Die Hexe von Buchenwald: Der Fall Ilse Koch 9783412323141, 3412106933, 9783412106935


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Die Hexe von Buchenwald: Der Fall Ilse Koch
 9783412323141, 3412106933, 9783412106935

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Arthur L. Smith jr. Die Hexe von Buchenwald

Arthur L. Smith jr.

Die Hexe von Buchenwald Der Fall Ilse Koch

1995 BÖHLAU VERLAG WEIMAR KÖLN WIEN

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Smith, Arthur L.: Die Hexe von Buchenwald : Der Fall Ilse Koch / Arthur L. Smith. - 3., unveränd. Aufl. - Weimar ; Köln ; Wien : Böhlau, 1995 ISBN 3-412-10693-3 3., unveränderte Auflage Weimar, Köln, Wien 1995 © 1983 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Alle Rechte vorbehalter. Umschlagentwurf unter Verwendung eines Photos von Ilse Koch vor dem US-Militärgericht mit freundlicher Genehmigung des Bundesarchivs Koblenz (Reg.-Nr. F 0927/203/12 N) Satz: Satz-Grafik-Drucksachen Helmut Labs, Köln Druck und buchbinderische Verarbeitung: Richarz-Publikations-Service, St. Augustin Printed in Germany ISBN 978-3-412-10693-5

Inhalt Vorwort zur 2. Auflage

1

Vorwort

3

Im Lande Goethes

7

Die „Kommandeuse"

39

Das Verfahren des SS-Polizeigerichts gegen die Eheleute Karl und Ilse Koch

67

Der Prozeß der Amerikaner: I. Teil

97

Der amerikanische Prozeß: II. Teil

123

"The bitch again"

149

Der Prozeß der Deutschen

177

"The Best-Hated Woman in the World"

207

Anmerkungen

229

Quellen und Literatur

253

Zeittafel

258

Verzeichnis der Abbildungen

260

Vorwort zur 2. Auflage Wer war Ilse Koch? Diese Frage wäre am Ende des 2. Weltkrieges nie gestellt worden, da Ilse Koch nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald weithin traurige Berühmtheit erlangt hatte. Als die Welt die schreckliche Wahrheit über die Konzentrationslager der Nationalsozialisten erfuhr, wurde ihr Name zum Synonym des Schreckens und der Brutalität, die das Hitlerregime kennzeichnete. Die Zeitungen wurden nicht müde, ihre Leser mit Geschichten über die rothaarige Frau des Lagerkommandanten von Buchenwald zu versorgen, die hoch zu Roß durch das Lager ritt, um Männer mit Tätowierungen zu finden, deren Haut ihre Lampenschirme und Familienalben zieren könnte. Die Ermordung und Häutung der Gefangenen wurde 1947 in Dachau dann auch der Hauptanklagepunkt des Prozesses der Alliierten gegen Ilse Koch. Das Bemühen dieses Buches ist es, diese langlebige Vorstellung der „rothaarigen Hexe", die sich so hartnäckig seit fast einem halben Jahrhundert hält, in eine neue Perspektive zu rücken. Das Buch soll keine revidierte Darstellung des Holocaust oder des Hitlerregimes sein. Auch soll es Ilse Koch nicht als unwissendes Opfer, das von den Nationalsozialisten mißbraucht wurde, darstellen. Im Gegenteil, sie war ein zerrüttetes Individuum, das eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Leid, das sie in Buchenwald umgab, an den Tag legte. Dennoch war sie keinesfalls schuldig im Sinne der Anklage und hatte keinerlei Einfluß auf die Ermordung der Gefangenen; auch der Besitz und die Verwendung von Gegenständen, die aus menschlicher Haut bestanden, kann ihr nicht nachgewiesen werden. Um diesen historischen Mythos zu berichtigen, habe ich unwiderlegbare Dokumente verwendet, die in den schrecklichen Wirren des besiegten Nachkriegsdeutschland von anderen Historikern ignoriert wurden. Diese voluminöse Dokumentation besteht'aus 9000 Seiten des Protokolls der Dachauer Gerichtsverhandlung, diverser anderer Protokolle sowie persönlichen

1

Interviews mit einer Reihe von hochrangigen Persönlichkeiten, die an der Verhandlung beteiligt waren. Tatsächlich hatte eine Reihe von Prozeßbeteiligten, Deutsche wie Amerikaner, Zweifel an ihrer Schuld. Dennoch folgten sie einfachheitshalber der verbreiteten Einstellung, die nach einer Bestrafung der Verbrechen verlangte. Aber gerade das Ignorieren der Tatsachen im Fall Koch bedeutet einen Verrat an den Zielen, für die dieser Krieg geführt wurde. So habe ich bis jetzt erst eine einzige historische Arbeit gefunden, die die Informationen meines Buches als Grundlage für Zweifel an der These verwendet, daß Ilse Koch die Ermordung von Gefangenen in Buchenwald anordnete, um die tätowierte Haut zu verwenden. 1 Das als Gefängnis längst nicht mehr verwendete Gelände von Buchenwald ist heute eine historische Gedenkstätte als schweigendes Mahnmal für die Opfer, die dort gelitten haben und umgekommen sind. Bedauerlicherweise erwies sich die Tatsache, daß Buchenwald in Thüringen liegt und damit ein Teil der ehemaligen DDR war, der historischen Fälschung und Adaption durch die kommunistische Ideologie als sehr zuträglich. So findet sich zwar eine genaue Aufstellung der 56.000 Toten des Naziregimes in den DDR-Akten wieder, aber keinerlei Erwähnung der 10.000 Menschen, die in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg unter der kommunistischen Regierung im Speziallager Nr. 2 dort umgebracht wurden. Seit der deutschen Wiedervereinigung hat es bedeutende Fortschritte bei der Aufdeckung kommunistischer Propaganda solcher Institutionen gegeben. Im Falle Buchenwalds ist dies hauptsächlich das Verdienst des jetzigen Leiters der Gedenkstätte, Thomas Hofmann, der sich sehr dafür einsetzt, dem Besucher eine wahrheitsgetreue Ausstellung zu bieten; eine nicht immer einfache Aufgabe. Pasadena/Kalifornien im Dezember 1993

1 Tom Sergev, Soldiers of Evil, The Commandants of the Nazi Concentration Camps, trans. Heim Watzmann (Ν. Y.: McGraw-Hill Book Co., 1987). Zwei Jahre nach Erscheinen meines Buches wurde in der ehemaligen DDR eine Studie von Pierre Durand, Die Bestie von Buchenwald (Militärverlag Berlin, 1985) veröffentlicht. Ohne einen einzigen Verweis auf mein Buch hat Durand sich der typischen kommunistischen Interpretation bedient, derzufolge alle Ereignisse entweder als faschistisch oder antifaschistisch gekennzeichnet werden. In Durands Version erscheinen die kommunistischen Gefangenen von Buchenwald als die Befreier des Lagers; keine Erwähnung findet indessen die Tatsache, daß die unmittelbar bevorstehende Ankunft der 3. U.S. Armee eine wichtige Rolle bei der Entscheidung der SS zur Aufgabe des Lagers spielte.

2

Vorwort Seit mehr als dreißig Jahren verbindet sich der Name Ilse Koch symbolisch mit Vorstellungen des Schreckens. Als sich vor einiger Zeit in Ostberlin Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald zusammenfanden, um der Befreiung des Lagers im Jahre 1945 zu gedenken, hat man zweifellos auch über die „ H e x e von Buchenwald" gesprochen.1 In den zahllosen Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, die man der berüchtigten Frau Koch von Buchenwald widmete, blieb kein Eigenschaftswort ungenannt in dem Bemühen, bildhaft auch das letzte an menschlicher Erniedrigung darzustellen. Entartet, rücksichtslos, sadistisch, niederträchtig, pervertiert, abartig, satanisch, heimtückisch waren Begriffe, die selbst in den kürzesten Nachrichtenmeldungen auftauchten. Die umfangreicheren Berichte, die um einen etwas literarischeren Stil bemüht waren, benutzten Bezeichnungen wie ,kulleräugige Grüblerin', ,sexuelle Psychopathin', ,schmutzige Schlampe', ,rothaarige Hexe', ,unheilbare Nymphomanin' oder ,moralisch anrüchige Hure'. Eine Zeitschrift nannte sie „die am meisten gehaßte Frau der Welt". 2 Die Zeit hat an dieser Auffassung wenig ändern können. W e r wäre jemals in der Lage, die Berichte über eine junge, hübsche rothaarige Frau zu vergessen, die Kommandantin eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers war und ungehemmt ihren Begierden nach Sex und tätowierter Menschenhaut frönte? Entsprachen diese Berichte der Wahrheit? Es war durchaus glaubhaft, denn die schrecklichen, unwiderlegbaren Beweise für Hitlers Todeslager konnte man überall finden. Gegen Ilse Koch wurde dreimal vor Gericht verhandelt, einmal von den Amerikanern (1947), zweimal von deutscher Seite (1944

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und 1950-51). Die meisten Originalunterlagen aus dem Prozeß, den man während des Krieges gegen sie führte, waren verschwunden, aber zahlreiche der Hauptbeteiligten überlebten und wurden später ersucht, die Ereignisse zu rekonstruieren. Es liegt also, wenn man die folgenden Prozesse der Amerikaner und Deutschen miteinbezieht, eine beträchtliche Materialsammlung über den Fall vor. Die wichtigsten und aufschlußreichsten Unterlagen sind die umfangreichen (über 9 000 Seiten) Akten des amerikanischen Prozesses (der „Fall Buchenwald"), der 1947 im deutschen Dachau geführt wurde. Obwohl die westdeutschen Gerichtsbehörden weiterhin den Zugang zu den Akten des Augsburger Prozesses von 1950-51 beschränken 3 , sind wichtige Teile inzwischen bereits veröffentlicht worden.4 Im Jahre 1977 wurden schließlich die amerikanischen Unterlagen für Forschungszwecke zugänglich gemacht, dreißig Jahre nach dem Prozeß. 5 Genau welches Bild ergibt sich aus diesen Dokumenten? War Ilse Koch wirklich die verabscheuenswerte Kreatur, wie sie die Presse überall beschreibt? Warum wurde sie von den Amerikanern nicht zum Tode verurteilt? Warum die spätere Urteilsumwandlung auf vier Jahre Haft durch General Clay? Warum wurde sie später in der BRD erneut vor Gericht gestellt? Wo liegt die Wahrheit? Offensichtlich hat niemand ernsthaft versucht, eine dieser Fragen zu beantworten, denn die zahlreichen Bücher über die Nazi-Zeit haben einfach immer nur die anfänglichen Presseberichte wiederholt.6 Die Unterlagen bieten ein völlig anderes Bild. Sie zeigen weder eine vollkommen unschuldige Frau, noch ein fügsames, gehorsames Wesen, das von seinem brutalen Ehemann, dem SS-Standartenführer Karl Koch, beherrscht wurde. Auf ihre Weise erscheint sie rücksichtslos und grausam, eine Frau, die entschlossen ist, ihren Begierden hemmungslos nachzugeben. Allerdings wird auch klar, daß auch sie ein Opfer war. Es gibt einfach keinen überzeugenden Beweis dafür, daß sie jemals irgendetwas mit der Tötung von Buchenwald-Häftlingen zu tun hatte, um an tätowierte Menschenhaut zu gelangen. Zudem sind die Beweise für Körperverletzung und Mord fragwürdig, da sie ausschließlich auf Informationen vom Hörensagen beruhen und auf schriftlichen Zeugenaussagen (von denen viele unbeeidet sind).

4

Außerdem war Ilse Koch ein Opfer der Zeitumstände. Die Welt hatte einen harten und abstoßenden Krieg gegen den Nazismus geführt und verlangte nach Rache. In Ilse Koch schienen sich in einer Person alle üblen Seiten des verhaßten Regimes zu vereinen. Als sich die Presse einmal der Geschichte bemächtigt hatte, war eine Umkehr unmöglich. Jeder, der mit dem Fall in Zusammenhang stand, mußte beeinflußt werden. Die Einzelheiten des Falles bieten interessanten Lesestoff, manchmal sind sie sogar faszinierend, aber die Bedeutung des Falles reicht doch tiefer und über die Darstellung eines Einzelschicksals hinaus, wie berüchtigt der Fall auch gewesen sein mag. Denn der Fall der Ilse Koch berührt wesentliche Fragen des ganzen zwanzigsten Jahrhunderts. Er zeigt das komplexe Problem, das sich aufwirft, wenn der besiegte Feind für Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt wird. Nach dem Nürnberger Prozeß war der Prozeß gegen Ilse Koch der bekannteste Kriegsverbrecherprozeß. Er wurde allerdings, wie sich hier darstellt, durchaus nicht in der gleichen Art und Weise gehandhabt. Der Fall Ilse Koch wurde bald zur Schachfigur in der Propaganda des Kalten Krieges und entwickelte sich zur Streitfrage zwischen den Supermächten. Inzwischen bot die mögliche Entlassung von Ilse Koch aus amerikanischem Gewahrsam dem wiedererstandenen deutschen Staatswesen die Gelegenheit zu zeigen, daß man im eigenen Haus Ordnung schaffen konnte. Es gab nicht viele, denen diese Möglichkeit mißfiel. Ist es immer noch nicht an der Zeit, die Ereignisse leidenschaftslos zu betrachten? Eine kürzlich geschriebene Rezension einer Studie über den Nürnberger Prozeß erfaßt den Kern des Problems: Meiner Meinung nach beurteilen die meisten Amerikaner die Greuel des Nazi-Holocaust mit anderen Maßstäben als die Greuel von Hiroshima und My Lai. Man kann kritisch über Hiroshima oder Vietnam schreiben und wird als Revisionist eingeordnet, aber wenn man sich unparteiisch über Nürnberg oder den Nationalsozialismus äußert, ist es wahrscheinlicher, daß man zum Apologeten gestempelt wird. . . . der Unterschied zwischen Apologet und Revisionist wird häufig von der Sicht des Lesers bestimmt . . ,7 5

Abschließend soll ganz klar betont werden, daß diese Arbeit keineswegs beabsichtigt, die überwältigenden Beweise in Frage zu stellen, die von der mörderischen Natur der Konzentrationslager zeugen. Das Anliegen dieser Arbeit, soweit man diese Formulierung gebrauchen darf, ist darin zu sehen, daß ein begrenzter Einblick in unsere Zeitverhältnisse durch deren Widerspiegelung in einem notorischen Einzelfall gewährt werden soll.

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Im Land Goethes Im Jahre 1936 begannen die zuständigen deutschen Behörden mit ihren Ermittlungen über die Abstammung einer jungen Frau namens Ilse Köhler. Sie hatte um die Erlaubnis gebeten, ein Mitglied der Schutzstaffel zu heiraten. Ein streng gefaßtes Ehegesetz, das 1932 für die von Hitler organisierte Schutzstaffel eingeführt worden war, sah vor, daß alle zukünftigen Bräute einen Familienstammbaum vorlegten, der ihre arische Abstammung mindestens bis zum Jahre 1750 zurückverfolgte. 1 Die Genealogie der Köhlerschen Familie erwies sich als einfache Aufgabe. Aus den dokumentierten Unterlagen, die bis in die zwanziger Jahre des 18. Jahrunderts zurückreichten, ergab sich eine Ahnenreihe, die meist aus den ländlichen Bezirken Thüringens, Sachsens und Niedersachsens stammte; protestantische Handwerker ohne einen Hinweis auf jüdisches Blut.2 Ilse Köhler - der Name Margarete gefiel ihr nicht, sie benutzte ihn nie - wurde 1906 in Dresden geboren. Ihre Eltern, Eduard und Anna, hatten bereits zwei Söhne, und mit der Geburt Ilses war die Familie vollzählig. Auf Befragen lehnte Ilse Einzelauskünfte über ihre Kindheit und Jugend ab; sie beschränkte sich nur auf einen groben Umriss: „Zunächst besuchte ich ein Gymnasium, danach eine Berufsschule, und im Anschluß daran erhielt ich eine Ausbildung als Bibliothekarin. Später arbeitete ich dann mehrfach als Sekretärin in führenden Industriekonzernen." 3 Diese Angaben sind nur zum Teil richtig. Sie ging acht Jahre lang auf die Volksschule, aber sie besuchte kein Gymnasium. Ihre Ausbildung als Bibliothekarin bestand lediglich in einer unbezahlten Stelle als Lehrling in einem Buchgeschäft. Es gelang ihr zwar später bei verschiedenen Firmen als Sekretärin zu arbeiten, 7

aber nur wenige dieser Firmen könnten als „führende Industriekonzerne" bezeichnet werden. 1922, das Jahr ihres Arbeitsbeginns, war ein schlechtes Jahr. Die Weimarer Republik hatte inzwischen mit überwältigenden Nachkriegsproblemen zu kämpfen. Da die Zustände sich rapide verschlechterten, waren viele bereit, ihre Arbeitskraft für ein warmes Mittagessen anzubieten. Ilse Köhlers Erfahrung als Praktikantin in einem Dresdner Buchgeschäft war von dieser Art. Es läßt sich nur schwer feststellen, was sie zu einer Verbindung mit den Nazis veranlaßte. Sie hatte zwar auch unter den wirtschaftlichen Problemen und der politischen Unstetigkeit - beides eine Folge der Niederlage - zu leiden, doch es trifft nicht zu, daß sie sich aus diesen Gründen vom Nationalsozialismus angezogen fühlte. Ihr gefielen Männer in Uniform, und eine ihrer ersten, ernsteren Liebesbeziehungen hatte sie mit einem SS-Mann. 4 Ihre ständige Verbindung mit SA und SS-Einheiten in Dresden führte schließlich dazu, daß sie sich für die Parteimitgliedschaft interessierte. Im April 1932 wurde sie formell Mitglied der Ortsgruppe Dresden. Das kurze Schriftstück, das sie mit dem Namen Ilse Köhler unterzeichnete, enthielt ihre Adresse (Polierstraße 8), Geburtsort und -datum (Dresden, 22.9.06) und ihren Beruf (Stenotypistin). Sie bezahlte den monatlichen Beitrag von RM 2.50, zusätzlich RM 3.30 Aufnahmegebühr und SA-Beitrag.3 In Gegenwart von zwei Parteiveteranen versicherte Ilse unter Eid: „Hiermit erkläre ich meinen Eintritt in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Ich bin deutsch-arischer Abstammung, gehöre nicht den Freimaurern oder irgendeinem anderen Geheimbund an, noch beabsichtige ich, während meiner Parteimitgliedschaft einem solchen beizutreten. Ich verspreche der Partei mit meiner ganzen Kraft zu dienen und erkläre mich bereit, die Aufnahmegebühr von RM 2 , - zu zahlen." Sie erhielt die Nummer 1.130,836. 6 1933 sah die Zukunft für Ilse Köhler tatsächlich entschieden besser aus. Sie ging erstmals zur Wahl und stimmte selbstverständlich für die Nazis. Sie war fest angestellt bei der Reetsma Zigarettenfirma in Dresden und hatte ihre Fahrprüfung bestanden. Mit 26 war sie eine attraktive Frau, der man nachsagte, daß sie das Leben zu genießen verstand. 7 8

Für Parteimitglieder war es eine Zeit mit zahllosen Aufstiegschancen, da dem neuen Regime daran gelegen war, Tausende von Posten mit linientreuen Gefolgsleuten zu besetzen. Es war der Augenblick, auf den die politisch Ehrgeizigen gewartet hatten, doch Ilse Köhlers „ G a b e n " hatten wenig mit Politik zu tun. Sie war jung, attraktiv und hatte ein unersättliche Gier nach allem, was ein Leben im Wohlstand zu bieten hatte. Daraus erklärt sich ihre Heirat. Im Frühjahr 1934 lernte sie den SS-Offizier Karl Koch kennen. Ein langjähriger, gemeinsamer Freund schrieb später: ,,Αη diesem Punkt begann für Ilse der Weg nach unten. Wenn sie nur geahnt hätte, was das Schicksal für sie bereit hielt, dann wäre sie nie eine Beziehung mit Karl eingegangen. Tatsächlich erkannte sie sein wahres Wesen erst, als es bereits zu spät war." 8 Koch war eigentlich nicht der Typ Mann, für den Ilse sich bisher interessiert hatte. Er war fast zehn Jahre älter, geschieden und Vater von zwei Söhnen; einer von ihnen war geistig behindert. Ein Bekannter aus dieser Zeit beschreibt Koch im Mai 1934 als einen „. . . kleinen, schmächtigen Mann mit ausgeprägt militärischem Auftreten. Er hatte ein rundes Gesicht und streng zurückgekämmtes, graues Haar. Er war von Natur aus ruhig. Wir sahen ihn nicht oft in Begleitung seiner Männer, aber desto öfter ritt er auf seinem schwarzen Pferd ,Wodan' aus, begleitet von einem großen gelben Hund." 9 Wohl kaum die Erscheinung, von der man erwartet hätte, daß sie Ilse beeindrucken würde. Dennoch muß er sie beeindruckt haben, denn schon bald begann die Beziehung. 10 Als Ilse und Karl sich kennenlernten, war er nicht viel länger Parteimitglied als sie. Der erste Parteieintritt erfolgte 1931. Er war bereits SS-Sturmbannführer. Demnach muß sein Aufstieg außerordentlich schnell vonstatten gegangen sein. Umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, daß er 1932 aus der Partei ausgeschlossen und später wieder zugelassen wurde. Zusammen mit seinem Stiefbruder Arthur Schmidt wurde er beschuldigt, der Polizei vertrauliche Auskünfte über die SS gegeben zu haben. Man konnte jedoch nichts beweisen und er wurde rehabilitiert. Einige Zeit später hatte ein Untersuchungsbeamter der SS Gelegenheit, Kochs Akte einzusehen. Er berichtete, daß Koch ,,zu der Gruppe von Personen gehöre, die als Verbrecher geboren werden. Bereits in seiner Jugend hatte er mit kleineren 9

Abb. 1: Sommer 1934: Ilse, Karl und eine Freundin.

Abb. 2: Sommer 1935: Ilse, Karl und ein Freund in der Nähe Berlins.

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Abb. 3: Sommer 1935: Ilse und Karl an der Havel.

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Diebstählen im Postbereich begonnen. Die gesamte Familie neigte zu Straftaten. Einer seiner Söhne mußte für den Diebstahl von Radios, Zigarettenetuis etc. bestraft werden." 11 Koch hatte eine ausgesprochene Begabung, wenn es darum ging, einflußreiche Freunde zu gewinnen. Er war mit Heinrich Himmler persönlich bekannt. Die Beziehung wurde enger, als Koch seinen Posten als KZ-Kommandant antrat. Es ist auf Himmlers Einfluß zurückzuführen, daß ihm der Posten mehr als einmal erhalten blieb. Koch war außerdem eng mit SS-General Oswald Pohl, Himmlers Verwaltungschef in der SS, befreundet. Pohl war auch verantwortlich für die Leitung der Konzentrationslager. 13 Karl wurde 1897 in Darmstadt geboren. Er verbrachte eine relativ normale Kindheit, obwohl seine Mutter starb, als er noch ziemlich jung war. Nach dem Volksschulabschluß begann er eine Lehre als Vertreter; später arbeitete er als Buchhalter, bis er 1916 in die Armee eingezogen wurde. Er leistete seinen Wehrdienst bis Kriegsende, ohne größeren Schaden zu nehmen, aber auch ohne Auszeichnung. Seltsamerweise schien er niemals stolz zu sein auf seinen Dienst im ersten Weltkrieg und in späteren Jahren erwähnte er diese Zeit kaum. 14 Obwohl das Nachkriegsjahrzehnt sehr unruhig war, wurde Koch nie arbeitslos. Meistens arbeitete er als Vertreter oder Buchhalter. Er heiratete 1924 und hatte zwei Söhne. Die Ehe wurde 1931 geschieden. Einmal wurden er und sein Stiefbruder des geringfügigen Diebstahls angeklagt, jedoch nie inhaftiert. 15 Koch wird von allen als äußerst rücksichtslos geschildert. Einer seiner Vorgesetzten, der versucht hatte, ihn zurechtzuweisen, bemerkte: „. . . dieser Mann . . . war mir als skrupellos bekannt." 1 6 Andere bezeichneten ihn als unberechenbar und gefühllos: „ein hinterhältiger Fuchs; er schien ein reiner Verstandesmensch zu sein." 17 Sein Stiefbruder Arthur erinnerte sich, daß Karl immer sehr ernst war und niemals Zeit vergeudete: „Er ließ sich von niemandem Vorschriften machen." 1 8 Seine Mitarbeiter fürchteten ihn als äußerst jähzornigen Mann; man hielt ihn durchaus für fähig, einen Mord zu begehen. 19 General Karl von Eberstein, einer von Kochs Vorgesetzten in der SS, hatte guten Grund, sich an diese Zeit zu erinnern: „Damals kannte ich ihn bereits seit einiger Zeit," sagte Eberstein. „ E r war 1934 in der SS in Dresden. Dort war er wegen 12

gewalttätiger Ausschreitungen gegen SS-Männer angeklagt, und ich hatte einen Antrag nach Berlin durchgestellt, ihn zu entfernen. Obwohl Himmler Koch nach diesem Zwischenfall versetzte, beförderte er ihn noch zusätzlich." 20 Nach Hitlers Triumph im März 1933 war es die Absicht der Nazis, die deutsche Regierung vollkommen unter ihre Kontrolle zu bringen. Es gab jedoch immer noch einzelne Parteiführer, die den wachsenden Führerkult als Gefahr für die ursprünglichen Ziele des nationalsozialistischen Staates ansahen. Zu ihnen gehörte Ernst Röhm, ein langjähriger Anhänger Hitlers und Kommandant der zahlenmäßig sehr starken SA. Er sah seine Braunhemden bereits als neue deutsche Armee. Doch Hitler entschied anders; er wollte eine solche Abweichung von der Generallinie mit einem einzigen Schlag beenden. Hitler befahl, Röhm und Hunderte seiner Anhänger zu töten. So wurde im Juni 1934 in einer blutigen Säuberungsaktion die SA zerschlagen; jegliche Opposition wurde ausgelöscht. Die SS, die zahlenmäßig gering aber bereits sehr einflußreich war, agierte während dieses entscheidenden Unternehmens als Hilfsorganisation. Damit erweiterte sie ihr Aufgabengebiet als politische Polizei. Karl Koch spielte keine Rolle in dieser Säuberungsaktion. Er war kurz zuvor zum Wachkommandanten des Konzentrationslager Esterwegen ernannt worden. Die SS hatte jetzt die alleinige Kontrolle über die Lager. Hitler, der zuvor erwogen hatte, sie abzuschaffen, betrachtete sie nun als feste staatliche Einrichtung. Die Zukunft für „Karli" und „ P i m p f 2 1 - wie Karl und Ilse sich liebevoll nannten - sah vielversprechend aus. Als 1933 die ersten Konzentrationslager errichtet wurden, bedurfte es keines ausgeprägten politischen Spürsinns, um zu erkennen, daß man schon bald mit Hitlers Feinden abrechnen würde. Eine Notverordnung vom 28. Februar 1933 enthielt den ominösen Begriff „Schutzhaft". Diese Verordnung gab der Regierung unbegrenzte Befugnisse bei Verhaftungen. Ein Verhaftungsbefehl las sich nun folgendermaßen: „. . . zum Schutze des Volkes und des Staates . . . im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit werden Sie in Schutzhaft genommen. Begründung: Verdacht auf feindliche Aktivitäten gegen den Staat." 22 Die meisten, denen das Unglück widerfuhr, in Schutzhaft zu gelangen, wurden in ein Konzentrationslager geschickt. 13

Die ersten Insassen der Konzentrationslager kamen aus allen sozialen Schichten Deutschlands. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bestand aus Häftlingen in Untersuchungshaft. Es waren politische Gefangene, religiöse Sektierer (Zeugen Jehovas), aus der Armee Entlassene und aus rassischen Gründen unerwünschte Personen (Juden und Zigeuner). Zur zweiten Gruppe gehörten Gefangene, die sich in Vorbeugehaft befanden: Berufs- und Gelegenheitsverbrecher, Homosexuelle und eine Vielzahl von Häftlingen, die dem Naziregime unbequem waren. Vereinfacht gesagt, hieße das, jedes Lager enthielt einen gewissen Anteil von vier Häftlingsgruppen: politische, kriminelle, aus rassischen Gründen unerwünschte Personen und asoziale. Esterwegen, das Lager, dem Koch zugeteilt war, lag in einem abgelegenen Tal Nordwestdeutschlands nahe der niederländischen Grenze. Die Hauptaufgabe der Häftlinge bestand in der Rückgewinnung von Sumpfgebieten. Zum Jahresende 1935 wurde Karl Koch, bereits SS-Obersturmbannführer, zum Lagerkommandanten ernannt. Ilse, die häufig zu Besuch kam, wurde nun ein ständiger Gast. Karl stellte sie seinen Mitarbeitern als seine zukünftige Frau vor. 23 Die Verlobung dauerte bis in das Jahr 1936 hinein, als Koch seinen Posten als Leiter des Gewahrsamdienstes im ColumbiaHaus aufgab und Kommandant von Sachsenhausen wurde. In SSKreisen wurde er bald als schneller und zielstrebiger Aufsteiger bekannt. Er war eine Art „Altmeister", ein Mann, der genau wußte, wie man ein Konzentrationslager zu leiten hatte. Der heranwachsenden SS-Gefolgschaft gegenüber stellte man ihn als Vorbild hin, von dem man die ,Kunst' der Lagerverwaltung erlernen konnte. 24 Koch entschied, daß es nun an der Zeit sei, Ilse zu heiraten. Wollte er nämlich seine Zukunft bei der SS sichern, konnte er unmöglich weiter mit Ilse zusammenleben und gleichzeitig erwarten, von seinen Kollegen und deren Ehefrauen auf gesellschaftlicher Ebene akzeptiert zu werden. Dazu kam, daß in der Nähe von Weimar in Kürze ein neues Konzentrationslager in Betrieb genommen werden sollte, und laut Stellenplan war die Position des SS-Standartenführers zu besetzen; Koch gehörte zu den Spitzenkandidaten für diesen Posten.

14

Abb. 6 und 7: Ilse beim Verlassen ihrer Wohnung. Sie ist auf dem Weg zur standesamtlichen Trauung im Rathaus. Einige von Karls SS-Offizierskollegen bilden die Eskorte. Mai 1936.

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Eine Tauglichkeitsuntersuchung auf dem Rasse- und Siedlungsamt bescheinigte Ilse eine robuste Gesundheit; sie war neunundzwanzig Jahre alt, etwas über 1,67 cm groß und wog 132 Pfund. Ihre Körperstatur beschrieb man als „kräftig" und „athletisch". Obwohl ihr später Prozeßakten und Zeitungsberichte grüne Augen und rotes Haar zuschrieben, wurde ihre Augenfarbe mit graublau und ihre Haarfarbe mit hellblond in den Dienstpapieren angegeben. 25 Zieht man die später gegen Ilse und Karl erhobene Anklage wegen rechtswidriger Bereicherung in Betracht, dann gewinnt die schriftliche Vermögenserklärung Ilses eine gewisse Bedeutung. In dem vom 5. Mai 1936 datierten Dokument gibt sie an, sie habe ein Barvermögen von 3000 Reichsmark und sei schuldenfrei. In einer kurzen Notiz fügte sie hinzu, sie wolle das Geld für Möbelkäufe verwenden. 26 Nachdem ordnungsgemäß alle nötigen Unterlagen eingereicht waren, erteilte Himmler dem Paar die Heiratserlaubnis. Die Ehe wurde am 25. Mai 1937 nach dem damals üblichen SS-Zeremoniell geschlossen. Die Feier fand um Mitternacht in einem Eichenhain bei Sachsenhausen statt. Braut und Bräutigam standen zwischen nachgearbeiteten Runensteinen. Rund um die Lichtung waren zur Beleuchtung SS-Männer aus Kochs Einheit aufgestellt; sie trugen die Paradeuniform des Totenkopfverbandes, der für die Bewachung der Konzentrationslager eingesetzt wurde. Mit ihren glänzenden Schaftstiefeln, Stahlhelmen und weißbehandschuhten Händen, die Pechfackeln hocherhoben, bildeten sie einen gespenstischen Anblick. Hochzeitsfotos zeigen die Braut in einem langen geblümten Abendkleid und Karl in schwarzer SS-Uniform mit Paradesäbel. Vermutlich war Ilse von den pompösen Feierlichkeiten tief beeindruckt; ihr Gesicht strahlt Ernst aus, fast Würde, während Karl unbewegt nach vorne schaut. 27 Nach einem Hochzeitsfrühstück posierte das Paar für weitere Fotos. Ilse trug nun ein dunkles Kostüm, Karl weiterhin seine Paradeuniform, während sie von einem halben Dutzend SS-Offizieren zu ihren Quartieren begleitet wurden. 28 Ilses Angaben zufolge hatten die Neuverheirateten eine Wohnung am Lenitzsee gemietet, weil das Lager bei Sachsenhausen

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noch im Bau befindlich und das ihnen zugedachte Haus noch nicht bewohnbar war. Tatsächlich behauptete Frau Koch, sie habe das Konzentrationslager von innen überhaupt nicht zu Gesicht bekommen, denn kurz nach der Heirat sei Karl zu seinem neuen Einsatzort Buchenwald versetzt worden und sie sei ihm nach wenigen Wochen gefolgt. 29 Zwei der zu dieser Zeit in Sachsenhausen internierten Häftlinge sagten jedoch später aus, die Kochs hätten in Wirklichkeit vom Zeitpunkt ihrer Hochzeit an bis Ende August im Lager gewohnt, und Ilse sei bis zum Herbst allein dort geblieben. Beide ehemaligen Häftlinge sagten unter Eid aus, daß sie sich an Ilse besonders gut erinnern könnten, da sie bald Leute angeschrien und Gefangenen vorgeworfen habe, sie angestarrt zu haben. 30 Aus den Unterlagen wird allerdings ersichtlich, daß Koch bereits in der ersten Juliwoche nach Buchenwald abreiste und nicht erst Ende August 31 . Parteikorrespondenz, die sich auf Ilses Namenswechsel von Köhler zu Koch bezieht, verzeichnet als neue Adresse vom ersten Oktober an das Übungslager Buchenwald bei Weimar. 32 Dies weist darauf hin, daß die beiden ehemaligen Häftlinge nur teilweise recht hatten: Koch reiste kurz nach der Hochzeit nach Buchenwald ab, wie Ilse aussagte, sie selbst aber blieb bis mindestens Oktober in Sachsenhausen. Ob sie sich nach der Abreise ihres Mannes allerdings ohne Begleitung im Lager zeigte, bleibt zweifelhaft. 1936 hatte man beschlossen, ein neues Konzentrationslager in Thüringen einzurichten und wählte als Standort schließlich eine Stelle an den abgelegenen stark bewaldeten Hügeln im Nordwesten Weimars. Ein großer Buchenwald erstreckte sich über einen Hügelrücken namens Ettersberg; auf diesem befand sich das Lager. Zunächst nannte man es K Z Ettersberg, doch wurde das neue Lager von Himmler persönlich in K Z Buchenwald umgetauft. 33 Einer der ersten Gefangenen, die in jenem Sommer nach Buchenwald deportiert wurden, erinnerte sich an die heiße staubige Fahrt entlang der neuen Autobahn Leipzig-Erfurt. Zusammen mit den anderen Gefangenen war er auf einem Lastwagen gepfercht; viele von ihnen befanden sich seit 1933 in Schutzhaft. „Hinter Weimar bogen wir in einen Feldweg, der nach Ettersberg und in einen ruhigen dichten Wald führte . . . Der Lastwagen hielt; und 19

eine Stimme befahl uns abzusteigen. Es befand sich dort ein Appellplatz mit schwarzen Särgen. Die ersten Worte des Kommandanten Koch lauteten: ,Jeder, der nicht gehorcht, wird erschossen. Schaut euch die Schweine in den Särgen an - euch wird das gleiche passieren, ihr Kommunistenpack!'" 34 Der erste Gefangenentransport bestand aus 149 Männern; die offizielle Bezeichnung lautete Arbeitskommando, eventuell ,Vorkommando' („working party"). Am 16. Juli 1 9 3 7 - d e m Tag der Ankunft - wurde Buchenwald zusammen mit Dachau und Sachsenhausen das dritte ständige Konzentrationslager Nazideutschlands. Unter Kochs Leitung nahm das Konzentrationslager Buchenwald seine widerliche zweckbezogene Form an. Die Pläne für das Lager waren 1936 entworfen worden; wie im Falle Buchenwald bildeten sie das Grundmodell für zukünftige Lager. Die Barracken der Gefangenen wurden auf der nördlichen Kante von Ettersberg angelegt. Sie dienten dazu, Teile des deutschen Rüstungsbetriebs des Deutschen Aufrüstungswerks (DAW) - aufzunehmen, zusammen mit dem Werkstattbetrieb, der später hinzugefügt wurde. Um die Unterkünfte der Offiziere, der Kommandantur und des Klubs vor dem rauhen Wetter zu schützen, wurde eine Windschutzvorrichtung angebracht. 35 Zu diesem Zeitpunkt - 1937 bis zum Beginn des Jahres 1938 — galt Buchenwald noch nicht als Arbeitskräftereservoir für die SS; die Arbeit beschränkte sich zum größten Teil auf Bautätigkeiten am Lager. Kochs Personal bestand aus der SS-Totenkopfeinheit Thüringen, 120 Männern und mehreren hundert Mann Wachtruppe. Die Zahl der Gefangenen betrug über 2.500; im ersten Jahr wurde 48 Tote registriert.36 Es mag ironisch anmuten, aber das Lager Buchenwald befand sich in einer Gegend, in die Deutschlands größter Dichter, Johann Wolfgang von Goethe, sich auf Spaziergängen zurückzog, um allein zu sein und inspirative Ruhe zu finden. In den Wäldern auf dem Ettersberg soll Goethe Gedichte und Briefe an Charlotte von Stein verfaßt haben. Eine große Eiche, die inmitten der kleineren Buchen stand, wurde bekannt als „Goethes Eiche". Der Überlieferung zufolge soll der Dichter oft bei ihr verweilt haben, um zu reflektieren und zu schreiben. „Goethes Eiche" verschonte man, als das Gebiet für den Bau des Lagers gerodet wurde. Während der nachfolgenden Jahre der Nazigreuel stand der Baum im Ge-

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Abb. 11: Plan des Konzentrationslagers Buchenwald.

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fangenentrakt. 37 Der abgelegene Ettersberg hatte Goethe gefallen; die Nazis interessierten sich für ihn aus anderen Gründen. Das Konzentrationslager befand sich drei Jahre lang im Bau und wurde nie vollständig fertiggestellt. Es umfaßte 99 Hektar. Es war unterteilt in den Gefangenentrakt, die Gebäude für die Hauptverwaltung und Wohnräume für den Kommandanten, das Personal und die Wachen. Das Gefangenenlager, „Schutzhaftlager" im Nazijargon genannt, war ungefähr 365 m breit und 457 m lang. Es war doppelt mit Stacheldraht umzäunt mit einem Drahtverhau zwischen beiden Zäunen. Der niedrige innere Zaun war elektrisch geladen, stark genug, um einen Menschen zu töten. Alle Bereiche innerhalb des Gefangenenlagers, die eine gesonderte Funktion besaßen, wie Krankenrevier, Isolationsstation und Pathologielabor, waren noch einmal gesondert umzäunt. 38 Der gesamte Komplex war von Wachtürmen mit überdachten Holzkabinen umgeben; die Wachtürme waren ausgestattet mit einem Rundgang, Maschinengewehren und Suchscheinwerfern. Außerhalb des äußeren und höheren Zaunes verlief parallel zu den Wachtürmen „ . . . die sogenannte ,neutrale Zone'; unbefugtes Betreten dieser Zone bedeutete den Tod." 39 Die Verbindung zwischen den Wachtürmen und der Wachstube wurde per Telephon hergestellt. Ein SS-Mann erinnerte sich, daß die Telephone zunächst mit dem Kochschen Haus direkt verbunden waren. Einige der Wachen, wenn sie sich während der Nachtwache langweilten, pflegten dort anzurufen, nur um Ilses Stimme zu hören. Hob Karl jedoch ab, hängten sie ein. Wenn Ilse gutgelaunt war, unterhielt sie sich manchmal mit den Männern. Karl bereitete diesem Treiben jedoch schnell ein Ende; er ließ die Telephonleitungen der Wachen direkt mit dem Hauptquartier verbinden. 40 Der Haupteingang befand sich in der Mitte eines einstöckigen Gebäudes mit dem höchsten Wachturm, der einen Überblick über das gesamte Lager bot. Das Fries über dem Eingang trug die Inschrift „Ob Recht oder Unrecht - mein Vaterland". Hätte dieser Spruch nicht über dem Eingang zu einem Konzentrationslager in Nazideutschland gestanden, könnte man ihn auch für einen makabren Scherz der Lagerarchitekten halten. Ebenso ein anderer Wahlspruch, der in Metallettern über dem Eingang angebracht war; er war für die Gefangenen bestimmt: „Jedem das Seine". 22

Dergleichen Aussprüche schienen nicht der SS-Mythologie entnommen. Zur Lagerkommandantur Kochs gehörten die Adjudantur, die Belegschaftsräume, eine Kantine, eine Waffenkammer, eine Poststelle und Gemeinschaftsräume. Die Kommandantur lag gegenüber dem Haupteingang auf einem Wegstück, das als „Carachoweg" bezeichnet wurde. Die SS muß diesen Ausdruck aus dem Italienischen übernommen haben. Mit dem Ruf „Caracho" wurden die Gefangenen in den italienischen Internierungslagern zu schnellerem Arbeiten angetrieben. Wenn die SS die Gefangenen mit den Worten „In Caracho" anbrüllte, wußten diese, was es zu bedeuten hatte. Die Gebäude und Straßen im Lager Buchenwald wurden denn auch außerordentlich schnell gebaut. 41 Die ersten Gefangenen, die in Buchenwald ankamen, waren Kriminelle. Sie bestimmten schon bald die internen Machtkämpfe im Lager; von der SS-Verwaltung wurden sie favorisiert behandelt. Sie erhielten besondere Aufgaben, zusätzliches Essen und andere Privilegien wurden ihnen zugestanden als Entschädigung dafür, daß sie der SS halfen, die Lagerdisziplin aufrechtzuerhalten. Ihre Machtstellung blieb jedoch nicht ohne Herausforderung. Die politischen Gefangenen - besonders die Kommunisten als eine militante und zahlenmäßig die überlegenste Gruppe - wetteiferten beständig um die Vormachtstellung. Bis 1938 waren alle Lagerinsassen Deutsche. Die Einstufung der Gefangenen entsprach der Kleidung: eine gestreifte Uniform mit einer Nummer und einem Stoffdreieck in einer bestimmten Farbe, dem „Winkel". Es war auf der Jacke oberhalb des Herzens und auf dem rechten Hosenbein in Kniehöhe angenäht. Die Farbe bestimmte die Gruppenzugehörigkeit der Gefangenen: grün für Kriminelle, rot für Politische, rosa für Homosexuelle, violett für religiöse Sektierer und schwarz für Asoziale. Die ausländischen Gefangenen, die später hinzukamen, trugen einen blauen Winkel und den Anfangsbuchstaben ihres Landes. Juden trugen ein nach oben gerichtetes Dreieck, über das ein nach unten zeigendes genäht war: der sechseckige Davidstern. Als Koch 1937 die Leitung von Buchenwald übernahm, waren die Gefangenen in Deutschlands Konzentrationslagern hauptsächlich politische Häftlinge und Kriminelle; sie waren noch als Einzelpersonen verhaftet worden. 1938 begannen die Massenver23

haftungen, die sich hauptsächlich gegen Juden richteten. E s gab auch vor diesem Zeitpunkt schon jüdische Häftlinge in Buchenwald, doch sie waren nicht primär aus rassischen Gründen verhaftet worden, sondern weil sie auf die eine oder andere Weise mit dem Regime in Konflikt geraten waren. 42 Die Ausmaße dieser Massenverhaftungen lassen sich auf erschreckende Weise an den Zahlen ablesen: 1937 hatte Buchenwald ungefähr 3 0 0 0 Gefangene und nur ein Jahr später waren es 2 0 . 1 2 2 Gefangene! 43 Diese Zunahme fiel zusammen mit dem Beginn gewisser Maßnahmen der Nationalsozialisten, die darauf hinausliefen, die Gruppen der Arbeitsscheuen, der Asozialen und der Juden zu verhaften und in Konzentrationslager zu deportieren. Zum Teil wurden diese Aktionen auch begünstigt durch den Anschluß Österreichs. Der Österreicher Karl Frey war ein solches Opfer, das nach Buchenwald deportiert wurde. Er wurde im April 1938 verhaftet und zusammen mit mehreren hundert Gefangenen nach Deutschland gebracht. Obwohl Frey nie von Koch gehört hatte, erinnerte er sich an den SS-Kommandanten, „der den Rang eines Standartenführers in der SS-Elitetruppe innehatte." Frey wurde schon bald freigelassen. Zuvor wurde er jedoch gezwungen, eine Erklärung zu unterschreiben, die besagte, daß er homosexuell sei. Man warnte ihn davor, über die Lagererfahrung zu sprechen. Einige Monate später wurde er in die deutsche Armee eingezogen. 44 Bestimmte politische Ereignisse lieferten inzwischen Argumente, die das Hitlersche Vorgehen - der nationalsozialistische Diktator bewegte sich auf seinen diplomatischen Triumph in München zu - unterstützten. In München kam es dann in der letzten Septemberwoche zu einer internationalen Konferenz, auf der die Premierminister Englands und Frankreichs, Chamberlain und Daladier, einer Abtretung des tschechischen Sudetenlandes an Deutschland zustimmten. Dies war der erste bedeutende Schritt Hitlers in Richtung Osten. Die Arroganz der Nazis und ihre verächtliche Haltung gegenüber der Weltmeinung kannte keine Grenzen mehr. Vor diesem Hintergrund entstanden die Pläne, die auf die Verhaftung der Juden abzielten. In den Wochen und Tagen unmittelbar nach seinem Münchener Triumph verbreitete Hitler seinen Haß gegenüber der jüdischen

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Bevölkerung Europas auch in der Öffentlichkeit. Die Angst um die Sicherheit der deutschen Juden wuchs. Die Ereignisse überstürzten sich, als ein deutscher Student, der als Flüchtling in Paris lebte, auf Ernst von Rath, den Sekretär der deutschen Botschaft, schoß und ihn tödlich verletzte. Am siebten November war der Student Herschel Grynszpan in die Botschaft gegangen, um Graf Johannes von Welczeck, den deutschen Botschafter, zu erschießen. Als dieser jedoch nicht erschien, erschoß er stattdessen Ernst von Rath. Josef Goebbels setzte seinen Propagandaapparat in Bewegung, um die Empörung der deutschen Öffentlichkeit über diesen Zwischenfall noch anzustacheln. Und nur Minuten nach der jährlichen Gedenkfeier zum Hofbräuputsch von 1923 beschlossen die Nazis, jegliche offizielle Nachsicht gegenüber den Juden fallen zu lassen. Sofort begannen Nazirandalierer mit einem systematischen Vernichtungszug gegen Synagogen, jüdische Häuser und Geschäfte. Jeder, der es wagte, sich ihnen in den Weg zu stellen, wurde zusammengeschlagen, verhaftet oder erschossen. In der Kristallnacht - wie die Nazis diese Aktion poetisch umschrieben - wurden Zehntausende von Juden verhaftet. Ihr Bestimmungsort war jetzt das Konzentrationslager. In einer einzigen Nacht, vom 11. auf den 12. November, kamen über 10.000 Juden in Buchenwald an. Es gab nicht genügend Barracken, in denen sie hätten übernachten können, nicht genügend Kleidung, keine Decken und nicht ausreichend zu essen. Die Szene, die sich jetzt abspielte, erinnerte an eine Irrenanstalt. Kriminelle fuhren zwischen die schreienden Opfer und rissen alles an sich, was sie an Wertgegenständen bekommen konnten, bevor sie von SS-Männern vertrieben wurden. In diese Szene hinein verkündete der Lautsprecher: „Wenn sich noch ein Jude erhängt, soll er bitte ein Stück Papier mit seinem Namen in seine Hosentasche stecken, damit wir wissen, wer er war." 45 Die hilflosen Juden wurden im Hauptlager zusammengetrieben. Hier durften sie sich hinlegen, aber nicht bevor die nötigen Vorkehrungen getroffen waren: Die Häftlinge waren alle mit ungeheuren Geldsummen und Wertsachen angekommen. Im Lager wurden ihnen alle Wertgegenstände abgenommen. Die neu angekommenen Häftlinge erhielten keine Quittung für die Gegenstände. Sie muß25

ten an großen Tischen vorbeigehen und ihre Wertgegenstände in große Kisten werfen . . . Später mußten sie vorgedruckte eidesstattliche Erklärungen unterzeichnen, die besagten, daß sie weder Geld noch Wertgegenstände abgegeben hatten, und daß ihnen diese auch nicht weggenommen worden seien. So konnten sie keine Forderungen an das Konzentrationslager Buchenwald stellen. 4 6 Später beschlossen Koch und der SS-Offizier Hermann Hackmann, daß man sich noch mehr bereichern konnte. Sie schickten einen Insassen, dem sie vertrauten, mit einem leeren Koffer zu den Juden. E r verbreitete die Nachricht, daß sie für Geld freigelassen und Auswanderungspapiere erhalten würden. Die jüdischen G e fangenen war nicht mehr in der Lage, vernünftige Überlegungen anzustellen; sie klammerten sich an jeden Strohhalm, der sich ihnen bot. Sie gaben ihre letzten, voller Verzweiflung versteckten Geldbeträge auch noch ab. Der Koffer füllte sich mit Geld. Hackmann und Koch teilten es untereinander auf. Einige Zeit später zeigte Hackmann sich im Lager mit einem neuen Sportwagen. E r nahm Ilse auf eine Fahrt mit, (,,. . . sie zeigte ihre Freude wie ein K i n d " ) . Darauf schloß Karl sofort einen Kaufvertrag für einen gebrauchten B M W ab. 4 1 Die ,guten Zeiten' waren gekommen für Karl und Ilse. Als ,Meister' über eines von Hitlers ,Höllenlagern' konnte Koch nun die Praktiken des Diebstahls und der Ausbeutung endlos variieren. E r hatte bereits vertrauenswürdige Komplizen im G e fängnis und in den SS-Kantinen, wo Waren zum vielfachen Preis ihres ursprünglichen Werts verkauft wurden, aufstellen lassen; ebenfalls im Krematorium, um Goldzähne entfernen zu lassen, und in den Lagerwerkstätten, um Möbel, Skulpturen und Kunstobjekte zu verkaufen. K o c h kannte keinen Unterschied; er verkaufte an den Gefangenen und den S S - M a n n gleichermaßen. Sein Warenhaus bot Fleisch, Gemüse, Wein, Alkohol und Kaffee für jeden, der den Preis bezahlen konnte. 4 8 K o c h ließ keine Möglichkeit ungeprüft, um seine Gier zu befriedigen. E r beschloß, daß ,,. . . ein Mittel an das Geld der Gefangenen zu gelangen, Sammlungen und Geschenke waren. E s wurden Sammlungen abgehalten, um Bücher zu kaufen und Tiere für den zoologischen Garten, Sammlung für Gefangene, deren finanzielle Situation schlecht war, für ein Orchester . . . etc. Den Gefangenen

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wurde wärmstens empfohlen, sich an diesen Sammlungen zu beteiligen." 49 Der erfahrene Buchhalter Koch führte getrennte Geschäftsbücher über die zahlreichen Aktionen und legte das Geld auf verschiedenen Konten an. In seiner „schwarzen Geldkassette" hortete er ungeheure Mengen veruntreuten Geldes. Trotz der eigenen kriminellen Verwicklungen zeigte Koch keinerlei Nachsicht, wenn jemand, der ihm unterstellt war, die Lagerordnung brach, ob zufällig oder vorsätzlich. Bei solchen Zwischenfällen - mochte es sich um Freund oder Feind handeln - war er vollkommen rücksichtslos, sobald er mit den Verstößen eines Mitarbeiters oder SS-Wachmanns konfrontiert wurde. Bei seiner Suche nach Vergehen und Pflichtvernachlässigungen war er ebenfalls unermüdlich und kehrte nach einem zehn Stunden Tag in der Dienststelle oft erst spät ins Lager zurück (immer begleitet von seinen Hunden, die sich damit vergnügten, vereinzelten Häftlingen auf ihrem W e g zur Latrine nachzujagen). Koch streifte durch die Wohnbaracken und Kommandanturgebäude und sucht nach der kleinsten Abweichung seiner Befehle, und wehe dem, den er bei der Verletzung einer Vorschrift ertappte! Sein Lieblungsausspruch, und dabei handelte es sich durchaus nicht um eine leere Drohung, versprach folgendes: „ W e n n ihr meinen Anweisungen nicht gehorcht, werdet ihr untergehen und euch hier hinter Stacheldraht wiederfinden!" 5 0 Einige von Kochs Offizieren suchten oft in Weimar an der Theke des Elefantenhotels Zerstreuung. Koch tat dies ebenfalls, bestand aber darauf, d a ß man sich von der besten Seite zeigte. Als sein zweiter Adjudant, Hau^tsturmführer Wellershausen, sich an der Hotelbar in eine Schlägerei verwickelte, wollte der erzürnte Koch ihn in die Gefangenenabteilung bringen lassen, doch bevor der Befehl ausgeführt werden konnte, erschoß sich Wellershausen mit seiner 6,5 mm Pistole. 51 Nach dem Krieg beschrieb ein westdeutscher Gerichtshof den Koch aus jener Zeit als einen Mann, ,,. . . der eine undefinierbare Atmosphäre von Kälte und Furcht um sich verbreitete; und zwar sowohl Führerschaft, Mannschaft und Gefangenen gegenüber. Mit Ausnahme der wenigen Privilegierten behandelte er niemanden als Mensch. Er liebte es, andere seine Macht spüren zu lassen. Er verärgerte und provozierte die Führerschaft und deren Ehefrauen in jeder möglichen Weise . . . und er erließ ständig neue Anordnungen . . ," 52 27

Ilse Koch war von Anfang an eine auffallende Erscheinung in Buchenwald. Wenn man bedenkt, daß sie die Frau des Kommandanten war, jung, attraktiv und unter Tausenden von Männern, die keinen Kontakt mehr zu Frauen hatten, war dies durchaus verständlich. Sie erschien täglich auf dem Lagergelände, entweder zu Fuß oder zu Pferde und trug je nach Witterung oft provozierende Kleidung (enge Pullover und kurze Röcke). Neben der Verpflegung war Frau Koch das beliebteste Gesprächsthema unter den Häftlingen. Jeder, der Gelegenheit gehabt habe, in der Nähe der Kommandantenvilla zu arbeiten, schrieb einer der Häftlinge, habe diese Frau oft gesehen. Sie sei schlank gewesen, habe eine gute Figur gehabt; ihr Haar sei eher rot als blond gewesen. Immer wenn sie aufgetaucht sei, hätten die Gefangenen gesagt ,Da kommt die Rote' . . . Sobald ein Häftling gewußt hätte, wer ,die Rote' war, sei er ihr aus dem Weg gegangen.53 Einer von Karls SS-Getreuen beschrieb Ilse als eine schlanke, grazile Frau mit rosiger Gesichtsfarbe, nur leicht geschminkt. Er betonte, daß ihre Erscheinung nicht beeindruckend war, aber daß sie für viele SS-Leute und Gefangene wohl ein aufregendes Wesen gewesen sei, weil sie rotes Haar gehabt habe . . . Sie sei etwas eingebildet gewesen; wenn man sie nicht zuerst gegrüßt habe, habe sie einen einfach übersehen.54 Ilse Kochs Leben in Buchenwald stand in scharfem Kontrast zu ihren früheren Jahren; als Frau des Kommandanten genoß sie jetzt ein Leben voller Bequemlichkeit und Luxus. Häftlinge erledigten alle schweren Haushaltsarbeiten und zwei Hausgehilfinnen kamen täglich von Weimar, um zu putzen, staubzuwischen und zu waschen. Da Ilse nicht gern kochte, wurde das Mittagessen in der SSKüche zubereitet und für sie und Karl in die „Villa Koch" gebracht. Oft genug stammte auch das Abendessen aus der SSKantine.55 Ihre Tage waren damit ausgefüllt, spät aufzustehen, es sei denn, sie ritt früh aus, sie nahm Sonnenbäder, wenn es das Wetter erlaubte, machte Spaziergänge mit den Kindern und erledigte Einkäufe in der Lagerkantine oder in Weimar.56 Natürlich „. . . machte ich jedes Jahr eine Ferienreise", sagte sie aus. „im Sommer 1941 war ich von Mai bis September nicht in Buchenwald, ebenso 1942, und während der anderen Jahre war ich während des Winters für einige Monate abwesend, darüber hinaus verließ ich 28

Buchenwald mit meinen Kindern für Zeitspannen von zwei oder drei Wochen." 57 Ihr Interesse für Reiten entstand 1938; diese Beschäftigung sollte bei späteren Gerichtsverfahren eine wichtige Rolle spielen, sowohl im amerikanischen Prozeß 1947 als auch im Verfahren, das die Westdeutschen 1950 gegen sie anstrengten. Bei diesen Gerichtsverfahren ging es darum nachzuweisen, daß Use Koch ihr Pferd oft durch das Lager ritt - auch durch das Häftlingsgebiet und daß ihre Reitleidenschaft der Hauptgrund dafür war, daß Karl eine Reithalle bauen ließ. Diese Tatsachen mußten bewiesen werden, bevor die Anklage Gewicht auf die Aussagen ehemaliger Häftlinge legen konnte, wonach Frau Koch absichüich beim Reiten provozierende Kleidung getragen hätte, um die Gefangenen zu reizen, sie anzusehen, woraufhin sie diese dann entweder mit der Reitgerte schlug oder sie mit Schlägen bestrafen ließ.58 Von den in Buchenwald lebenden Ehefrauen war Ilse die einzige, die ausritt; im Sommer 1938 begann sie in Weimar Reitstunden zu nehmen. Einige sagten aus, sie hätte ihre Reitkünste sogleich auf dem Reitweg der SS-Männer erprobt, der sich innerhalb des Häftlingsbereichs befand. Jedenfalls schenkte ihr Karl ein schwarzes Pferd, dem sie den Namen „Puppe" gab, und ritt manchmal gemeinsam mit ihr aus.59 Karl teilte einen SS-Mann namens Huldenreich Pohle ein, Dse auf ihren Ausritten zu begleiten. Pohle, der für die Lagerställe und ca. 200 Pferde verantwortlich war, sagte aus, sie seien niemals auf diesem Reitweg im Häftlingsgebiet geritten. Er brachte die Pferde immer gegen 8 Uhr morgens zur Villa Koch, und gemeinsam ritt man in die Wälder südlich des Lagers. Seiner Meinung nach wurde Frau Koch nie eine gute Reiterin, da sie wegen Schwangerschaften und häufigen Reisen oft ihre Reitausbildung unterbrechen mußte. Sie trug immer Reithosen und Stiefel, niemals ein Kleid, bemerkte Pohle.60 Bevor sie nach Buchenwald kam, hatte Dse niemals ein Pferd geritten. Sie hörte, ihrer Aussage nach, im Oktober 1941 zu reiten auf, weil „ich vom Pferd fiel, und später mein Mann nicht mehr Kommandant von Buchenwald war, und ich keine Gelegenheit mehr zum Reiten hatte." Jedenfalls sei sie, so fuhr sie fort, auf Grund von Schwangerschaften und Reisen nicht öfter als 30 oder 40 mal ausgeritten. „Ich wurde immer von meinem Mann oder eini29

gen berittenen Offizieren oder Unteroffizieren begleitet . . . Ich trug immer komplette Reitkleidung, und zwar Reithosen, Stiefel und je nach Jahreszeit eine Jacke oder nur eine Bluse." Abweichend von Pohles Aussage bemerkte Ilse, daß sie immer sehr früh morgens ausgeritten sei, von 5.30 Uhr bis 7 Uhr, „. . . weil ich mich danach um meine Kinder kümmern mußte." Sie bestritt höchst entschieden, daß sie sich jemals bei Ausritten ins Häftlingsgebiet begeben hatte. Sie sei bei diesen Gelegenheiten niemals Gefangenen begegnet und habe immer einen Männersattel benutzt, der das Tragen eines Kleides ausschloß.61 Während der Kriegsverbrecherprozesse, die 1947 in Dachau von Amerikanern geleitet wurden, stellte man Ilse folgende Fragen: „Stimmt es, daß Sie eine häufige Besucherin der Reithalle waren?" „Nein, ich war höchstens vier oder fünfmal dort. Die Reithalle wurde erst 1941 fertiggestellt, nachdem mein Mann versetzt war." „Gab es nicht eine Kapelle, die aufspielte, wenn Sie im Lager umherritten?" „Das ist das, was man sich erzählt." „Trifft es zu oder nicht?" „Nein." 62 SS-Standartenführer Koch ließ außerdem in Buchenwald einen Zoo einrichten, der eine große Anzahl von Tieren beherbergte. Er befand sich unmittelbar gegenüber der Lagerleitung, und Ilse und Karl gingen oft mit den Kindern dorthin. Ilse tat dies als unwichtig ab und sagte aus, sie sei nur selten dort gewesen: „Ich habe bloß Bären und Affen und andere kleine Tiere dort gesehen."63 Einmal entlief einer der Bären und erregte große Aufregung unter den SS-Männern, die ihn jagen wollten und deshalb mit ihren Gewehren erschienen, aber Koch befahl, das Tier unverletzt einzufangen. Dies war leichter gesagt als getan, denn der Bär kletterte auf Bäume und versteckte sich im Unterholz der nahegelegenen Wälder. Schließlich gab Koch die Erlaubnis, das Tier zu erschießen.64 Daß es Ilse bei späteren Gerichtsverhandlungen schwerfiel, sich an Einzelheiten vieler dieser Begebenheiten in Buchenwald zu erinnern, sollte wohl nicht einzig als Ablenkungsmanöver inter30

Abb. 12: Die „Villa Koch" im Konzentrationslager Buchenwald.

A b b . 13: Das W o h n z i m m e r in der „Villa Koch" mit dem angeblichen Lampenschirm, der aus der tätowierten H a u t von ermordeten Gefangenen angefertigt war.

Abb. 14 und 15: Ilse, Karl und Artwin besuchen den Zoo im Konzentrationslager Buchenwald im Oktober 1939.

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pretiert werden. In der Zeit zwischen ihrer Ankunft im Lager gegen Ende 1937 und Karls Versetzung gegen Ende 1941 gebar sie nämlich drei Kinder; sie war also mehr als die Hälfte dieser Zeit schwanger. Zudem war sie häufig auf Reisen, sowohl allein als auch mit Karl und zuweilen mit den Kindern. Daher kann es durchaus zutreffen, daß ihre Kenntnis vom täglichen Ablauf des Lagerlebens ganz allgemein war. Höchst interessant ist die Tatsache, daß ihre Schwangerschaften in keiner der zahlreichen Beschreibungen ihres äußerlichen Erscheinungsbildes auftauchen, die später sowohl von Seiten der S S als auch der Häftlinge über sie abgegeben wurden. Und doch wurde ihr Sohn Artwin 1938 geboren (Ilse war schon zur Zeit der Hochzeit in anderen Umständen), 1939 gebar sie ein Mädchen, Gisela, und das jüngste Kind, wieder ein Mädchen, Gudrun, wurde 1 9 4 0 geboren. 65 Karls Stiefschwester, Erna Raible, half Ilse zeitweise mit den Kindern und fing an, bei den Kochs zu wohnen, als Gudrun geboren wurde. Später kümmerte sie sich um die Kinder, wenn Ilse in Ferien war. Während eines solchen Skiurlaubs, wahrscheinlich verbrachte Ilse ihn allein, erkrankte Gudrun ernstlich, und die beunruhigte Frau Raible ließ die Mutter nach Hause rufen. Das Kind starb jedoch, und Frau Raible warf Ilse vor, sie habe Gudrun vernachlässigt und kehrte nie wieder zur Villa Koch zurück. 66 Eine Zeitlang lebte auch Manfred, Karls ältester Sohn aus erster Ehe, bei ihnen in Buchenwald. E r war 12 Jahre alt, als er 1939 zu Karls neuer Familie zog. Den jüngeren Sohn hatte man wegen geistiger Defekte in eine Anstalt eingewiesen. 67 Das Zusammenleben mit Manfred entwickelte sich jedoch nicht als sehr harmonisch, da er es ablehnte, Ilse als Mutter zu akzeptieren und ihr kaum gehorchte. Eines Morgens gab Karl einem SS-Mann, der für die Zellen in einem Bunker am Haupteingang zuständig war, den Auftrag, Manfred in eine leere Zelle zu bringen und ihn dort zu lassen, bis er ihn holen lasse. Jemand hörte, wie Koch zu Manfred sagte: „Du wirst solange in der Zelle bleiben, bis du verspricht, nicht wieder frech zu deiner Mutter zu sein." Als man Koch im Laufe des Tages mitteilte, der Junge weine, verbot er jedem, sich ihm zu nähern. Schließlich ließ er am Abend, nach dem Essen, den Jungen nach Hause holen, und als der Wachmann mit Manfred erschien, kam Frau

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Abb. 16: Ilse spielt mit ihrem ältesten Kind, einem Jungen, den sie Artwin nannten. Er wurde im Juni 1938 geboren; er beging Selbstmord vor dem Tod seiner Mutter 1967.

Abb. Kind Frau Karls

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17: Ilse Koch mit ihrem zweiten Gisela, geboren im April 1939. Die neben Ilse ist Frau Erna Raible, Stiefschwester.

Abb. 18: Ilse, Karl und Manfred (Karls Sohn aus erster Ehe) in Buchenwald 1939.

A b b . 19: Ilse vor dem amerikanischen Militärtribunal in Dachau 1947. Sie ist mit ihrem vierten Kind schwanger. Zu diesem Zeitpunkt war sie als „Hexe von Buchenwald" allgemein bekannt.

A b b . 20: Ilse in einer für sie charakteristischen Haltung im Zeugenstand während des Prozesses in Dachau 1947.

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Koch mit den Hunden aus dem Haus gerannt, um ihn zu begrüßen. Sie fragte ihn: „Wirst du jetzt brav sein?" Doch Manfred ging einfach wortlos an ihr vorbei ins Haus. Fast unmittelbar nach diesem Ereignis wurde er in ein Internat gegeben und kehrte nur während der Schulferien zurück. 68 Ilse Koch war nicht die Art von Frau, der es leichtfiel, Freundinnen zu gewinnen. E s gab in Buchenwald sieben andere S S Ehefrauen, aber Ilse war niemals mit einer von ihnen befreundet (ein Lagerbeobachter hielt sie für die meistgehaßte Person in Buchenwald, sie wurde noch mehr gehaßt als Karl, besonders von anderen SS-Frauen). 6 9 Ilse gab zu, eine der Frauen, eine gewisse Frau Krone, ein oder zweimal besucht zu haben und ihr bei der Pflege eines neugeborenen Kindes Hilfe geleistet zu haben. Die meisten Beschwerden bezogen sich auf ihr hemmungsloses Verhalten im Lager. Besonders die anderen Frauen machten Bemerkungen über ihre provozierende Kleidung, über den dauernd getragenen engen Pullover und den zu kurzen Rock. Ob Frau Koch auch auf die Ehemänner Eindruck machte, wurde nicht erwähnt. Hingegen hatten die Frauen ganz entschieden das Empfinden, daß Ilse die Gefangenen vorsätzlich reizen wollte. 70 All dies führte dazu, daß der gesellschaftliche Umgang für Ilse sich hauptsächlich auf Männer bezog. Ihre einzigen Bekannten in Weimar waren dort stationierte SS-Männer. 7 1 Obwohl Ilse aussagte, sie und Karl hätten nur „kurze gesellschaftliche Treffen" bei sich daheim abgehalten, unterließ sie jedoch zu erwähnen, daß sie und ihr Ehemann monaüiche Feste in den Unterkünften der SS-Führerschaft direkt auf dem Buchenwald-Gelände gaben. Seit 1938 waren diese Feste, bei denen getanzt wurde, ,,. . . für die Belegschaft der Lagerleitung. Es handelte sich um E ß - und Trinkgelage, die fast immer in Orgien ausarteten." 7 2 Diese Atmosphäre der Ausschweifung wurde noch verstärkt, als der Krieg näherrückte. Die NS-Belegschaft in den Konzentrationslagern führte ein völlig anderes Leben als die übrigen Deutschen. Die allgemeine Bevölkerung war Opfer der wachsenden Einschränkungen auf allen Gebieten, während das Personal Buchenwalds und anderer Lager ein besseres Leben als vorher genossen. Abgetrennt vom Hauptteil der Bevölkerung und für das NS-System unersetzlich, war es der SS-Verwaltung gelungen, sich gegen die Entbehrungen des Krieges abzuschirmen.

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In dieser abgeschlossenen Welt war Ilse Koch in ihrem Element. Nach ihrer Auffassung waren die anderen Ehefrauen neidisch, weil sie versuchte, ihr Leben zu genießen. Sie verneinte, daß sie häufig bei Lagerfesten unter Alkoholeinfluß gestanden habe, aber ihre Liebesabenteuer mit den stellvertretenden Lagerkommandanten Hermann Florstedt und dem Lagerarzt Waldemar Hoven, beide verheiratet, waren ein offenes Geheimnis. Natürlich wußte auch jeder von Karls Seitensprüngen in Weimar und anderswo.73 Jedoch waren eheliche Treue und Untreue nicht das, was Ilse und Karl zwingend zusammenhielt.

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Die „Kommandeuse" Der zweite Weltkrieg brachte neue Aufgaben für die Konzentrationslager der Nazis. Mit der schnellen Eroberung Polens, Dänemarks, Norwegens, der Niederlande und schließlich Frankreichs wurden die Nationalsozialisten in der kurzen Zeit von zehn Monaten zu Herrschern über fast 100 0 0 0 0 0 0 Europäer. Die jüdische Bevölkerung Europas war in den Machtbereich der Nationalsozialisten gefallen, und selbst die Forderungen des Krieges sollten Hitler nicht davon abhalten, die Ausrottung der Juden anzustreben. Buchenwald blieb im wesentlichen ein Arbeitslager inmitten eines schnell wachsenden Geflechts, erweiterte aber die eigenen Außenlager über ganz Thüringen. 1 Die Zusammensetzung der Insassen begann sich allerdings zu verändern. Immer mehr Juden, bald auch Polen, Franzosen, Belgier, Tschechen und Holländer waren den Deutschen schnell zahlenmäßig weit überlegen.2 Bezeichnend für die Auswirkung des Krieges auf das Lager war die steigende Zahl der Todesfälle, die man in den Unterlagen in Buchenwald festhielt. Von 771 Verstorbenen im Jahre 1938 steigen die Zahlen sprunghaft an bis zu 1772 Toten im Jahre 1940 (bis 1945 waren bereits 51 0 0 0 Personen im Lager und auf dem Transport umgekommen). 3 Im September und Oktober des Jahres 1939 wurden Hunderte von Juden aus Böhmen, Mähren und Polen nach Buchenwald gebracht. Karl Koch nutzte jede Möglichkeit der neuen Kriegssituation, um zusätzliche Lagerverpflegung zu unterschlagen und illegal an den Mann zu bringen. Eine seiner ersten Kriegsanweisungen bestimmte, daß Juden der Zutritt zur Kantine verboten sei. Ihre bereits mageren Rationen wurden auf 4 0 0 Gramm Brot und

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ein warmes Essen pro Tag gekürzt. Koch rechtfertigte dies als Vergeltungsmaßnahme für den jüdischen Anschlag auf einige Deutsche in Palästina. 4 Nach dem Attentat auf Hitler im Münchener Bürgerbräu Keller am 9. November ließ Koch die Juden in die Baracken weisen und 21 von ihnen willkürlich auswählen und erschießen. 5 Der Krieg ermöglichte den Lagerkommandanten, ihre Schrekkensherrschaft noch willkürlicher als zuvor fortzusetzen. Nach 1939 wurden keine Gefangenen mehr entlassen, mit Ausnahme deijenigen, die gegen Ende des Krieges an die Front geschickt wurden. Ein ehemaliger Buchenwald-Häftling gab der Hoffnungslosigkeit aller Insassen Ausdruck, als er sagte, daß „über dem Lagereingang unsichtbar die Inschrift aus Dantes Inferno gestanden habe: Durch mich geht's ein zur Stadt der Schmerzerkorenen, durch mich geht's ein zum ewigen Schmerz, durch mich geht's ein zum Volke der Verlorenen. Laßt, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren!" 6 Auf der Rangliste war Kochs Vorgesetzter ein Mann namens Oswald Pohl. Seit 1926 Parteimitglied, arbeitete Pohl als Zahlmeister bei der Marine, als er mit Himmler bekannt wurde. Der Reichsführer SS ernannte Pohl zum Leiter seines Hauptbüros. Diese Abteilung, später als Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt oder WVHA bekannt, kontrollierte alle finanziellen Bereiche der SS. In dieser Stellung war Pohl nur Himmler verantwortlich und besaß im Grunde absolute Befehlsgewalt über alle KZ-Einrichtungen. Im besonderen bestimmte Pohl über eine Dienststelle, Abteilung D genannt, jede Einzelheit im täglichen Leben der Häftlinge. Er und sein ausgewählter Mitarbeiterstab waren das „Gehirn des Konzentrationslager-Systems . . . Unter ihrer Leitung . . . wurde jedes nur denkbare Verbrechen begangen - die systematische Ausübung von Greueltaten . . ., die Nutzung von Sklavenarbeit unter brutalen und mörderischen Bedingungen . . . und die Konfiszierung von Eigentum in riesigem Ausmaß." 7 Bei einer solchen Verwaltungsstruktur wurde der Kommandant eines Konzentrationslagers zum allgemeinen Herrscher über seine 40

Untergebenen und hatte sich nur Pohl gegenüber zu verantworten. Der Spielraum, der dem Lagerkommandanten zur Verfügung stand, wird deutlich gemacht durch eine Anordnung Pohls Anfang 1942, worin es heißt, daß „keine einheitlichen Anweisungen gegeben werden sollen. Aber die gesamte Verantwortung wird allein dem KZ-Kommandanten übertragen", dem jetzt volle Befehlsgewalt gegeben wird, „für alle wirtschaftlichen Unternehmungen der SS innerhalb ihres Organisationsgefüges . . . Der Lagerkommandant allein ist verantwortlich für den Einsatz verfügbarer Arbeitskräfte. Dieser Einsatz muß im wahrsten Sinne des Wortes erschöpfend sein. Eine Begrenzung der Arbeitszeit ist nicht vorgesehen." 8 So hatten die Kommandanten und ihr Wachpersonal freie Hand bei der unbegrenzten Ausbeutung ihrer Gefangenen und konnten es Dienst am nationalsozialistischen Staat nennen, „und wenn es vorkam, daß einer dieser Leute sein Vergnügen darin suchte, die Häftlinge mit dem Bajonett zu erstechen oder sie mehrere Stunden an ihren Daumen aufzuhängen, so taten die Verantwortlichen diese Vorkommnisse einfach als Sache des persönlichen Geschmacks ab." 9 Falls dies ein Problem für den jeweiligen Lagerkommandanten darstellte, so war anzunehmen, daß er sich damit auf seine Weise auseinandersetzte; wenn der Kommandant selbst seine Perversionen zum Exzeß steigerte, fiel es nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des WVHAs, ihn dafür zur Rechenschaft zu ziehen, denn die Untersuchungen derartiger Angelegenheiten erforderten die Vollmacht Himmlers. Falls irgendetwas entschieden werden mußte, was selten vorkam, fiel dies meist den SS-Gerichtshöfen zu.10 So wie Pohl seine Leute dazu anhielt, beharrlich ihre Aufgaben zu erfüllen, taten es auch die Kommandanten mit ihren Untergebenen. Einer von Kochs Männern, Hermann Großmann, der eine Wacheinheit in Buchenwald befehligte, erklärte, daß er niemals seine Soldaten zur Rechenschaft gezogen habe, wenn sie Gefangene schlugen. Tatsächlich habe er nur selten davon Notiz genommen, denn „wer eine Meldung machte, hätte sich selbst bei Koch unbeliebt gemacht. . . Koch duldete das Schlagen, und soweit ich weiß, hat er nie jemanden dafür bestraft . . . das war jedem bekannt." 11 Von einem System des kalkulierten Schreckens, in dem das einzige Ziel darin bestand, den Gefangenen in ständiger Furcht um 41

Leib und Seele zu halten, konnte nichts anderes erwartet werden: Als Strafanlässe wurden von der SS benutzt: Hände in den Hosentaschen bei Kälte, hochgeschlagene Kragen bei Regen und Wind, die geringfügigsten Kleidermängel wie Schmutzflecke . . . nicht gründlich gesäuberte Schuhe bei fußhohem Schlamm . . . und zu blank geputzte Schuhe als Zeichen, daß man sich vor der Arbeit gedrückt habe, Verletzung der Grußpflicht, wozu auch sogenannte schlechte Haltung gerechnet wurde, Betreten des Blocks während der Arbeitszeit, . . . auch einmaliges Aufrichten derer, die in gebückter Haltung arbeiteten, Essen während der Arbeitszeit . . . „Kippenstechen" (das Aufheben von Zigarettenstummeln), . . . das sogenannte „Abkochen",, worunter der Versuch verstanden wurde, sich außer der zugeteilten Verpflegung anderweitig Lebensmittel zu erbetteln . . ,12 Für die meisten Häftlinge wurden diese Strafen zu einem Bestandteil ihres täglichen Lebens. Die eigentlichen Lagerstrafen führte man in unterschiedlicher Weise aus. Sie wurden offiziell bekanntgegeben und verabreicht, im allgemeinen direkt nach der Abendzählung und vor der gesamten Lagerbelegschaft. Strammstehen bis zum Zuammenbruch, Strafexerzieren bis zur Erschöpfung oder Auspeitschen gehörten dazu. Die Prügelstrafe wurde auf einem sogenannten „Bock" vollzogen, einem tischähnlichen Holzgestell, auf dem der unglückliche Gefangene festgeschnallt und mit einem Bambusstock oder einer Weidenrute auf das entblößte Gesäß geschlagen wurde. Die Wucht der Schläge - gewöhnlich 25 Hiebe - brachte häufig Blutgefäße zum Platzen. Befand sich der Gefangene in einem stark geschwächten Zustand, war ein Herzanfall häufig die Folge. „25 zu bekommen" oder „über den Bock zu gehen" war eine Erfahrung, die unter Kochs Kommando Tausende Gefangene erlitten.13 „Eine Strafe, die an Grausamkeit das Auspeitschen bei weitem übertraf, war das Baumhängen. Es bestand im Aufhängen eines Gefangenen an einem Baum oder Holzpflock, an den Händen, die auf den Rücken gebunden wurden, und zwar so hoch, daß die Füße den Boden nicht berührten. Das volle Körpergewicht lastete an den Schultergelenken. Gewöhnlich wurde der Gefangene in dieser

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Tortur vier Stunden belassen." 1 4 Ein Häftling, der die zahlreichen Folterungen von Buchenwald überlebte, erinnerte sich genau an den „seufzenden W a l d " , wo seine Mitgefangenen aufgehängt waren. Ihr Stöhnen werde ich nie vergessen", sagte er. 15 Den Vorschriften gemäß durften solche Strafen ohne die Genehmigung von Berlin nicht durchgeführt werden. Jedoch ignorierte Koch die Bestimmungen und ließ die meisten Bestrafungen ohne jegliche Nachforschungen verabreichen, oft am gleichen Tag, an dem die tatsächliche oder angebliche Verletzung der Anordnungen stattgefunden hatte. Gelegentlich wandten sich Koch oder einer seiner Leute an Berlin, um die Strafen genehmigen zu lassen, aber die offizielle Zustimmung ging gewöhnlich erst nach Strafvollzug ein. Es kam vor, daß in einem solchen Falle das unglückliche Opfer die Strafe noch einmal über sich ergehen lassen mußte. 16 Die schlimmste aller Lagerstrafen „war der Bunkerarrest. Dieser Bunker befand sich im westlichen Flügel des Eingangsgebäudes. Die Gefangenen, die auf Befehl des Kommandanten hierher gebracht wurden, schloß man in . . . Zellen ein. Sie erhielten nur jeden dritten Tag eine warme Mahlzeit, in der Zwischenzeit nur Wasser und Brot. Und sie waren den unmenschlichsten Foltern durch das Exekutionskommando ausgeliefert . . . nur wenige Gefangene verließen lebend diesen Ort des Schreckens." 17 Außerdem war Buchenwald als Station für medizinische Versuche vorgesehen, und falls ein Häftling die mörderische Behandlung Kochs überlebte, so bestand doch für ihn die Gefahr, künstlich mit einer Krankheit infiziert zu werden oder im Rahmen des Euthanasieprogramms umgebracht zu werden. 18 Die medizinischen Experimente verfolgten unter anderem die Suche nach einem Impfstoff gegen Typhus, da die deutsche Invasion in die Sowjetunion 1941 ernste Probleme für die Wehrmacht mit sich gebracht hatte. Im Januar 1942 wurde Block 46, eine Abteilung des Lagers, zum Zentrum für die Menschenexperimente gemacht. Man infizierte die Häftlinge unter anderem mit Fleckfieber, Paratyphus, Pocken, gelbem Fieber, Cholera und Diphterie. Hunderte von Gefangenen wurden für „einen langsamen und furchtbaren T o d " ausgewählt. 19 Aus Buchenwald zu fliehen war schwierig, aber nicht unmöglich. Das eigentliche Problem lag darin, außerhalb des Lagers unentdeckt zu bleiben, denn es gab absolut keine Möglichkeit für 43

den Geflohenen, Zuflucht zu finden. Die meisten Häftlinge wurden innerhalb von Stunden eingefangen und diejenigen, welche es fertigbrachten, länger außerhalb des Lagers zu bleiben, mußten sich in den Wäldern verstecken und versuchen, die Gegend zu verlassen. Wenn ein Gefangener innerhalb von fünf Tagen zurückkam, ging er „über den Bock", aber wenn es ihm gelang, länger als fünf Tage der Gefangennahme zu entgehen, wurde er zum Tode verurteilt. Man nahm an, er habe stehlen müssen, um zu überleben, und Diebstahl wurde mit Todesstrafe geahndet. 20 Nach Ausführen der Exekution ließ Koch die Leichen mehrere Tage lang auf dem Appellplatz öffentlich zur Schau stellen, versehen mit einem Schild mit der Warnung, dies geschehe mit jedem, der zu fliehen versuche.21 Jede Flucht bedeutete Kollektivstrafe für die anderen Gefangenen, etwa Entzug des Sonntagsessens; deshalb erhielten die Häftlinge, die zu fliehen versuchten, von ihren Häftlingskameraden keine Unterstützung. Was später mit ihnen geschah, wurde eher gleichgültig als mitleidig aufgenommen. Es gibt keine Aufzeichnung in den Lagerpapieren, wonach ein entflohener Gefangener verschwunden blieb.22 Ein Bekannter Kochs aus der frühen Zeit betonte, daß Koch um 1934, als sie zusammen dienten, keine Spur von Brutalität gezeigt habe. Sein Verhalten den Häftlingen gegenüber habe sich erst geändert, als zwei von ihnen einen Wachposten angriffen und dann flohen. Die beiden Insassen hatten den SS-Wachmann mit einer Schaufel geschlagen, sein Gewehr gestohlen und waren entkommen, aber kurz darauf eingefangen worden. Dies war unter Kochs Kommando bisher niemals vorgekommen. Über ihren verzweifelten Mut in Wut gebracht, befahl Koch, die Gefangenen auf dem Appellplatz vor dem versammelten Lager auszupeitschen und ließ sie dann drei Tage lang ohne Nahrung an Holzpfosten hängen. Von diesem Zeitpunkt an wurde er, so gab sein Freund an, ein strenger Zuchtmeister. 23 Ilse sagte aus, Karl habe niemals Gefangene mißhandelt, schwächte aber diese Aussage beträchtlich ab, indem sie hinzufügte: „wenigstens nicht während der Zeit, in der ich mit ihm zusammenlebte . . . jedenfalls schlug er nie Gefangene in meiner Gegenwart." 24 Gleichzeitig bemerkte sie jedoch mit einigem Stolz, daß Karl seinen Ruf als „berüchtigster KZ-Kommandant", der sogar bis in die von Deutschland besetzten Länder reichte, genos44

sen habe. Wenn einige seiner Männer zeitweise den Gefangenen gegenüber eine Tendenz zu weniger hartem Verhalten zeigten, habe Koch sie als „zu sanft" gescholten.25 Zum Unglück der Häftlinge gab es unter Kochs Männern nur wenige, die sich jemals zurückhielten; ganz im Gegenteil, die meisten waren ebenso brutal und sadistisch wie ihr Chef.26 Koch war sich durchaus darüber im klaren, daß viele seiner engsten ,Mitarbeiter' nicht notwendigerweise seine Freunde waren. Sein Adjutant Hermann Hackmann, der Führer des Schutzhaftlagers Artur Rödl, und auch Martin Sommer, der für die Bunkerzellen zuständig war, sowie der Lagerarzt Waldemar Hoven waren wie Koch selbst Abschaum, der im Nazismus gedeihen konnte. Es handelte sich bei ihnen um Männer, die ihre Rücksichtslosigkeit unter Beweis gestellt hatten, und deren Hingabe an die Quälerei und Terrorisierung ihrer Mitmenschen um des Vergnügens und des Profits willen vollkommen war. Hackmann trug den Titel des Adjutanten und stand Koch tatsächlich in dieser Funktion zur Seite; seine eigentliche Arbeit bestand aber darin, seinem Vorgesetzten zu helfen, dessen betrügerische Ziele zu verfolgen. Hackmann, im Lager unter dem Spitznahmen „Jonny" berüchtigt, war schon unter Kochs Leuten gewesen, bevor dieser nach Buchenwald versetzt worden war, und man konnte ihn als ,Freund der Familie' bezeichnen. Eine seiner Aufgaben bestand darin, Ilse von Zeit zu Zeit auf ihren Ausritten zu begleiten, aber es deutet nichts darauf hin, daß sie eine Affäre miteinander hatten. Einige Gefangene erinnerten sich an Jonny wegen seines mörderischen und unberechenbaren Temperaments. Man tat gut daran, ihn zu meiden, denn er schlug Häftlinge selbst dafür, daß sie ihm zufallig auf einem Lagerweg oder an einem Arbeitsplatz begegneten.27 Artur Rödl war nicht gerade Kochs Günstling; tatsächlich bezeichneten gemeinsame Bekannte die beiden als „Todfeinde". 28 Ein Teil dieser Feindschaft wurzelte in einer gewissen Eifersucht, denn der SS-Sturmbannführer Rödl stand nur einen Rang unter Koch und war Träger des begehrten „Blutordens", der ihn nach militärischen Maßstäben unangreifbar machte. 29 Die Beziehung wurde zudem durch einen offenen Streit der beiden Ehefrauen erschwert. Frau Rödl, der die einzigartige Stellung ihres Mannes genau bewußt war, war neidisch auf die Privilegien, die Ilse als 45

Abb. 21: Ein Gefangener im KZ Buchenwald, der „über den Bock geht".

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Frau des Kommandanten genoß und gab dem offen Ausdruck. Eine ihrer ständigen Auseinandersetzungen kreiste um die Tatsache, daß Ilse ihre Hausarbeiten nicht selbst erledigte, sondern daß ihr für diese Arbeit Häftlinge (sogenannte Kalfaktoren) zugeteilt wurden.30 Blutordensträger zu sein war nicht die einzige zweifelhafte Lagerauszeichnung Rödls. Er hatte entschieden, daß Buchenwald ein eigenes Lied haben sollte und befahl einen Wettbewerb unter den Häftlingen. Dem Gewinner stellte er die großzügige Summe von zehn Reichsmark in Aussicht. Rödl nahm schließlich eine Fassung an, die angeblich von einem deutsche Kapo stammte (das Wort ist dem Italienischen il capo entlehnt und bezeichnet die Häftlinge, denen die Arbeitseinheiten unterstanden). Das sogenannte „Buchenwald-Lied" wurde aber tatsächlich von zwei jüdischen Gefangenen geschrieben; von Löhner-Beda, einem ehemaligen Librettisten Franz Lehärs, und von Hermann Leopoldi, einem Wiener Kabarettsänger. Ende Dezember 1938 befahl Rödl der gesamten Belegschaft des Schutzhaftlagers herauszutreten und das Lied einzuüben. Obwohl er fast zu betrunken war, um aufrecht zu stehen, ließ Rödl die armen Teufel bei Schnee und Kälte mehrere Stunden lang üben.31 So schlimm Hackmann und Rödl auch waren, ihre Taten verblassen, wenn man sie mit denen des jungen SS-Hauptscharführers Martin Sommer vergleicht. Sein Eifer, den Häftlingen in Buchenwald jahrelang täglich unnennbare Foltern zuzufügen, spottet jeder Beschreibung. Wie Hackmann war er schon seit den frühen dreißiger Jahren mit Koch zusammen. Er war 1931 mit sechzehn Jahren der Partei und der SS beigetreten und hatte in Kochs Einheit in Dresden gedient. Er kannte Karl und Ilse gut, hatte aber als Soldat keinen persönlichen Kontakt mit ihnen. Sommer schloß sich Koch in Buchenwald kurz nach der Öffnung des Lagers 1937 an.32 Man beschrieb Sommer in offiziellen Gerichtsakten als den SSMann in Buchenwald, der die Schläge auf dem Bock auf die grausamste Art verabreichte, auf die Häftlinge mit solcher Kraft einschlug, daß sich, nach eigener Aussage, Blasen an seinen Händen bildeten. 33 Er war dafür bekannt, daß er anderen SS-Männern den Stock wegriß, um selbst mit größerer Wucht zuzuschlagen. 34 47

Abb. 22: Gerhard Sommer während der Urteilsverkündung im Bayreuther Prozeß 1958. Er wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt.

Sommers hauptsächliches Aufgabengebiet war die Aufsicht über die Zellen im Bunker am Haupteingang. Hier konnte er seine Foltermethoden an den verurteilten Sträflingen ungehindert vom täglichen Lagerbetrieb praktizieren. Von primitiver Mentalität, war Sommer nach echter SS-Manier aufgewachsen, indem er seine Lehrzeit in K Z s verbrachte. Niemals sah er die Gefangenen als atmende, empfindende menschliche Wesen, sondern nur als Objekte, die man treten, schlagen, foltern, erwürgen, zertrampeln und schließlich töten konnte. Seine Ergebenheit gegenüber Koch war unerschütterlich. Er war bei jedem Wink Kochs sofort zur Stelle, wenn es galt, einen unerwünschten Gefangenen so zu beseitigen, daß der Tod wie ein Unfall erschien, oder wahllos betrügerische Geschäfte für seinen Standartenführer auszuführen. 35 Sogar nachdem Karl und Ilse ihrer eigenen Habgier zum Opfer gefallen waren, bewahrte Sommer einen ehrfürchtigen Respekt für die beiden. 36 Dies allerdings kann man von Waldemar Hoven, dem Lagerarzt, nicht behaupten. Als Mann von Welt brachte Hoven ganz offensichtlich Abwechslung in Ilses Leben in Buchenwald. Hoven, ein dunkelhaariger, schlanker Mann Mitte Dreißig, mit dem Spitznamen „der schöne Waldemar", war viel herumgekommen. Selbst innerhalb des eingeschränkten Lebens in Buchenwald beglückte er mit seinen romantischen Anwandlungen nicht nur Ilse, sondern hatte eine ganze Anzahl von Verhältnissen. Sein flottes Leben war nicht leicht durchzuhalten, aber dank seines Zugangs zu Medikamenten bewahrte er ständig eine Anzahl chemischer Verbindungen in seiner Wohnung auf, und zuverlässigen Aussagen zu Folge „benutzte er diese in großer Menge regelmäßig, um sexuelle Ausdauer zu erreichen". 37 Wie viele andere perverse Naturen und zweifelhafte Subjekte, die vom Leben in der SS angezogen wurden, so paßte auch Hoven in diese Kategorie. Er kam als SS-Arzt 1939 nach Buchenwald, er war sechsunddreißig Jahre alt und hatte gerade in Freiburg sein Medizinstudium beendet. Seine ziemlich späte Entscheidung zur medizinischen Laufbahn war das Ergebnis einiger früher Reisen. Er verließ das Gymnasium mit sechzehn Jahren und arbeitete während der nächsten zehn Jahre in verschiedenen Berufen in Dänemark, Schweden, Frankreich und den U S A (in Hollywood nahm er kleine Rollen beim Film an). Als die Nazis an die Macht 49

kamen, eilte Hoven nach Deutschland zurück und trat der SS bei. Nach dem Medizinstudium sandte man ihn als Assistenzarzt in das ,SS-Krankenhaus' nach Buchenwald. 38 Häftlinge erinnerten sich an ihn als „freundlich und umgänglich", und einmal, als er für seinen Kriegseinsatz das Kriegsverdienstkreuz erhielt, erklärte Hoven, er sei eigentlich kein Held, sondern nur ein Mann, der seines Bestes tue. 39 Eigentlich hatte Hoven kein Anrecht auf einen Doktortitel, denn er hatte seine Dissertation noch nicht abgeschlossen, fand aber bald einen Ausweg. Er machte einen Häftling aus, der Arzt war, einen gewissen Doktor Wegerer aus Wien, und beauftragte ihn damit, die Arbeit zu verfassen. Wegerer schrieb die Dissertation, und Hoven erhielt für diese ,Dissertation' über die experimentelle Behandlung von Tuberkulose höchste Auszeichnungen. Die Arbeit war so hervorragend, daß man ihn von der mündlichen Prüfung befreite. 40 Obwohl er den Eindruck eines bescheidenen und charmanten Mannes machte, war Waldemar Hoven lebensgefährlich. Er neigte nicht zu den brutalen und rauhen Foltermethoden, die seine Kollegen öffentlich praktizierten; seine Folterungen wurden unter dem Deckmantel der medizinischen Wissenschaft ausgeführt. Mehr als genug Möglichkeiten boten sich ihm in Buchenwald, denn er blieb nicht lange Assistenzarzt im Krankenhaus und wurde bald stellvertretender Leiter des Häftlingshospitals sowie ranghöchster Truppenarzt. „Im Juli 1942", erzählte Hoven, „erhielt ich die Position des Chefarztes und hatte die volle Verantwortung für die Häftlinge im Häftlingskrankenhaus." 41 Als führende Kraft in den medizinischen Experimenten, die in Buchenwald stattfanden, hatte Hoven Teil an den verschiedenen Impftests und pflegte außerdem unerwünschte Häftlinge mit Giftinjektionen zu töten. Als seine Vorgesetzten in Berlin ihn später wegen seines „regelwidrigen Verhaltens" 42 ansprachen, war Hovens groteske Antwort, er habe den Häftlingen die Todesspritze gegeben, weil sie unerwünscht und von ihren Mithäftlingen ausgestoßen gewesen seien. „In einigen Fällen überwachte ich das Töten dieser wertlosen Gefangenen durch Phenilinjektionen auf Wunsch anderer Gefangener." 43 Eine von Hovens »Mitarbeitern' bei diesen Abscheulichkeiten beschrieb den Vorgang folgendermaßen: „Sie (die Häftlinge) setzten sich ruhig auf einen Stuhl, das heißt ohne ein Anzeichen von Angst, in die Nähe einer Lampe. 50

Ein Sanitäter band die Armvene ab und Doktor Hoven injizierte schnell das Phenol. Sie starben in einer sofortigen totalen Verkrampfung während der Injektion, ohne Anzeichen eines anderen Schmerzes." 4 4 Was genau hatte Ilse mit diesen ungeheuerlichen Geschehnissen zu tun? Immerhin gehörte Hoven zu ihren Liebhabern, und ob es nun der Wahrheit entsprach oder nicht, sie hatte einen gewissen Ruf als Lager-"Kommandeuse". „Zur Zeit des Kommandanten Koch war mir Ilse Koch als die Kommandeuse des Lagers bekannt", sagte ein ehemaliger Gefangener aus, „in den Augen der Häftlinge war sie genauso gefährlich wie Koch." 4 5 Nicht nur Gefangene bedachten Frau Koch mit diesem Titel, auch in SS-Kreisen nannte man sie „die Kommandeuse", allerdings mehr aus Spott als aus Angst. 46 Man sprach von ihr auch abwechselnd als „Teufel von Buchenwald", „rote Hexe", „Feind Nr. 1" und ,was wohl am schlimmsten war, als „die Bestie". 47 Um ihre Rolle in Buchenwald richtig einzuschätzen, ist es außerordentlich wichtig festzustellen, inwieweit der Titel „Kommandeuse" auch tatsächlich bedeutete, daß sie Befehle austeilte. Schließlich war sie die Ehefrau des Kommandanten und hatte darüber hinaus offiziell keine andere Funktion. Man hatte ihr niemals auch nur ein Minimum von Autoritätsgewalt übertragen, das auch nur annähernd einer offiziellen Funktion gleichkam. Dennoch legten die Gerichtsentscheidungen nach dem Krieg größtes Gewicht auf Ilses Position in Buchenwald. Für die Anklage war es höchst wichtig hervorzuheben, daß Ilses Stellung so einflußreich gewesen sei, daß ihr Ehemann tat, was sie wollte, und daß sie durch ihn Anweisungen an das Lagerpersonal erlassen konnte. 48 Zunächst sollte gefragt werden, ob Ilse ihren Mann dazu bringen konnte, ihr diesen Einfluß zu erlauben. Karl war eine starke, eigensinnige Natur, stolz und eifersüchtig wachte er über seine Machtstellung; sicher war er nicht der Typ Mann, der sich diese Stellung mit jemandem teilte oder für Beeinflussungen zugänglich war. Sein Stiefbruder Arthur Schmidt, der jedes Jahr einige Wochen bei den Kochs in Buchenwald verbrachte, sagte aus, Karl habe sich von seiner Frau niemals etwas sagen lassen. Als einmal die Morgenpost gebracht wurde, habe Karl einen Brief gefunden, der an „ F r a u Standartenführer Koch" adressiert gewesen sei. Daraufhin sei er erbost gewesen und habe seine Frau mit den 51

Worten angefahren: „Wer ist hier der Standartenführer? Du oder ich?" 49 Ein anderer Gast der Villa Koch erinnerte sich an Karl als schweigsam und unzugänglich. Er habe immer den sicheren Eindruck gemacht, daß er in der Ehe die dominierende Rolle spiele.50 Ilses eigene Aussage zu diesem Problem ist nicht sehr hilfreich, da sie zu ihrer eigenen Verteidigung sprach und dies dementsprechend bedacht werden muß. Sie stritt entschieden ab, irgendeine Rolle gespielt zu haben, die über ihre Funktion als Mutter und Hausfrau hinausging. Sie habe immer versucht, Karl eine gute Ehefrau zu sein, wenn er müde von der Dienststelle heimkam. „Wie ich schon gesagt habe, [war ich] hauptsächlich Mutter meiner Kinder und Hausfrau." Karl habe immer scharf zwischen Arbeit und Privatleben getrennt, so betonte sie, und sie habe so gut wie nichts vom Lagerleben, wie es sich außerhalb des Hauses abspielte, gewußt. Sie verspottete offen die Anklage, sie habe die Beförderung von SS-Leuten beeinflußt. „Die einzige Gelegenheit, die ich hatte, Männer vom Mitarbeiterstab in Buchenwald kennenzulernen, ergab sich bei den zwei oder drei Malen, als die kleinen Gesellschaften bei uns zu Hause stattfanden. Die Gespräche, die wir führten, waren gewöhnlicher Art und hatten mit dem Lager nichts zu tun. Wenn ich sie sonst sah, wünschte ich ihnen nur einen guten Tag." 51 Es gibt keinen Zweifel, daß Ilse mehr war als die Frau des Kommandanten und die Mutter seiner Kinder. Mit Karls Tätigkeit war sie nämlich ziemlich vertraut und erledigte zeitweise für ihn Schreibarbeiten. Sie wußte, was in der Dienststelle vor sich ging und besaß allgemeine Kenntnisse über die Abläufe im Lager.52 Tatsächlich sagte einer von Karls Leuten aus, sie habe ihren eigenen Schlüssel zu den Räumen der Hauptverwaltung gehabt, auch zu Karls Büro und Schreibtisch. Sie habe dies bewiesen, indem sie seine eigene Personalakte herausgenommen habe. 53 Während des Sommers 1941 wohnten die Kochs in den Gebäuden der Hauptverwaltung, weil die Villa Koch umgebaut wurde (Ausbau von zwei Räumen und Anbau einer neuen Terrasse), und Ilse hatte während dieser Monate genügend Gelegenheit, Einblick in alle Seiten der Lagerverwaltung zu gewinnen.54 Ob all dies bedeutete, daß sie „in den Aufgabenbereich ihres Mannes eingriff" und „in der Ehe die Hosen anhatte", wie es eine offizielle Quelle später ausdrückte, 55 ist schwierig festzustellen. 52

Die Frage, wie sehr Ilse Karl beeinflußt hat, nach ihren Wünschen zu verfahren, ist unmöglich zu beantworten, obwohl man annehmen kann, daß sie beträchtlichen Erfolg darin hatte, ihren Willen durchzusetzen. Es kann auch angenommen werden, daß sie andere Leute beeinflußt hat, etwa Sommer, Hackmann, Hoven und andere, die ihrem Charme erlagen. „Ihre Befehle wurden wie die des Kommandanten befolgt", stellte ein deutsches Gericht nach dem Krieg fest, „und sie gab laufend Anweisungen an SS-Führer, Unterführer, Wachpersonal, Kapos, Vorarbeiter und die Häftlinge selbst. Die Frau des zweiten Lagerkommandanten, Frau Pister, wurde niemals „Kommandeuse" genannt, und auch nicht Frau R ö d l . . . keine andere Frau stolzierte herum und verteilte Befehle . . . an Gefangene und auch SS-Leute." 5 6 Alle Zeugen bestätigten, daß Frau Koch schon Einfluß ausübte, sobald sie auftauchte. Keiner der anwesenden SS-Männer hielt es für nötig, besondere Aufforderungen abzuwarten, um die Quälereien der Häftlinge durch Schläge oder Tritte zu steigern. Mehrere ehemalige Buchenwald-Häftlinge erzählten später von einer Hinrichtung, bei der sie anwesend gewesen seien. Frau Koch sei vorübergegangen und habe den Scharfschützen zugerufen: „Paßt auf, daß ihr richtig zielt!" 57 Einige ehemalige Lagerinsassen sagten aus, daß es einen Erlaß des Lagerkommandanten gegeben habe, wonach Gefangene Frau Koch durch Abnehmen ihrer Mützen zu grüßen hatten. Sie durften sie aber nicht anschauen, sondern mußten starr geradeaus sehen. Dies wurde von den SS-Männern des Lagers entschieden abgestritten. Sie bestanden darauf, Koch habe niemals eine Anordnung gegeben, die sich auf seine Frau bezog. 58 Wenn man die Situation im Lager bedenkt, ist es nicht erstaunlich, daß Frau Koch den Beinamen „die Kommandeuse" trug. Im täglichen Lagerbetrieb zwischen tausenden Männern ohne Kontakt zu Frauen mußte sie auffallen. Sie wurde rasch zum Symbol sexuellen Sadismus. Die verschiedenen Namen, die ihr die SSMänner und die Häftlinge gaben - wie Bestie, Teufel, Hexe waren nur ein schwacher Abglanz von dem, was von seiten der Nachkriegspresse über die Geschichte von Ilse Koch geschrieben wurde. 59 Dies sollte nicht heißen, daß Ilse Koch diese Namen nicht verdiente. Bestenfalls war ihre Haltung dem menschlichen Elend im

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Lager gegenüber kalte Gleichgültigkeit. „Ich sah Gefangene nie so abgemagert, daß es mir aufgefallen wäre . . .", log sie, „ich habe die Gefangenen nie genau angesehen." 60 Ein ehemaliger Häftling, der die Berichte mehrerer anderer Gefährten am Ort des Schrekkens wiederholte, sagte aus, man habe Frau Koch gesehen, als sie am Stacheldrahtzaun stand, während die Gefangenen auf dem Appellplatz völlig unbekleidet standen und von SS-Männern untersucht wurden . . ," 61 Wenn sie es wünschte, hatte Ilse natürlich jede Gelegenheit, sich genauer mit den Gefangenen zu beschäftigen, denn in der Villa Koch war es üblich, verschiedene Haushaltsarbeiten durch Häftlinge erledigen zu lassen. Wegen der wachsenden Anforderungen des Krieges wurde die Arbeitskraft der Häftlinge regelmäßig sowohl bei den Deutschen Aufrüstungswerken in Buchenwald und seinen Nebenlagern gebraucht, und der Mangel an Arbeitern erreicht bald beängstigende Ausmaße, doch wurde Häftlingsarbeit weiterhin in großem Ausmaß zur Verrichtung von Haushaltsarbeiten herangezogen. Manchmal erledigten Häftlinge sogar das Kochen - wie in der Villa des Kommandanten. 62 Diese Gefangenen, die man häufig Kalfaktoren nannte, waren „Grüne", d.h. kriminelle Insassen des Lagers. Die zwölf oder mehr Häftlinge, die im Kochschen Haushalt arbeiteten, waren natürlich die Quelle diverser Geschichten über das Kommandantenpaar. Viele Erzählungen betrafen die sexuellen Abenteuer der „Kommandeuse". Die Berichte sind unbewiesen, da Ilse niemals zugegeben hat, mit Buchenwald-Häftlingen sexuelle Beziehungen unterhalten zu haben. Ziemlich typisch für solche Häftlingsaussagen ist der Bericht eines Gefangenen namens Berke, der in der Villa Koch Teppiche klopfen, Fenster waschen und staubwischen mußte. Er berichtete, daß Frau Koch täglich badete und nach ihm rief, wenn sie bereits in der Badewanne war und ihm ohne Verlegenheit befahl, nach dem Boiler zu sehen oder ihr eine trockene Badematte zu bringen. Er bestand darauf, er habe ihren offenen Einladungen nicht nachgegeben und sei nach fünf Tagen versetzt worden, wahrscheinlich weil Frau Koch sein zurückhaltendes Verhalten nicht gepaßt habe. 63 Die berüchtigste Episode, in die Ilse und ein Gefangener verwickelt waren, war wohl die Geschichte mit dem jungen Kalfaktor Kurt Titz. Er arbeitete ungefähr zwei Jahre lang als Hausgehilfe 54

bei den Kochs und wurde, da er den Krieg überlebte, 1947 im Prozeß der Amerikaner gegen Ilse Koch zu einem der Hauptbelastungszeugen. Wichtig wurde die Sache dadurch, daß sich die Anklägerschaft entschloß, gerade diesen Fall als Beispiel für Ilse Kochs Vorliebe für harte Bestrafung und vielleicht sogar Hinrichtung von Gefangenen auszuwählen. 64 Während Frau Koch und Titz verschiedene Versionen vom Gang der Ereignisse erzählten, waren sie sich einig über die Aufgaben, die Titz im Haushalt zu erfüllen hatte; „Ich wurde jeden Morgen j e nach Jahreszeit gegen fünf Uhr von einem Wachposten zur Villa Koch gebracht, der Wachmann verließ mich dann, nachdem wir das Haus Kochs erreicht hatten," erinnerte sich Titz. „Als erstes mußte ich Feuer anmachen und die Zimmer im Erdgeschoß aufräumen, dann holte ich die Kinder aus den Betten und zog sie an." 6 5 Sein Arbeitstag war gegen sieben Uhr abends zu Ende, wenn der Wachmann ihn und die anderen Hausbediensteten zu ihren Unterkünften zurückbrachte. Bei Ilses amerikanischen Prozeß sagte Titz aus, er habe 1940 bei den Kochs zu arbeiten angefangen und sei bei ihnen täglich bis 1942 beschäftigt gewesen; für sechs Wochen habe man ihn allerdings für Arbeiten in den Gartenanlagen eingesetzt. 66 Ilses Aussage stimmte damit nur teilweise überein. Titz sei im ersten Jahr nur einmal im Monat gekommen, um beim Hausputz zu helfen. Ab September 1941 sei er dann täglich erschienen, bis er im März 1942 entlassen worden sei. 67 Ilses Schwägerin, Frau Raible, die zeitweise bei den Kochs lebte, erinnerte sich, daß Titz einige Arbeiten im Haushalt verrichtete, aber die meiste Zeit über Fußball redete. Ihrer Meinung nach hatte Titz einfache Arbeiten zu verrichten und wurde gut behandelt. 68 Titz widersprach dem schnell, indem er erwiderte, er sei im Hause Kochs nicht regelmäßig verpflegt worden, und Ilse Koch habe allen Gefangenen verboten, die Toilette zu benutzen. 69 Titz gestand: „Ich wurde eines Tages von Frau Koch erwischt, nachdem ich ein Glas Wein getrunken hatte . . . Koch war zu dieser Zeit in Berlin. Er kam bis Samstag nicht zurück. Als Koch zurückkam, berichtete ihm seine Frau sofort, was ich getan hatte." Titz sagte aus, seine Strafe habe darin bestanden, „über den B o c k " zu gehen, und ,,. . . dann wurde ich zum Bunker gebracht und an den Armen aufgehängt von . . . Hauptscharführer Som55

mer." Man ließ ihn danach Gartenarbeit verrichten und später an seine alte Stelle in der Villa Koch zurückkehren. Dieser Zwischenfall ereignete sich kurz bevor Karl Koch in das KZ Lublin versetzt wurde. Der zweite Zwischenfall fand im März 1942 statt und war bedeutend gewichtiger. „An diesem Tag", sagte Titz aus, „fuhr Frau Koch zur Schneiderin nach Weimar, und so hatte ich Gelegenheit, für vier Stunden ganz allein zu sein." Er begann daraufhin sich zu betrinken und bediente sich zu diesem Zweck mit Wein aus Kochs Keller. Im angetrunkenen Zustand zerschlug er danach Gläser und Möbel in verschiedenen Räumen. Er stritt entschieden ab, Frau Kochs Schlafzimmer durchstöbert zu haben und schließlich ihre Unterwäsche, Strümpfe und Morgenmantel angezogen zu haben: „Das ist eine Lüge. Das ist eine von Frau Kochs Behauptungen, eine ihrer perversen, sadistischen Behauptungen."70 Die Geschichte, die Frau Koch mitzuteilen hatte, ist detaillierter. Sie berichtete, sie habe Titz schon vorher mehrere Male allein im Haus zurückgelassen, und es sei nichts geschehen: Ich hatte keine Bedenken, als ich das Haus für etwa drei Stunden verließ und Titz allein zurückließ, um etwas abzuholen, das ich nur persönlich in Weimar abholen konnte und das wichtig war. Als ich zurückkam, war das Haus abgeschlossen. Als ich wiederholt klingelte, wurde nicht geöffnet. In meiner Aufregung zerschlug ich eines der Fenster, um in das Haus zu kommen . . . Im Eßzimmer war alles, was aus Glas war, zerschlagen, dazu gehörten auch wertvolle Vasen. Im Wohnzimmer sah es genauso aus. Alle Flaschen mit Alkohol, Wein und Champagner lagen zerbrochen in den Wohnräumen im Erdgeschoß. Ich lief nach oben, und im Schlafzimmer hatte Titz Kleider und Unterwäsche aus dem Schrank gerissen und ins Zimmer geworfen. Er hatte Alkohol, Parfüm etc. darübergegossen, und ein Teil der Kleider und Wäsche war zerrissen, und in meiner Aufregung sah ich nicht, daß Titz im Keller war. Zuerst dachte ich, er wäre entkommen, hätte sich neue Kleidung und Geld mitgenommen und befände sich irgendwo im Lager. Aus diesem Grunde rief ich den damaligen Lagerkommandanten Pister an [Kochs Nachfolger in Buchenwald]. Ich sagte ihm, daß Titz höchstwahrscheinlich entkommen sei und sich irgendwo im Lager herumtreibe und daß er herkommen und sich das Haus ansehen solle.71 56

Damals lebte Ilse allein mit ihren Kindern in Buchenwald, da Karl bereits kurz nach dem ersten Januar nach Lublin, seiner neuen Dienststelle, umgezogen war.72 Es war geplant, daß die Familie folgen sollte, sobald die Wohnung fertig war. In der Zwischenzeit wohnten Ilse und ihre Kinder weiter in der Kommandantenvilla. Der neue Kommandant, SS-Oberscharführer Hermann Pister, kam und durchsuchte das Haus und fand Titz betrunken im Keller. Pister, Angeklagter im gleichen Prozeß wie Ilse, bestätigte ihre Aussage. „Ich kannte den Zeugen Titz", sagte er aus, „weil ich ihn zum Bunker bringen mußte, da er Damenkleidung trug." Er sei „sinnlos betrunken" gewesen und habe, wie Frau Koch berichtet habe, Glasgegenstände und Möbel zerschlagen, ihre Kleider aus den Schränken gerissen und Parfüm darübergegossen. „Keines der Kleidungsstücke, die er getragen hatte, inclusive eines sehr schönen Bademantels, wollte Frau Koch zurückhaben."73 Ilse sagte aus, Titz habe noch ihre Unterwäsche, Schuhe und ihre Bademantel getragen, als Pister ihn zur Zelle führte. 74 Zweifellos verstärkten die Einzelheiten von Titz' Abenteuer den Ruf der berüchtigten Kommandeuse mit dem roten Haar, aber die Geschichte bot keine Grundlage, was ihren Sadismus und ihre Brutalität betraf. Die Tatsache, daß sie Titz erlaubt hatte, nach dem ersten Zwischenfall weiter bei ihr zu arbeiten, ist rätselhaft, besonders wenn man an die Anklagen denkt, die später gegen sie erhoben wurden. In den drei Gerichtsprozessen von 1943, 1947 und 1950, in die Ilse Koch verwickelt war, klagte man sie jeweils anderer Vergehen an,75 jedoch wurden ihr in allen Prozessen gewisse ähnliche Tatbestände zur Last gelegt. Man klagte sie an, persönlich Gefangene mit Fäusten geschlagen zu haben, sie mit der Reitgerte oder einem Spazierstock verletzt zu haben, sie getreten und zur Bestrafung gemeldet zu haben. Die schwerwiegendste Anklage lautete auf Mord, unter der Voraussetzung, daß sie bei der Beschwerde genau gewußt habe, daß viele der Häftlinge, die man auf ihre Veranlassung hin bestrafte, die Torturen („über den Bock gehen" und Bunkerhaft) nicht überleben würden. Es ist nicht geklärt, wie viel Zutritt Ilse zu den Teilen des Lagers hatte, in denen sich die Häftlinge aufhielten, es gab auch ausserhalb des Gefangenenbezirks für sie genug Gelegenheit, Gefan57

gene zu schlagen oder zu melden, wann immer sie wollte. Im Prozeß, den die Deutschen nach dem Krieg gegen Ilse Koch führten, bestanden ehemalige Gefangene darauf, Ilse habe tatsächlich Zugang zu der Gefangenenabteilung gehabt: Es war grundsätzlich jedem, der nicht zur Lagerleitung gehörte, verboten, die Schutzhaftzone zu betreten. Und die Ehefrauen der Offiziere durften sich nicht einmal in der Nähe der Lagerleitung aufhalten oder weiter gehen als bis zum Offizierskasino und dem Haus des Kommandanten. Und doch kam die Angeklagte unverschämterweise in das Gefangenenlager, wann und wo immer es ihr paßte, und blieb solange sie wollte.76 Mehr als zwei Dutzend Zeugen, alle ehemalige BuchenwaldHäftlinge aus Kochs Amtszeit, bestätigen, daß Ilse häufig zugesehen habe, wenn Gefangene unmittelbar am Haupteingang „über den Bock gingen", „. . . am Silvesterabend des Jahres 1939, als Koch 100 Gefangene auspeitschen ließ, weil ein Häftling angeblich seine Frau beleidigt hatte, war sie . . . da und . . . sah den schrecklichen Torturen . . . mit großem Interesse zu." Oder: „Selten gab sich die Angeklagte damit zufrieden, dem Spektakel von außen zuzusehen. Alles, was auf dem Appellplatz stattfand, konnte viel besser vom Innern des Eingangstores und vom Turm aus gesehen werden. Sie war ständig dort." 77 Die Frage nach Ilses angeblicher Anwesenheit in der Gefangenenabteilung und innerhalb des Haupteingangs wurde ihr häufig beim Prozeß der Amerikaner vorgelegt (oft traten dieselben Zeugen sowohl im amerikanischen wie im deutschen Prozeß gegen sie auf). Sie leugnete, jemals einen dieser Lagerteile betreten zu haben, und als sie gefragt wurde: „Sind Sie jemals durch das Lager Buchenwald gegangen"' antwortete sie: „Ich ging gelegentlich bis zum Dienstgebäude meines Mannes. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Häftlinge schon im Gefangenenbezirk waren . . . Dann war es nötig, fast jeden Tag die Post abzuholen. Ich nahm immer . . . meine Kinder mit. Ich mußte auch die Lebensmittel einkaufen, die wir täglich brauchten . . . All dies fand außerhalb des Gefangenenbezirks statt." 78 Einer der zuverlässigsten Zeugen der Anklage, Eugen Kogon, 79 ein ehemaliger Häftling in Buchenwald mit umfassenden Kenntnissen des Lagerlebens, wurde gefragt, ob Frau Koch in den Ge58

fangenenbezirk gekommen sei. „Ich habe sie nie darin gesehen," antwortete er, „und ich persönlich weiß auch von keinem Fall, in dem sie innerhalb des Stacheldrahtzauns gewesen sein soll." 80 Weniger verläßlich, aber ebenfalls bestätigend für Ilses Aussage, sie habe nie den Bezirk „innerhalb des Stacheldrahtzauns" besucht, war einige Jahre später eine Aussage des ehemaligen SSHauptscharführers Sommer. Er sagte aus, der Kommandant Koch habe alle SS-Ehefrauen mit Pässen ausgestattet, die ihnen den Zutritt zu den Gebäuden der Lagerleitung ermöglichten, um dort einzukaufen und zur Post zu gehen. Auf ihrem Weg dorthin passierten die Frauen den Haupteingang zum Gefangenenbereich. Jedoch war Sommer sicher, daß keine der Frauen, auch Ilse nicht, jemals dieses Gebiet betreten durfte. Er betonte, daß die einzigen Frauen, die jemals den Bezirk betreten hätten, Mitglieder des Roten Kreuzes gewesen seien; dies habe bis 1942 gegolten, danach habe man dort ein Bordell eingerichtet.81 Hermann Pister, Kochs Nachfolger in Buchenwald, sagte 1947 im Prozeß der Amerikaner aus, Frau Koch habe niemals den Gefangenenbezirk von innen gesehen. 82 Die zahlreichen Berichte über Ilses Verhalten, die von vielen Zeugen, wobei es sich immer um ehemalige Häftlinge handelte, abgegeben wurden, betrafen gewöhnlich gleichermaßen ihren Sadismus und ihr Sexualleben. Ein Mann namens Herbert Froböß, der später gemeinsam mit Kurt Titz einer der wichtigsten Zeugen der Anklage war, stellte sich als recht unglaubwürdig heraus. Froböss, den man im September 1937 nach Buchenwald geschickt hatte, sagte aus: Ich hatte mehrmals Gelegenheit, Ilse Koch zu sehen und mit ihr persönlichen Kontakt zu haben. Das erste Mal war die Sache mit dem Kabelverlegen. Wir arbeiteten gerade im sogenannten Falkenhof, 83 gruben eine Rinne für die Kabel, und ich arbeitete mit einem tschechischen Kaplan zusammen. Dieser Kaplan lockerte den Boden und ich warf die Erde mit einer Schaufel hoch. Plötzlich stand jemand oben am Graben und schrie: .Gefangene, was macht ihr da?' Fr. In welcher Position stand diese Person über dem Graben? A. Mit gespreizten Beinen über dem Graben (er demonstrierte es). Wir sahen hoch, um herauszufinden, wer es war und erkannten Frau Koch. Sie stand oben am Graben ohne 59

Unterwäsche und trug einen kurzen Rock. Als wir hochsahen, sagte sie: ,Warum seht ihr hier hoch?' und mit ihrer Reitgerte schlug sie uns, und besonders meinen Kameraden, über das Gesicht, so daß Nase und Gesicht zu bluten anfingen.84 Ein anderer Insasse, Max Kronfelder, beschrieb seine Begegnung mit Frau Koch im Prozeß der Amerikaner. Irgendwann im Frühling des Jahres 1940 hatten er und zwei andere Häftlinge gerade den Häftlingskrankenbau verlassen, als Frau Koch und der stellvertretende Kommandant Hermann Florstedt vorbeigeritten kamen. Als die Gefangenen zu Ilse hochsahen, begann diese sie mit der Reitgerte auf Kopf und Gesicht zu schlagen, sagte Kronfelder aus. Als er zu den Baracken zurückkehrte, „sahen die anderen, daß ein roter Striemen über mein Gesicht lief, und sie sagten: ,Was ist passiert?' Ich erzählte ihnen, es gäbe da unten eine Frau, eine rothaarige Frau, rieb mein Gesicht ab, und die anderen sagten: ,Nun, das war die Frau des Kommandanten.' Da sagte ich: ,So. Verdammte Scheiße.' Und das ist alles." 85 Der ehemalige Buchenwald Häftling Gustav Wegerer teilte unter Eid der amerikanischen Anklage seine Erfahrungen mit Ilse Koch mit: ,,Im Herbst 1941 traf ich Ilse Koch auf dem Weg zwischen dem Haupteingang und der SS-Krankenstation . . . Ein Häftling befand sich in gebückter Stellung am Straßenrand,... als Ilse Koch zur Arbeitsgruppe kam, wobei sie ihr Pferd am Zügel führte. Ich sah, wie sie den Gefangenen wiederholt . . . mit den Reitstiefeln gegen den Nacken trat und ihn mit weiteren Tritten in den Graben stieß." 86 Alle Zeugen stimmten darin überein, daß Ilse häufig in provozierender Kleidung erschienen sei. Beschreibungen reichten von engen Röcken, Pullovern und Badeanzügen zu Kleidern, die sie beim Reiten trug.87 Für die sexuell völlig enthaltsam lebenden Insassen von Buchenwald war der Anblick einer jungen Frau in aufreizender Kleidung einfach überwältigend. Und doch waren „25 auf dem Bock" ein schrecklicher Preis für einen Blick auf eine Frau. Um jede Möglichkeit des Blickkontakts mit Frau Koch zu vermeiden, sahen viele Gefangene in ihrer Gegenwart oft zu Boden, obwohl auch dies nicht für ihre Sicherheit garantierte, denn es war bekannt, daß sie den Gefangenen befahl, sie anzuschauen. Ein

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Mann, der diese Erfahrung machte, berichtete, Frau Koch habe ihn angeschrieen, er solle sie ansehen. Als er gehorchte, habe sie ihn sofort beschuldigt, ihren „Hintern angestarrt" zu haben: „Nun, du Scheißkerl, wenn dir deiner lieb ist, dann sieh besser woanders hin." 88 Eines Abends bekam ein Gefangener vor versammelter Mannschaft 25 auf dem Bock verabreicht, während dazu ein Lautsprecher verkündete, daß dies die Bestrafung dafür sei, daß er „die Frau des Kommandanten begehrt" habe. 89 Für die Anklage, sie habe persönlich Gefangene geschlagen, wurden bei der Vorbereitung für den Augsburger Prozeß von 1950 von Seiten der Anklage zahlreiche beeidete Aussagen gesammelt. Die folgenden Angaben, die aus einer Akte stammen, die „persönliche Mißhandlungen durch Frau Koch" überschrieben ist, sind repräsentativ: Im Sommer 1938 wurde ein Bauarbeitertrupp von Gefangenen mit Kanalarbeiten in einem Teil der Wälder beschäftigt, der in der Nähe der Kommandantenvilla lag. Die Angeklagte ritt dort vorbei und schlug wiederholt mit ihrer Reitgerte auf einen jüdischen Gefangenen ein, der dort arbeitete; es konnte nicht festgestellt werden, warum sie dies tat oder ob der mißhandelte Mann später außerdem über den ,Bock' gehen mußte. Aber es ist über jeden Zweifel erhaben, daß es sich um einen deutschen Juden handelte, denn zu dieser Zeit gab es in Buchenwald noch keine ausländischen Gefangenen. Zeuge: Peter Kleschinski Der deutsche politische Häftling Hans Ptaschnik mußte im Sommer 1939 im Zoo die Käfige reinigen und die Tiere füttern. Da er hungrig war, nahm er ab und zu einen Teil des Tierfutters beiseite, um es auf der Stelle zu essen oder zum Block mitzunehmen. Eines Tages hatte er ein paar Stückchen Brot und Fleisch in seinen Hosentaschen, als plötzlich die Angeklagte vor ihm stand und ihm befahl, die Taschen zu leeren. Als er dies tat, schlug sie ihn mehrmals mit der Reitgerte ins Gesicht, so daß er längere Zeit an einem entzündeten Auge litt. Zeuge: Hans Ptaschnik Im Frühling des Jahres 1940 war ein deutscher Gefangener, dessen Name nicht bekannt ist, damit beschäftigt, im Garten des Kommandanten Pflanzen zu setzen und versäumte es, die vorbeireitende Angeklagte zu grüßen. Er wurde mit der

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Peitsche ins Gesicht geschlagen. Er trug blutige Striemen davon. Zeuge: Herbert Hoffinger An einem Märztag des Jahres 1939 traf der deutsche politische Gefangene Franz Schneeweiß die Angeklagte in der Nähe der Kommandantenvilla, als er für den Straßenbau in der Nähe der unteren Wachtürme Steine vom Steinbruch holte. Sie saß zu Pferde. Er bekam Angst, als er sie bemerkte. Mit den Worten: „Warum siehst du mich an?" schlug sie ihn mit der Reitgerte heftig über sein rechtes Auge, seine Nase und seinen Mund. Schneeweiß begann zu bluten, sein Auge schwoll an, entzündete sich, und er konnte lange Zeit damit nichts sehen. Die Verletzung bereitete ihm große Schmerzen. Zeuge: Franz Schneeweiß Im Sommer 1938 schlug die Angeklagte einen Gefangenen, der beim Straßenbaukommando Weimar arbeitete, mit ihrer Reitgerte ins Gesicht und schrie ihn an: „Was unterstehst du dich, meine Beine anzusehen!" Zeuge: Walter Retterpath 90 Versucht man, den Wahrheitsgehalt dieser zahlreichen Aussagen von ehemaligen Häftlingen festzustellen, so müssen verschiedene Faktoren beachtet werden. Alle belastenden schriftlichen und mündlichen Aussagen, um die sich die Vertreter der Anklage zur Vorbereitung der beiden Prozesse bemühten, wurden unmittelbar nach dem Krieg gesammelt. Dies gab den Überlebenden der Konzentrationslager Gelegenheit, gegen ihre ehemaligen Peiniger auszusagen. Nicht alle Aussagen können als gleich schwerwiegend betrachtet werden. Berichte und Beschreibungen von Erfahrungen ungeprüft als Tatbestand zu akzeptieren würde bedeuten, die Möglichkeit von Lügen, persönlichen Rachegefühlen und dem Interessantmachen der eigenen Person oder ganz einfach Ungenauigkeiten außer Acht zu lassen. In beeideten Aussagen bleiben die Motive größtenteils verdeckt, wenn andere Beweise fehlen, aber bei mündlichen Aussagen war in gewissem Grade ein Kreuzverhör möglich und konnte manchmal Klarheit in die Schwierigkeiten bringen, die sich ergeben, wenn man versucht, Ereignisse zu klären, bei denen man sich ausschließlich auf Indizienbeweise stützt.91 62

Beispielsweise sagte ein ehemaliger Buchenwald-Häftling namens Broz im Prozeß der Amerikaner gegen Frau Koch aus, er habe während der meisten Zeit des Sommers 1942 mit anderen Gefangenen an der Villa Koch Bauarbeiten verrichtet, und Frau Koch sei ärgerlich geworden, weil die Häftlinge angeblich im Hof Beeren gepflückt hätten. Er berichtete, sie habe ihre Nummer aufgeschrieben und die Lagerleitung angerufen. Später seien er und sieben weitere Männer bestraft worden mit jeweils fünf Schlägen auf den unbekleideten Körper. Als er von Ilse Kochs Verteidiger befragt wurde, gab Broz zu, er habe nicht persönlich gesehen, wie Ilse telefoniert oder die Nummern aufgeschrieben habe, und gab dazu folgenden Kommentar ab: Sie sei „zu faul gewesen, dergleichen zu tun, aber sie wußte, daß der Aufseher die Nummern am Eingangstor melden würde." 92 Zwei weitere Zeugen der Anklage gaben ähnliche Berichte über Frau Koch ab, die sich wahrscheinlich ebenfalls auf den Ausbau der Villa Koch bezogen, und gaben als Zeit die Sommermitte des Jahres 1942 an. 93 Doch Frau Koch betonte ausdrücklich, sie sei von Mai bis Oktober 1942 mit ihren Kindern in Urlaub gewesen und habe sich zu dieser Zeit keineswegs in Buchenwald aufgehalten. Ihre Aussage wurde von weiteren Zeugen erhärtet.94 Ähnliche Ungenauigkeiten in Häftlingsaussagen lassen sich leicht finden. Der ehemalige Buchenwald Häftling Paul Schilling berichtete, er habe gesehen, wie Kommandant Koch im Herbst 1941 zwei Gefangene mißhandelte. Er habe zuvor gehört, daß Frau Koch ihrem Mann erzählte, die beiden Gefangenen hätten sie angestarrt. Als man ihn weiter befragte, gab Schilling zu, er sei etwa 35 bis 45 Meter entfernt gewesen und habe nicht genau hören können, was Frau Koch sagte.95 Beim Prozeß der Amerikaner gelang es der Verteidigung, mehrere ehemalige Lagerinsassen zu finden, die bereit waren, für Ilse Koch auszusagen. Einer dieser Männer war Heinrich Albrecht, ein Gefangener, der sich seit April 1938 in Buchenwald befand. Er sagte aus, er habe nie gesehen, daß Frau Koch Gefangene schlug. Er habe subalterne Arbeiten in der Lagerverwaltung verrichtet und hätte bestimmt davon gehört.96 Ein weiterer Zeuge der Verteidigung, Joseph Siebenwichler, sagte ebenfalls aus, er habe Frau Koch niemals Gefangene schlagen sehen oder j e mit einem Häftling gesprochen, der von ihr in dieser Weise mißhandelt worden

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sei.97 Ludwig Eichhorn, ein religiös Verfolgter, der sich jahrelang in Buchenwald befand, berichtete, er habe oft gesehen, wie Ilse Koch auf dem Pferd vorbeigeritten oder mit den Kindern vorbeigegangen sei, und obwohl er ihren Ruf gekannt habe, sei ihm niemals ein Häftling begegnet, der von ihr geschlagen worden sei.98 Hermann Pister, Kochs Nachfolger in Buchenwald, dem gemeinsam mit Ilse 1947 von den Amerikanern der Prozeß gemacht wurde, sagte ebenfalls aus, Ilse habe während seiner Amtszeit keine Insassen mißhandelt oder gemeldet.99 Max Schobert, ehemaliger SS-Mann und zeitweise unter Koch stellvertretender Lagerkommandant, sagte aus, Frau Koch habe weder schriftlich noch mündlich Anweisungen gegeben, die sich auf die Bestrafung von Gefangenen bezogen hätten. Es habe sich hierbei um sein spezielles Aufgabengebiet gehandelt, betonte Schobert, und er selbst würde sie in einem solchen Fall abgehalten haben, wenn sie einen Versuch in diese Richtung unternommen hätte. Er wußte allerdings von zwei Zwischenfällen, bei denen sie ihren Mann gerufen und sich über Gefangene beklagt hatte, aber er konnte sich nicht erinnern, daß Koch viel unternommen hatte: „Ich glaube nicht, daß Koch, wie ich ihn kannte, von seiner Frau Anweisungen geduldet hätte."100 1943 wurde Frau Koch vor ein SS-Gericht geladen (s. Kap. III). Man verhörte sie über verschiedene Angelegenheiten, die Buchenwald betrafen. Im besonderen wurde sie gefragt, ob sie Häftlinge für Bestrafungen gemeldet habe. Sie bejahte diese Frage mit der Begründung, sie habe dies mit denjenigen Gefangenen getan, die sich „ihr gegenüber in ungehöriger oder beleidigender Weise betragen hätten", aber sie habe niemals Bestrafungen vorgeschlagen. „Ich bin nicht mit einem Notizbuch durch das Lager gegangen", sagte sie später und fügte hinzu, daß Karl dies nicht geduldet hätte, da er entschieden die Ansicht vertreten habe, eine Frau gehöre ins Haus. Sie gab allerdings zu, Titz gemeldet zu haben; außerdem einen anderen Gefangenen, den sie schlafend im Keller gefunden habe. Diese Zwischenfalle betrafen ihr eigenes Haus, und sie sei nie darauf aus gewesen, Häftlinge zu melden.101 Es gibt wenig Zweifel, daß Ilse Koch in den Jahren zwischen 1938 und Ende 1941 einigen Einfluß auf das Leben der Insassen von Buchenwald ausübte. Die Frage, ob sie den Titel „die Kom-

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mandeuse" in seinem vollen Sinne verdiente, ob sie also wirklich Befehle austeilte, wurde bei den amerikanischen Gerichtsverfahren nach dem zweiten Weltkrieg außerordentlich wichtig. Im Jahre 1942 hatte Koch bereits Buchenwald verlassen und lebte im polnischen Lublin; später, im selben Jahr, begab er sich nach Saatz in die Tschechoslowakei. Man hatte ihn nach Lublin versetzt, nachdem Untersuchungen über die Art seiner Lagerleitung angestellt worden waren; sie führten schließlich dazu, daß er und Ilse 1943 inhaftiert wurden. Die Ära Koch in Buchenwald war zu Ende.

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Das Verfahren des SSPolizeigerichts gegen die Eheleute Karl und Ilse Koch In einer Diktatur wird die Rechtsprechung oft zu einem Problem. Das Gesetz legt die Regeln für die Gesellschaft fest. Grundlage sind die Suche nach Gleichheit und Gerechtigkeit. Doch wenn ein Diktator die Macht ergreift, kann die Gesetzesordnung sich als hinderlich erweisen. Das Gesetz ist notwendig, wenn Ordnung herrschen soll, aber Gerechtigkeit ist nicht immer eine wesentliche Begleiterscheinung. Die nationalsozialistischen Gerichtshöfe negierten die Gerechtigkeit nicht vollkommen. Doch ihre Aufgabe im Dritten Reich bestand nicht darin, Gerechtigkeit walten zu lassen, sondern die Ziele des Nationalsozialismus zu fördern. Parallel zu dem bisher bestehenden Gerichtssystem wurden von den Nationalsozialisten neue Gerichtsinstanzen eingerichtet. Dies bedeutete die Schaffung von Parteigerichtsbarkeit, Ehrengerichtsbarkeit, Sondergerichten, Militäijustiz, Volksgerichtshöfen und SS-Polizeigerichten. Diese Rechtsinstanzen wurden dann die wesentlichen Vollstreckungsorgane zur Durchsetzung der Hitlerschen Leitlinien. Der größte Teil dieses Apparats besaß Strafcharakter. Dies verdeutlicht die Forderungen, die ein Diktator an das traditionelle oder bereits bestehende Gerichtswesen stellt. Hin und wieder befand es die Naziführung natürlich auch für notwen67

dig, mit Mitgliedern aus den eigenen Reihen abzurechnen. Denn manchmal legten sogar Personen aus den obersten Rängen die Gesetze nach ihrem Gutdünken aus; ihr Verhalten konnte nicht mehr länger ignoriert werden. Ein ähnliches Schicksal sollten auch Karl und Ilse Koch erleiden, als sie schließlich das Interesse des SS-Polizeigerichts auf sich lenkten. Ursprünglich war das SS-Polizeigericht eine Art Ehrengericht, das 1939 eingeführt worden war, um ausschließlich Fälle innerhalb der SS zu untersuchen. Dies war ein Zeichen für Himmlers ständig wachsende Macht. Die SS besaß so eine umfassende Gesetzeskontrolle über ihre Mitglieder. Die Tatsache, daß der SS eigene Gerichte zur Verfügung standen, befreite sie von den bestehenden gesetzlichen Zwängen. Diese Machtposition wurde während des Krieges, der konformes Verhalten und Gehorsam verlangte, gestärkt. Das nationalsozialistische Gerichtswesen bestand aus örtlichen SS-Gerichten und einem obersten Gerichtshof in Berlin. Obwohl Himmler aus seiner Verachtung für professionelle Juristen keinen Hehl machte, waren einige Tausend in den Reihen der SS zu finden. Die Ernennung zum SS-Richter erfolgte durch Hitler persönlich, aber auch Himmlers Empfehlung war von Bedeutung. Richter konnten das Urteil verhängen, auch wenn Himmler einem Berufungsgericht in München vorstand und ihm das entscheidende Urteil vorbehalten war. 1 Die Untersuchung und Verurteilung von SS-Verbrechen in Konzentrationslagern durch SS-Gerichte begann in der Tat erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1943. 2 Für Karl setzten die Schwierigkeiten kurz vor diesem Zeitpunkt ein. Wie bereits erwähnt, hatte Koch schon früher Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten gehabt, aus denen er aber immer unversehrt herauskam, denn schließlich war die SS kein Zöglingsinstitut für junge Menschen. Die Tatsache, daß Männer wie Reinhard Heydrich und Himmler ihn schätzten 3 , hatte ihm geholfen, aber auch ihr Einfluß war nicht unbegrenzt. Kochs Problem erschien in der ungewöhnlichen Gestalt eines deutschen Prinzen. Prinz Josias Georg Wilhelm Adolf von Waldeck-Pyrmont war die zweifelhafte Auszeichnung zuteil geworden, als erstes Mitglied des Königshauses 1929 in Himmlers SS eingetreten zu sein. 1941 war er General der Waffen-SS und hoher SS-Polizeiführer, in dessen Zuständigkeitsbereich auch Buchenwald fiel.4 68

Es bleibt unklar, warum es zu Feindseligkeiten zwischen Koch und dem Prinzen kam. Einem Gerücht zu Folge soll Koch es dem Prinzen untersagt haben, Lagerinsassen als Arbeitskräfte auf seinem Gut zu beschäftigen. Einigen Beobachtern erschien die Abneigung des Prinzen persönlich motiviert.5 Doch Waldeck wies diese Vermutung zurück: „Natürlich war ich nicht Kochs Freund . . . Ich freue mich sogar, dies zugeben zu können, aber es hat nichts mit Kochs Fall zu tun." 6 Der Prinz sagte, daß er mißtrauisch wurde, als er von Mißständen in der Verwaltung des Konzentrationslagers Buchenwald hörte; er habe eine Anklage wegen „unerlaubter Bereicherung" gegen den Buchenwald-Kommandanten erwogen. „Es begann im Jahre 1941", so sagte er, „als ich hörte, daß irgendetwas mit den Finanzen in der Verwaltung Koch nicht stimmte. Zuerst glaubte ich nicht so recht daran, bis einer seiner engsten Mitarbeiter . . . eine so eindeutige Aussage machte, daß ich Koch in mein Büro bestellte, um mit ihm zu reden." 7 Waldeck gab zu, daß sein Verhalten nicht ganz ungefährlich war, denn Koch galt als rücksichtsloser Mann. Der Prinz hatte ihn zu sich beordert, ohne vorher die SS-Hauptverwaltung oder irgendeine Person - die eigenen Mitarbeiter ausgenommen - von seinen Verdächtigungen in Kenntnis zu setzen. Waldeck hatte eigenhändig mit der Untersuchung begonnen. Als er den Eindruck hatte, daß Koch die Geschäftsbücher in Buchenwald tatsächlich manipulierte, befahl er ihm, in seinem Büro in Kassel zu erscheinen. Waldeck - unterstützt von seinem eigenen Generalstaatsanwalt Kaminski - konfrontierte Koch mit dem Beweismaterial. Laut Aussage des Prinzen handelte es sich um Auszüge aus den manipulierten Geschäftsbüchern, die so eindeutige Fehler aufwiesen, daß man sie auf den ersten Blick erkennen konnte. „Ich wies Koch sein illegales Verhalten nach, indem ich ihm seine eigenen Bücher zeigte", sagte Waldeck aus. „Ich erzählte dem Kerl alles, dann nahm ich ihm einfach die Pistole ab und verhaftete ihn. Ich ließ ihn im Auto nach Weimar bringen und bei der Gestapo einquartieren." 8 Als Waldeck von den unmittelbaren Folgen der Verhaftung berichtete, wurde deutlich, daß er den Einfluß Kochs außerordentlich unterschätzt hatte. Denn schon bald erhielt er Telefonanrufe aus dem SS-Hauptquartier in Berlin (diese Anrufe waren auf Ilses 69

Initiative zurückzuführen). Man deutete an, daß er seinen Kompetenzbereich überschritten habe und „einige Stunden später erhielt ich ein Fernschreiben von meinem höchsten Vorgesetzten, dem Reichsführer Himmler. Es zeichnete sich durch eine Redeweise aus, die ich nicht im Gedenkalbum der Familie festhalten wollte. Während meines 35-jährigen Soldatenlebens hatte noch nie jemand so mit mir gesprochen. Ich mußte den Kerl laufen lassen " 9

Sommer, der später in die Affäre Koch mithineingezogen werden sollte und bereits zum Zeitpunkt der ersten Verhaftung Kochs unter Verdacht stand, sagte aus, der Prinz habe ihm erzählt, er hätte Koch wegen der Veruntreuung von Lagergeldern angeklagt. Laut Sommer soll auch Ilse bei der schnellen Freilassung von Koch mitgewirkt haben. Nachdem sie von seiner Verhaftung gehört hatte, telefonierte sie sofort mit Männern wie Reinhard Heydrich, früherer Chef des Reichssicherheitshauptamtes, und Himmler.10 Werner Hansen, ehemaliger SS-Richter und Staatsanwalt, der mit Waldeck gearbeitet hatte, erinnerte sich, daß der Prinz ausserordentlich aufgebracht über Kochs Freilassung gewesen sei. Darum habe er beschlossen, die Untersuchungen, die er gegen Kochs Personal in Buchenwald begonnen hatte, einzustellen. Hansen sagte, der Prinz habe ihm gegenüber die Meinung geäußert, daß er auf gar keinen Fall die Untersuchungen gegen die Untergebenen fortsetzen wolle, „solange der Kommandant des Lagers nicht selbst vor Gericht stünde." 11 Als erst einmal Himmler von der Verhaftung erfahren hatte, sollte sie noch weitere Folgen für Waldeck haben. Koch wurde nicht nur 24 Stunden später wieder freigelassen. Der Reichsführer der SS erließ außerdem „einen Sonderbefehl, der untersagte, hohe SS-Mitglieder ohne seine Erlaubnis zu verhaften. Da dieser Befehl eine unmittelbare Reaktion auf Kochs Verhaftung war, wurde diese Verfügung spaßeshalber ,Lex Waldeck' genannt." 12 Koch war am 18. Dezember verhaftet worden, doch die Gestapodienststelle in Weimar ließ ihn am folgenden Tag frei. Am 20. Dezember wurde Pister Kommandant von Buchenwald. Pisters Aussage läßt keinen Zweifel daran, daß Kochs Korruption ein offenes Geheimnis in gewissen SS-Kreisen war. Bei seiner Ernennung wurde er darüber informiert, daß Koch „von dem hohen SS70

Polizeiführer Waldeck verhaftet worden sei . . weil er Schwarzgelder für sich behalten habe. Himmler habe ihn wieder frei gelassen, ihm aber verboten, das Konzentrationslager Buchenwald noch einmal zu betreten . . . so war es . . . Buchenwald wurde mir quasi über den grünen Tisch in Oranienburg am 20. Dezember 1941 übergeben." 13 Himmlers Maßnahmen gegen Koch waren offensichtlich nur von kurzer Dauer, denn als Pister im Januar in Buchenwald ankam, um die Leitung zu übernehmen, waren Koch, Ilse und die Kinder anwesend, um ihn im Lager herumzuführen. 14 Der Fall Koch bewies eindeutig, daß zumindest zu diesem Zeitpunkt das SS-Hauptquartier wenig Interesse daran zeigte, rechtswidrige Handlungen von Lagerkommandanten aufzudecken. Eher konnte ein solcher Fall für Leute wie Waldeck, die auf einer Untersuchung bestanden, obwohl jegliche Kooperation von Seiten der Vorgsetzten fehlte, außerordentlich gefährlich werden, wie die Verhaftung von Koch bewies. Himmler befahl nicht nur, Koch sofort wieder auf freien Fuß zu setzen, er warnte Waldeck davor, die Untersuchung fortzusetzen. Pohl und Ernst Kaltenbrunner, zu jenem Zeitpunkt General der Polizei, unterstützten den SS-Reichsführer widerspruchslos. Ein Brief, den Koch von Pohl nach seiner Verhaftung erhielt, betrachtete er als teuren Besitz für den Rest seines Lebens. Pohl schrieb: „Mein lieber Kamerad! Wenn irgendein Anwalt jemals versuchen wird seine schmutzigen Henkershände nach deinem unschuldigen Körper auszustrecken, dann werde ich ihn anflehen und mich ihm mit all meiner Kraft in den Weg stellen." 15 Nach diesem Zwischenfall war Karl Koch für die Dauer einiger Monate ohne Kommandoauftrag. Zusammen mit Ilse blieb er in Buchenwald, bis er zum Frühjahrsende 1942 nach Lublin beordert wurde. Einige Monate später wurde er nach Saatz in der Tschechoslowakei versetzt. Man plante, Ilse und die Kinder nachkommen zu lassen. Ilse stritt ab, daß sie gewußt habe, warum man Karl überhaupt verdächtigte. Sie bestand auf der Ansicht, die Freilassung sei ein Zeichen für seine „Rehabilitation" gewesen. 16 Erst später gab sie zu, daß Karl vielleicht manchmal seine Pflichten vernachlässigt habe. Sie hätten deswegen gestritten und einmal habe sie sogar einen leichten Nervenzusammenbruch erlitten. 17 71

Wenn man versucht, diese Ereignisse auf Grund von Ilses Zeugenaussagen nach dem Krieg zu rekonstruieren, sollte man nicht vergessen, daß die vollständigen SS-Unterlagen nicht mehr vorhanden waren; Ilses Mann hatte den Krieg nicht überlebt. Prinz Waldeck und Konrad Morgen, der führende SS-Richter und Ermittlungsbeamte, gehörten jedoch zu den Überlebenden. 18 Morgen widerlegte Ilses Aussagen im Hinblick auf einige wichtige Einzelheiten. Er war z.B. auf Grund ihrer Befragung aus dem Jahre 1943 davon überzeugt, daß Ilse genau Bescheid wußte über die Aktivitäten ihres Mannes und seine Lageraufgaben im allgemeinen. Er bezeichnete ihren „Nervenzusammenbruch" als simuliert, den sie inszeniert hatte, um sich zu schützen, falls Koch tatsächlich Schwierigkeiten bekommen sollte. Morgen sagte: „Zu jenem Zeitpunkt erkannte Frau Koch nicht die Folgen der Verhaftung. Darum versuchte sie sich von ihrem Mann fernzuhalten, um nicht selber in die Untersuchung verwickelt zu werden. Im engen Freundeskreis äußerte sie sich aufs heftigste gegen ihren Mann. Sie nannte ihn einen Verbrecher und Mörder und beschimpfte ihn." 19 Morgen behauptete, daß Ilse während Kochs Verhaftung, die nur von kurzer Dauer war, jedem, den sie traf, erzählte, ihr Mann gehöre hinter Gitter. Meistens versäumte sie nicht, eine Litanei ihrer eigenen Leiden folgen zu lassen. Sie versuchte auch, ihre Zuhörer mit den Namen einflußreicher Freunde zu beeindrucken. Sie deutete an, daß sie, falls die Lage sich verschlimmern würde, Himmler persönlich anrufen und ihm um Schutz bitten würde. Folgt man Morgens Urteil, dann muß die prompte Freilassung Karls auf Ilse wie ein Schock gewirkt haben, zeigte sie doch deutlich, daß seine Beziehungen zu den mächtigen Parteiführern immer noch sehr eng und intakt waren. Morgen kam zu dem Schluß, daß Frau Koch nun gezwungen war, bei Karls Rückkehr eine Erklärung für ihre nicht gerade schmeichelhaften Bemerkungen zu finden: „Aus diesem Grund", so stellte Morgen fest, „sagte sie, sie habe einen Nervenzusammenbruch erlitten, ferner, daß sie eine hysterische und sehr nervöse Frau sei, sie sich nicht erinnern könne und daß man sie nicht verantwortlich machen könne für das, was sie zu jenem Zeitpunkt gesagt habe. Koch selbst war klug genug, seine Frau nicht zu verlassen, da sie zu viel über seine Machenschaften wußte." 20 72

Als sie mit Morgens Aussage konfrontiert wurde, weigerte Ilse sich, ihre Version der Vorfälle zu ändern. Sie beharrte auf ihrem Standpunkt, sie habe nichts von Karls Geschäften vor 1941 gewußt; nie habe sie in verächtlicher Weise von ihm gesprochen. Sie sagte, sie habe tatsächlich einen Nervenzusammenbruch erlitten, aber „ich kann mich nicht daran erinnern, meinen Mann jemals so genannt zu haben [Mörder]." 21 Morgen bekam erst nach der ersten Verhaftung mit dem Fall Koch zu tun. Seine Informationen stammten aus Befragungen von Ilse Koch, die er 1943 führte. Morgen war nicht der einzige Zeuge, der eine Aussage über Ilses Verhalten zu jener Zeit machen konnte, auch Waldemar Hoven stand zu Verfügung. Hovens Aussage war fundierter, da er während der fragwürdigen Zeit selbst in Buchenwald war und eine enge Beziehung zu Frau Koch hatte. Dies heißt jedoch nicht, daß man seine Aussage einfach akzeptieren kann, denn Hoven hatte viel zu verbergen. Der Arzt war ein kluger Mann. Wenn er sich an jene Monate nach Karls Abreise nach Lublin im Frühjahr 1942 erinnerte, deutete er oft mehr an, als er tatsächlich sagte. Hovens Diagnose zufolge zeigte Ilse Anzeichen eines geistigen Zusammenbruchs, als Karl Buchenwald verließ. Hoven sagte, sie habe ihn zu allen Stunden angerufen und ihn gebeten, in die Villa Koch zu kommen. Bei seiner Ankunft habe sie sofort angefangen zu weinen und Karl verflucht, weil er für ihre Lage verantwortlich war. Meistens steigerte sie sich in einen hysterischen Zustand, der erst nachließ, wenn Hoven ihr ein Beruhigungsmittel gegeben hatte. Er sagte, Ilses ständige Drohung zu Himmler zu gehen und ihm alles zu melden, was sie über die Korruption in Buchenwald wisse, habe ihn in Angst versetzt. 22 Hoven wußte nur zu gut, daß eine weitere Untersuchung ihn und den stellvertretenden Lagerkommandanten Florstedt, der ebenfalls in Karls Aktivitäten verwickelt war, belasten würde. Es muß unangenehm gewesen sein, Florstedt um Hilfe zu bitten, denn sie hatten beide eine Affäre mit Ilse. Hoven konnte die Situation nicht allein bewältigen (beide Männer waren verheiratet, ihre Familien damals in Buchenwald). Sie teilten nicht nur Ilses Zuneigung, sondern auch die Furcht, Karl möge von der Untreue seiner Frau erfahren und sich auf schreckliche Weise rächen. 23 73

Die Strategie, die sie entwarfen, erwies sich als ziemlich erfolgreich für den Augenblick. Ilse sollte auf Anraten des Arztes vom übrigen Lagerpersonal isoliert werden, weil sie an Hysterie litte und absolute Ruhe brauche. In der Zwischenzeit sollte Verbindung zu Koch aufgenommen werden. Man wollte ein Treffen vereinbaren, um die Angelegenheit zu besprechen. Koch willigte ein, Ilse und Hoven in Dresden zu sehen. Hoven erklärte, seine Anwesenheit sei aus gesundheitlichen Gründen notwendig. Sie sprachen über ihre Probleme und beschlossen zusammenzubleiben. Ilse und die Kinder sollten nachkommen, sobald für eine Wohnung gesorgt sei. Natürlich stießen sie alle einen Seufzer der Erleichterung aus; was sie jedoch nicht wissen konnten: Waldeck war mit Koch noch nicht fertig. Der Prinz beabsichtigte, den Fall Koch noch einmal aufzurollen. Bei einem Besuch des Obersten Gerichtshofs in München im Jahre 1942 vertraute er einem seiner Freunde, SS-General Karl von Eberstein, an, daß Karl Koch eine Anzahl von kriminellen Handlungen, darunter auch Mord, begangen habe; er sei nur aus verfahrenstechnischen Gründen freigelassen worden. Der Prinz bemerkte, Himmler habe ihm gesagt, daß Karl als SS-Mann nie von der Gestapo habe verhaftet werden dürfen, sondern nur von der SS. Waldeck machte deutlich, daß er nach München gekommen sei, um eine neue Anklage gegen Karl zu veranlassen. 25 Aus Waldecks Unterredung mit Eberstein ging hervor, daß der Prinz nicht nur an Koch dachte. Er erzählte Eberstein, General Glücks, der Inspektor des Konzentrationslagers, habe ihn bei der ersten Verhaftung des Buchenwald-Kommandanten im Jahre 1941 vor dem Fall gewarnt. Wie Waldeck berichtete, habe General Glücks ihm gesagt, daß er ernsthafte Schwierigkeiten bekäme, wenn er versuchen sollte, Karl zu verhaften oder vor ein SS-Gericht zu bringen. Er habe angedeutet, daß es sich auszahlen würde, wenn er sich vernünftig verhielte. Abschließend sagte Waldeck zu Eberstein, daß er Pohl hinter der Drohung vermute, weil dieser eine Untersuchung, die die weitverbreitete Korruption in den Konzentrationslagern aufdecken würde, nur zu befürchten hätte. 26 Waldeck kam nur langsam voran; er sammelte Beweismaterial, das die Mißhandlung von Gefangenen, Betrug und Unterschlagung unter Kochs Verwaltung in Buchenwald offenlegte. Personen, die 74

unter Koch gearbeitet hatten, lieferten ihm außerordentlich belastendes Material. Sie fürchteten sich vor Waldecks Nachforschungen, deshalb waren sie geständig. „Ich unterrichtete Himmler persönlich über diese Dinge", sagte Waldeck aus, aber der Reichsführer wollte ihm nur die Erlaubnis zu einer Untersuchung geben, die sich mit „unerlaubter Bereicherung" befaßte. Mittlerweile war auch Ilse Kochs Name auf der Liste der verdächtigen Personen erschienen. 27 Es bleibt unklar, warum Waldeck gerade diesen Zeitpunkt wählte, um eine allgemeine Untersuchung der Konzentrationslager zu beginnen. Der Prinz war ein alter SS-Veteran; er war, was die Verwaltung der Konzentrationslager betraf, sicherlich nicht so ahnungslos, wie er vorgab. Er war Teil eines Systems, dessen Grausamkeit sich nicht beschreiben läßt; eines Systems, in dessen Reihen sich die unmenschlichsten Individuen fanden. Es war sinnlos, in einer Welt des stets gegenwärtigen Todes nach Verbrechen zu suchen und sie an die Öffentlichkeit zu bringen. Denn wo lag der Unterschied zwischen einem Mann, der vergiftet worden war und einem anderen, dem man befohlen hatte, solange im Schnee zu stehen, bis er starb? Es gab Personen, die hinter der Verfolgung Kochs durch Waldeck nur persönliche Rachemotive vermuteten. Er haßte Koch und wollte ihn bestraft sehen.28 Soviel hatte Ilse General Glücks mitgeteilt, als sie bemerkte, daß Waldeck die Untersuchung nicht aufgegeben hatte. Er kam immer noch nach Buchenwald, um gewisse Personen zu sehen. Sie schrieb Glücks, sie habe im Dezember 1942 einen anonymen Brief erhalten, der sie über Karls zahlreiche Seitensprünge in Weimar informierte. Sie hatte den Verdacht, daß Waldeck den Brief geschrieben hatte, um sie gegen Karl zu beeinflussen und dem Prinzen Aufschluß über Karls Korruption zu geben.29 Erst 1947, während des amerikanischen Prozesses, erfuhr Ilse, daß der anonyme Brief von ihren ehemaligen Liebhabern in Buchenwald, Hoven und Florstedt, geschrieben worden war. Sie sagten, es sei ihre Absicht gewesen, Ilse so zu erzürnen, daß sie nach Dresden gehen würde, um Karl zu treffen und ihn zu erpressen, bei ihr zu bleiben.30 Waldecks Motive spielten keine so große Rolle, weitreichender waren die Folgen seiner Handlung. 1943 gelang es ihm, neue An75

klagepunkte gegen Koch zusammenzustellen und ein Gerichtsverfahren zu erzwingen. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man das veränderte Klima in Deutschland um 1943 berücksichtigt. Die täglichen Nachrichten von der Heimatfront enthielten keine Meldungen mehr über Vormärsche und Siege; Berichte über Lebensmittelknappheit, Treibstoffmangel und Bombardierungen waren vorherrschend. Wenn ein normaler deutscher Bürger bei einem harmlosen Diebstahl - Lebensmittel oder ein Sack Kohle - gefaßt wurde, dann konnte dies die Todesstrafe für ihn bedeuten.31 Doch Leute wie Karl und Ilse Koch und andere trieben Handel mit Riesenmengen von Luxusgütern aller Art. Sie waren beschlagnahmt, gestohlen oder geschmuggelt; sie wurden hergestellt und illegal verkauft. Keine dieser Aktionen wurde offensichtlich strafrechtlich verfolgt. Eine unerwartete Wende der Dinge gab Waldeck die Möglichkeit, nun ungehindert arbeiten zu können. Die Anklage, die ursprünglich auf „unerlaubte Bereicherung" beschränkt war, lautete nun auf Mord. Ein Bekannter des SS-Standartenführers führte den Prinzen zu Koch. Sein Name war Thilo Bornschein. Die Weimarer Polizei verdächtigte ihn des Schwarzmarkthandels mit Lebensmitteln. Bornschein war langjähriges Parteimitglied und Ortsgruppenleiter in Weimar. Darüber hinaus arbeitete er auch im Lebensmittelgroßhandel. Als Bornschein später im Jahr 1942 erfuhr, daß die Kriminalpolizei eine Untersuchung gegen ihn führte, versuchte er seine Stellung als Angestellter in Buchenwald für sich auszunutzen. Die Stellung verlieh ihm SS-Status, eine Verfolgung durch die Kriminalpolizei war so ausgeschlossen. Die Fäden der Untersuchung liefen schließlich im Büro Arthur Nebes, Chef der Reichskriminalpolizei, in Berlin zusammen. Unterstützt vom SS-Polizeigerichtshof X X I I in Kassel und offensichtlich mit Waldecks Zustimmung löste er das Problem galant. Er ernannte einen Ermittlungsbeamten der Kriminalpolizei, der gleichzeitig SS-Richter war; dieser sollte die Untersuchung des Falls fortsetzen. Der Mann hieß Konrad Morgen.32 Morgen spielte eine große Rolle im Fall Koch. Er leitete die Untersuchungen gegen Karl und Ilse Koch von 1943-1944; er überlebte den Krieg und konnte so als Zeuge der Verteidigung im Buchenwald-Prozeß der amerikanischen Besatzungsmacht 1947 76

erscheinen. Auch im westdeutschen Prozeß gegen Ilse Koch 1950-1951 trat er als Zeuge auf.33 Morgen wurde in gewissen Kreisen als Rächer des Gesetzes beschrieben, der unerbitüich auf eine Einhaltung der Gesetzesvorschriften achtete. Zufällig arbeitete er auch noch für die SS. Er soll eine absolut unbestechliche Person gewesen sein.34 Ein vertraulicher Bericht der US-Armee aus dem Jahre 1945, der sich auf eine vorläufige Befragung Morgens im Oktober desselben Jahres stützte, beschrieb ihn als einen Mann, der „einen hohen Grad von Korruption innerhalb der höchsten SS-Ränge entdeckt hat und der ein umfangreiches Wissen über die Aktivitäten der SS besitzt . . . Auf Grund seiner Erfahrung als Untersuchungsbeamter scheint er dazu befähigt, eine genaue Beschreibung vieler Kriegsverbrechen zu geben."35 William D. Denson, der Hauptankläger der Amerikaner im Buchenwald-Prozeß 1947 (Teil der Dachauer Prozesse) war von Morgen beeindruckt: „Irgendwie mochte ich ihn - ich hätte gern noch einmal mit ihm gesprochen. Er saß in meinem Büro in Dachau und sagte ,Was haben wir falsch gemacht?' Ich sagte, ,Ihr habt das Schwein nicht getötet.'" 36 Morgen wurde auf Grund einzigartiger Umstände in die Prozesse um Karl Koch verwickelt. Er war Anwalt; hatte Jura in Frankreich, Italien und Holland studiert, bevor er 1938 in Düsseldorf das Examen ablegte. Zu diesem Zeitpunkt war er schon seit fünf Jahren Parteimitglied und sollte bald darauf in die Waffen-SS eintreten. Morgens eigener Aussage zufolge wurde er im Oktober 1940 dem Hauptamt des SS-Gerichtshofs in Berlin zugeteilt. Seine Hauptaufgabe bestand darin, Untersuchungen zu führen und falls nötig, Korruption im Verwaltungsapparat zu verfolgen, wenn es um die Interessen der SS ging. In Ländern wie Polen tat er dies offensichtlich mit einigem Erfolg, bis der unermüdliche Einsatz im Dienst des Gesetzes ihm Degradierung und Versetzung an die russische Front einbrachte.37 Morgen erregte das Mißfallen seiner Vorgesetzten - so seine eigene Erklärung - weil die Fälle von Korruption, die er aufdeckte, sich häuften; deswegen die Degradierung und Versetzung. Im Frühjahr 1943 wurde er nach Deutschland zurückgeschickt und im Reichskriminalamt in Berlin eingesetzt. Man nahm an, daß er aus der Erfahrung gelernt hatte. Darum verlieh man ihm wieder seinen 77

ehemaligen Rang und teilte ihn Nebes Amt zu. Dort arbeitete er als Ermittlungsbeamter der Kriminalpolizei; ferner behielt er seinen Posten als SS-Richter. 38 Morgen selbst sah sich an diesem Punkt seiner Karriere, als man ihm im Juni 1943 den Fall Bornschein übergab, als „Spezialisten für Korruption". Man sagte ihm, daß die Untersuchung ursprünglich vom SS-Polizeigerichtshof X X I I in Kassel gefordert worden war, der in Waldecks Zuständigkeitsbereich fiel. Über Koch und seine frühere Verhaftung wurde ihm nichts mitgeteilt; augenscheinlich bestand keine Verbindung zum Fall Bornschein. 39 Als Morgen die Untersuchung übergeben wurde, befanden sich Bornschein und seine Frau, die als Komplizin ihres Mannes verdächtigt wurde, bereits seit sechs Monaten in Haft. Morgen hatte den Fall mit Waldeck besprochen, bevor er nach Weimar ging. Er glaubte, daß der Prinz ihn im Hinblick auf den Ausgang der Untersuchungen unterstützen würde. Es gelang Morgen jedoch nicht, Bornschein mit den blühenden Schwarzmarktgeschäften in Weimar in Verbindung zu bringen; er wurde später wieder freigelassen40. Morgen mußte schließlich feststellen, „so unglaublich es klingt, aber Bornschein hatte seine Stellung in Buchenwald nicht mißbraucht." 41 Bei Beginn der Untersuchung war Morgen in einem Hotel in Weimar abgestiegen. Er fuhr öfter in das Konzentrationslager Buchenwald, da er es für nötig hielt, Beweismaterial zu sammeln und Zeugen zu befragen. „Mein erster Eindruck", sagte er später, „war ziemlich gut. Die Gefangenen waren angemessen untergebracht und wurden gut ernährt. Ich habe das Essen oft selbst begutachtet." Er hielt die Arbeitsbedingungen für akzeptabel unter den gegebenen Umständen; Kommandant Pister machte in seinen Augen einen „ausgezeichneten" Eindruck. Pister erzählte ihm zum ersten Mal, daß Koch von Waldeck schon einmal wegen Korruption verhaftet worden war. 42 Unter Berücksichtigung dieser Tatsache und nachdem Bornscheins Rolle geklärt war, entschloß Morgen sich dazu, Kochs Spur zu verfolgen. Er kündigte sein Hotelzimmer und zog direkt in das Konzentrationslager. Ilse und die Kinder wohnten noch dort. Morgen glaubte, daß er schnell an belastende Information kommen könne, wenn er die Briefe von Ilse an Karl abfangen würde. „Ich habe es einfach getan", stellte Morgen fest, „ich ging zur 78

Postüberwachung und gab ihnen meine Anweisungen." Die Briefe bestätigten seinen Verdacht. 43 Auch wenn er jetzt dieses Beweismaterial besaß, mußte er vorsichtig gegen Koch vorgehen, wußte er doch, das Ergebnis würde Verhaftung und Prozeß bedeuten. Bei seinen Vorgesetzten fand er keine Unterstützung. „ D a s Reichskriminalpolizeiamt.. . half lediglich dem SS-Polizeigericht in Kassel bei seiner Untersuchung", 44 so beschrieb Morgen die delikate Situation. Er hatte die Erlaubnis, die Zustände in Buchenwald zu untersuchen. Dies war ungewöhnlich, denn bisher hatte es keine Untersuchungen in Lagern gegeben. Er war auch dazu berechtigt, das Lager zu betreten, Unterlagen zu lesen und Leute zu befragen; ein Recht, das sonst nur dem Personal der SS vorbehalten war. Morgen nutzte die Sonderrechte zu seinem Vorteil. Er wählte einen Arbeitsplatz im Lager aus, der ihm einen „Überblick über das Lager von beiden Seiten gab . . . Ich hatte Gelegenheit, das Lager zu jeder Tages- und Nachtzeit zu besuchen, sowohl in Uniform als auch in Zivil. . . Ich kam als Abgesandter der Reichskriminalpolizei nach Buchenwald. Nachdem der Sondergerichtshof in Kassel eingesetzt war, wurde ich der Ermittlungsbeamte dieses Gerichts in Buchenwald. Darüber hinaus hatte ich auch die Stellung eines öffentlichen Staatsanwalts." 4 5 Morgen genoß offensichtlich diese außergewöhnlichen Vollmachten; er bemerkte: „ D a saß ich nun wie eine Spinne im Netz." 4 6 Er mußte Himmler noch davon überzeugen, daß es sinnvoll war weiterzuarbeiten. Denn der Reichsführer hatte betont, daß er Koch für einen „wertvollen und wichtigen M a n n " halte, den man nur der Unterschlagung verdächtige. 47 Morgen brauchte mehr Beweismaterial und er sollte es schon bald bekommen. Kurz nach seiner Ankunft in Buchenwald hatte er auf dem Schwarzmarkt einige Hinweise erhalten, die den SS-Hauptscharführer Blank und die beiden Lagerinsassen Freudmann und May, die in Weimar illegal Fleisch verkauften, betrafen. Als Morgen die Insassen befragen wollte, sagte man ihm, daß es nicht möglich sei, weil sie eine ansteckende Krankheit hätten. D a Morgen keine Veranlassung sah, diese Auskunft in Frage zu stellen, bat er Dr. Hoven, ihnen einige Fragen zu stellen. Er gab ihm ihre Akten. Morgen war zunächst überrascht, als Hoven ihm mitteilte, die Gefangenen seien gestorben. Er schöpfte Verdacht, als der Arzt 79

ihm einen sehr detaillierten Krankenbericht gab, der die beiden letzten Tage ihres Lebens umfaßte. 48 Laut Morgens Beschreibung enthielten die Krankenberichte eine stündlich vorgenommene Notierung der Körpertemperatur und eine im zweistündigen Turnus vorgenommene Auswertung ihres allgemeinen Zustandes. Morgen kam schnell zu dem Schluß, daß „trotz allem in Buchenwald kein Gefangener wie ein sehr reicher Millionär in einem teuren Sanatorium behandelt wurde." 49 Er erkannte, daß jemand keine Mühe gescheut hatte, ihn daran zu hindern, die beiden Gefangenen zu befragen. Er war entschlossen herauszufinden, warum. Er erfuhr bald, daß man Freudmann und May mit Typhus injiziert hatte, um sie loszuwerden.50 Er ließ Hoven sofort verhaften. Was jetzt enthüllt wurde, war eine schreckliche Geschichte. Ich erfuhr, daß die Korruption zu dem Zeitpunkt begann, als nach der Aktion 1938 die Juden in die Lager gebracht wurden . . . Ich erfuhr, daß die Mehrzahl der Gefangenen, die man verdächtigt hatte, etwas von den Korruptionsfällen zu wissen, gestorben waren. Bemerkenswert war die Häufigkeit der Tötungen. Es fiel mir auf, daß andere Gefangene, die sich nicht in irgendeiner bevorzugten Stellung befanden, jahrelang in bester Gesundheit in Buchenwald blieben und immer noch da waren,. . . demnach starben also nur diejenigen Gefangenen, die möglicherweise als Zeugen hätten auftreten können. Daraufhin untersuchte ich die Akten der verstorbenen Gefangenen. In den Akten selbst fanden sich keine Hinweise auf ungesetzliche Tötungen. Die Sterbedaten lagen Jahre auseinander und in jedem Fall war eine andere Todesursache angegeben. Aber mir fiel auf, daß die Mehrzahl der Gefangenen kurz vor ihrem Tod in das Lagerhospital gebracht und verhaftet worden waren. Hier hatte ich zum ersten Mal den Verdacht, daß Gefangene ermordet worden waren. Viel später und rein zufallig stieß ich auf einen ersten Hinweis. Mir fiel auf, daß die Namen gewisser Gefangener sowohl in den Listen des Lagerhospitals als auch in denjenigen des Lagergefängnisses aufgeführt waren . . . Die Gefangenen wurden an einen geheimen Ort gebracht und dort getötet, meistens in einer Zelle des Lagergefängnisses. Krankenberichte und Totenscheine wurden für die Akten geschrieben bzw. ausgestellt. Sie waren so geschickt verfaßt, daß ein unvoreingenommener Leser den Eindruck erhalten muß-

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te, der Gefangene sei tatsächlich behandelt worden und an der ernsthaften Krankheit gestorben, die angegeben war.51 Morgen war erst einige Wochen in Buchenwald, als er in Weimar die Wohnungen mehrerer Personen, darunter Hackmann und Sommer, zwei treue Gefolgsleute Kochs, durchsuchen ließ. Sie hatten Koch nach Lublin begleitet, aber ihr Hausrat wartete noch auf den Transport. Man fand große Mengen Gold, höchstwahrscheinlich aus Zähnen der Gefangenen geschmolzen, und andere Wertgegenstände wie Schmuck, Teppiche und teure Möbel. In Lublin wurde der persönliche Besitz dieser Männer ebenfalls durchsucht. Man kam zu dem Schluß, daß sie auch dort begonnen hatten, Gold und Schmuck von den Insassen zusammenzutragen. Sie wurden verhaftet und nach Buchenwald zurückgebracht. Hier trug Morgen nun einen Fall wegen weitverbreiteter Korruption unter Kochs Leitung zusammen. Bald schon besaß er ausreichend Beweismaterial. Es war dermaßen belastend, daß selbst ein Mann wie Morgen schockiert war: „Ich glaube, der volle Umfang der Verbrechen und Greueltaten, die Koch begangen hatte, läßt sich mit Worten nicht beschreiben . . . SS-Oberst Karl Koch muß der König des Verbrechens genannt werden. Er hatte sich mit einem Mitarbeiterstab von Kriminellen umgeben. Dahinter stand die unglaubliche, wahnsinnige Gier nach Macht und die Absicht, sich an den Gefangenen zu bereichern." 52 Obwohl Morgen nun genügend Beweismaterial zur Verfügung stand, um Koch in zahllosen Fällen der Korruption und des Mordes anzuklagen, war er nicht dazu ermächtigt, ihn zu verhaften. Dafür brauchte er immer noch Himmlers Zustimmung. 53 Der SSErmittlungsbeamte und Richter wußte, daß er sich nicht direkt an den Reichsführer wenden konnte, denn es war bereits ein Gerücht im Umlauf, daß Himmler den Fall Koch beenden und den SSStandartenführer an die Ostfront schicken wollte. Morgen wandte sich zunächst an Nebes Reichskriminalpolizeiamt. Man riet ihm, das Beweismaterial an das oberste SS-Polizeigericht in München weiterzuleiten. Doch das Gericht verwies ihn wiederum an Himmlers Amt in Berlin. Morgen war überrascht; „nach drei Tagen ging der Reichsführer darauf ein und erteilte mir die Erlaubnis, fortzufahren." 54 Morgen war bereit, die Verhaftung vorzunehmen. Warum er dies selbst tat und nicht der SS und der Kriminalpolizei in Weimar überließ, kann man nur vermuten. Es hätte keiner81

lei Schwierigkeiten bereitet, die Verhaftung von einer anderen Person vornehmen zu lassen, um Koch erst in der Haft zu befragen. Morgen hatte jedoch sowohl das Amt des Kriminalbeamten als auch des SS-Richters inne. Außerdem lebte er in einem Staat, in dem die Trennung zwischen dem Zuständigkeitsbereich der Gerichtshöfe und der Polizei weitgehend verschwunden war. Aus der Art und Weise, wie er die Verhaftung vorbereitete, läßt sich ablesen, daß er die Rolle des Polizisten bei weitem bevorzugte. Morgens erster Schritt zielte darauf ab, Koch nach Buchenwald, wo bereits der größte Teil des ehemaligen Personals verhaftet war, zurückzubeordern. Obwohl Koch nicht direkt über die Verhaftung, die ihn in Buchenwald erwartete, informiert wurde, wußte er offensichtlich doch, daß die Rückkehr mit Morgens Untersuchung zu tun hatte. Er blieb in ständiger telefonischer Verbindung mit Ilse. Koch wurde nicht unter Bewachung nach Buchenwald zurückgebracht. Er fuhr im eigenen Wagen. Er kam am 24. August 1943 kurz vor Mitternacht an und ging sofort in die Villa Koch. Morgen und Werner Paulmann, ein weiterer SS-Richter aus Kassel, hatten im Hauptquartier auf ihn gewartet. Als Koch nicht erschien, gingen sie zum Haus hinüber und verhafteten ihn. Morgen behielt die Szene in lebhafter Erinnerung: „Eine sehr dunkle Nacht, stürmisches Wetter, hin und wieder ein Blitz. Kochs Auto war nirgends zu sehen. Alles war so ruhig, daß ich anfing zu fluchen. Paulmann, der bei mir war, sagte, ,Halte deine Pistole bereit, es kann vielleicht zu einer Schießerei kommen.' Ich trat mit dem Stiefel gegen die Tür; im Haus war ein Geräusch zu hören. Plötzlich wurde die Tür geöffnet und Koch stand auf der Schwelle, ziemlich lässig. Er trug einen Pullover und tat so, als ob er den ganzen Abend zu Hause gewesen sei." 55 Als Koch in ruhigem Ton fragte, was los sei, teilte Morgen ihm mit, daß er verhaftet sei; er solle seinen Mantel holen, da sie ihn mitnehmen würden. Koch zeigte keine Reaktion. Er bat um eine kurze Unterredung mit seiner Frau. Doch Morgen erlaubte ihm dies nicht. Er fuhr fort, die Anklagepunkte zu verlesen. „Er war eiskalt", sagte Morgen weiter, „ein hinterhältiger Fuchs; er schien ein reiner Verstandesmensch zu sein. Er antwortete sehr, sehr überlegt; er hatte auf alles eine Erwiderung. Ich glaubte ihm nicht eine Sekunde; er wurde verhaftet." 56 Morgen beschloß, Ilse am nächsten Tag zu verhaften. 82

Bevor er am nächsten Tag zur Villa Koch zurückging, um Frau Koch zu verhaften, unterrichtete er das SS-Führungshauptamt in Berlin von der Verhaftung Karls. Das geheime Telegramm, abgefaßt in knappen, offiziellen Stil, besagte, daß Karl Koch, ehemaliger Kommandant der Konzentrationslager Buchenwald und Lublin, sich mit Erlaubnis des Reichsführers der S S in Polizeigewahrsam befinde und zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Weimar inhaftiert sei, wo er die Zusammenkunft des SS-Polizeigerichts erwarte. Es war ferner vermerkt, daß man Koch der Unterschlagung, Urkundenfälschung, Vernichtung offizieller Akten und anderer Vergehen verdächtige. Die Mitteilung endete mit dem Hinweis, daß Koch keine glaubwürdige Erklärung angesichts der Beweise hatte. 57 Interessanterweise wurden weder die Mordanklage noch die Absicht, Ilse Koch ebenfalls zu verhaften, erwähnt. Noch Jahre später, als der Krieg bereits zu Ende war und die Erinnerung an den SS-Prozeß verblaßt war, bestand Ilse immer noch auf der Ansicht, daß sie von der bevorstehenden Verhaftung Karls, als er 1943 in jener Nacht nach Buchenwald zurückkam, nichts gewußt habe. Sie sagte, nachdem er nach Lublin und später nach Saatz versetzt worden war, habe sie ein sehr isoliertes Leben in Buchenwald geführt; sie habe darauf gewartet, ihm folgen zu können: „Es war während des Krieges, und es war schwierig, eine Wohnung zu finden. Immerhin hatte ich Kinder. Ich mußte vor dem Umzug ein Haus finden. Mein Mann war nicht aus der S S entlassen worden, man hatte ihn lediglich versetzt." 58 Morgen beschrieb Ilse zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung als schlanke, arrogante junge Frau, die außerordentlich zynisch zu sein schien. Sie habe die Tür geöffnet, ungekämmt, mit einem Bademantel bekleidet, sie habe zu Morgen gesagt: „Dafür wirst du teuer bezahlen müssen." Morgen wußte von ihrem Ruf als Nymphomanin; sie erschien ihm als jemand, der schnell hysterisch wurde und bei der geringsten Gelegenheit zu schreien und zu fluchen anfing. Sie reagierte auf die Verhaftung mit üblen Beschimpfungen und mit der Drohung, sich zu rächen. Morgen sagte, ihr Mann habe es nicht glauben wollen, als er von ihren Affären mit Hoven und Florstedt hörte; er habe Morgen gefragt, ob es wahr sei. Als der SS-Richter ihm dies bestätigte, sei der ehemalige Buchenwald Kommandant zusammengebrochen. 59 83

Der neue Buchenwald Kommandant Hermann Pister, Kommissar der Kriminalpolizei, Heinrich Nett und SS-Major Barnewald begleitet Morgen, als er zu Kochs Haus ging, um Ilse zu verhaften. Es war ziemlich früh am Morgen. Sie hatten beschlossen, eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Nett brachte die Kinder zur Nachbarin Frau Rödl. Morgen sagte aus: „Ich durchsuchte das Haus sehr gründlich vom Keller bis zum Speicher. Nicht eine einzige Schublade blieb ungeöffnet. Danach wurde das Haus mit einem Siegel verschlossen, und einige Tage später ließ ich es noch einmal durchsuchen . . ." 60 Pister bestätigte später, daß die erste Hausdurchsuchung sehr gründlich war, er sei mit Morgen durch jedes Zimmer im Haus gegangen, sie hätten in alle Schubladen, Vitrinen und Wandschränke geschaut. 61 Morgen war mit dem Ergebnis der Untersuchung zufrieden, schließlich war es seine Absicht gewesen, weiteres Beweismaterial gegen das Ehepaar Koch zu sammeln: 62 „. . . auf dem Tisch lagen Gegenstände aus Gold und andere Wertgegenstände; im Schlafzimmer fanden wir Persianermäntel und Ledermäntel. " 63 Für Morgen schien dies nur die Spitze eines Eisbergs zu sein. In ihrem amerikanischen Prozeß aus dem Jahre 1947 berichtete Ilse Koch über ihre Verhaftung: F: Wer verhaftete Sie damals? A: Herr Morgen. F: Können Sie uns etwas über die Umstände sagen? A: Ja. Dr. Morgen kam mit Kriminalkommissar Nett, Pister und Barnewald zu meinem Haus. Sie kamen früh am Morgen um neun Uhr. Er sagte, er müsse auf Befehl des Reichsführers der SS das Haus durchsuchen. Das Haus wurde vollkommen auf den Kopf gestellt. Ich glaube, es gab nicht eine einzige Stelle, die nicht von den Herren durchsucht wurde. Ich fragte ihn, was der Grund für die Durchsuchung sei, aber ich erhielt keine zufriedenstellende Antwort. Ich wurde am selben Tag verhaftet. F: Wurden Sie von Dr. Morgen, Dr. Nett und den anderen Beamten, die mit Ihrer Verhaftung zu tun hatten, verhört? A: Ja. Ich mußte ihnen Auskunft über meinen persönlichen Besitz und den meines Mannes geben. Ich sagte, daß bereits 1941 alles bis auf den letzten Pfennig nachgeprüft wurde und in Ordnung gewesen sei, daß ich nicht wisse, 84

warum man mich verhafte, da mein Mann doch rehabilitiert worden sei. Später erhielt ich einen Haftbefehl wegen „Beihilfe zu einer Straftat", und als ob das noch nicht genügt hätte, wegen „einer staatsfeindlichen Äußerung."64 Die Nachricht von der Verhaftung der Kochs verbreitete sich schnell und schon bald wußte man, daß sie in Weimar im Gefängnis waren. Die Unterbringung von Frau Koch unterschied sich erheblich von dem, was sie in Buchenwald gewöhnt war. Zusammen mit mehreren anderen Frauen war sie in einer Zelle untergebracht. Die Frau Bornscheiner war eine von ihnen. Ungefähr vierzig Menschen befanden sich in sechs Zellen. Die meisten von ihnen wurden für Verhöre vor Prozeßbeginn dort festgehalten. Außer Karl Koch waren Hoven, Sommer und Hackmann ebenfalls inhaftiert. Karl und Ilse Koch sollten sich fast ein Jahr lang nicht sehen; erst im Gerichtssaal zur Prozeßeröffnung standen sie sich wieder gegenüber. Um die Kinder kümmerte sich Frau Raible, Karls Stiefschwester.65 Nett, der vom Kriminalpolizeiamt in Berlin abgestellt worden war, um Morgen zu unterstützen, sagte aus, die eigentliche Arbeit habe erst mit Kochs Verhaftung begonnen. Obwohl sie Berichte von SS-Leuten in Buchenwald, die von Kochs Aktivitäten wußten, sichergestellt hatten, benötigten sie Einzelheiten, die ihnen nur Insassen verschaffen konnten. Doch die Gefangenen wollten nicht reden.66 Morgen arbeitete hart, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Er arrangierte sogar geheime Treffen in einem besonderen Zimmer im Lager, jedoch ohne Erfolg. Erst das Versprechen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern und vielleicht sogar ihre Freilassung von Buchenwald zu bewirken, brachte die Wende. Morgen erhielt sein Beweismaterial.67 Ilse wurde mehrmals von beiden Männern verhört. Doch es gelang ihnen nicht, ein Geständnis zu bekommen. Morgen war überzeugt, daß sie persönlich Gefangene geschlagen hatte und sie hatte schlagen lassen; „sie machte obszöne Bemerkungen zu den Gefangenen . . . denjenigen, die in ihre Nähe kamen, pflegte sie zu sagen ,Schaut nur hierher, wenn euer Arsch euch 25 wert ist.'" Ihr Benehmen in Buchenwald „war ein Skandal... Wegen der Gefangenen, die sie im Lager traf, trug sie absichtlich Kleidung, die die Gefangenen erregen sollte. Ihr ganzes Aussehen war auf ,sex

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appeal' ausgerichtet. Jedesmal, wenn ein Gefangener ihr nachschaute, war es ihr ein Vergnügen, dafür zu sorgen, daß dieser Gefangene bestraft wurde." 68 In den Akten konnte Morgen jedoch nichts über diese Dinge in Buchenwald finden: „Nicht einmal der gewissenhafteste und gründlichste Richter . . . hätte die geringste Spur irgendeiner kriminellen Handlung in jenen Akten entdecken können." 69 Auch konnte er nicht einen einzigen Mann dazu bringen, zuzugeben, von Frau Koch selbst oder auf ihren Befehl geschlagen worden zu sein. Sogar Titz („Ich befragte ihn tagelang") weigerte sich, gegen sie auszusagen. 70 Ilse machte sich lustig über die Versuche, sie mit der Mißhandlung von Gefangenen und der Korruption ihres Mannes in Verbindung zu bringen: „Sie hatten sechzehn Monate gebraucht, um genügend Beweismaterial gegen meinen Mann und mich zusammenzustellen . . . Wenn bis zu jenem Zeitpunkt irgendein Beweis, daß ich mich tatsächlich in der beschriebenen Weise benommen habe, erbracht worden wäre, man hätte mich zweifellos verurteilt. Ich glaube, man kann mit Sicherheit sagen . . ., daß Dr. Morgen und Dr. Nett nicht meine Freunde waren . . . Titz sagte nicht gegen mich aus . . . man fand nichts außer Gerüchten und Gerede." 71 Der Prozeß der SS gegen Karl und Ilse Koch wurde unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt. Die Anklageschrift „Strafsache gegen SS-Standartenführer Karl Koch u.a." (Hoven und Sommer) enthielt eine detaillierte Ausführung der Anklagepunkte. Karl wurde zuerst genannt. Man klagte ihn an, Armeegelder gestohlen zu haben - mindestens 200.000 RM - , während das Land sich im Kriegszustand befand. Sein Verhalten wurde als ernsthafte Gefahr für die Staatssicherheit eingestuft. Er galt als Mann, der seinem Land vollkommen gleichgültig gegenüber stand. Er war des dreifachen Mordes angeklagt; zwei Morde in Buchenwald 1941 und einer in Lublin 1942. 73 Ilse wurde der Unterschlagung von Staatsgeldern während der Jahre 1938-1943 verdächtigt, mindestens 25.000 RM in bar und 46.000 RM, die in Gegenstände für den persönlichen Gebrauch und den Haushalt angelegt waren. Sommer war angeklagt, Gefangene mit seinen Fäusten zu Tode geprügelt, sie erwürgt und vergiftet zu haben. Hoven war des Mordes an Insassen angeklagt; er wurde verdächtigt, ihnen im Krankenhaus tödliche Injektionen 86

gegeben und Sommer mit Gift versorgt zu haben. Als einzige der vier Angeklagten stand Ilse nicht direkt unter Mordverdacht. Doch die Formulierung, sie habe straffällige Handlungen begangen74, ließ einen weiten Interpretationsraum zu. Das Beweismaterial, das Morgen und seine Assistenten zusammengestellt hatten, erforderte achtunddreißig getrennt aufgeführte Eintragungen. Die Liste enthielt zweiundzwanzig Zeugen. Dazu gehörten Gefangene, Geschäftsmänner, Mitglieder der SS, mit denen die Angeklagten angeblich zu tun gehabt hatten oder mit denen sie zusammen mißhandelt hatten. Geschäftsbücher aus Buchenwald, Polizeiberichte, private Bankauszüge, Autopsieberichte, Gutachten, Kopien privater Korrespondenz - dazu gehörten auch die Briefe von Karl und Ilse, die Morgen abgefangen hatte - wurden als Beweismaterial in dem Prozeß benutzt.75 Trotz des ausgeklügelten rechtlichen Verfahrens und des beeindruckenden Beweismaterials bestand Pohl noch immer darauf, den Fall aufzugeben. Zunächst sollte Koch aus der Haft entlassen und in das SS-Hauptamt nach Berlin gebracht werden. Doch die Angelegenheit war bereits zu weit fortgeschritten, um Karl noch freilassen zu können. Nun berief Pohl den Gerichts-SS-Führer SchmidtKlevenow in den Prozeß. Er sollte erreichen, daß alle Anklagepunkte fallengelassen wurden mit der Begründung, Morgen habe einige geringfügige Zwischenfälle sehr übertrieben, um seinem eigenen Ruf zu nützen. Schmidt-Klevenow gab zu verstehen, daß Himmler über die Bedeutung des Beweismaterials falsch informiert worden sei; außerdem würde die ganze Sache dem Ansehen der SS nur schaden. 77 Morgen war der Meinung, daß Pohl selbst tief in Korruption und Betrug verstrickt war. Deshalb hätte er die Entlarvung Karls befürchtet, denn dies hätte die Infragestellung des gesamten Lagersystems bedeutet. Der SS-Ermittlungsbeamte hatte bereits Beweise gefunden, die bestätigten, daß Koch Pohl Geschenke gemacht hatte. Es handelte sich hauptsächlich um Kunstgegenstände und teure Möbel. Das Beweismaterial ließ keinen Zweifel daran, daß die Geschenke aus mehreren Geschäften im Weimarer Raum stammten, die Keramik, Gemälde, Holzschnitzereien und handgearbeitete Möbel führten. Ebenso eindeutig war die Tatsache, daß Karl diese Geschäfte regelmäßig mit Produkten, hergestellt von Gefangenen in Buchenwald, belieferte. 78 87

Der erste Teil des unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindenden SS-Prozesses fand in Weimar im September 1944 statt. 79 Außer Karl und Ilse Koch, Sommer und Hoven waren eine Reihe von Zeugen und Beobachtern anwesend. Dazu gehörten Waldeck, Pister und Glücks.80 Ilse wurde als erste in den Gerichtssaal geführt. Sie trug ein bescheiden wirkendes Kostüm und ihr Auftreten war zurückhaltend. Als nächster wurde Karl hereingebracht; man wies ihn an, sich neben Ilse zu setzen. Sie sahen sich zum ersten Mal nach der Verhaftung; sie hielten sich an der Hand und flüsterten miteinander. Hoven und Sommer wurden als letzte hereingeführt. Sie saßen neben dem Verteidiger Dr. Piepenbrock, einem SSRichter. Die erste Gerichtssitzung dauerte drei Tage. 81 Morgen war überzeugt, daß Karl Koch während seiner Zeit als Lagerkommandant Hunderte von Gefangenen entweder selbst getötet oder befohlen hatte, sie töten zu lassen - alle, die von seinen kriminellen Machenschaften erfahren hatten. Der ehemalige Buchenwald-Kommandant wollte damit verhindern, daß irgendein Gefangener gegen ihn aussagen konnte. Morgen war jedoch der Ansicht, daß weder die Zeit ausreichte noch genügend Beweismaterial vorhanden war, um diese Mordfälle zu belegen. Er konzentrierte sich daher auf drei Fälle, die er gründlich dokumentieren konnte. Jedesmal hatte das Opfer von Kochs Aktivitäten gewußt, ihm sogar geholfen; jedesmal war der Gefangene plötzlich verstorben. Die offiziellen Berichte vermerkten, daß er auf der Flucht erschossen worden sei oder unerwartet im Lagerhospital einer Krankheit erlegen sei. Kramer, einer der drei Ermordeten, ehemaliges kommunistisches Reichstagsmitglied, war dem Prinzen Waldeck bekannt. Auf der Flucht erschossen - war in Kochs Bericht über Kramers Tod zu lesen. Waldeck, über dessen Schreibtisch der Bericht ging, glaubte nicht an diese Version. Als die Untersuchung stattfand, leitete er diese Information an Morgen weiter. Morgen gelang es, ein volles Geständnis von der SS-Wache zu bekommen, die auf Anordnung Kochs den Gefangenen erschossen hatte. 82 Natürlich hatte Koch sich mit Leuten umgeben, die seine Überzeugungen teilten. SS-Männer und Gefangene waren oft selbständig handelnde Verbrecher. Für Morgen war Koch jedoch der Mann, der die Befehle gab: 88

Wie aus meinen Untersuchungsergebnissen zu ersehen ist, wurden alle Verbrechen auf direkten Befehl des SS-Standartenführers Koch begangen . . . er las Sommer einen Brief des Reichsführers der SS vor. Der Reichsführer erteilte dem SSStandartenführer die Erlaubnis, aus politischen Gründen Exekutionen und Spezialbehandlungen im Arrestbunker vorzunehmen. Dieser Brief existierte überhaupt nicht. Koch hatte diesem ziemlich primitiven Mann Sommer nur eine Komödie vorgespielt. Doch Sommer glaubte ihm die Geschichte. Koch ließ ihn einen Eid in einer bestimmten Form ablegen, in dem er schwor, Geheimhaltung zu wahren. Danach bestellte er Sommer von Zeit zu Zeit in sein Büro, praktisch jede Woche. Bei dieser Gelegenheit gab er ihm kleine Zettel mit Namen von Gefangenen, die Sommer im Arrestbunker töten mußte. Sommer ließ diese Gefangenen ohne Erklärung in den Arrestbunker bringen . . . Danach pflegte Sommer sich zurückzumelden; er sagte nur: ,. . . Herr Standartenführer, Ihr Befehl wurde ausgeführt.' 83 Ein Mordversuch, in dem Ilse Koch verwickelt war, wurde dem Gericht ebenfalls zur Anhörung gebracht. Das vermeintliche Opfer war Ilses ehemaliger Kalfaktor Kurt Titz, der auch zur Kinderbetreuung herangezogen wurde. Pister hatte ihn in ein anderes Lager bringen lassen, nachdem er verhaftet worden war, weil er getrunken und Ilses Kleider angezogen hatte. Aber zuvor hatte er ihn in eine Bunkerzelle einsperren lassen. Sowohl Hoven als auch Ilse hatten Grund, Titz zum Schweigen zu bringen. Titz hätte wahrscheinlich bestätigen können, daß ihnen während Karls Abwesenheit die Villa Koch als Liebesnest gedient hatte. Darum gab Hoven Sommer die Anweisung, Titz zu vergiften, solange er sich noch in Bunkerarrest befand. Dem SS-Oberfeldwebel sagte er, daß Frau Koch es so wolle. Hoven verschaffte Sommer das Gift, das er Titz ins Essen tun sollte. Glücklicherweise wies ein anderer Insasse Titz auf den Anschlag hin, und er wurde gerettet. Kurz danach ließ Pister ihn in ein anderes Lager bringen.*4 Später wurde Titz als Zeuge gegen das Ehepaar Koch in den SS-Prozeß berufen. Aber Morgen hielt ihn für unzuverlässig; er „war kein guter Zeuge. Er hatte ein sehr schlechtes Gedächtnis. Er war nicht intelligent und zu jener Zeit waren bereits Anzeichen einer geistigen Störung festzustellen." 85 89

Vor Ende der Septembersitzung wurde Ilse über ihre Beziehung zu Hoven nach Karls Weggang von Buchenwald befragt. Sie leugnete, daß Hovens Besuche in der Villa Koch mehr als nur Gespräche zwischen guten Freunden waren. Sie sagte, sie hätten meistens ein Glas Wein getrunken und über ihre Familien gesprochen (Hoven hatte vier Kinder). Als man Ilse fragte, ob sie eine intime Beziehung zu dem Arzt gehabt habe, unterbrach Hoven, bevor sie antworten konnte. Er nannte die Frage eine Beleidigung. Er bestand darauf, daß die Beziehung zwischen ihnen nie mehr als nur freundschaftlich war. Nach diesem Wortwechsel im Gerichtssaal mußte der Richter Karl Koch ständig darauf hinweisen, lauter zu sprechen.86 Bevor die Verhandlung vertagt wurde, beschloß man, die Fälle Hoven und Sommer getrennt von der Strafsache Koch zu behandeln. Die nächste Sitzung wurde für Dezember anberaumt. 87 Das Beweismaterial, das Morgen und seine Mitarbeiter mühevoll zusammengestellt hatten, verschaffte dem Gericht einen bis in Einzelheiten belegten Überblick über Kochs Brutalität und Korruption (Ilse war am Gewinn beteiligt). Es besteht wohl kein Zweifel, daß diese Neuigkeiten vielen anwesenden SS-Veteranen bekannt waren. Die meisten von ihnen hatten bereits längst jegliche ethischen Grundsätze aufgegeben. Überraschend jedoch war die Erkenntnis, daß Koch den Weg des Verbrechens mit einer Unbeirrbarkeit beschritten hatte, die selbst in SS-Kreisen selten anzutreffen war. Es begann mit den Aktionen gegen die Juden im Jahre 1938. Morgen benutzte beschlagnahmte Bankkonten, um zu beweisen, daß Karl und Ilse Koch von einem Ehepaar ohne Geld und Besitz im Jahre 1938 zu beachtlichem Wohlstand im Jahre 1943 aufgestiegen waren. Es konnte nie genau festgestellt werden, wie hoch die Summe war, die Karl unterschlagen hatte; Morgen setzte sie in Millionenhöhe an. Der Scharfsinn, den Koch entwickelt hatte, um jedwede Möglichkeit zur Bereicherung auszunutzen, war unglaublich. Die Stellungnahmen des Staatsanwalts geben einen, wenn auch nur unzureichenden, Einblick. Koch stahl den Besitz der Gefangenen, der in Buchenwald aufbewahrt wurde; er verdiente an den Produkten, die in den Lagerkantinen verkauft wurden: „Koch selbst kaufte die Waren, die in den Kantinen den Gefangenen zu einem viel zu hohen Preis verkauft wurden. Da dieses Geschäft

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viele Jahre lang mit Zehntausenden von Gefangenen betrieben wurde, ist es nur zu verständlich, daß auf diesem Weg eine große Geldsumme zusammenkam." 88 Keine Gelegenheit, wenn sie auch noch so kriminell und abstoßend war, ließ Koch ungenutzt. Lebensmittel, die für die Gefangenen bestimmt waren, verkaufte er an SS-Führer. Er stahl das Gold aus den Gebißen der Häftlinge, Pakete und Geld, die Verwandte an die Gefangenen schickten, wurden ebenfalls von ihm beschlagnahmt. 89 Eine Verordnung der Nationalsozialisten aus dem Jahre 1938 sah vor, daß jüdische Gefangene auswandern durften, wenn sie dafür bezahlen konnten, Koch schickte einen seiner Männer mit einem Koffer zu den Juden im Konzentrationslager Buchenwald, um alles einzusammeln, was sie besaßen. Sommer sagte aus, daß ein Koffer mit Geld gefüllt war. Er, Hackmann und Koch teilten es untereinander auf. Morgen fand einen Teil des Geldes später auf Kochs Dresdner Bankkonto. 90 Morgen konnte dem Gericht zeigen, daß Ilse Koch ihr Eheleben unter sehr bescheidenen Umständen begonnen hatte. Einen großen Teil ihrer Kleider und Haushaltswaren kaufte sie in Gebrauchtwarenläden. Diese einfache Lebensweise setzte sie für kurze Zeit auch nach der Hochzeit fort. So ließ Karl z.B. den Stromzähler abstellen; andererseits benutzte Ilse jedoch die Theaterfreikarten, die für SS-Truppen bestimmt waren. 92 Bald schon sollte sie jedoch Möbel anfertigen lassen, zwei- bis dreimal im Jahr Ferien machen und teure Kleider kaufen. Man konfrontierte Ilse mit einem vollständigen Bericht über ihren ,Aufstieg vom Aschenputtel zur Prinzessin'. Angesichts dieses belastenden Materials ist es schwer verständlich, warum sie ständig alles abstritt und vorgab, nichts gewußt zu haben. Sogar Karl gab ein „bißchen Unterschlagung" zu, meinte aber, die Summe von ungefähr 20.000 RM habe nur auf Grund „schlampiger Beamtenarbeit" 93 den Weg auf sein Konto finden können. Ilse wollte jedoch nichts zugeben. Sie war entschlossen, vor dem Gericht als pflichtbewußte Hausfrau zu erscheinen, die viel zu sehr damit beschäftigt war, eine gute deutsche Mutter zu sein, als daß sie noch Zeit für andere Dinge gehabt hätte. Sie hatte sich ein schwieriges Ziel gesetzt. Ilse besaß Geschäftserfahrung, sie kannte sich in Bürodingen aus. Sie konnte wohl kaum leugnen, daß die auffallende Verbesse92

rung ihres Lebensstandards mit Karls Stellung zusammenhing. Gleichzeitig hatte sie eine intime Beziehung mit dem stellvertretenden Lagerkommandanten, Hermann Florstedt, der sie gut über Karls Geschäfte informierte; Unterschlagung von Lagergeldern und sexuelle Ausschweifungen in Weimar. D a s Gericht erfuhr, daß Frau Koch ihre eigenen Schlüssel zu Karls Büro hatte. Sie schaute sich regelmäßig die Akten an. Morgen konnte einige Notizen vorzeigen, die von Karl geschrieben waren, und in denen er Ilse über seine Ausgaben informierte. Sowohl Hoven als auch Florstedt bezeugten, daß Ilse ihnen große Summen Bargeldes gezeigt hatte, die Karl im Haus aufbewahrte. 9 4 Ilse begründete ihr merkwürdiges Verhalten mit dem Hinweis auf einen Nervenzusammenbruch. D a s Gericht zeigte teilweise Verständnis für diese Erklärung, denn einige Zeugen bestätigten Ilses Aussage. Sie wurde als nervöse, furchtsame Frau beschrieben, die oft Wut- und Schreianfälle bekam. Karls Verhalten war oft der Anlaß ihrer hysterischen Anfälle. Sie beschimpfte ihn als Schurken und Mörder, dessen verbrecherische Tätigkeiten sie noch beide ins Gefängnis bringen würden. 95 Die Gerichtsverhandlung Schloß am 19. Dezember. D e r Staatsanwalt plädierte auf Todesstrafe für Karl und eine fünfjährige Gefängnisstrafe für Ilse. Sie wurde charakterisiert als „eine Persönlichkeit, die, was Gier, Arroganz und Grausamkeit betrifft, ihrem Mann glich." 9 6 Trotz des beeindruckenden Beweismaterials, das Morgen zusammengestellt hatte, wurde nur Karl verurteilt; Ilse wurde freigesprochen. Karl Koch wurde für schuldig befunden, drei Morde begangen und während des Krieges Staatsgelder veruntreut zu haben, was auch unter Todesstrafe stand. 97 Das SS-Polizeigericht kam zu dem Schluß, daß das Beweismaterial nicht ausreichte, um Ilse Koch zu verurteilen, oder, wie Morgen formulierte, sie „legte kein Geständnis ab und das war einer der Gründe, warum das S S - G e r i c h t von der Schuld Frau Kochs nicht vollkommen überzeugt werden konnte. Morgen bestand j e doch darauf, daß sie „des Diebstahls schuldig war; die Kontoauszüge galten als Beweis." 9 8 Nach sechzehn Monaten Untersuchungshaft wurde Ilse Koch freigelassen. Als sie später über den S S - P r o z e ß sprach, wurde deutlich, daß sie ihre Freilassung als Rehabilitation betrachtete. Sie bestand darauf, daß Morgens Fall auf Gerüchten und Geschwätz basierte:

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„Ich wurde vorbehaltlos freigelassen." Uber ihren Mann Karl sagte sie: Ich möchte betonen, daß es sich um eine geheime Staatsangelegenheit handelte; ich erschien nur als Zeuge meines Mannes. Beim Prozeß meines Mannes war ich nicht anwesend." Sogar der Rechtsanwalt meines Mannes weigerte sich, als er darum gebeten wurde, mir zu sagen, wie die Anklage gegen meinen Mann lautete. Er sagte, er stände unter Eid und dürfe nichts sagen. Ich erfuhr nur das Urteil. Die Begründung lautete Zersetzung der Armee, Korruption und Mord. 100 Später gab Morgen zu, daß er den Punkt der Anklage, der sich auf die Mißhandlung von Gefangenen bezog, nicht hartnäckig genug verfolgt hatte. Während des Prozesses hatte er sich nur in mündlichen Äußerungen darauf bezogen.101 Er erkannte sofort seinen Fehler, als er von ihrem Freispruch hörte. Er begann mit der Vorbereitung eines neues Falls. Hierin wurde sie beschuldigt, Gefangene in Buchenwald verletzt und ihren Tod verursacht zu haben. Morgen hatte einen ungünstigen Zeitpunkt zur Wiederaufnahme des Falls gewählt - Deutschland zu Beginn des Jahres 1945 - das SS-Polizeigericht ignorierte den erneuerten Anlauf. 102 Als Ilse freigelassen wurde, verließ sie Weimar nicht sofort. Sie blieb einige Tage, um Karl zu besuchen. Sie hofften immer noch, daß er auf Grund der schlechter werdenden militärischen Lage in den Frontdienst geschickt würde. Schließlich ging sie nach Ludwigsburg nahe Stuttgart, wo Frau Raible und die Kinder wohnten.103 Die letzten Kriegstage mit Ilse und den Kindern sollte Erna Raible in guter Erinnerung behalten. Deutschland stand am Rande des Zusammenbruchs, der eigene Mann wartete auf den Tod, viele Monate der Haft lagen hinter ihr, doch Ilse begann sofort ein ausschweifendes Leben zu führen. Sie begann zu trinken, sie blieb die Nacht über weg, brachte Männer mit nach Hause, kümmerte sich nicht mehr um die Kinder. Bald schon bekam sie Streit mit Frau Raible, die sie schließlich hinauswarf. Ilse nahm die Kinder mit und mietete sich ein Zimmer. Ihren bisherigen Lebensstil setzte sie fort, die Kinder vernachlässigte sie auch weiterhin. Ihre neue Zimmerwirtin beschwerte sich bei den Behörden. Frau Koch sei eine Hure, die das Zimmer in ein Bordell verwandelt habe. 104 In einer Gesellschaft, die kurz vor dem totalen 94

Zusammenbruch stand, erschienen dergleichen Probleme belanglos und trivial. In der Zwischenzeit hatte sich Karls Schicksal entschieden. Nach Verkündigung des Urteils blieb er bis zum vierten April in Weimar im Gefängnis. An diesem T a g erschienen S S - M ä n n e r , die ihn nach Buchenwald bringen sollten. Koch bat darum, in Weimar im Gefängnis bleiben zu dürfen. E r sagte jedem, der ihn hören konnte, daß die Männer ihn töten würden, wenn er mit ihnen ginge. Bevor die S S - M ä n n e r ihn fesseln konnten, mußten sie ihn zusammenschlagen. Sie brachten ihn mit einem Auto nach Buchenwald. Dort wurde er in eine Bunkerzelle gebracht. Hoven, der freigesprochen worden und wieder in seinen alten Beruf zurückgekehrt war, sagte, Karl habe sich in jener Nacht wie ein Verrückter aufgeführt. Am folgenden Morgen wurde er aus der Zelle geführt und hingerichtet. Die Leiche wurde in das Krematorium des Lagers gebracht, dessen Kommandant er gewesen war. 1 0 5

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Der Prozeß der Amerikaner: I. Teil Als Ilse Koch im Sommer 1943 inhaftiert wurde, war Deutschland aus militärischer Sicht noch von eindrucksvoller Stärke; aber bei ihrer Freilassung 1944 stand der nationalsozialistische Staat am Rande des Zusammenbruchs. Während Ilse Koch auf ihre erste Verhandlung vor dem SS-Polizeigericht in Weimar wartete, landeten die Alliierten in Frankreich und begannen ihren Vormarsch auf Deutschland. In Deutschland selbst mißlang einer mutigen Gruppe von Deutschen der Versuch, die Nazi-Regierung zu stürzen. Bald näherten sich von allen Seiten alliierte Truppen den deutschen Grenzen. Die Städte des Dritten Reichs wurden ohne großen Widerstand zerbombt, selbst das Lager Buchenwald wurde zum Ziel amerikanischer Bombenattacken. 1 Obwohl sie die SS im Dezember 1944 auf freien Fuß setzte, währte Ilses Freiheit nicht allzu lange. Im Juni 1945 verhafteten sie amerikanische Behörden als eine der Kriegsverbrechen verdächtigte Person. Die Entschlossenheit der Alliierten, gegen die Kriegsverbrecher zu prozessieren, hatte sich bereits Anfang des Zweiten Weltkrieges gezeigt. Es war nach der Rechtskonzeption nicht das erste Mal, daß es namentlich bekannte Personen gab, die alle Verhaltenskonventionen zwischen Kriegsführenden gebrochen hatten, nämlich ,Verbrechen gegen die Menschheit und gegen den Frieden begangen und sich mit der Planung und Ausführung eines Angriffskrieges befaßt hatten'. Die Anprangerung der Verwendung von Sprengladungen im Manifest von St. Petersburg im Jahre 1868 als „den Gesetzen der Menschlichkeit entgegengesetzt", war aber nicht nur ein früher Versuch zur Rüstungsbegrenzung, sondern auch ein 97

Abb. 24: Britische und amerikanische Parlamentsmitglieder besichtigen kurz nach der Befreiung das Lager.

Abb. 25: Verbrennungsofen im Lager Buchenwald.

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Versuch, eindeutig festzustellen, worin möglicherweise ein Kriegsverbrechen zu sehen wäre. Obwohl Kriegsführung an sich bereits als Wahnsinn erscheint, gab es Regeln, die „gesetzlich zulässige Mittel" für die Unterwerfung des Feindes klarlegten und von den westlichen Staaten in Kriegszeiten im allgemeinen befolgt wurden. 2 Vor dem Ende des Ersten Weltkrieges erwog man bereits die Möglichkeit, gewisse Personen dafür zur Rechenschaft zu ziehen, daß sie mit verbotenen Mitteln Krieg geführt hatten. Die Alliierten beschlossen, den deutschen Kaiser Wilhelm II. mit mehreren hundert anderen Deutschen, die im Kriegsgeschehen führend tätig gewesen waren, vor Gericht zu stellen, ließen diesen Entschluß jedoch am Ende fallen.3 Man vergaß diese Angelegenheit jedoch nicht, und das Verlangen, die deutschen und japanischen Führungskräfte am Endes des Zweiten Weltkrieges zu bestrafen, wurde in die Tat umgesetzt. Mit der Moskauer Erklärung gegen deutsche Kriegs verbrechen im Oktober 1943 war amtlich bekanntgegeben worden, daß die Alliierten beabsichtigten, diejenigen Personen zu verurteilen, die für „Greueltaten, Massaker und Hinrichtungen" verantwortlich waren, und sie, wenn möglich, an Ort und Stelle zur Rechenschaft zu ziehen. Die Angeklagten sollten „verurteilt und bestraft werden nach den Gesetzen der befreiten Völker". Im August des Jahres 1945 sorgte das Londoner Abkommen für die Aufstellung eines internationalen Militärgerichts für diejenigen Fälle, in denen eine örtliche Zuständigkeit zur Aburteilung der begangenen Straftaten nicht festgestellt werden konnte. Als die alliierten Truppen im April 1945 tief nach Deutschland eindrangen, enthüllte sich die schreckliche Wahrheit der Todeslager der Nazis. Die Namen Bergen-Belsen, Auschwitz, Dachau und Buchenwald wurden bald vertraute Namen in täglichen Presseberichten, als die Berichte über bestialische und unmenschliche Brutalität immer zahlreicher wurden. Enthüllungen von bislang nie dagewesener Grausamkeit und sadistischen Handlungen schlugen den Leser in schaudernden Bann. Einige Vorauseinheiten der 80sten Division der amerikanischen dritten Armee, aus dem Befehlsbereich des General Patton, betraten als erste das Konzentrationslager im Buchenwald. Es war der 11. April 1945, ein Mittwoch. Zu spät hatte Himmler befohlen, daß „kein Gefangener lebend in die Hände der Feinde fal99

len" dürfe. Entrüstet bemerkte der Reichsführer, daß „die Gefangenen sich der Zivilbevölkerung in Buchenwald gegenüber wie Barbaren aufgeführt" hätten. 4 Eigentlich befreiten die Amerikaner das Konzentrationslager nicht, denn die SS hatte Buchenwald schon vor der Ankunft der amerikanischen Truppen verlassen. Ein Lagerkommitee, das aus Häftlingen bestand, hatte sich nach dem Abzug der Wachen gebildet. Aus dieser Tatsache leitete sich später für die kommunistische Propaganda ein wesentlicher Streitpunkt ab, wobei man nämlich unterstrich, daß die kommunistischen Lagerinsassen aktiv bei der Befreiung der deutschen Konzentrationslager tätig gewesen seien. Diese historische Sicht wird auch heute noch in der kommunistischen Literatur vertreten. Man bemüht sich natürlich, die Tatsache zu verharmlosen, daß Pattons Armee sich schon in Weimar befand, als die SS beschloß, Buchenwald zu verlassen. Der letzte Appell in Buchenwald fand am 3. April 1945 statt; man zählte 80.011 Gefangene. Als das Lager neun Tage später befreit wurde, fand man nur 21.000 Insassen vor.5 Fast 60.000 Gefangene waren von den SS-Leuten weggeschafft worden. Viele starben beim Transport oder auf erzwungenen Märschen. Den Amerikanern bot sich ein furchtbarer Anblick; er war selbst für abgebrühte Kriegsveteranen zuviel. Viele Gefangene waren wandelnde Skelette, einige waren zu schwach, ihre Baracken zu verlassen, Hunderte kämpften mit dem Tod. Am 15. April besichtigte Patton das Lager und nannte den Anblick den schrecklichsten, den er je gesehen hätte: „Ich ging durch zwei der Gebäude. Auf jeder Seite gab es vier Reihen mit Etagenbetten, in denen die Häftlinge im rechten Winkel zur Wand lagen. Sie sahen aus wie Mumien und befanden sich offensichtlich auf demselben Intelligenzniveau. Als wir durch die Räume gingen, versuchten sie, uns zuzujubeln, waren aber zu schwach." 6 Einige Tage nach Pattons Besuch bestellte General Eisenhower eine Gruppe von Reportern in sein Pariser Hauptquartier. Bei den folgenden Gesprächen ging es um das Konzentrationslager Buchenwald. Die meisten der anwesenden Reporter hatten das Lager schon gesehen, und der alliierte Oberbefehlshaber informierte sie darüber, daß die ganze Welt wissen sollte, was sich dort abgespielt habe, jede grausige Einzelheit sollte enthüllt werden.7 Unter den Geschichten, die man sich in Buchenwald erzählte, gab es eine, 100

von der bereits alle gehört hatten. Die Details waren zunächst etwas vage, aber der Kern schien überall gleich zu sein, wenn ehemalige Häftlinge von einer jungen, attraktiven rothaarigen Frau mit grünen Augen sprachen, die zeitweise regelrecht das Lager kommandiert habe. Ihr Sadismus spottete angeblich jeder Beschreibung, und man berichtete, sie sei die Ehefrau eines SS-Oberst in Buchenwald gewesen. Viele ehemalige Gefangene erinnerten sich an ihren Spitznamen: „die Hexe von Buchenwald". 8 Die „Hexe von Buchenwald" - die Bezeichnung Hexe (engl, witch) wurde in der amerikanischen Presse bald durch das gleichklingende Wort ,,bitch" (Hündin, böses Weib, Hure) ersetzt, so daß Ilse Koch als „the bitch of Buchenwald" bekannt wurde wurde als Nymphomanin beschrieben, die auf dem Pferd durch das Lager ritt und nach tätowierten Männern Ausschau hielt. Die immer aufreizend gekleidete Frau habe im Lager Häftlinge mit Tätowierungen angesprochen und ihre Nummern aufnotiert. Bald seien dann diese Unglücklichen zum pathologischen Labor gerufen worden, mit Giftinjektionen ermordet und danach enthäutet worden. 9 Seltsamerweise fiel in diesen ersten Berichten nie der Name Ilse Koch. Die Erzählungen gewannen an Glaubwürdigkeit, als das USKriegsministerium offizielle Berichte freigab, in denen erklärt wurde, die Geschichten über die deutsche Frau, die in Buchenwald Häftlinge wegen ihrer Tätowierungen enthäuten ließ, seien wahr: „ . . . die Ehefrau eines der SS-Obersten hatte diesen Einfall; jeder Gefangene, auf dessen Körper sich ausgedehnte Tätowierungen jeglicher Art befanden, wurde zur ihr gebracht; wenn ihr die Tätowierungen gefielen, wurde der Gefangene getötet und enthäutet." 10 Die Welt forderte nun nachdrücklich den Namen dieser Bestie. Die „Hexe von Buchenwald" wurde bald als Ilse Koch, Ehefrau des ehemaligen Lagerkommandanten Karl Koch, identifiziert. Ihr derzeitiger Aufenthaltsort war unbekannt. Die Beweisstücke in den Händen der Alliierten wurden beschrieben als „mehrere Tonnen Beweismaterial, Unterlagen und anderes, . . . von der amerikanischen Armee im oder beim Lager Buchenwald zur Zeit des 11. April 1945 beschlagnahmt." 11 Es gab insgesamt 78 Kisten, die unter anderem zwei Schrumpfköpfe, mehrere Stücke tätowierter menschlicher Haut und einen Lampenschirm enthielten, 101

den man, wie berichtet wurde, „ . . . im Büro des Lagerkommandanten" gefunden hatte und der „zum Teil aus tätowierter Menschenhaut bestand". 12 Der ehemalige Buchenwald-Häftling Joseph Siebeneichler berichtete von einem amerikanischen Soldaten, der kurz nach der Befreiung von einem Autodach herab zu ihnen gesprochen habe und von Dingen berichtet habe, die man im Lager gefunden hatte: „ . . . er hatte eine Tischlampe, von der er sagte, sie sei aus der tätowierten Haut eines Menschen hergestellt. . . Der Fuß schien aus Holz zu sein. Ich konnte das Material [des Lampenschirms] aus der Entfernung nicht erkennen . . . es wurde gesagt, die Lampe habe Frau Koch gehört." Dieser Zwischenfall wurde von den Nachrichteneinheiten der US-Armee gefilmt und erschien bald in der Wochenschau unter dem Titel „Ilse Kochs Lampenschirm". 13 Eine Korrespondentin der „United Press" namens Ann Stringer legte einen Bericht vor, der eine sehr anschauliche Beschreibung der Hautstücke enthielt, die sie angeblich untersucht hatte. Sie berichtete: „ D e r Lampenschirm war aus der Haut eines Mannes gemacht. Daneben gab es außerdem Buchumschläge, Lesezeichen und andere Dekorationsgegenstände, alle waren ebenfalls aus Menschenhaut hergestellt. Ich sah sie heute [21. April 1945]. Ich konnte die Poren sehen und die winzigen, zweifellos menschlichen Hautlinien. Ich berührte den Lampenschirm. Er fühlte sich glatt an und haftete an meiner Hand." 14 Zusätzliche „Hautbeschreibungen" erhielt man von anderer Seite. Der amerikanische General E.F. W o o d hatte, begleitet von einer Gruppe hoher Offiziere der Alliierten, am 16. April Buchenwald betreten und berichtete von etwa 40 Gegenständen aus Menschenhaut, inklusive des bewußten Lampenschirms.15 Eine recht detaillierte medizinische Untersuchung wurde auf Pattons Wunsch ausgeführt. Der Bericht führte nur drei Stücke menschlicher Haut auf, die man allerdings im Lagerlabor gefunden hatte und nicht in einem Privathaus oder im Büro des Kommandanten: Stück A : Maße 13x13 cm, durchsichtig, zeigt einen Frauenkopf im Zentrum und einen Matrosen mit Anker am Rand. Stück B: Maße 14x13 cm, durchsichtig, ist eine Tätowierung von mehreren Ankern, die sich auf einer unkenntlichen schwarzen Masse befinden. An der rechten Seite der Masse befindet sich ein Männerkopf. 102

Stück C: sich zylinderförmig verengend, 44 cm lang an der unteren Seite. Der obere Teil ist 30 cm lang und die Seiten 46 cm. Die Haut ist durchsichtig, und es befinden sich zwei Brustwarzen in der oberen Hälfte . . . Ein großer Vogel mit ausgebreiteten Flügeln . . . ist in der oberen Hälfte des Zentrums zu sehen. Ein schwarzer feuerspeiender Drache . . . befindet sich in einer Ecke des Hautstückes. Links von diesem Drachen sieht man einen Mann im Kettenhemd, mit einem Schwert, das offensichtlich den Drachen durchbohrt. Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung: Das Gewebe besteht aus Kollagenbündeln, mit gelegentlichen Resten von Epitheln und Schweißdrüsen. Pigmentkörner, schwarz granuliert, sind zwischen den Bündeln sichtbar. Die Untersuchungen ergeben, . . . daß es sich bei allen drei Proben um tätowierte Menschenhaut handelt. 16 Sobald die Berichte über die in Buchenwald gefundenen Hautstücke in der Weltpresse erschienen, fingen alle möglichen Leute an, ihre eigenen Erlebnisse vorzubringen. Beispielsweise berichtete ein amerikanischer Armee-Offizier, der Ende 1944 für etwa zwei Monate in Buchenwald festgehalten worden war, er habe russische Flieger im Lager gesehen, denen man die Tätowierungen von der Brust entfernt hätte. Es habe sich um fliegende Adler gehandelt, soweit er sich erinnere. Er sagte aus, viele der russischen Flieger seien krank gewesen und einige gestorben. Aber er habe gehört, daß der Befehl vom Kommandanten gekommen sei, weil dessen Frau tätowierte Haut zur Dekorierung verschiedener Dinge gebraucht hätte. 17 Es war allerdings klar, daß Ilse und Karl zur angegebenen Zeit - Ende 1944 - schon längst Buchenwald verlassen hatten. Der Bericht wurde dennoch der wachsenden Anzahl von Beweismaterial hinzugefügt. Interesse und Aufregung rund um die Geschichte von Buchenwald nahmen ständig zu und fanden ihren Niederschlag in der Tagespresse, in Zeitschriften und auch im Radio; allerdings waren die außerdeutschen Nachrichtenquellen während des Zeitabschnittes von Mai/Juni 1945 bis zu Ilses Verhaftung am 30. Juni ausserordentlich stark eingeschränkt. Zeitungen mußten von den Alliierten zugelassen werden, bevor die Veröffentlichungen wieder beginnen konnten, und die meisten Nachrichten während der Okkupation bestanden zunächst aus Verordnungen der Militärre103

gierungen. Aus diesem Grunde mögen die Behauptungen Ilse Kochs wohl zutreffen; sie behauptete, sie habe bis zu ihrer Verhaftung überhaupt nichts von ihrem schrecklichen Ruf gewußt. Sie bestand in einer späteren Aussage darauf, daß man ihr nicht genau gesagt habe, warum sie verhaftet wurde, nur daß es mit den Taten ihres Ehemannes in Zusammenhang stünde. Zu dieser Zeit lebte sie mit ihren Kindern in einem gemieteten Zimmer in Ludwigsburg und machte keinerlei Versuche, ihre Identität zu verbergen: F. Unter welchem Namen lebten Sie in Ludwigsburg? A.Unter meinem eigenen Namen. F. Können Sie uns über ihre Verhaftung durch die amerikanischen Behörden berichten? A.Ja. Es war im Mai 1945. Anscheinend hat mich ein Häftling erkannt, als ich mit meinen Kindern spazieren ging. Er meldete dies im Rathaus, und man sagte mir, ich solle mich dort melden. Man befragte mich dort über das Lager, und ich mußte ihnen alles erzählen, was sich zugetragen hatte. Ich sagte, ich wüßte davon nichts und daß ich ihnen nicht helfen könne mit Aussagen über Offiziere, Unteroffiziere und den Mannschaftsstand. In der Zwischenzeit. . . war ich noch für vier Wochen auf freiem Fuß. Ich mußte mich bloß ab und zu im Rathaus melden. Am 30. Juni 1945 wurde ich schließlich verhaftet. F. Hat man Ihnen während der Zeit zwischen Ihrem ersten Erscheinen vor den amerikanischen Behörden und dem Zeitpunkt Ihrer Verhaftung etwas gesagt über die Anklagepunkte, die gegen Sie wegen Ihrer Aktivitäten in Buchenwald vorlagen? A.Nein. Niemand hat das mir gegenüber je erwähnt. Man sagte mir bloß, ich sollte als Geisel gehalten werden, weil ich nicht wußte, ob das Todesurteil gegen meinen Mann ausgeführt worden war oder nicht. F. Nun, Frau Koch, wann hörten Sie denn zum ersten Mal von dem, was man über Sie in Verbindung mit tätowierter Menschenhaut sagte? A.Ich las es in der Zeitschrift „Life", das war im Oktober 1945. Es gab ein ganzseitiges Bild von mir mit dem Erläuterungstext, ich hätte Befehle ausgeteilt, Gefangene mit Tätowierungen zu töten, so daß ich ihre Haut erhielt. Natürlich wollte ich unbedingt jemanden von der CIC 104

[US Army Counter-intelligence] sprechen, aber das gelang mir nicht, obwohl ich es mehrfach versuchte. Man verhörte mich nur einmal, und der Offizier, der das Verhör leitete, informierte mich, er habe diesen Bericht nicht geschrieben und ich solle mich an den betreffenden Journalisten wenden. Da ich inhaftiert war, konnte ich dies natürlich nicht tun.18 Es ist möglich, daß die amerikanischen Behörden beschlossen, Ilse Koch über die genauen Anklagepunkte im Unklaren zu lassen, weil noch keine Entscheidung gefallen war, ob man ihr den Prozeß machen würde; jedenfalls nicht in der amerikanischen Besetzungszone, denn Buchenwald lag in der sowjetischen Zone, und die logische Folgerung war, daß die Sowjets Ilse vor Gericht stellen würden. Diese Annahme stellte sich als falsch heraus, aber erst nachdem die Amerikaner eine Lektion erhalten hatten, was die sowjetische Diplomatie betraf. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt waren die Vereinigten Staaten sich im klaren, daß die Sowjets versuchten, die Befreiung der Lager als Akt kommunistischen Heldenmuts darzustellen. Die zuständige US-Behörde, das .Office of Strategie Services', hatte einen Bericht zusammengestellt über „kommunistische Aktivitäten im Lager Buchenwald", datiert vom 16. Januar 1945. 19 Trotzdem hielten sich die Amerikaner noch immer an die Richtlinien zur Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und beabsichtigten nicht, in ihrem Sektor einen Prozeß zu führen, der eigentlich den Russen zufiel. Da sich Ilse Koch in amerikanischem Gewahrsam befand, entschloß man sich, einige Formalitäten zu erledigen, und zusammen mit anderen Personen aus Buchenwald wurde sie offiziell am 18. Oktober 1945 als Kriegsverbrecherin verhaftet.20 Inzwischen hatten sich amerikanische Rechtsberater aus der für Deutschland zuständigen Dienststelle des ,Judge Advocate's Office' geeinigt, daß ihre ursprüngliche Entscheidung, der Fall unterstehe den Sowjets, gerechtfertigt sei. Damit hätte man nicht nur den alliierten Vereinbarungen zur Kriegszeit entsprochen, wonach Beschuldigte am Ort ihres Verbrechens abzuurteilen waren, sondern es hätte auch bedeutet, daß an Ort und Stelle mehr Zeugen verfügbar gewesen wären, beispielsweise frühere Buchenwald-Insassen. Es wurde für selbstverständlich gehalten, daß die Sowjets diesen Fall gern über-

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nehmen würden, sobald man sie über die Beteiligten und das Beweismaterial, das sich noch in amerikanischer Hand befand, unterrichtete. Als nächstes brauchte man nur noch mit ihnen in Verbindung zu treten. General Clay machte dem stellvertretenden Oberbefehlshaber der Sowjets, General Vassily Sokolovsky, am 26. Oktober folgendes Angebot: „Den Vertretern der Sowjetunion stehen alle Beweismittel zur Verfügung, soweit nach Einsichtnahme gewünscht, und wir sind bereit, bei der Anklage soweit nur möglich zu helfen. Auf Anfrage sind wir bereit, mutmaßliche Straftäter sowie Zeugen im Rahmen der bestehenden Regelung zu überstellen." 21 Clay stellte fest, daß es sich um eine große Anzahl von Personen handelte, etwa 250, und ungefähr drei große Lkw-Ladungen mit Beweismaterial. Er schlug deshalb vor, Sokolovsky solle jemanden zu ihnen schicken, um zu entscheiden, was benötigt werde.22 Die Dienststelle von Clay informierte daraufhin die zuständige Stelle der Vereinten Nationen, die ,United Nations' War Crimes Comission', welche Schritte unternommen worden waren und teilte mit, daß die Vereinigten Staaten im Fall Buchenwald weiter nichts unternehmen würden. 23 Das war im Januar 1946, und das Hin und Her um die Verantwortlichkeit sollte jetzt erst richtig beginnen. Als während der folgenden Wochen keine Antwort von sowjetischer Seite einging, erwogen die Amerikaner die Durchführung eines Verfahrens in eigener Regie. Diese Aussicht war zum damaligen Zeitpunkt nicht gerade erfreulich, denn die Vereinigten Staaten versuchten mit den Prozessen gegen Kriegsverbrecher so schnell wie möglich voranzukommen und hierzu wurde vermerkt, es seien noch „. . . 1 100 Einzelpersonen, die noch nicht überprüft und verhört worden sind, in der Zentralstelle für Verdächtige und Zeugen in Dachau. Im Hinblick auf die zu leistende Arbeit sind wir bereits personalmäßig unterbesetzt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Plandienststellen bereits zu 41 % unterbesetzt, wenn man alle militärischen und zivilen Mitarbeiter berücksichtigt, die mit entsprechenden Dienstobliegenheiten befaßt sind, wobei es manchen entschieden an den notwendigen Voraussetzungen fehlt,, was Ausbildung und Erfahrung angeht." 24 Plötzlich ging ein Bescheid von sowjetischer Seite ein; man sei interessiert und werde im Juli eine Delegation schicken zur Sichtung des im „U.S. War Crimes Branch" in Wiesbaden gelagerten Materials. 25

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Die Delegation der Sowjets erschien tatsächlich in Wiesbaden, schaute die umfangreichen Unterlagen durch, überprüfte das Verzeichnis der Zeugen und Verdächtigen und war damit einverstanden, den Fall am 5. September formell zu übernehmen. Die Vereinigten Staaten stimmten bereitwillig zu, machten sich aber nachträglich Gedanken: „Wir besitzen nur sehr wenig Information darüber, wie die Sowjets vorgehen und wie die Prozesse aussehen, die von ihnen gegen Kriegsverbrecher geführt werden", man beabsichtigte daher, einen Beobachter mitzuschicken. 26 Von amerikanischer Seite sah es nun so aus, als ob Buchenwald eindeutig eine sowjetische Angelegenheit sei. Doch der 5. September verging ohne eine Nachricht von russischer Seite. Die Mitarbeiter der Wiesbadener Zweigstelle für Kriegsverbrechen (Wiesbaden War Crimes Branch), die alle Vorbereitungen zur Übergabe der Unterlagen getroffen hatten, begannen ihrer Verwirrung und Enttäuschung über die Lage Ausdruck zu geben:,,... Verhandlungen m i t . . . diesem Land [UDSSR] sind äußerst schwierig . . . es ist beinahe unmöglich, Namen und Position derer festzustellen, die im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Vorgängen volle Entscheidungsbefugnis besitzen. Es sieht so aus, als ob sich die meisten der Verhandlungspartner selbst in einem Zustand der Verwirrung befänden, was ihre Entscheidungsbefugnis angeht und wo sich diese herleitet." 27 Es war offensichtlich, daß eine während des Krieges geschlossene Freundschaft im Begriff war sich zu verflüchtigen, aber die Amerikaner waren noch nicht bereit, schon zu diesem Zeitpunkt alle Hoffnung aufzugeben. Das US-Kriegsministerium war bereit, einen weiteren Versuch zu unternehmen und teilte Wiesbaden mit, daß eine Annäherung auf diplomatischem Wege erfolge und ein neuer Termin für die Antwort der Sowjets festgesetzt werde. Man beschloß, Vorbereitungen für einen Prozeß in der amerikanischen Zone zu treffen, falls die Antwort der Sowjets bis zum 12. November nicht vorläge.28 Die Sowjets übersahen auch diesen Novembertermin. Inzwischen war seit Clays erstem Vorschlag an Sokolovsky mehr als ein Jahr vergangen. Die Vereinigten Staaten hätten die ganze Frage eines Gerichtsverfahrens leicht umgehen können, wenn Patton zu dem Zeitpunkt, als der Evakuierungsbefehl eintraf, Buchenwald einfach den Sow107

jets überlassen hätte. Stattdessen geschah, wie es ein Memorandum des Kriegsministeriums zeigt, folgendes: „. . . als das Lager unter russische Oberhoheit gestellt wurde, wurden mittels Lastwagen die Aufzeichnungen der Lagerverwaltung, die verfügbaren verdächtigen Personen und wesentliche Belastungszeugen schleunigst entfernt." 29 Kurz gesagt erwogen die Vereinigten Staaten die Einrichtung eines gemeinsamen Gerichtshofes mit Frankreich und Belgien zusammen, denn beide Staaten hatten bereits ein starkes Interesse für den Fall Buchenwald gezeigt, da so viele ihrer eigenen Landsleute dort interniert gewesen waren. Nach weiteren Überlegungen lehnten die Vereinigten Staaten jedoch diesen Gedanken ab, denn ihre eigenen Pläne waren schon auf dem Wege der Durchführung, und sie wollten jegliche Verzögerung durch Einbeziehung verschiedener Sprach- und Rechtssysteme vermeiden. Man einigte sich darauf, daß es beiden Staaten freistehe, Beobachter zu entsenden. Man meinte auf jeden Fall, daß „ein Gerichtshof internationaler Zusammensetzung" sowieso „für den Verfahrensablauf nicht entscheidend" sei.30 Vom Zeitpunkt ihrer Verhaftung im Juni 1945 bis zu ihrer Überführung nach Dachau im März 1947 wurde Ilse Koch in einem Intemierungslager in Ludwigsburg festgehalten. Lager 77, wie es bezeichnet wurde, war nur für deutsche Frauen bestimmt. Es gab etwa 1 100 Verdächtige, die auf weitere Untersuchungen, Entlassung oder einen Prozeß warteten. Sie kamen aus allen Teilen Deutschlands, man hatte sie bei Kriegsende festgenommen. Viele waren gemeinsam mit der deutschen Armee vor dem russischen Vormarsch geflohen und befanden sich schließlich im amerikanischen Sektor, als der Schießkrieg zu Ende war. Die Mehrzahl der Frauen wurde als „politisch Verdächtige" klassifiziert; dies bedeutete, daß sie in der SS, in der Gestapo, im SD (Sicherheitsdienst) oder im BDM (Bund Deutscher Mädel) Führungsstellen innegehabt hatten. Nach den amerikanischen Entnazifizierungsregeln fielen sie unter den „automatischen Arrest". Nur wenige wurden wie Ilse Koch als mutmaßliche Kriegsverbrecher festgehalten.31 Zunächst stand Lager 77 im Ruf, eine Brutstätte des Nazismus zu sein, wo besonders die Älteren in beunruhigender Weise ihren offenen Fanatismus zur Schau stellten. Man ermittelte je108

doch schnell die Rädelsführer und unterband weitere Aufwiegelung. Wenn nötig, wurden die Betreffenden von den anderen Frauen im Lager isoliert. Frau Koch gehörte nicht zu diesen Individuen.32 Ihre Mitgefangenen waren unterschiedlichen Alters; die jüngste war achtzehn, die älteste neunundsechzig Jahre alt. Im Lager befanden sich fünfundzwanzig Babies, alle waren jünger als zwei Jahre. Die Väter waren entweder amerikanische Soldaten oder Arbeiter, die Zugang zum Lager hatten, und in einigen Fällen waren die Mütter bereits bei ihrer Ankunft schwanger gewesen. Viele Frauen sollten bald darauf im Rahmen der Jugendamnestie entlassen werden, andere sollten aufgrund von Gerichtsbeschluß in Anbetracht der bereits im Lager 77 verbrachten Haftzeit ebenfalls freigelassen werden. 33 Das Lagerleben war keineswegs unangenehm. Die Frauen wurden reichlich verpflegt, brauchten nur ein Minimum an Arbeit zu verrichten und die Lagerordnung zu befolgen. Verglichen mit der Durchschnitts-Zuteilung für die deutschen Bürger außerhalb des Lagers war die Verpflegungsration beinahe üppig zu nennen. Dies blieb natürlich nicht gänzlich unbemerkt, und es gab kritische Berichte darüber, daß die Nazifrauen „3000 Kalorien pro Tag erhielten, niemals einen Finger rührten, und dabei jede in Gefangenschaft ungefähr dreißig Pfund zunahm." 34 Ilse Koch kam der Status einer besonderen Berühmtheit unter den Häftlingen zu, mit ihr befaßten sich mehr Veröffentlichungen als mit irgendeiner anderen Person, einschließlich der Frau Himmler. Als die Zeitung The Stars and Stripes einen Bericht über das Lager 77 veröffentlichte, wurde Ilse beschrieben als „. . . die berüchtigste unter den Häftlingen . . . die Ehefrau des Lagerkommandanten von Buchenwald Koch . . . man sagt, sie habe Lampenschirme und Lederartikel aus der Haut der Opfer ihres Mannes herstellen lassen". 35 Bald nach ihrer Ankunft in Dachau wurde Ilse eine Anklageschrift vorgelegt, in der man sie beschuldigte, gegen „Gesetze und Gepflogenheiten des Krieges" verstoßen zu haben. Hierbei sei bemerkt, daß sich dieser Hinweis auf die Hager und Genfer Konvention bezog, nicht aber auf die von den Vereinigten Staaten verwandten Kriegsartikel. Obwohl es sich um einen US-Gerichtshof handelte, richtete man sich also nach dem Völkerrecht.

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Die einzelnen Anklagepunkte legten dar, daß Ilse Koch zwischen dem 1. September 1939 und dem 8. Mai 1945 „. . . im Gebiet von Sachsen und Thüringen bei dem Betrieb des Konzentrationslagers Buchenwald, seiner Nebenlager und Außenkommandos gesetzeswidrig und zu Unrecht handelnd tätig wurde und in nachstehend geschilderter Weise handelte, wobei sie ermutigte, unterstützte, anstiftete und Beihilfe leistete, wobei sie nach einem gemeinsamen Plan vorging . . .". Weiterhin setzte sie zahlreiche Lagerinsassen verschiedener nationaler Herkunft „. . . Tötung, Mißhandlung, Folterung, dem Hungertode, sowie Demütigungen und Erniedrigungen" aus, „die Namen und die genaue Anzahl der so behandelten Personen sind nicht bekannt, dürften sich aber auf mehrere Tausend belaufen". Die Anklageschrift, die auf Deutsch und Englisch vorlag, wurde Frau Koch am 7. März ausgehändigt und endete mit den Worten, „. . . daß die Hauptverhandlung über diese Anklagepunkte um den 11. April 1947 vor einem allgemeinen Gericht der Militärregierung in Dachau eröffnet würde". 36 Ilse Koch wurde keiner Verbrechen gegen deutsche Staatsbürger angeklagt, denn dies fiel nicht in den Bereich der „Kriegsverbrechen", und es wurde auch nicht erwähnt, daß man Menschen die Haut abgezogen habe, um dadurch ihre Tätowierungen zu erhalten. Die Ansicht der meisten Leute, daß alle Kriegsverbrecherprozesse, die nach Nürnberg stattfanden, lediglich eine einfache Version jenes berühmten Gerichtsverfahrens waren, ist verständlich. Das hieße also ein der Zusammensetzung nach internationales Gericht, das die höchsten Rechtsnormen befolgt und aus Rechtssachverständigen zusammengesetzt ist. Diese Annahme ist jedoch falsch. Die einzige Parallele zwischen dem internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg und dem Prozeß gegen Ilse Koch in Dachau bestand in der allgemeinen Thematik sowie dem Zeitpunkt. Die Zahl deijenigen, die durch die Dienststelle des Militäranklägers für Kriegsverbrechen in Dachau (Deputy Judge Advocate for War Crimes) abgeurteilt wurden, belief sich auf Tausende. Dabei war die Richterbank mit Offizieren der US-Armee besetzt, von denen viele in rechtlicher Hinsicht weder über Erfahrung noch Ausbildung verfügten und somit zwar guten Willens aber an sich unqualifiziert waren. Wie einer der früheren Vertreter der Anklage 110

kommentierte, wurden „Zeugenaussagen von lediglich Gehörtem nicht nur vom Gericht zugelassen, sondern es bauten sich zu einem wesentlichen Teil sogar Verurteilungen darauf auf. Dokumente und Schriftstücke jeder Art wurden . . . zur Beweisführung zugelassen". 37 Bei dem Prozeß gegen Ilse Koch (Aktenzeichen U.S. gegen Josias Prinz zu Waldeck u.a.) trat ein Gericht von acht Männern im Obersten-Rang zusammen; den Vorsitz führte ein Brigadegeneral namens Emil C. Kiel.38 Von den neun Richtern war nur einer in Rechtskunde ausgebildet. Im Gegensatz hierzu setzte sich die Staatsanwaltschaft aus drei zivilen Juristen unter der Leitung von William D. Denson, einem New Yorker Rechtsanwalt, zusammen. Ilses Verteidiger, geführt von Major Charles Whitney, waren Rechtsanwälte der Armee, denen drei deutsche Anwälte zur Seite standen. Der Verfahrensablauf war im Grunde genommen dem eines amerikanischen Militärgerichtshofes nachgebildet. 39 Vor Beginn der Hauptverhandlung hatten die Anklagevertreter ein recht interessantes Informationsheft über den Fall vorbereitet, das Denson und seine Mitarbeiter herausstellte. Es enthielt auch Photos von allen Angeklagten, dreißig Männern und einer Frau. Die Aufnahme von Ilse trug die Unterschrift „Kommandeuse von Buchenwald" und beschrieb sie kurz mit folgenden Worten: „kommandierte zusammen mit ihrem Ehemann, dem Kommandanten von Buchenwald, von 1939 [sie!] bis Dezember 1941 . . . Die Anklage glaubt beweisen zu können, daß die Angeklagte sich in sadistischer Weise daran vergnügte, die Menschenhaut von Lagerhäftlingen für persönliche Gegenstände wie Handschuhe, Buchumschläge und Lampenschirme zu verwenden." 40 Im selben Monat, in dem Ilse Koch in Dachau eintraf, wurde General Lucius D. Clay der amerikanische Militärgouverneur von Deutschland. Er war neunundvierzig Jahre alt und stand im Ruf eines hartarbeitenden Administrators, nicht aber eines Feldsoldaten. Er stammte aus Georgia und stand in enger persönlicher Beziehung mit dem amerikanischen Außenminister James Byrnes, ein Umstand, der bedeutsamer werden sollte, als der Kalte Krieg sich verschärfte. Clay hatte bereits als stellvertretender Militärgouverneur unter den Generälen Eisenhower und McNarney gedient, und er war dafür bekannt, daß er eine möglichst baldige Selbstverwaltung der 111

Deutschen befürwortete. Er war unter anderem zuständig für die Überprüfung von Kriegsverbrechen, die mit Todesstrafe und lebenslänglicher Haft geahndet wurden. Eine Armee-Zeitung beschrieb ihn als „einen Mann, der entschlossen war, die ganze Macht seiner Befugnisse gegen Kriegsverbrecher einzusetzen, seien sie vergangene oder gegenwärtige Kriegsverbrecher, der sich aber ebenso entschieden dafür einsetzte, daß kein Unschuldiger in unzulässiger Weise bestraft würde."41 Die Angelegenheit Ilse Koch sollte sich zu einem der schwierigsten Fälle in seiner ganzen Laufbahn entwickeln. Die Prozesse gegen Kriegsverbrecher in Dachau bildeten zwar einen Teil des amerikanischen Militärrechtswesens, waren aber auch darauf abgestellt, die deutsche Bevölkerung zu beeindrucken. Unglücklicherweise befand sich der Ort, an dem die Prozesse stattfanden, ungefähr zwanzig Kilometer von München entfernt und schloß daher für die örtliche Bevölkerung einen leichten Zugang aus. Auch daß man von einem Wachposten vom Eingang bis zum Gerichtssaal begleitet wurde, ermutigte nicht sehr viele Besucher. Der ganze Ort selber, so erinnert sich ein amerikanischer Beobachter, war feucht, häßlich und schmutzig: „Er machte eher den Eindruck eines drittklassigen Polizeigerichts als eines Gerichtshofs, in dem weitreichende Entscheidungen des Völkerrechts gemacht werden sollten. Die polnischen Wachposten, die dunkle Uniformen trugen und zum Teil ehemalige Häftlinge waren, sahen aus wie die Gestapo selber."42 Robert Kunzig, einer der Anklagevertreter aus Densons Mitarbeiterkreis, stimmte damit überein, daß es dem Gerichtssaal an Atmosphäre fehlte: „Wir hätten mehr Atmosphäre gehabt bei erhöhten Richterbänken und einem strengeren Protokoll. So aber saß jeder auf gleicher Ebene mit den Gefangenen und trug gewöhnliche Kleidung. Das Gebäude war nicht einmal ein richtiges Gerichtsgebäude; wir hätten ein deutsches Gericht übernehmen und die Richter hätten Talare tragen müssen . . . Hätte es im Stadtkern von München stattgefunden, so hätten alle Leute die Möglichkeit gehabt, zu sehen, was sich abspielte. Doch so kamen nur wenige Zuschauer." 43 Kunzig beschrieb einen Teil der von den Anklagevertretern geleisteten Vorarbeiten und sagte, alle Zeugen und Verdächtigen seien bereits in Dachau gewesen, als er eintraf und seine Arbeit begann: 112

Unser Beweismaterial war umfangreich und stammte von den Zeugen, die wir verhört hatten; einen Großteil der Verhöre führte ich selbst durch. Natürlich schrieben wir auch viele Leute an. Allerdings bemerkte ich, daß viele Zeugen verschlossen wurden, wenn der Dolmetscher anwesend war. Es schien mir, als ob sie den Dolmetscher als eine dritte Person ansahen, etwa wie den SS-Mann der Hitlerzeit, sie wollten lieber unter vier Augen sprechen. Ich versuchte mich mit ihnen auf Deutsch zu unterhalten - ich konnte ein wenig sprechen - ohne den Dolmetscher, und es war, als bräche ein Damm. Einige von ihnen wurden ziemlich emotional und bestanden darauf, mir die Verletzungen auf ihren Körpern zu zeigen, die von den Schlägen herrührten. 44 Kunzigs Ansicht über die einschüchternde Wirkung des Dolmetschers während der Befragungen wurde von einem anderen amerikanischen Anwalt in Dachau geteilt. Leon Poullada, ein Anwalt der Verteidigung im Nordhausen Prozeß, glaubte, daß einige Dolmetscher mit Sicherheit voreingenommen waren: „Bei vielen dieser sprachlich qualifizierten Männer handelte es sich um ehemalige deutsche Flüchtlinge . . . die in die Vereinigten Staaten emigriert waren, die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatten und dann mit unseren Armeen als ,Racheengel' zurückkehrten. In Dachau waren sie uns als ,Neununddreißiger' bekannt, denn viele von ihnen waren 1939 aus Deutschland geflohen." 45 Die Dolmetscher spielten bei der Beweisaufnahme und Zeugenbefragung vor den Verhandlungen eine sehr bedeutsame Rolle. Als er einmal einer Gegenüberstellung in Dachau beiwohnte, stellte Poullada fest, daß der ganze Verfahrensablauf von diesen ,Neununddreißigern' beherrscht wurde. Die Zeugen sollten Personen aus den Reihen der Verdächtigen identifizieren: Die Zeugen, sämtlich ehemalige Insassen von Buchenwald, zahlenmäßig mehrere Hundert, drängten sich dicht an dicht in eine heiße Halle mit niedriger Decke. Nachdem man ihnen in deutscher Sprache nahegelegt hatten, ihren früheren Peinigern etwas von dem heimzuzahlen, was man ihnen selbst angetan hatte, wurden die beschuldigten Personen auf eine Art Bühnenrampe geführt. Dann kam der Ermittlungsbeamte seinerseits und schrie auf die Beschuldigten ein, höhnte und verspottete sie, und er forderte die Zuschauer auf, das Gleiche zu tun. Im Handumdrehen brach ein Höllenlärm los. Inmit113

ten der Schwüle und des Gestankes verlor die Menge ihre Selbstkontrolle . . . In schneller Folge wurde er, der Angeschuldigte, mehrerer Verbrechen angeklagt und ,mit Bestimmtheit' von einer ganzen Reihe von Zeugen identifiziert.46 Einer dieser Zeugen, Alfred Müller, ein ehemaliger politischer Häftling in Buchenwald, beklagte sich über die Vorgehensweise, die einige Mitglieder der Anklage im Zuge des Ermittlungsverfahrens angewandt hatten. In einer beeideten Erklärung berichtete er den amerikanischen Behörden, man hätte ihn mehrfach während der Zeit vor dem Prozeß verhört, und er sei sicher, daß einige der Zeugen gelogen hätten, weil sie davon überzeugt gewesen seien, daß ihre Aussagen dem entsprachen, was die Vernehmungsbeamten zu hören wünschten; gleichzeitig erhielten sie Päckchen voller Tabak. 47 Insbesondere erwähnte er ein Verhör im April, wobei die Anklage durch einen Vernehmungsbeamten namens Josef Kirschbaum vertreten war, der von ihm eine Zeugenaussage gegen einen der damals vor Gericht stehenden SS-Männer erhalten wollte. Es handelte sich hierbei um einen gewissen Anton Bergmeier, der angeblich Gefangene geschlagen hatte, aber Müller hatte diesen Prügelszenen nie persönlich beigewohnt und lehnte es ab, das Gegenteil auszusagen. Er berichtete, Kirschbaum sei wütend auf ihn geworden und habe damit gedroht, zu beweisen, daß er, Müller, während seines Lageraufenthalts mit der SS zusammengearbeitet hätte. 48 Poullada wies darauf hin, daß die amerikanischen Behörden oft nicht wußten, daß viele Zeugen selbst über ein langes Strafregister verfügten, das irgendwo in den Archiven in Deutschland schlummerte. Diese Personen nutzten die Unkenntnis der Amerikaner aus und versuchten, sich einzuschmeicheln, um mehr wertvolle Lebensmittel zu bekommen, auch erhielten sie Zigaretten und Alkohol und bauten damit einen umfangreichen Schwarzmarkthandel auf: „Zuerst glaubten die Gerichte an ihre Anklagen wie an das Evangelium, das von den unschuldigen Opfern verkündet wurde. Später zeigten die Gerichte diesen ,Berufszeugen' gegenüber großes Mißtrauen, zumal einige von ihnen in nicht weniger als zehn Verfahren als Zeugen ausgesagt und bei verschiedenen Angeklagten die gleichen Berichte abgegeben hatten. In einigen Fällen wurden Zeugen, deren Aussagen im Frühstadium der Un114

tersuchungen maßgeblich dazu beigetragen hatten, Angeklagte zu überführen, später selbst als Kriegsverbrecher entlarvt und verurteilt." 49 Emil Pleissner, der als Kriegsverbrecher im Falle Buchenwald überführt wurde, erhärtete Poulladas Behauptung, denn Pleissner wurde gebeten, als Zeuge für die Anklage aufzutreten. Er berichtete von einem Verhör, das er im Februar mit Kirschbaum gehabt hatte: „Jede Antwort, die Herrn Kirschbaum mißfiel, wurde mit Schlägen ins Gesicht oder Würgen bestraft; vier ehemalige Häftlinge standen bereit, zuzuschlagen." Er behauptete, Kirschbaum habe ihm mit der Ausweisung nach Polen gedroht, falls er nicht gewisse Aussagen unterschriebe. Er habe deshalb alles unterschrieben, was man ihm vorgelegt habe. 50 Bei der Vorbereitung von Ilses Prozeß hatten Densons Leute buchstäblich die Wahl zwischen Hunderten von Zeugen, mußten aber die Anzahl begrenzen, wie Kunzig bemerkte, denn „. . . kein Gericht will immer wieder die gleichen Aussagen hören. Alle möglichen Leute wollten gegen sie aussagen. Sie schien im Lager mehr verhaßt zu sein als ihr Ehemann." 51 Von Seiten der Anklage wurden schließlich sechzehn Zeugen geladen, und elf Zeugen traten für die Verteidigung auf. Natürlich ergab sich ein Teil des Problems aus der Entscheidung der amerikanischen Militärregierung, für einen raschen Verfahrensablauf zu sorgen, denn dies machte eine Art Fließbandabfertigung erforderlich. Zeitweise tagten zur gleichen Zeit nicht weniger als sechs Gerichte, wobei täglich zwei Fälle abgeschlossen wurden. Poullada entsann sich an eine Tagesnachricht Ende 1947, die lautete: „Nur noch 640 Kriegsverbrecherprozesse bis Weihnachten!" 52 Als der Buchenwaldprozeß begann, saß Ilse Koch, obwohl ihr Fall nicht als erster behandelt wurde, als Gefangene Nr. 15 zusammen mit dreißig Männern auf der Anklagebank. Ein Reporter beschrieb sie als „. . . noch attraktiv, trotz des ziemlich weiten Sackkleides . . . Aufgrund einer Gefängnisdiät hat sie 40 Pfund verloren, bis zu einem Punkt, wo ihre Figur trotz des zu ausgeprägten Hinterteils und einer noch immer recht bemerkenswerten Brustpartie fast knabenhaft wirkt. Sie verfolgt die Beweisführung mit Intelligenz und Aufmerksamkeit. Ab und zu hebt sie mädchenhaft ihre Hand und streicht über ihr leichtes Doppelkinn." 53

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Es wird aus den Berichten der anderen Beiwohner der Verhandlung ersichtlich, daß nicht jeder Ilse für „noch attraktiv" hielt. Denson war sicher, daß sie immer noch wohlgenährt war,54 was gegen einen großen Gewichtsverlust in amerikanischer Haft spricht, und Aufnahmen von Ilse unterstützten diese Auffassung. Kunzig beschrieb sie als eine Frau, die immer mürrisch war, wenig sprach und nie lächelte: „Als ich sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam, sah sie aus wie eine liederliche Hure, keineswegs wie eine sinnliche Frau. Sie war immer angriffslustig, schrie und tobte. Ihr Gesicht drückte verbitterten Haß aus, etwa in dem Sinne ,Wenn ich dich in die Finger kriegen würde, könntest du was erleben!' Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie jemandem Daumenschrauben anlegte. Wie mag sie wohl mit zwanzig gewesen sein?" 55 Als der Fall Buchenwald am 11. April mit der Sonderverfügung von Clay ('Special Order No. 18') zur Verhandlung kam, beschrieb eine Münchner Zeitung in einem Bericht über die Eröffnung des Prozesses die Angeklagten als „Sklavenhalter,... die alle Gebote der Menschlichkeit mißachtet und den Namen Buchenwald . . . für die ganze Welt zu einem Begriff der Schande gemacht haben"; zwar sei Karl dem Henker entgangen, aber dies würde Ilse Koch nicht gelingen, denn „. . . die rothaarige ,Kommandeuse von Buchenwald' . . . sitzt in Dachau als einzige Frau auf der Anklagebank." 56 Eine ostdeutsche Tageszeitung, die über die Eröffnung des Prozesses schrieb, betonte besonders Ilses Affären mit Hoven und Florstedt. Es wurde mitgeteilt, sie habe gelegentlich in MadeiraWein gebadet - die gesamte Badewanne sei mit Wein gefüllt gewesen! Der Artikel trug die Überschrift „Die Lagerkommandeuse". 57 Als Ilse vor Gericht in eigener Sache aussagte, fragte man sie, ob sie je den Ausdruck „Kommandeuse" gehört habe. Sie antwortete, sie habe ihn zum ersten Mal vor Gericht gehört, dasselbe gelte für die Bezeichnung „Die Hexe von Buchenwald". Bitter fügte sie hinzu: „Ich glaube nicht, daß es einen noch so vulgären Ausdruck gibt, den man nicht auf mich angewandt hätte." 58 Sie baute ihre ganze Verteidigung darauf auf, daß sie bei dem Verfahren gegen ihren Mann vom SS-Gericht freigesprochen wurde. Sie gab zu bedenken, daß sie jede Möglichkeit gehabt habe, sich zu tarnen oder, wenn nötig, zu verstecken, doch sie fühlte 116

sich frei von Schuld: „Ich hatte keinerlei Grund unterzutauchen; nicht einmal nachdem ich von den Amerikanern verhört worden war und die letzten vier Wochen vor meiner Verhaftung in Freiheit verbrachte, habe ich versucht, mich zu verstecken." 59 Die Anklage teilte diese Auffassung allerdings nicht. Am Tage des Prozeßbeginns forderte der Hauptankläger Denson die Todesstrafe für alle 31 Personen, die im Fall Buchenwald auf der Anklagebank saßen: „Ilse Koch, die ,sexhungrige Hexe von Buchenwald', verbarg ihr Gesicht hinter einer Zeitung und versuchte sowohl ihr welliges rotes Haar als auch ihren fülligen Körper vor den Fotografen zu verstecken. Mit einem gezierten Lächeln zur Richterbank hin gab sie ihr Alter mit vierzig Jahren an." 60 Inzwischen hatte der feindselig eingestellte Pressespiegel um den Fall Ilse Koch ungeheure Ausmaße angenommen, so daß Ilses Verteidiger, Major Whitney, die Einstellung des Verfahrens beantragte. Er führte als Grund an, das Gericht sei durch die Presse voreingenommen und wies zusätzlich darauf hin, daß viele der neuen Berichte sich auf mutmaßliche Taten bezögen, die wahrscheinlich vor Dezember 1941 begangen worden wären. Da dies zeitlich vor dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten läge, fielen die Anklagen nicht in den Bereich der Kriegsverbrechen, für die Amerika zuständig war. Gerichtspräsident Kiel wies Whitneys Antrag ab.61 Die Frage nach Ilses angeblichen Verstößen gegen die Regeln des Landkriegsrechts (festgelegt durch die Den Haager und Genfer Konventionen) führte in ein rechtliches Labyrinth. Die Einstellung der Anklage, daß der Prozeß entsprechend des Völkerrechts geführt werde, obgleich das erkennende Gericht ausschließlich mit US-Amerikanern besetzt war, war in gewisser Weise widersprüchlich. Die ihr vorgeworfenen Verbrechen, die zeitlich vor 1941 lagen, konnten nicht gegen die Vereinigten Staaten gerichtet gewesen sein, und es hatte auch in Buchenwald keine Amerikaner gegeben, die man mißhandelt hatte. Wenn man berücksichtigt, daß die U.S.A. im Namen der Alliierten auftraten, so ist der Wunsch Frankreichs und Belgiens, an diesem Prozeß teilzunehmen, verständlich.62 Als das Gericht sich auf bestimmte Sachverhalte konzentrierte, war der Boden sicherer, obwohl Ilse Koch sich im gesamten Prozeß nicht im geringsten schuldig bekannte. Als das Beweismaterial 117

immer umfangreicher wurde und ein erschreckendes Bild von ihr enthüllte, teilten viele Leute die Verwirrung, der James O'Donnell, Leiter des Berliner Büros der Zeitschrift Newsweek, Ausdruck gab: „Gelegentlich kann man in ihrem Gesicht Widerspenstigkeit sehen, aber nicht viel deutet daraufhin, daß sie das satanische Wesen ist, das uns durch das wachsende Beweismaterial präsentiert wird . . . Es gibt keine Kunst, mit deren Hilfe wir aus den Gesichtszügen eines Menschen auf seine innere Wesensstruktur schließen können. Ilse Koch sieht nicht viel anders aus als die kleine deutsche Kellnerin, die einen Block weiter im eleganten Offizierskasino bedient . . ," 63 Ilses Verteidigung, sie sei nur Hausfrau und Mutter gewesen und nichts weiter als das, wurde von der Anklage ins Lächerliche gezogen. Ihre wiederholten Versicherungen, sie habe keine der ihr vorgeworfenen Taten begangen, wurden fadenscheinig, und ungeachtet der Einwände von Seiten der Verteidigung fragte die Anklage an einer Stelle, ob sie den hohen Ansprüchen an ihr Verhalten auch während ihrer amerikanischen Haft treu geblieben sei. Man argumentierte, sie habe „. . . versucht, vor diesem Gericht den Eindruck einer hingebungsvollen, liebenden Mutter zu machen, die sich nur für ihr Heim interessiert habe." Ihre Führung vor Verhandlungsbeginn sei in diesem Fall ein wichtiger Punkt, meinte die Anklage, und Schloß damit, daß „. . . ein Rabe nicht über Nacht seine Farbe wechselt". 64 Diese Metapher war ein versteckter Hinweis auf ihre physische Verfassung, denn Frau Koch war schwanger. Einer ihrer Verteidiger, Hauptmann Emanuel Lewis, wehrte sich in einer leidenschaftlichen Protestrede gegen den Versuch der Anklage, die Tatsache ihrer Schwangerschaft in die Verhandlung miteinzubeziehen: „Ich vertrete die Auffassung, daß diese Frau vor diesem Gericht nicht dafür angeklagt wird, daß sie keine liebevolle und zärtliche Mutter war. Sie wird angeklagt, bei der Ausführung des gemeinsamen Plans (common design) mitgewirkt zu haben, Gefangene zu quälen und zu töten. Ihre persönliche Moralauffassung geht niemanden auf der Welt etwas an und ist nicht Sache des Gerichts, das muß sie einzig und allein mit sich selbst ausmachen." 63 Zu diesem Zeitpunkt - Juli - war Ilse bereits im sechsten Monat schwanger, und ihr Zustand konnte selbst einem oberflächlichen Beobachter nicht verborgen bleiben. Sie trug keine Umstandsklei118

dung, und ihr kariertes Hauskleid spannte sich eng über ihrem Leib. Obwohl man das Thema im Gerichtssaal nicht mehr erwähnte, konnte die Tatsache an sich nicht übersehen werden. Tatsächlich hatte der Gefängnisarzt das Gericht am Tag vor der Hauptverhandlung über Ilses Schwangerschaft unterrichtet. Sie war bereits im dritten Monat schwanger. Es war höchst interessant, daß die Amerikaner bis zu diesem Zeitpunkt von ihrem Zustand nicht das geringste bemerkt hatten. Der erste Hinweis, daß irgendetwas nicht in Ordnung war, kam von einem der französischen Verbindungsoffiziere, die für das Verfahren in Dachau abgestellt worden waren. Kunzig erinnerte sich an die näheren Umstände. Ein französischer Verbindungsoffizier kam eines Tages zu unserer Dienststelle - bei den Prozessen hatten wir sowohl britische als auch französische Offiziere dabei, und ich habe es immer interessant gefunden, daß der französische Offizier es war, der zu uns kam - und fragte, ob wir Ilse in der letzten Zeit hätten untersuchen lassen. Ich sagte, wieso untersucht? In seinem besten Englisch antwortete er, ich kann es noch jetzt hören, ,She ist wiz zee babee' [,sie ist schwanger']. Ich erklärte ihm, daß sie sich seit zwei Jahren in Einzelhaft befände, und versuchte einen Scherz zu machen, das sei doch etwas zu lange für eine Schwangerschaft. Natürlich ließen wir sie sofort untersuchen, und sie war tatsächlich im dritten Monat schwanger. Der kommandierende Offizier berief ein Treffen ein und verlangte zu wissen, wie zum Teufel das hätte passieren können. Wir wußten es nicht, aber da nur ein paar von uns Schlüssel zu ihrer Zelle besaßen, machte man sich überall über uns lustig. Natürlich haben wir sie nie in ihrer Zelle verhört, sie wurde immer zu den Diensträumen gebracht. 66 Keiner schien zu wissen, wie genau die Franzosen ihre Information erhalten hatten. Die Reaktion der Öffentlichkeit war wie erwartet: die unmittelbare Schlußfolgerung lautete, daß der Vater ein amerikanischer Soldat sein müsse. Schließlich war Ilse seit ihrer Verhaftung einzig in amerikanischem Gewahrsam gewesen und hatte den größten Teil dieser Zeit in Einzelhaft verbracht. Zum Ärger derer, die sie gefangenhielten, lehnte sie es eigensinnig ab, ihren heimlichen Liebhaber zu verraten. Sie gab allerdings zu, das Stelldichein habe 119

im Dezember stattgefunden, und nannte es ihr „kleines Weihnachtsgeschenk".67 Es bestand kein Zweifel, daß Ilse als einzige Frau im Fall Buchenwald einen besonderen Berühmtheitsstatus in Dachau innehatte, und der sie umgebende Ruf machte sie offenbar zum Gegenstand intensiver Neugier von Seiten des Armeepersonals. Ihr Englisch war während der Gefangenschaft ziemlich fließend geworden, und man behandelte sie gut. Meist gab man ihr, was sie zu essen oder lesen wünschte.68 Natürlich wollten die amerikanischen Behörden so schnell wie möglich herausfinden, wer der Vater war, denn die Reaktion der Presse war verheerend. Für das amerikanische Lesepublikum, das überfüttert war mit Geschichten über das ausschweifende Leben der amerikanischen Soldaten im Ausland, war dies so ziemlich der Gipfel. Die wechselnde und etwas verwirrende Besatzungspolitik, die Entnazifizierung und Verbrüderung in einem Atemzug predigte, trug auch nicht gerade zu einer Verbesserung der Lage bei. Sogar die Zeitung The Stars and Stripes fing an, ihre zynischen Karikaturen über die Abenteuer der ,Veronika Dankeschön' zu mildern. Veronika Dankeschön war das legendäre deutsche .Fräulein', unter deren Kleid ein hakenkreuzbesetzter Unterrock hervorschaute, und die den ahnungslosen amerikanischen Soldaten umgarnte und hinters Licht führte. Nunmehr wurden die Truppen in Kenntnis gesetzt, daß der amerikanische Kongreß bald die Heirat mit deutschen Staatsangehörigen legalisieren wolle. Dies löste spitzfindige Spekulationen aus, dahingehend, daß Ilse Koch bald als US-Soldatenbraut in die Vereinigten Staaten reisen werde; der Vater ihres Kindes brauche nur noch die Vaterschaft anzuerkennen.69 Die Armee fand diese Situation allerdings keineswegs lustig und wollte unbedingt der Sache auf den Grund gehen. Man ordnete deshalb eine sorgfaltige Untersuchung des Sachverhalts an. Gewisse Tatbestände waren bereits klar, denn Ilse hatte zugegeben, mit mehreren ihrer Mitangeklagten zu ihrer Buchenwaldzeit intim gewesen zu sein. Es gab also mehrere bequeme Verdächtige, mit denen man immerhin sofort anfangen konnte, selbst wenn Ilse nicht kooperationsbereit war. Die Untersuchung wurde durch einen Zufall erleichtert. Ilse war wegen einer Untersuchung im Häftlingskrankenhaus unterge120

bracht, als eine der Krankenschwestern eine Nachricht abfing, die Ilse an einen anderen Häftling geschrieben hatte. Die Mitteilung war für einen alten Bekannten namens Fritz Schaeffer bestimmt, der in Dachau inhaftiert war und auf die Bekanntgabe seines Strafmaßes in einem anderen Fall wartete. Es stellte sich heraus, daß Ilse und er sich in der Lagerküche getroffen hatten und sie ihm ihre Zellennummer gegeben hatte. Es war ihm gelungen, durch einen Tunnel in ihre Zelle zu gelangen und sie während des vorangegangenen Dezembers mehrfach zu besuchen. 70 D a es sich hierbei um die offizielle Version der Armee handelte, und da Ilse den Namen ihres Liebhabers für sich behielt, hielt sich ein geringer aber langlebiger Zweifel an der Richtigkeit dieser Version. Kurz nach Ilses Tod im Jahre 1967 sagte einer ihrer Bekannten aus der Buchenwaldzeit, sie habe ein Kind von einem amerikanischen Soldaten erwartet, der einer der Wachposten vor ihrer Zelle in Dachau gewesen sei. 71 Andere Quellen nannten mehrfach einen polnischen Wachposten, der in Dachau Dienst tat. 72 Allein die Tatsache von Frau Kochs Schwangerschaft bedeutete für die Anklage einen schweren Rückschlag, denn es würde von nun an beinahe unmöglich sein, für eine schwangere Frau ein Todesurteil zu erwirken - bei Ende des Prozesses würde sie im achten Monat schwanger sein. Obwohl Ilses Hauptverteidiger, Carl Whitney, versicherte, daß er „. . . zu keinem Zeitpunkt versuchen würde, aus Frau Kochs Zustand einen Vorteil zu ziehen . . . und die Angelegenheit während des Prozesses nicht erwähnen würde", 7 3 hatte ihm die menschliche Natur einen vorteilhaften Ansatzpunkt geboten. Anscheinend wurde der Sachverhalt im Gerichtssaal nicht mehr erwähnt, aber es war offensichtlich, daß Ilses Schwangerschaft zu den besonders aufsehenerregenden Zügen des Verfahrens gehörte. Allerdings konnte selbst dies nicht mit dem Aufruhr und der Empörung mithalten, die nach den Anklagen im Zusammenhang mit den Enthäutungen ausbrachen.

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Der amerikanische Prozeß: II. Teil Als William D. Denson, ehemaliger amerikanischer Ankläger, vor einem Komitee des amerikanischen Kongresses, das die Untersuchungen im Fall Ilse Koch leitete, erschien, machte er eine interessante Feststellung: „Lassen Sie mich dies in aller Offenheit sagen, ich glaubte damals, daß auf Grund der mangelnden Beweiskraft der Sache mit der Haut nicht so viel Bedeutung beigemessen werden sollte." 1 Diese Bemerkung ist umso erstaunlicher, berücksichtigt man die außerordentlichen Bemühungen, die die Anklage darauf verwandte zu beweisen, daß Ilse Koch Gefangene wegen ihrer tätowierten Haut hatte töten lassen. Sie hatte allein aus diesem Grund zehn Zeugen berufen. Wenn man jedoch, wie die Anklage es tat, darauf besteht, daß in Ilse Kochs Haus gewisse Gegenstände aus tätowierter Haut von amerikanischen Truppen im April 1945 gefunden wurden, bleiben einige wichtige Tatsachen unberücksichtigt. Frau Koch wohnte seit ihrer Verhaftung 1943 nicht mehr in dem Haus. Der Hausrat war schon längst in Kisten verpackt und weggeschafft. Außerdem standen dem amerikanischen Gericht in Dachau vier Männer zur Verfügung, die das Haus aus Anlaß der Verhaftung von Karl und Ilse Koch gründlich durchsucht hatten. Alle vier bestätigten, daß sich keine Gegenstände aus Menschenhaut im Haus befänden. Die Hausdurchsuchung hatte Konrad Morgen geleitet. Er gab dies bereitwillig zu; doch habe man nichts gefunden, das aus Menschenhaut angefertigt war. Obwohl er Menschenhaut im Pathologielabor des Lagers gesehen hatte, war Morgen überzeugt, 123

daß Ilse Koch nicht einmal gerüchteweise menschliche Haut zu jenem Zeitpunkt besessen hatte. 2 Hermann Pister, damaliger Lagerkommandant, hatte Morgen an jenem Tag zu Kochs Haus begleitet. Er gab vor Gericht eine sorgfältige Beschreibung ab: Die Hausdurchsuchung war eine Überraschungsaktion, die vorher nicht angekündigt war. In ihrem Verlauf sollte Beweismaterial sichergestellt werden, das vor dem Sondergericht der SS und dem Polizeitribunal gegen Koch verwendet werden konnte. Während der Hausdurchsuchung - ich war von Anfang bis Ende dabei - wurden keine Gegenstände aus Menschenhaut gefunden . . . Die Lampenschinne, die man fand, waren die üblichen aus Pergament und Ölpapier, die man auf dem Markt kaufen konnte; die Photoalben hatten Einbände aus Leder. Keiner der erwähnten Gegenstände schien aus Menschenhaut gemacht zu sein.3 Hermann Nett, örtlicher Polizeisekretär, der aus Weimar für die Durchsuchung abberufen worden war, erzählte im wesentlichen die gleiche Geschichte wie Morgen und Pister. Er fügte hinzu, man habe Karl Koch verdächtigt, tätowierte Haut in Buchenwald präparieren zu lassen, um sie an interessierte SS-Leute zu verkaufen: „Wir fanden präparierte Haut im Konzentrationslager... wir nahmen sie für das Kriminalmuseum in Berlin mit". 4 Was die Lampenschirme im Hause Koch betrifft, „. . . sie waren normale Lampenschirme, aus imitiertem Schweinsleder oder aus Karton angefertigt." Nett sagte, nachdem sie gegangen seien, sei die Gestapo gekommen und habe eine weitere Hausdurchsuchung durchgeführt; man habe aber nichts Neues gefunden. 5 Die Lampenschirme wurden nicht zum alleinigen Streitobjekt vor Gericht; Meinungsverschiedenheiten gab es auch über die Photoalben von Ilse Koch. Der vierte Mann in Morgens Durchsuchungstrupp war das SS-Mitglied Otto Barnewald. Er fand die Photoalben in Karls Schreibtisch, der sich in seinem Arbeitszimmer im Erdgeschoß befand. Es seien zwei Alben gewesen, so Barnewald, ,,. . . aus gewöhnlichem Leder oder aus Kunstleder. Einbände aus Menschenhaut habe ich nicht gesehen." 6 Ein Angestellter in Pisters Büro sagte aus, er sei zum Zeitpunkt der Durchsuchung im Dienst gewesen; er habe die Gegenstände, die für eine gründlichere Untersuchung auf den Tisch gelegt wor124

den seien, gesehen. Es hätten sich Gegenstände aus Leder darauf befunden, hauptsächlich Mäntel, aber nichts aus Menschenhaut.7 Pister hatte einen Schrumpfkopf in einem Aktenschrank in Karls Büro gefunden. Zusammen mit der Haut aus dem Labor ließ er ihn in das Berliner Polizeimuseum bringen.8 Die Frage, ob Ilse Koch vielleicht Menschenhaut besessen hatte, war ein wichtiger Gesichtspunkt im Prozeß, ob es der Anklage nun paßte oder nicht. Schon bald wurde klar, worin für die Anklage das Dilemma bestand: nach der herrschenden öffentlichen Meinung stand das Prozeßergebnis bereits vor der Beweisaufnahme fest. Angesichts der ungeheuren Publizität, die dem Prozeß widerfuhr, war dieser Eindruck kaum zu vermeiden. Typisch für die Reaktion der Presse war der Kommentar der Zeitschrift The Stars and Stripes zur Prozeßeröffhung: „Es war charakteristisch für Ilse Koch, daß Handschuhe, Geldbörsen und Lampenschirme aus der Haut getöteter Lagerinsassen angefertigt waren." 9 Als nun beinahe jeder Pressebericht besonders die Gegenstände aus Menschenhaut, die man angeblich in Ilse Kochs Haus gefunden hatte, erwähnte, wurde erwartet, daß die Anklage diese grausigen Dinge als Beweismaterial im Prozeß verwenden würde. Es wurde berichtet, daß die US-Armee sogar einen Film über dieses Thema vorbereitet hatte, der nur einem ausgewählten Publikum gezeigt werden sollte. Es wurden „. . . Lampenschirme und andere Gegenstände aus Menschenhaut, . . . die von der Frau des SSLagerkommandanten angefordert worden waren," erwähnt. In einem Begleitdokument der Armee wurden Bedenken geäußert, „. . . er (der Film) könne durch öffentliche Filmbibliotheken oder auf anderem Weg in die Hände von Sadisten oder Perversen geraten."10 In einem Artikel des Magazins Look waren einige Photographien „gegerbter Haut . . ., die Lorenz C. Schmuhl nach Amerika gebracht hatte", abgedruckt. Schmuhl, angeblich ein Major der Armee, der 1945 für kurze Zeit dem Konzentrationslager Buchenwald zugeteilt war, berichtete, daß die Haut aus dem Haus Ilse Kochs stamme.11 Robert Kunzig, Vertreter der Anklagebehörde, erinnerte sich viele Jahre später, daß man umfangreiches Beweismaterial „wie Gold, Zähne und Haut" zusammengetragen hatte. Er hatte den Eindruck, daß ein großer Teil dieses Materials nicht 125

gerade sorgfältig gehandhabt wurde, „man bewahrte es in Zigarrenschachteln oder Ähnlichem a u f , es wurde anschließend gestohlen, oder, wie die Formulierung lautete, „von GI's befreit." 12 Das Gericht hatte bereits eine schriftliche Erklärung der Anklage als beweiskräftig akzeptiert. Sie besagte: „Einige Tonnen Beweisstücke . . . wurden von der amerikanischen Armee in Buchenwald sichergestellt . . . Diese besagten Beweisstücke, die sich gegenwärtig im Gewahrsam von Mr. William D. Denson oder Mr. von Blumenthal befinden, sind dieselben . . . , die ursprünglich von der amerikanischen Armee sichergestellt wurden . . ," 13 Trotz des scheinbar beeindruckenden Beweismaterials, das der Anklage zur Verfügung stand, gelang es den Verteidigern, das Gegenteil zu beweisen. Als sie gebeten wurden, besagten Lampenschirm, der sich unter den konfiszierten Gegenständen befinden sollte, vorzuzeigen, konnte die Anklage mit einer nur wenig überzeugenden Entschuldigung aufwarten: Das Gericht möge bitte zur Kenntnis nehmen, daß wir nichts lieber täten, als diesen Lampenschirm zu präsentieren. Als diese Beweisstücke im April 1945 an die 3. Armee übergeben wurden, erfolgte leider daraufhin ein Befehl, sie zusammen mit vielen anderen nach Nürnberg zu schicken. Wir besaßen natürlich eine Quittung. Im Oktober 1945 forderten wir diese Beweisstücke von Nürnberg zurück. Damals teilte man uns mit, daß die Personen, die uns die Quittung über die verschiedenen Gegenstände ausgestellt hatten, in die Vereinigten Staaten abgereist waren und daß . . . man nicht wisse, wo die spezifischen Gegenstände untergebracht seien.14 Gewisse Mitglieder der SS besaßen die makabre Angewohnheit, menschliche Haut zu fetischisieren. Die besagten Beweisstücke sollten während des Prozesses in Nürberg gegen die Hauptkriegsverbrecher die erste legale Diskussion über die Fetischisierung ergänzen. Hier erfuhr die Welt zum ersten Mal, daß in bestimmten nationalsozialistischen Konzentrationslagern die Haut von toten Gefangenen in den Pathologielaboratorien präpariert worden war. Unter einigen SS-Männern, die das widerwärtige Geschäft betrieben, war tätowierte Haut sehr begehrt. Sie ließen aus der Haut persönliche Gebrauchsgegenstände für den Verkauf und für den Handel herstellen (Lesezeichen, Etuis für Messer etc.).15 126

Die Alliierten hatten schon vor Kriegsende von diesen unmenschlichen Aktivitäten gehört, aber genaue Informationen waren nur spärlich zu erhalten. Ein Geheimbericht der U.S.-Armee vom Februar 1945 vermerkte die Geschichte eines deutschen Soldaten und ehemaligen Buchenwaldinsassen, der sich zum Zeitpunkt der Abfassung des Berichts als Kriegsgefangener in England befand. In dem Bericht wurde darauf hingewiesen, daß Männer wegen ihrer Tätowierungen getötet worden waren. Der deutsche Kriegsgefangene berichtete von einem Mann, dem die Worte „Hänsel und Gretel" auf das Bein tätowiert waren; sie seien später auf einer „Art Wildledertuch, das Frau Koch zum Fensterputzen benutzte", wieder aufgetaucht. 16 Eine ausführlichere Version desselben Berichts fand sich als Informationsbericht für Kriegsgefangene (PW - Prisoner-of-War - Intelligence Bulletin, 19. Dezember 1944) im Nürnberger Prozeß. Bei dem besagten Kriegsgefangenen handelte es sich um Andreas Paffenberger. Das „Wildledertuch" wurde nicht erwähnt. Man wies jedoch daraufhin, daß Frau Koch „Lampenschirme und andere Schmuckgegenstände", aus Menschenhaut hergestellt, erhalten hatte.17 Es ist möglich, daß der Hinweis auf das Ledertuch und den Fensterputz gestrichen wurde, weil Frau Koch die Hausarbeit nicht selbst verrichtete. Eine Schlüsselfigur in dem Geschäft mit der Menschenhaut in Buchenwald war der junge SS-Arzt Wagner. Er war nach Abschluß der medizinischen Ausbildung im Lager angekommen, hatte aber noch keine Doktorarbeit geschrieben. Auf der Suche nach einem Thema war er auf die Idee gekommen, den Zusammenhang von Tätowierung und Kriminalität zu untersuchen („Entwickeln tätowierte Menschen kriminelle Neigungen auf Grund ihrer Tätowierungen"').18 Er begann mit einer Katalogisierung der tätowierten Insassen; dazu gehörten Photos, Befragungen und Daten, die für die Arbeit von Belang waren. Wagners Projekt erweckte beträchtliches Interesse im Lager; SS-Leute diskutierten offen darüber. Einem Gerücht zufolge soll die Dissertation von einigen Gefangenen geschrieben worden sein; dies war keine Ausnahme. Die Dissertation wurde schließlich von der Universität Jena angenommen.19 Von einigen ehemaligen Insassen lagen Augenzeugenberichte über ihre Arbeit im Pathologielabor des Lagers vor. Sie beschrei127

ben detailliert, wie die Haut ausgewählt und gegerbt wurde. Einer dieser Zeugen, der Physiker Kurt Sitte, erklärte, die Haut sei im Lager nur präpariert worden; über die endgültige Verwendung habe man an anderer Stelle bestimmt. 20 Obwohl im Mai 1942 der Chefarzt der SS in Weimar eine sofortige Einstellung weiterer Hautpräparationen in Buchenwald anordnete, wurde die Arbeit fortgesetzt.21 Bis annähernd 1944 war die Präparation und der Handel mit Menschenhaut eine gängige Praxis im Lager; die Beweislage bestätigt dies übereinstimmend. Im Hinblick auf die Frage, ob Ilse Koch Gegenstände aus Menschenhaut besaß, oder ob sie befahl, Gefangene wegen ihrer tätowierten Haut zu töten, erwiesen sich die vorgelegten Beweise alles andere als schlüssig. Die Aussagen, die sie am meisten belasteten, kamen von zwei Zeugen der Anklage, Kurt Sitte und Herbert Froboeß. Titz war schon als Zeuge gegen das Ehepaar Koch im SSProzeß aufgetreten. Als Beispiel für seinen beschränkten Geisteszustand mag seine Bitte gelten, nach dem SS-Prozeß weiter im Haushalt Koch arbeiten zu dürfen, ungeachtet der Tatsache, daß er gegen sie ausgesagt hatte!22 In Dachau bestätigte Titz, er habe im Salon der Villa Koch zwei Lampenschirme gesehen: eine Lampe auf dem Tisch, die andere in einer Zimmerecke. „Man erklärte mir", so Titz, „daß die Lampenschirme aus Menschenhaut angefertigt seien. Zwischen den beiden Lampenschirmen befand sich ein Totenkopf. Der kleine Artwin (Ilses Sohn) spielte mit diesem Totenkopf, indem er die Zähne herauszog." 23 Zu Titz' Pflichten gehörte das tägliche Abstauben der Lampen. Aber er konnte sich nicht daran erinern, ob die Lampenschirme ein Muster hatten oder nicht: „Ich kann mich nicht erinnern . . . für mich war es immer furchtbar, sie anzuschauen; ich wußte ja, daß sie aus Menschenhaut gemacht waren. Jedesmal, wenn ich diese Lampen anschaute, war es ganz schrecklich . . . Ich sah sie jeden Tag." Nach weiterer Befragung gab er dem Gericht schließlich eine Beschreibung; ein Lampenschirm hatte sechs Seiten mit Punkten und Quadraten an den Rändern; auf dem anderen Lampenschirm war ein Segelboot abgebildet.24 Morgen, der während der Vorbereitung des Prozesses der SS gegen die Eheleute Koch Titz gründlich befragt hatte, zeigte sich 128

einigermaßen überrascht von Titz' Aussage. Er wußte, daß Titz von seiner Abneigung gegen Frau Koch gesprochen hatte; denn sie hatte ihn wegen Trunkenheit gemeldet, und weil er ihre Kleider getragen hatte. Aber Morgen war davon überzeugt, daß Titz nie irgendwelche Lampenschirme erwähnt hatte: „Es war offensichtlich, daß Titz Frau Koch nicht mochte; trotzdem beschuldigte er sie nicht, einen Lampenschirm, Handschuhe, eine Schachtel oder Ähnliches aus Menschenhaut zu besitzen . . ,"25 Bevor die Befragung des Zeugen Titz abgeschlossen wurde, gelang es der Verteidigung zu beweisen, daß er gelogen hatte, als er sagte, er sei, bevor er in den Zeugenstand getreten sei, nie von der Anklage befragt worden.26 Der andere Zeuge, Herbert Froboeß, war älter als Titz. Er drückte sich klarer aus und war zunächst weit überzeugender. Seine Vorgeschichte war beeindruckend. Laut Gerichtsakte war er Franziskanerpater gewesen. 1934 wurde er bei einem Besuch in Deutschland verhaftet. Seine Fähigkeit, sich auch an Einzelheiten zu erinnern, war erstaunlich. Als man ihn z.B. fragte, ob er jemals gesehen habe, ob Frau Koch Handschuhe aus tätowierter Haut trug, antwortete er: „Ja. Bei jener Gelegenheit trug sie den linken Handschuh in der linken Hand. Er war weißlich-gelb; auf die Rückseite dieses Handschuhs war ein Stern tätowiert." 27 Wenn man berücksichtigt, daß diese Zeugenaussage im Mai 1947 abgegeben wurde, etwa sieben oder acht Jahre nach dem Zwischenfall, erscheint die Genauigkeit im Detail beeindruckend. Es ist möglich, daß der belastendste Augenzeugenbericht, den Froboeß lieferte, Ilses berüchtigte Suche nach Tätowierungen unter Lagerinsassen betraf: . . . Frau Koch erschien zu Pferd. Ein Kamerad befand sich im Lager - sein Name war Jean - Franzose oder Belgier. Er war im ganzen Lager wegen seiner Tätowierungen bekannt. Er hatte einige ausgezeichnete Tätowierungen vom Kopf bis zu den Zehen . . . Ich erinnere mich besonders an eine farbige Kobra, die sich den ganzen linken Arm hinaufschlängelte . . . auf seiner Brust hatte er ein außergewöhnlich deutlich tätowiertes Segelboot mit vier Masten. Selbst heute kann ich es noch klar vor meinen Augen sehen. Frau Koch ritt sehr nahe an ihn heran. Sie betrachtete ihn, dann notierte sie seine 129

Nummer. An jenem Abend wurde der Mann aufgerufen und danach nie mehr gesehen. 28 Einige Wochen später, so fuhr Froboeß fort, während eines Besuchs im Pathologielabor, zeigte ein Freund ihm mehrere Hautstücke und ,,. . . zu meinem Entsetzen erkannte ich dasselbe Segelboot, das ich an Jean gesehen hatte." Bald danach, sagte Froboeß, befahl man ihm, eine Familienchronik für die Kochs vorzubereiten, die sie in ihr privates Photoalbum legen wollten, und da, auf dem Einband war das Segelboot!29 Als Froboeß von der Verteidigung befragt wurde, gab er zu, daß er möglicherweise auch nicht an dem Photoalbum gearbeitet hatte, sondern eher an einer Art „. . . faltbaren Aktenmappe" mit einem dunkelbraunen Einband. Ferner gab er zu, daß er Einzelheiten durcheinanderbringe, da er die Geschichte bereits mehrfach der Presse erzählt habe und mittlerweile Einzelheiten verwechsle.30 Um Froboeß' Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen, war die Verteidigung darauf bedacht, eine Photographie zu präsentieren, die ihn in Mönchskleidung zeigte, aufgenommen im Oktober 1945. Sie legten auch eine eidesstaatliche Erklärung eines katholischen Priesters vor, der im Gefängnis für Kriegsverbrecher in Landsberg angestellt war. Der Priester sagte aus, der Mann, der als Franziskanermönch gekleidet war und sich Pater Froboeß nannte, habe ihn gebeten, ihm bei der Befreiung eines Gefangenen namens Foerschner zu helfen. 31 Der Verteidigung gelang es, Frau Foerschner in den Zeugenstand zu berufen. Sie berichtete, Froboeß sei zu ihr gekommen und habe sie um Geld gebeten; er habe ihr versprochen, ihrem Mann zu helfen. Das Gericht wies ihre Aussage als „ . . . unerheblich und ohne sachlichen Zusammenhang mit dem Fall" 32 zurück. Ein vertraulicher Bericht der US-Armee über Froboeß vermerkte, daß er manchmal den Namen ,Vater Herbert' benutzte. Außerdem habe er darauf gedrängt, „die wahre Geschichte" über Buchenwald zu erzählen. Kurz nach dem Krieg war er aus einem Franziskanerkloster nahe Fulda ausgeschlossen worden, „ . . . weil er nicht in der Lage war, das Amt eines Priesters zu versehen." In dem Bericht wurde abschließend notiert, daß Froboeß ein Strafregister besaß, das mit einer Verhaftung wegen Fälschung 1926 begonnen hatte. Als Hitler 1933 an die Macht kam, befand er sich

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wegen einer anderen Straftat im Gefängnis. Schließlich wurde er als krimineller Gefangener nach Buchenwald gebracht. 33 Die Zeugenaussagen von Titz und Froboeß wurden von einem ehemaligen Insassen bekräftigt. Es handelte sich um Gustav Wegerer, der im Pathologielabor gearbeitet hatte. Er erinnerte sich, daß SS-Standartenführer Koch an einem Tag im Herbst 1941 in das Labor kam, als er anwesend war, um Haut für einen Lampenschirm sowie Messer- und Maniküreetuis auszusuchen. 34 Wegerer sagte nicht, ob er die Gegenstände fertig gesehen habe, ober ob sie jemals in den Besitz von Frau Koch gelangten. Ein anderer Zeuge konnte jedoch mehr Informationen beisteuern. Kurt Sitte, der ebenfalls im Labor arbeitete, bestätigte, daß er das Messeretui gesehen habe und daß es für eine SS-Wache gemacht worden sei. Es habe sich im Labor befunden, als das Lager befreit wurde. Sitte sagte aus, er habe das Etui einem Mitglied einer britischen Parlamentsabordnung gezeigt; es sei nie zurückgegeben worden.35 Wie die anderen Insassen, so wußte auch Sitte von dem Lampenschirm; er habe ihn aber nie gesehen: „Ich erfuhr davon 1941 von Gefangenen, mit denen ich in der Freizeit Handball spielte." Da Sitte zum Zeitpunkt der Befreiung noch im Lager war, befand er sich in der Menge, als die Amerikaner einen Lampenschirm zeigten, der angeblich aus Frau Kochs Haus stammte. „Es war ein Lampenschirm aus lichtdurchlässigem Material, woher das Material stammte, wußte ich nicht. Es hätte Menschenhaut sein können. Ich weiß es nicht." 36 Der Verteidiger drängte ihn, eine genauere Aussage zu machen. Schließlich antwortete der tschechische Physiker: „Nein. Auf Grund der Beschreibung, die wir erhielten, war es nicht der Lampenschirm für Frau Koch. Er hätte aus tätowierter Menschenhaut sein müssen mit einem Fuß aus Menschenknochen." Er fügte hinzu, daß er keinen Gefangenen persönlich gekannt habe, der eine solche Lampe in der Wohnung der Kochs gesehen hätte.37 Sittes Hinweis auf den „Lampenfuß aus Menschenknochen" stammte aus einer früheren Aussage. Darin wurde eine Schreibtischlampe beschrieben, die angeblich zum Geburtstag des Standartenführers angefertigt werden sollte. Sie hatte einen „Fuß, der aus dem Skelett eines Gefangenenfußes gemacht war, mit einem weißen Knopf auf dem kleinen Zeh als Lichtschalter." 38 131

Andere Zeugen der Anklage, alle ehemalige Buchenwald-Häftlinge konnten nur wenig Aufschluß über die endgültige Verwendung der fragwürdigen Lampe oder irgendeiner anderen geben: Friedrich Wilhelm F: Nun, was geschah mit der Lampe? A: Ich weiß es nicht. F: Nun, wußten Sie es überhaupt? A: Nein. F: Haben Sie jemals gesehen, was mit ihr geschah? A:Man sagte, SS-Standartenführer Koch habe sie erhalten. Dr. Peter Zenkel F: Haben Sie jemals mit einem Gefangenen gesprochen, der an einem Auftrag zur Produktion von Lampenschirmen arbeitete? A: Ich habe gesagt, daß es Gefangene gab, die sie tatsächlich gesehen hatten. Ich habe gesagt, daß ich sie selbst nicht gesehen habe . . . , wenn ich mich richtig erinnere, so sagte mir der befehlshabende Offizier der amerikanischen Besatzungstruppen, er habe sie gesehen.39 Dr. Paul Heller F: Auch wenn Sie die Gegenstände aus Haut nicht gesehen haben, haben Sie davon gehört? A: Natürlich. Im Lager war allgemein bekannt, daß Frau Koch diese Lampenschirme besaß; aber, wie ich oben bereits sagte, hatte ich nie Gelegenheit, sie zu sehen.40 Ilses Schwägerin, Erna Raible, die die Einrichtung des Kochschen Hauses gut kannte, war der Ansicht, daß die Lampen und die Schirme aus herkömmlichen Material hergestellt waren. Sie erinnerte sich an eine Stehlampe und an eine Schreibtischlampe im Wohnzimmer; beide hatten Schirme aus Pergament. 41 Die gleiche Beschreibung lieferte Schmidt, Karls Stiefbruder, der die Kochs ebenfalls mehrfach in Buchenwald besucht hatte. 42 Frau Koch bestand darauf, daß sie allen Grund hatte, die Lampenschirme gut zu kennen, denn sie hatte das Papier für die Schirme kurz nach ihrer Heirat in Berlin gekauft: „Im anderen Zimmer stand eine Lampe mit einem Glasfuß und einem Schirm aus Stoff." 43 Das seien die Lampen gewesen, die Titz abstaubte, während er für sie arbeitete, sagte sie, sie seien mit dem übrigen Hausrat verpackt und nach Saatz transportiert worden.44 132

Obwohl Ilse den amerikanischen Film gesehen hatte, der in Buchenwald gedreht worden war und die Lampe, die angeblich in ihrer Wohnung gefunden worden war, zeigte, sagte sie, daß dies unwahrscheinlich sei, da sie seit 1943 nicht mehr im Lager gelebt habe. Alles, was ihr gehörte, sei weggeschafft worden. Sie leugnete nicht, daß so eine Lampe existiert hatte. Laut ihrer Erklärung hätte sie jemanden gehören können, der nach ihr in dem Haus lebte.45 Sitte hatte bereits bestätigt, daß er zu dem Zeitpunkt, als die Ermittlungen der SS im Fall Karl Koch schon im Gange waren, einen Brief aus dem Berliner Hauptquartier gesehen hatte. In diesem verlangte man Aufklärung über das Gerücht, in Buchenwald würden Lampenschirme aus Menschenhaut hergestellt.46 Wenn sich tatsächlich Gegenstände aus Menschenhaut in ihrem Haus befunden hätten, als Morgen sie verhaftete, „. . . dann wären sie als Beweismaterial im Prozeß gegen meinen Mann benutzt worden . . ., um mich zu überführen." Diese Behauptung Ilses entbehrt nicht einer gewissen Logik.47 Die Zeugenaussagen, die sich auf die Lampenschirme bezogen, glichen in ihrer Vielfalt einem Labyrinth. Der Anklage gelang es jedoch nicht, diese Aussagen für sich zu nutzen, da sie den Lampenschirm nicht vorweisen konnte. Als das Gericht seine Aufmerksamkeit den persönlichen Photoalben Ilse Kochs zuwandte, schien die Sache zunächst anders auszusehen.48 Verglichen mit der Verwirrung, die der Lampenschirm hervorgerufen hatte, schienen die Photoalben zumindest bei Beginn kein Problem darzustellen. Ilse Koch besaß zwei Alben mit einer Reihe von Familienphotos, unter einige waren Erläuterungen und Daten geschrieben. Sie war angeklagt, zwei Alben mit einem Einband aus tätowierter Menschenhaut zu besitzen. 49 Sowohl Titz als auch Froboeß hatten Photoalben beschrieben; ein Album und eine „Familienchronik", die Frau Koch gehörten. Sie hatten einen Einband aus tätowierter Menschenhaut. Froboeß behauptete, er habe die Erläuterungen geschrieben und auf einem der Alben sei ein Segelboot abgebildet gewesen.50 Ilse leugnete nicht, zwei Alben mit Familienphotos zu besitzen. Sie hatte sie 1943 Frau Raible zur Aufbewahrung gegeben. Damals, so Ilses Erklärung, ging Frau Raible mit den Kindern nach Ludwigsburg, da habe sie ihr die Alben gegeben. Als Ilse später von den Amerikanern verhaftet wurde, befanden die Alben sich in 133

ihrem Besitz. Sie forderte die Anklage auf, die Photoalben vorzuzeigen, wenn sie tatsächlich - wie die Anklage lautete - in Menschenhaut eingebunden waren. Sie wußte, daß sie sich im Besitz der Anklage befanden, denn viele der Photos, die kurz zuvor in der amerikanischen Presse veröffentlicht worden waren, stammten aus diesen Alben: Ich möchte hier hinzufügen, daß ich versuchte, einen Brief aus dem Gefängnis zu schmuggeln, als ich zum ersten Mal in den Zeitungen las, man verdächtige mich, eine Familienchronik mit einem Einband aus Menschenhaut zu besitzen. In diesem Brief bat ich jemanden, mir die Alben zu bringen . . .; zu der Zeit wußte ich nicht, daß sie von der Militärregierung beschlagnahmt worden waren. In demselben Brief bat ich auch darum, der Zeuge Titz, dessen Adresse mir bekannt war, möge vorgeladen werden, um als Zeuge für die Verteidigung aussagen zu können. Damals hatte ich das Gefühl, daß die Gerüchte nur von Titz stammen könnten (sie leugnete, Froboeß zu kennen). Da er im Prozeß meines Mannes überhaupt nicht ausgesagt hatte, war ich der Meinung, daß er hier für mich aussagen könne. Dieser Brief geriet vermutlich in die Hände der Anklage, denn innerhalb von 24 Stunden stand Titz zur Verfügung ungeachtet der Tatsache, daß sein Wohnort sich in der sowjetischen Zone befand. 51 Bevor der Prozeß im August abgeschlossen wurde, sollte Ilse noch eine weitere Bemerkung über ihre Photoalben machen. Eine Zusammenfassung des Beweismaterials gegen Ilse Koch zeigt, daß drei Zeugen der Anklage und ein Zeuge der Verteidigung aussagten, sie sei im Lager als die „Kommandeuse" bekannt gewesen, die hin und wieder den Insassen ebenso wie den Wachen Befehle gab. Einige Zeugen sagten aus, Ilse Koch habe zugesehen, wie Gefangene entkleidet und durchsucht wurden, während zwei Zeugen aussagten, sie hätten gesehen, wie sie Gefangene schlug. Fünf Zeugen berichteten, sie hätten von Gefangenen gehört, die gestorben seien, nachdem Ilse Koch ihrem Mann Meldung über sie erstattet hatte. Eine weitere Zeugenaussage bestätigt die Existenz von Einrichtungen zum Trocknen und Gerben von Menschenhaut in Buchenwald. Einige Zeugen sagten aus, sie hätten Gegenstände aus Menschenhaut gesehen; drei Hautstücke und ein Schrumpfkopf 134

wurden als Beweisstücke vorgezeigt. Zwei Zeugen der Verteidigung bestätigten, sie hätten Lampenschirme, Photoalben und Handschuhe aus tätowierter Haut in Frau Kochs Besitz gesehen. Einige andere Zeugen der Anklage lieferten eine Aussage, die das gleiche Thema betraf, aber nur auf Gerüchten beruhte. Was die Angeklagte betraf, so schworen sechs Zeugen der Verteidigung, daß es keine Gegenstände aus Menschenhaut weder in ihrem Haus noch in ihrem persönlichen Besitz während ihrer Zeit in Buchenwald gegeben habe. 52 Kein Beweisstück mit Ilse Kochs Namen, Unterschrift oder offizielle Korrespondenz, die sich auf die Verwaltung des Lagers bezog, während ihr Mann dort Kommandant war, wurde jemals gezeigt. Am 12. August, als das Gericht zu dem Entschluß gekommen war, ein Urteil zu fällen, war Ilse gerade von einer Untersuchung im Krankenhaus, die in Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft stand, zurückgekommen. Die Sitzung wurde um zehn Uhr eröffnet. Präsident Kiel bat alle Angeklagten, sich zu erheben. Dann fuhr er fort, das Urteil zu verlesen: In geschlossener Sitzung, mit mindestens 2/3 Mehrheit der vorgeschriebenen Zahl, kam das Gericht überein, daß jeder der Angeklagten der in der Anklageschrift aufgeführten Handlungen für schuldig befunden wird und sieht sie als überführt an. Die Angeklagten mögen sich setzen.53 Die Angeklagten wurden auf das Recht des letzten Worts hingewiesen. Obwohl Ilse Koch geschworen hatte, nie mehr vor Gericht zu sprechen, gab sie eine Stellungnahme ab. Am Tag vorher hatte sie eine weitere Geschichte über sich gelesen. Zunächst sprach sie von ihrem Zorn und der Enttäuschung angesichts der Tatsache, daß die Nachrichtenmedien regelmäßig Photos aus ihren Alben veröffentlichten, die Alben selbst aber nie vor Gericht gezeigt wurden: „Es würde . . . einfach sein, festzustellen, ob der Zeuge Froboeß die Wahrheit über den Einband gesagt hat." 54 Ärgerlich wies sie die Geschichten, die mit erläuternden Photos aus ihren Alben gedruckt wurden, zurück. Da sie schon seit längerem wußte, was über sie geschrieben wurde, sagte sie, die Lügen würden ihren Kindern, ,,. . ., die schon genug wegen dieser unerhörten Hetze gelitten hätten," 55 sehr schaden. Zwei Tage später verkündigte das Gericht das Urteil: 135

In geschlossener Sitzung, mit 2/3 Mehrheit der vorgeschriebenen Zahl, verurteilt das Gericht die Angeklagte Ilse Koch zu lebenslänglicher Haftstrafe, beginnend mit dem Datum des heutigen Tages, im Gefängnis 1 für Kriegsverbrecher, Landsberg, Deutschland, oder in anderen, von einer kompetenten Militärbehörde dafür eingerichteten Institutionen.56

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Das Urteil gegen Ilse und die anderen Angeklagten war einstimmig: es enthielt keine schriftlichen Stellungnahmen. Alle Angeklagten wurden schuldig gesprochen, Kriegsgesetze und -regeln durch grausames Verhalten und Massenmord verletzt zu haben. Ferner wurden sie beschuldigt, am „gemeinschaftlich gefaßten Plan" (common design) beteiligt gewesen zu sein. Als das Urteil verlesen wurde (sechs zu drei Stimmen stimmten für eine lebenslängliche Haftstrafe, von den übrigen drei Stimmberechtigten plädierte einer für die Todesstrafe). Weil Ilse schwanger war, befand sich auch ein Arzt im Gerichtssaal, der im Gegensatz zu den vorangegangenen Tagen mit Zuschauern gefüllt war. Ein Richter soll bemerkt haben, Frau Koch sei der Todesstrafe nur entgangen, weil sie ein Kind erwartete." Sie war 41 Jahre alt. Als der Buchenwald Prozeß in Dachau zu Ende ging, wurden in der Presse häßliche Gerüchte laut, die Russen hätten das Lager wieder geöffnet. Sie sollen beabsichtigt haben, einige Gefangene dort zu internieren, zum größten Teil Sozialdemokraten, die sich dem kommunistischen Regime widersetzten. Man bemerkte, daß die Bedingungen im Lager denjenigen unter Kochs Verwaltung glichen.58 Bezeichnend für die Reaktion der Presse auf das Urteil war ein Artikel des Time Magazine: Die schmutzige Schlampe auf der Anklagebank blinzelte nervös zu den sechs US-Offizieren auf der Münchener Tribüne. In abgehacktem Tonfall verlas US-Brigadegeneral Emil Kiel das Urteil: ,Ilse Koch - lebenslänglich'. Gerechtigkeit hatte die rothaarige . . . Hexe von Buchenwald, die Gefangene im nationalsozialistischen Konzentrationslager zu ihrem Vergnügen schlagen und, nachdem sie an der Folter gestorben waren, aus ihrer Haut Handschuhe und Lampenschirme anfertigen ließ, eingeholt.59 Ungefähr eine Stunde nach Verkündigung des Urteils hielt Major D.S. Purl, der in Dachau bei der Sondereinheit für Kriegsver136

brechen (War Crimes Detachment) Dienst tat, vor dem Büro, das sich die Vertreter der Verteidigung, Major Carl Whitney und Hauptmann Emanual Lewis, teilten. Major D.S. Purl erwartete, daß seine Freunde von dem Urteil enttäuscht waren, aber stattdessen fand er sie wütend vor. Einige Minuten zuvor war nämlich ein Mitglied der Anklage erschienen und hatte ihnen die beiden Photoalben von Ilse Koch gezeigt. Während des gesamten Prozesses hatten sie sich im Besitz der Anklage befunden! 60 Purl erinnerte sich, daß Lewis und Whitney dabei waren, die Photoalben zu untersuchen, als er ihr Büro betrat: „Beide Alben waren in schwarzes Leder gebunden. Die Photographien zeigten Ilse Koch, ihre Kinder, Freunde und Verwandte . . . Photos, wie man sie in jedem gewöhnlichem Familienalbum findet." Entrüstet erzählte Whitney ihm, „. . . daß die Verteidigung nie über die Verfügbarkeit solcher Alben informiert worden sei; ihr sei nie mitgeteilt worden, daß die Anklage die Alben besitze." Lewis fügte hinzu, ,Froboeß' Zeugenaussage hätte mit den Alben völlig entkräftet werden können. 61 Der nächste Schritt bestand darin, ein Gnadengesuch einzureichen. Für den Augenblick schien der Fall Ilse Koch jedoch abgeschlossen zu sein. Die Nachricht von der Geburt eines unehelichen Kindes im Landsberger Stadtkrankenhaus erregte nur wenig Aufmerksamkeit. Ein Sohn - er wog sieben Pfund und erhielt den Namen Uwe - wurde dem örtlichen Kinderfürsorgeamt übergeben. Ilse kehrte schon bald zu ihrer Arbeit in der Schneiderwerkstatt des Gefängnisses, wo sie nähte und Kleider flickte, zurück. 63 Der erste rechtliche Schritt, den die Verteidigung unternahm, bestand in der Abfassung eines Begnadigungsantrags. Sie stützte sich zum Teil auf die Tatsache, daß „ . . . die berüchtigten Photoalben in weniger als einer Stunde nach Verkündigung des Urteils" 64 aufgetaucht waren. Das Gnadengesuch wurde abgelehnt. Whitney und Lewis ließen nicht nach. Sie bereiteten einen ausführlichen Revisionsantrag vor. Zunächst meldeten sie ihre Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen Titz und Froboeß an. Sie stellten auch Froboeß' Anstellung als technischer Zeicher in Dachau - als solcher bereitete er Beweisstücke für das Gericht vor in Frage, während er gleichzeitig einer der Hauptzeugen der Anklage war. Sie konzentrierten sich hauptsächlich auf die Schwächen des Prozesses: 137

Die Macht von Propaganda und Massensuggestion kann wohl kaum besser illustriert werden als im Fall Ilse Koch. Lange vor dem Prozeß war sie in der Öffentlichkeit schon als ,Hexe von Buchenwald' - als grünäugige, rothaarige Nymphomanin, die sich daran erfreute, Lampenschirme und andere Gegenstände aus Menschenhaut zu sammeln - , verurteilt. Geschichten wurden begierig von Person zu Person verbreitet, die Presse schmückte sie mit grellen Details aus; jeder neue Bericht ergänzte das Bild durch unwahrscheinlichere Einzelheiten. Aber als dann die Beweisstücke im Gerichtssaal vorgezeigt werden sollten, fehlte es der Beweislage an Substanz. Dasselbe Stück Haut mit einem tätowierten Segelboot wurde von einem Zeugen auf dem Photoalbum Ilse Kochs (Froboeß, Aktenseiten 1362-1364) und von einem anderen Zeugen (Titz, Aktenseite 1257) auf einem Lampenschirm in ihrem Haus gesehen. Andere gaben voneinander abweichende Darstellungen; jede Beschreibung unterschied sich von der vorangegangenen . . . Ein Zeuge sagte aus, der besagte Lampenschirm befinde sich im Besitz der US-Truppen und sei von ihnen kurz nach der Befreiung Buchenwalds als Eigentum Ilse Kochs gezeigt worden (Aktenseite 2330). Die Anklage bemühte sich nicht, den Lampenschirm zu präsentieren; ihre Versuche, das Nichtvorhandensein zu erklären, waren wenig überzeugend. Die berüchtigten Photoalben befanden sich ebenfalls im Besitz der Anklage; diese Tatsache wurde während des gesamten Prozesses geheimgehalten. Diese Photoalben werden zusammen mit diesem Antrag abgeschickt. Ihre Existenz soll beweisen, daß die Frage, ob Menschenhaut als Einband für Ilse Kochs Photoalben benutzt wurde, sich niemals gestellt hat. Und die Anklage wußte, daß dies eine Tatsache war! . . . Von den grellen Schilderungen der Lampenschirme und der tätowierten Haut war es nur ein Schritt bis zu den düsteren Beschreibungen anderer Greueltaten - Auspeitschen von Gefangenen, Melden zur Bestrafung - und einem Bündel weiterer Beschuldigungen. Auch wenn man eingesteht, daß Ilse Koch an solchen Handlungen beteiligt war, wie kann bewiesen werden, daß sie am „gemeinschaftlich gefaßten Plan" (common design) beteiligt war? Sie hatte keine offizielle Stellung im Lager, sie war nicht Mitglied der gefürchteten SS. Sie war weder an der Festlegung der Richtlinien noch an der Ausführung unmenschlicher Praktiken innerhalb 138

der Lagerverwaltung beteiligt. Was auch immer sie falsch gemacht haben mag, es geschah aus eigenem Willen und als Ausdruck ihres perversen Charakters - ihre Handlungen konnten nie mit der Verwaltung eines Konzentrationslagers in Verbindung gebracht werden. 65 Das Revisionsverfahren durchlief nun den offiziellen Weg durch die Instanzen der Armee bis auf den Schreibtisch von General Clay. Angesichts der Ergebnisse, die das Revisionsverfahren hervorbrachte, und der anschließenden Wirkung, ist es wichtig, das Verfahren genauer zu untersuchen. Es gehörte zur Verfahrensweise des Militärs, alle Fälle von Kriegsverbrechen noch einmal zu bearbeiten. Das Interesse, das man Ilses Fall zukommen ließ, war deshalb nicht unbedingt auf die Anfrage von Whitney und Lewis zurückzuführen, auch wenn ihre Petition einiges Aufsehen erregte. Der erste Schritt wurde unmittelbar in München in der Dienststelle des stellvertretenden Militäranklägers beim Chef des Heeresjustizwesens (the Deputy Judge Advocate's Office of the 7708 War Crimes Group) unternommen. Sie unterstand dem Befehl von Oberstleutnant C.E. Straight. Die Schlüsselfigur zu Beginn des Revisionsverfahrens war Major Thomas Marmon, Straights Berater. Er hatte die Aufgabe, Akten über Kriegsverbrechen zu lesen, sie noch einmal durchzuarbeiten und Straight zu beraten. Harold Kuhn und Richard Schneider, zwei Zivilrechtsanwälte, assistierten Marmon bei seiner Arbeit. Die drei Revisionsbeamten erhielten die Akten über den Fall Koch im Oktober 1947. Die folgenden Wochen verbrachten sie damit, die Akten durchzuarbeiten und verschiedene Aspekte, die sich bei Durchsicht des Beweismaterials ergaben, zu erörtern. Kuhn und Schneider kamen zu dem Schluß, daß das Urteil zu streng war; man dürfe es nicht billigen. Marmon sagte: „Nachdem ich die vollständige Aussage sorgfältig gelesen hatte . . . stimmte ich zu." 66 Sie waren der einhelligen Meinung, daß Ilse Koch nicht am „gemeinschaftlich verfaßten Plan" (common design) beteiligt war, wie die Anklage lautete; sie sei nur in Buchenwald gewesen, weil sie mit dem Kommandanten verheiratet war. Es gab „. . . kein maßgebendes Beweismaterial, das die Vermutung, sie hätte irgendein mit Autorität ausgestattetes Amt in Verbindung mit der Verwaltung des Lagers innegehabt" 67 , belegen konnte. Diese Meinung 139

wurde unmittelbar nach Beendigung des Prozesses geäußert. Sie kündigte eine beunruhigende Wende im Fall Koch an. Harold Kuhn gewährte Einblick in den Standpunkt, den sie eingenommen hatten: Wir alle stellten uns die Frage, ob das Beweismaterial ausreiche, einem Urteil zuzustimmen, welches besagte, daß Ilse Koch ,nach einem gemeinschaftlich gefaßten Plan vorging und in nachstehend geschilderter Weise handelte, wobei sie zu Unrecht und gesetzeswidrig handelnd ermutigte, unterstützte, anstiftete und Beihilfe leistete bei der Verwaltung des Konzentrationslagers Buchenwald.' . . . Mit anderen Worten, was die Verwaltung des Lagers betraf, war sie ahnungslos; es sei denn, ihre Taten würden ausreichen, um sie mit der Verwaltung des Lagers in Verbindung zu bringen, um sie für die zahllosen ungeheuerlichen Verbrechen, die im Lager begangen wurden, verantwortlich zu machen. Aus dem Beweismaterial wurde ersichtlich, daß sie in einigen vereinzelten Fällen Gefangene mißhandelte . . . Wir glauben nicht, daß sie Insassen töten ließ, um ihre tätowierte Haut zu erhalten, wie Froboeß aussagte. 68 Ein Entwurf ihres Empfehlungsdokuments und die sachdienlichen Akten wurden für Oberstleutnant Straight vorbereitet. Nach einer sorgfältigen Lektüre rief Straight sie im November alle zusammen, um ein umfassendes Empfehlungsdokument abzufassen. Der Fall wurde einer gründlichen Prüfung unterzogen, und Straight deutete an, daß er einer Urteilsmodifizierung zustimmen würde. Er war jedoch nicht davon überzeugt, daß Ilse Koch am „gemeinschaftlich gefaßten Plan" unbeteiligt war. 69 Es herrschte Meinungsverschiedenheit im Hinblick auf die Person, die vorschlug, das Urteil in eine vierjährige Haftstrafe umzuändern. Schneider sagte, die Zahl sei zuerst von Straight genannt worden; er selbst habe sofort zugestimmt.70 Marmon nimmt jedoch für sich in Anspruch, die Zahl vor allen anderen genannt zu haben, die anderen hätten daraufhin zugestimmt.71 Folgt man Kuhns Darlegung, dann kamen sie alle drei in einer gemeinsamen Diskussion überein, eine vierjährige Haftstrafe zu verhängen. 72 Wie auch immer die Entscheidung getroffen wurde, der Vorschlag Straights, den Hinweis auf Frau Kochs Beteiligung am „gemeinschaftlich verfaßten Plan" nicht zu streichen, gleichzeitig

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jedoch Bedenken angesichts des Strafausmaßes zu äußern, wurden akzeptiert. Immerhin war er der befehlshabende Offizier. Kuhn und Schneider unterzeichneten das Empfehlungsdokument. Marmon unterzeichnete nicht, höchstwahrscheinlich, weil er der Klausel über den „gemeinschaftlich gefaßten Plan" nicht zustimmen konnte. Straight billigte das Dokument; man schlug vor, das Strafmaß für Ilse Koch auf vier Jahre zu senken, datierend vom 18. Oktober 1945." Das Revisionskomitee stellte fest, daß genügend Beweismaterial vorhanden war, um zu beweisen, Ilse Koch habe, mit dem Wissen, daß sie bestraft werden würden, Gefangene gemeldet und mindestens bei einer Gelegenheit persönlich geschlagen. Auch wenn sie am „gemeinschaftlich verfaßten Plan" beteiligt war, „. . . Ausmaß und Charakter ihrer Beteiligung rechtfertigen nicht die lebenslängliche Haftstrafe." 74 Straight und seine Mitarbeiter beendigten die Arbeit. Am 15. November lag das Empfehlungsdokument zur Weitergabe an den zuständigen Chef des Heeresjustizwesens in Frankfurt (Judge Advocate Division, European Command; EUCOM) bereit. Das Empfehlungsdokument, zusammen mit den Gerichtsakten, kam am 9. März im EUCOM-Hauptquartier an.75 Die Verzögerung mag auf die Weihnachtsferien zurückzuführen sein. Aber es ist auch gut möglich, daß niemand in Straights Büro es als besonders dringlich betrachtete, das öffentliche Interesse am Fall Koch zu beleben, wenn nicht unbedingt notwendig. Es bedurfte keiner großen gedanklichen Anstrengung, um die Sprengkraft des Empfehlungsdokuments zu erkennen. Als der Fall erst einmal beim Chef des Heeresjustizwesens in Frankfurt eingegangen war, bearbeitete man ihn ziemlich schnell. Der Fall wurde sofort Oberst Howard Bresee, dem Chef der Behörde für Kriegsverbrechen, Abteilung für Wiederaufnahmeverfahren (War Crimes Board, Review Branch) übergeben; der leitete ihn dann an das Review Board N o . 5 weiter. Während der folgenden sechs oder sieben Wochen befaßte sich Board No. 5, bestehend aus drei Offizieren des Rechts, alle im Rang eines Obersten, mit den Münchener Akten, und ohne den Anklagepunkt des „gemeinschaftlich gefaßten Plan", wie die Gruppe um Straight es getan hatte, zu erörtern, stimmten sie mit den Ergebnissen überein und unterstützten eine Verkürzung des Strafmaßes auf vier Jahre. 76 141

Dem Dienstweg folgend leitete Board No. 5 am 30. April das Empfehlungsdokument an Oberst J.L. Harbaugh, Vertreter der Anklagebehörde in General Clays Stab, weiter. Harbaugh kannte den Bericht; darüber hinaus hatte er bereits mit Bresee über den Fall gesprochen. Dieser hatte mündlich die Unterstützung von Straights Beschluß und des Empfehlungsdokuments geäußert. 77 Bis zur ersten Maiwoche verfügte Harbaugh über die Berichte Straights und des Board No. 5; mit der Haltung Bresees war er ebenfalls vertraut. Alle empfahlen eine Verringerung des Strafmaßes auf vier Jahre. Harbaugh studierte das Material (später wurde die Frage laut, ob er die Prozeßakte vollständig gelesen habe). Er beriet sich mit einigen Leuten vom Komitee für Revisionsverfahren; dazu gehörten auch Straight und Bresee.78 Was Harbaugh über den Fall dachte, wird deutlich in einer vertraulichen Notiz, die er zu jener Zeit schrieb: „Ich sehe keinen Grund, der uns dazu berechtigt, die Angeklagte weiterhin zu inhaftieren. Es besteht kein Zweifel daran, ihr wurde der Prozeß in der Presse gemacht, und sie hatte sowohl vor als auch nach den Verhandlungen unter der Tatsache zu leiden, daß sie die einzige Frau im Lager war." 7 9 Er sagte, daß er die Zeugenaussage von Froboeß ,,. . . in vielen Punkten unglaubwürdig" finde und sie im allgemeinen nicht viel Glauben verdiene. Was Titz betrifft, so war er voreingenommen, und ,,ich glaube nicht an seine Zeugenaussage." Harbaugh konnte die Auffassung, Frau Koch habe als Ko-Kommandantin agiert oder sei für die Tötung von Insassen verantwortlich gewesen, nicht akzeptieren: „Ich glaubte, daß die lebenslängliche Haftstrafe unangemessen und daß ein Urteil v o n . . . vier Jahren ihrer Beteiligung am „gemeinschaftlich gefaßten Plan" angemessen war." 80 Mitte Mai traf Harbaugh mit Clays stellvertretendem Stabschef, Generalleutnant Magruder, zusammen, um einige der anderen Empfehlungen für eine Strafmilderung, die auch zum Fall Buchenwald gehörten - Ilse Koch war nämlich nicht der einzige Fall - zu erörtern. Magruder stimmte allen Empfehlungsdokumenten, die Oberst Harbaugh ihm vorlegte, zu. Schließlich gab auch Hübner, General der Infantrie, Clays Stabschef, seine Zustimmung. Am 8. Juni 1948 akzeptierte General Clay die Empfehlungsdokumente und verringerte das Strafmaß für Ilse Koch auf vier Jahre, beginnend im Oktober 1945; ihre Freilassung wurde auf Oktober 1949 festgesetzt. 81 142

Als Ilse von Clays Verfügung hörte, verlangte sie, eher erzürnt als dankbar, die sofortige Freilassung. Die Öffentlichkeit wurde noch nicht über die Strafmilderung informiert. In ihrem Antrag berief Ilse Koch sich auf die Lebensbedingungen der Kinder, die zu jenem Zeitpunkt bereits Fälle für die Wohlfahrt waren; sie würden dringend der mütterlichen Fürsorge benötigen. Außerdem stellte sie fest, daß sie im Juni und nicht im Oktober 1945 verhaftet worden sei. Sie wollte wissen, warum das Urteil nicht rückwirkend von Juni 1945 datiert sei. Schließlich verlangte sie die Rückgabe ihres gesamten persönlichen Besitzes, der zum Zeitpunkt der Verhaftung konfisziert worden war. Das Bittgesuch wurde abgelehnt.82 Es gab keinen Zweifel, daß Clay tun konnte, was er wollte. Er war Kommandant aller US-Truppen im europäischen Raum, und er war befugt, das Strafmaß herabzusetzen, wenn er es beschloß. In dem nachfolgenden Aufruhr wurde Clays Recht, davon Gebrauch zu machen, nie direkt in Frage gestellt. Einige Fakten, die bereits erwähnt wurden, verdienen nochmals eine kurze Betrachtung. Das Gericht, das den Prozeß gegen Ilse Koch leitete, bestand aus einer Militärkommission, die in Übereinstimmung mit einer Militärregierung in einem besetzten Gebiet arbeitete. Es war ein amerikanisches Gericht; man nahm jedoch an, daß die angeklagten Kriegsverbrecher gemäß den Gesetzen des Völkerrechts verurteilt werden würden. Das Gerichtspersonal bestand aus US-Offizieren, die keine juristische Ausbildung besaßen. Die Anwälte der Anklage waren kürzlich entlassene Armeeoffiziere, deren praktische Erfahrung im Völkerrecht nur begrenzt war. 83 Die Verteidigung setzte sich aus zwei Offizieren der USArmee zusammen, ebenfalls Anwälte mit geringfügiger internationaler Erfahrung. Sogar dem ungeübten Auge wird bei dieser Beschreibung klar, daß das Gericht im Buchenwald-Prozeß nicht unbedingt den Erwartungen entsprach, die man an eine solche Instanz stellte. Es war ein amerikanisches Militärgericht, das gemäß militärischen Regeln arbeitete. Die beteiligten Anwälte waren nach amerikanischen Vorstellungen ausgebildet, basierend auf dem amerikanischen Rechtswesen; die meisten waren zwischen 20 und 30 Jahre alt, ohne viel Erfahrung in irgendeiner Form der Rechtsprechung. Und doch war diesen Männern die Verantwortung übertragen, 143

gerechte Urteile in Bereichen des Völkerrechts (z.B. des „gemeinschaftlich gefaßten Plans")' zu fällen, in Bereichen, in denen man noch nicht über das Stadium von Lehrbucherörterungen hinausgekommen war. Es ist ihnen nicht als Fehler anzurechnen, wenn sie sich eng an das hielten, was sie als abschätzbares Beweismaterial betrachteten. Die Ergebnisse des Wiederaufnahmeverfahrens zeigen, daß die Vertreter der Revisionsbehörden bei ihrer Bewertung dieselbe Methode anwandten; d.h. sie kritisierten die Glaubwürdigkeit des Beweismaterials anstatt den komplizierten und verschwommenen Bereich des Völkerrechts zu attakieren. Dies macht der Verlauf des Wiederaufnahmeverfahrens deutlich: Was das Beweismaterial, das gegen Ilse Koch verwendet wurde, betraf, so waren verschiedene Äußerungen enthalten, die auf Gerüchten beruhten sowie schriftliche Stellungnahmen von Personen, die nicht als Zeugen erschienen und deren Behauptungen nicht durch Kreuzverhöre geprüft werden konnten; ferner Aussagen, die auf Lagergerüchten beruhten. Darüber hinaus bestand der größte Teil der Zeugen, die in den Fällen, die Vergehen innerhalb des Konzentrationslagers behandelten, aussagten, aus ehemaligen Lagerinsassen. Diese waren natürlich gegen die Angeklagten voreingenommen. Sie waren sich nicht immer ihrer Verantwortung als Zeugen bewußt, wenn sie versuchten, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Dies mußte natürlich von denjenigen, die das Revisionsverfahren leiteten, bei der gewissenhaften Ausübung ihrer Pflichten berücksichtigt werden.84 Als Clay den Fall Koch wieder aufnahm, wird er sicherlich seine eigenen Vorurteile gehabt haben, die sich auf Grund von umfangreichen Zeitungsberichten über Ilse Koch und den Prozeß in Dachau gebildet hatten. Sie war die „Hexe von Buchenwald" unter den 1.672 Fällen von Kriegsverbrecherprozessen war ihr Fall leicht zu identifizieren. 85 Als er die maßgebenden Dokumente für das Revisionsverfahren las, fand der General die öffentliche Meinung über Ilse Koch teilweise bestätigt. Sie wurde eindeutig als „schmutziger, zwielichtiger Charakter" beschrieben, „dem es . . . Spaß bereitete, vor den bereits lange inhaftierten Gefangenen ihren Körper durch enge

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Pullover und kurze Röcke zu betonen. Sie hatte bei den Gefangenen bitteren Haß hervorgerufen." 86 Wenn seine persönliche Abneigung auch stark war, Clay konnte Ilse Koch nicht als zentrale Figur in dem von Verbrechen bestimmten Buchenwald betrachten. Er konnte sicherlich nicht als „weich" gelten, wie später einige behaupteten, denn er hatte bereits die Todesstrafe für 200 Kriegsverbrecher bestätigt. 87 Eine Bemerkung an Arthur Garfield Hays von der Amerikanischen Vereinigung zur Verteidigung von Bürgerrechten (American Civil Liberties Union) - er befand sich auf einem Besuch in Deutschland verdeutlicht die Haltung, die Clay im Fall Ilse Koch einnahm: „Das Beweismaterial war nicht da." 88 Clays Verhalten war in keiner Weise einmalig; er hatte nicht nur viele Todesurteile bestätigt, sondern er hatte auch viele Urteile verwandelt. Von den annähernd 1.500 Personen, die bis 1948 als Kriegsverbrecher in der amerikanischen Zone verurteilt wurden, erhielten 225 eine Strafverkürzung und bei 69 Angeklagten wurde das Urteil abgelehnt. 89 Natürlich hatte keiner der Fälle eine ähnliche Aufmerksamkeit erfahren wie der Fall Ilse Koch, und Clay wußte sehr wohl, daß dies eine routinemäßige Behandlung ausschloß. Er war besorgt, daß die Publizität und Kritik, die erfolgen würden, nicht auf rechtliche Fragen beschränkt bleiben, sondern stattdessen in einem Sturm kommunistischer Propaganda münden könnten, dessen Ziel die gesamte amerikanische Besatzungspolitik wäre. 90 Einige Wochen zuvor hatte er bereits einen Vorgeschmack erhalten von dem, was ihn erwarten sollte. Er hatte Urteilsmodifikationen bei einigen Malmedy-Angeklagten zugestimmt. In diesem Prozeß wurde der Mord an 83 amerikanischen Gefangenen durch eine Einheit der Waffen-SS im Dezember 1944 behandelt. Er hatte in den Vereinigten Staaten hohe emotionale Wellen geschlagen. Als der Fall 1946 in Dachau vor Gericht kam, wurden 43 der Angeklagten zum Tode verurteilt. Doch im März und April 1948 hatte Clay einer Strafmilderung in 37 Fällen zugestimmt. Diese Entscheidung war auf Gesetzeswidrigkeiten während der Verhöre vor dem Prozeß zurückzuführen; man hatte den Angeklagten gedroht und sie geschlagen.91 Der Fall Malmedy hatte wochenlang die Nachrichten beherrscht; die Reaktion der Amerikaner war von Unsicherheit und Zorn 145

bestimmt. Man berichtete von abscheulichen Verbrechen an amerikanischen Soldaten, und nun hieß es, die Täter hätten keinen gerechten Prozeß erhalten. Die amerikanische Öffentlichkeit war enttäuscht und sah sich um ihre Rache gebracht; sie war nicht daran interessiert, jetzt auch noch von Fehlentscheidungen im Urteilsspruch gegen Ilse Koch zu lesen. 92 Keiner verstand besser als Clay, daß der Zeitpunkt ungünstig gewählt war. Wer jedoch annimmt, daß dies der Grund war, warum er nicht sofort der Presse seine Entscheidung bekanntgab, äussert bloß Vermutungen, die nicht belegt sind. Diese Schlußfolgerung drängt sich jedoch geradezu auf, denn die Bekanntgabe der Nachrichten wurde vom 8. Juni, dem Tag, an dem Clay die Entscheidung traf, bis zur offiziellen Veröffentlichung durch die Armee am 23. September 1948 hinausgezögert! Der Verdacht wird bestätigt durch die Tatsache, daß nicht das Hauptquartier oder irgendeine andere offizielle Stelle Clays Entscheidung bekanntgab, sondern die Geschichte gelangte durch einen amerikanischen Journalisten am 16. September in München an die Öffentlichkeit.93 Am gleichen Tag bestätigte eine knappe Pressenotiz der amerikanischen Militärregierung in Frankfurt die Nachricht. Noch bevor eine offizielle Stellungnahme vorbereitet werden konnte, reagierte die Öffentlichkeit laut und vernehmlich mit einer Demonstration anläßlich eines Konzerts, das Walter Giseking in der New Yorker Carnegie Hall gab. Die Demonstranten wollten wissen: „Spielt Ilse Koch nächsten Samstag?" 94 Clays verspätete Erklärung, „Fehlverhalten in einer untergeordneten Dienststelle führte zu einer mehrmonatigen Verzögerung," 95 vermochte nicht zu überzeugen. Am 23. September, 2.30 Uhr New Yorker Zeit, veröffentlichte das Heeresministerium ein drei Seiten langes Fernschreiben der „EUCOM"-Hauptquartiere. Darin hieß es u.a.: „Zu den Urteilen, die für eine Strafmilderung angenommen wurden, gehörte auch der Urteilsspruch gegen Ilse Koch, die Frau des ehemaligen Kommandanten von Buchenwald. Die ursprünglich lebenslängliche Haftstrafe wurde auf vier Jahre verkürzt. Es konnte nicht überzeugend nachgewiesen werden, daß sie Insassen zur Tötung selektiert hatte, um ihre tätowierte Haut zu bekommen. Ferner konnte nicht hinreichend bewiesen werden, daß sie Gegenstände aus Menschenhaut besaß." 96

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Eine interessante Nachricht wurde später bekannt. Ein ehrgeiziger Journalist hatte herausgefunden, daß Einzelheiten von Clays Entscheidung bereits in einer ostdeutschen Zeitung im August erschienen waren. 97

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„The Bitch Again"1 Spätestens 1948 hatte man die Hoffnung auf eine friedliche Welt nach dem Krieg aufgegeben. Die politische Feindschaft zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten spaltete die Welt. Überall drängte man die Menschen, Partei für eine Seite zu ergreifen, und auf diese Weise begann der sogenannte OstWest-Konflikt. Das, was man ,Kalten Krieg' nennt, ist im Zeitbeginn und der Thematik nach nicht einfach zu definieren. Beide Seiten machten alle nur denkbaren Anstrengungen, ausgenommen lediglich eine formale Kriegserklärung, ihre eigene Position zu stärken und die der Gegenseite zu schwächen. Deutschland, Ort vieler kriegerischer Verwicklungen, wurde nun ebenfalls zum Schauplatz dieser Nachkriegsauseinandersetzungen, die ebenso ernst und ebenso realistisch waren, nur kamen andere Waffen zum Einsatz. Doch jeder wußte, daß der Kalte Krieg schnell zu einem Schießkrieg ausarten konnte, und in der Vorwegnahme eines solchen Ernstfalles hatten sowohl die Sowjetunion als auch die Vereinigten Staaten schon lange zuvor ihre militärischen Vorbereitungen getroffen. Während bestimmte Bündnissysteme entstanden, wurde die Frage, wie Deutschlands Zukunft zu gestalten sei, sehr wichtig. Für eine Nation wie die deutsche, ursprünglich von den Alliierten zur ständigen Waffenlosigkeit bestimmt, war es überraschend, sich drei Jahre nach der totalen Niederlage plötzlich als Gegenstand lebhaften alliierten Interesses in militärischer Hinsicht wiederzufinden. Es bedurfte keiner Frage, daß sowohl die Vereinigten Staaten als auch Großbritannien ernstlich erwogen, sich die militärische Kraft Westdeutschlands für ihre Verteidigungspläne in Europa nutzbar zu machen. 2 149

Da unbestritten die stärkste Besatzungsmacht im Westen, waren die Vereinigten Staaten die Zielscheibe der kommunistischen Propaganda bei diesem Wortgefecht. Nach deren Ansicht war Clays Entscheidung in Bezug auf Ilse Koch nicht einfach eine Strafverkürzung für jemanden, der zum Symbol für Nazi-Greuel geworden war, sondern ein typischer Akt imperialistischer, westlicher Arroganz. Frau Kochs angebliche Bestialität wurde kaum Beachtung geschenkt, mit Ausnahme ihrer Vorliebe für tätowierte Menschenhaut. Dies genügte, um ihre niedrige Charaktergesinnung herauszustellen. Der eigentliche Vorwurf bestand darin, daß man den Strafnachlaß darstellte als einen bewußten Schritt der USA, der die öffentliche deutsche Meinung auf die geplante Wiederaufrüstung vorbereiten sollte.3 Obwohl Clays Strafmilderung im Fall Ilse Koch in Westdeutschland nicht vor dem 16. September bekannt gegeben wurde, veröffentlichte die kommunistische Partei Ostdeutschlands, die SED, schon vorher eine Nachrichtenserie über Buchenwald, in der auch die Tatsache erwähnt wurde, daß Ilse Kochs Strafmaß inzwischen auf vier Jahre gesenkt worden sei.4 Wie genau man zu dieser Information gelangt war, wurde nicht enthüllt, obschon sie recht gut aus deutscher Quelle stammen konnte, da das Dokument mit dem Strafnachlaß wahrscheinlich mehrfach durch deutsche Hände weitergeleitet worden war. Ilse Koch wurde Mitte August über die Entscheidung informiert. 5 Eine weit interessantere Frage ist die, warum im Westen die Nachricht über Frau Kochs Strafmilderung erst vier Wochen später erschien. 6 Auch dies wurde allerdings schnell vergessen, denn ein Sturm der Entrüstung brauste über Clay, das Revisionsgericht, die US-Armee und alle, die auch nur im entferntesten mit der Änderung des Urteils zu tun hatten. Die US-Inlandspresse hatte schließlich die Meldung aus der Quelle in München ausgegraben und ferner auch den wiederholten Bericht der kommunistischen Presse entnommen. Ebenfalls wurden kritische Reaktionen von Amerikas Verbündeten Großbritannien und Frankreich verzeichnet. Als das Furioso immer mehr anwuchs, wurden Stimmen laut, die nach Erklärungen verlangten und denen sich auch bald einige Mitglieder des amerikanischen Kongresses anschlossen. 7

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Während die Lautstärke der Kritik immer weiter zunahm, arbeiteten die Meinungsforscher der amerikanischen Armee wie besessen an der Auswertung der redaktionellen Meinungen in der USPresse. Dies war im Grunde unnötig, denn es lag von Anfang an auf der Hand, daß das Urteil der Presse überwiegend negativ sein würde. Allgemein schien Verwirrung vorzuherrschen über Clays Beweggründe bei der Umwandlung des gegen Ilse ergangenen Urteils. Warum hielt man die Angelegenheit geheim? Wer waren die Hintermänner? Wer hatte die Revision des Urteils als erster angeregt? Was war mit den Massen von belastendem Beweismaterial, die von der Anklage vorgelegt worden waren?8 Eine kleine Stichprobe genügte, um höchste Gefühlserregung auszulösen: „Wenn Ilse Koch 1945 eine Bestie war, dann ist sie es auch heute noch", Hartford Courant (11.10.48); „Ilse Koch muß für ihre Beteiligung an den Verbrechen in Buchenwald zahlen", St. Louis Post-Dispatch (1.10.48); „Das Belastungsmaterial hat gereicht, allen, die es damals hörten, den Magen umzudrehen", Nashville Tennessean (27.9.48); „Wir würden es abscheulich finden, glauben zu müssen, daß . . . der Strafnachlaß . . . als Teilstück gedacht war, um die Gunst der Deutschen im Ost-West-Konflikt zu gewinnen", Pittsburgh Press (29.9.48); „Die Angelegenheit schreit zum Himmel und muß untersucht werden", Springfield Union (4.10.48); und: „Es bestärkt noch mehr die Annahme, daß unsere Armee weniger an der Entnazifizierung Deutschlands interessiert ist als an der Wiederherstellung der althergebrachten Zustände", New York Star (4.10.48). 9 Rundfunkkommentare waren genauso scharf formuliert, so wie es der Beitrag von Gabriel Heatter zeigt: „Die Armee steht hinter General Clay, und zwar sagt sie, man habe nicht nachweisen können, daß sie, Frau Koch, vorsätzlich tätowierte Haut der Insassen für ihre Lampenschirme gebraucht habe. Darüber hinaus sei sie eine perfekte Dame!" Und Robert S. Allen stellte fest: „Ein Gerücht ist im Umlauf. . . daß es im Fall Ilse Koch eine Bestechung gegeben habe." 10 Denson, der ehemalige Kläger, brandmarkte Clays Vorgehen als einen „Rechtsmißbrauch . . . sie ist doch so gottverdammt grausam gewesen". Denson glaubte, daß der General das Sitzungsprotokoll nicht gelesen hatte, sondern einfach den Vorschlägen des Revisionsgerichts gefolgt sei. Nachdem er diesen Punkt mit 151

Clays Generalstabschef, General Huebner, besprochen hatte, berichtete er, Huebner habe ihm mitgeteilt, daß Clay nicht alle vorliegenden Unterlagen über den Fall gelesen habe. „Clay wußte über den Fall nicht mehr als der Mann im Mond", schlußfolgerte Denson angewidert.11 Dieser Ansicht war auch Robert Kunzig, der mit Denson im Anklageverfahren zusammengearbeitet hatte: „Ich hege keinen Zweifel, daß General Clay, wenn er über das gegen Ilse Koch vorliegende Beweismaterial völlig im Bilde gewesen wäre, das Urteil niemals geändert hätte", sagte er.12 Zutiefst betroffen von den Vorwürfen, er habe die Unterlagen nicht sorgfältig genug geprüft, bevor er weitere Schritte unternommen habe, bestand Clay darauf, er habe die gesamte Zusammenfassung des Schuldnachweises in diesem Fall gelesen, und ebenso die jeweiligen Stellungnahmen des Militärrichters, seines Stellvertreters, sowie des Berufungsgerichts: „In derlei Revisionsfällen muß ich meine Entscheidungen abstellen auf die Beweiswürdigung der Revisionsinstanzen, nicht auf den Ruf, den eine Person in der öffentlichen Meinung hat." 13 Nichts deutet daraufhin, daß Clay zu dem Zeitpunkt seiner Entscheidung im Falle Koch durch die Ermittlungen beeinflußt wurde, die von Regierungsseite wegen der Abwicklung der Gerichtsverfahren in Dachau veranlaßt worden waren. Diese hatten erst kurze Zeit zuvor begonnen und waren ausgelöst worden von zahlreichen Aussagen, die bei den Behörden der Militärregierung eingingen und in denen man sich wegen der Regelverstöße in Dachau beklagte.14 Dies geschah gleichzeitig mit den Schwierigkeiten in der Malmedy Sache, so daß der US-Heeresminister Kenneth Royall Ermittlungen einleiten ließ. Im Juli 1948 ernannte Royall einen Richter aus Texas namens Gordon Simpson zum Vorsitzenden einer Kommission, die mit der Untersuchung der Situation in Dachau beauftragt war. Als die Nachricht von Royalls Ernennung öffentlich bekanntgegeben wurde, wurde außerdem enthüllt, daß der oberste Gerichtshof der USA zahlreiche Eingaben von Deutschen erhalten hatte, in denen unterstellt wurde, daß „Regelwidrigkeiten" bei der Abwicklung gewisser Gerichtsverfahren in Dachau vorgekommen seien.15 Nach mehrmonatigen Ermittlungen kam die Simpson Kommission zu der Schlußfolgerung, die Dachauer Verhandlungen seien „im wesentlichen gerecht" gewesen.16

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Inzwischen verschärfte sich der Papierkrieg weiterhin mit Protestkundgebungen, die Washington überschwemmten und von den organisierten Kriegsveteranen, von Senatoren der Bundesstaaten und Mitgliedern der Stadtverwaltungen stammten. Sie drückten allesamt Wut und Ekel über die Entscheidung Clays aus. Viele dieser Eingaben forderten entweder ein neues Gerichtsverfahren oder ein schärferes Gerichtsurteil für Ilse Koch. Die Aufregung wurde verstärkt, als eine Anzahl prominenter politischer Führungskräfte, die keine Gelegenheit verpassen wollten, ihre Meinungen an die Öffentlichkeit zu bringen, anfingen nach „Gerechtigkeit" zu schreien und die „ganze Geschichte" hinter Ilses Urteilsänderung zu wissen verlangten. Als Ilse Koch von den heftigen Reaktionen hörte, die ihr Fall in Amerika ausgelöst hatte, soll sie den Berichten zufolge „nur mit den Schultern gezuckt haben". 17 Inmitten dieser Lawine von Kritik gab es ein paar tapfere Leute, die es wagten, etwas zu Clays Verteidigung zu sagen. Zum Beispiel wies die New York Times vorsichtig darauf hin, daß eine der Hauptschwächen im ursprünglichen Urteil die Unfähigkeit der Anklage gewesen sei, Beweise für die Beschuldigungen in der „Haut"-Angelegenheit zu finden.18 Ein Leitartikel der Saturday Evening Post stellte die ganze Auffassung der Kriegsverbrecherverfahren in Frage und empfahl größere Vorsicht bei der Untersuchung derartiger Angelegenheiten. Nach einer deutlichen Anspielung auf die Bombardierung Deutschlands und Japans durch die Alliierten wurde die Schlußfolgerung gezogen, daß man besser daran getan hätte, „Aktionen gegen Kriegsverbrecher auf Prozesse gegen Personen zu beschränken, die des Verstoßes gegen die bekannten Gesetze der Kriegsführung angeklagt gewesen seien." 19 James O'Donnell, der als Korrespondent über die Verhandlungen in Dachau geschrieben hatte, warf der Anklage im Falle Koch vor, sie habe ehemalige Häftlinge ermuntert, „in einer Atmosphäre rasender Hysterie Anklagen gegen Verdächtige im Buchenwaldfall zu machen . . . die in Amerika nicht einmal vor einem Polizeigericht standhalten würden". Er betonte dabei, daß viele der KZ-Insassen tatsächlich umfangreiche Strafregister besäßen: „Bei Kriegsende haben wir diese Horde von Straftätern ohne es zu wissen freigesetzt. . . und sie genossen eine Zeitlang unser Mitgefühl und unseren Schutz, weil wir in aller Unschuld glaubten, dies 153

stünde allen Lagerhäftlingen zu . . . viele von ihnen traten in mehr als zehn Verfahren als Zeugen auf und machten über verschiedene Angeklagte identische Aussagen." 20 Walter Millis stellte in einem Artikel für den New York Herald die These auf, die Wut der Öffentlichkeit sei auf die zahlreichen Gruselgeschichten in den Zeitungen zurückzuführen. Er fand, daß sich die meisten Berichte nur auf die Sensationspunkte des Falles bezogen hätten und sich in der Hauptsache ausführlich mit der Ilse Koch unterstellten fetischistischen Liebe zu Menschenhaut beschäftigt hätten. Angefangen hatte die Sache mit der tätowierten Haut für einen Lampenschirm, dann wurden die Berichte schnell erweitert und bezogen sich schließlich auf Lesezeichen, Handschuhe, Geldtaschen, Messerfutterale und selbst die Fotoalben der Familie. 21 Diese Unterstützung bot jedoch nur wenig Trost für Clay, denn die allgemeine Stimmung duldete keine vernünftige Erörterung. Dies wurde ihm eindringlich gezeigt, als er im Oktober bei einem kurzen Aufenthalt in New York auf eine Horde von Demonstranten traf. Der General hatte gemeinsam mit dem Gouverneur von New York, Thomas Dewey, eine Einladung zu einer Rede angenommen, die er bei einem Dinner, das man zum Gedächtnis von Alfred E. Smith im Waldorf-Astoria Hotel abhielt, vortragen wollte. Als Clay eintraf, wurde er von einer drängenden, schreienden Menge empfangen, die ihm zurief, ob er die Millionen ermordeter Juden vergessen habe. Einige trugen Schilder mit der eindringlichen Aufschrift „Hört auf, die Nazis zu verhätscheln und fangt endlich an, den Frieden aufzubauen"; einige Menschen trugen alte Lampenschirme. 22 Inzwischen suchte Royall nach einer Lösung für die Krise. In einer Mitteilung an den Senator Henry Cabot Lodge gab er zu, daß Clays Entscheidung endgültig zu sein schien. Der Minister deutete darauf hin, daß man hier nicht auf die Exekutivgewalt zurückgreifen könne, um die Entscheidung außer Kraft zu setzen und ein schärferes Urteil über Ilse Koch zu erwirken. Er merkte an, daß die Möglichkeit eines neuen Prozesses ebenfalls unwahrscheinlich schien, denn dies würde wahrscheinlich gegen das Prinzip der zweifachen Straffälligkeit verstoßen. 23 Clay hatte Royall bereits mitgeteilt, er weise den Verdacht weit von sich, daß einer seiner Mitarbeiter bestochen worden sei oder 154

Ilses Schwangerschaft auch nur den geringsten Einfluß auf die Entscheidung des Strafmaßes ausgeübt habe. Er nahm jede Verantwortung für die Urteilsänderung auf sich und bestand hartnäckig darauf, das Belastungsmaterial habe für eine Verurteilung von mehr als vier Jahren einfach nicht ausgereicht.24 Es war inzwischen Mitte Oktober geworden und allmählich begann die Angelegenheit das Weiße Haus zu irritieren. Präsident Truman bat Royall um eine umfassende Aufklärung unter besonderer Beachtung dessen, was er „die Diskrepanz zwischen zweierlei Strafmaß und andere ungewöhnliche Begleitumstände im Zusammenhang mit dem Fall" nannte. Der Präsident wünschte einen Bericht, der die gesamten Vorgänge klären sollte.25 Clay befand sich nach seinem traumatischen Erlebnis in New York noch immer in den Vereinigten Staaten, als man ihn über das Interesse des Präsidenten informierte. Er wurde vom Heeresministerium ersucht, eine Pressekonferenz festzusetzen. Man warnte ihn vor eventuellen unangenehmen Fragen durch Kongreßabgeordnete; „vielleicht will sogar der Präsident mit Ihnen über den Fall Koch sprechen". 26 Ein Senator aus Michigan namens Homer R. Ferguson hatte bereits seine Absicht bekanntgegeben, im Fall Koch umfassend zu ermitteln und sagte in einer Mitteilung, in der sich die Unzufriedenheit der Öffentlichkeit widerspiegelte: „Das Volk hat ein Recht darauf zu erfahren, warum neun Mitglieder der Armee beschlossen haben, diese Frau verdiene lebenslängliche Haft, und warum später ein oder zwei andere ihr Strafmaß heruntergesetzt haben." 27 Ferguson hielt sich für eine Art Spezialist, was die Konzentrationslager der Nazis betraf, nachdem er im Mai 1945 das Lager Dachau auf einer Reise von Kongreßmitgliedern besichtigt hatte. In seiner Eigenschaft als Vorsitzführender bei einem Unterausschuß des von Senator George Aiken geleiteten Gesamtausschusses, der sich mit den Geldausgaben der Regierungsdienststellen und Ministerien befaßte, stand Ferguson einer sehr einflußreichen politischen Gruppe vor. In dieser sechsköpfigen Mitarbeitergruppe befanden sich einflußreiche Senatoren wie John Bricker aus Ohio und John McClellan aus Arkansas. 28 Als das Ferguson-Komitee am Nachmittag des 28. September zu seiner ersten Sitzung zusammentrat, waren weder Presse noch 155

Öffentlichkeit zugelassen. Nur Ferguson, Herbert O'Connor aus Maryland sowie ein Jurist vertraten das Komitee. Der Heeresminister Kenneth Royall trat als erster in den Zeugenstand. 29 Zunächst hatte das Komitee ihn gebeten um eine vollständige Aufklärung zur genauen Zusammensetzung des Gerichtshofes, der über Ilse Koch geurteilt hatte; in Beantwortung dieses Ersuchens versuchte Royall sogleich alle Illusionen zu zerstreuen, indem er feststellte, es sei gewiß kein internationaler Gerichtshof gewesen. Man sei den Bestimmungen gefolgt, die der für den Kriegsschauplatz Europa zuständige Oberbefehlshaber verkündet hatte und die im großen und ganzen mit den Regeln übereinstimmten, nach denen Kriegsgerichtsverfahren abgewickelt wurden. Selbst aus diesen kurzen Bemerkungen ging hervor, daß der Heeresminister nicht bereit war, diejenigen Detailangaben zu machen, nach denen das Komitee eigentlich suchte: „Dieser Verfahrensablauf. . . war bereits festgelegt, bevor ich Minister wurde", lautete Royalls lahme Erklärung,,,.. . deshalb bin ich selbst mit der Materie nicht so vertraut, als wenn ich selbst den Ablauf bestimmt hätte . . . ich bin sicher, daß es eine Verfahrensregelung oder eine Verfahrensordnung dafür gibt. Es kann sich dabei entweder um bereits bestehende Vorschriften oder eine schriftliche Sondervollmacht handeln." 30 Royall räumte ein, er habe einfach nicht die Zeit, das umfangreiche Protokoll zu lesen, aber er stimmte mit den Senatoren darin überein, daß es, nach dem von ihm nachgeprüften, zur Revision vorgelegten Belastungsmaterial zu urteilen, „schwer zu verstehen ist, warum man sich für eine Strafverkürzung entschieden hat". Er gab zu, dies sei vielleicht eine voreilige Schlußfolgerung, wenn man nicht zuvor alle Unterlagen genau gelesen habe. Er habe dennoch, so sagte er - und dies muß ein Schock für Ferguson und O'Connor gewesen sein - keine Befugnis, zu einer Urteilsänderung zu gelangen. Er fuhr vielmehr fort, das zweite Urteil sei am 8. Juni endgültig geworden und selbst für Clay sei es nun zu spät, irgendetwas zu unternehmen. 31 Vielleicht wurde Royall die negative Wirkung seiner Feststellung bewußt, denn er schloß mit einem kleinen Ratschlag: „Ich will keineswegs andeuten, daß der Fall nicht durchleuchtet werden soll, denn er ist bereits in die Presse gelangt", so sagte er, aber er wolle das Komitee eindringlich daran erinnern, daß die Anwesen156

heit der Amerikaner in Europa von größter Wichtigkeit sei und die Regierung diese Präsenz in keinster Weise gefährden wolle. 32 Royall verwies auf andere dringende Termine und wurde vom Komitee entlassen. An seine Stelle trat ein gewisser Oberst Young von der Abteilung für Kriegsverbrechen. Man hatte Young zu dem ausdrücklichen Zweck vorgeladen, das Komitee genauestens darüber zu unterrichten, was Clay zu seiner damaligen Entscheidung veranlaßt habe. 33 Während sowohl Ferguson als auch O'Connor über die Entscheidung des Generals weiterhin ihr Erstaunen ausdrückten, lieferte Young im Vertrauen und unter Vermeidung des Protokolls die Angabe, er wisse, daß General Clay in seiner Suche nach einer Entscheidung im Falle Ilse Koch über die Revisionsempfehlungen hinausgegangen sei. Als aber das Komitee Young um einen Beweis seiner Behauptung bat, sagte der Oberst, es sei ihm keiner bekannt: „Ich glaube nicht, daß damals irgendeine amtliche Niederschrift angefertigt worden ist." Er vermute, es sei unmöglich, irgendwo schriftlich aufgezeichnet zu finden, wie Clays Gedankengang bis zu seiner Schlußentscheidung ausgesehen habe. 34 Jetzt war der Punkt erreicht, wo Youngs Zeugenaussage in etwa so aufschlußreich war wie die von Royall. Mit einer plötzlichen Erleuchtung schlug O'Connor vor, es würde vielleicht weiterhelfen, wenn alle Beteiligten „die Unterlagen als Ganzes prüfen würden". D a dieses Schriftstück besonders lang war, nämlich über 9 000 Seiten, fand dies nicht sogleich Anklang. Young meinte, man könne sich die lange und schwierige Lektüre ersparen, indem man Clay und seine Untergebenen unmittelbar befrage, nach welchen Verfahrensweisen sie zu ihrer Entscheidung gelangt seien. O'Connor lehnte diesen Vorschlag ab und begründete dies rasch damit, daß man sich auf das menschliche Gedächtnis in solchen Detailfragen nicht verlassen könne. Mit einer gewissen Gereiztheit sagte er: ,,. . . dies ist recht erstaunlich, wenn man an den Papierkrieg denkt, der sonst für andere im Vergleich relativ unwichtige Angelegenheiten geleistet wird, während in diesem Fall, wo Fragen von weltweiter Wichtigkeit behandelt werden . . . kein Protokoll geführt wurde; das ist wirklich befremdlich." 35 Zu diesem Zeitpunkt schien das einzige, worüber sich alle Beteiligten einig waren, der Wunsch zu sein, die erdrückende Aussicht auf die Lektüre von 9 000 Seiten zu umgehen. Vielleicht 157

hätte Young, der logischerweise der beste Kandidat gewesen wäre, es schaffen können, aber er bestritt, daß dies unter seine Verantwortlichkeit falle, denn „die Revisionsbehörden . . . befinden sich dort drüben". 36 Ob er dabei in östliche Richtung gezeigt hat, ist nicht verzeichnet. Ferguson entschied, dem Komitee müsse zumindest eine komplette Protokollniederschrift zur Verfügung gestellt werden, und Young stimmte bereitwillig zu. Der Oberst erwähnte noch, daß Oberst Straight, der vermutlich das gesamte Protokoll gelesen hatte, nunmehr in Washington Dienst tue und für das Komitee daher sehr hilfreich sein könne. Er empfahl dem Komitee jedoch, Clays Zustimmung einzuholen, bevor man Straight hinzuzöge. „Ich stimme damit nicht überein", erwiderter Ferguson, „falls Sie meine Meinung hören wollen, so glaube ich nicht, daß General Clay, nach den Zeugenaussagen zu urteilen, viel über den Fall weiß." 37 Damit entließ das Komitee Young und rief William D. Denson in den Zeugenstand. Nach einem kurzen Überblick über Densons juristische Laufbahn fragte das Komitee nach den Zeugen, die gegen Ilse Koch ausgesagt hatten. Denson hatte sich vor der Presse in dem Sinne geäußert, daß es ein leichtes gewesen wäre, noch mehr Zeugen für die Anklage anzuführen. Jetzt berichtete er dem Ausschuß, dies träfe durchaus zu, aber nachdem zahlreiche Zeugen gleich zu Anfang die Anklagepunkte erhärten konnten, wären weitere Zeugenaussagen nur eine Wiederholung des bereits Vorgetragenen gewesen.38 Der Rechtsanwalt aus Alabama beschrieb Ilse als ein „sehr scharfsinniges und geistig waches Geschöpf im Zeugenstand". 39 Er bestand darauf, sie habe für ihren persönlichen Gebrauch Menschenhaut in Besitz gehabt. Als man ihn nach Beweisen für diese Behauptung fragte, erwiderte Denson: „Ich hatte Beweise, meine Herren, insofern als Personen, die ihren Raum, das Schlafzimmer, betreten haben, dort Gegenstände aus Menschenhaut gesehen haben." 40 Denson gab als Namen dieser „Personen" Froboeß an, obwohl im Protokoll Titz derjenige war, der angegeben hatte, Objekte aus Haut im Haushalt der Kochs gesehen zu haben. Ilses Schlafzimmer wurde dabei allerdings nicht erwähnt.41 Er sei nach den im Prozeß gehörten Aussagen davon überzeugt, sagte Denson, daß Ilse Koch mit Menschenhaut gehandelt hätte.

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Er gab allerdings zu, daß er nicht einwandfrei wisse, ob eines der Hautstücke, die man bei der Befreiung in Buchenwald gefunden hatte, Frau Koch gehört habe. 42 Als man darauf zu sprechen kam, ob Ilses Schwangerschaft möglicherweise den Strafnachlaß beeinflußt habe, schien Denson Zweifel zu haben. Ironischerweise gab er zu, daß er versucht hatte, ihren Zustand aktenkundig zu machen; doch: „Im Zeugenstand bezeichnete sie sich selber als vollkommene Mutter, und ich stellte die Frage - ich sehe heute, daß dies etwas unfein war - ob ihr Verhalten in Buchenwald mit ihrer Führung in Dachau zu vergleichen sei. Zu dieser Zeit erwartete sie ein uneheliches Kind, und das Gericht wies die Frage zurück, was ich heute für richtig halte." 43 In den Prozeßakten wird Ilse Kochs Schwangerschaft nicht erwähnt. An diesem Nachmittag war Denson der letzte Zeuge, und das Komitee vertagte sich um 16.20 Uhr. Man ging nach Hause ohne das Wesentliche des Falles herausgearbeitet zu haben. Die einzige eindeutige Tatsache war, daß sich alle besser vorbereiten mußten. Angaben über die Beratungen des Komitees sickerten auf irgendeine Art und Weise zur Presse durch, und man legte Royall ein ziemlich kräftiges Zitat in den Mund, das die Unwiderruflichkeit der Clayschen Maßnahme anging, andererseits jedoch leicht abgemildert wurde durch den Hinweis darauf, daß die Deutschen ihrerseits Frau Koch vor Gericht stellen würden. Diese Möglichkeit schien mehr als wahrscheinlich, als das bayerische Justizministerium ankündigte, Deutschland sei außerordentlich daran interessiert, Ilse Koch vor ein deutsches Gericht zu bringen. 44 Ferguson, der ungern ganz aus dem Scheinwerferlicht trat, versicherte den Reportern, daß sein Komitee keineswegs seine Arbeit schon abgeschlossen habe und weitere Untersuchungen anstellen werde, bis man der ganzen Sache auf den Grund kommen werde. Trotz der anscheinend unwiderruflichen Entscheidung Clays erinnerte Ferguson seine Zuhörer daran, daß der Präsident persönlich an diesem Fall Anteil nehme und sicher in der Lage sei, „eine etwaige Ungerechtigkeit beim Strafnachlaß dieser Frau zu korrigieren", wenn er dies beabsichtige. 45 Clay ließ sich jedoch von berühmten Namen nicht einschüchtern. Er beharrte auf seiner Meinung und bestand hartnäckig darauf, daß Ilses früheres Urteil größtenteils auf Aussagen basiert

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habe, die vom Hörensagen stammten, doch gleichzeitig drückte er sehr deutlich aus, daß er für Ilse Koch kein Mitgefühl hege; er nannte sie „eine Frau mit einem verkommenen Charakter . . . aber deswegen stand sie nicht vor Gericht." Clay wies darauf hin, daß er angesichts einer Anklageinstanz, die vielleicht übereifrig gewesen sei, das Gleichgewicht im Einklang mit der amerikanischen Rechtssprechung hergestellt habe. 46 Clay hatte auch weiterhin einige Fürsprecher, wie ein aktueller Artikel der Washingtoner Zeitung Evening Star klarmachte, allerdings waren es nicht sehr viele. Der Verfasser des Artikels war Leon Poullada, ein ehemaliger Chefverteidiger im Prozeß um das Konzentrationslager Nordhausen. Poullada gab dem General volle Rückendeckung: Zu der Zeit als Mr. Denson in so fähiger Weise im Fall Buchenwald als Kläger auftrat, war ich . . . nur wenige Gerichtssäle weiter weg. Ich beobachtete teilweise die Vorarbeiten zum Fall Buchenwald. An vielen Sitzungen über den Fall nahm ich teil, besonders bei denen, die Ilse Koch betrafen, für die sich die Öffentlichkeit natürlich sehr interessierte. . . . Die meisten Aussagen gegen Frau Koch waren von der Typik, die uns aus unserer Arbeit in Dachau vertraut ist; und zwar gerüchteweise Kenntnis vom Hörensagen aus zweiter oder dritter Hand, Lagergerüchte, Vorurteile, Haß, Klatsch, Rachebedürfnis. Von der Substanz her wenig Ergiebiges, das vor einem amerikanischen Gericht hätte bestehen können . . . Die Akten zeigten, daß Frau Koch moralisch abartig und eine gefühllose Frau war, kein passender Umgang für Leute, die irgendwo in der Welt auf sich hielten. Doch diese Charakterzüge sind in den USA an sich nicht strafbar und sind sicher keine Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerrechts . . . diese unerfahrenen Richter wurden mehr von Emotionen beeinflußt als von Rechtsprinzipien. 47 Die starken Gefühlsregungen, die der Fall hervorrief, erlaubten selten eine sachliche Debatte. Weitaus häufiger wurden die Nachrichten von Männern wie Saul Κ. Padover bestimmt, einem Schriftsteller und ehemaligen US-Abwehroffizier in Deutschland. Padover klagte Clay öffentlich an, Teil des Plans zu sein, Deutschland wieder aufzurüsten und die Verbrechen von schuldigen Nazis im Prozeß zu entschuldigen. Er hatte bereits ein Buch über seine 160

Erfahrungen in Deutschland bei Kriegsende geschrieben und behauptete, er habe die berüchtigte Lampe mit dem Schirm aus Menschenhaut in Buchenwald gesehen.48 Padover protestierte gegen die Freilassung eines Menschen, der so niederträchtig wie Ilse sei, und bestärkte seine eigenen Argumente mit dem Zitat eines ehemaligen Buchenwald-Häftlings, der jetzt in Washington D.C. lebte: „Ich erinnere mich an sie, rothaarig, wie sie auf einem Pferd ritt und über bejammernswerte Menschen lachte . . . Sie ließ wunderschöne Lampenschirme aus heller weißer Menschenhaut herstellen, die mit obszönen Motiven tätowiert war, und das Licht in ihrer Wohnung fiel auf winzige mumifizierte Schädel . . . Sind Schädel und Skelette aus ihrer Wohnung nicht Beweis genug für Clay?" 49 Padover bot seine eigene Version von Belastungsmaterial an, indem er von einer Person in Kochs Diensten sprach, die unter den Händen von Ilse Koch für den Diebstahl einiger Flaschen Wein zu leiden hatte. Er gab als Namen Dietz oder Diez an (ohne Zweifel meinte er Titz) und sagte, dem armen Kerl habe man mit dem „Krematorium" gedroht.50 Ganz offensichtlich hatte Padover, wie das Ferguson-Komitee, niemals die Gerichtsakten gelesen. Diese Berichte, die der Effekthascherei Vorschub leisteten, trugen nur noch mehr zur Unwissenheit der Öffentlichkeit bei und setzten die journalistische Legendenbildung um den Fall nur fort. Inzwischen wurde immer stärker darauf gedrängt, ein weiteres Verfahren nach deutscher Rechtssprechung gegen die „Hexe von Buchenwald" durchzuführen. Eugen Kogon, heute weltberühmt durch sein Buch über Buchenwald und damals Herausgeber einer Monatszeitschrift in Frankfurt am Main, forderte einen neuen Prozeß im Falle Ilse Koch. Er sollte in einem deutschen Gericht stattfinden, denn dort könne man „die Sprache der ehemaligen Häftlinge verstehen", und ausserdem gäbe es noch eine große Anzahl von Zeugenaussagen zu hören, fuhr Kogon fort. Er führte im besonderen Kurt Titz und Gustav Wegerer an. Zudem, bemerkte der geachtete Journalist, seien die meisten Vergehen, die man Ilse vorwerfe, gegen Deutsche gerichtet gewesen, und zwar vor 1941, also vor dem Kriegseintritt Amerikas, und fielen somit noch nicht der Rechtsprechung eines amerikanischen Gerichts zu.51 161

Dabei tat Kogon die gesamte Lampenschirmgeschichte als nicht beweisbar ab und konzentrierte seine Kritik auf die Art und Weise, in der potentielle Zeugen in Dachau von amerikanischer Seite abgefertigt worden waren. Er gab an, es habe noch viele Aussagebereite gegen Ilse Koch gegeben. Sie seien jedoch von der Fragetechnik, die von Seiten der Anklagevertreter angewandt wurde, so angewidert gewesen, daß sie einfach verschwanden. Die übriggebliebenen Zeugen mußten endlos lange Wartezeiten und dürftige Verpflegung in Kauf nehmen, während Ilse eine ausgezeichnete Verpflegung genoß und schwanger wurde. 52 Etwa zu diesem Zeitpunkt gab ein bayrischer Staatsbeamter namens Dr. Philip Auerbach bekannt, daß Ilse Koch von einem deutschen Gericht mit Sicherheit der Prozeß gemacht werde,53 und plötzlich zeigten die Kommunisten erneut Interesse an dem Fall. Aus Ost-Berlin hörte man, daß in Weimar ein Prozeß durch Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorbereitet werde. Die bayerische Regierung bestätigte, von den zuständigen Dienststellen der sowjetischen Besatzungszone liege das Ersuchen nach einschlägigen Unterlagen sowie einer Zeugenliste vor.54 In zunehmendem Maße erwies sich die Aussicht auf ein Verfahren nach deutscher Gerichtsverfassung für das US-Beamtentum als immer attraktiver. Diese Denkhaltung wurde verstärkt durch eine vernichtende Auswertung, die Clay für das Heeresministerium ausgearbeitet hatte. Der Bericht handelte von den Schwierigkeiten, die ein Wiederaufrollen beim amerikanischen Gericht mit sich bringen würde. Der General zeigte höchste Bedenken hinsichtlich der qualitativen Beschaffenheit eines Großteils jener Beweismittel, die man in Dachau vorgelegt hatte. Es waren Unterlagen mit unrichtigen Datenangaben oder keinerlei Daten vorgelegt worden, einige waren nicht unterzeichnet oder beeidet und zahlreiche Gegenstände ohne Herkunftsangabe. 55 Dokumente, die sich angeblich auf die Verhaltensweise von Ilse Koch beziehen sollten, erwähnten sie häufig nicht einmal namentlich, so wie Clay es darstellt: man sprach von „der Ehefrau des SS-Mannes" oder von „der Frau des Kommandanten". Clay zitierte einen Zeugen, der angab, er habe Frau Koch vor ihrem Fenster zugesehen, wie sie unbekleidete Häftlinge während des Appells beobachtet habe. Allerdings brachte ein kurze Befragung zutage, daß der Appell etwa 600 Meter vom Kochschen Haus entfernt stattgefunden hatte 162

und Bäume und Gebäude die Sicht behindert hatten. Der General wies außerdem auf eine andere Zeugenaussage hin, in der jemand behauptete, er habe einen Lampenschirm aus Menschenhaut in Kochs Wohnung gesehen. Der Zeuge hatte ein Datum nach Ilses Verhaftung verwechselt und das Fehlen der Kochschen Möbel, die für den Umzug zusammengepackt waren, völlig übersehen. 56 Clay erläuterte die verwickelte Rechtslage, die sich ergab, wenn ein Militärgerichtshof der U S A beginnen würde, Ilse Koch wegen verbrecherischer Handlungen abzuurteilen, „denn in Wirklichkeit handelt es sich lediglich um ein militärisches Gremium unter anderem N a m e n " . Einige der ihr vorgeworfenen Handlungen waren vor September 1939 begangen worden, andere lagen zwischen diesem Zeitpunkt und Dezember 1941. Da sich Karl Koch kurze Zeit später zu seiner neuen Dienststelle in Polen begeben hatte, bedeutete dies, daß der eigentliche Zeitraum für Ilses Verantwortlichkeit in rechtlicher Hinsicht sich - vom Standpunkt der Amerikaner - nur über wenige Wochen erstreckte. Dabei mußte erst noch bewiesen werden, daß sie als Frau des Kommandanten ohne jegliche offizielle Bevollmächtigung an dem „gemeinschaftlich vorgefaßten Plan" teilhatte. 57 Jeder Gedanke an einen zweiten Prozeß nach amerikanischer Gerichtsverfassung wurde von Seiten des Generals nachdrücklich abgelehnt. Obschon der Grundsatz, wonach niemand derselben Tat zweimal angeklagt werden könne, nicht allgemein anerkannt sei, sei er doch ein fester interner Bestandteil des amerikanischen Rechtssystems 58 ; und er habe guten Grund dies zu wissen, fuhr Clay fort, denn die Wahrung der in einer Demokratie üblichen Rechtsprinzipien sei ein Grundelement der Mission, die er in Deutschland im Namen der Besatzung zu erfüllen habe. 59 Es sei durchaus möglich, schrieb Clay, daß die Deutschen der Meinung seien, Ilse Koch könne für Verbrechen vor Gericht gestellt werden, für die sie die Amerikaner nicht angeklagt hatten. Aber er gab unmißverständlich seinem Widerstand einer Neuverhandlung gegenüber Ausdruck, in der versucht werde, die gleichen Probleme wie in Dachau zu behandeln; „. . . in ihrem Fall wäre eine solche Verhandlung eine glatte Verfolgungsmaßnahme und keine Anklage im öffentlichen Interesse. Anders ausgedrückt, würde sich jede Anklage, die gegen sie in einem deutschen Gerichtshof erhoben würde, auf die Verbrechen beschränken, die sie

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gegen irgendwelche Personen vor dem 1. September 1939 oder nach diesem Zeitpunkt gegen deutsche Staatsangehörige begangen hätte." 60 Inzwischen hatten einige von Fergusons Leuten damit begonnen, die Prozeßunterlagen im Fall Buchenwald ernst zu nehmen61 und angefangen, diese Unterlagen tatsächlich teilweise zu lesen. Die gesamte Niederschrift, Akten, Korrespondenzen und beeidete Aussagen waren nach Washington überführt und dem Komitee zur Verfügung gestellt worden. Als Geheimsache eingeordnet,62 wurden die Unterlagen sorgfältig überwacht: „ . . . ein Wachposten sitzt im Komitee-Büro . . ., um die Niederschrift ständig im Auge zu behalten. Er sieht zu, wie Untersuchungsbeamte die Unterlagen eingehend studieren. Jede Nacht, nachdem das Komitee das tägliche Arbeitspensum beendet hat, nimmt [der Wachposten] alles unter Verschluß . . . am Morgen öffnet er die Akte für das Komitee und führt seine Wache fort . . ," 63 Während die Hauptaufmerksamkeit des Komitees sich auf die schriftlichen Dokumente konzentrierte, wurden die Beweisstücke, die im Buchenwald-Fall in der öffentlichen Erörterung eine so große Rolle gespielt hatten, keineswegs außer Acht gelassen. Ferguson beantragte, die verschiedenen Hautlappen, die in Dachau gezeigt worden waren, ebenfalls dem Ausschuß zur Verfügung zu stellen. Obwohl ein Artikel im New York Tribune berichtete, die tätowierten Hautstücke seien verschwunden, 64 versicherte die Armee dem Senator aus Michigan, daß alle Überführungsstücke, die man im Prozeß vorgelegt hatte, längst in das Medical Museum der Armee in Washington D.C. überführt worden seien.65 Ein Schrumpfkopf, der auf einen kleinen Sockel aufgesetzt war, drei Lappen tätowierter Haut (zwei davon waren beim Buchenwald-Prozeß vorgelegt worden) und zwei Züchtigungspeitschen aus einem der Außenlager waren mehrere Monate zuvor in das Museum überführt worden, und zwar mit der Anregung, ob vielleicht diese Gegenstände in Frage kämen für eine Dauerausstellung über Kriegsverbrechen im Rahmen des Smithonian-Instituts.66 Am 8. Dezember trat das Komitee zu einer Exekutivsitzung zusammen; Ferguson und O'Connor waren nun in Begleitung von Senator John McClellan. Die Sitzung erstreckte sich über den ganzen Tag. Nachdem Ferguson die Vereidigung aller Zeugen veran164

laßt hatte, begannen die Aussagen mit einem ehemaligen Buchenwald-Häftling namens Kurt Sitte, einem neuernannten Professor für Physik an der Universität von Syracuse. Er berichtete den Senatoren, er habe sich von 1939 bis zur Befreiung im Jahre 1945 im Lager befunden. Er hatte einige Zeit im Pathologielabor des Lagers arbeiten müssen, aber er stritt ab, Frau Koch jemals dort gesehen zu haben und wies darauf hin, daß ihr Ehemann zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Kommandant von Buchenwald gewesen sei.67 Er sagte allerdings aus, das Lager habe Menschenhaut für einige SS-Leute präpariert, und er erinnerte sich an ein „zweites Gestell für einen Lampenschirm, das ich mit eigenen Augen sah". Wahrscheinlich sei er nach der Vorlage desjenigen Lampenschirms gearbeitet worden, der angeblich an Frau Koch geliefert worden sei: „Senator Ferguson: Sie sagen geliefert worden war'. Welche Beweise haben Sie dafür? „Dr. Sitte: Der Beweis bestand nur in dem, was man Hörensagen nennen könnte . . . Ich weiß vom Hörensagen, daß Leute den Lampenschirm gesehen haben - Ich bin sicher, daß er existierte, als hätte ich ihn mit eigenen Augen gesehen." 68 Die Anklage hatte Sitte bereits beim Prozeß in Dachau gefragt, ob er sicher sei, daß der Lampenschirm aus tätowierter Menschenhaut an Ilse Koch geliefert worden sei. Seine Antwort war eindeutig: „Ja, Herr Vorsitzender, ich bin sicher, so war es." 69 Als die Befragung vor dem Komitee von Ferguson fortgesetzt wurde, begann McClellan genauer zu untersuchen, wieviel der ehemalige Häftling über Ilses genaue Stellung im Lager und ihre Befugnisse wußte. Sitte erklärte, sie habe keine offizielle Position gehabt, aber ganz gewiß Befehle ausgeteilt. („Ob die Befehle, jemanden zu töten, von ihr persönlich kamen, kann ich natürlich nicht sagen"). McClellan machte einen neuen Versuch: „Was die einzelnen Ausschreitungen und dergleichen angeht, so möchte ich genau wissen, ob Sie bezeugen können, daß diese Frau tatsächlich Befehle erteilte, die solche Geschehnisse bewirkten oder ob sie irgendeine offizielle Stellung innehatte?" Sitte gab zu, daß seine Kenntnis dieser Umstände auf Informationen durch Hörensagen basiere. 70 Als man ihm die Überführungsstücke (Schrumpfkopf und Hautlappen) vorlegte, identifizierte sie Sitte als Produkte des Patholo165

gielabors in Buchenwald. Da im Prozeß nicht bewiesen worden war, daß irgendeiner dieser Gegenstände in Ilse Kochs Besitz gewesen war, erbrachte die Identifizierung durch Sitte nichts, was nicht bereits im Prozeßprotokoll stand. Als Sitte seine Aussagen beendet hatte, wurde offensichtlich, daß der Vorschlag dem Revisionsgremium der Armee nicht ohne Grund gemacht worden war. Diese Ansicht wurde allerdings mit keinem Wort in den Protokollen des Komitees erwähnt. Wie Sitte stammte der zweite Zeuge des Tages aus der Tschechoslowakei. Er war Arzt und hieß Paul Heller. Beim Buchenwald-Prozeß hatte er nicht ausgesagt, war aber von Saul Padover in dessen Protestartikel als Quelle zitiert worden. Heller war von 1939 bis 1943 Häftling in Buchenwald gewesen. Heller berichtete dem Komitee, er habe persönlich mitangesehen, wie Ilse Koch Häftlinge eines Arbeitskommandos mit der Reitgerte geschlagen habe. Er wußte nicht mit Bestimmtheit, ob er sie jemals einen Befehl oder Anweisungen hatte geben hören, und er erklärte, daß „es meine Taktik war, ein wenig abseits von ihr zu bleiben, denn ich kannte ihre Angewohnheiten". 71 Deutlich könne er sich an einen Sonntag im April 1940 erinnern, so sagte Heller, an dem er ihr begegnet sei. Er habe seine Tagesarbeit verrichtet, die darin bestand, große Säcke voll Erde zu tragen, als sie plötzlich mit mehreren großen Hunden aufgetaucht sei. Während die Gefangenen unter ihrer Last arbeiteten und von Zeit zu Zeit geschlagen wurden, habe Frau Koch dagestanden und zugesehen. Als man ihn fragte, ob sie persönlich jemanden geschlagen habe oder Arbeitsanweisungen gegeben habe, verneinte Heller und sagte, sie sei mit Sicherheit nicht mit der Führung beauftragt gewesen.72 Er habe mitangesehen, wie sie Häftlinge auspeitschte, fuhr Heller fort, und zwar während der Zeit, als man am Bau der Reithalle arbeitete. Ilse sei auf ihrem Pferd herangeritten und habe angefangen, die arbeitenden Häftlinge zu schlagen, um sie zu schnellerer Arbeit anzutreiben: „Senator Ferguson: Wie viele Gefangene hat sie ihrer Meinung nach geschlagen? „Dr. Heller: Vielleicht 20 bei dieser Gelegenheit. „Senator O'Connor: Befanden Sie sich in der Nähe? 166

„Dr. Heller: Ja. Ich hatte sie glücklicherweise gesehen und konnte ihr entgehen. „Senator O'Connor: Aber Sie waren in unmittelbarer Nähe? „Dr. Heller: Ich sah alles mit an." 73 Als man ihn nach dem Lampenschirm aus Menschenhaut fragte, antwortete Heller, es sei im Lager allgemein bekannt gewesen, „daß Frau Koch diese Lampenschirme hatte; ich hatte aber nie Gelegenheit, sie zu sehen . . . Ich sah sie zum ersten Mal nach der Befreiung des Lagers, als sie in der pathologischen Abteilung des Lagers ausgestellt wurden." 74 Heller erklärte seine Abwesenheit zum Zeitpunkt des Prozesses damit, daß er in den USA gewesen sei (obwohl Zeugen, die wichtige Aussagen zu machen hatten, die Reisemöglichkeit gegeben worden war), „und ich habe sieben Jahre meines Lebens verloren . . . und ich versuchte zu vergessen". 75 Die Nachmittagssitzung sollte noch weitere Überraschungen für das Komitee bringen durch die Aussage des Zeugen General Kiel. Emil Charles Kiel, ein ehemaliger Armeesoldat mit dreißig Dienstjahren, der keine Rechtsausbildung hatte und lediglich eine Sitzungsperiode lang beim Gericht gewesen war, war im Fall Buchenwald Gerichtsvorsitzender gewesen. Teile seiner Zeugenaussage sollen in aller Länge zitiert werden: Senator Ferguson: Sie erinnern sich an den sogenannten Fall Buchenwald, in dem diese Frau Koch eine der Angeklagten war? General Kiel: Ja, Herr Vorsitzender. Senator Ferguson: Wissen Sie, ob es bei den Richtern irgendeine Kontroverse gegeben hat hinsichtlich der Schuld oder Unschuld dieser Frau Koch? General Kiel: Ich kann mich an diesen speziellen Fall nicht mehr erinnern. Wissen Sie, wir haben 31 Personen gleichzeitig den Prozeß gemacht. Senator Ferguson: Aber es gab doch nur eine Frau? General Kiel: Ganz richtig, nur eine Frau. Senator Ferguson: Aber hebt es sich nicht von den anderen Fällen ab, ob es gerade hier Meinungsverschiedenheiten gegeben hat? General Kiel: Nein, nicht in meinem Gedächtnis, Herr Vorsitzender. 167

Senator Ferguson: Nicht in Ihrem Gedächtnis? General Kiel: Nein, Herr Vorsitzender. Mr. Rogers [juristischer Berater des Ausschusses]: Wissen Sie, nach welchen Gesichtspunkten die Mitglieder des Gerichts ausgewählt wurden: General Kiel: Nein, das weiß ich nicht. Mr. Rogers: Hat man denn mit Ihnen nicht über Ihr Amt gesprochen, bevor man Sie zum Vorsitzenden des Gerichts abgestellt hat? General Kiel: Ich war zur Abteilung für Kriegsverbrechen abkommandiert. 76 Mr. Rogers: Herr General, gegen welches Gesetz hat diese Frau verstoßen? Was fiel ins Gewicht, als Sie diesen Fall behandelten? Worin bestand der Rechtsverstoß, den sie begangen hatte? General Kiel: Nun, dazu müßte ich die Anklagepunkte einsehen. Mr. Rogers: Nun, grundsätzlich wird sie der Beihilfe und Anstiftung bei den Geschehnissen in Buchenwald angeklagt. In Buchenwald befanden sich Menschen verschiedener Nationalitäten, und Sie haben die Zeugenaussagen über die verschiedenen Gruppen gehört. Handelte es sich um einen Verstoß gegen das Völkerrecht, lag ein Kriegsverbrechen vor? Was war der grundsätzliche Verstoß? General Kiel: Ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Mr. Rogers: Und wie war das Völkerrecht festgelegt worden? Wissen Sie das? General Kiel: Nein, Mr. Rogers, das weiß ich nicht. 77 Senator McClellan: Mir fällt auf, daß Ihr Gedächtnis ein wenig verschwommen ist im Hinblick auf einige sehr wichtige Sachverhalte. Senator Ferguson: Diese sind für das Komitee natürlich sehr wichtig. Senator McClellan: In der Tat. Und was ich klären will, und was wir hier behandeln, ist die Frage, ob es sich um einen Rechtsmißbrauch handelt im Hinblick auf den Verurteilten, das Urteil in diesem bestimmten Fall oder im Hinblick auf den Offizier, der das Urteil geändert hat. Und hier steht der Vorsitzende des Gerichtshofes vor uns und ist anscheinend nicht in der Lage, sich an einige höchst wichtige Vorgehensweisen zu erinnern, ob die Leitlinien befolgt oder nicht befolgt wurden, wie dies geschah . . . es scheint mir doch, daß er 168

in der Lage sein sollte, sich an einige dieser Punkte zu erinnern. Senator Ferguson: Es handelte sich hier um einen höchst wichtigen Fall, Herr General. General Kiel: Das steht außer Frage. 78 Damit wandte sich der Ausschuß anderen Problemen zu. McClellan wollte wissen, warum es zwischen Clays Entscheidung und einer Veröffentlichung eine derartig lange Verzögerung gegeben habe, und Oberst James Harbaugh, der in der Abteilung für Kriegsverbrechen arbeitete und als Zeuge vorgeladen war, erbot sich, dem Senator diese Frage zu beantworten. Harbaugh betonte, diese Verzögerung sei unbeabsichtigt gewesen und hauptsächlich zurückzuführen auf die Verlegung der EUCOM-Hauptdienststelle von Frankfurt nach Heidelberg, die zu jener Zeit stattfand. Der Oberst sagte, man habe die Häftlinge sofort informiert; doch der Brief, den Ilse an dem Tag schrieb, an dem sie die Neuigkeit erfuhr, ist auf den 16. August datiert. 79 Ferguson allerdings schien der Erklärung Harbaughs mißtrauisch gegenüberzustehen. Er fragte sich laut und vernehmlich, wie eine solch wichtige Information monatelang „vergessen" werden konnte, selbst wenn man den Wechsel nach Heidelberg in Betracht zöge. Außerdem kritisierte er die Art und Weise, in der die Nachricht dann schließlich aus nicht-offizieller Quelle in München bekannt wurde, und deutete an, dies verstärke nur noch den Verdacht, daß Clay und seine Leute die Veröffentlichung bewußt hinausgeschoben hätten. Harbaugh tat sein Bestes, die Kommentare Fergusons zu beantworten, aber es lag auf der Hand, daß er keine weiteren Rechtfertigungen anbieten konnte. Er gab zu, daß die Nachricht von Frau Kochs Strafverkürzung inoffiziell zur Presse durchgesickert sei, aber „wir haben uns sofort der Sache angenommen und eine Presseerklärung über die ganze Angelegenheit veröffentlicht." 80 Der Oberst gab keinen Hinweis darauf, ob er von der früheren Erwähnung in den Zeitungen der Sowjetzone gewußt hatte. Der letzte Zeuge an diesem Tag war Oberst Straight, unter Clay stellvertretender Generalstaatsanwalt für Kriegsverbrechen und Schlüsselperson im Revisionsverfahren. Verständlicherweise war er ein unerschütterlicher Verfechter der Revisionsverfahrens-Regeln der Armee und machte auf die interessante Tatsache auf169

merksam, daß man sich seit dem Mexikanischen Krieg im 19. Jahrhundert nach ihnen gerichtet habe. Er drückte sein Bedauern aus über die sensationsgierige Art, in der über das Ilse Koch unterstellte Verhalten in den Tagesmeldungen berichtet worden war und über das tatsächliche Verhandlungsergebnis, denn es konnte „keine . . . Mittäterschaft an der Ausführung des gemeinschaftlich gefaßten Plan nachgewiesen werden". 81 Nachdem er die Aussagen derjenigen Zeugen, die ihm unglaubwürdig erschienen, nicht in Betracht gezogen habe, so sagte Straight, habe das gesamte übrige Beweismaterial gegen Frau Koch bewiesen, daß sie einen Häftling geschlagen und mehrere andere zur Bestrafung gemeldet habe. Dies habe sicherlich kein Urteil auf lebenslängliche Haft gerechtfertigt, fuhr er fort, denn „Ilse Kochs Fall unterschied sich insofern von allen anderen Fällen, in denen Personen wegen Mittäterschaft an dem gemeinschaftlich gefaßten Plan der Konzentrationslager vor Gericht standen, als sie keine ihr vom Stellenplan zugewiesene Funktion ausübte . . . noch an den Geschehnissen im Konzentrationslager offiziell teilhatte." 82 Während eines kurzen Wortwechsels mit Straight wollte Senator O'Connor genau wissen, warum der Oberst die Zeugenaussage von Froboeß übergangen hatte, und fragte, ob einige ungünstige Berichte über Froboeß das Revisionsverfahren in unsachgemäßer Weise beeinflußt hätten. 83 Als besonders befremdlich erscheint bei der Befragung durch O' Connor die Tatsache, daß dem Komitee seit kurzem ein vertraulicher Bericht über Froboeß von der für Zivilangelegenheiten zuständigen Heeresabteilung (Army Civil Affairs Division) vorlag, in dem es hieß, daß „Pater Heribert und Herbert Froboeß, Zeuge der Anklage im Fall des Konzentrationslagers Buchenwald, ein und dieselbe Person sind." Beigelegt war die Unterlage, die seine Ausweisung aus dem Kloster in Fulda im April 1945 und diverse Verhaftungen wegen Betruges und Fälschungen seit dem Jahre 1928 betraf.84 Entweder spielte O'Connor bewußt mit Straight, oder er hatte die C.A.D. Mitteilung nicht gelesen; wahrscheinlich trifft letzteres zu. Das Komitee trat am folgenden Tag, Donnerstag, den 9. Dezember, erneut zusammen. An dieser letzten Sitzung nahm neben den Senatoren Ferguson, O'Connor und McClellan auch Senator John

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Bricker aus Ohio teil. Durch ständiges Nachhaken und Zweifelsfragen an die Obersten Young, Straight und Harbaugh ging das Komitee auch der Frage nach, ob es vielleicht möglich gewesen wäre, daß Clay eine Strafverlängerung für Ilse Koch hätte bewirken können, aber recht bald geriet man mit dieser Fragestellung in ein rechtliches Labyrinth. Einzig klar blieb, daß Clay nicht gezwungen werden konnte, die Situation irgendwie zu ändern.85 In diesem Zusammenhang ist es vielleicht nützlich, sich daran zu erinnern, daß das Ferguson-Komitee ähnlich wie andere vergleichbare Ausschüsse darauf abzielte, das Tätigkeitsbild des Kongresses insgesamt wieder richtig zu rücken, nachdem er während des Krieges weitgehend im Schatten des Präsidenten gestanden hatte. Nachdem sie jetzt nach einem ,Anlaß' gesucht hatten, ihre neue Wichtigkeit unter Beweis zu stellen, waren die Senatoren enttäuscht über ihre Unfähigkeit, im Falle Ilse Koch irgendetwas zu bewirken. Eine Bemerkung von McClellan schien dieser Enttäuschung und den Gedanken der anderen Ausdruck zu verleihen; der Senator sagte ärgerlich: „Nach dem zu urteilen, was ich bisher über den Fall weiß, glaube ich, daß man dieser Frau das Genick hätte brechen sollen." 86 Während der Nachmittagssitzung begannen die Ausschußmitglieder an die Möglichkeit zu denken, die deutschen Behörden davon zu überzeugen, Ilse Koch vor Gericht zu stellen. Die unzureichende Informationslage, wie dies zu bewerkstelligen sei, verzögerte die Diskussion. Harbaugh war der Meinung, die amerikanischen Besatzungsbehörden würden vielleicht in der Lage sein, ein deutsches Gericht davon zu überzeugen, Ilse Koch noch einmal den Prozeß zu machen. Er spann den Gedanken weiter aus und warf ein, daß es sicher hilfreich sein würde, Zeugen und Unterlagen zu überstellen. 87 Auf die Frage von Senator Ferguson, ob es in Deutschland irgendein Gesetz gebe, daß sich auf das „Ansichbringen und Gerben von . . . Menschenhäuten" bezöge, antwortete Harbaugh, es gebe „keinen Beweis, der mir bekannt ist, nach dem sie verantwortlich war für die Tötung eines Menschen, mit dem Ziel, dadurch seine tätowierte Haut an sich zu bringen." 88 Als man die Diskussion und Befragung fortsetzte, wurde klar, daß ein möglicher Weg zu einem neuen Prozeß gegen Ilse Koch auf dem Gebiet der mutmaßlichen Verbrechen gegen deutsche 171

Staatsangehörige lag. Da man diese Kategorie im amerikanischen Prozeß weitgehend übergangen hatte (man hatte allerdings einige Zeugenaussagen von Deutschen mitaufgenommen), bedeutete dies, daß man dem Problem des Strafklageverbrauchs durch einen deutschen Prozeß entgehen konnte. Die Erkenntnis, daß man möglicherweise einen Ausweg gefunden hatte, wird im folgenden Wortwechsel deutlich: Mr. Rogers: Glauben sie nicht, daß diese Möglichkeit es wert ist, ergründet zu werden, in Anbetracht der darin liegenden Schwierigkeiten, daß der Fall bereits abgeschlossen ist? Oberst Harbaugh: Über diese Frage sollte von Leuten entschieden werden, deren Befugnis die meine übersteigt. Senator Ferguson: Gab es im deutschen Rechtsbereich die Ex Post Facto-Klausel? Oberst Harbaugh: Das glaube ich nicht. Sie machten einfach Gesetze, wie sie ihrer bedurften. Senator Ferguson: Es würde sie [die Deutschen] nicht weiter belasten, daß wir sie [Frau Koch] bereits abgeurteilt haben? Oberst Harbaugh: Nein, Herr Senator, selbst wenn sie für Verbrechen gegen neun Deutsche vor Gericht stehen würde, fiele das in unserem Rechtssystem nicht unter die Klausel der zweifachen Straffälligkeit. Senator Ferguson: Entweder zweifache Straffälligkeit oder die Ex Post Facto-Klausel. Oberst Harbaugh: Sollte zum Beispiel der Vorwurf des Mordes ihr nachgewiesen werden, würde dies unsere Rechtsnormen hinsichtlich der Ex Post Facto-Regelung und der zweifachen Straffälligkeit nicht berühren, denn es gab Gesetze im Falle von Mord. Mr. Rogers: Wenn Sie für einen derartigen Prozeß Gründe finden könnten, und sie vor Gericht stünde, ist Ihnen irgendein Grund bekannt, aus dem dies für uns abträglich sein könnte? Oberst Harbaugh: Mir ist nicht bekannt, wonach dies für uns abträglich wäre, vorausgesetzt, die Anklage stimmt und es sind hinreichende, glaubwürdige Beweise vorhanden. 89 Man kann nur staunen über die Widersprüchlichkeit, die darin liegt, daß Harbaugh einerseits eine der Hauptpersonen im Revisionsverfahren war, andererseits plötzlich aktiv einen neuen Pro172

zeß gegen Ilse Koch anstrebte. Entweder hatte er seine Meinung geändert, oder das Komitee hatte ihn eingeschüchtert. Am 27. Dezember verkündete das Ferguson-Komitee die Veröffentlichung eines vorläufigen Berichts über die vollbrachte Arbeit; tatsächlich sollte dies der abschließende Bericht bleiben. Man begann mit der Herausstellung des eigenen Anliegens, daß ,jeder Versuch gemacht werden sollte, gegen Ilse Koch Recht walten zu lassen". Unglücklicherweise, so stellte man fest, verhindere die eigene rechtliche Unzulänglichkeit eine Wiedergutmachung von Clays Entscheidung, aber das eigentliche Ziel der Untersuchung habe ja darin bestanden, sämtliche „allgemeine Mißverständnisse in der öffentlichen Meinung, die den Fall betrafen", zu klären, und dies sei schließlich erreicht worden.90 Jedenfalls nahm man dies an. Der gewählten Rolle als Wahrer der öffentlichen Interessen gemäß erklärte das Komitee die anfängliche Geheimhaltung der Untersuchung damit, daß es im Falle Ilse Koch bereits zu viel Aufsehen gegeben habe. Wenn man die weiteren Streitpunkte klären wolle, müsse weitere Verwirrung vermieden werden.91 Der vorläufige Bericht, den das Komitee jetzt der Öffentlichkeit zugänglich machte, war dazu gedacht, die Suche nach Wahrheit inmitten von zahlreichen augenscheinlichen Widersprüchen zu dokumentieren. Der Wortlaut war anscheinend mit der Absicht gewählt worden, Clay nicht zu nahe zu treten, und man verschoß den spitzesten Pfeil auf Oberst Straight: „Wir möchten ausdrücklich auf die Tatsache hinweisen, daß der Revisionsausschuß offensichtlich das Urteil gegen Ilse Koch allein aufgrund der von Oberst Straight verfaßten bruchstückhaften und unvollständigen schriftlichen Empfehlungen verkürzte." 92 Man stimmte darin überein, daß jedes Urteil verkürzt werden könne, vorausgesetzt, daß mildernde Umstände vorlägen, und dies gelte für den Fall Buchenwald wie für jeden anderen Fall. Man wolle jedoch die Aufmerksamkeit darauf lenken, daß gewisse Regelwidrigkeiten im Verlauf des Revisionsverfahrens offensichtlich übersehen worden wären. Der Schuldspruch basiere auf der bewiesenen Mittäterschaft an dem „gemeinsamen verbrecherischen Plan", und deshalb, so beschloß das Komitee übereinstimmend, lägen in diesem Fall, da Ilse Koch im Gegensatz zu ihren 30 Mitangeklagten keine offiziell zuerteilte Position im Lager 173

innehatte, keine mildernden Umstände vor; „was auch immer sie das Lager und seine Häftlinge betreffend getan hat, das tat sie freiwillig. In ihrem Fall liegen keine mildernden Umstände vor." Es habe deshalb keine Grundlage für eine Strafverkürzung gegeben. Mit einem weiteren bißchen Logik entschied man, daß es eigentlich überhaupt nicht notwendig gewesen sei, ihr spezielle Akte der Grausamkeit oder des Mordes nachzuweisen, da sie für schuldig befunden worden war, am gemeinsam gefaßten Plan beteiligt gewesen zu sein.93 Heftig kritisiert wurde Ilses Verteidiger, der nach Auffassung des Komitees irrtümlicherweise das Belastungsmaterial als nicht überzeugend abgetan hatte. Dieses Belastungsmaterial „wäre in jedem Gerichtshof der Vereinigten Staaten anerkannt worden", stellte das Komitee dem entgegen. Außerdem wurde die Verteidigung dafür getadelt, daß sie die „Hautangelegenheit" weit über die ihr im Fall zukommende Bedeutung aufgebauscht habe.94 Unerwähnt blieben die Bemühungen der Anklage, diesen Belastungspunkt gegen Ilse Koch aufzubauen und auch die vom Komitee selbst angestrengten Versuche in diese Richtung. Fergusons Ausschuß Schloß seine Arbeit mit einer aus fünf Punkten bestehenden Zusammenfassung ab. Erstens sei man der Meinung, Ilse Koch sei der Anklage nach schuldig und der Strafnachlaß daher nicht gerechtfertigt; zweitens, die Militärbehörden hätten nachlässig darin gehandelt, die Gründe für die Strafverkürzung nicht umgehend anzugeben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben; drittens, die amerikanischen Behörden, denen man die Verantwortung für den Fall übertragen habe, seien nicht in der Lage gewesen, angemessene Verfahrens- und Vorgehensweisen zu entwickeln, denn es habe genügend Belastungsmaterial vorgelegen für ein Urteil auf,lebenslänglich' für Frau Koch; viertens, der Revisionsausschuß habe keine zufriedenstellende Arbeit geleistet; und fünftens empfahl das Komitee eine enge Zusammenarbeit mit deutschen Gerichtsbehörden, um „Ilse Koch erneut den Prozeß zu machen".95 Der Fall Ilse Koch war noch immer ein aktuelles Thema. Fast gleichzeitig mit dem Bericht über die Ermittlungsergebnisse Fergusons brachte die Zeitschrift Look eine beeindruckende Zusammenstellung von Fotographien aus den Kochschen Familienalben und stellte die Frage: „Warum soll Ilse Koch ungestraft davonkommen?"96 174

Dem Ferguson-Komitee war es nicht gelungen, den Fall zu erhellen. Man hatte stattdessen nur noch mehr zur allgemeinen Verwirrung beigetragen. Die Untersuchung verstärkte nur erneut die Wirkung der Zeitungsberichte von 1945. Allerdings hatte sich dem Ruf nach einem deutschen Verfahren gegen Ilse Koch eine mächtige Stimme zugesellt. Die „Hexe" sollte nicht ungestraft davonkommen.

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Der Prozeß der Deutschen Anfang 1949 veröffentlichte der ehemalige Buchenwald-Häftling Eugen Kogon einen alarmierenden Bericht über die Gefühle der Deutschen, was die Welt im allgemeinen und die Lagererfahrung im besonderen betraf. Seine Beobachtungen zerstörten alle Illusionen. Die Ära des Dritten Reiches war zu Ende, „aber in den vier vergangenen Jahren ist auf Deutschland kein Licht gefallen . . . zu viele Schatten liegen über dem Land". Die Deutschen seien „desorientiert" durch den Kalten Krieg, schrieb er, und der endlosen Ost-West-Auseinandersetzungen müde; „wenn Hitler wiederkäme, würden viele ihm von neuem folgen". 1 Da die „Umerziehung" der Deutschen weitgehend aufgegeben worden sei und Millionen von Deutschen nach Westen gedrängt würden oder sich noch in sowjetischer Gefangenenschaft befänden, sei es nicht weiter verwunderlich, daß die Aufdeckung von Einzelheiten über die Konzentrationslager Hitlers im Hinblick auf die Ansichten der Deutschen mehr oder weniger wirkungslos blieben. 2 Kogon stellte die berechtigte Frage, was denn die Deutschen überhaupt als „Vergleichsmaßstab" benutzen sollten. Was bei den Alliierten als unerbitterliche Entschlossenheit zur Abrüstung, Entnazifizierung und dazu, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen, begonnen habe, sei inzwischen durch Widersprüche, Einschränkungen und Begnadigungen ersetzt worden: „Und dann gab es die russische Wirklichkeit in der Ost-Zone! Buchenwald existierte weiter, ebenso Sachsenhausen-Oranienburg, Thorgau und Ravensbrück. Ein paar Lager wurden sogar erweitert, andere neu eingerichtet." Es handle sich um ein System, das nicht nur gegen 177

ehemalige Nazis eingerichtet worden sei, sondern gegen alle ,Feinde' des Staates. 3 Das Vorgehen der westlichen Alliierten gegen abgeurteilte nationalsozialistische Kriegsverbrecher hatte sich von Bestrafung zu Begnadigung verschoben. Diese neue Politik der Milde entsprach genau der Stimmung in Deutschland. 4 Die Deutschen waren es müde, unablässig ihre Sünden in den Gerichten der Alliierten aufgezählt zu hören, während man draußen von ihnen erwartete, daß sie die westliche Politik im Kalten Krieg unterstützten. 5 Warum beließ man es nicht einfach bei Clays Entscheidung, wenn es um die allgemeine Stimmung so bestellt war? Man hatte ehemalige Nazis freigesetzt, denen Kriegsverbrechen nachgewiesen worden waren, die viel schwerwiegender waren als die von Ilse Koch. 6 In der Tat erwartete auch Ilse ihre Freilassung, darauf vertrauend, daß sie die Zeichen richtig deutete. 7 Doch die Umstände, die ihren Fall umgaben, hatten eine Situation geschaffen, die einmalig war und mit den anderen Fällen nicht verglichen werden konnte. Für die Amerikaner bedeutete eine Wiederaufnahme des Verfahrens die Lösung des durch Clays Urteilsänderung hervorgerufenen Problems. Für die Deutschen bedeutete ein weiterer Prozeß die Gelegenheit, ihre neugewonnene Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen und, was sehr wichtig war, dies mit Hilfe eines Falles zu tun, dem das deutsche Volk nicht gleichgültig gegenüberstehen würde. Frau Koch war überall verhaßt und wurde von jedermann verachtet und verabscheut. Der Prozeß gegen sie würde sich gut als Katharsis für die Deutschen eignen und gleichzeitig die Amerikaner zufriedenstellen. Während das Ferguson-Komitee die Frage nach einer Neuverhandlung durch die Deutschen aufwarf, hatte man damals allerdings noch nichts unternommen, um dies in die Wege zu leiten. Kurze Zeit später informierte jedoch Clay den Heeresminister Royall über die verschiedenen Möglichkeiten. Es könne zum Beispiel eine Untersuchung über Ilses Lebenswandel nach 1943 angestellt werden, dem Zeitpunkt, an dem sie Buchenwald verlassen hatte, und die Ergebnisse könnten möglicherweise belastend sein. Clay ließ durchblicken, er habe Nachforschungen in dieser Richtung bereits einleiten lassen. Ein weiterer Ansatzpunkt, der sich noch leichter ausführen ließ, bestehe darin, Beweismaterial zu 178

sammeln im Hinblick auf ihre Behandlung von deutschen Staatsangehörigen, die in Buchenwald interniert gewesen seien, denn diesen Aspekt habe man im Dachauer Verfahren übergangen: „Deshalb habe ich", so schrieb General Clay, „den Ministerpräsidenten von Bayern gebeten, einen Bevollmächtigten zu ernennen, der sofort gemeinsam mit unseren Bevollmächtigten mit dem Ziel eines baldigen Prozesses daran arbeiten soll, aus dem Belastungsmaterial ihre Beteiligung an den Verbrechen festzustellen, die gegen deutsche Staatsangehörige begangen wurden." 8 Clay besaß, wenn er es wünschte, die Vollmacht, deutsche Gerichte durch die Kanäle der Militärregierung zu beeinflußen, aber es gab auch bereits die notwendige rechtliche Regelung, nach der Deutsche gegen Deutsche (und andere Staatsangehörige, die nicht zu den Vereinten Nationen gehörten) gerichtlich vorgehen konnten. Präsident Truman hatte einem Ende 1945 ausgearbeiteten Plan zugestimmt, der „vorgesehen war für die gerichtliche Verfolgung derjenigen Verbrechen gegen die Menschheit, die Verstöße gegen das betreffende deutsche Gesetz darstellten, in denen die Opfer deutsche Staatsangehörige waren . . . durch deutsche Gerichte, unter Aufsicht der Militärregierung." 9 Der Freistaat Bayern, der in der amerikanischen Zone lag, besaß die Berechtigung, diese Verantwortung nach außen hin zu übernehmen, und Justizminister Johann Ilkow wurde zum zuständigen Bevollmächtigten bestimmt, wie es den Forderungen General Clays entsprach. Doch diese Vorgänge wickelten sich nicht so einfach ab, wie es vielleicht klingen mag. Dr. Robert M.W. Kempner, ehemals hauptamtlich tätig im Rahmen der Anklagebehörde in den Nürnberger Prozessen, wies später auf einige der Schwierigkeiten hin, die sich bei der Sicherstellung von Ilkows Ernennung gezeigt hatten. Kempner trat als inoffizieller Verbindungsmann zwischen Clays Dienststelle und dem bayrischen Justizministerium auf und übernahm auf Bitten von Gruppen ehemaliger Lagerinsassen die Aufgabe, die Neuverhandlungen im Fall Ilse Koch zu erleichtern. Die Probleme seien nicht nur rein technischer Natur gewesen, wie etwa die Frage nach der zweifachen Straffälligkeit, sagte Kempner, sondern von alliierter Seite habe es ein beträchtliches Mißtrauen den deutschen Juristen gegenüber gegeben. Nach zahlreichen Treffen mit Ilkow und Rechtsberatern der US-Armee bekam man schließlich, was an Genehmigungen erforderlich war.10 179

Die kurze Mitteilung, die Clays Dienststelle am 22. März veröffentlichte, enthielt Einzelheiten über sein Ersuchen beim bayrischen Ministerpräsidenten, aber auf den fragwürdigen Zustand des deutschen Rechtssystems wurde in keiner Weise angespielt. Nachdem die Entscheidung endlich gefallen war, gingen die Amerikaner schnell dazu über, die Bayern mit allen nötigen Hilfsmitteln zu versorgen. Das Wichtigste war die Überstellung von Zeugen, denn aus den Unterlagen und Beweisstücken würden keine neuen Beweise hervorgehen. Das deutsche Verfahren mußte sich aus neuen Zeugenaussagen herleiten. Eine hoffnungsvolle Quelle schien eine Liste von etwa 100 ehemaligen BuchenwaldHäftlingen zu sein, die in den USA lebten und deren Namen und Anschriften man vom „Amerikanischen Bund ehemaliger KZHäftlinge und anderer Opfer der Nazi-Verfolgung" (American Association of Former Inmates of Concentration Camps and other victims of Nazi Persecution) erhielt. Doch der Optimismus legte sich recht bald wieder, denn ein Untersuchungsteam der Armee teilte kurze Zeit später mit, daß die Ergebnisse bei der Befragung der ersten dreißig Personen, die man aufgrund der Liste hatte ausfindig machen können, absolut negativ ausgefallen seien. Niemand habe neue Informationen zu bieten gehabt, die Leute konnten sich nicht an Einzelheiten erinnern, hätten nichts zu sagen oder wollten nicht belästigt werden. Einige der möglichen Zeugen seien sogar bereit, günstige Aussagen für Ilse Koch zu machen. Fünf Personen bestünden darauf, daß Ilse Koch niemals irgendjemanden mißhandelt habe. Ein gewisser Ludwig Scheinbrunn sagte aus, Frau Koch habe nie die Mißhandlung von Häftlingen angeordnet. 11 Scheinbrunns Aussage ist besonders interessant im Hinblick auf die Tatsache, daß Dr. Heller ihn ausdrücklich als möglichen Zeugen empfohlen hatte. Dr. Heller hatte den Ermittlungsbeamten mitgeteilt, Scheinbrunn wisse von den Aktivitäten Ilse Kochs. Sowohl Heller als auch Dr. Zenkl informierten die Ermittlungsbeamten, daß sie persönlich keine weiteren Einzelheiten über Frau Ilse Koch hinzuzufügen hätten, denn sie hätten Frau Koch niemals bei der Mißhandlung von Gefangenen gesehen, noch jemals gehört, daß sie Anordnungen in dieser Richtung gegeben habe. 12 In eigener Initiative hatte Ilkow bereits mit der Suche nach Beweismaterial begonnen und setzte sich im April mit dem amerikanischen Rechtsanwalt Solomon Surrowitz in Verbindung, der 180

Denson und Kunzig im Fall Buchenwald auf Seiten der Anklägerschaft unterstützt hatte. Mit den Worten „Hauptquartier, EUCOM hat mich eingesetzt. . ." stellte sich Ilkow vor und erkundigte sich nach den Namen aller Zeugen, die Surrowitz möglicherweise ausfindig machen konnte. Außerdem wollte er wissen, wo sich die Unterlagen des SS-Verfahrens gegen Karl und Ilse Koch befänden. Er stellte fest, daß Paulmann, der Morgen bei ihrer Festnahme in Buchenwald behilflich gewesen war, angeblich in Spanien lebte; „Morgen steht ebenfalls noch nicht zu meiner Verfügung."13 Surrowitz erwies sich ebenfalls als Enttäuschung. Als er nach den Namen von Zeugen gefragt wurde, verwies er Ilkow auf die Prozeßunterlagen. Was allerdings mit den SS-Prozeßakten geschehen war, wußte er nicht mehr. Er schlug vor, der bayrische Staatsanwalt solle sich an Eugen Kogon wenden, der ihm vielleicht mehr Auskünfte geben könne, und eventuell auch an Joseph Kirschbaum, der damals für die Anklagebehörde die Ermittlungen im Fall Buchenwald geleitet habe. 14 Man beschaffte Ilkow die Prozeßakten über Buchenwald, aber er wußte, daß die wichtigsten Zeugenaussagen von Personen kommen mußten, die im Dachauer Prozeß nicht ausgesagt hatten. Er wußte außerdem, daß die Vereinigten Staaten eine Hauptquelle waren, da die Sowjetunion nicht bereit sein würde, Zeugen aus ihrem Sektor zur Verfügung zu stellen. Dieses Vorgehen Ilkows gab den Amerikanern neue Zuversicht, denn er sah die Möglichkeit, Ilse Koch für Straftaten gegen deutsche Staatsbürger anzuklagen, und dies konnte mit einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren geahndet werden. Vielleicht würde er sogar in der Lage sein, ihre Mittäterschaft bei der Ermordung von Juden am 9. November 1939 im Lager nachzuweisen (er besaß den Namen eines Juden als Anhaltspunkt) und könnte sie so des Mordes anklagen.15 Das betreffende Gesetz, nach dem vorzugehen war, hatte er bereits ausfindig gemacht: Paragraph 226 des Deutschen Strafgesetzbuchs. Hier wurden die Verbrechen behandelt, deren man sie anklagen wollte: „Körperverletzung mit Todesfolge", und dies wurde mit einer Maximalstrafe von zwanzig Jahren Haft bestraft. 16 Da Deutschland im Ausland keine Diplomaten besaß, war es schwierig, sich außerhalb der deutschen Grenze aufzuhalten. Aus181

landsaufenthalte mußten von einer der Besatzungsmächte genehmigt werden. In diesem Fall war die Genehmigung der Vereinigten Staaten unentbehrlich, denn Ilkow wollte mögliche Zeugen in Amerika befragen. Als seine Begleiter waren Dr. Ernst Jagomast, ein Untersuchungsrichter aus Bamberg, der im bayrischen Landesgericht tätig war, und Dr. Alfred Seidl, Ilses neuernannter Verteidiger (er war der Verteidiger von Rudolf Hess, Hans Frank und anderen im Nürnberger Prozeß gewesen). Militärische Sicherheitsbedenken bestanden keine, da Ilkow und Jagomast nicht von den Aktionen im Rahmen der Entnazifizierung betroffen waren, und Seidl, obwohl ehemaliges Parteimitglied, im Dezember 1946 freigesprochen worden war.17 Den drei Männern wurden „von der zuständigen Militärregierungsstelle O M G U S [Office of Military Government, United States] durch die alliierte Bankenkommission Dollars zur Verfügung gestellt nach der Hinterlegung der entsprechenden Summe in deutscher Währung". Pro Person erhielten sie 300 Dollar - für einen voraussichtlich zwanzigtägigen Aufenthalt in den USA - und wurden von einem OMGUS-Beamten begleitet. Die Ermittlungsgruppe verließ den Frankfurter Rhein-Main Flughafen am 13. August. 18 Wahrscheinlich wollten sie Zeugen in der Gegend von New York befragen, zur Sicherung „von bisher ungenütztem Belastungsmaterial, das diese Personen möglicherweise im Fall Ilse Koch vorzubringen hatten". 19 Während in den Armee-Unterlagen für den Transport der Zeugen nach New York ein Betrag von 4 000 Dollar verzeichnet ist, gibt es keinerlei Angaben darüber, welches Belastungsmaterial ausfindig gemacht wurde, und wen genau man befragt hat. Jagomast benutzte später im deutschen Prozeß die Aussagen von neuen Zeugen, die er in den Vereinigten Staaten befragt hatte. Es scheint ganz so, als ignorierte man die Berichte, die bereits von den Ermittlungsbeamten der Armee zusammengestellt worden waren, und unter denen sich viele Aussagen eben dieser Zeugen befanden. Ein Bericht verzeichnete 78 befragte Personen (mit Namen und Anschrift) „mit negativem Ergebnis . . . zuvor nicht gemeldet". Später schloß ein anderer Bericht mit zahlreichen hinzugefügten Namen: „Alle bekannten Hinweise, die zu derzeit in den USA lebenden Deutschen führten, bei denen es sich um ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald handelte, 182

wurden überprüft, und es wurde Ihrer Dienststelle darüber Meldung gemacht"; wieder war das Resultat negativ.20 Die Regierung der Vereinigten Staaten war allerdings nicht bereit, das Risiko einzugehen, daß diese Reise erfolglos sein könnte und so die Bereitschaft der Deutschen, das Verfahren voranzutreiben, dämpfen würde. Robert Kunzig, einer der Ankläger im Fall Buchenwald und inzwischen stellvertretender Justizminister für Pennsylvania, legte dar, wie man verfuhr. Trumans Justizminister Howard McGrath rief Kunzig an, um diese Angelegenheit zu besprechen und schlug einen - selbstverständlich inoffiziellen - Besuch bei den betreffenden bayrischen Behörden vor, um sicherzugehen, daß diese die wichtigen Fragen richtig verstünden.21 Kunzig erklärte sich zu diesem Besuch bereit: Ich suchte diesen Mann, Müller, glaube ich, im bayrischen Justizministerium auf. Das war im Juli oder August '49 - ich war seit '47 nicht mehr dagewesen - und der Mann setzte mir doch tatsächlich heiße Schokolade mit Schlagsahne vor! Wir haben uns ganz gut unterhalten und sind die ganze Angelegenheit durchgegangen. Wir saßen im Wohnzimmer eines Hauses, sehr deutsch, vollgestopft mit Polstermöbeln und anderen Gegenständen. Er stellte mir viele Fragen über Ilse Koch, und ich versuchte mein Bestes, ihn davon zu überzeugen, daß es vom politischen und diplomatischen Standpunkt aus klug sei, dieses bösartige Geschöpf zu nehmen und der Welt zu zeigen, daß die Deutschen sie ebenfalls vor Gericht stellen könnten. Wir besprachen das Problem des Strafklageverbrauchs, und ich versuchte, so deutlich wie möglich zu machen, daß ihr amerikanischer Prozeß vollkommen anders gewesen sei. Er schien an diesem Gesichtspunkt nicht interessiert zu sein, obwohl er Interesse an unserem Prozeß zeigte. Ich versuchte, sehr klar herauszustellen, daß wir - meines Wissens nach keinesfalls unsere Ermittlungen auf der Ermordung von Deutschen aufgebaut haben, und wenn sie wegen Mordes von Polen, Tschechen und Franzosen habe verurteilt werden können, sei es genauso gut möglich, sie für das Töten von Deutschen zu verurteilen. Ich stellte außerdem klar, daß ich ein Privatmann sei, der darauf dränge, daß man Gerechtigkeit walten ließe, falls man sie für den Mord an Deutschen vor Gericht stelle.22 183

Kurz vor Ilses festgesetzter Entlassung aus Landsberg im Oktober, stellten die Behörden der DDR einen formellen Antrag auf ihre Auslieferung, um ihr „am Ort ihrer Verbrechen den Prozeß zu machen". Sie machten dabei klar, daß sie nicht beabsichtigten, Zeugen oder Beweismaterial für ein Verfahren in Westdeutschland zur Verfügung zu stellen.23 Die Vereinigten Staaten beachteten den Antrag nicht und gaben bekannt, daß man Ilse Koch am 17. Oktober, dem Tag ihrer Haftentlassung, der westdeutschen Polizei übergeben werde.24 Am Tag ihrer Übergabe wog Ilse Koch 165 Pfund (dies rief viele bittere Kommentare von Deutschen hervor, die von Hungerrationen leben mußten) und trug ein graugrünes Kostüm, das sie in der Gefängnisschneiderei genäht hatte. Auf dem Kopf trug sie eine „Wagner-Kappe". 25 Einsatzbereit umstanden die Wachposten der US-Armee das Landsberger Gefängnis, um Ausschreitungen von Seiten aufgebrachter Deutscher zu verhindern, als Ilse Koch nach abgebüßter vieijähriger Haft entlassen wurde, zu der sie vom alliierten Militärgericht verurteilt worden war. Obwohl es zu keinerlei Zwischenfällen kam, „hatte der Gefängnisdirektor Oberst Walter R. Graham aus St. Paul, Minnesota, Demonstrationen aus den Reihen der 4 000 Juden in den Lagern für „displaced persons", die in der Nähe gelegen waren, befürchtet. Von vielen dieser Heimatlosen [Displaced Persons] nahm man an, daß sie in Buchenwald Verwandte gehabt hatten, wo diese Frau Koch während des Krieges ihre berüchtigte sadistische Herrschaft ausgeübt hatte." 26 Die amerikanische Zeitschrift Time spiegelte ebenso starke Gefühle wider, als sie über Ilses Wiederverhaftung berichtete und nannte sie die „berühmte . . . Sammlerin von Lampenschirmen (am liebsten aus Menschenhaut)." 27 Ilse wurde verhaftet, als sie im Gefängnishof zu Reportern und Photographen über das Schreiben ihrer Memoiren sprach. Man hatte einen Haftbefehl gegen sie, in dem sie des mehrfachen Mordes angeklagt wurde. Ihr neues Gefängnis, die bayrische staatliche Frauenhaftanstalt in Aichach, lag nur wenig entfernt. Als sie aus dem deutschen Polizeiwagen stieg, wurde sie bereits wieder von Reportern erwartet, doch nach einem kurzen Lächeln verdüsterte sich ihre Stimmung, und sie warf ihnen vor, sie hätten nur im Sinn, an ihrem Leid zu verdienen.28 184

Am 17. November, mehrere Wochen später, wurde Frau Koch formell von Dr. Jagomast angeklagt, Buchenwald-Häftlinge mit einem Stock und der Reitgerte geschlagen zu haben, Gefangene für grausame Strafen gemeldet zu haben (über den Bock oder Baumhängen), die oft zum Tode führten (40 %), Insassen befohlen zu haben, bis zum Zusammenbruch am Bau der Reithalle zu arbeiten, und SS-Wachposten aufgefordert zu haben, Gefangene zu schlagen und zu töten. 29 Sie wurde auch beschuldigt, tätowierte Gefangene zum Töten ausgewählt zu haben, um später ihre Haut zu erhalten: „Sie besaß Gegenstände, die aus Menschenhaut hergestellt waren." 3 0 Seidls Antrag, die Anklage aufgrund des Strafklageverbrauchs fallenzulassen, wurde abgelehnt. Der Fall war für die Bundesrepublik Deutschland von beträchtlicher Wichtigkeit, denn er bedeutete für sie, im Gegensatz zu den Entnazifizierungsprozessen, die sie bisher durchgeführt hatte, den ersten wichtigen Kriegsverbrecherprozeß. Auf deutscher Seite herrschte das Empfinden vor, daß Ilse den Amerikanern entkommen war aufgrund von Sprachschwierigkeiten und gewisser Kenntnislücken der Amerikaner über die tatsächlichen Verhältnisse im nationalsozialistischen Deutschland. Bei der Vorbereitung des Prozesses fiel eine ausgeprägte Atmosphäre der Entschlossenheit auf. 31 Als man Ilse mit der sicheren Aussicht auf einen erneuten Prozeß konfrontierte, begann sie, Anzeichen von Hysterie zu zeigen. Dies sollte von nun an charakteristisch für ihr Verhalten sein. Im März 1950 ordnete das Gericht eine Untersuchung auf ihren Geisteszustand an, und Ilse wurde für einige Zeit in ein Augsburger Krankenhaus überführt. 32 Seidl stand dieser Überführung skeptisch gegenüber und betonte, dies sei nichts weiter als die Verkomplizierung eines ganz natürlichen Sachverhalts. Ilse sei nur eine gewöhnliche Frau aus einfachen Verhältnissen, die unter Minderwertigkeitsgefühlen litte. Seidl gab bereitwillig zu, daß sie gewisse Tendenzen zu Sadismus und Perversion besäße, die in der Atmosphäre des Konzentrationslagers günstigen Nährboden gefunden hätten, 33 aber sie als geistesgestört anzusehen, verzerre nur die Tatsachen unnötigerweise und mache die Angelegenheit zu einem noch schwierigen 185

Fall als den von Rudolf Hess, den er in Nürnberg verteidigt habe. 34 Der Münchner Anwalt - der immer noch als Prozeßbevollmächtigter für Rudolf Hess auftritt - machte außerdem einige weitere Prophezeiungen für das Ergebnis eines erneuten Prozesses gegen Ilse Koch. Was sie bekommen werde, so sagte er, sei eine Geschworenenbank, zusammengesetzt aus ehrenwerten deutschen Handwerkern, die bereits über Frau Kochs Schuld entschieden hätten. 35 Während in Bayern die Vorbereitungen für eine neue Verhandlung fortgesetzt wurden, sorgte der Fall in den Vereinigten Staaten noch immer für Schlagzeilen. Clay, der inzwischen nach Amerika versetzt worden war, konnte seine Identifizierung mit dem Fall Koch nicht abschütteln. Unter Umständen, die nicht sehr verschieden waren von seinem früheren Erlebnis im Waldorf-Astoria Hotel im Jahre 1948, wurde der General eingeladen, in einer Versammlung im New Yorker Rathaus zu sprechen. Es handelte sich hierbei um eine Unterstützungsaktion für das eingeschlossene Berlin. Bevor er allerdings sprechen konnte, erhob sich im Publikum ein Mann und forderte ihn auf, sich zu „Ilse Koch und der Menschenhaut" zu äußern. Obwohl man den Zwischenrufer hinausführte, riefen andere weiter und forderten von Clay ein Erklärung. Zur gleichen Zeit begannen Dutzende von Zuhörern den Saal zu verlassen. Der erschütterte und wütende Clay setzte sich mit dem zurückgebliebenen Publikum auseinander. Er lehnte es ab, seine Rede zu halten und verließ den Saal, wurde aber draußen von Hunderten schreiender Demonstranten empfangen, bevor er sich in eine wartende Limousine retten konnte.36 Inzwischen hatte man den Termin für Ilses deutsche Verhandlung auf den 27. November festgesetzt. Der Prozeß sollte in Augsburg stattfinden, und eine Lokalzeitung feierte ihn als den größten Prozeß, den man je in dieser Stadt durchgeführt habe. Den Lesern wurden unschöne Einzelheiten versprochen, denn das Gericht habe über die berüchtigte „Kommandeuse von Buchenwald" ein Urteil zu fällen, „eine Person, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit tätowierter Menschenhaut gehandelt habe!" 37 Sensationsmeldungen waren allerdings nicht das einzige, was die Leser zu erwarten hatten, denn die Kosten für die Prozeßführung und die Ladung von Hunderten von Zeugen mußte der deut186

sehe Steuerzahler tragen. Allein die Voruntersuchungen hatten mehr als 30 000 Mark gekostet, und dies war nur die Spitze des Eisbergs. 38 Einige der Zeitungsberichte deuteten eine Verschwörung im Fall Ilse Koch an und behaupteten, die „eigentliche Wahrheit" würde niemals ans Tageslicht kommen, der richtige Vater von Ilses Kind sei ja auch nie gefunden worden. Andere Artikel betonten ihr Übergewicht (zu einer Zeit, in der deutsche Bürger immer noch mit mageren Rationen auszukommen hatten) und den „Elitestatus", den sie als Gefangene in amerikanischer Haft genossen hatte. Man stellte heraus, daß sie Hunderte von Heiratsanträgen aus Übersee erhalten habe, während sie auf ihre Entlassung aus amerikanischer Haft gewartet habe, und die offensichtlich auf ihren berüchtigten Ruf in sexueller Hinsicht zurückzuführen seien.39 Dr. Robert Kempner spottete über die Auffassung, Frau Koch habe eine Sonderbehandlung erhalten, während sie bei den Amerikanern interniert gewesen sei. Er gab zu, daß sie viele Heiratsanträge erhalten habe, als es danach aussah, daß sie 1949 entlassen werden sollte, aber er tat dies mit dem folgenden Kommentar ab: „Es gibt immer Verrückte, und die schreiben an jede Frau, die im Gefängnis sitzt." 40 Die Anklageschrift gegen Ilse Koch umfaßte etwa 151 Seiten, und als der Prozeß eröffnet wurde, dauerte das Vorlesen dieser Schrift fast sechs Stunden. Die Anwälte wechselten sich beim Lesen ab. Allein auf sieben Seiten wurden die Verbrechen aufgezählt, derer man sie beschuldigte, und es waren 55 Seiten erforderlich, um die „kriminellen Handlungen der Angeklagten in Einzelheiten" zu beschreiben. 41 Ilse wurde angeklagt, in 135 Fällen zum Mord angestiftet zu haben, 45 dieser Fälle führten zum Tod. Die deutsche Staatsanwaltschaft war bereit, 400 Zeugen zu laden (es wurden schließlich 241 geladen), und obwohl die Anklagen beinahe identisch waren mit denen, die man in Dachau erhoben hatte (in einigen Fällen waren sie tatsächlich identisch), war der Umfang doch ganz anderer Art. Die Amerikaner hatten 13 Einzelklagen gegen Ilse Koch erhoben und mündliche Aussagen von weniger als 20 Zeugen miteinbezogen. 42 187

Die deutsche Anklageschrift betonte besonders die Tatsache, daß die Amerikaner sie nur für Vergehen verurteilt hatten, „die gegen die Person, das Leben, die Freiheit und das Eigentum von Angehörigen feindlicher Staaten" gerichtet gewesen seien, da diese unter die Kriegsverbrechen fielen. Aber Verbrechen gegen Deutsche seien keine Verstöße gegen das Völkerrecht. Da Frau Kochs mutmaßliche Straftaten definitiv Verstöße gegen das deutsche Strafrecht seien (Paragraph 16 und 17 wurden aufgeführt), beschloß man, daß sie strafrechtlich angeklagt werden könne. 43 Den großen, karg möblierten Hauptsaal des Augsburger Kolpinghauses wählte man zum Schauplatz des Prozesses. An der Wand hinter Ilses Stuhl hing ein großes Kruzifix, und vor ihr, vor den drei Richtern und sechs Geschworenen, stand ein Holzbock, den man von Buchenwald überführt hatte. 44 Die Angeklagte erschien vor Gericht in dunkelbraunen Strümpfen und Schuhen (Schnürschuhe mit Blockabsätzen) [die ihr das Gefängnis zur Verfügung gestellt hatte], aber ihr graues Kleid mit weißem Kragen und dazu passendem Taschentuch war ein Geschenk einer deutschen Gräfin, die in München lebte. Frau Koch trug ihr Haar bei dieser Gelegenheit gewellt. 45 Sie wurde beschrieben als „eine stämmige Magd von der flämischen Grenze", aber die Leser wurden vorgewarnt, daß sich hinter diesem gewöhnlichen Äußeren ein Geschöpf verberge, „vor dem Menschen gezittert hatten - mehr als vor Himmler oder Hitler". 4 6 Dem Gericht wurde mitgeteilt, daß Ilse Koch alle Anklagen, die man ihr vorwarf, abgestritten habe und sich teilweise geweigert habe, überhaupt zu antworten, aber die Anklage war darauf vorbereitet, sie durch Zeugenaussagen und „andere Beweismittel" zu überführen. Schriftlich war ihr bestätigt worden, daß sie sich einer neuro-psychiatrischen Untersuchung unterzogen habe und verhandlungsfähig sei. 47 Große Menschenmengen hatten sich am Tag der Hauptverhandlung eingefunden, neugierig darauf, die berüchtigte „Kommandeuse" zu Gesicht zu bekommen, und sie wurden nicht enttäuscht. Bei der Voruntersuchung gab Ilse zu, mit Hoven in Buchenwald intim gewesen zu sein, und man ging daraufhin zur Untersuchung des ,Haut'-Themas über. Nach Angabe eines ehemaligen Häftlings namens Benedict Kautsky war tätowierte Menschenhaut im Lager auf den Gerbprozeß vorbereitet worden. E r wisse aber

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nicht, was anschließend damit geschehen sei; Frau Koch sei ihm nur aufgrund ihres Rufes bekannt. Als der Gerichtsvorsitzende Georg Maginot sie direkt fragte, ob sie ein gewisses pornographisches Buch kenne, das in Menschenhaut gebunden sei, stritt sie dies wütend ab.48 Die Anklage hatte zahlreiche Zeugenaussagen zusammengestellt, die bestätigten, daß man in der Villa Koch „tatsächlich einige Gebrauchsgegenstände aus präparierter Menschenhaut gefunden habe", und daß einige dieser Gegenstände Ilse gehört hätten. Auf der Zeugenliste befanden sich auch Namen wie Konrad Morgen, Eugen Kogon und Robert M.W. Kempner.49 Natürlich hatten sowohl Morgen als auch Kogon im amerikanischen Prozeß jede Kenntnis dieser Angelegenheit abgestritten. Morgen hatte sogar behauptet, er habe bis zu diesem Zeitpunkt nie etwas derartiges gehört. Kempner, der im Dachauer Prozeß um Buchenwald keinerlei Rolle gespielt hatte, war erst nach Clays Urteilsänderung hinzugezogen worden.50 Diese Tatsache lassen einige der von deutscher Seite erzielten Ergebnisse der Voruntersuchung zumindest fragwürdig erscheinen. Um für Photographen und Reporter günstige Aufnahmebedingungen zu schaffen, hatte man im Gerichtssaal große Scheinwerfer angebracht, die die Zentralfiguren in helles Licht tauchten. Ilse saß mit ihrem Verteidiger Dr. Seidl an einem Tisch, ihr gegenüber befanden sich die Richter und Geschworenen. Im hinteren Teil des Raumes hatte man einen Bezirk mit Plätzen für etwa 30 Personen abgeriegelt. Von Anfang an zeigten die Zuschauer eine offene Abneigung der Angeklagten gegenüber, und gelegentlich war aus dem Zuschauerbereich ein verärgertes Murmeln zu hören, nachdem Frau Koch eine verneinende Antwort gegeben hatte. 51 Manchmal schien Frau Koch das Publikum mit ihrem Benehmen absichtlich zu provozieren. Sie verpaßte selten eine Gelegenheit, sich im Spiegel zu betrachten, wenn sie auf dem Weg zu ihrem Platz an einem Spiegel im Saal vorbeikam; auch kam sie oft ins Gespräch mit einem der zahlreichen Journalisten, die in ihrer Nähe saßen. Am ersten Tag hörte man, wie sie zu einem Reporter sagte, es sei unsinnig, so viel Geld für einen neuen Prozeß gegen sie auszugeben, während doch täglich so viele Kriegsverbrecher freigelassen würden.52 (Das Urteil gegen den Prinzen zu Waldeck war auf sieben Jahre verkürzt worden, und einige Personen, die 189

man mit Ilse zusammen in Dachau verurteilt hatte, sollten 1951 entlassen werden.) 53 Ein derartiges Verhalten verärgerte das Gericht. Nach dem Verlesen der Anklageschrift in der Hauptverhandlung hatte der Vorsitzende Maginot sie aufgefordert aufzustehen, und „da er ganz offensichtlich ihren Antworten keinen Glauben schenkte . . ., machte er sarkastische Bemerkungen über den ihr unterstellten Lebenswandel. Sie leugnete alles, besonders die Anklage, die den Lampenschirm betraf, und rieb sich nervös die Hände an einem Taschentuch. Ihre Stimme war leise, aber fest." 54 Am Ende des Tages war es offensichtlich geworden, daß Ilse sich nicht kampflos geschlagen geben würde. Ihre Antworten erfolgten ohne Zögern, nachdrücklich stritt sie jegliche Kenntnis des Lagerlebens ab und bestand darauf, sie wisse nichts von Schlägen, dem Melden von Gefangenen wegen Vorschriftsverletzungen und habe niemals Gegenstände aus Menschenhaut besessen. Bei den wichtigen Anklagepunkten zeigte sie Geistesgegenwart, oft sah sie zu Seidl, um seine Reaktion oder Zeichen der Zustimmung festzustellen. Wenn eine der Kameras sich auf sie richtete, setzte sie sich sogleich gerade hin oder drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite, als höre sie genau zu. Auf alle Fragen, die sich auf ihr Intimleben in Buchenwald bezogen, antwortete sie stets, sie habe sich wie jede andere normale Frau verhalten.55 Konsequent stritt sie jede Fehlhandlung ab. Als Beweis für ihre Unschuld führte sie an, sie habe niemals versucht, sich zu verstecken, obwohl ihr dies durchaus möglich gewesen sei. Stattdessen habe sie sich weiterhin bis zu ihrer Verhaftung in Ludwigsburg aufgehalten. Sie lehnte es ab, Fragen über ihr uneheliches Kind zu beantworten. Als man ihr mitteilte, viele Zeugen seien bereit, im Hinblick auf den umstrittenen Lampenschirm gegen sie auszusagen, erwiderte sie, sie könne ebenso viele Zeugen zu ihrer Verteidigung auftreten lassen, man solle ihr nur die Möglichkeit dazu geben.56 Ohne aus seiner Entrüstung einen Hehl zu machen, berichtete Seidl den Reportern, die meisten Briefe und Anrufe würden von Neugierigen stammen, die Informationen über Ilse Koch wollten. Jeder scheine wissen zu wollen, was sie esse, worüber sie spreche, was sie lese. Seidl sagte, nach diesen Dingen habe er sie niemals gefragt, und sie habe sich auch dazu nicht geäußert. Ab und zu 190

frage sie nach einer Zeitung, er habe ihr aber bisher noch keine gebracht. Was er an Information anbot, bezog sich auf den Lesestoff, für den sich Ilse Koch interessierte. Die meisten Bücher, um die sie in der Gefängnisbücherei bäte, befaßten sich mit religiöser Thematik. 57 Die meisten der geladenen 241 Zeugen - einige davon sollten für die Verteidigung auftreten - erschienen nicht freiwillig. Etliche hatten Vorstrafen aufzuweisen, andere, besonders auf Seiten der Verteidigung, hatten gute Gründe, eine öffentliche Bloßstellung zu vermeiden, daher mußte das Gericht sich verpflichten, für die Zeugenaussage Straffreiheit zu gewähren. Viele der Zeugen waren ehemalige Buchenwald-Häftlinge. Ein großes Problem bestand für die Anklage darin, die Verläßlichkeit der Zeugenaussagen zu beweisen. Man fragte die betreffenden Personen immerhin nach Ereignissen, die bereits neun bis dreizehn Jahre zurücklagen. Einige Einzelheiten waren von vorneherein nicht klar gewesen, und für die Insassen von Buchenwald war jedes Zeitgefühl ausgelöscht. Sie erinnerten sich an Zeitabschnitte, in denen es stark geregnet hatte, oder an einen langen heißen Sommer. Manchmal waren sie in der Lage, sich an genaue Daten zu erinnern, wie an den Kriegsausbruch oder den Einmarsch in die Sowjetunion, aber es erwies sich als aussichtslos oder außerordentlich schwierig, zu gemachten Zeugenaussagen den passenden zeitlichen Rahmen zu finden.58 Oft wollten sich die Zeugen nicht auf die Tatsachen beschränken, zu denen man sie befragt hatte, sondern bestanden auf langen abweichenden Berichten über Kränkungen, die man ihnen zugefügt hatte, die aber mit der Fragestellung nichts zu tun hatten. Ein Zeuge sagte aus, die Häftlinge hätten wegen der „Sau" fünf Tage lang gehungert. Als das Gericht ihn aber wegen des vulgären Ausdrucks zurechtwies, erklärte er, dies habe sich nicht auf Frau Koch bezogen, sondern man habe ihnen damals ein richtiges Schwein gestohlen!59 Aussagen von Zeugen, die sich nicht mehr erinnern konnten, und Berichte, in denen es von Widersprüchen und Irrtümern wimmelte, führten zu ernsten Bedenken, was die Glaubwürdigkeit betraf. Ilse war da überzeugender mit ihrer stereotypen Antwort „Stimmt nicht!" Auch war die Anklagevertretung keineswegs erfreut darüber, daß Seidl bei jedem Zeugen, dessen Aussagen durch 191

Kreuzverhöre erschüttert wurden, fortwährend darauf bestand nachzufassen. Wenig hilfreich war außerdem die Tatsache, daß unmittelbar bei Prozeßbeginn vier voraussichtliche Zeugen gestorben waren, und sich daraufhin in Ostdeutschland und Österreich Gerüchte ausbreiteten, daß jeder, der gegen Frau Koch aussagen wollte, sein Leben riskiere.60 Vielleicht stammte die verläßlichste Aussage zu Ilses angeblichem Besitz von Menschenhaut von dem ehemaligen Häftling Josef Ackermann, inzwischen Senator in München. Er berichtete, er habe eine Lampe mit einem Schirm aus tätowierter Menschenhaut („man konnte darauf die Brustwarzen sehen") überbracht; der Lampenfuß sei aus einem menschlichen Fuß und Schienbein konstruiert gewesen. Der Anlaß sei eine Geburtstagsparty in der Villa Koch gewesen. Ackermann, der zur damaligen Zeit als Sekretär bei Doktor Hoven arbeitete, habe den Auftrag erhalten, die Lampe zur Villa Koch zu bringen. Er teilte mit, einer der Partygäste habe ihm anschließend erzählt, die Lampe sei ein Riesenerfolg gewesen.61 Der Senator fügte hinzu, die Sache mit der Lampe und der tätowierten Menschenhaut könne der Angeklagten nicht direkt zur Last gelegt werden, da ihr Ehemann den Gegenstand als Geburtstagsgeschenk erhalten habe. Man müsse außerdem berücksichtigen, daß die Lampe sofort verschwunden sei, nachdem die höhere SS-Führung davon erfahren hätte. 62 Die Presse feierte Ackermanns Aussage als wichtige Enthüllung, übersah allerdings bewußt seine letzte Bemerkung. Eine andere Neuigkeit war die Entdeckung von Ilses Mitgliedschaft in der Partei. Sie hatte im amerikanischen Prozeß jede formelle Zugehörigkeit zur Partei in Abrede gestellt, und da man keinen Gegenbeweis erbringen konnte, hatte man ihr glauben müssen. Aber inzwischen war bei einer genauen Untersuchung der Millionen von Parteiunterlagen im US-Document Center in Berlin der Parteiausweis einer gewissen Ilse Köhler zum Vorschein gekommen. 63 Als man sie mit dem Beweisstück konfrontierte, verweigerte Ilse jede direkte Antwort. 64 Mit Sicherheit war jetzt das kleine bißchen Glaubwürdigkeit zerstört, das sie sich mit ihrem selbstbewußten Leugnen bisher hatte aufbauen können. Damit begann sich auch zugleich ihr eigenes Verhalten zu ändern. 192

Abb. 26: Am 15.1. 1951 wird Ilse Koch vom Augsburger Schwurgericht zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.

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Sie machte kaum den Versuch, ihre Langeweile zu verbergen. Die meiste Zeit saß sie mit niedergeschlagenen Augen und hatte die Hände im Schoß. Manchmal studierte sie die Schnitzereien an der Decke oder starrte teilnahmslos auf die Gesichter in der Zuschauermenge. Wurde ein Zeuge emotional oder begann zu weinen, wandte sie sich vom Zeugenstand ab und schloß die Augen. Zeitweise machte sie einen kranken Eindruck, als befände sie sich am Rande eines körperlichen Zusammenbruchs. 65 Immer wenn sie in den Zeugenstand gerufen wurde, antwortete sie so kurz wie möglich und erwiderte oft ihr stereotypes „Stimmt nicht" oder „Unsinn". Noch immer klang sie überzeugt und schien tatsächlich ihren eigenen Worten Glauben zu schenken.66 Vorsitzender Maginot, der ganz offensichtlich enttäuscht war über die Schwierigkeiten, die sie als Angeklagte machte, sprach am Ende der ersten Verhandlungswoche mit ihr: Vorsitzender: Angeklagte, ich weiß nicht, ob Ihre Verteidigung besonders geschickt ist. Es gibt Dinge, die man abstreiten kann, aber Sie streiten ja auch jede Kleinigkeit ab. Das halte ich für sehr bedenklich. Ilse Koch: Zuckt mit den Achseln. Vorsitzender: Hat sich Ihr Mann mit Ihnen über dienstliche Sachen unterhalten? Ilse Koch: Nein. Vorsitzender: Auf dem Gebiet der Liebe ging jeder seinen eigenen Wege. Jetzt möchte ich mal wissen, was Sie überhaupt mit Ihrem Mann gesprochen haben? Ilse Koch: Ich verzichte auf jedes weitere Argument. Ich kann nur immer wieder betonen, daß ich unschuldig bin.67 Ohne Zweifel waren viele Zuschauer gelangweilt über die Unfähigkeit der Anklage, neue Enthüllungen zu präsentieren. In der Zwischenzeit versuchte die Tagespresse, durch eigene Leitartikel den Zeilenraum zu füllen und den Verfahrensberichten Tiefe zu verleihen. Eine Augsburger Zeitung, die Schwäbische Landeszeitung, entschied sich dafür, die Sache auszuloten, indem sie einige recht unangenehme Fragen nach der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands stellte. Man wies daraufhin, daß Ilse Koch vielleicht aus einer Gesellschaft stamme, an der alle Deutschen teilgehabt hätten, aber jetzt versuche man, sich von einem kleinen Teil der Schuld zu befreien, indem man an ihr ein Exempel 194

statuiere. Der Konzentrationslager-Prozeß in Augsburg finde im Angesicht der gesamten Welt statt, und obwohl es beinahe gleichgültig sei, wie das Urteil lauten würde, sei es wichtig, daß man ein angemessenes Urteil über das nationalsozialistische System fälle, indem man die Verantwortung am richtigen Ort sehe.68 Politische Weisheiten dieser Art waren allerdings selten, denn das unmittelbare Ziel des Gerichtsverfahrens war, die Angeklagte zu überführen, das Umherschweifen eines Leitartiklers war hier fehl am Platz. Am Mittwoch der zweiten Verhandlungswoche veröffentlichte das Gericht die Nachricht, daß Tausende von Briefen aus aller Welt eingegangen seien, in denen man für Ilse Koch die Todesstrafe fordere. 69 Die Anklage konnte außerdem einige Volltreffer auf Seiten der Zeugen verzeichnen. Frau Raible, Ilses Schwägerin, die sie im großen und ganzen während des amerikanischen Prozesses unterstützt hatte, machte in Augsburg einige für Ilse recht ungünstige Aussagen. Voll Verachtung äußerte sie sich zu Ilses Verteidigung, sie sei nur eine gute Ehefrau und Mutter gewesen.70 Frau Raible nahm ebenfalls Stellung zu Ilses Gleichgültigkeit den Leiden der Häftlinge gegenüber. Sie erinnerte sich an einen Zwischenfall, bei dem Ilse ihre Hunde auf einige Gefangene gehetzt habe. 11 Sie äußerte sich auch genauer über Ilses Ankunft in Ludwigsburg im Jahre 1944, nachdem sie im Anschluß an das SS-Verfahren freigesprochen worden war. Sie berichtete, Frau Koch habe ihr erzählt, sie sei nur freigekommen, weil sie mit dem Vorgesetzten geflirtet und das Blaue vom Himmel gelogen habe. 72 Abweichend von ihrer Aussage in Dachau sagte Frau Raible, Ilse habe tatsächlich eine Reitgerte besessen, allerdings habe sie selbst nie gesehen, daß Ilse Gefangene damit geschlagen habe. 73 Die Zeugenaussage von Frau Raible war nicht die einzige Überraschung. Robert L. Kunzig, der junge amerikanische Anwalt im Dachauer Prozeß, erschien unerwartet in Augsburg. Inzwischen besaß er eine eigene Anwaltspraxis in Pennsylvania und war daher nicht allzu geneigt, der Einladung der Anklage zu folgen, besonders da die Deutschen dafür nicht zahlten. Als aber die gemeinnützige jüdische Organisation B'nai B'rith sich zur Finanzierung des Unternehmens bereit erklärte, ließ sich Kunzig überreden, vor Gericht zu erscheinen. 74 195

Der Grund hierfür sei gewesen, so erklärte Kunzig, daß Seidl während des Augsburger Prozesses wiederholt die Anklage damit herausgefordert habe, er würde eine amerikanische Autorität einschalten wegen der Grundtatsache des mehrfachen Strafklageverbrauchs. Ilse stehe zum dritten Mal wegen Vergehen vor Gericht, die im wesentlichen auf denselben Anklagen beruhten, so argumentierte Seidl.75 Als Kunzig in Augsburg eintraf, wurde er von Ilkow abgeholt und darüber informiert, daß die Anklagevertretung eine kleine Überraschung vorbereitet habe, da Seidl seine Forderung fast täglich vor Gericht wiederhole. Man beabsichtige, die Amerikaner in den Seitenflügeln warten zu lassen, und falls Seidl erneut fragen sollte, würde man Kunzig in den Gerichtssaal führen. Kunzig sprach gern über sein Erlebnis: Er [Ilkow] hatte keinen Raum, in dem ich warten konnte das Gebäude war noch immer teilweise ausgebombt - deshalb mußte ich auf der Herrentoilette warten, wo ich dann mehrere Stunden auf einem Klo in einer der Kabinen saß. Ich wollte gern behilflich sein, also blieb ich einfach sitzen. Schließlich kam er herein und sagte, jetzt sei es soweit, Ilse Kochs Anwalt habe wieder die betreffende Frage gestellt. Mein Erscheinen bedeutete eine vollkommene Sensation, ein Geländer auf der linken Seite hielt eine Menschenmenge zurück, die sehr aufgebracht gegen Ilse Koch zu sein schien. Ich ging bis zur Mitte des Raumes und drehte mich dem Gericht zu, und dabei mußte ich an Ilse Koch vorbei. Sie befand sich rechts von mir, nur wenige Meter entfernt an einem Tisch. Man befragte mich mehr als eine Stunde und wollte alles über die legale Seite unseres Prozesses wissen, ob wir sie des Mordes an Deutschen angeklagt hätten und so weiter. Die meisten dieser Fragen stellten die Richter. Dann konnte ich den Saal verlassen. Als ich herausging, sah sie zu mir hin, als ich gerade an ihr vorbeikam, und schrie: ,Du willst mich bloß tot sehen oder mich zum Selbstmord treiben. Das werde ich nie tun.' Die Gesichter der Menschen hinter dem Geländer sahen so aus, als würden sie sie am liebsten in Stücke reißen. 76 Nachdem man sie am Freitag am Ende der zweiten Verhandlungswoche zurück in ihre Zelle gebracht hatte, verlor Ilse plötzlich die Kontrolle über sich. Aus Leibeskräften schrie sie: „Ich bin 196

eine Sünderin, ich bin schuldig" und begann, ihr Bettzeug zu zerreißen. Obwohl sie sich bald wieder beruhigte, ließ man sie in ein Krankenhaus überführen.77 Dort angekommen, schien sie ihren hysterischen Anfall völlig überwunden zu haben und verbrachte zwei ruhige Tage dort. Am Sonntag allerdings hielten Spaziergänger, die sich in der Nähe des Westkrankenhauses befanden, erstaunt inne, als sie eine Frau wiederholt an einem Fenster schreien hörten: „Ich habe gesündigt. Ich bin schuldig."78 Ilse war hysterisch geworden. Abhängig vom Ergebnis eines psychiatrischen Gutachtens sah sich das Gericht jetzt mit einem schwierigen Problem konfrontiert. Sollte Ilse für unzurechnungsfähig oder geistesgestört erklärt werden, würde das Urteil mit Bestimmtheit anders ausfallen müssen. Es wurde sogar die Frage erwartet, ob der Prozeß überhaupt weitergeführt werden sollte oder nicht. Die Berichte aus dem Krankenhaus waren nicht gerade günstig, denn Ilse zitierte angeblich Passagen aus Dantes Inferno und fragte an, wann sie denn in eine Anstalt überführt werde. Aber die Ärzte entschieden, daß sie nur markierte, ,krank spielte', um ihrer Verurteilung zu entgehen.79 Das Gericht beschloß, unmittelbar mit dem Prozeß fortzufahren, mit oder ohne Ilse Koch. Man hatte bereits 50 Zeugen der Anklage verhört, und die Prozeßkosten stiegen immer mehr an. Der allgemeine Eindruck war, daß man sowieso schon genügend Beweismaterial gesammelt habe, und es an der Zeit sei, den Fall abzuschließen.80 Der Prozeß war allerdings noch nicht ganz zu Ende. Ilse erschien am Dienstag (den 12.) wieder vor Gericht und verhielt sich während des Nachmittags und am nächsten Morgen ruhig, brach dann wieder zusammen, legte den Kopf auf den Tisch und lehnte es ab, sich zu bewegen. Diesmal lautete die Diagnose, daß sie verhandlungsunfähig sei, denn sie war nicht zur Kooperation bereit, und man empfahl, sie in das Aichacher Gefängnis zurückzubringen. Der Prozeß wurde ohne sie weitergeführt.81 Während ihrer Abwesenheit sorgte die endlose Kette von Zeugen der Anklage für einiges Interesse, angefangen mit den Zeugen Jehovas (die es ablehnten, sich vereidigen zu lassen) bis zu Mitgliedern der SED. Ein paar Zeugen schienen bei ihrer Zeugenaussage betrunken zu sein und wurden vom Gericht streng zurechtgewiesen und mit einer Geldstrafe belegt.82 197

Zeitweise lehnte das Gericht sogar die Aussage eines Zeugen der Anklage ab, wie im Fall eines gewissen Ludwig Tobias. Der ehemalige Buchenwald-Häftling berichtete, Frau Koch habe ihm 13 seiner Zähne ausgetreten, als er sich nach einem Stück Brot gebückt habe, das ihm zu Boden gefallen war. Später berichtete ein anderer Zeuge, er habe den Zwischenfall gesehen, und schwor, ein SS-Mann habe Tobias getreten. Ähnlich stand es um die Aussage von Friedrich Widder, der behauptete, Ilse Koch habe angeordnet, Gefangene bis zum Hals in Sand einzugraben, aber auch diese Aussage wurde im folgenden durch andere Zeugen widerlegt, und es stellte sich heraus, daß Widder im Lager als notorischer Lügner bekannt war. 83 Doch Ilses Anwesenheit war unersetzbar, und die Zuschauerzahl schrumpfte auf eine Handvoll Menschen zusammen. Als sie am 29. wieder erschien, war die Besuchertribüne, auf der sich während der letzten Zeit nur etwa 20 Personen befunden hatten, ziemlich überfüllt. 84 Zweifellos war Ilse Koch die Hauptattraktion des Prozesses. Als man ihr mitteilte, das Belastungsmaterial habe sich während ihrer Abwesenheit weiter gehäuft, sagte Ilse, alles sei Lüge, und sie beabsichtige, keine weitere Erklärung abzugeben. 85 Ilse zeigte sich entspannt, manchmal sogar lässig, strich sich durchs Haar und lachte. Vom Gericht wurde sie mehrfach gefragt, ob sie den Vorgängen folgen könne. Jedesmal antwortete sie mit einem festen „Ja!". Auf die Frage, ob sie bereit sei, irgendeine der ihr zu Last gelegten Vergehen zuzugeben, antwortete sie sofort mit „Nein!" 86 Als das neue Jahr näherrückte, war es an der Zeit, unmögliche Vorsätze zu fassen und sich etwas zu wünschen. Mit der Überschrift „Unsere heimliche Hoffnung für 1951" gab eine Augsburger Zeitung der veränderten öffentlichen Stimmung Ausdruck. Die Schlagzeile lautete „General Clay gibt eine Million aus für den Prozeß gegen Ilse Koch. Er will das deutsche Volk nicht belasten." 87 Als das Gericht nach den Ferien erneut zusammentrat, war das Ende in Sicht. Ilses Hysterie war verschwunden, jedenfalls momentan, war allerdings von einem Hungerstreik abgelöst worden. Nach einigen Tagen das Fastens erschien sie im Gerichtssaal, sehr ungepflegt und hager. Jetzt sah sie wirklich wie eine „Rote Hexe" aus, wenn man den Pressenachrichten Glauben schenken soll.88 198

Wahrscheinlich war Eugen Kogon der wohl prominenteste Zeuge der Anklage, wohlbekannt durch sein vielgefragtes Buch über Buchenwald „Der SS-Staat". Kogon wollte eigentlich bei dem Prozeß nicht auftreten; als man ihn zum ersten Mal darum bat, versuchte er, sich mit seiner Arbeit zu entschuldigen. Er hatte eine Anzahl beeideter Aussagen eingereicht, aber Ilkow bestand auf seinem persönlichen Erscheinen und bot dem Autor an, bei der Terminwahl auf dessen Zeitplan Rücksicht zu nehmen. Aber Kogon erklärte, er habe wirklich dem bereits Gesagten nichts hinzuzufügen und wünsche, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Als Ilkow mit rechtlichen Maßnahmen drohte, erklärte sich Kogon schließlich bereit, nach Augsburg zu kommen. Aber Kogon hatte Recht gehabt, denn er hatte dem bereits Gesagten nichts hinzuzufügen. 89 Als der Prozeß sich seinem Ende näherte, begannen sich Zuschauer in den Gerichtssaal zu zwängen, eifrig darauf bedacht, bei der Urteilsverkündung anwesend zu sein. Einige brachten sogar ihre Operngläser mit, um Ilse genauer sehen zu können, wenn der Gerichtsvorsitzende Maginot das Urteil verlesen würde. Sie sollten allerdings enttäuscht werden, denn Ilse würde sich nicht im Gerichtssaal befinden. Am Mittwoch der Woche vor Prozeßende brach Ilse erneut zusammen. Der Gerichtssaal war bereits leer, und sie saß noch immer am Tisch vor der Richterbank, als sie plötzlich ihren Kopf auf die Arme legte und sich weder durch Bitten noch gute Worte beeinflussen ließ. Die Frau, von der Ilse gewöhnlich ins Gericht begleitet wurde, konnte sie nicht bewegen, und ihre Gefängnisvorsteherin mußte geholt werden. Die beiden Frauen konnten sie dann gemeinsam zu ihrer Zelle bringen.90 Donnerstags beschrieb man ihren Zustand als apathisch, aber am Freitag zeigte sie wieder Symptome von Hysterie. Auf irgendeine Weise gelang es ihr, das Zellenfenster aufzustoßen und auf die Straße herabzuschreien: ,,He! Seht nach hier oben, ich bin Ilse Koch!" Sie wurde sofort mit Beruhigungsmitteln behandelt und in eine Gummizelle in Aichach verlegt.91 Am folgenden Montag, den 15. Januar 1951, verlas der Vorsitzende Maginot das Urteil, aber Ilses Stuhl war leer. Ilse Koch wurde der Anstiftung zum Mord für schuldig befunden, in fünf Fällen der Anstiftung des versuchten Mordes, in fünf Fällen der Anstiftung zu schwerer körperlicher Mißhandlung an 199

Häftlingen und in zwei Fällen der körperlichen Mißhandlung. Maginot schloß mit den Worten, daß sie nach Ansicht des Gerichts nicht mit dem sogenannten „Tätowierungskomplex" in Zusammenhang stehe. Tatsache sei, daß nicht bewiesen werden könne, daß in Buchenwald irgendein Häftling wegen seiner Tätowierung ermordet worden sei. 92 Das Urteil lautete auf lebenslange Haft, Verlust aller bürgerlichen Rechte und Übernahme der gesamten Prozeßkosten. 93 Die beiden ersten Teile des Urteils waren durchführbar. Die Ergebnisse des Prozesses als Juristisches Meisterstück" zu beschreiben, wie es von seiten einer deutschen Zeitung geschah, war wohl eher eine Übertreibung, drückte aber die öffentliche Meinung genau aus. Aus der etwa 150 Seiten langen Anklageschrift lediglich einen Beweis für die Anstiftung zum Mord herausgearbeitet zu haben, sieht allerdings nicht gerade nach einem Erfolg aus. Ilse nahm die Nachricht ihrer Verurteilung ohne sichtbare Gefühlsregung auf. Man verlas ihr das Urteil in ihrer Zelle. Ein Gefängnissprecher beschrieb sie als völlig gleichgültig; sie habe sich nicht einmal nach den Pressereaktionen erkundigt.94 Inzwischen bereitete Seidl einen Antrag auf Revision vor. Im Juni legte der Münchner Anwalt einen 36 Seiten langen Schriftsatz vor, in dem er gegen bestimmte Punkte Einwände erhob und den Entschluß der deutschen Behörden angriff, diesen Prozeß überhaupt geführt zu haben. Seine berüchtigte Klientin sei das Opfer einer tödlichen Propagandakampagne gewesen, und das Urteil habe dazu gedient, die Forderung der Öffentlichkeit nach Rache zu erfüllen. 96 Er konzentrierte sich auf den „Tätowierungskomplex" als Kern eines Propaganda-Sperrfeuers, das 1945 mit den Amerikanern begonnen und sich sogleich weltweit ausgebreitet habe. Seidl war davon überzeugt, daß die Gründe für Ilses hartes Urteil in erster Linie in dieser Tatsache zu suchen seien. Er schrieb, daß diese völlig unbegründete Anklage nicht unterschätzt werden dürfe, denn sie habe als Hintergrund gedient für das Aufrollen der beiden Prozesse gegen die Angeklagte in Dachau und Augsburg.97 Seidl sah in der Untersuchung Fergusons einen politischen Schachzug der US-Kongreßmitglieder, um durch die Ausnützung des Falles bekannt und mächtig zu werden. Nachdem man diesen Zug einmal getan habe, sei ein Rückzug unmöglich gewesen, und

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als man keine zufriedenstellende politische Lösung finden konnte, sei der Fall den Deutschen zugeschoben worden. Die Deutschen hätten gern eingewilligt, sie seien beeindruckt gewesen, daß man sie mit dieser Aufgabe betraut habe und betrachteten es als eine politische und moralische Verantwortung. Objektivität im rechtlichen Bereich sei zweitrangig geworden, da der Fall die Ausmaße einer nationalen Katharsis angenommen habe. Seidl behauptete, daß der erste und einzige Prozeß, der gegen das System der Konzentrationslager im allgemeinen und Buchenwald im besonderen geführt worden sei, auf den Schultern von Ilse Koch ausgetragen worden sei.98 Das Augsburger Gericht wies am 4. Juli 1951 den Antrag Seidls zurück. Im April des folgenden Jahres wurde ein Gesuch an das Bundesgericht in Karlsruhe ebenfalls abgelehnt. Für Ilse, die im Aichacher Gefängnis die Häftlingsnummer 596 trug, waren die Prozeßtage vorüber. Die Welt hatte vorläufig genug über die „Hexe von Buchenwald" gehört, und das Interesse an diesem Fall schwand. Selbst das Lager in der Nähe von Weimar wurde der Natur zurückgegeben. Nur ein kleines Denkmal blieb im Wald, um an den Ort von so viel Elend und Leid zu erinnern." Das „Wirtschaftswunder" Westdeutschlands begann mit einer Lebenskraft, die man 1945 für unmöglich gehalten hätte, das Nachkriegselend abzulösen. Es hatte genügend Selbstbezichtigungen und Selbstquälereien aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit gegeben, und Ilse Koch war eine unangenehme Erinnerung. Im Sommer des Jahres 1952 schrieb Ilse Koch an ihre Mutter, sie habe begonnen, nach so vielen Jahren im Gefängnis so etwas wie inneren Frieden zu finden, trotz ihres schwindenden Glaubens an das Christentum und die Macht des Gebets. Sie drückte ihre Sorge aus über die sich verschlechternde finanzielle Lage der Mutter im Angesicht des Alters, war jedoch dafür dankbar, daß die alte Dame sich noch immer einer robusten Gesundheit erfreute. Sie legte ein kurzes Gedicht in den Brief, das sie selbst geschrieben hatte und das die Schönheit der Natur und Tierwelt beschrieb, wie man sie von ihrem Zellenfenster aus sehen konnte.100 Seidl versuchte weiterhin, sich für Ilse Kochs Freilassung einzusetzen, bereitete Gnadengesuche vor und begründete seine Anträge stets mit dem Argument, sie habe wegen der den Fall um201

gebenden Propaganda niemals einen fairen Prozeß gehabt. Er Schloß damit, daß es ihr unmöglich gewesen sei, den ihr vorgeworfenen Anklagen zu entgehen, sie habe Buchenwald-Häftlinge wegen ihrer tätowierten Haut töten lassen. Er halte den genannten Fall für einzigartig in den Annalen der Rechtsprechung der Nachkriegszeit. 101 Seidl betonte, man habe etwa 2 0 0 0 Personen befragt, um überzeugende Beweise zu gewinnen, daß Frau Koch Gefangene wegen ihrer tätowierten Haut habe töten lassen. Obwohl man niemals etwas habe anführen können, was als Beweismaterial vor einem Gericht standhalten konnte, habe die Hartnäckigkeit der Anklägerschaft (sowohl in Dachau als auch in Augsburg) dafür gesorgt, daß dieses Thema den Gerichtsprozeß durchzogen habe. Es sei zum roten Faden geworden. 102 Ilse Koch sei die einzige Person im gesamten Dachauer Prozeß gewesen, so fuhr Seidl fort, die man später einem deutschen Gericht überstellt habe. Sie sei die einzige von Tausenden von Deutschen gewesen, die von einem Militärtribunal der Alliierten in einer der vier Besatzungszonen und im Ausland verurteilt worden sei, und die sich nach ihrer Freilassung vor einem deutschen Gericht verantworten mußte: ,,Dies macht die Sonderbehandlung von Ilse Koch zu einer Verletzung von Artikel 13 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, das festsetzt, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind." 1 0 3 Als Seidl im Jahre 1957 dem Karlsruher Gericht seinen Antrag vorlegte, war er in der Lage, einige interessante statistische Daten anzugeben: vier der wichtigsten Kriegsverbrecher, die man in Nürnberg verurteilt hatte, waren freigelassen worden (Speer und Schirach sollten in einigen Jahren folgen); alle Personen, die man zusammen mit Ilse Koch in Dachau verurteilt hatte, und auch alle, die bei den anderen KZ-Prozessen abgeurteilt worden waren, befanden sich inzwischen wieder in Freiheit. Nur 27 Personen, die die Alliierten für Kriegsverbrechen verurteilt hatten, blieben weiter in Haft (nicht einbezogen waren hierbei die Gefangenen in Spandau). Viele dieser der Kriegsverbrechen Angeklagten hatte man aufgrund von weit mehr Beweismaterial verurteilt als im Fall Ilse Koch vorgelegen hatte, und diese war nun bereits im 14. Jahr in Haft. 1 0 4 Hätte Seidl sein Gnadengesuch ein J a h r später gestellt, wären 202

die Zahlen noch eindrucksvoller gewesen. Bis Mai 1958 hatten die für die Begnadigung zuständigen Behörden, die auf Anraten der Amerikaner in Westdeutschland eingerichtet worden waren, alle Gefangenen, die von den Amerikanern im Landsberger Hauptgefängnis für Kriegsverbrecher festgehalten worden waren, begnadigt oder freigelassen (seit 1945 hatten die U S A über 6500 Personen der Kriesgverbrechen und der Verletzung der Menschenrechte angeklagt). 105 Ironischerweise wäre Ilse zweifellos mit den anderen freigelassen worden, hätte Clay nicht ihr Urteil geändert und so Fergusons Eingreifen veranlaßt, was letztlich den deutschen Prozeß nach sich zog. Während der letzten Jahre war Ilse eine vorbildliche Gefangene geworden. Fast völlig vergessen von der Öffentlichkeit wurde sie nur gelegentlich noch in der Presse erwähnt (zum Beispiel als die bekannte Mörderin Vera Brühne in dasselbe Gefängnis eingeliefert wurde, 106 und als sie einmal versuchte, sich die Rechte an Karls Staatsrente zu sichern). 107 In den späten fünfziger Jahren besuchte Robert L. Kunzig bei einem Aufenthalt in Westdeutschland das Gefängnis in Aichach. Er war neugierig darauf zu sehen, wie die Jahre Ilse Koch verändert hatten. Man gewährte ihm einen Blick in ihre Zelle: „Ich kann es noch immer genau sehen - sie war ein altes Scheusal; sie bewegte sich genau wie ein altes, weißhaariges Scheusal." Er verließ das Gefängnis, ohne daß Frau Koch ihn bemerkt hätte. 108 Der letzte Versuch Seidls, ein Gnadengesuch für Frau Koch zu ermöglichen, erfolgte 1966, und die Nachricht davon führte zu dem Gerücht, diesmal werde er Erfolg haben. 109 Doch dies traf nicht zu. Im selben Jahr versöhnte sich Ilse mit ihrem jüngsten Sohn Uwe. Der älteste Sohn, Artwin, hatte Selbstmord begangen. Uwe Köhler, inzwischen ein 19jähriger Versicherungslehrling, hatte durch Zufall die Identität und den Aufenthaltsort seiner Mutter erfahren. Seit seiner Geburt hatte er bei Pflegeeltern gelebt, erinnerte sich aber daran, als Kind eine Kopie seiner Geburtsurkunde gesehen zu haben, auf der der Name Koch gestanden hatte. D a er die Geschichte von Ilse Koch nicht kannte, brachte er sich nicht mit ihr in Verbindung. 110 Jahre später, als er in Ansbach zur Schule ging, las er in einer Zeitung über die Ablehnung eines Gnadengesuches für Ilse Koch. 203

KOCH ItS Ε S 3 7340 Abb. 27: Nach mehreren Jahren Gefängnisstrafe zeichnet sich die hoffnungslose Situation aus Ilses Gesicht ab.

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Die Geburt eines unehelichen Kindes am 29. Oktober 1947 wurde ebenfalls erwähnt; an diesem Tag war auch Uwe geboren. Plötzlich kam ihm der Gedanke, er könne dieses Kind sein. Ein Gespräch mit seinem staatlichen Vormund bestätigte seinen Verdacht. 111 Nach einigem Zögern beschloß er kurz vor Weihnachten, seine Mutter zu besuchen. Mit ziemlichem Herzklopfen und Angstgefühlen begab er sich nach Aichach, aber das Treffen wurde eine „glückliche Versöhnung". Von nun an besuchte Uwe seine Mutter jeden Monat." 2 Als er sich später dazu entschloß, seine Geschichte zu erzählen - in einem zwecklosen Versuch, seine Mutter zu rehabilitieren - , berichtete er von diesen Besuchen: „Ich vermied es immer, mit ihr über den Krieg zu sprechen. Sie leugnete immer ihre Schuld und sagte, sie sei ein Opfer von Verleumdung, Lügen und Meineiden gewesen. Weiter habe ich dies nie mit ihr besprochen, denn es tat ihr weh. Ich wollte, daß meine Mutter auf ihre Entlassung hoffen konnte und daß sie zweitens nach 20 Jahren Gefängnis andere Gedanken hatte." Er fügte hinzu: „Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie es im Krieg war. Ich bin nicht einmal davon überzeugt, daß sie unschuldig war. Aber ich glaube, daß sie genauso in die Welt der Konzentrationslager hineingeraten ist wie viele andere, ohne es verhindern zu können." 113 Anläßlich ihres 60. Geburtstags wurde Ilse in einer Zeitschrift mit anderen Personen genannt, die in Deutschland lange Haftstrafen zu verbüßen hatten. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß Ilse diesen Artikel gelesen hat, aber falls sie es doch getan haben sollte, so war es sicher nicht allzu tröstlich für sie, daß ein Gefangener 42 Jahre abgebüßt hatte, und drei Gefangene noch immer Strafen absaßen, zu denen man sie schon vor Kriegsende verurteilt hatte. 114 Im September des Jahres 1967 beging Ilse Koch Selbstmord. Sie machte aus einem Bettlaken eine Schlinge, und es gelang ihr, sich damit zu erwürgen, indem sie es an die Klinke der Zellentür befestigte. Eine kurze Nachricht ließ sie für Uwe zurück: „Ich kann nicht anders. Der Tod ist für mich eine Erlösung." 115

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„The Best-Hated Woman In The World"1 Die Reaktion der Presse auf Ilse Kochs Selbstmord kam nicht unerwartet. Man zeigte wenig Mitgefühl angesichts des Todes der „Hexe von Buchenwald"; einem gefühllosen Tier, das „Lampenschirme, Handschuhe und Bucheinbände aus der tätowierten Haut von Gefangenen anfertigen ließ." 2 Ihre bloße Existenz hatte als ständige Mahnung an die nationalsozialistische Vergangenheit gegolten; sie rief nur furchtbare Erinnerungen hervor. Die Nachricht von ihrem Tod wurde mit Erleichterung begrüßt (Es ist ein Wunder, daß sie so lange gewartet hat!). Die „meistgehaßte Frau der Welt" war tot.3 Ihre langjährige Inhaftierung half den Deutschen, ihr Gewissen zu erleichtern. Zu wissen, daß die „KZ-Ilse" im Gefängnis war, sorgte für eine gewisse Beruhigung. Ein deutsches Nachrichtenmagazin drückte es so aus: „Ilse Koch hat sich erhängt in Aichach, ein Opfer eigener Schuld, aber wohl mehr noch ein Opfer kollektiven Willens zur Selbstentschuldigung." 4 Ihren Leichnam legte man in ein anonymes Grab. Innerhalb einer Gesellschaft, die zu Grausamkeit und Gleichgültigkeit gegenüber dem Mitmenschen geradezu ermutigte, hatte Ilse Koch ihre Funktion gut erfüllt; und es war diese Gesellschaft, die ihr den Aufstieg erst ermöglichte. Sie war in die Strömungen des zeitgenössischen deutschen Extremismus geraten. Ihre Generation hatte die Kindheit vor dem Hintergrund des ersten Weltkrieges und seiner tumultösen Nachwirkungen verlebt. Das, was man gemeinhin als ,normale Zeiten' bezeichnet, haben sie wohl 207

kaum erfahren. Die Entwicklung, die Ilses Leben während der beiden historischen Jahrzehnte zwischen Niederlage und Totalitarismus nahm, war - die reine Vergnügungssucht ausgenommen durch kein besonderes Interesse gekennzeichnet. Die Anziehungskraft, die Hitlers Bewegung schon früh auf sie ausübte, entsprang nicht einem politischen Interesse, sondern war eher zufällig. Sie interessierte sich für Männer in Uniform, nicht für Politik und Revolution. Dies verringert jedoch keineswegs das Ausmaß ihrer Beteiligung am nationalsozialistischen System. Als sie Karl Koch 1934 kennenlernte, war der Nazismus für sie keine unbekannte Bewegung mehr. Sie war bereits seit mehreren Jahren Mitglied der Partei. In SS-Kreisen in Dresden war sie allgemein als Mädchen bekannt, das Parties, Spaß und ein angenehmes Leben liebte. Aber sie zeigte kein Interesse an politischen Aktivitäten, strebte kein Parteiamt an und meldete sich nicht freiwillig für irgendwelche Aufgaben. Ihre Vorzüge - ein hübsches Gesicht und eine gute Figur - ergänzten sich mit dem ehrgeizigen Bestreben, einen Mann mit Zukunft zu heiraten. Karl Koch war sicherlich nicht Ilses Traummann, aber er hatte bewiesen, daß mit ihm zu rechnen war. Koch, der aus der untersten Mittelschicht kam und es bestenfalls bis zum Bankangestellten im Deutschen Reich gebracht hätte, war zum Offizier in Hitlers SS aufgestiegen. Die Möglichkeiten für eine Karriere schienen unbegrenzt. Ilse, die Sekretärin und Karl, der Buchhalter, stehen stellvertretend für viele der Wähler, die Hitler unterstützten.5 Ilse und Karl teilten das Interesse für Sex und das aufregende Leben, das die SS ihnen bot. Der potentielle Wohlstand und das angenehme Leben, die mit Karls Stellung verbunden waren, bewogen Ilse dazu, die Beziehung mit Karl einzugehen. Als Hitler erst einmal entschieden hatte, die Einrichtung von Konzentrationslagern nicht aufzulösen, war Karls Karriere gesichert. Mitte der dreißiger Jahre hatte er als Lagerkommandant mehr Erfahrung erworben als irgendein anderer in der SS. Was ihre Persönlichkeit betrifft, so waren Karl und Ilse sich ähnlich. Beide waren rücksichtslos und aggressiv. Obwohl Karl nicht leicht zu beeinflussen war, verstand Ilse es als attraktive junge Frau, ihren Charme zu ihrem größtmöglichen Vorteil zu nutzen. Ilse betonte ihre sexuellen Vorzüge recht freizügig. Daran besteht kein Zweifel, zu viele Zeugen aus dem Lager Buchenwald

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hatten dies bestätigt. Was den sexuellen Aspekt ihrer Beziehung angeht, so kann man auf eine gewisse Abhängigkeit Karls schließen. Noch vor seiner Tätigkeit in Buchenwald - er war noch Kommandant in Esterwegen - hatte Ilse durch ihre Art sich zu kleiden, einen deutlichen Eindruck bei Personal und Insassen gleichermaßen hinterlassen. Mehr als ein Jahrzehnt später hatten einige noch eine lebhafte Vorstellung von der „Roten". Karl Koch war eine gefährliche Person - natürlich war er eifersüchtig auf seine hübsche, junge Frau. Warum erlaubte er ihr dann, sich so zu verhalten, wie sie es tat? Natürlich waren sie nicht das, was man normalerweise unter einem neuvermählten Paar versteht. Zum Zeitpunkt ihrer Begegnung und der darauffolgenden Eheschließung hatten beide bereits ihren eigenen individuellen Lebensstil entwickelt. Doch Karl Koch war immerhin Lagerkommandant. Morgens Beobachtung, daß Ilse Karl Koch in „sexueller Abhängigkeit" hielt, könnte sehr wohl die Antwort liefern. Es ist möglich, daß Ilse die sexuell entwöhnten Insassen quälte, um die Autorität, die Karl über sie ausübte, herauszufordern. Unter den gegebenen Umständen entbehrte dieses Verhalten nicht eines erregenden sadistischen Elements. Die Tatsache, daß Ilse in die Nähe der arbeitenden Gefangenen oder mitten unter sie ritt und nicht, was leicht möglich gewesen wäre, irgendwo anders, kann nur als absichtliche sexuelle Provokation verstanden werden. Ilse war eine lebenshungrige Frau. Es scheint unvermeidlich, daß sie mit Männern aus Karls Personal intime Beziehungen einging. Ihre Affairen mit Hoven und Florstedt in Buchenwald versuchte sie in ihren Aussagen nie zu verbergen. Merkwürdigerweise wurde nie die Frage nach dem Vater ihrer drei Kinder gestellt; alle Kinder wurden zwischen 1938 und 1940 in Buchenwald geboren. Einige Zeugen und Reporter beschrieben Ilse später als Nymphomanin. Doch Hoven, der als Arzt sicherlich in der Lage war, ein fachmännisches Urteil über dieses Problem abzugeben, erwähnte das Wort nie. Ilse selbst gab zu, daß sie intime Beziehungen zu mehreren Angestellten in Buchenwald hatte. Während der Prozesse wurde jedoch keine verläßliche Zeugenaussage aufgenommen, die besagte, daß sie sexuelle Beziehungen mit Insassen unterhielt. Der Eindruck, daß sie wahllos sexuelle Beziehungen 209

einging, ist auf sensationslüsterne Zeitungsberichte zurückzuführen. Die Beweislage bei Gericht bestätigte diesen Eindruck nicht. Das Sexualleben der Ilse Koch bildete, ungeachtet einer genauen, klinischen Analyse, einen Hauptgesichtspunkt bei der Untersuchung des Falls. Immerhin hatte ihr Leben sich nicht in einem Nonnenkloster abgespielt, sondern in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager. Sadistisch, gefühllos, promiskuös; mit Worten wie diesen beschrieb man ihr Verhalten. Sie hatte einen schlechten Ruf; sie galt als unmoralisch, manchmal grausam. Mit Sicherheit verdiente sie es, bestraft zu werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ihre Vergehen in den Zuständigkeitsbereich von Gerichten fielen, deren Aufgabe es war, Deutsche wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen und zu verurteilen. Und war eine lebenslängliche Haftstrafe der Rolle, die sie gespielt hatte, tatsächlich angemessen? Ilse stritt wiederholt ab, daß sie gewußt habe, wie das Lager verwaltet wurde. Dies war ganz offensichtlich gelogen. Sie war die Frau eines Kommandanten, der bereits in anderen Lagern tätig gewesen war; sie war die Geliebte des stellvertretenden Kommandanten und des Lagerarztes. Es war unglaubwürdig, wenn sie angesichts dieser Tatsachen vorgab, ahnungslos zu sein. Ihr waren nicht nur Struktur und offizielle Funktion des Konzentrationslagers Buchenwald bekannt, sie war auch über die ,nichtoffiziellen Funktionen' gut informiert. Sie hat Karl vielleicht nicht nach Einzelheiten gefragt, aber sie wußte, daß das luxuriöse Leben, das sie seit Karls Antritt in Buchenwald genossen, nicht allein von seinem Gehalt finanziert werden konnte. Sie war gierig, aber sie war nicht dumm. Es ist nicht leicht, den Einfluß, den Ilse auf die Lagerverwaltung im allgemeinen hatte, zu beurteilen. Allein der Spitzname „Die Kommandeuse", ebenso wie die „rote Hexe" oder „Bestie", ließen mehr Konnotationen zu als nur die Vorstellung von einer Kommandantenehefrau innerhalb der alltäglichen Lagerroutine. Dies war ein wichtiger Gesichtspunkt in den Nachkriegsprozessen. Doch wie sich herausstellte, war es viel schwieriger, als man angenommen hatte, dieses Problem darzustellen. Es ergab sich ein einzigartiges Problem. Frau Koch hatte nie eine offizielle Stellung weder in der Partei noch in der Lagerhierarchie innegehabt. Man hatte ihr keinerlei Vollmachten verliehen; 210

sie bezog kein Gehalt vom Staat. Mit den Programmen und Zielen der Nationalsozialistischen Partei war sie in keiner formalen Weise verbunden. Darüber hinaus war sie die einzige Frau unter den Buchenwald-Angeklagten. Darum hatte die Anklage sich die Aufgabe gestellt, zu beweisen, daß Ilse Koch auf Grund des Einflusses, den sie auf ihren Mann ausübte, an dem „gemeinschaftlich gefaßten Plan" (common design) beteiligt war und deshalb als Kriegsverbrecherin gelten könne. Dies bedeutete, man mußte beweisen, daß Ilse bei der Verwaltung des Lagers Buchenwald ihre Hand im Spiel hatte und, hier schien das Beweismaterial außerordentlich belastend zu sein, Gefangene bestrafte oder ihre Bestrafung veranlaßte. Die Anklage (sowohl in Dachau als auch in Augsburg) stützte sich in ihrer Anklageschrift auf eidesstattliche Erklärungen und mündliche Zeugenaussagen, andere Dokumente gab es nicht. Es war wichtig zu beweisen, daß zwischen Folter und Tod einer Reihe von Gefangenen und Ilses Einfluß auf Karl eine direkte, absichtsvolle Beziehung bestand. Darüber hinaus mußte bewiesen werden, daß Ilse persönlich Gefangene bestraft hatte (Schläge und allgemeine Mißhandlung). Es gab ausreichende und verläßliche Zeugenaussagen, die bestätigten, daß Karl auf Wunsch seiner Frau Gefangene geschlagen hatte. Aber die besonderen Umstände, die diese Fälle begleiteten, erlaubten keine befriedigende Antwort auf die Frage nach ihrem Einfluß. Wenn Karl von seiner Frau aufgefordert wurde, einem Gefangenen eine ,Lektion zu erteilen', weil der Betreffende sie angeschaut habe, und Karl den Gefangenen dann sofort schlug, unterstreicht dies nur den impulsiven Charakter und die Brutalität dieses Mannes, der er unmittelbar nachgab. Dasselbe trifft auf den Anklagepunkt zu, Ilse habe sich die Nummern von Gefangenen gemerkt, um sie später unter dem Vorwand, sie sei beschimpft worden, bestrafen zu lassen. Karl Koch war Kommandant eines Konzentrationslagers; gegenüber dem menschlichen Leid in seiner unmittelbaren Umgebung verhielt er sich absolut gleichgültig. Wenn er Gefangene bestrafte, war diese Handlung von keinerlei Bedeutung für ihn. Das Auspeitschen von Gefangenen und andere Formen der Bestrafung ordnete er zweifellos unzählige Male an; er führte die Entscheidung nicht auf den Einfluß einer anderen Person zurück. 211

Karl Koch galt bei Freund und Feind gleichermaßen als Mann, der nicht leicht in seiner Stellung zu erschüttern war. Auf keinen Fall duldete er Einmischung in seinen Beruf. Ilse mag zwar im Schlafzimmer das Kommando geführt haben, aber Karl hielt den Stuhl des Kommandanten besetzt. Denn er hatte bewiesen, daß er als Experte auf dem Gebiet der Lagerverwaltung betrachtet werden konnte. Ilses Verhalten war zwar oft grausam und abscheulich, aber sie war nicht am „gemeinschaftlich gefaßten Plan" beteiligt. Sie war egoistisch und nutzte ihre Stellung als Frau des Kommandanten aus, um ihre Wünsche zu befriedigen. In dieser Hinsicht wurde sie schuldig. Wenn man ihren launischen Charakter und ihre weitreichenden Beziehungen zu SS-Mitgliedern in Dresden berücksichtigt, dann scheint Ilses Benehmen in Buchenwald nicht ungewöhnlich gewesen zu sein. Sie fühlte sich schon früh zu den Nazis hingezogen, der Beginn ihrer Beziehung zu Karl fallt ebenfalls in diese frühe Zeit. Es überrascht demnach nicht, wenn sie als ehebrecherische Hexe, die grausam und gemein zu den Insassen war und darum von allen in Buchenwald gehaßt wurde, beschrieben wird. Allein ihr Exhibitionismus würde ausreichen, um dies zu bestätigen. Diese Gesichtspunkte wurden alle während des amerikanischen Prozesses in Dachau der Öffentlichkeit vorgelegt, um die Anklagepunkte, die sich auf Kriegsverbrechen bezogen, zu bekräftigen. Es nützte der Anklage außerordentlich, daß der Spitzname „Die Kommandeuse" nachgewiesen werden konnte. Ironischerweise gewährt das Beweismaterial, das der SS-Polizeigerichtshof während des Krieges gegen Karl und Ilse benutzte, einen genaueren Einblick in ihre rechtlichen und moralischen Vergehen als die zahllosen Beweismittel, die während der beiden Nachkriegsprozesse herangezogen wurden. Natürlich war das SSGericht kein Tribunal, das über Kriegsverbrechen zu richten hatte. Wie bereits erwähnt, war Ilse im SS-Fall nicht die Hauptangeklagte. Sie wurde in die Ermittlungen, die Karl betrafen, mit hineingezogen. Dies verringert jedoch nicht die Bedeutung der Beweismittel, die gegen sie verwendet wurden. Es ist ferner erwähnenswert, daß ein Teil dieses Beweismaterials - zum größten Teil mündliche Aussagen von Personen wie Morgen, Hoven und Flor212

stedt - sowohl den Amerikanern als auch den Deutschen nach dem Krieg zugänglich war. Von Morgen, Waldeck und anderen erfuhren die Nachkriegsgerichte über Ilses hysterische Anfälle, ihr Mißtrauen gegenüber Karl und über die Liebesaffären im Lager. Ihre Berichte über das Leben in Buchenwald, die weitverbreitete Praxis von Schiebung und Korruption unter den Lagerangestellten, die zahllosen Tötungen, um die Aktivitäten zu vertuschen, ergänzten die Einzelheiten, die über Karls verbrecherische Tätigkeit bekannt waren. Ilse war angeklagt, gelegentlich Gefangene mißhandelt zu haben und den Profit der illegalen Geschäfte mit Karl geteilt zu haben. Darüber hinaus fand sich kein belastendes Material. Sie müssen beide von der möglichen Gefahr nach Karls erster Verhaftung gewußt haben; nach seiner schnellen Freilassung fühlten sie sich jedoch offensichtlich sicher. Der direkte Einfluß, den Himmler und Pohl ausgeübt hatten, ließ bei ihnen den Eindruck entstehen, sie gehörten zu den ,Unberührbaren'. Doch dieser Glaube wurde schon bald enttäuscht, als Ilse von Waldecks erneuten Versuchen, sie vor ein SS-Gericht zu bringen, erfuhr. Diese Ereignisse spielten sich vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges ab. Dieser historische Faktor ist nicht unbedeutend. Denn eigentlich bildet der Krieg das zentrale Thema der gesamten ,Affäre Koch'. Als Morgen seine Ermittlungen führte, war der Krieg bereits in die zweite Phase eingetreten, und die Deutschen waren dabei, ihn zu verlieren. Die Zustände an der Heimatfront verschlechterten sich. Doch die Nazigrößen änderten ihren Lebensstil nicht. Man mußte sich jetzt nur diskreter verhalten. Diejenigen, die sich nicht an die Regeln hielten, konnten nur mit wenig Verständnis rechnen. Karl Koch war einer von ihnen. Es ist anzunehmen, daß bis 1942/43 die Existenz von Konzentrationslagern in Deutschland kein Geheimnis mehr war im Gegensatz zu früheren Jahren. Die Operationen der Alliierten waren zu umfassend geworden, zu viele Personen waren beteiligt, als daß ihre Existenz hätte verborgen werden können. Das „K-Zet" war ein offenes Geheimnis. Die deutsche Wirtschaft war ganz in den Dienst des Krieges gestellt. Hunderttausende von Lagerinsassen arbeiteten in der Waffenproduktion, ausgedehnte Truppenbewegungen erstreckten sich über das Land. Vor diesem Hintergrund 213

waren die Lager nicht mehr länger Orte, an denen SS-Personal und Wachen ein isoliertes Leben führen konnten. Doch sie gingen weiterhin freizügig mit ihren nichtrationierten Lebensmitteln um, importierten auf eigene Gefahr Weine und andere Luxusgüter. Wenn dergleichen ,Probleme' an die Öffentlichkeit gelangten, konnte die Partei sie nicht länger ignorieren oder, wie in der Vergangenheit geschehen, besagte Personen mit einer Ermahnung davonkommen lassen. Diejenigen, die ihre alten Gewohnheiten weiterhin pflegten, sahen sich schon bald als Zielscheibe offiziellen nationalsozialistischen Mißfallens und mußten ihren Preis zahlen. Die Rolle, die Konrad Morgen in allen drei Verfahren gegen Ilse Koch spielte, war sehr bedeutend. 6 Morgen überlebte die Zeit des Nationalsozialismus relativ gut. Er erlangte eine Position, die der eines Helden nicht unähnlich war. Amerikaner wie Deutsche suchten verzweifelt jemanden, der sich - sogar unter Bedrohung des eigenen Lebens - wie ein ehrenhafter Bürokrat im nationalsozialistischen Deutschland verhalten hatte; in Morgen schienen sie diese Figur gefunden zu haben. Während der beiden Nachkriegsprozesse versuchte Morgen als Anwalt zu erscheinen, der bereit war, bis in den Tod hinein für die Einhaltung des Rechts zu sorgen. Der ehemalige SS-Richter und Untersuchungsbeamte der Kriminalpolizei lieferte eine der erhellendsten und objektivsten Zeugenaussagen im Hinblick auf Ilse Koch. Er machte keinen Hehl aus seiner Verachtung für Frau Koch, die übrigens gegenseitig war. Doch was die wichtigen rechtlichen Fragen in Zusammenhang mit Ilses Handlungen betraf, so erweckte er den Eindruck vollkommender Unvoreingenommenheit. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zeugen vermied er es, in seinen Aussagen zweideutige Anspielungen zu machen. Er konnte sich wahrscheinlich der größten Glaubwürdigkeit unter allen Personen erfreuen, die eine Aussage für die Verteidigung abgaben. Man wußte, daß Morgen im nationalsozialistischen Deutschland SS-Richter gewesen war. Trotzdem akzeptierte man ihn auf Grund seiner Glaubwürdigkeit als Zeuge. Eine engstirnige Einhaltung der Gesetze reicht jedoch als Entschuldigung nicht aus, um eine relativ erfolgreiche Karriere im Dienst der unmenschlichsten Organisation in Hitlers Deutschland, nämlich der SS, vergessen 214

zu machen. In vielen Fällen mußte man die Informationen, die Morgen lieferte, akzeptieren, denn es bestand keine Möglichkeit, seine Darstellung gewisser Ereignisse nachzuprüfen. Will man die Rolle, die Ilse Koch spielte, auch nur annähernd richtig beurteilen, dann erweisen sich Morgens Beschreibung seiner Arbeit in Buchenwald, die Tatsache, daß er führende, am Drama beteiligte Figuren getroffen hatte, ebenso wie Äußerungen, die er beiläufig abgab, als unerläßlich. Morgen war nicht zurückhaltend, wenn er Ilse als unmoralische Frau mit schlechtem Ruf beschrieb, die von Sex besessen war. Er betonte aber auch, man könne nicht beweisen, daß sie in irgendeiner Weise die Verwaltung des Lagers Buchenwald kontrolliert und Gefangene geschlagen habe. Was die Mißhandlung von Gefangenen anging, so war er persönlich jedoch der Meinung, daß sie hin und wieder Gefangene geschlagen oder befohlen habe, sie zu schlagen. Es war hauptsächlich Morgens Arbeit an dem Fall zu verdanken, daß Karl und Ilse Koch tatsächlich verhaftet wurden und die SS einen Prozeß gegen sie anstrengte. Was Einzelheiten der ersten Hausdurchsuchung in der Villa Koch und Informationen über den persönlichen Besitz, den die Kochs zwischen 1938 und 1943 angehäuft hatten, betrifft, galt Morgen als verläßlichste Informationsquelle . Das Duell zwischen Morgen und Ilse war bei Kriegsende nicht abgeschlossen. Als professioneller Polizist konnte Morgen Ilses Weigerung, während seiner Verhöre ein Schuldbekenntnis abzulegen, nicht akzeptieren. Es gelang Morgen zu beweisen, daß Ilse Koch eine Frau war, die gut über die Aktivitäten ihres Mannes informiert war; eine Frau, die nur allzu bereit war, das Diebesgut zu teilen. Ilse Koch bestand in allen Gerichtsverfahren - der Prozeß der Alliierten ebenso wie das SS-Verfahren - hartnäckig auf ihrer Unschuld. Morgen war davon überzeugt, daß Ilse sehr viel mehr über die Lagerverwaltung wußte, als sie zugab. Er erkannte, daß sie einen subtilen Einfluß auf den Kommandaten ausübte. So hatte sie z.B. größeren Einfluß auf Beförderungen innerhalb des Personals als auf die Verwaltung selbst. Morgen „war der Meinung, daß besonders unter Offizieren die Einstellung vorherrschte, es hänge von der Gunst Frau Kochs ab, ob man von ihrem Mann befördert würde oder nicht. . ," 7 215

Er sagte, er habe ihr nicht eine Sekunde geglaubt, als sie sich nach Karls erster Verhaftung gegen ihren Mann wandte und ihn einen Verbrecher und Mörder nannte. Morgen betrachtete ihre Reaktion als einen Schachzug, um ihn und andere Zeugen davon zu überzeugen, daß auch sie zu Karls Opfern gehörte und nicht als Komplizin an seinen Verbrechen beteiligt war. Der ehemalige SSRichter erklärte den Sachverhalt folgendermaßen: Frau Koch wurde im Lager „Die Kommandeuse" genannt. Während des Verhörs versuchte Frau Koch, sich von ihrem Mann femzuhalten . . . Sie sagte, er gehöre hinter Stacheldraht. Sie versuchte den Eindruck zu erwecken, sie sei von ihrem Mann tyrannisiert worden. Aber . . . als Kommandant Koch freigelassen wurde . . . erkannte sie . . ., daß es für sie sehr vorteilhaft sein würde, wenn sie die Frau dieses Mannes bliebe und seine Position im Lager teile. Aus diesem Grund erlitt sie einen Nervenzusammenbruch, wurde sie hysterisch . . . konnte sie sich nicht daran erinnern, was sie gesagt hatte, deshalb könne sie nicht zur Verantwortung gezogen werden 8

Morgen gab zu, daß Ilse während der Verhöre „keine provozierende Kleidung" in seiner Gegenwart trug. Angestellte und Offiziersgattinnen hatten ihm jedoch über ihre Kleidung berichtet. Morgen erinnerte sich, daß Ilse bei einem seiner Besuche „ihre eigene Mutter aus dem Haus warf . . . die alte Frau saß draußen auf einem Stein ohne einen Bissen zu essen und weinte." 9 Ilse Koch gab zu, daß sie manchmal Gefangene wegen ihres „unziemlichen oder beleidigenden Verhaltens" gemeldet habe, und sie seien dafür bestraft worden. Diese Aussage kam einem Schuldgeständnis noch am nächsten. Andere Vergehen konnte Morgen jedoch nicht belegen. Es gelang ihm nie, eine Schriftstück vorzuzeigen, daß Frau Koch mit der Anwendung einer bestimmten Form von Gefangenenbestrafung in Verbindung brachte. Enttäuscht notierte Morgen: „Diese Anklagepunkte wurden dem Gericht alle dargelegt. Das Gericht konnte weder von ihrer Unschuld noch von ihrer Schuld überzeugt werden. Also wurde sie freigesprochen." 10 In einem Punkt war Morgen sich vollkommen sicher. Frau Koch besaß nicht den Spitznamen „Hexe von Buchenwald" („Bitch of Buchenwald"); „eine Formulierung", die seiner Meinung nach 216

„im Umgangsdeutsch nicht üblich war." Er berichtete dem amerikanischen Gericht in Dachau, daß einige Insassen, als er die Ermittlungen in Buchenwald leitete, von Frau Koch als dem „Biest"" sprachen. Morgen behauptete, daß seine Bearbeitung des Falls Koch das gesamte Lagersystem an den Rand einer massiven offiziellen Untersuchung gebracht hatte. Seiner Meinung nach war er bei Kriegsende nahe daran, auch Oswald Pohl zu überführen. Das Kriegsende hinderte ihn daran, weitere rechtliche Schritte zu unternehmen. 12 Vor dem Militärtribunal der Alliierten in Nürnberg berichtete Günther Reinecke, ehemaliger Vorsitzender der nationalsozialistischen SS-Gerichte, daß Himmler selbst an einem Zeitpunkt beschlossen hatte, Karl Koch öffentlich im Konzentrationslager Buchenwald zu hängen. Man hatte geplant, die Exekution vor allen Angestellten und Insassen auszuführen. Pohl sollte die Leitung übernehmen. Himmler hatte sogar eine Rede für Pohl entworfen. 13 Man weiß nicht, warum der Reichsführer seine Meinung änderte. Vielleicht sind die Gründe in der sich täglich verschlechternden Kriegslage zu Beginn des Jahres 1945 zu finden (außerdem war Himmler an der Aushandlung eines Waffenstillstandes mit den westlichen Alliierten beteiligt). Ilse sagte 1947 in Dachau aus, daß sie erst sehr viel später von dem endgültigen Schicksal ihres Mannes erfahren habe. Die chaotischen Zustände, die 1945 in Deutschland herrschten, machten eine Kontaktaufnahme unmöglich. Sie erklärte: ,,. . . erst hier vor Gericht erfuhr ich, wann das Urteil vollstreckt worden war." 14 Trotz größter Anstrengungen gelang es Morgen nicht, die Anklagepunkte des SS-Prozesses mit den beiden Nachkriegsprozessen in Verbindung zu bringen. Nicht nur die Anklagepunkte waren grundsätzlich verschieden, sondern auch die Beweggründe, die zum jeweiligen Prozeß führten, unterschieden sich erheblich von einander. Unverhüllte Korruption und Unterschlagung, begangen von Karl Koch (Ilse war am Gewinn beteiligt), zwangen Himmler, offizielle Maßnahmen zu ergreifen; das Ergebnis war der Prozeß. Die Hauptangeklagten wurden beschuldigt, Staatsgelder gestohlen zu haben. Auf dieses Verbrechen stand die Todesstrafe. Im Mittelpunkt des Prozesses stand nicht der Mord an Buchenwald-Insassen. Darum ist die Annahme, der amerikanische Prozeß sei nur

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eine Art Fortführung von Morgens früheren Versuchen, um die infame Ilse Koch einem gerechten Schicksal zu überführen, völlig irreführend. Der Ausgangspunkt in beiden Verfahren war ein gänzlich anderer. Die Nationalsozialisten, Morgen muß hier eingeschlossen werden, interessierten sich nur für das Fehlverhalten einiger ihrer Mitglieder (das Ehepaar Koch). Die Alliierten waren übereingekommen, die amerikanische Militärkommission in Dachau mit der Untersuchung von Kriegsverbrechen, der Bestrafung und Verfolgung der Täter zu beauftragen. Das Interesse der alliierten Mächte galt der Frage, inwiefern Ilse Koch als Ehefrau des Kommandanten im Konzentrationslager Buchenwald am „gemeinschaftlich gefaßten Plan" beteiligt war. Hauptgesichtspunkte der amerikanischen Untersuchung waren die potentielle Ermordung alliierter Staatsbürger wegen ihrer tätowierten Haut oder aus einem anderen Grund sowie Ilses Mitarbeit bei der Lagerverwaltung. Die Informationen, die Morgen über den angeblichen Diebstahl von Geld und Waren - Eigentum des nationalsozialistischen Staates - beisteuerte, waren rein nebensächlich und doch wurde seiner Zeugenaussage im Dachau-Prozeß großes Gewicht beigemessen. Weder für die Anklage noch für die Verteidigung schien er ein Problem darzustellen. Er wurde mit Respekt behandelt. Man lobte ihn wegen des umfassenden Wissens, das er über die SS besaß. Er erfreute sich allgemein einer einzigartigen Stellung. Eine genaue Lektüre der Prozeßakten hinterläßt den Eindruck, daß Morgens eigene enge Verbindung zur SS völlig ignoriert wurde. Er kommt merkwürdigerweise ungeschoren davon. Die Aussage, die er machte, verlieh ihm nicht nur den Ruf, fast unbestechlich zu sein (er kämpfte in der Höhle des Löwen); die Verfolgung Pohls und des Ehepaares Koch konnte nicht anders als bemerkenswert in den Augen der Amerikaner erscheinen. Eine Figur wie Morgen mußte ohne Zweifel ein willkommenes Gefühl der Erleichterung auslösen angesichts der nationalsozialistischen Greuel, die den Siegern in den Aussagen zu Gehör gebracht wurden. 15 Wie bereits erwähnt, hätten die Amerikaner den BuchenwaldProzeß vermeiden können, wenn General Patton den Fall 1945 den Sowjets überlassen hätte. Es gibt keine Antwort auf die Frage, warum Patton sich dazu entschloß, die restlichen Lagerbewohner, 218

Personal und auch Akten in Richtung Westen zu bewegen, als er das Gebiet vor den Russen evakuierte. In den offiziellen Akten finden sich darüber keine Angaben, und Patton hat sein Verhalten nie erklärt. Dabei ist die Antwort auf die Frage nicht einmal so kompliziert. Tausende von Menschen - dazu gehörten auch die Bewohner von Buchenwald - zogen damals zusammen mit den amerikanischen Truppen in Richtung Westen. Pattons Abneigung gegenüber den Sowjets kann außerdem noch als zusätzliche Motivation betrachtet werden. Wie dem auch sei, als Clay erwog, den Fall an die Russen weiterzugeben, hatte der Name Ilse Koch bereits einen berüchtigten Unterton. Wer sich fragt, wie ihr Schicksal verlaufen wäre, hätten die Russen das amerikanische Angebot akzeptiert, bewegt sich im Bereich des Spekulativen. Der Prozeß der Amerikaner in Dachau gegen Ilse Koch war das bedeutendste Ereignis in ihrem Leben. Der Prozeß war der Mittelpunkt der gesamten Affäre Koch. Die Rolle, die sie in Buchenwald spielte, wurde während dieses Prozesses am gründlichsten untersucht. Die Amerikaner versuchten zu beweisen, daß sie am „gemeinschaftlich gefaßten Plan" beteiligt war. Vor dem Hintergrund weltweiter Publizität war Ilse der Beteiligung an Karls Kommandoauftrag, der Mißhandlung und Meldung von Gefangenen - viele der Gefangenen waren gestorben - und der Befriedigung ihres „Tätowierungskomplexes" angeklagt. Alle wichtigen Argumente finden sich in dem amerikanischen Prozeß. Einführung, Untersuchung und Entwicklung sowohl der bedeutenden als der weniger relevanten Aspekte, die Ilse Kochs Position im nationalsozialistischen System betrafen, wurden in Dachau genau untersucht. Man begann mit dem Anklagepunkt, Ilse Koch habe bei der Verwaltung des Konzentrationslagers Buchenwald mitgearbeitet und viele „Tausende von Insassen" in Zusammenhang mit der Unterstützung des „gemeinschaftlich gefaßten Plans" mißbraucht und getötet.16 Obwohl die amerikanische Verteidigung nie die Zuständigkeit des amerikanischen Gerichts, das Verfahren gegen Ilse Koch zu führen, in Frage stellte, blieb dieses Problem nicht unbemerkt. Einige der Angeklagten in Dachau, dazu gehörten Hoven, Sommer und Pohl, versuchten, den Obersten Amerikanischen Gerichtshof zu zwingen, sie frei zu lassen. Die Argumente, die sie und viele andere vorbrachten, sind zu zahlreich und weitschwei219

fend, um sie hier zu erörtern. Allen gemeinsam war jedoch die Uberzeugung, daß sie die Zuständigkeit eines amerikanischen Militärgerichts, das außerhalb der Grenzen der Verfassung der USA operierte, in Frage stellten.17 In vielen Bittgesuchen wurde darauf hingewiesen, daß es sich um ein Militärtribunal, einberufen vom amerikanischen Befehlshaber in Deutschland, handelte. Ferner wurde hervorgehoben, daß das Tribunal nur aus amerikanischen Richtern bestand, nur die amerikanische Flagge im Gerichtssaal zu sehen war, jede Sitzung mit einem Segensspruch für Amerika eröffnet wurde und jeder Fall die Bezeichnung ,US versus...' trug. Die Deutschen behaupteten, daß es sich um amerikanische Gerichte handle, die an Gesetze der Vereinigten Staaten gebunden seien.18 Ein amerikanischer Rechtswissenschaftler, der die Frage der Berechtigung amerikanischer Gerichte, Kriegsverbrechen in Übersee zu verhandeln, untersuchte, stellte die Fragen: ,,Üben wir Militärjustiz innerhalb der Streitkräfte aus oder sorgen wir für die Durchführung des Völkerrechts, das trifft insbesondere auf die Kriegsführung zu Lande zu, oder regieren wir das Gebiet, das unsere Truppen besetzt halten?"19 Alle drei Fragen beantwortete er positiv; er zitierte juristische Präzedenzfälle, die die Rechtsprechung der amerikanischen Verfassung im Hinblick auf die Militärjustiz, die Militärregierung und „bei Personen, die angeklagt waren, das Kriegsrecht verletzt zu haben" 20 , illustrierten. Der befehlshabende General der amerikanischen Besatzungszone hatte oberste Befehlsgewalt über die Zusammensetzung der Militärregierung. Die Befugnis der USA, ein Gerichtsverfahren gegen Ilse Koch zu führen, kann nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Gewisse Vorgehensmaßnahmen und Praktiken, die das Gericht in Dachau zuließ, sind jedoch umstritten. Fragwürdig ist vielleicht auch der Charakter des Gerichts überhaupt. So gab es z.B. mehrere potentielle Zeugen der Verteidigung, die sich darüber beschwerten, sie seien gedrängt worden, keine begünstigenden Aussagen zu machen. Eine Frau, die mit ihrem Mann als religiöse Sektiererin in Buchenwald inhaftiert war, behauptete, man habe ihr gedroht, sie würde die Unterstützung vom Staat, die ihr als ehemaliger KZ-Häftling zustand, verlieren. Sie berichtete den Ermittlungsbeamten, die Warnung sei in Form einer schrift220

liehen Nachricht vom städtischen Wohlfahrtsamt bei ihr eingegangen.21 Es gibt keinen Nachweis, daß diese Beschwerden vom Gericht eingehend untersucht wurden. Den Verteidigern Ilse Kochs gelang es nicht, Zeugen unter ehemaligen Buchenwald-Insassen zu finden. Enttäuscht darüber ließen sie den Fall direkt vor Gericht verhandeln. Als Beweisstück präsentierten sie einen Zeitungsaufruf, der von ehemaligen Lagerinsassen bei einem Treffen in Hannover verfaßt worden war. In dem Aufruf hieß es, daß keine begünstigenden Aussagen von ehemaligen Häftlingen gemacht werden sollten. Whitney und Lewis kamen zu dem Schluß, daß diese Nachricht allgemeine Verbreitung gefunden hatte und auf Häuserwänden rund um München zu lesen war. Sie verlangten von dem Gericht, die amerikanische Militärpolizei damit zu beauftragen, die Plakate zu entfernen. Das Gericht versprach, etwas zu unternehmen.22 Das Revisionskomitee stellte schon bald fest, daß das Gericht, was die Beweisaufnahme betraf, den geforderten Maßstäben nicht entsprach. Wie bereits erwähnt, ließ man zu, daß eine Anzahl von fragwürdigem Material - nicht datierte und signierte Aussagen, sowie viele Aussagen, die nur auf Gerüchten beruhten - vorgelegt wurden. Das Gericht bemühte sich nur unzureichend darum, die Vorgeschichte einer Reihe von wichtigen Zeugen der Anklage (wie z.B. Froboeß) zu überprüfen. Das Gericht unterschied so gut wie überhaupt nicht zwischen ehemaligen Lagerinsassen, die aus rassischen, politischen und religiösen Gründen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung geworden waren, und kriminellen Gefangenen. Dies ist vielleicht auf die Unkenntnis der Amerikaner zurückzuführen. Eine Zeugenaussage wurde unterschiedslos von jedem akzeptiert, ungeachtet der Tatsache, daß es Aufgabe des Gerichts war, Unterschiede festzustellen und dementsprechend zu handeln. Die schärfste Kritik, die Gerichte wie das Dachauer Tribunal erfuhren, „. . . ergibt sich aus der Tatsache, daß die Verfahren gegen die manchmal zahlreichen Angeklagten gleichzeitig stattfanden. Vielleicht war dies zweckmäßig, aber es führte nicht immer zu einem gerechten Urteil. So wurde ein Verteidiger häufig einer Gruppe von Angeklagten mit jeweils unterschiedlichen Interessen zugeteilt." 23 221

Im Buchenwald-Prozeß wurde gegen 31 Personen in einem einzigen Verfahren verhandelt. Man braucht nicht noch einmal erwähnen, daß Ilse Koch die einzige Frau war. Das Argument, diese Form der Prozeßführung sei nötig gewesen, um in einer verhältnismäßig kurzen Zeit Hunderte von Fällen zu bearbeiten, läßt sich angesichts der drastischen Strafverkürzungen, die später von dem Revisionskomitee empfohlen wurden, aufrechterhalten. Das Gericht, das den Fall Buchenwald behandelte, schenkte den Zeugen, die behaupteten, sie seien von den Ermittlungsbeamten eingeschüchtert worden, nur wenig Beachtung. Diese Personen erschienen tatsächlich vor Gericht und machten eine Aussage. Später beschwerten sie sich, sie seien während der Verhöre mißhandelt worden. Teilweise war diese Behandlung auf übereifrige Beamte zurückzuführen; es handelt sich jedoch, was den Fall Buchenwald angeht, nicht um eine einmalige Praxis. Ein Anwalt meinte angesichts des Problems: „Auch wenn diese Vorkommnisse stark übertrieben wurden, so enthielten sie doch in gewissen Fällen ein nicht zu leugnendes Maß an Wahrheit. Die meisten Fälle wurden entweder von der Spionageabwehr („Counter Intelligence Corps") hervorgerufen, oder in Fällen, wo ehemalige Flüchtlinge, keine gebürtigen Amerikaner, als Staatsanwälte während der Verhandlungen assistierten."24 Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß die Offiziere der USArmee, aus denen sich das Gericht in Dachau zusammensetzte, weniger kompetente oder kompetentere Juristen waren als die Offiziere, die an vielen anderen Gerichten Prozesse führten. Ihre Kenntnisse des amerikanischen Rechtswesens - das Völkerrecht braucht hier erst gar nicht erwähnt zu werden - war sehr begrenzt; ausgenommen ein vereinzelter Jurist unter den Richtern. Diese Offiziere kannten sich höchstwahrscheinlich mit der militärischen Verfahrensweise, wie sie z.B. beim Militärgericht angewandt wurde, besser aus; die Laufbahn in der Armee hatte ihnen wohl einige Erfahrung verschafft. Die Tatsache, daß keine ausgebildeten Juristen zur Verfügung standen, hatte jedoch zur Folge, daß die Richter durch Massenmedien und Zeugenaussagen leichter zu beeinflussen waren.25 Es ist auch anzunehmen, daß sie, was die Auswertung von Beweismaterial betrifft, noch unerfahren waren. 222

Die Aussagen, die General Kiel vor dem von Ferguson geleiteten Untersuchungsausschuß machte, legten diese Unzulänglichkeiten offen. Als er von dem Senator gebeten wurde, Ilse Kochs ersten Auftritt vor Gericht zu beschreiben, sagte der General: ,,. . . sie machte den Eindruck einer netten, jungen Mutter", doch nach einigen Tagen Gerichtsverhandlung, als der Zeitpunkt für die Urteilsverkündigung gekommen war, ,,. . . sprühten die Augen vor Zorn und sie hatte einen harten Gesichtsausdruck." 26 Kiel leugnete, daß die Tatsache ihrer Schwangerschaft irgendeinen Einfluß auf das Gericht und die Urteilsverkündigung hatte. 27 Obwohl der General der Meinung war, das Gericht habe einstimmig für eine lebenslängliche Haftstrafe gestimmt, hatte ein Beteiligter die Abstimmung anders in Erinnerung behalten. Oberstleutnant John Dwinell, der Anwalt unter den Richtern, sagte, es hätte eine Diskussion gegeben, die ihre Schwangerschaft und unterschiedliche Strafformen zum Thema gehabt habe. Zur Diskussion standen die Todesstrafe, die lebenslängliche Haftstrafe und eine niedrigere Gefängnisstrafe von vielleicht 15 Jahren; „Man entschied sechs zu zwei Stimmen auf lebenslänglich." 28 Fraglos wurde jeder, der mit dem Prozeß gegen Ilse Koch zu tun hatte, in irgendeiner Weise von den Berichten in der Presse, sie habe sich tätowierte Menschenhaut zur Herstellung bestimmter persönlicher Gegenstände beschafft, beeinflußt. Das Beweismaterial, das in Dachau vorgeführt wurde, um die Anklagepunkte - Besitz eines Lampenschirms und Photoalben, eingebunden in Menschenhaut - zu belegen, wurde bereits erwähnt. 1948, als General Thomas H. Green, damaliger Chef des Heeresjustizwesens, diese Informationen für den Heeresminister auswertete, schrieb er u.a., daß „. . . gewichtiges Beweismaterial vorläge, um das Gegenteil zu beweisen . . außerdem gebe es Indizien und Aussagen, die, wenn man ihnen die entsprechende Bedeutung zukommen läßt, belastende Aussagen in diesem Zusammenhang entkräftigen." 29 Weder Lampenschirme noch Photoalben wurden jemals als Beweismaterial während des Prozesses vorgezeigt. Whitney und Lewis gelang es jedoch an eines der Photoalben, auf das im Berufungsantrag Bezug genommen wurde, zu gelangen. Als die Prozeßakte für den Heeresminister noch einmal überprüft wurde, war in einer Notiz auf dem „Arbeitspapier" zu lesen: „Das Photoalbum 223

der Angeklagten wurde von der Verteidigung bei der Berufung als Beweisstück benutzt. Es ist eindeutig nicht aus tätowierter Menschenhaut hergestellt." 30 Es existierten zwei Photoalben. Sie befinden sich immer noch im Besitz der Vereinigten Staaten (Still Picture Branch, National Archives, Washington, D.C.). Beide Alben sind in einem schwarzen Material gebunden, das von Erna Raible als „schwarzes Wildleder" bezeichnet wurde. Ein Album enthielt Aufnahmen aus den Jahren 1912 bis 1937 (sie sind datiert); die meisten sind Schnappschüsse von Karl Kochs Familie. In dem anderen Album finden sich Photos von Ilse, Karl und ihren Kindern in der für Familienphotos typischen Pose. Ein großer Teil dieser Photos wurde in Buchenwald zwischen 1937 und 1942 aufgenommen. Einige Photos fehlen; es handelt sich höchstwahrscheinlich um die Aufnahmen, die für Zeitungs- und Zeitschriftenberichte über Ilse Koch nach dem Krieg gebraucht wurden. Ein Angestellter des Nationalarchivs meinte über die Photosammlung: „Die beiden Photoalben Ilse Kochs wurden im Prozeß als Beweismaterial benutzt. Es scheint jedoch zweifelhaft, ob sie auf Grund der Photos eines anderen Verbrechens als das der Mutterschaft bezichtigt werden konnte." 31 Einige der greulichen Beweisstücke, die als Beweismaterial im Buchenwald-Prozeß vorgelegt wurden - nämlich ein Schrumpfkopf, drei tätowierte Hautstücke und zwei Peitschen - gelangten schließlich auch nach Washington. Sie waren anfang 1948 von der Sondereinheit für Kriegsverbrechen, die Oberst Straight unterstand (Colonel Straigths War Crimes Group in Germany), mit dem Hinweis, sie könnten die Grundlage für eine Ausstellung im „Smithonian Museum, Washington" bilden, herausgegeben worden. Anscheinend stimmte das „Smithonian" nicht zu, denn als nächstes wurde das gräßliche Material auf einem Zettel erwähnt, als es dem Heeresmuseum für Militärmedizin der Vereinigten Staaten übergeben werden sollte.32 Ein einziges tätowiertes Hautstück ist höchstwahrscheinlich noch vorhanden; es befindet sich im Lagerraum für Militärdokumente (Military Vault) des Nationalarchivs. Der Katalog der Filmabteilung dieses berühmten Archivs enthält einige Eintragungen unter dem Stichwort „Konzentrationslager, Deutschland - Buchenwald". Jede Eintragung beschreibt ein kurzes Filmstück (5 oder 10 Minuten), das nicht veröffentlicht 224

wurde. Der Film wurde von Nachrichteneinheiten der US-Armee im Konzentrationslager Buchenwald während weniger Tage im April 1945 gedreht. Die Qualität des Films ist zwar schlecht, doch die Beschreibungen sind detailliert. Obwohl in einem Film „Gegenstände aus Menschenhaut - Lampenschirme, Gemälde, etc. - " gezeigt werden, gibt es keinen Hinweis auf Ilse Koch, weder in diesem noch in einem anderen F i l m . " Wenn man die Untersuchung des Falls Ilse Koch durch den amerikanischen Kongress betrachtet, fällt es schwer, die Beweggründe von den zeitgenössischen politischen Ereignissen zu trennen. Die Epoche des Nationalsozialismus und die Erinnerung an die Konzentrationslager waren noch nicht verblaßt. Daß die Öffentlichkeit auf die Urteilsänderung durch Clay heftig reagieren würde, war zu erwarten. Die Entscheidung des Generals hatte eine Anhörung vor der Regierung zur Folge; die nachfolgenden Maßnahmen waren jedoch nur ein „replay" des Dachauer Prozesses. Die Ergebnisse des Ferguson Komitees bestätigten nur noch einmal, was bereits allgemein bekannt war. Neue, bisher unbekannte Erkenntnisse über Ilse Koch ergaben sich nicht. Die Senatoren waren mit den Prozeßakten nicht vertraut. So konnten sie sich nicht erklären, warum General Clay es als richtig angesehen haben muß, das Strafmaß für Ilse Koch zu reduzieren. Auch die Senatoren schwammen mit auf der Woge der öffentlichen Meinung. Es war nicht beabsichtigt, aber die Anhörungen boten Rückendeckung für Clay, denn sie legten die Unfähigkeit einiger am Fall beteiligter Personen offen; General Kiel gehörte z.B. zu diesen Personen. Das Aufsehen, das das Komitee erregte, mag vielleicht bei der Entscheidung, einen deutschen Prozeß gegen Ilse Koch anzustreben, zwingend mitgewirkt haben. Die schärfste Kritik muß wohl den Deutschen zuerteilt werden. Da sie darauf bedacht waren, den Amerikanern zu gefallen, konnte man sie davon überzeugen, zusätzlich zu dem amerikanischen Prozeß noch ein Verfahren einzuleiten. Der amerikanische Prozeß galt ihnen dabei weitgehend als Modell. Sie gingen noch einmal alle Schritte durch. Die Methode, die sie anwandten, war über weite Strecken mit der des Ferguson Komitees identisch. Konrad Morgen, dem die zweifelhafte Auszeichnung zuteil geworden war, in allen drei Verfahren gegen Ilse Koch eine bedeutende Rolle gespielt zu haben, sagte, daß jedesmal weitgehend 225

dasselbe Beweismaterial benutzt worden sei. Die Anklagepunkte, die sich auf tätowierte Haut bezogen, beruhten für ihn nur „auf Gerüchten". 34 Dieses Beweismaterial bildete interessanterweise die Grundlage, um Ilse Koch der Korruption (Verfahren der SS), der Kriegsverbrechen (amerikanischer Prozeß) und der Mißhandlung von Gefangenen (deutscher Prozeß) anzuklagen. Dieser Sachverhalt erlaubte den verschiedenen Gerichten natürlich, jeden Vorwurf von zweifacher Straffälligkeit zurückzuweisen. 35 Vor dem Hintergrund des internationalen politischen Klimas in den ausgehenden vierziger und den frühen fünfziger Jahren war die Reaktion in Westdeutschland voraussagbar. Die Umstände, die zu Ilse Kochs langjähriger Inhaftierung führten, lassen sich jedoch nicht so leicht analysieren. Natürlich stellte Ilse Koch für einen noch jungen Staat, dem es darum ging, sich als Demokratie zu etablieren, eine unangenehme Erinnerung dar. Jedesmal, wenn sie einen Antrag auf Freilassung - so z.B. bei der europäischen Kommission für Menschenrechte 1955 - stellte, wurde dies als störende Erinnerung an diese noch lebende Frau aufgefaßt. Der geringste Hinweis auf eine mögliche Freilassung hatte immer eine Flut öffentlichen Protestes zur Folge. Für die Bundesrepublik ergab sich ein dreifaches Problem: Ilse Koch konnte nicht hingerichtet werden, sie konnte nicht freigelassen werden und Nachrichten, die darauf verwiesen, daß sie noch existierte, waren nicht erwünscht. Morgen faßte 1971 den Sachverhalt treffend zusammen: „Sie war kein Unschuldsengel. Sie war eine ordinäre Frau, die in sexuell aufreizender Unterwäsche an den Gefangenen vorbeiritt und die Nummern derjenigen, die sie anschauten, für eine Bestrafung notierte. Sie lag in ihrem Garten, so daß die Gefangenen sie sehen konnten; sie war einfach primitiv. Aber mit den Lampenschirmen hatte sie nichts zu tun, und sie verdiente es nicht, so streng bestraft zu werden. Sie war ein Opfer der Horrorgeschichten." 36 Es mag zwar ironisch anmuten, aber wenn General Clay das Urteil akzeptiert hätte, dann wäre sie zusammen mit den anderen Kriegsverbrechern von einem der Nachkriegsrevisionskomitees in den fünfziger Jahren freigesprochen worden.37 Bis Mai 1958 war jeder Gefangene, der von einem der USMilitärgerichte als Kriegsverbrecher verurteilt und in das Lands226

berger Gefängnis eingewiesen worden war, wieder in Freiheit! Sogar Personen, die man für schuldig befunden hatte, Piloten der alliierten Streitkräfte getötet und Massenverbrechen in Konzentrationslagern begangen zu haben, wurden freigelassen. 38 Noch im Mai 1976 sprach General Clay, der schon lange aus der Armee ausgeschieden war und in North Chatham, Massachusetts lebte, von Ilse Koch: Wir führten einen Prozeß gegen Ilse Koch. Und alles, was ich herausfinden konnte, war, daß die Verbrechen - worin auch immer sie bestanden hatten - hauptsächlich gegen Deutsche gerichtet waren; Deutsche, die sich im Gefangenenlager befanden. Ihre Vergehen richteten sich nicht in erster Linie gegen ausländische Zwangsarbeiter und Militärangehörige. Andererseits bestand das Ergebnis jedoch in einer lebenslänglichen Haftstrafe, und ich war es, der das Urteil änderte . . . und unsere Presse war damit überhaupt nicht einverstanden. Ein unternehmungslustiger Reporter, der zuerst ihr Haus betreten hatte, hatte ihr den schönen Namen „Die Hexe von Buchenwald" (The Bitch of Buchenwald) gegeben; außerdem hatte er einige weiße Lampenschirme gefunden, über die er schrieb, sie seien aus Menschenhaut gemacht. Dieser Reporter wurde ihr zum Verhängnis. Es stellte sich zwar heraus, daß es sich um Ziegenhaut handelte. Aber während des Prozesses sprach man immer noch von Menschenhaut. Es war beinahe unmöglich für sie, einen gerechten Prozeß zu erhalten. Nun nahmen sich die Deutschen ihrer an und gaben ihr 12 Jahre (sie) für die Behandlung ihrer eigenen Leute. Aber es handelte sich nicht um ein Kriegsverbrechen im eigentlichen Sinn des Wortes. Und mit solchen Dingen hatten wir uns die ganze Zeit auseinanderzusetzen. 39

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Anmerkungen Vorwort ') Los Angeles Times, 13. April 1980. 2 ) Newsweek, 18. September 1967. J ) Brief an den Autor vom Staatsanwalt beim Landgericht Augsburg, 22. März 1979. 4 ) Vgl. Fritz Bauer, et al., Hrsg., Justiz- und NS-Verbrechen, Sammlung Deutscher Strafurteile wegen Nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1966, v. VIII (Amsterdam: University Press of Amsterdam, 1972). Im folgenden zitiert als: Bauer, et al., Justiz- und NS-Verbrechen. 5 ) Briefe an Eugen Kogon und Konrad Morgen blieben unbeantwortet. Eine von Ilse Kochs Wärterinnen im Frauengefängnis Aichach stimmte einem Interview zu, änderte jedoch später ihre Meinung. ' ) Vgl. z.B. Richard Grunberger, The 12-Year Reich, Α Social History of Nazi Germany, 1933-1945 (New York: Holt Paperback Edition, 1979). 7 ) Buchrezension: Jesse Silvergate, The American Historical Review, Bd. 85, Nr. 3, Juni 1980, S. 666.

Erstes Kapitel ') Berlin Document Center, Akte Ilse Koch. Im folgenden zitiert als BDC, Akte Koch. J ) A.a.O. 3 ) U.S. v. Josias Prinz von Waldeck, et al (1947). War Crimes Case No. 12-390 (Buchenwald), Record Group 153, Records of the Judge Advocate General (Army). National Archives and Record Service, 1976. 13 Mikrofilme. Rolle 6, S. 3696. Im folgenden zitiert als U.S. v. Waldeck, Akten-Nr., S. Nr. 4 ) Anklageschrift im Mordverfahren gegen Koch, Ilse, 4 JS 360/49 (oJs 1/49) S. 37. Im folgenden zitiert als Anklageschrift. Siehe auch: BDC, „Akte Koch" und Der Spiegel, 16. Februar 1950.

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) BDC, Akte Koch. Gemäß den Partei Vorschriften mußte jeder, der sich um Mitgliedschaft in der Partei bewarb, eine Absichtserklärung bei der jeweiligen Ortsgruppe einreichen. Diese wurde dann nach München weitergeleitet. Wurde die Bewerbung akzeptiert, wurde sie in die Hauptkartei aufgenommen und der Bewerber erhielt eine Nummer. Vgl. „Who Was a Nazi? Facts about the Membership Procedure of the Nazi Party" (7771 Document Center OMGUS, n.p., n.d.), S. 9-10. «) BDC, Akte Koch. 7 ) A.a.O. Vgl. auch Bauer, et al. Justiz und NS-Verbrechen, S. 40ff. *) „Martin Sommers Aussage", 1967 (München: Institut für Zeitgeschichte, Aktenzeichen 4118/68), S. 2. Im folgenden zitiert als: „Sommers Aussage". Das Material wurde dem Autor freundlicherweise von Dr. John Steiner zur Verfügung gestellt. ») A.a.O. 10 ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2754-2755. " ) A.a.O. u ) Vgl. U.S. Senate, 80th Congress, 2nd session, „Conduct of Ilse Koch War Crimes Trail", Hearings before the Investigations Subcommitee on Expenditures in the Executive Departments. Part 5, 28. September, 8. und 9. Dezember 1948. Washington, D.C.: United States Government Printing Office, 1949, S. 1032. Im folgenden zitiert als: Senate Hearings. " ) U.S. v.Waldeck, R. 12, S. 2745. u ) „Sommers Aussage", S. 2. 15 ) Der Spiegel, 16. Februar 1950 und Eugen Kogon, The Theory and Practice of Hell, The German Concentration Camps and the System Behind Them (New York: Berkley Publishing Corp., n.d.), S. 263ff. '«) U.S. v. Waldeck, R. 7, S. 5295. 17 ) Interrogation of Konrad Morgen (Befragung Konrad Morgens), 7th Army Interrogation Report, 1. Oktober 1945, Aktenzeichen SAIC/PIR, Record Group 38, National Archives Collection auf Axis War Crimes Records, S. 12-13. Im folgenden zitiert als: Morgen interrogation. '») U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 1974. " ) Anklageschrift, S. 46. 20 ) U.S. v. Waldeck, R. 7, S. 5196. 21 ) „ P i m p f war die Bezeichnung für ein männliches Mitglied (10-14 Jahre) des Deutschen Jungvolks, eine Abteilung der Hitlerjugend ( „ P i m p f ist auch eine Bezeichnung für Wolfsjunge). " ) Nazi Conspiracy and Aggression, Bd. I (Washington: United States Government Printing Office, 1946), S. 949. Im folgenden zitiert als: N.C.A. " ) Bauer, et al, Justiz- und NS-Verbrechen, S. 40. 24 ) Vgl. Der Spiegel, 16. Februar 1950. " ) BDC, Akte Koch. " ) A.a.O. " ) Vgl. Abbildung. 2 ») A.a.O. 2 ») U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3740. 50 ) Anklageschrift, S. 62. 51 ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Report B-2833. 32 ) BDC, Akte Koch. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Report B-2833 und Walter Bartel, Hg., Buchenwald, Mahnung und Verpflichtung. Dokumente und Berichte (Frankfurt a. Main: Röderberg-Verlag, 1960), S. 582-589. Im folgenden zitiert als: Bartel, Hg., Buchenwald.

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) Bericht von Paul Woitkowski in: Bartel, Hg., Buchenwald, S. 44-45. ) Vgl. Grundriß des Konzentrationslagers Buchenwald. 36 ) Vgl. Hans Buchheim, et al, Anatomie des SS-Staates, 2 Bd. (München: Deutscher Taschenbuchverlag, 1967), Bd. 2, S. 64; Bartel, Hg., Buchenwald, S. 582 und Robert Liebbrand, Buchenwald, Lieber Sterben als Verraten (Basel: Centrale Sanitaire Suisse, 1945), S. 69. " ) Rudi Jahn, Hg., Das war Buchenwald! (Leipzig: Verlag für Wissenschaft und Literatur, 1945), S. 7ff. 3e ) Vgl. Grundriß. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, „United States" Report, zusammengestellt in Buchenwald, 23. Juni 1945, S. 5. 40 ) „Sommers Aussage", S. 10. 41 ) Jahn, Hg., Das war Buchenwald!, S. 25. 42 ) Vgl. Kogon, Theory and Practice of Hell, S. 158ff. 43 ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Report B-2833; Leibbrand, Buchenwald, S. 69 und Jahn, Hg., Das war Buchenwald!, S. 30. 44 ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Sonderbericht vom 18. Mai 1945, S. 3. Anzumerken ist, daß Frey den amerikanischen Untersuchungsbeamten 1945 in einem Gefangenenlager in Nebraska Informationen über Buchenwald mitteilte. 45 ) A.a.O.; Report B-2833 und „Sommers Aussage", S. 22. Einige der Juden rannten blind in den elektrischen Zaun oder ertranken in den Latrinen. Jahn, Hg., Das war Buchenwald!, S. 65. Vgl. auch Kogon, Theory and Practice of Hell, S. 159ff. 46 ) Anklageschrift, S. 41. 47 ) „Sommers Aussage", S. 19-20. Sommer sagte, daß eine Briefmarkensammlung das einzig Wertvolle gewesen sei, das Karl Koch in jener Zeit besessen habe. A.a.O. 4 ") Anklageschrift, S. 41-43; Jahn, Hg., Das war Buchenwald!, S. 63-67 und Kogon, Theory and Practice of Hell, S. 160-162. Jahn schätzte, daß nach 1938 Kochs Aktionen täglich über 50.000 RM einbrachten; aber in den Akten findet sich nichts, das diese Annahme bestätigen könnte. 49 ) Anklageschrift, S. 41. 50 ) „Sommers Aussage", S. 4. Ihm entging nur wenig. Typisch für die Art von Verweisen, die er erteilte, war folgende Notiz: „Diese Baracke im schmutzigem Zustand vorgefunden — das Licht brannte nach 22h." A.a.O., S. 16. 51 ) A.a.O., S. 5. " ) Anklageschrift, S. 48. Kochs Lagerbefehle erfolgten wöchentlich in Form eines Kommandanturbefehls. Sie enthielten Mitteilungen, die über den Gebrauch der Dusche (nur von 7-8 Uhr morgens) bis zum Kauf von Lebensmitteln reichten. Bedenkt man Kochs eigenen Lebensstil, so erscheint dies keineswegs lächerlich. " ) Karl Barthel, Die Welt ohne Erbarmen. Bilder und Skizzen aus dem KZ (Rudolstadt: Greifenwald, 1946), S. 68-69. 54 ) „Sommers Aussage", S. 6. 55 ) A.a.O., S. 10. 56 ) Bauer, et al, Jusitz und NS-Verbrechen, S. 77. " ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3697. '«) Vgl. Kapitel III. " ) Bauer, et al, Justiz und NS-Verbrechen, S. 78. 60 ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 3159-3161; „Sommers Aussage", S. 18-19 und Die Zeit, 8. September 1967. Sommer sagte aus, daß Ilses Reitkleidung - zwei Paar graue Hosen und zwei Paar schwarze Stiefel - in den Lagergeschäften in Buchenwald hergestellt waren. A.a.O. 35

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" ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3698-3719. «) A.a.O., S. 3735. " ) A.a.O., S. 3731. 64 ) „Sommers Aussage", S. 16. Kogon beschrieb die verschiedenen Tierarten, die in einem Wildtierreservat in Buchenwald gehalten wurden als Wildkatzen, Rotwild, Rehböcke, Füchse, Fasane. Theory and Practice fo Hell, S. 46. 65 ) Im Dachauer Prozeß 1947 soll Ilse die Geburt ihres ersten Kindes mit Januar 1938 angegeben haben. Andere Quellen geben den Monat Juni an. Dies weist auf mögliche Fehler in den Gerichstakten hin. « ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3698 und R. 12, S. 2966 und Anklageschrift, S. 3738. " ) A.a.O., R. 12, S. 2755. Es besteht kein Zweifel, daß Karls Sohn nur auf Grund von Kochs Stellung vor der Euthanasieaktion der Nazis gerettet wurde. " ) „Sommers Aussage", S. 12-13. «») Der Spiegel, 16. Februar 1950. 7 °) U.S. v. Waldeck, R, 6, S. 3748 und R. 12, S. 2902. 71 ) „Sommers Aussage", S. 10. " ) Kogon, Theory and Practice of Hell, S. 113. " ) Anklageschrift, S. 38.

Zweites Kapitel ') Die wichtigsten Außenlager für die Produktion waren „Dora" in der Nähe von Nordhausen/Harz und „Laura" in der Nähe von Saalfeld/Thüringen. U.S. v. Waldeck, R. 1, Report B-2833, S. 15. 2 ) Bei Kriegsende waren ungefähr 7 % der Lagerbevölkerung deutsche Staatsangehörige. 3 ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Report B-2833, S. 1. *) Kochs Kommandanturbefehl Nr. 115. Bundesarchiv Koblenz, Bestand NS4 Bu/vorl. 105. 5 ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Report B-2833, S. 7. ') Trial of War Criminals before the Nuremberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10 (Washington, D.C.: United States Government Printing Office, 1950), Bd. V, S. 222. Im folgenden zitiert als: T.W.C. 7 ) A.a.O., S. 822-823. Pohl, der den Rang eines SS-Obergruppenführers innehatte, wurde 1951 als Kriegsverbrecher hingerichtet. «) A.a.O., S. 300-301. ') A.a.O., S. 842. 10 ) Vgl. Kapitel III. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, unter Eid geleistete Aussage in Dachau vom 27. Februar 1947. " ) Anklageschrift, S. 31. " ) A.a.O., S. 34. ,4 ) A.a.O., S. 35. 15 ) The New York Times, 15. April 1947. " ) Anklageschrift, S. 33 und U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3440. l7 ) Anklageschrift, S. 35.

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'·) T.W.C. Bd. v . , S. 227 und 847. " ) A.a.O., S. 508-517. 20 ) U.S. von Waldeck, R. 1, „United States report compiled at Buchenwald, 23. Juni 1945", S. 7. J1 ) „Sommers Aussage", S. 15-16. " ) Anklageschrift, S. 32. " ) „Sommers Aussage", S. 14. » ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3721. 25 ) Anklageschrift, S. 49. " ) Vgl. unten. " ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3417-3423. " ) „Sommers Aussage", S. 8. 29 ) Kogon, Theory and Practice of Hell, S. 5 3. Unter einem Träger des Blutordens verstand man einen Teilnehmer am gescheiterten Novemberputsch 1923. 30 ) „Sommers Aussage", S. 8. J1 ) Jahn, Hg., Das war Buchenwald!, S. 51-53 und Bruno Heilig, Men Crucified (London: The Right Book Club, 1942), S. 146, 236-237. Rödl wurde später mit der Kommandantur des Konzentrationslagers Groß-Rosen .belohnt'. " ) Vgl. Kapitel III. " ) H.G. van Dam und Ralph Giordano, Hgs. KZ-Verbrechen vor deutschen Gerichten, 2 Bd. (Frankfurt a. Main: Europäische Verlagsanstalt, 1962), Bd. 1, S. 146. " ) A.a.O. " ) Vgl. T.W.C., Bd. V, S. 849. " ) Vgl. „Sommers Aussage". " ) Records of the United States' Nuremberg War Crimes Trials Interrogations, 1946-1949, Nuremberg, Germany. Morgen interrogations, August 1946 to April 1948, microfilm 1019, roll 47, S. 7. Im folgenden zitiert als: Μ 1019, R. 47, Vgl. auch U.S. v. Waldeck War Crimes Investigation Section, Juli 28, 1945. " ) T.W.C., Bd. I, S. 685 und Kogon, Theory and Practice of Hell, S. 262. " ) „Bist kein Held, bist ein Mann, der gefällt", Jahn, Hg., Das war Buchenwald!, S. 67. 40 ) A.a.O. und Μ 1019, R. 47, S. 26. Die Studie trug den Titel „Versuche zur Behandlung der Lungentuberkulose durch Inhalation von Kohlekolloid", Freiburg i.Br., Med. Diss., 1943, 112s. 41 ) T.W.C., Bd. I, S. 685. « ) Vgl. Kapitel III. 4J ) T.W.C., Bd. I, S. 686. Hoven schätzte, daß er ungefähr 60 Gefangene durch Injektion getötet hatte. A.a.O. ,4 ) A.a.O., S. 687. 4 >) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 300. " ) A.a.O., S. 2907 " ) A.a.O.; Anklageschrift, S. 63 und Hans Berke, Buchenwald. Eine Erinnerung an Mörder (Salzburg: Ried-Verlag, 1946), S. 133. Zu ihrem Spitznamen „Bitch of Buchenwald" (Hexe von Buchenwald) vgl. Kapitel IV. 4 ') Vgl. Kapitel IV und VI. 4 ') U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2972-2975. 50 ) Bauer, et al, Justiz- und NS-Verbechen, S. 77. " ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3710. 5! ) „Sommers Aussage", S. 23. " ) Anklageschrift, S.44. !4 ) Bauer, Hg., Justiz und NS-Verbrechen, S. 78.

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" ) Anklageschrift, S. 44. " ) A.a.O., S. 63. " ) A.a.O., S. 72-73. ig ) „Sommers-Aussage", S. 7 und U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 4139-4140. 5 ') Vgl. Kapitel IV und V. 60 ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3740. " ) A.a.O., R. 11, S. 937. " ) A.a.O., R. 5, S. 1820ff. " ) Berke, Buchenwald, S. 133-135. M ) Vgl. Kapitel IV. " ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 1252. " ) A.a.O. 67 ) A.a.O., R. 6, S. 3707. " ) A.a.O., R. 12, S. 2968. " ) A.a.O., S. 1252. 70 ) A.a.O., S. 1261-1262. 71 ) A.a.O., R. 6, S. 3706-3707. " ) Vgl. Kapitel III. " ) U.S. v. Waldeck, R. 5, S. 1947-1948. ,4 ) A.a.O., R. 6, S. 3707-3708. Zur Affaire Titz vgl. auch Kapitel III. 75 ) Vgl. Kapitel III, IV und VI. 76 ) Anklageschrift, S. 64. 77 ) A.a.O., S. 67. ,8 ) U.S. v. Waldeck, R. 11, S. 937. 79 ) Ein langjähriger Buchenwaldinsasse und einer der Nachkriegsexperten im Hinblick auf das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. 80 ) U.S. v. Waldeck, R. 11, S. 937. " ) „Sommers Aussage", S. 11-13. 82 ) U.S. v. Waldeck, R. 11, S. 1945. 83 ) Als das Konzentrationslager Buchenwald gebaut wurde, teilte man auf Geheiß Hermann Görings ein Gebiet zur Ablichtung von Falken ab; doch Göring besuchte Buchenwald nie. 84 ) U.S. v. Waldeck, R. 10, S. 1360-1361. 85 ) A.a.O., R. 11, S. 1731-1733. " ) A.a.O., R. 5, Gustav Wegerer, unter Eid geleistete Aussage vom 13. Mai 1947. 87 ) Froboeß sagte im amerikanischen Prozeß von Frau Koch aus, daß er sie mehrere Male zu Pferde gesehen habe; sie habe nur ein Kleid getragen. U.S. v. Waldeck, R. 10, S. 1382. " ) Anklageschrift, Zeugenaussage von Wilhelm Jellinek, et al, S. 75ff. "*) A.a.O., S. 98. Einige Dutzend Zeugen bestätigten diese Geschichte. '") A.a.O., S. 82-84. " ) Vgl. Kapitel VIII. " ) U . S . v. Waldeck, R. 10, S. 1113-1122. " ) A.a.O., R. 6, S. 3719-3720 und R. 10, S. 1365-1384. 94 ) A.a.O. " ) A.a.O., R. 10, S. 444ff. " ) A.a.O., R. 5, S. 2001-2002. 97 ) A.a.O., S. 2338. 9i ) A.a.O., S. 1965-1968. 99 ) A.a.O., R. 11, S. 1945-1946. 10 °) A.a.O. R, 6, S. 4139-4140. "») A.a.O., R. 12, S. 2902.

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Drittes Kapitel ') Kenneth C.H. Willig, „The Theory and Administration of Justice in the Third Reich." University of Pennsylvania, Diss., 1975, S. 260. 2 ) Trial of the Mayor War Criminals before the International Military Tribunal (Nürnberg: United States Government, 1948), Bd. 20, S. 436. Im folgenden zitiert als: I.Μ.Τ. 3 ) U.S. Senate Hearings, S. 1032. 4 ) Erich Stockhorst, Fünftausend Köpfe. Wer war was im Dritten Reich (Bruchsal/Baden: Blick und Bild Verlag, 1967), S. 436. Vgl. auch Gerald Reitlinger, The SS. Alibi of a Nation 1922-1945 (New York: The Viking Press, 1968), S. 248. 5 ) Vgl. Kogon, Theory and Practice of Hell. ' ) U.S. v. Waldeck, R. 7, S. 5297. ' ) A.a.O., S. 5295. e ) A.a.O., S. 5296. ») A.a.O. 10 ) „Sommers Aussage", S. 23-24. " ) U.S. v. Waldeck, R. 7, S. 5222-5223. ,2 ) A.a.O., S. 5224-5225. " ) A.a.O., R. 11, S. 1790-1791. u ) A.a.O., R. 5, S. 1902. 15 ) A.a.O., R. 12, S. 2745. Koch ließ zahlreiche Kopien des Pohl-Briefes anfertigen und sie unter Freunde in der SS verteilen. 16 ) A.a.O., R. 6, S. 3712. In einem Bericht vom28. Juli 1942 vermerkte Pohl über Koch, daß er in das Konzentrationslager Lublin versetzt worden sei mit dem Hinweis, „er sei für den Etappendienst geeignet." I.M.T., Bd. V, S. 303-304. " ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3738-3739. '«) Vgl. unten. " ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2831. 20 ) A.a.O., S. 2831-2832. 21 ) A.a.O., R. 6, S. 3737-3738. 22 ) Anklageschrift, S. 45. 23 ) A.a.O., S. 46. 24 ) A.a.O. 25 ) U.S. v. Waldeck, R. 7, S. 5195-5196 und 5240. " ) A.a.O., S. 5297-5300. 27 ) A.a.O., R. 12, S. 2748 und 2918. 2i ) Anklageschrift, S. 46-47; U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 4170-4171; Kogon, Theory and Practice of Hell, S. 259 und Bauer, et al, Justiz- und NS-Verbrechen, S. 77. 2 ') Anklageschrift, S. 4 6 - 4 7 . J0 ) A.a.O. Hoven sagte aus, daß er Ilse überlistet habe, als er ihr sagte, der stellvertretende Kommandant liebe sie nicht wirklich, daraufhin hätten beide die Beziehung abgebrochen. Hoven blieb ihr einziger Liebhaber. " ) Vgl. Arthur L. Smith, Jr., „Life in Wartime Germany", in: The Public Opinion Quarterly, Bd. 36 (September 1972), S. 1-7.

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" ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 1915ff. und Anklageschrift, S. 40ff. " ) Zum Zeitpunkt dieses Schreibens ist Morgen ausübender Staatsanwalt in Westdeutschland. J4 ) John Toland, Adolf Hitler (New York: Ballantine Books, 1976), S. 1042ff. und Heinz Höhne, The Order of the Death's Head. The Story of Hitler's SS (New York: Coward-McCann Inc., 1970), S. 383ff. 3i ) Morgen interrogation. 34 ) Interview mit William D. Denson, New York City, 5. Oktober 1979. Im folgenden zitiert als: Denson interview. " ) Μ 1019, R. 47, S. 7. " ) A.a.O., S. 16-20. Die Aussagen, die Morgen 1947 im Buchenwald-Prozeß machte, unterschieden sich in Einzelheiten leicht von denjenigen, die er bei seiner Befragung 1945 gemacht hatte. So sagte er z.B. aus, daß er im Januar 1941 SSRichter im Range eines Oberfeldwebels geworden sei. U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2739. " ) A.a.O., S. 2740. " ) A.a.O., S. 2741-2742. 41 ) Μ 1019, R. 47, S. 6. " ) A.a.O. 4J ) A.a.O., S. 7-8 44 ) U.S. v. Waldeck, R. 5, S. 2740-2741. 4i ) A.a.O., R. 12, S. 2758-2759. 46 ) Μ 1019, R. 47, S. 6. 47 ) A.a.O., S. 10-11. 4 «) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2758-2759. 4 ») A.a.O., S. 2760. 50 ) A.a.O., S. 2761. 51 ) I.M.T., v. 20, S. 491. Einer von Morgens Zeugen gegen Koch befand sich an einem Tag noch in einer Gefängniszelle in Buchenwald, am folgenden starb er plötzlich. Morgen ordnete eine Autopsie an, die bewies, daß der Mann vergiftet worden war. T.W.C., v. I, S. 638. 52 ) Μ 1019, R. 47, S. 8-9 und U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2760. Ein SS-Mann, der mit Koch in Buchenwald an einigen seiner korrupten Projekte gearbeitet hatte, sagte, daß die Leute, die Koch geholfen hätten „bis zu 80 % professionelle Kriminelle, Blockführer, Vormänner, Kapos und ältere Blockinsassen gewesen seien. Diejenigen Gefangenen, die Geld im Lagerraum für privaten Besitz hatten, mußten für ihr Essen selbst bezahlen. Das Geld wurde dann unter Koch und die anderen verteilt." U.S. v. Waldeck, R. 5, Aussage von F.K. Wilhelm, 12. Juli 1945. " ) A.a.O., R. 12, S. 2836. 54 ) M 1019, R. 47, S. 11. " ) A.a.O., S. 12-13. " ) A.a.O. " ) BDC, Akte Koch, geheimes Telegramm an SS-General Jütener vom 25.8.1943. " ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3743. Kurz vor Karls Verhaftung hatte man ein Haus in Saatz gekauft; Ilse und die Kinder bereiteten sich auf den Umzug vor. A.a.O., S 3713 " ) A.a.O., R. 12, S. 2929 und Μ 1019, R. 47, S. 12-13. 60 ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2804. " ) A.a.O., S. 1946. " ) A.a.O., S. 2804. " ) A.a.O., R. 6, S. 3712-3713.

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" ) A.a.O., S. 3804. " ) „Sommers Aussage", S. 26-30. Sommer sagte, daß Hoven in Buchenwald immer einen Ring trug, von dem er behauptete, er käme aus Ägypten und habe ein Geheimfach, in dem er Gift aufbewahre. Als Hoven verhaftet wurde, soll die Polizei ihm den Ring vom Finger gezogen haben; er war leer. " ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2930-2943. 47 ) A.a.O., S. 2747. " ) A.a.O., S. 2829-2830. Morgen gab zu, daß er selbst Ilse während des Verhörs nie in provozierender Kleidung gesehen habe. A.a.O., S. 2902. " ) A.a.O., S. 2750. 70 ) A.a.O., S. 2930-2931. " ) A.a.O., R. 6, S. 3714-3715. 72 ) Bundesarchiv, NS/1020 fol. 1, 12 Seiten. " ) A.a.O., S. 1-2. 74 ) A.a.O., S. 304. 75 ) A.a.O., S. 5-9. 76 ) BDC, Akte Koch, vgl. Briefe vom 8.5.1944, 23.6.1944 und 6.7.1944. 77 ) Μ 1019, R. 47, S. 3-6. 7 «) A.a.O., S. 20-23. 79 ) Man nimmt an, daß Mitglieder des SS-Polizeigerichts Prien-Chiemsee kurz vor dem Zusammenbruch Deutschlands 1945 den größten Teil der Akten zerstört haben. Es wurde jedoch möglich, einen großen Teil des Materials zu rekonstruieren, da viele der Hauptbeteiligten wie Morgen und Waldeck den Krieg überlebt hatten. Die Anklageschrift „Strafsache gegen SS-Standartenführer Karl Koch u.a." und eine persönliche Akte, die verwandte Korrespondenz enthielt, wurde aus deutschen Verbrecherakten rekonstruiert. 80 ) Der Fall Hackmann war bereits gesondert behandelt worden. U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3410-3412. " ) „Sommer Aussage", S. 31-32. • 2 ) Anklageschrift, S. 49 und I.M.T., v. 42, S. 547. " ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2811-2812. Morgen schätzte, daß auf diese Art und Weise über 100 Insassen von Sommer getötet worden waren. A.a.O. M ) A.a.O., S. 3033-3064. " ) A.a.O., S. 2817. " ) „Sommers Aussage", S. 36-37. *7) Es mag zwar unglaublich klingen, aber der Prozeß gegen Hoven und Sommer wurde vom SS-Polizeigericht nie zu Ende gefuhrt trotz des umfangreichen Beweismaterials, das in den Mordfallen gegen sie vorgebracht wurde. Morgen bestätigte, daß beide zahlreiche Morde begangen hatten. Nach dem Krieg wurde Hoven verhaftet und von einem Gericht der Alliierten im „Ärzteprozeß" zum Tode verurteilt. Sommers Schicksal verlief völlig anders. Kurz vor Kriegsende wurde er schwer verwundet und blieb viele Jahre im Krankenhaus. Sommer änderte seinen Namen; er konnte sich dem Zugriff der Behörden fur einige Zeit entziehen. Aber 1956, als er eine junge deutsche Krankenschwester geheiratet hatte, stellte er einen Antrag auf Rente und wurde von der Westdeutschen Polizei verhaftet. Er wurde vor Gericht gestellt und wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Aber nachdem er eine Anzahl von Jahren gesessen hatte, wurde er freigelassen. Ein früherer SS-Offizier, der mit dem Prozeß gegen Koch und die anderen zu tun hatte, sagte aus, daß es einen wirklichen Prozeß für Hoven nie gegeben habe; alle Anklagepunkte seien fallengelassen worden. U.S. v. Waldeck, R. 11, S. 20952096. Als Zeuge beim amerikanischen Prozeß in Dachau 1947 sagte Morgen: „Dr. Hoven war tatsächlich ein Massenmörder; er tötete Tausende von Menschen aus verschiedenen Gründen." A.a.O., R. 12, S. 2767.

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) A.a.O., S. 2770-2771. " ) Anklageschrift, S. 40-43. 90 ) „Sommers Aussage", S. 22. »') U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2830-2831. n ) „Sommers Aussage", S. 10. " ) Anklageschrift, S. 43. ,4 ) A.a.O., S. 43-44 ®5) A.a.O., S. 45 und „Strafsache gegen Karl Koch", S. 5. 96 ) Anklageschrift, S. 44. In einer Nachkriegsgeschichte über Ilse Koch wird berichtet, daß Himmler dem SS-Polizeigericht vorgeschlagen hatte, Frau Koch mindestens zu sechs Jahren zu verurteilen. Der Spiegel, 6. Februar 1950. Dies wird jedoch weder in einer von Morgens Zeugenaussagen noch in den Verhörakten aufgeführt. " ) Anklageschrift, S. 52. »«) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2905. " ) Sie saßen am ersten Tag der Anhörungen im September 1944 zusammen. 10 °) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3714-3715. "") Anklageschrift, S. 52. ,0J ) Schwäbische Landeszeitung, 1. Dezember 1950. ,03 ) „Sommers Aussage", S. 39-40. 1M ) Anklageschrift, S. 38-39. los ) „Sommers Aussage", S. 42.

Viertes Kapitel ') Alliierte Flugzeuge bombardierten am 17. Oktober 1944 Buchenwald mit der Absicht, die Außenlager zu zerstören. Eine Bombe fiel in das Hauptlager. Obwohl sie nicht explodierte, wurden einige Menschen infolge der einsetzenden Panik niedergetreten und starben. Laut Lagerakten wurden bei dem Luftangriff ungefähr 150 SS-Männer und 500 Insassen getötet. U.S. v. Waldeck, R. 1, vertraulicher Bericht der U.S. Armee über Verletzungen der Genfer Konvention vom 23. Juni 1945. 2 ) Nach der Haager Konvention 1899 ereigneten sich Zwischenfälle, die die Regeln für die Kriegsführung zu Land, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.'s entwickelt worden waren, verletzten. Als Beispiel sind der Burenkrieg und der Russisch-Japanische Krieg 1904 zu nennen. 3 ) Das Recht der Alliierten gegen den Deutschen Kaiser einen Prozeß zu führen, wurde im Versailler Vertrag aufgenommen, aber der Prozeß fand nie statt. Einige Jahre später stellte man in Leipzig einige deutsche Soldaten wegen Verletzung der Kriegsgesetze vor Gericht, aber die geringfügigen Urteile - zum Zeitpunkt der Verkündigung bereits mit der Inhaftierung erfüllt - deuteten auf die Bedeutungslosigkeit des Ereignisses hin. 4 ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Notiz vom 14. April 1945, keine Seitenangabe. Dieser Befehl scheint Kogons Behauptung zu widersprechen, daß Himmler ausdrücklich jeglich Aktionen gegen Juden im Lager untersagt hatte, weil er Vergeltungsmaßnahmen der Alliierten befürchtete. Theory and Practice of Hell, S. 251. ! ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Report B-2833 und Bartel, Buchenwald, S. 588. Als Buchenwald befreit wurde, fanden US-Soldaten sieben ältere Männer, die behaupteten, amerikanische Staatsbürger zu sein. Sie waren Deserteure der amerikani-

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sehen Armee in Frankreich 1918 und waren in Frankreich geblieben. Die deutschen Behörden hätten sie 1942 im okkupierten Frankreich verhaftet und nach Buchenwald geschickt. U.S. v. Waldeck, R. 1, vertraulicher Bericht der U.S. Armee über Verletzungen der Genfer Konvention vom 23. Juni 1945. «) Martin Blumeson, Hg., The Patton Papers 1940-1945, Bd. II (Boston Houghton Mifflin Co., 1974), S. 686. 7 ) Den deutschen Bewohnern von Buchenwald hatte man bereits befohlen, durch das Konzentrationslager Buchenwald zu gehen. «) U.S. v. Waldeck, R. 12, der „Mc Sherry Report", 25. April 1945. ') A.a.O. 10 ) A.a.O., R. 1, U.S. War Department release vom 29. April 1945, S. 4. Das Rundschreiben war bestimmt zur Verteilung an US-Gesandtschaften in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und allen US-Hauptquartieren in Europa unter besonderer Berücksichtigung der Offiziere, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig waren. 11 ) U.S. v. Waldeck, R. 5, S. 2331. 12 ) A.a.O., unbetitelter Bericht vom Chef des Heeresjustizwesens vom 31. Juli 1945 und R. 1, vertraulicher Bericht der US-Armee über Verletzungen der Genfer Konvention vom 23. Juni 1945, S. 14. " ) A.a.O., R. 5, S. 2330. 14 ) A.a.O., R. 1, Geschichte von Ann Stringer, 21. April 1945. 13 ) A.a.O., R. 12, der „Mc Sherry Report", 25. April 1945. " ) A.a.O., R. 7, Bericht über die „Identification of Tattooed Hides", from Seventh Medical Laboratory, pathology section, 25. Mai 1945. n ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Bericht vom 3. August 1945, AAF Redistribution Station 1, Atlantic City, N.J., vorgelegt vom 2nd. Lt. William Powell, S. 7. " ) A.a.O., R. 6, S. 3715-3717. " ) A.a.O., R. 1. 20 ) A.a.O., R. 2, Brief vom 17. Dezember 1947, War Crimes Prison No. 1, Landsberg, U.S. Army to 7708 War Crimes Group, EUCOM. 21 ) A.a.O., Brief vom 26. Oktober 1945, U.S. Theater, Judge Advocate's Office to Director, Legal Division, Office of Military Government, Germany. " ) A.a.O., Briefwechsel Clay-Sokolovsky, 25. Dezember 1945 und 2. Januar 1946. " ) A.a.O., Brief vom U.S. Commissioner for U.N. War Crimes Commission an U.S. Secretary of State, 1. März 1946. 24 ) A.a.O., R. 1, geheimes Rundschreiben von Deputy Judge Advocate (ETO) an Civil Affairs Division, U.S. War Department, 27. April 1946. 25 ) A.a.O., geheimes Telegramm von General Clay an U.S. War Department, 25. Juni 1946 und Telegramm des War Department an War Crimes Branch in Wiesbaden, 25. Juni 1946. Wiesbaden besaß eine umfangreiche Bibliothek und ein Dokumentationszentrum, die oft von Personal der Alliierten in Anspruch genommen wurden, wenn sie einen Kriegsverbrecherprozeß vorbereiteten. " ) A.a.O., OMGUS, Berlin an U.S. War Department, 16. Juli und 1. August 1946. Eine interessante Aussage, wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß der Nürnberger Prozeß bereits seit vielen Monaten lief und sich seinem Ende näherte. 21 ) A.a.O., R. 12, geheime Mitteilung von War Crimes Branch Wiesbaden, 26. September 1946. " ) A.a.O., R. 1, Nachricht vom Büro des Hauptverteidigers, Nürnberg, 10. Oktober 1946. 2 ') A.a.O., Notiz vom 28. Dezember 1946.

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) A.a.O., und ein französisches Kommunique vom 6. November 1946. ) The Stars and Stripes, Wochenendausgabe, 27. April 1947, S. 8. Für Hinweise auf den Status eines Individuums vgl. „Who Was a Nazi? Facts about the Membership Procedure of the Nazi Party." " ) The Stars and Stripes, 27. April 1947, S. 8. " ) A.a.O. Eine der Frauen, die sich um die Kinder kümmerten, fragte: „Fünfundzwanzig Babies, ist das so ungewöhnlich in einer Gemeinde von elfhundert Frauen?" " ) A.a.O. " ) A.a.O., S. 8. " ) U.S. v. Waldeck, R. 5, „Charge Sheet against the Accused Ilse Koch", 7. März 1947. " ) A.a.O., R.L. zitiert einen Artikel von Leon B. Poullada, „The Trial of Ilse Koch", in: Evening Star, 2. Oktober 1948. Die US-Armeegerichtshöfe in Dachau orientierten sich an einem „Manual for the Trial of War Crimes", zusammengestellt vom Büro des stellvertretenden Chefs des Heeresjustizwesens, 7708 War Crimes Branch, EUCOM. Dieses Handbuch wies besonders auf den Gebrauch von Beweismaterial hin, das nur auf Hörensagen beruhte. " ) Kiel wurde von den meisten, die ihn kannten, als verhältnismäßig guter Offizier geschätzt. Einige Jahre nach dem Koch-Prozeß schied Kiel aus dem Dienst aus, angeblich nachdem seine Vorgesetzten erfahren hatten, daß der General ein amerikanisches Militärflugzeug benutzt hatte, um seinen Smoking fiir einen gesellschaftlichen Anlaß in Lateinamerika einzufliegen. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, U.S. War Department, Brief vom 17. Januar 1947. 40 ) A.a.O., „Information Booklet", S. 26. 41 ) The Surs and Stripes, 9. März 1947, S. 20. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Poullada-Bericht. 43 ) Interview mit Richter Robert L. Kunzig, Washington, D.C., 17. Februar 1979. Im folgenden zitiert als: Kunzig Interview. " ) A.a.O. 4S ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Poullada-Bericht. " ) A.a.O. 41 ) A.a.O., R. 3, von Müller unter Eid geleistete Aussage, 15. Oktober 1947. " ) A.a.O. 49 ) A.a.O., R. 1, Poullada-Bericht. 50 ) A.a.O., Aussage von Pleissner an U.S. War Crimes Group Reviewing Section, München, 8. Januar 1948. 51 ) Kunzig Interview. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Poullada-Bericht. " ) Bericht von James O'Donnell in: Newsweek, 28. Juli 1947, S. 39. 54 ) Denson Interview. 55 ) Kunzig Interview. " ) Münchener Mittag, 11. April 1947. 57 ) Der Sozialdemokrat, 11. April 1947. 5 ") U.S. v. Waldeck, R, 6, S. 3721. 5 ') A.a.O., S. 3722. 60 ) The Stars and Stripes, 12. April 1947, S. 12. Ein deutscher Anwalt, der sich zu der Forderung nach der Todesstrafe äußerte, bemerkte, daß die Todesstrafe in der Sowjetunion abgeschafft worden sei und daß die Russen nicht eine der Personen, die im Prozeß um das Konzentrationslager Sachsenhausen angeklagt waren - der Prozeß fand im sowjetischen Sektor statt - zum Tode verurteilt hätten. U.S. v. Waldeck, R. 4, Brief von Dr. R. Wacker an U.S. Military Government. 31

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6I

) U.S. v. Waldeck, R. 11, S. 1773-1779 " ) Es gibt keine einsichtige Erklärung für den Mangel an Interesse auf Seiten der Sowjets, waren doch in Buchenwald mehr Russen als Angehörige irgendeiner anderen Nationalität interniert. " ) Newsweek, 28. Juli 1947, S. 39. M ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3526-3527. " ) A.a.O. 64 ) Kunzig Interview. 67 ) U.S. Senate Hearings, S. 1026 ff. " ) Denson Interview; auch Time Magazine, 24. Oktober 1949, S. 33. " ) Time, 4. Oktober 1948 und Eugene Davidson, The Death and Life of Germany. An Account of the American Occupation (New York: Alfred A. Knopf 1959), S. 55. 70 ) U.S. Senate Hearings, S. 1027. 71 ) „Sommers Aussage", S. 43. " ) Vgl. Der Spiegel, 16. Februar 1950 und Newsweek, 28. Juli 1947. Dr. Robert M.W. Kempner, einer der US-Hauptverteidiger in Nürnberg stellte 1979 fest, daß die Nationalität des Vaters nie festgestellt werden konnte. Interview mit Dr. Kempner, Westdeutschland, 9. Juli 1979. " ) U.S. v. Waldeck, R. 3, „Defense Petition for Clemency", 18. September 1947. Ein Antrag auf Berücksichtigung ihres physischen Zustands.

Fünftes Kapitel ') U.S. Senate Hearings, S. 1025. 2 ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2805-2806. 3 ) A.a.O., R. 3, eidesstattliche Erklärung, 20. Juli 1948. 4 ) A.a.O., R. 12, S. 2928-2929. ') A.a.O. ' ) A.a.O., R. 3, eidesstattliche Erklärung, 13. Juli 1948. 7 ) A.a.O., R. 3, 12, S. 2002-2003. ») A.a.O., R. 5, S. 2171-2172. ') Rhine-Main edition, 12. April 1947. ,0 ) NYT, 23. Oktober 1948. Anfragen bei den ,U.S. Federal Archives' und Lagerstätten der U.S.-Armee konnten nicht klären, wo sich der Film befand. " ) 4. Januar 1949 (Bd. 13) 12 ) Kunzig Interview. " ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2331. ,4 ) A.a.O. 15 ) N.C.A., Bd. I, S. 965ff. '«) U.S. v. Waldeck, R. 1, Bericht vom 14. Februar 1945, S. 5. 17 ) N.C.A., Bd. I, S. 966. " ) U.S. v. Waldeck, R. 2, Bericht des Department of Army, 28. November 1948. " ) A.a.O. und Barthel, Die Welt ohne Erbarmen, S. 65. 20 ) U.S. v. Waldeck, R. 10, S. 373ff. und U.S. Senate Hearings, S. 1040ff. " ) W. Barthel, Buchenwald, Abb. 39.

241

" ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2957. " ) A.a.O., S. 1234. Titz sagte nie, wer ihm ,erklärte', welche Bewandtnis es mit den Lampen hatte, und er wurde auch nie gefragt. " ) A.a.O., S. 1257-1258. " ) A.a.O., R. 12, S. 2806-2807. 26 ) A.a.O., R. 3, „Petition for Review", n.p., n.d. 27 ) A.a.O., R. 10, S. 1362-1363. M ) A.a.O., S. 1364. " ) A.a.O., S. 1365fT. Froboeß war von den amerikanischen Behörden als technischer Zeichner eingestellt, um Karten und Beweisstücke für den Gerichtsraum anzufertigen. 50 ) A.a.O., S. 1391-1392. " ) A.a.O., R. 3, „Petition for Review". " ) A.a.O., R. 12, 4808. " ) A.a.O., R. 2, CAD an .Senate Investigation Sub Committee; 1. Dezember 1948. " ) A.a.O., R. 5, unter Eid geleistete Aussage, 13. Mai 1947. 3S ) A.a.O., R. 10, S. 374-375. " ) A.a.O., S. 399. " ) A.a.O., S. 405. " ) A.a.O., R. 6, S. 3717. 3 ») A.a.O., S. 4447. 40 ) A.a.O., R. 12, S. 127-128. 41 ) U.S. Senate Hearings, S. 1063. 42 ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 2967-2968. 43 ) A.a.O., S. 2973. 44 ) A.a.O., R. 6, S. 3701. In einer früheren Aussage erwähnte ein Zeuge der Anklage eine Lampe im Hause Koch, die aus Menschenknochen mit einem Fuß aus einem Menschenfuß angefertigt war. 45 ) A.a.O., S. 3707. 46 ) A.a.O., S. 3717. 41 ) A.a.O., S. 3704. 4! ) A.a.O., R. 10, S. 375. 4 ') A.a.O., R. 6, S. 3718. 50 ) A.a.O., S. 3702-3703. 51 ) A.a.O., S. 3718-3720. " ) U.S. Senate, 80th Congress, 2nd. Session, „Conduct of Ilse Koch War Crimes Trial, Interim Report", 27. Dezember 1948. Report No. 1775, Part 3, S. 7. Im folgenden zitiert als: U.S. Senate, „Interim Report". ») U.S. v. Waldeck, R. 7, S. 5692. 54 ) A.a.O., S. 5708. " ) A.a.O., S. 5710 A.a.O., S. 5713. " ) Der Spiegel, 2.Februar 1950. Fünf Angeklagte erhielten eine lebenslängliche Haftstrafe, vier unterschiedliche Strafen und zweiundzwanzig wurden zum Tode durch Erhängen verurteilt. Zum Gericht gehörten Brigadegeneral Emil Kiel, Präsident, Oberstleutnant John S. Dwinell, ein Anwalt, Oberst Gilbert Ackermann, Oberst Harry R. Pierce, Oberst William W. Robertson, Oberst Earle B. Dunning, Oberstleutnant Edward B. Walker und Oberstleutnant James M. Morris. 5β) n y t . 15. August 1947 und 25. Januar 1948 und Echo der Woche, 24. Januar 1948. 5 ») 25. August 1947.

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60

) U.S. v. Waldeck, R. 3, eidesstattliche Erklärung von Major D.S. Purl, 11. Oktober 1948. " ) A.a.O. " ) Die Abteilung für Kriegsverbrechen (War Crimes Branch), CAD, erhielt schließlich im November 1948 die Photoalben mit dem Vermerk „Ehemaliger Besitz von Ose Koch". " ) Der Spiegel, 16. Februar 1950. 64 ) U.S. v. Waldeck, R. 3, „Petition for Clemency for Ilse Koch", 18. September 1947. " ) A.a.O., „Petition for Review", ohne Datum. " ) A.a.O., R. 12, vertrauliche Mitteilung, Marmon an Harbaugh, 4. Oktober 1948. 61 ) A.a.O. " ) A.a.O., vertrauliche Mitteilung, Kuhn an Harbaugh, 1. Oktober 1948. " ) A.a.O., vertrauliche Mitteilung, Marmon an Harbaugh, 4. Oktober 1948. ,0 ) U.S. Senate, „Interim Report", S. 12. 11 ) U.S. v. Waldeck, R. 12, vertrauliche Mitteilung, Marmon an Harbaugh, 4. Oktober 1948. " ) U.S. Senate, „Interim Report", S. 12. " ) A.a.O. u ) U.S. v. Waldeck, R. 10, „Review and Recommendations", Büro des stellvertretenden Chefs des Heeresjustizwesens, 7708 War Crimes Group, 15. November 1947. " ) A.a.O., R. 1, „Disposition of Articles taken from Concentration Camps", 24. März 1948. 76 ) A.a.O., R. 12, „Report of Review Board No. 5", 6. Oktober 1948. 71 ) U.S. Senate, „Interim Report", S. 12-13. " ) A.a.O., S. 13. ™) U.S. v. Waldeck, R. 12, Wiederaufnahmeverfahren durch das Büro des stellvertretenden Chefs des Heeresjustizwesens, 8. Oktober 1948. 80 ) A.a.O., Aussage von Oberst J.L. Harbaugh, Jr., JAGD, EUCOM, 8. Oktober 1948. " ) U.S. Senate, „Interim Report", S. 13. " ) U.S. v. Waldeck, R 12, „Koch petition", 19. Juni 1948. " ) Denson, der an der juristischen Fakultät von Harvard 1938 graduiert hatte, besaß die meiste Erfahrung. Er hatte bereits die Anklage bei mehreren Kriegsverbrecherprozessen geführt. ,4 ) Maximilian Koessler, „The Ilse Koch Senate Investigation and Its Legal Problems with Observations on Double Jeopardy and Les Judicata", in: Missouri Law Review, Januar 1958 (Bd. 23), S. 21. 8S ) A.a.O. " ) Lucius D. Clay, Decision in Germany (N.Y.: Doubleday, 1950), S. 254. " ) A.a.O. " ) U.S. v. Waldeck, R. 12, Hays memo to CAD, War Department, 26. November 1948. " ) A.a.O., R. 1, „U.S. Army report on judgement and disposition of war crimes cases." *•) Clay, Decision, S. 254. " ) Eine neuere Abhandlung von James Weingartner, Crossroads of Death (Berkeley: Univ. of California Press, 1979), wendet sich dem Fall in allen Einzelheiten zu. 92 ) A.a.O.

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" ) Der Spiegel, 16. Februar 1950. M ) A.a.O. »3) Clay, Decision, S. 254. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, U.S. Department of Army news release, 23. September 1948. Achtzehn der ursprünglichen Buchenwald-Urteile blieben unverändert; dreizehn wurden reduziert, dazu gehörte auch das Urteil von Ilse Koch. " ) Vgl. Kapitel VI.

Sechstes Kapitel ') Überschrift eines Artikels über Ilse Koch in der Zeitschrift Time, 4. Oktober 1948. 2 ) Zur weiteren Erörterung der Frage der Nutzung der besiegten deutschen Streitkräfte bei einer Ost-West-Auseinandersetzung siehe Arthur L. Smith, Jr., Churchills deutsche Armee (Bergisch-Gladbach: Lübbe Verlag, 1978). J ) Berliner Zeitung, 21., 23., 24. September 1948 und National Zeitung, 25. September 1948. 4 ) „Pressedienst der SED vom 17.5.48", Nationale Mahn- und Gedenkstätte, Buchenwald, DDR. Die meisten Anmerkungen wiederholten Zeugenaussagen, die bereits beim Dachauer Prozeß gemacht worden waren, und enthielten - außer der Nachricht von Ilses Strafverkürzung - nichts Neues. ! ) U.S. v. Waldeck, R. 3, Brief Ilse Kochs vom 16. August 1948. 6 ) Als Clays Entscheidung am 16. September in der BRD enthüllt wurde, hielten gerade ehemalige Buchenwald-Insassen ein Treffen in Ost-Berlin ab. Es handelte sich um einen Teil der jährlichen Konferenz der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Deutschland. ') NYT, 17. September 1948. ») U.S. v. Waldeck, R. 1, U.S. Armee Akte „Der Fall Koch, Auszüge redaktioneller Stellungnahmen, Radiokommentare und Stellungnahmen in der Öffentlichkeit, 19. September - 18. Oktober 1948." ») A.a.O. 10 ) Time, 4. Oktober 1948. 11 ) Denson Interview 1J ) Kunzig Interview " ) Jean Edward Smith, Hg., The Papers of General Lucis D. Clay (Bloomington, Ind.: Indiana Univ. Press, 1974), S. 881. u ) Eine Anzahl von Aussagen bestand in beeideten Erklärungen, gewöhnlich von einem ehemaligen Häftling unterzeichnet. Einer dieser Männer, der ehemalige Buchenwald-Häftling Paul Müller, bestand bei seiner Aussage darauf, daß einige der Zeugen der Anklage Meineide geleistet hatten, weil die Anklägerschaft sie unter Druck gesetzt hatte: „Herr Kirschbaum [ein Untersuchungsbeamter der Anklage] versuchte mehrfach, mich zu einer Falschaussage zu bewegen." U.S. v. Waldeck, R. 3, schriftliche Aussage vom 14. Januar 1948. Siehe auch den zusätzlichen Kommentar zu Kirschbaum in Bezug auf den Malmedy Fall bei Weingartner, Crossroads of Death. " ) NYT, 30. Juli 1948. " ) U.S. v. Waldeck, R. 3, Brief Royalls an Richter Edward van Roden, 14. Februar 1949.

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" ) NYT, 21., 23., 24., 25., 28., 30. September 1948. Eine Verfügung des Staatssenats von Ohio lautete: „In Anbetracht dessen wird Ilse Koch unterstellt, daß sie eine Neigung zu tätowierter Menschenhaut hatte, und Lampenschirme und andere Artikel in ihrem Haushalt aus der Haut von Häftlingen hergestellt waren." U.S. v. Waldeck, R. 10, 5. Mai 1949. " ) NYT, 1. Oktober 1948. " ) Saturday Evening Post, 3. November 1948. 20 ) Zit. aus einem Artikel O'Donnells „Capitol Stuff', in: U.S. v. Waldeck, R. 1, n.d.. O'Donnell ließ seiner Kritik einen Artikel in Look folgen, in dem er den Vorwurf aussprach, daß der Prozeß nachlässig gefuhrt worden sei und auf unsicheren Beweisen basiert habe. 4. Januar 1949. 21 ) Α Review of the Ilse Koch case, 29. Oktober 1948. " ) NYT, 22. Oktober 1948. Bei einer Demonstration vor der New Yorker Industrial Show trugen einige Personen Schilder mit der Aufschrift „Wie teuer sind die Lampenschirme der Ilse Koch?" Der Spiegel, 2. Februar 1950. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Brief Royalls an Henry Cabot Lodge, 5. Oktober 1948. M ) Smith, Hg., Clay Papers, S. 888-889. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Brief Trumans an Royall, 17. Oktober 1948. " ) A.a.O., Draper an Clay, 18. Oktober 1948. " ) NYT, 2. Oktober 1948. 2 ") Den Vorsitz des Komitees, das für die Ausgaben in der Geschäftsführung zuständig war, führte George Aiken aus Vermont. Die anderen Senatoren aus Fergusons Komitee waren Edward Thye, Minn.; Irving Ives, N.Y.; Clyde Hoey, No. Carolina und Herbert O'Connor aus Maryland. Joseph McCarthy, Wiscon., war ein Mitglied des Aiken Komitees. S. Telford Taylor, Grand Inquest, The Story of Congressional Investigations (Ν.Y.: Simon and Schuster, 1955), S. 78. " ) U.S. Senat Anhörungsverfahren (U.S. Senate Hearings), S. 999. 30 ) A.a.O., S. 1000. 31 ) A.a.O., S. 1001-1002. Royall wies darauf hin, daß die Frage nach einer Urteilsbestätigung oder Urteilsverschärfung bereits in einem Fall unter General Eisenhower behandelt worden sei, und das Resultat sei negativ gewesen. " ) A.a.O., S. 1005. " ) A.a.O., S. 1006-1012. " ) A.a.O., S. 1013. " ) A.a.O., S. 1015-1016. " ) A.a.O., S. 1016. " ) A.a.O., S. 1019. " ) A.a.O., S. 1020-1022. 3 ») A.a.O. 40 ) A.a.O. 41 ) A.a.O. 42 ) A.a.O., S. 1026. 43 ) A.a.O., S. 1026-1027. 44 ) Time, 4. Oktober 1948. 45 ) NYT, 20. Oktober 1948. 46 ) A.a.O., 22. Oktober 1948. 47 ) Zitiert in: U.S. v. Waldeck, R. 1, Washington Evening Star, 2. Oktober 1948. 4 ") Experiment in Germany, The Story of an American Intelligence Officer (Ν. Υ.: Sloan and Pearce, 1946), S. 356. 4 ') The Nation, 6. November 1948, S. 519. Der ehemalige Insasse Dr. Heller hatte in Dachau nicht als Zeuge ausgesagt.

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50

) A.a.O., S. 520. Padover schrieb, daß Ilse Koch Gefangene ausgewählt habe, die mit ihr die Nacht verbringen sollten, am nächsten Morgen habe sie diese umbringen lassen und ihre tätowierte Haut einrahmen lassen. Experiment in Germany, S. 356. In Anbetracht der Prozeßunterlagen ist dies pure Phantasie. 51 ) NYT, 9. Oktober 1948. " ) A.a.O. " ) A.a.O., 10. Oktober 1948. 54 ) A.a.O., 31. Dezember 1948. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Clay an das Dept. of Army, 28. November 1948. !6 ) A.a.O. " ) A.a.O. !8 ) S. Koessler, Ilse Koch Investigation. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Clay an das Dept. of Army, 28. November 1948. ,0 ) A.a.O. 61 ) Die Tatsache, daß der Heeresminister sie darüber informiert hatte, daß 163 andere Strafverkürzungen bis November 1948 in deutschen Kriegsverbrecherprozessen ergangen waren, mußte den Eindruck erwecken, daß nicht sehr sorgfaltig vorgangen wurde. U.S. v. Waldeck, R. 2, Heeresminister Memo. November 1948. 62 ) Die Prozeßunterlagen blieben bis 1976 für die Öffentlichkeit unzugänglich. " ) NY Herald Tribune, 10. Oktober 1948. 64 ) A.a.O., 14. Oktober 1948. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, War Crimes Branch, Wiesbaden an H.Q., EUCOM, Heidelberg, 14. Oktober 1948; H.Q. 7708 War Crimes Group memo, vom 24. März 1948; und R. 2, vertrauliche Mitteilung an den Museumsdirektor des Army Medical Museums Washington, 23. März 1948. " ) A.a.O. 67 ) U.S. Senat Anhörungsverfahren, S. 1035-1041. 6 «) A.a.O. " ) U.S. v. Waldeck, R. 12, S. 375. 70 ) U.S. Senat Anhörungsverfahren, S. 1051. 71 ) A.a.O., S. 1058. 72 ) A.a.O., S. 1059-1060. " ) A.a.O., S. 1061. 74 ) A.a.O., S. 1063. " ) A.a.O., S. 1080. ,6 ) A.a.O., S. 1082. 77 ) A.a.O., S. 1085. 7 ») A.a.O., S. 1081. '*) U.S. v. Waldeck, R. 3, Brief Ilse Kochs vom 18. Aug. 1948; und U.S. Senat Anhörungsverfahren, S. 1095. 80 ) U.S. Senat Anhörungsverfahren, S. 1095-1096. 81 ) A.a.O., S. 1112-1113. 82 ) A.a.O., S. 1114. " ) A.a.O., S. 1118. 84 ) U.S. v. Waldeck, R. 2, CAD an das Unterkomitee des Senats (Senate Investigation Sub-Commitee), 1. Dezember 1948. 85 ) U.S. Senat Anhörungsverfahren, S. 1123-1141. " ) A.a.O., S. 1141. 87 ) A.a.O., S. 1166-1167. 88 ) A.a.O., S. 1167. "») A.a.O., S. 1167-1168.

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90

) ") «) ") ,4 ) ") 94 )

U.S. Senat, „Interim Report", S. 2. A.a.O. A.a.O., S. 14. A.a.O., S. 16. A.a.O., S. 19-20. A.a.O., S. 22-24 4. Januar 1949 (v. 13)

Siebtes Kapitel ') Eugen Kogon, Theory and Practice of Hell, S. 289-290. (Übersetzung aus der amerikanischen Ausgabe). 2 ) A.a.O., S. 291. ') A.a.O., S. 293-294. 4 ) In einer Abhandlung mit dem Titel „From Prosecution to Clemency for War Criminals", die 1979 der versammelten American Historical Association vorgelegt wurde, ging Dr. John Mendelsohn einigen wesentlichen Aspekten der veränderten U.S. Politik nach. 5 ) S. Fritz Weinschenk, „Nazis Before German Courts: The West German War Crimes Trials", The International Lawyer, Oktober 1976, S. 515-529. 6 ) Dieses Thema war seit langem die Zielscheibe der DDR-Presse gewesen, es wurde in schärfster Weise redaktionell und in Karikaturen Bezug genommen auf die Freilassung von Personen wie dem ehemaligen General Franz Halder und dem nationalsozialistischen Bankier Hjalmar Schacht durch die Alliierten. Beispiele finden sich in der National Zeitung, 25. September 1948; in Tägliche Rundschau, 16., 17., 19. September 1948 und in Berliner Zeitung, 21., 23., 24. September 1948. 7 ) U.S. v. Waldeck, R. 3, Ilse Koch an Chef des Heeresjustizwesens, European Command, München, 16. August 1948. Sie sei dabei, Englisch zu lernen, sagte sie, und beabsichtige, nach Australien zu emigrieren. •) Smith, Hg., Clay Papers, S. 1007-1008. Royall hatte bereits angeordnet, daß die Akte Ilse Koch der Öffentlichkeit nicht zugänglich sein sollte und wies darauf hin, daß die Unterlagen als Prozeßunterlagen des Militärgerichts anzusehen seien. 4. Januar 1949. ®) William F. Fratcher, „American Organization for Prosecution of German War Criminals", Missouri Law Review, 1948 (V. 13), S. 67. 10 ) Kempner Interview. " ) U.S. v. Waldeck, R. 1, Huebner an TAG, Heeresministerium [Dept. of Army], 30. März 1949. 12 ) A.a.O., Heeresministerium an Huebner, 1. April 1949. ,3 ) A.a.O., Ilkow an Surrowitz, 4. April 1949. M ) A.a.O., Surrowitz an Ilkow, 15. April 1949. l5 ) A.a.O., vertrauliches Memorandum, Huebner an H.Q., JAGO, Heeresministerium, 27. Juni 1949. '«) A.a.O., 27. Juni 1949. 17 ) A.a.O., OMGUS, Berlin an Heeresministerium, 6. August 1949. '«) A.a.O., EUCOM an Heeresministerium, 12. August 1949. " ) A.a.O., 14. April 1949.

247

20

) A.a.O., Büro des Chefs der Militärpolizei an den Chief of Information, War Crimes, JAGO, Pentagon, 24.Mai 1949, „Ilse Koch-Final Report". 21 ) Kunzig Interview. " ) A.a.O. " ) NYT, 7. August und 23. Oktober 1949. ») A.a.O., 5. Oktober 1949. " ) Der Spiegel, 2. Februar 1950. M ) NYT, 17. Oktober 1949. " ) NYT, 24. Oktober 1949. 2 ») A.a.O., 18. Oktober; und Stern, 30. Oktober 1949 (44). " ) Die Kopie der Anklageschrift, zusammengestellt von Dr. Jagomast, Bamberg, 17. November 1949, wurde dem Autor von Seiten der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald, Weimar-Buchenwald, zur Verfügung gestellt. S. 1-2. 30 ) A.a.O., S. 2. 31 ) Ein deutscher Gerichtsprozeß setzt sich zusammen aus einem Vorverfahren, einem Zwischenverfahren, einem Hauptverfahren, dem Urteil und dem Vollstreckungsverfahren. " ) NYT, 5. Februar und 11. März 1950. " ) Der Spiegel, 16. Februar 1950. 34 ) A.a.O. 35 ) A.a.O., Seidl lehnte es aus juristisch-ethischen Gründen ab, den Fall Ilse Koch zu erörtern. Brief an den Autor, 8. März 1979. 36 ) NYT, 25. Mai 1950. Clays Erscheinen sollte dazu dienen, die amerikanische Unterstützung für die Bewohner Berlin anzufeuern. " ) Schwäbische Landeszeitung, 25. November 1950. '·) Stem, 10. Dezember 1950. 39 ) Die Zeit, 7. Dezember 1950. 40 ) Kempner Interview. 41 ) Anklageschrift, S. 9. « ) U.S. v. Waldeck, R. 12, 8. Oktober 1948. 43 ) Anklageschrift, S. 61. 44 ) Der Spiegel, 6. Dezember 1950. 45 ) A.a.O. 44 ) Die Zeit, 7. Dezember 1950. 47 ) Anklageschrift, S. 150-151. 4 ») NYT, 29. November 1950. 4 ») Anklageschrift, S. 136. 50 ) Kempner Interview. Er sagte, die „Hautangelegenheit" sei unwichtig im Vergleich mit anderen Verbrechen. 51 ) NYT, 28. November 1950. " ) A.a.O. " ) U.S. v. Waldeck, R. 9, Meldung des U.S. Armee-Pressedienstes, n.d. 54 ) NYT, 28. November 1950. 55 ) Schwäbische Landeszeitung, 29. November 1950. '*) A.a.O. " ) Der Spiegel, 6. Dezember 1950. '») F. Bauer, Hg., Justiz- und NS-Verbrechen, S. 43-44; Anklageschrift, S. 136; NYT, 30. November 1950; und Schwäbische Landeszeitung, 1. Dezember 1950. " ) Schwäbische Landeszeitung, 1. Dezember 1950. 60 ) F. Bauer, Hg. Justiz- und NS-Verbrechen, S. 43, 44, 50. " ) Schwäbische Landeszeitung, 6. Dezember 1950.

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" ) A.a.O., 8. Dezember 19&0. " ) S. Kapitel I; und Die Zeit, 7. Dezember 1950. 6< ) Schwäbische Landeszeitung, 1. Dezember 1950. " ) A.a.O., 29. November und 8. Dezember 1950. " ) A.a.O. " ) Tägliche Rundschau, 1. Dezember 1950. " ) Schwäbische Landeszeitung, 2. Dezember 1950. " ) Tägliche Rundschau, 7. Dezember 1950. 70 ) Schwäbische Landeszeitung, 1. Dezember 1950. 71 ) A.a.O. 72 ) F. Bauer, Hg., Justiz- und NS-Verbrechen, S. 54. " ) Schwäbische Landeszeitung, 1. Dezember 1950. 74 ) „Ich konnte das Geld nicht entbehren", sagte Kunzig, „und es waren 650 Dollar - der Betrag bleibt mir im Gedächtnis." Kunzig Interview. 7! ) Denson hatte die Einladung abgelehnt, beim deutschen Prozeß in Augsburg zu erscheinen. 7 ') Kunzig Interview. 77 ) Schwäbische Landeszeitung, 11. Dezember 1950. 7 ·) A.a.O. 7 ») A.a.O. ">) A.a.O., 13. Dezember 1950. " ) A.a.O., 15. Dezember 1950. • 2 ) A.a.O. " ) NYT, 20. Dezember 1950. In der Presse wurden die Berichte selten - wenn Aberhaupt - korrigiert. Am 25. Dezember 1950, zwei Wochen nachdem die Aussage von Tobias widerlegt worden war, stand in Time: „Der Zeuge Tobias sagte aus, daß ihm Ilse Koch 13 seiner Zähne ausgetreten habe." " ) Schwäbische Landeszeitung, 29. Dezember 1950. " ) F. Bauer, Hg., Justiz- und NS-Verbrechen, S. 55. " ) Schwäbische Landeszeitung, 30. Dezember 1950. • 7 ) A.a.O. " ) A.a.O., 5. Januar 1951. " ) A.a.O., 8. Januar 1951. Als Seidl Kogon fragte, ob er sein Buch „Der SS Staat" ändern würde, falls die Möglichkeit bestünde, antwortete Kogon: „Nein, aber heute würde ich es gar nicht mehr schreiben." A.a.O. M ) A.a.O., 12. Januar 1951. " ) A.a.O., 15. Januar 1951. " ) F. Bauer, Hg., Justiz- und NS-Verbrechen, S. 3 Iff.; Schwäbische Landeszeitung, 17. Januar 1951; und NYT, 16. Januar 1951. " ) F. Bauer, Hg., Justiz- und NS-Verbrechen, S. 31. " ) Schwäbische Landeszeitung, 19. Januar. 1951. " ) „Revisionsbegründung des Rechtsanwalt Dr. Alfred Seidl in München in Sachen Koch, Use, geborene Köhler, geb. am 22.09.1906 in Dresden, Witwe des ehemaligen SS-Standartenführers und Kommandanten des Konzentrationslagers Buchenwald Karl Koch", 23. Juni 1951. Kopie wurde freundlich zur Verfügung gestellt von Dr. Hückstädt, Präsident des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe. * ) A.a.O., S. 2. " ) A.a.O., S. 3. " ) A.a.O., S. 4. Seidl tadelte das Gericht dafür, daß kein Vertreter der Verteidigung aus dem Buchenwald-Prozeß geladen worden war; er wies darauf hin, daß Capt. Elmar Groth, der Whitney und Lewis zur Seite gestanden hatte, sogar zur Zeit in Augsburg stationiert war, A.a.O., S. 11.

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" ) NYT, 3. April und 22. Dezember 1952. 1OT ) Der Spiegel, 3. Sept. 1952. „Abendfrieden" Am Fenster still ich lausche Dem Abendfrieden zu, Das Bächlein weiter rauschet, Kann nicht halten zur Ruh'. Die Vögel in Scharen schon fliegen Der Ruhestätte zu, Nachtfalter im Winde sich wiegen, Heimchen zirpen dazu. Wie hebt sich vom Dunkel des Waldes Das reife, lichte Korn; Und von den Bergen widerhallt es, Letzter Gruß von einem Waldhorn. Wer immer im Leben noch findet Gedanken für friedliche Ruh', Die Sorge ihm leichter entschwindet, Schläft hoffend dem Morgen er zu. 101 ) „Gnadengesuch des Rechtsanwalt Dr. Alfred Seidl in München in der Strafsache gegen Koch, Use, geb. Köhler, 22.9.1906, in Dresden, z. Zeit in der Strafanstalt Aichach wegen Anstiftung zu einem Verbrechen des Mordes," 4. Juni 1957, 19seitige Kopie, zur Verfugung gestellt vom .Document Center' Berlin. "") A.a.O., S. 3-4. "") A.a.O., S. 17. 1M ) A.a.O., Seidl bezog sich auf einen Fall, der nur kurze Zeit zurücklag, in dem ein Arbeiter im Konzentrationslager Stutthof von einem Gericht in Bochum des Mordes an Hunderten von Gefangenen überführt worden war. Sein Urteil lautete 3 Jahre und 3 Monate Haft, A.a.O. 105 ) John Mendelsohn, „From Prosecution to Clemency for War Criminals", S. 29. lM ) Vgl. Max Pierre Schaeffer, Der Fall Vera Brühne, Die Wahrheit (München: Wilhelm Heyne Verlag, 1979). 107 ) Die Zeit, 8. September 1967. 10 ") Kunzig Interview. 1M ) Süddeutsche Zeitung, 16. September 1966. NYT, 5. Juli 1971. m ) A.a.O. 112 ) A.a.O. m ) A.a.O. 114 ) Der Spiegel, 25. Juni 1967. 113 ) Süddeutsche Zeitung, 4. September 1967; und Die Zeit, 8. September 1967.

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Achtes Kapitel ') Newsweek, 18. September 1967. ) The Times, London, 4. September 1967. ) Newsweek, 18. September 1967. 4 ) Der Spiegel, 11. September 1967. 5 ) Vgl. Alfred Grosser, Hg., Wie war es möglich? (München, Carl Hanser Verlag, 1977). ' ) Vgl. Kapitel VII. 7 ) U.S. Senate Hearings, S. 1269. «) A.a.O. ») A.a.O., S. 1270. ,0 ) A.a.O. " ) A.a.O. 12 ) U.S. v. Waldeck, R. 12, Morgens Aussage, 11. Juni 1947, S. 2756. " ) I.M.T., v. XX, S. 442. M ) U.S. v. Waldeck, R. 6, S. 3715. " ) Denson nannte Morgen einen „gerissenen Schweinehund (son of a bitch). Ich würde ihn gern noch einmal treffen." Denson Interview. " ) Vgl. Kapitel IV. n ) Charles Fairman, „Some Problems of the Constitution Following the Flag," in: Stanford Law Review, Juni 1949 (1), S. 600ff. " ) A.a.O., S. 612. " ) A.a.O., S. 604. 2 °) A.a.O. 21 ) U.S. v. Waldeck, R. 11, Dachau, 28. Mai 1947, Aussage von Frau Wilhelmine Gernsheim, S. 1988-1993. In Buchenwald erhielt Frau Gernsheim, eine Zeugin Jehovas, die Aufgabe, sich um die Sondergefangene, Prinzessin Mafalda von Hessen, Tochter König Viktor Emmanuels von Italien, zu kümmern. Ein anderer Sondergefangener war der Führer der französischen Sozialisten Leon Blum. 22 ) A.a.O., S. 2023-2025. 23 ) John Alan Appleman, Military Tribunals and International Crimes, (Indianapolis: The Bobbs-Merrill Co., Inc., 1954), S. 318-319. Appleman merkte an, daß in dergleichen Prozessen die Angeklagten sich gegenseitig beschuldigten. Für den Verteidiger ergab sich daraus ein unlösbares Problem. A.a.O. 2< ) A.a.O., S. 334. " ) A.a.O., S. 268ff. 2S ) U.S. Senate Hearings, S. 1088. " ) A.a.O., S. 1089. 2 «) A.a.O., S. 1169. " ) A.a.O., S. 1254. 30 ) A.a.O., S. 1278. 31 ) Brief an den Verfasser von Still Picture Branch, Audiovisual Archives Div., National Archives, Washington, D.C., 5. April 1979. 32 ) U.S. v. Waldeck, R. 1, „Disposition of Articles taken from Concentration Camps", 24. März 1948; und R. 2, U.S. War Department Note, 23. April 1948. 2 3

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" ) Brief an Verfasser von National Archives, Motion Picture and Sound Recording Branch, 24. April 1948; und Videokassette, U.S. Signal Corps Film, „Nazi Concentration Camps." 54 )NYT, 7. Mai 1971. 55 ) Vgl. Koessler, Ilse Koch Investigation, S. lOff. 36 ) NYT, 7. Mai 1971. " ) John Mendelsohn, From Prosecution to Clemency for War Criminals", S. 26fF. " ) A.a.O., S. 28-29. " ) Abschrift eines mündlichen Interviews, Lucis D. Clay, 18. Mai 1976, George C. Marshall Research Library, Lexington, Virginia, S. 37-38.

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F. Zeitungen und Zeitschriften Berliner Zeitung Echo der Woche The Los Angeles Times Münchener Mittag Nationale Zeitung Neues Deutschland The New York Herald Tribune The New York Times Die schwäbische Landeszeitung (Die Augsburger Allgemeine Zeitung) The Stars and Stripes Der Sozialdemokrat Die Süddeutsche Zeitung Die Tägliche Rundschau The Times Die Zeit Illustrated London News Life Look Newsweek The Saturday Evening Post Der Spiegel Stern Time

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Zeittafel 1906 1932

1933 1934 1936 1937

1938 1939 1940 1941

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22. September: Als drittes Kind der Familie Köhler in Dresden geboren; getauft auf den Namen Margarete Ilse 2. April: Formell als Mitglied in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Deutschlands aufgenommen; Mitgliedsnummer 1.130.836 5. März: Ilse Koch nimmt zum ersten Mal an einer Wahl teil und stimmt für die Nationalsozialisten April: Begegnung mit ihrem zukünftigen Mann, SS-Sturmbannführer Karl Koch 5. Mai: Reicht Heiratsgesuch bei den SS-Behörden ein 25. Mai: Karl und Ilse heiraten nach mitternächtlichem SS-Ritual Otkober: Ilse zieht zu Karl in das Konzentrationslager Buchenwald, dessen Kommandant Karl ist. Sie ziehen in ein neues Haus, die „Villa Koch" 17. Juni: Das erste Kind, Artwin, wird geboren 26. April: Geburt des zweiten Kindes Gisela. Manfred, Karls ältester Sohn aus erster Ehe zieht zu ihnen in die „Villa Koch" 11. Dezember: Geburt des dritten Kindes Gudrun. Frau Erna Raible, Karls Stiefschwester, besucht sie hin und wieder in der „Villa Koch, um bei der Kinderbetreuung zu helfen. Februar: Gudrun stirbt; Frau Raible wirft Ilse Vernachlässigung vor 18. Dezember: Karl wird von der Gestapo verhaftet; Ermittlung wegen potentieller Korruption in der Lagerverwaltung; Freilassung erfolgt ein Tag später 20. Dezember: SS-Standartenführer Hermann Pister wird Kommandant von Buchenwald. Karl und Ilse wohnen weiterhin in der „Villa Koch". Karl wird auf eine neue Kommandostelle berufen. März: Karl wird nach Lublin beordert. Ilse bleibt in Buchenwald; Warten auf eine Wohnung in Lublin 24. August: Bei einem Besuch in der „Villa Koch" wird Koch von SS-Ermittlungsbeamten verhaftet; wird des Mordes und der Unterschlagung von Staatsgeldern verdächtigt 25. August: Ilse wird als Komplizin ihres Mannes verhaftet. Für die Ermittlung werden beide in Weimar inhaftiert; sie dürfen sich nicht sehen September: Erste Zusammenkunft des SS-Gerichts unter Ausschluß der Öffentlichkeit in Weimar

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19. Dezember: Zweite geheime Gerichtssitzung wird abgeschlossen. Karl Koch wird schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt; Ilse wird aus Beweismangel freigesprochen Januar: Ilse zieht zu Frau Raible und den Kindern nach Ludwigsburg März: Frau Raible fordert Ilse auf, das Haus zu verlassen; Begründung: Ilses Trunkenheit. Ilse zieht mit den Kindern in ein Hotel, fährt fort zu trinken 5. April: SS-Männer holen Karl aus seiner Zelle in Weimar ab; er wird im Konzentrationslager Buchenwald hingerichtet 11.-13. April: Das Konzentrationslager Buchenwald wird von amerikanischen Truppen befreit 30. Juni: Ilse wird in Ludwigsburg als potentielle Kriegsverbrecherin verhaftet 11. April: Die amerikanische Militärkommission beginnt mit den Anhörungen zum Fall Buchenwald in Dachau. Ilse Koch ist die einzige Frau unter 31 Angeklagten 12. August: Ilse Koch wird schuldig gesprochen und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Sie ist im siebten Monat schwanger. 14. August: Der amerikanische Prozeß in Dachau ist beendet 29. Oktober: Ilse Kochs viertes Kind, ein Junge namens Uwe, wird unehelich geboren; das Kind wird den Wohlfahrtsbehörden übergeben 8. Juni: General Clay, Kommandant der amerikanischen Besatzungsmacht, wandelt die lebenslängliche Haftstrafe in eine vieqährige Strafe um. Die Entscheidung wird der Öffentlichkeit zunächst vorenthalten. Die Freilassung von Ilse Koch wird auf Oktober 1949 angesetzt. 16. September: Die Anordnung Clays wird der Öffentlichkeit bekanntgegeben September: Ein Unterausschuß des Kongresses unter Leitung von Senator Homer Ferguson kündigt eine Untersuchung an 9. Oktober: Der Freistaat Bayern gibt bekannt, daß er beabsichtigt, einen Prozeß gegen Ilse Koch nach ihrer Freilassung anzustrengen 18. Oktober: Präsident Truman fordert einen vollständigen Bericht über den Fall Koch 30. Oktober: Die Sowjetunion verlangt, daß Ilse Koch nach der Freilassung aus der amerikanischen Haft in Gewahrsam genommen wird. 22. März: General Clay gibt bekannt, daß die Vereinigten Staaten keinen neuen Prozeß gegen Ilse Koch führen können 23. März: Die ostdeutsche Regierung fordert, daß Ilse Koch in Gewahrsam genommen wird. 8. Juni: Ein bayrischer Beamter verkündet, daß Ilse Koch mit Sicherheit noch einmal vor Gericht gestellt wird 7. August: Die Sowjetunion und Ostdeutschland verweigern die Zusammenarbeit mit Westdeutschland bei dem neuen Prozeß 12. August: Eine Gruppe westdeutscher Anwälte reist in die Vereinigten Staaten, um ,neues' Beweismaterial zu sammeln 5. Oktober: Die Vereinigten Staaten geben bekannt, daß Ilse Koch nach der Entlassung aus U.S.-Haft den westdeutschen Behörden übergeben wird

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23. Oktober: Die ostdeutsche Regierung fordert noch einmal, daß Dse Koch in Gewahrsam genommen wird 1950 5. Februar: Ilse Koch wird zur Untersuchung in ein Krankenhaus geschickt 12. März: Zur Beobachtung in eine psychiatrische Klinik 26. Mai: Der bayrische Staatsgerichtshof klagt sie des Mordes und der Mißhandlung von Deutschen an 27. November: Der deutsche Prozeß beginnt in Augsburg 1951 15. Januar: Das westdeutsche Gericht verurteilt Use Koch zu lebenslänglicher Haft. Sie wird in das Frauengefängnis nach Aichach gebracht Während der folgenden Jahre beantragt der Rechtsanwalt Alfred Seidl immer wieder ihre Begnadigung oder Freilassung. Alle Gesuche werden abgewiesen 1967 2. September: Ilse Koch begeht in ihrer Zelle in Aichach Selbstmord

Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1: Berlin document Center Abb. 2: Berlin document Center Abb. 3: Berlin document Center Abb. 4 u. 5: Berlin document Center Abb. 6 u. 7: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 8 u. 9: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 10: Foto: dpa Abb. 11: 1 Kopie des Original-Plans aus den bayr. Staats-Archiven, entnommen aus W. Peller, Medical black Buchenwald, Ny. 1960 Abb. 12: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 13: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 14: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 15: Natiooal Archiv, Washington Still picture branch Abb. 16: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 17: oben National Archiv, Washington Still picture branch/ unten: Foto Richter Robert Kunzig Abb. 18: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 19: Foto: Richter Robert Kunzig Abb. 20: Foto: Richter Robert Kunzig Abb. 21: Foto: UPI Abb. 22: Foto: Associated Press Photo Abb. 23: Foto: dpa Abb. 24: Foto: dpa Abb. 25: Foto: dpa Abb. 26: Foto: UPI Abb. 27: Quelle unbekannt

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23. Oktober: Die ostdeutsche Regierung fordert noch einmal, daß Dse Koch in Gewahrsam genommen wird 1950 5. Februar: Ilse Koch wird zur Untersuchung in ein Krankenhaus geschickt 12. März: Zur Beobachtung in eine psychiatrische Klinik 26. Mai: Der bayrische Staatsgerichtshof klagt sie des Mordes und der Mißhandlung von Deutschen an 27. November: Der deutsche Prozeß beginnt in Augsburg 1951 15. Januar: Das westdeutsche Gericht verurteilt Use Koch zu lebenslänglicher Haft. Sie wird in das Frauengefängnis nach Aichach gebracht Während der folgenden Jahre beantragt der Rechtsanwalt Alfred Seidl immer wieder ihre Begnadigung oder Freilassung. Alle Gesuche werden abgewiesen 1967 2. September: Ilse Koch begeht in ihrer Zelle in Aichach Selbstmord

Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1: Berlin document Center Abb. 2: Berlin document Center Abb. 3: Berlin document Center Abb. 4 u. 5: Berlin document Center Abb. 6 u. 7: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 8 u. 9: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 10: Foto: dpa Abb. 11: 1 Kopie des Original-Plans aus den bayr. Staats-Archiven, entnommen aus W. Peller, Medical black Buchenwald, Ny. 1960 Abb. 12: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 13: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 14: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 15: Natiooal Archiv, Washington Still picture branch Abb. 16: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 17: oben National Archiv, Washington Still picture branch/ unten: Foto Richter Robert Kunzig Abb. 18: National Archiv, Washington Still picture branch Abb. 19: Foto: Richter Robert Kunzig Abb. 20: Foto: Richter Robert Kunzig Abb. 21: Foto: UPI Abb. 22: Foto: Associated Press Photo Abb. 23: Foto: dpa Abb. 24: Foto: dpa Abb. 25: Foto: dpa Abb. 26: Foto: UPI Abb. 27: Quelle unbekannt

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Thomas Hofmann/Hanno Loewy/Harry Stein (Hg.)

POGROMNACHT UND HOLOCAUST Frankfurt, Weimar, Buchenwald ... Die schwierige Erinnerung an die Stationen der Vernichtung 1993.192 S. 6 Abb. Br. ISBN 3-412-03293-X

Es braucht kaum betont zu werden, daß die beiden Städte Frankfurt und Weimar in der deutschen Kulturgeschichte viel miteinander verbindet. Doch daß 1938 mehr als 2600 jüdische Frankfurter nach Buchenwald deportiert wurden, ist in beiden Städten kaum bekannt. Was lag näher, als gemeinsam an dieses Stück Weg "Deutscher Kultur" zu erinnern. Doch die Erinnerung an dieses Ereignis ist widersprüchlich, und das nicht nur, weil es darum geht, zwischen Deutschland-West und Deutschland-Ost wieder zu einer gemeinsamen Sprache zu finden. Allzu lange blieb das Erinnern in Deutschland-West die selbstgestellte Aufgabe einer moralischen Minderheit. Erst allmählich wurde das Tabu, das über dieser Zeit lag, aufgebrochen. Und erst heute stellt auch "der Westen" fest, daß selbst das moralische Engagement gegen das Vergessen, daß auch der kritische Versuch, andere, bessere Identifikationen im Widerstand oder in den jüdischen Opfern aufzusuchen, vielfach auf einem Auge blind war. Auf der anderen Seite liegt auf der Hand, daß in vierzig Jahren DDR wenig dafür getan wurde, die antisemitische Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus ins Zentrum des Interesses zu rücken, obwohl doch gerade der Kampf gegen den "Faschismus" zur Grundlage der Legitimation des neuen Staates wurde. Inhalt: Gert Mattenklott: Von Weimar nach Buchenwald. Die Juden auf dem deutschen Sonderweg; Ephraim Wagner: "Jeder Tag danach ein Geschenk". Erfahrungen und Gedanken eines nach Buchenwald deportierten jüdischen Frankfurters; Ulrich Herbert: Von der "Reichskristallnacht" zum Holocaust. Der 9. November und das Ende des "Radauantisemitismus"; Dieter Schiefelbein: "Reichskristallnacht" in Frankfurt. Ereignisse, Erinnerungen, Gedenken; Harry Stein: Juden in Buchenwald 1937-1942; Olaf Groehler: Erinnerungen an die "Reichskristallnacht" in der SBZ und in der DDR.

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Gideon Greif

Wir weinten tränenlos... Augenzeugenberichte der jüdischen Sonderkommandos in Auschwitz 1994. LI, 307 S. Zahlr. Abb. Br. ISBN 3-412-03794-X An der Rampe von Auschwitz-Birkenau wurden sie selektiert und von der deutschen Lagerleitung zu menschenunwürdigen Diensten bei der Vernichtung ihres eigenen Volkes gezwungen: die jüdischen Sonderkommandos. Sie sind Augenzeugen geworden, wie Hunderttausende europäischer Juden in die Gaskammern geführt wurden, und mußten helfen, ihre sterblichen Überreste in den Krematorien zu beseitigen. Niemand sollte von dem entsetzlichen Geschehen erfahren, und so wurden auch große Teile der Sonderkommando-Arbeiter in regelmäßigen Abständen hingerichtet. Nur wenige haben überlebt. Der Autor hat einige von ihnen, die nach 1945 in Israel eine neue Heimat gefunden haben, interviewt und zu schmerzhafter, aber auch befreiender Erinnerungsarbeit veranlaßt. Einer der Männer drückt es so aus: „Vierzig Jahre lang habe ich kein Wort sagen können, erst jetzt und heute war es mir möglich, über das Krematorium zu sprechen." Das Buch enthält neben einer historischen Einführung sechs der Interviews im vollen Wortlaut. Damit wird es - auch und gerade für deutsche Leser - zu einem wichtigen zeitgeschichtlichen Dokument wider das Vergessen und gegen die Auschwitzlüge.

Rolf Steininger (Hrsg.)

Der Umgang mit dem Holocaust Europa-USA-Israel 1994. 498 S. 9 Abb. Br. ISBN 3-205-98311-4 27 Autoren aus sieben Ländern untersuchen in diesem Band, wie man in Deutschland, Österreich, Polen, Ungarn, der Tschecheslowakei, in Italien und Frankreich, in den USA, in Israel und den arabischen Staaten nach 1945 mit dem Thema "Holocaust" umgegangen ist und noch damit umgeht.

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