmund/Weger, Tobias (Hgg.): Deutschlands östliche Nachbarschaften. Eine Sammlung von historischen Essays für Hans Henning Hahn (Die Deutschen und das östliche Europa. Studien und Quellen 4), Frankfurt am Main u.a. 2009,

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haben könnte, entspricht der These der vor allem von Seiten der evangelischen Kirchengeschichtsforschung vertretenen Kontinuität von erster und zweiter Reformation.2 Ob auch der andere Teil der von Jan Hus handelnden Legende in der Familientradition, wonach Sigismund von Zedlitz und Neukirch den böhmischen Magister 1414 nach Konstanz begleitet habe und Augenzeuge seines Todes auf dem Scheiterhaufen gewesen sei, einen wahren Kern hat, erscheint eher fraglich.3 Nach der Konzilschronik des Konstanzer Bürgers Ulrich von Richental (um 1360–1437) und den Jahrbüchern des Breslauer Diakons Nikolaus Pol (1564–1632) ist aber eine Reihe anderer Mitglieder dieser Familie auf dem Konstanzer Konzil nachweisbar.4 Schlesien unterstand seit dem Ende des 10. Jahrhunderts der Herrschaft der polnischen Piasten. Nach dem Tod Fürst Władysławs II. (1159) fielen Mittel- und Niederschlesien mit Breslau (Wrocław) als Hauptort an Władysławs älteren Sohn Bolesław († 1201), die oderaufwärts gelegenen Gebiete um Ratibor (Racibórz) und Teschen (Cieszyn) an Władysławs jüngeren Sohn Mieszko († 1211); zu letzteren trat 1201 noch das Gebiet um Oppeln (Opole) hinzu. Die beiden Herrschaftsgebiete – als ducatus Silesiae und ducatus Opoliensis bezeichnet – waren dynastisch und politisch voneinander unabhängig. Die in der Folgezeit durch weitere Erbteilungen der Breslauer und Oppelner Piasten entstehenden Teilfürstentümer wurden von ihren Fürsten im Lauf des zweiten Viertels des 14. JahrS. 585–608, hier S. 588 (Oswald von Wolkenstein). – Zur Kirchengeschichte Schlesiens allgemein: Marschall: Geschichte des Bistums Breslau, Stuttgart 1980; Köhler, Joachim: Bistum Breslau: 1. Mittelalter, Kehl 1995; Machilek, Franz: Schlesien, in: Schindling, Anton/Ziegler, Walter (Hgg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, Bd. 2: Der Nordosten (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 50), Münster 1990, S. 102–138. 2 Molnár, Amedeo: Husovo místo v evropské reformaci [Hussens Platz in der europäischen Reformation], in: Československý časopis historický 14 (1966), S. 1–14; Macek, Josef: Die böhmische und die deutsche radikale Reformation bis zum Jahre 1525, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 85 (1974), S. 5–29; Molnár, Amedeo: Der Platz des M. Johannes Hus in der europäischen Reformation, in: Evangelische Diaspora 54 (1984/85), S. 35–62; Eberhard, Winfried: Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478–1530 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 38), München/Wien 1981, S. 15; Machilek, Franz: Böhmen, in: Schindling, Anton/Ziegler, Walter (Hgg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, Bd. 1: Der Südosten (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 49), Münster 11989 (21992), S. 134–152, hier S. 135 f. – Zur Frage der Übereinstimmung der Lehren von Luther und Hus sowie ihrer Affinität zueinander zusammenfassend: Šmahel, František: Die Hussitische Revolution. Aus dem Tschechischen übersetzt von Thomas Krzenck. Redaktion: Alexander Patschovsky (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 43), 3 Teile, Hannover 2002, hier III, S. 1967–1975 u.ö. 3 Conrads: Schlesiens frühe Neuzeit (wie Anm. 2), S. 207. 4 Marschall, Werner: Schlesier auf dem Konzil von Konstanz, in: Adriányi, Gabriel/ Gottschalk, Joseph (Hgg.): Festschrift für Bernhard Stasiewski. Beiträge zur ostdeutschen und osteuropäischen Kirchengeschichte, Köln/Wien 1975, S. 34–64, hier S. 58; Ulrichs von Richental Chronik des Constanzer Concils 1414 bis 1418, hg. von Michael Richard Buck, Stuttgart 1882 (ND Hildesheim 1962), S. 200 (Johann und Koppo von Zedlitz).



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hunderts der Lehenshoheit des Königs von Böhmen unterstellt. Nachdem König Kasimir III. (der Große) von Polen (1333–1370) im Vertrag von Trentschin (Trenčín) von 1335/1339 auf die zuvor auf Schlesien erhobenen Ansprüche verzichtet und den Übergang Schlesiens an Böhmen anerkannt hatte, inkorporierte Karl IV. die schlesischen Fürstentümer 1348 als deutscher König und 1355 als römisch-deutscher Kaiser in feierlicher Form der Krone Böhmens.5 Das beiderseits der Glatzer Neisse (Nysa kłodzka/Nisa kladská) gelegene, lange Zeit zwischen Böhmen und Polen strittige Glatzer Land (die spätere Grafschaft Glatz) gehörte seit dem Glatzer Frieden von 1137 mehr als 600 Jahre lang zu Böhmen.6 Als reichs- und königstreues, deutsch geprägtes Nebenland der böhmischen Krone nahm Schlesien in der hussitischen Revolution eine deutlich erkennbare Sonderstellung ein. Das Interesse an stabilen politischen und kirchlichen Verhältnissen in Böhmen war im Nebenland Schlesien von Anfang an die vorherrschende Einstellung gegenüber der wyclifitisch-hussitischen Bewegung und hussitischen Revolution. Thomas Wünsch hat für den politischen und militärischen Bereich auf die Bedeutung Schlesiens als „Frontstaat und Pufferstaat“ zwischen dem Reich und Böhmen aufmerksam gemacht.7 5 Grawert-May, Gernot von: Das staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens zu Polen, Böhmen und dem Reich während des Mittelalters (Anfang des 10. Jahrhunderts bis 1526), Aalen 1971; Pustejovsky, Otfried: Schlesiens Übergang an die böhmische Krone. Machtpolitik Böhmens im Zeichen von Herrschaft und Frieden, Köln/Wien 1975; Schieche, Emil: Politische Geschichte von 1327–1526, in: Petry, Ludwig/Menzel, Josef Joachim/Irgang, Winfried (Hgg.): Geschichte Schlesiens, Bd. 1: Von der Urzeit bis zum Jahre 1526, Sigmaringen 51988; Weczerka (Hg.): Handbuch (wie Anm. 1); Irgang, Winfried: Oberschlesien im Mittelalter. Einführung in Raum und Zeit, in: Wünsch, Thomas (Hg.): Oberschlesien im späten Mittelalter. Eine Region im Spannungsfeld zwischen Polen, Böhmen-Mähren und dem Reich vom 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien 1), Berlin 1993, S. 11–32 (jetzt auch in: Irgang, Winfried: Schlesien im Mittelalter. Siedlung – Kirche – Urkunden. Ausgewählte Aufsätze, hg. von Norbert Kersken/Jürgen Warmbrunn (Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung 17), Marburg 2007, S. 114–131); Moraw, Peter: Das Mittelalter (bis 1469), in: Conrads (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas. Schlesien (wie Anm. 1), S. 38–176 (Lit.: S. 706–719); Rüther, Andreas: Region und Identität. Schlesien und das Reich im Spätmittelalter, Köln 2011. 6 Webersinn, Gerhard/Weczerka, Hugo: Glatz, in: Weczerka (Hg.): Handbuch (wie Anm. 1), S. 116–123; Herzig, Arno (Hg.): Glaciographia Nova. Festschrift für Dieter Pohl, Hamburg 2004. – Dziewulski, Władysław: Kłodzko w XIV i początku XV wieku [Glatz im 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts], in: Sobótka 12 (1957), S. 447–485; Šmahel: Die Hussitische Revolution I (wie Anm. 2), S. 91 f.; Rzońca, Jan: Stosunki wyznaniowe na Ziemi Kłodzkiej od wojen husickych do schyłku reformacji [Religiöse Verhältnisse im Glatzer Land von den Hussitenkriegen bis zur Reformation], in: Bobková, Lenka/Konvičná, Jana (Hgg.): Náboženský život a církevní poměry v zemích Koruny české ve 14.–17. století [Religiöses Leben und kirchliche Verhältnisse in den Ländern der böhmischen Krone vom 14. bis zum 17. Jahrhundert] (Korunní zemé v dĕjinách českého státu IV [Die Kronländer in der Geschichte des böhmischen Staates IV]), Praha 2009, S. 405–421. 7 Wünsch, Thomas: Mittelalterliches Krisenmanagement im Widerstreit von Politik und Religion: Oberschlesische Städte in der Hussitenzeit, in: Ders. (Hg.): Stadtgeschichte Oberschlesiens.

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In den folgenden Ausführungen soll ausgehend vom Entstehen antiwyclifitischer bzw. antihussitischer Positionen unter den schlesischen Magistern an der Prager Universität und auf den Reformkonzilien von Pisa, Konstanz und Basel auf den Hintergrund des seit Beginn der hussitischen Revolution 1419/20 wachsenden politischen Widerstandes in Schlesien und auf das Eindringen hussitischer Kriegstruppen in das Land eingegangen und schließlich die Frage nach dem Echo des Hussitismus in Schlesien gestellt werden;8 dabei wird in zehn Schritten vorgegangen:

Studien zur städtischen Entwicklung und Kultur einer ostmitteleuropäischen Region vom Mittelalter bis zum Vorabend der Industrialisierung (Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien 5), Berlin 1995, S. 171–194, hier S. 175. 8 Folgende für das Thema einschlägige Arbeiten seien vorneweg angeführt: Grünhagen, Colmar (Hg.): Geschichtsquellen der Hussitenkriege (SSrerSiles 6), Breslau 1871; Grünhagen, Colmar: Die Hussitenkämpfe der Schlesier 1420–1435, Breslau 1872; Popiołek, Kazimierz: Śląsk Polska w okresie wojeń husyckich [Das schlesische Polen im Hussitenkrieg] (Polski Śląsk 30), Katowice 1937; Popiołek, Kazimierz: Tragedia Śląska w czasie rewolucji husickiej (1419– 1435) [Die schlesische Tragödie in der Zeit der hussitischen Revolution], Warszawa 1947; K opalová , Alena: Spoluprace Čechů a Poláků ve Sleszku za husitských válek [Die Zusammenarbeit von Tschechen und Polen in Schlesien in der Zeit der Hussitenkriege], in: Česků-polský sborník vědeckých práci 1 (1955), S. 162–187; Heck, Roman: Schlesien in der Zeit des Hussitenaufstandes, in: Maleczyńska, Ewa (Hg.): Beiträge zur Geschichte Schlesiens, Berlin 1958, S. 213–235; Maleczyńska, Ewa: Ruch husycki w Czechach i w Polsce [Die hussitische Bewegung in Böhmen und in Polen], Warszawa 1959; Dziewulski, Władysław: Społeczeństwo šląskie a husyci [Die schlesische Gesellschaft und die Hussiten], in: Odrodzenie a reformacja w Polsce 5 (1960), S. 5–46; Dziewulski, Władysław: Herezja Bolka opolskiego [Die Häresie des Bolko von Oppeln], in: Studia z dziejów Koscioła katolickiego 1 (1960), S. 181–193; Hlaváček, Ivan: Poznámky k problému ,Husitství a Slezsko‘ [Anmerkungen zum Problem ,Hussitismus und Schlesien‘], in: Husitský Tábor 4 (1981), S. 119–126; Hlaváček, Ivan: List Táborské polní obce Slezanům z roku 1433 [Ein Brief der Taborer Feldgemeinde an die Schlesier aus dem Jahr 1433], ebd. 3 (1980), S. 115–120; Iwańczak, Wojciech: Ohlasy husitství ve Slezsku [Echos des Hussitismus in Schlesien], in: Jihlava a basilejská kompaktáta [Iglau und die Basler Kompaktaten], Jihlava 1992, S. 181–192; Drabina, Jan: Das Echo des Hussitismus in Schlesien, in: Seibt, Ferdinand (Hg.): Jan Hus. Zwischen Zeiten, Völkern, Konfessionen. Vorträge des internationalen Symposions in Bayreuth vom 22. bis 26. September 1993 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 85), München 1997, S. 263–266; Drabina, Jan: Schlesien angesichts des Hussitismus im Spätmittelalter, in: Köhler, Joachim/Bendel, Rainer (Hgg.): Geschichte des christlichen Lebens im schlesischen Raum, Teilbd. 1 (Religionsund Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa 1/1), Münster 2002, S. 423–429; Machilek, Franz: Hussiten in Schlesien – „abschreckende“ Begegnung mit Reformideen, ebd. S. 431–451; Wünsch: Mittelalterliches Krisenmanagement; Primke, Robert/Szczerepa, Maciej/ Szczerepa, Wojciech: Wojny husyckie na Śląsku, Łużycach i Pomorzu [Die Hussitenkriege in Schlesien, der Lausitz und und in Pommern], Kraków 2007.



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1. Die schlesischen Magister an den Universitäten Prag, Leipzig, Heidelberg und Krakau als Gegner des Wyclifismus und Hussitismus Die schlesischen Magister und Studierenden waren an der Prager Universität in der polnischen Universitätsnation organisiert und gewannen schon allein auf Grund ihrer großen Zahl in den letzten drei Jahrzehnten vor Erlaß des Kuttenberger Dekrets von 1409 vor allem in der die Fakultäten der Artisten, Theologen und Mediziner umfassenden Dreifakultätenuniversität an Einfluß.9 Philosophisch vertraten die schlesischen Magister wie die Mehrheit des deutschen Magisterkollegiums den Nominalismus, während die Magister der böhmischen Universitätsnation einem gemäßigten Realismus anhingen.10 Den Kern der Fakultäten bildete der Kreis der Magisterregenten (magistri actu regentes), die nach dem Vorbild von Paris an allen dies legibiles Vorlesungen zu halten hatten und die die Fakultät nach innen und außen repräsentierten.11 In der Artistenfakultät ragte unter den Magisterregenten eine Reihe von Schlesiern in besonderer Weise hervor: Nikolaus Groß (Magni) von Jauer (1381–1395, mit Unterbrechung in den Jahren 1385– 1391), Johannes Hübner aus Schweidnitz (1385–1403, mit Unterbrechung), Matthias Hildebrandi aus Liegnitz (1388–1401), Johannes Ottonis von Münsterberg (1389–1405), 9 Wostry, Wilhelm: Die Schlesier an der Universität Prag vor 1409, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 66 (1932), S. 1–33; Machilek, Franz: Die Schlesier an der Universität Prag vor 1409, in: ASKG 32 (1974), S. 81–102. – Zur Universität Prag allgemein: Moraw, Peter: Die Universität Prag im Mittelalter. Grundzüge ihrer Geschichte im europäischen Zusammenhang, in: Eichler, Richard W. (Red.): Die Universität zu Prag (Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste 7), München 1986, S. 9–134; Moraw, Peter: Schlesien und die mittelalterlichen Universitäten in Prag, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 34 (1993), S. 55–72; Šmahel, František: Die Prager Universität und der Hussitismus, in: Patschovsky, Alexander/Rabe, Horst (Hgg.): Die Universität in Alteuropa (Konstanzer Bibliothek 22), Konstanz 1994, S. 111– 128; Svatoš, Michal (Red.): Dějiny univerzity Karlovy 1347/48–1622 [Geschichte der Karlsuniversität 1347/48–1622], Bd. I, Praha 1995; Machilek, Franz: Kirche und Universität im Spätmittelalter: Die Gründungen Prag und Erfurt, in: Wörster, Peter/Goeze, Dorothee M. (Hgg.): Universitäten im östlichen Mitteleuropa. Zwischen Kirche, Staat und Nation – Sozialgeschichtliche und politische Entwicklungen (Völker, Staaten und Kulturen in Ostmitteleuropa 3), München 2008, S. 165–193. – Die Magister und Studenten aus dem Glatzer Land gehörten zur böhmischen Universitätsnation. 10 Šmahel: Die Prager Universität (wie Anm. 9), S. 119; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 788–795; Machilek: Kirche und Universität (wie Anm. 9), S. 180 f. 11 Kavka, František: Mistři-regenti na artistické fakultě pražské university v letech 1367 až 1420 [Die Magisterregenten an der Artistenfakultät der Prager Universität in den Jahren 1367 bis 1420], in: Z českých dějin. Sborník prací in memoriam prof.dr. Václava Husy [Aus der böhmischen Geschichte. Sammelband von Arbeiten zum Gedenken an Prof. Dr. Václav Husa], Praha 1966, S. 77–96, hier S. 82 ff.; die Angaben übernommen von Šmahel, František: Pražské universitní studenstvo v předrevolučním obdobi 1399–1419. Statistickosociologická studie [Die Prager Universitätsstudentenschaft in der vorrevolutionären Zeit 1399–1419. Statistischsoziologische Studie], Praha 1967, S. 63, und Šmahel, František: Le mouvement des étudiants á Prague dans les années 1408–1412, in: Historica 14 (1967), S. 33–75, hier S. 37.

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Erasmus Eliae aus Neisse (1394–1403), Nikolaus Stör von Schweidnitz (1395–1407), Franziskus Kreisewitz von Brieg (1397–1400) und Johannes Hoffmann von Schweidnitz (1400–1408). Von ihnen profilierten sich mehrere bereits mit Beginn des Wyclifstreits an der Universität als Gegner der wyclifitisch-hussitischen Bewegung.12 Der Dominikaner Johannes Hübner aus Schweidnitz, Lektor an dem der Prager Universität angegliederten Generalstudium seines Ordens, 1401 Bakkalar und 1403 Magister der Theologie,13 legte im Zuge der sich seit Beginn des zuletzt genannten Jahres verdichtenden Klagen gegen die Anhänger der Lehren Wyclifs als Sprecher der antiwyclifitischen Opposition an der Universität über den erzbischöflichen Offizial Johannes Kbel und den Bechiner Archidiakon Wenzel Nos der Universität eine Liste mit 45 Sätzen aus den Schriften Wyclifs zur Stellungnahme vor, von denen 24 bereits von der Londoner Synode 1382 als häretisch verurteilt oder als irrig befunden worden waren; die weiteren 21 Artikel waren mit größter Wahrscheinlichkeit von Hübner selbst zusammengestellt und nicht, wie gelegentlich angenommen, einer früheren Verurteilung Wyclifscher Lehren entnommen worden. Trotz der Proteste der Wyclifanhänger, darunter des Theologieprofessors und Seniors der böhmischen Universitätsnation Nikolaus von Leitomischl, der Magister Stephan Páleč und Stanislaus von Znaim sowie des seit dem vorausgehenden Jahr als Prediger an der Bethlehemkapelle angestellten Magisters Jan Hus, verbot die Mehrheit der am 28. Mai 1403 im großen Saal des Collegium Carolinum versammelten Magisterregenten in einer stürmisch geführten Sitzung namens der Universität die weitere Lehre und Verkündigung der 45 Sätze. Nikolaus von Leitomischl warf Hübner vor, eine Reihe von Artikeln falsch, ungerechtfertigt und fehlerhaft ausgewählt zu haben; nach den Worten von Hus verdiene ein Verfälscher von Büchern die gleiche Strafe wie ein kurze Zeit zuvor auf dem Scheiterhaufen verbrannter Safranfälscher.14 Die erregte Atmosphäre der Versamm12 Machilek: Die Schlesier (wie Anm. 8), S. 88–90; Richard Becker: Johannes Hoffmann, der nachmalige Bischof Johann IV. von Meißen. Seine Wirksamkeit an den Universitäten Prag und Leipzig, Großenhain 1894; Machilek, Franz: Johannes Hoffmann von Schweidnitz und die Hussiten, in: ASKG 26 (1967), S. 96–123; Zilynská, Blanka: Johann Hoffmann: Prager Student, antihussitischer Repräsentant und Bischof von Meißen, in: Dies. (Hg.): Universitäten, Landesherren und Landeskirchen: Das Kuttenberger Dekret von 1409 im Kontext der Epoche von der Gründung der Karlsuniversität 1348 bis zum Augsburger Religionsfrieden (1555), in: AUC – HUCP XLIX (2009), Fasc. 2 (ersch. Praha 2010), S. 81–98; Webersinn, Gerhard: Johannes Otto von Münsterberg. Magister in Prag und erster Rektor der Universität Leipzig, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 7 (1962), S. 75–95. 13 Kadlec, Jaroslav: Řeholní generální studia při Karlově universitě v době předhusitské [Die Ordensgeneralstudien bei der Karlsuniversität in vorhussitischer Zeit], in: AUC – HUCP VII/2 (1966), S. 63–108 (mit Verzeichnis seiner Schriften), hier S. 74 f.; Machilek: Die Schlesier (wie Anm. 8), S. 88 f., 91 f.;Tříška, Josef: Životopisný slovník předhusitské pražské univerzity 1348–1409 [Biographisches Lexikon der vorhussitischen Prager Universität 1348–1409], Praha 1981, S. 257 (mit Verzeichnis seiner Schriften). 14 Documenta Mag. Iohannis Hus vitam, doctrinam, causam in Constantiensi concilio actam et controversias de religione in Bohemia annis 1403–1418 motas illustrantia, ed. Franciscus Palacký, Pragae 1869 (ND Osnabrück 1966), S. 327–331. – Sedlák, Jan: M. Jan Hus, Praha 1915, S. 92 f.; Molnár, Amedeo: Les réponses de Jean Huss aux quarante-cinq articles, in:



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lung des Jahres 1403 klingt noch in der zehn Jahre späteren Polemik Hussens ,Contra Stephanum Palecz‘ nach, in der Hus die damalige Verteidigung Wyclifs durch seinen früheren Weggefährten schildert.15 Mit der Zusammenstellung der 45 Artikel hat Hübner nach den Worten von František Šmahel „für die Zukunft den häretischen Kern der Lehre Wyclifs definiert“.16 Die Theologen beider Seiten griffen in den folgenden Auseinandersetzungen in ihren Streitschriften vor allem die an der Spitze der Gesamtliste der 45 Wyclifartikel stehenden Sätze über die Remanenz (Art. 1–2) und die Realpräsenz Christi im Altarsakrament auf (Art. 3). Die Aussagen über die Remanenz in den beiden ersten Artikeln, wonach die substancia mateRecherches de theologie ancienne et medievale 31 (1964), S. 85–99 (deutsche Fassung: Die Antworten von Johann Hus auf die fünfundvierzig Artikel, in: Bäumer, Remigius [Hg.]: Das Konstanzer Konzil [Wege der Forschung 415], Darmstadt 1977, S. 275–283, 404–415); Kaminsky, Howard: A History of the Hussite Revolution, Berkeley/Los Angeles 1967, S. 24, 143 f.; Spinka, Matthew: John Hus, A Biography, Princeton 1968, S. 62 f.; Šmahel, František: ,Doctor evangelicus super omnes evangelistas‘: Wyclif‘s Fortune in Hussite Bohemia, in: Bulletin of the Institute of Historical Research 43 (1970), S. 16-34, hier S. 22; Machilek: Die Schlesier (wie Anm. 8), S. 91 f.; De Vooght, Paul: L’hérésie de Jean Huss, Tom. I (Bibliothèque de la Revue d‘histoire ecclésiastique 34 bis), Louvain 21975, S. 87 f.; Kadlec, Jaroslav: Studien und Texte zum Leben und Wirken des Prager Magisters Andreas von Brod (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters NF 22), Münster 1982, S. 22–24; Keen, Maurice: The Influence of Wyclif, in: Kenny, Anthony (ed.): Wyclif in His Times, Oxford 1986, S. 127–145, hier S. 138; Hilsch, Peter: Johannes Hus (um 1370–1415). Prediger Gottes und Ketzer, Regensburg 1999, S. 53–56; Brandmüller, Walter: Das Konzil von Konstanz 1414–1418, Bd. 1, Paderborn/München/Wien/Zürich 21999, S. 324; Lambert, Malcolm: Häresie im Mittelalter. Von den Katharern bis zu den Hussiten, Darmstadt 2001, S. 309–311 (hier fälschlicherweise als Elias Hübner bezeichnet); Machilek, Franz: Polemiky mezi přívrženci a odpůrci wyclifsko-husitského hnutí [Die Polemiken zwischen Anhängern und Gegnern der wyclifitisch-hussitischen Bewegung], in: Drda, Miloš/Holeček, František/ Vybíral, Zden k (Hgg.): Jan Hus na přelomu tisícletí – mezinárodní rozprava o českém reformátoru 15. století a o jeho recepci na prahu třetího milénia. Papežská lateránská universita Řím, 15.–18. prosince 1999 [Jan Hus an der Jahrtausendwende. Internationale Abhandlung über den böhmischen Reformator des 15. Jahrhunderts und seine Rezeption an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Päpstliche Lateranuniversität Rom, 15.–18. Dezember 1999 (Husitský Tábor. Supplementum 1), Tábor 2001, S. 343–359, hier S. 343 f.; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 795–798; Machilek: Kirche und Universität (wie Anm. 9), S. 182. – Zum Prager Universalienstreit allgemein: Šmahel, František: Verzeichnis der Quellen zum Prager Universalienstreit 1348–1500 (Mediaevalia philosophica Polonorum 25), Wrocław 1980; Herold, Vílem: Zum Prager philosophischen Wyclifismus, in: Šmahel, František: Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 39), München 1998, S. 133–146; Müller, Ivan (Ed.): Commentarius in I–IX capitula tractatus De universalibus Iohannis Wyclif Stephano de Palecz ascriptus, Prague 2009. 15 Magistri Iohannis Hus Polemica, ed. Jaroslav Eršil (Magistri Iohannis Hus Opera omnia 22), Praha 1963, S. 233–269, hier S. 252; überarbeitet durch Gabriel Silagi (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 238), Turnhout 2010, S. 259–303, hier S. 282. – Spinka: John Hus (wie Anm. 14), S. 64. 16 Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 795.

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rialis von Brot und Wein auch nach der Konsekration erhalten bleibe, da die offensichtlich zurückbleibenden Akzidentien von Brot und Wein nicht ohne deren Substanz existieren könnten, nahmen in den theologischen Auseinandersetzungen fortan eine zentrale Stelle ein.17 Tatsächlich hat sich Hus zu keinem Zeitpunkt der Wyclifschen Remanenzlehre angeschlossen und nahm 1408 in dem kurzen Traktat ,De corpore Christi‘ gegen sie Stellung.18 In einem wahrscheinlich kurz nach der Quodlibetdisputation am 3. Januar 1404, zu der Hübner am 23. Juni 1403 in „demonstrativer Wahl“ – so František Šmahel – als Quodlibetar gewählt worden war,19 und dessen Beitrag zu dieser Quodlibetdisputation wahrscheinlich in der in einer Breslauer Handschrift überlieferten Quaestio ,Utrum voluntas divina omnium rerum‘ vorliegt,20 verwahrte sich Hus in einem ausführlichen Schreiben an Hübner vehement gegen eine Reihe von Angriffen auf die Wyclifiten. Obwohl weder Absender noch Empfänger des Briefs namentlich genannt sind, ist dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den zuvor genannten Zusammenhang einzuordnen. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand handelt es sich um einen der frühesten erhaltenen Briefe Hussens überhaupt.21 Danach habe ein Magister – eben Hübner – jüngst Wyclif als Häretiker bezeichnet, weil er in seinen Büchern einmal etwas Häretisches geschrieben habe; doch könne allein deshalb noch niemand ein Häretiker genannt werden. Weiter habe jener Magister ausgesagt, daß Wyclif die heilige Mutter Kirche eine Synagoge des Satans genannt habe, was so nicht stimme; Wyclif habe die Kurie, nicht die Kirche als Synagoge Satans bezeichnet. In Anspielung auf den Adressaten zitiert Hus das gängige Wort: „Teotunicus hereticus, Boemus fur naturaliter.“22 Die von dem Magister aufgestellten Sätze entsprächen nicht Auffassungen Wyclifs, sondern seien fingiert, eine Auffassung, die Hus auch noch vor dem Konstanzer Konzil konsequent vertrat. Hübners Forderung, dem Papst sei schlichtweg (simpliciter) zu gehorchen und er dürfe in keinerlei Weise getadelt werden, hält Hus entgegen, daß mehrere Päpste bis hin zur Absetzung als Häretiker befunden worden seien, im besonderen wegen manifester Simonie als der herausragendsten Häresie überhaupt. Hus zitiert dazu eine lange Passage aus Wyclifs Traktat ,De 17 Zu den um die Remanenz geführten Auseiandersetzungen: Hilsch: Johannes Hus (wie Anm. 14), S. 76–80; Machilek: Polemiky (wie Anm. 14), S. 348–356. 18 Inc. Impugnantibus verba evangelii: ed. Václav Flajšhans, Praha 1903. 19 Šmahel, František: Obecné učení (1347/8–1419). Fakulta svobodných umění [Generalstudium (1347/8–1419). Fakultät der freien Künste], in: Svatoš (Red.): Dějiny univerzity Karlovy I (wie Anm. 9), S. 101–133, hier S. 118. – Allgemein: Kejř, Jiří: Kvodlibetní disputace na pražské universitě [Die Quodlibetdisputationen an der Prager Universität], Praha 1971. 20 Kejř: Kvodlibetní disputace (wie Anm. 19), S. 72, 115. – Dazu auch: Franz, Adolph: Nikolaus Magni de Jawor. Ein Beitrag zur Literatur- und Gelehrtengeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, Freiburg i.Br. 1898, S. 42; Wostry: Die Schlesier (wie Anm. 8), S. 25; Machilek: Die Schlesier (wie Anm. 8), S. 91 f. 21 Novotný, Vaclav (Ed.): M. Jana Husi korespondence a dokumenty, Praha 1920, Nr. 6, S.11– 15. – Dazu Sedlák: Jan Hus (wie Anm. 14), S. 102 f., 108 f., 130, S. 94*; Spinka: John Hus (wie Anm. 14), S. 65; Machilek: Die Schlesier (wie Anm. 8), S. 92; De Vooght: L’hérésie de Jean Huss I (wie Anm. 14), S. 92; Hilsch: Johannes Hus (wie Anm. 14), S. 56 f. 22 Novotný (Ed.): M. Jana Husi korespondence (wie Anm. 21), S. 12.



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simonia‘ nahezu wörtlich. Der Brief schließt mit der eindringlichen Aufforderung an den Magister, von seinen Ausflüchten und Glossen abzulassen und in wahrer Liebe mit Christus Jesus die Armut zu verkündigen, die dieser durch Wort und Beispiel gelehrt habe.23 Wohl gleichfalls in die Frühzeit der Auseinandersetzungen um Wyclifs Realismus gehört auch die Quaestio „Utrum sint aliqua universalia in rebus condistincta a signis“ des Johannes Ottonis von Münsterberg, die in der Österreichischen Nationalbibliothek CVP 4483, fol. 54v–61v, überliefert ist und in welcher der letztgenannte die Wyclifanhänger als „realistische Betrüger“ (truphatores realistae) bezeichnet.24 Johannes Hoffmann von Schweidnitz erstellte 1406 ein Gutachten über einen ihm von dem Zisterzienser Jan Štěkna übergebenen Traktat das Stanislaus von Znaim über die Remanenz.25 Die Junisynode des Jahres 1408 erneuerte im Anschluß an die vorausgehenden Verdächtigungen des Artistenmagisters Matthias von Knín gen. Pater, eines Schüler Hussens, er habe die Remanenz vertreten, das frühere Verbot der Lehre von der Remanenz und verschärfte das Vorgehen gegen die Wyclifiten. Als sich Matthias von Knín in offensichtlich provokativer Weise freiwillig für das Amt des Quodlibetars für das nächste Jahr meldete, kam es zwischen den Gegnern und Anhängern des Wyclifismus zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen um die Teilnahme an der Disputation.26 Dabei traten Petrus Storch aus der sächsischen, Walter Harrasser aus der bayerischen und der damals als Dekan der Artistenfakultät amtierende Johannes Hoffmann aus der polnischen Universitätsnation als Wortführer der Wyclifgegner in den Vordergrund. Nach dem Zeugnis des Johannes Schwab von Butzbach vor dem Wiener Prozeß gegen Hieronymus von Prag 1410–1412 hatten diese schon vor dem Quodlibet mit dem Auszug aus Prag gedroht.27 Ihnen gegenüber setzte König Wenzel die Teilnahme der Wyclifgegner durch. Aus der Gruppe der Schlesier trugen beim Quodlibet des Matthias von Knín vom 3. bis 6. Januar 1409, an dem wegen des geplanten und von König Wenzel befürworteten Pisaner Konzils 23 Zur Frage der umstrittenen Absetzbarkeit eines Papstes im Fall eines Schismas hat sich unter anderen Ludolf von Sagan in seinem ,Soliloquium schismatis‘ zum Pisaner Konzil 1409 ausführlich geäußert; dazu (mit Vergleichen zu anderen Autoren): Machilek, Franz: Ludolf von Sagan und seine Stellung in der Auseinandersetzung um Konziliarismus und Hussitismus (Wissenschaftliche Materialien und Beiträge zur Geschichte und Landeskunde der böhmischen Länder 8), München 1967, S. 86–104. 24 Sedlák: Jan Hus (wie Anm. 14), S. 92; Webersinn: Johannes Otto von Münsterberg (wie Anm. 12), S. 78; Machilek: Die Schlesier (wie Anm. 8), S. 92; Šmahel: Verzeichnis der Quellen zum Prager Universalienstreit (wie Anm. 14), S. 46 (ebd. noch mehrfach zu ihm: Reg. S. 183). 25 Machilek: Johannes Hoffmann (wie Anm.12), S. 98 (die an dieser Stelle gebotene Darstellung ist entsprechend zu berichtigen); Kleineidam, Erich: Universitas studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt im Mittelalter 1392–1521, Teil I: 1392–1460 (Erfurter Theologische Studien 14), Leipzig 21985, S. 74; Machilek: Polemiky (wie Anm. 14), S. 350 f. 26 Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 813–830; Hilsch: Johannes Hus (wie Anm. 14), S. 80 f. 27 Klicman, Ladislav: Processus iudiciarius contra Ieronymum de Praga habitus Viennae a. 1410– 1412, Praha 1898, S. 16 f.; Kejř, Jiří: Sporné otázky v bádání o dekretu Kutnohorském [Kontroverse Fragen in der Forschung über das Kuttenberger Dekret], in: AUC – HUCP III/1 (1962), S. 83–121, hier S. 86.

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auch eine französisch-brabantische Delegation teilnahm, die Magister Johannes Hoffmann, Nikolaus Fabri aus Sagan und Nikolaus Stör aus Schweidnitz eindeutig antirealistische Positionen vor.28 Die böhmischen Wyclifiten bekannten sich dezidiert zum Realismus. Als der böhmischen Nation kurz nach der Disputation durch Wenzels Erlaß des Kuttenberger Dekrets vom 18. Januar 1409 eine bevorzugte Stellung gegenüber den drei anderen Nationen im Universitätsgefüge eingeräumt wurde und Verhandlungen um einen Kompromiß ergebnislos blieben, entschlossen sich die deutschen Magister zur Sezession, wobei sich ihnen die meisten der deutschen Studenten anschlossen. Die Mehrzahl zog nach Leipzig, Wien und Erfurt, einige wenige wandten sich nach Köln, Heidelberg, Krakau, Bologna und Paris.29 Das damals neugegründete Leipzig wurde geradezu zur Hausuniversität der Schlesier. Die schlesischen Magister der Prager natio Polonorum erschienen am 24. Oktober 1409 nahezu geschlossen bei der Wahl des Dekans der Artisten in Leipzig; sie bildeten hier die stärkste Gruppe innerhalb der polnischen Nation. Johannes Ottonis von Münsterberg wurde am 2. Dezember 1409 zum ersten Rektor der neuen Leipziger Universität gewählt.30 Nikolaus Stör von Schweidnitz (Świdnica), 1401/02 Rektor der Prager Universität, der nun zu den Gründungsmitgliedern der Leipziger Universität gehörte, hatte zuvor

28 Kejř: Kvodlibetní disputace (wie Anm. 19), S. 118, 123, 126. 29 Seibt, Ferdinand: Johannes Hus und der Abzug der deutschen Studenten aus Prag 1409, in: Archiv für Kulturgeschichte 39 (1957), S. 63–80 (wiederabgedruckt in: Ders.: Hussitenstudien. Personen, Ereignisse, Ideen einer frühen Revolution [Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 60]. Festgabe zum 60. Geburtstag von Ferdinand Seibt, München 1987, S. 1–15); Šmahel: PraŽské universitní studenstvo (wie Anm. 11), S. 61–69; Seibt, Ferdinand: Hussitica. Zur Struktur einer Revolution (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 10), Köln/Graz 11965, Köln/Wien 21990 (dazu die ausführliche Besprechung von Machilek, Franz, in: BohemiaZeitschrift 34 [1993], S. 191–194), S. 65–77; Hilsch: Johannes Hus (wie Anm. 14), S. 87–102; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 831–840; Machilek: Kirche und Universität (wie Anm. 9), S. 183 f.; zuletzt: Zilynská, (Hg.): Universitäten (wie Anm. 12); der Sammelband enthält die Referate der im Januar 2009 im Collegium Carolinum der Prager Universität zum Gedenken an den Erlaß des Kuttenberger Dekrets veranstalteten Internationalen Konferenz – ,Univerzity, zeměpáni a zemské církve: Dekret kutnohorský (1409) v kontextu doby od založení Univerzity Karlovy (1348) do Augšpurského náboženského míru (1555)‘, bei welcher in mehreren Referaten auf den hohen Anteil der Schlesier an den Ereignissen eingegangen wurde. 30 Machilek: Die Schlesier (wie Anm. 8), S. 93 f. – Bünz, Enno: Gründung und Entfaltung. Die spätmittelalterliche Universität Leipzig, in: Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, Bd. 1: Bünz, Enno/Rudersdorf, Manfred/Göring, Detlef (Hgg.): Spätes Mittelalter und Frühe Neuzeit 1409–1830/31, Leipzig 2009, S. 17–325; Ders.: Die Leipziger Universitätsgründung – eine Folge des Kuttenberger Dekrets, in: Zilynská, Blanka (Hg.): Universitäten (wie Anm. 12), S. 55–64. – Eine Reihe von Schlesiern (wie Vincentius Viaw von Schweidnitz, Johannes Frankenstein, Augustinus von Münsterberg oder Johannes Sneschwitz von Breslau) wechselten später von Leipzig nach Krakau über: Ożóg, Krzysztof: Migrationen von Professoren und Studenten aus Prag nach Krakau zu Beginn des 15. Jahrhunderts, in: Zilynská (Hg.): Universitäten (wie Anm. 12), S. 99–112, hier S. 109–111.



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(1407/08) mit Jan Hus bei der Auslegung des Sentenzenkommentars in theologischer Auseinandersetzung gestanden.31 Die schlesischen Magister führten den Kampf gegen den Hussitismus von ihren neuen Wirkungsstätten aus weiter. Vor allem Johannes Hoffmann von Schweidnitz (Świdnica), der 1413 in Leipzig zum Rektor gewählt wurde und bald darauf an die theologische Fakultät überwechselte, setzte sich in der Folgezeit unermüdlich für die Bekämpfung der hussitischen Ideen ein. Er stand von Leipzig aus mit den Husgegnern in Schlesien in Verbindung, insbesondere mit Ludolf, dem aus dem niedersächsischen Einbeck stammenden Abt des Augustiner-Chorherrenstifts Sagan (Żagań) (1396–1422).32 Im Dezember 1414 beriefen die für den Prozeß gegen Hus auf dem Konstanzer Konzil bestellten Richter die in der Konzilsstadt anwesenden Leipziger Magister Johannes von Münsterberg und Petrus Storch von Zwickau als die ersten Zeugen gegen den inzwischen eingekerkerten Magister Jan Hus.33 Der von Johannes Hoffmann 1420/21 in Leipzig verfaßte Traktat ,Debemus invicem diligere‘ über die hussitische Eucharistielehre wurde zu einer der am weitesten verbreiteten antihussitischen Schriften überhaupt. Allein aus dem Augustiner-Chorherrenstift Sagan stammen mehrere Abschriften.34 Ludolf von Sagan schreibt kurz vor seinem Tod (1422), er habe viele der zu seiner Zeit gegen die Häretiker verfaßten Schriften gelesen und gesehen, doch nehme unter allen diesen Werken das des Johannes Hoffmann den ersten Platz ein. Dieser habe sich gleichsam als Mauer vor das Haus Gottes gestellt.35 Nikolaus Groß (Magni) von Jauer (Jawor), der nach seiner Prager Zeit seit 1402 in Heidelberg wirkte und hier zu den führenden Theologen zählte, wandte sich von hier aus mehrfach in scharfer Form gegen die Häresie der Hussiten, so in seinem ,Dialogus super sacra communione contra Hussitas‘, in seiner u.a. gegen den deutschen Hussiten Johannes Drändorf gerichteten ,Quaestio de hereticis‘, in seinem ,Scriptum contra epistolam perfi31 M. Ioannis Hus Super IV sentenciarum, edd. Wáclaw Flajšhans/Marie Komínková (Ioannis Hus Opera omnia, Tom. II), Pragae 1905, S. 18 (‘Conclusio secunda‘ gegen Nikolaus Stör), 25 f., 200. – Worstbrock, Franz Josef: Stoer, Nikolaus, in: VL 9 (21995), Sp. 352–355, hier Sp. 353. – Franz, Adolph: Matthias von Liegnitz und Nikolaus Stör, in: Der Katholik 78 (1898), S. 1–25, hier S. 16–25. 32 Dies läßt sich aus den Bemerkungen Ludolfs über den Traktat des Johannes Hoffmann von Schweidnitz erschließen: Tract., S. 549. 33 Petri de Mladoniowicz relatio de Magistro Johanne Hus, ed. Václav Novotný, in: Fontes rerum Bohemicarum, Tom. VIII, Praha 1932, S. 25–120, hier S. 41; Hus in Konstanz. Der Bericht des Peter von Mladoniowitz, übers., eingel. und erklärt von Josef B ujnoch (Slavische Geschichtsschreiber III), Graz/Wien/Köln 1963, S. 84. – De Vooght: L’hérésie I (wie Anm. 14), S. 364 f.; Marschall: Schlesier auf dem Konzil von Konstanz (wie Anm. 2), S. 53; Hilsch: Johannes Hus (wie Anm. 14), S. 252. 34 Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 186–188; Machilek: Johannes Hoffmann (wie Anm.12) (Liste der Handschriften: S. 120–122); Studt, Birgit: Papst Martin V. (1417–1431) und die Kirchenreform in Deutschland (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 23), Köln/Weimar/Wien 2004, S. 61, 64, Anm. 24. 35 Tract., S. 549; Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 187.

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diae Hussitarum‘, einer Antwort auf den Brief der Hussiten an die Reichsstadt Heilbronn von 1430 sowie in seiner Polemik gegen das Taboritenmanifest aus dem gleichen Jahr.36 Von Prag aus wechselten die beiden Schlesier Franziskus Kreisewitz von Brieg und Matthias von Liegnitz an die Universität Krakau.37

2. Schlesier auf den Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel Abt Ludolf von Sagan nahm als Teilnehmer des Konzils von Pisa 1409 im Rahmen seiner Bemühungen um die Kircheneinheit in seiner Fronleichnamspredigt ,In una domo comedetis‘ auch Stellung gegen den Wyclifismus und führte den Kampf gegen den Hussitismus in der Folgezeit als Prediger auf den Breslauer Synoden der Jahre 1412 und 1420 oder eher 1421 sowie vor allem in seinem 1422 abgeschlossenen ,Tractatus de longevo schismate‘ mit Nachdruck fort38. Ludolf hatte nach 1370 in Prag studiert und stand zeitlebens über die Ordensbrüder in den böhmischen Kanonien der Raudnitzer AugustinerChorherrenreform in stetem Austausch über die Vorgänge in Böhmen.39

36 Franz: Magister Nikolaus Magni (wie Anm. 20), S. 116–119 und passim; Tříška: Životopisný slovník (wie Anm. 13), S. 406; Kadlec, Jaroslav: Nikolaus von Jauer, in: VL 6 (21987), Sp. 1078–1081, hier Sp. 1080. – Heimpel, Hermann: Drei Inquisitions-Verfahren aus dem Jahre 1425. Akten der Prozesse gegen die deutschen Hussiten Johannes Drändorf und Peter Turnau sowie gegen Drändorfs Diener Martin Borchard (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 24), Göttingen 1969, S. 148 und passim. – Bantle, Franz Xaver: Nikolaus Magni de Jawor und Johannes Wenck im Lichte des Codex Ms. 31 der Universitätsbibliothek Tübingen, in: Scholastik 38 (1963), S. 535–574, hier S. 547 f.; Machilek, Franz: Die hussitische Forderung nach öffentlichem Gehör und der Beheimsteiner Vertrag von 1430, in: Pánek, Jaroslav/Polívka, Miloslav/Rejchrtová, Noemi (Hgg.): Husitsví – Reformace – Renesance. Sborník k 60. narozeninám Františka Šmahela [Hussitismus – Reformation – Renaissance. Sammelband zum 60. Geburtstag von František Šmahel], Bd. II, Praha 1994, S. 503–527, hier S. 525. 37 Kadlec, Jaroslav: Czeska katolicka emigracja okresu husytyzmu na ziemiach polskich i na Śląsku [Die katholische Emigration wegen des Hussitismus in die polnischen Länder und nach Schlesien], in: Zeszyty Naukowe Katolicki Uniwersytet Lubelski 19 (1967), H. 4, S. 27–36; Wünsch, Thomas: Konziliarismus und Polen. Personen, Politik und Programme aus Polen zur Verfassungsfrage der Kirche in der Zeit der mittelalterlichen Reformkonzilien (Konziliengeschichte. Reihe B: Untersuchungen), Paderborn/München/Wien/Zürich 1998, S. 73; Kowalczyk, Maria: Franziszek z Brzegu [Franziskus von Brieg], in: Acta Mediaevalia 12 (1999), S. 120 ff. – Fijałek, Jan: Matthias von Liegnitz, in: Der Katholik 78 (1898), S. 380–382; Tříška: Životopisný slovník (wie Anm. 13), S. 364. 38 Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 39, 43 f., 105, 148–173, 189–191; Ders.: Ludolf von Sagan (~ 1353–1422), in: Herzig, Arno (Hg.): Schlesier des 14. bis 20. Jahrhunderts (Schlesische Lebensbilder 8), Neustadt a.d. Aisch 2004, S. 32–38, hier S. 35; Machilek: Hussitismus in Schlesien (wie Anm. 8), S. 436, 439–441. 39 Pobóg-Lenartowicz, Anna: Kontakty śląskich kanoników regularnych z klasztorami kanoników regularnych w Czechach i na Morawach w XIV–XV wieku [Kontakte schlesischer



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Von den zahlreichen schlesischen Teilnehmern am Konstanzer Konzil waren abgesehen von Johannes von Münsterberg offenbar nur ganz wenige unmittelbar in die Vorgänge um Jan Hus involviert.40 Der aus Waldau (Ulesie) bei Liegnitz (Legnica) stammende Lebuser Archidiakon Johannes, der Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg nach Konstanz begleitete, findet sich unter den Deputierten, die Hus am 6. Juli 1406 zum Widerruf bewegen sollten.41 Die große Zahl der in Schlesien überlieferten Abschriften der Konstanzer Dekrete läßt jedoch erkennen, daß aus Konstanz zahlreiche Impulse zur Stärkung der antihussitischen Einstellung in Schlesien ausgingen.42 Aussagekräftiger als viele andere Beobachtungen über die Einstellung der Schlesier zur Hus-Frage erscheint im Hinblick auf die Proteste von Seiten des böhmischen, mährischen und polnischen Adels nach Hussens Feuertod in Konstanz die Bemerkung von Peter Moraw, daß „kein Schlesier [...] über die Hinrichtung von Johannes Hus geklagt (hat), wie viele wichtige Leute aus Böhmen, Mähren und selbst Polen.“43 Das Konzil forderte seinerseits den Adel in Böhmen, Mähren und Schlesien zum Widerstand gegen die Hussiten auf.44 Auf dem Konzil von Basel waren der damals in Krakau wirkende Franziskus Kreisewitz von Brieg und Johannes Hoffmann von Schweidnitz, inzwischen Bischof von Meißen, vertreten.45. Im Sommer 1437 hielt sich letzterer bei Verhandlungen zur Hussitenfrage auch in Prag auf.46

3. Die Breslauer Diözesansynoden und der Hussitismus Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem zwei Synodalpredigten Abt Ludolfs von Sagan aus den Jahren 1412 und 1420 oder 1421.47 Die anonym überlieferte, von Regularkanoniker mit Klöstern regulierter Chorherren in Böhmen und Mähren im 14. und 15. Jahrhundert], in: Bobková/Konvičná (Hgg.): Náboženský život, S. 192–203. 40 Marschall: Schlesier auf dem Konzil von Konstanz (wie Anm. 2), insbes. S. 63. 41 Marschall: Schlesier auf dem Konzil von Konstanz (wie Anm. 2), S. 48 f., 63. 42 Drabina: Das Echo des Hussitismus (wie Anm. 8), S. 265. 43 Moraw: Das Mittelalter (wie Anm. 5), S. 153. 44 Das Schreiben nach Breslau bei Johannes Cochlaeus: Historiae Hussitarum libri XII, Moguntiae 1549, S. 120 f. – Kaminsky, A History (wie Anm. 14), S. 142, Anm. 5. 45 Marschall, Werner: Schlesier auf dem Konzil von Basel, in: Festgabe Hubert Jedin zum 75. Geburtstag, hgg. von Walter Brandmüller und Remigius Bäumer, Bd. 2 (Annuarium historiae conciliorum 8 [1976]), S. 294–325, hier S. 324 f. – Zur Karriere des Franziskus von Brieg: Wünsch: Konziliarismus (wie Anm. 37), S. 73. – Machilek: Johannes Hoffmann (wie Anm. 12), S. 112. 46 Machilek: Johannes Hoffmann (wie Anm.12), S. 114; Marschall: Schlesier auf dem Konzil von Basel (wie Anm. 45), S. 325. 47 Zu den Breslauer Synoden: Brzoska, Emil: Die Breslauer Synoden bis zur Reformation, Breslau 1939; Sawicki, Jakub (Ed.): Synody diecezji wrocławskiej i ich statuty [Die Breslauer Diözesansynoden und ihre Statuten] (Concilia Poloniae. Źródła i studia krytyczne 10), Wrocław 1963; Dola, Kazimierz: XV-wieczne synody diezezji wrocławskiej o żiciu i posłudze kleru [Die Synoden der Breslauer Diözese im 15. Jahrhundert über das Leben und den Dienst des Klerus],

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Emil Brzoska mit guten Gründen Ludolf zugeschriebene Predigt ,Est verbum Dei‘ von 1412 über das Predigtamt des Klerus ist deutlich antihussitisch geprägt. Sie schließt mit dem Aufruf, dieses gewissenhaft zu verwalten und einen sittenreinen Lebenswandel zu führen; dies seien die wirksamsten Mittel „contra perfidissimos Hussitas“.48 In der auf der Breslauer Synode 1420 oder 1421 gehaltenen Predigt ,Tempus putationis advenit‘ beklagte Ludolf den sittlichen Tiefstand des Klerus, insbesondere dessen Nachlässigkeit im Gottesdienst und seine Geldgier, und begründete und verteidigte dann im Hinblick auf die hussitische Abendmahlspraxis die Lehre von der Transsubstantiation.49 Die Beschlüsse der Breslauer Synoden sind ganz allgemein nur fragmentarisch überliefert;50 Beschlüsse gegen den Hussitismus sind bisher nicht bekannt geworden.

4. Schlesien als Operationsbasis des Reichs gegen die Hussiten 1420/21 Die politische Entwicklung Schlesiens wurde seit Beginn der unmittelbar nach dem Tod des böhmischen Königs Wenzel IV. im Sommer 1419 einsetzenden hussitischen Revolution,51 durch die Aktionen von Wenzels Bruder Sigismund, des rechtmäßigen Erben des Landes, bestimmt, der sich angesichts der Verhältnisse in Prag und in Böhmen für Schlesien als erste Operationsbasis für die Rückgewinnung Böhmens entschied.52

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in: Studia Teologiczno-Historyczne Śląska Opolskiego 4 (1974), S. 85–106; Mrozowicz, Wojciech: Breslauer Synoden des Mittelalters und ihre Widerspiegelung in den Quellen. Ausgewählte Probleme, in: Kruppa, Nathalie/Zygner, Leszek (Hgg.): Partikularsynoden im späten Mittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 219/Studien zur Germania Sacra 29), Göttingen 2006, S. 275–287. Brzoska: Die Breslauer Synoden (wie Anm. 47), S. 30; Sawicki (Ed.): Synody (wie Anm. 47), S. 101; Leszczyńska, Barbara: W sprawie monografii Ludolfa z Żagania [Zu einer Monographie des Ludolf von Sagan], in: Historia VIII – Acta Universitatis Wratislaviensis 23, Wrocław 1964, S. 147–159, hier S. 150, 153; Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 230. Brzoska: Die Breslauer Synoden (wie Anm. 47), S. 31, 38, 163; Sawicki (Ed.): Synody (wie Anm. 47), S. 120 f., 736; Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 43 f., 231; Mrozowicz: Breslauer Synoden (wie Anm. 47), S. 286 f. Mrozowicz: Breslauer Synoden (wie Anm. 47), S. 287. Bartoš, František Michálek: Husitská revoluce I-II [Die hussitische Revolution I–II] (České dějiny II/7–8), Praha 1965/66; Seibt: Hussitica (wie Anm. 29); Machilek, Franz: Heilserwartung und Revolution der Táboriten 1419/21, in: Festiva Lanx. Studien zum mittelalterlichen Geistesleben. Johannes Spörl dargebracht aus Anlaß seines sechzigsten Geburtstages, hg. von Karl Schnith, München 1966, S. 67–94; Kaminsky: A History (wie Anm. 14); Šmahel: Die Hussitische Revolution I–III (wie Anm. 2). – Kurz zusammenfassend: Machilek, Franz: Hus/ Hussiten, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 15, Berlin/New York 1986 (Sonderausgabe 1993), S. 710–736; Macek, Josef/Machilek, Franz: Hussiten, in: LexMA 5 (1991), S. 232– 236. Studt, Birgit: Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil. Die Hussitenpolitik König Sigismunds, in: Pauly, Michel/Reinert, François (Hgg.): Sigismund von Luxemburg. Ein Kaiser in Europa. Tagungsband des internationalen historischen und kunsthistorischen Kongresses in Luxemburg, 8.–10. Juni 2005, Mainz 2006, S. 113–125, hier S. 116; Hoensch, Jörg K.: Kaiser Sigismund.



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Zu dem von Sigismund für Januar 1420 in die landesherrliche Residenz- und Bischofsstadt Breslau53 einberufenen Hoftag fanden sich über die benachbarten Fürsten und die königliche Gefolgschaft hinaus zwei geistliche Kurfürsten vom Rhein und die Abgesandten von 32 freien Städten bzw. Reichsstädten ein. Auf diesem Tag wurden die Weichen für das weitere Vorgehen Sigismunds gegen die Hussiten – speziell auch für die dabei den schlesischen Fürsten zugedachte Rolle – gestellt.54 Innerhalb weniger Wochen spitzte sich die Lage auf beiden Seiten dramatisch zu. Die Straßburger Gesandten schrieben am 21. Januar an den Rat ihrer Reichsstadt, daß Sigismund beabsichtige, nach Prag zu ziehen, um die Hussiten wegen ihres Unglaubens zu strafen.55 Um den 10. Februar forderte Sigismund die königlichen Städte Böhmens zur Unterwerfung der Hussiten unter die römische Kirche und zum Kreuzzug auf.56 Die Magister der Prager Universität beantworHerrscher an der Schwelle zur Neuzeit 1368–1437, München 1996, S. 287; Válka, Josef: Zikmund a husité. Jak zakončit (husitskou) revoluce? [Wie die (hussitische) Revolution beenden?], in: Časopis matice moravské 128 (2009), S. 3–33. 53 Conrads, Norbert/Rüther, Andreas: Breslau, in: Paravicini, Werner (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch, Teilbd. 2: Residenzen (Residenzenforschung 15/I/2), Ostfildern 2003, S. 76–82; Barciak, Antoni: Wrocław jako centrum administracyjne w dobie Luksemburgów [Breslau als Verwaltungszentrum zur Zeit der Luxemburger], in: Bobková, Lenka/Konvična (Hgg.): Rezidence a správní sídla v zemích České Koruny ve 14.–17. století. Korunní země v dějinách českého státu III [Residenzen und Verwaltungssitze in den Ländern der böhmischen Krone vom 14. bis 17. Jahrhundert. Die Kronländer in der Geschichte des böhmischen Staates III] (Opera Facultatis philosophicae Universitatis Carolinae Pragensis IV), Praha 2007, S. 245–254. 54 Bei dieser Versammlung handelte es sich nicht um einen Reichstag im eigentlichen Sinn, sondern um einen Hoftag: Annas, Gabriele: Hoftag – Gemeiner Tag – Reichstag, in: Studien zur strukturellen Entwicklung deutscher Reichsversammlungen des späten Mittelalters (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 68), Bd. 2, München 2004, S. 245–250. – Moraw: Das Mittelalter (wie Anm. 5), spricht (S. 151) von einem „ansehnlichen Tag“. – Näher zur Breslauer Versammlung: Grünhagen, Colmar: Der Reichstag zu Breslau und das Strafgericht des Kaisers Sigismund im Jahre 1420, in: Abhandlungen der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Philosophischhistorische Abtheilung, Breslau 1868, Heft 2, S. 1–19; Wendt, Heinrich: Der deutsche Reichstag unter König Sigmund bis zum Ende der Reichskriege gegen die Hussiten. 1410–1431 (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Reichsgeschichte 30), Breslau 1889; Holtzmann, Robert: Der Breslauer Reichstag von 1420, in: Schlesische Geschichtsblätter 13 (1920), S. 1–9; Wefers, Sabine: Das politische System Kaiser Sigmunds (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 38), Stuttgart 1989, S. 75–81; Šmahel, Husitská revoluce III, S. 36 f.; Hoensch, Kaiser Sigismund, S. 287–291; Studt: Papst Martin V. (wie Anm. 34), S. 442. – Den Plan zur Einberufung des Hoftags nach Breslau hatte Sigismund bereits im September 1419 gefaßt: Kaminsky, History (wie Anm. 14), S. 363 f. 55 Deutsche Reichstagsakten. Ältere Reihe, Bd. VII, hg. von Dietrich Kerler, München 1878, Nr. 280, S. 408. – Machilek, Heilserwartung (wie Anm. 51), S. 85; Kaminsky, A History (wie Anm. 14), S. 364. 56 Urk.Beitr. I, Nr. 11, S. 15–17 (unter dem 10. Februar 1420 an die Stände des Saazer Kreises). – Bartoš, František Michálek: Do čtyř pražských artikulů. Z myšlenkových zápasů let 1415–

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teten das Kreuzzugspatent Sigismunds durch ein Gutachten vom 17. Februar 1420, mit dem sie den Widerstand gegen den legitimen Thronerben im Rahmen der Sache Gottes, der Wahrheit und Gerechtigkeit (causa Dei, veritatis et iusticie) zunächst noch unter bestimmten Einschränkungen billigten.57 Zur Demonstration der von ihm beanspruchten Herrschaftsrechte ließ Sigismund am 4. März 23 Teilnehmer des Zunftaufstandes gegen das Breslauer Patriziat von 1418 in öffentlicher Schaustellung hinrichten, nach František Šmahel „eine unübersehbare Warnung an das aufständische Prag“.58 Am 1. März 1420 wurde in Florenz die Kreuzzugsbulle ,Omnium plasmatoris Domini‘ Papst Martins V. gegen die Hussiten ausgefertigt; am 17. März 1420 erfolgte ihre Verkündigung in Anwesenheit des päpstlichen Legaten und Bischofs von Lugo Ferdinand Palacios in den Breslauer Kirchen59. Mit der Kreuzzugsbulle wurde der Auftrag zum Kampf gegen die Hussiten an die gesamte Christenheit gerichtet60. Nach dem Bericht der ,Hussitenchronik‘ des Laurentius von Březová wurde zwei Tage vor der Promulgation der Kreuzzugsbulle Johannes (Jan) von Prag gen. Krása, ein Bürger der Prager Altstadt und Kaufmann, der sich damals in Breslau aufhielt und der sich im Verhör durch den päpstlichen Legaten und Bischof von Lugo Ferdinand Palacios (1415–1435) ausdrücklich zum hussitischen Utraquismus bekannte – Laurentius bezeichnet ihn als „magnus veritatis zelator“ und „athleta Domini fortissimus“ –, durch das Ketzergericht zum Tod verurteilt, 1420 [Auf dem Weg zu den Vier Artikeln. Zu den gedanklichen Auseinandersetzungen der Jahre 1415–1420], in: Sborník příspevků k dějinám hlavního města Prahy 5, Praha 1932, S. 481–591, hier S. 522; Machilek: Heilserwartung (wie Anm. 51), S. 85; Heimpel, Hermann: Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162–1447. Studien und Texte zur Geschichte einer Familie sowie des gelehrten Beamtentums in der Zeit der abendländischen Kirchenspaltung und der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel, Bd. 2, Göttingen 1982, S. 879; Machilek, Franz: K zavedení a liturgii votivních mší Contra Hussones [Zur Einführung und Liturgie der Votivmessen Contra Hussones], in: AUC – HUCP XXXI/1 (1991), S. 95–106, hier S. 99. - Vermutlich hat Bischof Johann der Eiserne von Leitomischl, der sich Anfang Februar 1420 in Breslau aufhielt, Sigismund in seiner Entscheidung für das rigorose Vorgehen gegen die Hussiten bestärkt: Bartoš: Husitská revoluce I (wie Anm. 51), S. 81 f.; Kaminsky: A History (wie Anm. 14), S. 366, Anm. 17. 57 Machilek: Heilserwartung (wie Anm. 51), S. 85. 58 Laurentius de Brzezowa, Historia Hussitica, ed. Jaroslav Goll, in: Fontes rerum Bohemicarum, Tom. V, Pragae 1893, S. 329–534, hier S.490; Bujnoch, Josef: (Übers.): Die Hussiten. Die Chronik des Laurentius von Březová 1414–1421 (Slavische Geschichtsschreiber 11), Graz/ Wien/Köln 1988, S. 235 f. – Zum Aufstand: Mezník, Jaroslav: Praha před Husitskou revolucí [Prag vor der Hussitischen Revolution], Praha 1990, S. 235; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1072. – Schneider, Joachim: Herrschererinnerung in Text und Bild. Zu Besonderheiten des wieder aufgefundenen illustrierten Exemplars von Eberhard Windeckes Sigmund-Buch, in: Takáczs, Imre (Hg.): Sigismundus rex et imperator. Kunst und Kultur zur Zeit Sigismunds von Luxemburg 1387–1437. Ausstellungskatalog, Mainz 2006, S. 433–437, hier S. 435 (mit Darstellung eines der geköpften Breslauer Aufrührer). 59 Urk.Beitr. I, Nr. 12, S. 17–20; Laurentius de Brzezowa, Historia Hussitica (wie Anm. 58), S. 359 f.; Bujnoch (Übers.): Die Hussiten (wie Anm.58), S. 70. – Tract., S. 503 f., 534–541. – Machilek: K zavedení (wie Anm. 56), S. 99. 60 Becker: Johannes Hoffmann (wie Anm. 12), S. 44.



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von Pferden durch die Stadt geschleift und anschließend verbrannt.61 In der bald danach, am 20. Juni 1420, von Laurentius von Březová in Versform verfaßten satirischen Klage der böhmischen Krone – ,Žaloba Koruny české‘ – wurde Sigismund u.a. wegen des Todes Krásas in Breslau scharf angegriffen.62 Die im Namen Sigismunds und des Reichs in Breslau begonnenen Aktionen bestärkten die hussitischen Aktionsgruppen in Böhmen in ihrem Widerstand gegen Sigismund und die römische Kirche. Eine nicht unbedeutende Rolle scheint dabei die Mission des als Abgesandter Prags in Breslau agierenden Nikolaus von Řehovic gespielt zu haben, eines Vertreters der Prager Juristenuniversität, der später u.a. unter den Wählern des Johannes Rokycana zum utraquistischen Erzbischof von Prag (1435) eine Rolle spielte.63 Angesichts der akuten Bedrohung durch das Kreuzheer Sigismunds propagierten die hussitischen Ideologen nun den gerechten und schließlich den verpflichtenden Krieg für das Gesetz Christi.64 Sie stützten sich dabei auf die seit Mitte April 1420 zunächst vom böhmischen Hochadel und den Pragern und seit Ende Mai 1420 61 Laurentius de Brzezowa, Historia Hussitica (wie Anm.58), S.358 f.; Bujnoch (Übers.): Die Hussiten (wie Anm.58), S.69 f.; Staré letopisy české z vratislavského rukopisu [Alte böhmische Annalen aus der Breslauer Handschrift], ed. František Šimek, Praha 1937, S. 32; Tract., S. 514. – Zu Krása und seiner Exekution: Bartoš, František: Husitská revoluce I (wie Anm. 51), S. 85 f.; Šmahel, František: Idea národa v husitských Čechách, České Budějovice 1971, S. 89 f. (Praha 22002); Kaminsky: A History (wie Anm. 14), S. 364–366, 370; Marschall: Schlesier auf dem Konzil von Konstanz (wie Anm. 2), S. 39; Hlaváček, Ivan (Hg.): Ze zpráv a Kronik doby husitské [Aus Berichten und Chroniken der Hussitenzeit], Praha 1981, S. 223 (aus der ,Sehr schönen Chronik über Jan Žižka‘ – ,Kronika velmí pěkna o Janu Žižkovi‘); Mezník: Praha před Husitskou revolucí (wie Anm. 58), S. 335 f., 348; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1072 f.; Hoensch: Kaiser Sigismund (wie Anm. 52), S. 291. 62 Daňhelka, Jiří (Hg.): Husitské skladby Budišinského rukopisu [Die hussitischen Dichtungen der Bautzener Handschrift], Praha 1952, S. 43–60, hier S. 47. – Dazu: Kraus, Arnošt: Husitství v literatuře zejména německé. Část I: Husitství v literatuře prvních dvou století svých [Der Hussitismus in der Literatur, insbesondere der deutschen. Teil I: Der Hussitismus in der Literatur der beiden ersten Jahrhunderte ihres Bestehens] (Rozpravy České akademie Císaře Františka Josefa pro vědy, slovesnost a umění III/45), Prag 1917, S. 32–36; Seibt, Ferdiand: Slyšte nebesa. Eine hussitische Propagandaschrift, in: Ders.: Hussitenstudien, S. 17-25, hier S. 20 f.; Kopičková, Božena: Jan Želivský [Johannes von Seelau] (Odkazy pokrokových osobností naší minulosti), Praha 1990, S. 77 f. 63 Bartoš: Husitská revoluce I, S. 85, Anm. 89, S. 87 f.; Mezník: Praha před Husitskou revolucí (wie Anm. 58), S. 236; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1045 f., 1072. 64 Seibt: Hussitica (wie Anm. 29), S. 16–57, sowie Quellenanhang S. 189–248 (dazu: Machilek: Besprechung); Machilek: Heilserwartung (wie Anm. 51), S. 85 f.; De Vooght, Paul: Jacobellus de Stříbro († 1429), premier théologien du hussitisme (Bibliothèque de la Revue d‘histoire ecclésiastique 54), Louvain 1972, S. 244–264; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1044–1047; Soukup, Pavel: Svatá válka v představách husitských mistrů [Der heilige Krieg in der Vorstellung der hussitischen Magister], in: Drda, Miloš/Vybíral, Zdeněk (Hgg.): Jan Žižka z Trocnova a husitské vojenství v evropských dějinách. VI. mezinárodni husitologické sympozium Tábor, 12.–14. října 2004 [Jan Žižka von Trocnov und das hussitische Kriegswesen in der europäischen Geschichte. VI. internationales hussitologisches Symposium Tábor 12.–14. Oktober 2004] (Husitský Tábor. Supplementum 3), Tábor 2007, S. 277–289.

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als Mindestprogramm aller hussitischen Parteien akzeptierten ,Vier Prager Artikel‘ mit den Forderungen nach Predigtfreiheit, Laienkelch, Priesterarmut und Wiederherstellung der böhmischen Nationalehre; die letztere Forderung wurde schon Ende Mai 1420 durch jene nach Bestrafung der öffentlich bekannten Todsünden ersetzt.65 Nach Zusammenführung der Kreuzfahrerkontingente in Schweidnitz überschritt das unter starker schlesischer Beteiligung gebildete Kreuzheer unter Führung Sigismunds Anfang Mai 1420 die böhmische Grenze und rückte Ende Juni 1420 gegen Prag vor. Ein Angriff der Meißener auf den strategisch wichtigen Vítkovberg wurde am 17. Juli 1420 von dem Taboritenfeldherrn Jan Žižka abgeschlagen.66 Erste Verhandlungen zwischen der altkirchlich-königlichen Partei und den gemäßigten Hussiten scheiterten an der hussitischen Kelchforderung. Mit seiner Trotzkrönung zum böhmischen König im Prager Veitsdom am 28. Juli 1420 verbaute sich Sigismund selbst den Weg zu weiteren Verhandlungen.67 Im November 1420 brachten die hussitischen Verbündeten am Vyšehrad vor Prag in der „ersten großen offenen Feldschlacht ihrer revolutionären Geschichte“ dem Kreuzheer eine vernichtende Niederlage bei.68 Mit der Ernennung des Kardinals Branda da Castiglione zum apostolischen Legaten in der Hussache durch Papst Martin V. am 13. April 1421 verschärfte die Kurie die gegen die Hussiten ergriffenen Maßnahmen.69 Ludolf von Sagan mißbilligte bei der Schilderung der Verkündigung des Kreuzzugs durch den Kardinallegaten Branda da Castiglione in Deutschland in seinem ,Tractatus de longevo schismate‘, daß für die geforderten Maßnahmen in der Diözese Breslau nicht genug Exekutoren zur Verfügung standen.70 Offenbar hatte sich Ludolf von dem Unternehmen – zumindest auf längere Sicht – mehr Erfolg versprochen. Nun wurden zwar die Erlasse des Kardinals kraft bischöflicher Autorität publiziert; darüber hinaus sei aber nach Ludolfs Worten zu jenem wahrhaft frommen Werk wenig oder nichts in der Diözese Breslau geschehen.71 Der auf Initiative der Prager Städte und im Namen des kurz zuvor zum Utraquismus übergetretenen Prager Erzbischofs Konrad von Vechta für Anfang Juni 1421 in die mittel65 Lancinger, Luboš: Čtyři artikuly pražské a podíl universitných mistrů na jejich vývoji [Die Vier Prager Artikel und der Anteil der Universitätsmagister an ihrer Entwicklung], in: AUC – HUCP III/2 (1963), S. 3–61; Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 177–194; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 604–674; Šmahel, František: Die Vier Prager Artikel. Das Programm der hussitischen Reformation, in: Eberhard, Winfried/Machilek, Franz (Hgg.): Kirchliche Reformimpulse des 14./15. Jahrhunderts in Ostmitteleuropa (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 36), Köln/ Weimar/Wien 2006, S. 329–339. 66 Zu ihm jetzt: Drda, Miloš/Vybíral, Zdeněk (Hgg.): Jan Žižka (wie Anm. 64). 67 Zu den Ereignissen von Mai bis Juli 1420 im Einzelnen: Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1078–1101; zusammenfassend: Machilek: Hus/Hussiten, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 15, Berlin/New York 1986 (21993), S. 710–735, hier S. 725 f. 68 Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1116–1122 (Zitat: S. 1121). 69 Machilek, Franz: K zavedení (wie Anm. 56), S. 100–103. – Zur Legation Brandas insgesamt: Studt: Papst Martin V. (wie Anm. 34), S. 479–620. 70 Tract. S. 534 f. 71 Tract. S. 535. – Studt: Papst Martin V. (wie Anm. 34), S. 515.



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böhmische Stadt Tschaslau (Časlav) einberufene böhmische Landtag und die im Vorfeld des Tages bzw. als Folgen dieses Tages getroffenen Entscheidungen wirkten sich in mehrfacher Weise auf das Verhältnis der Schlesier zu Böhmen aus. Auf dem Landtag sollte über Frieden, Gerechtigkeit und Wohl des böhmischen Königreichs verhandelt werden; die Ausrichtung auf das Gesetz Gottes sollte im Mittelpunkt stehen.72 Die Schlesier waren ebenso wie die Oberlausitzer Sechs Lande und Städte zum Landtag geladen, zugleich aber ausdrücklich vor weiteren aggressiven Akten gegen die Böhmen gewarnt worden.73 Nahezu gleichzeitig hatte König Sigismund aus Trentschin an der Waag in Oberungarn die Sechs Lande und Städte seinerseits aufgefordert, sich mit dem Heer der Schlesier unter seiner Führung zu vereinigen und gegen die Ketzer in Böhmen zu ziehen.74 Einschließlich der auf Seiten der römischen Kirche stehenden Barone beschloß die Tschaslauer Versammlung die Anerkennung der Vier Prager Artikel, die Nichtanerkennung Sigismunds als Herrscher Böhmens und aller mit dem böhmischen Thron verbundenen Ansprüche sowie die Errichtung einer interimistischen Regierung unter zwanzig Direktoren zur Wiederherstellung des Friedens im Königreich Böhmen.75 In einer Beschwerdeschrift an König Sigismund begründeten die versammelten Stände seine Ablehnung als böhmischer König im einzelnen.76 Die Beschwerdeartikel 4, 7 und 8 (der alttschechischen Fassung) bezogen sich auf die mit dem Breslauer Tag von 1420 zusam72 Zum Tschaslauer Landtag: Heymann, Frederick G.: The National Assembly of Čáslav, in: Medievalia et Humanistica 8 (1954), S. 32–55; Hlaváček, Ivan: Husitské sněmy [Hussitische Landtage], in: Sborník historický 4 (1956), S. 71–109, hier S. 78 f.; Macek, Joseph: Jean Huss et les traditions hussites (XVe–XIXe siècles), Paris 1973, S. 160 f.; Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1171–1188. – Zu Konrad von Vechta: Neumann, Augustin: K odpadu Konráda z Vechty [Zum Abfall Konrads von Vechta], in: Časopis katolického duchovenstva 66 (1925), S. 264–272, 345–350, 570–579, 67 (1926), S. 21–23, 105–110, 224–230, 542–544, 592–598; Bartůnek, Václav: Konrad von Vechta, Erzbischof von Prag, in: Schwaiger, Georg/Staber, Joseph (Hgg.): Regensburg und Böhmen, Regensburg 1972 (Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 6), S. 173–219; Hlaváček, Ivan: Konrad von Vechta, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Vechta, Liefg. 1, Vechta 1974, S. 5–35. 73 Einladung an die Sechs Lande und Städte: Urk.Beitr. I, Nr. 98, S. 96 f. (vom 19. Mai 1421). – Zur Oberlausitz in den Hussitenkriegen jetzt: Metzig, Gregor M.: Sigismund I. und der Oberlausitzer Sechsstädtebund in den Hussitenkriegen (1419–1437), in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 59 (2010), S. 1–33. 74 Urk.Beitr. I, Nr. 97, S. 95 f. (vom 18. Mai 1421). 75 Laurentius de Brzezowa, Historia Hussitica (wie Anm. 58), S. 485–488; Bujnoch (Übers.): Die Hussiten (wie Anm.58), S. 226–232. – Seibt: Hussitica (wie Anm. 29), S. 158 f., 166–176 u.ö.; Hoensch: Kaiser Sigismund (wie Anm. 52), S. 295. 76 Laurentius de Brzezowa, Historia Hussitica (wie Anm.58), S. 489–491; Bujnoch (Übers.): Die Hussiten (wie Anm.58), S. 234–238. – Die lateinische Fassung bei Cochlaeus: Historiae Hussitarum (wie Anm. 44), S. 202–204. – Zu dem Text zuletzt: Hruza, Karel: Schrift und Rebellion: Die hussitischen Manifeste aus Prag von 1415–1431, in: Geist, Gesellschaft, Kirche im 13.–16. Jahrhundert, S. 81–108, hier S. 98. Er trägt jedoch nicht den Charakter einer ,Wahlkapitulation‘, wie Hruza annimmt; als solche müßte er unter Sigismunds Namen verfaßt sein. – Zu Cochlaeus: Machilek, Franz: Johannes Cochlaeus, in: Fränkische Lebensbilder, Bd. 8, Neustadt a.d. Aisch 1978, S. 51–69 (zur Hussitengeschichte S. 64).

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menhängenden Ereignisse und den anschließenden Kreuzzug Sigismunds gegen die Hussiten. Art. 4 nahm speziell auf die Verkündigung der Kreuzzugsbulle ,Omnium plasmatoris Domini‘ Papst Martins V. durch den päpstlichen Legaten Ferdinand Palacios von Lugo in den Breslauer Kirchen Bezug.77 Art. 7 betraf das Vorgehen und die Verbrennung des in Breslau aufgegriffenen Prager Kaufmanns Jan Krása zur Schande und Schmach für die böhmische Zunge.78 Art. 8 klagte Sigismund der Enthauptung der Breslauer Aufrührer von 1418, die seinerzeit durch König Wenzel IV. vor dem Tod bewahrt worden waren, sowie der Vertreibung und Beraubung weiterer Bürger „zum großen Schaden und zur Schande der Böhmen“ an. In einem eigenen Schreiben mahnte der Tschaslauer Landtag die schlesischen Stände noch einmal, von weiteren Feindseligkeiten abzusehen.79 Sigismund wies die Beschuldigungen schon kurz nach Erhalt der Beschwerdeschrift energisch zurück.80 Ludolf von Sagan polemisierte in seinem ,Tractatus de longevo schismate‘ in scharfer Form gegen die Beschlüsse des Tschaslauer Landtags und setzte sich dabei ausführlich mit den darin angesprochenen Ereignissen in Breslau auseinander.81 Bei Ludolfs Beurteilung des Vorgehens Sigismunds gegen die Breslauer Aufrührer von 1418 klingen immerhin leise kritische Untertöne an.82

5. Gemeinsame Aktionen der schlesischen Fürsten, des Adels und der Städte gegen die Hussiten 1421–1427 Unter dem wachsenden Druck durch die hussitische Bedrohung nahmen die Anstrengungen der schlesischen Fürsten, des Adels und der Städte zu gemeinsamen Aktionen seit 1421 ständig zu.83 Nach Peter Moraw begannen sich bei den Militäraktionen der folgenden Jahre „das rechtgläubige und das deutsche Bewußtsein der Schlesier zu einer sich als äußerst kraftvoll erweisenden Verbindung zusammenzuschließen.“84 Nach Ludolf von Sagan waren die schlesischen Fürsten schon auf Grund ihres dem König von Böhmen geleisteten Lehenseides zum Kampf gegen die böhmischen Ketzer verpflichtet; umgekehrt haben sich nach Ludolf die früher dem Königreich Böhmen verbundenen Böhmen durch ihren Abfall zur Häresie selbst von allen Bindungen gelöst.85 77 Laurentius de Brzezowa, Historia Hussitica (wie Anm. 58), S. 489; Bujnoch (Übers.): Die Hussiten (wie Anm. 58), S. 235. 78 Laurentius de Brzezowa, Historia Hussitica (wie Anm. 58), S. 490; Bujnoch (Übers.): Die Hussiten (wie Anm. 58), S. 235. 79 Urk.Beitr. I, Nr. 113, S. 116 f. – Seibt: Hussitica (wie Anm. 29), S. 172. 80 Laurentius de Brzezowa, Historia Hussitica (wie Anm. 58), S.492 f.; Bujnoch (Übers.): Die Hussiten (wie Anm. 58), S. 239–242. 81 Tract., Teil II, cap. 14–59, S. 501–530. 82 Tract. S. 467 f.; dazu ebd. S. 399. 83 Zum Folgenden auch Machilek, Hussitismus in Schlesien (wie Anm. 8), S. 441–444. 84 Moraw: Das Mittelalter (wie Anm. 5), S. 152 f. 85 Tract., S. 505–511. – Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 168.



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Die Schlesien betreffenden politischen und kriegerischen Aktionen setzten mit dem Versprechen der Herzöge Ludwig von Brieg und Bernhard von Oppeln von Ende Juni 1421, sich einem Bündnis der Kurfürsten, dem Herzog von Geldern und den Markgrafen von Meißen zu Görlitz gegen die böhmischen Ketzer anzuschließen,86 sowie der Grottkauer Einung der schlesischen Fürsten und Lande, der Städte Breslau, Schweidnitz (Świdnica) und Jauer (Jawor) zum Krieg gegen die böhmischen Ketzer von Mitte September 1421 ein.87 Herzog Johann der Eiserne von Ratibor (Racibórz) äußerte sich in einem Brief vom 13. September 1421 anläßlich der Gefangennahme hussitischer Gesandter auf ihrem Weg von Böhmen zum Litauerfürsten Witold und ihrer Auslieferung an König Sigismund an seinen Vetter Herzog Přemko I. von Troppau (Opava) drastisch über die Hussiten: „[...] ewer liebe clagen wir, das uns der teufel mit den hussen beschissen hot, das sie komen seint hie her keyn Ratbor.“88 Im Oktober 1421 kam es zu militärischen Operationen oberlausitzischer und schlesischer Verbände in Ostböhmen.89 Im Frühjahr 1422 ernannte König Sigismund den Breslauer Bischof Konrad von Oels (1417–1447) zum Oberhauptmann von Schlesien90 und forderte Fürsten und Städte in Schlesien auf, mit dem Deutschen Orden Verbindung aufzunehmen und gegen die böhmischen Ketzer zu rüsten; Anfang Juni solle der Feldzug gegen sie eröffnet werden.91 Seit 1422 fungierte Půta von Častolovice, ehe86 Urk.Beitr. I, Nr. 124, S. 127 f. – Dazu auch: Deutsche Reichstagsakten. Ältere Reihe VIII, hg. von Dietrich Kerler, München 1883 (ND 1956), Nrn. 68–71. 87 Urk.Beitr. I, Nr. 140, S. 149–151. – Nach Christian Erdmann-Schott machte die –von ihm als Solidargemeinschaft bezeichnete – Grottkauer Einung „erkennbar, daß sich die schlesischen Fürsten von der hussitischen Bewegung im wesentlichen distanzierten“: Schlesien I, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 30, Berlin/New York 1999, S. 189–198. 88 Urk.Beitr. I, Nr. 136, S. 146; auch zitiert bei Seibt: Hussitica (wie Anm. 29), S. 12. – Allgemein zu den Vorgängen: Wünsch, Mittelalterliches Krisenmanagement (wie Anm. 8), S. 175 f. – Zur Kandidatur Witolds: Machilek, Franz: Böhmen, Polen und die hussitische Revolution, in: Zeitschrift für Ostforschung 23 (1974), S. 401–430, hier S. 417 f. 89 Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1225 f. 90 Urk.Beitr. I, Nr. 178, S. 193 f. – Zu Konrad von Oels: Urban, Wincenty: Studia nad dziejami wrocławskiej diecezji w pierwszej połowie XV wieku [Studien zur Geschichte der Breslauer Diözese in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts], Wrocław 1959, S. 121 ff.; Heck, Roman: in: Polski Słownik Biograficzny 13 (1967/68), S. 590 f. 91 SSrer Siles., Bd. 6, S. 20 f., 164. – Bezold, Friedrich von: König Sigmund und die Reichskriege gegen die Husiten bis zum Ausgang des dritten Kreuzzugs, München 1872, S. 82; Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 175. – Wólkiewicz, Ewa: Capitaneus Silesie. Królewscy namiestnicy księstwa wrocławskiego i Śląska w XIV i XV wieku [C. S. Stellvertreter des Königs im Fürstentum Breslau und Schlesien], in: Psiak, Jerzy/Peniądz-Skrzypczak, Aneta/ Pauk, Marcin Rafal (Hgg.): Monarchia w średniowieczu – władza nad ludżimi, władza nad teritorium [Monarchie im Mittelalter – Gewalt über das Volk, Gewalt über das Territorium], Warszawa 2002, S. 169–225; Čapský, Martin: Hejtmanský úřad v politických aspiracích pozdně středověké Vratislavi [Hauptmannschaftlicher Rat in den politischen Aspirationen des spätmittelalterlichen Breslau], in: Bobková, Lenka/Čapský, Martin/Korbelářová, Irena/a kol. (Hgg.): Hejtmanská správa ve vedlejších zemích Koruny české [Die hauptmannschaftliche Verwaltung in den Nachbarländern der böhmischen Krone] (Acta historica Universitatis Silesianae Opaviensis – Supplementum Tom. VII), Opava 2009, S. 77–102.

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dem ein zu den Anhängern der Hussiten zählender Adliger, der inzwischen auf die Seite König Sigismunds übergeschwenkt war, als Hauptmann des Glatzer Landes.92 Letzterem kam schon von der Lage an der alten Einfallsstraße von Böhmen über Nachod (Náchod) und Braunau (Broumov) her eine strategische Schlüsselstellung zu. In Erwartung eines hussitischen Einfalls in das Glatzer Land schloß Půta von Častolovice im Oktober 1424 ein auf 13 Monate befristetes Sonderbündnis mit Herzog Johann von Münsterberg (1410– 1428)93. Als Bischof Konrad von Oels im darauf folgenden Jahr die Abwesenheit des orebitischen Heeres zu einem Überfall in das Gebiet von Nachod (Náchod) und Trautenau (Trutnov) in Nordböhmen nutzte und dort mit seiner Truppe erhebliche Schäden anrichtete, fielen die Waisen unter Führung des Priesters Ambros von Königgrätz (Hradec Králové) im Gegenzug in das Glatzer Land ein und belagerten die Stadt Wünschelburg (Radków). Dem dortigen Erbvogt gelang es, für den Großteil der Stadtbevölkerung gegen Zahlung eines Lösegelds freien Abzug zu erreichen, doch wurden nach dem Bericht des Martin von Bolkenhain (Bolków) von den Besatzern der Wünschelburger Pfarrer Nikolaus Megerlein, der den Übertritt zur hussitischen Lehre ablehnte, verbrannt und einer seiner Kapläne, der in Frauenkleidern entkommen wollte, erschlagen.94 Unter dem Eindruck wachsender Unsicherheit an der schlesisch-böhmischen Grenze und zunehmender Einfälle der Hussiten in Schlesien seit 142595 wurde nach einem in Lemberg geschlossenen Sonderbündnis der Fürstentümer Schweidnitz und Jauer mit dem oberlausitzischen „Sechsstädteland“ (Bautzen, Görlitz, Zittau, Kamenz, Löbau und Lauban) gegen die Hussiten von Anfang Juli 142696 ein gutes halbes Jahr später, am 14. Feb92 Bartoš: Husitská revoluce I (wie Anm. 51), S. 155; Rzońca: Stosunki wyznaniowe (wie Anm. 6), S. 409. – Zu Půta von Častolovice als einflußreicher Verbündeter Sigismunds: Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), passim. 93 Primke/Szczerepa/Szczerepa: Wojny husyckie (wie Anm. 91), S. 41. 94 Bach, Aloys: Urkundliche Kirchen-Geschichte der Grafschaft Glatz. Von der Urzeit bis auf unsere Tage, Breslau 1841, S. 51–54; Neumann, Augustin: Die katholischen Märtyrer der Hussitenzeit, Warnsdorf 1930, S. 131–135; Gottschalk, Joseph: Die Grafschaft Glatz, 1000 Jahre hindurch ein Teil des Bistums Prag, im Spannungsfeld zwischen Prag und Breslau. (Sonderdruck des Grafschafter Boten), Lüdenscheid 1973, S. 5; Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1358 f. (mit Angaben zur Datierung der Vorgänge); Herzig, Arno/Ruchniewicz, Malgorzata (Hgg.): W kraju Pana Boga. Żródła i materiały do dziejów Ziemi Kłodzkiej od X do XX wieku. Im Herrgottsländchen. Quellen und Materialien zur Geschichte des Glatzer Landes vom 10. bis zum 20. Jahrhundert, Kłodzko 2003, S. 55; Herzig, Arno: Geschichte des Glatzer Landes vom Mittelalter bis zum Untergang des Alten Reiches 1806. Darstellung und Quellen, in: Ders. (Hg.): Glaciographia Nova (wie Anm. 6), S. 17–70, hier S. 45–47; Primke/Szczerepa/ Szczerepa: Wojny husyckie (wie Anm. 91), S. 43; Rzońca: Stosunki wyznaniowe (wie Anm. 6), S. 409. – Über Ambros von Königgrätz als radikaler geistiger Führer der orebitischen Partei: Pekař, Josef: Žižka a jeho doba. III: Žižka vůdce revoluce [Žižka und seine Zeit. III: Žižka als Führer der Revolution], Praha 1930, S. 200–203, sowie die einzelnen Angaben in: Bartoš: Husitská revoluce I–II (wie Anm. 51) (Reg.); Kaminsky: A Hussite Revolution (wie Anm. 14) (Reg.); Šmahel: Die Hussitische Revolution II–III (wie Anm. 2) (Reg.). 95 Wünsch: Mittelalterliches Krisenmanagement (wie Anm. 8), S. 176, Anm. 17. 96 Urk.Beitr. I, Nr. 407, S. 462 f. – Zur Stellung des Sechsstädtebunds während der hussitischen Revolution: Jecht, Richard: Der Oberlausitzer Hussitenkrieg und das Land der Sechsstädte



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ruar 1427, die Einung von Strehlen (Strzelin) mit zentralen militärischen, politischen und gerichtlichen Kompetenzen auf zehn Jahre geschlossen und unter die Obmannschaft des Breslauer Bischofs Konrad von Oels (Oleśnica) und Herzog Ludwigs von Brieg (Brzeg) gestellt.97

6. Die Heerfahrten der Hussiten nach Schlesien in den Jahren 1428–1435 Angesichts wachsender Isolation gegenüber den Nachbarländern verstärkten die Hussiten ihre Offensiven nach außen. Peter Hilsch hat Ziele und Folgen der 1428 einsetzenden „herrlichen Heerfahrten“ (spanile jízdy) der Taboriten und Waisen in einer knappen Übersichtsdarstellung der Kreuzzüge gegen die Hussiten in der Festschrift für Winfried Eberhard 2006 wie folgt umschrieben: Die Feldzüge der Hussiten „sollten dem Export ihrer religiösen und revolutionären Züge dienen und wohl auch die Kirche zu einem Kompromiß zwingen. Hussitische Manifeste wurden in ganz Europa verbreitet. Raub und Brand aber machten die Hussiten der einheimischen Bevölkerung nur verhaßt und legten den Grund für eine noch lang anhaltende Ketzerangst.“98 unter Kaiser Sigmund, 2 Bde., Görlitz 1911–1916 (auch in: Neues Lausitzisches Magazin 87 [1911], S. 33–279, 90 [1914], S. 31–146, 92 [1916], S. 72–151); Kersken, Norbert: Die Oberlausitz von der Gründung des Sechsstädtebundes bis zum Übergang an das Kurfürstentum Sachsen (1346–1635), in: Bahlcke, Joachim (Hg.): Geschichte der Oberlausitz. Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Leipzig 2001, S. 99–141, hier S. 109–111. 97 Urk.Beitr. I, Nr. 429, S. 487–490; Grünhagen (Hg.): Geschichtsquellen der Hussitenkriege (wie Anm. 8), Nr. 72, S. 51 f.; Bahlcke, Joachim: Die Geschichte der schlesischen Territorien von den Anfängen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, in: Ders. (Hg.), Schlesien und die Schlesier (Studienbuchreihe der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat 7), München 1996, S. 39 f. (mit Abdruck der Einung). – Dazu auch Urk.Beitr. I, Nr. 430, S. 490–493. 98 Hilsch, Peter: Die Kreuzzüge gegen die Hussiten: Geistliche und weltliche Macht in Konkurrenz, in: Bahlcke, Joachim/Lambrecht, Karen/Maner, Hans-Christian (Hgg.): Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, Leipzig 2006, S. 200–215, hier S. 209. – Zu den Manifesten: Pečírková, J.: Die Hussitenmanifeste als literarische Werke, in: Acta Universitatis Carolinae – PhH 5 (Graecolatina Pragensia 3) (1966), S. 83–93; Molnár, Amedeo (Übers.): Husitske Manifesty (Světová četba 495), Praha 1980; Spunar, Pavel: Repertorium auctorum Bohemorum provectum idearum post Universitatem Pragensem conditam illustrans, Tom. II (Studia Copernicana 35), Varsaviae/Pragae 1995, S. 116–124; Hruza, Karel: Schrift und Rebellion. Die hussitischen Manifeste von 1415–1431 aus Prag, in: Šmahel, František: Geist, Gesellschaft, Kirche im 13.–16. Jahrhundert. Internationales Kolloquium Prag 5.–10. Oktober 1998 (Colloquia mediaevalia Pragensia 1), Praha 1999, S. 81–108; Ders.: „Audite et cum speciali diligencia attendite verba litere huius.“ Hussitische Manifeste: Objekte – Methode – Definition, in: Egger Christoph/Weigl, Herwig (Hgg.). Text – Schrift – Codex. Quellenkundliche Arbeiten aus dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Erg.Bd. 35), Wien/ München 2000, S. 345–384; Šmahel: Die Hussitische Revolution I–III (wie Anm. 2) (Reg.).

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Der Feldzug der hussitischen Feldheere nach Schlesien im Frühjahr 1428 ist auch als Antwort auf die Strehlener Einung zu verstehen,99 welcher sich nach der Niederlage der Verbände des vierten Kreuzzugs bei Tachau (Tachov) 1427 auch die Mehrheit der bisher noch nicht beteiligten schlesischen Fürsten und Städte anschlossen. Da den Taboriten und Waisen der direkte Weg nach Schlesien durch das von Schlesiern gut befestigte Braunauer Land versperrt war, wählten sie den Weg über Mähren, wo sich ihnen Dobeslav Puchala mit einem Kontingent mährischer Hussiten anschloß. Puchala spielte in der Folgezeit eine wichtige Rolle im schlesischen Hussitenkrieg.100 Das Heer zog durch das Fürstentum Troppau (Opava) in Richtung der Stadt Neisse (Nysa), der Hauptstadt des Breslauer Bistumslandes. Während Bischof Konrad von Oels und Půta von Častolovice, der Befehlshaber des Glatzer Truppenkontingents, ihre Streitmacht bei Neisse zusammenzogen, überschwemmten die hussitischen Heeresabteilungen das weite schlesische Land. Das nächste Ziel der hussitischen Streitmacht war Brieg (Brzeg), die stärkste schlesische Festung im oberen Landesteil. Unter dem Eindruck der Verwüstung des Landes entschlossen sich nicht wenige schlesische Fürsten und Städte zum Abschluß von Sonderabkommen mit den Hussiten, so die oberschlesischen Herzöge von Oppeln (Opole), Ratibor (Racibórz), Troppau (Opava), Auschwitz (Oświęcim) und Teschen (Těšín).101 Johannes von Münsterberg und Bernhard von Oppeln wurden zur Kapitulation gezwungen. Kurz nach der Übergabe von Brieg an die Hussiten kapitulierte Ludwig der Jüngere von Ohlau. Wenzel von Grätz, den Sohn des Herzogs von Troppau, und Herzog Bolko (V.) von Oberglogau (Glogówek) und Oppeln gewannen die Hussiten als Verbündete.102 Bolko, der die hussitischen Ideen während seines Studiums in Prag kennengelernt hatte, blieb dem Hussitismus bis zu seinem Tod (1460) treu;103 er war nach Thomas Wünsch „vielleicht die schillerndste Figur auf dem oberschlesischen Kriegsschauplatz in der Hussitenzeit“ überhaupt.104 Mit den eingeforderten Ablösungssummen finanzierten die Hussiten ihren weiteren Zug durch Schlesien.

99 Für die in diesem Abschnitt angeführten Kampfhandlungen und Besetzungen wird im Folgenden zum Teil auf Einzelbelege verzichtet. Die Angaben wurden zumeist den folgenden Arbeiten entnommen: Grünhagen: Geschichtsquellen der Hussitenkriege (wie Anm. 8); Ders.: Hussitenkämpfe (wie Anm. 8); Maleczyńska, Ruch husycki (wie Anm. 8); Heck, Schlesien (wie Anm. 8); Bartoš, Husitská revoluce I-II (wie Anm. 51); Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 2); Wünsch, Mittelalterliches Krisenmanagement (wie Anm. 8). – Eine der Übersichtsdarstellung über die hussitische Revolution von Jiří Kejř beigegebene Karte der Feldzüge der hussitischen Feldheere vermittelt einen instruktiven Überblick über die Dichte der Hussiteneinfälle in Schlesien: Kejř, Jiří: The Hussite Revolution, Praha 1988, S. 101. 100 Zu ihm Nowak, Zenon Hubert: in: Polski Słownik Biograficzny 29 (1986), S. 323–325; Šmahel, Die Hussitische Revolution II/III (wie Anm. 2), passim. – Puchala entstammte einer in der Zips angesiedelten polnischen Familie. 101 Wünsch: Mittelalterliches Krisenmanagement (wie Anm. 8), S. 179. 102 Moraw: Das Mittelalter (wie Anm. 5), S. 153. 103 Dziewulski: Herezja Bolka opolskiego (wie Anm. 8). 104 Wünsch: Mittelalterliches Krisenmanagement (wie Anm. 8), S. 183–185 (Zitat S. 183).



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Wünsch hat in jüngerer Zeit auf die bislang kaum beachteten Auswirkungen der Kriegszüge auf die Wirtschaft des Landes hingewiesen.105 Das auf Grund seiner Lage vor hussitischen Überfällen besonders gefährdete Glatzer Land war 1428 mehrfach Ziel derartiger Aktionen. Weithin bekannt wurde der Überfall auf das Dominikanerkloster in Frankenstein (Ząbkowice Śląskie) an der von Glatz nach Breslau führenden Straße. Am 2. April 1428 erlitten hier der Subprior Nikolaus Carpentarii, der gegen die Hussiten gepredigt hatte, und die Ordensbrüder Johannes und Andreas einen grausamen Tod; Nikolaus wurde auf einem Haufen zertrümmerter Heiligenbilder verbrannt, Johannes in Stücke gehauen und Andreas mit Pfeilen erschossen. Ihre Überreste wurden aufgesammelt; als Selige genossen die „Frankensteiner Märtyrer“ vor Ort über die Jahrhunderte lokale Verehrung.106 Als im Dezember 1428 Verbände der Waisen in das Glatzer Land einfielen, stellte sich ihnen Herzog Johann von Münsterberg entgegen, der bereits im Frühjahr dieses Jahres ein Abkommen mit den Hussiten geschlossen hatte. Am 27. Dezember 1428 kam es unter Johanns Führung bei Altwilmsdorf (Stary Wielisław) wenige Kilometer westlich von Glatz zum Kampf mit den Hussiten, bei dem Herzog Johann und weitere 350 Mitstreiter den Tod fanden. Das Deckenfresko der 1904/05 zum Andenken an das Treffen errichteten neubarocken Kapelle zeigt den Tod des Herzogs.107 Auf ihrem zweiten großen Feldzug nach Schlesien im Frühjahr 1430 nahmen die unter Führung des Jakob Kroměšín von Březovice stehenden Feldtaboriten, denen sich auch die Gefolgschaften Puchalas und Korybuts anschlossen, die Städte Kosel (Koźla), Nimptsch (Niemcza), Kreisau, (Krzyżowa), Würben (Wierzbna), Winzenberg (Więcmierzyce), Ottmachau (Otmuchów)und Münsterberg (Ziębice) ein und bauten diese zu einem festen Kordon von Zwingburgen aus, durch welche sie das umliegende Land kontrollierten und jeden Versuch zum Widerstand im Keim erstickten. Gleiwitz (Gliwice) war 1430/31 Standquartier Sigismund Korybuts, Kreuzburg (Kluczbork) 1430–1434 Sitz des Hussitenführers Dobeslav Puchala, Nimptsch und Ottmachau blieben von 1430 bis zum Beginn des Jahres 1435 in hussitischer Hand.108 Vergeblich hatten die vor Namslau (Namysłów) 105 Wünsch: Mittelalterliches Krisenmanagement (wie Anm. 8), S. 190 f. 106 Grünhagen: Geschichtsquellen der Hussitenkriege (wie Anm. 8), S. 174 f.; Neumann: Die katholischen Märtyrer (wie Anm. 94), S. 54–61 (hier Näheres über die zeitgenössischen Quellen), 265 (Beglaubigungsurkunde über die Reliquien von 1727). – Zum Kloster: DehioHandbuch der Kunstdenkmäler in Polen: Schlesien, hgg. von Ernst Badstübner/Dietmar Popp/Andrzej Tomaszewski/Dethard von Winterfeld, München/Berlin 2005, S. 1173 f. 107 Moraw: Das Mittelalter (wie Anm. 5), S. 152 (Abb. eines Kupferstichs der Schlacht aus dem Jahr 1655); Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen (wie Anm. 106), S. 872; Völkel, Ruthild: Das altehrwürdige Gnadenbild von Altwilmsdorf (Marienbildnisse der Grafschaft Glatz 4), Münster 2008, S. 8, 10. 108 Eberhard, Winfried: Ende der Hussitenkriege. Die Hussiten räumen Nimptsch und Ottmachau, in: Ostdeutsche Gedenktage 1985, Bonn 1984, S. 233–235; W ünsch : Mittelalterliches Krisenmanagement (wie Anm. 8), S. 177; Š mahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S.1489–1495, III, S. 1554 f. – Ein Bittbrief des Breslauer Rats an den Liegnitzer Hauptmann Peter Schirau und den Liegnitzer Rat um Hilfe bei der Belagerung von Nimptsch vom 10. Oktober 1430 in: Urk.Beitr. II., Nr. 709, S. 172 f

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lagernden Feldhauptleute Jakob Kroměšín von Březovice, Sigismund Korybut und Prokop der Große im Namen des taboritischen Heeres den Namslauer Rat am 28. November 1430 zu friedlicher Unterhandlung über die Ursachen des Krieges aufgefordert, wobei sie für den Fall der Ablehnung mit Schäden in der Art wie sie andere Städte erlitten, gedroht hatten. Namslau fühlte sich militärisch stark genug und lehnte das Friedensdiktat ab, worauf das taboritische Heer die Belagerung nach mehreren Tagen aufgab. 109 Nach dem Abzug sammelte sich dieses unter Friedrich von Straßnitz vor der bischöflichen Festung Ottmachau (Otmuchów), die Nikolaus von Zedlitz, der dortige Befehlshaber, auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen an die Taboriten auslieferte; Nikolaus von Zedlitz wurde deshalb später auf dem Breslauer Marktplatz enthauptet.110 Der dritte Einfall in Schlesien 1433, von dem vor allem Oberschlesien betroffen war, war Teil des großen Feldzugs der Hussiten bis an die Ostsee.111 Ein Ende der Bedrängnis durch die Hussiten in Schlesien wurde erst mit der Schlacht bei Lipan (Lipany) am 30. Mai 1434 eingeleitet, bei welcher die zur Annahme der sog. Prager Kompaktaten nicht bereiten Radikalen – die Waisen, die Taboriten und die mit ihnen verbündete Prager Neustadt – von einer Koalition utraquistischer und katholischer Barone vernichtend geschlagen wurden und bei der Taboritenpriester Prokop der Große, der einflußreichste Anführer auf Seiten der hussitischen Revolutionäre in der zweiten Hälfte der zwanziger und ersten Hälfte der dreißiger Jahre des 15. Jahrhunderts, den Tod fand.112

7. Klöster und Stifte in Schlesien als Zufluchtsorte böhmischer Emigranten und antihussitische Stützpunkte Großen Anteil an der Entwicklung Schlesiens zu einem Zentrum des Antihussitismus hatten die Exulanten aus den Kreisen des böhmischen Welt- und Ordensklerus, die sich seit 1421/22 in größerer Zahl in schlesischen Stiften und Klöstern aufhielten113. Die Wege in das 109 Die hussitische Aufforderung in: Urk.Beitr. II, Nr. 712, S. 175. – Bartoš, František Michálek: Husitství a cizina [Der Hussitismus und das Ausland], Praha 1931, S. 226, Anm. 13; Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1495. 110 Šmahel: Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 2), S. 1495. 111 Šmahel: Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 2), S. 1575. – Zu diesem Feldzug ist auf zwei Beiträge mit Editionen einschlägiger Briefe von Ivan Hlaváček hinzuweisen: List táborské polní obce Slezanům (wie Anm. 8) und Poznámky k problému „Husitství a Slezsko“ (wie Anm. 8). – Macek, Josef: Husité v na Baltu a ve Velkopolsku, Praha 1951. 112 Urbánek, Rudolf: Lipany a konec polních vojsk [Lipan und das Ende der Feldheere], Praha o.J. [1934]; Čornej, Petr: Lipanská křižovatka. Příčiny, průběh a historický význam jedné bitvy [Der Kreuzweg von Lipany. Ursachen, Verlauf und Bedeutung einer Schlacht], Praha 1992; Šmahel, Die Hussitische Revolution III, passim. – Speziell zu Prokop: Macek, Josef: Prokop Veliký [Prokop der Große], Praha 1953. 113 Machilek, Franz: Datum tempore exilii nostri in materia fidei. Zur Emigration von Welt- und Ordensgeistlichen aus Böhmen in der Hussitenzeit, in: S eibt , Ferdinand (Hg.): Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Bosl zum 80. Geburtstag, Bd. 1, München 1988, S. 206–226; Kadlec, Jaroslav: Katoličtí exulanti čeští doby husitské [Die katholischen böh-



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Exil waren vielfach durch bestehende Gebetsverbrüderungen oder sonstige Beziehungen zwischen den Klöstern vorgezeichnet; eine wichtige Rolle spielte auch die gemeinsame Provinzzugehörigkeit.114 Als Bibliotheksorte spielten die Stifte und Klöster bei der Verbreitung der antihussitischen Schriften eine herausragende Rolle.115 Besonders gut fassen läßt sich die Emigration von Regularkanonikern aus einer Reihe böhmischer Stifte der Raudnitzer Reform,116 die wegen der in den Kanonien früh einsetzenden antihussitischen Aktivitäten seit Beginn der hussitischen Revolution besondere Angriffsziele für die hussitischen Radikalen bildeten.117 Bevorzugte Zufluchtsorte der böhmischen Augustiner-Chorherren in Schlesien waren Sagan (Żagań) und das Breslauer Sandstift. Der Chorherr Martin aus dem im Mai 1421 zerstörten Klosters Raudnitz (Roudnice) an der Elbe schrieb und illuminierte in Sagan in den Jahren 1422–1424 das heute in

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mischen Exulanten der Hussitenzeit], Praha 1990; Boldan, Kamil: Die Augustiner-Chorherren aus Raudnitz und Sadská im Exil in der Hussitenzeit als Schreiber der Handschriften, in: Studie o rukopisech 29 (1992), S. 79–93; Rüther, Andreas: Böhmische Altgläubige nach der Flucht vor den Hussiten in ihrer neuen Umwelt. Schlesien, die Lausitzen und Mähren, in: Bahlcke, Joachim/Bendel, Rainer (Hgg.): Migration und kirchliche Praxis. Das religiöse Leben frühneuzeitlicher Glaubensflüchtlinge in alltagsgeschichtlicher Perspektive (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 40), Köln/Weimar/Wien 2008, S. 1–18, hier S. 12–15. – Nähere Daten zu den Stiften und Klöstern sind den bisher vorliegenden Folgen des ,Schlesischen Klosterbuchs‘ zu entnehmen. Bisher liegen über drei Dutzend Beschreibungen von einzelnen Klöstern bzw. Übersichten über einzelne Orden vor, bearb. von Heinrich Grüger, Werner Marschall, Lucius Teichmann u.a., erschienen in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 21 (1980) – 36/37 (1995/96). Krafl, Pavel: Dokumenty konfraterni czeskich, morawskich i śląskich klasztorów z pierwszej połowy XV wieku. Z archiwum klasztoru kanoników regularnych laterańskich w KrakówieKazimierzu [Konfraternitätsurkunden böhmischer, mährischer und schlesischer Klöster aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Aus dem Archiv der regulierten lateranensischen Chorherren in Krakau-Kazimierz], in: Rocznik Biblioteki Narodowej Polska Akademie Nauk/ Polska Akademia Umiejętności 48 (2003), S. 9; Pobóg-Lenartowicz: Kontakty (wie Anm. 39), S. 198. – Cinke, Vladimír: Organizace českých klášterů v 13. a 14. století na základě provinčním [Die Organisation der böhmischen Klöster im 13. und 14. Jahrhundert auf der Grundlage der Provinzen], in: Československý časopis historický 16 (1968), S. 435–446. Darauf hat Pavel Soukup jüngst in einer Studie über die Handschriften des Erfurter Kartäuserklosters exemplarisch hingewiesen: Zur Verbreitung theologischer Streitschriften im 15. Jahrhundert. Eine antihussitische Sammelschrift aus der Erfurter Kartause, in: Studia Mediaevalia Bohemica 1 (2009), S. 231–257. Zibermayr, Ignaz: Zur Geschichte der Raudnitzer Reform, in: Mitteilungen des österreichischen Instituts für Geschichte, Erg.Bd. 11 (1929), S. 323–353; Machilek, Franz: Die Augustiner-Chorherren in Böhmen und Mähren, in: Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien IV (1976), S. 107–144. Schmidtová, AneŽka: Husova collecta ,Ad te levavi‘ jako pramen epištolní postily br. Václava Paška, řeholního kanovníka kláštera v Rokycanech [Hussens Collecta ,Ad te levavi‘ als Quelle der Briefpostille des Fr. Wenzel Pašek, regulierten Kanonikers des Klosters in Rokitzan], in: Listy filologické 78 (1955), S. 231–235, 79 (1976), S. 71–79, hier 78, S. 232 f.

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der Universitätsbibliothek Breslau verwahrte Saganer Pergamentmissale Cod. I F 343118. Eine 1418 in Sagan entstandene Abschrift des Neuen Testaments (Universitätsbibliothek Breslau, Cod. I Q 6) enthält neben lateinischen Glossen auch längere tschechische Übersetzungen zwischen den Zeilen, die von Flüchtlingen aus Böhmen stammen dürften.119 Wertvolle Handschriften und Pretiosen des Raudnitzer Stifts verbrachten die Exulanten in das Sandstift nach Breslau.120 Offenbar zwang die wirtschaftliche Situation Propst Johannes von Raudnitz schon bald, einen Teil der geretteten Kleinodien zu veräußern, darunter ein silbernes Bild an das Sandstift sowie ein dem hl. Lukas zugeschriebenes Marienbild und andere Pretiosen an das Fronleichnamsstift zu Kazimierz.121 Der 1430 im Reglerkloster zu Erfurt gewählte Nachfolger des Raudnitzer Propstes Johannes, Propst Matthias Vrabec, lebte zeitweise im Breslauer Sandstift.122 Mehrere Chorherren des Stiftes Sadska (Sadská) wählten in Sagan 1421 einen neuen Propst.123 Der Ordensbruder Johannes und ein weiterer Bruder aus dem Stift Sadska befanden sich nach Ausweis der Handschriften XIX C 49 und XI C 1 der Prager Nationalbibliothek im Breslauer Sandstift im Exil.124 Propst Remigius von Jaromir (Jaroměř) verstarb als letzter Vorsteher dieses Stiftes im Sandstift zu Breslau, wo er sich zuvor viele Jahre als Exulant aufgehalten hatte.125

118 Maleczyńska: Ruch husycki (wie Anm. 8), S. 396, Anm. 76; Świerk, Alfred: Średniowieczna biblioteka klasztoru kanoników regularnych św. Augustyna w Żaganiu [Die mittelalterliche Bibliothek des Klosters der regulierten Chorherren des hl. Augustinus in Sagan], Wrocław 1965, S. 46, 50, 154; Ders., Schreibstube und Schreiber des Augustiner-Chorherrenstifts zu Sagan im Mittelalter, in: ASKG 26 (1968), S. 124–140, hier S. 132; Machilek: Ludolf von Sagan, S. 37, 56 f.; Ders.: Datum tempore exilii (wie Anm. 13), S. 221; Pobóg-Lenartowicz: Kontakty (wie Anm. 399), S. 196. 119 Rother, Karl Heinrich: Ein Ausleihregister der Augustiner-Chorherren zu Sagan. Ein Beitrag zur Geschichte der Bibliothek, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 43 (1926), S. 1–22, hier S. 18; Machilek: Datum tempore exilii (wie Anm. 113), S. 221. 120 Dvořák, Max: Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 22 (1901), S. 35–126, hier S. 44; Machilek: Datum tempore exilii (wie Anm. 113), S. 221. 121 Zibermayr: Zur Geschichte der Raudnitzer Reform (wie Anm. 116), S. 340; Machilek: Datum tempore exilii (wie Anm. 113), S. 221. 122 Kadlec: Katoličtí exulanti (wie Anm. 113), S. 44. – Zum Fronleichnamstift jetzt Ł atak, Kazimierz, in: Röhrig, Floridus (Hg.): Die bestehenden Stifte der Augustiner-Chorherren in Österreich, Südtirol und Polen (Österreichisches Chorherrenbuch [I]), Klosterneuburg/Wien 1997, S. 471–519. 123 Zibermayr: Zur Geschichte der Raudnitzer Reform (wie Anm. 116), S. 340; Machilek: Datum tempore exilii (wie Anm. 113), S. 221. 124 Boldan: Die Augustiner-Chorherren aus Raudnitz (wie Anm. 113), S. 83 f. 125 Kadlec: Katoličtí exulanti (wie Anm. 113), S. 47. Der hier zitierte Eintrag im Raudnitzer Necrolog lautet wie folgt: „Item obiit venerabilis pater dominus Remigius, ultimus prepositus monasterii Marie Virginis in Jaromir, nullum de suis fratribus superstitem post se derelinquens, qui bona huic monasterio delegavit, et sepultus est in Wratislavia in monasterio beate Virginis in Arena, ubi multis annis tamquam exul commoratus est“ (Prag, Nationalbibliothek XIX B 3, fol. 67r).



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Nach der Glatzer Chronik des Michael Czacheritz von Neisse (Nysa), der das Augustiner-Chorherrenstift Glatz in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erneuert hat, wurden die Ordensbrüder dieses Stiftes beim Einfall der Hussiten zerstreut; Michael Czacheritz spricht von „fratres nostri dispersi“. Propst Lukas von Glatz fand 1429 mit den wichtigsten Wertgegenständen des Stifts Zuflucht im Breslauer Sandstift.126 Gegenüber den Exulanten aus den Augustiner-Chorherrenstiften sind über die Aufenthalte von Mitgliedern anderer Orden in schlesischen Klöstern bisher weit weniger Nachrichten bekannt geworden. Prämonstratenser-Chorherren aus Strahov wandten sich in das Breslauer Vinzenzstift; hier ist 1434 Abt Nikolaus von Strahov verstorben.127 Kreuzherren mit dem roten Stern aus den Niederlassungen in Böhmen fanden Aufnahme im Matthiasstift in Breslau, das als einzige Niederlassung ihres Ordens in Schlesien im Hussitenkrieg keine Zerstörungen erlitt. 128 Die in Schlesien gelegenen Propsteien des Benediktinerklosters Opatowitz (Opatovice) nahmen Mönche von hier bei sich auf.129

8. Lehrer und Geistliche aus Schlesien als Anhänger des Hussitismus Abt Ludolf von Sagan weiß am Ende seines Lebens vom Übergreifen hussitischer Lehren auf die schlesischen Schulen zu berichten, nennt jedoch keine Namen.130 Allgemein bil-

126 Wattenbach, Wilhelm: Die Chronik der Augustiner-Chorherren zu Glatz, in: Zeitschrift für Geschichte und Alterthum Schlesiens 3 (1861), S. 33–43, hier S. 36, 38; Zibermayr: Zur Geschichte der Raudnitzer Reform (wie Anm. 116), S. 341; Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 53; Hlaváček, Ivan: O kronice Michala Czacheritze z Nisy a některých možnostech jejího využití [Über die Chronik des Nikolaus Czacheritz von Neisse und einige Möglichkeiten ihrer Auswertung], in: Zpravodaj Místopisné komise Československá akademie věd 31 (1981) Nr. 2–5, 1. Teil, S. 313–327, hier S. 319; Machilek: Datum tempore exilii (wie Anm. 113), S. 222; Mrozowicz, Wojciech: Kronika klasztoru kanoników regularnych w Kłodzku. Ze studiów nad średniowiecznym dziejopisarstwem klasztornym [Die Chronik des Klosters der Regularkaniker zu Glatz. Aus den Studien zur mittelalterlichen Klostergeschichtsschreibung] (Acta Universitatis Wratislaviensis 2234. Historia 143), Wrocław 2001; Ders. (Ed.): Cronica monasterii canonicorum regularium (S. Augustini) in Glacz. Kronika klasztoru kanoników regularnych (św. Augustyna) w Kłodzku, Wratislaviae 2003. 127 Kadlec: Katoličtí exulanti (wie Anm. 113), S. 49. – Zu diesem Kloster allgemein: Derwich, Marek: Der Prämonstratenserorden im mittelalterlichen Polen. Seine Rolle in Kirche und Gesellschaft, in: C rusius , Irene/F lachenecker , Helmut (Hgg.): Studien zum Prämonstratenserorden (Studien des Max-Planck-Instituts für Geschichte 185/Studien zur Germania Sacra 25), Göttingen 2003, S. 311–347, hier S. 342 f. u.ö. 128 Kadlec: Katoličtí exulanti (wie Anm. 113), S. 41. – Lorenz, Willy: Die Kreuzherren mit dem roten Stern (Veröffentlichungen des Königsteiner Institutes für Kirchen- und Geistesgeschichte der Sudetenländer 2), Königstein/Ts. 1964, S. 48 f. 129 Kadlec: Katoličtí exulanti (wie Anm. 113), S. 53. 130 Tract., S. 544–546. – Maleczyńska: Ruch husycki (wie Anm. 8), S. 399; Heck: Schlesien (wie Anm. 8), S. 220; Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 23), S. 49.

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deten niedere Schulen vielfach Einfallstore und Umschlagplätze für waldensische und hussitische Lehren.131 Aus den Verhören der 1424/25 bzw. 1425 in den Residenzen der Speyerer Bischöfe zu Heidelberg und Udenheim (heute Philippsburg) bei Bruchsal geführten Inquisitionsverfahren gegen die stark waldensisch geprägten deutschen Hussiten Johannes Drändorf aus dem sächsischen Schlieben bei Meißen und Peter Turnau aus dem preußischen Tolkemit bei Elbing (Elbląg) ergeben sich nähere Einzelheiten über die in ihrer Prager Zeit geknüpften Beziehungen zu den aus Reichenbach in Schlesien stammenden Gesinnungsgenossen Thomas und Laurentius,132 wobei eher an Reichenbach bei Schweidnitz (Dzierżoniów) als an Reichenbach bei Sagan (Przybymierz) zu denken ist. Die Bekanntschaft der vornehmlich wegen hussitischer Ketzerei in Heidelberg und Udenheim im Februar bzw. im Juni 1425 zum Tod verurteilten und auf dem Scheiterhaufen verbrannten Prediger scheint an der 1411 durch die Magister Petrus und Nikolaus von Dresden am Graben in Prag begründeten, vornehmlich von Deutschen besuchten Partikularschule ,Zur Schwarzen Rose‘, der sog. ,Dresdener Schule‘, geknüpft worden zu sein, deren Mitglieder wesentlich zur Radikalisierung der hussitischen Bewegung und Einführung des Laienkelchs beitrugen.133 Peter Turnau nannte Thomas von Reichenbach vor dem Inquisitionsgericht als seinen biblischen Lehrer, bei dem er eine Vorlesung über das Buch der Könige gehört habe.134 Laurentius trat später auf dem Basler Konzil als Sekretär Prokops des Großen hervor.135 Die Vermutung von František Michálek Bartoš, er sei auch der Verfasser des anonym überlieferten offiziellen Tagebuchs der taboritischen Gesandtschaft auf dem Basler Konzil (,Relatio de gestis Bohemorum in concilio Basiliensi‘), werden von Ivan Hlaváček, František Šmahel und Pavel Spunar negativ beurteilt.136 Nach dem Basler Kon131 Vergleichsmaterial hierzu bei Heimpel: Drei Inquisitions-Verfahren (wie Anm. 36), passim. 132 Heimpel: Drei Inquisitions-Verfahren (wie Anm. 36), S. 27, 30 f., 85, 187, 207, Molnár, Amedeo: Die Waldenser. Geschichte und europäisches Ausmaß einer Ketzerbewegung, Göttingen 1980, S. 256, 268, 278, 440; Machilek, Franz: Deutsche Hussiten, in: Seibt (Hg.), Jan Hus, S. 267–282, hier S. 279. 133 Mutlová, Petra: Die Dresdner Schule in Prag: eine waldensische „Connection“? In: de Lange, Albert/Utz Tremp, Kathrin (Hgg.): Friedrich Reiser und die „waldensische Internationale“ im 15. Jahrhundert. Akten der Tagung Ötisheim-Schönenberg, 2. bis 4. Oktober 2003 (Waldenserstudien 3), Heidelberg/Ubstadt-Weiher/Basel 2006, S. 261–276. 134 Heimpel: Drei Inquisitions-Verfahren (wie Anm. 36), S. 108. 135 Molnár: Die Waldenser (wie Anm. 132), S. 178. 136 Palacký, František (Ed.): Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti. Concilium Basiliense, Tom. I, Wien 1857, S: 269–357 (nach dem Editor verfaßt von Peter von Saaz/Žatec); Hlaváček, Ivan (Übers.): Deník táborského kněze o jednání Čechů na koncilu basilejském z roku 1433 [Das Tagebuch eines Taboritenpriesters über die Verhandlungen der Böhmen auf dem Basler Konzil im Jahr 1433], in: Ders. (Hg.): Ze zpráv a kronik (wie Anm. 61), S. 317–419, 450–460 (Anm.).– Bartoš, František Michálek: Z husitského a bratrského dějepisetství [Aus der hussitischen und brüderischen Geschichtsschreibung], in: Sborník historický 2 (1954), S. 83–112, hier S. 97 f.; Ders.: Basilejský revolucionář a husitské ohlasy v jeho díle [Ein Basler Revolutionär und das hussitische Echo in seinem Werk], in: Sborník historický 3 (1955), S. 111–143, hier S. 139 f.; Hlaváček (Hg.): Úvod [Vorwort], in: Ze zpráv



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zil unterstützte der Waldenserführer Friedrich Reiser Laurentius im Auftrag Prokops des Großen über ein Jahr lang bei der Gemeindearbeit in der ostböhmischen Stadt Landskron (Lanškroun).137 Die bisher bekanntgewordenen Nachrichten über das Wirken schlesischer Anhänger der Hussiten aus dem Priester- und Lehrerstand sind spärlich, sie vermitteln aber nichtsdestoweniger einen Eindruck von den weitverzweigten Verbindungen der Hussiten.

9. Antihussitische Traktate, Invektiven und Aufzeichnungen In diesem Zusammenhang ist zunächst noch einmal an den bereits mehrfach genannten Traktat Ludolfs von Sagan über das große Schisma zu erinnern. In der Universitätsbibliothek Breslau sind in den Bücherbeständen aus schlesischen Klöstern zahlreiche antihussitische Schriften überliefert, darunter ,Quaestiones de Hussitis‘ (I Q 90) und ,Interrogaciones contra Hussitas‘ (IV F 263).138 Eine wichtige Erkenntnisquelle für die im Land herrschende Einstellung gegenüber dem Hussitismus stellen die antihussitischen Invektiven schlesischer Provenienz dar. Pavel Spunar ist die Edition mehrerer antihussitischer Gedichte zu verdanken, die en bloc in einem zum größeren Teil in der Mitte der zwanziger Jahre des 15. Jahrhunderts niedergeschriebenen, wahrscheinlich aus dem Kreuzherrenkloster St. Matthias in Breslau stammenden und für homiletische Zwecke bestimmten Breslauer Codex (IV F 13) sowie einzeln zum Teil auch in anderen Codices abschriftlich überliefert sind. Das erste Gedicht – ,Sunt Wiclefiste‘ – beginnt mit einem Angriff auf die verdorbene Lebensweise der Hussiten, die wie alle Ketzer an ihrem blassen Antlitz zu erkennen seien; wer ihrer Überredung unterliege, komme in die Hölle. Das zweite Gedicht – ‚Dum de fide loquimur‘ ist ein Plädoyer für den schlichten Glauben; Räsonieren über den Glauben, wie es die Wyclifisten üben, führe zur Sophistik. Das dritte Gedicht – ,Heu, Wiklefiste‘ – ist an Christus gerichtet, der die Gottlosigkeit ausrotten und das böhmische Volk (gens Bohema) zum wahren Glauben zurückführen soll. Alle drei Gedichte stehen nach Spunar dem zisterziensischen Milieu nahe.139 Von dem in Oberglogau (Glogówek) und zeitweilig auch in Olmütz (Olomouc) wirkenden Franziskaner Nikolaus von Kosel (Koźla) liegt in der Breslauer Handschrift I Q 466 eine Sammlung mit vielfältigen Texten und eigenen Aufzeichnungen aus den Jahren a kronik, S. 4–21, hier S. 20 f.; Spunar, Pavel: Repertorium II (wie Anm. 98), S. 66 f.; Šmahel: Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 2), S. 1564 f.; Machilek, Franz: Aufschwung und Niedergang der Zusammenarbeit von Waldensern und Hussiten im 15. Jahrhundert (unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Deutschland, in: de Lange/Utz Tremp (Hgg.): Friedrich Reiser, S. 277–316, hier S. 297. 137 Šmahel: Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 2), S. 1930; Machilek: Aufschwung (wie Anm. 136), S. 296. 138 Schmidtová, Anežka: Z bohemik vratislavské universitní knihovny [Aus den Bohemica der Universitätsbibliothek Breslau], in: Listy filologické 83 (1960), S. 98–105, hier S. 100 f.; Drabina: Das Echo des Hussitismus (wie Anm. 8), S. 264, Anm. 11. 139 Spunar, Pavel: Antihussitische Verse aus Schlesien, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 74 (1974), S. 189–200 (Edition: S. 198–200).

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1416/17 vor, darunter Bemerkungen zum Tod Hussens und dreien seiner Anhänger in Olmütz 1415 und 1419 sowie einem 1417 von ihm in Olmütz aufgezeichneten Kampflied gegen die Hussiten, das mit der Bitte endet, das Gift der „Schlange Hus“ nicht weiter in die Köpfe der Menschen dringen zu lassen.140 Ein aus Anlaß der kriegerischen Einfälle der Hussiten in Schlesien entstandenes Gebet ,Heu, Deus meus‘ hat Pavel Spunar aus der Breslauer Handschrift I Q 92 veröffentlicht.141 Von Martin Kotbus, Bürger und Ratsmann in der am Nordabhang des Riesengebirges, nahe der Grenze zu Böhmen im Herzogtum Schweidnitz-Jauer gelegenen Stadt Bolkenhain (Bolków), stammen längere ,Aufzeichnungen über die Hussitenzüge nach Schlesien‘ aus den Jahren um 1430. Die holzschnittartige Darstellung Martins von Bolkenhain von der Grausamkeit der Hussiten auf der einen und der Leiden der Schlesier auf der anderen Seite fand über längere Auszüge in Gustav Freytags ,Bildern aus der deutschen Vergangenheit‘ Eingang in die ältere historische Literatur.142

10. Fazit Schlesische Magister haben bald nach Beginn der wyclifitisch-hussitischen Bewegung an der Prager Universität eine anhaltende oppositionelle Haltung eingenommen und diese nach dem Exodus der deutschen Professoren und Studenten an die Universität Leipzig hier und an anderen Universitäten weitergeführt. Parallel dazu entwickelte sich Schlesien selbst zu einem antihussitischen Bollwerk, von dem die hussitischen Reformideen lange Zeit weitgehend ferngehalten werden konnten. Nach Ausbruch der hussitischen Revolution waren für die Haltung der Schlesier die räumliche Nähe zu den hussitischen Zentren im 140 Nejedlý, Zdeněk: Dějiny předhusitského zpěvu v Čechách [Geschichte des vorhussitischen Gesangs in Böhmen], Praha 1904, S. 230, Anm. 1; Denecke, Ludwig: Nikolaus von Kosel, in: VL 6 (21987), Sp. 1089–1093, hier Sp. 1091 f.; Bein, Werner: Nikolaus von Cosel. Geistliche Literatur im schlesisch-mährischen Raum zu Beginn des 15. Jahrhunderts,, in: Kosellek, Gerhard (Hg.): Die Anfänge des Schrifttums in Oberschlesien bis zum Frühhumanismus, Frankfurt a.M. 1997, S. 41–58, hier S. 50. 141 Spunar, Pavel: Drobné texty a zprávy z rukopisů: 4. Anonymní antihussiticum ze slezského prostředí ,Heu, Deus meus‘ [Kurze Texte und Nachrichten aus Handschriften: 4. Ein anonymes Antihussiticum aus schlesischer Überlieferung: ,Heu, Deus meus‘], in: Sborník Národního muzea v Praze C-12 (1967), S. 237; Ders., Repertorium II (wie Anm. 98), S. 223 f. (,Heu, Deus meus‘). 142 Editionen der Aufzeichnungen Martins von Bolkenhain: Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich, in: Scriptores rerum Lusaticarum, NF 1, Bd. 1, Görlitz 1839, S. 354–373; Wachter, F. in: SSrerSiles, Bd. 12, Breslau 1883, S. VII–XI, 1–18. – Freytag, Gustav: Bilder aus der deutschen Vergangenheit 2,1 (Gesammelte Werke. Neue wohlfeile Ausgabe, Ser. 2, Bd. 4), Leipzig/Berlin/Grunewald o.J., S. 339–351 (Auszüge 1425–1443). – Zu den Aufzeichnungen und deren Autor: Kraus: Husitství v literatuře I (wie Anm. 62), S. 84–86; Krusch, Bruno: Krämer Martinus Kotbus, der Chronist von Bolkenhain, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 37 (1903), S. 310–320; Johanek, Peter: Martin von Bolkenhain, in: VL 6 (21987), Sp. 151–153.



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Norden Böhmens und die dadurch bedingte Ausgesetztheit Schlesiens, die Befürchtungen vor dem Eingreifen der hussitischen Feldheere und dann die konkreten Erfahrungen mit der das Land mehrfach mit Macht überziehenden Kriegsmacht ausschlaggebend. Die abschreckende Wirkung war in Schlesien offensichtlich ungleich größer als in Polen143, aber stärker als in der Oberpfalz 144 oder in Franken 145. Neben den politischen Gegebenheiten und der Reichstreue der Stadt Breslau haben die nationalen Verhältnisse eine maßgebliche Rolle für die hier geschilderte Entwicklung gespielt. In der Frage nach der Aufnahme der hussitischen Ideen und der Zahl deutscher Hussiten in Schlesien bestätigen die hier vorgetragenen Daten und Beobachtungen die Ergebnisse neuerer Forschungen von Kazimierz Popiołek, Władysław Dziewulski und Jan Drabina über das relativ geringe Echo des Hussitismus in Schlesien,146 und entkräften die von der marxistisch ausgerichteten Forschung, insbesondere vertreten durch Ewa Maleczyńska und Roman Heck, in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aufgestellten Thesen, wonach der Hussitismus unter den armen Bauern und Handwerkern, zum Teil aber auch unter dem Adel ein breites Echo in Schlesien gefunden habe und in mehreren Aufständen gegen die bestehende Gesellschaftsordnung in Schlesien eingemündet sei147.

143 Machilek: Böhmen, Polen und die hussitische Revolution (wie Anm. 88); Kras, Paweł: Husyci w piętnastowiecznej Polsce [Hussiten im Polen des 15. Jahrhunderts] (Towarzystwo Naukowe Katolickiego Uniwersytetu Lubelskiego. Żródła i monografie 174), Lublin 1998. 144 Herrmann, Erwin: Hussitische Einflüsse in Nordostbayern, in: Festschrift für Karl Bosl zum 75. Geburtstag, München/Wien 1983, S. 31–41; Machilek: Deutsche Hussiten (wie Anm. 132), S. 274 (Regensburger Prozesse); Grundler, Franz/Dorfner, Dominik: Hussen – Hymnen – Helden – Mythen. Auf den Spuren der Hussiten, Amberg 2005; Machilek, Franz: Hus und die Hussiten in der Oberpfalz, im vorliegenden Band. 145 Schlesinger, Gerhard: Die Hussiten in Franken. Der Hussiteneinfall unter Prokop dem Großen im Winter 1429/30, seine Auswirkungen sowie sein Niederschlag in der Geschichtsschreibung (Die Plassenburg 34), Kulmbach 1974; Machilek, Franz: Hus und die Hussiten in Franken, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 51 (1991), S. 15–37. 146 Popiołek: Tragedia Śląska (wie Anm. 8); Dziewulski: Społeczeństwo śląskie (wie Anm. 8); Drabina: Das Echo (wie Anm. 8). – Nach Drabina (ebd. S. 263 f.) kann „mit einiger Vorsicht [...] vermutet werden, daß einige der Teilnehmer des Breslauer Aufruhrs im Jahre 1418 und mancher Bürger von Gleiwitz, Brieg und Ottmachau und anderer Städte, die den hussitischen Truppen die Stadttore geöffnet hatten, Anhänger des böhmischen Reformators waren. Aber keinesfalls können wir für dieses Territorium von einem Hussitenaufstand sprechen.“ – Demgegenüber erscheint die von Peter Moraw im Rahmen seiner Übersicht der Geschichte Schlesiens im Mittelalter (Moraw, Das Mittelalter, wie Anm. 5, S. 153) über die Zahl schlesischer Hussiten getroffene Feststellung, daß es sich dabei um „eine extrem kleine Zahl“ handelte, etwas zu rigoros. 147 Maleczyńska: Ruch husycki (wie Anm. 8); Heck: Schlesien (wie Anm. 8).

Heike Faltenbacher Eger als antihussitisches Zentrum und ALS Verhandlungsort während des Basler Konzils In der Zeit der hussitischen Revolution kam der in strategisch wichtiger Lage an der Grenze zwischen dem Römisch-Deutschen Reich und dem Königreich Böhmen gelegenen Stadt Eger (tschechisch: Cheb) und dem Egerland besondere Bedeutung zu.1 Als Mittelpunkt des ursprünglich zum bayerischen Nordgau gehörigen, unter der Herrschaft der Diepoldinger und deren Ministerialen stehenden und 1135 erstmals als regio Egire bezeichneten Egerlandes war Eger nach dem Tod Markgraf Diepolds II. von Vohburg 1146 in den Besitz der Staufer übergegangen. Im Rahmen der „staufischen Reichslandpolitik“ trieben diese den Ausbau der Pfalz sowie der Marktsiedlung und der daraus entstehenden Stadt Eger – 1203 erstmals als civitas Egra bezeugt – gezielt voran. Der Aufstieg der Stadt war von langwierigen Auseinandersetzungen mit der Ministerialität des Umlandes begleitet, die ihre Eigenständigkeit im Lauf der Zeit mehr und mehr verlor. Während des Interregnums gelang es 1265/66 dem Böhmenkönig Přemysl Otakar II. (1253–1278), sich als Verweser des römisch-deutschen Königs Richard von Cornwall des Egerlandes zu bemächtigen,2 woran sich in der Folgezeit längere Auseinandersetzungen 1 Husite na Chebsku [Die Hussiten und das Egerland], bearb. von Jaromír Boháč/František Kubů, Cheb 1982 (Katalog der Ausstellung des Okresní archiv v Chebu [des Kreisarchivs in Eger], mit Faksimiles der 78 Exponate); František Kubů, Cheb v době husitské [Eger in der Hussitenzeit], in: Soudce smluvený v Chebu. Sborník příspěvků přednesených na sympoziu k 550. výročí, Květen 1982, Cheb [Der in Eger vereinbarte Richter. Sammelband der auf dem Symposium zum 550. Jahrestag vorgetragenen Referate, Mai 1982, Eger], Cheb/Praha o.J. [1983], S. 105–129. – Kartenskizzen des Stadtstaats Eger in den Jahren 1392, 1409 und 1429 in: František Kubů, Chebský městský stát. Počátky a vrcholné období do počátku 16. století [Der Egerer Stadtstaat. Entstehung und Blütezeit bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts], České Budějovice 2006, S. 35, 37, 39. – Zur Geschichte Egers und des Egerlandes allgemein: Heinrich Gradl, Die Privilegien der Stadt Eger, Eger 1879; Ders., Die Chroniken der Stadt Eger, Prag 1884; Ders., Geschichte des Egerlandes (bis 1437), Prag 1893; Karl Siegl, Eger und das Egerland im Wandel der Zeiten, Eger 1931; Heribert Sturm, Eger. Geschichte einer Reichsstadt, Bd. 1, Augsburg 1951 (Geislingen 21960), Bd. 2 (Bilderband), Augsburg 1952; Ders., Die alte Reichspfandschaft Eger und ihre Stellung in der Geschichte der böhmischen Länder, in: Karl Bosl (Hg.), Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, Bd. 2, Stuttgart 1974, S. 1–95; D ers ., Nordgau – Egerland – Oberpfalz, Studien zu einer historischen Landschaft (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 43), München 1984; František Kubů, Eger (Cheb), in: Joachim Bahlcke/Winfried Eberhard/Miloslav Polívka (Hg.), Böhmen und Mähren (Handbuch der Historischen Stätten), Stuttgart 1998, S. 119–126. – Eine anschauliche Skizze der naturräumlichen Gegebenheiten, Straßen und Machtinteressen im Egerland bei H. Braun, Geschichte des Egerlandes, Halle o.J. [1938], S. 58. 2 Jörg K. Hoensch, Geschichte Böhmens. Von der slavischen Landnahme bis ins 20. Jahrhundert, München 1987, S. 88; Jiří Kuthan, Přemysl Ottokar II., König, Bauherr und Mäzen. Höfische Kunst im 13. Jahrhundert, Wien/Köln/Weimar 1996, S. 17.

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zwischen dem Reich und Böhmen anschlossen. Zum Dank für die Unterstützung im Kampf um die Reichskrone übertrug Kaiser Ludwig der Bayer 1322 das Egerland als ständige Reichspfandschaft an die Böhmische Krone.3 König Johann von Luxemburg (1310–1346) bestätigte der Stadt alle bisherigen Privilegien, bestellte einen eigenen Hauptmann für sie und befreite sie von der böhmischen Landessteuer. 4 Sein Sohn Karl IV. band Eger als König von Böhmen (1346–1378) noch stärker in den Verband der Böhmischen Krone ein; trotz einiger Schwankungen blieben Eger und das Egerland fortan im Status fest mit ihr verbunden. Gleichzeitig blieben aber auch die politisch-rechtlichen Verbindungen zum Reich erhalten, die sich in der Zeit König Wenzels IV. von Böhmen (1378–1419) noch verstärkten.5 Der Gegensatz zwischen dem aus der Ministerialiät hervorgegangenen Landadel und der Stadt Eger war in der nachstaufischen Geschichte des Egerlandes ein beherrschendes Moment.6 Im Lauf des 14. Jahrhunderts entwickelte sich die von reichen Patriziergeschlechtern regierte Stadt Eger und das Egerland zu einem weitgehend autonomen Stadtstaat mit umfangreichem Landbesitz und weitreichenden Wirtschaftsbeziehungen, der das Machtmonopol in der Region nahezu unbeschränkt ausübte.7 Die enge Verbindung zwischen Eger, Prag und den führenden Handelsstädten in Süddeutschland läßt sich in besonderer Weise am Anteil von Angehörigen jener Egerer Patriziergeschlechter ablesen, die seit Ausgang des 13. Jahrhunderts im Rat der Prager Altstadt vertreten und gleichzeitig in den Kaufmannsgemeinden in Nürnberg und Regensburg vertreten waren.8 Eger war in der vorhussitischen Zeit nach Prag, Breslau und Kuttenberg (Kutná Hora) die viertgrößte Stadt der Böhmischen Krone und zählte zu Beginn des 15. Jahrhunderts 6.000–7.000 Einwohner.9 Für den Beginn der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts wird die Einwohnerzahl auf 8.000–10.000 geschätzt.10

3 Kubů, Die staufische Ministerialität, S. 108. 4 Jiří Spěváček, Jan Lucemburský a jeho doba (1296–1346) [Johann von Luxemburg und seine Zeit (1296–1346)], Praha 1994, S. 162–164 u.ö.; Kubů, Die staufische Ministerialität, S. 108. 5 Kubů, Die staufische Ministerialität, S. 108–112. 6 Ebd. S. 139. 7 Kubů, Chebský městský stát. – Zur Bedeutung Egers innerhalb der böhmischen Städtelandschaft: František Hoffmann, České město ve středověku [Die böhmische Stadt im Mittelalter], Praha 1992, S. 39 u.ö. – Zum Egerer Patriziat auch: Vladimír Ružek, Chebská radnice a její středověké fresky [Das Rathaus in Eger und seine mittelalterlichen Fresken], Cheb 1994 (passim). 8 Jaroslav Mezník, Praha před husitskou revolucí [Prag vor der hussitischen Revolution], Praha 1990, S. 19 f., 22, 32 f. u.ö.; Roman Zaoral, Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und Böhmen. Die Handelskontakte Prags mit Eger, Regensburg, Nürnberg und Venedig im 13. Jahrhundert, in: Bayern und Böhmen. Kontakt, Konflikt, Kultur. Vorträge der Tagung des Hauses der Bayerischen Geschichte und des Collegium Carolinum in Zwiesel vom 2. bis 4. Mai 2005, hg. von Robert Luft/Ludwig Eiber, München 22007, S. 13–34, hier S. 30. 9 František Šmahel, Die Hussitische Revolution. Aus dem Tschechischen übersetzt von Thomas Krzenck, Red. Alexander Patschovsky, 3 Bde. (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 43/I–III), Hannover 2002, hier Bd. I, S. 93, Anm. 1, S. 332. 10 Šmahel, Die Hussitische Revolution III, S. 1718; Kubů, Cheb v době husitské, S. 128.



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Die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und Eger reichten bereits in das 13. Jahrhundert zurück und wurden in den Jahren 1303 und 1305 durch neue Verträge gefestigt.11 Im Handel Nürnbergs mit Prag führten nördliche Routen der sogenannten Goldenen Straße nach Eger und von hier aus weiter über Pilsen (Plžen) nach Prag.12 In westlicher Richtung war Eger mit Frankfurt und Köln verbunden.13 Von Regensburg führte eine Handelsstraße über Weiden nach Eger und von hier aus weiter nach Leipzig.14 Im Kartenbild des Fernstraßennetzes erscheint Eger in der Zeit der Luxemburger nach Heinz Stoob als „Fächerwurzel dreier Straßen nach Nürnberg, Bamberg und Thüringen“.15 Das überwiegend von Deutschen bewohnte Eger blieb in der Zeit der hussitischen Revolution katholisch und stand damit im Gegensatz zu der überwiegend von Tschechen getragenen hussitischen Bewegung und Revolution.16 Eger war durch einen eigenen Gesandten – Erhard Schlick d.J. – auf dem Konstanzer Konzil vertreten und somit über die dortigen Ereignisse bestens informiert. So berichtete Schlick dem Rat bereits am 6. April 1415 über die Flucht Papst Johannes XXIII. und die folgenden Maßnahmen König Sigmunds.17 Als König Wenzel während der Diskussionen um den am Ende des Jahres 1414 in Prag eingeführten Laienkelch und um wirksame Maßnahmen gegen die 11 Gerhard Hirschmann, Nürnbergs Handelsprivilegien, Zollfreiheiten und Zollverträge bis 1399, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, Nürnberg 1967, S. 1–48, hier S. 7–9, 14, 20, 23, 43; Hektor Ammann, Nürnbergs wirtschaftliche Stellung im Spätmittelalter (Nürnberger Forschungen 13), Nürnberg 1970, S. 18, 22, 28, 33, 35 u.ö. 12 Sturm, Eger, S. 232–251, 439; Friedrich Lütge, Der Handel Nürnbergs nach dem Osten im 15./16. Jahrhundert, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, S. 318–376, hier S. 326; Zaoral, Wirtschaftsbeziehungen, S. 30, Karte S. 24; Ulrich List, Untersuchungen zum Transportwesen und den Transportwegen des Systems der „Goldenen Straße“ zwischen dem mittelfränkischen und dem böhmischen Becken (Regensburger Beiträge zur Regionalgeographie und Raumplanung 11), Kallmünz 2007; Ders., Handelswege im späten Mittelalter zwischen Bayern und Böhmen (Kartenskizze), in: [Ausstellungskatalog] Bayern – Böhmen. Bavorsko – Čechy. 1500 Jahre Nachbarschaft, hg. von Reinhard Riepertinger/Evamaria Brockhoff/ Ludwig Eiber/Stephan Lippold/Peter Wolf, Stuttgart 2007, Nr. 2.34, S. 141 f. – Dazu auch: http://www.datenmatrix.de/projekte/hdgb/karten/index_extern.shtml. – Über die Bedeutung der Handelsverbindungen für das Nachrichtenwesen: Miloslav P olívka , Nürnberg als Nachrichtenzentrum in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Heinz-Dieter Heimann (Hg.), Kommunikationspraxis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance, Paderborn 1998, S. 165–177. 13 Zaoral, Wirtschaftsbeziehungen, S. 30. 14 Ebd. S. 23, 30. 15 Heinz Stoob, Kaiser Karl IV. und seine Zeit, Graz/Wien/Köln 1990, S. 118. 16 Zur hussitischen Bewegung und Revolution eingehend: Šmahel, Die Hussitische Revolution I–III. – Überblick bei Franz Machilek, Hus/Hussiten, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 15, Berlin/New York 1986 (21993), S. 710–735. – Zu den ethnisch-nationalen Verhältnissen in den böhmischen Städten im Spätmittelalter: Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 301– 311. – Eine instruktive Karte der Bevölkerungsverhältnisse Böhmens im 14. Jahrhundert in: [Ausstellungskatalog] Bayern – Böhmen, Nr. 2.23, S. 128. 17 Karl Siegl, Briefe und Urkunden zur Geschichte der Hussitenkriege, in: Zeitschrift des deutschen Vereines für die Geschichte Mährens und Schlesiens 22 (1918), S. 15–50, 167–196; 23

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hussitische Häresie im Frühjahr 1416 Friedrich von Brandenburg und den Mainzer Erzbischof Johann II. von Nassau am 30. Mai 1416 bat, zwischen ihm und König Sigmund zu vermitteln, wurde dafür eine Zusammenkunft in Eger in Aussicht genommen. Das Konzil forderte daraufhin die Versammelten am 10. Juni 1416 dringend dazu auf, Wenzel selbst zum Einschreiten gegen die Häresie zu drängen. Wenzels Gesandte müssten in Eger davon überzeugt werden, dass dieser jetzt zu handeln habe.18 Mit König Sigmund stand Eger in der Zeit der hussitischen Revolution in sehr enger Verbindung. Die Grundlage der Beziehungen bildete eine Reihe von Gunsterweisen, die Sigmund der Stadt zuteil werden ließ. 1417 bestätigte er ihr alle Privilegien und nahm sie und das Land Eger in den Schutz des Reiches, 1420 verlieh er Eger das Recht, kleine Münzen zu prägen, 1422 das Recht der Erhebung der Landsteuer („Klauensteuer“) sowie das Recht, mit eigenem Trompeter ins Feld zu ziehen.19 Der Ausbruch der hussitischen Revolution im Sommer 1419, der Erlass der Kreuzzugsbulle Papst Martins V. gegen die böhmischen Ketzer am 1. März 1420, das Zusammenrücken der hussitischen Aktionsgruppen im Zeichen der „Vier Prager Artikel“ – Predigtfreiheit, Laienkelch, Armut des Klerus und Bestrafung von Todsünden – im Frühjahr 1420, das Vorrücken des Kreuzheeres in Böhmen unter Führung König Sigmunds im Frühsommer 1420 und die gleichzeitig auf hussitischer Seite geführte intensive Kriegsdiskussion bilden den Hintergrund für den gerade in den an Böhmen angrenzenden Landschaften wachsenden Widerstand mit Zentren in Breslau, Nürnberg und Wien, wozu bald auch Eger hinzutrat.20 Bereits nach der Niederlage Sigmunds gegen die Hussiten am Vyšehrad vor Prag am 1. November 1420 wurde Eger am Tag der heiligen Katharina (25. November) vom König (1919), S. 1–38, hier 23 (1919), Nr. 1. – Kubů, Cheb v době husitské, S. 108; Husité na Chebsku, Nr. 3, S. 6. 18 Heinrich Finke/Johannes Hollnsteiner/Hermann Heimpel (Hg.), Acta Concilii Constanciensis, Bd. 3, Münster 1926, Nr. 104, S. 228–231; Walter Brandmüller, Das Konzil von Konstanz 1414–1418, Bd. 2, Paderborn etc. 1997, S. 140 f. – Zum Hus-Prozess in Konstanz zuletzt: Jiří Kejř, Die Causa Johannes Hus und das Prozessrecht der Kirche, Regensburg 2005. – Zur Laienkelchdiskussion jetzt: Elena Krmíčková, Studie a texty k počátkům kalicha v Čechách [Studien und Texte zu den Anfängen des Laienkelchs in Böhmen] (Opera Universitatis Masarykianae Brunensis. Facultas philosophica 310), Brno 1998. 19 Sturm, Eger, S. 108; František Kubů, Sigismund von Luxemburg und der Stadtstaat Eger, in: Josef Macek/Ernö Marosi/Ferdinand Seibt (Hg.), Sigismund von Luxemburg. Kaiser und König in Mitteleuropa 1387–1437. Beiträge zur Herrschaft Kaiser Sigismunds und der europäischen Geschichte um 1400 (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 5), Warendorf 1994, S. 165–170, hier S. 167 f. – Zu 1422 unten Anm. 34–36. – Bereits 1396 hatte Sigmund als König von Ungarn den Egerer Kaufleuten in seinem Königreich freien Handel gewährt, wie ihn die Kaufleute aus Prag und Nürnberg genossen: Kubů, Sigismund, S. 165. 20 Zum Vorausgehenden knapp: Machilek, Hus/Hussiten, S. 724 f. – Zur Hussitenpolitik Sigmunds grundsätzlich: Birgit S tudt , Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil. Die Hussitenpolitik König Sigismunds, in: Michel Pauly/François Reinert (Hg.), Sigismund von Luxemburg. Ein Kaiser in Europa. Tagungsband des internationalen historischen und kunsthistorischen Kongresses in Luxemburg, 8.–10. Juni 2005, Mainz 2006, S. 113–125.



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zur Einberufung der Reichsstände in Erwägung gezogen.21 Die Kurfürsten rieten jedoch davon ab, den Tagungsort so nahe an das Kriegsgeschehen zu verlagern, woraufhin Sigmund das Treffen auf den Sonntag Jubilate (13. April) des Jahres 1421 nach Nürnberg verlegte. Dies erschien notwendig angesichts der Tatsache, dass der hussitische Heerführer Jan Žižka (um 1360–1424) zu Beginn des Jahres 1421 mit seinen Truppen in das Gebiet von Pilsen eingefallen war und bereits die Klöster der Prämonstratenserinnen in Chotieschau (Chotěšov) und der Benediktiner in Kladrau (Kladruby) erobert hatte.22 Die Lage in Westböhmen zwang Sigmund, schnell zu handeln und Truppen zu sammeln. Eger entsandte unter den Hauptleuten Niklas Gumerauer und Hans Kottenplaner als erstes Kontingent nicht weniger als 1.500 Mann23 nach Tachau (Tachov), wo sich der hussitische Vorschub vorerst festgesetzt hatte. Von dort aus schrieben die Hauptleute am 23. Januar 1421 nach Hause, dass sie die königliche Order hätten, nach Mies (Stříbro) und weiter nach Klattau (Klatovy) zu ziehen, dass die königliche Hauptmacht derzeit vor Kladrau läge und dass der Egerer Rat für die mehr als 1.500 Mann Sorge um die Verköstigung und Entlohnung tragen solle.24 Auf die Hilfsbereitschaft der Egerer reagierte Sigmund äußerst großzügig. Schon am 6. Februar konnten Niklas Gumerauer und die anderen Hauptleute vor Kladrau liegend

21 Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe (fortan abgekürzt zitiert: DRTA), Bd. VIII, hg. v. Dietrich Kerler, Gotha 1883 (ND Göttingen 1956), Nr. 1, S. 6. – Zur Bedeutung der hussitischen Militäraktion am Vyšehrad im Rahmen der Hussitischen Revolution: Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1116–1123. – Zu den weiteren militärischen Aktionen der Hussiten bis hin zu den großen „herrlichen Heerfahrten“ der Jahre 1429/30 zusammenfassend: S. 1124– 1496. 22 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1142. 23 Laut einer Aufzeichnung des Egerer Rates aus dem Jahre 1437 hätten vor Kladrau 2.000 Egerer Soldaten gelegen: „[...] do man vor Cladrau gelegen, hat die stadt Eger zu roß und fueß geschicket 2.000 mann, haben gekostet 4.000 fl.“ Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1069, S. 257. – Eventuell stieß nach dem Brief Gumerauers später noch eine Nachhut hinzu. 24 „[...] als ir und wir unser potschafft zu unserm gnedigen herren, dem konige, gehabt haben, also hat er uns fleissig verschriben, das wir sullen kommen gen der Mieß, als wir euch des seinen briff hyrinnen senden beslossen, und sein volk leyt yczund vor Cladraw mit ganzer macht, und wir besorgen wir müssen darnach czyhen für Glataw und wir haben mer dann XVc man, die wir teglich müssen speisen. Darnach wißt euch czu richten mit köst und mit gelt, sunderlich mit vasten speiß, und was wir czu der Miese von unsers gnedigen herren gnade vernemen, das wöllen wir euch wol lassen wissen und was ewr maynunge darynne ist, das lat uns auch beschriben wider wissen [...]. Niclas Gumerawer und Hanns Kotenplaner und von den andern hawptleuten.“ Státní okresní archiv Cheb [Staatliches Kreisarchiv Eger] (fortan zitiert: StOA Cheb), Fasc. 1, Karton 1, A 2790. – František Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges vom Jahre 1419 an, Bd. I, 1966, Nr. 61, S. 61; Husité na Chebsku, Nr. 21, S. 14 f. – Dazu auch Gradl, Geschichte des Egerlandes, S. 342. – Für die Transkriptionen in diesem Beitrag wurden nach Möglichkeit die vorhandenen Editionen mit den originalen Briefen verglichen; die Textwiedergaben orientieren sich an den üblichen Editionsrichtlinien.

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ihrer Stadt berichten, dass der König sehr dankbar sei und „diese Dienste nimmermehr vergessen“ wolle. Als Gegenleistung bot er den Egerern mehrere Privilegien an.25 Trotz des zahlreichen Aufgebots aus der Region wurde das in der Luftlinie nur rund 75 km von Eger entfernte Pilsen (Plzeň) gut eine Woche später von Žižka eingenommen. Kurz darauf fielen die Städte Komotau (Chomutov) und Kaaden (Kadaň) im Nordwesten Böhmens. Maschau (Mašťov), Laun (Louny) sowie Saaz (Žatec) ergaben sich nach den schweren Kämpfen in Komotau und Kaaden freiwillig, um einem Blutbad zu entgehen, und Žižka kehrte zunächst zur großen Erleichterung Egers nach Prag zurück.26 Nach den Verlusten im Westen und Norden Böhmens trafen einige Reichsfürsten im Mai 1421 mit den Städten zusammen, um diese schließlich nach der Größe ihrer jeweiligen Aufgebote zu fragen. Die ausgehobenen Truppen samt Schusswaffen und Munition sollten sich gegen Ende August in Eger einfinden, um von dort aus gegen die Hussiten zu ziehen.27 Am 5. Juni 1421 schrieb Kardinallegat Branda da Castiglione (um 1360–1443) vor, wie in den Kirchen das Kreuz gegen die Hussiten zu verkünden sei, wie die Kreuznahme vonstatten zu gehen habe und wie die Erteilung der Ablässe zu verrichten sei.28 Diesem zweiten großen Zug gegen das hussitische Böhmen, zu dem sich Kardinal Branda da Castiglione, das Kreuz predigend, persönlich aufmachte, schlossen sich Herzog Ludwig von Bayern, die Kurfürsten von Trier (Erzbischof Otto von Ziegenhain) und Köln (Erzbischof Dietrich von Moers), Markgraf Friedrich von Brandenburg sowie Vertreter der Reichsstädte, des Klerus und des Adels an. Allein Eger stellte für dieses Heer 1.200 25 „[...] wir lassen euch wissen, das unsers gnedigen herrn konigs gnad pey uns war am Aschen tag (5. Februar) in der andern stund czu nacht und redte mit uns mancherley, das wir euch czu disem mal alles nicht verschreibn konen, und danket uns czu mal sere. Er wolt uns diser dinste nymermere vergessn und sprach czu uns, wes wir sein königliche gnade piten wellen, das uns von der stat nizlich were, dareyne wolt er willig sein und wolt das gerne thun. Darumb piten wir, das ir (?) alle aynigt werdet mit einander, was der stat am niczlichsten wer, und schreibt uns ewr ganze maynunge pey tag und nacht pey geritten botschaft ye auf den freytag czu abent. Darynne wollen wir unser pestes thun und nicht seumig des wir kunen und mugen. Auch (ir) liben herren sein wir czu rate worden, ob euch gefällich ducht, das wir frey weren XV jare und alle jar ein closteur [Klauensteuer] nemen von unsern armen lewten, und das auf die pfleg furepas nymant kein gelt verschreiben werd und auch ob wir das salz mochten czu uns pringen, als ir des von lang willen habt gehabt. Und als ir sunst keinerley mer czu Rat würdet, das last uns pey tag nacht und wissen auf den freytag czu nacht oder auf den Sonnabent fru. Geben czu veld vor Cladraw am donerstag vor Invocavit. Niclas Gummerawer und die andern hawptleut.“ StOA Cheb, Fasc. 1, Karton 1, A 2790. – Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I, Nr. 62, S. 61 f. – Gradl, Geschichte des Egerlandes, S. 342. 26 Zu den militärischen Aktionen: Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1145 f. 27 DRTA VIII, Nr. 48, S. 60 f. 28 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I, Nr. 110, S. 108–116. – Dazu ausführlich: Franz Machilek, K Zavedení a liturgii votivních mší Contra Hussones [Zur Einführung und Liturgie der Votivmessen Contra Hussones], in: Acta Universitatis Carolinae. Historia Universitatis Carolinae Pragensis 31/1 (1991), S. 95–106, hier bes. 100–103. – Zu Branda: ebd. S. 98; Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1206 f.; Studt, Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil, S. 117 f. – Eine instruktive Darstellung der Kreuzzüge und hussitischen Feldzüge in: Jiří Kejř, The Hussite Revolution, Praha 1988, S. 101.



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Mann in voller Ausrüstung29 und Verpflegung30 bereit. Um dieses hohe Kontingent von 1.200 Mann überhaupt aufbringen zu können, nahm der Rat Söldner, im Besonderen niedere Adlige, aus der Umgebung gegen bares Geld auf.31 Wenngleich das große Aufgebot im September des Jahres einige Erfolge zu verzeichnen hatte und Luditz (Žlutice), Maschau und Kaaden sowie Komotau zurückeroberte, so blieb die Offensive doch bereits vor Saaz stecken, das die Hussiten verbissen verteidigten. Sigmund, der zeitgleich in Ungarn erneut gegen die Türken zog, versprach zwar, mit seinem Heer heranzuziehen, hielt diese Zusage jedoch nicht ein. Hinzu kamen noch ungünstige Wetterverhältnisse, so dass sich das Hauptheer im Oktober auflöste und den Heimweg nach Westen antrat.32 Für Eger bedeutete die Beteiligung am zweiten Kreuzzug den zweiten Durchzug eines großen Heeres durch die Stadt innerhalb kürzester Zeit und stellte zugleich eine gewaltige finanzielle Belastung dar. Der hastige Rückzug des Kreuzheeres und die nachsetzenden Hussiten verursachten des Weiteren große Schäden, welche im Nachhinein zusätzlich ersetzt werden mussten.33 Auf dem Reichstag zu Nürnberg am 15. Juli 142234 fand sich auch eine Delegation von Egerer Ratsherren ein, welche den König dort antraf. Die Stadt Eger erhielt als Entschädigung für ihre großen Opfer, die sie bis zu diesem Zeitpunkt im Kampf gegen die Hussiten erbracht hatte, zwar keine finanzielle Entschädigung, aber doch einige nützliche Privilegien. Am 21. August gewährte Sigmund der Stadt die Vergünstigung, dass sie „in seinem Lande eine Klauensteuer auf alle Leute, edel und unedel“ einfordern dürfte, wann immer es ihr beliebe. Der vom König in Eger eingesetzte Pfleger sollte bei der Erhebung dieser Steuer behilflich sein. Weiterhin versprach Sigmund, Eger und das Land sowie Pflege und Gericht niemandem zu verschreiben oder zu verpfänden.35 Außerdem verlieh 29 „Item do man vor Saatz lag, schicket die stadt zu roß und fueß 1.200 mann sambt denen reißwägen, haben gekostet 3.000 (fl.)“: Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1069, S. 257. 30 „Item w[ir] h[aben] g[eben] czu fur von V tunen hering und III tunen fisch in die raiß I sex[agena] und IIII gr[oschen]. It. w. h. g. umb V tunnen hering und III tunnen fisch die fürt man in die raiß LXXX guld(en) on I guld(en)“: Aus den Ausgabslisten der Stadt Eger (1390–1440), ediert in: Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1020, S. 199. – Kubů, Cheb v době husitské, S. 111. 31 „It. w. h. g. Heincz Posseck auf LXXIII pf(ert) ganczn solt, ye auf 1 pf. IIII gul., und auf XXXV pf. halben solt, y auf 1 pf. II guld., summa IIII C gul. It. w. h. g. dem jungen Steinbach auf II pf(ert) seinen solt VIII guld. [...]“: Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1020, S. 199. – Vier Gulden waren der Sold für einen schwer ausgerüsteten Reiter mit Pferd, zwei Gulden für einen leichter bewaffneten mit Pferd. – Zur Zusammensetzung der Egerer Streitkräfte und zur Anmietung von Söldnern: Kubů, Chebský městský stát, S. 102–108. 32 Gradl, Geschichte des Egerlandes, S. 344. – Zum hohen Anteil Egers an dem auf insgesamt mehr als 20.000 Mann geschätzten Kreuzzugsaufgebot und zu den Beziehungen Egers zu König Sigmund: Kubů, Cheb v době husitské, S. 111 f. 33 „It. [w. h. g.] dem Tristam für sein scheden XXIII gul. It. w. h. g. dem Nickel Sack für sein scheden XXXVIII gul. [...]“: Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1020, S. 199 f. 34 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I, Nr. 197, S. 216 f. 35 Gradl, Die Privilegien der Stadt Eger, S. 22.

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er in Anbetracht dessen, dass die Egerer des Öfteren ins Feld zu ziehen hatten, der Stadt einen Trompeter, der künftig inner- und außerhalb mit sich geführt werden konnte und zu jedem anderen, fröhlicheren Anlass für die Stadt ebenfalls spielen konnte.36 Die folgenden Jahre waren durch äußerste Vorsicht der Egerer gekennzeichnet. Aufmerksam informierte sich der Rat über die Marschrouten der hussitischen Truppen und entsandte Hilfskontingente an betroffene oder belagerte Städte. Dabei dürfte vor allem der Fall von Aussig (Ústi nad Labem) den Egerer Rat besonders erschüttert haben. Dort war es am 16. Juni 1426 zu einer erbitterten Schlacht zwischen einem meißnisch-sächischthüringischen Truppenverband und dem verbündeten, zahlenmäßig weit überlegenen hussitischen Heer gekommen.37 Auch Eger hatte sich mit einer Hilfsschar von 200 Reitern an der „Meißner Expedition“ beteiligt. Der erlittene Verlust betrug allein für Eger 4 Mann und 35 Pferde.38 Wenngleich der Fall von Aussig im Reich sehr schmerzlich empfunden wurde, war die militärische Resonanz doch eher kümmerlich. Die Hussiten erzielten hingegen unter dem Schrecken der Aussiger Niederlage weitere Erfolge in Nordwestböhmen; u.a. fiel das wichtige Mies mühelos in ihre Hände.39 Am 30. September 1426 wandte sich der Tachauer Rat bezüglich der Rückgewinnung des Schlosses der Stadt Mies, „das da verloren und genommen worden ist“, an Eger40. Er hoffte auf möglichst große Unterstützung, welche auch tatsächlich mit 100 Pferden gewährt wurde.41 Eger zeigte sich in diesen Tagen, so lässt sich den „Hussitenbriefen“ und den Ausgabelisten im Egerer Archiv immer wieder entnehmen, als engagierter und hilfsbereiter Partner betroffener Städte. Es waren nicht die großen Heeres- und Kreuzzüge, die den Städten zumindest etwas Sicherheit gewährten, sondern vielmehr die stetige „Schützenhilfe“ für benachbarte Städte, die ihrerseits nicht davor gefeit waren, selbst einmal auf derartige Hilfe angewiesen zu sein. Dies zeigen in besonderer Weise die Briefe, welche die Stadt Eger ihrerseits bei drohender hussitischer Gefahr an Nürnberg ausschickte. Nürnberg war aus Egerer Sicht nicht nur ein wichtiger Handelspunkt, sondern des Öfteren auch ein verlässlicher militärischer Partner. So versicherte Nürnberg im April 1427, nachdem es zu größeren Truppenansammlungen der Hussiten im Nordwesten Böhmens gekommen war, „drei Gereisige, darunter einen Büchsenmeister, und zwanzig Schützen“ nach Eger zu entsenden.42

36 Ebd. S. 23. 37 Zur Vorgeschichte, zum Verlauf und zur Bedeutung der Schlacht um Aussig: Petr Čornej, Bitva před Ústím nad Labem ve starší a německé tradici [Die Schlacht vor Aussig in der alten tschechischen und deutschen Tradition], in: Acta Universitatis Carolinae. Philosophica et historica 5. Studia historica 43 (1995), S. 9–64; Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1382–1393. 38 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1023, S. 202–205. – Die Bezeichnung „Meißner Expedition“ bei Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1389. 39 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1392 f. 40 StOA Cheb, Fasc. 1, Karton 1, A 2790. – Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I, Nr. 418, S. 473. 41 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1069, S. 257. 42 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I, Nr. 436; S. 498 f.



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Im Frühjahr 1427 wurde auf dem Reichstag zu Frankfurt ein neuerlicher Kreuzzug gegen die Hussiten beschlossen. Ein gewaltiger Heereszug der christlichen Welt, der am 29. Juni 1427 aufbrechen sollte, sollte den Hochmut der böhmischen Ketzer bestrafen.43 Der „führende Kopf im Organisationsstab“ des geplanten Unternehmens war Markgraf Friedrich von Brandenburg (1371–1440).44 Nach der am 4. Mai 1427 beschlossenen Kriegsordnung sollten sich auch Eger und Elbogen daran beteiligen.45 Die Aufforderung des erst am 13. Juli in Nürnberg eingetroffenen, grundsätzlich gesprächsbereiten Kardinallegaten Heinrich Beaufort (um 1375–1447) an die Hussiten zur Einheit mit der katholischen Kirche blieb ohne Erfolg.46 Sammelorte des Reichsheeres zu diesem Kreuzzug waren Nürnberg, Eger und Freiberg in Sachsen; die Heeressäulen sollten von der Basislinie Weiden-Eger-Freiberg aus operieren.47 Eger rief das gesamte militärische Aufgebot zu den Waffen.48 Anführer des Zuges waren Erzbischof Otto von Trier und Markgraf Friedrich von Brandenburg. 49 Letzterer zog mit den Bischöfen von Würzburg und Bamberg50 sowie dem Aufgebot aus Franken und aus Thüringen über Eger, wo sich die Truppen einige Tage aufhielten. Ihnen schloss sich der junge Herzog Friedrich von Sachsen an. Am 13/14. Juli 1427 konnten Maschau und Luditz wieder in Besitz genommen werden, welche die hussitischen Besatzungen unter dem Biliner Hauptmann Jakoubek von Vřešovice kampflos geräumt hatten.51 Erzbischof Otto von Trier war inzwischen mit dem Hauptheer über Tachau vor Mies gezogen, wo am 23. Juli die Belagerung der Stadt begann. Trotz alarmierender Nachrichten über das Vorrücken der unter Führung Prokops des Kahlen (des Großen) (um 1380– 1434) stehenden vereinigten hussitischen Feldheere wagte es Herzog Heinrich von Niederbayern-Landshut mit 3.000 Berittenen, die heranrückenden Hussiten anzugreifen. Infolge für das Reichsheer ungünstiger Kräfteverlagerungen und eines in den Belagerungsstellungen ausbrechenden Feuers zogen sich Teile des Fußvolks und Trosses panikartig in Richtung Tachau und des Böhmerwaldes zurück, wobei sie durch die hussitischen

43 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1410 f. 44 Ebd. S. 1415. – Zu ihm: Reinhard Seyboth, Friedrich VI. (I.), Burggraf von Nürnberg, Kurfürst von Brandenburg (1371–1440), in: Fränkische Lebensbilder, Bd. 16, Neustadt/Aisch 1996, S. 27–48, bes. S. 35–37; Sabine Wefers, Das politische System Kaiser Sigmunds, Stuttgart 1989, passim. 45 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1411. 46 Ebd. S. 1416 f. – Franz Machilek, Die hussitische Forderung nach öffentlichem Gehör und der Beheimsteiner Vertrag von 1430, in: Jaroslav Pánek/Miloslav Polívka/Noemi Rejchrtová (Hg.), Husitství – Reformace – Renesance. Sborník k 60. narozeninám Františka Šmahela, Bd. 2, Praha 1994, S. 503–527, hier S. 1517 f. 47 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1417–1419. – Der Kreuzzug von 1427 war der vierte in der Reihe der Kreuzzüge. 48 Ebd. S. 1418. 49 Ebd. S. 1419 f.; Gradl, Geschichte des Egerlandes, S. 358. 50 DRTA, Bd. IX, hg. v. Dietrich Kerler, Nr. 46, S. 51–54. 51 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1421. – Zu Jakoubek: ebd. S. 1357, 1360, 1382 u.ö.

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Truppen verfolgt wurden und große Verluste erlitten.52 Eger selbst hatte seinem ersten Aufgebot eine Hilfstruppe nach Bärnau im heutigen Landkreis Tirschenreuth in der Oberpfalz entgegengeschickt, von wo aus Friedrich, Dienstknecht des Egerer Bürgers Hans Juncker, dem Rat in einem verzweifelten Schreiben vom 3. August über den Rückzug berichtete und dringend um Instruktion für das weitere Verhalten bat: „Ich Fridreich, Hans Junckhern knecht, ich las ewer genade wissen, daz das her mit einander czu rucke wider czeucht, daz sech ich mit meinen augen und sye hetten kü ubir walt getriwen und geczogen wol mit czwain hundert pferden, dy hat man alle wider czu ruck getriwen, wesund daz fus folck kert nicht wider. Ich las euch wissen, daz wir czu Pernaw ligen und [nicht] wissen wohin, [so] pit wir ewren genade, daz ir uns czu der kennen gebt, wye wirs halten schullen. Gegen [Geben] czu Pernaw am suntag nach sant Peter kettenfeir in dem XXVII. jar.“53 Tachau, wohin sich Truppenteile aus Nürnberg und der Pfalz geflüchtet hatten, fiel am 11. August. Eine Reihe von Briefen des Nürnberger Rats an Ulm, Eger, Herzog Johann von Bayern, die Pfalzgrafen Johann und Otto vom 8.–22. August enthält Nachrichten über den Fall Tachaus und die daraus entstandene Situation.54 Nürnberg versprach im Brief vom 14. August an Eger Hilfe im Kampf gegen die Hussiten.55 Ein Schreiben aus Elbogen vom 21. August setzte den Egerer Rat davon in Kenntnis, dass Jakobell von Vřesovice „mit grosser macht komen ist gen Lutitz“ und weiter nach Buchau (Bochov) gezogen sei.56 Der desaströse Ausgang dieses vierten Kreuzzugs bedeutete für Eger nicht nur eine erneute finanzielle Misere, sondern auch eine nun in unmittelbare Nähe gerückte Gefahr. Angesichts der andauernden Bedrohung traf die Stadt in der Folgezeit verstärkt militärische Vorkehrungen zu ihrem Schutz. Sie ließ Adlige aus der Region in Dienst stellen und Schützen ausbilden.57 Zum Hauptmann der gesamten Egerer Söldnerschaft wurde der erfahrene Ulrich Sack aus dem Vogtland bestellt.58 Aus den Ausgabelisten geht hervor, dass die große „Eysen-Wysen“ (Eisenwiese) vor der Stadt abgemäht wurde, um bei einer eventuellen Belagerung Futter für das Vieh zu haben.59 Eger beschaffte neue Büchsen und gab beim Stadtarzt Franz „Töpfe“ in Auftrag, „dy die Hüssen schüllen verprennen“.60 52 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1424. Zu Prokop: Josef Macek, Prokop Veliký [Prokop der Große], Praha 1953. 53 StOA Cheb, Fasc. 1, Karton 1, A 2790. – Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I, Nr. 462, S. 532. – Husité na Chebsku, Nr. 17, S. 13; Kubů, Cheb v době husitské, S. 112. 54 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I, Nr. 463–471, S. 532–539. 55 Ebd. Nr. 466, S. 534 f. 56 Siegl, Briefe und Urkunden, Nr. 35, S. 174. 57 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1023, S. 203–205. 58 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1024, S. 205 f., 208; hier taucht der Name des neuen Hauptmanns in den Ausgabslisten zum ersten Mal auf. 59 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1023, S. 202. 60 Ebd. Nr. 1023, S. 203. – Es ist unklar, um welche Art von Waffe es sich bei den „Töpfen“ handelte; gemeint ist evtl. eine explosive chemische Verbindung aus Petroleum oder Naphtha, Salpeter, Schwefel und Harz, wie sie bereits im 9. Jahrhundert in Byzanz Verwendung fand. Dazu: Ellis Davidson, The Secret Weapon of Byzantium, in: Byzantinische Zeitschrift 66 (1973), S. 61–74. – Die Büchsen wurden aus Nürnberg bezogen; die ersten Egerer



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Der Chronist Pankraz Engelhart weiß in seiner „Egrischen Cronica“ aus dem Jahr 1560 zu berichten, dass die Egerer zu Beginn des Jahres 1428 „alle ire paum in den gärten umb die statt abhauen“ ließen.61 Einige Söldner und Handwerksgesellen wagten es, unter Hans Kottenplaner dem Feind entgegenzuziehen und im Umland von Eger zu patrouillieren.62 Etwaige Kämpfe oder Erfolge daraus wurden in den Ausgabelisten und Briefen nicht vermerkt. Die Chronik des Pankraz Engelhart enthält zum 28. Oktober 1428 eine Nachricht, wonach die Egerer einem hussitischen Trupp nachsetzen ließen, wobei 24 Gefangene gemacht und 42 Pferde, 27 Armbrüste und zwei Panzer erbeutet wurden.63 Enge Beziehungen verbanden Eger mit der nur wenige Kilometer entfernten, ursprünglich zum Egerland zählenden, seit der Stauferzeit reichsunmittelbaren Zisterzienserabtei Waldsassen, die allein schon wegen des an Böhmen angrenzenden Stiftlandes auf dem Gebiet der heutigen Oberpfalz und der umfangreichen Besitzungen in Böhmen sowie ihren beiden böhmischen Tochterklöstern Sedletz (Sedlec) und Ossegg (Osek) in den Maßnahmen zur Abwehr der Hussiten mit Eger konform dachte und handelte. Nach František Kubů hat das Kloster „die langen Kriegsjahre in einer Abwehr- und Angriffsallianz mit Eger überstanden. Dabei lehnte es sich wie Eger enger an das Reich an, vom gespaltenen Böhmen war kein wirksamer Schutz zu erwarten.“64 Während der Zeit unmittelbarer Bedrohung durch die Hussiten diente die knapp 20 km südwestlich von Waldsassen über dem Tal der Waldnaab gelegene Burg Falkenberg als Zufluchtsstätte.65 Der mit Eger in engem Kontakt stehende Abt Nikolaus III. von Waldsassen (1417–1433) informierte den Rat am 30. September 1427, dass die Hussiten von Tachau nach Albenreuth ziehen wollten.66 Im Dezember erlitt das Egerer Aufgebot in der Nähe von Albenreuth eine Nieder-

Büchsenmacher erscheinen erst nach dem Ende der Hussitenkriege: Kubů, Chebský městský stát, S. 103–105. 61 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 23, S. 24. – Auch die ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert stammende Chronik des Gerichtsherrn Andreas Baier nennt dieses Ereignis: ebd. Nr. 120, S. 75. 62 Ebd. Nr. 1024, S. 208. 63 Ebd. Nr. 24, S. 25. 64 František Kubů, Das Kloster Waldsassen und Böhmen, in: Cisterciáci ve středověkém českém stát. Les cisterciens dans le Royaume médiéval de Bohème. Sborník z kolokvia v Kutné Hoře 9.–13. června 1992. Actes du Colloque de Kutná Hora 9.–13. Juin 1992, red. Terryl N. Kinder/ Kateřina Charvátová (Cîteaux 47) (1996), S. 79–87, hier S. 86 f. – Zur Geschichte des Klosters allgemein: Fr. Binhack, Die Äbte des Klosters Waldsassen, 1133–1506, 2 Bde., Eichstätt 1887/89; Rudolf Langhammer, Waldsassen. Kloster und Stadt, Bd. 1: Aus der Geschichte der ehedem reichsunmittelbaren und gefürsteten Zisterzienser-Abtei bis zur Reformation, Waldsassen 1936; Stephan Acht, Zur Geschichte des Klosters und der Äbte von Waldsassen, in: Paul Mai/Karl Hausberger (Hg.), Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 38 (2004), S. 23–75, hier S. 33 f. 65 Bettina Kraus, Falkenberg, in: Handbuch der Historischen Stätten. Bayern 1, Stuttgart 2006, S. 216–218. 66 Siegl, Briefe und Urkunden, Nr. 37, S. 175; Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1432. – Albenreuth liegt östlich Waldsassen nahe der böhmischen Grenze: Heinrich Gradl, Das Kirchenspiel Albenreuth, in: Egerer Jahrbuch 16 (1886), S. 108–111.

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lage. Bereits Ende November waren in Eger vier Männer wegen des Verdachts, die Stadt den Hussiten ausliefern zu wollen, dem Scheiterhaufen übergeben worden.67 Auch aus dem Jahr 1429 geben zahlreiche Schriftstücke Aufschluss über den regen Nachrichtenverkehr wegen der Eger und den Nachbarstädten von Seiten der Hussiten drohenden Gefahr.68 So teilte Abt Nikolaus von Waldsassen Nikolaus Gumerauer am 7. Juni 1429 von Falkenberg aus mit, dass die Hussiten Elbogen „verrent schullen haben“ und nun gegen Falkenau (Sokolov) zögen; er bat um schriftliche Bestätigung, ob dies tatsächlich der Fall sei, sowie um Information über den Ausgang der Verhandlungen in Nürnberg.69 Gleichfalls aus Falkenberg meldete der Abt dem Egerer Rat gut einen Monat später, dass die Hussiten bei Tepl (Teplá) lägen.70 Die unmittelbare Bedrohung Egers wuchs im Lauf der „großen Reise“ der hussitischen Armee unter Führung Prokops des Kahlen im Winter 1429/30 nach Sachsen und Franken in einer Gesamtstärke von 15.000–20.000 Mann noch an.71 Eine Reihe von Lageberichten gibt Aufschluss über den jeweiligen Kenntnisstand Egers während des Feldzugs. So teilte etwa Ulrich Sack dem Egerer Rat um den 10. Oktober 1429 aus Meißen seine Informationen über die Truppenstärke der Hussiten vor Chemnitz und anderen sächsischen Städten mit und berichtete jenem am 20. Oktober aus Dresden über seinen Kampf mit den Hussiten bei Dresden.72 Umgekehrt meldete der Egerer Rat am 10. Februar 1430 nach Erfurt, dass Hof, Bayreuth, Kulmbach, Hollfeld, Gefrees, Pegnitz und viele andere Städte, Märkte und Schlösser ausgebrannt seien.73 Auch die Egerer mussten im Februar 1430 einsehen, dass selbst die besten Schutzvorkehrungen gegen eine feindliche Übermacht nicht allzu viel auszurichten vermochten. Als 67 Kubů, Cheb v době husitské, S. 112 f., 116; Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1432 f. – Im Zusammenhang mit dem angeblichen Verrat und anderen ungeklärten Vorkommnissen drängt sich für Šmahel der Verdacht einer Zusammenarbeit der Hussiten mit dem rebellischen Adel des Egerer Gebiets auf. 68 Kubů, Cheb v době husitské, S. 114–116. – Eine Skizze der Nachrichtenverbindungen Egers in: Husité na Chebsku, Nr. 48, S. 26 (mit Abb.). 69 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 585, S. 39 f.; Husité na Chebsku, Nr. 52, S. 28 f. – Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1461. 70 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 593 B, S. 47 f.; Husité na Chebsku, Nr. 53, S. 29. – Die Entfernung von Eger nach Tepl beträgt in der Luftlinie nur rund 35 km. – Weitere Schreiben des Abtes vom 13. und 16. Juli 1429 bei Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 593 C und D, S. 48 f. 71 Zum Feldzug: Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1468–1485; zu den Ereignissen in Franken ausführlich: Gerhard Schlesinger, Die Hussiten in Franken. Der Hussiteneinfall unter Prokop dem Großen im Winter 1429/30, seine Auswirkungen sowie sein Niederschlag in der Geschichtschreibung (Die Plassenburg 34), Kulmbach 1974. 72 Siegl, Briefe und Urkunden, Nr. 59 bzw. 64; Ders.: Aus dem Egerer Stadtarchive I. Hussitenbriefe, in: Mitteilungen des k.k. Archivrates, Bd. 2, Heft 1, Wien 1915, Nr. 59 bzw. 64. – Husité na Chebsku, Nr. 28, S. 16, bzw. Nr. 54, S. 29; Kubů, Cheb v době husitské, S. 116. – Sack schätzt die Truppenstärke überhöht auf 30.000 Mann. 73 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 648, S. 108. Gradl, Geschichte des Egerlandes, S. 374; Schlesinger, Die Hussiten in Franken, S. 48.



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sich vor Mitte Februar hussitische Truppenteile auf ihrem Rückzug von Westen her Eger näherten, war an eine offene Feldschlacht ohnehin nicht zu denken. Die Egerer verschanzten sich zunächst innerhalb ihrer Stadtmauern und die Hussiten begannen damit, die Vorstadt „vor dem Rahmtore“ in Brand zu setzen. Um weitere Zerstörungen abzuwenden, nahm Eger nach dem Beispiel Nürnbergs und des Vertrags von Beheimstein Verhandlungen mit den Hussiten auf. Als Gesandter wurde der Bürger Niklas Gefeller zu Prokop dem Kahlen und Jakoubek von Vrešovice entsandt, die selbst nicht vor Eger lagen.74 Gefeller überbrachte Prokop als Geschenk zwölf Ellen „kirssings“, eines feinen Brüsseler Tuchs im Wert von zwei Sechsern und zwölf Groschen,75 und konnte sich mit der hussitischen Partei auf die für Eger günstige Ablösungssumme von insgesamt nur 900 fl. einigen, wovon 700 fl. sofort fällig waren.76 Noch vor Abschluss der Vereinbarungen erlitt eine beträchtliche Zahl von Dörfern, Adelssitzen und Kirchen des Umlandes schwere Schäden von Seiten marodierender Hussiten, nach der Chronik des Pankraz Engelhart insgesamt etwa vierzig.77 Die Höhe der Ablösungssumme erklärt sich wohl aus dem Umstand, dass Eger am Ende der siegreichen hussitischen Militäraktion im Winter 1429/30 stand, die bereits am 21. Februar 1430 mit dem Einzug der Truppen in Prag gefeiert wurde.78 Von Seiten des Reichs wurde erst auf dem Nürnberger Reichstag im Februar/März des Jahres 1431 in Nürnberg ein neuer Kreuzzug gegen die Hussiten beschlossen, für den Kardinallegat Giuliano Cesarini (1398–1444) am 20. März die Ablässe für die Teilnehmer verkündete.79 Eine verbesserte Heereszugsordnung berücksichtigte die Erfahrungen der vorausgehenden Feldzüge. Eger wurde verpflichtet, mindestens eine große Büchse, sechs Kammerbüchsen und 6.000 Pfeile zu stellen.80 Auf Grund von Nachrichten über Verhandlungen hussitischer Abgeordneter am polnischen Königshof, die eine friedliche Lösung der Konflikte möglich erscheinen ließen, vereinbarten Sigmund und Friedrich von Brandenburg in Abwesenheit des einen unbeugsamen Kurs gegenüber den böhmischen Ket74 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1025, S. 211 f.; Schlesinger, Die Hussiten in Franken, S. 99, 186. – Zum Vertrag von Beheimstein: Machilek, Die hussitische Forderung, S. 521–526. – Studt, Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil, S. 124. 75 Schlesinger, Die Hussiten in Franken, S. 100 f. 76 So die Eintragungen in den Ausgabenlisten: Für die Nachzahlungen mussten Gefeller und später Sigmund Rudusch mehrfach nach Luditz (Žlutice) und Schlackenwerth (Ostrov) zu Jakoubek reisen: Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1025 und 1026, S. 212 f. – Kubů, Cheb v době husitské, S. 117. – Das Schreiben, das 1437 Sigmund vom Egerer Rat vorgelegt wurde, nennt eine Ablösungssumme von 1.000 Gulden, ebenso die Egerer Ratschronik und die Chronik des Pankraz Engelhart: Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1069, S. 258; Schlesinger, Die Hussiten in Franken, S. 99 (hier auch über überhöhte Summen in anderen Quellen). 77 Schlesinger, Die Hussiten in Franken, S. 100; Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1480. 78 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1480. 79 Ebd. III, S. 1507. – Zu Cesarini: Gerald Christianson, Cesarini. The Conciliar Cardinal. The Basel Years, 1431–1438 (Kirchengeschichtliche Quellen und Studien 10), St. Ottilien 1979; Studt, Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil, S. 123 f. 80 Abschrift: StOA Cheb, Fond Stadt Eger, Kopialbuch Nr. 1017. – Gradl, Geschichte des Egerlandes, S. 382; Sturm, Eger. Bilderband, S. 216 (mit Faksimile); Schlesinger, Hussiten in Franken, Abb. vor S. 97.

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zern verfolgenden Kardinals Cesarini über eine Einladung an den böhmischen Landtag ein Treffen mit Vertretern der Hussiten vor Beginn des Feldzugs. Dieses fand vom 24. bis 28. Mai 1431 in Eger als neutralem Grenzort zwischen dem Reich und Böhmen statt. Teilnehmer waren König Sigmund, Markgraf Friedrich von Brandenburg, der Würzburger Bischof Johann von Brunn und der Glatzer Hauptmann Půta von Častolowitz (Častolovice), von Seiten des Basler Konzils die Theologen Johannes Stojković von Ragusa OP, Doktor der Pariser Universität und Generalprokurator des Dominikanerordens sowie zwei weitere Mitglieder dieser Universität, von Seiten der Hussiten der Prager Notar Matthias Louda von Chlumčany, der Taboritenpriester Markold von Zbraslavice und einige weitere Vertraute Prokops des Kahlen. Letzterer nahm aus taktischen Gründen selbst nicht daran teil. Vertreter der radikal gesinnten Waisen und der Prager Neustadt blieben dem Treffen fern.81 In den Gesprächen, die eine große Militäraktion noch hätten abwenden können, forderten die Hussiten die Anerkennung der Lex Dei als übergeordnete Entscheidungsinstanz, Johannes Stojković die Unterwerfung der Hussiten hinsichtlich all ihrer Häresien und Irrtümer unter das Urteil der Kirche und des Konzils. Die Gespräche endeten ergebnislos; die hussitische Delegation reiste am 28. Mai wieder ab.82 Knapp zwei Monate später, am 20. Juli 1431, nahmen die Hussiten in einem an die gesamte Christenheit gerichteten Manifest auf das Treffen in Eger Bezug: Ihre Bemühungen bei Markgraf Friedrich von Brandenburg, dem polnischen König und König Sigmund um öffentliches, freies und sicheres Gehör für die Vier Artikel auf dem Basler Konzil, früher in Preßburg und jetzt in Eger seien ohne Erfolg geblieben.83 Inzwischen hatten die Kriegsvorbereitungen auf beiden Seiten längst begonnen. Das Kreuzheer sammelte sich bei Weiden. Friedrich von Brandenburg wurde von Sigmund abermals zum Anführer des Kreuzzugs bestellt,84 an dem der von Papst Eugen IV. inzwischen zum Präsidenten des Basler Konzils ernannte Kardinal Cesarini persönlich teilnahm. Die Mobilmachung der Hussiten gegen den bevorstehenden Kreuzzug war bereits drei Tage nach dem Aufbruch der hussitischen Delegation aus Eger in Prag erfolgt. Am 19. Juni 1431 schrieb der Waldsassener Abt Nikolaus dem Egerer Rat aus Tirschenreuth,

81 Zu diesem Treffen: Amedeo Molnár, Chebský Soudce, in: Soudce smluvený v Chebu, S. 9–37, hier S. 11–14; Winfried Eberhard, Der Weg zur Koexistenz. Kaiser Sigmund und das Ende der hussitischen Revolution, in: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 33 (1992), S. 1–43, hier S. 10; Šmahel, Die Hussitische Revolution III, S. 1510. – Zu den bereits 1423/24 einsetzenden Bemühungen Sigmunds, auf dem Verhandlungsweg einen Ausgleich mit den Hussiten zu erzielen, zusammenfassend: Eberhard, Der Weg zur Koexistenz, S. 8–12; dazu auch: Studt, Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil, S. 121 f., 124. 82 DRTA IX, hg. v. Dietrich Kerler, Gotha 1887, Nr. 418, S. 552–556; Šmahel, Die Hussitische Revolution III, S. 1510 f. 83 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 751, S. 228–231, hier S. 229; Husitské manifesty [Hussitische Manifeste], ed. Amedeo Molnár (Světová četba 495), Praha 1980, S. 171–176. – Zur Preßburger Versammlung 1429: Machilek, Die hussitische Forderung, S. 518–520. 84 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 745, S. 218–221; DRTA IX, Nr. 423, S. 556 f. – Šmahel, Die Hussitische Revolution III, S. 1513 f.



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die Hussiten hätten vor, sich am 21. Juni bei Pilsen zu sammeln.85 Das Reichsheer brach Anfang Juli auf. Ein Teil zog erneut an Eger vorbei, das die Truppen reichlich mit Lebensmitteln, Kühen und Bier zu versorgen hatte86 und von hier weiter über Tachau und Kladrau bis vor Taus (Domažlice). Als sich dem Reichsheer am 14. August 1431 das unter der Führung Prokops des Kahlen stehende hussitische Heer näherte, löste sich jenes vor dem durchdringenden Kriegsgesang des Chorals „Ktož sú Boží bojovníci“ (Die ihr Gottes Streiter seid) und dem Lärm der heranrollenden Wagenkolonnen in wilder Flucht auf. Der fünfte Kreuzzug gegen die Hussiten endete mit einem verheerenden Gemetzel an dem in Auflösung begriffenen Reichsheer.87 Im „Ausgaben-Brief“ an den König von 1437 schrieb der Egerer Rat bezüglich des Kreuzzugs und der vorausgehenden Aufwendungen im Jahr 1431 u.a.: „[...] eben zu dießer zeit giengen der stadt vor zehrung und nachreyßen dem könig und fürsten auf bey 3.000 [fl.]. [...] item ist gemeinsam nutzen der christenheit zum besten zur beschickung der fürsten und herren angestelten tag verzehret worden 4.000 [...], item zu besoldung des reißigen zugs dieße jahr außgegeben worden 20.000. [...] Alß man letztens vor Tauß lag, blieben der stadt außen 2 carthaunen und alle wägen; dadurch schaden gelitten 3.000.“88 Nach der vernichtenden Niederlage von Taus strebten endlich auch das Konzil und nunmehr auch Kardinal Cesarini, der jene persönlich miterlebt hatte, den Weg der Verhandlungen mit den Hussiten an. Auf Anregung Markgraf Friedrichs von Brandenburg schrieb Sigmund bereits im August 1431 ein in versöhnlichem Ton gehaltenes Schreiben an die Hussiten mit der Einladung zur Teilnahme am Konzil.89 Am 15. Oktober folgte das von Kardinal Cesarini verfasste, berühmte Einladungsschreiben „Compulit nos caritas“ des Konzils.90 In der Folgezeit dokumentiert eine vielfach über Eger verlaufende rege Korrespondenz zwischen Nürnberg, Eger, Pilsen und Prag den Stand der Verhandlungen mit den Hussiten. Die durchaus freundlich gestimmten Schreiben von Basel nach Prag verfehlten bei den gemäßigten Hussiten ihre Wirkung nicht; die Taboriten waren jedoch nach wie vor nicht zu Kompromissen bereit.91 Ende des Jahres 1431 hielt sich Sigmund zusammen mit Markgraf Friedrich von Brandenburg und dem Würzburger Bischof Johann von Brunn in Eger auf.92 85 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 742, S. 217. – Šmahel, Die Hussitische Revolution III, S. 1513 (hier fälschlich: 29. Juni). 86 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1027, S. 215. 87 Šmahel, Die Hussitische Revolution III, S. 1516–1521; Studt, Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil, S. 113. – Zum Kriegschoral: Pavel Spunar, Repertorium auctorum Bohemoreum provectum idearum post Universitatem Pragensem conditam illustrans, Tom. II (Studia Copenicana 35), Warszawa/Praga 1995, Nr. 14, S. 43. – Berühmt ist das Carmen „Enarret nunc Bohemia“ über den Sieg der Hussiten bei Taus von Laurentius von Březová, dazu ebd. Nr. 116, 84 f. 88 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1069, S. 258. – Kartaunen: Viertelbüchsen. 89 Eberhard, Der Weg zur Koexistenz, S. 11. 90 Monumenta conciliorum generalium saeculi XV, Bd. 2, Wien 1873, S. 38–40. – Molnár, Chebský soudce, S. 16. 91 Zur Einstellung der letzteren: Eberhard, Der Weg zur Koexistenz, S. 6 f. u.ö. 92 Kubů, Sigismund von Luxemburg und der Stadtstaat Eger, S. 165.

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Der in Prag versammelte böhmische Landtag beschloss im Februar 1432 die Einberufung einer Zusammenkunft in Eger, auf der Vertreter der Utraquisten und des Basler Konzils Vorverhandlungen über das spätere Vorgehens auf dem Konzil selbst aufnehmen sollten. Die Delegation des Konzils traf Ende April in Eger ein. Zu ihr gehörten Johannes Nider OP, der Maulbronner Zisterzienserabt Johannes von Gelnhausen, der Erfurter Professor und Magdeburger Domherr Heinrich Toke sowie die Pfarrer der beiden Nürnberger Pfarrkirchen. Ihr schloss sich auch Markgraf Friedrich von Brandenburg an. Aus der hussitischen Delegation sind neben Prokop dem Kahlen u.a. Magister Johannes Rokycana, Jakoubek von Vrešovice, der Piseker Hauptmann Matthias Louda von Chlumčany und der Gemeideältere Johann von Krajnice aus der Prager Altstadt zu nennen. Sie schoben ihre Ankunft bis zur Zusicherung sicheren Geleits von Seiten der Fürsten, des Egerer und Elbogener Rats sowie die Ankunft Prokops des Kahlen hinaus; die Delegation erschien erst am 8. Mai in Eger.93 Zur Eröffnung der Beratungen hielt Heinrich Toke am folgenden Tag eine vielbeachtete Friedensrede.94 Nach zähen Verhandlungen kam am 18. Mai eine Vereinbarung über insgesamt elf strittige Punkte zustande, der sogenannte Egerer Richter (Judex compactatus, Chebský soudce). Darin wurde den Hussiten für das Konzil freies Gehör, wann immer gewünscht, zugesichert (Punkt 1); im Streit um die Vier Prager Artikel soll das göttliche Gesetz, die Praxis Christi, der Apostel und der Urkirche zusammen mit den darauf gründenden Konzilien und Lehren der Doktoren als wahrhaftester Richter auf dem Basler Konzil anerkannt werden (Punkt 7).95 Nach František Šmahel „stellten die elf Artikel der Egerer Vereinbarungen vom 18. Mai 1432 den größten Sieg dar, den die hussitische Revolution gegenüber der Kirche und ihren weltlichen Stützen je zu erreichen vermochte.“96 Das Konzil billigte die überwiegend politisch motivierten Egerer Vereinbarungen und die Gültigkeit der Geleitbriefe (20. Juni und 10. Oktober 1432);97 die theologischen Verhandlungen des Jahres 1433 auf dem Konzil wurden jedoch von jenen Vereinbarungen nur bedingt bestimmt.98 Eger erscheint gerade zu jener Zeit als wichtige Station im Kommunikationsnetz zwischen Basel, Nürnberg und Prag. Bei den seit Anfang Juli 1432 aus Basel in Eger eintreffenden Briefen handelte es sich größtenteils um Geleitbriefe des Konzils gemäß den Egerer Vereinbarungen. Ein von Basel bezahlter Egerer Bote sollte die Briefe sicher und so schnell als möglich nach Prag transportieren, ebenso die Antwortschreiben zurück nach Basel. Für die böhmische „Vorabgesandtschaft“ aus Prag, welche die Situation in Basel 93 Molnár, Chebský soudce, S. 18 f., 21; Šmahel, Die Hussitische Revolution, Bd. III, S. 1540 f. 94 Jana Nechutová, Proslov Jindřicha Tokeho „Pax vobis“ k zahájení chebských porad 9. května 1432 [Heinrich Tokes Ansprache „Pax vobis“ zur Eröffnung der Egerer Beratungen am 9. Mai 1432], in: Soudce smluvený v Chebu, S. 141–154 (mit Edition des lateinischen Textes und neutschechischer Übertragung). – Zu Tokes Einstellung auch: Eberhard, Der Weg zur Koexistenz, S. 10, 14 f. 95 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 802, S. 281–283. 96 Šmahel, Die Hussitische Revolution, Bd. III, S. 1543. – Zu Vorgeschichte, Inhalt und Bedeutung des „Egerer Richters“ näher Molnár, Chebský soudce. 97 Šmahel, Die Hussitische Revolution, Bd. III, S. 1544, 1560. 98 Molnár, Chebský soudce, S. 28; Eberhard, Der Weg zur Koexistenz, S. 15.



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erkunden sollte, hatte Eger zwischen Luditz und der böhmischen Grenze für sicheres Geleit zu sorgen.99 Im Spätherbst 1432 oblag es dem Egerer Rat, den Empfang der Delegation der Hussiten nach Basel durch Markgraf Friedrich von Brandenburg und Pfalzgraf Johann von Neumarkt in Cham zu organisieren, wo jene am 17. oder 18. Dezember eintraf.100 Am 29. Dezember berichtete der Nürnberger Rat König Sigmund über den Durchzug der Konzilsgesandschaft.101 Diese traf unter Führung von Prokop dem Kahlen und Wilhelm Kostka von Postupice, dem Hauptmann von Leitomischl (Lytomišl), am 4. Januar 1433 in der Konzilsstadt ein. Für die hier in den folgenden Monaten über die Vier Artikel geführten Verhandlungen stellte das Konzil den Vertretern der hussitischen Parteien nicht Theologen der vermittelnden Richtung wie Heinrich Toke gegenüber, der in Eger eine wichtige Rolle gespielt hatte, sondern kompromisslosere wie insbesondere Johannes Stojković von Ragusa.102 Magister Johannes Rokycana, Vertreter der Utraquisten, der den Artikel über den Laienkelch verteidigte, antwortete der eben genannte Johannes Stojković von Ragusa; Nikolaus von Pilgram (Pelhřimov), Senior der taboritischen Geistlichkeit, der den Artikel über die öffentliche Bestrafung von Todsünden verteidigte, der Pariser Theologieprofessor Gilles Charlier (Aegidius Carlerii); Ulrich von Znaim, Pfarrer aus Tschaslau (Časlav), der als Orator der Waisen den Artikel über die Predigtfreiheit verteidigte, der Kölner Theologieprofessor Heinrich Kalteisen OP; der Oxforder Magister Peter Payne, Vertreter der taboritischen Richtung, der den Artikel über die Armut des Klerus verteidigte, schließlich der spanische Kanonist Juan Palomar.103 Im Kern kreisten die Disputationen über alle Vier Artikel um den jeweils vertretenen Kirchenbegriff.104 Im weiteren Verlauf erwies sich allein der Artikel über den Laienkelch als „kompromissfähig“.105 Im November 1433 schlossen Gesandte des Konzils in Prag jene Vereinbarungen mit den Gemäßigten, die diesen den Laienkelch konzedierten, aber auch diesen nur unter der Voraussetzung, dass der spendende Priester die Kommunizierenden zuvor auf die Gegenwart Christi unter jeder der beiden Gestalten von Brot und Wein belehrt habe. Die „Prager Kompaktaten“ lassen erkennen, dass die Konzilsseite letztlich auf die Rückkehr der Hussiten zur Einheit der alten Ordnung der Kirche setzte und nicht auf einen Kompromiss zwischen dem Reformkonziliarismus und dem hussitischen Reformprogramm.106 Die radikalen Hussiten – die Waisen, Taboriten und die mit ihnen verbündete Prager Neustadt – waren zur Annahme dieser Übereinkunft 99 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1028, S. 217. 100 Šmahel, Die Hussitische Revolution, Bd. III, S. 1560 f. 101 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II, Nr. 839; S. 333 f. 102 Eberhard, Der Weg zur Koexistenz, S. 14 f. 103 Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme (Kölner Historische Abhandlungen 32), Köln/Wien 1987, S. 353–372; Šmahel, Die Hussitische Revolution III, S. 1565–1571 (jeweils mit umfassenden Quellen- und Literaturangaben). 104 Helmrath, Das Basler Konzil, S. 365. 105 Ebd. S. 363. 106 Eberhard, Der Weg zur Koexistenz, S. 16. – Über die zähen Auseinandersetzungen um die theologische Auslegung des Programms der Vier Artikel unter den Hussiten in den folgenden Jahren ebd. S. 17–25.

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nicht bereit. Erst ihre Niederlage gegen eine Kaolition des utraquistischen und katholischen Adels, die durch die Prager Altstadt, Kuttenberg und weitere Städte sowie Mähren verstärkt wurde, in der Schlacht bei Lipan (Lipany) südöstlich von Prag am 30. Mai 1434107 bahnte den Weg für Sigmunds Wiederinbesitznahme des Königreichs Böhmen, die Vermittlungsgespräche zwischen Sigmund, Abgeordneten des böhmischen Landtags und des Basler Konzils zu Stuhlweißenburg (1435), Sigmunds feierlichen Einzug in Prag am 23. August 1436 und die Verkündigung der Vereinbarungen mit dem Konzil auf dem Iglauer Landtag (1436). Die „Iglauer Kompaktaten“) wurden im darauf folgenden Jahr durch das Basler Konzil ratifiziert („Basler Kompaktaten“).108 Eger blieb in den Jahren 1433/34 eine wichtige Station im Verkehr zwischen dem Basler Konzil und Prag.109 Nach Sigmunds Wiedereinsetzung als böhmischer König nahm die Stadt unmittelbaren Kontakt mit dem inzwischen auch zum römischen Kaiser gekrönten Herrscher auf und entsandte zu Beginn des Jahres 1437 Gesandte an den Hof in Prag. Sigmund bedankte sich für die ihm und dem Reich während der Hussitenkriege erwiesene Treue und erteilte der Stadt mit der „Goldenen Bulle“ vom 25. Januar 1437 und einer weiteren Urkunde vom 28. Januar 1437 eine Reihe wichtiger Privilegien.110 Die Hoffnung des Egerer Rats, der Sigmund anlässlich seiner Anwesenheit auf dem Landtag zu Eger im August des Jahres 1437 eine Aufstellung über die hohen Ausgaben der Stadt in den Hussitenkriegen vorlegte und einen Ausgleich erwartete, wurde nicht erfüllt, wie aus der Schlussbemerkung der im Folgenden in Auszügen angeführten Aufstellung hervorgeht: „Da man vor Cladrau gelegen, hat die stadt Eger zu roß und fueß geschicket 2.000 mann, haben gekostet 4.000 fl. – Item do man vor Saatz lag, schicket die stadt zu roß und fueß 1.200 mann sambt denen reiß-wägen, haben gekostet 3.000. [...] – Und alß die Hussiten ins Egerlandt kamen, kaufften sie sich umb 1.000 fl. mit ihnen ab, aber sie brenneten viel dörffer, sitz und kirchen ab und thäten schaden biß in 10.000. – Item [...] zu bevestigung der stadt verbauet worden 10.000. [...] – Mehr ist in vergangenen jahr zu beyden, schäden gelt und zünß, außgeben worden 30.000. – Thun alßo dieße außlaagen und erlittene schäden wegen des hussitischen krieges in einer summa: 98.950 fl. – Welche große außgaaben und erlittene schäden eben in dießem jahr [1437] ihro kay. may. Sigismundo, da er allhier lehen verliehen, wie nachstehend zu leßen, vorgetragen und verrechnet worden, die stadt destwegen viel privilegirt, aber wenig ergötzt.“111 Angesichts der Tatsache, dass Eger beim Landtag erneut beträchtliche Ausgaben für die Unterbringung der hochrangigen Gäste aufzubringen hatte, wird die in den letzten Zeilen geäußerte Klage umso evidenter. Gleichwohl ist anzunehmen, dass die Egerer die der Stadt gewährten Privilegien des Herr107 Zu den Hintergründen und zum Verlauf der Schlacht: Šmahel, Die Hussitische Revolution III, S. 1625–1641. 108 Ebd. S. 1641–1690. 109 So Anfang Mai, Mitte Juli, Mitte Oktober 1433, Ende Januar und Mitte Oktober 1434: ebd. S. 1584, 1594, 1599 f., 1615, 1648. 110 StOA Cheb, Fond 1, Urkunden Nr. 453 und 455. – Gradl, Privilegien, S. 25–27; Kubů, Cheb v době husitské, S. 119. 111 Gradl, Die Chroniken der Stadt Eger, Nr. 1069, S. 257 f. – Eine spätere Abschrift liegt in der Ratschronik im StOA Cheb, fol. 49b–51b, vor.



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schers durchaus zu schätzen wussten und dass der Nutzen daraus auf längere Sicht größer war als die in den Hussitenkriegen erwachsenen finanziellen Ausgaben. Durch ihre politische Rolle in der Zeit der Hussitenkriege wurde die Stellung Egers zwischen Böhmen und dem Reich gestärkt und die Autonomie des Stadtstaats gefestigt.112 Die Vorstellung, eine Reichsstadt zu sein, die lange Zeit fast vergessen worden war, rückte in der Zeit der Auseinandersetzungen wieder ins Bewusstsein und wurde auch von böhmischer Seite anerkannt.113 Durch die vielfachen Kontakte mit Vertretern des Hussitismus konnte sich hier aber auch die Atmosphäre einer „gewissen Toleranz“ gegenüber hussitischen Überzeugungen entwickeln, die noch eine Generation später in den kirchenkritischen Vorstellungen der Brüder Livin und Janko von Wirsberg und in wiederholter proböhmischer Position in der Zeit Georgs von Poděbrad nachwirkten.114 Auf das Ganze gesehen hat Eger im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts gerade auch auf wirtschaftlichem Gebiet eine Blütezeit erlebt.115

112 Kubů, Cheb v době husitské, S. 123. 113 Sturm, Eger, S.108. 114 Kubů, Cheb v době husitské, S. 119–121. – Alexander Patschovsky, Zeugen der Geisteswelt Joachims von Fiore in Deutschland während des 15. Jahrhunderts, in: Gian Luca Potestà (Ed.), Il profetismo gioachimita tra Quattrocento e Cinquecento, Genova 1991, S. 225–257. 115 Kubů, Chebský městský stát. – Zur wirtschaftlichen Situation auch Sturm, Eger, S. 240, 248 f.

Vorlage: Karte der „Handelswege im späten Mittelalter zwischen Bayern und Böhmen“ von Ulrich List, Graphik Heinz Muggenthaler, in: Bayern – Böhmen. 1500 Jahre Nachbarschaft, hrsg. v. Rainhard Riepertinger u.a., Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2007, Zwiesel 25. Mai bis 14. Oktober 2007 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 54/2007, hrsg. v. Haus der Bayerischen Geschichte), Augsburg 2007, Nr. 2.34, S. 141. Umzeichnung: Heike Faltenbacher.

Miloslav Polívka Die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und den böhmischen Ländern während der Hussitischen Revolution (1419–1434)* Es ist hinlänglich bekannt, daß unter der Regierung der Luxemburger, insbesondere Karls  IV., die Reichsstadt Nürnberg endgültig die führende Rolle im Handel Süddeutschlands mit den böhmischen Ländern übernommen hat. Damit konnte Nürnberg Regensburg ablösen, das diese Position zuvor innegehabt hatte.1 Das Gleiche geschah auch im politischen Bereich, da sich eine neue Achse bildete und die Prager Residenz der Luxemburger mit Nürnberg und so auch mit dem Rheingebiet sogar kulturell verband. Die rasche Entfaltung der Beziehungen zwischen der Stadt an der Pegnitz und den böhmischen Ländern erhielt erst durch die Absetzung Wenzels IV. als römisch-deutscher König im Jahre 1400 einen Dämpfer, da sich die Nürnberger Ratsherren rasch für eine Unterstützung Ruprechts von der Pfalz aussprachen.2 Neun Jahre später schlugen sich auch im Bereich des Handels die drohenden nationalen Konflikte zwischen Tschechen * Der vorliegende Beitrag stellt eine geringfügig veränderte und ergänzte Fassung des Aufsatzes „Wirtschaftliche Beziehungen Nürnbergs mit den ,böhmischen Ketzern‘ in den Jahren 1419 bis 1434. Haben die Nürnberger mit den Hussiten Handel getrieben?“ dar, der in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 86 (1999), S. 1–19, erschienen ist. Der Herausgeber dankt Herrn Leitendem Archivdirektor Dr. Michael Diefenbacher, dem Leiter des Stadtarchivs Nürnberg und derzeitigem Schriftleiter der Mitteilungen, verbindlich für die Genehmigung zum Wiederabdruck. 1 Lütge, Friedrich: Der Handel Nürnbergs nach dem Osten im 15. und 16. Jahrhundert, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, Nürnberg 1967, S. 318–376. – Ammann, Hektor: Die wirtschaftliche Stellung der Reichsstadt Nürnberg im Spätmittelalter, Nürnberg 1970. – Pfeiffer, Gerhard (Hg.): Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, München 1971, S. 46–54. – Stromer, Wolfgang von: Der kaiserliche Kaufmann – Wirtschaftspolitik unter Karl IV., in: Seibt, Ferdinand (Hg.): Kaiser Karl IV Staatsmann und Mäzen, München 1978, S. 63–73. – Heinig, Paul-Joachim: Reichsstädte, freie Städte und Königtum 1389–1450, Wiesbaden 1983, S. 17–54. – Höhn, Alfred: Die Straßen des Nürnberger Handels, Nürnberg 1985. – Zur politischen Bedeutung Nürnbergs im späten Mittelalter neben den angeführten Arbeiten auch Müller, Helmut: Die Reichspolitik Nürnbergs im Zeitalter der Luxemburgischen Herrscher 1346–1437, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 58 (1971), S. 2–101. – Nürnberg, Kaiser und Reich. Ausstellung des Staatsarchivs Nürnberg, 20. September – 31. Oktober 1986 (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 20), München/Neustadt a.d. Aisch 1986. 2 Vgl. Pfeiffer (Hg.), Nürnberg (wie Anm. 1), S. 80–83, und Schenk, Hans: Nürnberg und Prag. Ein Beitrag zur Geschichte der Handelsbeziehungen im 14. und 15. Jahrhundert, Wiesbaden 1969. – Polívka, Miloslav: Nürnberg und die böhmischen Städte in der Hussitenzeit, in: Mediaevalia Historica Bohemica 2 (1992), S. 101–118. ­– Während der Drucklegung des vorliegenden Bandes ist erschienen: Praha – Norimberk v proměnách století [Prag – Nürnberg im Wandel der Jahrhunderte] (Documenta Pragensia XXIX), Praha 2011.

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und Deutschen nieder: und zwar sowohl nach der Veröffentlichung des Kuttenberger Dekrets3 als auch in den Jahren unmittelbar vor dem Ausbruch der Hussitischen Revolution und der damit verbundenen Hussitenkriege (1419–1434)4, als insbesondere in Prag immer häufiger antideutsche Stimmen laut wurden.5 Wenngleich weiterhin Handel betrieben wurde, fühlten sich die Nürnberger Kaufleute in Prag, wo sich die hussitische Bewegung am stärksten entfaltete, nicht mehr sicher.6 Die Situation spitzte sich allerdings erst nach dem Prager Fenstersturz im Sommer 1419 und zu Beginn des darauffolgenden Jahres zu. 3 Das von König Wenzel IV. am 18. Januar 1409 erlassene sogenannte Kuttenberger Dekret sicherte an der Prager Universität der böhmischen Nation drei Stimmen, während die bayerische, sächsische und polnische Nation zusammen nur mehr eine Stimme behielten. Infolge dessen verließ ein großer Teil der deutschen Magister und Studenten Prag. Dazu Seibt, Ferdinand: Johannes Hus und der Abzug der deutschen Studenten aus Prag 1409, in: Archiv für Kulturgeschichte 39 (1957), S. 63–80 (wiederabgedruckt in: Ders.: Hussitenstudien. Personen, Ereignisse, Ideen einer frühen Revolution [Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 60]. Festgabe zum 60. Geburtstag von Ferdinand Seibt, München 1987, S. 1–15); Šmahel, František: The Kuttenberg Decree and the Withdrawal of the German Schools from Prague in 1409: A Discussion, in: History of University 4 (1984), S. 153–161. – Ders.: Die Prager Universität und der Hussitismus, in: Die Universität in Alteuropa, hg. von Alexander Patschovsky und Horst Rabe, Konstanz 1994, S. 120–124; Svatoš, Michal: Obecné učení (1347/8–1419) [Der allgemeine Lehrbetrieb], in: Ders. (Hg.): Dějiny univerzity Karlovy (1347/8–1622), Bd. 1, Praha 1995, S. 27–99, hier S. 85–99; Hilsch, Peter: Johannes Hus (um 1370 – 1415). Prediger Gottes und Ketzer, Regensburg 1999, S. 87–102; Machilek, Franz: Kirche und Universität im Spätmittelalter: die Gründungen Prag und Erfurt, in: Wörster, Peter (Hg.), Universitäten im östlichen Mitteleuropa. Zwischen Kirche, Staat und Nation – Sozialgeschichtliche und politische Entwicklungen (Völker, Staaten und Kulturen im östlichen Mitteleuropa 3), München 2008, S. 165–193, S. 183 f. – Im Januar 2009 fand im Collegium Carolinum der Prager Universität eine Internationale Konferenz zum Kuttenberger Dekret statt; die Vorträge sind inzwischen im Druck erschienen: Zilynská, Blanka (Hg.): Universitäten, Landesherren und Landeskirchen: Das Kuttenberger Dekret von 1409 im Kontext der Epoche von der Gründung der Karlsuniversität 1348 bis zum Augsburger Religionsfrieden (1555) (Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis XLIX, 2009, Fasc. 2), Praha 2010. 4 Die umfangreiche Literatur zur hussitischen Revolution bzw. zu den Hussitenkriegen verzeichnet Zeman, Jarold K.: The Hussite Movement. A Bibliographical Study Guide, Ann Arbor 1977. – Aus der in deutscher Sprache publizierten älteren Literatur ist insbesondere hinzuweisen auf: Bezold, Friedrich von: König Sigmund und die Reichskriege gegen die Husiten, 3 Bde., München 1872, 1875, 1877. – Die umfangreichste und modernste Bearbeitung der Hussitenproblematik bietet jetzt: Šmahel, František: Die Hussitische Revolution, 3 Bde. (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 43/I–III), Hannover 2002. – Für die Einstellung zum Hussitismus in Franken Machilek, Franz: Hus und die Hussiten in Franken, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung (künftig: JfL) 51 (1991), S. 15–37. 5 Šmahel, František: “The Idea of the Nation” in Hussite Bohemia. An Analytical Study of the Ideological and Political Aspects of the National Question in Hussite Bohemia from the End of the 14th to the Eighties of the 15th Century, in: Historica 16 (1969), S. 143–247 und 17 (1969), S. 93–197; (tschechische Ausgabe:) Ders.: Idea národa v husitských Čechách, České Budějovice 11971, Praha 22000. 6 Vgl. Schenk, Nürnberg und Prag (wie Anm. 2), S. 57–70.



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Erstmals waren insbesondere im Außenhandel bei den gerade ausbrechenden Kämpfen zwischen den beiden miteinander verfeindeten Glaubenslagern schwere Einbußen zu verzeichnen, so daß zuletzt die kirchliche und die weltliche Gewalt, repräsentiert durch Papst Martin V. und den römischen König Sigismund, allen Christen jeglichen Handel mit den „böhmischen Ketzern“ strengstens untersagte.7 Es wäre freilich naiv anzunehmen, daß Gesetze und Verbote von allen Seiten respektiert worden seien. Aus den oben angedeuteten Gründen ging der Handel zwischen Nürnberg und seinen Partnern in den böhmischen Ländern nach 1419 wegen der unsicheren Verhältnisse (sowohl in Böhmen als auch an der fränkisch-böhmischen Grenze), wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen (Kreuzzüge gegen die Hussiten8) und wegen der ausgesprochenen kirchlichen und weltlichen Verbote zurück, kam aber nicht vollständig zum Erliegen. Allen Hindernissen zum Trotz begleiteten die Nürnberger ihre Waren auf die Burg Karlstein, nach Pilsen, Eger, Tachau und an andere Orte, wo sie sie den Händlern oder Verbrauchern bürgerlicher oder adeliger Herkunft verkauften, die sich zum „althergebrachten Glauben unter einer Gestalt“ bekannten, d.h. katholisch geblieben waren.9 Nicht nur die Nürnberger Kaufleute, auch die Reichsstadt selbst lieferte nach Böhmen Geld und Ware (vor allem Waffen und Schießpulver, aber auch Wein und Südobst), und sandte in böhmische Städte und Burgen Söldner, um die dortigen Katholiken angesichts der Hussitengefahr zu unterstützen. Manche Städte, wie z.B. Eger und Pilsen, waren deshalb bei der Reichsstadt verschuldet.10 Die Höhe der Schulden in Nürnberg wurde bisher 7 Papst Martin V. gab den entsprechenden Befehl in der am 1. März 1420 in Florenz ausgestellten Bulle „Omnium plasmatoris domini“: Palacký, František (Hg.): Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges vom Jahre 1419 an, 2 Bde., Prag 1873 (ND Osnabrück 1966), hier Bd. 1, Nr. 12, S. 17–20. – Das Schreiben des römisch-deutschen Königs Sigismund im „Dialogus de hussitis“ des Andreas von Regensburg, Sämtliche Werke, hg. von Georg Leidinger, München 1903, S. 657–691. 8 Ausführlich schildert die einzelnen Kreuzzüge F. v. Bezold, König Sigmund (wie Anm. 4), Bartoš, František Michálek: Husitská revoluce [Hussitische Revolution], 2 Bde., Praha 1965 f., und F. Šmahel, Die Hussitische Revolution. 9 Zu diesem Problemkreis G raus , František: Die Handelsbeziehungen Böhmens zu Deutschland und Österreich im 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts, in: Historica 2 (1960), S. 77–110. – Janáček, Josef: Der böhmische Außenhandel in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Historica 4,1962, S. 43–47. – Hejnic, Josef/Polívka, Miloslav: Plzeň v husitské revoluci [Pilsen in der husssitischen Revolution], Praha 1987, S. 283 ff. – Polívka, Nürnberg und die böhmischen Städte (wie Anm. 2), S. 101 ff. – Čechura, Jaroslav: Zum Konsumniveau in Ostmittel- und Westmitteleuropa in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: E berhard , Winfried/L emberg , Hans/H eimann , Heinz-Dieter/L uft , Robert (Hgg.): Westmitteleuropa – Ostmitteleuropa. Vergleiche und Beziehungen. Festschrift für Ferdinand Seibt zum 65. Geburtstag (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 70), München 1992, S. 185–196. – Unter dem Aspekt der Reichsfinanzen beschäftigte sich auch mit der internationalen wirtschaftlichen Bedeutung Nürnbergs Stromer, Wolfgang von: Oberdeutsche Hochfinanz 1350–1450, 3 Bde., Wiesbaden 1970, hier v.a. Bd. 2, S. 219–294. 10 Beispiele dafür Polívka, Miloslav: Böhmen in der Endphase der hussitischen Revolution und internationale Aspekte seiner Entwicklung, in: Historica 29 (1989), S. 161–224. – Dieses Thema

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leider noch nicht spezifiziert, eine Vorstellung davon läßt sich aber trotzdem auf Grund der bisher bekannten Angaben gewinnen. Die Quellen geben bei Eger die Verschuldung nach den Hussitenkriegen insgesamt (d.h. nicht nur bei Nürnberg) mit fast 100.000 Gulden und bei Pilsen mit ca. 70.000 Gulden an. Welchen Teil davon die Reichsstadt Nürnberg selbst tragen mußte, konnte bisher nicht aufgeschlüsselt werden.11 Darüber hinaus wurden um die Mitte der 1420er Jahre in Nürnberg die sogenannten „Nürnberger Sechs“ ernannt, zu denen der Komtur des dortigen Deutschordens und fünf vornehme Bürger zählten, die zusammen mit Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg die weit im deutschen Reich eingesammelte “Hussensteuer“ für die Bekämpfung der Hussiten verwalten und verteilen sollten, die ohne Rücksicht auf ihr Glaubensbekenntnis für die Nürnberger Händler vertrauenswürdige Partner waren, die ein Interesse an dem Risiko behafteten Handel suchten.12 Doch ließ sich nicht alles verheimlichen. Mitunter drangen Informationen nach außen, die Hussiten würden mit Hilfe von Nürnberger Kaufleuten wertvolle Waren erhalten; andernorts wurden Verdächtigungen laut, so daß man die mitgeführte Ware beschlagnahmte und die deutschen Kaufleute in Gewahrsam nahm. Geschah dies, wurden derartige Händel dann allerdings zum Anlaß genommen, sie offiziell vor dem Nürnberger Rat zu verhandeln, der insbesondere auf die Intervention von Angehörigen der katholischen Partei in den böhmischen Ländern antworten mußte, die sich darüber beschwerten, daß Nürnberger Kaufleute mit den „Ketzern“ Handel trieben. Oder aber, der Rat mußte sich im Interesse des politisch-ideologischen Schutzes der Stadt auf die Seite seiner Mitbürger stellen, die ihn, nachdem sie in Böhmen aufgegriffen wurden, um ein Gutachten mit der Bestätigung baten, sie seien als ehrwürdige Bürger der Reichsstadt Nürnberg nicht mit den Hussiten in Kontakt getreten. Ein derartiges „Versehen“ bildete damals den Anlaß für eine Korrespondenz der Reichsstadt Nürnberg mit verschiedenen Adressaten in den böhmischen Ländern. Da der Innere Rat dieser Stadt mit den Briefbüchern13 Zeugnisse über den geführten Schriftverbedarf jedoch einer gründlichen Erforschung, denn nur teilweise sind die Ausgaben der Reichsstadt Nürnberg für böhmische katholische Städte und Adelige angegeben bei Sander, Paul: Die reichsstädtische Haushaltung Nürnberg dargestellt auf Grund ihres Zustandes von 1431–1440, Leipzig 1902. – Zu den Ausgaben Nürnbergs in der Hussitenzeit auch Hejnic/ Polívka, Plzeň (wie Anm. 9), S. 322 ff., insbesondere S. 325 f. 11 Zur Einschätzung von Eger vgl. in den edierten Quellen bes. Gradl, Heinrich (Hg.): Die Chroniken der Stadt Eger, in: Deutsche Chroniken aus Böhmen, hg. von Ludwig Schlesinger, Bd. 3, Prag 1884, S. 257 f. – Für Pilsen vgl. Birke, Eduard (Hg.): Monumenta Conciliorum generalium seculi decimi quinti, Wien 1873, S. 672. – Bělohlávek, Miloslav (Hg.): Dějiny Plzně [Geschichte Pilsens], Plzeň 1965, S. 84. 12 Die Rolle des Kurfürsten Friedrichs I. und der „Nürnberger Sechs“ für die politischen Ereignisse der Zeit schätzt v.a. F. v. Bezold, König Sigmund (wie Anm. 4), entsprechend ein, insbesondere in Bd. 2, S. 123–154. – Vgl. auch Seyboth, Reinhard: Friedrich VI. (1.), Burggraf von Nürnberg, Kurfürst von Brandenburg (1371–1440), in: W endehorst ; Alfred (Hg.), Fränkische Lebensbilder 16, Neustadt/Aisch 1996, S. 27–48. 13 Die Briefbücher des Inneren Rates der Reichsstadt Nürnberg, Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg (künftig abgekürzt: StAN, Rst. Nbg.), Ratskanzlei, Briefbücher.



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kehr aufbewahrte, lassen sich in diesen einige interessante Belege über derartige Verhandlungen und Handelsgeschäfte finden. Es handelt sich mit Sicherheit nur um einen Bruchteil aus der gesamten beiderseitigen Handelstätigkeit zwischen Nürnberger Kaufleuten und Hussiten, dessen Ausmaß sich allerdings kaum mehr als hypothetisch quantifizieren läßt. Einige Beispiele sind bereits partiell bekannt. Am besten ausgewertet hat diese Hans Schenk14, dessen Ausführungen sich freilich vervollständigen lassen. So reagierten die Nürnberger bereits am 17. August des Jahres 1422 auf die Vorwürfe König Sigismunds, der mitteilte, er habe vernommen, Nürnberger Kaufleute und Bürger würden den Ketzern in Prag und anderen Orten Böhmens einige (nicht näher erwähnte) Waren verkaufen und liefern. In einem Schreiben an Sigismund wiesen die Ratsherren derartige Verdächtigungen zurück und am gleichen Tag informierten sie auch den Reichskämmerer Albrecht von Kolditz, den sie um konkrete Nachrichten auf ein Schreiben baten, das ihnen Albrecht in dieser Angelegenheit bereits gesandt hatte. Und nicht allein dies: Die Nürnberger Kaufleute schreckten offenkundig nicht einmal vor Bannsprüchen bzw. Verboten zurück und sie mieden auch die Kontakte zu den Hussiten nicht ganz vollständig. Zukünftige Untersuchungen werden zweifellos die Annahme bestätigen, daß die Nürnberger dabei keineswegs allein so handelten, sondern daß nach Böhmen und Mähren ausgeführte Waren auch von anderen Kaufleuten aus dem Reich oder aber durch deren tschechische Zwischenhändler in Gebiete gelangten, die von den Hussiten beherrscht waren. Es zeigt sich offenkundig, daß in den vom ständigen Krieg zerrütteten böhmischen Ländern trotz allem genügend Mittel vorhanden waren, damit die Einfuhr verschiedener Güter entweder durch Geld (Groschen-Währung) oder aber durch den Export der im Ausland bestellten Ware (z.B. Wachs, Edel- und Farbmetalle) gedeckt wurde. Verbotener Handel blühte vor allem immer desshalb besonders, weil derartige riskante Unternehmungen sicher gute Gewinne versprachen. Die eine Seite konnte nicht ohne Waren auskommen, die andere zeigte mit deren Einfuhr ihre Bereitschaft zum Risiko, doch konnte sie größere Gewinne machen. Ein Problem bei der Erforschung der Handelsbeziehungen zwischen Nürnberger Kaufleuten und den böhmischen Ländern offenbart sich vor allem in der lückenhaften Überlieferung. Die Handels- und Handwerkstätigkeit lag in den Händen einzelner – in diesem Falle vornehmlich Nürnberger – Familien. Die weitaus dichtere Überlieferung in ihren Archiven setzt allerdings erst frühestens 50 Jahre später ein, also in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Dennoch wird es notwendig sein, für die Hussitenzeit diese bislang noch nicht vollständig ausgewerteten Familienarchive heranzuziehen. Auch gilt es zu bedenken, daß die Aufbewahrung von Rechnungen und Korrespondenzen, die sich auf den strikt untersagten Handel mit den Hussiten bezogen, sicherlich riskant gewesen wäre, so daß an der Anhäufung von Handelseintragungen und Rechnungen in derartigen Fällen 14 Schenk, Nürnberg und Prag (wie Anm. 2), S. 77–79. Schenk stützt sich auf Eintragungen in StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 5, fol. 214r und 214v–215r (für das Jahr 1422) und Briefbücher Nr. 7, fol. 108 (für 1426), vgl. Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge, Bd. 1 (wie Anm. 7), Nr. 420, S. 477 f.

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wohl kaum jemand ein ernstes Interesse gehabt haben dürfte. Abmachungen zwischen den beteiligten Partnern wurden nämlich offenkundig während der Reisen der Nürnberger zu ihren katholischen Partnern nach Böhmen getroffen oder aber mit Hilfe von Vermittlern.15 Der zweite, genauer dokumentierte Fall datiert vom Herbst des Jahres 1426. Der böhmische Adlige Johann [Hanusch] von Kolovrat16, ein bedeutender Anhänger des römischen Königs Sigismund, nahm Hans Imhoff (1403–1452), den Angehörigen der vermögenden Nürnberger Handelsfamilie, gefangen und kerkerte ihn auf der Burg Kraschow [Krašov], nordwestlich von Pilsen, ein. Dies geschah bereits vor dem 18. Oktober 1426, da – nach H. Schenk – an diesem Tag die erste Bitte des Nürnberger Rates an Kolovrat gerichtet wurde, dieser möge Hans Imhoff freilassen. Letzterer soll angeblich dadurch Schuld auf sich geladen haben, daß er die veynd gots, der ganzen Cristenheit vnd vnsers gnädigsten Herren ... des römischen etc. künigs gesterckt, in kawffmanschaft, speczrey vnd andre dink zugefürt vnd geraicht sülle haben. Die Nürnberger hatten seinen Vater Sebald befragt, der den geäußerten Verdacht bestritt. Interessant errscheint freilich Sebalds Argumentation. Zuerst verwahrte er sich nämlich dagegen, daz er seins teils söllicher sache gancz vnschuldig sey vnd den obgenant seynen sune das nie geheissen, sunder allweg haeftiklich verbotten hab; er hoff vnd getraw auch, sein sune süll söllicher sache auch vnschuldig seyn, vnd sich darrynnen niht verhandelt haben. Die Nürnberger Ratsherren stellten sich denn auch ganz auf die Seite ihres Mitbürgers und waren fest davon überzeugt, daß der Verdacht nicht stimmen könne, wan vns ye kein söllichs von den vnsern gemeynt were.17 Die Nürnberger Stadtrechnungen belegen, daß der Stadtdiener Hans Köppelwein dem Herrn von Kolovrat von Hansen Imhof wegen, den er [Kolovrat] gefangen het wohl gerade diesen Brief nach Kraschau gebracht hat, und zwar kurz nach St. Gallus Tag (16. Oktober).18 Festzustellen bleibt noch, daß die Imhoffs bereits seit vielen Jahren intensive Handelsbeziehungen zu den böhmischen Ländern unterhielten und auch offenbar nicht die Absicht hegten, diese während der Hussitenkriege zu unterbrechen. So ließ etwa bei dem erwähnten Hans Imhoff Nikel von Raussendorf, hofrichter zu Punzlaw,19 Wertgegenstände hin15 Seyboth, Friedrich VI. (wie Anm. 12) – Neugebauer, Wolfgang: Die Hohenzollern, Bd. 1, Stuttgart/Berlin/Köln 1996, S. 32–54. – Zum Engagement Friedrichs in den Hussitenkämpfen auch Miloslav Polívka: Nachrichten zur böhmischen Geschichte als Beispiel für die Auswertung eines brandenburgisch-markgräflichen Rechnungsbestandes aus der Zeit der Hussitenkriege, in: JfL 52 (1992), S. 223–230; Ders.: Dva prameny z norimberských archivů k českým dějinám první třetiny 15. století [Zwei Quellen aus den Nürnberger Archiven zur böhmischen Geschichte des ersten Drittels des 15. Jahrhunderts], in: Táborský archiv 5 (1993), S. 20–31. 16 Zu seiner Rolle in der Hussitenzeit zusammenfassend Kavka, František: Strana Zikmundova v husitské revoluci [Die Partei Sigismunds in der hussitischen Revolution], Praha 1947, S.  82 (unveröffentlichte Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität zu Prag). 17 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge, Bd. 1 (wie Anm. 7), Nr. 420, S. 475. 18 StAN, Rst. Nbg, Losungamt, Stadtrechnungen, Nr. 179, fol. 310r. Der Eintrag kommt nach der Datierung Gallus Tag, ist jedoch nicht näher bestimmt. 19 Richtig wohl Nikolaus von Ratschendorf. Ratschendorf [Radčice] ist ein nördlicher Vorort von Reichenberg [Liberec] in Nordböhmen, vgl. P fohl , Ernst: Orientierungslexikon der



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terlegen und etwa Mitte des Jahres 1423 erkundigte er sich bei den Nürnbergern über den Verbleib des verpfändeten Guts und vermutlich auch über das Schicksal des Hans Imhoff. Nikel von Raussendorf hatte nämlich ein auf den 7. Juli dieses Jahres datiertes Schreiben des Nürnberger Rates erhalten, in dem dieser dem Empfänger mitteilte, er hätte Imhoff vernommen, doch würde dieser Nikel selbst antworten.20 Der offenkundig beunruhigte Nikel wandte sich bald darauf erneut an den Nürnberger Rat, da dieser dem Absender bereits am 12. August 1423 mitteilte, man hätte Hans Imhoff noch einmal befragt, der jedoch versicherte, er habe die von Raussendorf ihm verpfändete Ware bislang nicht verkauft. Die Ratsherren fordern Nikel auf, er möge selbst zu Michaelis Tag (29. September) nach Nürnberg kommen, um vor Ort diese Angelegenheit zu klären.21 Hinsichtlich der weiteren Entwicklung in dieser Sache schweigen die Briefbücher allerdings. Am 9. November 1426 mahnten die Nürnberger erneut Imhoffs Freilassung an, dieses Mal bei der Stadt Pilsen, beim Burggrafen von Karlstein – Zdeslav Tluxa von Buřenice, und bei Johann von Lestkov auf Waldeck, dem einstigen Unterkämmerer des Königreichs Böhmen. H. Schenk betont hier die Verschiebung in der Bestimmung der Personen, mit denen Hans Imhoff Handel betrieb: zu Recht verweist er auf die Tatsache, daß aus dem Brief hervorgeht, daß Imhoff vor allem den von Prage vnd Hussen speczerey czugefürt süll haben.22 Diesen Umstand erwähnen bereits auch ältere Arbeiten zur Geschichte Nürnbergs, insbesondere ihre chronikalische Bearbeitung von Johannes Müllner. Er führt schließlich an, daß Herzog Johann von Münsterberg im gleichen Jahr Nürnberger Kaufleute bei Neus (Neisse in Schlesien) festgesetzt habe, um dem für die böhmischen Ketzer bestimmten Warenverkehr Einhalt zu gebieten.23

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Tschechoslowakischen Republik, Reichenberg 1931, S. 512. – Profous, Antonín: Místní jména v Čechách, jejich vznik, původní význam a změny [Die Ortsnamen in Böhmen, ihre Herkunft, ursprüngliche Bedeutung und Veränderungen], 5 Bde., Praha 1947–1960, hier Bd. 3, Praha 1951, S. 512. Ob Nikel Hofrichter in Alt- oder Jungbunzlau [Stará oder Mladá Boleslav] – benachbarte Städte nördlich von Prag – war, konnte ich definitiv nicht feststellen. Eher ist sein Titel mit Altbunzlau verbunden, vgl. Profous, Místní jména v Čechách (wie zuvor), Bd. I, S. 110 f. – Über die in Altbunzlau sitzenden fürstlichen und später königlichen Ämter seit der ältesten Geschichte siehe Prášek, Justin V.: Brandeis an der EIbe. Eine böhmische Stadt- und Schloßgeschichte, Prag 1915, S. 20 ff. und 109 ff. – Nikolaus von Ratschendorf könnte kaum mit Nikolaus Bunzlau, Kanzler des Fürstentums Breslau, identisch sein. Über diesen vgl. Belege bei Altmann, Wilhelm (Bearb.): Regesta Imperii, Innsbruck 1897 (2. Lieferung), Bd. 2, S. 475. (Register). Ob Ratschendorfer Hofrichter in Schlesisch Bunzlau [Boleslawiec] war, konnte nicht festgestellt werden. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 6, fol. 16r. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 6, fol. 27r–v. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 114. – Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge (wie Anm. 7), Bd. I, Nr. 424, S. 477, Schenk, Nürnberg und Prag (wie. Anm. 2), S. 78. Johannes Müllner: Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623, 2. Teil (1351–1469), hg. v. Gerhard Hirschmann, Nürnberg 1984, S. 255. Müllner verweist zum einen darauf, daß der Papst den Handel mit den Hussiten sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands verboten habe, und zum anderen darauf, daß Hans Imhoff im Jahre 1426 aufgrund des Verdachts verhaftet worden sei, er habe sich diesem Verbot widersetzt. Nähere Quellenangaben bringt Müllner

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Da Hans Schenk vornehmlich mit der lückenhaften, oben bereits erwähnten Edition F. Palackýs arbeitete, entgingen ihm weitere Quellen und die erneute Zuspitzung des Streits um Hans Imhoff, der sich in anderen Eintragungen in den Briefbüchern erhalten hat. Die Tatsache, daß Hans Imhoff zu dieser Zeit Handel in Böhmen betrieb, bestätigt auch ein Schreiben der Nürnberger vom 13. August 1426. Gerichtet ist dies an den Nürnberger Büchsenmacher Dietrich genannt Lederhose, den die Nürnberger der Stadt Pilsen zu Hilfe gesandt hatten, damit dieser sie bei der Verteidigung gegen die Hussiten unterstütze. Aus dem Schreiben geht hervor, daß die Nürnberger mit Dietrichs Unterstützung Hans Imhoff einen Brief von dessen Mutter hatten zukommen lassen; zugleich baten sie ihn, er möge Lederhose 13 Gulden, einem gewissen Herman Stolzen fünf Gulden und seinem Boten zehn Groschen vorschießen. Dieser Brief beweist, daß sich Hans Imhoff in Westböhmen aufhielt und das Vertrauen des Nürnberger Rates sowie Kontakte zu den nach Pilsen entsandten Söldnern besaß.24 Doch auch die ersten Nachrichten über Imhoffs Gefangenschaft stammen nicht erst vorn 18. Oktober 1426, wie man auf der Grundlage der Interpretation H. Schenks meinen könnte, sondern bereits vorn 27. September dieses Jahres, als die Nürnberger Kanzlei die ersten Schreiben ausfertigte, die hiervon Kenntnis geben.25 Im ersten Schreiben wandten sich die Nürnberger an den Herrn Johann von Kolovrat auf Krasch und teilten diesem mit, Hans Imhoffs Vater Sebald hätte ihnen offenbart, Kolovrat habe seinen Sohn gefangen genommen. Sie sahen darin einen Racheakt für irgendeinen, angeblich jedoch bereits beigelegten Streit, den Johann von Kolovrat zusammen mit seinem Bruder Friedrich nicht überwunden habe.26 Deshalb baten sie Johann von Kolovrat, er möge den Gefangenen freilassen. Am gleichen Tage wandten sie sich in eben dieser Angelegenheit an Zdeslav Tluxa von Buřenice, den Burggrafen der königlichen Festung Karlstein. Kolovrat mußte freilich in seiner Antwort, deren Text leider nicht überliefert ist, die Anschuldigungen an Hans Imhoff dahingehend präzisiert haben, dieser hätte sich durch den Handel mit den Hussiten schuldig gemacht. Imhoffs Gefangenschaft dauerte fort, und so wandten sich am 16. Dezember die Nürnberger in dieser Angelegenheit an Herrn Heinrich von Plauen, den Reichshofrichter.27 Sie teilten ihm kurz mit: Hans Imhoff war von Herrn Johann Kolovrat gefangen genommen freilich nicht; den Wortlaut übernahm auch Roth, Johann Ferdinand: Geschichte des nürnbergischen Handels, Bd. I, Leipzig 1800, S. 165. 24 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 43r. 25 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 103v–104r. 26 Zur friedlichen Regelung dieses Streits vgl. die nur in Regestenform erhaltene schriftliche Verfügung vom 14. August 1419 in: StAN, Repertorium 2b zum Bestand Rst. Nbg., Losungamt, 7farbiges Alphabet, Urkunden, Bd. I, S. 207, Nr. 609. Demnach sollten sich die Brüder von Kolovrat mit der Stadt Nürnberg vertragen von der Streitigkeit wegen um Fritz von Egloffstein und Kunz Truchses von Holnstein unter Vermittlung des Breslauer Hauptmanns Heinrich von Lazan. Das Original der Urkunde fehlt. 27 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 125v. Es handelt sich um Heinrich I. von Plauen († 1446), seit 1426 Burggraf von Meißen, aber schon seit 1423 Stellvertreter des Markgrafen Friedrich I. von Brandenburg, königlichen Hauptmanns in Böhmen. Heinrich gehörten die Güter Königswart (KynŽvart) und Petschau (Bečov), er war also ein direkter Nachbar Johanns



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und beschuldigt worden, daz er den hussen zugefurt und sie gespeiset sull haben; sie hätten sich bereits an etwieviel erbern und frumen Cristen mit der Bitte gewandt, diese mögen ihm verzeihen, wenngleich sie davon ausgingen, er sei unschuldig und sie baten um seine Freilassung.28 Noch am gleichen Tag wandten sich die Nürnberger Ratsherren mit einem ähnlichen Brief an den Herrn Hynek Kruschina von Schwanberg, den Hauptmann des Kreises Pilsen29, und einen Tag später wiederum an den Burggrafen von Karlstein Zdeslav.30 Die Intensität des Streits ließ zwar in den kommenden Monaten nach, Kolovrat hielt Hans Imhoff aber weiterhin gefangen, da die Nürnberger noch in Briefen an König Sigismund und Bischof Johann von Agram am 15. März 1427 schrieben, sie würden zu ihm in dieser Sache ihren Schreiber Jobs Kapfer schicken.31 Der junge Imhoff kam letztlich aus seiner Gefangenschaft frei und ging weiteren Inhaftierungen und Strafen aus dem Wege, die ihm für seine Übertretungen von seiten der Kirche und des römischen Königs drohten. Dies geschah dann allerdings erst nach einer Intervention Sigismunds, und zwar vor dem 26. Februar 1429, wie ein auf diesen Tag ausgestelltes Schreiben bezeugt, das der römisch-deutsche König aus Nürnberg erhielt. Die Absender führten darin an, daß Sebald Imhoff sie über das Schicksal seines durch Johann von Kolovrat gefangen genommenen Sohnes informiert hätte. Erst nach Intervention König Sigismunds hatte er die Freiheit erlangt und sie baten den Herrscher um Unterstützung für ihren Mitbürger Hans Imhoff, der sich jetzt an den königlichen Hof begäbe.32

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Kolovrat. – Zu Heinrich I. von Plauen Gradl, Heinrich: Geschichte des Egerlandes (bis 1437), Prag 1893, S. 362 f. und passim. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 125v. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 125v. – Der Kreis Pilsen stellte seit 1420, nachdem sich hier mehrere Adelige und Städte in dem sog. Pilsener Landfrieden für den Kampf gegen die Hussiten vereinigt hatten, eine wichtige politische und militärische Kraft dar, die engere Beziehungen zum königlichen Hof pflegte. Auch der Nürnberger Rat stand 1420 bis 1437 in Briefkontakt mit seinen Mitgliedern, wie z.B. diese Korrespondenz belegt. Leider fehlt eine komplexe Bearbeitung dieses Themas. Vgl. aber F. v. Bezold, König Sigmund (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 104 f. – Čepelák, Václav: Dvě přehledné mapy k dějinám západních Čech. Mapa plzeňského landfridu 1420–1434 [Zwei Übersichtskarten zur Geschichte Westböhmens. Landkarte des Pilsener Landfriedens 1420–1434], in: Sborník Pedagogického institutu v Plzni, Dějepis a zeměpis III (1961), S. 67–68. – Weitere Angaben in Anm. 31. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher 7, fol. 126r. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 154r–v, 155r. Später, am 5. Mai 1427, antwortete der Nürnberger Rat einer gewissen Margarete Flecken, sie solle sich in einer Hans Imhoff betreffenden Angelegenheit an dessen Vater Sebald wenden, da Hans nicht in Nürnberg weile; vgl. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 170r. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 8, fol. 117r. Die schriftliche Fassung von Sigismunds Intervention bei Johann von Kolovrat konnte nicht aufgefunden werden. Obwohl Sigismund mit diesem böhmischen Adeligen und Parteigänger in schriftlichem Kontakt stand, wird ein Schreiben dieses Inhalts nicht einmal bei Altmann (Bearb.), Regesta Imperii XI (wie Anm. 19), erwähnt, vgl. Register, Bd. 2, S. 515. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es während einer Zusammenkunft Sigismunds mit Kolovrat zu Verhandlungen kam oder daß ein königlicher Bote bzw. ein anderer Anhänger des Herrschers Kolovrat zur Freilassung Imhoffs drängte. – Zum Schicksal Johanns von Kolovrat Kavka, Strana Zikmundova (wie Anm. 16), S. 82.

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Ohne daß er diese Zusammenhänge kannte, äußerte H. Schenk die Hypothese, Hans Imhoff habe, wenn schon nicht auf Veranlassung des Nürnberger Rates, so doch zumindest mit dessen Wissen gehandelt. Dieser wollte Möglichkeiten einer Aufrechterhaltung des Handels mit den böhmischen Ländern sondieren, die für Nürnberg vor 1419 einen wichtigen Markt darstellten. Die neu aufgefundenen Quellen bestätigen somit Schenks Annahme.33 Auf die Frage, warum Hans Imhoff solange in Gewahrsam saß, nämlich mehr als zwei Jahre (eingekerkert wurde er zwischen dem 13. August und dem 27. September 1426, die Freilassung dürfte Anfang 1429 erfolgt sein), läßt sich keine eindeutige Antwort finden. Da es sich um einen Angehörigen einer bedeutenden Nürnberger Familie handelte, könnte Kolovrat durch dessen Gefangensetzung jedoch höchstwahrscheinlich exemplarisch ein abschreckendes Beispiel für andere gegeben haben. Die Gefangennahme schreckte jedoch Hans Imhoff nicht ab, er hielt sich auch später in Böhmen auf. Zunächst ist seine enge Zusammenarbeit mit der Stadt Eger Anfang der dreißiger Jahren belegt, 1437/38 weilte er als offizeller Gesandter Nürnbergs in Prag.34 Wie schon oben erwähnt, wies Johannes Müllner auf einen anderen Fall hin, als Nürnberger Kaufleute wegen des Verdachts, sie machten Geschäfte mit den Ungläubigen, im Jahre 1426 inhaftiert wurden. Dem zwei Jahre später (27. Dezember 1428) in der Schlacht gegen die Hussiten bei Altwilmsdorf35 gefallenen Herzog Johann von Münsterberg schickten die Nürnberger am 16. August 1426 einen Brief36, in dem sie ihn aufforderten, er solle die vor Neisse (in Schlesien, nahe der böhmischen Grenze) gefangen genommenen Nürnberger Kaufleute mit den beschlagnahmten Waren freilassen. Es handelte sich um Hansen Gruber und seine gesellschaft, dem von Johanns Freund Lynhart Rewtheymer 80 Mark Bargeld genommen wurden. Paulus Tewfel und seine gesellschaft verlor 200 Mark Bargeld und mehr als 130 polnische Tücher, vier Stein (= ca. 37 kg37) Pfeffer und einen halben Stein (= ca. 4,7 kg) Safran, Hans Meyr und seine gesellschaft büßten 74 Mark Bargeld ein, Hans Engelhard und seine Freunde wurden auch gefangen genommen. Der Grund für diese Handlung kommt in dem zweiten, auf den gleichen Tag datierten (16. August) und an Herzog Johann abgesandten Brief des Nürnberger Rates vor. Die Nürnberger verlangten wiederholt, die nach dem Jakobstag (25. Juli) gefangen genomme33 Schenk, Nürnberg und Prag (wie Anm. 2), S. 78 f. 34 Schenk, Nürnberg und Prag (wie Anm. 2), S. 78 f. – Nach freundlicher Mitteilung von Frau Ursula Schmidt-Fölkersamb enthalten die Urkunden-Regesten des Familienarchivs der Imhoff keine weiteren Angaben zur Gefangenschaft des Hans Imhoff. Die Familienkorrespondenz Imhoffs, die im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg aufbewahrt wird (Archiv, Reichsstadt Nürnberg XVIII, Imhoff), konnte leider nicht ausgewertet werden. Man kann auch vermuten, daß die Familie Imhoff nicht zu sehr auf die Freilassung des Hans drängte, weil er keine leiblichen Nachkommen hatte; deshalb schien er für die Familie nicht so interessant, vgl. Imhoff-A II Nr. 5/1. Der Hinweis wird Herrn Dr. Klaus Frhr. von Andrian-Werburg (†) verdankt. 35 Stary Wielisław: Schlesien (Handbuch der historischen Stätten), hg. v. Hugo Weczerka, Stuttgart 1977, S. 321. 36 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 92r. 37 Errechnet nach den Angaben bei Verdenhalven, Fritz: Alte Maße, Münzen und Gewichte aus dem deutschen Sprachgebiet, Neustadt a.d. Aisch 1968, S. 48.



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nen Kaufleute mit ihrer Ware freizulassen und behaupteten, ihre habe wäre für die heiligen bestimmt und Fremde nähmen an den Geschäften nicht tei1.38 Am gleichen Tag sandten die Nürnberger an den Herzog noch einen dritten Brief, in dem sie mit gleichen Argumenten auf Bitten der Bürgerin Barbara Stralyn baten, daß er Jacob Pinczberg frei läßt.39 Schenks These bestätigt offenkundig – leider allerdings erst für die Zeit sechs Jahre danach – ein anderes Beispiel. Dieses erweist sich als umso gewichtiger, da es den Nürnberger Rat selbst auf frischer Tat ertappt. Dieser hatte nämlich davon gewußt, daß unter Vermittlung von Händlern aus Eger, aber sogar auch über einen Kaufmann aus dem hussitischen Prag nach Nürnberg in nicht unerheblichem Umfang aus Kuttenberg stammendes Kupfermetall und Blei gekauft wurde. Es ist ze wissen, daz Pauls Hemerlein gewortt hat mit Niclasen Bergfrider von Eger, daz er uns sol volgen lassen alles kutenisch kupfer, das er zu seinen handen pringen mag, ye I centner umb VIII gulden.40 Dies notierte der Nürnberger Rat am 24. Mai 1429 und lieh gleich dem Egerer 200 Gulden aus. Bergfrieder mußte jedoch für diese Summe als Pfand VIIII pücher, mit namen zwey grosse, IIII meteIe und III zilige hinlegen, die ligen in der losungstuben in einer versperrten truhen ... Dieses Beispiel bestätigt das Nürnberger Interesse an dem Handel mit der Ware, die zwar vermittelt, letztlich aber von den böhmischen Ketzern gekommen ist; es demonstriert aber auch die Weise, wie man die Geschäfte abwickelte.41 Das Erz ließen die Nürnberger Ratsherren ganz offiziell in der städtischen Hütte schmelzen und über den entsprechenden Ankauf führten sie Rechnung.42 Dies geschah nachweisbar spätestens in den Jahren 1432–1434, als Kuttenberg bereits seit einem Jahrzehnt (nämlich seit 1422) im Besitz der hussitischen Bruderschaften war und unter deren Verwaltung stand.43 38 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 92v. 39 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 92v. 40 Zu den Namenformen von Kuttenberg/Kutná Hora im Mittelalter vgl. Profous, Místní jména v Čechách (wie Anm. 19), Bd. 1, S. 606–608. 41 StAN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 269, fol. 1 (13). Das große Interesse der Nürnberger an dem Geschäft mit den Edelmetallen zeigte W. von Stromer (wie Anm. 9) – Ders.: Die Struktur von Produktion und Verteilung von Bunt- und Edelmetallen an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit und ihre bestimmenden Faktoren, in: Precious Metals in the Age of Expansion, in: Kellenbenz, Hermann (Hg.): Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1981, S. 13–26, mit weiteren wichtigen Literaturhinweisen. Zu der Silberproduktion in den böhmischen Ländern sind von grundlegender Bedeutung die Arbeiten von Kořan, Jan: Produkce stříbra v českých zemích v minulosti [Die Silberproduktion in den böhmischen Ländern in der Vergangenheit], in: Stříbro v dějinach, technice a umění, Příbram 1971, S. 1–24, und Spufford, Peter: Money and its Use in Medieval Europe, Cambridge/New York 1988. 42 StAN, Rst. Nbg, Losungamt, 7farbiges Alphabet, Akten Nr. 75 = Rechnungen der städtischen Schmelzer; erhalten sind sieben Hefte aus den Jahren 1432 bis 1434, bezeichnet jeweils als „Prodromus“. 43 Zur Geschichte Kuttenbergs Kejř, Jiří: Právní život v husitské Kutné Hoře (Das Rechtsleben im hussitischen Kuttenberg], Praha 1958, S. 48–63. – Polívka, Miloslav: K „černému obchodu“ s

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Aus dem Verzeichnis der Nürnberger Schmelzhütte geht hervor, wieviel an Erz sich am 5. September 1433 dort befand. Der Nürnberger Schmelzer Georg Madach hatte es dem Rat vorgelegt und es zeigte sich, daß in der Hütte und in dem daneben liegenden Turm eine Menge an gutem kupfer kuteinischen, an pley, an saigkupfer, an glet und hartpley ... lag: Prima an kupfer 175 centner, 35 lb an allerley kuteinischen kupfer guts und pös, d.h. 5954,125 kg.44 Obwohl die Nürnberger wußten, daß das Kupfer und Blei aus den von den Hussiten beherrschten Kuttenberger Erzgruben stammte, kauften sie in den Jahren 1432 bis 1433 über die Egerer Kaufleute Stocker, Baumgartner und zwei nicht mit Namen bezeichnete Händler 5051 kg und über einen nicht genannten Prager Kaufmann 1148 kg Kupfer für die Gesamsumme von 52.691 Gulden (1 Zentner pro ca. 8,5 Gulden) ein. Weiter wurden von dem Egerer Geschäftsmann Haller noch 1914 kg Blei für 5742 Gulden (1 Zentner pro ca. 3 Gulden) geholt.45 Man kann auch vermuten, daß es sich größtenteils um die v.a. aus Böhmen und Kuttenberg stammenden Erze handelte. Von der Verrechnung Georg Madachs für die Jahre 1433 und 1434, datiert 6. September 1434, befanden sich in Nürnberger Lagern mehr als 4670 kg Kupfererz und zwar Kuttenberger Ursprungs: an gutem und bösen kutenischen kupfer, an pley, saigkupfer.46 Werfen wir einen Blick auf weitere Beispiele, die in der Korrespondenz der Reichsstadt Nürnberg an Adressaten in Böhmen nach dem Fenstersturz im Sommer 1419 Erwähnung finden, respektive in den Nürnberger Stadtrechnungen. Schon zum 8. November 1424 belegt ein Eintrag in den Rechnungsbänden, die Nürnberger hätten selbst ihren Mitbürger Peter Quetrer mit zehn Wochen Gefängnis bestraft von des zuführens wegen gen Beheim. Sein Aufseher, Hans Welzner, hat dafür eine bestimmte Geldsumme bekommen.47 Die Befürchtungen, die Waren der Nürnberger Kaufleute könnten in unbefugte Hände gelangen, klingen auch in einem Schreiben an, das der Rat am 30. April 1425 an Wilhelm von Schaunberg auf Pirsenstein sandte. Wilhelm von Schönburg, Inhaber der westböhmischen Herrschaft Pürstein, hatte den Nürnberger Kaufmann Hans PesteIl gefangen genomkutnohorskou mědí v husitské době [Zum „Schwarzhandel“ mit Kuttenberger Kupfer in der Hussitenzeit], in: Časopis Matice Moravské 63 (1994), S. 25–34. Über die Kontakte in der Zeit nach 1434 vgl. Klier, Richard: Nürnberg und Kuttenberg, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg (künftig: MVGN) 48 (1958), S. 51–78. – Zu den hussitischen Bruderschaften der Taboriten, Prager und Orebiten (oder Waisen), den drei mächtigsten hussitischen Gruppierungen in Böhmen, im einzelnen Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1007–1367 u.ö. 44 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, 7farbiges Alphabet, Akten Nr. 75 (= Prodromus 3), fol. 3v–5r. Umgerechnet wurde nach den Angaben Sander, Die reichsstädtische Haushaltung (wie Anm. 10), S. 28 f., der für das Jahr 1449 ein nürnbergisches Gewichtspfund mit 475 Gramm angibt. In meinem Beitrag Dva prameny (wie Anm. 15), S. 29–31, habe ich nicht mit den in Nürnberg üblichen und spezifischen Gewichtsmaßen gerechnet, sondern mit jenen für den bayerischen Raum, vgl. Verdenhalven (wie Anm. 37), S. 39 f. und 53. 45 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, 7farbiges Alphabet, Akten Nr. 75 (= Prodromus 3), fol. 6v. 46 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, 7farbiges Alphabet,Akten, Nr. 75 (= Prodromus 4), fol. 2v. 47 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, Stadtrechnungen Nr.179, fol. 223v.



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men und dessen Ware festgehalten. Die Nürnberger versicherten Wilhelm in dem Brief, daß die Ware weder für die Stadt Tachau, mit der Wilhelm augenscheinlich verfeindet war, noch für sust kein außman bestimmt war, sondern für heiligen und baten Willhelm, den Nürnberger Kaufmann freizulassen.48 Ein weiteres interessantes Beispiel stellt ein Schreiben dar, das die Nürnberger ihrem Rechtsberater, Dr. Conrad Konhofer, am 24. Februar 1426 sandten.49 Darin teilten sie mit, der Ochsenfurter Pfarrer Gottfried von Triest, der jetzt in Rom weile, habe ihnen einen Brief geschrieben, dessen Abschrift sie Konhofer in einem uns unbekannten Anhang beifügten. Dem Pfarrer zufolge kursierten in der Heiligen Stadt Nachrichten wie vnser kawfflewt mit den keczern zu Beheim im kawffen vnd verkawffen vil gemeynschaft gehabt sullen haben. Sie selbst berichteten, sie wüßten hiervon nichts und sie baten den Juristen, er möge sie beraten, wie sie vorgehen und sich verteidigen sollten. Zu Beginn des Jahres 1427, nämlich am 11. Februar, antwortete der Nürnberger Rat den Pilsenern auf deren Brief, der das Handelsverbot betraf. Wir können davon ausgehen, daß es um eine Vermittlung des Kaufs mit dem Ziel ging, die Hussiten zu beliefern. Die näheren Umstände werden leider nicht ersichtlich, doch ein gewisser Kaspar aus St. Gallen, der von den Nürnbergern als Gast bezeichnet wird, hatte ungesetzlich mit dem Pilsener Bürger Mika Slawassowsky schon im Oktober 1426 Handel getrieben und war deshalb vom Nürnberger Landgericht belangt worden.50 Am 6. Oktober 1427 antwortete der Nürnberger Rat Tristram Zenger auf Schneeberg auf dessen Beschwerde, derzufolge die Nürnberger unlautere Händel bei Mies zu einer Zeit getrieben haben sollen, als dort im Sommer 1427 während des Hussitenkreuzzuges die deutschen Kontingente lagerten.51 Die Nürnberger bezeichneten dies als Gerücht und

48 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 6, fol. 168v. Zu Schönburg (Šumburk) bei Kaaden [Kadaň] vgl. Bahlcke, Joachim/Eberhard, Winfried/Polívka, Miloslav (Hgg.): Böhmen und Mähren (Handbuch der historischen Stätten), Stuttgart 1998, S. 554. – Profous, Místní jména v Čechách (wie Anm. 19), Bd. 4, S. 308, zu Pürstein ebd., Bd. 3, S. 344 f. 49 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 37v. – Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge (wie Anm. 7) I, Nr. 385, S. 432. Weigel, Martin: Dr. Conrad Konhofer († 1452). Ein Beitrag zur Kirchengeschichte Nürnbergs, in: MVGN 29 (1928), S. 169–297. 50 1426: StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 106r, 1427: StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 140v–141r. – Dieser Streit muß bereits im Herbst 1426 ausgebrochen sein, da vom 9. Oktober 1426 ein Brief bekannt ist, der erstmals nicht näher erläuterte Probleme im Zusammenhang mit beiden Personen erwähnt: StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 106r. – Die Namen von Kaspar aus St. Gallen und Mika Slawassowsky konnte ich nicht näher identifizieren. Im Register der Edition von Strnad, Josef: Listář královskeho města Plzně a druhdy poddaných osad [Briefbuch der königlichen Stadt Pilsen und der einst untertänigen Stätten], Bd. 1–2, Plzeň 1891–1905, sind beide Namen nicht zu finden. 51 Zur Schlacht bei Mies und anschließend bei Tachau: F. v. Bezold, König Sigmund (wie Anm. 4), Bd. 2, S. 94; Bystřický, Vladimír/Waska, Karel: O vyhnání křižáků z Čech roku 1427. Husitské vítězství u Stříbra a Tachova [Über die Vertreibung der Kreuzritter aus Böhmen im Jahre 1427. Der Sieg der Hussiten vor Mies und Tachau], Plzeň 1982.

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baten den Adressaten, dieser möge ihnen konkrete Namen nennen, da man erst dann die Schuldigen vor Gericht stellen könne.52 Ein weiteres Beispiel stellt die Gefangennahme des Nürnberger Bürgers Hans Gundelfing im Herbst 1428 dar. In zwei Briefen vom 19. und 26. November dieses Jahres wandte sich der Rat an Heinrich Nothaft von Wernberg, den weltlichen Verweser des Bistums Regensburg und Hauptmann des Bayerischen Waldes, damit dieser bei seinem Bruder Imram interveniere. Dieser hatte Gundelfing gefangen nehmen lassen, weil er in Böhmen bei den Ketzern Waren gekauft und diese nach Deutschland geführt habe. Die Nürnberger bedauerten diese Angelegenheit und hofften, daß Gundelfing dennoch nur mit Christen den Handel getrieben habe.53 Der Verdacht, die Nürnberger würden tatsächlich mit den Hussiten Warengeschäfte abwickeln und sich aus diesem Grunde Wege über die Bastion des westböhmischen Katholizismus Pilsen bzw. unter Vermittlung einiger Pilsener Kaufleute suchen, bestätigen weitere Briefe. Am 2. Dezember 1428 wandten sich nämlich die Nürnberger Ratsherren an Herzog Johann von Bayern, dieser möge ein Geschäft erlauben, bei dem die Nürnberger Kaufleute Frank Rottschmid und Hans Kolben der Stadt Pilsen fünf Harnische verkaufen wollten. Die Ware wurde in Sulzberg, unweit der böhmischen Grenze, zurückgehalten, weil keinerlei Waffen, die den Hussiten in die Hände fallen könnten, nach Böhmen ausgeführt werden durften. Bis Mitte Dezember erhoben die Nürnberger bei verschiedenen Parteien Einspruch, doch geht aus dieser Quelle nicht hervor, ob diese Intervention Erfolg hatte.54 Weitere Beispiele sind für das Jahr 1431 bezeugt. Zuerst wandten sich die Nürnberger am 5. Juli dieses Jahres an den Rat der Stadt Köln und dankten diesem, daß er einen namentlich nicht bekannten Augustiner bestraft habe, weil dieser in Predigten den Nürnbergern vorgehalten hatte, sie würden den Hussiiten victualia und ander notdurf verkaufen. In ihrem Schreiben verwahrten sich die Ratsherren gegen derartige Verdächtigungen, sondern hoben im Gegenteil den Anteil ihrer Stadt am Kampf gegen die Hussiten hervor.55 Bereits auf den 25. August 1431 ist ein weiterer Brief datiert, in dem die Nürnberger die Stadt Bischofteinitz56 und deren Burggrafen Zdeněk Drška (bekannt aus der Schlacht bei Lipany) baten, man möge einen gewissen Hans, Diener des Nürnberger Bürgers Lang Heinz Wagenman, freilassen. Dieser Hans saß zusammen mit vier pferden und einem Wagen in Bischofteinitz mit Gütern fest, die er unserem guten freund nach Prag bringen sollte. Dieser gute Freund könnte zu den Kelchgegnern gehört haben, deren Zahl selbst in den sich zum Hussitismus bekennenden Prager Städten nicht gering war. Es könnte sich aber auch um einen Kaufmann gehandelt haben, dem das Gewerbe und der daraus resultierende Gewinn Vorrang besaß gegenüber den konfessionellen und politischen Streitigkeiten zwischen den verfeindeten Lagern. Daher baten die Nürnberger Drška und die Bischofteinitzer, sie mögen Hans mit seiner Ware ziehen lassen und ihm 52 53 54 55 56

StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 7, fol. 203v. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 8, fol. 87v, 91r–v. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 8, fol. 93r, 94r, 96r, 117v. Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge (wie Anm. 7) II, Nr. 748, S. 225 f. Bisehofteinitz/Horsovský Týn, westlich von Pilsen.



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helfen.57 Dies ist ein weiterer Beleg dafür, daß Waren aus Nürnberg bis in das hussitische Milieu gelangen konnten. Ein Jahr später, im Juli und August 1432, setzten die Nürnberger einige Briefe auf, in denen sie die Stadt Eger und weitere Personen ersuchten, für die Freilassung ihres Bürgers Hans Tollinger einzutreten, der Waren nach Böhmen begleitet hatte und der nach der Anschuldigung, diese seien für die Hussiten bestimmt, gefangen genommen und durch den Hauptmann des Kreises Pilsen, den Herrn Hynek Kruschina von Schwanberg, eingekerkert worden war.58 Ein eigenes Kapitel wären auf der anderen Seite die Aktionen, mit denen die Anhänger des Hussitismus auf den Handel der Nürnberger mit katholischen Partnern in Böhmen reagierten. Lediglich zur Illustration sei auf den Fall des Nürnberger Bürgers Eberhart Grefenberger verwiesen, der vermutlich im Jahre 1427 in der von den Hussiten beherrschten Stadt Tachau gefangen genommen, anschließend nach Prag überführt und dort eingekerkert wurde, weil man ihm vorwarf, er hätte Handel betrieben, diesmal freilich mit Katholiken. Eine Prager frume frau soll ihm als Eingekerkertem den Kontakt mit einem Mann vermittelt haben, der in Kreisen der Prager Burg verkehrte und der für das Versprechen eines Lösegeldes Grefenberger befreit haben soll. Der Landsberger Bürger Clasen Porten organisierte schließlich seine Reise von Prag nach Nürnberg. Portens Altruismus war freilich dadurch motiviert, daß ihm der Nürnberger Bürger Heinz Keczel bereits seit vielen Jahren eine gewisse Geldsumme schuldete, die sich Porten mit dieser Reise zurückholen wollte.59 Die aus den Briefbüchern stammenden Angaben werden, im Hinblick auf zwei interessante Aspekte, durch die Nürnberger Stadtrechnungen ergänzt.60 Bereits vom 28. März 1425 stammt ein Eintrag, der sich auf die Abrechnung einer Reise des Nürnberger Ratsherrn Peter Volkmeyr nach Amberg bezieht. Hier waren Gespräche mit Herzog Otto von Bayern zu furen wegen den hussen gen Beheim vorgesehen. Es ging also um eine Warenlieferung an die Hussiten nach Böhmen, die der von den Nürnbergern besoldete Hauptmann Peter Heydenaber begleiten sollte, dessen Aufgabe jedoch gleichzeitig darin bestand, die Kelchanhänger zu bekämpfen.61 An dem Handel beteiligten sich nämlich nicht allein professionelle Kaufleute, sondern auch Kriegsleute, und zwar offenkundig von beiden Seiten. Die Rechnungen enthüllen freilich nur einen Bruchteil über die Methoden der Bestechung, die wohl jeder Zeit eigen waren. Als die hussitischen Verbände ihre vermutlich größte Heerfahrt an der Jahreswende 1429/1430 durchführten und Teile Frankens um Bamberg, Bayreuth, Kulmbach, ja selbst Nürnberg, bedrohten, schickten die Nürnberger Ratsherren Peter Volkmeyer und später auch den Boten Johann Dum zu den Hussiten, damit diese von der sicherheit wegen verhandelten. Die Gesandten ließen sich die mit den

57 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 9, fol. 142v. 58 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 10, fol. 19v, 20r, 21r–v, 23v–24r–v, 33v–34r. 59 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher Nr. 8, fol. 3v. 60 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, Stadtrechnungen, Nr. 179, fol. 256r. 61 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, Stadtrechnungen Nr. 179, fol. 256r.

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beiden Missionen verbundenen Reisekosten bezahlen.62 Wir wissen also, daß beiden die damit verbundenen Aufwendungen erstattet wurden. Die im Losungbuch für die Zeit nach dem 1. Februar 1430 gemachten Eintragungen zeigen, daß Volkmeyer als Vertreter Nürnbergs mit den Hussiten zu einer Zeit verhandelte, als in Franken noch heftige militärische Auseinandersetzungen tobten und Nürnberg unmittelbar Gefahr drohte, also vor dem Abschluß des sog. Beheimsteiner Vertrags um den 11. Februar 1430.63 Die Zusammenkünfte der Nürnberger Gesandten mit den Hussiten verliefen nicht ergebnislos. Eine weitere Rechnung aus der Folgezeit belegt nämlich, daß die Stadt Hans Wildensteiner und Albrecht Strobel die Ausgaben, die mit dem Geleit für den hussitischen Waisenhauptmann Beneš Mokrovouský von Hustířan verbunden waren, erstattete. Letzterer kam nach Nürnberg, wo er über Sicherheitsgarantien für die Stadt verhandelte und die beiden Nürnberger Bürger führten ihn anschließend zu seinen Truppen zurück.64 Interessanter erweist sich freilich der nachfolgende Eintrag: Item dedimus 5500 gulden landswerung Benischen von Mokrobitz, darum wir einen quitbrief von im haben, und mer – 1000 gulden landswerung, die im und einem anderen in geheim wurden, darumb wir keinen quitbrief haben, als von semlicher teding wegen, als man die fünf here der hussen auß dem lannde weiset, vmb des willen, das man gross beschedigung vertragen wer, und die mit iren heren vmb Pegnitz, Awerbach und daselbst lagen.65 Beneš Mokrovouský und ein Gefährte erhielten also demzufolge neben dem offiziellen Teil der vereinbarten Brandschatzung noch 1000 Gulden für ihre entgegenkommende Haltung bei den Verhandlungen über einen Abzug der fünf hussitischen Heere und für das Versprechen, sie würden die Gebiete um die Städtchen Pegnitz und Auerbach nicht verwüsten.66 Die dem Beitrag zu Grunde liegende Frage, ob die Nürnberger tatsächlich mit den Hussiten Handel betrieben, kann also positiv beantwortet werden. Die aufgeführten Beispiele beweisen, daß der Handel durch Nürnberger Bürger im Rahmen ihrer Familienunternehmen getätigt wurde. Sobald allerdings Schwierigkeiten auftraten, stellte sich der Rat hinter die aus seiner Stadt stammenden Kaufleute. Offiziell leugnete er stets die Möglichkeit, man würde Handelsgeschäfte mit den Hussiten abwickeln, da ihm nichts anderes übrigblieb. Das Beispiel der Einfuhr von Kupfer bezeugt allerdings, daß selbst der Rat von Nürnberg Handelsbeziehungen zu den böhmischen Ländern auch dann unterstützte, wenn er wußte, daß die Vermittler aus dem hussitischen Milieu stammende Güter lieferten. Die Quellen bieten zwar kaum Nachrichten, was Nürnberger Kaufleute 62 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, Stadtrechnungen Nr. 179, fol. 446r–v, 475r. 63 Zu dieser Heerfahrt Bartoš, Husitská revoluce (wie Anm. 8) II, S. 62–66. – Detailliert Schlesinger, Gerhard: Die Hussiten in Franken. Der Hussiteneinfall unter Prokop dem Großen im Winter 1429/30, seine Ausswirkungen sowie sein Niederschlag in der Geschichtsschreibung, Kulmbach 1974. – Machilek, Hus und Hussiten (wie Anm. 4), S. 27–30. – Krzenck, Thomas: Die große Heerfahrt der Hussiten 1429–1430 und der Bamberger Aufstand im Februar 1430, in: Mediaevalia Historica Bohemica 2 (1992), S. 119–140. Keiner der angeführten Autoren hat die überlieferten Rechnungen ausgewertet. 64 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, Stadtrechnungen Nr. 179, fol. 446v. 65 StAN, Rst. Nbg., Losungamt, Stadtrechnungen Nr. 179, fol. 446v. 66 Hierzu F. v. Bezold, König Sigmund (wie Anm. 4), Bd. 3, S. 44–46. – Bartoš, Husitská revoluce (wie Anm. 8) II, S. 68.



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nach Böhmen ausführten, dennoch kann man sich eine ungefähre Vorstellung machen, und zwar an Hand des Beipiels der Burg Karlstein.67 Es handelte sich auf der einen Seite um Lebensmittel – möglicherweise um Meeresfische, Südfrüchte und Gewürze, auf die auch die reichsten Kelchanhänger nicht verzichten wollten. Für wohlhabende hussitische Krieger waren offenbar neben Stoffen auch Waffen (auch Harnische) bestimmt, Gegenstand des Handels dürfte zweifellos auch Schießpulver bzw. wohl eher Salpeter gewesen sein – ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Herstellung eben von Schießpulver, ohne das die weithin berühmte Schießkraft der hussitischen Heere nicht auskommen konnte. Für die Einfuhr von Salpeter in Europa besaß Venedig das Monopol und Nürnberg wurde einer der größten Importeure für die deutschen Länder, und zwar trotz der Sperre für das Geschäft mit Venedig, die König Sigismund schon 1412 verhängt hatte.68 Wenngleich in der Zeit der Hussitenkriege, das heißt zwischen 1419 und 1437, die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und den böhmischen Ländern Beschränkungen unterlagen, kam es dennoch nicht zu einer Lahmlegung des Handels. Trotz der mit der Unsicherheit verbundenen Komplikationen, die die ständige Kriegführung in Böhmen bedeutete, darf vorausgeschickt werden, daß neben dem weiterhin funktionierenden Handel mit den katholischen Gebieten in Böhmen auch der Handel mit jenen fortgeführt wurde, die sich zum Hussitismus bekannten. Die entscheidende Rolle spielten die Nachfrage und wohl der Preis sowie der hier lockende Gewinn, den der Schwarzhandel den Nürnberger Kaufleuten einbrachte. Auf der anderen Seite muß notwendigerweise zwischen den Bedürfnissen des von den Bruderschaften geprägten hussitischen Kollektivismus unterschieden werden, für den der Import von Waren des täglichen Bedarfs (Lebensmittel und Salpeter) unerläßlich war, wobei freilich nicht übersehen werden darf, daß die vermögenden Anhänger des Kelches aus den Reihen des Adels, der Bürgerschaft bzw. der Kriegsgewinner, offenkundig nicht daran dachten, auf eine bessere Versorgung und Ausrüstung zu verzichten, die sie eben durch eine Einfuhr realisierten. Illusionlos muß eingeräumt werden, daß auch die hussitischen Kaufleute an ihren Gewinn dachten, welcher ihnen der Verkauf von Mangelwaren zweifellos einbrachte. Nachdem 1436 die Basler und Iglauer Kompaktaten unterzeichnet waren, die die Hussitenkriege beenden sollten, und der neu zum böhmischen König gewählte und gekrönte römisch-deutsche Kaiser Sigismund den Frieden zwischen dem Reich und dem Königtum Böhmen garantieren sollte69, schien es, die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und Böhmen würden sich infolge der beiderseitigen Interessen schnell normalisieren. Der Weg dazu war aber länger und komplizierter. Obwohl die Nürnberger und 67 Hejnic/Polívka, Plzeň v husitské revoluci (wie Anm. 9), S. 285 ff. – Čechura, Zum Konsumniveau (wie Anm. 9), S. 185 ff. 68 Stromer, Wolfgang von: Kaiser Sigismunds Kontinentalsperre gegen Venedig 1412–33. Kongressdrucksache der 5. Settimana del Istituto Internazionale di Storia Economica „F. Datini“, Prato 1973. 69 Hoensch, Jörg K.: Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit 1368–1437, München 1996, S. 429–464. – Kavka, František: Poslední Lucemburk na českém a uherském trůně. Králem uprostřed revoluce [Der letzte Luxemburger auf dem böhmischen Thron. König inmitten einer Revolution], Praha 1998, S. 180–252.

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die Nachfolger von Kaiser Sigismund und König Albrecht II. (1438/39) – die böhmischen Könige Ladislaus Posthumus (1440–1457) und Georg von Poděbrad (1458–1471) – in den vierziger bis siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts versuchten, mit diplomatischen Verhandlungen den Weg für den uneingeschränkten Handel zu ebnen, schwankte die Handelsintensität infolge der unruhigen politischen Verhältnisse in Böhmen bis zum Anfang der achtziger Jahre. Erst dann gelang es, die früher so regen und engen Handelbeziehungen zu erneuern.70

70 Dazu vgl. Schenk, Nürnberg und Prag (wie Anm. 2); Ders.: Die Beziehungen zwischen Nürnberg und Prag von 1450–1500, in: Bog, Ingomar (Hg.): Der Außenhandel Ostmitteleuropas 1450–1650, Köln/Wien 1971, S. 185–203. – Janáček, Josef: Prag und Nürnberg im 16. Jahrhundert (1489–1618), ebd. S. 204–228.

Franz Machilek Jan Hus und die Hussiten in der Oberpfalz Am 24. Oktober 1414 berichtete der Prager Magister Jan Hus1 in einem lateinisch abgefaßten Brief aus Nürnberg an seine Prager Freunde über den bisherigen Teil seiner Reise zum Konzil in Konstanz, die ihn über weite Strecken durch die damals unter der Herrschaft Kurfürst Ludwigs III. (des Bärtigen) von der Pfalz (1378–1436) und Pfalzgraf Johanns von Neunburg-Neumarkt (1383–1443), den Söhnen König Ruprechts von der Pfalz (1400–1410), stehenden pfälzischen „Lande zu Bayern“ – die Obere Pfalz (Oberpfalz) – geführt hatte.2 In deutscher Übertragung lautet der erste Teil des Briefes wie folgt: 1 Zu Hussens Leben und Lehre allgemein: Novotný, Václav: M. Jan Hus. Život a dílo [Magister Jan Hus. Leben und Werk], Bd. I/1–2, Praha 1919–1921 (grundlegende Darstellung des Lebens Hussens); Kybal, Vlastimil: M. Jan Hus. Učení [M. Jan Hus. Lehre], 3 Bde., Praha 1923–1931; Bartoš, František M.: Čěchy v době husově [Böhmen in der Zeit Hussens] (České dějiny II/6), Praha 1947; Spinka, Matthew: John Hus, A Biography, Princeton 1968; Machilek, Franz: Ergebnisse und Aufgaben moderner Hus-Forschung. Zu einer neuen Biographie des Johannes Hus, in: Zeitschrift für Ostforschung 22 (1973), S. 302–330; De Vooght, Paul: L’hérésie de Jean Huss, 2 Bde. (Bibliothèque de la Revue d‘histoire ecclésiastique 34 bis/35 bis), Louvain 21975; Machilek, Franz: Hus/Hussiten, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 15, Berlin/ New York 1986, 21993, S. 710–735; Patschovsky, Alexander: Ekklesiologie bei Johannes Hus, in: Boockmann, Hartmut/Moeller, Bernd/Stackmann, Karl (Hgg.): Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse, 3. Folge 179), Göttingen 1989, S. 170–199; Hilsch, Peter: Johannes Hus (um 1370–1415). Prediger Gottes und Ketzer, Regensburg 1999; Drda, Miloš/Holeček, František/Vybíral, Zdeněk (Hgg.): Jan Hus na přelomu tisícletí – mezinárodní rozprava o českém reformátoru 15. století a o jeho recepci na prahu třetího milénia. Papežská lateránská universita Řím, 15.–18. prosince 1999 [Jan Hus an der Jahrtausendwende. Internationales Kolloquium über den böhmischen Reformator des 15. Jahrhunderts und seine Rezeption an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Päpstliche Lateranuniversität Rom, 15.– 18. Dezember 1999] (Husitský Tábor. Supplementum 1), Tábor 2001; Šmahel, František: Die Hussitische Revolution, 3 Bde. (Monumenta Germaniae Historica, Schriften 43/I–III), Hannover 2002, passim; Fudge, Thomas A.: Jan Hus. Religious Reform and Social Revolution in Bohemia (International Library of Historical Studies 73), London/New York 2010. 2 Bosl, Karl: Das kurpfälzische Territorium „Obere Pfalz“, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 26 (1963), S. 3–28; Volkert, Wilhelm: Die politische Entwicklung der Pfalz, der Oberpfalz und des Fürstentums Pfalz-Neuburg bis zum 18. Jahrhundert, in: Kraus, Andreas (Hg.): Geschichte der Oberpfalz und des bayerischen Reichskreises bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts (Handbuch der bayerischen Geschichte, begr. von Max Spindler, Bd. III/3), München 31995, S. 1–141; Becker, Hans-Jürgen (Hg.): Der Pfälzer Löwe in Bayern. Zur Geschichte der Oberpfalz in der kurpfälzischen Epoche (Schriftenreihe der Universität Regensburg 24), Regensburg 1997; Ambronn, Karl-Otto: Das Territorium des Fürstentums der Oberen Pfalz von seinen Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, in: Ders./Sagstetter, Maria Rita (Bearb.): Das Fürstentum der Oberen Pfalz. Ein wittelsbachisches Territorium im

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Heil von Christus Jesus! Wißt, daß ich nie mit übers Gesicht gezogener Kapuze, sondern immer frei mit unverhülltem Angesicht gereist bin. Als ich Böhmen verließ, wartete gleich zu Beginn, noch ehe ich nach Bärnau kam, bereits der Pfarrer mit seinen Vikaren auf mich. Und als ich dort in die Stube trat, schenkte er mir sofort eine große Kanne Wein ein. Er nahm mit seinen Gefährten meine ganze Lehre freundlich auf und sagte, er sei immer mein Freund gewesen. Anschließend in Neustadt [an der Waldnaab] sahen mich alle Deutschen sehr gern. Wir kamen durch Weiden, wo wir bei einer großen Volksmenge Aufsehen erregten. Nachdem wir vieles besprochen hatten, nahmen sie alles sehr dankbar auf. Hierauf zogen wir durch die Stadt Hirschau, wo wir wiederum sehr freundlich aufgenommen wurden.3 Als wir nach Sulzbach gelangten, suchten wir dort eine Herberge auf, in der gerade Gericht (lantricht) gehalten wurde. Dort sagte ich im Saal zu den Schöffen und Ältesten: „Seht, ich bin der Magister Jan Hus, über den ihr vermutlich viel Böses gehört habt. Stellt also eure Fragen an mich!“ Anschließend kamen wir durch die Stadt Hersbruck und übernachteten in der Stadt Lauf. Hier kam der Pfarrer, ein angesehener Jurist, mit den Vikaren zu uns; ich unterhielt mich mit ihm und auch er nahm alles dankbar auf. Hernach kamen wir nach Nürnberg, wohin Kaufleute uns vorausgeeilt waren und unsere Ankunft schon gemeldet hatten; das Volk stand daher auf den Straßen, hielt Ausschau und fragte, welcher der Magister Hus sei. [...].4 In Nürnberg hatte Hus Gelegenheit, mit den Pfarrern der beiden Nürnberger Hauptkirchen St. Sebald und St. Lorenz sowie einigen Magistern und Mitgliedern des Nürnberger Rates

Alten Reich, München 2004 (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 46), S. 29–252; Schiener, Anna: Kleine Geschichte der Oberpfalz, Regensburg 2011. – Einen kurzen Überblick bietet: Ambronn, Karl-Otto: Oberpfalz, in: Lexikon des Mittelalters 6 (1993), Sp. 1332 f. – Spindler, Max (Hg.): Bayerischer Geschichtsatlas, München 1969, Karten 20 und 21 (Bearb.: Sebastian Hiereth/Gertrud Diepolder). 3 Irrtümlich wird Hussens Aufenthalt in Hirschau (im Brief steht Hirschfeld) erst nach dem in Sulzbach aufgeführt; die Hirschau bzw. Sulzbach betreffenden Sätze wurden hier umgestellt. 4 Novotný, Václav (Hg.): M. Jana Husi Korespondence a dokumenty [Mag. Johannes Hussens Korrespondenz und Dokumente] (Sbírka pramenů českého hnutí náboženského ve XIV. a XV. století. XIV: Spisy M. Jana Husi 9), Praha 1920, Nr. 93, S. 212–214; deutsch in: Bujnoch, Josef (Übers.): Hus in Konstanz. Der Bericht des Peter von Mladoniowitz (Slavische Geschichtsschreiber III), Graz/Wien/Köln 1963), S. 60–62; Schamschula, Walter (Hg.): Jan Hus. Schriften zur Glaubensreform und Briefe der Jahre 1414–1415 (Sammlung Insel 49), Frankfurt a.M. 1969, S. 109–111; tschechisch in: Hlaváček, Ivan u.a. (Hgg.): Ze zpráv a kronik doby husitské [Aus Nachrichten und Chroniken der Hussitenzeit], Praha 1981, S. 33 f. – Novotný, Život a dílo I/2 (wie Anm. 1), S. 355–357; Baron, Bernhard M.: Der Zug des Magisters Jan Hus 1414 durch die Obere Pfalz, in: Oberpfälzer Heimat 36 (1992), S. 75–80; Machilek, Franz: Jan Hus, die Hussiten und die Oberpfalz. Festvortrag beim 15. Speinsharttag am 8. Juli 1994, Speinshart 1994, S. 10 f.; Hilsch, Johannes Hus (wie Anm. 1), S. 53–56; Busl, Adalbert: Bärnau. Stadt und Land, Bd. I: Geschichte bis zum Ende des Alten Reichs, Pressath 2004, S. 177 f.



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über Fragen der Kirchenreform zu diskutieren.5 Trotz vielfachen Drängens auf öffentliche Anhörung über seine theologischen Auffassungen war ihm eine solche von den kirchlichen Amtsträgern versagt geblieben. Auch das Kolloquium in Nürnberg war aus rechtlicher Sicht nur eine private Audienz, doch wurde auch schon diese von seinen Begleitern als Erfolg betrachtet.6 Peter von Mladoňovic, Hussens Freund und Begleiter nach Konstanz, faßte seine Einschätzung der Ereignisse in Nürnberg in seinem Bericht über die letzten Lebensmonate und den Tod Hussens in einer wohl frei erfundenen Anrede an Hus in den folgenden Worten zusammen: Wahrhaftig, Magister, das was wir eben gehört haben, ist katholisch, und wir haben seit vielen Jahren dasselbe gelehrt und gehalten und halten und glauben es, und wenn nichts anderes gegen Euch ist, werdet Ihr gewiß in Ehren vom Konzil hervorgehen oder zurückkehren.7 Während der Reise zum Konzil hoffte Hus offensichtlich fest damit, dort für die Anliegen der Prager Reformpartei öffentliches Gehör zu finden, wobei er sich auf unklare Zusagen König Sigmunds verließ. Nicht zuletzt die Aufnahme in den oberpfälzischen Städten mochte ihn darin noch bestärkt haben. Vor dem Konstanzer Konzil wies Hus eine größere Zahl ihm fälschlich angelasteter Thesen Wyclifs zurück und verlangte eine Widerlegung der tatsächlich von ihm vertretenen Lehren. Da er den von ihm erwarteten Widerruf ablehnte, wurde er schließlich durch das Konzilsgericht als hartnäckiger Ketzer zum Tod verurteilt und am 6. Juli 1415 vor den Toren der Stadt Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt.8 Knapp ein Jahr später traf dieses Schicksal auch Hussens Universitätskollegen und Mitstreiter Magister Hieronymus von Prag (um 1370–1416), der Anfang April 1415 zur Verteidigung seines Freundes in Konstanz erschienen war und der, als er vor das Konzil zitiert wurde, versucht hatte, heimlich nach Böhmen zu entkommen. Hieronymus wurde dabei in Hirschau durch Teynsdorfer, den Richter Pfalzgraf Johanns von Neunburg-Neumarkt, festgenommen, in 5 Novotný, M. Jan Hus. Život, Bd. I/2 (wie Anm. 1), S. 356 f.; Machilek, Franz: Hus und die Hussiten in Franken, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 51 (1991), S. 15–37, hier S. 19–21. – Hus kannte die beiden Pfarrer wohl bereits persönlich von der Universität in Prag her. 6 Machilek, Franz: Die hussitische Forderung nach öffentlichem Gehör und der Beheimsteiner Vertrag von 1430, in: Pánek, Jaroslav/Polívka Miloslav/Rejchrtová, Noemi (Hgg.): Husitství – reformace – renesance. Sborník k 60. narozeninám Františka Šmahela [Hussitismus – Reformation – Renaissance. Sammelband zum 60. Geburtstag von František Šmahel] (Práce historického ústavu České akademie věd C/9), Bd. 2, Praha 1994, S. 503–527, hier S. 511. 7 Novotný, Václav (Hg.): Petri de Mladoniowicz relatio de Magistro Johanne Hus, in: Ders.: Fontes rerum Bohemicarum VIII/Prameny dějin českých VIII: Petri de Mladoňowic opera historica nec non aliae de M. Johanne Hus et M. Hieronymo Pragensi relationes et memoriae. Historické spisy Petra z Mladoňovic a jiné zprávy a paměti o M. Janovi Husovi a M. Jeronymovi z Prahy, Praha 1932, S. 25–120, hier S. 31; Bujnoch (Übers.), Hus in Konstanz (wie Anm. 4), S. 59. 8 Zum Husprozeß jetzt: Brandmüller, Walter: Das Konzil von Konstanz, Bd. I: Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne, Paderborn/München/Wien/Zürich 21999 (Konziliengeschichte, Reihe A: Darstellungen), S. 323–363; Kejř, Jiří: Husův proces [Hussens Prozeß], Praha 2000; Ders.: Die Causa Johannes Hus und das Prozessrecht der Kirche, Regensburg 2005.

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Sulzbach eingekerkert, auf Befehl des Pfalzgrafen in Ketten nach Konstanz zurückgebracht, hier Johanns Bruder Kurfürst Ludwig übergeben und eingekerkert.9 In dem vor dem Konzil gegen ihn geführten Prozeß wurde auch er am 30. Mai 1416 als Ketzer zum Tod verurteilt und an gleicher Stelle wie Hus verbrannt.10 Die Beteiligung Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz, der während der Abwesenheit König Sigismunds vom Konzil als stellvertretender Konzilsprotektor fungierte, an der Vollstreckung der Todesurteile über Hus und Hieronymus von Prag in Konstanz11 und die aktive Rolle Pfalzgraf Johanns von Neunburg-Neumarkt bei der Gefangennahme des 9 Leidinger , Georg (Hg.): Andreas von Regensburg. Gesammelte Werke (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte NF 1), München 1903, S. 143, 186; Novotný, Václav (Hg.): Petrus de Mladoňowic, Narracio de Magistro Hieronymo Pragensi, pro Christi nomine Constancie exusto, in: Ders. (Hg.): Fontes rerum Bohemicarum VIII (wie Anm. 7), S. 339–350, hier S. 340 f.; Ders. (Hg.): Petrus de Mladoňowic, Vita Magistri Hieronymi, pro Christi nomine Constancie exusti, ebd. S. 351–367, hier S. 354; tschechische Übersetzung in: Hlaváček u.a. (Hgg.): Ze zpráv a kronik doby husitské (wie Anm. 4), S. 204–219, hier S. 207; Novotný, Václav (Hg.) (Hg.): O mistru Jeronymovy z Prahy [Um Mag. Hieronymus von Prag], in: Ders. (Hg.): Fontes rerum Bohemicarum VIII (wie Anm. 7),. S. 443 f., hier S. 443. – Novotný, Život a dílo I/2 (wie Anm. 1), S. 411; Bartoš, František M.: Husitská revoluce, Bd. I: Doba Žižkova 1415–1426 [Die hussitische Revolution I: Die Zeit Žižkas 1415–1426] (České dějiny II/7), Praha 1965, S. 23 (mit Angabe weiterer Quellen); Ders.: Přísp vky k dějinám Karlovy university v době Husově a husitské [Beiträge zur Geschichte der Karlsuniversität in der Zeit Hussens und der Hussitenzeit], in: Sborník historický 4 (1956), S. 33–70, hier S. 56 f.; Schmidt, Peter: Die Große Schlacht: Ein Historienbild aus der Frühzeit des Kupferstichs (Gratia 22), Wiesbaden 1992, S. 27; Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 921. 10 Zum Prozeß gegen Hieronymus: Brandmüller, Walter: Das Konzil von Konstanz, Bd. II: Bis zum Konzilsende, Paderborn/München/Wien/Zürich 1997 (Konziliengeschichte, Reihe A: Darstellungen), S. 115–139;. Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 948 f. (mit weiterführenden Hinweisen); Fudge, Jan Hus (wie Anm. 1), S. 148–151. – Zu Leben und Werk des Hieronymus zuletzt František Šmahel in der Einleitung zu: Ders./Silagi, Gabriel (Ed.): Hieronymus de Praga. Quaestiones, Polemica, Epistulae (Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalis 222), Turnhout 2010. 11 Novotný (Hg.), Petri de Mladoniowicz relatio (wie Anm. 7), S. 117, 119 f.; Bujnoch (Übers.), Hus in Konstanz (wie Anm. 4), S. 253, 255–257. – Novotný, Život a dílo I/2 (wie Anm. 1), S. 455, 458–460; Haffner; F.: Pfalzgraf Ludwig III. und das Konzil von Konstanz 1414–1418, in: Kurpfalz 14 (1964), S. 14 f.; Brandmüller, Das Konzil von Konstanz I (wie Anm. 8), S. 356 f., 392; Studt, Birgit: Papst Martin V. (1417–1431) und die Kirchenreform in Deutschland (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta Imperii 23), Köln/Weimar/Wien 2004, S. 203. – Noch kurz zuvor hatte Sigismund den Kurfürsten zu Hus geschickt, um diesen zum Widerruf zu bewegen: Kejř, Husův proces (wie Anm. 8), S. 175; Ders., Johannes Hus und das Prozessrecht (wie Anm. 8), S. 163. – Zu Ludwigs III. späterer antihussitischer Aktivität im Prozeß gegen Johannes Drändorf: Heimpel, Hermann: Drei Inquisitions-Verfahren aus dem Jahre 1425. Akten der Prozesse gegen die deutschen Hussiten Johannes Drändorf und Peter Turnau sowie gegen Drändorfs Diener Martin Borchard (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 24), Göttingen 1969, S. 41 f. u.ö. (Reg. S. 261). – Zur antihussitischen Einstellung des Kurfürsten auch: Studt Papst Martin V. (wie zuvor), S. 199.



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Hieronymus von Prag in Hirschau lassen die wenige Jahre später von den Hussiten unternommenen militärischen Vorstöße in die Oberpfalz auch als Vergeltungsakte erscheinen. In dem vorliegenden Beitrag soll im ersten Abschnitt kurz auf die Abwehrmaßnahmen gegen die Hussiten im Alten Reich allgemein eingegangen werden. Im zweiten Abschnitt steht dann die Stellung der Regensburger Bischöfe und der Reichsstadt Regensburg im Kampf gegen die Hussiten im Mittelpunkt, im dritten Abschnitt der Einsatz Pfalzgraf Johanns von Neunburg-Neumarkt im Rahmen der Hussitenkriege allgemein. Im vierten Abschnitt wird das Echo der Auffassungen des Jan Hus in der Oberpfalz am Beispiel einiger „deutscher Hussiten“ angesprochen. Der fünfte Abschnitt soll einen Überblick über die militärischen Einfälle der Hussiten in die obere Pfalz geben. Im sechsten Abschnitt werden die in der Endphase der hussitischen Revolution feststellbaren Bezüge zur Pfalzgrafschaft Johanns und zur Reichsstadt Regensburg angesprochen. Der abschließende siebte Abschnitt gilt der Frage nach den Erinnerungen an die Hussiten in der Oberpfalz in nachhussitischer, speziell in jüngerer und jüngster Zeit. Einen guten Einstieg zum letzten Abschnitt bietet jetzt die 2005 erschienene knappe und reich bebilderte Darstellung „Hussen, Hymnen, Helden, Mythen. Auf den Spuren der Hussiten“ von Franz Grundler und Dominik Dorfner, in welcher die Oberpfalz im Mittelpunkt steht.12

I. Abwehrmaßnahmen gegen den Hussitismus im römisch-deutschen Reich. Nach den Prozessen gegen Jan Hus und Hieronymus von Prag, der breiten Aufnahme des nach Hussens Abreise nach Konstanz durch seinen Magisterkollegen Jacobellus von Mies (um 1370 – wohl 1429) eingeführten Laienkelchs und dessen Legitimierung durch die Prager Universität 141713, der fortschreitenden Radikalisierung weiter Kreise der hussi12 Grundler, Franz/Dorfner, Dominik: Hussen – Hymnen – Helden – Mythen. Auf den Spuren der Hussiten, Amberg 2005. 13 Hermann von der Hardt (Ed.): Magnum oecumenicum Constantiense concilium, Tom. III, Francofurti/Lipsiae 1697, Sp. 761–766. – Tschechische Übertragungen: Palacký, František (Hg.): Archiv český III, Praha 1844, Nr. 11, S. 203–205; Molnár, Amedeo (Hg.): Husitské manifesty [Hussitische Manifeste] (Světová četba 495), Praha 1980, S. 57–60, 249 f. – Dazu: Kejř, Jiří: Deklarace praŽské university z března 1417 o přijímání pod obojí a její historické pozadí [Die Deklaration der Prager Universität vom März 1417 über den Empfang (der Eucharistie) unter beiderlei Gestalten und ihr historischer Hintergrund], in: Sborník historický 8 (1961), S. 133–156; Kaminsky, Howard: A History of the Hussite Revolution, Berkeley/Los Angeles 1967, S. 136; Karel Hruza, Schrift und Rebellion: Die hussitischen Manifeste aus Prag von 1415–1431, in: Šmahel, František (Hg.): Geist, Gesellschaft, Kirche im 13.–16. Jahrhundert. Internationales Kolloquium Prag 5.–10. Oktober 1998 (Colloquia mediaevalia Pragensia 1), Praha 1999, S. 81–108, hier S. 88 f.; Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 963 f., 982; Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 62. – Zur Einführung des Laienkelchs: Krmíčková, Helena: Studie a texty k počátkům kalicha v Čechách [Studien und Texte zu den Anfängen des Laienkelchs in Böhmen] (Opera Universitatis Masarykianae Brunensis Facultas philosophica 310), Brno 1997; Čejka, Mirek/Krmíčková, Helena (Hgg.): Dvě staročeská utrak-

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tischen Reformbewegung14, dem Erlaß der antihussitischen Bullen „Inter cunctas“ und „In eminentis“ Papst Martins V. (1417–1431) am 22. Februar 141815 und der Entsendung päpstlicher Legaten zur Bekämpfung des Hussitismus durch Martin V.16 trafen Bischöfe, Synoden und Universitäten sowie Fürsten und Städte im römisch-deutschen Reich gezielte Maßnahmen gegen das Vordringen der hussitischen Ketzerei.17 Die seit den Jahren vistická díla Jakoubka ze Stříbra [Zwei alttschechische utraquistische Werke des Jacobellus von Mies] (Opera Universitatis Masarykianae Brunensis. Facultas Philosophica 379), Brno 2009; Fudge, Jan Hus (wie Anm. 1), S. 151–163. 14 Bartoš, František M.: Do čtyř pražských artikulů. Z myšlenkových i ústavních zápasů let 1415–1420 [Bis zu den Vier Prager Artikeln. Von den Ideen- und Verfassungskämpfen in den Jahren 1415–1420], in: Sborník příspěvků k dějinám hlavního města Prahy V, Praha 1932, S. 481–591; Kaminsky, Howard: Hussite Radicalism and the Origins of Tabor 1415–1418, in: Medievalia et Humanistica 10 (1956), S. 102–130; Kejř, Jiří: Zur Entstehungsgeschichte des Hussitismus, in: Mayer, Theodor (Hg.): Die Welt zur Zeit des Konstanzer Konzils. ReichenauVorträge im Herbst 1964 (Vorträge und Forschungen 9), Konstanz/Stuttgart 1965, S. 47–61; Kaminsky, A History (wie Anm. 13), S. 141–264; Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 918–989; Fudge, Jan Hus (wie Anm. 1), S. 163–165. – Bei der Formierung des hussitischen Radikalismus spielte Nikolaus von Dresden eine wichtige Rolle: Machilek, Franz: Deutsche Hussiten, in: Seibt, Ferdinand (Hg.): Zwischen Zeiten, Völkern, Konfessionen. Vorträge des internationalen Symposions in Bayreuth vom 22. bis 26. September 1993 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 85), München 1997, S. 267–282, hier S. 272 (mit Hinweisen auf weitere Literatur). 15 Hardt, Hermann von der (Ed.): Magnum oecumenicum Constantiense concilium, Tom. IV, Francofurti 1699, Sp. 1518–1531; Mansi, Giovanni Domenico (Ed.): Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio, Tom. 27, Venetiis 1784 (ND Paris 1903), S. 1204–1215, 1215– 1220; Eršil, Jaroslav (Ed.): Monumenta Vaticana res gestas Bohemicas illustrantia, Bd. VII/1: Acta Martini V. pontificis Romani 1417–1422 (Acta summorum pontificum res gestas Bohemicas aevi praehussitici et hussitici illustrantia, P. 3), Praha 1996; Nr. 218, S. 98–108. – Dazu Brandmüller, Das Konzil von Konstanz II (wie Anm. 10), S. 385 f., 420 f.; Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 62, 435; Studt, Birgit: Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil. Die Hussitenpolitik König Sigismunds, in: Pauly, Michel/Reinert, François (Hgg.): Sigismund von Luxemburg. Ein Kaiser in Europa. Tagungsband des internationalen historischen und kunsthistorischen Kongresses in Luxemburg, 8.–10. Juni 2005, Mainz 2006, S. 113–125, hier S. 114. 16 Es handelte sich im einzelnen um folgende Legaten: Kardinal Johannes Dominici, Bischof Ferdinand von Lugo, Kardinal Branda da Castiglione, Giordano Orsini, Kardinal Heinrich Beaufort und Kardinal Giuliano Cesarini. – Zu ihnen: Studt, Birgit: Legationen als Instrumente päpstlicher Reform- und Kreuzzugspropaganda im 15. Jahrhundert, in: Althoff, Gerd (Hg.): Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 51), Stuttgart 2001, S. 421–453; Dies., Papst Martin V. (wie Anm. 11); Dies., Zwischen Kurfürsten (wie Anm. 15). 17 Zur Formierung des Antihussitismus: Bartoš, Husitská revoluce I (wie Anm. 9), S. 48–86; Machilek, Franz: Ludolf von Sagan und seine Stellung in der Auseinandersetzung um Konziliarismus und Hussitismus, München 1967 (Wissenschaftliche Materialien und Beiträge zur Geschichte und Landeskunde der böhmischen Länder 8), S. 171; Kieckhefer, Richard: Repression of Heresy in Medieval Germany, Philadelphia 1979, S. 83–108; Šmahel, František: Contra Bohemos. Česká otázka v evropské politice 1420–1431 [Contra Bohemos. Die böhmi-



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1416/17 anhaltende Emigration von Welt- und Ordensgeistlichen in die von der hussitischen Bewegung nicht erfaßten Gebiete Böhmens und Mährens sowie in die angrenzenden Regionen des römisch-deutschen Reiches verstärkte den rasch wachsenden antihussitischen Interessenblock.18 Die Universitäten Leipzig, Erfurt, Heidelberg, Köln, Wien und Krakau, die Reichsstädte Nürnberg, Regensburg und Eger sowie einzelne Klöster wie z.B. die Augustiner-Chorherrenstifte Sagan in Niederschlesien, St. Mang in Regensburg, Neunkirchen am Brand unweit Forchheim oder die Kartause Salvatorberg bei Erfurt wurden zu Zentren der Agitation gegen den Hussitismus.19 Die Ereignisse nach dem Tod des sche Frage in der europäischen Politik 1420–1431], in: Soudce smluvený v Chebu (Sborník příspěvků přednesených na sympoziu k 550. výročí. Květen 1982, Cheb [Die Vereinbarungen um den „Richter“ in Eger (Sammelband der beim Symposium zum 550. Jahrestag im Mai 1982 in Eger vorgetragenen Referate)], Cheb/Praha o.J. [1983], S. 189–201 (mit umfassenden Literaturangaben); Šmahel. Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 918–1006. – Polívka, Miloslav: Nürnberg und die böhmischen Städte in der Hussitenzeit, in: Mediaevalia historica Bohemica 2 (1992), S. 101–118; Ders., Anonymní zpráva o předhusitských Čechách a navrh vojenské organizace měst v říši proti vnějšímu nepříteli z husitské doby [Eine anonyme Nachricht über das vorhussitische Böhmen und der Entwurf einer idealen militärischen Stadtverteidigung gegen die äußeren Feinde aus der Hussitenzeit], in: Hojda, Zdeněk/Pešek, Jiří/Zilynská, Blanka (Hgg.): Seminář a jeho hosté. Sborník prací k 60. narozeninám doc. dr. Rostislava Nového, Praha 1992, S. 95–105. 18 Machilek, Franz: Datum tempore exilii nostri in materia fidei. Zur Emigration von Welt- und Ordensgeistlichen aus Böhmen in der Hussitenzeit, in: Seibt, Ferdinand (Hg.): Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Bosl zum 80. Geburtstag, Bd. 1, München 1988, S. 206– 226; Kadlec, Jaroslav: Katoličtí exulanti čeští doby husitské [Die böhmischen katholischen Exulanten der Hussitenzeit], Praha 1990. 19 Zur Universität Leipzig jetzt Bünz, Enno: Gründung und Entfaltung: Die spätmittelalterliche Universität Leipzig, in: Ders./Rudersdorf, Manfred/Döring, Detlef (Hgg.): Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, Bd. I: Spätes Mittelalter und Frühe Neuzeit 1409–1830/31, Leipzig 2009, S. 7–325; Ders.: Die Leipziger Universitätsgründung – eine Folge des Kuttenberger Dekrets, in: Z ilynská , Blanka (Hg.): Universitäten, Landesherren und Landeskirchen: Das Kuttenberger Dekret von 1409 im Kontext der Epoche von der Gründung der Karlsuniversität bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555 (Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis, Tom. XLIX, Fasc. 2), Praha 2010, S. 55–64; in diesem Band weiterhin. Soukup, Pavel: Die Rolle der Prager Universitätsemigration in der antihussitischen Polemik 1409–1436, S. 71–80 (mit Hinweisen auf die einschlägige Literatur), sowie Zilynská, Blanka: Johann Hoffmann: Prager Student, antihussitischer Repräsentant und Bischof von Meißen, S. 81–98. – Universität Erfurt: Kleineidam, Erich: Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt, Teil I: Spätmittelalter 1392– 1460 (Erfurter Theologische Studien 14), Leipzig 21985, S. 178–189; Machilek, Franz: Kirche und Universität im Spätmittelalter: die Gründungen Prag und Erfurt, in: Wörster, Peter/Goeze, Dorothee M.: Universitäten im östlichen Mitteleuropa. Zwischen Kirche, Staat und Nation – Sozialgeschichtliche und politische Entwicklungen (Völker, Staaten und Kulturen in Ostmitteleuropa 3), München 2008, S. 165–193, hier S. 191. – Kartause Erfurt: Soukup, Pavel: Zur Verbreitung theologischer Streitschriften im 15. Jahrhundert. Eine antihussitische Sammelschrift aus der Erfurter Kartause, in: Studia Mediaevalia Bohemica 1 (2009), S. 231– 257.

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Böhmenkönigs Wenzel IV. am 16. August 1419, die Unruhen in Prag, die Bergwallfahrten im Land und die allgemeine Mobilmachung auf hussitischer Seite im Herbst dieses Jahres kennzeichnen die erste Phase der hussitischen Revolution.20 Die bereits 1411 durch den Kurialen Dietrich von Niem (um 1340–1418) in einer im Auftrag der Prokuratoren des Prager Erzbischofs Zbyněk von Hasenburg erstellten und zur Überreichung an Papst Johannes XXIII. bestimmten Streitschrift „Contra dampnatos Wiclifistas Pragae“ von Bologna aus erstmals erhobene Forderung nach einem Kreuzzug gegen die böhmischen Ketzer21 erlangte nach Hussens Tod und den folgenden Ereignissen in Böhmen neue Aktualität. Im März 1416 warnte König Sigismund die hussitischen Barone davor, mit ihrer Einstellung einen Kreuzzug samt den damit verbundenen Folgen heraufzubeschwören.22 Nach dringendem Aufruf Papst Martins V., gegen die Hussiten mit Gewalt vorzugehen, äußerte Sigismund am 11. Juli 1418 seine Bereitschaft, mit einem Heer aus Böhmen, Ungarn und Deutschen der wyclifitischen Häresie ein Ende zu bereiten.23 Angesichts der im Land ständig zunehmenden Gewaltakte und der wachsenden 20 Machilek, Franz: Heilserwartung und Revolution der Táboriten 1419/20, in: Schnith, Karl (Hg.): Festiva lanx. Studien zum mittelalterlichen Geistesleben, Johannes Spörl dargebracht aus Anlaß seines sechzigsten Geburtstages, München 1966, S. 67–94; Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 995–1032. 21 Von der Streitschrift liegen zwei Editionen vor: Erler, Georg (Hg.): in: Zeitschrift für Vaterländische Geschichte Westfalens 43 (1885), S. 184–198; Sedlák, Jan (Hg.): Consilium Theodorici de Niem ad Wiklefistas reprimendos 6. Martii 1411, in: Ders. (Hg.): Studie a texty k náboženským dějinám českým I. Sešit 1, Olomouc 1913, S. 45–55 (dazu Ders.: Dětřich z Nieheimu proti viklefistům, ebd. 33–36). – Kraus, Arnošt: Husitství v literatuře, zejména německé, díl I, Praha 1914, S. 72; Heimpel, Hermann: Dietrich von Niem (ca. 1340–1418) (Westfälische Biographien II), Münster 1932, S. 117, 293; Machilek, Ludolf von Sagan (wie Anm. 17), S. 148; Machilek: Hus/Hussiten (wie Anm. 1), S. 716; Machilek, Franz: K zavedení a liturgii votivních mši Contra Hussones [Zur Einführung und Liturgie der Votivmessen Contra Hussones], in: Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis, Tom. XXXI, Fasc. 1. Praha 1991, S. 95–106. 22 Palacký, František (Ed.): Documenta Mag. Johannis Hus vitam, doctrinam, causam in Constantiensi concilio actam et controversias de religione in Boemia annis 1403–1418 motas illustrantia, Pragae 1869, S. 611; Kaminsky, A History (wie Anm. 13), S. 365, Anm. 17; Machilek, K zavedení a liturgii votivních mši (wie Anm. 21), S. 98 f. – Der Regensburger Gesandte beim Konstanzer Konzil Konrad Duvel von Hildesheim gab in einem Brief an Kammerer und Rat von Regensburg vom 15. November 1417 das Gerücht wieder, etlich sprechen, er [König Sigismund] wird es den seinen empfelhen und alspald gen Behem ziehen und daz lannd under einander ze verrichten und di kezzerai ze verstorn: Heimpel, Hermann: Regensburger Berichte vom Konstanzer Konzil. Der reichsstädtische Jurist Konrad Duvel von Hildesheim, † 1430, in: Wegener, Wilhelm (Hg.): Festschrift für Karl-Gottfried Hugelmann zum 80. Geburtstag, Bd. 1, Aalen 1959, S. 213–272, hier S. 272. 23 Palacký (Ed.), Documenta (wie Anm. 22), S. 676 f.; Kerler, Dietrich (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Bd. VII (Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, 1. Abt.), Göttingen 21956, Nr. 235, S. 349 f., hier S. 349 (König Sigismund an Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz, 1418 Juli 11). – Kaminsky, A History (wie Anm. 13), S. 266; Machilek, K zavedení a liturgii votivních mši (wie Anm. 21), S. 99.



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Kampfbereitschaft der hussitischen Aktionsgruppen, vor allem in der Prager Neustadt und in Südböhmen, traf Sigismund zwar bereits seit Herbst 1419 Vorbereitungen für eine militärische Aktion, entschloß sich jedoch definitiv erst Ende Januar/Anfang Februar 1420 für den Kreuzzug.24 Am 10. Februar forderte er auf dem Breslauer Hoftag mit einem an die Stände der Kreise des Königreichs Böhmen gerichteten Patent dazu auf, die Hussen [zu] stroffen umbe den ungelöben.25 Mit der am 1. März 1420 in Florenz ausgefertigten „Bulle Omnium plasmatoris domini“ rief Papst Martin V. zum Kreuzzug gegen die Wyclifiten, Hussiten und alle anderen Ketzer sowie zur Kreuzzugspredigt auf.26 Am 17. März wurde die Cruciata auf Anordnung des päpstlichen Legaten und Bischofs von Lugo (1415–1435) Fernando de Palacios und König Sigismunds feierlich in den Breslauer Kirchen verkündet.27 Die Promulgation gab das Signal zum ersten Kreuzzug gegen die Hussiten, der zugleich die Durchsetzung der Thronansprüche Sigismunds in Böhmen zum Ziel hatte und von hussitischer Seite mit der Einigung auf das Programm der Vier Prager Artikel – Laienkelch, Freiheit der Predigt des Gotteswortes, Arme Kirche ohne weltliche Macht und Wiederherstellung der böhmischen Nationalehre bzw. Bestrafung der öffentlichen Sünder28 – sowie der Entscheidung für den verpflichtenden Krieg gegen Sigismund, den roten Drachen der Offenbarung des Johannes (12,3 f.), und das Kreuzheer beantwortet wurde.29 Die in den Jahren 1420, 1421, 1422, 1427 und 1431 nach Böhmen geführten 24 Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1071 f. 25 Palacký, Franz (Hg.): Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges vom Jahre 1419 an, Bd. I, Prag 1873 (ND Osnabrück 1966), Nr. 11, S. 15–17; Kerler, Dietrich (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Bd. VIII (Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, 2. Abt.), Göttingen 21956, S. 280. – Hoensch, Jörg K.: Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit 1386–1437, München 1996, S. 290. – Zum Hoftag: Wefers, Sabine: Das politische System Kaiser Sigmunds (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Abt. Universalgeschichte 138), Stuttgart 1989, S. 73–81; Hoensch, Kaiser Sigismund (wie zuvor), S. 290 f. 26 Palacký (Hg.): Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nr. 12, S. 17–20; Kerler (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten VII (wie Anm. 23), Nrn. 286 und 287; Eršil (Ed.), Monumenta Vaticana VII/1 (wie Anm. 15), S. 247–249. 27 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nr. 41, S. 46–48. 28 Lancinger, Luboš: Čtyři artikuly pražské a podíl universitních mistrů na jejich vývoji [Die Vier Prager Artikel und der Anteil der Universitätsmagister an ihrer Entwicklung], in: Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis, Tom. III, Fasc. 2 (1962), S. 3–61; Machilek, Ludolf von Sagan (wie Anm. 17), S. 177–194; Hruza, Karel: Die hussitischen Manifeste vom April 1420, in: Deutsches Archiv 53 (1997), S. 119–177, hier bes. S. 146 f.; Šmahel, Die Hussitische Revolution I (wie Anm. 1), S. 636–674; Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 63 f.; Šmahel, František: Die Vier Prager Artikel. Das Programm der hussitischen Reformation, in: E berhard , Winfried/M achilek , Franz (Hgg.): Kirchliche Reformimpulse des 14./15. Jahrhunderts in Ostmitteleuropa (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 35), Köln/Weimar/Wien 2005, S. 329–339. 29 Zur Kriegsfrage und Kriegsdiskussion: Bartoš, Do čtyř pražských artikulů (wie Anm. 14), S. 518–524, 561–591; Kaminsky, A History (wie Anm. 13), S. 318–328; Seibt, Ferdinand: Hussitica. Zur Strukur einer Revolution, Köln/Wien 21990, S. 16–57; Šmahel, František: Pax eterna et interna. Vom heiligen Krieg zur erzwungenen Toleranz im hussitischen Böhmen

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Kreuzzüge endeten mit verheerenden Niederlagen der Reichsheere.30 Die Entsendung der päpstlichen Legaten in der Hussitenangelegenheit, ihre Propagandatätigkeit als Träger der päpstlichen und königlichen antihussitischen Politik und ihre aktive Beteiligung an den Kreuzzügen wurden in jüngster Zeit vor allem durch Birgit Studt eingehend untersucht.31 Für die Kreuzzugsteilnehmer wurden spezielle Ablässe ausgeschrieben; gleichzeitig entstanden eigene Formulare zur Feier antihussitischer Votivmessen.32

(1419–1485), in: P atschovsky , Alexander/Zimmermann , Harald (Hgg.): Toleranz im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 45), Sigmaringen 1998, S. 221–273; Ders., Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1042–1047; Soukup, Pavel: Dvojí ideál křest’anského rytíře v husitském období [Das zweifache Ideal des christlichen Ritters im hussitischen Zeitalter], in: Český časopis historický 99 (2001), S. 1–32; Ders.: Svatá válka v představách husitských mistrů. K formování a zdrojům husitského učení o válce. The Holy War as Perceived by Hussite Masters. A paper on the formation and sources of the Hussite teachings about war, in: Drda, Miloš/Vybíral, Zdeněk (Hgg.): Jan Žižka z Trocnova a husitské vojenství v evropských dějinách. VI. mezinárodní husitologické sympozium Tábor 12.–14. října 2004 [Jan Žižka von Trocnov und das hussitische Kriegswesen in der europäischen Geschichte. VI. internationales hussitologisches Symposium Tábor 12.–14. Oktober 2004] (Husitský Tábor. Supplementum 3), Tábor 2007, S. 277–289. 30 Zu den Kreuzzügen ist immer noch wichtig: Bezold, Friedrich von: König Sigmund und die Reichskriege gegen die Hussiten, 3 Bde., München 1872–1877. – Zum heutigen Stand der Forschung: Heymann, Frederick G.: The Crusades against the Hussites, in: Hazard, Harry W. (Hg.): The Fourteenth and Fifteenth Centuries (A History of the Crusades III), Wisconsin 1975, S. 586 – 646; Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1071–1108, 1188–1223, 1270–1276, 1408–1427, III, S. 1512–1523 (jeweils mit Hinweisen auf die vorhandene Spezialliteratur); Hilsch, Peter: Die Kreuzzüge gegen die Hussiten: Geistliche und weltliche Macht in Konkurrenz, in: Bahlcke, Joachim/Lambrecht, Karen/Maner, Hans-Christian (Hgg.): Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, Leipzig 2006, S. S. 201–215; Bláhová, Marie: L’image des croisades contre les hussites dans historiographie de l’epoque, in: Nejedlý, Martin/Svátek, Jaroslav (Hgg.): La noblesse et le croisade à la fin du Moyen Âge (France, Bourgogne, Bohême) (Collection „Méridiennes“, Série Croisades Tardives), Toulouse 2009, S. 131–146. – Englische Übersetzungen der einschlägigen Quellen bietet: Fudge, Thomas A: The Crusade against Heretics in Bohemia, 1418–1437: Sources and Documents for the Hussite Crusades (Crusade Texts in Translation 9), Aldershot u.a. 2002. – Perlinger, Werner: Das Reichsheer gegen die Hussiten. Ritter aus Oberpfalz und Niederbayern führten Kontingente der Reichsheere gegen die Hussiten, in: Oberpfälzer Heimat 38 (1994), S. 24–31. 31 Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11); Studt, Zwischen Kurfürsten (wie Anm. 15). 32 Foffano, Tino: La politica dell’legato pontificio Castiglioni nella crociata antiussitica e i suoi rapporti veneto-ungheresi all’epoca del Rinascimento II, Budapest 1975, S. 231–242; Madre, Alois: Kardinal Branda an Nikolaus von Dinkelsbühl. Eine Anweisung zur Kreuzzugspredigt gegen die Hussiten, in: Bäumer, Remigius (Hg.): Von Konstanz nach Trient. Festgabe für August Franzen, München/Paderborn/Wien 1972, S. 87–100; Machilek, K zavedení a liturgii votivních mši (wie Anm. 21), S. 95–106; Graf, Agnes: Winand von Steeg: Adamas colluctancium aquilarum. Ein Aufruf zum Kreuzzug gegen die Hussiten, in: Umění 40 (1992) 344–351.



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II. Die Regensburger Bischöfe und die Reichsstadt Regensburg im Kampf gegen die Hussiten Bei der Organisation der antihussitischen Abwehrkräfte in Deutschland kam für den Oberpfälzer Raum Regensburg als Sitz des für den größten Teil der oberen Pfalz zuständigen Bischofs und als Reichsstadt besondere Bedeutung zu. Alle drei in der Zeit der Konzilien von Konstanz bis Basel in Regensburg regierenden Bischöfe – Albert III. Stauff von Stauffenberg (1409–1421), Johann II. von Streitberg (1421–1428) und Konrad VII. Koler von Soest (1428–1437) – haben sich nachdrücklich in der Hussitenabwehr engagiert. Im Vergleich zu anderen Diözesen des Reichs hatte Regensburg infolge seiner Grenzlage zu Böhmen während der Hussitenkriege eine besonders hohe Last zu tragen.33 In der Bischofsstadt selbst veranlaßte der Domscholaster Friedrich Parsberger, der zusammen mit Bischof Albert III. am Konstanzer Konzil teilgenommen hatte, im Juni 1416, daß die gegen den prohussitisch eingestellten böhmischen und mährischen Adel gerichtete päpstliche Bulle vom 24. Februar 1416 am Fronleichnamstag (18. Juni 1416) und den beiden darauffolgenden Sonntagen für mehrere Stunden an der Domkirche angeschlagen wurde.34 Papst Martin V. richtete ein eigenes Exemplar der Bulle „Inter cunctas“ vom 22. Februar 1418 an Bischof Albert.35 Dieser war im Herbst 1418 auch persönlich auf der Provinzialsynode in Salzburg anwesend, die unter anderem spezielle Beschlüsse gegen die hussitische Predigt und die Aufnahme hussiti-

33 Schnith, Karl R.: Das Spätmittelalter von 1215 bis 1517. Altbayern, in: Brandmüller, Walter (Hg): Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. I/2, St. Ottilien 1999, S. 349–435, hier S. 388. 34 Janner, Ferdinand: Geschichte der Bischöfe von Regensburg, Bd. III, Regensburg/New York/ Cincinnati 1886, S. 373 f.; Bleicher, Michaela: Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen. Kriegsalltag und Kriegsführung im Spiegel der Landschreiberrechnungen, Diss. Regensburg 2004, einsehbar ausschließlich online unter http://www.opus-bayern.de/uniregensburg/volltexte/2006/617/, S. 89. – Zur Teilnahme Bischof Alberts am Konzil: Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III, S. 373; Brandmüller, Das Konzil von Konstanz I (wie Anm. 8), S. 140, 280, Anm. 9; II (wie Anm. 10), S. 153, 418. – Am 2. September 1415 hatten 452 böhmische und mährische Adlige namentlich in einem von Hussens früherem Rechtsbeistand Jan von Jesenice verfaßten gemeinsamen Brief an das Konzil gegen die Verbrennung Hussens protestiert; Edition: Novotný, Václav: Hus v Kostnici a česká šlechta [Hus in Konstanz und der böhmische Adel], Praha 1915, S. 59–71; tschechische Übersetzung: Hlaváček, u.a. (Hgg.): Ze zpráv a kronik doby husitské Hlavá (wie Anm. 4), S. 195–203. – Zur Stellung des böhmischen und mährischen Adels neben der Arbeit von Novotný in neuerer Zeit Zilynská, Blanka: Česká šlechta a počátky husitství (1410–1415) [Der böhmiche Adel und die Anfänge des Hussitismus (1410–1415)], in: Jihočesky sborník historický 48 (1979), S. 52–69. – Zur Verfasserschaft des Protestbriefes des Adels: Kejř, Jiří: Husitský právník M. Jan z Jesenice [Der hussitische Jurist Mag. Jan von Jesenice], Praha 1965, S. 139–150. – Zu der gegen diese Protestschrift des Adels gerichteten päpstlichen Bulle „Quia structura militantis ecclesiae“: Bartoš, Husitská revoluce I (wie Anm. 9), S. 23. 35 Brandmüller, Das Konzil von Konstanz II (wie Anm. 10), S. 418 f.

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scher Ketzer faßte.36 Mehrere Regensburger Diözesansynoden befaßten sich mit der Abwehr des Hussitismus: im Mai 1419 wurden die Salzburger Beschlüsse promulgiert, im September 1426 die älteren antihussitischen Beschlüsse erneuert, im März 1427 die Erlasse Papst Martins V. zur Erhebung der Hussitensteuer bekanntgegeben.37 1419 wurde im Osten der Stadt beim Pulvertürl ein eigener Ketzerturm errichtet, um der Häresie verdächtige Personen entsprechend den Salzburger Synodalbeschlüssen in Gewahrsam zu nehmen.38 Am 25. Mai 1420 wurde der aus Vohenstrauß gebürtige Ulrich Grünsleder inhaftiert. Der in den Jahren 1420/21 unter Bischof Albert III. vor dem bischöflichen Inquisitionsgericht in Regensburg gegen ihn geführte Ketzerprozeß und das 1423 unter Alberts Nachfolger Johann II. gegen Heinrich Ratgeb aus Gotha geführte Inquisitionsverfahren endeten mit dem Feuertod der beiden deutschen Hussiten. Grünsleder starb am 3. März 1422, Ratgeb am 13. April 1423. Auf die beiden, quellenmäßig relativ gut faßbaren Verfahren soll später noch näher eingegangen werden. Die wichtigsten Nachrichten über sie finden sich in der 1428 weitgehend abgeschlossenen „Chronica Hussitarum“ des Augustinerchorherrn Andreas aus dem Stift St. Mang zu Stadtamhof vor Regensburg (um 1380–1442/48), einer Aktensammlung über den Kampf von Papst und Bischöfen, Reich und Fürsten gegen die Hussiten.39 Die Kreuzzugsbulle Papst Martins V. wurde am 19. Dezember 1420 durch Bischof Albert III. in Regensburg bekanntgegeben.40 Der päpstliche Legat Kardinal Branda da Castiglione gab 1421 dem Bischof von Regensburg Anweisungen zur Erteilung des

36 Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III (wie Anm. 34), S. 378; Hausberger, Karl: Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. I: Mittelalter und frühe Neuzeit, Regensburg 1989, S. 207; Schnith: Das Spätmittelalter (wie Anm. 33), S. 401; Bleicher: Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 89. 37 1418: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 29308(2 (früher: Clm 29164/I-1) (Fragment eines Sequentiars, um 1000, mit Eintrag zur Synode um 1420: Hauke, Hermann: Katalog der lateinischen Fragmente der Bayerischen Staatsbibliothek München, Bd. 1: Clm 29202–29311 (Catalogus codicum manu scriptorum Monacensis T. 4, Ps. 12,1), Wiesbaden 1994, S. 289 f. (der Hinweis auf das Handschriftenfragment wird Prof. Dr. Franz Fuchs, Würzburg, verdankt); Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III (wie Anm. 34), S. 381. – 1426: Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 336 f. – 1427: ebd. S. 399. 38 Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III (wie Anm. 34), S. 374; Hausberger: Geschichte des Bistums Regensburg I (wie Anm. 36), S. 207. 39 Zu ihm und seinen Werken: Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. I– CXX; Johanek, Peter: Andreas von Regensburg, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon I (21978), Sp. 341–348; Märtl, Claudia: Andreas von Regensburg. Augustinerchorherr und Geschichtsschreiber (ca. 1380–ca. 1442), in: Dietz, Karlheinz/ Waldherr, Gerhard H. (Hgg.): Berühmte Regensburger, Regensburg 1997, S. 99–103; Dicker, Stefan: Landesbewußtsein und Zeitgeschehen. Studien zur bayerischen Chronistik des 15. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 33–55. 40 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 350 f.; Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III (wie Anm. 34), S. 375.



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Kreuzzugsablasses und zur Behandlung der Gelübde.41 Zum Auszug des Trupponkontingents wurden Messen mit Predigten gehalten.42 Bischof Johann II. nahm persönlich am Kreuzzug des Jahres 1422 teil.43 Am 1. Dezember 1422 forderte Papst Martin V. die Stadt Regensburg zu standhafter Bekämpfung der furiosen Ketzerei (furiosa heresis) in Böhmen auf.44 Wenige Monate später – am 22. April 1423 – forderte König Sigismund Bischof Johann von Kaschau aus zur Teilnahme am nächsten Zug gegen die Hussiten auf.45 Kardinal Branda erteilte den vom Bischof mit der Kreuzzugspredigt betrauten Priestern Anweisung zur Ablaßverleihung (1423 Mai 15).46 Bischof Konrad VII., zuvor Rektor der Universität Heidelberg und Rat König Ruprechts von der Pfalz, ein Günstling Pfalzgraf Johanns, war als Konzilstheologe in Konstanz, Pavia und Basel tätig und trat auf dem letztgenannten Konzil mehrfach bei den Verhandlungen um die Lösung der Hussitenfrage hervor.47 1421 hatte er im Gefolge Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz am Kreuzzug nach Böhmen teilgenommen.48 Die Einfälle der Hussiten in die Oberpfalz erreichten unter ihm ihren Höhepunkt und ihr Ende. Während des Aufenthalts Sigismunds in Regensburg 1434 wurde hier ein Anhänger der hussitischen Lehre verbrannt und mehrere andere im Turm bei St. Paul eingekerkert.49 Wie in einer Reihe anderer Städte forderte der Regensburger Rat von den über 12 Jahre alten Bürgern der Reichsstadt die Leistung eines antiketzerischen Eides. Die Eidformel lautete nach Andreas von Regensburg wie folgt: Daz ir [den] kristengelauben, daryn ewr vodern gestorben sind, ewr lebtag halten und retten wellet und wider dye newung der kecerey und ungelauben, wo ihr dy wisst, rüegen und melden welt [...]. Dez pitt ew gotzs

41 Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 130. 42 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 370; Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 330. 43 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 404–406. 44 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nr. 251, S. 274 f.; Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 411. 45 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nr. 268, S. 295 f.; Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 411 f. 46 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nr. 272, S. 299–302; Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 412. 47 Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III (wie Anm. 34), S. 444 f.; Brandmüller, Walter: Das Konzil von Pavia-Siena 1423–1424 (Vorreformatorische Forschungen 16), Münster 1968, S. 17 f.; Eberhard, Winfried: Konrad Koler von Soest, in: Heimann, Heinz-Dieter (Hg.): Von Soest – Aus Westfalen, Paderborn/München/Wien/Zürich 1986, S. 93–122. 48 Machilek: Ludolf von Sagan (wie Anm. 17), S. 191; Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 210 f. 49 Staber, Josef: Kirchengeschichte des Bistums Regensburg, Regensburg 1966, S. 83.

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helff und all heyligen.50 In den folgenden Jahren bemühte sich der Rat der Stadt fortlaufend um Informationen über die Lage an der böhmischen Grenze.51 Über die aufwendigen Maßnahmen der Reichsstadt Regensburg und der Regensburger Kirche im Rahmen der Kreuzzugsunternehmungen liegen detaillierte Aufstellungen von Miloslav Polívka und Michaela Bleicher auf der Grundlage der Stadtrechnungen vor.52 Danach stieg der Einsatz der Stadt an Truppen, vornehmlich Fußtruppen und Schützeneinheiten, sowie Geld und Material im Verlauf der Kreuzzüge stetig an. Die Zahl der Teilnehmer aus Regensburg wird für 1421 auf 160 geschätzt, für 1431 auf etwa 300.53 Angesichts des Scheiterns aller fünf Kreuzzüge sind die Verluste entsprechend hoch anzusetzen.54 Die auf dem Kurfürstentag zu Wesel im Mai 1422 vertretenen Reichsstädte, darunter Regensburg, sagten zwar einen militärischen Beitrag zum Kreuzzug und die Leistung des antihussitischen Eides zu, traten dem Kurfürstenbund jedoch nicht bei.55 Kardinal Branda warb im Vorfeld des ursprünglich für Regensburg geplanten, dann aber nach Nürnberg verlegten Reichstags in der Donaustadt persönlich für den Kreuzzug.56 Nach der Niederlage des Kreuzheeres bei Aussig forderte Kardinal Orsini am 23. Juni 1426 Bischof 50 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 262 f. (das hier überlieferte Formular trägt das Datum 1421 Juni 15. bzw. 22). – Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III (wie Anm. 34), S. 374 f.; Staber, Kirchengeschichte (wie Anm. 49), S. 80; Hausberger: Geschichte des Bistums Regensburg I (wie Anm. 36), S. 207; Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 100. – Zur Eidesleistung in Basel: Bleicher, ebd.; in Bamberg: Heller, Joseph: Reformations-Geschichte des ehemaligen Bisthums Bamberg, Bamberg 1825, S. 11; danach bei Schlesinger, Gerhard: Die Hussiten in Franken. Der Hussiteneinfall unter Prokop dem Großen im Winter 1429/30, seine Auswirkungen sowie sein Niederschlag in der Geschichtschreibung (Die Plassenburg 34), Kulmbach 1974, S. 198. 51 Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 329 (mit Anführung einzelner Belege ab Beginn des Jahres 1421). 52 Polívka: Přípravy vojenských kontingentů města řezna na tažení do Čech proti husitům [Die Vorbereitungen der Heereskontingente der Stadt Regensburg für die Feldzüge nach Böhmen gegen die Hussiten], in: Mediaevalia historica Bohemica 3 (1993), S. 253–266; Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 329–336. 53 Polívka: Přípravy (wie Anm. 52), S. 260; Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 331. – Jüngst veröffentlichte Daten über das Würzburger Aufgebot zum Kreuzzug des Jahres 1427 erlauben einen aufschlußreichen Vergleich: Wagner, Ulrich: Von den Kriegszügen Würzburger Söldner gegen die Hussiten und nach Soest 1420–1447, in: Mainfränkisches Jahrbuch 61 (2009), 21–48, hier S. 23 f. 54 Zum Verlust des Großteils der Ausrüstung 1431 nach der Flucht des Reichsheeres vor Taus: Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 330. 55 Kerler (Bearb.), Reichstagsakten VIII (wie Anm. 25), Nr. 46 f., S. 59 f. – Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 99. 56 Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III (wie Anm. 34), S. 390 f. – Kardinal Branda war am 18. Mai 1422 feierlich in Regensburg eingezogen: Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 303, 373; Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 118.



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Johann von Regensburg zur Publikation der päpstlichen Kreuzzugsbulle sowie zu verstärkter Rüstung gegen die Hussiten auf57 und ernannte Heinrich Künig, Pfarrer in Schwarzhofen bei Neunburg vorm Wald, zum Kreuzzugsprediger58. Am 11. September 1426 publizierte Bischof Johann II. den Kreuzzugsablaß unter Bezugnahme auf die Ablaßinstruktionen Kardinal Brandas.59 Über das Regensburger Aufgebot am fünften Kreuzzug 1431, seine Zusammensetzung und den Auszug des Kontingents liegt ein detaillierter Bericht vor. Nach der in St. Emmeram gefeierten Votivmesse wurde der Zug geordnet: Er umfaßte 73 Reisige, sieben Armbrustschützen mit ihren Rennfahnen und 16 Schützen mit Handbüchsen. Es folgten der Kirchwagen mit dem Kaplan der Ahakirche und der Troß mit zahlreichen Handwerkern, sodann ein schweres Geschütz, sechs große Steinbüchsen, 41 mit Fähnchen der Klöster und Gemeinden gekennzeichnete Wägen mit Pulver und Blei, 6000 Wurfpfeilen, 300 Feuerpfeilen, Kuhhäuten für die Zelte und Roßhütten und einem auf sechs Wochen berechneten Proviant, schließlich eine Herde Schlachtvieh.60 Als während des Feldzugs der hussitischen Feldheere durch Franken und die Oberpfalz im Februar1430 die Gefahr anschwoll, verstärkten die bedrohten Städte und Dörfer spontan ihre Verteidigungsmaßnahmen. Der Rat der Reichsstadt Regensburg ließ im Februar des Jahres 1430 das Umfeld an der Steinernen Brücke gegen Stadtamhof befestigen. Um Raum für Befestigungsanlagen und freies Schußfeld zu gewinnen, wurden Teile des Katharinenspitals und etliche Häuser in der Vorstadt abgerissen, Brustwehren errichtet, ein Graben ausgehoben sowie noch stehende Teile des Spitals befestigt, was wegen der Rechte der bayerischen Herzöge Ernst und Wilhelm in Stadtamhof zu längeren Auseinandersetzungen zwischen diesen und der Stadt führte.61

III. Der Einsatz Pfalzgraf Johanns von Neunburg-Neumarkt in den Hussitenkriegen Pfalzgraf Johann aus der kurpfälzischen Linie der Wittelsbacher, den König Ruprecht 1404 zum Statthalter der Oberpfalz ernannt hatte, stand seit der pfälzischen Landesteilung von 1410 in Konkurrenzsituation zu seinem älteren Bruder Ludwig III., dem dabei das 57 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nr. 413, S. 469 f.; Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 426. – Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 626. 58 Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 628; die Ernennung wurde am 30. Oktober 1426 durch Papst Martin V. bestätigt: ebd. S. 634, Anm. 73. 59 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 426–429. – Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 626, Anm. 33. 60 Bauerreiss, Romuald: Kirchengeschichte Bayerns, Bd. V: Das XV. Jahrhundert, St. Ottilien 1955, S. 13 f. 61 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 473, 571. – Märtl, Claudia: Zur Biographie des bayerischen Geschichtsschreibers Andreas von Regensburg, in: Callies, Bettina/Kolmer, Lothar/Wanderwitz, Heinrich (Hgg.): Regensburg und Bayern im Mittelalter. Kurt Reindel gewidmet von seinen Schülern (Studien und Quellen zur Geschichte Regensburgs 4), Regensburg 1987, S. 33–56, hier S. 36 f. mit Anm. 20.

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sog. Kurpräzipuum mit Amberg als künftiger Residenzstadt zugefallen war.62 Johann baute Neunburg zur Residenz seines Fürstentums aus, an deren Stelle im weiteren Verlauf Neumarkt immer stärker hervortrat. 63 Der Einsatz Pfalzgraf Johanns in der Hussitenabwehr von Seiten des Reichs, vor allem aber in der Oberpfalz, gilt als seine bedeutsamste geschichtliche Leistung. Veit Arnpeck (1435/40–1495) faßte Johanns Verdienste in der in seinen letzten Lebensjahren verfaßten „Chronica Baioariorum“ in den Worten zusammen: semper contra haereticos triumphavit.64 Im Kampf gegen die Hussiten arbeitete Pfalzgraf Johann eng mit König Sigismund und Friedrich VI. (I.), Burggraf von Nürnberg und Kurfürst von Brandenburg (1371– 1440), seinem Schwiegervater, zusammen, der 1422, 1426, 1427 und 1431 von Sigismund mit der Führung des Reichsaufgebots gegen die Hussiten betraut wurde.65 Mit 62 Ambronn, Das Territorium (wie Anm. 2), Nrn. 4 und 5, S. 48–50. – Volkert, Wilhelm: Amberg und die Kurfürsten von der Pfalz, in: Ambronn, Karl-Otto/Fuchs, Achim/Wanderwitz, Heinrich (Hgg.): Amberg 1034 – 1984. Aus tausend Jahren Stadtgeschichte (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 18), Amberg 1984, S. 61–74; Laschinger, Johannes: Amberg. Die kurfürstliche Haupt- und Regierungsstadt der oberen Pfalz, Stuttgart 2000; Studt, Birgit: Amberg, in: Paravicini, Werner (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch, Teilbd. 2 (Residenzenforschung 15/I/2), Ostfildern 2003, S. 9–11; Laschinger, Johannes: Amberg, in: Körner, Hans-Michael/Schmid, Alois/Ott, Martin (Hgg.): Altbayern und Schwaben (Handbuch der Historischen Stätten. Bayern I), München 2006, S. 26–29. 63 Zur Bedeutung des Pfalzgrafen Johann: Männer, Theo: Pfalzgraf Johann, in: Ders./Pauly, Peter u.a. (Hgg.): Festschrift zum Pfalzgraf-Johann-Jahr 1983, Neunburg v.W. 1983, S. 19–45; Schmidt, Die Große Schlacht (wie Anm. 9), S. 26–28 u.ö.; Volkert, Die politische Entwicklung (wie Anm. 2), S. 112–114; Riepertinger, Rainhard: Der Wittelsbacher Pfalzgraf Johann von Neumarkt war einer der energischsten Kämpfer gegen die Hussiten, in: Ders./Brockhoff, Evamaria u.a. (Hgg.): Bayern – Böhmen. Bavorsko – Čechy. 1500 Jahre Nachbarschaft. 1500 let sousedství [Katalog zur Ausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte, Zwiesel 2007], Stuttgart 2007, Nr. 3.16, S. 177 (Deckelpokal mit Darstellung Pfalzgraf Johanns im Kampf mit den Hussiten, 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts). – Zu den Residenzen: Dendorfer, Jürgen: Neunburg vorm Wald, in: Körner/Schmid/Ott (Hgg.): Altbayern (wie Anm. 62), S. 565 f.; Seibert, Hubertus: Neumarkt i. d. OPf., ebd. S. 561–563; Ott, Martin: Neumarkt/Oberpfalz, in: Paravicini (Hg.), Höfe und Residenzen 2 (wie Anm. 63), S. 414 f. – Eine eingehende historische Würdigung von Pfalzgraf Johann steht noch aus. – Zur Klosterreformpolitik Johanns: Studt: Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 216 f. 64 Zitiert bei Schmidt, Die Große Schlacht (wie Anm. 9), S. 26; ebd. Hinweise auf weitere Bewertungen in den Geschichtswerken von Hans Ebran von Wildenberg und Ulrich Füetrer. – Zu Arnpeck: Liebhart, Wilhelm: Arnpeck, Veit, in: Lexikon des Mittelalters 1 (1980), Sp. 1011. 65 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 404; Kerler (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten VIII (wie Anm. 25), Nr. 391, S. 467–470. – Männer: Pfalzgraf Johann (wie Anm. 63), S. 28; Polívka, Miloslav: Nachrichten zur böhmischen Geschichte als Beispiel für die Auswertung eines brandenburgisch-markgräflichen Rechnungsbestandes aus der Zeit der Hussitenkriege, in: Schneider, Jürgen/Rechter, Gerhard (Hgg.): Festschrift Alfred Wendehorst, Bd. 1 (Jahrbuch für fränkische Landesforschung 52), Neustadt/Aisch 1992, S. 223–230, hier S. 223–225; Seyboth, Reinhard: Friedrich VI. (I.)., Burggraf von Nürnberg, Kurfürst von



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Kurfürst Friedrich oblag Pfalzgraf Johann die Einhebung der 1422 vom Reichstag zu Nürnberg beschlossenen Hussitensteuer.66 Mehrfach bewährte sich Pfalzgraf Johann bei Aktionen gegen die Hussiten im westlichen Böhmen, u.a. im Mai 1422 bei der Entsetzung des durch die Hussiten belagerten Bischofteinitz (Horšovský Týn) nördlich von Taus (Domažlice) oder im Oktober 1426 bei Tachau (Tachov).67 Als sich Kardinallegat Giordano Orsini im Sommer 1426 nach Rom zurückzog, bemühte sich Pfalzgraf Johann bei der Kurie selbst um Förderung seiner Kreuzzugspläne; Papst Martin V. wies daraufhin den Regensburger Bischof und den Abt des dortigen Schottenklosters am 30. Oktober an, die Kreuzfahrer bei Übergriffen auf ihre zurückgelassenen Güter und Einkünfte zu schützen. Unter dem gleichen Datum erteilte er Pfalzgraf Johann unter Verweis auf dessen Eifer um die Verteidigung des christlichen Glaubens gegen die Hussiten die Genehmigung zur Einziehung eines Zehnten aller kirchlichen Einkünfte in den Bistümern Eichstätt, Bamberg und Regensburg für seine Rüstungen gegen die Hussiten, wobei ihn die Bischöfe von Passau und die Äbte von Waldsassen und Walderbach unterstützen sollten.68 Um die Einbußen der Regensburger Kirche auszugleichen, die sie durch ihre Kriegshilfe für Pfalzgraf Johann erlitten hatte, beauftragte Kardinallegat Heinrich Beaufort den Regensburger Schottenabt zur Überweisung der Einkünfte der Pfarrei Allersberg, die der Bischof für die Befestigung der Hohenburg gegen die Hussiten verwenden sollte.69 Die 1423 aufgenommenen und in den folgenden Jahren mehrfach fortgesetzten Bündnisgespräche zwischen Pfalzgraf Johann und den niederbayerischen Herzögen zeigten

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Brandenburg (1371–1440), in: Wendehorst, Alfred (Hg.): Fränkische Lebensbilder, Bd. 21, Neustadt/Aisch 1996, S. 27–48, hier S. 35–37; Volkert, Die politische Entwicklung (wie Anm. 2), S. 112; Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 634. – Zum Verhältnis zwischen Sigismund und Friedrich von Brandenburg ist immer noch wichtig: Brandenburg, Erich: König Sigmund und Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg, Berlin 1891. Anfang Oktober 1422 bevollmächtigte König Sigismund Pfalzgraf Johann, die von den Juden in mehreren Städten schuldigen Abgaben und eine Steuer zur Bestreitung der Kosten des bevorstehenden täglichen Krieges gegen die Böhmen zu erheben: Kerler (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten VIII (wie Anm. 25), Nr. 155, S. 177 f.; Nr 158, S. 179; dazu auch Nr. 198, S. 244 f; Nr. 228, S. 269 f. – Zur Hussitensteuer allgemein: Werminghoff, Albert: Die deutschen Reichskriegssteuergesetze von 1422 bis 1427 und die deutsche Kirche. Ein Beitrag zur Geschichte des vorreformatorischen deutschen Staatskirchenrechts, Weimar 1916; Wefers, Das politische System (wie Anm. 25), S. 147–149; Wefers, Sabine: Die Wirkung des Hussitenproblems auf den politischen Zusammenhang von König und Reich im Zeitalter Sigmunds, in: Macek, Josef/Marosi, Ernő/Seibt, Ferdinand (Hgg.): Sigismund von Luxemburg. Kaiser und König in Mitteleuropa 1387–1437. Beiträge zur Herrschaft Kaiser Sigismunds und der europäischen Geschichte um 1400. Vorträge der internationalen Tagung in Budapest vom 8.–11. Juli 1987 (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 5), Warendorf 1994, S. 94–108, hier S. 100– 107; Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm. 25), S. 330 mit S. 584, Anm. 61 und 62. Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 303 f.; 337. – Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 22. Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 634. Studt, Papst Martin V. (wie Anm. 11), S. 653 f.

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1426 beim Einfall der Hussiten vor Waldmünchen in der militärischen Praxis erstmals konkreten Nutzen; die hussitische Truppe mußte sich erfolglos nach Taus zurückziehen.70 Ende 1430 schloß sich Pfalzgraf Johann dem im April 1428 von oberpfälzischen und niederbayerischen Adligen zum Schutz vor der Hussitengefahr gegründeten Böcklerbund an.71 1430 nahm er an der Seite Markgraf Friedrichs von Brandenburg an den Verhandlungen mit den Hussiten in Zwernitz und Beheimstein teil.72 Eine wichtige Sicherungsmaßnahme bedeutete die zu seiner Zeit vorangetriebene Befestigung der in seinem Fürstentum liegenden Städte und Märkte sowie der Kirchen und Kirchhöfe in den Dörfern der an Böhmen grenzenden Regionen.73

IV. Deutsche Hussiten aus und in der Oberpfalz Die Reformforderungen Hussens und seiner Gesinnungsgenossen fanden früh auch unter den Deutschen in den Nachbarländern Sympathisanten und Anhänger. Zu den profiliertesten „deutschen Hussiten“74 zählte der Weltpriester Ulrich Grünsleder aus Vohenstrauß, gegen den in den Jahren 1420/21 an der Kurie des Regensburger Bischofs Albert III. Stauff von Stauffenberg ein Inquisitionsverfahren geführt wurde, das mit Ulrichs Tod auf 70 Mages, Emma: Waldmünchen. Die Pflegämter Waldmünchen und Rötz (Historischer Atlas von Bayern. Altbayern 56), München 1991, S. 34; Bleicher, Das Herzogtum NiederbayernStraubing (wie Anm. 34), S. 196, 329; die Treffen der Bündnispartner fanden u.a. in Cham und Neunburg vorm Wald statt: S. 195 f. – Zu Beginn des Jahres 1424 schloß sich Pfalzgraf Johann mit Heinrich Nothaft zusammen: ebd. S. 195, bei der hussitischen Heerfahrt in die Oberpfalz im Mai und Juni 1428 (dazu unten Anm. 103) leistete Johann von Leuchtenberg Pfalzgraf Johann Unterstützung: ebd. S. 196. 71 Piendl, Max: Die Ritterbünde der Böckler und Löwen im Bayerischen Wald, in: Unbekanntes Bayern, Bd. 5, München 1961, S. 72–80; Kruse, Holger: Einhorn, in: Ders./Paravicini, Werner/ Ranft, Andreas (Hgg.): Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland (Kieler Werkstücke D/1), Frankfurt a.M. 1991, S. 269–280; Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 201; Busl, Adalbert: Die Gründungsurkunde des Böcklerbundes, in: Oberpfälzer Heimat 41 (1997), S. 81–90. 72 Dazu unten Anm.116 und 123. 73 Franz Fuchs, Dörflicher Alltag in der Hussitenzeit. Aus den Aufzeichnungen eines Oberpfälzer Landpfarrers, in: Becker (Hg.): Der Pfälzer Löwe in Bayern (wie Anm. 2), S. 37–53, hier S. 51. – Landgraf Johann von Leuchtenberg, Vitzthum von Straubing, berichtet am 21. Juni 1428 an Kurfürst Friedrich von Brandenburg über die Einnahme befestigter Friedhöfe vor dem wald: Perlinger, Werner: Hussitenüberfälle 1428 im Grenzwinkel. Archivalien berichten von „krieglewffen“ und „swaren zugen“, in: Oberpfälzer Heimat 41 (1997), S. 77–80, hier S. 78 f. 74 Zu den deutschen Hussiten insgesamt: Machilek, Deutsche Hussiten (wie Anm.14) (mit Hinweisen auf weitere Literatur); Machilek, Franz: Aufschwung und Niedergang der Zusammenarbeit von Waldensern und Hussiten im 15. Jahrhundert (unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Deutschland), in: de Lange, Albert/Utz Tremp, Kathrin (Hgg.): Friedrich Reiser und die „waldensisch-hussitische Internationale“ im 15. Jahrhundert. Akten der Tagung Otisheim-Schönenberg, 2. bis 4. Oktober 2003 (Waldenserstudien 3), Heidelberg/Ubstadt–Weiher/Basel 2003, S. 261–276, hier S. 278–287.



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dem Scheiterhaufen endete. Über das Verfahren berichtet Andreas von St. Mang in Regensburg mehrfach in seinen Werken.75 Grünsleder wird bereits 1410 unter dem Namen Ulrich von Vohenstrauß als Kaplan an der Ahakirche in Regensburg erwähnt. Die damals beurkundete Anlage eines Leibgedings bei der Reichsstadt Regensburg macht deutlich, daß er sich in guten finanziellen Verhältnissen befand. Bei seiner Verhaftung und Einkerkerung am 25. Mai 1420 war Grünsleder Rektor der Domschule. Er wurde beschuldigt, zwei Traktate des Jan Hus abgeschrieben, aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt und in Laienkreisen geheim in Umlauf gesetzt zu haben. Die Prüfung des Falls durch gelehrte Theologen und Kanonisten dauerte gut ein halbes Jahr. Zu Beginn des Advents wurden die Abschriften mit den Hustraktaten aufgefunden. Grünsleder wurde zum Abschwören der ketzerischen Artikel Hussens und zur Rückkehr in den Schoß der Kirche aufgefordert, verblieb aber – wie Andreas von Regensburg schreibt – in seiner Hartnäckigkeit (in sua pertinacia), verteidigte standhaft Hussens Lehre und Kritik an der Kirche seiner Zeit und verurteilte Hussens Feuertod. Die während des Inquisitionsverfahrens vor der Verkündigung des Schlußurteils übliche Ansprache hielt Dr. Berthold Puchhauser (um 1365–um 1438), der Provinzial der bayerischen Provinz der Augustinereremiten, vormalige Professor der Wiener Universität und neunmalige Dekan der dortigen Theologischen Fakultät, der sich seit langem mit den Lehren Wyclifs, Hussens und des Hieronymus von Prag befaßt hatte.76 Allein schon die Tatsache, daß dieser angesehene Theologe mit der den Fall zusammenfassenden Schlußansprache beauftragt wurde, macht den Stellenwert deutlich, der dem gegen Grünsleder geführten Prozeß beigemessen wurde. Am 31. März 1421 wurde Grünsleder wegen hussitischer Ketzerei nach einer öffentlichen Messe und dem Schlagen der Glocke vor dem versammelten Klerus und Volk in feierlicher Form zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt, als Priester degradiert und zum Vollzug des Urteils der weltli75 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 350–362, 387–392, 400–404, 464. – Zu Grünsleder und seinem Prozeß: Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg III (wie Anm. 34), S. 374; Staber, Kirchengeschichte, S. 80; Herrmann, Erwin: Hussitische Einflüsse in Nordostbayern, in: Seibt, Ferdinand (Hg.): Die böhmischen Länder zwischen Ost und West. Festschrift für Karl Bosl zum 75. Geburtstag, München 1983, S. 321–341, hier S. 34–38; Ochantel, Karl: Die Verbrennung des Priesters Ulrich Grünsleder aus Vohenstrauß, in: Streifzüge des Heimatkundlichen Arbeitskreises Vohenstrauß 3 (1987), S. 39–42; Lerner, Robert: Gruensleder (Ulrich), in: Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques 22 (1988), Sp. 430–432; Machilek: Deutsche Hussiten (wie Anm. 14), S. 274; Patschovsky, Alexander: Häresien, in: Brandmüller, Walter (Hg): Handbuch (wie Anm. 33), S. 755–767, hier S. 767; Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1933 f.; Machilek: Aufschwung und Niedergang (wie Anm. 74), S. 288. – Mit bisher unbekanntem Material jetzt Franz Fuchs im vorliegenden Band. 76 Zu seinem Leben und Werk: Zumkeller, Adolar: Manuskripte von Werken der Autoren des Augustiner-Eremitenordens in mitteleuropäischen Bibliotheken (Cassiciacum XX), Würzburg 1966, S. 92–96, 573 f.; Kunzelmann, Adalbero: Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten, Teil III: Die bayerische Provinz bis zum Ende des Mittelalters (Cassiciacum XXVI), Würzburg 1972, S. 123–133 u.ö.; Eckermann, Willigis: Berthold Puchhauser von Regensburg, in: Lexikon für Theologie und Kirche 2 (31994), Sp. 292.

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chen Gerichtsbarkeit übergeben. Sein Werk gilt als verloren, wahrscheinlich wurde es mit ihm verbrannt. Andreas von Regensburg verfaßte den Bericht über das Ende Grünsleders als Augenzeuge; er hat auch die in Latein verfaßte Schlußansprache Puchhausers selbst aufgezeichnet. Diese knüpfte an das Jesuswort an Thomas an: Sei nicht ungläubig, sondern gläubig! (Joh 20,27). Unter Anführung zahlreicher Stellen aus der Heiligen Schrift und den Theologen ging Puchhauser im ersten Teil seiner Ansprache ausführlich auf die fundamentale Bedeutung des Glaubens in der Kirche ein, die durch die Häretiker in teuflischer Täuschung (dyabolica fraude) geleugnet werde, so wie hier durch Ulrich Grünsleder. Im zweiten Teil seiner Ansprache faßte Puchhauser die nach Auffassung des Inquisitionsgerichts ketzerischen Aussagen Grünsleders noch einmal in eingehender theologischer Beweisführung zusammen: Danach habe Grünsleder das Konstanzer Konzil als nicht repräsentativ für die kämpfende Kirche, die „ecclesia militans“, angesehen und die Auffassung vertreten, Wyclif und Hus seien auf dem Konzil nicht zu Recht und gesetzmäßig (non iuste et legittime), sondern von Richtern verurteilt worden, die auf Grund falscher Zeugenaussagen unrichtig informiert gewesen seien (iudices per falsa testimonia informati). Vor allem legte Puchhauser Grünsleder zur Last, die Wirksamkeit und Autorität des Konzils nicht anerkannt zu haben.77 Die bis in jüngste Zeit vertretene Auffassung, daß 1421 oder bald danach auch Peter von Dresden, seit 1412 Lehrer an der waldensisch-hussitisch orientierten Dresdener Schule „Zur Schwarzen Rose“ in der Prager Altstadt, in Regensburg der Inquisition zum Opfer fiel, scheint nicht zuzutreffen.78 Zwei Jahre nach Grünsleder erlitt der aus dem thüringischen Gotha stammende Heinrich Ratgeb, Priester der Diözese Mainz, der weit herumgereist und seine verderbenbringenden und skandalösen Worte zuletzt in Amberg vor Klerikern und Laien verbreitet hatte, in Regensburg den Feuertod.79 Ratgeb, der seine Lehren vor dem Inquisitionsgericht zunächst abgeschworen hatte und daraufhin zu Kerkerhaft verurteilt worden war, 77 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 351–362; Handschriften: Zumkeller, Manuskripte (wie Anm. 76), S. 95, 574. 78 Sie geht auf Nachrichten im „Catalogus episcoporum Ratisbonensium“ des Lorenz Hochwart zu Bischof Johannes II. bzw. in der sog. „Farrago historica rerum Ratisbonensium“ zurück, die wahrscheinlich auf einer Verwechslung beruhen: Heimpel: Drei Inquisitions-Verfahren (wie Anm. 11), S. 159. – Zu Peter von Dresden: Girgensohn, Dieter: Peter von Pulkau und die Wiedereinführung des Laienkelches, Göttingen 1964 (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 12), S. 133 f. (mit näheren Hinweisen); Seibt, Ferdinand: Hussitica. Zur Struktur einer Revolution, Köln/Wien 21990, S. 93; Šmahel, František: Die Hussitische Revolution I (wie Anm. 1), S. 569; Mutlová, Petra: Die Dresdner Schule in Prag eine waldensische „Connection“? In: de Lange/Utz Tremp (Hgg.): Friedrich Reiser und die „waldensischhussitische Internationale“ (wie Anm. 74), S. 261–276, hier S. 264; Machilek: Aufschwung und Niedergang (wie Anm. 74), S. 289; Šmahel, František: Petrus von Dresden, in: Lexikon des Mittelalters 6 (1993), Sp. 1973; Machilek, Franz: Petrus von Dresden, in: Lexikon für Theologie und Kirche 8 (31999), Sp. 1973 (jeweils mit weiterführenden Literaturangaben). 79 Das Verfahren bei Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 387–404. – Dazu: Herrmann, Hussitische Einflüsse (wie Anm. 75), S. 35, 37–39; Heimpel, Drei



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wurde zweieinhalb Monate später erneut angeklagt, daraufhin als rückfälliger Ketzer verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Wie beim Grünsleder-Prozeß hielt Puchhauser auch beim Wiederaufnahme-Verfahren gegen Ratgeb die Ansprache im Anschluß an Joh. 20,27.80 Nach den zu seiner Verurteilung führenden Artikeln 81 hatte Ratgeb grundsätzliche Zweifel am bestehenden System der römischen Kirche geäußert, in der es keinen wahren katholischen Glauben und kein Haupt gebe, das diese in spiritualibus regiere (fides catholica non sit in terra bzw. non est aliquod caput unum in ecclesia in spiritualibus regens ecclesiam). Der von ihm vertretene Satz: Nullus est dominus civilis, nullus est praelatus, nullus est episcopus, dum est in peccato mortali, war bereits 1415 vom Konstanzer Konzil zusammen mit weiteren 44 Artikeln John Wyclifs verurteilt worden.82 Ein weiterer Anklageartikel betraf die Exkommunikation: Kein Prälat dürfe jemanden exkommunizieren, außer er wisse, daß dieser bereits von Gott exkommuniziert sei. Schließlich bekannte sich Ratgeb zu den bereits verurteilten Artikeln Grünsleders. Daß er Petrus de Luna, den abgesetzten Papst der Avignonesischen Obödienz (Benedikt XIII.), als rechtmäßigen Papst angesehen habe, weise ihn zudem als Schismatiker aus. Wie Nikolaus von Dresden hat auch Ratgeb den Bildersturm bejaht.83 Ein Menschenalter später wird noch einmal ein profilierter deutscher Hussit im Zusammenhang mit seinen Aufenthalten in der Oberpfalz quellenmäßig faßbar, nämlich der aus der Gegend von Burgbernheim an der Frankenhöhe stammende Bartholomäus Rautenstock, der in den fünfziger Jahren des 15. Jahrhunderts wohl in Nürnberg aufgegriffen und gegen den hier ein Ketzerverfahren geführt wurde. Nach dem erhaltenen Verhörsprotokoll hatte Rautenstock seinen Unglauben und seine Ketzerei einst in der unter dem Einfluß von Peter und Nikolaus von Dresden stehenden Schule zur Schwarzen Rose in Prag gelernt, die neben dem spezifisch hussitischen Gedankengut in breitem Umfang wyclifitische und waldensische Ideen vermittelte.84 1417 zwangen die an der apostoliInquisitions-Verfahren (wie Anm. 11), S. 11, Anm. 4, 159, 176, 178; Machilek, Deutsche Hussiten (wie Anm. 14), S. 274; Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1934. 80 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 392–400; Handschriften: Zumkeller, Manuskripte (wie Anm. 76), S. 95, 574. 81 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 403 f. 82 Zur Bedeutung dieses Artikels im Hussitismus: Seibt, Ferdinand: Nullus est dominus ..., in: Prinz, Friedrich/Schmale, Franz-Josef/Seibt, Ferdinand (Hgg.): Die Geschichte in der Gesellschaft. Festschrift für Karl Bosl zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1974, S. 393–408. 83 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 402. – Heimpel, Drei InquisitionsVerfahren (wie Anm. 11), S. 176. 84 Das Rautenstock-Verhör in: Döllinger, Ignaz von: Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters, Teil II. München 1890 (ND New York o.J.), S. 626–632; eine darin nicht abgedruckte Notiz über seinen Aufenthalt in Windsheim aus der Handschrift nachgetragen bei Machilek, Hus und die Hussiten in Franken (wie Anm. 5), S. 33, Anm. 92. – Zu Rautenstock und zu seinem Verfahren: Haupt, Herman: Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland, in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1 (1889), S. 285–330; 3 (1890), S. 337–411, auch als Separatdruck Freiburg i.Br. 1890 (nach diesem wird hier zitiert), S. 63 f., 68f.; Bartoš, František M.: Husitství a cizina [Der Hussitismus und das Ausland], Praha 1931, S. 76, Anm. 4, 127, Anm. 47, 129, Anm. 50, 132, Anm. 60; Kaminsky, A History

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schen Sukzession festhaltenden Utraquisten den Prager Weihbischof Hermann Schwab von Mindelheim auf der Burg Lipnice des Prager Oberstburggrafen Čeněk von Wartenberg zur Weihe ihrer Priester, darunter auch des Bartholomäus Rautenstock.85 Nach seiner Weihe wirkte Rautenstock ein Jahr lang in Prag an der Altstädter Kirche Maria am See (in Lacu) als hussitischer Geistlicher und Prediger. Weil ihn sein Gewissen wegen der zu Unrecht empfangenen Weihe mahnte, habe er sich in Böhmen verheiratet und sei von dort über Burgbernheim nach Windsheim gezogen, wo er – von mehreren, z.T. in Begleitung seines Sohnes unternommenen Reisen nach Böhmen unterbrochen – zehn Jahre lang, bis zum Tod seiner Frau, geblieben sei. Danach habe er sich wieder nach Böhmen begeben. Nach dem wahrscheinlich 1428 erfolgten Tod seiner Frau hielt sich Rautenstock wohl als Händler getarnt im Grenzland um Tirschenreuth auf. Im Verhör gab er an, hier längere Zeit bei einem Hans Mendel gewohnt zu haben; kurz vor seiner Verhaftung hatte er sich nach seinen eigenen Worten bei einem Gastwirt in Kemnath, aufgehalten, wo er für sein Gewerbe Rohr gesucht habe. Daraus ergibt sich, daß Rautenstock neben seiner Tätigkeit als Prediger als Weber gearbeitet hat. Auf Grund seiner Position läßt sich im Vergleich zu anderen Wanderpredigern vermuten, daß er als einer der zwölf nach dem Vorbild der Apostel aus dem böhmischen Tabor in die hussitisch-waldensische Diaspora ausgesandten Emissäre wirkte.86 Eine neuerliche Reise nach Deutschland führte ihn über Tirschenreuth, Kemnath, Kastl bei Kemnath, Pegnitz und Eschenau nach Burgbernheim, von wo aus er dem von ihm als Vetter bezeichneten Pfarrer Ulrich zu Eibelstadt bei Ochsenfurt einen Besuch abstattete, und schließlich in die Reichsstadt Windsheim. Auf dem Rückweg nach Böhmen geriet er in die Hand der Inquisition. (wie Anm. 13), S. 242 f., 254 f., 263 f.; Machilek, Franz: Ein Eichstätter Inquisitionsverfahren aus dem Jahre 1460, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 34/35 (1974/75), S. 417–446, hier S. 443; Machilek, Franz: Waldensische Irrlehren in Franken, in: Reformation in Nürnberg. Umbruch und Bewahrung. Nürnberg 1979, Nr. 56, S. 52; Molnár, Amedeo: Die Waldenser. Geschichte und europäisches Ausmaß einer Ketzerbewegung, Berlin/Göttingen 1980, S. 254; Klaus Arnold, Niklashausen 1476. Quellen und Untersuchungen zur sozialreligiösen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines spätmittelalterlichen Dorfes (Saecula spiritalia 3), Baden–Baden 1980, S. 49; Mezník, Jaroslav: Praha před husitskou revolucí [Prag vor der hussitischen Revolution], Praha 1990, S. 157, Anm. 72; Machilek, Hus und die Hussiten in Franken (wie Anm. 5), S. 33 f.; Knott, Peter: „Ketzermeister“ Bartholomäus Rautenstock. Reformation, lange vor der Reformation, in: Heimat – Landkreis Tirschenreuth 12 (2000), S. 216–228; Šmahel, Die Hussitische Revolution I (wie Anm. 1), S. 425, 527 f.; Mutlová: Die Dresdner Schule in Prag (wie Anm. 78), S. 268, Machilek: Aufschwung und Niedergang (wie Anm. 74), S. 302 f. – Zu der in der Schule „Zur schwaren Rose“ vertretenen Lehrrichtung jetzt: Mutlová, Petra: Vybráné prameny k existenci drážd’anské školy [Selected Sources on the Existence of the Dresden School], in: Krmíčková, Helena/Pumprová, Anna/Růžičková, Dana/ Švanda, Libor (Hgg.): Querite primum regnum Dei. Sborník příspěvků k poctě Jany Nechutové [Sammelband von Beiträgen zu Ehren von Jana Nechutová], Brno 2006, S. 553–560. 85 Jaroslav Kadlec, Hermann Schwab von Mindelheim und sein Apokalypsekommentar. In: Mayer, Cornelius Petrus/Eckermann, Willigis (Hgg.): Scientia Augustiniana. Festschrift Adolar Zumkeller zum 60. Geburtstag, Würzburg 1975, S. 276–288, hier S. 277. 86 Zur Organisation: Machilek: Aufschwung und Niedergang (wie Anm. 74), S. 304.



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Das Protokoll des Rautenstock-Verhörs im Nürnberger Rathaus gibt wichtige Aufschlüsse über die seit den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts verstärkte Zusammenarbeit zwischen den im Untergrund wirkenden radikal-hussitischen und waldensischen Gruppen in Böhmen und in Deutschland.87 Die beim Verhör zu Tage tretenden waldensisch-hussitischen Auffassungen – Verwerfen der Verehrung Marias, der Fürbitten und Verehrung der Heiligen, des Eides, Fegfeuers und Ablasses, Ablehnung der Bilder von Gott und von den Heiligen und der Ohrenbeichte sowie seine Forderung nach dem Laienkelch – entsprechen den auch anderwärts begegnenden Auflistungen, so etwa den Artikeln des 1460 in Eichstätt geführten Inquisitionsverfahrens gegen eine Ketzergruppe im Altmühltal.88 Rautenstock war peinlich darum bemüht, keine lebenden Glaubensgenossen zu verraten oder in Verdacht zu bringen. Über den Ausgang des Prozesses sind bisher keine Quellen bekannt geworden.Von den von Rautenstock selbst gegebenen Anhaltspunkten erlaubt die Erwähnung des Pfarrers Ulrich in Eibelstadt die Annahme, daß das Verfahren in den fünfziger Jahren stattgefunden habe. In den Jahren 1452–1458 war Ulrich Reicholdshöfer Pfarrvikar in Eibelstadt.89

V. Die militärischen Einfälle der Hussiten in die Oberpfalz und der Sieg des Aufgebots Pfalzgraf Johanns bei Hiltersried Schon bald nach Beginn der hussitischen Revolution kam es an der bayerisch-böhmischen Grenze zu zunächst lokal begrenzten militärischen Aktionen von beiden Seiten.90 Die Mithilfe Pfalzgraf Johanns von Neunburg-Neumarkt beim Entsatz der dem Prager Bischof unterstehenden Stadt Bischofteinitz im Mai 1422 wurde bereits erwähnt. Im gleichen Jahr überfiel eine hussitische Truppe Eschlkam, Neukirchen und weitere Orte in dem im Süden an das pfälzische Territorium angrenzenden, damals zum wittelsbachischen Herzogtum Niederbayern-Straubing gehörigen sogenannten Winkel hinter dem Hohen Bogen. In der Folgezeit flammte der „tägliche Krieg“ im Grenzland immer wieder auf.91 Dominik Dorfner und Franz Grundler haben die besonders betroffenen Orte in der Oberpfalz in ihren Publikationen aufgelistet.92 87 Machilek, Aufschwung und Niedergang (wie Anm. 74). 88 Machilek, Ein Eichstätter Inquisitionsverfahren (wie Anm. 84). 89 Knott, „Ketzermeister“ (wie Anm. 84), S. 221. 90 Zum hussitischen Kriegswesen grundlegend: Toman, Hugo: Husitské válečnictví za doby Žižkovy a Prokopovy [Hussitisches Kriegswesen zur Zeit Žižkas und Prokops], Praha 1898, und Durdík, Jan: Husitské vojenství [Hussitisches Kriegswesen], Praha 1953. – Eine Reihe von Spezialstudien jetzt in: Drda/Vybíral, Jan Žižka z Trocnova a husitské vojenství (wie Anm. 29), S. 523–706. 91 Bezold, König Sigmund und die Reichskriege II (wie Anm. 30), S. 85–87; Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 22. 92 Dorfner, Dominik: Hussiten. Vom Scheiterhaufen in Konstanz zu den Brandstätten in der Oberen Pfalz. Begleitband zur Ausstellung im Wallfahrtsmuseum Neukirchen beim Heiligen Blut und im Schwarzachtaler Heimatmuseum Neunburg vorm Wald (Schriftenreihe

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Andreas von Regensburg berichtet, daß die Hussiten bei einem unverhofften Vorstoß über die Grenze um das Fest des hl. Michael 1424 dem Vernehmen nach 4000 Stück Vieh erbeuteten.93 Vor dem Katharinenfest (25. November) des Jahres 1425 überfiel eine hussitische Truppe die unter dem Kommando des Heinrich Pflug zu der Schwarzenburg stehende Stadt Waldmünchen, die jedoch erfolgreich verteidigt werden konnte, wobei Andreas von Regensburg die Tapferkeit der Frauen besonders hervorhebt. Die Häretiker mußten sich sine gloria nach Böhmen zurückziehen.94 Ein weiterer, mit beträchtlicher Macht unternommener hussitischer Überfall auf Waldmünchen erfolgte am 12. März des folgenden Jahres. Auch dieser konnte nach dem Zeugnis des Andreas von Regensburg erfolgreich abgewiesen werden.95 Zum zweiten Einfall bieten mehrere Briefe aufschlußreiche Details: ein Hilferuf des Pflegers Christoph Parsberger und Landschreibers Hans Dorner, die im Namen Pfalzgraf Johanns Bischof Johann von Regensburg am Tag des Überfalls um rasche Hilfe gegen die in das Landgericht Cham und Waldmüchen eingedrungenen Ketzer bitten96 sowie zwei Nachrichten des eng mit Kurfürst Ludwig III. zusammenarbeitenden jüngsten Bruders Pfalzgraf Otto (I.) von Pfalz-Mosbach (1410–1461) aus Amberg an Bischof Johann vom darauffolgenden Tag, im ersten mit Bitte um Hilfe nach Neunburg vorm Wald, im zweiten mit der Nachricht, daß die Hussiten Waldmünchen herticklich gestürmet, jedoch von dort wieder abgezogen seien, und damit dye reyse uff diszmal wendig sei.97 Ein in Bärnau niedergeschriebener Brief eines Kriegsknechts namens Friedrich im Dienst des Egerer Bürgers Hans Junckher aus dem zur Entlastung des Reichsheeres entsandten Egerer Hilfskontingent vom 3. August 1427 gibt ein Stimmungsbild von der Situation des sich auflösenden Reichsheeres nach dem Beginn des Rückzug aus Mies (Stříbro) und noch vor der Schlacht bei Tachau (Tachov) am darauf folgenden Tag. Als Augenzeuge berichtet Friedrich nach Eger, daß die etwa 200 Pferde und die als Proviant mitgeführten Kühe wieder zurückgetrieben werden konnten, aber das fusfolck kert nicht wider. Ich las Euch wissen, daz wir czu Pernaw ligen und [nicht] wissen wohin. Pit wir Euren genade,

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Wallfahrtsmuseum Neukirchen beim Heiligen Blut 6a), Neukirchen beim Heiligen Blut 21998, S. 37 f.; Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 21–23. Der Ort des Geschehens ist nicht näher beschrieben. – Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 321; Bauerreiss, Kirchengeschichte V (wie Anm. 60), S. 9 f.; Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 195; Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 22. Sed uincolis civitatis et presertim mulieribus viriliter se defendentibus: Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 330 f., 422 f. (Zitat S. 423). – Waldmünchen erscheint hier jeweils als Gasmünichen = Geismünchen. – Bauerreiss, Kirchengeschichte V (wie Anm. 60), S. 10. Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 331. Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm.25), Nr, 392, S. 439. Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm.25), Nr. 393, S. 440. – Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1381, Anm. 13. – Zum Fürstentum Pfalz-Mosbach: Volkert, Die politische Entwicklung (wie Anm. 2), S. 115; Merk, Jan: Mosburg, in: Paravicini (Hg.), Höfe und Residenzen 2 (wie Anm. 62), 389 f.



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daz Ir uns czu derkennen gebt, wye wirs halten schullen.98 In der Schlacht bei Tachau hatte Pfalzgraf Johann im Auftrag des Kardinallegaten Heinrich Beaufort den Oberbefehl inne. Hier kam es auch zu der mehrfach überlieferten Episode mit dem von Johann geführten Banner, das zu Boden fiel, was als böses Vorzeichen für den Ausgang der Schlacht angesehen wurde.99 Aus den Ausgaben für die Verpflegung in den Regensburger Stadtrechnungen lassen sich die Marschroute des reichsstädtischen Aufgebots im Juli und August 1427 und damit auch die Einsatz- bzw. Gefahrenorte in der Oberpfalz und im westböhmischen Grenzgebiet rekonstruieren. Danach hielt sich das Kontingent am 8. Juli in Schwandorf, in den beiden folgenden Tagen in Neustadt an der Waldnaab, am 11. Juli in Tirschenreuth, am 12. Juli in Bärnau und am 13. Juli in Tachau auf; vom 14. bis 19. Juli befand es sich in Plan (Planá), ab 20. Juli in Mies und vom 3. bis 5. August wieder in Tachau, von wo es noch am 5. August den Rückzug über Vohenstrauß und Roding antrat.100 Nach der Niederlage des Reichsheeres bei Tachau drangen die Hussiten im Herbst 1427 über Waldmünchen und Neunburg bis weit in die Oberpfalz in Richtung gegen die Hohenburg vor, konnten hier aber von den Verteidigern aufgehalten werden. Auf ihrem Rückzug zerstörten die Hussiten zahlreiche Siedlungen und töteten in Böhmisch-Bruck einen dort exponierten Benediktiner des Klosters St. Emmeram in Regensburg.101 Das von den Hussiten in der Nacht zum 1. Oktober angezündete Kloster der Augustinereremiten in Schönthal konnte vom Konvent wenigstens teilweise gerettet werden. Im Jahr darauf wurde Schönthal jedoch bis auf die Mauern niedergebrannt. Konrad von Murach, der Prior des Klosters (1409–1432), begann unmittelbar danach mit dem Wiederaufbau und ließ das Kloster mit einer festen Mauer umgeben. 1429 schrieb er in Cham ein Urbar des Klosters nieder; nach diesem zählte die Klosterbibliothek nach den Zerstörungen durch die Hussiten immerhin noch 190 Bände.102 Im Frühjahr 1428 organisierte Velek von Březnice, Hauptmann der Feldgemeinde der Waisen, mit einer aus Waisen und Pragern zusammengesetzten Truppe eine Heerfahrt in die heutige Oberpfalz, die als Vergeltung für den dritten Hussitenkreuzzug betrachtet werden kann. Die Truppe fiel zwischen Ende Mai und Mitte Juni in das Gebiet zwischen Bärnau, Tirschenreuth und Falkenberg ein, drang durch das Naab-Tal bis nach Nittenau 98 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nr. 462, S. 532. – Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1424; Busl, Bärnau (wie Anm. 4), S. 179. 99 Šmahel, Die Hussitische Revolution II, S. 1425 f. – Der Nürnberger Rat tröstete die Pfalzgrafen Johann und Otto von Mosbach wenig später wegen der Niederlage: Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nr. 467 f., S. 535 f. (1427 August 14). 100 Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing (wie Anm. 34), S. 330, Anm. 2548. 101 Hausberger, Geschichte des Bistums Regensburg I (wie Anm. 36), S. 208. 102 Monumenta Boica, Bd. 26, Nr. 355, S. 386 (1427 Oktober 27). – Kunzelmann, Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten III (wie Anm. 76), S. 183 f.; Dendorfer, Jürgen: Schönthal, in: Körner/Schmid/Ott (Hgg.), Altbayern, S. 758–760, hier S. 759. – Konrad von Murach ist wohl mit dem 1405 als Lektor und Bibliothekar im Thomaskloster zu Prag belegten Conradus de Valle speciosa identisch: Kunzelmann, S. 188, Anm. 679. – Den Dominikanerinnen in Schwarzenhofen gelang die Flucht in das Heiligkreuz-Kloster in Regensburg: Bauerreiss, Kirchengeschichte V (wie Anm. 60), S. 11; Mages, Waldmünchen (wie Anm. 70), S. 34.

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vor, verursachte durch Öffnung des Deiches eines großen Fischteiches bei Eslarn, eine Überschwemmung mit schweren Schäden und zog sich dann unter weiteren Verwüstungen über Cham nach Böhmen zurück.103 In den Handschriften von „Kaiser Sigismunds Buch“ des Eberhard Windeck (um 1380 – um 1440), Dieners und Diplomaten König Sigismunds, Mainzer Kaufmanns und Chronisten, werden folgende Orte genannt, die zu Beginn des Einfalls Ende Mai/Anfang Juni 1428 von den boßen hussen und ketzern [...] mit großer macht heimgesucht wurden: Bärnau, Falkenberg, Tirschenreuth, Wurz bei Windisch-Eschenbach, Beidl, Waldthurn, Floß, Vohenstrauß, Pleystein, Moosbach, Altenstadt (wohl Altenstadt bei Vohenstrauß), Hohenthann, Schönkirch, Plößberg, Waldenau (wohl Wildenau) und Wilden Hußen (wahrscheinlich Waidhaus), wobei sie in Froos 40 und in Moosbach 300 Männer töteten.104 Am 9. Juni schrieb der Nürnberger Rat an Kurfürst Ludwig von der Pfalz, die Waisen seien bei 9.000 mannen über den Wald gekommen, hätten Bärnau, Tirschenreuth und sust etwievil merkt und dörfere mit Gewalt eingenommen und würden nun als man sagt gegen Eger ziehen.105 Nach Andreas von Regensburg brannten die Hussiten am 9. Juni 1428 Nittenau nieder und verschleppten den dortigen Pfarrer Johannes nackt und an einen Wagen angekettet nach Taus.106 Wohl bei dem Über103 [...] secta Orphanorum cum Pragensibus in Bavariam processerunt circa festum Urbani [25. Mai] et illuc venientes civitatem Pernow, Mnichow et alia opida aquisiverunt, quia ipsas non defenderunt, et ad piscinam magnam langravii venientes obstaculum suffoderunt et piscinam destruxerunt et ante Cubam [Cham/Kouba] multum nocumentum fecerunt: Emler, Josef (Ed.): Kronika [...] Bartoška z Drahenic [Chronik des Bartošek von Dróhenic], in: Goll, Jaroslav (Ed.): Fontes rerum Bohemicarum, Tom. V, Praha 1893, S. 591–628, hier S. 598; tschechische Übertragung: Hlaváček, u.a. (Hgg.): Ze zpráv a kronik doby husitské (wie Anm. 4), S. 231–289, 443–448 (Anm.), hier S. 240. – Weiterhin: Altmann, Wilhelm (Hg.): Eberhart Windeckes Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Zeitalters Kaiser Sigmunds, Berlin 1893, S. 236 f.; Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 467; Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge I (wie Anm. 25), Nrn. 524–527, S. 625–627. – Dazu: Bezold, König Sigmund und die Reichskriege II (wie Anm. 30), S. 135 f.; Bauerreiss, Kirchengeschichte V (wie Anm. 60), S. 12; Perlinger, Hussitenüberfälle 1428 (wie Anm. 73); Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1439; bei Grundler/Dorfner: Hussen (wie Anm. 12), S. 22, fälschlich zu 1426 eingeordnet. 104 Altmann (Hg.), Eberhart Windeckes Denkwürdigkeiten (wie Anm. 103), S. 236 f.; Fähnrich, Harald: Hussitische Gottesstreiter in der Nordoberpfalz, in: Oberpfälzer Heimat 55 (2011), S. 61–74. – Nach dem oben Anm. 73 zitierten Brief des Landgrafen Johann von Leuchtenberg trugen die in den Städten gesammelten Hilfsgelder der Städte entscheidend zur Rettung der Stadt Cham bei: Perlinger, Hussitenüberfälle 1428 (wie Anm. 73), S. 78. – Zu Cham in der Hussitenzeit allgemein: Brunner, Johann: Geschichte der Stadt Cham, Cham 1919, S. 40–46. – 1424 mußte der Chamer Bürger Ulrich Kürschner Urfehde schwören, da er mit den Hussiten Handel getrieben hatte (ebd. S. 48). 105 Palacký, Franz (Hg.): Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges vom Jahre 1419 an, Bd. II, Prag 1873 (ND Osnabrück 1966), Nr. 526, S. 626 f.; Fähnrich, Hussitische Gottesstreiter (wie Anm. 104), S. 73; Busl, Bärnau (wie Anm. 4), S. 180. 106 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 467. – Dazu auch der oben Anm. 73 zitierte Brief des Landgrafen Johann von Leuchtenberg: Perlinger, Hussitenüberfälle 1428 (wie Anm. 73), S. 78.



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fall auf Tirschenreuth wurde der Tirschenreuther Hauptmann Jörg Trauttenberger gefangen [...] von den Hussen, wie einem Brief des Abtes Nikolaus von Waldsassen an Nikolaus Keßler vom 13. Juli 1429 zu entnehmen ist.107 Etwa um die gleiche Zeit überfielen einige Hussiten das Benediktinerkloster Walderbach; verwundeten und töteten einige Mönche, brachen die Türen auf und zerstörten die Orgel und Heiligenbilder. Besondere Gewalt erlitt der damalige Bursar und spätere Abt Friedrich. Andreas von Regensburg erfuhr von den Vorgängen in Walderbach durch den Melker Prior Petrus von Rosenheim während eines Gesprächs mit Konrad von Hildesheim in Regensburg.108 1429 verbündete sich Pfalzgraf Johann mit den Münchener Herzögen Ernst und Wilhelm sowie weiteren Herrschaftsträgern in den von den Hussiten bedrohten Gebieten zum Schutz der Grenze gegen Böhmen.109 Um das Michaelsfest des gleichen Jahres unternahm ein hussitischer Trupp einen Beutezug in die Gegend von Cham. Flüchtende Einwohner wurden zum Teil getötet oder gefangen genommen. Bei einem wenig später erfolgten weiteren Einfall gelang den Katholiken (katholici) unweit Cham ein kleiner Sieg über die Hussiten, wobei sich vor allem die einheimische Bauernschaft (gens rusticana) hervortat.110 Im Zug der hussitischen Winteroffensive im Januar/Februar 1430 zogen die Feldheere unter Führung von Prokop dem Großen als oberstem Direktor von Sachsen aus über Hof, Münchberg, Gefrees, Bayreuth, Kulmbach, Kronach und Hollfeld durch Oberfranken und schwenkten dann in südöstliche Richtung nach Pegnitz um, das zusammen mit der im Westen der Stadt liegenden stark befestigten Burg Beheimstein den wichtigsten südlichen Stützpunkt des zollerischen Fürstentums Brandenburg-Kulmbach Friedrichs VI. (I.) bildete und das am 9. Februar 1430 erreicht wurde.111 Das Feldlager bei der in Brand gesteckten Stadt und die nach nur eintägiger Belagerung von der Besatzung aufgegebene 107 Staatsarchiv Amberg, Kloster Waldsassen, Literalien Nr. 396, fol. 17. Der Hinweis auf diesen Beleg wird einer freundlichen Mitteilung von Herrn Harald Fähnrich (Schönficht/Plößberg) vom 16. Juni 2010 verdankt. – Die Gefangennahme lag nach dem Wortlaut des Briefes offenbar schon eine Zeitlang zurück. 108 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 467 f. 109 Kerler, Dietrich (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Bd. IX: Deutsche Reichstagsakten unter König Sigismund, Abt. 3: 1427–1431, Göttingen 21956, Nr. 273, S. 345; Nr. 274, S. 346. – Brunner, Geschichte der Stadt Cham (wie Anm. 104), S. 43; Wefers, Das politische System (wie Anm. 25), S. 141; Volkert, Die politische Entwicklung (wie Anm. 2), S. 112 f. 110 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 471 f., 570. 111 Bartoš: Husitská revoluce, Bd. II: Vláda bratrstev a její pád 1426–1437 [Die hussitische Revolution, Bd II: Die hussitischen Bruderschaften und ihr Fall] (České dějiny II/8), Praha 1966, S. 65 f.; Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 45–83; Machilek, Hus und die Hussiten in Franken (wie Anm. 5), S. 15, 27–30; Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S.  1470–1479. – Zu Prokop dem Großen (er wird auch der Kahle oder Kühne genannt): Macek, Josef: Prokop Veliký [Prokop der Große], Praha 1953; Bartoš, František M.: Několik záhad v životě Prokopa Velikého [Einige Probleme im Leben Prokops des Großen], in: Sborník historický 8 (1961), S. 157–194; Šmahel, František: Dějiny Tábora, Bd. I/2: 1422–1452, České Budějovice 1990 (passim); Ders.: Prokop der Große, in: Lexikon des Mittelalters VII (1995), Sp. 245.

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Burg Beheimstein dienten mehrere Tage lang als Operationsbasis für Überfälle in der Umgebung.112 Bereits am Tag der Ankunft in Pegnitz verwüstete eine hussitische Abteilung die zum Territorium Pfalzgraf Johanns gehörige Stadt Auerbach; eine andere Abteilung bedrohte die Stadt Sulzbach, die vormalige Hauptstadt Neuböhmens, die gleichfalls zum Territorium Johanns gehörte.113 Eine Beilage zum Brief der Reichsstadt Eger an den Rat von Erfurt vom 10. Februar 1430 zählt die wichtigsten von den Hussiten auf dem Weg von Hof bis Pegnitz und dessen Umgebung zerstörten Plätze auf: Item Hoeff de stad utgebrand, dat slod hefft gedingit. Item Beyerrued de stad utgebrand. Item Culminach de stad utgebrand, unde hadden mit on gedingit, ydoch hebben se de stad gantz utgebrand. Item Hoelfeld utgebrand, item Gef[r]ees utgebrand, item Pegnutz utgebrand, item Penigk [Benk nördlich von Bayreuth] utgebrand, item vele andern stede, merkede, auk stede unde slote, de we itzund unde noch mid namen nicht weten. Item yn dem lande to Beyern hebbin se gerumet de stede hirna geschriben: item Soltzpach, eyn gud stad, item Aurbach, eyn gud stad, unde vele andere unde kleyne stede, de we mit namen nicht weten [...].114 Am 16. März 1430 berichtete Levin von Wirsberg seinem Vetter Vinzenz von Wirsberg, dem Deutschordenskomtur von Kalau, u.a. über den Hussiteneinfall in Oberfranken, wobei er kurz auf den mit Markgraf Friedrich und dem Bamberger Bischof auf der zollerischen Burg Zwernitz (heute: Sanspareil) bei Hollfeld geschlossenen Waffenstillstand über die Schonung Bambergs gegen Leistung einer Brandschatzung in Höhe von 12.000 fl.,115 auf die Zerstörungen durch die Hussiten auf dem Bamberger gebirg in Weismain, [Burg-]Kunstadt, Scheßlitz, Hollfeld und Waischenfeld sowie in der Oberpfalz eingeht: Auch pranten sie Esschenbach ausz. So wart Awerbach auch vor in geraumet und auszgeprant, und fugten da umb meinem herren Herzog Johanse seinen clostern, landen und lewten grose scheden zu.116 Gut zwei Wochen nach dem Überfall auf Auerbach befreite Pfalzgraf Johann die Bürger dieser Stadt in Ansehung der großen Schäden von Seiten der verdammten Ketzer in Böhmen für die nächsten 15 Jahre von der gewöhnlichen Stadtsteuer und von außerordentlichen Steuern.117

112 Hlaváček, u.a. (Hgg.): Ze zpráv a kronik doby husitské (wie Anm. 4), S. 247 (Bartošek von Drahonic). – Zu Pegnitz: Wolf, Gerhard Philipp/Tausendpfund, Walter: Pegnitz – Veldensteiner Forst. Geschichtliche Streifzüge, Erlangen 1986; Pegnitz – 650 Jahre Stadt, Pegnitz 2004. 113 Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 84; Schnelbögl, Fritz: Auerbach in der Oberpfalz. Aus der Geschichte der Stadt und ihres Umlandes, Auerbach 1976, S. 45. 114 Palacký, Urkundliche Beiträge II (wie Anm. 105), Nr. 648, S. 108. – Wagner, Hans (Bearb.): Regesten zur Geschichte der Stadt Weiden unter Mitberücksichtigung der Burg und des Ortes Parkstein. Urkundenauszüge für die Zeit bis 1500, in: Der obere Naabgau 3 (1936), S. 1–156, hier Nr. 221, S. 67. 115 Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 76–83; Machilek, Hus und die Hussiten in Franken (wie Anm. 5), S. 28 f.; Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1479. 116 Palacký, Urkundliche Beiträge II (wie Anm. 105), Nr. 665, S. 126–129. 117 Schnelbögl, Auerbach (wie Anm. 114), S. 45 f.; ebd. auch zu einem weiteren Privileg Pfalzgraf Johanns von 1439, das auf die Drangsale durch die Hussiten Bezug nimmt.



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Im Zusammenhang mit dem Überfall auf Auerbach war auch das nahegelegene Benediktinerkloster Michelfeld Ziel eines hussitischen Kampftrupps.118 Die Mönche des Klosters suchten vor dem Einfall der Hussiten z.T. in weit entfernten Orten Zuflucht; so Abt Heinrich III. von Truppach in der Propstei Zeil am Main. Prior Iban war überzeugt, nach den Verwüstungen nicht mehr im Kloster Michelfeld leben zu können und ließ sich vom Abt wenige Wochen nach den Zerstörungen ein Empfehlungsschreiben für andere Klöster ausstellen. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß die Altäre in der Klosterkirche zerstört und die Reliquien zerstreut worden waren, und daß die Hussiten noch viele weitere Untaten verübt hatten.119 Noch neun Jahre später klagte Abt Heinrichs Nachfolger, Hartung II. Pfersfelder, daß die Ketzer das Land wie ein Heuschreckenschwarm überzogen hätten. Zum Schutz vor weiteren Überfällen wurde das Kloster mit Wehrmauern und Türmen befestigt.120 Das unweit von Michelfeld und Eschenbach gelegene Prämonstratenserstift Speinshart blieb nach den Erhebungen von Peter Wolfrum von einem hussitischen Überfall verschont.121 Wenige Tage nach der Einnahme von Pegnitz durch die Hussiten fanden wohl am 11. Februar 1430 auf der Burg Beheimstein zwischen Prokop dem Großen und den ihm unterstellten Hauptleuten der hussitischen Feldgemeinden auf der einen sowie Markgraf Friedrich von Brandenburg auf der anderen Seite Verhandlungen über einen Weg zur Beendigung der anhaltenden Auseinandersetzungen statt, die der hussitischen Seite erstmals Aussicht auf Anerkennung ihrer Forderungen eröffneten. Neben dem Markgrafen, der als Hauptunterhändler und zugleich als Bevollmächtigter des Eichstätter Bischofs Albert von Hohenrechberg und Graf Ludwigs von Oettingen fungierte, nahmen Pfalzgraf Johann, der Amberger Vitzthum Wilhelm von Hohenrechberg als Vertreter Kurfürst Ludwigs III., Deputierte der Reichsstadt Nürnberg sowie die Pfleger des Hochstifts Bamberg an den Verhandlungen teil. Erklärtes Ziel der Verhandlungen war für die hussitischen Verhandlungspartner die Freiheit der Verkündigung des Wortes Gottes in Franken und Bayern. Kurfürst Friedrich sicherte den hussitischen Führern eine Anhörung über die Vier Prager Artikel gemäß dem Gesetz Gottes für den St. Georgstag in Nürnberg zu. Die Hauptrepräsentanten auf Seiten des Reichs wurden zur Leistung hoher Abstandssummen verpflichtet, so Markgraf Friedrich zu 9.000 fl. und Pfalzgraf Johann zu 8.000 fl. Bis 25. Juli sollte ein Waffenstillstand gelten.122 In den Quellen werden die Vereinbarungen 118 Schnelbögl, Auerbach (wie Anm. 114), S. 45. 119 Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 85 f. mit S. 133, Anm. 503; Maier, Peter: Die Reform von Kastl, in: Faust, Ulrich/Quarthal, Franz (Bearb.): Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum (Germania Benedictina I), St. Ottilien 1999, S. 225–269, hier S. 241. 120 Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 86. 121 Wolfrum, Peter: Das Prämonstratenserkloster Speinshart im Mittelalter. Eine Analyse seiner Bibliothek (Bayreuther Arbeiten zur Landesgeschichte und Heimatkunde 5), Bayreuth 1991, S. 17–21. 122 Bezold, König Sigmund und die Reichskriege III (wie Anm. 30), S. 32, 41 f., 48, 165 ff.; Bartoš, Husitská revoluce II (wie Anm. 112), S. 66; Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 84–94, 101; Heymann, The Cruasades, (wie Anm. 30), S. 625; Machilek, Hus und die Hussiten in Franken (wie Anm. 5), S. 28–30; Ders., Die hussitische Forderung, (wie Anm. 6),

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als pactum seu compromissum123, als ein mit den Hussiten getroffener weg [...], daz sie yecz awsz disen landen hinter sich ziehen124 bzw. als teyding oder gütlikeit [...] auf einem slosse genant Beheimstein bezeichnet.125 Die hussitischen Truppen zogen in den folgenden Wochen auf verschiedenen Wegen über Eger bzw. durch das brandenburgisch-pfalzgräfliche Kondominium Parkstein-Weiden nach Böhmen zurück.126 Da die für den Georgstag in Nürnberg vereinbarte Disputation wegen mangelnder Unterstützung von Seiten Papst Martins V., des Hofes Sigismunds und des deutschen Episkopats ausfiel,127 rückte der vor allem von Markgraf Friedrich angestrebte Ausgleich erneut in weite Ferne. S. 520–525; Seyboth, Friedrich VI. (I.). (wie Anm. 65), S. 36 (hier versehentlich 1431 statt 1430); Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1479 f.; ferner: Tausdendpfund, Werner: Oberfranken und der Hussitensturm im 15. Jahrhundert, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken 86 (2006), S. 209–134, hier S. 123 f. – Die neben Prokop an den Beheimsteiner Verhandlungen beteiligten hussitischen Hauptleute waren Jakob Kroměšín von Březovic als Hauptmann des großen oder Feldtabor, Andreas Keršký von Řimovic als Hauptmann von Alttabor, Jiří von Řečice als Hauptmann der Waisen, Sigmund Manda von Kotenčic als Hauptmann des Heeres der Prager, insbesondere der Prager Altstadt, sowie Jan Královec von Hrádek als Hauptmann des Heeres der übrigen hussitischen Städte 123 So im erhaltenen zweiten Teil des Vergleichs: Bartoš, František M.: Kolem „spanilé jizdy“ z r. 1329-30 [Um die „holden Heerfahrten“ der Jahre 1429/30], in: Jihočeský sborník historický 5 (1932), S. 89–92, S. 90. – Tschechische Übertragung dieses Textes: Macek, Josef (Hg.): Ktož jsú Boží bojovníci. Čtení o Táboře v husitském revolučním hnutí [Die ihr Gottes Kämpfer seid. Texte über Tabor in der hussitischen revolutionären Bewegung] (Odkaz minulosti české 14), Praha 1951, Nr. 62, S. 200 f. – Zum Vertragstext auch: Bartoš, František M.: Husitika a Bohmica několika knihoven německých a švýcarských [Hussitica und Bohemica einiger deutscher und schweizerischer Bibliotheken], Praha 1932, S. 83; Spunar, Pavel: K literární požůstalosti kneže Prokopa Holého [Zur literarischen Hinterlassenschaft des Priesters Prokop des Kahlen], in: Pocta dr. Emmé Urbánkové, Praha 1979, S. 325–347, hier S. 333. 124 Palacký, Urkundliche Beiträge II (wie Anm. 105), Nr. 655, S. 116 (Nürnberg an Eger, 1430 Februar 15); Nr. 660, S. 120 f. (Nürnberg an Herzog Ludwig von Bayern, 1430 Februar 25). – Der Abzug der Hussiten als Ziel der Vereinbarungen auf deutscher Seite auch in der „Zeichnus des Meisters Albrecht über Kurfürst Friedrich“: Bezold, König Sigmund und die Reichskriege III (wie Anm. 30), S. 167 (Anhang I); auch zitiert bei Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 92. 125 Palacký, Urkundliche Beiträge II (wie Anm. 105), Nr. 656, S. 116 f. (Nürnberg an Erfurt, 1430 Februar 17). – Die Verhandlungen von Beheimstein werden weiterhin erwähnt in: Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II (wie Anm. 105), Nrn. 651–653, S. 111–114; Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 473, 680, 690, 700; Liliencron, Rochus von (Hg.): Düringische Chronik des Johann Rothe (Thüringische Geschichtsquellen 3), Jena 1859, S. 668. 126 Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 95–101; Šmahel, Die Hussitische Revolution II (wie Anm. 1), S. 1480. 127 Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II (wie Anm. 105), Nr. 665 f., S. 126–129; Nr. 674 f., S. 137–139; Nr. 679, S. 143 f.; Rynešová, Blažena (Hg.): Listář a listinář Oldřicha z Rožmberka 1418–1448 [Sammlung von Urkunden und Akten Ulrichs von Rosenberg 1418– 1448], Bd. I, Praha 1929, S. 117; Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 473, 700. – Urbánek, Rudolf: Lipany a konec polních vojsk [Lipan und das Ende der



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Nach der Niederlage des Kreuzheeres bei Taus 1431 erschienen Hussiten um den Herbstbeginn dieses Jahres in der Gegend von Arnschwang, wo sie das Schloß niederbrannten, aber wenig später von den einheimischen Katholiken vertrieben werden konnten. Bei einem Überfall auf die Eisenhämmerstadt Schönsee knapp einen Monat später setzte ein hussitischer Haufen hier sowie in Stadlern die Kirche in Brand. Ein Dienstmann der Herren von Waldau soll den Hussiten die Burg Reichenstein geöffnet haben, die ihnen dann bis zum Entsatz durch Pfalzgraf Johann von Neunburg-Neumarkt im Herbst 1432 als Stützpunkt diente.128 Mit den 1432 in der Reichsstadt Eger und anschließend auf dem Konzil zu Basel geführten Verhandlungen zwischen der römischen Kirche und den Repräsentanten der hussitischen Parteien spitzte sich im Lauf des Sommers 1433 die Frage einer Doppelkonfessionalität in Böhmen immer mehr zu, mit der die einheitliche Landesverfassung und die Legalisierung der reformatorischen und revolutionären Errungenschaften kirchenund eigentumsrechtlich auf das engste verbunden waren.129 Um den aus ihrer Sicht durch Verhandlungen drohenden Gefahren zu entgehen, entschlossen sich die Führer der radikalen Hussiten, allen voran Prokop der Große, zur Belagerung des in katholischer Hand befindlichen Zentrums Pilsen (Plzeň).130 Die starke Konzentration der hussitischen Truppen zwang Prokop den Großen angesichts akuter Versorgungsschwierigkeiten zur Entsendung eines größeren Truppenkontingents in die benachbarte Oberpfalz, um Nachschub zu requirieren. Eine von einem Zeitgenossen – dem katholischen böhmischen Chronisten Bartošek von Drahonic – auf 500 Berittene und 1.400 Mann zu Fuß geschätzte Truppe rückte im September 1433 unter Führung des Taboritenhauptmanns Jan Pardus von Hrádek und des Tauser Hauptmanns Jan Řítka von Bezdĕdic über Taus in die Oberpfalz ein, wo sie in Cham mit ihrem Beutezug begannen.131 Ott Ostmann beschreibt in seinem Feldheere] (Historica knihovna postav a charakterů 13), Praha 1934, S. 226, Anm.  84; Schlesinger, Die Hussiten (wie Anm. 50), S. 93 f.; Machilek, Die hussitische Forderung (wie Anm. 5), S. 523 f.; Seyboth, Friedrich VI. (I.) (wie Anm. 65), S. 37. 128 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 478 f., 574 f. – Janner, Geschichte des Bistums Regensburg III (wie Anm. 34), S. 426; Mages, Emma: Oberviechtach (Historischer Atlas von Bayern, Altbayern 61), München 1996, S. 56. 129 Dazu grundsätzlich: Eberhard, Winfried: Der Weg zur Koexistenz: Kaiser Sigmund und das Ende der hussitischen Revolution, in: Bohemia-Zeitschrift 33 (1992), S. 31–56; Ders., Das Problem der Toleranz und die Entwicklung der hussitisch-katholischen Koexistenz im 15. Jahrhundert, im vorliegenden Bd. 130 Zur Stellung von Pilsen in der hussitischen Revolution grundlegend Polívka, Miloslav: Plzeň v závěru husitské revoluce [Pilsen am Ende der hussitischen Revolution], in: Hejnic, Josef/ Polívka, Miloslav: Plzeň v husitské revoluci. Hilaria Litoměřického „Historie města Plzně“, její edice a historický rozbor. Quo modo Hilarii de Lithomerzicz „Hystoria civitatis Plznensis“ res gestas aevi Hussitici illustraverit (Monographia Historica Bohemica 3), Praha 1987, S. 217–440; jetzt: Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1592–1621. 131 Hlaváček u.a. (Hgg.), Ze zpráv a kronik doby husitské (wie Anm. 4), S. 262. – Urbánek, Lipany (wie Anm. 128), S. 126; Krausová, Milada: Die hussitischen Hauptleute von Hiltersried und eine romantische Burg in Böhmen, in: Oberpfälzer Heimatspiegel 33 (2009), S. 60–67. – Zu den Reaktionen in Nürnberg, Bamberg und Regensburg: Beckmann, Gustav

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Gesang „Vom Hůssenkrieg“ den weiteren Weg der hussitischen Truppe. Ihre Versuche, auf Oberpfälzer Gebiet die Burg Obermurach und die Residenzstadt Nabburg einzunehmen, scheiterten an den Verteidigern; in Sichtweite zog sie mit ihrer Viehbeute an Neunburg vorbei in nordöstliche Richtung weiter.132 Angesichts der drohenden Gefahr hatten Pfalzgraf Johann und der Waldmünchener Pfleger Heinrich Pflug zu der Schwarzenburg eine aus der Oberpfälzer Ritterschaft unter starker Beteiligung des 1428 gegründeten Böcklerbundes und Bauern des Umlandes eine den Hussiten gegenüber zahlenmäßig unterlegene Truppe aufgeboten, die sich auf der Schwarzenburg bei Rötz sammelte. Das unter das Kommando von Heinrich Pflugs gestellte Aufgebot brachte den in einer Wagenburg auf dem „Hussitenbierl“ nordöstlich von Hiltersried verschanzten Hussiten am Nachmittag des 21. September 1433 eine empfindliche Niederlage bei. Nur einer kleinen Schar hussitischer Kämpfer gelang es, zum hussitischen Belagerungsheer vor Pilsen zurückzukehren.133 Über die Schlacht geben mehrere Quellen im Einzelnen Aufschluß; hervorzuheben sind der bereits genannte Gesang „Vom Hůssenkrieg“ des wenig später an den bei Hilters(Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Bd. XI (Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, 5. Abt.: 1433–1435), Göttingen 21957, Nrn. 125–138. 132 Gerhard, Ferdinand: Vom Hussenkrieg, in: Neue Heidelberger Jahrbücher 3 (1893), S. 224– 230 (Text: S. 225–227); Müller, Ulrich: Politische Lyrik des deutschen Mittelalters, Bd. 2 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 44), Göppingen 1974, S. 131–133 (Text), 326; Cramer, Thomas: Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jahrhunderts, Bd. 2, 1979, S. 404–406 (Text), 535; Klewitz, Peter: Vom Hussenkrieg. Textbuch zum Freilichtspiel in der Pfalzgrafenstadt Neunburg vorm Wald. Dialektfassung von Franz Scheuerer, Neunburg vorm Wald/Regensburg 11987, S. 57–59. – Dazu: Neugart, Isolde: Ostmann, Ott, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon VII (21989), Sp. 125 f. (als Tag der Schlacht hier fälschlich der 14. September 1433); Pauly, Peter: Die Schlacht von Hiltersried, in: Jahresband zur Kultur und Geschichte im Landkreis Schwandorf 2 (1991), S. 60–79 (hier S. 69–72 Zitate aus dem Gesang); Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 47. 133 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 482 f. (dazu S. 707). – Brunner, Geschichte der Stadt Cham (wie Anm. 104), S. 45 f.; Urbánek, Lipany (wie Anm. 127), S. 126 f.; Wagner, (Bearb.), Regesten (wie Anm. 114), Nr. 238, S. 71; Winkler, Karl: Die Schlacht bei Hiltersried im Jahre 1433, Würzburg-Aumühle 1939; Bauerreiss, Kirchengeschichte V (wie Anm. 60), S. 14 f.; Meckl, R.: Kritische Anmerkungen zur Schlacht von Hiltersried, in: Die Oberpfalz 52 (1964), S. 273–276; Bartoš, Husitská revoluce II (wie Anm. 112), S. 153 f.; Polívka, Plzeň v závěru husitské revoluce (wie Anm. 130), S. 334 f.; Pauly, Die Schlacht (wie Anm. 133), S. 60–79; Cornej, Petr: Lipanská křižovatka. Příčiny, průběh a historický význam jedné bitvy [Kreuzungspunkt Lipan. Bemühungen, Verlauf und Entwicklung einer Schlacht], Praha 1992, S. 93–97, Volkert, Die politische Entwicklung (wie Anm. 2), S. 113; Ambronn/ Sagstetter (Bearb.), Das Fürstentum der Oberen Pfalz (wie Anm. 2), Kat. Nr. 53, S. 165–167: Die Schlacht gegen die Hussiten bei Hiltersried; Riepertinger, Rainhard: Zwischen 1420 und 1431 fanden fünf Kreuzzüge nach Böhmen gegen die Hussiten statt, in: Ders./Brockhoff u.a. (Hgg.): Bayern – Böhmen (wie Anm. 63), Nr. 3.3, S. 164 f., hier Nr. 3.3c, S. 165; Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1595 (Heinrich Pflug hier fälschlich „vom Schwarzwald“ bezeichnet). – Zur Schwarzenburg: Dendorfer, Jürgen: Rötz, in: Körner/ Schmid/Ott (Hgg.): Altbayern und Schwaben (wie Anm. 62), S. 715 f.



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ried erlittenen Verwundungen verstorbenen Ott Ostmann,134 ein nach heutiger Kenntnis nur in einem einzigen Exemplar erhaltener Kupferstich „Die Große Schlacht“, einer der frühesten Kupferstiche überhaupt, der wohl bald nach dem Waffengang von Hiltersried vom Meister des Todes Mariae in Regensburg geschaffen wurde,135 sowie ein in der Burgkirche St. Georg zu Neunburg vorm Wald angeschlagener, bald nach Pfalzgraf Johanns Tod (13. März 1443) aufgezeichneter Gedächtniszettel, der Ort und Zeit der Schlacht sowie die Namen der Heerführer und Ritter in den vordersten Reihen, die Zahl und die Namen der Gefallenen sowie der nach der Schlacht verstorbenen Fußknechte auf Seiten des pfalzgräflichen Aufgebots festhält.136 Nur relativ knapp berichtet Andreas von Regensburg über die Schlacht. Nach ihm wurde Pfalzgraf Johann, der mit seinem Sohn Christoph zum Kampf bereit war, in Neunburg von seinen Kriegsleuten von der Teilnahme zurückgehalten (prohibitus a milicia [...]), mit großer Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf sein Alter sowie auf die zu dieser Zeit zur Beilegung der langjährigen Auseinandersetzungen zwischen den bayerischen Herzögen Ludwig und Heinrich in Regensburg angesagten Friedensverhandlungen. Nachdem ihm Wenzel von Rötz die Siegesnachricht überbracht hatte,137 reiste Pfalzgraf Johann zu diesem Treffen nach Regensburg, an dem auch Markgraf Friedrich von Brandenburg und von Seiten des Basler Konzils der einflußreiche Führer des französischen Klerus Erzbischof Amadeus Talaru von Lyon teilnahmen.138

134 Wie Anm. 132. 135 Paris, Musée du Louvre, Cabinet des Dessins, Collection Rothschild 87 EE 5319. – Schmidt, Die Große Schlacht (wie Anm. 9); Ambronn/Sagstetter (Bearb.): Das Fürstentum der Oberen Pfalz (wie Anm. 2), Kat.Nr. 53b, S. 166 f. 136 Winkler, Die Schlacht bei Hiltersried (wie Anm. 134), S. 88. – An der Spitze der Reiterschar standen der siebzigjährige, von Andreas von Regensburg als „tapferer Kämpfer“ (miles preliator) gerühmte und in der Schlacht gefallene Hans Zenger von Schneeberg auf Treffelstein, weiter Ulrich der Wartberger von Kürnberg und Marquard Stör auf Regenstauf, Pfleger zu Cham. Im ersten Glied vor dem von Wilhelm Paulsdorfer zu Kürn getragenen Löwenpanier folgten Ulrich Türlinger, Ulrich Fronberger, Heinrich Härtenberger, Friedrich Pertolzhofer und Hans von Rohrbach. Im Fahnenglied ritten rechts neben dem Banner Albrecht Nothaft, Friedrich von Wolfstein und Berthold Ratz, auf der linken Seite Georg von Mistelbeck zu Lintach, Albrecht Nothaft von Bodenstein und Hans Satzenhofer vom Frauenstein. Im Glied hinter dem Banner ritten Hans Vingerl, Ruger Warperger, Georg Hirscheider, Degenhart Hofer, Hans Vogel, Ulrich Sintzenhofer, Friedl Türlinger, Ulrich Püdnstorfer, Georg Pertolzhofer, Andre Preckendorfer und Haimeran Heyraus. Als Schützenhauptmann wird Georg Heyraus genannt. Als Wilhelm Paulsdorfer von einem Pfeil getroffen wurde, übernahm Friedrich von Wolfstein das Panier. 137 Männer, Theo: Pfalzgraf Johann (wie Anm. 63), S. 42; Pauly, Die Schlacht (wie Anm. 133), S. 75. 138 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 482 f. – Ein Bericht des Erzbischofs über die Schlacht von Hiltersried in: Beckmann (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten XI (wie Anm. 131), S. 97. – Zu Erzbischof Talaru: Helmrath, Johannes: Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme (Kölner Historische Abhandlungen 32), Köln/ Wien 1987, S. 630 (Reg.).

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Obgleich sich Pfalzgraf Johann zur Zeit der Schlacht in Neunburg aufhielt, erscheint er auf dem Kupferstich in der Siegergruppe in hervorgehobener Position; er ist an der kostbaren Kleidung, dem hohen Hut und dem zu seiner Seite getragenen Szepter erkennbar; in gleicher Weise ist Heinrich Pflug zu der Schwarzenburg, der eigentliche Sieger von Hiltersried, besonders hervorgehoben.139 Die gegnerischen Truppen sind durch ihre Banner gekennzeichnet: das Löwenbanner auf Seiten der Oberpfälzer Truppe, das Panier mit der Gans – ein Hinweis auf Jan Hus (tschechisch: husa = die Gans) – auf Seiten der Hussiten.140 Die Nachricht vom Sieg bei Hiltersried wurde in Regensburg, wo Pfalzgraf Johann an den Friedensverhandlungen zwischen den zerstrittenen Bayernherzögen teilnahm, mit einem Dankgottesdienst im Dom gefeiert.141 Johann und sein Hof haben sich in der Folgezeit bemüht, die Kunde vom Erfolg zu überhöhen und die Erinnerung für dauernd mit Johanns Namen zu verbinden. Drei Tage nach der Schlacht stiftete Johann in die Burgkirche St. Georg seiner Residenzstadt Neunburg vorm Wald einen Jahrtag für das Seelenheil der Gefallenen, verbunden mit einer Gedenkprozession an den Sieg in die Jakobskirche in der Vorstadt Aign, bei welcher das in der Georgskirche aufbewahrte Panyr, darunder die Hussen und Ketzer erschlagen, mitgetragen werden sollte. Johann fand seine letzte Ruhestätte im erneuerten Chor der Burgkirche und späteren Pfarrkirche, wo auch das Löwenbanner mit dem Gedächtniszettel aufbewahrt wurde.142 Die in Abschriften überlieferte Inschrift des nicht mehr erhaltenen Grabsteins rühmte ihn als herausragenden Liebhaber des Gottesdienstes, Sieger von Hiltersried, Stifter einer Glocke, Erbauer und Ausstatter des Chores dieser Kirche.143 1933 wurde auf dem „Hussitenbierl“ bei Hiltersried ein Denkmal mit der aus dem Geist der damaligen Zeit zu erklärenden pathetischen Inschrift errichtet: Euch Helden, die Glauben und Heimat liebten, zum 500-jährigen Gedenken. Hier schlug des Pfalzgrafen Johann von Neunburg siegreicher Heerbann hussitische Übermacht am 21.9.1433 und befreite die Grenzmark von vieljährigem Leid. Im Aufruf zur Feier der Denkmalseinweihung wurden Hitler und der Pfalzgraf auf gleiche Höhe gehoben und die Hussiten in die 139 Schmidt, Die Große Schlacht (wie Anm. 9), S. 30 f. 140 Zur Gans als Zeichen der Hussiten: Machilek, Ludolf von Sagan (wie Anm. 17), S. 151, 156; Schmidt, Die Große Schlacht (wie Anm. 9), S. 16 f.; Vollmann-Profe, Gisela: „Die Hussitische Revolution“ im Spiegel preußischer Chroniken (Anm. 26 und 27), im vorliegenden Band. 141 Et factum fuit gaudium magnum in civitate, ita ut eciam festive in kathedrali ecclesia, graciarum acciones deo de huiusmodi victoria redderentur: Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 483. 142 Mayer, Joseph: Die Grabstätte des Pfalzgrafen bei Rhein und Herzogs in Bayern Johann (von der Oberpfalz) in Neunburg vor dem Walde, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 14 (1850), S. 281–340; Neckermann, Georg: Die Grabstätte des Pfalzgrafen bei Rhein und Herzogs in Bayern, Johann, in der Stadtpfarrkirche zum hl. Georg in Neunburg vorm Wald, ebd. 55 (1903), S. 173–184; Urbánek, Lipany (wie Anm. 128), S. 233, Anm. 139; Schmidt, Die Große Schlacht (wie Anm. 9), S. 27 f. 143 Zitiert bei Neckermann, Die Grabstätte (wie Anm. 144), S. 28, Anm. 136, und Schmidt, Die Große Schlacht (wie Anm. 9), S. 28, Anm. 136.



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Nähe der Bolschewisten gerückt.144 In populären Darstellungen wird der Erfolg der Truppe unter Heinrich Pflugs Führung gelegentlich wie ein Endsieg gefeiert; so heißt es in einem 1988 erschienenen Reiseführer: Man hatte sich in der Taktik geübt, die zur Eroberung einer Wagenburg nötig war, und schlug die Hussiten so entscheidend, daß damit der schon 13 Jahre dauernde Krieg beendet war.145 Tatsächlich war die Gefährdung der oberpfälzischen Grenzorte durch die Hussiten mit dem Sieg von Hiltersried noch nicht gebannt. Bereits im gleichen Jahr drohte ein neuer Angriff auf Cham.146 1434 wurden in Waldsassen Bücher, Kelche und andere Güter geraubt.147 Im gleichen Jahr wurde auch das mehrfach befestigte Waldmünchen, das den Belagerungen bis dahin weitgehend standgehalten hatte, eingenommen und verwüstet.148 Weitere Überfälle galten Gleißenberg, Arnschwang und Furth im Wald.149 Der Sieg bei Hiltersried war militärisch zwar nicht entscheidend, er bedeutete jedoch symbolisch das Ende der Unbesiegbarkeit der hussitischen Militärmacht. Die unter den Belagerern von Pilsen seit längerem schwelenden Auseinandersetzungen entluden sich in offener Rebellion der Taboriten, die sich nicht nur gegen die beiden Hauptleute der gescheiterten hussitischen Expedition, sondern auch gegen Prokop richtete, der in Ketten von Pilsen nach Prag überführt wurde.150 Auf dem Basler Konzil (1431–1437/49) mehrten sich Äußerungen über die Ereignisse in Bayern; einmal ist ausdrücklich von der darüber unter den Hussiten wachsenden Irritation die Rede: quod verisimiliter multi Bohemi irritati essen propter casum in Bauaria.151

VI. In der Endphase der Hussitischen Revolution Der nach der vernichtenden Niederlage des Kreuzheeres bei Taus im August 1431 von Seiten des kurz zuvor eröffneten Konzils von Basel und von den hussitischen Parteien (Utraquisten, Taboriten und Waisen) angestrebte Ausgleich führte im Mai des Jahres 1432 zu den wichtigen Vorverhandlungen von Eger, an denen Gesandte des Konzils und König Sigismunds sowie hussitische Theologen und Politiker beteiligt waren. Nach zähen Verhandlungen wurde hier am 18. Mai 1432 der „Egerer Richter“ (judex compactatus) vereinbart, der in Artikel 7 den Hussiten garantierte, daß in dem Rechtsstreit um die Vier 144 Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 46. 145 Zitiert bei Krausová, Die hussitischen Hauptleute (wie Anm. 132), S. 60. 146 Beckmann (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten XI (wie Anm. 132), S. 185 f. – Volkert, Die politische Entwicklung (wie Anm. 2), S. 113. 147 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 487, 581. 148 Mages, Waldmünchen (wie Anm. 70), S.34; Dendorfer, Jürgen: Waldmünchen, in: Körner/ Schmid/Ott (Hgg.): Altbayern (wie Anm. 62), S. 872–874, hier S. 873. 149 Mages, Waldmünchen (wie Anm. 70), S. 34. 150 Urbánek, Lipany (wie Anm. 128), S. 127 mit S. 234, Anm. 144, S. 262; Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 596 f. 151 Palacký, Franciscus/Birk, Ernestus (Hgg.): Concilium Basiliense, Tom. I (Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti I), Vindobonae 1857, S. 447; zitiert bei Urbánek, Lipany (wie Anm. 128), S. 234, Anm. 140; weitere Belege ebd. S. 233 f., Anm. 139–141.

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Artikel, für die sie sich eingesetzt haben, auf diesem Konzil zu Basel das göttliche Gesetz, die Praxis Christi, der Apostel und der Urkirche, zusammen mit den Konzilien und den Doktoren, soweit sich diese wahrhaftig auf jene stützen, als wahrhaftigster und offenkundiger Richter anzuerkennen seien.152 Die Vereinbarungen von Eger bildeten fortan die Grundlage für die weiteren Ausgleichsverhandlungen zwischen Katholiken und Hussiten. Um die Jahreswende 1432/33 empfingen in Cham der Regensburger Bischof Konrad VII. und der Eichstätter Domdekan Konrad als Sondergesandte des Konzils sowie Markgraf Friedrich und Pfalzgraf Johann die hussitischen Gesandten für Basel,153 die sich anschließend gut drei Monate bis Mitte April 1433 in der Konzilsstadt aufhielten und hier mit den Konzilstheologen intensive Diskussionen über die Vier Prager Artikel führten. Die Gespräche wurden mit einer Konzilsgesandtschaft in Prag fortgesetzt und auf der Basis der stark abgeschwächten Vier Artikel mit den „Prager Kompaktaten“ vom 30. November 1433 abgeschlossen, die jedoch von Seiten des radikalen Hussitentums nicht akzeptiert wurden.154 Dessen Gegner schufen knapp vier Monate später – am 23. März 1434 – in Geheimverhandlungen zu Cham die Voraussetzungen zur Aufstellung jenes Heeres der verbündeten katholischen und verständigungsbereiten gemäßigten hussitischen Kräfte Böhmens, das gut ein Jahr später bei Lipan (Lipany) als Sieger hervorging. Im Auftrag des mitverantwortlich am Konzilsgeschehen von Basel beteiligten spanischen Kanonisten und Auditors Johannes von Palomar (vor 1400 – nach 1441) hatte Pfalzgraf Johann am Zustandekommen des zweiten Chamer Treffens maßgeblich mitgewirkt.155 152 Item in causa quatuor articulorum, quam ut praefertur prosequuntur, lex divina, praxis Christi, apostolica et ecclesiae primitivae, una cum conciliis doctoribusque fundantibus se veraciter in eadem, pro veracissimo et evidenti judice in hoc Basiliensi concilio admittentur. – Editionen der lateinischen Fassung: Palacký/Birk (Hgg.), Concilium Basiliense I (wie Anm. 151), Nr. 121, S. 219 f.; Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II (wie Anm. 105), Nr. 802, S. 281–283. – Dazu: Soudce smluvený v Chebu (wie Anm. 17) (darin insbesonders Molnár, Amedeo: Chebský soudce [Der Egerer Richter], S. 9–37); weiterhin: Kaňák, Bohdan: Fragen zur diplomatischen Form des sogenannten „Judex Egrensis“, in: Acta Universitatis Palackianae Olomucensis. Facultas philosophica. – Historica 26 (1994), S. 27–32; Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm. 25), S. 384; Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1542–1544. 153 Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1560 f. – Dazu auch Brunner, Geschichte der Stadt Cham (wie Anm.104), S. 45. 154 Jacob, Ernest F.: The Bohemians at the Council of Basel, 1433, in: Seton-Watson, Robert W. (Hg.): Prague Essays, Oxford 1949, S. 81–123; Krchňák, Alois: Čechové na basilejském sněmu [Die Böhmen auf dem Basler Konzil], Rom 1967; De Vooght, Paul: La confrontation des thèses hussites et romaines au concile de Bâle, in: Recherches de théologie ancienne et mediévale 36 (1969), S. 97–137, 254–291; Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm. 138), S. 353–372; Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), 1641–1690. – Zum Stellenwert im politischen System Sigismunds: Wefers, Das politische System (wie Anm. 25), S. 214, 217 f. 155 Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1619 f.; Polívka, Miloslav: Bayern und Böhmen im Mittelalter, in: Riepertinger/Brockhoff u.a. (Hgg.), Bayern – Böhmen (wie Anm. 63), S. 32–38, hier S. 37. – Kurze Erwähnung des Treffens in einem Brief des Nürnberger Rates an Heinrich Reuss von Plauen d.J. (1434 März 23); danach werde von dort aus eine



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Knapp acht Monate nach der Niederlage der hussitischen Expeditionstruppe bei Hiltersried und gut zwei Monate nach dem Chamer Treffen erlitten die Feldheere der radikalen hussitischen Bruderschaften am 30. Mai 1434 bei Lipan rund 30 Kilometer östlich von Prag gegen die zuvor genannte Koalition der utraquistischen und katholischen Herren und Städte die nun tatsächlich entscheidende, vernichtende Niederlage, bei der auch Prokop den Tod fand.156 Eine Reihe weiterer Verhandlungen zwischen den Parteien, u.a. zwischen einer Delegation des Basler Konzils und den führenden hussitischen Theologen in Regensburg im August 1434, bahnten schließlich den Weg zu den auf dem Iglauer Landtag am 5. Juli 1436 verkündeten „Iglauer Kompaktaten“ und den durch das Basler Konzil am 15. Januar 1437 ratifizierten „Basler Kompaktaten“, und damit zugleich zum Frieden mit Kaiser Sigismund.157 Den Utraquisten brachten die Kompaktaten nur geringe Zugeständnisse; sie konzedierten ihnen lediglich den Kelch und auch diesen nur unter einschränkenden Bedingungen. Die Überzeugungen der in Lipan unterlegenen Radikalen wirkten jedoch weiter, u.a. in den Gemeinden der Böhmischen Brüder, auch über die Grenzen Böhmens hinaus.158

VII. Erinnerungen an Hus und die Hussiten in der Oberpfalz In eindrucksvoller Überschau haben Franz Grundler und Dominik Dorfner in ihrem Buch „Hussen, Hymnen, Helden, Mythen“ die Erinnerungen an die Einfälle der Hussiten in die Oberpfalz in Orts- und Flurnamen, in Volksüberlieferung und Volksfrömmigkeit, in Wallfahrtslegenden und Zeugnissen der Kunst sowie in historischen Spielen zusammengetragen. Sie haben zugleich den Blick auch über die Grenzen nach Böhmen und auf die jüngsten Entwicklungen der nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Bayern und Böhmen gerichtet.159 Im Folgenden sollen daraus nur einige markante Beispiele herausgegriffen und etwas näher betrachtet werden. Botschaft von der Cristenheit wegen Volk gegen den Beheimen bestellt: Palacký (Hg.), Urkundliche Beiträge II (wie Anm. 105), Nr. 904, S. 408. 156 Nach der klassischen Untersuchung von Urbánek, Lipany (wie Anm. 128), sowie der Übersicht von Bartoš, Husitská revoluce II (wie Anm. 112), S. 163–174, jetzt: Polívka, Miloslav: Böhmen in der Endphase der hussitischen Revolution, in: Historica 29 (1989), S. 161–224; Čornej, Lipanská křižovatka (wie Anm. 134), und zusammenfassend Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1637–1641. 157 Eberhard, Der Weg zur Koexistenz (wie Anm. 130); Šmahel, Die Hussitische Revolution III (wie Anm. 1), S. 1641–1690 (zu den Regensburger Verhandlungen S. 1645 f.). 158 Zusammenfassend: Machilek, Böhmische Brüder, in: Theologische Realenzyklopädie VII (1981, 21993), S. 1–8; Ders., Aufschwung und Niedergang (wie Anm. 74), S. 299. 159 Wie oben Anm. 12. – Krausová, Milada: Der Weg der Hussiten in die Sagenwelt. Von den historischen Gestalten ins Reich der Phantasie, in: Oberpfälzer Heimatspiegel 2002 (2001), S. 105–111; Dies.: „Der Hus kommt“. Hussitische Prägung des Tschechenbildes in Sagen und älteren bayrischen Festspielen, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 69 (2006), S. 685–696; Blahak, Boris: Akzentuierungswandel im Bild von den „Böhmen“ in historischen Festspielen Ostbayerns vor dem Hintergund der Hussitenkriege, in: Brücken – Germanistisches Jahrbuch Tschechien – Slowakei 15 (2007), S. 303–341.

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Die seit 1590/1612 faßbare Legende zu dem aus der Zeit um 1400 entstandenen hölzernen Gnadenbild Marias in der Wallfahrtskirche zu Neukirchen bei Heilig Blut östlich von Cham berichtet von der Entdeckung des durch eine Bäuerin aus dem nahen böhmischen Lautschim (Loučim) nach Neukirchen geretteten Bildes durch einen Hussiten, der es dreimal in einen Brunnen geworfen und nach der dreimaligen unversehrten Wiederkehr mit einem Säbelhieb so verletzt habe, daß es zu bluten begann. Als der entsetzte Bilderschänder fliehen wollte, sei sein Pferd unbeweglich stehen geblieben. Der Hussit sei durch die Geschehnisse zum wahren Glauben bekehrt worden. Die Legende vom „blutenden Kultbild“ der Neukirchener Maria wird auf ein ursprüngliches „Hostienwunder“ zurückgeführt.160 Das die Wallfahrtslegende der zur Diözese Eichstätt gehörenden Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Namen zu Trautmannshofen nordöstlich von Neumarkt darstellende monumentale Deckengemälde des Langhauses von Johann Michael Wild (1717–1783) aus dem Jahr 1760 zeigt in einer der Hauptszenen den Versuch der Schändung des Gnadenbildes durch einen Hussiten und die wunderbare Rettung des Bildes. Nach der 1727 erstmals aufgezeichneten Legende habe der Hussit im Jahr 1432 dreimal versucht, das Bild zu verbrennen; dieses sei aber jedesmal wieder unversehrt an seinen Platz zurückgekehrt. Tatsächlich sind die Hussiten nicht bis in diese Gegend vorgedrungen. Nach neueren Forschungen handelt es sich um eine der in der Barockzeit beliebten „Wanderlegenden“; die im vorliegenden Fall an die Neukirchener Wallfahrtslegende erinnert.161 Das Ende des Ostblocks und die „Samtene Revolution“ in der damaligen Tschechoslowakei öffneten im politischen Bereich die Türen zu nachbarschaftlichen Begegnungen über die Grenzen hinweg. Gerade in der Oberpfalz, wo sich die Erinnerungen an die Hussitenkriege tief im Bewußtsein der Bewohner eingegraben haben, erwuchs spontan eine Reihe von Initiativen, die Verständnis für die gemeinsame Geschichte zu wecken suchen. In besonderer Weise tragen dazu die auf längerer Spieltradition basierenden bzw. erneuerten Hussitenfestspiele in Furth im Wald und Neunburg vorm Wald sowie die neu entstandenen Spiele in Nabburg und Bärnau bei, die zahlreiche Besucher von diesseits und jenseits der böhmischen Grenze anziehen und zur Diskussion über die Ereignisse vor knapp 600 Jahren anregen. Der Further „Drachenstich“ als ein in die Zeit des Mittelalters zurückreichendes, ursprünglich während der Fronleichnamsprozession aufgeführtes Spiel des Drachen160 Hartinger, Walter: Die Wallfahrt Neukirchen bei heilig Blut. Volkskundliche Untersuchung einer Gnadenstätte an der bayerisch-böhmischen Grenze, in: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 5 (1971), S. 23–241; Baumann, Winfried: Der Hussit und der Madonnenfrevel von Neukirchen bei Hl. Blut, in: Bohemia-Zeitschrift 25 (1984), S. 104–115; Lengenfelder, Bruno: Neukirchen bei Hl. Blut, in: Marienlexikon, Bd. 4, St. Ottilien 1992, S. 601 f.; Hartinger, Walter: Neukirchen b. Hl. Blut, in: Körner/Schmid/Ott (Hgg.), Altbayern und Schwaben (wie Anm. 62); S. 560 f.; Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 34 f. 161 Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 38 f.; Kotzbauer, Hans/Grimminger, Christina: Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Namen Trautmannshofen (Schnell, Kunstführer 756), Regensburg 32009, Abb. S. 12/13; Grimminger, Christina: Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Namen in Trautmannshofen. Neue Erkenntnisse zur Wallfahrtsgeschichte der Barockzeit, in: das münster 63 (2010) Heft 1, S. 40–45, hier S. 42–44, Abb. S. 44.



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kampfs des hl. Georg und den Sieg des Guten über das Böse gilt als ältestes Volksschauspiel Deutschlands. Seit dem 18. Jahrhundert wiederkehrende Proteste von kirchlicher Seite gegen die zunehmende Entsakralisierung des Spiels führten 1879 zur Herauslösung aus der Fronleichnamsprozession und Neuformierung als eigenständiges städtisches Festspiel, das seither alljährlich Anfang August auf dem Stadtplatz aufgeführt wurde. In der 1953 uraufgeführten Neufassung des Spiels aus der Feder des Romanciers Josef Martin Bauer bildete die Niederlage des gegen die Hussiten entsandten Kreuzheeres bei Taus im Jahr 1431 den historischen Hintergrund: Der junge Ritter Udo tritt darin als Retter von dem die Schrecken der Hussitenkriege symbolisierenden Drachen auf, wobei eine Warnung vor der zur Entstehungszeit aktuellen (kommunistischen) Bedrohung aus dem Osten deutlich erkennbar war. Einwände gegen den als nicht mehr zeitgemäß empfundenen Bauerschen Text führten zur Neubearbeitung des Stoffes durch den Regisseur Alexander Etzel-Ragusa unter Einbeziehung aktueller Fragestellungen (etwa nach dem Umgang des Menschen mit der Schöpfung oder dem Problem des religiösen Fanatismus).162 Das Neunburger Spiel vom „Vom Hussenkrieg“ setzt die Tradition mehrerer zwischen 1894 und 1933 aufgeführter Spiele über die Schlacht bei Hiltersried fort.163 Es wird in Neunburg seit 1983 nach einem von Theo Männer angeregten, von Peter Klewitz verfaßten und von Franz Scheuerer in Oberpfälzer Mundart umgesetzten Text gespielt. An vielen Stellen wird die zu Grunde liegende pazifistisch-völkerverbindenene Zielsetzung 162 Baumann, Winfried: Der Drache aus Böhmen. Von der Geschichte zum Festspiel in Furth im Wald, Regensburg 1986; Ders.: Drahoun. Der letzte Drache aus Böhmen, DomaŽlice 1998; Krausová, Milada: Husitské války v historickém povědomí obyvatel českobavorského pohraničí [Die Hussitenkriege im historischen Bewußtsein der Bewohner des bayerisch-tschechischen Grenzlandes], Domažlice 2000; Dies.: Josef Martin Bauer, sein Drachenstich und das Bild der Hussiten, in: Historischer Verein Furth im Wald und Umgebung 9 (2000), S. 46–55; Dies.: Konec draka z Čech. Nová verze hry Drachenstich ve Furth im Wald. The End of the Dragon from Bohemia. The new Version of the play „Drachenstich“ in Furth i.W., in Husitský Tábor 18 (2009), S. 55–77. – 2010 wurde der alte Drachen durch den neuen HighTech-Laufroboter „Tradinno“ ersetzt. – Zur Georgslegende: Kleiner, Michael/Machilek, Franz/Zimmermann, Gerd u.a.: St. Georg. Ritterheiliger, Nothelfer, Bamberger Dompatron. Studien und Beiträge zur didaktischen Ausstellung des Historischen Museums Bamberg und des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte der Universität Bamberg 1992 (Schriften des Historischen Museums Bamberg 25), Bamberg 1992. 163 Zu dem 1894 auf der Schwarzwihrburg bei Rötz gespielten „vaterländischen Schauspiel“ mit dem Titel „Die Schlacht von Hiltersried“ des einheimischen Heimatdichters Max Kurz, dem 1923 in Neunburg unter der Regie des Hofschauspielers Fritz Basil vom Münchener Nationaltheater aufgeführten, musikalisch untermalten und patriotisch ausgericheten Festspiel „Die Hussitengeißel“ des Münchener Tondichters Fritz Hacker sowie zu dem zur 500-Jahrfeier der Schlacht von Hiltersried unter dem Protektorat des bayerischen Kultusministers Hans Schemm († 1935) unter nationalsozialistischem Vorzeichen in Neunburg wiederaufgeführten Festspiel „Die Hussitengeißel: Männer, Theo (Hg.): Neunburger Burgfestspiele „Vom Hussenkrieg“ in der Pfalzgrafenstadt. 10 Jahre Festspiel „Vom Hussenkrieg“ in Neunburg vorm Wald. Dokumentation des Festspielvereins Neunburg vorm Wald e.V., Neunburg vorm Wald 1993, S. 7–66. – Der 1950 unternommene Versuch, das Spiel „Die Hussitengeißel“ wiederaufleben zu lassen, verlief negativ: ebd. S. 67–70.

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deutlich. Das Stück gipfelt in dem tragischen Aufeinandertreffen des zu den Hussiten übergetretenen Tristram Zenger und seines auf Seiten der Altgläubigen kämpfenden Vaters Hans in der Schlacht, in der dieser seinen Sohn tödlich verwundet. Es berührt tief, wenn der Vater, den sterbenden Sohn in seinen Armen, im Blick auf den in Hiltersried errungenen Sieg resignierend klagt: A saubere Victoria.164 Das von Franz Grundler aus Nabburg verfaßte und in dem unweit der alten Flur „Beim Hussen Graben“ gelegenen „Theatergarten“ im Talgrund vor der imposanten Kulisse seiner Heimatstadt aufgeführte Freilichtspiel „Feuermond“ von 1995 verzichtet auf Massenszenen und Heldenfiguren und läßt die Hussiten aus der Sicht der kleinen Leute erleben. Das seherisch veranlagte, als Hexe verdächtigte Mädchen Lyssa aus einer armseligen Hafnerei am Rand der von den Hussiten bedrohten Stadt ruft mit deutlich kirchenkritischem Unterton zur Besinnung auf: Nabburg brennt, verbrennt in seinen Sünden! Der blutrote Mond vor der natürlichen Silhouette der Nabburger Johanneskirche untermalt die Vision. Historische Ansatzpunkte für dieses Szenarium und den Bezug der Stadtbewohner zu den Hussiten bilden eine nach Andreas von Regensburg von dem Nabburger Kaplan Heinrich Kirchmair an den Abt von Walderbach überschickte Prophetie, wonach die Erde im September 1422 durch ein endzeitliches Inferno erschüttert werde, das nur wenige Menschen überleben würden. Der tönerne Kelch, in dem die Seherin Blut und Untergang schaut, erinnert an die hussitische Forderung nach dem Laienkelch und dessen Symbolkraft für die hussitische Reformation.165 In Erinnerung an den Durchzug Hussens auf der Reise nach Konstanz im Jahr 1414 gelangte in Bärnau 2001 das Spiel „Ein Krug Wein für Magister Jan Hus“ von Peter Kle164 Klewitz, Peter: Vom Hussenkrieg (wie Anm. 133), das Zitat hier S. 52. – Pauly, Peter: Das Burgfestspiel „Vom Hussenkrieg“ in Neunburg vorm Wald, in: Heimatkalender für die Oberpfalz 18 (1994), S. 99–105; Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 40, 44 f. – Milada Krausová hat in einem Beitrag zu dem 1995 zur 700-Jahrfeier von Pilsen aufgeführten Spiel vom „Sarazenischen Teufel“ auch Vergleiche zu den Hussitenspielen in Neunburg und Nabburg gezogen: Krausová, Milada: Mnoho povyku pro hru – Saracénský čert v Plzni [Viel Lärm um ein Spiel – „Der Sarazenische Teufel“ in Pilsen], in: Husitský Tábor 15 (2006), S. 121–146, hier S. 133 f. bzw. S. 134–136 (mit weiteren Literaturhinweisen). – Zu Hans Zenger auch oben Anm. 137. 165 Leidinger (Hg.), Andreas von Regensburg (wie Anm. 9), S. 385–387, 304 f. (deutsche Version). – Gerhard, Vom Hussenkrieg (wie Anm. 133). – Grundler, Franz: Feuermond – der geschichtliche Hintergrund. Begleitbuch zum Freilichtspiel „Feuermond“, Nabburg 1994; Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 41, 48 f.; Krausová, Mnoho povyku pro hru (wie letzte Anm.). – Auf Iniative von Prof. Dr. Reinhardt Schmalz (Münchberg/Reinersreuth) wurde 2010 im Rahmen der „Waldstein-Festspiele“ auf der Felsenbühne am Waldstein im Fichtelgebirge in Oberfranken ein von Bernd Kemter verfaßtes Spiel unter dem anspruchsvollen Titel „Der Ketzer“ uraufgeführt. Aufhänger für das „Historische Schauspiel“ ist das Vorgehen wohl der Bamberger bischöflichen Kurie gegen den Münchberger Bürger Johannes Reichel im Jahr 1427; Reichel, der offenbar in Böhmen mit den Ketzern Handel getrieben hatte, war durch Markgraf Friedrich von Brandenburg in Haft gesetzt worden, kam nach dem Schwören der Urfehde frei. Ein Vergleichsbeispiel dazu oben Anm. 104. – Zu Hans Reichel: Dietel, Karl: Münchberg. Geschichte einer Amts- und Industriestadt, Bd. I: Bis zum Übergang an Bayern, Münchberg 1963, S. 278; Machilek, Deutsche Hussiten (wie Anm. 14), S. 278.



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witz, dem Verfasser des Neunburger Spiels „Vom Hussenkrieg“, zur Aufführung, dem zwei Jahre später das von seiner Tochter, der Schauspielerin und Autorin Katrin Klewitz, erweitere Spiel „Jan Hus – Ein Weg ins Feuer“ folgte. Das menschliche Schicksal Hussens und sein Eintreten für seine Überzeugungen auf dem Konstanzer Konzil stehen darin im Vordergrund. Die Besetzung der Rollen mit Darstellern aus Bärnau und aus dem tschechischen Tachau ist als wichtiger Beitrag zur Verständigung der Nachbarn diesseits und jenseits der Grenze zu werten.166 Unter dem Motto „Gemeinsame Geschichte verbindet“ (Společné dĕjiny spojují) hat sich 1998 eine Reihe von Städten in Deutschland und Tschechien zur „Vereinigung der Städte mit hussitischer Geschichte und Tradition“ zusammengefunden, die damit einen Beitrag zur Verständigung von Deutschen und Tschechen leisten wollen. Die Idee dazu ging von Theo Männer, dem Vorsitzenden des Neunburger Festspielvereins aus, und wurde auf tschechischer Seite bald von Dr. Jiří Návara in Tábor mitgetragen.167 Das 2006 eröffnete und von Hans Eibauer geleitete „Centrum Bavaria Bohemia“ in Schönsee, das sich in breitem Rahmen der Kulturarbeit in den Nachbarregionen Bayerns und Böhmens widmet, hat in sein Programm auch Veranstaltungen zur Geschichte des Hussitismus aufgenommen. Wertvolle Grundlagen für fundierte Kenntnisse der Hussitenzeit erarbeiteten mehrere regionale Oberpfälzer Museen durch ihre Ausstellungen, allen voran das Wallfahrtsmuseum zu Neukirchen beim Heiligen Blut und weiterhin die Heimatmuseen in Neunburg und Bärnau. Aufbauend auf den Vorarbeiten von Franz Grundler und Dominik Dorfner stellten der 1998 in Nabburg zur Pflege der guten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Bayern und Böhmen auf den Gebieten Geschichte, Kultur und Religion gegründete Verein „bovaria“ und das von Dr. Miloš Drda geleitete „Husitské muzeum“ in Tábor in den Jahren 2008/09 die seither an vielen Orten gezeigte Wanderausstellung „Auf den Spuren der Hussiten“ zusammen, die im Zeichen des gemeinsamen Hauses Europa und der Ökumene zwischen den Kirchen gestaltet wurde und die gut geeignet erscheint, geistige Barrieren zwischen den Nachbarn abzubauen.168 Bildbeilage S. 222: Kupferstich der „Großen Schlacht“ (Paris, Louvre, Cabinet des Dessins, Collection Rothschild), Darstellung der Schlacht bei Hiltersried, 1433, Abb. aus: Schmidt, Peter: Die Große Schlacht. Ein Historienbild aus der Frühzeit des Kupferstichs, (Gratia, Bd. 22), Wiesbaden 1992.

166 Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 41, 50 f. 167 Grundler/Dorfner, Hussen (wie Anm. 12), S. 56–58. 168 Oberpfalz und Böhmen. Begegnungen über Grenzen. Festschrift zum 32. Bayerischen Nordgautag in Furth im Wald, Kallmünz 1998; Baumann, Winfried: Die Konstruktion einer neuen Grenzliteratur, in: Scientific Papers of the University of Pardubice, Faculty of Humanities, Ser. C, 10 (2004), S. 9–17.

Franz Fuchs Ulrich Grünsleder aus VohenstrauSS († 1421) Ein „deutscher Hussit“ in Regensburg Am 15. Juni 1421 fasste der Rat der freien Reichsstadt Regensburg einen bis dahin ungewöhnlichen Beschluss: Es wurde angeordnet, dass jeder Einwohner, der über zwelf iar alt und vernünftiger synn ist, geloben und zu den heyligen soll schweren… von der ketzerey wegen und unglaubens, der layder in dem kunigreich zu Behem auferstanden ist… wider solich ketzerey und unglauben zu sein und die rügen und melden, wo man die wais.1 Alle Regensburger wurden also mit einem heiligen Eid darauf verpflichtet, dem kristenglauben, darin ewr vordern gestorben sind, auf Lebenszeit getreu zu bleiben, und alle ‚Sympathisanten‘ mit der newung der keczerey der Hussen und Wicliffen sofort zu denunzieren, wobei auffallender Weise das nach kanonischem Recht für die Eidleistung vorgeschriebene Mindestalter von 14 Jahren um zwei Jahre herab gesetzt wurde.2 Die forma iuramenti, der Wortlaut dieses Antihussiteneides für die Bewohner Regensburgs, ist nur im Werk des Andreas von Regensburg erhalten geblieben.3 Derartige Vereidigungen hatte schon der von dem päpstlichen Legaten Branda da Castiglione im Mai 1421 geleitete Fürstentag von Wesel von allen Reichsuntertanen eingefordert, gewissermaßen zur Vorbereitung des Kreuzzuges wider die Hussen;4 über die tatsächliche Durchführung solcher Massenschwüre sind aber nur wenige Nachrichten überliefert.5 In Regensburg hatte diese Aktion eine besondere Brisanz, deren Kenntnis wir dem Geschichtsschreiber Andreas von Regensburg verdanken.6 Denn kaum zweieinhalb Monate zuvor, am 31. März 1421, war hier der aus Vohenstrauß gebürtige Priester Ulrich Grünsleder als notorischer Anhänger und Verteidiger des Jan Hus nach feierlicher Degradierung im

1 Die Aufforderung des Regensburger Rates zur Ablegung des Ketzereides ist gedruckt bei Andreas von Regensburg: Sämtliche Werke. Hg. von Georg LEIDINGER (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, Neue Folge 1), München 1903, 363; die Eidformel auch in Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund. Zweite Abteilung 1421–1426. Hg. von Dietrich KERLER, München 1883 (Deutsche Reichstagsakten 8), 97, Nr. 92. Vgl. dazu GEMEINER, Carl Theodor: Regensburgische Chronik, Bd. 2, Regensburg 1803 (Nachdruck hg. von Heinz Angermeier, München 1987), 440, sowie zuletzt BLEICHER, Michaela: Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen. Kriegsalltag und Kriegsführung im Spiegel der Landschreiberrechnungen, phil. Diss. Regensburg 2004, 100 (digital abrufbar unter http://www.opus-bayern.de/uni-regensburg/volltexte/2006/617/). 2 Vgl. zur Eidesfähigkeit ab 14 Jahren den umfassenden Artikel von Landau, Peter: Art. Eid. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 9 (1982), 374–391, hier 387. 3 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), hier 362f. 4 Vgl. dazu jetzt Studt, Birgit: Papst Martin V. (1417–1431) und die Kirchenreform in Deutschland. Köln–Weimar–Wien 2004, 499–519. 5 Deutsche Reichstagsakten 8 (wie Anm. 1), hier 95–97. 6 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 133 und 350–362.

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Regensburger Dom den Flammen des Scheiterhaufens übergeben worden.7 Zur Biographie und zum persönlichen Umfeld dieses eigentlich nie ganz vergessenen Mannes sollen im Folgenden einige neue Quellen mitgeteilt werden. Grünsleder ist einer der ersten unter den sogenannten „Deutschen Hussiten“, der seine Begeisterung für die Lehren des böhmischen Reformators mit dem Leben bezahlen musste. Das Phänomen des sogenannten „deutschen Hussitismus“ ist in der Forschung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wiederholt erörtert worden.8 Der bedeutende Göttinger Historiker Hermann Heimpel konnte in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in zwei Monographien die Prozessakten von fünf Inquisitionsverfahren vorlegen, welche zwischen 1421 und 1425 in Heidelberg, Udenheim (heute Philippsburg) und Worms gegen deutsche Anhänger der Lehren von Hus und Wiclif durchgeführt wurden und meist mit dem Feuertod der Beschuldigten endeten:9 so musste der 34jährige adelige Priester Johannes Drändorf am 17. Februar 1425 in Heidelberg den Scheiterhaufen besteigen, sein Gesinnungsgenosse Peter Turnau wenige Monate später in Philippsburg am Rhein.10 Eine sorgfältige und weiterführende Zusammenfassung des Forschungsstandes zu den deutschen Hussiten hat Franz Machilek 1997 vorgelegt;11 František Šmahel behandelt dieses Phänomen in seinem monumentalen Hussitenwerk unter der Rubrik „hussitische Internationale“.12 Nach Machilek spannt sich das Spektrum der „deutschen Hussiten“ von den in Böhmen lebenden deutschen Anhängern der hussitischen Lehre über die im deutschsprachigen Gebiet für den Hussitismus tätigen bzw. gewonnenen Gesinnungsgenossen bis hin zu Waldensergruppen, die des Hussitismus verdächtigt wurden.13 Einige 7 Vgl. zu ihm zusammenfassend Illig, Kurt: Ulrich Grünsleder. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 3. Hg. von Kurt Ruh u.a., Berlin–New York 21980, Sp. 290f.; Lerner, Robert E.: Gruensleder (Ulrich). In: Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques, Bd. 22, Paris 1988, Sp. 430f.; Machilek, Franz: Deutsche Hussiten. In: Jan Hus – Zwischen Zeiten, Völkern, Konfessionen. Vorträge des internationalen Symposions in Bayreuth vom 22. bis 26. September 1993. München 1997 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 85), 267–282, hier 60; Sheffler, David L.: Schools and Schooling in Late Medieval Germany. Regensburg, 1250–1500. Leiden–Boston 2008 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 33), 82f., 157f. und 251. 8 Vgl. den die deutsche und tschechische Literatur zusammenfassenden Forschungsüberblick bei MACHILEK: Deutsche Hussiten (wie Anm. 7), 268–273. 9 Heimpel, Hermann: Drei Inquisitions-Verfahren aus dem Jahre 1425. Akten der Prozesse gegen die deutschen Hussiten Johannes Drändorf und Peter Turnau sowie gegen Drändorfs Diener Martin Borchard. Göttingen 1969 (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 24). Heimpel, Hermann: Zwei Wormser Inquisitionen aus den Jahren 1421 und 1422. Göttingen 1969 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologische-Historische Klasse Dritte Folge, Nr. 73). 10 Bünz, Enno: Johannes Drändorf, Geistlicher, Hussit. In: Sächsische Biografie. Probeheft. Hg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V. Leipzig 2003, 12f. 11 Vgl. Machilek: Deutsche Hussiten (wie Anm. 7). 12 Šmahel, František: Die Hussitische Revolution, Bd. 3. Hannover 2002 (Monumenta Germaniae Historica. Schriften, Bd. 43), 1913–1966. 13 MACHILEK: Deutsche Hussiten (wie Anm. 7), 270f.



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dieser Hus-Sympathisanten waren schon im 16. Jahrhundert von den Reformatoren als Märtyrer für das Evangelium entdeckt worden. Luther selbst hat am 26. März 1522 in einem Brief an Hartmut von Cronberg auf das „Umbringen unschuldigen Blutes“ für das Evangelium hingewiesen und dabei nach Hus und Hieronymus von Prag auch einige deutsche Hussiten namentlich angeführt.14 Sein kroatischer Schüler, der berühmte Mathias Flacius Illyricus, dem übrigens auch die erste Ausgabe der Werke Hussens zu verdanken ist, nahm diese Namen in seinen berühmten Catalogus testium veritatis auf, der seit 1556 mehrfach aufgelegt wurde; neben den schon erwähnten in Heidelberg verbrannten Hussiten Johannes Drändorf und Peter Turnau reihte er auch Ulrich Grünsleder aus Vohenstrauß unter die Wahrheitszeugen ein, von dort aus fand dessen Name Eingang in verschiedene Martyr-Bücher der reformatorischen Bewegung.15 Ulrich Grünsleder ist bislang fast ausschließlich aus den historiographischen Werken des Andreas von Regensburg bekannt; dieser wohl bedeutendste bayerische Geschichtsschreiber der Hussitenzeit berichtet in zwei Werken über das tragische Schicksal des Vohenstraußer Priesters: seine Chronica pontificum et imperatorum enthält einen Bericht über dessen Degradierung und Hinrichtung;16 seine Chronica Husitarum liefert eine etwas ausführlichere Schilderung von Gefangennahme, Verhörung und Hinrichtung des Husanhängers, wobei Andreas betont, dass er persönlich bei der feierlichen Degradierung Grünsleders anwesend gewesen sei (sollempnem degradacionem ego vidi et audivi).17 Darüber hinaus nahm Andreas den umfangreichen Text der Rede, die der Augustinereremit und Theologieprofessor der Wiener Universität Berthold Puchhauser bei dieser Gelegenheit im Regensburger Dom hielt, vollständig in die Hussitenchronik auf; der Text dieser Rede ist aber auch selbstständig überliefert. Doch bevor wir auf diese Quellen näher eingehen, soll der Augenzeuge und Berichterstatter Andreas kurz vorgestellt werden, zumal seine Herkunft aus der Oberpfalz, sein eigentlicher Name und seine vielfältigen Tätigkeiten erst von der jüngsten Forschung erhellt werden konnten. Der Augustinerchorherr Andreas von Regensburg, welchen nach einem häufig zitierten Diktum des Aventinus die Regensburger „ihren Titus Livius“ genannt haben sollen, hat ein umfangreiches historiographisches Werk hinterlassen: eine Weltchronik, eine abundante Quellensammlung zur Geschichte des Konstanzer Konzils, ein im Auftrag Ludwigs des Gebarteten von Bayern-Ingolstadt verfaßtes Chronicon de principibus terrae Bavarorum, Schriften gegen die Hussiten, und das ist noch nicht alles.18 Bereits zu Lebzeiten des Verfassers, dem sorgfältige Quellensammlung und -verarbeitung nachgerühmt werden, waren seine Werke weit über die Grenzen Bayerns hinaus verbreitet; sein Rang 14 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Briefwechsel, Bd. 2, Weimar 1931, 484f., Nr. 466. 15 HARTMANN, Martina: Humanismus und Kirchenkritik: Matthias Flacius Illyricus als Erforscher des Mittelalters. Stuttgart 2001 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 19), 189. 16 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 133. 17 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 350–362 und 403, Zitat hier 351 Z. 20. 18 Vgl. den Überblick bei JOHANEK, Peter: Andreas von Regensburg. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1. Hg. von Kurt Ruh u.a., Berlin 21978, 341–348.

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als Historiograph kann nicht zuletzt aus der breitgestreuten Überlieferung seiner Werke und mehr noch aus deren Rezeption eruiert werden.19 Über die Biographie dieses wohl bedeutendsten Konventualen von St. Mang war bis vor kurzem nur wenig bekannt. Noch der Editor seiner Schriften, Georg Leidinger, nannte nur die im Werk selbst überlieferten Fakten seiner Vita.20 In einem 1987 erschienenen Aufsatz konnte Claudia Märtl durch systematische Auswertung des ungedruckten St. Manger Urkundenbestandes seine Biographie überraschend erhellen.21 Andreas stammte demnach nicht aus Straubing, sondern ist als Andre Mulner in Reichenbach am Regen zur Welt gekommen. Nach Schulbesuch in Straubing trat er 1401 in das Augustinerchorherrenstift St. Mang ein, wo er über 40 Jahre bis zu seinem Tod an einem 7. Dezember (frühestens 1442) wirkte, zuletzt als Stiftsdekan, eine Stellung, in der er eine intensive Tätigkeit im Dienste der Verwaltung St. Mangs entfaltete. Andreas war auch selbst ein fleißiger Schreiber, seiner Schreibtätigkeit verdanken wir wichtige Textzeugen historiographischer Werke des hohen und späten Mittelalters.22 Er hat aber nicht nur selbst Bücher hergestellt, sondern auch seine Mitkonventualen zum Abschreiben angeregt. Gelegentlich hat er auch Lohnschreiber beschäftigt, wenn es etwa darum ging, der St. Manger Bibliothek über Nacht einen wichtigen Text zu beschaffen. So konnte er die Schrift De origine haeresum Wiclefistarum et Hussitarum des Andreas von Brod im Jahre 1426 von einem durchreisenden Meißener Kleriker nur für eine Nacht ausleihen und ließ die einzelnen Lagen des Textes von fünf Schreibern gleichzeitig wohl bei Kienspan- oder Kerzenlicht kopieren.23 Andreas hat sich vor allem um den Ausbau der 19 Vgl. MÄRTL, Claudia: Andreas von Regensburg. In: Ratisbona Sacra. Das Bistum Regensburg im Mittelalter, Ausstellung anläßlich des 1250jährigen Jubiläums der kanonischen Errichtung des Bistums Regensburg durch Bonifatius 739–1989, München – Zürich 1989, 238–241, ferner STUDT, Birgit: Fürstenhof und Geschichte. Legitimation durch Überlieferung (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und früher Neuzeit 2), Köln – Weimar – Wien 1992, 228–262 sowie SCHNEIDER, Joachim: Überregionale Integrationstendenzen im deutschen Niederadel. Zwei Briefzeitungen von 1427 und die Adelseinungen der Hussitenzeit. In: Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg, Wiesbaden 1996, 115–139. 20 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), I–XII; JOHANEK: Andreas (wie Anm. 18), 341. 21 MÄRTL, Claudia: Zur Biographie des bayerischen Geschichtsschreibers Andreas von Regensburg. In: Regensburg und Bayern im Mittelalter (Studien und Quellen zur Geschichte Regensburgs 4). Hg. von den Museen und dem Archiv der Stadt Regensburg, Regensburg 1987, 33–56. 22 Vgl. FUCHS, Franz: Die Bibliothek des Augustinerchorherrenstifts St. Mang (Stadtamhof – Regensburg) im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. In: Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustinerchorherren in der frühen Neuzeit. Hg. von Rainer A. MÜLLER (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim 2), Paring 2000, 59–78, hier 68–72 auch einige neue Quellenzeugnisse zur Biographie des Andreas. 23 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 268: Quem quidem tractatum michi Andree ad S. Magnum in pede pontis Ratisponensis ad rescribendum comodavit dominus prepositus Misnensis, dum anno domini 1426. circa principium quadragesime feria 4. sexagesime [1426



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St. Manger Bibliothek bemüht, deren spätmittelalterlicher Bestand mit Hilfe zweier frühneuzeitlicher Kataloge rekonstruiert werden kann.24 In erstaunlich großer Anzahl sind hier die Theologen der Schismenzeit und des Konstanzer Konzils vertreten: die Titel der Werke von Jean Gerson und Nikolaus von Dinkelsbühl, mit dem Andreas in Briefwechsel stand,25 füllen in den Katalogen ganze Spalten, aber auch andere Heidelberger, Kölner und Wiener Theologen der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren reichlich vorhanden.26 Der Historiograph Andreas Mulner dürfte Ulrich Grünsleder mit hoher Wahrscheinlichkeit persönlich gekannt haben, beide Priester lebten immerhin nachweislich über fast zwei Jahrzehnte hinweg in räumlicher Nähe in derselben Stadt. In der Papst- und Kaiserchronik widmete der Geschichtsschreiber der Causa Grünsleder nur wenige Zeilen: Bischof Albert von Regensburg habe diesen Priester, der aus Vohenstrauß gebürtig, aber von Jugend auf in der Donaustadt erzogen worden sei, am 31. März 1421 im Dom zu Regensburg feierlich seiner geistlichen Würden beraubt und dem weltlichen Gericht übergeben, weil er das Konstanzer Konzil angegriffen habe mit der Behauptung, dass Jan Hus auf diesem Konzil zu Unrecht verurteilt worden sei; unmittelbar danach sei er von dem weltlichen Richter, dessen pedagogus er einst gewesen war, zur Verbrennung hinausgeführt worden.27 Wesentlich ausführlicher wird der Fall in der Hussitenchronik dargestellt in einem eigenen Kapitel, das die Überschrift De presbitero propter heresim combusto trägt.28 Wir erfahren hier zunächst, dass Grünsleder schon am 25. Mai 1420, einem Pfingstsamstag, Februar 6] cum domino suo Friderico duce Saxonie, marchione Misnensi, per Ratisponam profectus est Wiennam ad Sigismundum Romanorum, Ungarie ... regem ad tractandum inter cetera cum eo de delecione hereticorum in Bohemia. Et quia prefatum tractatum diucius habere non potui quam per noctem, dedi eum secundum quinque folia, in quibus scriptus erat, quinque scriptoribus ad rescribendum. 24 Vgl. FUCHS, Franz: Bildung und Wissenschaft in Regensburg. Neue Forschungen und Texte aus St. Mang in Stadtamhof, Sigmaringen 1989 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde im Mittelalter Bd. 13), 40–80. 25 Vgl. Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 263f. Dazu FUCHS: Bildung (wie Anm. 21), 31 mit Anm. 71. 26 FUCHS: Bildung (wie Anm. 21), 30–33 sowie DERS.: Bibliothek (wie Anm. 19). 27 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 133: Item pontificatus sui anno ultimo feria 2. post dominicam, qua cantatur: Quasi modo [März 31] in ecclesia kathedrali sollempniter degradavit Ulricum Grünsledär presbiterum de Vohendräz oriundum et Ratispone ab adolescentia educatum propter heresim Hussistarum, quia concilium Constanciense impugnabat defendens et dicens Johannem Huss heresiarcham in eodem concilio legitime non fuisse condempnatum, tradiditque ipsum pertinacem curie seculari. Qui mox a iudice, cuius quondam pedagogus fuerat, ducitur ad comburendum. Ein Ulricus pedagogus war am 13. Juli 1403 Zeuge bei der Amtseinsetzung des Johannes Rainsperger durch das Regensburger Domkapitel (presentibus domino Johanne Öch officiale capituli et Ulrico pedagogo… Wien, Östereichische Nationalbibliothek, Cod. 3748, fol. 177r). Dieser könnte vielleicht mit Ulrich Grünsleder identisch sein. 28 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 350f.

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im Regensburger Dom verhaftet und in den Kerker geworfen worden sei wegen dringenden Verdachts, für die hussitische Häresie zu werben. Im Gefängnis sei er häufig sowohl von Doktoren der Theologie als auch von Gelehrten des Kirchenrechts verhört worden, ohne dass man ihn wegen seiner vorsichtigen und heuchlerischen Antworten überführen konnte. Erst ein halbes Jahr später, am 1. Dezember, konnte neues belastendes Beweismaterial sichergestellt werden, zwei Sexternien (Hefte zu sechs gefalzten Bögen), enthaltend zwei Traktate des Johannes Hus, welche Grünsleder mit eigener Hand geschrieben zu haben gestehen musste und welche er sehr sorgfältig aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt habe; diese Schriften habe er im Verborgenen unter Laien weitergereicht, um sie für Hussens Lehre zu gewinnen.29 Als so seine Vergehen offenkundig geworden seien, sei er wiederholt von Theologen und Rechtsgelehrten aufgefordert worden, den Irrlehren des Häresiarchen Johannes Hus abzuschwören und zum Busen der heiligen Mutter Kirche zurückzukehren (ut ad sinum sancte matris ecclesie reverteretur), doch vergeblich, verstockten Herzens habe er diesen heilbringenden Ermahnungen widersprochen, so dass Bischof Albert ihn schließlich als notorischen und hartnäckigen Ketzer nach dem feierlichen Gottesdienst im Dom in Anwesenheit einer großen Menge Volkes und unter Läuten der großen Glocke am 31. März 1421 seiner geistlichen Würden berauben und dem weltlichen Arm zur Hinrichtung übergeben ließ; sofort darauf sei er dem Feuer übergeben und in seiner Verstocktheit eingeäschert worden.30 Soweit der Bericht des Andreas von Regensburg. Eine weitere wichtige Nachricht zu Grünsleders Biographie liefert Carl Theodor Gemeiner in seiner Regensburgischen Chronik, eine, wie er es nennt, „Verschreibung seiner Anverwandten Conrad und Friedrich Grünleder von Vohenstrauß, die Nachlassenschaft ihres Vetters, weiland Capplans in der Ahkirchen ‚der leider in dem irsal der verdamten gedächtnus tod ist‘ antreffend“.31 Die von Gemeiner nur summarisch erwähnte, am 8. April 1421 in Regensburg ausgestellte Urkunde ist noch im Original im Bestand Reichsstadt Regensburg im Münchner Hauptstaatsarchiv erhalten geblieben; von der Forschung bislang unbeachtet, liefert sie weitere Informationen zu Grünsleders tragischem Ende:32

29 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 350f.: Sed tandem post medium annum in adventu domini [1. Dezember 1420], prout domino placuit, venerunt in medium duo sexterni continentes duos tractatus Huss in propria forma sedicionibus ac scandalis ac heresibus refertos, quos sibi presentatos fassus fuit ipsos propria manu conscripsisse et de latino in teutonicum diligenter transtulisse atque diversis laycis secrete dedisse et communicasse. 30 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 351: Finaliter quoque persistentem in sua pertinacia nondum anno revoluto, 2. videlicet feria post dominicam Quasimodogeniti [31. März 1421], dictus dominus Albertus Ratisponensis episcopus in choro ecclesie sue maioris pluribus prelatis et doctis viris sibi astantibus in conspectu cleri et populi finita publica missa pulsu maioris campane ipsius ecclesie premisso publice sentencialiter condempnavit ac sollempniter degradavit atque pertinacem curie tradidit seculari, a qua receptus adstatim fuit igni traditus et in sua obstinacia incineratus. 31 GEMEINER: Chronik (wie Anm. 1), 440 mit Anm. ***. 32 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Reichsstadt Regensburg Urk. Nr. 6354 (1421 IV 8); Orig. Pergament mit gut erhaltenem Siegel des Schultheiß Peter Mäller.



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Ich Conrat Gruenleder von Vohendrass und ich Fridrich Gruenleder von Vohendräss, sein pruder, verjehen für uns und für all unser erben offenleich mit dem brief, das uns di ersamen weysen unser lieb herren der rat der stat zu Regenspurg hilfleich und füderleich gebesen sind gain dem hochwirdigen herren herren Albrecht, bischofe zu Regenspurg, und gein seinem richter, herrn Erhart dem Probst, das uns widerfaren sind alle di brief und urchunden über unser erib, di da ynn gehabt hat unser vetter der Ulrich, weylent kapplan in der Äkirchen, der laider in dem irresal der verdampten gedächtnüss tod ist, und was er ynn gehabt hat, das unser muter, seiner swester salig gewesen ist, das wir das alles dhainen schaden genommen haben, als verrer, das wir noch all unser erben noch anders nyemand von unsern wegen hincz unsern vorgenannten herren dem rat der stat zu Regenspurg noch hincz allen den irn noch hincz nyemand anders von der vorgenannten sach wegen noch umb dhain ander sach nichtz ausgenommen uncz auf den tag hewt dhain ansprach noch voderung nicht mer haben süllen noch enmugen, weder mit geistlichen noch wertlichen rechten noch on recht, clain noch gros in dhainer weis, un wes wir fürbas darüber mit in kriegten oder rechten, das habent sy an aller stat behabt und wir verloren, das in und irer stat das alles allso stät und unczebrochen beleib, das alles zu urchund geben wir in den brief besigelten mit des erbern weysen herrn Peter des Mäller schultheiss zu Regenspurg insigel, das er an den brief gelegt hat nach unserer vleizzigen pet der sach zu einer gezeugnüss im und seinen erben on schaden und unenkolten, darunder wir uns unverschaidenlich verpinden mit unsern trewn stät zu halten, was an dem brief verschriben ist. Das ist geschehen nach Kristi gepurtt vierczehen hundert jar darnach in dem aynn und zwainzigisten jare des erytags nach sand Ambrosy tag des heiligen bischof. Die Brüder Konrad und Friedrich aus Vohenstrauß waren also nicht Vettern, sondern Neffen des Hingerichteten, die Söhne seiner verstorbenen Schwester, deren bei Grünsleder in Regensburg verwahrter Besitz ihnen vom Rat ausgehändigt worden war. Diese genau eine Woche nach der Hinrichtung des Priesters ausgestellte Urkunde zeigt uns zweifelsfrei die Funktion an, die Grünsleder in der Reichsstadt ausübte. Die Ahakirche, deren Kaplanat er inne hatte, war nichts anderes als die Ratskapelle, die erst im 17. Jahrhundert bei einem Umbau des Rathauses niedergelegt wurde; diese erstmals in einem Diplom Kaiser Heinrichs II. im Jahre 1002 nachweisbare Kapelle, die dem hl. Bartholomäus geweiht war und ihren Namen (Aha-, auch Ach- oder Ächkirche) ihrer Lage unmittelbar am Veitsbach verdankt, war ursprünglich im Besitz des Klosters St. Emmeram, doch konnte der Regensburger Rat die Patronatsrechte sukzessiv erwerben.33 Der Inhaber der Kaplanei dieser Kirche konnte durch Protektion des Rates oder einflussreicher Patrizier und mit Genehmigung des Abtes von St. Emmeram in diese Stellung gelangen. Ferner erfahren wir durch die von Grünsleders Neffen ausgestellte Quittung auch den Namen des 33 Vgl. zur Ahakirche SYDOW, Jürgen: Der Regensburger Markt im Früh- und Hochmittelalter. In: Historisches Jahrbuch 80 (1961), 60–92, hier 71–75; HÖRNES, Martin: Die Hauskapellen des Regensburger Patriziats. Bestand, Überlieferung und Funktion, Regensburg 2000 (Regensburger Studien und Quellen zur Kulturgeschichte 8), 37f., 138f. und 330 (Register sub voce).

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weltlichen Richters, der einst ein Zögling des verurteilten Ketzers gewesen war: Erhard Propst entstammte dem alten Patriziergeschlecht Auf der Donau, in welcher das Amt des Propstrichters erblich war.34 Ein weiteres bislang übersehenes Zeugnis, kopial überliefert in einem Regensburger Leibrentenregister, das heute ebenfalls im Münchener Hauptstaatsarchiv aufbewahrt wird, gibt Auskunft über Grünsleders Vermögensverhältnisse elf Jahre vor seinem tragischen Ende:35 Item mer ainen leibting brif dem erbern priester herrn Ulrichen von Vohendräs an der tzeit unser capplan in der Äkirchen umb III lb. Rat. denariorum leibting auf sein ains leib zaln ze mittervasten, sind chaufft umb XXI lib. und hat stawer und losung und ist ein gemainer leibtingbrief. Datum anno etc. decimo dez montags nach Letare in der vasten. Am 3. März 1410 besaß Ulrich Grünsleder ein überschüssiges Kapital von 5040 Pfennigen Regensburger Prägung, mit welchem er bei der Stadt eine jährliche Rente von 720 Denaren erwarb, die allerdings zu versteuern war. Dieser Rentenkauf, mit dem sich Grünsleder gewissermaßen unter die Schar der Gläubiger der Reichsstadt einreihte, zeigt zumindest, dass er nicht zum klerikalen Proletariat in Regensburg gehörte. Der Familienname ist hier zwar nicht genannt, aber durch die Herkunftsbezeichnung von Vohendräs und die genaue Angabe der Pfründe kann Ulrich Grünsleder zweifelsfrei mit dem Rentenkäufer identifiziert werden. Diese Urkunde ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie es ermöglicht, den in den Regensburger Stadtrechnungen seit 1407 jährlich viermal genannten kapplan in der Ächkirchen mit Grünsleder zu identifizieren.36 Da die Stadtrechnungen für die ersten beiden Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts im Bestand der Cameralia des Regensburger Stadtarchivs fast lückenlos erhalten sind, gewinnen wir mit diesem Nachweis mehrere Dutzend neue Zeugnisse für Grünsleders Erdendasein: als Diener des Regensburger Rates erhielt der Kaplan der Ahakirche vierteljährliche Entlohnung; jeweils an den Quatembern an Weihnachten, in der Fastenzeit, an Pfingsten, und am 22. September, dem Tag des hl. Emmeram, konnte der Kaplan Ulrich zwei Pfund

34 Vgl. zu ihm die Daten bei RITSCHER, Berta: Die Entwicklung der Regensburger Ratsverfassung in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Struktur der Zeit von 1245–1429. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 114 (1974), 7–126, 115 (1975), 7–63, 116 (1976), 7–110, hier 34f.; URBANEK, Peter: Wappen und Siegel Regensburger Bürger und Bürgerinnen im Mittelalter (bis 1486). Ein Katalog der Wappen und Siegel mit einer Untersuchung zum Siegelrecht und zum Wappen- und Siegelgebrauch (Regensburger Studien 7), Regensburg 2003, 122; RICHARD, Olivier: Mémoires bourgeoises. Memoria et identité urbaine à Ratisbonne à la fin du Moyen Âge, Rennes 2009, 354 (Register s.v.). 35 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Reichsstadt Regensburg Lit. 298 ¼ , fol. 6r. 36 Stadtarchiv Regensburg, Cameralia 7, fol. 19r. Seit kurzem ist dieser Bestand mit Transkription im Internet abrufbar, hier unter: http://bhgw20.kfunigraz.ac.at/editions/c07/text/c07_b11_019r. htm.



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Regensburger Pfennige in Empfang nehmen.37 Die letzte Auszahlung erfolgte unmittelbar vor seiner Verhaftung im Mai 1420.38 Noch ein weiteres biographisches Detail ist den Rechnungen zu entnehmen: wir erfahren nämlich, dass der Kaplan der Ahakirche dreimal die Summe nicht persönlich in Empfang nahm und von Dezember 1410 bis Pfingsten 1411 wohl abwesend oder krank gewesen sein dürfte.39 Zweimal wurde der Betrag von 2 Pfund Regensburger Pfennigen an seiner Stelle von einem Grejmolt eingenommen, der mit dem einflußreichen Ratsherrn Albrecht Greimolt gleichzusetzen ist, mit dem der Kaplan Ulrich offenbar in Verbindung stand.40 Im Mai 1411 findet sich folgender Eintrag in der Stadtrechnung: Item wir haben geben dem kaplan in der Ächkirchen II libras denariorum für die quotember Pfingsten, nam ein der Probst.41 Dieser „Probst“ ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Martin Propst auf der Donau zu identifizieren, der einer der ältesten Regensburger Patrizierfamilien entstammte;42 er war der Vater des Erhard Propst, der Grünsleders Schüler und Richter gewesen ist.43 Im Übrigen ermöglichen die Regensburger Rechnungen auch eine vage Bestimmung seines Lebensalters: da Grünsleder beim Antritt der Kaplanei der Ahakirche wohl schon im Jahre 1407 zum Priester geweiht war, muss er damals nach kirchenrechtlichen Bestimmungen für die Weihealter mindestens 25 Jahre alt gewesen sein.44 Sein Geburtsdatum dürfte 37 So z. B. für das Jahr 1407 Stadtarchiv Regensburg, Cameralia 7, fol. 19r; fol. 19v, fol. 20r und 20v jeweils unter der Rubrik Meiner herren dienär. 38 Stadtarchiv Regensburg, Cameralia 9, fol. 76r: Item wir haben geben hern Ulrich capplan in der Äkirchen II libras denariorum für die quatember Phingsten. Sein Nachfolger Konrad von Sulzbach ist erstmals Ende 1420 bezeugt: Item wir haben geben maister Conrat von Sulczpach capplan in der Äkirchen II libras denariorum dy quatemper Weichnachten (ebenda fol. 162r). 39 Stadtarchiv Regensburg, Cameralia 7, fol. 23r und fol. 23v. 40 Zu Albrecht Greimolt († 1420), zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine der führenden Persönlichkeiten im Regensburger Rat, der zeitweise als Brücken- und Stadtbaumeister fungierte und 1418 als einer der sechs mit Generalvollmacht betrauten Verwalter für das hochverschuldete St. Emmeram eingesetzt wurde, vgl. RICHARD: Mémoires (wie Anm. 34), 352 (Register s.v.); DERS.: Der Regensburger Stadtrat im 15. Jahrhundert. Eine Oligarchie während der Krise (mit Ratslisten). In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 148 (2008), 7–35, hier 14f. mit Anm. 43 und 48; FISCHER, Klaus: Regensburger Hochfinanz. Die Krise einer europäischen Metropole an der Wende zur Neuzeit, Regensburg 2003 (Regensburger Studien und Quellen zur Kulturgeschichte 14), 146f.; URBANEK: Wappen (wie Anm. 34) 158; BASTIAN, Franz: Das Runtingerbuch (1393–1407) und verwandtes Material zum Regensburgersüdostdeutschen Handel und Münzwesen, Regensburg 1935–1944 (Deutsche Handelakten des Mittelalters und der Neuzeit 6–8), 3 Bde., hier Bd. 3, 374f.; GEMEINER: Chronik (wie Anm. 1) 2 405, 411, 425. 41 Stadtarchiv Regensburg, Cameralia 7, fol. 24r. 42 Vgl. RITSCHER: Ratsverfassung (wie Anm. 34), 34, ferner die oben Anm. 34 angeführte Literatur. 43 Siehe oben Anm. 27. 44 Zu den kirchenrechtlichen Bestimmungen zum Weihealter vgl. PLÖCHL, Willibald M.: Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 2, Wien – München 21962, 291.

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also vor dem Jahre 1382 liegen; er wäre demnach etwa gleichaltrig mit Andreas von Regensburg, dem wir die meisten Nachrichten über seinen tragischen Ausgang verdanken. Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf zwei am Verfahren gegen Grünsleder beteiligte Personen, die bei Andreas von Regensburg genannt werden: zum einen der aus Regensburg stammende Augustinereremit Berthold Puchhauser, der in Oxford und Bologna Theologie studierte und über Jahrzehnte hinweg dieses Fach an der Universität Wien vertreten hat,45 zum anderen der Stadtjurist und Lizentiat des kanonischen Rechts Konrad Duvel von Hildesheim,46 der an den Universitäten Prag, Heidelberg und Wien ausgebildet worden war. Beide können als Teilnehmer des Konstanzer Konzils, das Jan Hus und seinen engen Mitstreiter Hieronymus von Prag zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt hat, nachgewiesen werden. Konrad von Hildesheim war im Auftrag des Regensburger Rates bei der großen Kirchenversammlung, seine interessanten Gesandtenberichte hat Hermann Heimpel herausgegeben.47 Puchhauser war mehrfach in Konstanz als Konzilsprediger tätig. Beide, der Jurist und der Theologe, haben schon 1410 an der Universität Wien zusammengearbeitet, als dort ein erster Prozess gegen Hieronymus von Prag eingeleitet wurde.48 Sowohl der Augustinereremit als auch der spätere Regensburger Stadtjurist traten hier zusammen als Belastungszeugen gegen den agilen Prager Magister in Erscheinung, den Konrad Duvel schon während seiner Heidelberger Studienzeit kennengelernt hatte.49 Ulrich Grünsleder aus Vohenstrauß, der erste Übersetzer und Propagandist der Lehre des Jan Hus in Bayern, war nicht der einzige Anhänger des böhmischen Reformators, der in Regensburg im dritten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts den Tod auf dem Scheiterhaufen

45 Zu dem Augustinereremiten Berthold Puchhauser († ca. 1438) vgl. zusammenfassend ZUMKELLER, Adolar: Puchhauser. In: Dictionnaire de Spiritualité 12 (1986), 2606f.; STRNAD, Alfred A., Die Zeugen im Wiener Prozess gegen Hieronymus von Prag. Prosopographische Anmerkungen zu einem Inquisitionsverfahren im Vorfelde des Hussitismus. In: Husitství, reformace, renesance 1–3. Sborník k 60. narozeninám Františka Šmahela, Bd. 1. Hg. von Jaroslav PÁNEK, Miloslav POLÍVKA, Noemi REJCHRTOVÁ, Prag 1994, 331–368, hier 350f.; Sheffler: Schools (wie Anm. 7), 312–314, jeweils mit reicher Literatur; David L. Sheffler (University of North Florida) bereitet eine Monographie über Puchhauser vor. 46 Zu Konrad Duvel vgl. grundlegend HEIMPEL, Hermann: Regensburger Berichte vom Konstanzer Konzil. Der reichsstädtische Jurist Konrad Duvel von Hildesheim, † 1430. In: Festschrift für Karl Gottfried Hugelmann zum 80. Geburtstag am 26. September 1959. Hg. von Wilhelm WEGENER, Aalen 1959, 213–272, dazu ergänzend STRNAD: Zeugen (wie Anm. 45), 344–346 und SHEFFLER: Schools (wie Anm. 7), 279–281. 47 HEIMPEL: Regensburger Berichte (wie Anm. 46), 237–271. 48 KLICMAN, Ladislav: Processus iudiciarius contra Jeronimum de Praga habitus Viennae a. 1410–1412, Prag 1898 und DERS.: Der Wiener Process gegen Hieronymus von Prag. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 21 (1900), 445–457; zuletzt STRNAD: Zeugen (wie Anm. 45), 336f. 49 Šmahel, František: Mag. Hieronymus von Prag und die Heidelberger Universität. In: Ders.: Die Prager Universität im Mittelalter. Gesammelte Aufsätze, Leiden – Boston 2007 (Education and Society in the Middle Ages an Renaissance 28), 526–538.



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fand; ihm sollte schon 1423 der Kleriker Heinrich Ratgeb aus Gotha nachfolgen.50 Auch bei der feierlichen Verurteilung Heinrich Ratgebs hielt Berthold Puchhauser eine öffentliche Rede, die Andreas von Regensburg in seine Chronica Husitarum aufgenommen hat.51 Die Kenntnis von weiteren ‚deutschen‘ Hussiten in der Oberpfalz ist einem Hinweis von Johann Gruber zu verdanken;52 die erst seit kurzem wieder zugänglichen Vikariatsrechnungen im Bischöflichen Zentralarchiv Regensburg verbuchen im Jahre 1421 nur drei Wochen nach Grünsleders Hinrichtung unter der Rubrik Distributa nunciorum mehrere Einträge, die sich auf Botengänge nach Hohenschambach, Hemau und Beratzhausen (alle Orte im Landkreis Regensburg) beziehen, wo zwei Bauern, ein Albert Labrer und sein Gesinnungsgenosse Deychsler, wegen ihrer hussitischen Überzeugung verhaftet worden sind.53 Wer heute in eine Internetsuchmaschine den Namen ‚Ulrich Grünsleder‘ eingibt, findet auf Anhieb mehrere Treffer; die meisten davon entstammen historischen Werken; er wird aber auch auf die website seines Heimatortes Vohenstrauß geleitet, wo Grünsleder als ein berühmter Sohn dieser kleinen Stadt ausgewiesen wird.54 Die hier vorgestellten urkundlichen Belege zu seiner Biographie zeigen zumindest, dass Grünsleder ein wohlbestallter Kleriker mit guten Verbindungen zum Regensburger Patriziat gewesen ist und keinesfalls als ein religiöser Schwärmer an der gesellschaftlichen Peripherie angesehen werden darf. Der mutige, für seine Überzeugung zum Sterben bereite Oberpfälzer Priester verdient es, dass man seiner und seines tragischen Schicksals gedenkt.

50 Vgl. MACHILEK: Deutsche Hussiten (wie Anm. 7), 274. 51 Andreas von Regensburg: Werke (wie Anm. 1), 392–400. 52 GRUBER, Johann: Vikariatsrechnungen und Steuerregister als Quellen zur spätmittelalterlichen Geschichte des Bistums Regensburg. In: Auxilia Historica. Festschrift für Peter Acht zum 90. Geburtstag. Hg. von Walter KOCH, Alois SCHMID und Wilhelm VOLKERT, München 2001 (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 132), 73–84, hier 83 mit Anm. 101. 53 Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg, BDK, VR 1421, p. 61: Item feria quarta ante festum Sancti Georii [23. April 1421] Johanni nuncio in Hohenschambach et in Hembawer, ut citarent Albertum Labrer, qui debuit predicasse fidem Hussitarum, dedi VIII denarios Ratisponenses. Ferner ebenda p. 62: Item Conrado nuntio in Peratzhausen dedi VI den. Rat. ex parte rustici Deychslar... Item uno nuntio in Hohenschambach, Hembawr et Peraczhausen ad citandos aliquos testes ratione fidei ex parte Habrer et Deychsler dedi XI denarios Ratisponenses. 54 http.//www.vohenstrauss.de/.

Michaela Bleicher Kriegsführung und Kriegsalltag im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet Die Hussitenzeit im Spiegel der Quellen des Herzogtums Niederbayern-Straubing Zum ersten anno vicesimosecundo predicto domenica Esto michi [22.02.1422] do komen die Hussen mit groszer menig volkes uber walt in meins gnedigen herren lant und verpranten do vor dem wald Eschelkam, Newnkirchen und wol XII dorffer damit und namen den armen lewten ir viche und gut. Do vodert mein herre, der viczdom, meins gnedigen herren rete und lantschafft und wurden do zü rat und eynig, daz man die kirchof beseczen, behutten und verwarrn solt, und schickt do mein herre, der viczdom, LXV pferd hinein. Die belieben do bisz auf Letare [22.03.1422] und verczerten gein kellr, kuchen und marstal, die der Johannes kanczelschreiber ausgeben und mir furbas verrechent hat, als sein puch einczigs ausweist: XXXIIII lib. V s. XIII d.1 - In Einträgen wie diesem verbuchten die Landschreiber die Ausgaben, die dem Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland durch die Auseinandersetzung mit den Hussiten entstanden. Aufgrund der detaillierten Angaben, wofür das Geld genau verwendet wurde, ließ sich durch eine systematische Erfassung, Kommentierung und Analyse dieser bis dato noch unedierten und kaum beachteten seriellen Quelle, den von 1421–1427 erhaltenen Straubinger Landschreiberrechnungen2, nicht nur ein Überblick über die Kosten der Kriege gewinnen, sondern auch ein Bild von der Art der Kriegsführung und vom Kriegsalltag.3 Die Auseinandersetzung mit den Hussiten erfolgte auf zwei verschiedenen Ebenen: Auf Reichsebene im Rahmen der Kreuzzüge und Reichskriege und auf Landesebene im Rahmen der Landesverteidigung.4 Die Versuche, die von hussitischen Einfällen unmit1 Bayerisches Hauptstaatsarchiv [München], Ämterrechnungen bis 1506, Nr. 5, fol. 98v. 2 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 3–10. 3 Der Vortrag basiert auf meiner 2004 in Regensburg bei Prof. Dr. Franz Fuchs abgeschlossenen Dissertation: Bleicher, Michaela: Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen. Kriegsalltag und Kriegsführung im Spiegel der Landschreiberrechnungen, Diss. Regensburg 2004, http://epub.uni-regensburg.de/10414/ (urn:nbn:de:bvb:355-opus-6174). 4 Zu den Hussitenkriegen vgl. v.a. Šmahel, František: Die Hussitische Revolution, 3 Bde. Aus dem Tschechischen übersetzt von Thomas Krzenck (Monumenta Germania Historica Schriften 43), München 2002; Bezold, Friedrich von: König Sigmund und die Reichskriege gegen die Husiten, 3 Bde., München 1872–1877 (der Nachdruck von 1976 vereinigt alle drei Bände in einem Band); Schlesinger, Gerhard: Die Hussiten in Franken. Der Hussiteneinfall unter Prokop dem Großen im Winter 1429/30, seine Auswirkungen sowie sein Niederschlag in der Geschichtsschreibung (Die Plassenburg 34), Kulmbach 1974; Machilek, Franz: Hus und die Hussiten in Franken, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 51 (1991), S. 15–37; Machilek, Franz: Jan Hus, die Hussiten und die Oberpfalz. Festvortrag beim 15. Speinsharttag am 8. Juli 1994, Speinshart 1995; Polívka, Miloslav: Nachrichten zur böhmischen Geschichte als Beispiel für die Auswertung eines brandenburgisch-markgräflichen Rechnungsbestandes aus der Zeit der Hussitenkriege, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 52 (1992), S. 223–229; Polívka,

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telbar betroffenen Territorien durch die Organisation eines auf Reichsebene angelegten, länger andauernden „täglichen Krieges“ an der Grenze zu unterstützen, scheiterten letztlich oder blieben in ihrer Umsetzung bruchstückhaft.5 Kreuzzug und Landwehr unterschieden sich in drei wesentlichen Punkten: Da es sich bei den Hussiten um Feinde der Christenheit handelte, war das offen propagierte Ziel der Kreuzzüge nicht wie in anderen Kriegen lediglich die letztliche Niederwerfung des Kontrahenten, sondern die physische Vernichtung jedes einzelnen Gegners.6 Selbst wenn sich ein Ritter des niederbayerischen Kontingents 1421 freikaufen konnte7, bestimmte diese Ideologie in den ersten Jahren prinzipiell tatsächlich den Charakter der Kriegsführung. Dagegen entsprach im Bereich der Landesverteidigung die Art und Weise des VorMiloslav: Nürnberg und die böhmischen Städte in der Hussitenzeit, in: Mediaevalia historica Bohemica 2 (1992), S. 101–118; Polívka, Miloslav: Wirtschaftliche Beziehungen Nürnbergs mit den böhmischen Ketzern in den Jahren 1419–1434, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 86 (1999), S. 1–19. Zum spätmittelalterlichen Kriegs- und Heerwesen in Bayern vgl. Lieberich, Heinz: Das baierische Heerwesen bis 1800, in: Mitteilungen zur Archivpflege in Oberbayern 37 (1950), S. 1075–1120; Beck, Wilhelm: Bayerisches Heerwesen und Mobilmachung im 15. Jahrhundert, in: Archivalische Zeitschrift N.F. (1911), S. 1–232. Vgl. hierzu außerdem ausführlich und mit weiterer Literatur Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 9 ff., S. 83–88, 337 ff. (siehe Anm. 3). 5 Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 121 f., 137 f. 6 Vgl. z.B. folgende Aussagen: [...] ad eradicandum animarum virus tam mortiferum [...] (Kreuzzugsbulle Martins V. vom 1. März 1420, in: Palacký, František: Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges, Band 1, Prag 1873 [ND Osnabrück 1966], Nr. 12, S. 18), [...] ad conservandam fidem chatholicam et pestiferam heresim, que in regno Bohemie et locis finitimis pullulavit, comprimendam et funditus extirpandam [...] (Brief Martins V. 1421 an Sigismund, in: Fink, Karl August: Die politische Korrespondenz Martins V. nach den Brevenregistern, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 26 (1935/36), Nr. 3, S. 175), [...] Auch sol nimant keinen menschen morden oder abton one redlich sache, es sei dann uf den rechten keczern und die es mit in halten und in zulegung ton [...] (Frankfurter Heeresordnung zum Hussitenkreuzzug 1427, in: Kerler, Dietrich (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund. Dritte Abteilung 1427–1431 (Deutsche Reichstagsakten 9), ND Göttingen 1956, Nr. 31, S. 37). Bischof Albert von Regensburg griff in seiner Bekanntmachung der päpstlichen Kreuzzugsbulle vom 19. Dezember 1420 das Gleichnis vom Unkraut auf (bei Palacký, Urkundliche Beiträge 1, Nr. 53, S. 52 f.): Als ewch nu wol wissenlich ist, wie das pös unchraut des falschen vndiets, des verdampten volks der Hussen mit angenomer pöshait irer falschen ler vmd vngelaubens das haylsam edel chrawt und den waren sam christenleichs gelaubens, den der almächtig got vnser herr Jesus Christus mit seinem pittern tod vnd vergyessung seines rosenuarben pluets hie in die werlt gepflanczt vnd gepawt hat, zuuertreyben vnd zuuertilgen vormaynet, vnd daz zu vnterchomen vnd fürzusehen hat vnser heyliger vatter pabst Martinus, vicari des almächtigen gots hie auf erd, geuaren alls ein getrewer garttner, der daz vnchrawt ausrewtt vnd auswirft, daz das edel chrawt nit verderb [...], also hat er auch des öbristen herren, vnsers herren Jesu Christi banyer, daz ist daz heylig chrewcz auffgeworffen. Vgl. ausführlich Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 85 f. 7 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 104v.



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gehens, obwohl die einfallenden Hussiten natürlich immer noch Ketzer waren, im Allgemeinen der Kriegsführung „profaner“ Kriege und Fehden wie etwa der zeitgleich gegen den nordgauischen Adeligen Tristram Zenger geführten Fehde.8 Unter der mit der harmlos klingenden Formel „nam und prant“ umschriebenen Taktik ist freilich keinesfalls ein spielerisches Geplänkel, bei dem niemand zu Tode kam oder größeren Schaden davontrug, zu verstehen. Im Gegensatz zu den Kreuzzügen vernichtete man allerdings nicht automatisch jeden Gegner, sondern setzte ihn, falls möglich und potenziell lukrativ, gefangen.9 Wie die Verhandlungen mit Jan von Pajrek zeigen, der sich zwar eher aus pragmatischen Gründen zeitweise zum Hussitismus bekannte, deshalb aber nichtsdestoweniger als Hussit und damit als Ketzer zu gelten hatte, war es auf Landesebene auch bereits 1423 möglich, mit seinen hussitischen Gegnern ins Gespräch zu treten.10 Der zweite Unterschied zwischen Kreuzzug und Landwehr bestand – wie aus den Bezeichnungen selbst ja bereits hervorgeht – darin, dass die Kreuzzüge trotz aller Theorie offensive Feldzüge waren, wohingegen die Landwehr ungeachtet der in ihrem Rahmen durchgeführten kleineren Attacken einen Defensivkrieg darstellte. Darüber hinaus lag die Landesverteidigung letztlich allein in der Verantwortung des Landesherrn, während es sich bei den Kreuzzügen um ein gemeinsames Unternehmen mehrerer, theoretisch der ganzen Christenheit, handelte.11 Der Alltag der Kreuzzüge differierte deshalb auch im Hinblick auf organisatorische Fragen vom „all-täglichen Krieg“ an der Grenze. Da Zustandekommen und Durchführung der Kreuzzüge und Reichskriege auf dem Willen und Konsens mehrerer Parteien basierten, spielten die Verhandlungen zwischen dem König, den Kurfürsten, den Kardinallegaten und den Reichsständen eine zentrale Rolle und nahmen zeitlich gesehen einen wesentlich breiteren Raum ein als die beschlossenen militärischen Handlungen. Die Viztume, Verweser und Räte des Straubinger Herzogtums waren im Auftrag und als Vertreter ihres Herzogs auf allen größeren Tagen zumindest zeitweise persönlich anwesend.12 Besondere Aufmerksamkeit und Anteilnahme widmete man natürlich den Gesprächen 1422, als König Sigismund nach mehreren Jahren Abwesenheit wieder persönlich im Reich erschien und auf dem Weg nach Nürnberg am 19. Juli auch in Straubing empfangen wurde.13 Wenn der Herzog nicht 8 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 51 ff., 324 ff. 9 Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4 fol. 100r: Item gebn den geselln, alls sie an der landtwere gelegen sein das vorgenant jare zu bach, guldein von den Hussen, di si vingen und die gescheczt wurden, XX gld. R. Facit: IIII lb. IIII s. XX.d. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 173 f. 10 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 196–199. 11 Vgl. ebd. S. 83–87. 12 Vgl. ebd. S. 91, 96 ff., 118 ff., 135. 13 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 23r/23v: Item an sand Margareten tage vodert mein herre, der vicztum, meins gnedigen herren rete gein Straubing und lies si do meins herrn schreiben, das er aus Hollant von des romischen konigs wegen geton hat, horn, wie man zu im arbatn und meins gnedigen herren notturft vurbringen solt und auch an die kurfursten und wie man sich wider die Hussen haldn sull und von ander merklich sach und rechten wegen, die daselbs ausgericht wurden zwischen Jorg Fraunbergers und der Warter,

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durch eine Delegation vertreten war, informierte sich der Viztum mittels der Entsendung von Boten oder wurde auch von anderen, wie etwa dem Regensburger Bischof, auf dem Laufenden gehalten. Die Tatsache, dass der König häufig in Ungarn oder Österreich weilte und die zu Sigismund Reisenden in der Regel den Weg entlang der Donau wählten, erbrachte den Straubinger Verantwortlichen durchaus einen Kommunikationsvorteil: Bei der Gewährung des Geleits, der Übergabe von Gastgeschenken oder der Sorge um Beherbergung, was sich freilich auch finanziell niederschlug, konnte man sich – je nachdem – über Neuigkeiten im Reich oder am Hofe des Königs in Kenntnis setzen.14 Ab dem Tod Herzog Johanns und dem Streit um die Erbschaftsfrage standen die Verweser und der Ausschuss der Landstände zudem zwangsweise in fortwährendem Kontakt zum potenziellen Erben Herzog Ludwig von Ingolstadt, der die meiste Zeit in der Umgebung Sigismunds verbrachte und daher auch gegebenenfalls aktuelle Informationen aus dem Lager des Königs über die Hussitenfrage liefern konnte.15 Darüber, dass Viztume und Verweser stets über den Stand der Dinge und Verhandlungen im Bilde waren, was sich etwa in der korrekten Einschätzung bezüglich der Rolle der Kurfürsten für das Zustandekommen des zweiten Kreuzzugs 1421 widerspiegelte16, dürfte also kein Zweifel bestehen. Die Vorschläge und Ergebnisse der Verhandlungen sowie erhaltene neue Informationen wurden dem Herzog mitgeteilt bzw. mit den Räten und – in grundlegenden Fragen – mit den Landständen besprochen.17 Andererseits galt auch die Präsenz des niederbayerischen Greven Eczln und Kasparn Nuspergers. Gebn Greven Eczln, vir nacht, IIII gld., hofmaister, vir nacht, IIII gld., Friderichen Awer, vir nacht, IIII gld., Jorgen Fraunberger, vir nacht, IIII gld., Jorgen Aichperger, vir nacht, IIII gld., Joan Ramsperger, vir nacht, IIII gld., Wilhalm Frawnberger, vir nacht, IIII gld., item Peter Ecker, zwo nacht, II gld., Wilhalm Waller, vir nacht, IIII gld.; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 32r: Item an Sontag vor Marie Magdalene komen mein gnediger herre, der romisch konig, und mein frawe, die konigin, mit ander fursten und herren mit VII C pferdn gein Straubingen und beliben do uber nacht. Des morgens ritten sie gein Pfater und assen das mal da. Umb dieselben zerung alle schuf mein herre, der vicztumb, und meins hern rete den obgennanten konig und fursten zu losen. Die haben verczert aller sach: XLVII lb. LXV d. Rat.; 5, fol. 32v: Item an sontag vor Marie Magdalene wurden ettlich meins gnedigen herren rete gevodert und auch ritterschaft gein Straubing, das die mit meinem herren vicztum gegen dem konig reiten solten. Die waren uber nacht zu Straubing mit namen grave Eczel, Jorg Frawnberger, her Jorg Aichperger, Friderich Awer, Joan Ramsperger, Conrad Nusperger, Ditrich Stauffer und ettlich ander. Verzerten zue Straubing: VII lb. VI s. XI d.. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum NiederbayernStraubing in den Hussitenkriegen, S. 118 f. 14 So z.B. im Juni 1423, als sich der päpstliche Legat Kardinal Branda da Castiglione auf dem Weg nach Ungarn in Straubing aufhielt. Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 6, fol. 42r. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 104 f., 130. 15 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S.135–150. 16 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 3, fol. 26r. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 97 f. 17 Vgl. z.B. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 23v/24r: Item an mitwoch nach unser frawen tag Assumcionis vodert mein herre, der viczdom, meins gnedigen herrn prelate, rete, ritterschaft und stete und bracht vor die handlungen und sachn, die unser



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Viztums oder Verwesers bei den Verhandlungen als besonders erwünscht: So forderten die Kurfürsten 1421 Heinrich Nothaft ausdrücklich zum Nürnberger Tag und entsandten ihn als Vermittler im Bayerischen Krieg.18 König Sigismund beorderte den Straubinger Viztum zusammen mit einigen Räten 1422 dreimal dezidiert nach Regensburg.19 Über die Teilnahme an den geplanten Kreuzzügen entschied der Herzog, die organisatorischen Aufgaben erledigten vor Ort Viztum, Räte, Landschreiber und Kanzleibeamte. Am intensivsten beteiligte sich die Straubinger Landschaft am zweiten Kreuzzug 1421, für den Herzog und Viztum sogar eine außerordentliche Steuer von den Landständen genehmigt erhielten20, während es sich 1422 mit wesentlich geringeren Kräften offenbar nur im parallel zum Kreuzzug veranschlagten „täglichen Krieg“ engagierte.21 Die Kostenfrage sowie die Frage nach dem unmittelbar größeren Nutzen für das Herzogtum selbst, das sich 1422 intensiven Einfällen der Hussiten ausgesetzt sah, dürfte hierbei ausschlaggebend gewesen sein. Für 1420 kann eine Teilnahme eines geschlossenen niederbayerisch-straubingischen Kontingents nicht sicher belegt werden.22 1427 befanden sich Verweser und der Großteil der Landstände gerade während des Kreuzzugs in Verhandlungen wegen der Erbschaftsfrage.23 Die Mobilmachung für den Kreuzzug unterschied sich vom Ablauf her im Wesentlichen nicht von der in den Rechnungsbüchern sog. Rais an den Rein, einem 1424 durchgeführter Feldzug gegen Markgraf Bernhard von Baden, und stimmte – natürlich nicht zuletzt deswegen, weil mit einer Mobilmachung automatisch bestimmte Punkte verbunden waren – in den Grundzügen mit den Maßnahmen der Reichsstadt Regensburg überein.24 Zu klären galt es zum einen, wer die militärische Leitung des Kontingents übernahm, und, da diese Rolle dem Viztum bzw. in der Rais an den Rein dessen Sohn und automatischen Stellvertreter zufiel, wer einstweilen die Amtsgeschäfte in Straubing zu leiten hatte. Als Kern der Streitmacht wurde die Ritterschaft des Landes, die ohnehin zu einem großen Teil durch die Vergabe von Ämtern oder qua Dienstvertrag dem Herzogtum enger verpflichtet war, zu ihrem persönlichen Einsatz aufgefordert. Desgleichen erging eine Weisung an Klöster und Städte des Landes, einen Beitrag durch Stellung von gnediger herr, der konig, zue Nuermberg mit meinem herrn viczdom und den Reten verlassen hete von der lantstewr wegen an die Hussen, und wie man das unserm gnedigen herrn vurbringen wolt. [fol. 24r] Grave Eczln, V nacht, V guld., Jorgen Achperger zu losung und die er in solcher potschaft verzert hette, XI gld., item Conraden dem Nusperger, vir nacht, IIII gld., item Friderichen Awer, vir nacht, IIII gld., item Jorgen Frawnberger, vir nacht, III gld., item Wilhalmen Frawnberger, vir nacht, IIII gld., item Jan Ramsperger, vir nacht, IIII gld., item Peter Ecker, vir nacht, IIII gld., item Wilhalmen Waller, vir nacht, IIII gld. 18 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 3, fol. 26r, Nr. 4, fol. 46r. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 97 f. 19 Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 119 ff. 20 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 3, fol. 30v und 4, fol 17v. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 105 f. 21 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 126 ff. 22 Vgl. ebd., S. 92 ff. 23 Vgl. ebd., S. 138 ff. 24 Vgl. ebd., S. 322 ff., S. 329 ff.

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Fußtruppen, Wagen und Fuhrleuten zu leisten. Kriegsrelevant waren allerdings nicht nur die Kämpfer: Nicht minder wichtig für den reibungslosen Ablauf der Raise waren etwa der Kastner, der die Kriegskasse verwaltete und die unterwegs zu besorgende Verpflegung bezahlte, oder der Schmied, der sich um die Pferde kümmerte, oder auch der Trompeter, der praktisch-militärische, psychologische und repräsentative Funktionen besaß.25 Neben den personellen Fragen war die materielle Ausrüstung des Kontingents von zentraler Bedeutung. Da die grundlegende Bewaffnung von den Rittern, den in Dienst genommenen Berittenen und den Städten selbst zu stellen war, galt das Engagement der herzoglichen Verwaltung in Bezug auf die Bewaffnung der Truppe bei der Mobilmachung der Bereitstellung der vorhandenen Feuerwaffen, insbesondere der Steinbüchsen, und der dafür notwendigen Munition.26 Größeren Aufwand verursachte die Organisation der zum Transport benötigten Wagen, weil einerseits die herzoglichen sowie die von Klöstern und Städten gestellten nicht ausreichten und deshalb zusätzliche angemietet werden mussten und andererseits Wagen mit besonderer Bestimmung wie der Kammerwagen oder der Büchsenwagen erst herzustellen oder zu überholen waren. Nicht unwesentlich beschäftigte den Landschreiber auch die Fertigung der Zelte, Fahnen und Fähnchen.27 Die Sicherstellung der Verpflegung der Kontingente erfolgte durch die Mitnahme von Vorräten an verschiedenen Grundnahrungsmitteln und Hafer, die für einige Tage ausreichten, wobei die Unmengen Wein sicher nicht nur dazu dienten, den Durst zu stillen, sondern auch die Truppe bei Laune zu halten und einen „Lagerkoller“ zu verhindern.28 Quantitativ und qualitativ war die in Straubing verladene Verpflegung freilich nicht annähernd vergleichbar mit dem Aufwand der Regensburger für ihre Kontingente.29 Nachdem die mitgenommenen Vorräte zur Neige gegangen waren, erwarb man, sofern möglich, das Notwendige mit Mitteln aus der Kriegskasse oder erhielt aus Straubing Nachschub gesandt.30 Nach der Rückkehr des Kontingents vom Feldzug galt es zunächst die Wagen zu entladen und eventuell an ihren Herkunftsort zurückzuschicken, etwaige Verwundete zu versorgen31 und die blessierten und erkrankten Pferde zu pflegen. 32 Erst wenn diese 25 26 27 28

Vgl. ebd., S. 105–109, 248 ff. Vgl. ebd., S. 213 ff., 233 ff. Vgl. ebd. S. 248–255. Niklas Gressel hatte für den Kreuzzug 1421 Wein im Wert von 126 Pfund erworben. Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 98v. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 108 f. 29 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 329 ff. 30 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 45v, 49r, 57r, 98r, 98v, 99r, 120r. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 112. 31 Den Sohn des Ritters Georg Heuraus ließ man beispielsweise nach Regensburg bringen, wo er 13 Tage von Ärzten gepflegt wurde (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 41v). Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 114. 32 14 (!) Wochen lang pflegten zwei extra dafür eingestellte Knechte die Pferde, bei denen sich Viztum und Marschall noch Hoffnung auf Genesung machten (Bayerisches Hauptstaatsarchiv,



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wieder geheilt waren bzw. deren vollständige Heilung aufgegeben worden war, erfolgte die Schadensbilanzierung und die Auszahlung der für Verluste auf dem Feldzug von einem Gremium aus Viztum, Räten und Marschall beschlossenen Entschädigungssummen.33 Während Teilnahme sowie Art und Umfang des Engagements bei den Kreuzzügen und Reichskriegen letztlich prinzipiell der Entscheidung des Herzogs oder der Verweser überlassen war, hatte man auf Landesebene keine Wahl: Auf die 1421 einsetzenden und – mit ruhigeren Phasen – bis 1433/34 kontinuierlich fortgeführten hussitischen Streifzüge auf bayerisches Gebiet musste reagiert werden.34 Obwohl das Herzogtum NiederbayernStraubing eine relativ lange Grenze zu Böhmen besaß35, konzentrierten sich die hussitischen Überfälle auf das sog. Aigen oder den sog. Winkel hinter dem Hohen Bogen um die Orte Furth im Wald, Kleinaigen, Eschlkam und Neukirchen (bei Hl. Blut). Wenngleich dort vornehmlich Viehzucht betrieben wurde und Vieh zu den bevorzugten Beutegütern der hussitischen Raubtrupps zählte36, lag diese Schwerpunktbildung weniger an der guten agroökonomischen Situation der Gegend, sondern vielmehr an seiner geographisch offenen Lage, da sich zwischen Furth und Taus der in nordwestlicher Richtung verlaufende Höhenzug des Böhmerwalds bzw. Hinteren Bayerischen Wald deutlich absenkt. Wie die Landesverteidigung am besten zu organisieren war, lag in erster Linie in der Verantwortung des Viztums, der von ihm hinzugezogenen Räte und der Pfleger der betroffenen Region.37 Als Ratgeber wirkten auch die ansässigen arm lewt, da sie über die Verhältnisse und Gegebenheiten vor Ort am besten Bescheid wussten.38 Das selbstverständlichste und naheliegenste Mittel zum Schutz der Grenze bestand darin, die dort stationierten militärische Kräfte, die normalerweise nur aus dem Pfleger, dessen Mannen und der Burgenbesatzung bestanden, zu erhöhen. Als Basis für die zusätzlichen Truppen und als Zufluchtsort für die Bevölkerung und deren Habe reaktivierten Viztum, Räte und Pfleger, da sowohl die Märkte als auch die Städte im Aigen keine ausreichende Befestigung besaßen, das ins 12. Jahrhundert zurückgehende System der fortifizierten Kirchhöfe und ließen sie zu diesem Zweck zusammen mit der Burg (Klein-)Aigen in Stand setzen

Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 119v). Vgl. Bleicher, Das Herzogtum NiederbayernStraubing in den Hussitenkriegen, S. 114 f. 33 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 113 ff. 34 Vgl. zur Chronologie Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 155–160. 35 Bis auf die Gebiete des Passauer Hochstifts gehörte die gesamte im Nordosten an Böhmen grenzende Region zum Herzogtum Niederbayern-Straubing. 36 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 152 f. 37 Vgl. ebd., S. 160 ff., S. 257–289. 38 Vgl. z.B. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 30v: Item es vodert mein her, der viczdom, die arm lewt ab dem Aigen zu zwain maln zu im [gevodert] gein Straubing zu erfarn, wie man den Winckel zum bestn und meinem herrn zu dem nuczlichsten verwaren solt. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 169.

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und ausbauen.39 Zur Verstärkung der Grenztruppen nutzten Viztum Heinrich Nothaft und die Verweser verschiedene Möglichkeiten und Kombinationen, die sich am deutlichsten am Verlauf des Jahres 1422 erkennen lassen: Nachdem die Hussiten am 22. Februar Eschlkam, Neukirchen und weitere zwölf Dörfer der Gegend niedergebrannt hatten, entschieden Vitzum, Räte und Landstände, 65 Berittene für einen Monat zur Verteidigung der Grenze in den Kirchhöfen, die die Hussiten demnach nicht hatten beschädigen können, zu stationieren.40 Gleichzeitig sollten 15 angeworbene Schützen für die Sicherheit des Kötztinger Kirchhofs, der dortigen Bevölkerung und deren Habe sorgen.41 Außerdem beorderte man für einen Monat den Knecht des Büchsenmeisters als Sachverständigen für die Feuerwaffen ins Aigen.42 Am 22. März schickten Viztum und Räte dann ein Kontingent von 120 Pferden in den Winkel, die bis zum 1. September nicht nur das eigene Land schützen, sondern den „täglichen Krieg“ nach Böhmen tragen sollten.43 Von Mitte Mai bis Ende Juni wurden sie von 20 Schützen in Neukirchen und von zehn in Eschlkam unterstützt.44 Als diese Schützen abzogen, nahm die herzogliche Verwaltung zum erstenmal die militärische Unterstützung der Untertanen in Anspruch: Item ez haben die burger von steten und etlichen merckten von Johannis Baptiste [24.06.1422] untz auf Egidii [01.09.1422] zu Newnkirchen und Eschelkamb die vorgenannten zeit schuczen gehabt und auch bezalt, als dann mein herre, der viczdom, und rete auf sy gelegt haben.45 Immerhin drei Monate lang fielen die Schützen im Winkel also nicht zu Lasten der herzoglichen Kassen, sondern wurden von den Städten und Märkten gestellt oder angeworben und auf deren Kosten versorgt. Nachdem am 1. September sowohl die Berittenen als auch die Schützen der niederbayerischen Märkte und Städte auf Befehl des Viztums von der Landwehr abgezogen worden waren – vielleicht wollte und konnte man die Kräfte des Landes nicht über Gebühr strapazieren –, griffen die Verantwortlichen erneut auf die Indienstnahme von Söldnern zurück: Für einen Monat hielt Michel Harmberger mit 24 Schützen auf dem Kirchhof von Eschlkam Wache, der Cunczeller mit 20 Schützen auf dem Kirchhof in Neukirchen.46 Da der Harmberger und der Cunczeller für ihre Funktion als der

39 Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 160–169, 178– 186. 40 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 98v. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 169 ff. 41 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 98v. 42 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 98v: Item geben zu furlon und zerung von pfeyln und pulver und hantpuchssen gein Eschelkam und Newnkirchen zu furen und des buchsenmeisters knecht zu lon, daz er einen monad do gelegen ist: VI s. d. 43 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5. fol. 99r: Item darnach wurden mein herre, der viczdom, und meins herren rete eynig und schickten bey C und XX pferden in den Winckel, die meins herren [Land?; Wort fehlt] zu beschutzen und die Hussen zu beschedigen. Die lagen da von Letare auf Egidii und theten da groszen schaden mit name und prannt in Beheim und verczerten, als hernach geschriben stet. 44 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 100v. 45 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 101r. 46 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 101r.



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schuczen hauptleut extra entlohnt werden mussten47, verzichtete man im Oktober auf deren Anstellung, sondern setzte mit Pirvintel dem Schuster, dem Pervlein und Andre dem Sturm arm lewt aus Eschlkam und Neukirchen ein, die offenbar eine gewisse Befähigung zur militärischen Absicherung der Kirchhöfe und zur Leitung von Schützen besaßen.48 In der Zeit vom 22. Februar bis Ende Oktober hatte die Straubinger Verwaltung die Landwehr materiell und personell getragen oder unterstützt. Nach diesen acht Monaten war die Bereitschaft, die Hilfsmaßnahmen in der bisherigen Weise fortzusetzen, zumindest für das Jahr 1422 erschöpft: Item darnach vodert mein herre, der viczdom, den Pervlein und den Sturm und den Stamer gein Straubingen und sagt in, daz sy ir freythof selber solten verwarn, wann er nymand mer selden wolt, und schuf yn zerung. Den geben: XXXII d.49 Damit oblag die Verteidigung der Grenze, der Orte und der Region den ansässigen Bauern und Handwerkern. Auf Dauer neu in Dienst genommen wurden nur die beiden furer des kriegs auf die Hussen.50 Die Hauptlast der Landesverteidigung fiel deshalb den bei einer Warnung oder bei einem Überfall an die Grenze entsandten herzoglichen Amtsträgern und Dienern sowie deren Gefolge zu, die zusätzlich durch die Aktivierung der auf Abruf bereit stehenden „Diener von Haus aus“ ergänzt werden konnten.51 Umfang und Einsatzdauer variierten je nach vorliegenden Frühwarnungen, der Schwere des hussitischen Einfalls und der unmittelbaren Verfügbarkeit der Kräfte. In besonders akuten Perioden griff man kurzfristig wochenweise auf die Anstellung von Söldnern zurück, wobei es sich zumeist um Schützen handelte.52 Eine Inanspruchnahme der Landesverteidigungspflicht der Untertanen erfolgte offiziell bis 1429 immer nur dann, wenn die anderen Möglichkeiten und Ressourcen erschöpft waren. Herangezogen wurden außerdem nur die Bewohner des betroffenen Gebiets an der böhmischen Grenze und einige Städte und Märkte, die die ansonsten teuer zu bezahlenden Schützen zu stellen hatten. Ein allgemeines Landaufgebot erging bis zur Aufteilung des Herzogtums nicht.53 Neben der zentralen Aufgabe, die einfallenden Hussiten zurückzuschlagen bzw. sie allein durch ihre Präsenz von dem Vorhaben abzubringen, hatten die an der Grenze stationierten herzoglichen Dienstleute gemäß der zugrundeliegenden Strategie des „täglichen Krieges“ immer wieder kleinere Attacken nach Böhmen zu unternehmen: Item an freitag 47 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 101r. 48 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 101v: Item geben Pirvintel dem Schuster, daz er mit XIIII schuczen von Michaelis [29.09.1422] einen monden zu Eschelkamb gelegen ist und des kirchofs gewart hat: VIII lib. III s. VI d.; 5, fol. 101v: Item geben dem Pervlein und Andre dem Sturm, daz sy mit X schuczen zu Newnkirchen von Michaelis einen monden gelegen sind und des kirchofs gewart haben, yedem II guldein Unger. Machet: VI lb. d. Rat. 49 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 101v. 50 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 165 ff. 51 Ebd., S. 166 f. 52 Ebd., S. 167 ff. 53 Ebd., S. 301 ff.

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vor sant Gregorgentag [06.03.1422] vodert mein herre, der viczdom, meins gnedigen herrn rete und ettlich ritterschaft domit und wolt do eins zugs gein Beheim einung worden sein wider die Hussen, wann sie taglichs mit nöme und prant uber den walt komen und meins herren lant beschedigten.54 Diese Taktik stand insofern im Rahmen der Landesverteidigung, als die Überfälle auch dazu dienten, die Feinde in nur jeder möglichen Weise zu schädigen und zu schwächen sowie ihre Kräfte in der Defensive zu binden, damit sie sich nicht ungestört und mit ihrem gesamten Potenzial auf die Angriffe gegen die Nachbarländer konzentrieren konnten. Ziele der Ausfälle waren dabei in der Regel nicht die feindlichen Stellungen oder Befestigungen. Es ging vielmehr darum, alles, was leicht erreichbar war, zu plündern – zu „nehmen“ – und mit prant zu verheeren. Die Kriegsführung ging also wie bei jeder anderen Fehde vornehmlich zu Lasten der kleinen Leute auf dem Land, die sich nicht oder nur mit begrenzten Mitteln zur Wehr setzen konnten. Die Frage, ob es sich bei den Betroffenen tatsächlich um Hussiten handelte, dürfte in den Hintergrund getreten sein, wenn man mit den Verwüstungen einmal begonnen hatte. Ein Frühwarn- und Spionagesystem, das von speziellen Kundschaftern, aber auch herzoglichen Dienern und – in diesem Falle in Sold genommenen – arm lewt aus der Gegend getragen wurde, sollte über Pläne und Stärke der Feinde Aufschluss geben, damit man bereits vor einem Einfall mit der Entsendung von Hilfstruppen reagieren konnte.55 Der Versuch, durch die Schaffung von Bündnissen konzentrierter und effektiver gegen die Hussiten vorgehen zu können, war nur im Fall der Einung mit Pfalzgraf Johann erfolgreich, wenngleich auch diese Allianz nicht so eng war wie der Vertrag zwischen dem Pfalzgrafen und den Münchner Herzögen Ernst und Wilhelm 1429, als sich beide Parteien verpflichteten, jeweils 100 Pferde ein ganzes Jahr lang an verschiedenen Grenzorten zu stationieren.56 Stattdessen dürften Heinrich Nothaft und der Wittelsbacher überein gekommen sein, dem jeweils anderen, falls notwendig, militärischen Beistand zu leisten, sich gegenseitig zu konsultieren und zu informieren, wenn Warnungen vor hussitischen Einfällen und Truppenbewegungen eingetroffen waren oder sich die Situation in Böhmen anderweitig verändert hatte.57 Die Verhandlungen mit den böhmischen Adeligen Jan von Pajrek und Bohuslav von Riesenberg bezüglich einer Öffnung ihrer Burgen als Brückenköpfe für die niederbayerischen Truppen in Böhmen gestalteten sich vom Ergebnis her insgesamt als Fehlschlag. Jan von Pajrek konnte freilich, wenn nicht für ein Bündnis, so

54 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 21r. 55 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 9, fol. 14r: Item in der wochen vor Pfingsten wurden die Hussen hie aussen an dem Aigen und hueben sechs dorffer auf. Dornach in derselben wochen kam von stund an warnung, wie sy herwiederaus wollten und fur di kirchoff Eschelkamb und Newnkirchen und auch fur das Aygen zihen und arbaitten wollten. Also schickt mein her, der verwesz, an das Aigen mit sambt des Kamerawer gesellen auf XL pferdt [...]. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 175–177. 56 Den Text des Vertrags von 1429 vgl. bei Beck, Heerwesen, S. 24 f. (wie Anm.4). Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 193 ff. 57 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 194.



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doch wenigstens zeitweise für eine Absage an die hussitischen Parteien gewonnen werden.58 Aus Angst vor einer größeren „Heerfahrt“ der Hussiten, die, wie die Ereignisse des Winters 1429/30 zeigen, durchaus auch nicht unbegründet gewesen war, verfügten Viztum und Verweser überall im Herzogtum eine Verstärkung der Befestigungsanlagen, wobei sie insbesondere die nahe der böhmischen Grenze gelegene Feste Königstein fertigstellen und die Verwaltungszentrale und Residenz in Straubing ausbauen ließen. 59 Man bemühte sich, an allen zentralen Orten im Herzogtum einen Vorrat an Pulver und Munition für Handbüchsen und Armbrüste anzulegen, und gab einen mit gehörigem finanziellen, materiellen und logistischten Aufwand verbundenen Guss einer neuen „großen“ Büchse in Auftrag.60 Die Versorgung mit Nahrungsmitteln, auf die die in herzoglichen Diensten Stehenden einen Anspruch besaßen, erfolgte zumeist über Straubing. Wein, Brot und Hafer für die Pferde – allein im Monat Juni 1422 schickte die herzogliche Verwaltung 25 Wagenladungen in den Winkel61 – waren die am meisten benötigten Produkte. Mit zunehmender Dauer des Grenzkriegs scheinen Menge und Vielfalt der in den „Winkel“ transportierten Güter geringer geworden zu sein, Gewürze oder einen Koch für die Truppen leistete man sich nur anfänglich.62 Der Transport von Straubing in den Winkel verlief dabei nicht immer ohne Probleme. Besonders 1421 scheint das Wetter übel mitgespielt zu haben: Im Straubinger und Deggendorfer Raum vernichteten Schauer die Ernte63 und aus Schärding und Vilshofen wurden dem Landschreiber Sturmschäden und Hochwasser gemeldet64. Am 12. Oktober (!) zerstörte Eis auf der Isar die Brücke bei Plattling.65 Das folgende Tauwetter und einsetzender Regen führten auch im Bayerischen Wald zu Hochwasser. Der am 19. November nach Eschlkam geschickte, mit Wein beladene Dreispänner blieb stecken und musste auf Besserung der Lage warten.66 Nicht anders erging es ungefähr zwei Wochen später dem Wagen, der allerley speis, schmalcs, kas, zwival und salz transportierte. Desselben mals kam nämlich ein gusse, die weil sie underwegen warn, und mochten vor wasser nicht anheim. Erst nach 14 Tagen gelangten sie nach Straubing zurück.67 Aufgrund der Abwesenheit des Herzogs bzw. der sich an seinen Tod anschließenden Erbschaftsproblematik kam dem Viztum bzw. den Verwesern sowohl im Hinblick auf die Kreuzzüge als auch bezüglich der Landesverteidigung die entscheidende Rolle zu. Wenn58 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 196–199. 59 Vgl. ebd., S. 178–192. 60 Vgl. ebd., S. 209–248. 61 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 5, fol. 121r. 62 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 202–207. 63 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 56r, fol. 92r, fol. 119v. Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 206 f. 64 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 76r, fol. 76v, fol. 79r. 65 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 93v. 66 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 119r. 67 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ämterrechungen bis 1506, Nr. 4, fol. 50r.

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gleich Herzog Johann und die vier potenziellen Erbherren sicher über alle grundlegenden Vorgänge informiert waren, war es letztlich die Aufgabe des Viztums und der Verweser, die Kontingente für den Kreuzzug und den überregionalen „täglichen Krieg“ auf die Beine zu stellen und wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um das Herzogtum vor den Angriffen der Hussiten zu schützen.68 Neben Heinrich Nothaft, der wegen seiner langen Amtsdauer und seiner nicht zuletzt dadurch errungenen persönlichen Machtstellung sicher zu den prägendsten Gestalten im ostbayerischen Raum in diesen Jahren gehörte, werden im Zusammenhang mit den Hussitenkriegen, sei es im organisatorischen oder militärischen Bereich, am häufigsten Hans Degenberger, Wigalois Gewolf Degenberger, Hans Haibeck, Friedrich Auer, Peter Kamerauer, Erasmus Sattelboger, Friedrich Ramsberger und Georg Heuraus genannt.69 Die Ursache dafür ist zum einen natürlich in den jeweiligen Ämtern dieser Personen zu suchen – als Pfleger im Aigen hatte Erasmus Sattelboger zwangsweise mit den Hussiten zu tun –, zum anderen fällt allerdings auf, dass die Besitzungen all dieser Adeligen zumindest zum weitaus größten Teil im Bayerischen Wald lagen, während der südlich der Donau begüterte Adel im Rahmen der Hussitenkriege weit weniger aufscheint. Je näher die eigenen Güter an der böhmischen Grenze lagen, desto intensiver wurden offenbar das Interesse und das Engagement für die Abwehr und Niederwerfung der Hussiten. Betrachtet man die Effektivität der ergriffenen Maßnahmen, ist zu konstatieren und wurde bereits von den Zeitgenossen wie etwa Andreas von Regensburg beklagt, dass diese mehr als zu wünschen übrig ließ: Niederlagen der katholischen Partei gehörten zum Alltag der Hussitenkriege, die vereinzelten Siege wie z.B. bei Hiltersried wurden gleichsam als Novum fast enthusiastisch aufgenommen. In Konfrontation mit den partiell fanatisierten und von Jan Žižka aus der Not heraus zwangsweise innovativ organisierten hussitischen Verbänden70 versagten sowohl auf Reichsebene als auch auf Landesebene die üblichen Organisationstrukturen und -muster. Die Kreuzzugsheere stellten, sofern ein Heer überhaupt zusammenkam, ein Konglomerat verschiedener Einzelkontingente wie dem niederbayerisch-straubingischen dar, denen eine klar definierte und übergeordnete Führungsstruktur fehlte. Uneinigkeit und Planlosigkeit bezüglich des strategischen Vorgehens waren so fast vorprogrammiert.71 Der Mangel eines schlüssigen Gesamtkonzepts wurde freilich schon auf den Tagungen im Vorfeld deutlich, wenn es nicht einmal gelang, eindeutig zu verkünden, an welchem Ort und zu welchem Termin sich die Heeresteile eigentlich versammeln sollten.72 Eine Koordination zwischen den Heeren der Reichsfürsten, des Königs, Herzog Albrechts von Österreich und den Schlesiern war auch nicht nur annähernd vorhanden. Die Disziplinlosigkeit des Heeres, der man aufgrund der fehlenden Führungsstrukturen nicht Herr werden konnte, tat ein Übriges hinzu. Angesichts der laufenden Misserfolge und des funktionierenden hussitischen Vorbilds vor Augen ent68 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 256–265. 69 Vgl. ebd., S. 268–289, 291–299. 70 Vgl. die Literaturangaben hierzu ebd., S. 75–82. 71 Vgl. ebd., S. 109–113, S. 126–129, 138–144, mit Literaturangaben zu den Hussitenkreuzzügen allgemein. 72 Vgl. ebd., S. 124.



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wickelte sich allmählich auf breiterer Basis die Erkenntnis, dass die überkommene Vorgehensweise und Organisationsstruktur zu modifizieren war. Mit der Übertragung des Kommandos auf einen Hauptmann, dem Versuch mittels der Heeresordnung von 1427 Führungsstrukturen zu schaffen und einen disziplinarischen Maßnahmenkatalog festzulegen sowie mit der kontinuierlichen Steigerung der von den Reichsständen zu stellenden Feuerwaffen wollte man dieser Erkenntnis Rechnung tragen. Um echte Innovationen handelte es sich bei der 1427 veranschlagten reichsweiten Steuer, mittels derer ein großes Söldnerheer finanziert werden sollte, und dem 1431 erfolgten Beschluss, den 25. bzw. 50. Mann auszuheben.73 Allein auch diese Reformansätze und Neuerungen brachten keinen Umschwung. Sie waren zu punktuell, zu wenig durchgreifend oder scheiterten wie die Steuer an den allgemeinen grundlegenden strukturellen Problemen des Reiches. Obwohl die hier erprobten Modifikationen und Innovationen prinzipiell zukunftsweisend waren, sollten bis zu ihrem Wiederaufgreifen doch einige Jahre vergehen. Die Organisation der Landesverteidigung – im Fall der Fehde mit Tristram Zenger reagierten Viztum und Verweser ja ähnlich – krankte vor allem daran, dass den Grenzregionen professionelle Unterstützung immer nur im Notfall oder allein für kurze Zeitdauer geschickt wurde. Das beste Frühwarnsystem half nichts, wenn nur wenige Berittene und Schützen vor Ort anwesend waren und zusätzliche Kräfte erst von Straubing aus umständlich benachrichtigt werden mussten. Zu berücksichtigen gilt es freilich, dass sich das Herzogtum gleichzeitig mit einer Reihe anderer Konflikte konfrontiert sah, und es sich deshalb fast auch nicht leisten konnte, einen Großteil der ihm zur Verfügung stehenden Männer auf Dauer in einem Gebiet zu stationieren.74 Innovationen im wörtlichen Sinne gab es auf Landesebene im Rahmen der Hussitenkriege nicht: Das Grenzbefestigungssystem war reaktiviert worden und auf die Landesverteidigungspflicht der Untertanen wurde wieder zurückgegriffen. Die Erhebung einer landesweiten Notsteuer besaß bereits mehrere Vorbilder, der Einsatz von Feuerwaffen war vom Prinzip her nicht mehr neu, allein ihr Anteil erhöhte sich immer mehr, und auch die Indienstnahme einer gewissen Zahl von Söldnern war üblich. Im Rückblick und auf längere Frist gesehen trugen diese Maßnahmen, selbst wenn sie für sich genommen kein Novum darstellten, zu einem bereits im Gange befindlichen kontinuierlichen Wandel der militärischen Organisationsstrukturen bei, welcher wiederum Auswirkungen auf den Ausbau moderner Landesherrschaft besaß. So war der Befehl Heinrich Nothafts an die arm lewt, bei der Verteidigung der Grenze und ihrer Güter mitzuwirken, nur ein erster Schritt bei der militärischen Reintegration des größten Teils der Landesuntertanen. Die Folgen der Hussitenkriege waren gravierend: Die Plünderungs- und Zerstörungszüge (nam und prant) hatten die Region an der böhmischen Grenze im Nordosten des Herzogtums so schwer geschädigt, dass das wirtschaftliche Leben der ohnehin nicht gerade begünstigten Gegend fast vollständig zum Erliegen kam und einige Orte für immer aufgegeben wurden.75 Furth, die Feste am Aigen, Eschlkam, Neukirchen, die Feste Peilstein, der Markt Kötzting und die Gerichte waren nach Schätzung des Ausschusses, der 73 Vgl. ebd., S. 126 f., S. 139 ff., 328 74 Vgl. ebd., S. 51–64. 75 Vgl. ebd., S. 305 f.

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das Herzogtum unter den Erben aufteilen sollte, 1429 gerade mal mit einem jährlichen Ertrag von 100 Pfund einzustufen.76 Straubing wurde im Vergleich dazu mit 1043 Pfund geführt.77 Das Herzogtum als Ganzes litt neben den Steuer- und Ernteausfällen und dem langfristig notwendigen Wiederaufbau der Region unter den partiell sehr hohen Kosten, die durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Hussiten entstanden und teilweise nur durch die Erhebung einer landesweiten Notsteuer finanziert werden konnten. 1421 betrugen die Aufwendungen für den Kampf gegen die Hussiten mit 1918 Pfund ca. 19% aller Ausgaben, ca. 27% aller regulären Einnahmen und mehr als das Doppelte des restlichen „Militärhaushalts“ des Jahres.78 Für diese sehr hohe Summe, die den mit Abstand größten Einzeletat des Haushalts 1421/22 darstellte, ist mit Sicherheit die intensive Beteiligung am zweiten Kreuzzug verantwortlich zu machen79, die sich besonders in den Bereichen „Pferde“ und „Verpflegung“ finanziell niederschlug. Allein die Kosten für die verendeten oder verwundeten Pferde betrugen mehr als das Doppelte der jährlichen Steuer Straubings. Ohne die Einnahmen aus der erhobenen Hussitensteuer wären die herzoglichen Kassen 1421/22 mit 2851 Pfund im Minus gewesen, wofür in erster Linie die Auseinandersetzung mit den Hussiten ausschlaggebend gewesen wäre. 1422 sanken die Ausgaben effektiv zwar auf 1139 Pfund, sechs Schilling und 22,5 Pfennig ab, betrugen aber nun aufgrund der veränderten Ausgabesituation 21% aller Ausgaben. Zusammen mit den übrigen militärischen Aufwendungen, die immer noch um 100 Pfund niedriger lagen als der „Hussitenetat“, beliefen sich alle militärischen Ausgaben 1422/23 insgesamt auf ca. 40% der gesamten Ausgaben und 38% der regulären Einnahmen. Während 1423/24 und 1425/26 nur ca. 100 Pfund für die Auseinandersetzung mit den Hussiten ausgegeben wurden, betrugen die Kosten 1424/25 und 1426/27 das Vierfache des jeweiligen Vorjahres. Als alleinige Erklärung dafür, warum sich die nur 14 Jahre dauernden Hussitenkriege relativ stark im Bewusstsein der Bevölkerung einprägten80, reichen diese Befunde aller76 Krenner, Franz von: Baierische Landtagshandlungen in den Jahren 1429–1513. 2. Niederländische Landtage im Straubinger Landantheile, München 1803, S. 13, 19. 77 Ebd., S. 16. 78 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 313 f. 79 Wie kostenintensiv besonders die Feldzüge/Kreuzzüge waren, lässt sich auch an den von Sander, Paul: Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs aufgrund ihres Zustandes von 1431 bis 1440, Leipzig 1902, S. 500, zusammengestellten Daten für Nürnberg nachvollziehen: 1431, als der letzte Kreuzzug gegen die Hussiten unternommen wurde, beliefen sich die Ausgaben Nürnbergs auf 9493 Pfund. Im folgenden Jahr, als kein großer Feldzug stattfand, musste die Stadt nur mehr 122 Pfund investieren. 80 Dies spiegelt sich etwa in zahlreichen Sagen und Legenden, in der Zurückführung der Wallfahrt nach Neukirchen, des Kötztinger Pfingstritts und des sog. „Hus-aus-Läutens“ auf Ereignisse der Hussitenzeit oder in lokalen Ortsbezeichnungen wider. Vgl. hierzu Baumann, Mathilde: Neukirchen b. Hl. Blut. Markt und Wallfahrt am Hohenbogen, Grafenau 1978, S. 148 ff; Krausová, Milada: Husitské války. V historickém povědomí obyvatel česko-bavorského pohraničí (Průvodce historií západních Čech č. 4), Domažlice 2000, S. 216; Baumann, Winfried: Působení husitsmu na bavorsko-české sousedství, in: Minuloszí západočeskeho kraje 26 (1990), S. 123–144, hier S. 135 ff.; Dorfner, Dominik: Hussiten. Vom Scheiterhaufen in



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dings nicht aus. Not und menschliches Leid hatten auch andere Auseinandersetzungen zur Folge, die aber keinen vergleichbaren Widerhall fanden. Weitere Aspekte scheinen hier maßgeblich gewesen zu sein: Im Gegensatz zum Landshuter Erbfolgekrieg oder zur Fehde mit Tristram Zenger, dessen nam und prant-Züge Niederbayern ebenfalls zehn Jahre lang in Atem gehalten hatten81, begleitete die Hussitenkriege eine ideologisch motivierte Propaganda, deren Ziel es war, die Hussiten so schlimm als möglich darzustellen. Die ihnen zugeschriebenen Gräuel und Übergriffe, die von ihnen tatsächlichen verübten Gewalttaten und ihre fast unheimlich anmutenden militärischen Erfolge verbreiteten eine Atmosphäre von Angst und Schrecken, weshalb es auf längere Frist nur eine geringe Rolle gespielt haben dürfte, dass der Charakter der Kriegsführung auf Landesebene im Großen und Ganzen durchaus im üblichen Rahmen geblieben war.82 Eine weitere Ursache, die insbesondere begründen würde, warum hussitischen Truppen die Schuld an Übergriffen zugeschrieben wurde, obwohl es sie noch nicht oder nicht mehr als religiös verfolgte Gruppe gab, dürfte in der Kontinuität militärischer Konflikte an der bayerisch-böhmischen Grenze im 15. Jahrhundert liegen. Wurden vor 1433 die kriegerischen Auseinandersetzungen aus religiöser Motivation oder auch nur unter dem Deckmantel dieser geführt, befehdeten sich danach böhmische und bayerische Adelige zur Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche und Rechte. Bereits am 2. September 1434 z.B. musste Sigismund eine zwitrecht und miszhellung zwischen Herzog Wilhelm von Bayern-München und Durszk von Deincgk und anderen, darunter auch Racek von RiesenKonstanz zu den Brandstätten in der Oberen Pfalz, Furth bei Landshut 21998, S. 57, 59 ff.; Geitner (Eichstätt): Anton: Glocken, in: Deutsche Gaue 9 (1980), S. 63–68, hier S. 63 f. Wenn der Deggendorfer Stadtschreiber Paul Wäckinger 1538 in seiner kurzen Stadtgeschichte die Schuld am verheerenden Stadtbrand 1332 (!) den Hussiten zuschrieb (Behrendt, Lutz-Dieter: Das Archivrepertorium des Magisters Paul Wäckinger von 1538. Zur Tätigkeit eines Deggendorfer Stadtschreibers, in: Deggendorfer Geschichstblätter 22 (2001), S. 125–148, hier S.  137 f.), zeigt dies, wie präsent die hussitischen Einfälle über ein Jahrhundert nach der Schlacht von Lipany waren. Für den nach einer Begründung für den Brand und die anschließenden Steuererlasse Herzog Albrechts suchenden Stadtschreiber konnte es nur so sein, dass die Hussiten, die vor längerer Zeit Teile Niederbayerns verheert hatten, auch für dieses schreckliche Ereignis verantwortlich waren. Die Angabe Wäckingers wurde noch 1959 im Artikel „Glauben und Trauen galt mehr als Brief und Siegel. Wie der Deggendorfer Stadtschreiber die Akten ordnete“ der „Heimatglocken“, der Beilage der Deggendorfer Zeitung für heimatliche Belehrung und Unterhaltung (11. Jahrgang, Nr. 10, S. 1), kritiklos übernommen. Vgl. Behrendt, Wäckinger, S. 138. Zur Rezeption des Jan Hus, der Hussiten und der Hussitenkriege allgemein vgl. besonders Graus, František: Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln 1975, S. 318 f.; Kořalka, Jiři: Jan Hus und die Hussiten in den deutsch-tschechischen Beziehungen des 19. Jahrhunderts, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 35 (1984), S. 495–507, hier S. 496 ff.; Seibt, Ferdinand: Das Konstanzer Gericht im Urteil der Geschichte, München 1972. Das Standardwerk für die Geschichte des Jan Hus und der Hussitenkriege bildete, selbst für die böhmischen Utraquisten, lange Zeit die 1458 verfasste „Historica Bohemica“ des Enea Silvio Piccolomini, Papst Pius II. 81 Vgl. Bleicher, Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen, S. 51 ff., 324 ff. 82 Ebd., S. 347 f.

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berg, der Sohn Raceks d. Ä und Neffe Bohuslavs von Riesenberg, schlichten. 83 Am 2. August 1437 klagte die Bürgerschaft von Furth bei Herzog Albrecht III. von BayernMünchen über das große Verderben, das sie getroffen hat und noch täglich trifft, weil die Böhmen sie schon wieder angegriffen hätten.84 Falls Albrecht nicht einen anderen Pfleger einsetzen würde, müssten sie alle [...] da dannen ziehen. Ihr Gut hätten sie schon verloren, sie wollten wenigsten am Leben bleiben.85 Am Ende des Briefes entschuldigten sich die Further schließlich noch, dass sie nicht persönlich vorgesprochen hätten, aber sie müssten des Frithofs hueten, weil sie nicht ein Or sicher seien.86 Die Urheber dieser Auseinandersetzung waren auf böhmischer Seite der ehemalige Taborit Přibík von Klenau und Racek von Riesenburg, der Neffe Bohuslavs, und – dem Brief der Further nach zu schließen – auf bayerischer Seite ein Kamerauer, wahrscheinlich Peter Kamerauer.87 Da die Hussiten ihre religiösen Überzeugungen nach dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen beibehielten, die zahlreichen Fehden von denselben Personen geführt wurden, die sich vorher aus religiösen Motiven bekämpft hatten, sich im Böckler- und Löwlerkrieg die ostbayerischen Adeligen mit böhmischen gegen den Herzog verbanden und unter dem „Ketzerkönig“ Georg von Poděbrad und Papst Pius II. hussitische Glaubenslehren erneut stärker ins Blickfeld der Kirche rückten88, wird für die Mehrheit der Bevölkerung nicht unbedingt ein klarer Schnitt zu erkennen gewesen sein.

83 Palacký, Urkundliche Beiträge 2, Nr. 925, S. 431 f. (wie Anm. 6) Vgl. auch Würdinger, Josef: Kriegsgeschichte von Bayern, Franken, Pfalz und Schwaben von 1347 bis 1506 1, München 1868, S. 192. Mit Durszk von Deinczgk ist ist wohl der Burggraf von Bischofteinitz Zdenko Dřska gemeint. Diese Auseinandersetzung könnte auch die Schäden verursacht haben, die oftmals noch Hussiten angerechnet werden. 84 Der Brief Furths an Herzog Albrecht gedruckt bei Krenner, Landtagshandlungen 2, S. 69–72. 85 Ebd., S. 70. 86 Ebd., S. 71. 87 Weissthanner, Alois: Der Kampf um die bayerisch-böhmische Grenze von Furth bis Eisenstein, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 89 (1939), S. 187–358, hier S. 203 f. 88 Vgl. hierzu zusammenfassend mit weiterer Literatur Macek, Josef: Georg von Podiebrad, in: Lexikon des Mittelalters 4, München und Zürich 1989, Sp. 1275 f.; Eberhard, Winfried: Georg (Jiří) v. Poděbrad, in: Lexikon für Theologie und Kirche 4 (1995), Sp. 486.

Gisela Vollmann-Profe „Die Hussitische Revolution“ im Spiegel preuSSischer Chroniken1 Das Verhältnis zwischen Hussiten und Deutschem Orden stand und steht nicht im Zentrum der Hussitologie.2 Das ist nicht erstaunlich, denn weder in den geistigen noch in den militärischen Auseinandersetzungen der Hussiten war Preußen ein besonders wichtiger Gegner. Dennoch gab es zwischen beiden Mächten Berührungen – dies allein schon auf Grund der besonderen Beziehungen zwischen Böhmen und dem Deutschen Orden. Denn seit dem höchst wirkungsvollen Eintreten Ottokars II. für den Orden3 waren Böhmen und das Deutschordensland Preußen auf der Basis gemeinsamer Interessen freundschaftlich verbunden.4 Diese Verbindung hatte, trotz gelegentlicher Irritationen, bis in die Regierungszeit Wenzels IV. Bestand: Auch noch unter dessen problematischer Herrschaft sind beide Seiten, jede auf ihre Weise, bestrebt, aus der traditionellen Verbundenheit Kapital zu schlagen. Eine Destabilisierung der böhmischen Verhältnisse, wie sie durch die hussitische Bewegung gegeben war, konnte Preußen also nicht gleichgültig sein. Darüber hinaus war der Orden gezwungen, sich direkt mit dem Hussitenproblem auseinanderzusetzen – spätestens dann, als die böhmischen Aufständischen 1420 durch den Kreuzzugsaufruf des Papstes Martin V. gewissermaßen offiziell zu Ketzern erklärt worden waren. Denn nun war der Orden, der stets Wert darauf legte, seinem Programm entsprechend als Verteidiger des wahren Glaubens angesehen zu werden, aufgefordert, sich am Kreuzzug gegen die Ketzer zu beteiligen – und er hat nicht geringe Mühe darauf verwandt, sich dieser Verpflichtung zu entziehen.5 Schließlich gab es auch eine militärische

1 ,Die hussitische Revolution‘ lautet der Titel des Standardwerkes von František Šmahel, 3 Bände, Hannover 2002. 2 Šmahel (wie Anm. 1) erwähnt Preußen in seiner umfangreichen Untersuchung nur beiläufig – mit einer Ausnahme: Wo er vom Ende der sogenannten ,herrlichen Feldzüge‘ der Hussiten berichtet, gibt er eine Beschreibung von deren 1433 unternommenem Heereszug durch Preußen (S. 1579–1582). – Über die hussitische Heerfahrt nach Preußen näher Macek, Josef: Husité na Baltu a ve Velkopolsku [Die Hussiten auf dem Weg in das Baltenland und in Großpolen], Praha 1952, S. 59–73 (mit Kartenskizze nach S. 64). 3 Vgl. dazu z.B. den Bericht in Jeroschins Chronik (Nikolaus von Jeroschin, ,Di Kronike von Pruzinlant‘, hg. von Ernst Strehlke, in: Sriptores rerum Prussicarum, Bd. 1, Leipzig 1861 (Nachdruck Frankfurt/M. 1965), S. 303–624, hier S. 417–419 [vv. 9885–10136]). 4 Zum Verhältnis Böhmen-Deutscher Orden vgl. Rautenberg, Wilhelm: Einwirkungen Böhmens auf die Geschichte des Ordenslandes Preußen im späten Mittelalter, in: Zeitschrift für Ostforschung 22 (1973), S. 626–695; Vollmann-Profe, Gisela: Böhmen und das Preußenland, in: Bok, Václav/Behr, Hans-Joachim (Hgg.): Deutsche Literatur des Mittelalters in und über Böhmen II, Hamburg 2004, S. 173–183. 5 Vgl. Rautenberg (wie Anm. 4), S. 670–675. Erst am Ende des Jahrhunderts, im Kampf gegen die Türken, hat sich der Orden „dem doppelten Druck, der vom Thorner Frieden und seiner

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Konfrontation, als Vertreter des Ordens in Kämpfe mit polnisch-hussitischen Einheiten verwickelt wurden, die raubend und mordend durch Preußen bis zur Ostsee zogen. Angesichts dieser mehrfachen ,Kontakte‘ zwischen dem Orden und den Hussiten dürfte es nicht uninteressant sein zu untersuchen, wie die hussitische Bewegung in zeitgenössischen preußischen Chroniken reflektiert wurde. Wie wurde diese einzige „sozialreligiöse Bewegung“ der Zeit, die „den Namen revolutionär verdiente,“6 von führenden Männern eines Landes gesehen, das sich, wenn auch unter gänzlich anderen Prämissen, ebenfalls im Umbruch befand? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, werden im Folgenden die ,HussitenAbschnitte‘ in jenen preußischen Chroniken analysiert, die in zeitlicher Nähe zu den geschilderten Ereignissen entstanden. Vier Chroniken, die in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlicher Akzentuierung auf die Hussiten Bezug nehmen, bieten sich für die Analyse an: Conrad Bitschins Fortsetzung der Chronik Peters von Dusburg7, Laurentius Blumenaus ,Historia de ordine Theutonicorum cruciferorum‘8, die Fortsetzung der Posilge-Chronik9 und die ,Ältere Hochmeisterchronik‘10.

I. Beginnen wir mit Blumenaus Fragment gebliebener Chronik, in der die Hussiten nur einmal kurz erwähnt werden. Dort findet sich zum Jahr 1433 die Mitteilung: Gens Slava, plus inquieta quam strennua, et furore pocius quam virtute intollerabilis [...] hereticorum de Bohemia auxiliis stipata trepidam et viribus exutam partem illam Prusie, que Pomerania hodie dicitur, ingreditur et oppidum Conitcz [...] obsedit („Das slavische Volk, mehr unstet als wacker, und mehr aufgrund seiner Gewalttätigkeit als aufgrund seiner Tapferkeit unerträglich, griff, verstärkt durch die Hilfstruppen der böhmischen Ketzer, jenen von Truppen entblößten und von Angst erfüllten Teil Preußens an, der heute Pomesanien genannt wird, und belagerte die Stadt Konitz“). Die tapferen Bewohner dieser Stadt jedoch obsessores ... cum magna Polonorum atque hereticorum strage abire compulerunt (... „zwangen, unter großen Verlusten der Polen und Ketzer, die Belagerer zum Abzug“).11 Greueltaten der Feinde werden in zwei Sätzen summarisch abgehandelt.

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ursprünglichen Stiftungsaufgabe ausging, nicht entziehen können.“ (Hartmut Boockmann, Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 1999, S. 213.) Johannes Fried, Das Mittelalter. Geschichte und Kultur, München 32009, hier S. 511. Hg. von Max Toeppen, in: Scriptores rerum Prussicarum, Bd. 3, Leipzig 1866 (Nachdruck Frankfurt/M. 1965), S. 478–506. Hg. von Max Toeppen, in: Scriptores rerum Prussicarum, Bd. 4, Leipzig 1870 (Nachdruck Frankfurt/M. 1965), S. 44–67. Hg. von Ernst Strehlke, in: Scriptores rerum Prussicarum, Bd. 3 (wie Anm. 7), S. 79–388. Hg. von Max Toeppen, Scriptores rerum Prussicarum, Bd. 3 (wie Anm. 7), S. 540–709. Toeppen (wie Anm. 8), S. 60f.



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Fragt man nach Gründen für Blumenaus Desinteresse an der hussitischen Bewegung, dürften sie kaum in seiner Unkenntnis der Vorgänge in Böhmen zu suchen sein; sicher hatte der „Geschäftsträger und Hofjurist“ des Hochmeisters12 von der ,böhmischen Ketzerei‘ gehört, doch war in den späten 50er Jahren, als der gelehrte Blumenau13 an seiner Chronik arbeitete, „Europa wieder frei von der böhmischen Furcht“,14 und der ohnehin knapp berichtende Chronist maß den Hussiten keine weitere Bedeutung mehr bei. Er gliedert sie, die nicht einmal einen Namen bekommen, einem polnischen Heer ein und zählt sie damit zu jenen Gegnern, deren feindlicher Gesinnung er eine wesentliche Schuld an der sich kontinuierlich verschlechternden Situation des Ordens gibt. Die Klage darüber bestimmt den Tenor seiner Chronik, die den Niedergang einer stolzen, glänzenden Herrschaft beschreibt. Dabei sieht Blumenau die Gründe für diese üble Entwicklung keineswegs nur bei den Feinden des Ordens, sondern auch im Fehlverhalten mancher Ordensmitglieder.15 Seine Chronik versteht sich also nicht zuletzt als Lehrstück über richtiges und falsches Herrscher-Verhalten.

II. Ausführlicher als Blumenau geht Bitschin16 in seiner Fortsetzung der Dusburgschen Chronik auf die Hussiten ein. Er kommt auf sie nicht erst im Zusammenhang mit den kriegerischen Handlungen gegen Preußen zu sprechen, sondern berichtet schon zu den Jahren 1429/30 von deren Übergriffen auf die Lausitz und dem Vordringen hussitischer Heerhaufen bis Bamberg. Sein besonderes Interesse gilt freilich dann den Ereignissen des Jahres 1433. Er berichtet, wie die Polen sceleratissimam Hussitarum congeriem, ex omni terrarum abjectissima fece collectam, sibi in auxilium adduxerunt („den höchst verbrecherischen Hussiten-Haufen, versammelt aus dem allerverworfensten Abschaum der Länder, zu ihrer Unterstützung herangezogen haben“).17 Weiter schildert er, wie dieser (polnisch-)hussitsche18 Kampfverband, nachdem die Stadt Konitz wegen des tapferen Widerstands ihrer Bewohner nicht eingenommen werden konnte, das Land verwüstend bis zum Meer vordringt. Bitschin beschließt seinen Bericht mit der Gestaltung 12 Toeppen (wie Anm. 8), S. 36. 13 Zu Blumenau vgl. die Monographie von Hartmut Boockmann, Laurentius Blumenau, Göttingen 1965. 14 Rautenberg (wie Anm. 5), S. 674. 15 Als besonders negative Beispiele hebt er Ulrich von Jungingen und Heinrich von Plauen hervor (Radicem malorum Ulricum miseriarum frutex Hinricus de Plauwen sanguine baro sequitur „Auf die Wurzel des Übels, Ulrich, folgte mit Heinrich von Plauen, von freiherrlicher Geburt, das Strauchwerk des Elends“: Toeppen (wie Anm. 8), S. 58. 16 Conrad Bitschin, der langjährige Stadtschreiber von Culm und spätere Inhaber geistlicher Ämter, war ein produktiver Schriftsteller. Als sein bedeutendstes Werk gilt ,De vita conjugali‘, das in neun Büchern weit mehr behandelt als das Eheleben. Zu Bitschin vgl. Toeppen (wie Anm. 7), S. 465–478. 17 Toeppen (wie Anm. 7), S. 500f. 18 Die Hussiten erscheinen als die treibende Kraft des Unternehmens.

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einer eindrucksvollen Szene,19 die die Verderbtheit der Hussiten nun einmal nicht durch die Darstellung exorbitanter Grausamkeiten illustriert, sondern durch Ruhmsucht und Hybris. Ibique latro insignis Zcepko, dux exercitus Hussitarum, aquas maris, ut refertur, ingrediens, elata cervice gloriabatur jactitando: ,Ecce, inquit, fratres, protestor vobiscum, quod hic in fines terre pertingens, obstantibus aquis marinis, ulteriorem non possum habere progressum‘ („Dort soll der bekannte Räuber Zcepko, der Führer des Hussiten-Heeres, in die Wellen des Meeres hineingeschritten sein und sich stolz erhobenen Hauptes öffentlich gebrüstet haben: ,Seht, Brüder‘, sagte er, ,ich nehme euch zu Zeugen, daß ich hier, am Ende des Festlands angelangt, (nur deswegen) nicht weiter vordringen kann, weil die Wogen des Meeres mich hindern‘“).20 Im Anschluß daran fährt Bitschin nicht unmittelbar mit dem chronologischen Bericht fort, sondern schiebt eine hochrhetorische Klage ein, in der die preclara terra Prussie („das berühmte Preußenland“) und ihre verzeiflungsvolle Situation apostrophiert werden. Dieser Abschnitt hebt sich mit der Expressivität seines Klagegestus deutlich vom Ton der übrigen Chronik ab. Der Abschnitt hatte seinen Platz denn auch urspünglich in einem Text, der eine andere literarische Form, den Planctus, vertritt. Bitschin hat diese Passage seiner ,Epistola ecclesie deplanctoria ad omnes terras et gentes cristicolas nephariis Hussitis et hereticis dampnabiliter perturbatas‘ entnommen.21 Diese ,Epistula‘ ist für unsere Fragestellung, auch abgesehen von ihrer partiellen Übernahme in die Chronik, interessant, weil sich die klagende Ecclesia unter anderem an das Preußenland wendet und es aufruft, sich gegen die Hussiten zu wehren, und dies nicht nur mit Waffengewalt, sondern auch mit den Waffen des Geistes; in diesem Bereich, so der Vorwurf, habe Preußen versagt, indem es den Plan zur Gründung einer eigenen Universität nicht realisiert habe. Es ist eine bemerkenswerte Stelle, denn hier greift ein Autor einmal auf, was in der preußischen Chronistik kaum eine Rolle spielt: daß der Hussitismus auch eine geistige Auseinandersetzung erforderte.22

19 Die Absicherung des Anonymus gerade an dieser Stelle durch den Hinweis, er wisse davon nur vom Hörensagen, ist interessant für sein Selbstverständnis als ,Historiker‘. 20 Toeppen (wie Anm. 7), S. 502. 21 Toeppen (wie Anm. 7) nimmt als Entstehungszeit der ,Epistula‘ sicher zurecht die „Zeit des Einfalles der Hussiten in Preußen“ an, nachdem „das Land schon weit und breit verheert, aber eher, als es von ihnen geräumt war“ (S. 477). – Die Form des Planctus war weit verbreitet; die Objekte der Klage konnten sehr unterschiedlich sein. Unmittelbar vergleichen läßt sich Bitschins ,Epistula‘ mit dem ,Planctus ecclesiae in Germaniam‘ Konrads von Megenberg aus dem 14. Jahrhundert. 22 Die ,Epistula‘ schließt mit einem Gedicht, das die Tapferkeit der Stadt Konitz verherrlicht, der Stadt, die Bitschin auch schon im knappen Chronik-Bericht hervorgehoben hatte (und die auch von Blumenau erwähnt und in der ,Älteren Hochmeisterchronik‘ gewürdigt wird). Hier nun wird der glückliche Ausgang einer Belagerung so gefeiert, daß Konitz geradezu zu einem Widerstands-Symbol hochstilisiert wird.



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III. Relativ ausführlich beschäftigt sich die Fortsetzung der Posilge-Chronik mit der hussitischen Bewegung, und anders als die übrigen Chroniken hebt sie nachdrücklich auf deren häretischen Aspekt ab. Sie verfolgt in drei Kapiteln die Entwicklung der keczczerye. Zunächst berichtet sie zum Jahr 1415 von der Verbrennung des Johannes Hus, und zwar nicht ohne zu erwähnen, daß er für seine Überzeugung bereitwillig den Tod auf sich genommen habe – eine Todesbereitschaft, die später auch manche seiner Anhänger gezeigt hätten.23 Der anonyme Verfasser erweist sich nicht nur als informiert über die Anregungen, die Hus durch Wicliffs Lehre erfahren hatte, sondern dokumentiert auch – gewissermaßen kopfschüttelnd – den staunenswerten Erfolg der Hus’schen keczczerye und vermutet, daß es lange dauern werde, bis dieses „Unkraut ausgemerzt sein würde“.24 Auch sieht er das Kuttenberger Dekret und den anschließenden Auszug der Deutschen aus der Prager Universität im Zusammenhang mit Hus’ Wirken.25 Zum Jahr 1417 kommt der Anonymus wiederum auf die Hussiten zu sprechen und bemerkt deren zunehmende Aggressivität gegen alle, die sich nicht zu ihrer Glaubensüberzeugung bekannten.26 Sie selbst aber hätten, um ihre Hus-Nachfolge auch äußerlich zu dokumentieren, das Bild einer Gans auf ihren Kleidern getragen.27 Die letzte Erwähnung der Hussiten schließlich findet sich in den Aufzeichnungen zum Jahr 1419, mit dem die Chronik endet. Der Chronist vermerkt den Tod Wenzels und konstatiert, daß die hussitische Bewegung danach noch mehr Zulauf erhielt und ihre Führer auch vor kriegerischen Unternehmungen nicht zurückschreckten. Doch beendet er seine Bemerkungen über die Hussiten nicht mit allgemeinen Feststellungen, sondern, ähnlich wie Bitschin, mit einer szenischen Darstellung. Er läßt einen Hussitenprediger auftreten und sagen: „Libin! Unser nuwe ordin und e wiset das us, das wir alle glich sullin syn [...] ir sullit alle fry sin, eynir als der andir!“ Do das dy lantherrin, ritter und knechte hortin, dy der secte worin, do vorlysin sy dy keczczerye [...] und zcogin so von enandir.28 Dies ist die einzige Stelle in den analysierten Chroniken, die sich mit dem Inhalt der keczczerye 23 Er wurde verurteilt wegen synir valschin lere, dy her ouch nicht wedirrufin wolde, und mit willin sich gab zcu dem fuer.[...] Ouch lysin sich etliche bornen mit willin off syne gerechtikeit von gemeynin lutin: Strehlke (wie Anm. 9), S. 352. 24 Is sulle lanksam usgerod werdin, das so von eynem bosin somen ist gewachsin: Strehlke (wie Anm. 9), S. 352. 25 Überlegungen zur Person Johanns von Posilge und seines Fortsetzers und zum Umfeld dieser zur geistigen Elite Preußens zählenden Männer bei Vollmann-Profe (wie Anm. 4), S. 179– 182. Für Vertreter dieser Elite läßt sich bis zum Inkrafttreten des Kuttenberger Dekrets ein Studium in Prag entweder nachweisen oder wahrscheinlich machen. Sie hatten dort Gelegenheit, nicht nur die Reformbestrebungen vor Hus, sondern auch den frühen Hus selbst kennenzulernen. 26 Ouch stunt is gar obil zcu Pragow von der keczczerye wegin, dy sy trebin noch anewesunge Hus eres apostiln und syner gesellin und schulern ... und vortrebin von dannen alle, dy der sectin nicht enworin: Strehlke (wie Anm. 9), S. 372f. 27 Strehlke (wie Anm. 9), S. 372, merkt an, daß ,Hus‘ im Böhmischen ,Gans‘ bedeutet. 28 Strehlke (wie Anm. 9), S. 386.

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beschäftigt. Sie tut dies freilich in einer kalkulierten Auswahl, die es dem Autor ermöglicht, eine Überwindung des Hussitismus nicht von außen zu fordern, sondern höchst wirksam seine zu erwartende Selbstauflösung vorzuführen. Er greift ausschließlich eine hussitische Extremposition auf und illustriert deren Unhaltbarkeit dadurch, daß die eigenen Leute scharenweise angesichts dieser ihre soziale Stellung gefährdenden Vision davonlaufen. Nicht zufällig ist es der sozialkritische Aspekt der hussitischen Bewegung, der aufgegriffen wird, denn damit konnte der Chronist der Aufmerksamkeit seiner Rezipienten sicher sein: ,Gesellschaftspolitische‘ Forderungen finden sehr viel leichter Interesse als die Erörterung theologischer Probleme. Doch greift der Anonymus die Idee von der Gleichheit aller Menschen nicht nur auf, um eine ,Gesellschafts-Utopie‘ der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern um an diesem Beispiel das sündhafte Denken der Hussiten zu illustrieren. Denn die Gleichheit aller Menschen nicht im Jenseits anzusiedeln, sondern im Hier und Jetzt zu fordern, stellt einen Angriff dar auf die tief verwurzelte traditionelle Auffassung, daß die ständische Gliederung der Menschen die gottgewollte Ordnung der Gesellschaft darstelle. Indem der Chronist also eine hussitische Forderung nicht nur als nicht durchsetzbar darstellt, sondern auch ihren häretischen Charakter anhand eines eingängigen Beispiels offenlegt, dürfte er gleichzeitig auch manche preußischen Rezipienten im Blick gehabt haben. Denn wenn zu seiner Zeit auch niemand in Preußen die Gleichheit aller forderte, so forderten doch viele die Veränderung der Herrschaftsstruktur.

IV. Die vierte der analysierten Chroniken, die ,Ältere Hochmeisterchronik‘29, spricht nur einmal von den Hussiten, dies aber relativ ausführlich, indem sie höchst einprägsam von dem schon mehrfach erwähnten Zug der Hussiten durch Preußen berichtet.30 Dieser Bericht bildet den letzten Abschnitt der Chronik, und er unterscheidet sich vom Vorhergehenden so auffällig, daß schon der Herausgeber Toeppen vermutet hatte, er könne „auch abgesondert als eine Art ,Neue Zeitung‘ verbreitet“ gewesen sein.31 Diese Vermutung hat sich inzwischen bestätigt;32 der kleine Text bildet ein in sich geschlossenes Ganzes und repräsentiert im Vergleich zur übrigen Chronik auch etwas literarisch 29 Die ,Ältere Hochmeisterchronik‘ setzt die Chronik des Nikolaus von Jeroschin fort, die als Übersetzung der Dusburgschen Chronik als ,offizielle‘ Ordenschronik galt. Der anonyme Fortsetzer übertrug zunächst Jeroschins Verse in die ,modernere‘ Prosa, bevor er, nach kleineren Übernahmen aus Wartberges Chronik, zum Jahr 1375 mit dem selbständigen Bericht begann, der mit dem Jahr 1433 endet. Die ,Ältere Hochmeisterchronik‘ ist nicht nur die erfolgreichste, sondern auch unter sprachlichen, literarischen und historischen Aspekten eine der interessantesten unter den preußischen Chroniken. Da die Chronik nicht jederzeit leicht erreichbar sein dürfte, wird die hier interessierende Hussiten-Passage im Anhang abgedruckt. 30 Es ist dieser Bericht, den Šmahel (wie Anm. 2) in seinem Werk über die Hussiten ausführlich zitiert. 31 Toeppen (wie Anm. 10), S. 530. 32 Vgl. Gisela Vollmann-Profe, Ungebetene geste aus Böhmen – der Hussiteneinfall von 1433 und die ,Ältere Hochmeisterchronik‘, in: Hans-Joachim Behr, Igor Lisový, Werner Williams-



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Neues, für das Toeppens ,Neue Zeitung‘ keine schlechte Bezeichnung ist. Man könnte ihn durchaus als ,journalistisch‘ bezeichnen.33 Er will informieren und tut dies auf anschauliche, verständliche Weise. Dabei verliert er auch bei der Konzentration auf den aktuellen Vorgang den größeren Zusammenhang nicht aus dem Blick. Der Anonymus skizziert zunächst den politischen Kontext, in dem nach seiner Meinung das militärische Engagement der Hussiten zu sehen ist: Nach dem Tod des LitauerFürsten Witold sei der dem Orden gewogene Swidergal Herzog geworden; die Polen hätten darin eine Verschiebung der Machtverhältnisse zu ihren Ungunsten gesehen. Dorumme namen sy zcu hulfe dy ketczer zcu Behemen.34 Nach dieser Vorab-Information folgt der Bericht über den Zug der Hussiten durch die Neumark und das eigentliche preußische Gebiet. Dessen Darstellung ist klar strukturiert; der Verfasser beschränkt sich auf die Wiedergabe von nur fünf Ereignissen, nämlich auf fünf Belagerungen, die er so angeordnet, daß sich jeweils Erfolg und Mißerfolg der Feinde abwechseln. Den größten Raum nehmen dabei freilich die erfolglosen Belagerungen ein. Die erste gilt jener Stadt, deren Tapferkeit auch bei Bitschin und dem Posilge-Fortsetzer hervorgehoben wird: Konitz. Hier schildert der Verfasser höchst anschaulich, wie die Belagerer der Stadt immer näher kommen und doch am Ende im wahrsten Sinn des Wortes ,baden gehen‘: Der von ihnen gegrabene Tunnel wird nicht nur von den Städtern partiell gesprengt, sondern auch von hereinbrechenden Wassermassen geflutet.35 Die zweite geplante Eroberung, die nicht zum Erfolg führt, betrifft Danzig. Hier vertreiben die Bewohner die Angreifer schon, bevor diese den Belagerungsring schließen können. Voraus geht aber die mutig-übermütige Aristie von acht Bürgern, die die vor der Stadt auf einem Berg lagernden Feinde ständig

Krapp (Hg.), Deutsch-böhmische Literaturbeziehungen. Germano-Bohemica, Hamburg 2004, S. 415–426. 33 Er nähert sich dem Typus des Zeitliedes, doch unterscheidet ihn von diesem die Prosa-Form und das Fehlen einer moralisierenden Tendenz. 34 Toeppen (wie Anm. 10), S. 632. 35 Unterbrochen werden die Bemühungen um die Erstürmung der Stadt durch eine Episode, in der beide Parteien ritterliches Verhalten demonstrieren: Vier Angreifer drohen im Schlamm am Boden eines abgeleiteten Sees zu versinken. Sie rufen um Hilfe, werden von den Städtern gerettet, gebadet, neu eingekleidet und ins Heer zurückgeschickt. Dessen hussitischer Anführer Jan Čapek von Sány sendet daraufhin nicht nur die Kleider zurück, sondern läßt auch hundert Gefangene frei. Für Šmahel (wie Anm. 2) scheint diese Episode „wie aus einer anderen Zeit zu stammen“ (S. 1581). Das geschilderte Verhalten mag innerhalb eines an Greueltaten nicht armen Berichts zunächst tatsächlich erstaunen; doch abgesehen davon, daß in der mittelalterlichen Literatur sich nicht selten in Kampfschilderungen ,humane Intermezzi‘ finden, muß das Handeln beider Seiten nicht unbedingt positiv gewertet werden. Die bedrängten Eingeschlossenen zeigen mit ihrer souveränen Haltung, daß sie keineswegs am Ende ihrer materiellen und geistigen Ressourcen sind; die Angreifer wiederum machen mit ihrer unverhältnismäßig großzügigen ,Revanche‘ deutlich, daß es ihnen auf hundert Gefangene mehr oder weniger nicht ankommt. – Zu Jan Čapek, Hauptmann der Waisen, Macek (wie Anm. 2), S. 62 f.; Šmahel (wie Anm. 2), S. 2218 (Reg.).

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durch kleine Geplänkel reizen und ihnen Schaden zufügen. Schließlich werden sie so tollkühn, daß eyner von yn wart irwoschst, und wart lebending gebroten of dem berge.36 Das letzte Zitat gibt Anlaß, nach der Sicht des Anonymus auf die Hussiten zu fragen. Er enthält sich jedes expliziten Urteils; implizit aber wertet er natürlich durch Materialauswahl und -präsentation. Dies zeigt sich zum Beispiel schon in der Schilderung der drei erfolgreichen Belagerungen. Zweimal gelingt die Einnahme der Stadt durch listigen Betrug: Während man am einen Ende der Stadt Verhandlungen führt, wird sie am anderen Ende von hussitischen Truppen erstürmt. Zur dritten Eroberung kommt es nur, weil der Zufall den Feinden hilft: Die Hussiten wagen nicht, eine Stadt anzugreifen, zünden aber zwei vor deren Mauern befindliche Speicher an; der Wind treibt das Feuer in die Stadt, die so zur leichten Beute wird. Nun sind die Attribute ,feig‘ und ,hinterlistig‘ integrale Bestandteile jeder FeindbildKonstruktion und sie sind in preußischen Chroniken besonders in Verbindung mit Jagiello geradezu topisch; wenn seine Verbündeten hier entsprechend dargestellt werden, ist dies das zu Erwartende. Auch daß Feinde als unmenschlich grausam geschildert werden, gehört zum Schema. Eine der berichteten Greueltaten aber fällt aus dem Rahmen: Sunder dem pharrer stissen sy seyn hopt yn eyne teertonne, und machten obir yn und obir eynen Behemen, der von erem ungloben do hyn entwichen was, und obir eynen monch, der widder sy phlach zcu predigen, eyn fuer und branten sy.37 Die Stelle ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Zum einen wird hier einmal, wenn auch ganz en passant, deutlich, was die Chroniken sonst gern beiseite schieben: daß die Hussiten eben nicht nur Bundesgenossen der Polen, also ,gewöhnliche‘ Feinde sind. Vielmehr nehmen sie auch in eigener Sache, also um der Durchsetzung ihres Glaubens willen, am Krieg teil. Sie wollen dessen erkennbare Gegner vernichten: Leute, die sich dem ,neuen Glauben‘ entzogen haben, andere, die den alten Glauben offen vertreten, und schließlich solche, die gegen Hus’ Lehren aktiven Widerstand leisten. Sie tun dies hier, indem sie sie bezeichnenderweise dem Feuertod überantworten. Zum anderen läßt der Text erkennen, was in den Chroniken ebenfalls keine Rolle spielt: daß auch in Preußen Vertreter der Kirche Anlaß sahen, sich mit dem Hussitismus auseinanderzusetzen.38

V. Wie also erscheinen, um die eingangs gestellte Frage wieder aufzugreifen, die Hussiten in preußischen Chroniken? Sie werden als Ketzer bezeichnet, als Abschaum der Welt, und sie werden dargestellt als räuberische, mitleidlose Kämpfer, die in friedliche Länder einfallen. Die eigentlichen Anliegen Hus‘ und seiner Anhänger werden kaum thematisiert, 36 Toeppen (wie Anm. 10), S. 637. 37 Toeppen (wie Anm. 10), S. 633. 38 Es dürfte kein Zufall sein, daß es ein Mönch ist, der gegen die Hussiten predigt; Zisterzienser und vor allem Franziskaner waren in Preußen ganz wesentlich an der Pastoral beteiligt. Die Hussiten wiederum wußten offenbar, wo ihre Gegner zu treffen waren: Sie zerstörten die Traditionsklöster Oliva und Pelplin.



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geschweige denn diskutiert. All dies findet sich mutatis mutandis auch in anderen nichtböhmischen Chroniken.39 So scheint, angesichts des Raums, den die Ereignisse von 1433 in den Chroniken einnehmen, auch hier die Feststellung zu gelten: „Hus wird also im Nachhinein, nach den Taten seiner Nachfolger, nicht nach seiner eigenen Tätigkeit beurteilt.“40 Darüber hinausgehend hat man konstatiert, daß gerade in Preußen das Unverständnis für hussitische Anliegen besonders groß gewesen sei: „Die extremen Erregungszustände in Böhmen waren den Menschen mit der sachlichen Bestimmtheit preußischen Denkens und dem eigentümlichen Empfinden für maßvolle Begrenztheit wesensfremd. Verworrener ideologischer Überschwang [...] paßte nicht in die karge Landschaft mit dem klaren Himmel an der Ostsee, paßte nicht zu der bildnerischen Helligkeit der Marienburg.“41 Man wird diesem Urteil insofern zustimmen können, als das Glaubensverständnis der ,Novi Maccabaei‘ (,Neue Makkabäer‘) und der ,Boží bojovníci‘ (,Gottesstreiter‘) tatsächlich denkbar verschieden war. Doch ist Unverständnis, das ja nicht notwendig Desinteresse bedeutet, kaum der alleinige Grund für das Schweigen der Chroniken über die Anliegen der hussitischen Bewegung. Es dürfte vielmehr auch bedingt sein durch eine andere preußische Besonderheit: durch die prekäre Situation des ,Kreuzzugs-Ordens‘ in einer Kreuzzugssituation, die man nicht akzeptieren wollte. Diese Annahme wird durch die Chroniken selbst nahegelegt: Ihr Umgang mit dem Hussitenproblem ist abhängig von ihrer Entstehungszeit beziehungsweise vom Zeitraum, der beschrieben wird. Der Posilge-Fortsetzer, der nur die Frühphase der Bewegung im Blick hat, beobachtet interessiert, wie sich diese, angestoßen von einem charismatischen, zum Märtyrer gewordenen Mann, rasch ausbreitet und zunehmend radikalisiert. Er weiß erstaunlich gut Bescheid über Hus’ Lehre, mit der er nicht sympathisiert, deren soziale Sprengkraft er aber klar erkennt. Doch kann er dies alles noch primär als böhmische Angelegenheit sehen, die Preußen nichts angeht. Dies hatte sich geändert, als Bitschin schrieb. Nun war die Hussitenfrage zu einem Problem des Reiches und der gesamten Kirche geworden, der Kreuzzugsaufruf war ergangen und der Orden zur Teilnahme aufgefordert. Nichts davon bei Bitschin. Mit der veränderten Situation hat sich der Blick des Chronisten geändert. Wenn nun von den Hussiten die Rede ist, werden sie zwar noch Ketzer genannt, aber nicht als solche dargestellt. Sie erscheinen als Landesfeinde, gegen die sich das Land verteidigen muß. Kreuzzugsstimmung wird nicht evoziert. Die Darstellung des Chronisten gibt damit, bewußt oder unbewußt, genau die Einstellung des Ordens wieder – des Ordens, dessen erste große und ,offizielle‘ preußische Chronik er fortsetzt. Die ,Ältere Hochmeisterchronik‘ schließlich minimiert nicht nur den Häresie-Aspekt, sondern eliminiert die Hussiten gänzlich; erst im hier besprochenen, ursprünglich selbständigen Anhang tauchen

39 Vgl. etwa František Matouš, Johannes Hus in den Schweizer Chroniken, in: Ferdinand Seibt u.a. Hg., Jan Hus. Zwischen Zeiten, Völkern, Konfessionen, München 1997, S. 367–373. 40 Matouš (wie Anm. 39), S. 369. 41 Rautenberg (wie Anm. 4), S. 666; die dort gegebene Beschreibung des Verhältnisses PreußenHussiten ist interessant, bedarf jedoch der Modifikation. So wäre z.B. die Rolle der Städte im Preußen des 15. Jahrhunderts zu berücksichtigen.

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sie auf.42 So bietet die Chronik ohne den ,Bericht‘ das Bild einer Geschichte des Ordens, in der es nie ein Hussitenproblem gab – eine Darstellung, die den Wünschen der Ordensleitung entsprochen haben dürfte. Wirklich erledigt war das Problem freilich erst für Blumenau, der etwa zwei Jahrzehnte nach der Schlacht von Lipany (1434) schrieb; für ihn ist die hussitische Bewegug ein historisches Ereignis ohne Folgen. Die Analyse macht deutlich, daß die Chroniken nur einen Ausschnitt des Gesamtbildes einer möglichen Wirkung der Hussiten und ihrer Anliegen in Preußen vermitteln können. Ob diese eine mentale Veränderung, wenn nicht angestoßen, so doch vorbereitet haben, muß offen bleiben.43 So ist auch nicht zu entscheiden, in wieweit die Begegnung mit dem Hussitismus dazu beigetragen haben könnte, daß sich 1525 Albrechts „Staatsstreich angesichts seines Zusammenhangs mit dem Glaubenswechsel, angesichts der stetigen Änderung der Verfassungsverhältnisse in den letzten Jahren [...] ohne nennenswerten Widerstand vollziehen“ ließ.44

Anhang Der Bericht über den Hussiteneinfall in Preußen in der ,Älteren Hochmeisterchronik‘ (Toeppen [wie Anm. 10], S. 632–637)

Kawme eyn jar dornoch starb herczog Wytold, und wart herre zcu Littawen hertczog Swydergal, der dem orden gut was, und den Polen gehas. Dorumme namen sy zcu hulfe dy ketczer zcu Behemen [und czogen mit en uff dy Pomerische seite] im jore unszers hern MCCCCXXXIII und quomen mit groszer macht yn dy Newe Marke, des ordens land, und stiften do grosen mord und brant. Sy quomen vor eyne stad Vredeberg genant und wolden sy stormen. Dye manschaft dorynne stalte sich troslich zcur were. Hirumme nomen dy keczczer vrede mit yn of, mit yn zcu sprechen, am obende des heilgyn leichnams. Dy weile sy sprachten an eyner seyten der stad, irstegen dy kezzer dy stadt am andern ende, und slugen tod alles, das dorynne lebete, sunder dem pharrer stissen sy seyn hopt yn eyne teertonne, und machten obir yn und obir eynen Behemen, der von erem ungloben do hyn entwichen was, und obir eynen monch, der widder sy phlach zcu predigen, eyn fuer und branten sy und dornoch dy stad yn dy grunt. Also gewonnen sy XI stete yn der Marke. Dornoch zcogen sy yns land zcu Prewzen, und quomen am obend sante Marie Magdalene vor eyn stadt, genant dy Konitcz. Dy stad belogen sy VI wochen und IIII tage mit vintlichem grozen storme. Do quam yn zcu hulfe der marschalk des koniges von Polen mit XVIM rostigen mannen. In der stad lis sich belegen der kumpthur von der Balge, 42 Der ,Bericht‘ läßt erkennen, daß sein anonymer Verfasser dem Orden distanzierter gegenüber stand als die übrigen Chronisten. 43 Einen kleinen Hinweis könnte die im ,Bericht‘ en passant gemachte Bemerkung von dem Mönch geben, der konsequent gegen die Hussiten predigte; vielleicht sah er eine aktuelle Gefährdung seiner Zuhörer eben nicht durch die angreifenden Ketzer, sondern durch die keczczerye selbst. 44 Boockmann (wie Anm. 5), S. 219.



Die Hussitische Revolution im Spiegel preussischer Chroniken

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Erasmus Vrischsborn genant, mit manchem guten manne. Zy werten sich zo menlich, daz sy manch stunt dy vinde mit gewalt abetreben. Der kumpthur hatte eynen cappellan, der waz do buchzenschozze. Der tad den vinden grozen schaden. Hirumme belogyn sy dy stad alumme. Sy brochte IIII groze bochzen an IIII ende der stad an, sunder dy eyne yn sente Jurgen kirche, dy vorkeilte man yn. Dornoch stochen sy den zee vor der stad aws. Dornoch schossen sy eynen steyn, grosszer den eyn eymer. Der lif dy lenge durch eyne gasse, und schatte nymanden. Dornoch toten sy abir eynen andern schos yn dy pharrekirche, dorynne waz gros volk, knyende vor dem heilgen leichnam und vor unszer vrauwen bilde, daz von Jacobsdorf dohen waz gebracht, durch das tat got groze czeichen und gnade an der stad. Der steyn vil mank daz volk und bleib legen, of eyner stad sich ummedreende und schatte nymanden. Dornoch toten sy manchen grozen herten schos, von den dy stad nicht mer verlos, den III man. Dornoch schos der cappellan mit eyner tarrax buchsze, do der vinde das meiste teil waz, und tat yn grozen schaden. Dornoch brochten sy vor dy stadt XII wagen mit schirmen und mit leitern. Dy slug man yn mit gewalt abe, und vorbrant sy und treb dy vinde mit macht von der stadt. Dornoch troten sy zcu der stadt mit grosen sturmen IIII. Der erste storm waz an dem orte, do der kumpter seyne hutte hilt. Do trungen sy harten her und machten eyne brucke obir den mot, do sy den zee hatten usgestochen. Do brochen sy durch, alzo daz ir vil vorstickte, sunder eyn behemischer freyer here mit III rittern, als sy also yn dem motten stochen, dy riffen um gnade yn dy stad yns gevengnis. Man warf yn leynen zcu und czok sy also obir dy muer. Der kumpthur sante sy zcu bade, und leg yn gutte badekittel und röcke, und lis sy of ere trewe yn das her. Do santen dy vinde den burgern ere kleider widder und deme kompthur santen sy C gevangene man vor dy IIII. Den andern storm totes sy bey dem see an dem bolwerg. Do quomen dy us der stad mit yn zo noe zcu sammene, daz sy sich mit swerten dorch das bolwerg stochen. Do hatten dy weiber heysen breye und gossen of dy vind und tottin der vinde gar vil. Eyn burger von Bartenstein lif us und nam eynem eyn bannyr us der hant und eynen vorgolten gortil mit eynem daggen. Der dritte storm waz nicht zo gros, der waz bey den monchen. Der IIII storm waz bey dem wale, do treben sy iren schyrmen bis an den stadt graben. Doch wart yn gewert, daz sy den graben nicht kunden gewynnen. Desze IIII sturme geschogyn of eynen tag. Dornoch gruben sy under eynem stat graben bis zcu der stad. Daz kunde man yn nicht irwern. Do sy der stadt so noe quamen, daz man sy horte, do grub man yn entkegen an czwen enden und schickten bochzen yn dy locher. Do sy daz vornomen, do wichchen sy, und yn dem weichen brach daz wasser eynwercz, und tat yn grozen schaden. Do bekanten ere hoptleute, sy hetten me wen M man vorloren vor der Konitcz. Dornoch brochen sy fru of eyns morgens und czogen vor dan yns land. Do vorirreten sich III wayne mit grozem gutte, dy nam der kumpthur und slug tot, waz her von lewten do bey vant. Vor dan czogen sy herende dy pomerische seyte und torsten keyn slos me belegen, dorumme daz sy zcur Konitcz nicht schuffen. Do sy vor Dirsaw dy stadt quomen, do czogen sy vor hyn, sunder dy drabanten entczunten II speicher vor der stad. Der wint stunt of dy stad, do von wart dy stad bornende. Do daz irsach daz heer der vinde, dy alle rethe woren zcu Meelbantcz, eyne groze myle vorby, sy ranten zcu rucke, und morten und slugen und vingen vil gutter lute. Under den vingen sy her Thymo von Langenaw eyn grove geborn, in der czeit huskumpthur zcu Marienborg, och vingen sy her Trachenaw, eynen

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hern des ordens. Dy II wurden gehungert ym gevencnys, daz sy treber oszen. In dem gevencnys starp der huscumpthur, und Trachenaw wart us gelost. Dornoch am tage Egidii quomen sy vor Gdancz of den bischofs berg yn dem mittage, und hilden so verre, daz man sy mit bochszen nicht mochte gereichen. Ir hilden zo vil of dem hoen berge, daz sy irscheynen alzo eyn wolke, und besogen do dy mechtige stad gar wol. Aws der stad liffen wol IIIM man mit eren harnischs und mancher hande gewer, und begerten mit den vinden zcu kurcze weilen umb den leib, addir dy hirschaft vorchte schaden an yn czu entphaen, und wolden sy nicht weiter loszen. Idoch VIII manne liffen an den berg mit armbrosten und mit tarzzen. Under den was eyner des official capplan her Johannes Rulaw genant, der ander was Eynwaldt genant eyn kofman, der dritte waz der stadscharfrichter, Gnycke-entczwe genant, der andern namen weis ich nicht. Dys vordros dy ketczer und Polen zere, daz desze zo wenig torsten yn necken, doch torsten sy nicht zcu en reiten umb der hoge wille des amberges. Idoch zo goben sich etliche us der ketczer schar und rethen, als sy best kunden, czu yn und schossen sich mit yn. Der stadt botel schos eynen bemischyn ritter tot. Dornoch schossen dy andern V ander tot, under denen waz eyn polnischer ritter, den schos her Rulaw tot. Dornoch worden dy VIII alczu küne und vorlifen sich zcu sere, zo daz eyner von yn wart irwoschst, und wart lebending gebroten of dem berge. Dornoch wolden dy ketczer daz volk dort nyddenne umme reiten, und von der stad dringen. Do sy quomem an eyne brucke of der Radune, dy ist genant daz rote meer, do ken obir steen II runde torme an der lastadien, do schos man von den tormen glich mit II bochzen mang das gedrange her, dy nicht weichen kunden, und totten vil manner und rösser mangk den kezzer. Dy andern wichen, nicht mer quomen sy der stat zo noe. Dornoch brachen dy vinde of und czogen widder heym. Do sy quomen vor eyn slos Gesnytcz genent, do legerten sy sich vor daz hus, und stormten dor an. Dy of dem husze werten sich menlich und toten den vinden grossen schaden. Sy irschossen eynen mechtigen polnischen ritter. Hirumme nomen dy vinde eynen tag mit yn of. Under des quomen mit geleite der obirste marschalk von Prussen mit andern IIII kumpthuren mit den vinden zcu teydingen umb dy gevangenen. Dy weyle sy teydingeten an eynem ende, irstegen dy vinde daz haus am andern ende. Dorof waren II hern des ordens, der eyne heys her Hinrich marschalk, der ander hys her N Kalp. Dy heren und ir gesinde hyben sy zo gar zcu cleynen stucken, daz man sy hette mocht leszen in keszel adder topffe. Dornoch schyden sy aws Prewsen. Dys geschach als by Pavels Rusdorffs geczeiten, in der czeit homeister zcu Prewsen.

Thomas Wünsch Der Hussitismus als Deutungsparadigma der tschechischen Geschichte Palacký, Pekař und der „Sinn der tschechischen Geschichte“ I František Palacký (1798–1876) kommt das Verdienst zu, die Beurteilung des Hussitismus auf die Ebene einer Deutungskategorie gehoben zu haben, die sich nicht allein auf Hus und die Hussitische Revolution beschränkt.1 Für Palacký geht es um mehr: um die böhmische Geschichte insgesamt; und um die darüber hinaus faßbare Auseinandersetzung zwischen Germanen/Deutschen und Slawen. Indem Palacký die Geschichte des Hussitentums als Fallbeispiel für den Antagonismus zwischen „Germanismus“ und „Slavismus“ (HuH,

Siglen: GB = Franz Palacký, Geschichte von Böhmen, Bd. III 1: Böhmen unter König Wenzel IV, bis zum Ausbruch des Hussitenkrieges. Vom Jahre 1378–1419, Prag 1845. GSS = Theodor Lessing, Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen, München 1919 (ND 1983). HuH = Franz Palacký, Die Geschichte des Hussitenthums und Prof. Constantin Höfler. Kritische Studien, Prag 1868. IH = Tomáš Garrigue Masaryk, Ideály humanitní, Praha 1901 [dt.: Ideale der Humanität, in: Tschechische Philosophen von Hus bis Masaryk, hg. von Ludger Hagedorn (Tschechische Bibliothek), Stuttgart 2002, 519–589]. SG = Nikolaj Berdjaev, Smysl istorii. Opyt filosofii čelovečeskoj sud‘by, Berlin 1923 [dt.: Der Sinn der Geschichte. Versuch einer Philosophie des Menschengeschickes, Darmstadt 1925]. StG = Josef Pekař, Smysl českých dějin. O nový názor na české dějiny, Praha 1929 [dt.: Der Sinn der Tschechischen Geschichte (Schriftenreihe der Ackermann-Gemeinde 16), München 1961; SD aus: Stifter-Jahrbuch 4, 1955]. – Die Zitate erfolgen, der besseren Lesbarkeit halber, aus der deutschen Übersetzung. Die Parallelangaben zum tschechischen Text sind zitiert nach der neuesten Ausgabe: Spor o smysl českých dějin, Bd. 1: 1895–1938, hg. von Miloš Havelka, Praha 1997, 500–516 [= Ed. Havelka]. TG = Josef Pekař, Dějiny naši říše, Praha 1914. Neubearbeitung: Dějiny československé, Praha 1921 [dt.: Tschechoslowakische Geschichte (Veröffentlichung des Sudetendeutschen Archivs), Benediktbeuern 1988]. 1 Zur historiographischen Einordnung Palackýs vgl. Richard Georg Plaschka, Von Palacký bis Pekař. Geschichtswissenschaft und Nationalbewußtsein bei den Tschechen (Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas 1), Graz 1955, 12ff.; Petr Čornej, Ke genezi Palackého pojetí husitství, in: František Palacký 1798/1998 dějiny a dnešek, hg. von František Šmahel, Praha 1999, 123–137; Jiří Kořalka, Mistr Jan Hus v pojetí Františka Palackého, in: Jan Hus na přelomu tisíciletí, hg. von Miloš Drda, František J. Holeček, Zdeněk Vybíral (Husitský Tábor Suppl. 1), Tábor 2001, 609–635.

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74) einführt, wie in seiner 1868 erschienenen Polemik gegen Constantin Höfler2 („Die Geschichte des Hussitenthums und Prof. Constantin Höfler“)3 geschehen, verschränkt er die Ebenen einer Landesgeschichte und einer übergreifenden ethnisch-nationalen Geschichte. Palacký argumentiert dafür in drei verschiedenen Rollen: Indem er den Wert der Überlieferung betont (HuH, 74), spricht er unverkennbar als Editor; indem er den Mangel an brauchbaren Quellen für die Erhellung der Völkergeschichte konstatiert, betätigt er sich als interpretierender Historiker (HuH, 75); und indem er das Paradoxon von geographisch-historischer Nähe und ethisch-kultureller Ferne in der Beziehung zwischen Deutschen und Slawen hypostasiert, vernimmt man den Politiker Palacký (HuH, 75). Ohne auf die bereits bekannte Ausfüllung dieses dichotomen Modells eingehen zu wollen (Palacký bedient sich reichhaltig bei allen möglichen Stereotypen von Cosmas von Prag bis Herder [HuH, 76], konstruiert Anachronismen [HuH, 78] und historische Halbwahrheiten [HuH, 78f.], und greift – wie schon in seiner „Geschichte von Böhmen“4 – zu den Fälschungen der Königinhofer und Grünberger Handschriften [HuH, 84], was die deutsche und slawische Frühgeschichte angeht), soll hier der Rahmen dieses Modells im Vordergrund stehen. Er besteht aus Elementen einer sowohl zielgerichteten wie determinierten Entwicklungsannahme. So, wie die Slawen völkergeschichtlich den Juden und Griechen verwandt sind (HuH, 76), so dürfen sie als Träger einer bestimmten, in diesen drei Völkern vorhandenen Rechtstheorie gesehen werden, die sich orthogonal vom Römischen Recht abhebt (HuH, 77). Das Römische Recht steht dabei nicht nur für das „Siegerrecht“ der historisch (= machtpolitisch) erfolgreichen Völker; es steht auch für diejenige Kraft, der sich auch die christliche Kirche zu fügen hatte. Unschwer ist aus dieser Interpretation des Verhältnisses von weltlicher und geistlicher Macht Palacký als der Angehörige der Religionsgemeinschaft der Mährischen Brüder erkennbar; aber auch der fast naturnotwendige Weg hin zum Hussitismus als eines Programms zur Behebung dieses Defekts findet sich angedeutet. Trotzdem ist es damit nicht getan. Im Hintergrund wird eine weitere hermeneutische Ebene greifbar: ein zeitlos gültiges Geschichtsmodell, das in der böhmischen Geschichte prototypisch sichtbar ist, und dort wiederum im Hussitismus seine reinste Ausprägung erfährt. Das Prinzip Freiheit steht historisch gegen das Prinzip Autorität (HuH, 80) – und die besondere Bedeutung der böhmischen Geschichte ergibt sich daraus, daß dieser Konflikt dort am deutlichsten zu sehen ist. In Böhmen hat sich der slawische Urzustand gewissermaßen jungfräulich bewahrt, während Rußland, als ebenfalls slawisches Land, die

2 Der Historiker Constantin/Konstantin Höfler lehrte (nach seiner Zeit an der Universität München) von 1851 bis 1881 an der Universität in Prag und publizierte vor allem zur Geschichte des Papsttums, der Dynastien der Luxemburger und Habsburger sowie zum Hussitismus; zu letzterem vgl. seine Edition: Geschichtschreiber der husitischen Bewegung, 3 Bde. (Fontes rerum Austriacarum, Scriptores 6, I–III), Wien 1856–66 und die Abhandlung: Magister Johannes Hus und der Abzug der deutschen Professoren und Studenten aus Prag 1409, Praha 1864. 3 Dazu Jiří Kořalka, František Palacký (1798–1876). Der Historiker der Tschechen im österreichischen Vielvölkerstaat, Wien 2007, 467ff. 4 Vgl. Kořalka, František Palacký 2007, 172.



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„Kunst des Herrschens“ (HuH, 79) in einem Lernprozeß von den negativ konnotierten Völkern der Tataren und Türken übernommen habe. Daß Palacký in dieser Phase seines Oeuvres (der Anti-Höfler erschien 1868!) eine Russophilie an den Tag legt, ist nicht weiter erstaunlich; die Erklärungsnot hat aber meiner Meinung nach noch einen größeren Radius. Wenn man beachtet, wie übergangslos Palacký von dem als äußerst positiv gesehenen König Přemysl Ottokar im 13. Jahrhundert zu Peter dem Großen im 18. Jahrhundert springt, und sie beide als Förderer „okzidentalischer Culturzustände“ (HuH, 85) markiert, dann offenbart sich mehr als eine russophile Attitüde: Es ist die Suche nach positiven Fallbeispielen für slawische Entwicklungsfortschritte, die Palacký hier einhaken läßt. Und daß Palacký ganz zweifellos in den Kategorien von Fortschritt und Rückständigkeit denkt, bemerkt man an seiner glühenden Suada gegen den Vorwurf der Unfreiheit bezüglich der slawischen Völker (HuH, 87). Wenn Unfreiheit (in Böhmen), dann ist sie von den eingewanderten Deutschen verursacht worden, die ihre Rechtsordnung und ihre Sozial- und Herrschaftsverfassung nach Böhmen importiert hätten (HuH, 88). Der Weg zur Verschwörungstheorie gemäß der Formel „alles Böse kommt von außen“, wie sie der Weltgeschichte insgesamt eingeschrieben sei (HuH, 79), ist nicht weit. Aber man sollte sich von dem Polemiker Palacký nicht irreleiten lassen: es steckt mehr dahinter. Was es sein könnte, offenbart in nuce die Schlußsentenz aus dem gerade besprochenen Kapitel innerhalb der „Geschichte des Hussitenthums und Prof. Constantin Höfler“ (HuH, 88f.). Palacký liefert hier ein Kabinettstück wissenschaftlich-philosophischer Kunstprosa, das in seiner Kürze doch alle zentralen Elemente der historischen Modellbildung enthält. Der Hussitismus wird als „Reaction des alten Volksgeistes“ interpretiert, der gerade noch rechtzeitig in Erscheinung getreten ist, um den historischen Manifestationen einer weltgeschichtlichen Negativentwicklung – d.h. hier: der Differenzierung in Stände und der fehlenden Gleichheit vor dem Gesetz – Paroli bieten zu können. Diese beiden Entwicklungszüge, der soziale und der rechtliche, stünden gegen die Normen, die das Evangelium und der „alte Volksgeist“ zur Verfügung stellten. Palacký fühlt sich bemüßigt, die Gleichrangigkeit dieser beiden Normensysteme zu begründen, und er tut dies mit dem Hinweis auf die militärische Selbstverpflichtung von Jan Žižka, die sowohl in der „Wahrheit des Wortes Gottes“ wie in der „böhmischen und slawischen Nationalität“ wurzelte. Der historische Brückenschlag vom Programm der Taboriten zu den liberalen Strömungen in Frankreich nach der Revolution von 1789 setzt einen letzten Stein in dieses hermeneutische Gebäude: Es geht für Palacký nicht nur um die Geschichte des Hussitentums, nicht nur um die Geschichte Böhmens, sondern es geht für ihn um den Gang und – wenn man so will – um den Sinn der Weltgeschichte. Die hussitische Problematik ist nur das Vehikel, mit dessen Hilfe ein zeit-übergreifendes Prinzip klargemacht werden soll: Der Kampf zwischen Macht und Herrschaft auf der einen, Bildung und Gerechtigkeit auf der anderen Seite (HuH, 89). Palacký konzentriert die Auseinandersetzung mit dem Hussitismus auf das Nötigste; und er kontrahiert verschiedene Ebenen der Auseinandersetzung – den philosophischen Diskurs um den Lauf, Sinn und Zweck der Geschichte mit eingeschlossen. Was aber wäre das genau? Palacký hält nicht hinter dem Berg damit. Er sieht in seiner Zeit einen historischen Sieg der „Grundsätze des wahren Christentums im Bunde mit der

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Philosophie“ (HuH, 89) über die negativen Kräfte der Herrschaft, der Knechtschaft, des Raubes, des Krieges, generell: der Barbarei und der Unmenschlichkeit (die ihm in Reinform bei den Deutschen begegnen [HuH, 80]). Der nationale Impetus des Hussitentums, den Palacký ja keineswegs leugnet, dessen Überbetonung er aber dem Prager Historikerkollegen Höfler zum Vorwurf machte, bekommt in dieser Konzeptualisierung eine neue, quasi metaphysische Qualität.5 Auch Gewalt und Ungesetzlichkeit erhalten damit eine Absolution, die sie zu zwar unerwünschten aber gleichwohl unvermeidlichen Erscheinungen einer vom Prinzip her guten und notwendigen Sache – der Revolution eben – machen. Der Verweis auf das Vorgehen der Gegenseite, sprich: der katholischen Kirche, tut ein übriges, um die moralische Berechtigung der „hussitischen Reformation“, notfalls gegen alle Evidenz, zu erweisen. Der aus Befürchtungen gegenüber einem neuen deutschen militanten Patriotismus6 gespeiste Konnex mit der Gegenwart offenbart nicht nur einen fundamentalen Historismus bei Palacký; er rückt den Historiker Palacký auch in den Zusammenhang eines Diskurses, als dessen selbstverständlicher Teil er einige Jahrzehnte später von seinen Gegnern wahrgenommen werden sollte. Daß diese Überzeitlichkeit und philosophische Valenz der Hussitismus-Debatte bei Palacký keine Frucht etwa nur seiner späteren, in gewissen Punkten auch schon desillusionierten Schaffenszeit war, zeigt ein Blick auf die erste Fassung seiner böhmischen Geschichte. Die Anfänge des Hussitismus sind in der 1. Abteilung des 3. Bandes seiner noch deutsch verfaßten „Geschichte von Böhmen“ abgehandelt; erschienen ist der Band in Prag 1845.7 Bei allen Unterschieden, was z.B. den fehlenden deutsch-tschechischen Gegensatz angeht, ist auch hier ein epochenübergreifender Antagonismus formuliert: Die „Gegensätze des Katholicismus und Protestantismus“ (GB, 156), die Palacký seit Jahrhunderten, und das heißt auch: bis in seine Zeit hinein, am Werk sieht, hätten zu einer so folgenreichen wie verwerflichen Spaltung der Christenheit geführt. Auch in der „Geschichte von Böhmen“ wird, schon allein von der textimmanenten Anordnung her (GB, 156f.), dieser kulturhistorisch über-nationale Prozeß in unmittelbare Beziehung mit der Entwicklung der Kirchengeschichte in Böhmen gebracht. Selbst wenn also die spätere deutschfeindliche Polemik fehlt und der Hussitismus auch keineswegs zum Höhepunkt einer autonomen exklusiv tschechischen Geschichte erklärt wird, bleibt doch die (im Hegel’schen Sinne) „Aufhebung“ des Hussitismus innerhalb eines philosophischen Deutungsparadigmas als verbindendes Element bestehen. Die Nutzanwendung historischer Erkenntnisse für die Gegenwart, wie Palacký sie suggeriert, ist alles andere als zufällig; sie ist eine Möglichkeit und zugleich logische Folge aus einer ontologischen Sinngebung historischer Abläufe.

5 Vgl. Kořalka, František Palacký 2007, 471. 6 Kořalka, František Palacký 2007, 473. 7 Zu dieser Fassung vgl. Kořalka, František Palacký 2007, 169ff.



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II Damit ist der Ort markiert, an dem die Interpretationsmuster von Palacký und seinem späteren Antipoden Josef Pekař (1870–1937)8 konfligieren mußten. Pekař strebt diesen Punkt in seiner Polemik mit Palacký früh und zielstrebig an. Die Schrift, um die es geht, trägt den bezeichnenden Titel „Smysl českých dějin“ und geht auf einen Vortrag zurück, den Pekař – seit 1918 Ordinarius für tschechische Geschichte in Prag – im Jahr 1929 vor dem MasarykInstitut für Volksbildung gehalten hat.9 Übersetzt wird die etwa zwanzigseitige Abhandlung meist mit „Der Sinn der tschechischen Geschichte“, wobei die deutsche Übersetzungsvariante „Bedeutung der tschechischen Geschichte“ möglich ist, aber nicht weiterbringt; denn auch dann bleibt der Titel enigmatisch und läßt Raum sowohl für eine ontologische („Sinn“ als Sinn der Geschichte allgemein) wie hermeneutische Füllung („Sinn“ als ein Bündel von Interpretationsfragen zu einem konkreten Problem). Worum es Pekař geht, soll im Folgenden ermittelt werden. Auch Pekař wartet, wie Palacký, mit einem Modell auf; und er tut uns den Gefallen, dieses Modell in Abgrenzung zu Palacký zu explizieren. Pekařs Leitidee, die konstitutiv für eine Reihe von Thesen sein wird, besteht darin, daß er die tschechische Geschichte, aber auch die allgemeine Geschichte, als synthetisch begreift. Das bedeutet, daß es für ihn keine schlechtweg autonome Entwicklung gibt, die sich im diachronen Rahmen als stabil erweisen würde. Für Pekař ist Geschichte, die er im Wesentlichen als Geschichte der Kultur auffaßt, in mehreren Gegensatzpaaren zu verstehen: 1. Geschichte ist synthetisch, nicht uniform (StG, 8); 2. Geschichte ist dynamisch, nicht statisch (StG, 8 und 13); 3. Geschichte ist das Produkt von Wechselwirkungen und Beeinflussungen, nicht einer „autonomen“ nationalen Entwicklung (StG, 8f.). Pekařs Grundüberzeugung gipfelt in dem Credo: „wir glauben an keine hohe, ursprünglich altslawische Kultur (...) und wir betonen, daß vielleicht alles, was wir unter dem Begriff Kultur zusammenfassen, in das tschechische Volk seit dem Beginn seines staatlichen Lebens aus der Fremde hereingetragen worden ist.“ (StG, 9).10 Man mag in dieser 8 Zur (wissenschaftlichen) Biographie: Otfrid P ustejovsky , Josef Pekař (1870–1937). Persönlichkeit und wissenschaftliches Werk, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 9 (1961) 367–398, hier 367ff.; für die Zeit bis zum Ende des Habsburgerreichs: Martin Kučera, Rakouský občan Josef Pekař (Kapitola z kulturně politických dějin), Praha 2005. Daneben Zdeněk Kalista, Josef Pekař, Praha 1941; Plaschka, Von Palacký bis Pekař 1955, 76ff.; Georg Stadtmüller, Josef Pekař und die tschechische Geschichtsschreibung, in: Pekař, Der Sinn der Tschechischen Geschichte 1961, 25–39; Friedrich Prinz, František Palacký und das deutschtschechische Verhältnis aus der Sicht der tschechischen Geschichtswissenschaft unseres Jahrhunderts, in: Bohemia 18 (1977) 129–143, bes. 137ff. 9 Vgl. Plaschka, Von Palacký bis Pekař 1955, 86f.; Pustejovsky, Josef Pekař 1961, 389ff. Für eine schnelle Rezeption spricht die Rezension von Alžběta Birnbaumová, in: Filosofická Revue 1 (1929) 63–68. 10 Ed. Havelka, 503: „nevěříme v žádnou vysokou původní kulturu staroslovanskou (...) a klademe důraz na to, že snad vše, co zahrnujeme pod pojem kultury, vnášela do Čech od počátku jejich státního života cizina.“

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überschäumenden Xenophilie einen Reflex auf die von Palacký vorgetragene Xenophobie sehen; entscheidend ist dabei, daß Pekař sein Modell damit in eine Richtung bewegt, die zu völlig anderen Interpretationsansätzen führt. Ein prominentes Beispiel darunter ist die Interpretation des Hussitismus. Strukturell ähnlich zu Palacký, räumt auch Pekař dem Hussitentum einen prominenten Platz im Pantheon der historischen Ereignisse Böhmens ein; er sieht darin den wichtigsten Beitrag Böhmens zu einem gesamteuropäischen Werk der Aufklärung. Doch setzt er sofort den Akzent, wenn er den Hussitismus als ein Produkt aus ausländischen Einflüssen und einheimischen Voraussetzungen sieht (StG, 10). Die Tschechen, so Pekař, lebten „mitten unter den Deutschen“ (StG, 15)11, und wenn schon viele kulturelle Standards nicht von den Deutschen geschaffen wurden, so traten sie doch als Vermittler auf den Plan und beeinflußten so ganz entscheidend die tschechische Geschichte. Es ist hier nicht erheblich, daß auch Pekař ganz offensichtlich in relativ festen Kategorien von Nation, Volk, aber auch von kulturellen Errungenschaften (wie Recht, Literatur etc.) dachte; insofern war er sicher ein Kind des 19. Jahrhunderts. Aber man wird ihm bescheinigen dürfen, daß er mit seiner Grundüberzeugung vom synthetischen Charakter der Geschichte, d.h. der Bedeutung von Amalgamierung, Akkulturation und Assimilation, einen wesentlichen Teil der neueren kulturwissenschaftlichen Diskussion in der Geschichtswissenschaft vorweggenommen hat. Teil dessen ist Pekařs Interpretation des Hussitismus. Ganz traditionell (und mit Wendungen, wie sie einem Palacký zur Ehre gereichen würden) ordnet er den Hussitismus zunächst in ein nationales Paradimga ein: „das tragende Grundelement der hussitischen Revolution“, so sagt er, sei gewesen, „das halbverlorene Erstgeburtsrecht am eigenen Boden zurückzugewinnen“ (StG, 16)12. Diese vermeintlich nationale Errungenschaft wird jedoch sogleich konterkariert durch die Behauptung, daß am Hussitismus „nichts ursprünglich Tschechisches“ und sein Geist ein Produkt der Gotik sei (StG, 18)13. Nun hört sich der Begriff „Gotik“ a priori nicht negativ an und dürfte von seiner zeitlichen Extension her aus der Kunstgeschichte inspiriert sein14; aber er muß den Anhängern Palackýs, die den Hussitismus als „modern“ sahen und ihn immer mit späteren Epochen (vorzugsweise der deutschen Reformation) verbanden, in den Ohren geklungen haben. Den Hussitismus aus dem Geist der Gotik kommen zu sehen, bedeutete, ihn retrograd anzusiedeln, mithin dem Mittelalter zuzuweisen, und nicht der Renaissance, der die Zukunft gehörte.15 Pekař geht aber noch weiter: indem er den von Palacký so herausgehobenen tschechisch-deutschen Gegensatz als Katalysator in die böhmische Geschichte einführt, ihn aber dann durch mehrere „Zufälle“ gleichsam neutralisiert (StG, 19). Dazu zählt vor allem die Person und Regierung 11 Ed. Havelka, 508: „naše poloha mezi Němci“ [im Orig. kursiv]. 12 Ed. Havelka, 509: „snaha dobýt zpět napolo ztracené prvenství na vlastní půdě, byla spodním nosným živlem revoluce husitské“. 13 Ed. Havelka, 511: „Myšlenky jeho, ducha jeho, tvrdím, přinesla gotika; v nich není nic původně českého.“ 14 Vgl. hier nur Pekařs eigene Schrift: O periodizaci českých dějin, Praha 1932, sowie die zeitliche Gliederung in seiner Tschechoslowakischen Geschichte (1921), bes. 90ff. 15 Vgl. Josef Pekař a české dějiny 15.–18. století, Bystrá nad Jizerou 1994 [darin bes. den Beitrag von Zdeněk Beneš].



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Wenzels IV., die Palacký ebenfalls schon scharf kritisiert hatte (GB, 372), und die Pekař auch in seiner ansonsten sehr zurückhaltenden Darstellung in dem Lehrbuch „Tschechoslowakische Geschichte“16 hart angriff (TG, 115). Worauf er hinaus will, ist nichts weniger als eine Gratwanderung für die damalige Zeit (aber nicht nur): Er möchte innovative historische Ereignisse einer Volks- oder Nationsgeschichte zuweisen, ohne sie gleich in den „genetischen Code“ einer bestimmten Ethnie einzuschreiben. Es bleibt Platz für Fortschritt, für Entwicklung, für positive Leistungen (StG, 20) – aber nur im Kontext einer Internationalisierung der tschechischen Nationalgeschichte.

III Diese Auffassung ruht auf einem Fundament, das in einen weitergehenden Diskurs eingebunden ist. Palacký befindet sich ebenfalls darin, doch dient die Auseinandersetzung mit ihm eigentlich nur als Illustration für eine Kontroverse, in die Palacký nie direkt eingegriffen hat. Pekař geht es – neben Interpretationsfragen zu konkreten historischen Ereignissen – auch um den „Sinn der Geschichte“, nicht nur der tschechischen. Sein Antipode dabei ist – nicht allein, aber hauptsächlich – Tomáš Garrigue Masaryk (1850– 1937). Nun hat diese Debatte bereits vor dem Erscheinungsdatum der Schrift vom „Sinn der tschechischen Geschichte“ einen eigenständigen polemischen Schlagabtausch vorzuweisen17 und taucht hier nur in Ansätzen auf; doch zeichnen sich Umrisse einer Theorie der Erkenntnisgewinnung durchaus ab. Mein dritter Teil ist diesem Komplex gewidmet.

16 Zur Bewertung (auch der verschiedenen Fassungen) vgl. Monika Glettler, Josef Pekař – Verurteilen oder verstehen? – „Auf der Suche nach der verlorenen Vergangenheit“, in: Pekař, Tschechoslowakische Geschichte, Benediktbeuren 1988, 13–33. 17 Siehe die Anthologie: Spor o smysl českých dějin, Bd. 1: 1895–1938 und Bd. 2: 1938–1989 hg. von Miloš Havelka, Praha 1997–2006, die den Diskurs um den „Sinn der (tschechischen) Geschichte“ mit tschechischen Textzeugen dokumentiert und in der Einleitung des Hg. (Bd. 1, 7–43) auch mit zeitgleichen Diskursen der deutschen Geschichtswissenschaft verknüpft („Methodenstreit“, Lamprechtstreit“ etc.). Als Diskussionsteilnehmer in Böhmen wären im engeren Sinn neben Pekař und Masaryk mindestens noch der Philosoph Emanuel Rádl, der Historiker Jan Slavík und der Exeget Josef Konstantin Miklík zu berücksichtigen. – Zur Problematik generell vgl. Miloš Havelka, A Hundred Years of the „Czech Question“ and The Czech Question a Hundred Years On, in: Czech Sociological Review 3 (1995) 7–19; Milan Machovec, Ke sporu mezi Masarykovou a Pekařovou filiosofií českých dějin, in: Pekařovské studie, hg. von Eva Kantůrková, Praha 1995, 179–187; Jaroslav Střítecký, The Czech Question A Century Later, in: Czech Sociological Review 3 (1995) 59–73; František Šmahel, Die Hussitische Revolution, Bd. 1 (MGH Schriften 43,1), Hannover 2002, 26ff.; Miloš Havelka, Die Debatten über den Sinn der tschechischen Geschichte 1895–1989, in: Geschichtsschreibung in den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Wissenschaftstraditionen – Institutionen – Diskurse, hg. von Christiane Brenner et al. (Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 28), München 2006, 45–60; daneben, als zeitgenössischen Beitrag: František Krejčí, Politika a mravnost (Praha 1932).

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Seinen Anschluß an die Problematik der Hussitismus-Diskussion findet dieser Punkt darin, daß Masaryk konsequent auf dem Geschichtsbild Palackýs aufruht, auch und gerade in der Frage des Verständnisses der Hussitenzeit. Masaryk baut die Konzeption Palackýs insofern aus, als er dessen von Herder kommendes Erbe übernimmt und in seinen eigenen Entwurf von Humanität und Moralität einfügt.18 Die gesamte tschechische Frage will er als religiöse Frage verstanden wissen, womit dem Hussitismus als rein tschechische Errungenschaft eine Schlüsselrolle darin zufällt. Die fortschrittliche Reformation in Böhmen kommt so antithetisch gegen die konservative Fortschrittsverweigerung der habsburgischen Gegenreformation zu stehen – eine Konstruktion, die sich nicht zuletzt aus der sog. „nationalen Konversion“19 erklärt, die Masaryk seit 1906/07 durchgemacht hatte. Der Nationalitätenkampf biegt in dieser Zeit in seine Zielgerade ein, und die Idealisierung von Jan Hus und des Hussitismus insgesamt besitzt eine handfeste politische Komponente. Masaryk selbst hatte bereits 1896 in einer eigenständigen Schrift den über Hus vermittelten Zusammenhang von nationaler Wiedergeburt und religiöser Reformation hergestellt.20 Dabei ist die religiöse Grundierung der Masaryk’schen Geschichtskonzeption kein Resultat tagespolitischer Erwägungen. „Unser tschechischer Humanitismus ist die natürliche Fortsetzung unseres Böhmischen Brüdertums“, resümiert Masaryk bereits 1901 in einer Sammlung von Vorlesungen vor einem breiteren Publikum (IH, 523). Entscheidend war für Masaryk immer die ungebrochene Fortsetzung der Vergangenheit in der Gegenwart – eine Hypothese, die eine Instrumentalisierung der Geschichte nicht nur ermöglicht, sondern auch legitimiert und vielleicht sogar erzwingt. Umso heftiger mußte der Zusammenstoß mit der Geschichtstheorie Pekařs ausfallen. Daß Pekař den Hussitismus aus dem Geist der Gotik erwachsen läßt (StG, 14), hatte auch eine systematische Konsequenz. Denn das Masaryk’sche Modell, das auf der ungebrochenen Abfolge „hussitische Reformation – Humanität – Demokratie“ aufbaute21, konnte so nicht funktionieren; es war grundsätzlich aktualistisch angelegt, wollte mehr zur Gegenwart als zur Vergangenheit etwas sagen und konnte mit dialektischen Brechungen nicht umgehen. Pekař jedoch relativierte das Entwicklungsziel des tschechischen Volkes und sah den „Sinn des kulturellen Strebens“ je nach Epoche auf andere Momente hin ausgerichtet. Wenn der Tscheche, wie Pekař schreibt, im 14. oder 15. Jahrhundert eine „andere ‚Mentalität‘“ besitzt als der Tscheche des 16. oder 17. bzw. des 19. und 20. Jahrhunderts,

18 Vgl. Milan Hauner, The Meaning of Czech History: Masaryk versus Pekař, in: T. G. Masaryk (1850–1937), Bd. 3: Statesman and Cultural Force, hg. von Harry Hanak, Houndmills 1989, 24–42, hier 27. 19 Friedrich Prinz, Auf dem Weg in die Moderne, in: Deutsche Geschichte im Osten Europas. Böhmen und Mähren, hg. von Dems., Berlin 1993, 303–481, hier 360. 20 Tomáš Garrigue Masaryk, Jan Hus. Naše obrození a naše reformace, Praha 1896. Das Werk ist 1903 in dritter Auflage wieder erschienen. Vgl. Otakar A. Funda, Masaryks Interpretation von Johannes Hus, in: Jan Hus. Zwischen Zeiten, Völkern, Konfessionen, hg. von Ferdinand Seibt (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 85), München 1997, 405–410. 21 Plaschka, Von Palacký bis Pekař 1955, 81.



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und sich folgerichtig auch seine Religiosität je nach Epoche ändert (StG, 13)22 – dann gibt es kein einheitliches Telos der Geschichte, keinen „Sinn der Geschichte“ und folglich auch keine Legitimation, einen solchen durch alle möglichen Maßnahmen (vor allem politische) zu befördern und umsetzen zu wollen. Pekař weigert sich explizit, „einer einzelnen Nation einen bestimmten, einzigartigen ‚Sinn’ ihrer Geschichte zuzuerkennen“; er sieht „vielerlei ‚Sinne‘“, und die unterscheiden sich im diachronen Ablauf (StG, 15)23. Daraus spricht nicht reiner Kulturrelativismus, der Gefahr läuft, ins Unendliche fortgesetzt zu werden und damit als Erklärungsmodell auszufallen. Pekař transformiert vielmehr die Grundlagen seines synthetischen Kulturverständnisses in einer Weise, die es ihm erlaubt, die Kontingenzen historischer Entwicklung in Raum und Zeit fassen zu können. Natürlich ist das programmatisch, und die Umsetzung steht auf einem anderen Blatt; aber Pekařs knappe Schrift war auch gar nicht als Ort gedacht, an dem sie erfolgen sollte. Seine monumentalen Werke24 zu Albrecht von Wallenstein25 und Jan Žižka26, aber auch seine über vier Jahrzehnte währende Tätigkeit in der Redaktion des von Jaroslav Goll und Pekařs Vorgänger Antonín Rezek gegründeten Česky Časopis Historický (seit 1919 als alleiniger Redakteur)27 wären das empirische Arsenal für die Überprüfung seiner Thesen. Hier, im „Sinn der tschechischen Geschichte“, attackiert Pekař das „agitatorische Herausbilden eines ‚Sinnes‘ der Geschichte“ (StG, 21)28 und stellt Masaryks „Sinngebung“ der tschechischen Geschichte als einer religiösen in eine Reihe mit den tendenziösen Darstellungen eines Bohuslav Balbín (1621–1688) zum Nepomuk-Kult und mit den berüchtigten Handschriftenfälschungen des Václav Hanka.29 Dabei findet Pekař einen weiteren Gegner, aber auch einen Mitstreiter. Beide Personen nennt er am Beginn seiner Schrift zum „Sinn der tschechischen Geschichte“ (StG, 7). Auch wenn er die Namen nur streift, lohnt es sich doch, ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als ihnen in der Pekař-Forschung bisher zuteil wurde. Der eine ist der Begrün-

22 Ed. Havelka, 506: „Čech století 14. či 15. má jinou ‚mentalitu‘ než Čech století 16. a 17., nebo 19. či 20.“ 23 Ed. Havelka, 508: „A již tu dospějeme k závěru, že není možno jednotlivému národu přiznat určitý jediný ‚smysl’ jeho dějin; vskutku má aspoň tolik ‚smyslů’ touhy a snahy, kolika duchovními proměnami průběhem století prochází.“ 24 Vgl. Pustejovsky, Josef Pekař 1961, 393ff. 25 Josef Pekař, Valdštejn 1630–1634. Dějiny valdštejnského spiknutí, 2 Bde., Praha 1895; dt. Übers.: Berlin 1937. 26 Josef Pekař, Žižka a jeho doba, 4 Bde., Praha 1927–33. 27 Franz Machilek, Jaroslav Goll, in: Lebensbilder zur Geschichte der böhmischen Länder 1, hg. von Karl Bosl, München 1974, 163–196, hier 174. Vgl. auch Karel Kazbunda, Jaroslav Goll a Josef Pekař ve víru války světové, hg. von Martin Kučera, Praha 2000. 28 Ed. Havelka, 512: „bylo, je a bude umělé, agitační tvoření ‚smyslu‘ dějin.“ 29 Letzteres traf besonders schmerzlich, hatte sich doch Masaryk – neben Goll und Gebauer – bereits seit Jahrzehnten im „Handschriftenstreit“ beim Fälschungsnachweis hervorgetan; jüngste Sammlung früher Publikationen: T. G. Masaryk, Z bojů o rukopisy. Texty z let 1886– 1888, hg. von Jana Svobodová (Spisy T. G. Masaryka 19), Praha 2004.

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der eines „personalistischen Sozialismus“30 in Rußland, Nikolaj Berdjaev (1874–1948), der andere der als „politischer Idealist und radikaler Moralist“31 zu charakterisierende Publizist und Philosoph in Hannover, Theodor Lessing. Berdjaevs „Smysl istorii“ („Sinn der Geschichte“) war 1923 in Berlin auf Russisch erschienen und seit 1925 auch in deutscher Übersetzung greifbar, konnte Pekař also durchaus nicht nur vom Titel her bekannt sein.32 Wie Masaryk sah auch Berdjaev einen religiösen Sinn der Geschichte – allerdings fehlt bei ihm die für Masaryk so typische pragmatische Komponente. Bei Berdjaev spielt sich die Sinngebung im eschatologischen Bereich ab, also gewissermaßen außerhalb der Geschichte als eines immanenten Geschehens. „Die Geschichte hat nur in dem Falle einen positiven Sinn, wenn sie zu Ende geht“ (SG, 280), heißt es an zentraler Stelle, was sich aus dem Ablauf des Weltgeschehens als eines Kampfes zwischen Gut und Böse, Gott und Teufel erklärt. Geschichte soll den Sieg des Guten erweisen, und folglich wäre eine Geschichte als unendlicher Prozeß auch sinnlos (SG, 281). Berdjaev hat zwar keiner aktuellen moralischen oder politischen Instrumentalisierung von Geschichte das Wort geredet, aber mit seiner Herausnahme des Menschen aus der Geschichte und der Zuordnung auf ein „übergeschichtliches Ziel“ hin (SG, 281) entfernt er sich von der konkreten Anbindung historischer Erkenntnis, und er macht sein System insgesamt anfällig für mögliche Benutzungen. Die große Geste, mit der sich Pekař gegen die religiöse Sinnstiftung durch Masaryk wehrt, zeigt, daß er der Geschichtsphilosophie auch eines Berdjaev nichts abgewinnen konnte. Auch wenn gerade die hussitische Problematik immer wieder dazu herausgefordert hat, in religiösen Kategorien zu denken, dazu in antipodischen Mustern, läßt sich Pekař dadurch nicht beeinflussen; möglicherweise hat ihn die Beschäftigung gerade mit den zentralen „Randfiguren“ des Hussitismus (Žižka und Wallenstein), dazu die Konzentration seines Lehrers Jaroslav Goll auf die Geschichte der Böhmischen Brüder, davor bewahrt, den Hussitismus als ideologisches Potential für geschichtstheoretische Überlegungen einzusetzen. Nur mittelbar bietet sich eine Analogie an: Die Petrinischen Reformen bilden für Berdjaev die zentrale hermeneutische Herausforderung für die Geschichtswissenschaft zu Rußland schlechthin und sind in dieser Rolle als „dialektische Knoten“33 durchaus vergleichbar mit der Bedeutung des Hussitismus für die tschechische Geschichte. Jedoch schon die Einbettung dieses „Knotens“ in eine Geschichtskonzeption, die mit Begriffen wie „historischer Mission“ oder „russischer Idee“ arbeitet, entfernt den russischen Geschichtsphilosophen Berdjaev um Längen von dem Historiker Pekař.

30 S. V. Utechin, Geschichte der politischen Ideen in Russland, Stuttgart 1966 (Orig. 1963), 245– 248. 31 Heinz-Ulrich Nennen, Theodor Lessing und die Grenzen der Kritik, in: „Sinngebung des Sinnlosen“. Zum Leben und Werk des Kulturkritikers Theodor Lessing (1872–1933), hg. von Elke-Vera Kotowski (Haskala 31), Hildesheim 2006, 181–199, hier 186. 32 Stefan G. Reichelt, Nikolaj A. Berdjaev in Deutschland 1920–1950. Eine rezeptionshistorische Studie, Leipzig 1999, kennt allerdings keine Querverbindung. 33 N. P. Poltoratzky, Nikolay Berdyayev‘s Interpretation of Russia‘s Historical Mission, in: The Slavonic and East European Review 45 (1967) 193–206, bes. 195f.



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Eher könnte man Pekař als Exponenten der kritischen Geschichtsphilosophie Theodor Lessings (1872–1933)34 ausmachen. Freilich nicht im Sinne einer direkten Übernahme; dafür ist das sperrige Werk mit dem schönen Titel „Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen“ von 1919 gar nicht geeignet. Lessing verwahrt sich, noch ganz unter dem Eindruck der Geschehnisse des Ersten Weltkriegs, gegen jedwegliche Sinnzuweisungen an historisches Geschehen. Seine Infragestellung von sicherem Wissen bei fehlender Anschauungsmöglichkeit, sein Angriff auf die Auffassung, Kausalität sei der Normalzustand und die Durchbrechung von Kausalzusammenhängen eine Abnormität (GSS, 37), seine ungebrochen aktuelle Schelte auf den Vorgang der „nachträglichen Sinngebung“ („logificatio post festum“) (GSS, 56ff.), und schließlich die Ironisierung der von den Historikern so gerne vorgenommenen „vaticinia post eventum“ (GSS, 61ff.) – all dies nimmt sich wie eine Folie aus, vor der Pekař die Sinnzumutungen an die tschechische Geschichte abweisen möchte. Die Ablehnung fester Interpretationsschemata, wie Pekař sie bei Palacký, aber auch bei Masaryk ausmachte, führt ihn nicht nur zu einer Negation der These von einem abstrakten Sinn der Geschichte, wie Lessing sie so brillant vorgetragen hatte. Das konstruktive Element in der Dekonstruktion Palackýs durch Pekař besteht darin, daß die allgemeine Sinnfrage (in der Geschichte) durch die Auflösung in spezielle Sinnfragen beantwortet wird. Die Entnationalisierung der Nationalgeschichte, die Pekař gerade am nationalen Erinnerungsort des Hussitismus exemplifiziert, dient dazu, den „Sinn der (= dieser) Geschichte“ herzustellen und gleichzeitig Rechenschaft darüber abzulegen. Dieser Sinn ist also nichts Vorgegebenes, a priori Vorhandenes, das es nur noch zu entdecken und dann anzunehmen gälte; der Sinn ergibt sich aus der Bedeutung. Das heißt, die Hermeneutik als Grundlage der Interpretation historischer Probleme weist den Weg zu einem Sinn, der vor der wissenschaftlichen Auseinandersetzung noch gar nicht sichtbar sein kann. Ohne eigene wissenschaftstheoretische Diktion gelingt es Pekař so, sowohl den radikalen Skeptizismus eines Theodor Lessing wie den funktionalen Pragmatismus eines Tomáš G. Masaryk zu überwinden. Mit seinem Appell an eine Fragmentierung nicht der Untersuchungsgegenstände (hier neigt Pekař eher zum Universalismus), sondern der Erkenntnismöglichkeiten repliziert Pekař auf die unifikatorischen Tendenzen nicht nur der Geschichtsphilosophen, sondern auch der Politiker. Das Diktum Masaryks, „Tabor ist unser Programm“ [„Tábor je náš program“]35, wollte Pekař nicht bestätigen; ihm war im Gegenteil klar: „Wir Kinder des 19. Jahrhunderts (...) sind (...) kein Hus-Volk [Husův národ] und werden es auch nicht sein.“36 *** 34 Zu Biographie und Bibliographie vgl. Rainer Marwedel, Theodor Lessing 1872–1933. Eine Biographie, Darmstadt 1987. 35 Tomáš Garrigue Masaryk, Masarykova česká filosofie (1929), in: Spor o smysl českých dějin, Bd. 1: 1895–1938, hg. Havelka 1997, 575–598, 587. Vgl. den frühen Diskussionsbeitrag des Pekař-Schülers Jan Slavík mit der programmatischen Überschrift „Pekař kontra Masaryk“ (1929), in: Spor o smysl českých dějin, Bd. 1: 1895–1938, hg. Havelka 1997, 599–621, bes. 606. 36 Zit. nach Jan Pachta, Pekař und der Pekařismus im tschechischen Schrifttum, Marburg/L. 1950 (Orig. 1950), 11.

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Damit riskierte Pekař viel. Nicht nur, daß er sich mit den Anhängern Palackýs und Masaryks so einflußreiche wie unversöhnliche Gegner schuf; er zog auch die Aufmerksamkeit der nationalsozialistisch gefärbten deutschen Geschichtsschreibung auf sich, die ihn prompt vereinnahmte.37 Eine ‚damnatio post mortem‘ von der anderen politischen Seite her zementierte die Außenseiterrolle Pekařs38, als die tendenziöse Schrift von Jan Pachta 1950 ganz im Geist eines neuen, jetzt kommunistischen Patriotismus „Pekař als Verfälscher unserer nationalrevolutionären Traditionen“ brandmarkte.39 Der innovative Gehalt von Pekařs Schrift und Konzept ging darüber verloren – und ist auch bis heute, so meine ich, nicht angemessen gewürdigt. Pekař darf als einer der ganz wenigen praktizierenden Historiker gelten, die theoretisch etwas zu sagen haben und den Anschluß an größere fachübergreifende Diskurse nicht gescheut haben. So hatte Georg Simmel gerade um die Jahrhundertwende die Nähe von erkenntnistheoretischen Überlegungen und der Frage nach dem Sinn der Geschichte formuliert, als er (1892 und erneut 1905) seine „Probleme der Geschichtsphilosophie“ herausbrachte.40 Obwohl ihn Pekař nicht nennt, sind die gemeinsamen Anliegen unübersehbar: Sie bestehen vor allem darin, daß Simmel – die von Kant in der Philosophie vollzogene „Kopernikanische Wende“ kulturwissenschaftlich umsetzend – die geschichtliche Erkenntnis nicht als bloße Spiegelung vergangener Wirklichkeit sieht, sondern als Umgestaltung des Vergangenen durch den Geist der jeweiligen Betrachter.41 Hermeneutische Positionen wie die Verschränkung von „Erkenntnis und Interesse“ bei Habermas42 oder die „Rezeptionsästhetik“ von Hans Robert Jauß und Wolfgang Iser43 werden von ihren Grundlagen her sichtbar. Wenn Simmel konsequenter Weise einen „Dogmatismus der Wahrheit oder der Methode“ ablehnte und eine Gleichberechtigung verschiedener Deutungen favorisierte44, dann kann er gut und gern als Pate der geschichtstheoretischen Grundierung Pekařs gelten. Und der auch von Pekař erwähnte (StG, 11) Ernst Troeltsch hatte kurz nach dem 37 Ulrich Haacke, Vom Sinn der böhmischen Geschichte, in: Böhmen und Mähren im Werden des Reiches, Prag 1943, 170–178. Vgl. auch Jan Křen, Ein Kapitel aus der Geschichte der tschechischen Geschichtswissenschaft, in: Bohemia 27 (1986) 352–359, bes. 356. 38 Trotz der noch zu Lebzeiten erfolgten Analyse der von Pekař mit angestoßenen Diskussion bei Emanuel Chalupný, Husitství, Táboři a Prof. Pekař, Praha 1928, und des ehrenden Bandes in seinem Todesjahr: O Josefu Pekařovi. Příspěvky k životopisu a dílu, hg. von Rudolf Holinka, Praha 1937. 39 Pachta, Pekař und der Pekařismus 1950, 38. 40 Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie, Leipzig 1892; 2., verb. Aufl. 1905. Vgl. Sakiko Kitagawa, Die Geschichtsphilosophie Georg Simmels, Diss. masch. FU Berlin 1982, 134. 41 Vgl. Ute D aniel , Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt/M. 5.A. 2006, 53–62. 42 Jürgen Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt/M. 1968. 43 Vgl. Peter Rusterholz, Hermeneutische Modelle, in: Grundzüge der Literaturwissenschaft, hg. von Heinz Ludwig Arnold und Heinrich Detering, München 7.A. 2005, 101–136, bes. 131ff. 44 Werner Jung, Neuere Hermeneutikkonzepte. Methodische Verfahren oder geniale Anschauung?, in: Neue Literaturtheorien. Eine Einführung, hg. von Klaus-Michael Bogdal, Göttingen 32005, 159–180, bes. 168.



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Ersten Weltkrieg, der von ihm so bezeichneten „Weltkatastrophe des großen Krieges“ (1922), an der Re-Aktualisierung der Fragen nach dem „Sinn der Geschichte“ maßgeblich mitgewirkt.45 Waren andere geschichtsphilosophische Versuche nach 1918 noch sichtlich der Verarbeitung der jüngsten Vergangenheit gewidmet, so geht Pekař einen Schritt weiter, hin zum Allgemeinen und zur Forschungspraxis der Zukunft. Der Hussitismus erweist sich in seiner Modellbildung als noetische Nagelprobe und methodologische Bifurkation – für die tschechische Historiographie und darüber hinaus: An ihr können die verschiedenen Geschichtskonzeptionen überprüft und die Problematik von politischen und allgemein aktualistischen Interpretationslinien durchsichtig gemacht werden. Denn Pekař hatte ja die Bedeutung des Hussitismus für die tschechische Geschichte nie abgestritten; er sah sie nur anders (d.h.: weniger eindeutig positiv und weniger gegenwartsverhaftet) als seine Opponenten. Dem Euphemismus von Masaryks „Tábor-Demokratie“ setzte er die Destruktivität des Hussitismus in der Gestalt Žižkas entgegen.46 In einem paradigmatischen Sinn ist Pekař damit unser Zeitgenosse; denn die Aktualität der Beurteilung nationaler Geschichte ist weder für die tschechische, noch für die deutsche oder die europäische Geschichtswissenschaft abhanden gekommen.

45 Emil Angehrn, Geschichtsphilosophie (Grundkurs Philosophie 15), Stuttgart 1991, 176. 46 Karel Kučera, Masaryk und Pekař: Their Conflikt over the Meaning of Czech History and its Metamorphoses, in: T. G. Masaryk (1850–1937), Bd. 1: Thinker and Politician, hg. von Stanley B. Winters, Houndmills 1990, 88–113, hier 102.

Orts- und Personenregister A Adalbert Rankonis de Ericinio 59 Agram, Johann von 171 Aigen 242, 247 Aign 214 Albenreuth 153 Albert III. 191, 192, 198, 227 Albert von Hohenrechberg 209 Albik von Uničov 62 Albrecht II. 180 Albrecht III. 250 Albrecht V. (= Albrecht II. dt., ungar. u. böhmischer König 1438/39) 246 Albrecht von Brandenburg (1490–1568) 260 Albrecht von Wallenstein 273, 274 Aleš von Březí 78 Allersberg Pfarrei 197 Altenstadt bei Vohenstrauß 206 Altwilmsdorf 133, 172 Amberg 177, 196, 200, 204 Ambros von Königgrätz 130 Ambrosius von Mailand 50 Andreas siehe Andreas von Regensburg Andreas 133 Andreas von Brod 226 Andreas von Regensburg 165, 192, 193, 199, 200, 204, 206, 207, 213, 220, 223, 225, 226, 228, 232, 233, 246 Andrian-Werburg, Klaus von 172 Anna von Böhmen 27 Anselm von Canterbury 50 Antiochien 61 Arnošt z Pardubic siehe Ernst von Pardubitz Arnpeck, Veit 196 Arnschwang 215 Auer, Friedrich 246

Auerbach 178, 208, 209 Augustin Lucian von Santorin 67 Auschwitz 132 Aussig 150, 194 Avignon 30 B Bärnau 1, 152, 204–206, 218, 220 Heimatmuseum 221 Balbín, Bohuslav 273 Bamberg 145, 151, 177, 208, 253 Diözese 197 Hochstift 209 Bartoš, František Michálek 43–45, 47, 48, 54, 55, 138 Bartošek von Drahonic 211 Basel 19, 49, 52, 53, 55, 157–159, 193, 216 Konzil 9, 11, 18, 20, 21, 23, 39, 41, 44, 45, 47, 51, 53, 55, 82, 96, 97, 99, 112, 120, 121, 138, 143, 156, 158, 160, 191, 211, 213, 215–217 Universitätsbibliothek 45 Basil, Fritz 219 Bauer, Josef Martin 219 Baumgartner 174 Bautzen 130 Bayreuth 3, 154, 177, 207 Beaufort, Heinrich 151, 197, 205 Bechyně 78 Beheimstein 155, 207–210 Beidl 206 Benedikt XIII. 11, 201 Benediktbeuern Benediktinerkloster 23 Benk bei Bayreuth 208 Beratzhausen 233 Berdjaev, Nikolaj 274 Bergfri(e)der, Niclas 173 Berlin 274 Bernhard 239 Bernhard von Oppeln 129, 132 Bernkastel-Kues Hospitalbibliothek 45, 47, 48, 51

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Orts- und Personenregister

Bihlmeyer, Karl 12 Bischofteinitz 176, 203 Biskupec, Nikolaus 68 Bitschin, Conrad 252–255, 257, 259 Bleicher, Michaela 194 Blumenau, Laurentius 252–254, 260 Bochov siehe Buchau Böhmisch Krumau 78 Bohuslav von Riesenberg (Riesenburg) 244, 250 Bolesław I. 110 Bolkenhain 140 Bolko V. 132 Bolków siehe Bolkenhain Bologna 118, 188, 232 Branda da Castiglione siehe Castiglione, Branda da Brandenburg-Kulmbach Fürstentum 207 Braunau 130 Breslau 71, 72, 110, 123–125, 128–130, 133, 134, 136, 141, 144, 146, 189 Diözese 126 Matthiasstift 137, 139 Sandstift 136, 137 Synode 120 Synode 120 Universitätsbibliothek 136, 139 Vinzenzstift 137 Březová, Laurentius von 124, 125 Brieg 114, 120, 121, 132, 141 Brixen 22, 23 Brno siehe Brünn Broumov siehe Braunau Brünn 5, 99 Brunn, Johann von 156, 157 Brzeg siehe Brieg Brzoska, Emil 122 Buchau 152 Bunzlau 168 Burgbernheim 202 Burgkunstadt 208 Butzbach 117 C Čapek, Jan 257

Carpentarii, Nikolaus siehe Nikolaus Carpentarii Časlav siehe Tschaslau Castiglione, Branda da 126, 148, 192–195, 223, 238 Causis, Michael de 33 Čenek von Wartenberg 202 Cesarini, Giuliano 41, 51, 96, 155–157 Český Krumlov siehe Böhmisch Krumau Cham 159, 204, 206, 207, 213, 216, 218 Charlier, Gilles 159 Cheb siehe Eger Chelčice 77, 78, 79 Chelčický, Peter 77–91 Chemnitz 154 Chomutov siehe Komotau Chotěšov siehe Chotieschau Chotieschau 147 Chrobak, Werner 1 Cieszyn siehe Teschen Cimburg, Ctibor Tovačovský von 103 Clemens V. 13 Cosmas von Prag 266 Cronberg, Hartmut von 225 Czacheritz, Michael 137 D Danzig 257 Degenberger, Hans 246 Degenberger, Wigalois Gewolf 246 Deincgk, Durszk von siehe Durszk von Deincgk Deventer 21 Deychsler, ... 233 Diepold II. 143 Dietrich 170 Dietrich von Nieheim (Niem) 14, 188 Długosz, Jan 61 Domažlice siehe Taus Dorfner, Dominik 203, 217, 221 Dorner, Hans 204 Drabina, Jan 141 Drändorf, Johannes 119, 138, 224, 225 Drda, Miloš 221 Dresden 154 Drška, Zdeněk 176 Dum, Johann 177



Orts- und Personenregister

Durand, Ursinus 43 Durszk von Deincgk 249 Dusburg, Peter von siehe Peter von Dusburg Duvel, Konrad 188, 232 Dzierżoniów siehe Reichenbach bei Schweidnitz Dziewulski, Władysław 141 E Eberhard, Winfried 1, 131 Eger 47, 48, 50, 51, 54, 55, 143–153, 155– 160, 165, 172, 173, 177, 187, 208, 211, 215, 216 Eibauer, Hans 221 Eichstätt Diözese 197 Elbogen 151, 152, 154 Eliae, Erasmus 114 Engelhard, Hans 172 Engelhart, Pankraz 153, 155 Erdmann-Schott, Christian 129 Erfurt 118, 208 Kartause Salvatorberg 187 Reglerkloster 136 Universität 187 Ernst 207, 244 Ernst von Pardubitz 59, 66 Eršil, Jaroslav 4 Eschenau 202 Eschenbach 208, 209 Eschlkam 203, 241–243, 245, 247 Eslarn 206 Etchegaray, Roger 3 Etzel-Ragusa, Alexander 219 Eugen IV. 96, 156 Eych, Johannes von 21 F Fabri 71 Fabri, Nikolaus 118 Falkenberg 154, 205, 206 Falkenberg 153 Fernando de Palacios 124, 128, 189 Fida 35 Filibert siehe Philibert

281

Fink, Karl August 20 Flacius, Matthias (Illyricus) 225 Flecken, Margarete 171 Florenz 19, 124, 165 Floß 206 Frankenstein Dominikanerkloster 133 Frankfurt am Main 145 Reichstag 151 Franziskus Kreisewitz siehe Kreisewitz, Franziskus von Brieg Freiberg in Sachsen 151 Freisewitz, Franziskus 120 Freytag, Gustav 140 Friedrich 207 Friedrich 152, 204 Friedrich I. 151 Friedrich VI. (I.) 96, 121, 146, 148, 151, 155–159, 166, 196–198, 207–210, 213, 216, 220 Friedrich von Straßnitz 134 Friedrich von Wolfstein 213 Fronberger, Ulrich 213 Froos 206 Fuchs, Franz 1 Furth im Wald 215, 218, 241, 247, 250 G Gallus (Havlík) 39 Gebauer, Jan 273 Gefeller, Niklas 155 Gefrees 154, 207, 208 Gelnhausen, Johannes von 158 Gemeiner, Carl Theodor 228 Georg von Mistelbeck 213 Georg von Poděbrad siehe Georg von Podiebrad Georg von Podiebrad 69, 70, 101, 102, 161, 180, 250 Gerson, Jean 227 Glatz 133 Augustiner-Chorherrenstift 137

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Orts- und Personenregister

Glatz 111 Gleißenberg 215 Gleiwitz 133, 141 Gliwice siehe Gleiwitz Glogówek siehe Oberglogau Görlitz 130 Goldberg 109 Goll, Jaroslav 273, 274 Gotha 192, 200, 233 Gottfried von Triest 175 Grefenberger, Eberhart 177 Gregor XI. 28 Gregor XII. 11, 14, 29 Greimolt, Albrecht 231 Groote, Gerhard (Geert) 21 Gruber, Hans 172 Gruber, Johann 233 Grünsleder (Gruenleder), Conrad 228, 229 Grünsleder (Gruenleder), Friedrich 228, 229 Grünsleder, Ulrich 1, 192, 198–201, 224, 225, 227–233 Grundler, Franz 203, 217, 220, 221 Grundmann, Herbert 20 Gumerauer, Niklas (Nikolaus) 147, 154 Gundelfing, Hans 176 H Habermas, Jürgen 276 Hacker, Fritz 219 Härtenberger, Heinrich 213 Haibeck, Hans 246 Haller 174 Hanka, Václav 273 Hannover 274 Hans 176 Hans von Rohrbach 213 Hanusch, Johann 168 Harmberger, Michel 242 Hartung II. Pfersfelder 209 Hasenburg, Zbynĕk von siehe Zajíc von Hasenburg, Zbynĕk Havel, Václav 3 Havlík siehe Gallus Heck, Roman 141 Heidelberg 13, 31, 118, 119, 138, 224, 225

Universität 113, 187, 193, 232 Heimpel, Hermann 20, 224, 232 Heinrich II. < römisch-deutscher Kaiser> 229 Heinrich III. von Truppach 209 Heinrich XVI. 151, 213 Heinrich von Bitterfeld 27 Heinrich von Plauen 170, 253 Hemau 233 Hemerlein, Paul 173 Herder, Johann Gottfried 266, 272 Hermann (Schwab) von Mindelheim 62, 202 Hermann von Wartberge 256 Hersbruck 182 Heß, Johannes 72 Heuraus, Georg 240, 246 Heydenaber, Peter 177 Heyraus, Georg 213 Heyraus, Haimeran 213 Hieronymus von Prag 5, 31, 32, 49, 51, 117, 183–185, 199, 225, 232 Hilarius Litoměřický siehe Hilarius von Leitmeritz Hilarius von Leitmeritz 69 Hildebrandi, Matthias siehe Matthias von Liegnitz Hildesheim 232 Hilsch, Peter 10, 131 Hiltersried 1, 203, 212–215, 217, 219, 246 Hirschau 1, 182, 183, 185 Hirscheider, Georg 213 Hirschfeld 182 Hlaváček, Ivan 44, 53, 138 Hochwart, Lorenz 200 Höfler, Constantin (von) 266–268 Hof 154, 207, 208 Hofer, Degenhart 213 Hoffmann, Johannes 114, 117–119, 121 Hofmann, Melchior 109 Hohenschambach 233 Hohenthann 206 Hollfeld 154, 207, 208 Homberg 65 Hostislav von Bílsko 78 Hübner, Johannes 113–116



Orts- und Personenregister

Hus, Jan 1, 3–5, 14, 15, 17, 25–37, 39, 40, 49, 51, 59, 61, 63, 68, 79, 80, 83, 109, 110, 114, 116, 117, 119, 121, 181–185, 188, 199, 200, 214, 217, 220, 223–225, 227, 228, 232, 255, 258, 259, 265, 272 Husinetz 25 Húska, Martínek 79 Hynek von Schwanberg siehe Kruschina, Hynek I Iban 209 Iglau 100 Landtag 160, 217 Illyricus, Mathias Flacius siehe Flacius, Matthias (Illyricus) Imhoff, Hans 168–172 Imhoff, Sebald 168, 171 Isenburg, Diether von 20 Iser, Wolfgang 276 J Jacobellus von Mies 32, 36, 39, 41, 45, 54, 62, 79, 185 Jakob Kroměšín von Březovice siehe Kroměšín, Jakob Jakoubek ze Stříbra siehe Jacobellus von Mies Jan Krása 124, 125, 128 Jan (Johannes) Militsch von Kremsier 22, 26, 59, 60 Jan von Pajrek 237, 244 Jan z Jenštejn siehe Johann von Jenstein Jan z Příbrami siehe Johann von Přibram Janek von Chocenice 61 Janko von Wirsberg 161 Jauer 129 Fürstentum 130 Jauß, Hans Robert 276 Jenstein, Johannes von 20, 21, 24 Jeroným Pražský siehe Hieronymus von Prag Jessenitz, Johann von 31, 62 Jesus Christus 9, 28, 36, 50, 61, 82, 83, 85, 86, 88, 89, 91, 94

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Johann II. 191– 193, 195, 200, 204 Johann II. von Nassau 146 Johann 1, 152, 159, 181, 183–185, 193, 195–198, 203, 205, 207–209, 211–214, 216, 244 Johann 152, 176, 238, 246 Johann der Eiserne 61, 63, 124, 129 Johann von Bucca siehe Johann der Eiserne Johann von Jenstein 59 Johann von Kolovrat siehe Hanusch, Johann Johann von Krajnice 158 Johann von Lestkov 169 Johann von Leuchtenberg 206 Johann von Luxemburg 144 Johann von Münsterberg 169 Johann von Posilge 255, 257 Johann von Přibram 50, 54, 79 Johann von Rabstein 101, 102 Johann von Ragusa 44, 46, 53 Johann von Selau 66 Johannes (Jan) von Prag gen. Krása siehe Krása, Jan Johannes 121 Johannes 133 Johannes 206 Johannes Kbel 114 Johannes Ottonis von Münsterberg 113, 117– 119, 121, 130, 132, 133 Johannes Paul II. 3 Johannes von Jesenitz 62 Johannes von Palomar 216 Johannes von Ragusa siehe Stojković, Johannes Johannes 136 Johannes XXIII. 10, 11, 14, 33–35, 145, 188 Junck(h)er, Hans 152, 204 Jungingen, Ulrich von siehe Ulrich von Jungingen

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Orts- und Personenregister

K Kaaden 148, 149 Kadaň siehe Kaaden Kain 89 Kalau 208 Kamenz 130 Kamerauer, Peter 246 Kant, Immanuel 276 Kapfer, Jobs 171 Karl IV. 26, 111, 144, 163 Karlstein 169, 170, 171 Kaschau 193 Kasimir III. 111 Kaspar aus St. Gallen 175 Kasper, Walter 3 Kastl bei Kemnath 202 Kazimierz Fronleichnamsstift (AugustinerChorherrenstift) 136 Kbel, Johannes siehe Johannes Kbel Keczel, Heinz 177 Kejř, Jiří 4 Kemnath 202 Kemter, Bernd 220 Keßler, Nikolaus 207 Kirchmair, Heinrich 220 Kladrau 147, 157, 160 Kladruby siehe Kladrau Klatovy siehe Klattau Klattau 147 Kleinaigen 241 Klenau, Přibík von siehe Přibík von Klenau Klewitz, Katrin 221 Klewitz, Peter 219, 221 Kluczbork siehe Kreuzburg Koblenz Staatsarchiv 45 Köln 1, 118, 145, 176 Universität 187 Königstein Feste 245 Köppelwein, Hans 168 Kötzting 247, 248 Kolben, Hans 176 Kolditz, Albrecht von 167 Kolovrat, Friedrich von 170

Kolovrat, Johann von 170, 171 Komotau 148, 149 Konhofer, Conrad 175 Konitz 252–254, 257 Konopiště Schloss 70 Konrad 216 Konrad von Soltau 27 Konrad VII. 191, 193, 216 Konrad von Hildesheim 207, 232 Konrad von Megenberg 254 Konrad von Oels 129–132 Konrad von Vechta 61–64, 66, 67, 126 Konstanz 15, 33, 35, 71, 121, 183–185, 193, 220 Diözese 58 Konzil 4, 9–12, 14–18, 20, 23, 30, 34, 40, 49, 112, 116, 119, 120, 145, 181, 183, 184, 191, 200, 201, 221, 227, 232 Kopičková, Božena 32 Korybut, Sigismund 133, 134 Kosel 133 Košice siehe Kaschau Kostka von Postupice, Wilhelm 159 Kotbus, Martin 140 Kot(t)enplaner, Hans 147 Koźla siehe Kosel Krakau 13, 41, 118 Jagiellonen-Bibliothek 61 Universität 113, 120, 187 Krása, Jan siehe Jan Krása Kraschow 168 Krašov siehe Kraschow Krchňák, Alois 52 Kreisau 133 Kreisewitz, Franziskus von Brieg 114, 120, 121 Kreuzburg 133 Kříž, Wenzel 28 Křižanovský, Václav 69 Krmíčková, Helena 5, 39, 40 Kroměšín, Jacob 133, 134 Kronach 207 Kruschina, Hynek 171, 177 Krzyżowa siehe Kreisau



Orts- und Personenregister

Kubů, František 153 Künig, Heinrich 195 Kulmbach 154, 177, 207, 208 Kutná Hora siehe Kuttenberg Kuttenberg 69, 72, 103, 144, 160, 255 L Labrer, Albert 233 Ladislaus 14, 33 Ladislaus Posthumus 180 Landskron 139 Lanškroun siehe Landskron Lauban 130 Lauf 182 Laurentius von Reichenbach 138, 139 Lautschim 218 Lederhose siehe Dietrich Legnica siehe Liegnitz Leidinger, Georg 226 Leipzig 31, 118, 119, 145 Universität 113, 118, 140, 187 Leitmeritz 103 Leitomischl 61, 78, 99, 124, 159 Diözese 58 Lessing. Theodor 274, 275 Levin von Wirsberg 208 Liblice bei Mělník Schloss Liblitz 3 Liegnitz 113 Lipan 98, 134, 160, 176, 216, 217, 260 Lipany siehe Lipan Litomyšl siehe Leitomischl Livin von Wirsberg 161 Löbau 130 London Synode 28, 114 Lortz, Joseph 20 Loserth, Johann 27 Loučim siehe Lautschim Louda, Matthias 156, 158 Luditz 149, 151, 159 Ludolf von Einbeck siehe Ludolf von Sagan Ludolf von Sagan 24, 117, 119–122, 126, 128, 137, 139 Ludwig der Jüngere von Ohlau 132

285

Ludwig III. 181, 184, 188, 193, 195, 206, 209 Ludwig IV. der Bayer 144 Ludwig VII. 148, 213, 225, 238 Ludwig XII. 209 Ludwig von Brieg 129, 131 Lugo 124, 189 Lukas 136 Lukas 137 Luna, Petrus de siehe Benedikt XIII. Lupáč, Martin 53 Luther, Martin 10, 73, 109, 225 Lutterworth Pfarrei 28 M Machilek, Franz 1, 5, 224 Madach, Georg 174 Männer, Theo 219, 221 Märtl, Claudia 226 Magdeburg 5 Mai, Paul 2 Mainz Erzdiözese 200 Maleczyńska, Ewa 141 Markold von Zbraslavice 156 Markus 23 Martène, Edmond 43 Martin 135 Martin V. 11, 17, 18, 32, 96, 124, 126, 128, 146, 165, 186, 188, 189, 191– 193, 197, 210 Martin von Bolkenhain 130, 140 Masaryk, Tomáš Garrigne 271–277 Maschau 149, 151 Matěj z Janova siehe Matthias von Janov Matthäus von Krakau 13, 27, 59 Matthias von Chlumčany siehe Louda, Matthias Matthias von Janov 22, 26, 39, 41, 48, 54 Matthias von Knín 117 Matthias von Liegnitz 113, 120 Megerlein, Nikolaus 130

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Orts- und Personenregister

Meister des Todes Mariae 213 Mendel, Hans 202 Meyr, Hans 172 Michelfeld Benediktionerkloster 209 Mies 147, 150, 151, 175, 204 Mieszko I. 110 Miklík, Josef Konstantin 271 Milíč von Kremsier siehe Jan (Johannes) Militsch von Kremsier Militsch von Kremsier siehe Jan (Johannes) Militsch von Kremsier Millet, Helène 64 Mladoňovic, Peter von 63, 183 Moeller, Bernd 71 Moers, Dietrich von 148 Mokrovouský von Hustířan, Beneš 178 Mollat du Jourdin, Michel 12 Moosbach 206 Moraw, Peter 121, 128, 141 Müllner, Johannes 169, 172 Münchberg 207 München Hauptstaatsarchiv 228, 230 Nationaltheater 219 Universität 12, 266 Münster 21 Münsterberg 133 Münsterberg, Johann von 172 Münsterberg, Johannes Ottonis von siehe Johannes Ottonis von Münsterberg Mulner, Andreas 227 Murach, Konrad von 205 N Nabburg 212, 218, 220, 221 Nachod 130 Namslau 133, 134 Namysłów siehe Namslau Návara, Jiří 221 Nechutová, Jana 5 Neisse 114, 132, 137, 169, 172 Netolice 78 Neukirch an der Katzbach 109

Neukirchen b. Hl. Blut 203, 241–243, 247, 248 Wallfahrtskirche 218 Wallfahrtsmuseum 221 Neumarkt 196, 218 Neunburg vorm Wald 1, 196, 204, 205, 212– 214, 218, 219 Heimatmuseum 221 Sankt Georg 213, 214 Neunkirchen am Brand Augustiner-Chorherrenstift 187 Neustadt an der Waldnaab 1, 182, 205 Nicolaus Cusanus siehe Nikolaus von Kues Nider, Johannes 23, 158 Niemcza siehe Nimptsch Nikel von Raussendorf 168, 169 Nikodemus 88 Nikolas 63 Nikolaus III. 153, 154, 156, 207 Nikolaus Carpentarii 133 Nikolaus Groß (Magni) von Jauer 113, 119 Nikolaus von Dinkelsbühl 227 Nikolaus von Dresden 39, 40, 138, 201 Nikolaus von Jeroschin 256 Nikolaus von Kosel 139 Nikolaus von Kues 22, 45 Nikolaus von Leitomischl 114 Nikolaus von Pelhřimov siehe Nikolaus von Pilgram Nikolaus von Pilgram 67, 79, 159 Nikolaus von Řehovic 125 Nikolaus von Strahov 137 Nikolaus von Zedlitz 134 Nimptsch 133 Nittenau 205, 206 Nos, Wenzel 114 Nothaft von Bodenstein, Albrecht 213 Nothaft von Wernberg, Heinrich 176, 239, 242, 244, 246, 247 Nowy Kościół siehe Neukirch an der Katzbach Nürnberg 96, 144–147, 150–152, 154, 155, 157, 158, 163, 165, 166, 169, 171, 173, 174, 177–179, 181–183, 187, 203, 209, 210, 237, 248 Reichstag 149, 197



Orts- und Personenregister

Reichstag 155 Sankt Lorenz 182 Sankt Sebald 182 Nysa siehe Neisse O Oberglogau 139 Obermurach 212 Ochsenfurt 202 Oddo (Odo) Colonna siehe Martin V. Oldřich Kříž z Telče siehe Ulrich Kreuz von Teltsch Oldřich ze Znojma siehe Ulrich von Znaim Oliva (Oliwa) Zisterzienserkloster 258 Olmütz 61, 78, 99, 139 Diözese 58 Olomouc siehe Olmütz Ooyen, Johannes van 2 Opatovice siehe Opatowitz Opatowitz Benediktinerkloster 137 Opava siehe Troppau Opole siehe Oppeln Oppeln 110, 132 Orff, Carl 23 Orsini, Giordano d. J. 194, 197 Osek siehe Ossegg Ossegg 153 Ostmann, Ott 211, 213, 220 Oświęcim siehe Auschwitz Otmuchów siehe Ottmachau Ottmachau 133, 134, 141 Otto siehe Ziegenhain, Otto von Otto I. 152, 204 Otto III. von Hachberg 36 Ottokar II. Přemysl 143, 251, 267 Oxford 27, 28, 232 Universität 28 P Pachta, Jan 276 Palacios, Fernando siehe Fernando de Palacios

287

Palacký, Franz (František) 41, 52, 170, 265– 272, 275, 276 Páleč, Stefan 28, 33, 34, 114, 115 Palomar, Juan 159 Pardubitz, Ernst von 57 Pardus von Hrádek, Jan 211 Paris 118 Nationalbibliothek 45 Synode 13 Universität 64, 113 Parsberger, Christoph 204 Parsberger, Friedrich 191 Passau 197 Patschovsky, Alexander 44 Paulsdorfer, Wilhelm 213 Paulus 82 Pavia 193 Konzil 18 Payne, Peter 39 Pegnitz 154, 178, 202, 207–209 Peilstein 247 Pekař, Josef 265, 269–277 Pelplin Zisterzienserkloster 258 Pernstein, Adalbert von 103 Pernstein, Johann von 103 Pernstein, Wilhelm von 103 Pertolzhofer, Friedrich 213 Pertolzhofer, Georg 213 PesteIl, Hans 174 Peter der Große 267 Peter von Dresden 138, 200, 201 Peter von Dusburg 252 Peter von Mladoniowitz siehe Mladoňovic, Peter Petrus von Rosenheim 207 Petrus (Valdes) Waldes aus Lyon 26 Pflug, Heinrich 204, 212, 214, 215 Philibert 66 Philippsburg siehe Udenheim Pilsen 98, 145, 147, 148, 157, 165, 166, 168– 171, 176, 177, 211, 212, 215 Pinczberg, Jacob 173 Pirsenstein 174 Pisa Konzil 10, 31, 112, 117, 120 Pius II. 22, 250

288

Orts- und Personenregister

Plattling 245 Pleystein 206 Plößberg 206 Plžen siehe Pilsen Pol, Nikolaus 110 Polívka, Miloslav 194 Popiołek, Kazimierz 141 Porten, Clasen 177 Posilge, Johann von siehe Johann von Posilge Prachatitz 25 Prag 4, 10, 14, 26, 28, 30, 32, 33, 35, 36, 53, 58, 60, 62, 66, 69, 71, 72, 96, 102, 103, 120–126, 130, 132, 134, 138, 144–146, 148, 155–160, 164, 167, 172, 176, 177, 188, 189, 200–202, 215–217, 268, 269 Bethlehemkapelle 14, 28, 30, 31, 36, 39 Bibliothek des Domkapitels 45–47, 50, 53, 54 Bibliothek des Nationalmuseums 45, 54 Bistum 130 Carolinum 70, 114, 164 Diözese 30, 57 Kirchenprovinz 30 Kleinseite 41 Landtag 98 Maria-am-See-Kirche 202 Nationalbibliothek 46–51, 53, 54 Sankt-Veits-Dom 126 Strahov, Praemonstratenserstift 101 Synode 62 Synode 66 Universität 4, 14, 25, 27–29, 31, 36, 68, 69, 113, 114, 118, 140, 232, 255, 266 Wyschehrad (Vyšehrad) Burg, Kollegiatstift 101 Preckendorfer, Andre 213 Přemko I. 129 Přemysl, Otakar II. siehe Ottokar II. Přemysl

Preßburg 41, 95, 156 Přibík von Klenau 250 Probst, Erhard 229 Prokop der Große 96, 134, 138, 139, 151, 154–159, 207, 209, 211, 215, 217 Prokop der Kahle siehe Prokop der Große Prokop von Rabstein 101 Propst, Erhard 230, 231

Propst, Martin 231 Przybymierz siehe Reichenbach bei Sagan Puchala, Dobeslav 132, 133 Puchhauser, Berthold 199–201, 225, 232, 233 Püdnstorfer, Ulrich 213 Punzlau siehe Bunzlau Půta von Častolovice 129, 130, 132, 156 R Racek von Riesenberg (Riesenburg) 249, 250 Racibórz siehe Ratibor Rádl, Emanuel 271 Ramsberger, Friedrich 246 Ratgeb, Heinrich 192, 200, 201, 233 Ratibor 110, 129, 132 Ratz, Berthold 213 Raudnitz 66 Augustiner-Chorherrenstift 135 Rautenstock, Bartholomäus 201–203 Regensburg 1, 144, 145, 187, 188, 191–195, 199, 200, 207, 213, 214, 217, 223, 227– 230, 232, 239, 240 Aha-Kirche 195, 199 Bischöfliches Zentralarchiv 233 Diözese 1, 176, 197 Kloster St. Emmeram 229 Reichstag 98, 99 Sankt Emmeram 195, 205 Sankt Paul 193 Stadtarchiv 230 Regensburg-Stadtamhof 195 Augustiner-Chorherrenstift Sankt Mang 187, 192, 199 Katharinenspital 195 Regenstauf 213 Schloss Spindlhof 1, 5 Reichel, Johannes 220 Reichenbach am Regen 226 Reichenbach bei Sagan 138 Reichenbach bei Schweidnitz 138 Reichenstein 211 Reicholdshöfer, Ulrich 203 Reiser, Friedrich 139 Remigius 136 Rewtheymer, Laynhart 172 Rezek, Antonín 273



Orts- und Personenregister

Richard II. 27 Richard von Cornwall 143 Richental, Ulrich von 110 Riesenberg, Bohuslav von siehe Bohuslav von Riesenberg Riesenberg, Racek von siehe Racek von Riesenberg Řítka von Bezdĕdic, Jan 211 Roding 205 Rokycana, Johann (Jan) 39, 41, 42, 44, 45, 47–50, 52–55, 67, 69, 79, 80, 98, 100, 125, 158, 159 Rom 4, 12, 14, 16, 20, 21, 30, 33, 100, 197 Bibliotheca Apostolica Vaticana 45 Vatikan 3 Rostock 96 Rothkegel, Martin 55 Rottschmid, Frank 176 Roudnice siehe Raudnitz Rudolf II. 104 Ruprecht 33, 163, 181, 193, 195 Ruprecht III. von der Pfalz siehe Ruprecht

Ryba, Bohumil 4 S Saaz 148 Sadska Augustiner-Chorherrenstift 136 Sagan 118, 136 Augustiner-Chorherrenstift 24, 119, 135, 187 Sanspareil siehe Zwernitz Sattelboger, Erasmus 246 Satzenhofer vom Frauenstein, Hans 213 Sbinko von Hasenburg siehe Zajíc von Hasenburg, Zbynĕk Schärding 245 Schaunberg, Wilhelm von 174 Schele, Johannes 21 Schemm, Hans 219 Schenk, Hans 167–170, 172, 173 Scheßlitz 208 Scheuerer, Franz 219 Schlick, Erhard d. J. 145

289

Schlieben bei Meißen 138 Schmalz, Reinhardt 220 Schmidt-Fölkersamb, Ursula 172 Schönburg, Wilhelm von 174, 175 Schönkirch 206 Schönsee 211, 221 Schönthal Augustiner-Eremitenkloster 205 Schwab, Hermann siehe Hermann (Schwab) von Mindelheim Schwab, Johannes 117 Schwandorf 205 Schwarzenburg bei Rötz 212, 219 Schwarzhofen bei Neunburg vorm Wald 195 Schweidnitz 113, 114, 117–119, 121, 126, 129 Fürstentum 130 Schweidnitz-Jauer Herzogtum 140 Schweissing 69 Sedlec siehe Sedletz Sedletz Zisterzienserkloster 153 Seidlmayer, Michael 12 Sigismund (Sigmund) 15, 33–35, 95–97, 99–103, 122–130, 146, 147, 149, 155–157, 159, 160, 165, 167, 168, 171, 179, 180, 183, 184, 188, 189, 193, 196, 197, 206, 210, 215, 217, 237– 239, 249 Silagi, Gabriel 4, 5 Simmel, Georg 276 Simon von Tischnov 32 Sintzenhofer, Ulrich 213 Slavík, Jan 271 Slawassowsky, Mika 175 Šmahel, František 4, 5, 44, 115, 116, 124, 138, 158, 224 Smolenice bei Preßburg 3 Speinshart Prämonstratenserstift 209 Speyer 65 Diözese 58 Spunar, Pavel 44, 138, 139 Stadlern 211 Stadtamhof siehe Regensburg-Stadtamhof

290

Orts- und Personenregister

Stanislaus von Znaim 28, 29, 33, 59, 60, 114, 117 Stary Wielisław siehe Altwilmsdorf Stefan von Kolin 59 Štěkna, Jan 117 Stocker 174 Stör, Marquard 213 Stör, Nikolaus 114, 118 Stojković, Johannes von Ragusa 156, 159 Stolzen, Hermann 170 Stoob, Heinz 145 Storch, Petrus 117, 119 Strahov siehe Prag, Strahov Stralyn, Barbara 173 Straubing 226, 237, 238, 245, 247, 248 Strehlen 131, 132 Stříbro siehe Mies, siehe Mies Strika, Zvjezdan 42 Strobel, Albrecht 178 Strzelin siehe Strehlen Stuhlweißenburg 100, 160 Sulzbach 182, 184, 208 Sulzberg 176 Swidergal (Swidrigailo) 257 Świdnica siehe Schweidnitz

Tolkemit bei Elbing 138 Tollinger, Hans 177 Tomek, Wácslav Wladiwoj 41, 52 Totting von Oyta, Heinrich 27 Toulouse 65 Trautenau 130 Trautmannshofen Pfarr- und Wallfahrtskirche 218 Trauttenberger, Jörg 207 Třeboň siehe Wittingau Treffelstein 213 Trenčín siehe Trentschin Trentschin 111, 127 Trient Konzil 9, 15, 18 Trier 151 Trocnov 4 Troeltsch, Ernst 276 Troppau 129, 132 Fürstentum 132 Trutnov siehe Trautenau Tschaslau 52, 127, 128, 159 Tüchle, Hermann 12 Türlinger, Friedl 213 Türlinger, Ulrich 213 Turnau, Peter 138, 224, 225

T Tabor 3, 4, 67, 69, 221 Tachau 132, 147, 151–153, 157, 165, 177, 204, 205, 221 Tachov siehe Tachau, siehe Tachau Talaru, Amadeus 213 Taus 41, 96, 157, 197, 211, 215, 219, 241 Tepl 154 Teplá siehe Tepl Teschen 110, 132 Těšín siehe Teschen Tewfel (Teufel), Paulus 172 Teynsdorfer < Richter des Pfalzgrafen Johanns von Neunburg-Neumarkt> 183 Thomas von Kempen 21 Thomas von Reichenbach 138 Thomas von Štítné 26, 78, 80 Tirschenreuth 152, 156, 202, 205, 206 Töppen, Max 256, 260 Toke, Heinrich 96, 158, 159

U Udenheim 138, 224 Ulesie siehe Waldau bei Liegnitz Ulm 152 Ulrich der Wartberger von Kürnberg 213 Ulrich Kreuz von Teltsch 46 Ulrich von Jungingen 253 Ulrich von Vohenstrauß siehe Grünsleder, Ulrich Ulrich von Znaim 52 Ulrich 202, 203 Ústi nad Labem siehe Aussig V Válka, Josef 104 Velek von Březnice 205 Velká Ves Pfarrei 22 Venedig 179 Vidmanová, Anežka 32



Orts- und Personenregister

Vilshofen 245 Vingerl, Hans 213 Vinzenz von Wirsberg 208 Vladislav IV. 102 Vlk, Miloslav 3 Vodňany 77, 78 Vogel, Hans 213 Vohenstrauß 1, 198, 205, 206, 223, 225, 227–229, 232, 233 Vojtěch Raňkův von Ježov siehe Adalbert Rankonis Volkmey(e)r, Peter 177, 178 Vollmann-Profe, Gisela 5 Vrabec, Matthias 136 Vřešovice, Jakoubek von 151, 152, 155, 158 Vytautas der Große siehe Witold W Wagenman, Lang Heinz 176 Waidhaus 206 Waischenfeld 208 Waldau bei Liegnitz 121 Waldenau siehe Wildenau Walderbach 220 Benediktinerkloster 207 Waldhauser, Konrad 26 Waldmünchen 204, 205, 215 Waldsassen 153, 197, 215 Waldstein im Fichtelgebirge 220 Waldthurn 206 Wallenstein, Albrecht von siehe Albrecht von Wallenstein Warperger. Ruger 213 Wartberge, Hermann von siehe Hermann von Wartberge Weiden 1, 145, 151 Weimar 1 Weismain 208 Welzner, Hans 174 Wenzel IV. 14, 27, 30, 31, 33, 34, 117, 122, 128, 144–146, 163, 164, 188, 251, 255, 271 Wenzel Králík von Buřenitz 61, 63 Wenzel von Grätz 132 Wesel Fürstentag 223

291

Kurfürstentag 194 Więcmierzyce Winzenberg 133 Wien 1, 118, 146 Nationalbibliothek 45, 50, 117 Universität 187, 199, 232 Wierzbna siehe Würben Wild, Michael 218 Wilden Hußen siehe Waidhaus Wildenau 206 Wildensteiner, Hans 178 Wilhelm 207, 244, 249 Wilhelm von Hohenrechberg 209 Windeck, Eberhard 206 Windesheim bei Zwolle Augustiner-Chorherrenstift 21 Windsheim 202 Winzenberg 133 Witold 129, 257 Wittingau 46 Staatsarchiv 46, 47 Władysław II. 110 Wolfrum, Peter 209 Worms 224 Wrocław siehe Breslau Wünsch, Thomas 111, 132, 133 Wünschelburg 130 Würben 133 Würzburg 151 Wurz bei Windisch-Eschenbach 206 Wyclif, John 4, 15, 17, 27–32, 34, 36, 37, 61, 62, 68, 70, 78, 83, 114, 116, 183, 199–201, 224 Wysz, Petrus 13, 21 Z Ząbkowice Śląskie siehe Frankenstein Żagań siehe Sagan Záhorčí 78 Záhorka von Záhorčí, Peter siehe Chelčický, Peter Zajíc von Hasenburg, Zbynĕk 14, 29, 31, 32, 59, 188 Žatec siehe Saaz Zcepko 254 Zdeslav Tluxa von Buřenice 169–171

292

Orts- und Personenregister

Žebrak 41 Zedlitz 109 Zedlitz und Neukirch, Georg von 109 Zedlitz und Neukirch, Sigismund von 110 Zeil am Main 209 Zenger, Hans 213 Zenger, Tristram 175, 220, 237, 247, 249 Žerotin, Karl d. Ä. von 104 Ziębice siehe Münsterberg Ziegenhain, Otto von 148, 151

Zittau 130 Žižka von Trocnov, Jan 4, 91, 126, 147, 148, 246, 267, 273, 274, 277 Złotoryja siehe Goldberg Žlutice siehe Luditz Zmrzlík von Svojšín 69, 70 Zürich 71, 72 Zwernitz 208 Zwickau 119 Zwingli, Huldrych 71, 72

THOMAS FRENZ

DAS PAPSTTUM IM MITTELALTER (UTB FÜR WISSENSCHAFT 3351 S)

Für die mittelalterliche Geschichte zählt die Geschichte des Papsttums zu den zentralen Inhalten in Studium und Lehre. Dieses Studienbuch vermittelt eine kompakte und anschauliche Übersicht. Auf eine Darstellung der zeitlichen Abläufe folgen vier systematisch gegliederte Teile, in denen nicht nur Standardthemen wie beispielsweise das Verhältnis zwischen Papst und Kaiser behandelt werden, sondern die auch Aspekte wie die Kriegstätigkeit des Papstes und seine Rolle als Kunstmäzen darstellen. 2010. 251 S. MIT 32 S/W-ABB. BR. 120 X 185 MM. ISBN 978-3-8252-3351-8 (BUCH) | 978-3-8385-3351-3 (EBOOK)

„Frenz hat eine Geschichte des Papsttums im Mittelalter in Handbuchform verfasst, auf die insbesondere Studierende dankbar zurückgreifen werden […]. Die wahren Stärken des Buches sind […] in den strukturgeschichtlichen Kapiteln […] zu finden, die einen überaus gelungenen Überblick über zahlreiche Aspekte des päpstlichen Selbstverständnisses, der Verwaltungstätigkeit, den Auf bau der (spät-)mittelalterlichen Kurie und den gesamtkirchlichen Herrschaftsanspruchs der Bischöfe von Rom bieten.“ H-Soz-u-Kult böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

TOMAS HÄGG (HG.)

KIRCHE UND KETZER WEGE UND ABWEGE DES CHRISTENTUMS AUS DEM NORWEGISCHEN ÜBERSETZT VON FRANK ZUBER

Bereits in der Antike, mit der Etablierung als Staatsreligion, führte das Christentum Maßstäbe religiöser Rechtsgläubigkeit ein, die keine Abweichung duldeten. Die strenge Abgrenzung gegenüber Andersdenkenden unterschiedlichster Art wurde zur Regel. Mehr noch, die gesamte Kirchenlehre scheint sich in Opposition dazu entwickelt zu haben. Für die Geschichte des Christentums und damit für die Geschichte Europas sollte diese Denkweise prägend werden. Nicht zuletzt, da es stets die Machthaber waren, die im Zusammenspiel mit der Kirche bestimmten, was als Ketzerei zu gelten hatte. Von der Spätantike bis heute lässt sich dieser Konflikt zwischen Kirche und „Ketzern“ verfolgen. Anhand zentraler Ereignisse aus fünfzehn Jahrhunderten Kirchengeschichte beleuchten die Autorinnen und Autoren dieses Buches Motive, Intentionen und Methoden der Kirche im Umgang mit Andersdenkenden. Sie vertiefen nicht nur unsere Kenntnisse über Häresiefälle der Vergangenheit, sondern zeigen auch, dass die „Ketzerrhetorik“ noch in der Gegenwart eingesetzt wird. 2010. 298 S. MIT 18 S/W-ABB. GB. MIT SU. 155 X 230 MM. ISBN 978-3-412-20465-5

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Glaubens flüchtlinGe in alltaGsGeschichtlicher perspeKtive 2009. XIII, 258 s. gb.

RB047

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