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German Pages 303 Year 2005
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 328
Die gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht Von Jochen Höger
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
JOCHEN HÖGER
Die gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 328
Die gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht
Von Jochen Höger
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2004 / 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-11796-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2004/2005 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Januar 2005 berücksichtigt. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Rainer Frank, der mich bei der Ausarbeitung der Dissertation durch wertvolle Gespräche und Hinweise unterstützt hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Gerhard Hohloch, der das Zweitgutachten in Anbetracht der Aktualität des Themas innerhalb kürzester Frist erstellt hat. Ein herzlicher Dank gebührt Herrn RA beim BGH Prof. Dr. Achim Krämer, der mich im Verlauf des Promotionsverfahrens – nicht nur durch die Ermöglichung einer Teilzeitbeschäftigung – stets unterstützt hat. Sehr bedanken möchte ich mich bei Herrn RA Ingo Vollgraf für die kritische Durchsicht des Manuskripts und eine Vielzahl an fruchtbaren Gesprächen, die den Fortgang der Arbeit durchweg positiv beeinflussten. Für das Korrekturlesen des Manuskripts bedanke ich mich bei Frau Jutta Nürnberg. Gedankt sei schließlich auch meinen Eltern sowie all denen, die mir durch ihre Freundschaft über manche Schaffenskrise hinweggeholfen haben, allen voran Herr Oliver Nürnberg. Karlsruhe, im März 2005
Jochen Höger
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Grundlagen und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ehe und Unterhaltsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ehe als Lebensgemeinschaft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten aa) Wesenselemente der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Generalklausel des Eherechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ehebedingte Unterhaltsansprüche nach gegenwärtiger Rechtslage . . . . . aa) Familienunterhalt, § 1360 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterhalt bei Getrenntleben, § 1361 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verhältnis zu § 1360 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zur Berechnung des Anspruchs aus § 1361 BGB . . . . . . . . . . . . cc) Nachehelicher Unterhalt, §§ 1569 ff BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die nacheheliche Solidarität als Legitimation des nachehelichen Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes, § 1570 BGB . . . . . . . (3) Unterhalt wegen Alters, § 1571 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen, § 1572 BGB . . . . (5) Unterhalt bis zur Erlangung angemessener Erwerbstätigkeit, § 1573 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Aufstockungsunterhalt, § 1573 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Ausbildungsunterhalt, § 1575 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Unterhalt aus Billigkeitsgründen, § 1576 BGB . . . . . . . . . . . . . . (9) Zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . (10) Das System der Einsatzzeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exkurs: Weitere vermögensrechtliche Folgen bei Scheitern der Ehe . . . 2. Das Erfordernis ehevertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . a) Das Ehemodell des Gesetzes und die tatsächliche Ausgestaltung des ehelichen Lebens in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 1408 BGB und die grundsätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Ehevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Ehevertrag im engeren gesetzlichen und im erweiterten Sinne bb) Typische ehemodellbezogene Gestaltungsformen aus der Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insbesondere: § 1585 c BGB und die Gestaltungsmöglichkeiten bei Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Problemaufriss: Das Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und gerichtlicher Vertragskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I.
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Inhaltsverzeichnis
II. Die Entwicklung der Gesetzgebung im Bereich ehelicher und nachehelicher Unterhaltsansprüche seit Inkrafttreten des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entwicklung der Rechtslage im Bereich ehebedingter Unterhaltsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) BGB 1896 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft, § 1360 BGB 1896 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterhalt bei Getrenntleben, §§ 1361, 1360 BGB 1896 . . . . . . . . . . cc) Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, §§ 1578 ff BGB 1896 . . . . (1) Anspruchsvoraussetzungen – Das strenge Verschuldensprinzip . (2) Die Gesetzesintention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ehegesetz 1938 und Ehegesetz 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft und bei Getrenntleben, §§ 1360, 1361 BGB 1896 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, §§ 66 ff EheG 1938 . . . . . . c) Gleichberechtigungsgesetz 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft, § 1360 BGB 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterhalt bei Getrenntleben, § 1361 BGB 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, §§ 58 ff EheG 1946 – Die Unvereinbarkeit des § 58 EheG 1946 mit Art. 3 Abs. 2 GG . . . . . . d) 1. EheRG 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft, § 1360 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterhalt bei Getrenntleben, § 1361 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, §§ 1569 ff BGB . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entwicklung der Rechtslage im Bereich der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich ehebedingter Unterhaltsansprüche . . . . . . . a) BGB 1896 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vereinbarungen zum Unterhalt während bestehender Ehe . . . . . . . . bb) Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ehegesetz 1938 und Ehegesetz 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Neuregelung in §§ 80 EheG 1938, 72 EheG 1946 und deren Gesetzesintention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarungen zur Geltendmachung von Scheidungsgründen . . . . c) Gleichberechtigungsgesetz 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) 1. EheRG 1976 und heutige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vereinbarungen zum Familienunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarungen zum Unterhalt bei Getrenntleben . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt, § 1585 c BGB . . . . . (1) Selbständige und unselbständige Unterhaltsvereinbarungen, Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 46 46 47 49 50 51 52 53 54 54 56 57 58 59 61 63 63 64 66 67 68 68 70 71 71 73 74 75 75 76 77 78
Inhaltsverzeichnis (2) Formerfordernis (nur) bei Zusammenhang mit anderen formbedürftigen Rechtsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Motive des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die klare Grenzziehung zwischen Unterhalt während bestehender Ehe und nach der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Gesetzesintention: Zäsurwirkung der Scheidung . . . . . . . . . . . . . bb) Verschiedene prozessuale Streitgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Formerfordernis bei Unterhaltsvereinbarungen nach § 1585 c BGB c) Eigenverantwortlichkeit und nacheheliche Solidarität in der Praxis – Kritik am System der Einsatzzeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Das Verhältnis von ehebedingten Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsvereinbarungen zu § 1615 l BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zwischen § 1570 BGB und § 1615 l BGB . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit des § 1614 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wertungswiderspruch zwischen §§ 1570, 1585 c BGB und §§ 1615 l, 1614 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Familienunterhalt . . . . . . 2. Die Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung zum Teilverzicht auf den nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB geschuldeten Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entwicklung der Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des 1. EheRG im Überblick . . . . b) Die Inhaltskontrolle anhand des § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sittenwidrigkeit wegen unzulässiger Drittbelastung . . . . . . . . . . . . . . bb) Sittenwidrigkeit wegen unangemessener Benachteiligung oder Ausnutzung einer Zwangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Argument der Eheschließungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zulässigkeit von Globalverzichtsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . cc) Sittenwidrigkeit wegen Beeinträchtigung der Kindesinteressen . . . . c) Die Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Treu und Glauben und der Verzicht auf den Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitere Anwendungsfälle des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Überprüfung von Freistellungsklauseln bezüglich des Kindesunterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis e) Zwischenergebnis: Weitgehende Vertragsfreiheit aufgrund Eheschließungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die kontroversen Auffassungen zu dieser Rechtsprechung im Schrifttum . . . a) Die Argumente der Befürworter der früheren Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die teilweise heftige Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 . . a) Die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen und Eheverträgen . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zurückdrängung des Arguments der Eheschließungsfreiheit . . . . . . c) Geltung dieser Grundsätze für alle ehevertraglichen Vereinbarungen . . d) Reaktionen auf diese Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stimmen aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachfolgende Entscheidungen aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Entscheidung des OLG München vom 01.10.2002 . . . . . . . (2) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Grundsätze der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen zwischen Privatautonomie der Ehegatten und gerichtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Spannungsfeld zwischen Privatautonomie und gerichtlicher Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vertragsfreiheit und deren Begrenzung durch die gerichtliche Inhaltskontrolle im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertragsfreiheit und Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zum Begriff der gerichtlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen in anderen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die gerichtliche Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die gerichtliche Inhaltskontrolle im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . cc) Die gerichtliche Inhaltskontrolle im Handelsvertreterrecht – Die Handelsvertreterentscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . dd) Die gerichtliche Inhaltskontrolle im Bürgschaftsrecht . . . . . . . . . . . . ee) Gemeinsame Kriterien dieser Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Privatautonomie im Eherecht – Besondere Interessenlagen und besonderer Schutz aus der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis: Zulässigkeit einer gerichtlichen Inhaltskontrolle auch im Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis a) Kontrolle anhand der allgemeinen Regeln unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes aus der Verfassung (Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) aa) § 134 BGB und Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht . . . . . . . . . . bb) § 138 Abs. 1 BGB und Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht . . . (1) Die Konkretisierung der „guten Sitten“ im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zur Konkretisierung des Begriffs der „guten Sitten“ im Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zur grundsätzlichen Vereinbarkeit des Verzichts auf nachehelichen Unterhalt mit § 138 Abs. 1 BGB und Art. 6 Abs. 1 GG (a) Unterhaltsverzicht und Kernbereich der Ehe . . . . . . . . . . . . . (b) Unterhaltsverzicht als unzulässiger Verstoß gegen den Grundsatz gleicher Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten? . . . cc) § 242 BGB und Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht . . . . . . . . . . (1) Zur Konkretisierung von „Treu und Glauben“ im Eherecht . . . (2) Anwendungsbereich und mögliche Rechtsfolgen des § 242 BGB dd) Zur Abgrenzung der Kontrollinstrumente des § 138 Abs. 1 BGB und des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB oder des § 242 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . (3) Die Ausübungskontrolle beim Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt – Ein dogmatischer Widerspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Durchführung der gerichtlichen Kontrolle in der Praxis . . . b) Der Zeitpunkt des Abschlusses der Unterhaltsvereinbarung . . . . . . . . . . . aa) Zur Zulässigkeit vorehelicher Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Bedeutung der Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses für die Anwendung der § 138 Abs. 1 BGB und § 242 BGB . . . . . . . . . c) Die Sonderstellung des § 1570 BGB im nachehelichen Unterhaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 1570 BGB als Anspruch des Kindes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Generelle Unverzichtbarkeit des Anspruchs aus § 1570 BGB? . . . . cc) Der Verzicht auf den Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB und §§ 138 Abs. 1, 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterschiedlicher Prüfungsmaßstab bei privatschriftlichen und notariell beurkundeten Vereinbarungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Strengere gerichtliche Kontrolle aufgrund sozial- und gesellschaftspolitischer Gesichtspunkte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung der ehevertraglichen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtfertigung der Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Kontrolle der Unterhaltsvereinbarung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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149 149 151 152 154 157 159 159 160 162 163 163 165 166 169 171 172 173 173 176 178 178 181 184 185 189 192 193 194
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Inhaltsverzeichnis cc) Unverzichtbarer Kernbereich der Scheidungsfolgen? . . . . . . . . . . . . . dd) Die möglichen Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit einzelner ehevertraglicher Abreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Der Vorrang der Einzelfallbeurteilung vor einer Schematisierung von Unwirksamkeitsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Exkurs: Die gerichtliche Genehmigung von Scheidungskonventionen nach schweizer Recht (Art. 140 ZGB) – Ein Modell für das deutsche Eherecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 140 ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Anwendungsbereich des Art. 140 ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Voraussetzungen und Rechtsfolgen der gerichtlichen Genehmigung nach Art. 140 ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit einer gerichtlichen Genehmigung auch im deutschen Eherecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Gegenargument der Rechtssicherheit und des Sinn und Zwecks des § 1585 c BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Gegenargument der Privatautonomie und der Systematik des Vertragsrechts des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine andere Beurteilung aufgrund § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB 3. Die gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im konkreten Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarungen über den Unterhalt während bestehender Ehe . . . . . . . . aa) Vereinbarungen über den Familienunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben . . . . . . . . . . . (1) § 134 BGB und die Grenze zur unzulässigen Teilverzichtsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die h. M. zur Grenze des unzulässigen Teilverzichts . . . . . . (b) Stellungnahme: Erforderlichkeit der Beachtung der engen Grenzen des § 1614 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nichtigkeit eines pactum de non petendo bezüglich des Unterhalts bei Getrenntleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) §§ 138 Abs. 1, 242 BGB und Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sittenwidrigkeit wegen unzulässiger Belastung Dritter . . . . . . . . (a) Sittenwidrigkeit wegen Belastung der Sozialhilfeträger . . . . (aa) Vorsorgende Unterhaltsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . (bb) Scheidungsbezogene Unterhaltsvereinbarungen . . . . . . (b) Sittenwidrigkeit wegen Belastung nachrangig unterhaltspflichtiger Verwandter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Sittenwidrigkeit wegen Belastung gemeinschaftlicher Kinder (aa) Differenzierung zwischen vorsorgenden und scheidungsbezogenen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis (bb) Rechtsfolgen beim sittenwidrigen Verzicht auf den Betreuungsunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zusammenfassung zur Nichtigkeit wegen sittenwidriger Drittbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sittenwidrigkeit wegen gestörter Vertragsparität . . . . . . . . . . . . . (a) Objektiv einseitige Benachteiligung eines Ehegatten . . . . . . (b) Die gestörte Vertragsparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Zum Begriff der gestörten Vertragsparität . . . . . . . . . . . (bb) Fälle der gestörten Vertragsparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Kausalität zwischen Vertragsdisparität und einseitiger Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit bei gestörter Vertragsparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Die Beweislast in Fällen gestörter Vertragsparität . . . . . . . . (f) Zusammenfassung zur Sittenwidrigkeit wegen gestörter Vertragsparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sittenwidrigkeit wegen Verzicht auf den „Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zur Kernbereichsdefinition über die Versorgungsinteressen (b) Ehevertragsfreiheit und objektiv einseitige Benachteiligung – Erfordernis weiterer sittenwidrigkeitsbegründender Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sittenwidrigkeit wegen des Inhalts der Unterhaltsvereinbarung (5) § 242 BGB und die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses . . bb) Die nach Vertragsschluss eintretenden Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Anwendungsbereich des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB . . . . . . . . . . . . (aa) Unterhaltsregelnde Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Unterhaltsverzichtsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB bei Vereinbarungen zum Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die Einrede des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens . . (bb) Ausübungskontrolle und Unterhaltsmaß . . . . . . . . . . . . . (c) Extension des Anwendungsbereichs der Ausübungskontrolle auf die übrigen Unterhaltstatbestände . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die Ausübungskontrolle zwischen dem Rechtssicherheitsbedürfnis und der Schutzbedürftigkeit der Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Zur Durchführung der Ausübungskontrolle im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Keine Wiedereinführung des überkommenen Verschuldensprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis c) Exkurs: Vereinbarungen über die Freistellung vom Kindesunterhalt . . . 278 d) Der Rat zur Dokumentation von Sachverhalt und Motiven der Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 e) Die Vorzüge der notariellen Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
V. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Einführung „Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung“ (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB). Bereits aus dieser Rechtsmaxime, die im Vierten Buch des BGB am Anfang der Regelungen der Wirkungen der Ehe im Allgemeinen steht1 und als Generalklausel des Eherechts bezeichnet wird, lässt sich eine Legitimation der durch die Ehe begründeten Unterhaltsansprüche ableiten, die in den nachfolgenden Vorschriften im Einzelnen geregelt sind. Das Institut der Ehe ist für die Ehegatten sowohl während des Bestehens der Ehe als auch nach deren Auflösung mit weitreichenden vermögensrechtlichen Konsequenzen verbunden, von denen insbesondere den Unterhaltsansprüchen eine praxisrelevante Bedeutung zukommt. Dies gilt vor allem für die nachehelichen Unterhaltsansprüche, da diese auch nach der Scheidung noch eine langjährige – in Ausnahmefällen sogar: lebenslange – Unterhaltsberechtigung begründen können. Die Vertragsfreiheit im Eherecht kann auf eine lange Tradition zurückblicken und ist im Grundsatz bereits seit Inkrafttreten des BGB anerkannt. Hinsichtlich der Dispositivität der ehebedingten Unterhaltsansprüche finden sich mit § 1614 BGB und § 1585 c BGB indes nur zwei spezialgesetzliche Regelungen, die zudem kaum gegensätzlicher sein könnten. Während § 1614 BGB den Verzicht auf Unterhalt während bestehender Ehe rigoros ausschließt, lässt § 1585 c BGB privatautonome Vereinbarungen jeglicher Art bis hin zum entschädigungslosen Verzicht zu. Bezüglich solcher Verzichtsvereinbarungen hatte sich in der Vergangenheit eine ständige Rechtsprechung des BGH herausgebildet, welche den Vorrang der Privatautonomie der Ehegatten betonte und sich einer nachträglichen gerichtlichen Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen weitgehend verschloss. Für große Aufmerksamkeit – nicht nur in der juristischen Fachwelt, sondern auch in der Öffentlichkeit – sorgte daher eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.02.20012, die die Gerichte unmissverständlich zur Beachtung der zivilrechtlichen Generalklauseln (auch) im Ehevertragsrecht ermahnte. Dieses mitunter gar als „sensationell“3 bezeichnete Urteil zog eine Flut von Veröffentlichungen nach sich, die sich mit dem künftig maßgeblichen Gehalt der Ehevertragsfreiheit befassten. 1 Der letzte Halbsatz des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB wurde allerdings erst mit dem Eheschließungsrechtsgesetz vom 04.05.1998 (BGBl. 1998 I, 833) eingefügt. 2 BVerfGE 103, 89 ff. 3 So Dauner-Lieb/Sanders, FF 2003, 117.
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Einführung
Mit der vorliegenden Arbeit sollen in erster Linie Umfang und Grenzen einer gerichtlichen Kontrolle privatautonomer Vereinbarungen zu den ehebedingten Unterhaltsansprüchen Familienunterhalt, Unterhalt bei Getrenntleben und nachehelicher Unterhalt untersucht werden. Hiermit wird zwar – zumindest hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts – kein juristisches Neuland betreten. Gerade die vorstehend genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, der am 11.02.2004 auch ein viel beachtetes Grundsatzurteil des BGH4 nachfolgte, rechtfertigt aber eine aktuelle Analyse des Status Quo der Ehevertragsfreiheit im Bereich des Unterhaltsrechts. Zudem existiert, soweit ersichtlich, noch keine wissenschaftliche Arbeit, die in diesem Zusammenhang auch Vereinbarungen zum Unterhalt während bestehender Ehe eingehend berücksichtigt. Obwohl der Schwerpunkt der Untersuchung bei den ehebedingten Unterhaltsansprüchen liegt, werden in den einzelnen Abschnitten Problemfelder bearbeitet, bei denen auch Erkenntnisse zur Ehevertragsfreiheit im Allgemeinen gewonnen werden. Nach einem kurzen Überblick über die ehebedingten Unterhaltsprüche nach der derzeitigen Rechtslage (Abschnitt I.) soll zunächst die historische Entwicklung der Gesetzgebung im Bereich ehelicher und nachehelicher Unterhaltsansprüche sowie der diesbezüglichen vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten seit Inkrafttreten des BGB dargestellt werden (Abschnitt II.). Hieran anschließend folgt eine Skizzierung der Entwicklung der Rechtsprechung zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht (Abschnitt III.). Vor diesem Hintergrund, bei dem auch die Motive des Gesetzgebers beleuchtet werden, sollen schließlich Umfang und Grenzen einer gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen unter Berücksichtigung der neuesten höchstrichterlichen Rechtsprechung näher ausgelotet werden (Abschnitt IV.). Neben den dogmatischen Grundlagen sollen insbesondere auch die Kriterien, anhand derer eine solche Kontrolle in der Praxis durchzuführen ist, herausgearbeitet werden.
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NJW 2004, 930 ff = BGHZ 158, 81 ff.
I. Grundlagen und Problemaufriss Um das Problembewusstsein hinsichtlich des Gegenstands dieser Arbeit zu entwickeln, wird einführend ein kurzer Überblick über die aus der Ehe resultierenden gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Ehegatten sowie über die Möglichkeiten der vertraglichen Ausgestaltung oder Abbedingung dieser Ansprüche gegeben.
1. Ehe und Unterhaltsansprüche a) Die Ehe als Lebensgemeinschaft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten Das Verständnis der Ehe hat sich im Laufe der zurückliegenden Jahrhunderte stark gewandelt. Im Mittelalter war zunächst die Auffassung der damals mächtigen Kirche vorherrschend, welche die Ehe als eine Institution göttlichen Rechts verstand und sich aus diesem Grund die alleinige Zuständigkeit für Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit in diesem Bereich zusprach1. Daneben wurde die Ehe auch als eine Institution des Naturrechts angesehen2. Die Aufklärung und der Zuwachs staatlicher Macht gegenüber der Kirche brachten neue Entwicklungen auf den Weg. Der Staat begründete eine eigene Gesetzgebungskompetenz für den gesamten Bereich des Eherechts3; die Aufklärung brachte ein vertragsrechtliches Eheverständnis hervor4, nach welchem der (Ehe-)Konsens von Frau und Mann Entstehungsvoraussetzung und entscheidendes Wesensmerkmal der Ehe ist. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich das personale Eheverständnis, wonach das Wesen der Ehe in erster Linie durch das geistig-emotionale Verhältnis der Ehegatten zueinander bestimmt ist5. Zur Zeit der Restauration des 19. Jahrhunderts wurde die Ehe – nach der Rechtsphilosophie Hegels – als ein sittliches Verhältnis verstanden, das zwar von der persönlichen Beziehung der Ehegatten 1
Schwab, Familienrecht, Rn. 21; Hohloch, Familienrecht, Rn. 21. Vgl. hierzu und ausführlich zur Entwicklung der verschiedenen Eheverständnisse seit dem Hochmittelalter: Schwab, in: Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, 219 ff. 3 Barabas/Erler, Die Familie, S. 31 ff; Schwab, Familienrecht, Rn. 22. 4 Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Metaphysik der Sitten, Erster Teil, S. 93 ff; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, Rn. 16 ff; Barabas/Erler, Die Familie, S. 31 ff. 5 Schwab, Familienrecht, Rn. 26. 2
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I. Grundlagen und Problemaufriss
geprägt ist, bei dem aber die Wahrung der Sittlichkeit durch staatliche Gesetzgebung zu erfolgen hat6. Jüngeren Datums sind die interindividuellen Ehelehren, welche die Ehe als ein interindividuelles Gemeinschaftsverhältnis, als weitgehend offenen Rahmen charakterisieren, in dem sich die privaten Erwartungen der Ehegatten realisieren sollen7. In eine ähnliche Richtung tendiert die Lehre von der Ehe als rechtlich geregelter sozialer Verhaltensform, die dem Anspruch des Einzelnen auf soziale Verhaltensmuster in einem zentralen und für alle bedeutsamen Lebensbereich Genüge tun soll8. aa) Wesenselemente der Ehe Diese verschiedenen Eheverständnisse sind insoweit konform, als eine Ehe nur zwischen einer Frau und einem Mann bestehen kann, die Ehe durch eine gemeinsame Entschließung von Frau und Mann9 zustande kommt und grundsätzlich auf Lebenszeit geschlossen wird. Diese Maximen sind auch für das heutige Verständnis der Ehe noch maßgebend, wie das Bundesverfassungsgericht jüngst nochmals bestätigt hat10. Das geltende Recht gibt indes keine Definition der Ehe, sondern setzt sie als besondere Lebensform menschlichen Zusammenlebens voraus11; es enthält auch keine ausdrücklichen Bestimmungen über deren Sinn und Zweck12. Dies hat seinen Grund in der religiösen und weltanschaulichen Neutralität der Bundes6
Schwab, in: Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, 219, 225 f. Vgl. hierzu die Nachweise bei: Gernhuber, FamRZ 1979, 193, 195 f. 8 Gernhuber, FamRZ 1979, 193, 196; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1353, Rn. 2. 9 Nach germanischem Recht wurden Ehen dagegen noch zwischen Familien ausgehandelt, wobei es auf den Willen der Brautleute nicht ankam. Erst die Kirche setzte das Konsensprinzip („consensus facit nupitias“) durch, nach dem das Einverständnis beider Eheleute zur Eheschließung entscheidend ist; vgl. Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, Rn. 7. 10 BVerfGE 105, 313, 345: „Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des Staates (. . .).“ 11 BVerfGE 105, 313, 345. 12 Anders beispielsweise das Familiengesetzbuch der DDR vom 20.12.1965 (GBl. 1966 I, 1), welches in § 5 Wesen und Zweck der Ehe detailliert umschrieb: § 5 Abs. 1: „Mit der Eheschließung begründen Mann und Frau eine für das Leben geschlossene Gemeinschaft, die auf gegenseitiger Liebe, Achtung und Treue, auf Verständnis und Vertrauen und uneigennütziger Hilfe füreinander beruht.“ § 5 Abs. 2: „Aus der Ehe soll eine Familie erwachsen, die ihre Erfüllung im gemeinsamen Zusammenleben, in der Erziehung der Kinder und in der gemeinsamen Entwicklung der Eltern und Kinder zu charakterfesten, allseitig gebildeten Persönlichkeiten findet (. . .).“ 7
1. Ehe und Unterhaltsansprüche
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republik Deutschland als einem modernen Verfassungsstaat13. Der Gesetzgeber gibt daher keine konkreten, an ein bestimmtes Leitbild der Ehe angelehnte Vorgaben zur Begründung oder Ausgestaltung der Ehe. Allerdings kommen seine inhaltlichen Vorstellungen von der Ehe, die an die im vorherigen Absatz genannten Grundsätze anknüpfen, im Eherecht des BGB14, welches einen gesetzlichen Rahmen vorgibt, zum Ausdruck. Nach § 1310 Abs. 1 S. 1 BGB kann die Ehe nur durch gemeinsame Erklärung beider Teile geschlossen werden; eine zwangsweise Durchsetzung der Eheschließung kommt nach dem Gesetz nicht in Betracht (vgl. §§ 1297 Abs. 1 BGB, 888 Abs. 3 ZPO). Die Ehe kann nur zwischen einer Frau und einem Mann geschlossen werden. Dies gilt auch nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) vom 16.02.200115. Wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe hat der Gesetzgeber davon abgesehen, auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Ehe zu bezeichnen und sie insgesamt nach den Regeln des Eherechts zu behandeln. Nur so konnte die Verfassungswidrigkeit des LPartG vermieden werden16. Jedoch wurden wesentliche Elemente des Eherechts im LPartG durch wortgleiche Regelungen oder Verweisungen ins Eherecht kopiert, sodass im Schrifttum von einer so genannten „QuasiEhe“17 die Rede ist18. Die Ehe wird nach § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB auf Lebenszeit geschlossen. Das Gesetz geht nach wie vor von der grundsätzlichen Unauflöslichkeit der Ehe aus19. Freilich erfährt diese Regelung in der Praxis durch die §§ 1564 ff BGB erhebliche Einschränkungen20. Die Voraussetzungen der Auflösung der Ehe durch Scheidung wurden seit Inkrafttreten des BGB insbesondere durch die Einführung der Zerrüttungsvermutungen in § 1566 BGB deutlich erleichtert21. 13
Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 11. Seit der 1998 erfolgten (Re-)Integration des EheG durch das EheSchlRG wird das Eherecht wieder einheitlich im BGB geregelt; vgl. hierzu ausführlich: Bosch, NJW 1998, 2004 ff. 15 BGBl. 2001 I, 266. 16 Das BVerfG hat die Normenkontrollanträge verschiedener Bundesländer gegen das LPartG mit Urteil vom 17.07.2002 zurückgewiesen; vgl. BVerfGE 105, 313 ff. Begründet wurde diese Entscheidung unter anderem damit, dass Regelungsgegenstand des LPartG gerade nicht die Ehe sei; vgl. BVerfGE 105, 313, 345. 17 Brudermüller, in: Palandt, BGB, 64. Aufl., Einl. LPartG, Rn. 3. 18 Vgl. zum LPartG, auch zur Gesetzgebungsgeschichte, die Darstellung bei: Rauscher, Familienrecht, Rn. 746 ff m. w. N. 19 BVerfGE 31, 58, 82 f. 20 So wurden allein im Jahr 2000 insgesamt 194.408 Ehe geschieden – dem stehen 418.550 im gleichen Jahr erfolgte Eheschließungen gegenüber; vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2002, 3.34, S. 75 und 3.25, S. 69. 21 Deshalb von „einem in der Regel mit einjähriger, längstens aber mit dreijähriger Frist kündbaren Dauerschuldverhältnis“ (Brandt, MittBayNot 2004, 221, 226) zu sprechen, erscheint indes kaum angebracht. 14
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I. Grundlagen und Problemaufriss
bb) Die Generalklausel des Eherechts § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB, der die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft normiert, wird zu Recht als Generalklausel des Eherechts bezeichnet22. Aus dieser ergibt sich, dass die Ehe eine Lebensgemeinschaft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten ist, ohne dass selbige in den folgenden Vorschriften konkret ausformuliert werden müssten. Bereits in der Gesetzesbegründung zum 1. EheRG23 heißt es hierzu treffend: „Alle weiteren Wesensmerkmale der ehelichen Lebensgemeinschaft ergeben sich aus dem in unserem Kulturkreis allgemein anerkannten Ehebild, wie es in der Rechtsprechung seinen Niederschlag gefunden hat. (. . .) In dem Begriff der ehelichen Lebensgemeinschaft kommt die Auffassung des Gesetzgebers von der Ehe als einer Partnerschaft gleichen Rechts und gleicher Pflichten mit besonderen Anforderungen auf gegenseitige Rücksichtnahme und Selbstdisziplin, auf Mitsprache und Mitentscheidung am besten zum Ausdruck.“24
Zu den von § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB umfassten gegenseitigen Rechten und Pflichten der Ehegatten zählen nach der Rechtsprechung beispielsweise das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft25 und in Geschlechtsgemeinschaft26, die Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen des anderen27, Beistand in persönlichen28 und vermögensrechtlichen29 Dingen oder die Auskunft über die wesentlichen (Vermögens-)Verhältnisse30. In diesem Zusammenhang ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich allein den Eheleuten obliegt31. Es können daher keine allgemeingültigen Verhaltens- oder Pflichtenkataloge aufgestellt werden, zumal auch diese stets dem Wandel der gesellschaftlichen Wertvorstellungen der Allgemeinheit unterworfen wären32.
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Hohloch, Familienrecht, Rn. 401; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 40. 1. Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.1976, BGBl. 1976 I, 1421. 24 BT-Drs. 7/4361, S. 7. 25 RGZ 53, 337, 340; Hohloch, Familienrecht, Rn. 404. 26 BGH NJW 1967, 1078, 1079. 27 BGH FamRZ 1970, 589, 590: Keine Bespitzelung des anderen Ehegatten; BGHZ 43, 324, 330 f: Pflicht zur Einstellung von Drogenmissbrauch; BGH NJW 1975, 62: Unterlassen nicht zwingend gebotener Notwehrhandlungen; BGH NJW 1988, 2032, 2033: Einwendung aus § 1353 Abs. 1 BGB gegen einen vom anderen Ehegatten geltend gemachten Zahlungsanspruch. 28 BGHSt 2, 150, 153 f: Rechtspflicht des Ehegatten, eine bestehende Lebensgefahr vom anderen Ehegatten abzuwenden. 29 BGH NJW 1983, 1545, 1546 und BGH NJW 1984, 2040, 2041: Pflicht, die finanziellen Lasten des anderen Ehegatten nach Möglichkeit zu minimieren. 30 BGH FamRZ 1978, 677, 678. 31 BVerfGE 105, 313, 345; Rauscher, Familienrecht, Rn. 235. 23
1. Ehe und Unterhaltsansprüche
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b) Ehebedingte Unterhaltsansprüche nach gegenwärtiger Rechtslage Aus der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur gegenseitigen Verantwortung (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) legitimieren sich letztlich auch die Unterhaltsansprüche während bestehender Ehe (§§ 1360, 1361 BGB) und nach der Ehe (§§ 1569 ff BGB), deren vertragliche Disponibilität einen Schwerpunkt dieser Arbeit bildet. Die im Eherecht normierten Unterhaltsansprüche sind Ausdruck der ehelichen Solidarität33. Für Unterhaltsansprüche während bestehender Ehe erscheint dies selbstverständlich. Diese Solidarität ist aber auch für die Zeit nach der (gescheiterten) Ehe von Gewicht. Denn die mit der Eheschließung begründete Verantwortung füreinander erlischt nicht ex nunc mit Rechtskraft der Scheidung. Gerade weil der gemeinsame Lebensplan (vgl. § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB) gescheitert ist, kann das Einstehen füreinander in Form einer fortwirkenden nachehelichen Solidarität besondere Bedeutung erlangen34. Das Gesetz35 unterscheidet zwischen Familienunterhalt (§ 1360 BGB), Unterhalt bei Getrenntleben (§ 1361 BGB) und dem Unterhalt des geschiedenen Ehegatten (§§ 1569 ff BGB). aa) Familienunterhalt, § 1360 BGB Nach § 1360 S. 1 BGB sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Die Unterhaltspflichten des Mannes und der Frau sind einander gleichgestellt; § 1360 S. 1 BGB begründet einen gegenseitigen Anspruch der Ehegatten36. Aus dem Wortlaut der Vorschrift („die Familie“) ergibt sich weiter, dass jeder Ehegatte aus eigenem Recht nicht nur seinen Unterhalt, sondern auch den Unterhalt für die gemeinsamen Kinder verlangen kann37. Anders als nach der sonstigen Konzeption des Unterhaltsrechts im BGB, bestimmt sich der Familienunterhalt 32 BVerfGE 105, 313, 345. Dies hat auch der Gesetzgeber des 1. EheRG so gesehen; vgl. den oben zitierten Auszug aus der Gesetzesbegründung in BT-Drs. 7/4361, S. 7. 33 Schwab, Familienrecht, Rn. 142. 34 Schwab, Familienrecht, Rn. 337; das Bundesverfassungsgericht bezeichnet dies im Zusammenhang mit nachehelichen Unterhaltsansprüchen als den „Grundsatz (. . .) der nachwirkenden Mitverantwortung“, vgl. BVerfGE 57, 361, 389. 35 Mit dem am 01.01.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl. 2001 I, 3138) wurden die Paragraphen des BGB nunmehr auch mit amtlichen Überschriften versehen. 36 BVerfGE 66, 84, 99; BVerfGE 57, 361, 380 f; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360, Rn. 11. 37 Rauscher, Familienrecht, Rn. 307; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 62. § 1360 BGB begründet aber keinen eigenen Unterhaltsanspruch des Kindes; ein solcher besteht nur nach §§ 1601 ff BGB.
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I. Grundlagen und Problemaufriss
nicht nach Bedürftigkeit des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, sondern nach dem Prinzip der Proportionalität38: Die Ehegatten haben nach den jeweiligen Verhältnissen ihres Vermögens und ihrer Arbeitskraft zum Familienunterhalt beizutragen und ihre verfügbaren Mittel auch in Mangelfällen gleichmäßig miteinander zu teilen. Daher kann auch kein Ehegatte unter Hinweis auf eigenen Bedarf Leistungen zum Familienunterhalt verweigern39. Der Umfang des Familienunterhalts und die Art der Unterhaltsgewährung werden in § 1360 a Abs. 1 und 2 BGB geregelt. Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Bei deren Bemessung kann auf die zu § 1578 BGB entwickelten Grundsätze als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden40. Zu den persönlichen Bedürfnissen im Sinne des § 1360 a Abs. 1 BGB zählt auch der Anspruch des haushaltsführenden – unter Umständen auch des hinzuverdienenden – Ehegatten auf ein angemessenes Taschengeld41. Der Anspruch auf Familienunterhalt kann sogar die Finanzierung der Ausbildung eines Ehegatten umfassen42. Die Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung bleibt den Ehegatten selbst überlassen, wobei nach § 1360 S. 2 BGB der haushaltsführende Ehegatte seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch die Führung des Haushalts erfüllt. Ist dies der Fall, so sind die unterschiedlichen Leistungen, welche die Ehegatten im gemeinsamen Unterhaltsverbund erbringen – Familienarbeit einerseits und Erwerbsarbeit andererseits – unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung gleichgewichtig und damit auch gleichwertig43. Trotz dieser Regelung kann sich aus § 1360 S. 1 BGB auch eine Pflicht des haushaltsführenden Ehegatten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ergeben, wenn die Einkünfte des anderen Ehegatten zur Unterhaltung der Familie nicht ausreichen44. Ist der 38
Rauscher, Familienrecht, Rn. 311. BVerfGE 66, 84, 99. 40 BGH NJW 1995, 1486; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1360 a, Rn. 1. 41 In der Rechtsprechung wird ein Taschengeld in Höhe von ca. 5 bis 7% des den Ehegatten insgesamt verfügbaren Nettoeinkommens als angemessen angesehen; vgl. BGH NJW 1998, 1553, 1554. Bei eigenen Einkünften ist ein zu diesem Betrag fehlender Rest vom anderen Ehegatten zu leisten; vgl. BGH NJW 1998, 1553, 1554. Die zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen zum Taschengeldanspruch wurden indes nicht durch Streitigkeiten der Ehegatten untereinander veranlasst, sondern dadurch, dass Gläubiger des nicht erwerbstätigen Ehegatten mangels anderweitigen Vermögens des Schuldners den Taschengeldanspruch zu pfänden versuchen. Dies ist grundsätzlich zulässig; vgl. BVerfG FamRZ 1986, 773. Ausführlich zum Taschengeldanspruch aus § 1360 BGB: Braun, AcP 195 (1995), 311 ff. 42 BGH NJW 1985, 803 f; BGH FamRZ 1981, 439, 440; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 21 I 12, S. 233; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360 a, Rn. 27; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1360 a, Rn. 8; a. A.: Heckelmann, in: Erman, BGB, § 1360 a, Rn. 4; ausnahmsweise bejahend: Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1360 a, Rn. 3. 43 BVerfG NJW 2002, 1185 f. 39
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haushaltsführende Ehegatte dagegen erwerbstätig, ohne nach § 1360 BGB hierzu verpflichtet zu sein, kann ihm dennoch obliegen, mit diesen Einkünften zum Familienunterhalt beizutragen45. In einer Doppelverdienerehe, in der beide Ehegatten voll erwerbstätig sind, ist die Haushaltsführung entsprechend der beruflichen Belastung aufzuteilen; der finanzielle Beitrag zum Familienunterhalt bestimmt sich dagegen entsprechend der Höhe der jeweiligen Nettoeinkünfte46. Danach kann der mehr verdienende Ehegatte auch zu einem größeren Beitrag zur Haushaltsführung verpflichtet sein, wenn seine Erwerbstätigkeit weniger Zeit in Anspruch nimmt als die des anderen Ehegatten. Eine Rückforderung von nach diesen Grundsätzen zuviel gezahltem Unterhalt ist nach § 1360 b BGB im Zweifel ausgeschlossen47. Der Unterhaltsanspruch aus § 1360 BGB entsteht mit der Eheschließung und setzt eine bestehende eheliche Lebensgemeinschaft voraus48. Wesentlicher Unterschied zum Unterhalt bei Getrenntleben und zum nachehelichen Unterhalt ist, dass der Familienunterhalt durch tatsächliches Bewirken (vgl. § 1360 S. 2 BGB), durch Naturalleistungen oder durch Bereitstellen von Geld geleistet wird49; ein Anspruch auf Barunterhalt besteht grundsätzlich nicht50.
44 Hohloch, Familienrecht, Rn. 418; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1360, Rn. 13; OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 1027. Weiter gehend: Rauscher, Familienrecht, Rn. 318, der mit dem nicht von der Hand zu weisenden Argument, dass in einer konsumorientierten Gesellschaft Partnerschaftlichkeit auch auf der Einnahmenseite und nicht nur auf der Ausgabenseite bestehen dürfe, eine Pflicht zum Hinzuverdienen bereits dann bejaht, wenn keine Kinder zu betreuen sind und der einverständlich gewählte (hohe) Lebenszuschnitt dies gebietet. 45 BGH FamRZ 1967, 380, 381; BGH NJW 1974, 1238 f. 46 Rauscher, Familienrecht, Rn. 311. 47 Allerdings können beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft überproportional hohe Unterhaltsleistungen ausnahmsweise als Vorausempfänge nach § 1380 BGB zu werten sein, die beim Zugewinnausgleich anzurechnen sind; vgl. BGH NJW 1983, 1113, 1114. 48 Das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft ist dagegen nicht zwingende Voraussetzung des § 1360 S. 1 BGB; so zutreffend: Rauscher, Familienrecht, Rn. 308. Denn ein Getrenntleben im Sinne des § 1361 BGB ist erst bei einer häuslichen Trennung aufgrund der Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft anzunehmen. Daher steht das einverständliche Führen getrennter Haushalte der Bejahung einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht entgegen; § 1360 BGB bleibt auch in diesem Fall anwendbar. A. A. wohl: Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360, Rn. 12. 49 Nach § 1360 a Abs. 2 S. 2 BGB hat der verdienende Ehegatte das Wirtschaftsgeld für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen; dieser Anspruch kann auch gerichtlich geltend gemacht werden. 50 BGH NJW 1995, 1486. Allerdings kann ein solcher Anspruch ausnahmsweise dann bestehen, wenn die Ehegatten (nur) berufsbedingt getrennt sind und nicht im Sinne von § 1361 BGB getrennt leben; vgl. Rauscher, Familienrecht, Rn. 320.
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I. Grundlagen und Problemaufriss
bb) Unterhalt bei Getrenntleben, § 1361 BGB Leben die Ehegatten getrennt, so kann ein Ehegatte vom anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen (§ 1361 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine Legaldefinition des Begriffs Getrenntleben enthält § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB. Danach leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Nach h. M. ist diese gesetzliche Definition trotz ihrer systematischen Stellung im BGB nicht auf das Scheidungsrecht begrenzt und kann auch im Rahmen des § 1361 BGB herangezogen werden51. Gemäß § 1567 Abs. 1 S. 2 können die Ehegatten auch innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben52. (1) Verhältnis zu § 1360 BGB Im Gegensatz zu § 1360 S. 1 BGB handelt es sich bei § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB um einen einseitigen Anspruch eines Ehegatten gegen den anderen. Doch auch § 1361 BGB ist ein rein ehelicher Unterhaltsanspruch. Allerdings ändert sich dessen inhaltliche Ausgestaltung aufgrund der Trennung: Da die eheliche Pflicht, zum Familienunterhalt nach § 1360 BGB beizutragen, ein gemeinsames Wirtschaften voraussetzt, welches bei einer Trennung aufgrund der Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft gerade nicht mehr gegeben und in dieser Lebenssituation auch nicht zumutbar ist, tritt an die Stelle des gegenseitigen Anspruchs aus § 1360 BGB ein einseitiger Unterhaltsanspruch des bedürftigen gegen den leistungsfähigen Ehegatten. Anders als bei § 1360 BGB kann mit § 1361 BGB nur der eigene Unterhaltsanspruch und nicht auch ein Unterhaltsanspruch der gemeinsamen Kinder verfolgt werden. Leben diese beim unterhaltsberechtigten Ehegatten, so kann er deren Ansprüche – soweit die Kinder noch minderjährig sind – nach §§ 1629 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, 1601 ff BGB als gesetzlicher Prozessstandschafter im eigenen Namen geltend machen. Der Anspruch aus § 1361 BGB besteht ab Beginn des Getrenntlebens bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils und ist durch monatlich im voraus zu zahlende Geldrente zu bewirken (§ 1361 Abs. 4 S. 1 und 2 BGB). Wie die übrigen ehebedingten Unterhaltstatbestände gilt auch § 1361 BGB unabhängig vom jeweiligen Güterstand.
51 Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1567, Rn. 1; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 66; a. A.: Wolf, in: MünchKomm, BGB, § 1567, Rn. 2. 52 Hierfür muss ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft objektiv erkennbar nicht herstellen wollen; vgl. BGH NJW 1978, 1810. Getrenntes Schlafen und Essen allein genügen nach BGH NJW 1979, 105 nicht.
1. Ehe und Unterhaltsansprüche
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(2) Zur Berechnung des Anspruchs aus § 1361 BGB Die konkrete Anspruchshöhe berechnet sich, ähnlich wie bei Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff BGB) oder Verwandtenunterhalt (§§ 1601 ff BGB), mittels eines dreistufigen Verfahrens (Bedarf – Bedürftigkeit – Leistungsfähigkeit)53. Zunächst ist der Unterhaltsbedarf des Berechtigten zu ermitteln. Maßgebend hierfür sind nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB die Lebensverhältnisse der Ehegatten, also der gemeinsame Lebensstandard, den die Ehegatten vor der Trennung erreicht hatten. Diesen soll der Unterhaltsberechtigte trotz der Trennung weitgehend beibehalten können. Hierbei ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es kommt daher regelmäßig entscheidend auf das verfügbare Nettoeinkommen während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft an; ein übermäßig hoher oder sparsamer Lebensstandard ist unterhaltsrechtlich irrelevant54. Die Höhe des Bedarfs wird in der Praxis in der Regel durch die hierzu entwickelten Leitlinien und Tabellen der Oberlandesgerichte ermittelt55. Ein Ehegatte ist bedürftig, wenn er seinen Unterhaltsbedarf nicht durch nach § 1361 Abs. 2 BGB zumutbare Arbeit oder Einkünfte aus seinem Vermögen decken kann. Nach der Gesetzesintention sollen während der Trennungszeit die Chancen auf eine Versöhnung und Erhaltung der Ehe gewahrt und die bestehenden Verhältnisse aus diesem Grund möglichst wenig verändert werden56. Daher kann nach § 1361 Abs. 2 BGB nur unter deutlich engeren Voraussetzungen eine Erwerbstätigkeit vom bisher nicht erwerbstätigen Ehegatten verlangt werden, als dies gemäß § 1574 BGB nach der Scheidung der Fall ist57. Insbesondere die Kindesbetreuung kann einer Erwerbsobliegenheit entgegenstehen. Beim Trennungsunterhalt gilt dies sowohl für gemeinsame als auch für nicht gemeinsame bisher im Haushalt der Ehegatten lebende Kinder, da hier (noch) der Schutz der bestehenden persönlichen Verhältnisse im Vordergrund steht58. Einkünfte aus 53 Das Berechnungsverfahren kann hier nur grob skizziert werden. Vgl. ausführlich hierzu: Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1361 BGB, Rn. 13 ff; Kalthoener/ Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 126 ff. 54 BGH FamRZ 1997, 281, 284; BGH FamRZ 1990, 283, 285. 55 Vgl. hierzu Brudermüller/Klattenhoff, Tabellen zum Familienrecht. Der Bedarf beträgt in der Regel 3/7 des während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens beider Ehegatten. Die Tabellen und Leitlinien der Oberlandesgerichte werden zudem auch zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit herangezogen. 56 BT-Drs. 7/650, S. 101; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1361, Rn. 1. Mit überzeugenden Argumenten kritisch zur Umsetzung dieser gesetzgeberischen Zielsetzung: Rauscher, Familienrecht, Rn. 328 und 333, wonach der Gesetzgeber übersehen habe, dass durch § 1361 BGB die Reziprozität der ehelichen Unterhaltspflicht zerbrochen werde. Nach § 1361 BGB sei der allein oder überwiegend durch Erwerbstätigkeit den Familienunterhalt Bestreitende weiter zur Leistung des Unterhalts in Geld verpflichtet, während der durch die Haushaltsführung zu leistende Beitrag des anderen vollständig wegfalle. Rauscher fordert daher eine flexiblere gesetzliche Regelung. 57 BGH NJW 1981, 978; OLG Stuttgart FamRZ 1993, 559, 560.
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I. Grundlagen und Problemaufriss
dem Vermögen sind vom Unterhaltsberechtigten zur Bedarfsdeckung einzusetzen; die Verwertung des Vermögensstamms kommt dagegen nur ausnahmsweise in Betracht59. Schließlich ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu ermitteln. Diese orientiert sich an den Einkünften aus der Erwerbstätigkeit, die er ausübt oder ausüben müsste und den Einkünften aus seinem Vermögen60. Verletzt der Unterhaltspflichtige seine Erwerbsobliegenheit, werden die erzielbaren Einkünfte dem tatsächlichen Einkommen hinzugerechnet (fiktives Einkommen). Der Unterhaltsanspruch besteht indes nicht stets in Höhe der Bedürftigkeit des Berechtigten. Reicht das verfügbare Nettoeinkommen nicht zur Abdeckung des Unterhaltsbedarfs beider Ehegatten und der Kinder aus, liegt ein Mangelfall vor. Die Leistungsfähigkeit ist in diesem Fall durch den Betrag begrenzt, den der Unterhaltspflichtige für den eigenen und den Unterhalt vorrangig Berechtigter benötigt61. Dem Unterhaltspflichtigen hat immer der so genannte notwendige Eigenbedarf zu verbleiben. Als Anreiz zur Weiterführung der Erwerbstätigkeit wird dem Verpflichteten zudem in der Regel ein Erwerbstätigenbonus eingeräumt62. Vereinfacht gesehen besteht der Unterhaltsanspruch demnach in Höhe der Bedürftigkeit, falls der Verpflichtete auch in dieser Höhe leistungsfähig ist, ansonsten nur in Höhe der Leistungsfähigkeit. Der Trennungsunterhalt ist grundsätzlich nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und unabhängig von einem etwaigen Trennungsverschulden zu ermitteln. Nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 bis 7 BGB kann der Unterhaltsanspruch allerdings bei grober Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen herabgesetzt oder gänzlich versagt werden. Auf den Familienunterhalt und den Unterhalt bei Getrenntleben kann nach §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360 a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB für die Zukunft nicht verzichtet werden63.
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Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1361, Rn. 16; BGH FamRZ 1981, 17. BGH NJW 1985, 907, 908; OLG Hamm FamRZ 1997, 1537, 1538; Kalthoener/ Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 507. 60 Auch hier kommt die Verwertung des Vermögensstamms nur ausnahmsweise und unter engeren Voraussetzungen als beim nachehelichen Unterhalt in Betracht; vgl. BGH FamRZ 1986, 556, 557; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 767. 61 Nach § 1609 Abs. 2 BGB ist der getrenntlebende Ehegatte mit den minderjährigen Kindern im Sinne des § 1603 Abs. 2 BGB gleichrangig berechtigt und geht anderen Kindern im Range vor. Eine vorrangige Berechtigung eines anderen kommt beispielsweise unter den Voraussetzungen des § 1582 BGB beim nachehelichen Unterhaltsanspruchs eines früheren Ehegatten in Betracht. 62 Die Einzelheiten hierzu sind umstritten, vgl. die Nachweise bei: Rauscher, Familienrecht, Rn. 334. Nach BGH FamRZ 1986, 556, 557 können auch im Rahmen des § 1361 BGB die Grundsätze des § 1581 BGB entsprechend angewandt werden, mit der Maßgabe, dass die während der Ehe (noch) bestehende größere Verantwortung der Ehegatten füreinander zu berücksichtigen ist. 59
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cc) Nachehelicher Unterhalt, §§ 1569 ff BGB Die Ansprüche auf Unterhalt nach der Scheidung sind in den §§ 1569 bis 1586b BGB detailliert geregelt. § 1569 BGB ist keine selbständige Anspruchsgrundlage, sondern gibt die dem nachehelichen Unterhaltsrecht zugrunde liegende Prämisse wieder, dass nur der Bedürftige unterhaltsberechtigt ist und stellt gleichzeitig klar, dass die in den §§ 1570 ff BGB enumerativ genannten Unterhaltstatbestände die nachehelichen Unterhaltsansprüche abschließend regeln. Das Gesetz nennt sieben Anspruchsgrundlagen: Den Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes (§ 1570 BGB), den Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB), den Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB), subsidiär zu §§ 1570–1572 BGB den Unterhalt bis zur Erlangung angemessener Erwerbstätigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB), den Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) sowie den Ausbildungsunterhalt (§ 1575 BGB) und – wiederum subsidiär – den Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB). Der Anspruch entsteht mit Rechtskraft des Scheidungsurteils. (1) Die nacheheliche Solidarität als Legitimation des nachehelichen Unterhalts Beim nachehelichen Unterhalt gilt, da das Band der Ehe nicht mehr besteht und die Ehegatten nach der Scheidung getrennte Wege gehen, zunächst der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung, wonach jeder für seinen Unterhalt selbst aufzukommen hat. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1569 BGB. Aufgrund des Grundsatzes der nachehelichen Solidarität können dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten aber Unterhaltsansprüche gegen den anderen Ehegatten nach den §§ 1570 ff BGB zustehen. Der Begriff der nachehelichen Solidarität64 findet sich indes nicht im Gesetz. Das nacheheliche Unterhaltsrecht setzt diese Solidarität vielmehr als innere Legitimation voraus65. Vertiefte Auseinandersetzungen hierzu finden sich nur vereinzelt66. In der Rechtsprechung wird die nacheheliche Solidarität zwar häufig erwähnt67, aber nicht näher definiert. Auch hier ist für eine detaillierte Untersuchung, die 63 Anders beim Unterhalt nach der Scheidung, hier herrscht nach § 1585 c BGB Vertragsfreiheit; vgl. unten unter I.2.c). 64 Kritisch zu diesem Begriff: Rauscher, Familienrecht, Rn. 557. 65 Vgl. hierzu BT-Drs. 7/650, S. 121: „Der Unterhaltsanspruch nach der Scheidung wird allgemein daraus hergeleitet, daß mit der Scheidung die Verantwortlichkeit der Ehegatten füreinander nicht schlechthin erlischt, sondern gewisse Nachwirkungen der Ehe bestehen bleiben.“ 66 Vgl. beispielsweise: Korenke, Nachehelicher Unterhalt, S. 16 ff, der den Begriff der nachehelichen Solidarität aber ablehnt und stattdessen eine so genannte „unterhaltsrechtliche Vertrauenshaftung“ als Legitimation des nachehelichen Unterhalts heranzieht. Eine Bestandsaufnahme zum Begriff der nachehelichen Solidarität findet sich bei: van Els, FamRZ 1992, 625 ff.
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I. Grundlagen und Problemaufriss
sicherlich Gegenstand einer eigenen Arbeit sein könnte, kein Raum. M. E. lässt sich der Grundsatz der nachehelichen Solidarität aus dem Prinzip der auf Lebenszeit geschlossenen Ehe und der hierdurch begründeten ehelichen Solidarität herleiten (vgl. § 1353 Abs. 1 BGB). Scheitert der gemeinsame Lebensplan der Ehegatten, ist es gerade deshalb, weil das Gesetz von der grundsätzlichen Unauflöslichkeit der Ehe ausgeht, gerechtfertigt, Rechtsfolgen an die Scheidung zu knüpfen, denen der Gedanke einer fortbestehenden nachehelichen Solidarität zugrunde liegt. Letztlich hat dieser Grundsatz auch eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 6 Abs. 1 GG68. (2) Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes, § 1570 BGB Der in der Praxis bedeutendste Unterhaltstatbestand ist der Anspruch wegen Betreuung eines Kindes. § 1570 BGB setzt ein gemeinschaftliches69 Kind sowie die Notwendigkeit dessen Betreuung durch den unterhaltsberechtigten Ehegatten voraus. Anders als beim Trennungsunterhalt begründet die Betreuung eines nicht gemeinschaftlichen Kindes also keinen Anspruch aus § 1570 BGB70, kann aber ausnahmsweise zu einem Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen nach §1576 BGB führen71. Eine Freistellung von der grundsätzlich bestehenden Erwerbsobliegenheit kommt nur solange und soweit in Betracht, als die Kindesbetreuung objektiv erforderlich ist. Wichtige Anhaltspunkte hierfür sind Anzahl und Alter der Kinder. Hierzu hat sich in der Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik entwickelt72. Neben dieser ist jedoch stets auch die konkrete Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen.
67 BGH FamRZ 1987, 459, 461: „(. . .) der Gedanke der nachehel. Solidarität, in dem das gesamte Recht des nachehelichen Unterhalts seine eigentliche Rechtfertigung findet (. . .).“ Vgl. auch: BVerfGE 57, 361, 389; BGH FamRZ 1982, 892, 893; BGH FamRZ 1980, 981, 983. 68 Brudermüller, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 1569, Rn. 5. 69 Gemeinschaftliche Kinder sind nach §§ 1591, 1592 Nr. 1 BGB während der Ehe geborene Kinder, es sei denn, das Nichtbestehen der Vaterschaft wurde rechtskräftig festgestellt, § 1599 Abs. 1 BGB. Gemeinschaftliche Kinder sind auch die, bei denen die Vaterschaft anerkannt (§§ 1591, 1592 Nr. 2 BGB) oder gerichtlich festgestellt (§§ 1591, 1592 Nr. 2 BGB) wurde oder die während der Ehe adoptiert wurden, § 1754 Abs. 1 BGB. Vgl. zur Abgrenzung zu § 1615 l BGB unten unter II.4.b). 70 Dies wurde vom Gesetzgeber trotz anderweitiger Stimmen aus dem Schrifttum ausdrücklich abgelehnt, da dem Unterhaltspflichtigen die Verantwortung für diese Person nicht dauerhaft aufgebürdet werden könne; vgl. BT-Drs. 7/650, S. 123. 71 BGH NJW 1984, 1538, 1540 f; BGH FamRZ 1983, 800, 801 f; dort im konkreten Fall allerdings verneint. 72 Vgl. hierzu die umfangreichen Nachweise bei: Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 402 bis 414. Auch die Leitlinien und Tabellen der Oberlandesgerichte berücksichtigen Anzahl und Alter der Kinder bei der Berechnung der Höhe des Unterhalts.
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Der Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB nimmt eine Sonderstellung ein, da er gegenüber den übrigen nachehelichen Unterhaltsansprüchen rechtlich privilegiert ist. Der Anspruch aus § 1570 BGB kann nach § 1586 a Abs. 1 und § 1577 Abs. 4 S. 2 BGB unter geringeren Voraussetzungen wieder aufleben als andere nacheheliche Unterhaltsansprüche. Er ist nach § 1582 Abs. 1 S. 2 BGB gegenüber Ansprüchen eines neuen Ehegatten vorrangig73. In §§ 1573 Abs. 5 S. 2, 1578 Abs. 1 S. 3, 1579 Nr. 1 BGB ist die Zeit der Kindesbetreuung der Ehedauer gleichgestellt; der Unterhaltsanspruch ist danach häufig nicht wegen nur kurzer Dauer der Ehe ausgeschlossen. Auch in der Rechtsprechung nimmt § 1570 BGB tendenziell eine Sonderstellung ein74. Diese Privilegierung hat ihren Grund im Interesse des Kindeswohls; dem Kind soll der Anspruch des ihn betreuenden Elternteils aus § 1570 BGB ebenfalls zugute kommen75. (3) Unterhalt wegen Alters, § 1571 BGB Ein Anspruch auf Unterhalt wegen Alters nach § 1571 BGB kann grundsätzlich bei Erreichen des Alters, das auch für das Beziehen der für den Unterhaltsberechtigten berufsspezifischen Regelaltersrente maßgebend ist, bejaht werden76. Bei flexiblen Altersgrenzen und den weiteren zahlreichen Möglichkeiten eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Berufsleben kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, da solchen Regelungen eher sozialpolitische oder betriebsspezifische Zielsetzungen zugrunde liegen, die auf die Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit nicht übertragen werden können77. Nach Sinn und Zweck des § 1571 BGB muss das Alter ursächlich für die Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit sein78. Dagegen muss die altersbedingte Erwerbsunfähigkeit nicht zugleich ehebedingt sein. § 1571 BGB greift auch dann ein, wenn die Ehe erst in fortgeschrittenem Alter geschlossen wurde79. Aus diesem Grund sieht sich die Regelung des § 1571 BGB zunehmend rechtspolitischer Kritik ausgesetzt80. 73 Diese Vorrangigkeit ist verfassungsgemäß und verstößt in Bezug auf die neue Ehe insbesondere nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 66, 84 ff. 74 Der Mann kann sich beispielsweise in der neuen Ehe nicht in jedem Fall auf die Position des Hausmanns zurückziehen (vgl. § 1356 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei einem Anspruch aus § 1570 BGB ist dem Verpflichteten eine Erwerbstätigkeit zur Herstellung seiner Leistungsfähigkeit in der Regel zuzumuten; vgl. BGH FamRZ 1987, 252, 254. 75 BVerfGE 57, 361, 382 f; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 193; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1570, Rn. 1. 76 BGH FamRZ 1999, 708, 709; BGH FamRZ 1993, 43, 44; demnach sind die Voraussetzungen des § 1571 BGB derzeit regelmäßig ab einem Alter von 65 Jahren zu bejahen. 77 BGH FamRZ 1999, 708, 709 f. 78 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1571, Rn. 1. 79 BGH NJW 1982, 929 f.
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(4) Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen, § 1572 BGB Auch beim Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB kommt es in erster Linie auf die Kausalität zwischen Krankheit und Erwerbsunfähigkeit an. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hängt der Anspruch dagegen nicht davon ab, ob die Krankheit ehebedingt ist, bereits während der Ehe aufgetreten ist oder vor der Ehe (unerkannt) bestanden hat81. Dieser Ansatzpunkt wird zwar seitens der Literatur zum Teil kritisiert82, ist aber unter Berücksichtigung des heutigen Verständnisses der Ehe als einer grundsätzlich auf Lebenszeit geschlossenen persönlich-emotionalen Vereinigung zweier Individuen und aufgrund des Gedankens der nachehelichen Solidarität konsequent. Denn hiernach steht jeweils die individuelle Bindung und nicht eine Bindung mit einer unter objektiven Gesichtspunkten durchschnittlich gesunden Person im Vordergrund. Demzufolge orientiert sich auch der Umfang der nachehelichen Solidarität an den individuellen Verhältnissen der Ehegatten83. (5) Unterhalt bis zur Erlangung angemessener Erwerbstätigkeit, § 1573 BGB Der Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB ist subsidiär zu den §§ 1570 bis 1572 BGB. Er besteht solange und soweit der bedürftige Ehegatte keine angemessene Erwerbstätigkeit finden kann. Die Angemessenheit bestimmt sich nach § 1574 Abs. 2 BGB. Problematisch sind danach regelmäßig die Fälle, in denen die ehelichen Lebensverhältnisse aufgrund der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten auf deutlich höherem Niveau lagen, als dies dem Ausbildungsniveau und der früheren Erwerbstätigkeit des jetzt bedürftigen Ehegatten entsprach. Hier kommt es auf eine Abwägung der konkreten Umstände des Falles an. Dabei gewinnen die ehelichen Lebensverhältnisse mit zunehmender Ehedauer ein höheres Gewicht. Einen deutlichen sozialen Abstieg soll der geschiedene Ehegatte jedenfalls nicht hinnehmen müssen84. Andererseits kann aber auch nicht von vornherein angenommen werden, eine angemessene Tätigkeit sei praktisch nicht zu finden85. Der Unterhaltsberechtigte muss sich um eine angemessene 80 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1571, Rn. 2; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1571, Rn. 1; Rauscher, Familienrecht, Rn. 569. 81 BGH NJW 1996, 2793, 2794; BGH NJW 1994, 1286 f. 82 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1572, Rn. 1; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1572, Rn. 3. 83 Ähnlich: Mayer, FPR 2004, 363, 368. 84 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 197; BVerfGE 57, 361, 389. BGH FamRZ 1988, 1145, 1146: Bei einer ehemals filialleiterähnlichen Stellung ist eine Beschäftigung als bloße Angestellte nicht zumutbar; BGH NJW-RR 1992, 1282: Tätigkeit als einfache Verkaufshilfe ist bei gehobenen ehelichen Lebensverhältnissen unzumutbar. 85 BGH NJW-RR 1993, 898, 899.
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Erwerbstätigkeit tatsächlich bemühen, wofür ihn im Prozess die Darlegungsund Beweislast trifft86. Gegebenenfalls ist er auch verpflichtet, sich weiterzubilden (§ 1574 Abs. 3 BGB). Bei späterem Wegfall einer nicht nachhaltig gesicherten Erwerbstätigkeit kann ein Anspruch aus § 1573 Abs. 4 BGB gegeben sein87. Nach § 1573 Abs. 5 BGB kann der Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen zeitlich begrenzt werden, was beispielsweise bei dauerhafter, strukturell bedingter Arbeitslosigkeit in Betracht kommt88. Diese Ausnahmeregelung gilt nur für Ansprüche aus § 1573 BGB und ist nicht auf andere nacheheliche Unterhaltsansprüche übertragbar89. (6) Aufstockungsunterhalt, § 1573 Abs. 2 BGB Geht ein geschiedener Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nach und reichen die hierbei erzielten Einkünfte nicht zur vollen Bedarfsdeckung aus, welche sich nach § 1578 BGB an den ehelichen Lebensverhältnissen orientiert, kann er nach § 1573 Abs. 2 BGB den Differenzbetrag vom Unterhaltspflichtigen verlangen. Diese Vorschrift bezweckt die Aufrechterhaltung des ehelichen Lebensstandards auch nach der Scheidung. Nach § 1573 Abs. 2 BGB besteht ein Unterhaltsanspruch also auch bei einer Doppelverdienerehe mit Einkommensgefälle. Diese faktische „Lebensstandardgarantie“ ist seitens des Schrifttums immer wieder als unangemessen weit gehend kritisiert worden90. Sie ist indes die logische Konsequenz aus dem Prinzip des § 1578 BGB, wonach der Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen ist. Daher ist, hält man den Aufstockungsunterhalt für unangemessen, nicht § 1573 Abs. 2 BGB, sondern § 1578 BGB zu kritisieren91. Das Bundesverfassungsgericht hat die Ver86 Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1573, Rn. 40; BGH NJW-RR 1993, 898, 899; BGH NJW 1987, 898, 899. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Angemessenheit oder Unangemessenheit muss derjenige beweisen, der sich darauf beruft; vgl. Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1574, Rn. 7. 87 Nachhaltig gesichert im Sinne des § 1573 Abs. 4 BGB ist der Unterhalt dann, wenn ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis begründet wurde. Der spätere – auch unverschuldete – Verlust dieser Erwerbsstelle lässt den Unterhaltsanspruch nicht wieder aufleben. 88 Brudermüller, FamRZ 1998, 649, 656; vgl. ausführlich zur zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs: Brudermüller, FamRZ 1998, 649 ff. 89 BGH NJW 1995, 1891, 1893. 90 Dieckmann, FamRZ 1977, 81, 86; Rauscher, Familienrecht, Rn. 577; Verschraegen, in: Staudinger, BGB, § 1573, Rn. 24. 91 Rauscher, Familienrecht, Rn. 577, konstatiert demzufolge: „Der Aufstockungsunterhalt schafft also nicht das Übel, er ist nur sein augenfälligster Ausdruck.“ Der Gesetzgeber scheint sich nunmehr der Kritik aus dem Schrifttum anzunehmen, da nach der derzeit geplanten Reform des Unterhaltsrechts eine Abschwächung der Lebensstandardgarantie vorgesehen ist, wonach der eheliche Lebensstandard nicht mehr der entscheidende, sondern nur noch einer von mehreren Maßstäben dafür sein soll, ob eine Erwerbstätigkeit – und wenn ja, welche – wieder aufgenommen werden muss;
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fassungsmäßigkeit der Regelung des § 1573 Abs. 2 BGB bestätigt, da sie das legitime Ziel verfolge, zu verhindern, dass ein Ehegatte sozial absteige, obwohl das erreichte eheliche Lebensniveau als das Ergebnis der Leistung beider Ehegatten anzusehen sei92. Dies gelte sowohl bei Führung einer Einverdienerehe, als auch bei (teilweiser) Berufstätigkeit des Bedürftigen während der Ehe93. (7) Ausbildungsunterhalt, § 1575 BGB Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB regelt einen Sonderfall. Nach § 1575 BGB kann ein geschiedener Ehegatte Unterhalt für die Aufnahme oder Fortsetzung einer ehebedingt unterbliebenen oder unterbrochenen Ausbildung verlangen. § 1575 BGB liegt der Gedanke des Ausgleichs ehebedingter (Ausbildungs-)Nachteile zugrunde94. Der Ehegatte, der im Vertrauen auf die Ehe von einer beruflichen Qualifikation abgesehen hat, soll diese nachholen können, wenn sein Vertrauen enttäuscht wurde, die Ehe also gescheitert ist. Diese Regelung passt m. E. insoweit nicht in das Gefüge der übrigen Unterhaltstatbestände, als der geschiedene Ehegatte auch dann, wenn er eine nach § 1574 Abs. 2 BGB angemessene Erwerbstätigkeit aufnehmen könnte, auf Kosten des anderen eine Ausbildung anstreben kann, die über den ehelichen Lebensverhältnissen liegt95. Dem Unterhaltsberechtigten kann bei der Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nicht entgegengehalten werden, dass er ohne die Ehe das Niveau des ehelichen Lebensstandards nicht erreicht hätte96. Warum er dann im Rahmen des § 1575 BGB dem Unterhaltspflichtigen entgegenhalten kann, dass er ohne die Ehe ein bestimmtes Ausbildungs- und damit auch Erwerbsniveau erreicht hätte, erscheint nicht konsequent. § 1575 BGB hat dadurch den Charakter eines Anspruchs auf Ersatz des Vertrauensschadens und fällt insoweit aus dem Rahmen der sonstigen Konzeption des nachehelichen Unterhaltsrechts heraus97.
vgl. hierzu die Mitteilung vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz vom 01.11.2004, abgedruckt in: FamRZ 2004, 1939 ff. 92 BVerfGE 57, 361, 389; BVerfG NJW 2002, 1185, 1186. 93 BVerfGE 57, 361, 389. 94 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 199; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1575, Rn. 1. Die Ehebedingtheit der unterlassenen oder abgebrochenen Ausbildung ist Tatbestandsmerkmal und grundsätzlich vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und zu beweisen. Bei einem Abbruch während der Ehe wird die Ehebedingtheit von der Rechtsprechung indes vermutet; vgl. BGH NJW 1980, 393, 394. 95 § 1575 BGB geht § 1573 BGB insofern vor. Ein Verweis auf eine nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessene Erwerbstätigkeit (§§ 1573, 1574 Abs. 2 BGB) ist im Rahmen des § 1575 BGB nicht möglich; vgl. Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1575, Rn. 7; Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 330. 96 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 30 X 1, S. 445.
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(8) Unterhalt aus Billigkeitsgründen, § 1576 BGB § 1576 BGB enthält als positive Billigkeitsklausel98 einen Auffangtatbestand, durch den mögliche Härten vermieden werden sollen, die sich aus der abschließenden Aufzählung der Unterhaltstatbestände in den §§ 1570 bis 1575 BGB ergeben können99. Schwerwiegende Gründe im Sinne des § 1576 BGB sind insbesondere solche Gründe, die in ihrem Härtegrad mit denen der §§ 1570 bis 1572 BGB vergleichbar sind100. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass sich die Unterhaltshöhe nicht nach § 1578 BGB, sondern ebenfalls nach Billigkeitsgesichtspunkten bemisst101; dies gilt auch hinsichtlich der Dauer des Anspruchs. § 1576 BGB ist gegenüber den übrigen Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt stets subsidiär102. (9) Zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs erfolgt wie beim Unterhalt bei Getrenntleben mittels der drei Faktoren Bedarf (§ 1578 BGB), Bedürftigkeit (§ 1577 BGB) und Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB)103. Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich nach den ehelichen Lebensverhältnissen104. Anknüpfungspunkte sind damit in der Regel die während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft insgesamt zur Verfügung stehenden Nettoeinkünfte105. Im Vergleich zum Trennungsunterhalt kann der 97 Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 331 bezeichnet § 1575 BGB daher zu Recht als „rechtspolitisch verfehlt“. Äußerst kritisch auch: Knöpfel, AcP 191 (1991), 107, 120 f. 98 Als negative Billigkeitsklausel ist § 1579 BGB zu sehen, nach dem ein Unterhaltsanspruch bei grober Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Verpflichteten versagt werden kann. Gegenüber einem Anspruch aus § 1576 BGB kann § 1579 BGB allerdings nicht mehr eingreifen; vgl. Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1576, Rn. 4. 99 BT-Drs. 7/4361, S. 17. Diese Regelung war im Regierungsentwurf noch nicht enthalten und wurde erst durch den Rechtsausschuss in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt. 100 BGH FamRZ 1983, 800, 801. 101 Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1576, Rn. 9. 102 BGH NJW 2003, 3481, 3483; Verschraegen, in: Staudinger, BGB, § 1576, Rn. 38. 103 Auch hier wird in der Praxis regelmäßig mit den Tabellen und Leitlinien der Oberlandesgerichte gearbeitet. Vgl. zur Berechnung der Höhe des nachehelichen Unterhaltsanspruchs: Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1578, Rn. 48 ff; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 126 ff. 104 Nach § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB kann die Bemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aber aus Billigkeitsgründen zeitlich begrenzt und danach auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt werden. 105 Auch hierzu hat sich in der Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik entwickelt; vgl. die Nachweise bei: Verschraegen, in: Staudinger, BGB, § 1578, Rn. 13 ff; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1578, Rn. 3 ff.
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geschiedene Ehegatte nach § 1574 BGB unter geringeren Voraussetzungen auf eine angemessene Erwerbstätigkeit verwiesen werden; § 1361 Abs. 2 BGB enthält eine deutlich restriktivere Regelung106. Auch ein Rückgriff auf den Vermögensstamm kann beim nachehelichen Unterhalt sowohl vom Berechtigten (§ 1577 Abs. 3 BGB) als auch vom Verpflichteten (§ 1581 S. 2 BGB) unter geringeren Voraussetzungen verlangt werden, als dies beim Trennungsunterhalt der Fall ist107. (10) Das System der Einsatzzeitpunkte Die einzelnen Unterhaltstatbestände stehen in einem Konkurrenzverhältnis zueinander und sind – mit Ausnahme des § 1570 BGB108 – davon abhängig, dass die Anspruchsvoraussetzungen zu dem in der jeweiligen Vorschrift genannten Einsatzzeitpunkt vorliegen109. Ist diese Voraussetzung erfüllt, besteht also keine zeitliche Lücke, so können die verschiedenen unterhaltsrechtlichen Anspruchsgrundlagen im Sinne einer „Unterhaltskette“110 theoretisch für eine lebenslange Unterhaltsberechtigung sorgen111. Entsteht aber eine zeitliche Lücke, wird also beispielsweise der Bedürftige erst einige Zeit nach Beendigung der Kindesbetreuung (§ 1570 BGB) krank, so kommt ein Anspruch aus § 1572 BGB grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Ob in diesem Fall dann ein Anspruch aus § 1576 BGB bejaht werden kann, ist streitig112. Hiergegen spricht m. E. bereits der Wortlaut der Vorschrift: „Sonstige“ schwerwiegende Gründe sind gerade nicht solche der §§ 1570 ff BGB, sondern andere, jedoch hinsichtlich ihres Gewichts vergleichbare Gründe113. Diese Auffassung wird auch durch die Gesetzesbegründung gestützt114. Zudem verlören die Einsatzzeitpunkte der 106
BGH NJW 1981, 978. BGH NJW 1985, 907, 908; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 506 und 768. 108 Ein Anspruch aus § 1570 BGB kann auch dann noch entstehen, wenn zur Zeit der Scheidung keine Betreuung erforderlich war, sich die Betreuungsbedürftigkeit aber zu einem späteren Zeitpunkt ergibt; vgl. Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1570, Rn. 13. 109 Vgl. §§ 1571 Nr. 1 bis 3, 1572 Nr. 1 bis 4, 1573 Abs. 3 BGB. 110 Diesen Begriff verwendet Brudermüller, in: Palandt, BGB, §1569, Rn. 4. 111 Vgl. als Beispiel einer solchen Unterhaltskette: OLG Stuttgart FamRZ 1982, 1015 f; OLG Bamberg FamRZ 1984, 897, 898. 112 Dagegen sprechen sich aus: Rauscher, Familienrecht, Rn. 585; Schlüter, BGBFamilienrecht, Rn. 202; dafür aber: BGH NJW 2003, 3481, 3484; Maurer, in: MünchKomm, § 1576, Rn. 8 f; Häberle, in: Soergel, BGB, § 1576, Rn. 10. 113 Rauscher, Familienrecht, Rn. 585; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 202. 114 BT-Drs. 7/4361, S. 17: „Um solche als offensichtlich ungerecht empfundene Ergebnisse zu vermeiden, soll nach dem unter ff) genannten Tatbestand Unterhalt auch dann gezahlt werden, wenn der Berechtigte zwar nicht die Voraussetzungen der übrigen Unterhaltstatbestände erfüllt (Kindererziehung, Alter, Krankheit usw.), eine 107
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§§ 1571 ff BGB ihren Sinn, wenn sie durch „hilfsweise“ Bejahung eines Anspruchs aus § 1576 BGB umgangen werden könnten115. Die vom Gesetz geschaffene Möglichkeit der Bildung so genannter Unterhaltsketten, welche zu langzeitigen Unterhaltsverpflichtungen führen können, wird ohnehin seitens des Schrifttums teils heftig kritisiert116. Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist unabhängig von einem etwaigen Scheidungsverschulden zu ermitteln. Er kann nur ausnahmsweise nach § 1579 BGB bei grober Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Verpflichteten herabzusetzen oder gänzlich zu versagen sein. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers ist verfassungsgemäß117. Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt erlischt, wenn der Berechtigte wieder heiratet118, eine Lebenspartnerschaft begründet119 oder stirbt (§ 1586 Abs. 1 BGB). Anders als beim Familienunterhalt (§ 1360 b BGB) und beim Trennungsunterhalt (§§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360 b BGB) kann zuviel geleisteter nachehelicher Unterhalt grundsätzlich bereicherungsrechtlich nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zurückgefordert werden120. Obwohl Erwerbstätigkeit von ihm aber aus anderen schwerwiegenden, in den ehelichen Lebensverhältnissen liegenden Gründen nicht erwartet werden kann (. . .).“ 115 Rauscher, Familienrecht, Rn. 585. 116 Knöpfel hält die Konzeption des nachehelichen Unterhaltsrechts für insgesamt bedenklich, da sie „fast Merkmale der Leibeigenschaft“ trage; Knöpfel, AcP 191 (1991), 107, 123. Kritisch auch: Willutzki, ZfJ 1984, 1, 2 und 7 f; Dieckmann, FamRZ 1984, 946, 950. 117 Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit des Unterhaltsrechts in der Fassung des 1. EheRG mit der Einschränkung bejaht, dass eine Unterhaltspflicht dann herabgesetzt oder ausgeschlossen sein kann, wenn sich der Berechtigte durch schwerwiegendes, evidentes eheliches Fehlverhalten bewusst von jeglichen ehelichen Bindungen gelöst hat; vgl. BVerfGE 57, 361, 387. Eine solche Einschränkung war nach § 1579 Abs. 2 BGB 1976 beim Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (noch) nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber hat die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts mit dem UÄndG vom 20.02.1986 (BGBl. 1986 I, 301) durch Neufassung des § 1579 BGB umgesetzt. 118 Im Falle der Scheidung der neuen Ehe kann der Unterhaltsanspruch nach § 1586 a BGB ausnahmsweise wieder aufleben. 119 Das Eingehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft führt dagegen nicht zu einer entsprechenden Anwendung des § 1586 Abs. 1 BGB; vgl. BGH NJW 1980, 124, 125. 120 Dies kommt in der Praxis in zwei Fallkonstellationen häufiger vor: Zum einen bei aufgrund einstweiliger Anordnung zuviel gezahltem Unterhalt und später erfolgreicher Feststellungsklage, nach der nur ein geringerer Betrag geschuldet wird; zum anderen bei später erfolgreicher Abänderungsklage gegen einen Unterhaltstitel (§ 323 ZPO). Ebenso häufig steht diesem Anspruch aber die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegen, da der Rückforderungsanspruch mit der Feststellungsoder Abänderungsklage nicht rechtshängig wird (§ 818 Abs. 4 BGB; vgl. BGHZ 118, 383, 390) und die Rechtsprechung im Rahmen des § 819 Abs. 1 BGB positive Kenntnis der Tatsachen und Rechtsfolgen fordert (BGHZ 118, 383, 392), wofür die Kenntnis vom Inhalt der (Abänderungs-)Klageschrift nicht ausreichen soll (BGH NJW 2000, 740, 741). Auch § 820 BGB soll bei Leistungen unter Vorbehalt im Falle von Unterhaltsansprüchen nicht anwendbar sein (BGH NJW 1998, 2433, 2435). Der Unterhalts-
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die vorstehend skizzierten Ansprüche auf Familienunterhalt, Unterhalt bei Getrenntleben und Unterhalt nach der Scheidung letztlich alle durch die Ehe begründet werden, handelt es sich nach h. M. um prozessual verschiedene Streitgegenstände121. c) Exkurs: Weitere vermögensrechtliche Folgen bei Scheitern der Ehe Die aus Sicht des Gesetzgebers bedeutsamsten Rechtsfragen, die bei Scheitern der Ehe zwischen den Ehegatten zu regeln sind, werden in der Vorschrift zum Verbund von Scheidungs- und Folgesachen (§ 623 ZPO) zusammengefasst. Hinter dieser Regelung steht die Idee, dass die Ehe nicht losgelöst von den weiteren Folgen der Scheidung aufgelöst werden soll122 und dass die Eheleute in Kenntnis der weiteren Rechtsfolgen ihren Scheidungsentschluss nochmals überdenken123. Nach §§ 623 Abs. 1 S. 1, 621 Abs. 1 Nr. 5 bis 9, Abs. 2 Nr. 4 ZPO ist daher in der Regel mit der Scheidung auch über die durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, den Versorgungsausgleich, die Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat, Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht sowie die Unterhaltspflichten gegenüber gemeinschaftlichen Kindern zu entscheiden. Neben dem nachehelichen Unterhalt kommt dem Zugewinnausgleich und dem Versorgungsausgleich eine wesentliche vermögensrechtliche Bedeutung zu. Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff BGB), so kann der im Falle einer Scheidung bei einem der Ehegatten entstehende Zugewinnausgleichsanspruch124 (§ 1378 BGB) einschneidende pflichtige kann den Einwand der Entreicherung in der Weise umgehen, dass er mit jeder monatlichen Unterhaltsleistung sogleich den entsprechenden Rückforderungsanspruch rechtshängig macht. Dies kann prozessual durch Klage auf künftige Rückzahlung des während der Dauer eines Hauptsache- oder Abänderungsverfahrens zuviel gezahlten Unterhalts nach § 258 ZPO geschehen (BGHZ 118, 383, 391). Bei Zahlungen aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils kann bei späterem Obsiegen des Unterhaltspflichtigen ein Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden, wenn der Verpflichtete darlegen kann, dass er konkret zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet hat (BGH NJW 2000, 740, 741). Eine Aufrechnung mit den überzahlten Beträgen kommt dagegen aufgrund §§ 394 BGB, 850 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht in Betracht. 121 BGHZ 103, 62, 66; BGHZ 78, 130, 133 ff; Schwab, Familienrecht, Rn. 329; Rauscher, Familienrecht, Rn. 559; Hohloch, Familienrecht, Rn. 655; a. A.: Gernhuber/ Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 30 I 3, S. 406. Diese Differenzierung ist in prozessualer Hinsicht bedeutsam, vgl. hierzu ausführlich unter II.3.a)bb). 122 Hohloch, Familienrecht, Rn. 638. 123 BT-Drs. 7/4361, S. 24; BGH NJW 1983, 1317, 1318. 124 Ein Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns kann auch bei Aufhebung der Ehe (§ 1318 Abs. 3 BGB), bei Beendigung des gesetzlichen Güterstandes durch Ehevertrag, falls dies entsprechend vereinbart wird (§ 1408 Abs. 1 BGB) und bei Tod des
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wirtschaftliche Konsequenzen für den Verpflichteten haben. Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen das Anfangsvermögen eines Ehegatten übersteigt (§ 1373 BGB). Der Ehegatte, der nach der Berechnung nach den §§ 1374 bis 1376 BGB während Bestehens der Ehe einen höheren Vermögenszuwachs erzielt hat, hat den anderen nach § 1378 Abs. 1 BGB in Höhe der Hälfte des Differenzbetrags auszuzahlen125. Der Zugewinnausgleich beruht auf dem Gedanken, dass das, was die Ehegatten während der Ehe (gemeinsam) erwirtschaftet haben, im Falle der Auflösung der Ehe auch beiden in gleichem Maße zugute kommen soll126. Hierdurch kommt der vom Bundesverfassungsgericht stets betonte127 Grundsatz der Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit in besonderem Maße zum Ausdruck. Das mit dem 1. EheRG neu geschaffene Institut des Versorgungsausgleichs erweitert den dem Zugewinnausgleich zugrunde liegenden Gedanken des Ausgleichs der während der Ehe erworbenen Vermögenswerte auf Ansprüche, Anwartschaften und Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit (§§ 1587 ff BGB)128. Ähnlich wie beim Zugewinnausgleich, jedoch unabhängig vom Güterstand (§ 1587 Abs. 3 BGB), ist der Ehegatte, der während der Ehe wertmäßig höhere Versorgungsansprüche erworben hat, dem anderen in Höhe des hälftigen Wertunterschieds ausgleichspflichtig129. Trotz des gleichen Grundgedankens sind aber beide Institute, schon aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen, streng zu trennen.
2. Das Erfordernis ehevertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten a) Das Ehemodell des Gesetzes und die tatsächliche Ausgestaltung des ehelichen Lebens in der Gesellschaft Obwohl der Gesetzgeber mit dem 1. EheRG das bis dahin bestehende gesetzliche Leitbild der Hausfrauenehe aufgegeben hat und die Ehegatten seitdem die Ehegatten, wenn der Überlebende nicht Erbe wird (§ 1371 Abs. 2 BGB; so genannte „güterrechtliche Lösung“), entstehen. Vgl. zur Klage auf vorzeitigen Zugewinnausgleich die §§ 1385 ff BGB. 125 Vgl. zur Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruch ausführlich: Schwab, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, VII, Rn. 12 ff. 126 Hohloch, Familienrecht, Rn. 471; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 121; Rauscher, Familienrecht, Rn. 372; vgl. hierzu auch: BT-Drs. 2/224, S. 38 und BT-Drs. 2/ 3409, S. 5. 127 Zuletzt: BVerfG NJW 2002, 1185 ff. 128 BT-Drs. 7/4361, S. 18 f. 129 Vgl. zur (recht komplizierten) Berechnung des Versorgungsausgleichs ausführlich: Hahne, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, §§ 1587 ff BGB; Hahne, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, VI, Rn. 46 ff.
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Haushaltsführung nach § 1356 Abs. 1 S. 1 BGB im gegenseitigen Einvernehmen regeln, liegt auch der gegenwärtigen Konzeption des Eherechts ein bestimmtes Modell der Ehe zugrunde, das sich in den verschiedenen Regelungen des Scheidungsfolgenrechts widerspiegelt. Die Vorschriften zum nachehelichen Unterhalt, zum Zugewinnausgleich und zum Versorgungsausgleich dienen der finanziellen Absicherung des Ehegatten, der wegen der Ehe auf eine eigene berufliche Tätigkeit verzichtet und sich statt dessen – im Interesse der Ehe und des anderen Ehegatten – um die Haushaltsführung und Kindeserziehung kümmert. Da er deshalb, im Gegensatz zum erwerbstätigen Ehegatten, in der Regel kein eigenes Vermögen und keine Altersversorgungsanwartschaften bilden kann, soll ihm nach der Konzeption des Scheidungsfolgenrechts ein wertmäßiger Ausgleich zukommen. Das Gesetz geht danach vom Modell der Einverdienerehe und damit grundsätzlich weiterhin von einer Hausfrauenehe aus130, freilich mit der Option (§ 1356 Abs. 1 S. 1 BGB), diese als Hausmannsehe auszugestalten; eine Option, von der in der Gesellschaft allerdings immer noch wenig Gebrauch gemacht wird. Aus dieser Grundüberlegung folgt, dass die gesetzlichen Regelungen in der Praxis umso unangemessener erscheinen und auch von den Eheleuten als umso unbilliger empfunden werden, je weiter sich die tatsächliche Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft von diesem gesetzlichen Ehemodell entfernt. Insbesondere bei einer Doppelverdienerehe, in der beide Ehegatte finanziell unabhängig voneinander sind, erscheint es nicht sachgerecht, den Vermögenswert, den der eine Ehegatte aufgrund besserer Ausbildung oder größerer Leistungsbereitschaft mehr erwirtschaftet hat, nach Scheitern der Ehe hälftig auszugleichen. Auch hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts ist nicht immer einzusehen, warum ein Ehegatte den während der Ehe geführten – möglicherweise sehr hohen – Lebensstandard nach der Scheidung aufrecht erhalten können soll, wenn er einen durchschnittlichen Lebensunterhalt problemlos durch eigene Erwerbstätigkeit oder Verwendung seines Vermögensstamms finanzieren könnte. Statistische Erhebungen zeigen, dass in immer mehr Ehen beide Ehegatten über eine gute berufliche Ausbildung verfügen und auch während der Ehe erwerbstätig sind131. Gerade Eheleute mit gehobenem Ausbildungsniveau setzen sich mit den rechtlichen Konsequenzen von Ehe und Scheidung kritisch ausei130 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, Rn. 18; Rauscher, Familienrecht, Rn. 84; ebenso für den Bereich des nachehelichen Unterhalts: Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 12. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum 1. EheRG heißt es zu § 1361 BGB: „Schließlich kann nicht außer acht gelassen werden, daß es sich auch in Zukunft bei den Betroffenen in der Mehrzahl der Fälle um die Ehefrau handeln wird, die wegen ihrer Hausfrauentätigkeit nicht erwerbstätig war.“; BT-Drs. 7/650, S. 101. 131 Im Jahr 2001 waren beispielsweise 57,9% der verheirateten (und nicht getrenntlebenden) Frauen erwerbstätig; vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2002, 6.6, S. 106.
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nander und wägen sorgfältig ab, ob sie für die Verwirklichung ihres gemeinsamen Lebensplans die Ehe oder die nichteheliche Lebensgemeinschaft wählen. Damit die Ehe gegenüber der immer weiter verbreiteten nichtehelichen Lebensgemeinschaft132 „konkurrenzfähig“133 bleibt, muss es den Eheleuten daher im Grundsatz rechtlich möglich sein, flexible, von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen nach ihren individuellen Vorstellungen zu treffen134. b) § 1408 BGB und die grundsätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Ehevertrag Das Gesetz geht zwar von einem bestimmten Ehemodell aus, gibt den Ehegatten aber durch die in § 1408 Abs. 1 BGB statuierte Ehevertragsfreiheit die Möglichkeit, Vereinbarungen zu treffen, die dem von ihnen gewählten Ehemodell entsprechen oder ihnen nach ihrem persönlichen (Ehe-)Verständnis gerecht erscheinen. Von dieser Freiheit wird in der Praxis allerdings nur zurückhaltend Gebrauch gemacht135. Das mag zum einen daran liegen, dass die Rechtslage vielen Eheleuten nicht vertraut ist; zum anderen aber auch daran, dass ein Ehevertrag im Verständnis eines juristischen Laien oftmals nicht als rechtliche Gestaltungsmöglichkeit wahrgenommen wird, welche die Interessen der Ehegatten zu einem fairen Ausgleich bringen kann, sondern als Misstrauensvotum gegen die Ehe missverstanden wird. Dabei wird verkannt, dass eine ausgewogene Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse für den Fall einer Scheidung auch geeignet ist, zu bewirken, dass in Zeiten einer Ehekrise nicht finanzielle 132 Wurden im Bundesgebiet (einschließlich der ehemaligen DDR) 1950 noch 750.452 Ehe geschlossen, waren es im Jahre 1990 nur noch 516.388. Im Jahre 2000 sank die Zahl der Eheschließungen sogar auf 418.550; vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2002, 3.24.1, S. 67. Demgegenüber hat die Zahl der bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaften von 1,393 Millionen im Jahre 1991 auf 2,113 Millionen im Jahre 2000 zugenommen; vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2002, 3.20, S. 64. 133 So Langenfeld, Eheverträge, Rn. 19. 134 Schwab hat bereits Mitte der achtziger Jahre darauf hingewiesen, dass die Heiratshäufigkeit in der Bundesrepublik rückläufig sei und die Lebensform der nichtehelichen Lebensgemeinschaft beträchtlichen Zulauf erhalte; vgl. Schwab, in: Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, 241. Schwab spricht in diesem Zusammenhang von einer „Krise der Ehe“, deren Ursache er (auch) in der Gestalt der eherechtlichen Regelungen sieht; vgl. Schwab, in: Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, 241, 253 ff. 135 Nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1988 wurde beispeilsweise im Bezirk Berlin in den Jahren 1979 bis 1984 bei etwa 10% aller Ehen ein Ehevertrag geschlossen; vgl. Stach, Eheverträge – Gesetz und Rechtstatsachen, S. 13 ff. Auch Schwab berichtet von einer Zunahme des Wunsches nach einer privatautonomen Gestaltung der Scheidungsfolgen, stellt aber gleichzeitig fest, dass der Gang zum Notar dennoch nicht üblich sei; vgl. Schwab, in: Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, 241, 254.
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Aspekte, sondern das persönlich-emotionale Verhältnis der Ehegatten zueinander bei der Entscheidung über die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Vordergrund steht. Im Übrigen zeigt auch ein Blick auf die stetig steigende Scheidungsrate136 in Deutschland, dass der Abschluss eines Ehevertrages bei einer realistischen und vernünftigen Lebensplanung zumindest in Erwägung zu ziehen ist. Denn es darf davon ausgegangen werden, dass der ganz überwiegende Teil der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung eine etwaige spätere Trennung für sich persönlich ausschließt; gleichwohl lehrt die Realität, dass dies bei mehr als jeder dritten Ehe der Fall ist. aa) Der Ehevertrag im engeren gesetzlichen und im erweiterten Sinne § 1408 BGB gewährt den Ehegatten Vertragsfreiheit hinsichtlich der Regelung ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse. Die Legaldefinition in § 1408 Abs. 1 BGB erfasst als Ehevertrag im engeren gesetzlichen Sinne nur Vereinbarungen hinsichtlich des Güterstandes (§ 1408 Abs. 1 BGB); § 1408 Abs. 2 S. 1 BGB unterwirft den Regelungsbereich des Versorgungsausgleichs ebenfalls den Vorschriften für den Ehevertrag. Entsprechende Vereinbarungen bedürfen nach § 1410 BGB der notariellen Beurkundung. Der Begriff des Ehevertrags wird in der allgemeinen juristischen Praxis allerdings auch in einem erweiterten Sinne verwendet. Selbst das Bundesverfassungsgericht spricht im Zusammenhang mit einer privatschriftlichen Unterhaltsvereinbarung von einem Ehevertrag137. Dies rührt daher, dass zusammen mit güterrechtlichen Vereinbarungen häufig auch weitere ehebezogene Fragen, wie zum Beispiel die des Ehenamens oder des nachehelichen Unterhalts geregelt werden, die vom Wortlaut des § 1408 BGB nicht erfasst sind. In diesem Falle bedarf der Vertrag in der Regel insgesamt der notariellen Form (§§ 125, 139 BGB)138. Die Legaldefinition des § 1408 Abs. 1 BGB ist damit in erster Linie hinsichtlich des Beurkundungserfordernisses von praktischer Bedeutung und verbietet nicht die Verwendung des Begriffs Ehevertrag im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit anderen (ehe-)vertraglichen Regelungen. Einem Ehevertrag im erweiterten Sinne unterfallen mithin alle ehebezogenen Vereinbarungen zur Regelung der Ehewirkungen, des Güterrechts und der Scheidungsfolgen139. 136 Im Jahre 1991 wurden in der Bundesrepublik noch 136.317 Ehen geschieden, im Jahre 2000 ist diese Zahl bereits auf 194.408 gestiegen; vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2002, 3.33, S. 74. 137 BVerfGE 103, 89, 94. 138 Hohloch, Familienrecht, Rn. 541; Kiethe, MDR 1994, 639, 641; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 47 f; OLG Hamburg FamRZ 1985, 290, 291; vgl. ausführlich hierzu unter II.2.d)cc)(2). 139 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 4; Lingelbach, in: Rotax, Praxis des Familienrechts, Teil 3, Rn. 245; Zimmermann/Dorsel, Eheverträge, Scheidungs- und Unterhaltsvereinbarungen, § 1, Rn. 1.
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bb) Typische ehemodellbezogene Gestaltungsformen aus der Vertragspraxis An dieser Stelle soll anhand der gängigen Vertragspraxis ein kurzer Überblick über die ehevertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten gegeben werden, ohne dass dieser Überblick den Anspruch auf Vollständigkeit oder abschließende rechtliche Wertung erhebt. Im Schrifttum befassen sich zahlreiche Autoren mit der Kautelarjurisprudenz im Bereich des Eherechts. Bestärkt durch deren Veröffentlichungen haben sich im Laufe der Zeit bestimmte Grundmuster der Vertragsgestaltung bezogen auf das jeweils von den Eheleuten gelebte Ehemodell herausgebildet. Beabsichtigen beide Ehegatten, während der Ehe voll erwerbstätig zu bleiben und haben sie keinen Kinderwunsch, so wird häufig eine Abbedingung aller vermögensrechtlichen Scheidungsfolgenregelungen empfohlen140. Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird dahin modifiziert, dass der Zugewinnausgleich nur für den Fall der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten beibehalten und für alle anderen Fälle ausgeschlossen wird141. Auf Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt wird verzichtet; der Versorgungsausgleich wird ebenfalls ausgeschlossen. Bei einer Doppelverdienerehe, in der gemeinsame Kinder in Erwägung gezogen werden, wird zu einer Vertragsgestaltung mit einer auflösenden Bedingung geraten142. Die Eheleute vereinbaren Gütertrennung und schließen den nachehelichen Unterhalt sowie den Versorgungsausgleich aus. Diese Abreden werden unter die auflösende Bedingung der Geburt eines gemeinsamen Kindes gestellt. Ab diesem Einsatzzeitpunkt gilt dann der gesetzliche Güterstand – bis dahin erworbenes Vermögen ist Anfangsvermögen – und wird der Versorgungsausgleich durchgeführt; der Unterhaltsverzicht wird hinfällig. Bei Unternehmerehen wird häufig Gütertrennung vereinbart, um den Bestand des Unternehmens im Falle einer Scheidung nicht zu gefährden. Eine Alternative hierzu ist, die Zugewinngemeinschaft dergestalt zu modifizieren, dass das gesamte Betriebsvermögen dinglich aus dem Zugewinnausgleich herausgenommen, also weder im Anfangsvermögen noch im Endvermögen berücksichtigt wird143. Hierdurch wird verhindert, dass bei einer Wertsteigerung des Unterneh140 Vgl. hierzu: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 967 ff; Tzschaschel, Eheverträge, S. 22 ff, Jochheim, Eheverträge aktuell, Muster 1, S. 32 f. 141 Auf diese Weise kommt dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit eines erbschaftssteuerfreien Zugewinnausgleichs im Todesfall zugute, vgl. § 5 Abs. 1 ErbStG. 142 Vgl. hierzu: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 944 ff; Jochheim, Eheverträge aktuell, Muster 2, S. 34 f; ähnlich für den Zugewinnausgleich: Kanzleiter/Wegmann, Vereinbarungen unter Ehegatten, Rn. 102 f. 143 Vgl. hierzu: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 958 ff; Grziwotz, in: Beck’sches Notarhandbuch, B I. Eheverträge, Rn. 67; Tzschaschel, Eheverträge, S. 14 f; Kanzleiter/ Wegmann, Vereinbarungen unter Ehegatten, Rn. 184 ff.
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I. Grundlagen und Problemaufriss
mens während der Ehe ein Zugewinnausgleichsanspruch entsteht, der bei einer Scheidung im ungünstigsten Fall sogar zur Veräußerung des Unternehmens zwingen kann, weil der Ausgleichsanspruch auf andere Weise nicht befriedigt werden kann. Eine entsprechende Vertragsgestaltung bietet sich auch in anderen Fällen an, in denen ein Ehegatte über besonders hohe Vermögenswerte verfügt144. Die Vereinbarung von Gütertrennung, Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und Ausschluss des Versorgungsausgleichs, kombiniert mit einem gegenseitigen Erbverzicht wird in der Kautelarpraxis empfohlen, wenn die Ehegatten zur Zeit der Eheschließung bereits älter, jeweils sozial abgesichert sind und Kinder haben, die durch die Eheschließung in erbrechtlicher Hinsicht nicht benachteiligt werden sollen145. Die Ehe soll in diesem Fall vollständig ohne ein die Ehegatten belastendes Scheidungsfolgenrisiko eingegangen werden können. Eine weitere typische Ehevertragsgestaltung ist die Vereinbarung eines negativen Anfangsvermögens in Fällen, in denen ein Ehegatte verschuldet in die Ehe geht146. Zu den zahlreichen übrigen, teils komplexen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Ehewirkungen, des Güterstandes oder des Versorgungsausgleichs sei auf das vorstehend zitierte einschlägige Schrifttum verwiesen. c) Insbesondere: § 1585 c BGB und die Gestaltungsmöglichkeiten bei Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt Nach § 1585 c BGB können die Ehegatten Vereinbarungen über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung treffen147. Eine solche Vereinbarung kann jederzeit, nach allgemeiner Auffassung auch schon vor der Eheschließung, und – im Gegensatz zu Vereinbarungen über den Zugewinnausgleich oder den Versorgungsausgleich (§ 1410 BGB) – grundsätzlich formfrei geschlossen werden148. Nach h. M. gewährt § 1585 c BGB für den Bereich des
144 Vgl. hierzu: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 956 f; Grziwotz, in: Beck’sches Notarhandbuch, B I. Eheverträge, Rn. 66; Kanzleiter/Wegmann, Vereinbarungen unter Ehegatten, Rn. 179 ff. 145 Vgl. hierzu: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 980 ff. 146 Nach § 1374 Abs. 1 BGB kann das Anfangsvermögen grundsätzlich nicht mit einem negativen Wert angesetzt werden (BGH NJW 1995, 2165, 2166). Baut ein zur Zeit der Eheschließung verschuldeter Ehegatte während der Ehe diese Schulden ab, unterliegt dieser faktische Vermögenszuwachs daher auch nicht dem Zugewinnausgleich, was insbesondere dann unbillig erscheint, wenn dieser einen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten hat, obwohl er selbst während der Ehe betragsmäßig mehr erwirtschaftet hat. Vgl. hierzu: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 975 f; Grziwotz, in: Beck’sches Notarhandbuch, B I. Eheverträge, Rn. 64; Kanzleiter/Wegmann, Vereinbarungen unter Ehegatten, Rn. 156. 147 Nach § 1318 Abs. 2 S. 1 BGB findet § 1585 c BGB unter den dort genannten Voraussetzungen auch im Falle einer Aufhebung der Ehe Anwendung.
2. Das Erfordernis ehevertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten
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nachehelichen Unterhalts volle Vertragsfreiheit149 im Rahmen der allgemeinen Regeln, wobei hier vor allem die §§ 138, 242 BGB an Bedeutung gewinnen. Die gesetzlichen Regelungen zum Unterhalt nach der Scheidung werden von den Ehegatten oftmals als zu weit gehend oder unangemessen empfunden, insbesondere da die verschiedenen Unterhaltstatbestände nach der Konzeption des nachehelichen Unterhaltsrechts jeweils aneinander anknüpfen („Unterhaltskette“) und so zu einer sehr langen Unterhaltsverpflichtung eines Ehegatten führen können. Hier spielt sicherlich auch ein psychologisches Moment eine Rolle: Ein von der Ehe enttäuschter Ehegatte möchte in der Regel nach der Scheidung und den daraus resultierenden Konsequenzen nicht nur eine emotionale, sondern auch eine wirtschaftliche Zäsur setzen und nicht auf ungewisse Zeit mit monatlich zu zahlenden Unterhaltsansprüchen konfrontiert sein. Demzufolge ist ein vollständiger Unterhaltsverzicht beider Ehegatten in der Praxis auch die am häufigsten gewählte Variante unter den möglichen Unterhaltsvereinbarungen150. Den Ehegatten stehen aber neben einer Verzichtsvereinbarung, die sicherlich nicht immer angemessen ist, eine Vielzahl weiterer privatautonomer Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Auch hierzu haben sich im Laufe der Zeit in der Kautelarjurisprudenz verschiedene ehemodellbezogene Regelungsvarianten herausgebildet. Die Ehegatten können einzelne Unterhaltstatbestände vom Unterhaltsverzicht ausschließen, was vor allem – auch im Interesse des Kindes – hinsichtlich des Unterhalts wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB) empfohlen wird151. Ein Unterhaltsverzicht kann aber auch generell unter der auflösenden Bedingung der Geburt eines gemeinschaftlichen Kindes vereinbart werden. Weiter kann ein Verzicht unter der Bedingung vereinbart werden, dass kein Fall der Not vorliegt152. Dies erscheint unter Berücksichtigung des Grundsatzes der nachehelichen Solidarität auch für die Ehegatten, die eine nacheheliche Unterhaltsverpflichtung allgemein ablehnen, eine angemessene Kompromisslösung. Der nacheheliche Unterhaltsanspruch kann zeitlich begrenzt werden, wobei in diesem Zusammenhang auch eine von der Dauer der Ehe abhängige Befristung 148 Etwas anderes kann für den Fall gelten, dass mit der Unterhaltsvereinbarung weitere, formbedürftige Vereinbarungen getroffen werden; vgl. ausführlich unter II.2. d)cc)(2). 149 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 10; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 1; BGH NJW 1985, 1833. 150 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 641; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 120. In den von Stach untersuchten Fällen beinhalteten mehr als 90% der Unterhaltsvereinbarungen einen vollständigen gegenseitigen Verzicht; vgl. Stach, Eheverträge – Gesetz und Rechtstatsachen, S. 107. 151 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 647; Zimmermann/Dorsel, Eheverträge, § 18, Rn. 49 f; Kanzleiter/Wegmann, Vereinbarungen unter Ehegatten, Rn. 333 ff. 152 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 644 ff; Zimmermann/Dorsel, Eheverträge, § 18, Rn. 57 f; vgl. hierzu: BGH NJW 1981, 51, 53.
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in Betracht kommt153. Wahlweise kann ein Unterhaltsverzicht auch unter der aufschiebenden Bedingung der Stellung eines Scheidungsantrags innerhalb einer bestimmten Ehedauer vereinbart werden, sodass bei nur kurzer Ehedauer (noch) kein Unterhalt geschuldet wird154. Denkbar ist auch ein Verzicht, der von einer Gegenleistung in Form einer Kapitalabfindung abhängig ist155. Schließlich soll sogar möglich sein, nacheheliche Unterhaltsansprüche nur für den Fall des Verschuldens an der Scheidung auszuschließen156. Die Ehegatten können es auch grundsätzlich bei den gesetzlichen Regelungen der §§ 1569 ff BGB belassen und lediglich Vereinbarungen hinsichtlich der Höhe des Unterhalts treffen. Hier kommen betragsmäßige Höchstgrenzen157, die Festlegung eines bestimmten Prozentsatzes des gesetzlich geschuldeten Unterhalts oder auch Modifikationen der Berechnungsgrundlage dergestalt in Betracht, dass für das Maß des Unterhalts, aus dem sich die Höhe des Anspruchs errechnet, nicht die ehelichen Lebensverhältnisse, sondern beispielsweise das Durchschnittseinkommen des erlernten Berufes eines Ehegatten herangezogen wird158.
3. Problemaufriss: Das Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und gerichtlicher Vertragskontrolle Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass das Gesetz den Ehegatten Ehevertragsfreiheit gewährt und ihnen die Möglichkeit der privatautonomen Gestaltung ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse sowohl hinsichtlich des Güterstandes als auch hinsichtlich sonstiger Ehewirkungen und ehebedingter Ansprüche, insbesondere des nachehelichen Unterhalts, gibt. Die Ehevertragsfreiheit umfasst sowohl die Abschlussfreiheit als auch die Freiheit zur inhaltlichen Gestaltung. Entschließen sich die (zukünftigen) Ehegatten, von dieser rechtli153 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 653; Zimmermann/Dorsel, Eheverträge, § 18, Rn. 42 ff. 154 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 651; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 149; Zimmermann/Dorsel, Eheverträge, § 18, Rn. 35 f. 155 Miesen, in: Göppinger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, § 5, Rn. 243 ff; vgl. hierzu ausführlich die Untersuchung von: Hohenbleicher, Der Unterhaltsverzicht im nachehelichen Unterhaltsrecht nach § 1585 c BGB unter besonderer Berücksichtigung des Unterhaltsverzichts gegen Kapitalabfindung, S. 143 ff. 156 Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 16; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 648 f; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 89 f und 148; Zimmermann/ Dorsel, Eheverträge, § 18, Rn. 66 ff; ausführlich: Walter, NJW 1981, 1409 ff; grundsätzlich bejahend: BGH NJW 1995, 1891, 1892. A. A.: Büttner, in Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 14: wegen Verstoß gegen § 134 BGB nichtig. 157 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 654; Kanzleiter/Wegmann, Vereinbarungen unter Ehegatten, Rn. 341 ff; Zimmermann/Dorsel, Eheverträge, § 18, Rn. 60 f. 158 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 655; Zimmermann/Dorsel, Eheverträge, § 18, Rn. 62 f.
3. Problemaufriss
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chen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, so ist ihr Vertrauen in die ihnen gewährte Vertragsfreiheit grundsätzlich schutzwürdig. Dies gilt vor allem dann, wenn die Ehegatten sich nur im Hinblick auf diese vertraglichen Regelungsmöglichkeiten zur Eheschließung entschieden haben. Dem gegenüber steht aber die weitere Maxime, dass sich die Vertragsfreiheit nur in den Schranken des geltenden Rechts entfalten kann. Hierzu zählen neben den zwingenden Vorschriften des Eherechts159 vor allem die für alle Verträge geltenden allgemeinen Regeln, wie zum Beispiel die §§ 134, 138, 242 BGB und nicht zuletzt sich möglicherweise aus der Verfassung ergebende Schranken. Unter dem Mantel der Ehevertragsfreiheit dürfen daher keine für den einen Ehegatten eindeutig untragbaren Ergebnisse erzielt werden. Ein unangemessen übervorteilter Ehegatte bedarf im Einzelfall des Schutzes durch die Gerichte. Auf eine solche Rechtsschutzmöglichkeit muss er sich schon aus rechtsstaatlichen Gründen verlassen können. Allerdings ist hierbei wiederum zu beachten, dass – bekennt man sich zum Institut der Privatautonomie auch im Eherecht – die vertragsschließenden Ehegatten auch ein Rechtssicherheitsbedürfnis hinsichtlich der Wirksamkeit ihrer privatautonomen Vereinbarungen haben. Zu den Grundsätzen des Rechtsstaatsprinzips zählt auch das Prinzip der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns160. Anwaltlich oder notariell beratene Eheleute, die über die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle und die diesbezüglichen Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgeklärt sind und diese bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Ehevertrages auch berücksichtigen, sollen daher – im gebotenen Maße161 – auf die Rechtsbeständigkeit ihrer Vereinbarungen im Hinblick auf eine solche gerichtliche Kontrolle vertrauen dürfen. Die Ehevertragsfreiheit steht demnach in einem Spannungsverhältnis zwischen Privatautonomie sowie Rechtssicherheitsbedürfnis der Ehegatten und der gerichtlichen Kontrolle von deren privatautonomer Vereinbarungen.
159
Vgl. §§ 1409, 1518 BGB. Maurer, Verwaltungsrecht, § 19, Rn. 9; eine Ausprägung dieser Maxime stellt beispielsweise das Verbot einer Überraschungsentscheidung im Zivilprozess dar; vgl. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 139, Rn. 15 ff. 161 Ein Zugewinn an Rechtserkenntnis, die eine Änderung einer ständigen Rechtsprechung rechtfertigt, ist freilich auch den höchsten Gerichten zuzugestehen. 160
II. Die Entwicklung der Gesetzgebung im Bereich ehelicher und nachehelicher Unterhaltsansprüche seit Inkrafttreten des BGB Zum tieferen Verständnis der durch die Ehe begründeten Unterhaltsansprüche sowie des Umfangs und der Grenzen der diesbezüglichen vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten soll im Folgenden, ausgehend vom BGB 1896, die historische Entwicklung der Gesetzgebung in diesem Bereich des Eherechts, der – wie kaum ein anderes Zivilrechtsgebiet – zahlreichen grundlegenden Änderungen unterworfen war, dargestellt werden.
1. Die Entwicklung der Rechtslage im Bereich ehebedingter Unterhaltsansprüche a) BGB 1896 Bereits das BGB in der Fassung vom 18.08.18961 differenzierte zwischen den drei ehebedingten Unterhaltsansprüchen, nämlich Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft (§ 1360 BGB 1896), Unterhalt bei Getrenntleben (§§ 1361, 1360 BGB 1896) und Unterhalt nach der Scheidung (§ 1578 BGB 1896). Diese gesetzlichen Regelungen stellten hinsichtlich des Unterhalts während bestehender Ehe keine wesentliche Neuerung zur vorherigen Rechtslage dar. Das Reichsgericht hatte bereits im Jahre 1883 entschieden, dass der Ehemann „nach römischem wie deutschem Rechte für die Lasten der Ehe aufzukommen hat, namentlich also auch die Bedürfnisse der Ehefrau sowie die der Kinder (. . .) zu bestreiten, insbesondere ihnen den standesgemäßen Unterhalt zu gewähren hat.“2 Dagegen waren in vielen zuvor im damaligen Reichsgebiet geltenden Rechtsordnungen Unterhaltsansprüche eines geschiedenen Ehegatten unbekannt. In der vorstehend zitierten Entscheidung lehnte das Reichsgericht mit der schlichten Begründung, „den Grund der Alimentationspflicht des Ehemannes bildet die Ehe, und mit dem Wegfalle dieser muß jene aufhören“3, jegliche nachehelichen Unterhaltspflichten ab.
1 2 3
RGBl. 1896, 195. RGZ 8, 184. RGZ 8, 184, 188.
1. Die Entwicklung im Bereich ehebedingter Unterhaltsansprüche
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aa) Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft, § 1360 BGB 1896 Das BGB 1896 unterschied beim Familienunterhalt (nach heutigem Verständnis) zwischen der individuellen Unterhaltsverpflichtung der Ehegatten untereinander und dem so genannten ehelichen Aufwand. Unter dem ehelichen Aufwand, den nach § 1389 Abs. 1 BGB 1896 grundsätzlich der Ehemann zu bestreiten hatte, verstand man den Gesamtkomplex aller durch den Bestand der Ehe bedingten und den gemeinsamen Zwecken der Bedarfsdeckung dienenden Aufwendungen4. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte der Mann durch die Regelung des § 1389 Abs. 1 BGB 1896 auch der Frau gegenüber verpflichtet sein, den Kindern Unterhalt zu gewähren5. Die eigentliche eheliche Unterhaltspflicht im Sinne einer interindividuellen Verbindlichkeit war in § 1360 BGB 1896 geregelt6. Nach § 1360 Abs. 1 BGB 1896 war die Unterhaltspflicht während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft grundsätzlich als einseitiger Anspruch der Ehefrau gegen den Ehemann ausgestaltet. Dies ergab sich konsequent daraus, dass der Unterhalt auch Teil des ehelichen Aufwands war, den nach § 1389 Abs. 1 BGB 1896 der Ehemann zu tragen hatte7. Der hinter dieser Regelung stehende Gedanke ist in dem damaligen Ehebild des Gesetzgebers zu sehen, nach dem der Mann das „Haupt des Hauses und (. . .) Vorstand des Haushaltes“8 war9, was im Weiteren auch im Entscheidungsrecht des Mannes nach § 1354 Abs. 1 BGB 1896 gesetzlich manifestiert war10. Diesem Verständnis entsprach es, dass aufgrund der Ehe in der Regel der Mann der (von ihm abhängigen) Frau Unterhalt schuldete und nicht umgekehrt. Der Beitrag der Ehefrau zum Unterhalt der Familie könnte aus heutiger Sicht zwar in der Ver4 Boehmer, MDR 1950, 386, 390; Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1389, Anm. 2. 5 Kommissionsprotokolle, in: Haidlen, Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz mit den Motiven und sonstigen gesetzgeberischen Vorarbeiten, Dritter Band, § 1389, S. 130; Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1389, Anm. 3. 6 Boehmer kritisierte diese Differenzierung innerhalb des Familienunterhalts durch den Gesetzgeber als höchst verunglückt und irreführend; vgl. Boehmer, MDR 1950, 386, 390. 7 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1360, Anm. 1. 8 So bereits: RGZ 8, 184, 185. 9 Eine ähnliche Formulierung enthielt auch der in dieser Form immerhin bis 1988 geltende Art. 160 des Schweizerischen ZGB: „Der Ehemann ist das Haupt der Gemeinschaft. Er bestimmt die eheliche Wohnung und hat für den Unterhalt von Weib und Kind in gebührender Weise Sorge zu tragen.“ Vgl. hierzu auch Paulus, 1. Korinther 11, Vers 13: „Ich lasse Euch aber wissen, daß Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau (. . .).“; zitiert aus: Luther-Bibel, herausgegeben von der Deutschen Bibel Gesellschaft, Stuttgart 1991. 10 § 1354 Abs. 1 BGB 1896 lautete: „Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.“
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II. Die Entwicklung der Gesetzgebung seit Inkrafttreten des BGB
pflichtung zur Leitung des gemeinschaftlichen Hauswesens (§ 1356 BGB 1896) gesehen werden. Nach damaliger Rechtslage war die Haushaltsführungspflicht indes eine Dienstleistung im Sinne des § 845 BGB und kein Beitrag zum ehelichen Aufwand oder gar eine Unterhaltsleistung an den Ehemann11. Einen Beitrag zum ehelichen Aufwand erbrachte die Ehefrau aber mittelbar dadurch, dass nach dem gesetzlichen Güterstand das gesamte Vermögen der Frau – mit Ausnahme des Vorbehaltsguts (§ 1365 BGB 1896) – der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen war (§ 1363 BGB 1896). Der Mann konnte mit den eingebrachten finanziellen Mitteln der Frau und aus den Nutzungen des übrigen eingebrachten Gutes daher auch den ehelichen Aufwand bestreiten. Ähnliche gesetzliche Regelungen gab es auch bei den Wahlgüterständen der Gütertrennung, der Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft und der Fahrnisgemeinschaft12. Mit § 1360 Abs. 2 BGB 1896 bestand aber eine subsidiäre Unterhaltspflicht der Frau. Die Frau war (nur) dann zur Unterhaltsleistung an den Mann verpflichtet, wenn dieser außerstande war, sich selbst zu unterhalten. Im Gegensatz zum Anspruch der Frau, war der Anspruch des Mannes also von dessen Bedürftigkeit abhängig. Die Subsidiarität dieser Unterhaltspflicht wurde weiter dadurch betont, dass ein Anspruch des Mannes aus § 1371 BGB 1896 auf eine Beitragsleistung zum ehelichen Aufwand aus dem Vorbehaltsgut der Frau dem Anspruch aus § 1360 Abs. 2 BGB 1896 vorging13. Das Maß des Unterhalts orientierte sich sowohl beim Anspruch der Frau (§ 1360 Abs. 1 BGB 1896) als auch bei dem des Mannes (§ 1360 Abs. 2 BGB 1896) an der Lebensstellung des Mannes, was wohl ebenfalls darin begründet lag, dass sich die Lebensstellung der Frau nach damaliger Auffassung von der des Mannes als „Haupt des Hauses“14 ableitete. Der Unterhalt war nach § 1360 Abs. 3 S. 1 BGB 1896 in der durch die eheliche Lebensgemeinschaft gebotenen Weise, also regelmäßig in Form der Naturalleistung15, zu gewähren. Ein Anspruch auf Barunterhalt bestand nicht16. 11 Hohloch, Familienrecht, Rn. 417; vgl. auch von Baligand, Der Ehevertrag, S. 5 unter Fn. 1: Danach konnte ehevertraglich vereinbart werden, dass die nach § 1356 BGB 1896 geschuldeten Dienste der Frau als Beitrag zum ehelichen Aufwand angerechnet werden sollen. Nach heute allgemeiner Meinung erbringt ein Ehegatte durch die Haushaltsführung keine Dienste im Sinne des § 845 BGB, sondern erfüllt seine Unterhaltspflicht aus § 1360 BGB; vgl. nur Sprau, in: Palandt, BGB, § 845, Rn. 2. 12 Bei der Gütertrennung erhielt der Mann gemäß § 1427 Abs. 2 BGB 1896 einen angemessenen Beitrag der Frau zur Bestreitung des ehelichen Aufwands, den er nach Abs. 1 der Vorschrift zu tragen hatte. Bei der Gütergemeinschaft und der Errungenschaftsgemeinschaft war der eheliche Aufwand aus dem Gesamtgut zu bestreiten (§§ 1458, 1529 Abs. 1 BGB 1896), welches wiederum vom Ehemann verwaltet wurde (§§ 1443 Abs. 1 S. 1, 1519 Abs. 2 BGB 1896). Gleiches galt über § 1549 BGB 1896 für die Fahrnisgemeinschaft. 13 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1360, Anm. 5. 14 RGZ 8, 184, 185.
1. Die Entwicklung im Bereich ehebedingter Unterhaltsansprüche
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bb) Unterhalt bei Getrenntleben, §§ 1361, 1360 BGB 1896 Nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB 1896 war Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs bei Getrenntleben, dass einer der Ehegatten die Herstellung des ehelichen Lebens verweigern durfte und auch tatsächlich verweigerte; der Unterhaltsberechtigte musste danach nicht zugleich der berechtigt die Herstellung des ehelichen Lebens Verweigernde sein17. Nach damaliger Auffassung lebten die Ehegatten nur dann getrennt, wenn sie nicht in häuslicher Gemeinschaft lebten18. Die Voraussetzungen einer berechtigten Verweigerung der ehelichen Lebensgemeinschaft ergaben sich aus § 1353 Abs. 2 BGB 1896. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts war ein Ehegatte dann zur Verweigerung berechtigt, wenn das Herstellungsverlangen mit der ehelichen Gesinnung nicht vereinbar und dem anderen Teil mit Rücksicht auf das sittliche Wesen der Ehe nicht zumutbar war19. Dies wurde beispielsweise bei grober Rücksichts- oder Lieblosigkeit, Untreue oder Mangel an Fürsorge angenommen20. Ein Verschulden des anderen Ehegatten war aber, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergab, keine Anspruchsvoraussetzung21. Verweigerte nur der Unterhaltspflichtige die Herstellung des ehelichen Lebens, ohne hierzu berechtigt zu sein, galt § 1361 BGB 1896 entsprechend22. Verweigerte dagegen nur der Unterhalt begehrende Ehegatte die Herstellung des ehelichen Lebens, ohne hierzu berechtigt zu sein, war nicht § 1361 BGB 1896, sondern allein § 1360 BGB 1896 anwendbar; es konnte weiter nur der Naturalunterhalt verlangt werden23. Bei § 1360 BGB 1896 und § 1361 BGB 1896 handelte es sich nicht – wie nach heutiger Rechtslage – um zwei verschiedene Ansprüche, sondern um denselben gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Ehegatten24. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften25 und den Gesetzesmaterialien. Danach wurde 15
Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1360, Anm. 6. RG Warneyer 1915, Nr. 24, S. 29. 17 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1361, Anm. 2c). 18 Kommissionsprotokolle, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1361, S. 95; Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1361, Anm. 2 a). 19 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1353, Anm. 5; vgl. für den Fall der Geisteskrankheit beispielsweise: RG JW 1935, 1403, 1404. 20 Vgl. hierzu die Nachweise aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts bei: Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1353, Anm. 5. 21 Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1361, S. 95; Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1353, Anm. 5. 22 RG JW 1923, 685. Lebten die Ehegatten einverständlich getrennt, so war § 1361 BGB 1896 ebenfalls analog anwendbar; vgl. Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1361, Anm. 2 b). 23 RG JW 1933, 2047; Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1361, Anm. 2c). 24 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1360, Anm. 2. 25 § 1361 Abs. 1 BGB 1896 regelte nur die Art und Weise der Unterhaltsgewährung und nahm im Übrigen auf § 1360 BGB 1896 Bezug („Leben die Ehegatten 16
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die eheliche Unterhaltspflicht während des Getrenntlebens lediglich dahin modifiziert, dass nicht mehr Naturalunterhalt, sondern Barunterhalt geschuldet wurde26. Die weiteren tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen, beispielsweise hinsichtlich des Maßes des Unterhalts, bestimmten sich nach § 1360 BGB 189627; vollständige Anspruchsgrundlage für den Trennungsunterhalt war danach §§ 1361 Abs. 1, 1360 BGB 1896. Aufgrund dieser Konzeption war auch beim Unterhalt bei Getrenntleben die Bedürftigkeit keine Anspruchsvoraussetzung eines Unterhaltsanspruchs der Frau (§ 1360 Abs. 1 BGB 1896)28; deren Unterhaltspflicht bestand ebenfalls nur subsidiär (§ 1360 Abs. 2 BGB 1896). Der Unterhalt war nach §§ 1361 Abs. 1 S. 1, 760 Abs. 2 BGB 1896 durch Entrichtung einer für drei Monate im voraus zu zahlenden Geldrente zu leisten. Der Anspruch erlosch mit Wegfall der Verweigerungsberechtigung nach §§ 1361 Abs. 1 S. 1, 1353 Abs. 2 BGB 1896 oder mit Rechtskraft des Scheidungsurteils. Nach §§ 1360 Abs. 3 S. 2, 1614 BGB 1896 konnte für die Zukunft nicht auf den ehelichen Unterhalt verzichtet werden. cc) Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, §§ 1578 ff BGB 1896 Mit den §§ 1578 ff BGB 1896 wurden erstmals für das gesamte Reichsgebiet – bis dahin in weiten Teilen unbekannte29 – Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten gesetzlich geregelt. Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde es aus Billigkeitsgründen als geboten angesehen, dass der an der Scheidung unschuldige Ehegatte den ihm während der Ehe zustehenden Unterhaltsanspruch auch nach Auflösung der Ehe mit den sich aus der veränderten Sachlage ergebenden Abweichungen behielt und so nicht gezwungen wurde, entweder die unerträglich gewordene Ehe fortsetzen oder den standesgemäßen Unterhalt entbehren zu müssen30. Zudem sprachen Erwägungen des öffentlichen Interesses dafür, nach der Scheidung bedürftige Ehegatten nicht der öffentlichen Armenlast zuzuführen31. Eine bis dahin in Teilen des Reichsgebiets geltende gesetzliche getrennt, so ist (. . .) der Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren (. . .).“). 26 Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1360, S. 93. 27 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1361, Anm. 3. Dies freilich vorbehaltlich der Billigkeitsregelung in § 1361 Abs. 2 BGB 1896, wonach die Unterhaltspflicht des Mannes aus Billigkeitsgründen – insbesondere bei fehlender Bedürftigkeit der Frau – entfallen oder beschränkt werden konnte. 28 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1361, Anm. 3; Kommissionsprotokolle, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1578, S. 369. 29 RGZ 8, 184, 186 f; einen Unterhaltsanspruch des nicht schuldigen Ehegatten kannte beispielsweise § 1750 des Sächsischen Zivilgesetzbuches aus dem Jahre 1863. 30 Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1578, S. 369; Denkschrift, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, Vorb. §§ 1564 ff, S. 339.
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Scheidungsfolge, nach der dem an der Scheidung schuldigen Ehegatten so genannte Ehescheidungsstrafen aufzuerlegen waren, die den unschuldigen Ehegatten für die durch die Scheidung entgangenen Ehevorteile entschädigen sollten, hat der Gesetzgeber als dem Wesen der Ehe widersprechend abgelehnt32. (1) Anspruchsvoraussetzungen – Das strenge Verschuldensprinzip Als Scheidungsgründe kannte das BGB 1896 den Ehebruch (§ 1565 BGB 1896), die Lebensnachstellung (§ 1566 BGB 1896), das bösliche Verlassen (§ 1567 BGB 1896) und die Generalklausel des § 1568 BGB 1896, nach der bei schwerer Verletzung der ehelichen Pflichten oder bei ehrlosem oder unsittlichem Verhalten und einer hierdurch hervorgerufenen Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe für den anderen Ehegatten auf Scheidung geklagt werden konnte; einziger verschuldensunabhängiger Scheidungsgrund war gemäß § 1569 BGB 1896 die Geisteskrankheit33. Nach § 1578 BGB 1896 hatte der allein für schuldig erklärte Ehegatte dem anderen den standesmäßigen Unterhalt zu gewähren, soweit dieser bedürftig war. Der Unterhaltsanspruch orientierte sich an einem strengen Verschuldensprinzip; ein Mitverschulden des anderen Ehegatten schloss einen nachehelichen Unterhaltsanspruch aus34. Der damalige Gesetzgeber hat es als prinzipiell nicht zu rechtfertigen abgelehnt, bei beiderseitigem Verschulden eine Abwägung vorzunehmen und im Scheidungsurteil das überwiegende Verschulden – mit entsprechenden Auswirkungen auf das weitere Scheidungsfolgenrecht – auszusprechen, wie dies andere Rechtsordnungen im Reichsgebiet zuvor bestimmt hatten35. Das Maß des Unterhalts orientierte sich nunmehr nicht an der Lebensstellung des Mannes, sondern nach §§ 1580 Abs. 3, 1610 Abs. 1 BGB 1896 an der Lebensstellung des Berechtigten. Anders als beim Unterhalt während bestehender Ehe, war beim nachehelichen Unterhalt die Bedürftigkeit des Berechtigten grundsätzlich Anspruchsvoraussetzung36. Bei der Frau war eine Bedürftigkeit bereits dann anzunehmen, wenn sie sich nicht aus den Einkünften aus ihrem 31 So die damalige Bezeichnung der Sozialhilfeträger; vgl. Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1578, S. 369. 32 Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1578, S. 366 ff. 33 Im Falle einer Scheidung wegen dauerhafter Geisteskrankheit eines Ehegatten nach § 1569 BGB 1896 hatte der andere Ehegatte diesem wie ein allein für schuldig erklärter Ehegatte Unterhalt zu gewähren (§ 1583 BGB 1896). 34 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 66 EheG, Anm. 1. 35 Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1574, S. 359 f. 36 War die Bedürftigkeit durch eigenes sittliches Verschulden verursacht, bestand nach §§ 1580 Abs. 3, 1611 Abs. 1 BGB 1896 aber nur ein Anspruch auf den Notunterhalt.
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Vermögen oder aus ihrer nach den ehelichen Verhältnissen üblichen Erwerbstätigkeit unterhalten konnte (§ 1578 Abs. 1 BGB 1896). Eine Bedürftigkeit des Mannes lag dagegen nach § 1578 Abs. 2 BGB 1896 erst dann vor, wenn er außerstande war, sich selbst zu unterhalten, was in der Regel nur angenommen wurde, wenn er vermögenslos und arbeitsunfähig war37. Wie beim ehelichen Unterhalt war die Frau daher auch beim Unterhalt nach der Scheidung nur ausnahmsweise zur Unterhaltsleistung an den Mann verpflichtet. Da die eine Unterhaltspflicht begründende Bedürftigkeit an keinen bestimmten Einsatzzeitpunkt geknüpft war, konnte ein Unterhaltsanspruch nach damaliger Rechtslage auch noch lange Zeit nach der Scheidung erstmals entstehen. Der Unterhaltsanspruch erlosch erst bei Wiederverheiratung des Berechtigten endgültig. Bei Wiederverheiratung des Verpflichteten konnte der Anspruch des Berechtigten nach § 1579 BGB 1896 aus Billigkeitsgründen beschränkt oder auch ganz ausgeschlossen sein. (2) Die Gesetzesintention Die Regelungen des Scheidungsfolgenrechts des BGB 1896 waren stark durch das Verschuldensprinzip geprägt38. Dem Schuldausspruch im Scheidungsurteil nach § 1574 BGB 1986 kam damit eine für die vermögensrechtliche Position der Ehegatten nach der Scheidung essentielle Bedeutung zu. Dies rührte auch daher, dass nach damaligem Verständnis die Ehe regelmäßig durch Tod eines Ehegatten beendet wurde39. Die Maxime der Unauflöslichkeit der Ehe zu Lebzeiten zählte so selbstverständlich zum Wesen der Ehe, dass eine gesetzliche Ausformulierung, wie sie heute in § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB zu finden ist, nicht für erforderlich gehalten wurde. Der Staat hatte nach Auffassung des damaligen Gesetzgebers zum Schutz des Instituts der Ehe der Eingehung leichtsinniger Ehe entgegenzutreten und die Aufrechterhaltung bestehender Ehen zu fördern40. Um das Ansehen der Ehe als einer über dem bloßen Willen der Ehegatten stehenden Ordnung zu schützen, sollte eine Scheidung nur ausnahmsweise aufgrund schuldhafter, schwerer Eheverfehlungen eines Ehegatten und keineswegs 37 Kommissionsprotokolle, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1578, S. 369 f; dies galt auch noch im Rahmen des EheG 1938; vgl. Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 66 EheG, Anm. 4. 38 Weitere nachteilige Konsequenzen ergaben sich beispielsweise aus §§ 1584 und 1577 Abs. 2 BGB 1896: Nach § 1584 Abs. 1 S. 1 BGB 1896 konnte ein Ehegatte alle Schenkungen widerrufen, die er dem alleine für schuldig erklärten Ehegatten während des Brautstandes und der Ehe gemacht hatte. Weiter konnte der Mann der alleine für schuldig erklärten Frau die Führung seines Namens gemäß § 1577 Abs. 2 BGB 1896 untersagen. Nach § 1635 Abs. 1 BGB 1896 stand die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder in Fällen, in denen ein Ehegatte allein für schuldig erklärt wurde, dem anderen Teil zu. 39 Kohler, Das Eherecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 39. 40 Denkschrift, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, Vorb. v. §§ 1564 ff, S. 337.
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bereits aufgrund einer gegenseitigen Einwilligung in Betracht kommen41. Im Hinblick auf die nachehelichen Unterhaltsansprüche wollte der Gesetzgeber zwar vermeiden, diesen einen rein pönalisierenden Charakter zu verleihen, da dies nach seiner Auffassung dem Wesen der Ehe widersprochen und der Ehe den Anschein (nur) eines gegenseitigen Vertrags, dessen schuldhafte Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führt, verliehen hätte42. Für schutzwürdig wurde freilich nur der Ehegatte befunden, der die Scheidung nicht (mit-)verschuldet hatte, sondern auf den dauerhaften Bestand der Ehe vertraute und damit auch auf seine Versorgung durch die Ehe vertrauen durfte43. Nur in diesem Fall war nach der Gesetzesbegründung ein Unterhaltsanspruch bei nachehelich eintretender Bedürftigkeit dieses Ehegatten aus Billigkeitsgründen geboten44. Konsequent umgesetzt wurde dieser Gedanke des schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der Ehe indes nicht. Denn schon bei einem nicht unerheblichen Mitverschulden des anderen Ehegatten traten diese Billigkeitserwägungen, die den nachehelichen Unterhaltsanspruch rechtfertigten, aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 1578 BGB 1896 in den Hintergrund; ein nachehelicher Unterhaltsanspruch war vollständig ausgeschlossen. Obgleich sich die Gesetzesbegründung in erster Linie auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes stützte, bleibt festzuhalten, dass sich hierin – zumindest im Ansatz – auch bereits der heute noch das nacheheliche Unterhaltsrecht prägende Gedanke der nachehelichen Solidarität fand; das Reichsgericht hatte diesen Gesichtspunkt in Bezug auf nacheheliche Unterhaltsansprüche noch wenige Jahre vor Inkrafttreten des BGB ausdrücklich abgelehnt45. b) Ehegesetz 1938 und Ehegesetz 1946 Mit dem EheG vom 06.07.193846 wurde das Eheschließungs- und Scheidungsrecht aus dem BGB ausgegliedert und erhielt eine stark nationalsozialistische Prägung. Nach Auffassung des damaligen Gesetzgebers war die Ehe im nationalsozialistischen Staat „kein Vertrag, sondern eine Rechtseinrichtung im Interesse des Fortbestandes des deutschen Volkes“47. Demzufolge wurden neben den bisher bekannten Scheidungsgründen wegen schuldhafter Eheverfehlun41
Denkschrift, in Haidlen (Hrsg.), BGB, Dritter Band, Vorb. §§ 1564 ff, S. 337. Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1578, S. 366 ff. 43 Kommissionsprotokolle, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1578, S. 369: „Man darf nicht verkennen, daß die Frau oft in der Ehe ihre Versorgung findet oder doch bei Eingehung der Ehe darauf rechnet, daß sie, bis der Tod ihre Ehe löst, vom Manne unterhalten wird.“ Entsprechendes galt für den Mann, falls er außerstande war, sich selbst zu unterhalten. 44 Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1578, S. 369. 45 RGZ 8, 184, 188. 46 RGBl. 1938 I, 807. 42
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gen, zu denen nun auch die Verweigerung der Fortpflanzung zählte (§ 48 EheG 1938), weitere verschuldensunabhängige Scheidungsgründe, wie das auf geistiger Störung beruhende Verhalten (§ 50 EheG 1938), ansteckende oder ekelerregende Krankheiten (§ 52 EheG 1938) oder Unfruchtbarkeit (§ 53 EheG 1938), geschaffen. Dahinter stand der Gedanke, dass bei Vorliegen dieser Umstände nicht mehr mit Nachkommenschaft zu rechnen war und die Ehe damit für die Volksgemeinschaft wertlos war48. aa) Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft und bei Getrenntleben, §§ 1360, 1361 BGB 1896 Die Vorschriften der §§ 1360, 1361 BGB 1896 wurden ebenso wie die weiteren Regelungen der allgemeinen Ehewirkungen durch das EheG 1938 nicht geändert. bb) Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, §§ 66 ff EheG 1938 Hinsichtlich des Unterhalts nach der Scheidung differenzierte das EheG 1938 zwischen der Unterhaltspflicht bei Scheidung wegen Verschuldens (§§ 66 ff EheG 1938) und der Unterhaltspflicht bei Scheidung aus anderen Gründen (§§ 69 ff EheG 1938). Neu war bei der Regelung des § 66 EheG 1938, dass eine Unterhaltspflicht bereits bei überwiegendem Verschulden eines Ehegatten bestand. Diese Änderung erfolgte im Interesse einer gerechteren Regelung der nachehelichen Unterhaltspflicht49, da dem Gesetzgeber das Versagen eines Unterhaltsanspruchs bei nur geringem Mitverschulden nunmehr unbillig erschien. Das Maß des Unterhalts orientierte sich nach § 66 Abs. 1 EheG 1938 nicht mehr allein an der Lebensstellung des Mannes, sondern an den Lebensverhältnissen der Ehegatten. Wie bei § 1578 Abs. 2 BGB 1896 war die Bedürftigkeit des Mannes nach § 66 Abs. 2 EheG 1938 an wesentlich engere Voraussetzungen geknüpft als die der Frau50. 47 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), Einl. vor § 1 EheG, Anm. 2; vgl. auch die amtliche Begründung zum EheG 1938 in: DJ 1938, 1102, 1107. 48 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), Einl. vor § 1 EheG, Anm. 2; amtliche Begründung, DJ 1938, 1102, 1107 f. 49 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 66 EheG, Anm. 2. 50 Nach § 66 Abs. 1 EheG 1938 musste sich die Ehefrau im Rahmen der Bedürftigkeit aber die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihr den Umständen nach erwartet werden konnte, anrechnen lassen. Diese Regelung war deutlich strenger als § 1578 Abs. 1 BGB 1896 und lag ebenfalls in der Ideologie des nationalsozialistischen Gesetzgebers begründet, nach der die Erwerbstätigkeit eine grundsätzliche Verpflichtung gegenüber der Volksgemeinschaft war, die unabhängig von den individuel-
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Neu geschaffen wurde auch die Regelung des § 68 EheG 1938, nach der ein Unterhaltsanspruch auch bei gleichwertiger Schuld der Ehegatten an der Scheidung in Betracht kam, wenn sich ein geschiedener Ehegatte nicht selbst unterhalten konnte. Der Anspruch war an enge Billigkeitsvoraussetzungen geknüpft. Er bestand nicht in Höhe des tatsächlichen Bedarfs, sondern nur in Höhe eines Beitrags, der im konkreten Fall der Billigkeit entsprach. Aus diesem Grund wurde der Anspruch aus § 68 EheG 1938 von der damals herrschenden Meinung im Schrifttum seiner Rechtsnatur nach nicht als echter Unterhaltsanspruch, sondern als ein Anspruch sui generis qualifiziert, da nicht Unterhaltsanspruch sein könne, was nur auf einen Beitrag zum Unterhalt gerichtet sei51. Wurde die Ehe nicht wegen Eheverfehlungen, sondern allein wegen eines in §§ 50 ff EheG 1938 genannten Grundes geschieden und enthielt das Scheidungsurteil auch keinen Schuldausspruch, so bestand ein an Billigkeitserwägungen geknüpfter Unterhaltsanspruch des nicht die Scheidung begehrenden Ehegatten nach § 69 Abs. 2 EheG 1938. Dessen Voraussetzungen waren aber deutlich enger als die des § 66 EheG 1938, obwohl den Bedürftigen im Rahmen des § 69 Abs. 2 EheG 1938 – anders als bei § 66 EheG 1938 – überhaupt kein Verschulden an der Scheidung treffen durfte. Besonders prekär stellte sich die rechtliche Situation für den Ehegatten dar, der wegen Zerrüttung der Ehe nach § 55 EheG 1938 auf Scheidung klagte, ohne gegen den anderen Ehegatten auch Schuldvorwürfe erheben zu können. Nach § 69 Abs. 2 EheG 1938 hatte der die Scheidung begehrende Ehegatte unter diesen Voraussetzungen, auch wenn ihm die Ehe unerträglich geworden war, keinen Unterhaltsanspruch. Diese nur schwer mit dem Gerechtigkeitsempfinden zu vereinbarende Regelung wurde seitens des Schrifttums zu Recht kritisiert52. Dass dagegen bei beiderseitigem Verschulden zumindest ein Anspruch auf einen Beitrag zum Unterhalt nach § 68 EheG 1938 auch für den auf Scheidung klagenden Ehegatten bestehen konnte, erweckt den Eindruck, dass dem damaligen Gesetzgeber eine Scheidung ohne Schuldausspruch ungebührlicher erschien, als eine Scheidung aus beiderseitigem, gleichwertigem Verschulden53. Umso mehr erstaunt, dass diese Regelung bis zum Inkrafttreten des 1. EheRG im Jahre 1977 Bestand hatte54. len ehelichen Lebensverhältnissen bestand; vgl. die amtliche Begründung, DJ 1938, 1102, 1107. 51 Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 197; Lauterbach, in: Palandt, BGB (7. Aufl.), § 60 EheG, Anm. 3. Gegen die herrschende Meinung hat Gernhuber überzeugend argumentiert, dass nicht der Umfang, sondern der Zweck den Anspruch qualifiziert. Danach war nach zutreffender Auffassung auch der Anspruch aus § 68 EheG 1938 ein familienrechtlicher Unterhaltsanspruch; vgl. Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 30 IV 2, S. 290. 52 Gernhuber formulierte hierzu treffend: „Zwei gleicherweise zur Scheidung drängende Ehegatten müssen versuchen, jeweils den Partner zur Klage zu veranlassen“, um bei Scheidung wegen Zerrüttung der Ehe einen nachehelichen Unterhaltsanspruch erhalten zu können; vgl. Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 30 V 2, S. 291.
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Insgesamt betrachtet ließen die §§ 66 ff EheG 1938 aber immerhin eine Tendenz dahin erkennen, dem bedürftigen Ehegatten nach der Ehe unter erleichterten Voraussetzungen einen Unterhaltsanspruch zu gewähren (vgl. §§ 66 Abs. 1, 68, 69 EheG 1938); das strenge Verschuldensprinzip, welches das bisherige nacheheliche Unterhaltsrecht geprägt hatte, wurde spürbar abgeschwächt. Mit dem am 20.02.1946 in Kraft getretenen EheG 194655 wurde das EheG 1938 von seinen nationalsozialistischen Tendenzen befreit. Dies galt insbesondere für den Bereich der Eheverbote und der erweiterten Scheidungsgründe56. Die Regelungen zum nachehelichen Unterhalt wurden inhaltlich unverändert ins EheG 1946 übernommen57. c) Gleichberechtigungsgesetz 1957 Mit dem Grundgesetz vom 23.05.194958 wurde der Grundsatz der Gleichberechtigung von Frau und Mann in Art. 3 Abs. 2 GG verankert. Mit diesem in Deutschland neu geschaffenen Verfassungsgrundsatz ließen sich zahlreiche Vorschriften des Eherechts nicht vereinbaren. Die Übergangsregelung in Art. 117 Abs. 1 GG bestimmte, dass das Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehende Recht bis zu seiner Anpassung an den Gleichberechtigungsgrundsatz, jedoch nicht länger als bis zum 31.03.1953 in Kraft blieb. Das Gleichberechtigungsgesetz vom 21.06.195759 trat indessen erst am 01.07.1958 in Kraft. Der Gesetzgeber hat damit immerhin für einen Zeitraum von über 5 Jahren einen Zustand erheblicher Rechtsunsicherheit in Kauf genommen, um eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen, die dem Verfassungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 GG gerecht werden sollte. Denn ob ein Gesetz wegen Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 2 GG außer
53 So zu Recht: Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 30 V 2, S. 291. 54 Die Regelung des § 69 Abs. 2 EheG 1938 wurde wörtlich in § 61 Abs. 2 EheG 1946 übernommen. 55 Gesetz Nr. 16 des Alliierten Kontrollrats über die Ehe. 56 So wurden die Eheverbote wegen Blutsverschiedenheit (§ 4 EheG 1938) oder Mangel an Ehetauglichkeit (§ 5 EheG 1938) entfernt; die Scheidungsgründe der Verweigerung der Fortpflanzung (§ 48 EheG 1938) und der Unfruchtbarkeit (§ 53 EheG 1938) wurden ebenfalls ersatzlos gestrichen. Dagegen blieben die Scheidungsgründe des auf geistiger Störung beruhenden Verhaltens (§ 50 EheG 1938 = § 44 EheG 1946) und der ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit (§ 52 EheG 1938 = § 46 EheG 1946) bis zu ihrer ersatzlosen Streichung durch das 1. EheRG erhalten. 57 Lediglich § 66 Abs. 1 EheG 1938 wurde hinsichtlich der Bedürftigkeit der Frau abgeändert (§ 58 Abs. 1 EheG 1946). Unterließ sie eine ihr mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit, so konnte sich der geschiedene Mann nach § 65 Abs. 1 EheG 1946 auf die Zahlung des „notdürftigen“ Unterhalts beschränken; vgl. Lauterbach, in: Palandt, BGB (7. Aufl.), § 58 EheG, Anm. 3. 58 BGBl. 1949, 1. 59 BGBl. 1957 I, 609.
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Kraft getreten war, hatten letztlich die Gerichte zu entscheiden. Da nicht alle Fälle auch zu einer Entscheidung durch den BGH geführt haben, kam es nicht selten zu voneinander abweichenden Urteilen der Obergerichte60. Der wesentliche Inhalt des GleichberG bestand darin, im persönlichen Eherecht und im Kindschaftsrecht die rechtliche Stellung der Ehefrau und Mutter derjenigen des Ehemannes und Vaters anzugleichen61. So wurde beispielsweise das Entscheidungsrecht des Mannes nach § 1354 BGB 1896 ebenso abgeschafft wie der gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes. Aufgrund Art. 117 Abs. 1 GG traten die §§ 1363 ff BGB 1896 aber bereits am 01.04.1953 außer Kraft, da sie gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz verstießen62; für die Übergangszeit trat nach damals h. M. Gütertrennung ein63. Neuer gesetzlicher Güterstand wurde die Zugewinngemeinschaft64. Diese war bereits vor Inkrafttreten des BGB in einigen deutschen Rechtsgebieten – damals als so genannte „Zugewinstgemeinschaft“ – bekannt65 und wurde auch vom überwiegenden Teil in Literatur und Praxis als neuer gesetzlicher Güterstand empfohlen66. aa) Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft, § 1360 BGB 1957 Im Bereich des Unterhalts während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft ersetzten die neu gefassten §§ 1360, 1360 a BGB 1957 den § 1360 BGB 1896 und die weiteren güterrechtlichen Vorschriften über den ehelichen Aufwand (z. B. §§ 1371, 1389, 1427 BGB 1896). Die auch seitens der Literatur kritisierte67 Differenzierung zwischen Unterhaltsansprüchen der Ehegatten im 60 Vgl. die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 2/224, S. 27; BVerfG 1954, 65, 68 bestätigt dies, stellt aber gleichzeitig fest, „daß eine unerträgliche Rechtsunsicherheit jedenfalls nicht entstanden oder zu erwarten“ sei. 61 Vgl. zum GleichberG die ausführliche Kommentierung von: Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz; zum neu geschaffenen Art. 3 Abs. 2 GG: Knöpfel, NJW 1960, 553 ff. 62 Allg. M.; vgl. nur Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, Vorb. §§ 1363 ff BGB, Nr. 2. 63 BVerfG NJW 1954, 65, 69; Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), Einf. vor § 1363, Anm. 3; Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, Vorb. §§ 1363 ff BGB, Nr. 2. 64 Die diesbezüglichen Regelungen galten ab 01.07.1958 für alle Ehen, in denen die Ehegatten am 31.03.1953 im Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes lebten oder die in der Übergangszeit zwischen 01.04.1953 und 30.06.1958 geschlossen wurden; vgl. Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), Grdzge. vor § 1363, Anm. 5. 65 Vgl. die Nachweise bei: Merzbacher, AcP 156 (1957), 1, 8 f. 66 BT-Drs. 2/224, S. 38; Merzbacher, AcP 156 (1957), 1, 9 f. Aus der Literatur vor Inkrafttreten des GleichberG: Boehmer, MDR 1950, 450, 460 f.
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engeren Sinne und dem ehelichen Aufwand wurde damit aufgegeben und durch die Einführung des Begriffs Familienunterhalt ersetzt68. Die Anspruchsvoraussetzungen wurden im Grundsatz gleichgestellt; jeder Ehegatte konnte vom anderen nach § 1360 BGB 1957 Unterhalt für sich und die gemeinschaftlichen Kinder verlangen69. Die Art, in der der Unterhalt zu leisten war, ergab sich (mittelbar) aus §§ 1360 S. 2, 1360 a Abs. 2 S. 1 BGB 1957, wonach die Frau ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt beizutragen in der Regel durch die Haushaltsführung erfüllte. Nach der vom Gesetz vorgesehenen Rollenverteilung hatte der Mann daher durch Erwerbstätigkeit zum Familienunterhalt beizutragen70. Berücksichtigt man zudem die Regelung des § 1356 Abs. 1 S. 2 BGB 1957, nach der die Frau nur insoweit berechtigt war, erwerbstätig zu sein, als dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie, wozu die Haushaltsführungspflicht nach Abs. 1 S. 1 zählte71, vereinbar war, lässt sich eine nur unzureichende gesetzliche Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes feststellen. Dies wurde auch von Teilen der Lehre erkannt, nach denen die §§ 1356, 1360 BGB 1957 nur als dispositives Recht mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar angesehen wurden72. bb) Unterhalt bei Getrenntleben, § 1361 BGB 1957 Auch § 1361 BGB 1957 wurde mit dem GleichberG grundlegend neu gefasst. Die Neuregelung unterschied sich von § 1361 BGB 1896 insbesondere dadurch, dass sie die Unterhaltsansprüche getrennt lebender Ehegatten erschöpfend regelte und damit eine selbständige Anspruchsgrundlage bildete73. Diese Differenzierung wurde zutreffend damit begründet, dass die Familieneinheit, von der das Gesetz in § 1360 BGB ausgeht, in Zeiten der Trennung nicht (mehr) besteht74. Mit der Neuregelung wurden auch die Anspruchsvoraussetzungen hinsichtlich Mann und Frau weitgehend gleichgestellt75. 67
Boehmer, MDR 1950, 386, 390. Ausführlich zum Familienunterhalt nach dem GleichberG: Brühl, FamRZ 1957, 277 ff. 69 Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, § 1360, Nr. 2; Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), § 1360, Anm. 3. 70 Eine Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit der Frau bestand nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung des § 1360 Abs. 1 S. 2 BGB 1957. 71 Daraus, dass in § 1356 Abs. 1 BGB 1957 im Gegensatz zu § 1356 Abs. 1 BGB 1896 nicht mehr von einer Berechtigung und Verpflichtung zur Haushaltsführung die Rede ist, ist nichts gegenteiliges zu schließen. Die Ehefrau war nach damaligem Verständnis auch weiterhin zur Haushaltsführung verpflichtet; vgl. Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, § 1356, Nr. 3; Ksoll, Familienrecht, S. 53. 72 Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 19 I 4, S. 160 f; als zwingend betrachteten § 1356 BGB 1957 dagegen: Ksoll, Familienrecht, S. 53; Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), § 1360, Anm. 1. 73 Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, § 1361, Nr. 1. 68
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Ein Anspruch auf Trennungsunterhalt aus § 1361 BGB 1957 bestand nur soweit dies der Billigkeit entsprach (§ 1361 Abs. 1 S. 1 BGB 1957). Im Gegensatz zu § 1361 Abs. 1 BGB 1896, nach dem bei berechtigter Verweigerung des ehelichen Lebens ein Unterhaltsanspruch der Frau grundsätzlich immer gegeben war, hatten die Gerichte nunmehr jeweils im konkreten Einzelfall festzustellen, ob die Billigkeitsvoraussetzungen zu bejahen waren. Hierbei maßgebende Anhaltspunkte ergaben sich aus § 1361 Abs. 1 S. 2 BGB 1957. Über die Berücksichtigung der Trennungsgründe im Rahmen der Billigkeit wurde faktisch das die nachehelichen Unterhaltsansprüche beherrschende Schuldprinzip auch in das eheliche Unterhaltsrecht eingeführt76. Voraussetzung für die Bejahung eines Unterhaltsanspruchs war nunmehr stets – unabhängig vom Verschulden – die Bedürftigkeit des Berechtigten77. Das Maß des Unterhalts bestimmte sich ebenfalls danach, was im konkreten Fall der Billigkeit entsprach78. Nach § 1361 Abs. 3 BGB 1957 bestand allerdings weiterhin kein Unterhaltsanspruch, wenn die Herstellung des ehelichen Lebens ohne Berechtigung (§ 1353 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB 1957) und gegen den Willen des anderen Ehegatten verweigert wurde79. cc) Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, §§ 58 ff EheG 1946 – Die Unvereinbarkeit des § 58 EheG 1946 mit Art. 3 Abs. 2 GG Die Regelungen zur Ehescheidung und zum nachehelichen Unterhalt in der Fassung des EheG 1946 ließ das GleichberG nahezu unberührt80. Die Vorschriften des EheG 1946 waren zwar weitgehend mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar. Dies galt indes nicht hinsichtlich der gesetzlichen Differenzierung zwischen Mann und Frau bei den Anspruchs74 Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 21 II 1, S. 181; Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), § 1361, Anm. 1. 75 Lediglich aus § 1361 Abs. 2 BGB 1957 ergaben sich Abweichungen zugunsten der Frau im Falle des überwiegenden Trennungsverschuldens des Mannes; die Frau konnte dann nur unter engen Voraussetzungen auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden. 76 Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 21 II 3, S. 182. 77 Breetzke, in: Krüger/Breetzke/Nowack, Gleichberechtigungsgesetz, § 1361, Rn. 4. 78 Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 21 II 6, S. 183. Nach Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), § 1361, Anm. 2 bestand ein Anspruch der Frau üblicherweise in Höhe von einem Drittel der Einkünfte des Mannes. 79 Wie sich aus dem Wortlaut des § 1361 Abs. 3 BGB 1957 ergibt, trat im Vergleich zur bisherigen Regelung insofern aber eine Umkehr der Beweislast ein: nunmehr war es Sache des Verpflichteten, darzulegen und zu bewesein, dass der Berechtigte nicht zum Getrenntleben berechtigt war. 80 Nach der amtlichen Begründung verzichtete der Gesetzgeber bewusst darauf, gleichzeitig die allgemeine Rechtseinheit auf dem Gebiet des Familienrechts wiederherzustellen, da dies einer vorherigen „eingehenden Überprüfung und Erörterung“ der Regelungen des EheG 1946 bedürfe; vgl. BT-Drs. 2/224, S. 27.
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II. Die Entwicklung der Gesetzgebung seit Inkrafttreten des BGB
voraussetzungen beim nachehelichen Unterhalt (§§ 58 ff EheG 1946). Da bei einem überwiegenden Scheidungsverschulden eines Ehegatten ein Unterhaltsanspruch des Mannes (§ 58 Abs. 2 EheG 1946) nur unter deutlich engeren Voraussetzungen gegeben war, als dies bei der Frau (§ 58 Abs. 1 EheG 1946) der Fall war, war § 58 EheG 1946 mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar81. In Rechtsprechung und Lehre war aber zunächst heftig umstritten, inwieweit das EheG 1946 als Gesetz des Alliierten Kontrollrats überhaupt an der Verfassung zu messen sei und welche Folgen sich bejahendenfalls aus einem Verfassungsverstoß ergaben82. Verschiedene Stimmen in der Literatur83 und auch Teile der Rechtsprechung84 waren der Auffassung, § 58 EheG 1957 könne nicht oder nur in einer mit dem Grundgesetz konformen Weise angewandt werden. Zum Teil sprach man sich für eine analoge Anwendung des § 1361 BGB 1957 aus85; von anderer Seite wurde erwogen, § 58 Abs. 1 EheG 1946 auch auf den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Mannes anzuwenden86. Geklärt wurde diese Rechtsunsicherheit erst durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 196387. Danach ergebe sich aus Art. 1 des Überleitungsvertrags88, dass die besatzungsrechtlichen Vorschriften ohne Rücksicht auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zunächst fortgelten89. Eine diesbezügliche Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts sei ausgeschlossen. Seit Aufhebung des Besatzungsstatuts durch die Bonner Verträge90 am 05.05.1955 unterstehe das Besatzungsrecht aber der deutschen Gesetzgebungsgewalt91; der Gesetzgeber habe seitdem die Pflicht, die Vereinbar81 Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 532; Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), § 58 EheG, Vorbem.; Ksoll, Familienrecht, S. 62. 82 Vgl. zum Meinungsstand die Nachweise bei: Diederichsen, in: Palandt (37. Aufl.), BGB, Einleitung EheG 1946, Anm. 1 B. 83 Krüger, in: Krüger/Breetzke/Nowack, Gleichberechtigungsgesetz, Einl., Rn 155 ff; Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), § 58 EheG, Vorbem.; Ksoll, Familienrecht, S. 62; Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 193; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 30 III 1 und 2, S. 286 f. 84 OLG Frankfurt FamRZ 1955, 175, 176, allerdings im konkreten Fall hinsichtlich des § 57 EheG 1946; für § 58 EheG 1946 konnte dann indes nichts anderes gelten. 85 Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), § 58 EheG, Vorbem.; Ksoll, Familienrecht, S. 62. 86 Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 193. 87 BVerfG NJW 1963, 947 ff; die Entscheidung erging zu § 6 HöfeO (BrZ). 88 Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, BGBl. 1955 II, 405. 89 BVerfG NJW 1963, 947, 948 f. Dies entsprach auch der damals überwiegenden Meinung; vgl. Hagemeyer, NJW 1953, 601; Finke, NJW 1953, 606, 610; Diederichsen, in: Palandt (37. Aufl.), BGB, Einleitung EheG 1946, Anm. 1 B. 90 BGBl. 1955 II, 301. 91 BVerfG NJW 1963, 947, 948 f; vgl. hierzu Art. 1 Abs. 1 des zu den Bonner Verträgen zählenden Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, BGBl. 1955 II, 405.
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keit dieser Vorschriften mit dem Grundgesetz zu überprüfen und bei einer festgestellten Unvereinbarkeit eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen. Ob er dieser Pflicht nachkomme, sei durch das Bundesverfassungsgericht überprüfbar92. Dieser Entscheidung kann im Ergebnis zugestimmt werden93. Demgemäß hatte auch § 58 EheG 1946 neben der Verfassung weiter Bestand und war von den Gerichten zu beachten und anzuwenden94. Denn diesen stehen – vorbehaltlich einer Gesetzesauslegung in zulässigem Maße – neben der hier nicht greifenden Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff BVerfGG95 keine weiteren Möglichkeiten zu, ein Gesetz im formellen Sinne contra legem nicht anzuwenden96. Dass der Gesetzgeber bis 1977, dem Inkrafttreten des 1. EheRG, keine verfassungskonforme Regelung in Bezug auf § 58 EheG 1946 geschaffen hat, obwohl dessen Verfassungswidrigkeit evident war, ist m. E. sehr erstaunlich. Der BGH wies indessen „durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken“ gegen § 58 EheG 1946 mit der schwerlich überzeugenden Begründung zurück, dass die Differenzierung zwischen Mann und Frau im Wortlaut des § 58 EheG 1946 durch eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 GG ausgeglichen werden könne97. d) 1. EheRG 1976 Mit dem am 01.07.1977 in Kraft getretenen Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.197698 hat das Eherecht des BGB eine seiner tiefgreifendsten Veränderungen erfahren. Auslösendes Moment für die Reform war nach den Worten des damaligen Bundesjustizministers Vogel eine Änderung des § 48 Abs. 2 EheG 1946 aus dem Jahre 196199. Der Antrag einer Bundestagsfraktion, den § 48 Abs. 2 EheG 1946 in seiner alten Fassung wieder92
BVerfG NJW 1963, 947, 949. Diederichsen, in: Palandt, BGB (37. Aufl.), Einl. EheG, Anm. 2; Reinicke, NJW 1965, 385, 386; zuvor bereits für die Weitergeltung des Besatzungsrechts: Beitzke, FamRZ 1958, 7, 11; Brühl, FamRZ 1957, 277, 283. 94 BayObLG FamRZ 1962, 120, 121; OLG Braunschweig FamRZ 1955, 361; OLG Hamm 1964, 212, 213; Cuny, in RGRK, BGB, § 58 EheG, Rn. 1. Der BGH hatte dies hinsichtlich einer anderen besatzungsrechtlichen Regelung, dem Dekartellierungsgesetz (US-MRG 56), ebenso entschieden; vgl. BGH NJW 1956, 959 f. 95 Da sich der Gesetzgeber im Rahmen des GleichberG nicht zu den Vorschriften des EheG geäußert hatte, waren diese weiterhin wie vorkonstitutionelles Recht zu behandeln und damit einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht von vornherein entzogen. 96 Auch in der Entscheidung in NJW 1963, 947 ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die verfassungswidrige Regelung des § 6 Abs. 1 S. 3 HöfeO bis zu einer Neuregelung abwendbar blieb; vgl. BVerfG NJW 1963, 947, 949. 97 BGH NJW 1979, 1985. 98 BGBl. 1976 I, 1421. 99 FamRÄG vom 11.08.1961; BGBl. 1961 I, 1221. 93
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herzustellen, war Ausgangspunkt der Überlegungen, dass das Ehe- und Scheidungsrecht einer grundlegenden Überprüfung bedurfte100. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung heißt es zur Zielsetzung des 1. EheRG: „Im geltenden Ehe- und Familienrecht, insbesondere im Bereich der persönlichen Ehewirkungen, ist die Gleichberechtigung der Frau noch nicht voll verwirklicht. Im Scheidungsrecht ist das Schuldprinzip nach allgemeiner Auffassung überholt. Die rechtlichen Wirkungen der Ehe, die Ehescheidung und die Scheidungsfolgen sind daher auf eine neue Grundlage zu stellen, die den geänderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung trägt. Das neue materielle Recht erfordert nach seinem Grundgedanken eine Zusammenfassung der gerichtlichen Zuständigkeiten für die Scheidung und die Scheidungsfolgenregelungen (Familiengericht).“101
Dieser Zielsetzung folgend, waren die Schwerpunkte des 1. EheRG die Gleichberechtigung in der Ehe (§§ 1353 ff BGB), das Recht der Ehescheidung (§§ 1564 ff BGB), das nacheheliche Unterhaltsrecht (§§ 1569 ff BGB), der Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff BB) und die Neugestaltung des Eheverfahrens (§§ 606 ff ZPO). Die von Teilen des Schrifttums zu Recht erhobene Kritik102 an den im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG nicht weit genug reichenden Änderungen durch das GleichberG wurde durch das 1. EheRG größtenteils aufgearbeitet. Das Recht der Ehescheidung und der Scheidungsfolgen wurde aus dem EheG 1946 in das BGB reintegriert103. Völlig neu in das Scheidungsfolgenrecht eingefügt wurde das Institut des Versorgungsausgleichs, dem – ähnlich wie dem Zugewinnausgleich – der Gedanke des Ausgleichs ehezeitlich erworbener Vermögenspositionen zugrunde lag104. Verfahrensrechtlich brachte das 1. EheRG mit der Schaffung der Familiengerichtsbarkeit105 und des Scheidungsverbundes106 umfangreiche Änderungen der ZPO mit sich. An den Beginn der Vorschriften über die allgemeinen Ehewirkungen wurde der Grundsatz gestellt, dass die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird (§ 1353 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies ergibt sich zwar bereits aus dem Wesen der Ehe; der 100
Vogel, FamRZ 1976, 481. BT-Drs. 7/650, S. 1; vgl. zur Zielsetzung der Reform auch: Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Reform des Ehe- und Familienrechts, S. 19 ff. 102 Vgl. zu den Regelungen der §§ 1355 ff BGB 1957 beispielsweise: Breetzke, in: Krüger/Breetzke/Nowack, Gleichberechtigungsgesetz, §§ 1355 ff. 103 Die übrigen Regelungen des EheG 1946 (Recht der Eheschließung, der Ehenichtigkeit und der Eheaufhebung) sollten zwar ebenfalls in naher Zukunft wieder ins BGB eingefügt werden (vgl. Vogel, FamRZ 1976, 481, 491); die Zeit hat jedoch gezeigt, dass bis dahin über 20 Jahre vergehen sollten. 104 Vgl. zu Intention und Inhalt der damaligen Regelungen: Maydell, FamRZ 1977, 172 ff. 105 Vgl. zu Intention und Inhalt der damaligen Regelungen: Brüggemann, FamRZ 1977, 1 ff. 106 Vgl. zu Intention und Inhalt der damaligen Regelungen: Schwab, FamRZ, 1976, 658 ff. 101
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Gesetzgeber sah sich dennoch zu einer ausdrücklichen Regelung veranlasst, um klarzustellen, dass diese Maxime auch durch den Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht, welches eine Auflösung der Ehe im Vergleich zum bisherigen Recht wesentlich erleichterte, unangetastet bleibt107. aa) Unterhalt während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft, § 1360 BGB Der Gesetzgeber hatte erkannt, dass das GleichberG zwar die volle Gleichberechtigung der Frau im Ehe- und Familienrecht verwirklichen sollte, hinsichtlich der Aufgabenverteilung in der Ehe jedoch ein Teil der überkommenen Privilegien des Mannes erhalten geblieben waren108. Das gesetzliche Leitbild der Hausfrauenehe wurde daher mit dem 1. EheRG als nicht mehr zeitgemäß aufgegeben109; die Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung in der Ehe hat seitdem im Einvernehmen der Ehegatten zu erfolgen110. § 1360 S. 2 BGB stellt hierzu lediglich fest, dass die Haushaltsführung eines Ehegatten einen ausreichenden und der Erwerbstätigkeit gleichwertigen Beitrag zum Familienunterhalt darstellt. Da entsprechende Bestimmungen hinsichtlich der Aufgabenteilung bei der Doppelverdienerehe oder der Zuverdienerehe fehlen, geht das Gesetz weiterhin von einer Haushaltsführungs- beziehungsweise Einverdienerehe aus111. Diese ist nach der Formulierung des § 1360 S. 2 BGB entweder Hausfrauen- oder Hausmannsehe112, wobei der Gesetzgeber im Jahre 1976 immer noch davon ausging, dass „in der Mehrzahl der Fälle“113 das Modell der Hausfrauenehe gelebt werde. § 1360 BGB in der Fassung des 1. EheRG ist bis heute unverändert114. bb) Unterhalt bei Getrenntleben, § 1361 BGB § 1361 BGB wurde gegenüber der Fassung des GleichberG wesentlich geändert. Der Grundsatz der Anspruchsberechtigung (nur) nach Billigkeit wurde aufgegeben. Nach der Neufassung des § 1361 BGB kann ein Ehegatte vom ande107 BT-Drs. 7/4361, S. 6. Diese Regelung war im Regierungsentwurf noch nicht enthalten und wurde erst durch den Rechtsausschuss in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. 108 So ausdrücklich: BT-Drs. 7/4361, S. 7. 109 BT-Drs. 7/650, S. 75; BT-Drs. 7/4361, S. 7. 110 Vgl. BT-Drs. 7/650, S. 100. 111 Diederichsen, in: Palandt (37. Aufl.), § 1360, Anm. 3; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 18. 112 So Diederichsen, in: Palandt (37. Aufl.), § 1360, Anm. 3a). 113 BT-Drs. 7/650, S. 101; vgl. auch Abschnitt I., Fn. 130. 114 Vgl. zum Regelungsinhalt bereits oben unter I.1.b) aa).
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ren im Falle des Getrenntlebens grundsätzlich den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen115. Diese Neuregelung resultiert aus der konsequenten Umsetzung der Aufgabe des Verschuldensprinzips. Für die Billigkeitsentscheidung nach § 1361 BGB 1957 waren insbesondere auch die Trennungsgründe und damit auch das Verschulden an der Trennung zu berücksichtigen. Da das Verschulden nach der neuen Konzeption des Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts in den Hintergrund getreten ist, konnte es folgerichtig erst recht nicht mehr in der Trennungszeit maßgebend sein116. Um Unbilligkeiten im Einzelfall vermeiden zu können, verweist § 1361 Abs. 3 BGB auf die Härteklausel des § 1579 BGB117. § 1361 BGB blieb seit seiner Neufassung durch das 1. EheRG weitgehend unverändert118. cc) Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, §§ 1569 ff BGB Im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht ergaben sich aus dem Wechsel vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip nachhaltige Veränderungen119. Die Kasuistik der §§ 42 ff EheG 1946 wurde aufgegeben; einziger Scheidungsgrund ist nach § 1565 Abs. 1 S. 1 BGB das Scheitern der Ehe, wobei nicht jede, sondern nur die endgültige, unheilbare Zerrüttung die Scheidung ermöglichen soll120. An diese, durch den Richter zu treffende Feststellung sind allerdings durch die unwiderlegbaren Vermutungsregelungen des § 1566 BGB keine allzu großen Voraussetzungen geknüpft121. 115 Auch § 1361 Abs. 2 BGB, dem ebenfalls das gesetzliche Leitbild der Hausfrauenehe zugrunde lag (vgl. BT-Drs. 7/650, S. 101), wurde hinsichtlich der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten abgeändert. Die Voraussetzungen der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit sind seitdem für beide Ehegatten gleich; entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. 116 BT-Drs. 7/650, S. 100; Dieckmann, FamRZ 1977, 161, 171; Diederichsen, in: Palandt (37. Aufl.), § 1361, Anm. 1. 117 BT-Drs. 7/650, S. 101. 118 Zum Regelungsinhalt des § 1361 BGB in seiner heutigen Fassung vgl. bereits unter I.1.b)bb). Die Vorschrift erfuhr lediglich durch das UÄndG im Jahre 1986 (BGBl. 1986 I, 301), das UnterhaltsberechtigungsG im Jahre 1991 (BGBl. 1991 I, 46) und das RRG im Jahre 1999 (BGBl. 1997 I, 2998) kleinere, an dieser Stelle jedoch nicht näher zu erörternde Änderungen. 119 Vgl. ausführlich zu Entstehungsgeschichte, Intention und Regelungsinhalt des Scheidungsrechts nach dem 1. EheRG: Schwab, FamRZ 1976, 491 ff. 120 BT-Drs. 7/650, S. 75. 121 Aus diesem Grunde wurde § 1566 BGB in der Literatur teilweise als mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen; vgl. Habscheid, in: FS Bosch, 355, 370 f. Der Gesetzgeber sah demgegenüber gerade eine Widerlegbarkeit dieser Vermutungen als ehefeindlich an, da dann der Anreiz entfiele, die Fristen des § 1566 BGB abzuwarten und voreilig die sofortige Scheidung begehrt werden könnte; vgl. BT-Drs. 7/4361, S. 12 f.
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Die Aufgabe des Verschuldensprinzips erforderte auch eine Neugestaltung des nachehelichen Unterhaltsrechts (§§ 1569 ff BGB). Wie bei den Scheidungsvoraussetzungen sollte auch dort grundsätzlich nicht mehr nach der Schuld an der Zerrüttung der Ehe geforscht werden122. Nach der Gesetzesintention sollten künftig allein wirtschaftliche Gesichtspunkte über einen nachehelichen Unterhaltsanspruch entscheiden, dessen Rechtfertigung unabhängig vom Verschulden am Scheitern der Ehe in der fortwirkenden nachehelichen Solidarität gesehen wurde123. Den Unterhaltstatbeständen wurde der Grundsatz des § 1569 BGB vorausgestellt, wonach ein geschiedener Ehegatte (nur) dann Anspruch auf Unterhalt hat, wenn er nicht für sich selbst sorgen kann. Nach dem nunmehr herrschenden Enumerationsprinzip folgen diesem Grundsatz – in Abkehr von den allgemein gefassten Tatbeständen der §§ 58, 60, 61 EheG 1946 – die sieben abschließend aufgezählten Unterhaltstatbestände der §§ 1570 bis 1573, 1575, 1576 BGB. Eine Generalklausel, wonach Unterhalt nur nach Billigkeitserwägungen zu gewähren ist, wurde seitens des Gesetzgebers aus Rechtssicherheitsgründen zunächst abgelehnt124, fand sich dann aber dennoch in § 1576 BGB125. Als Ausgleich zur Abschaffung des Verschuldensprinzips wurde die negative Härteklausel des § 1579 BGB geschaffen, um bei grober Unbilligkeit einer Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen gerechte Ergebnisse erzielen zu können126. Mit § 1582 BGB wurde die Unterhaltskonkurrenz nach Wiederverheiratung des unterhaltspflichtigen Ehegatten – anders als im bisherigen Recht nach § 59 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 EheG 1946 – zugunsten des geschiedenen Ehegatten entschieden127. Das Maß des nachehelichen Unterhalts orientiert sich seit dem 1. EheRG gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB an den ehelichen Lebensverhältnissen. Nach der Gesetzesbegründung sollte hierdurch den Fällen gerecht werden, in denen durch die gemeinsame Leistung der Ehegatten ein höherer sozialer Status erreicht 122
BT-Drs. 7/650, S. 76. BT-Drs. 7/650, S. 120. 124 BT-Drs. 7/650, S. 121. 125 BT-Drs. 7/4361, S. 17. Diese Regelung war im Regierungsentwurf noch nicht enthalten und wurde erst durch den Rechtsausschuss in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt. 126 Der Gesetzgeber hat hierbei allerdings explizit betont, dass die Anwendung dieser Regelung der Ausnahmefall bleiben müsse und hierdurch keineswegs das Schuldprinzip in der unterhaltsrechtlichen Auseinandersetzung wieder aufleben solle; vgl. BT-Drs. 7/4361, S. 32. 127 Hiergegen wurden im Schrifttum beachtliche verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG erhoben, da durch diese finanzielle Belastung des Unterhaltspflichtigen im Falle einer Wiederheirat in der neuen Ehe eine Haushaltsführungsehe oder ein Kinderwunsch möglicherweise versagt bleiben müssten; vgl. Dieckmann, FamRZ 1977, 161, 163; Diederichsen, in: Palandt, BGB (37. Aufl.), § 1582, Anm. 1. Die Verfassungsmäßigkeit des § 1582 BGB wurde indes höchstrichterlich bestätigt; vgl. BVerfG NJW 1984, 1523, 1524 f; BGH NJW 1985 1029 f. 123
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worden sei, an dem auch der nicht erwerbstätig gewesene Ehegatte zu beteiligen sei128. Zwar wurde aus dem Schrifttum moniert, dass hier die bisherige Regelung zur Scheidung wegen Zerrüttung der Ehe, nach der sich das Maß des Unterhalts nach Billigkeitsgrundsätzen bestimmte (§ 61 Abs. 2 EheG 1946), als flexiblere Lösung vorzugswürdig gewesen wäre129. Dem ist indes zu entgegnen, dass die gesetzgeberische Lösung die konsequentere Umsetzung der Aufgabe des Verschuldensprinzips darstellt, die zudem in der Praxis einfacher zu handhaben ist und auch im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung im nachehelichen Unterhaltsrecht vorzugswürdig erscheint. Die Vorschriften zum nachehelichen Unterhaltsrecht blieben seit dem Inkrafttreten des 1. EheRG weitgehend unverändert130. e) Zwischenergebnis In kaum einem anderen Rechtsgebiet spiegeln sich die gesellschaftlichen Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts so wider wie im Ehe- und Familienrecht. So haben sich auch die Vorschriften zu den ehebedingten Unterhaltsansprüchen seit Inkrafttreten des BGB in vielen Punkten grundlegend geändert. Während das Eherecht in der Fassung des BGB 1896 noch stark von patriarchalischen Erwägungen geprägt war, wurde der seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24.05.1949 verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG) in mehreren Schritten nunmehr im Gesetz verwirklicht. Die Regelungen zum Unterhalt während bestehender Ehe (§§ 1360, 1361 BGB) haben sich dabei insbesondere hinsichtlich des Anspruchsberechtigten geändert. Aufgrund der früheren gesellschaftlichen und gesetzgeberischen Vorstellungen vom Mann als „Haupt des Hauses“131 und dem daraus resultierenden gesetzlichen Leitbild der Hausfrauenehe war bis zum Inkrafttreten des GleichberG im Jahre 1957132 grundsätzlich die Frau und nur ausnahmsweise der Mann unterhaltsberechtigt. Vollständig gleichgestellt wurden die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1360, 1361 BGB für Frau und Mann allerdings erst mit dem 1. EheRG133. Die im BGB 1896 noch vorgesehene Berechtigung zum Ge128
BT-Drs. 7/650, S. 136. Dieckmann, FamRZ 1977, 81, 84. 130 Durch das UÄndG 1986 wurde § 1573 Abs. 5 BGB eingefügt; gleichzeitig wurden die §§ 1578, 1579 BGB geringfügig abgeändert. Durch das UnterhaltsberechnungsG 1991 wurde § 1578a BGB neu eingefügt. Hinsichtlich der inhaltlichen Regelungen der § 1569 ff BGB in der derzeit gültigen Fassung sei auf die Ausführungen unter I.1.b)cc) verwiesen. 131 RGZ 8, 184, 185. 132 Das gesetzliche Leitbild der Hausfrauenehe wurde freilich erst mit dem 1. EheRG aufgegeben. 129
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trenntleben als Anspruchsvoraussetzung des § 1361 BGB wurde ebenfalls erst mit dem 1. EheRG vollständig aufgehoben. Beim nachehelichen Unterhalt ist sicherlich die Ablösung des Verschuldensprinzips durch das Zerrüttungsprinzip, das Kernstück134 des 1. EheRG, als bedeutendste Änderung zu nennen. Die Neuregelung der Scheidungsgründe konnte nur dann gelingen, wenn sie – wie geschehen – auch im Scheidungsfolgenrecht konsequent umgesetzt wurde. Demzufolge wurde das nacheheliche Unterhaltsrecht, das dem unbefangenen Betrachter den Eindruck vermitteln konnte, das Verschulden sei Leistungsgrund des Unterhalts, nunmehr ebenfalls verschuldensunabhängig ausgestaltet. Leistungsgrund für den nachehelichen Unterhalt ist die Ehe, genauer: die durch sie begründete nacheheliche Solidarität. Der Unterhaltsanspruch knüpft daher grundsätzlich an eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an135. Im Rechtsempfinden der Öffentlichkeit fand zunächst lediglich die Neuregelung der Scheidungsvoraussetzungen Zustimmung; bei den Scheidungsfolgen schien dies nicht der Fall zu sein136. Selbst eine im Jahre 1986 erschienene Studie kam noch zu dem Ergebnis, dass die Akzeptanz der eigenen Unterhaltsverpflichtung unter dem EheG 1946 deutlich größer gewesen sei als unter dem 1. EheRG137. Dies dürfte sich mittlerweile etwas gewandelt haben. Akzeptanzproblemen sieht sich das nacheheliche Unterhaltsrecht aber weiterhin in Bezug auf die Dauer des Anspruchs ausgesetzt138.
2. Die Entwicklung der Rechtslage im Bereich der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich ehebedingter Unterhaltsansprüche Der Ehevertrag hat Tradition im deutschen Recht. Seine Wurzeln reichen zurück bis in die mittelalterliche Zeit. Das mittelalterliche Recht verstand unter 133 Das GleichberG nahm in §§ 1360, 1361 BGB noch Differenzierungen zwischen den ehelichen Unterhaltsansprüchen des Mannes und der Frau vor. 134 So Schwab, FamRZ 1976, 491. 135 Verschuldensgesichtspunkte sind aber im Rahmen der negativen Härteklausel des § 1579 BGB zu berücksichtigen, die als wichtiger Kompromiss zwischen der Abkehr des Verschuldensprinzips und der Tatsache, dass auf Verantwortlichkeitserwägungen nicht gänzlich verzichtet werden kann, zu verstehen ist; vgl. Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1579, Rn. 1. 136 Walter, NJW 1981, 1409. 137 Breithaupt, Die Akzeptanz des Zerrüttungsprinzips des 1. EheRG, S. 225 ff. Auch Willutzki konstatiert, dass das Ehegattenunterhaltsrecht die größten Widersprüche in Bezug auf das 1. EheRG ausgelöst hätte; vgl. Willutzki, FamRZ 1997, 777, 778. 138 Vgl. insbesondere: Willutzki, FamRZ 1997, 777, 778, der den Grund für diese gesetzliche Konzeption darin sieht, dass befürchtet worden sei, eine (zu) stark betonte Eigenverantwortlichkeit des Geschiedenen könnte zu einem Massenansturm auf die Scheidung und damit zu einem Verfall der Institution Ehe führen.
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den Begriffen Ehevertrag, Ehestiftung oder Ehepakt alle Verträge zwischen Verlobten, Ehegatten oder beiderseitigen Angehörigen, die mit Rücksicht auf die Ehe geschlossen wurden139. In diesem Sinne zählten hierzu auch erbrechtliche, personenrechtliche oder rein sachenrechtliche Verträge. Auch vor Inkrafttreten des BGB war in den verschiedenen Rechtsordnungen im Reichsgebiet die Möglichkeit, die güterrechtlichen Verhältnisse durch Ehevertrag zu regeln, weitgehend anerkannt; entsprechende Vereinbarungen konnten grundsätzlich formlos geschlossen werden140. Spätestens seit Inkrafttreten des BGB umfasst der gesetzliche Begriff des Ehevertrags nur noch Vereinbarungen zur Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse141, seit Einführung des Versorgungsausgleichs auch diesbezügliche Regelungen. Wie bereits ausgeführt, umfasst ein Ehevertrag im erweiterten Sinne alle ehebezogenen Vereinbarungen zur Regelung der Ehewirkungen, des Güterrechts und der Scheidungsfolgen142. a) BGB 1896 Bereits das BGB 1896 hatte einen eigenen Abschnitt zum vertragsmäßigen Güterrecht (§§ 1432 bis 1557 BGB 1896)143. § 1432 BGB 1896 enthielt eine mit § 1408 Abs. 1 BGB wortgleiche Legaldefinition des Ehevertrags. Nach § 1434 BGB 1896 musste ein Ehevertrag bei Anwesenheit beider Teile vor Gericht oder vor einem Notar geschlossen werden. Im Güterrecht galt somit der Grundsatz der Vertragsfreiheit, wobei bereits damals betont wurde, dass diese nur im Rahmen der allgemeinen Regeln des BGB gewährleistet sein konnte144. aa) Vereinbarungen zum Unterhalt während bestehender Ehe Aufgrund der §§ 1360 Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB 1896 konnte auf den Unterhaltsanspruch bei bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft und bei Getrenntleben nicht verzichtet werden. Ehevertragliche Vereinbarungen, welche die Ausgestaltung des Unterhaltsanspruchs während bestehender Ehe regelten, wurden aber bereits damals im Grundsatz für zulässig erachtet145. Auch eine Erweite139
v. Baligand, Der Ehevertrag, S. 2. Kohler, Das Eherecht, S. 101 f. 141 v. Baligand, Der Ehevertrag, S. 4; Hummelsheim, Der Ehevertrag nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen, S. 11; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 1. 142 Vgl. unter I.2.b)aa). 143 Dieser beinhaltete ausführliche Regelungen zu den Vertragsgüterständen Gütertrennung (§ 1436 BGB 1896), allgemeine Gütergemeinschaft (§§ 1437 ff BGB 1896), Errungenschaftsgemeinschaft (§§ 1519 ff BGB 1896) und Fahrnisgemeinschaft (§§ 1549 ff BGB 1896). 144 v. Baligand, Der Ehevertrag, S. 20 ff. 145 v. Baligand, Der Ehevertrag, S. 4 f. 140
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rung der ehelichen Unterhaltspflichten wurde als wirksam angesehen146. Da es – wie auch heute noch – an weiteren gesetzlichen Regelungen zur vertraglichen Ausgestaltung der ehelichen Unterhaltsansprüche fehlte, wurden Umfang und Grenzen der Vertragsgestaltung maßgeblich von der Rechtsprechung geprägt. Bei bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft wurde die Vereinbarung einer monatlich zur Abgeltung des ehelichen Aufwands an die Frau zu zahlenden Geldrente als unzulässig beurteilt, da dies nach Auffassung des Reichsgerichts dem in §§ 1354, 1356, 1357 BGB 1896 manifestierten Wesen der Ehe, insbesondere dem Entscheidungsrecht des Mannes widersprach147. Als grundsätzlich zulässig bewertete das Reichsgericht Vereinbarungen hinsichtlich Art und Maß der Unterhaltspflicht bei Getrenntleben, soweit ein Recht zum Getrenntleben bestand und sich die Abrede in dem durch §§ 1360, 1361, 1614 Abs. 1 BGB 1896 vorgegebenen Rahmen hielt148, der gesetzlich geschuldete Unterhalt also nicht unterschritten wurde149. Sollte die Vereinbarung das Getrenntleben dagegen nur ermöglichen, ohne dass ein Ehegatte hierzu berechtigt war, wurde sie als nichtig beurteilt, da dies als von Gesetz und Sitte missbilligt angesehen wurde150. Ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) wurde auch dann angenommen, wenn durch die vertragliche Abrede die Erhebung der Scheidungsklage oder die Rückkehr in die häusliche Gemeinschaft verhindert werden sollte151. Ob eine Vereinbarung über den ehelichen Unterhalt der Formvorschrift des § 1434 BGB 1896 unterfiel, erschien zunächst fraglich, da die §§ 1360, 1361 BGB 1896 im Abschnitt der allgemeinen Ehewirkungen standen und daher nicht zu den güterrechtlichen Verhältnissen im Sinne des § 1432 BGB 1896 zählten. Wie bereits dargelegt, differenzierte das Gesetz zwischen der Unterhaltspflicht unter Ehegatten (§§ 1360, 1361 BGB 1896) und der bei den güterrechtlichen Verhältnissen normierten ehelichen Aufwandspflicht (§ 1389 BGB 1896). Da letztere aber mit der Unterhaltspflicht teilweise identisch sein konnte, war eine genaue Trennung zwischen den §§ 1360, 1361 BGB 1896 und § 1389 BGB 1896 nicht möglich152. Daher ging man davon aus, dass Verträge über den 146
Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1360, Anm. 1. RG JW 1905, 435 f; RG DJ 1939, 664 f. 148 RGZ 109, 137, 141 m. w. N.; RG DJ 1939, 664 f. 149 Blieb bei einer nachträglichen Besserung der Vermögensverhältnisse der vertraglich geschuldete Unterhaltsbetrag hinter dem gesetzlich geschuldeten zurück, war dennoch der gesetzlich geschuldete, sich nach § 1361 BGB 1896 an der Lebensstellung des Mannes orientierende Unterhalt zu gewähren. War dies nach dem Inhalt der Vereinbarung ausgeschlossen, wurde diese als unwirksam beurteilt; vgl. RGZ 61, 50, 54. 150 RG JW 1920, 640; RGZ 109, 137, 140; Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1360, Anm. 1. 151 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 1360, Anm. 1. Erst recht nichtig war die Vereinbarung einer Verpflichtung zum Getrenntleben gegen Unterhaltszahlungen; vgl. RG JW 1920, 640. 147
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Unterhalt während bestehender Ehe auch die güterrechtlichen Verhältnisse betrafen und somit regelmäßig als Eheverträge im Sinne des § 1432 BGB 1896 zu betrachten waren153. Damit bedurften sie auch der Form des § 1434 BGB 1896. bb) Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt Das BGB 1896 kannte keine dem § 1585 c BGB entsprechende oder eine anderweitige Regelung zur Zulässigkeit von Unterhaltsvereinbarungen. Allerdings verwies § 1580 Abs. 3 BGB 1896 hinsichtlich der nachehelichen Unterhaltspflicht auf die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1607, 1610, 1611 Abs. 1, 1613 und 1615 BGB 1896. Aus dieser Gesetzessystematik, nach der auf das Verzichtsverbot in § 1614 BGB gerade nicht verwiesen wurde, schlossen Rechtsprechung154 und herrschende Lehre155, dass vertragliche Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt im Grundsatz zulässig seien. Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung, wurden solche Vereinbarungen als formlos wirksam angesehen. Aufgrund der damals verfestigten Auffassung von der prinzipiellen Unauflöslichkeit der Ehe zu Lebzeiten setzte die Rechtsprechung Unterhaltsvereinbarungen, die vor oder während bestehender Ehe geschlossen wurden, unter Anwendung der §§ 134, 138 BGB jedoch enge Grenzen. Das Reichsgericht leitete aus dem Wesen der Ehe ein Prinzip der möglichsten Aufrechterhaltung der Ehe und damit einen Grundsatz des Eheschutzes her, der es gebiete, eine vertragliche Vereinbarung, die dem Zweck diene, die Scheidung wesentlich zu erleichtern oder sie gar erst zu ermöglichen, als gesetzlich verboten oder jedenfalls sittenwidrig zu behandeln156. Hierbei konnte sich die Rechtsprechung auch auf den Rechtsgedanken des § 622 Abs. 1 ZPO a. F.157 stützen. So wurden beispielsweise Unterhaltsvereinbarungen, durch die ein (noch) nicht scheidungswilliger Ehegatte dazu bestimmt werden sollte, die Scheidungsklage zu erheben als nichtig angesehen158. Gleiches galt hinsichtlich einer Abrede, nach der ein vorgetäuschter oder erst zu schaffender Scheidungsgrund geltend gemacht werden 152
Vgl. hierzu oben unter II.1.a)aa). v. Baligand, Der Ehevertrag, S. 4 f. 154 RG JW 1916, 573, 575; RGZ 56, 121, 124; RGZ 117, 246, 248. 155 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 80 EheG, Anm. 1. 156 RG JW 1913, 16; RG JW 1913, 321; RG JW 1916, 573, 574; RGZ 108, 213, 216. Vgl. ausführlich zur damaligen Rechtsprechung des Reichsgerichts: Reinhardt, Die Zulässigkeit des Verzichts auf den nach der Scheidung gegebenen Unterhaltsanspruch, S. 16 ff. 157 § 622 Abs. 1 S. 1 ZPO a. F. lautete: „Zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Ehe kann das Gericht Tatsachen, welche von den Parteien nicht vorgebracht sind, berücksichtigen und die Aufnahme von Beweisen von Amts wegen anordnen.“ 158 RGZ 145, 152, 154; RGZ 150, 385, 386. 153
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sollte159. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts ging bei der Bejahung des Verdikts der Sittenwidrigkeit recht weit, sodass die mit einer Unterhaltsvereinbarung von den Ehegatten beabsichtigte rechtliche Sicherheit im Falle einer Scheidung in tatsächlicher Hinsicht stets unsicher blieb160. Hinter dieser Rechtsprechung dürfte auch die Intention gestanden haben, die scheidungshemmende Wirkung aufrechtzuerhalten, die vom Risiko einer möglicherweise dauerhaften Unterhaltslast im Falle eines Schuldausspruchs ausging161. Unterhaltsvereinbarungen, die erst nach Rechtskraft der Scheidung abgeschlossen wurden, wurden dagegen regelmäßig als wirksam angesehen. Dies sollte allenfalls dann nicht gelten, wenn eine nach den vorgenannten Grundsätzen an sich nichtige Unterhaltsvereinbarung erst nach der Scheidung unterzeichnet wurde, mit dieser aber durch mündliche Abreden in Zusammenhang stand162; auch eine Bestätigung (§ 141 BGB) kam nach der strengen Auffassung des Reichsgerichts in diesem Fall nicht in Betracht163. b) Ehegesetz 1938 und Ehegesetz 1946 aa) Die Neuregelung in §§ 80 EheG 1938, 72 EheG 1946 und deren Gesetzesintention Durch das EheG 1938 wurde im Scheidungsfolgenrecht mit § 80 EheG 1938 erstmals eine ausdrückliche Regelung zur Zulässigkeit von Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt geschaffen164. Diese bedurften bereits damals keiner besonderen Form165. § 80 S. 2 EheG 1938 wandte sich unmissverständlich gegen die bisherige Tendenz der Rechtsprechung des Reichsgerichts, indem er explizit bestimmte, dass eine Unterhaltsvereinbarung, die vor Rechtskraft der Scheidung getroffen wurde, nicht schon deshalb nichtig ist, weil sie die Scheidung ermöglicht oder erleichtert hat. Im Übrigen schloss § 80 EheG 1938 die Sittenwidrigkeit aus anderen Gründen aber nicht aus; insbesondere lag nach § 80 S. 2 Hs. 2 EheG 1938 für den Fall, dass die Ehegatten im Zusammenhang mit der Vereinbarung einen nicht oder nicht mehr bestehenden Scheidungsgrund geltend machten, ein Sittenverstoß vor166. 159
RGZ 159, 157, 167. Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 80 EheG, Anm. 1. 161 Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, S. 3. 162 RGZ 126, 320, 323. 163 RGZ 64, 146, 149. 164 § 80 S. 1 EheG lautete: „Die Ehegatten können über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung der Ehe Vereinbarungen treffen.“ 165 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 80 EheG, Anm. 2. 166 Die Regelung des § 80 S. 2 Hs. 2 EheG wurde dabei, entgegen der sonstigen Rechtsprechungstendenz, recht großzügig ausgelegt. So wurde eine Nichtigkeit einer 160
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Hinter dieser an sich begrüßenswerten Rechtsentwicklung stand indes nicht nur das Streben nach mehr Eigenverantwortung und Privatautonomie im Eherecht, sondern auch die nationalsozialistische Ideologie des damaligen Gesetzgebers. Danach wurde die Vorschrift des § 80 EheG 1938 (auch) im Interesse der Volksgemeinschaft geschaffen. Nach der Gesetzesintention sollte der Grundsatz der möglichsten Aufrechterhaltung der Ehe durch den Grundsatz des Wertes der Ehe für die Volksgemeinschaft verdrängt werden167. Von einer Ehe, die gescheitert war, konnte nicht erwartet werden, dass aus ihr weitere Kinder hervorgingen. Sie wurde daher als für die Volksgemeinschaft wertlos angesehen und sollte möglichst schnell und reibungslos aufgelöst werden können168. Dies schien dem Gesetzgeber durch § 80 EheG 1938 gewährleistet. Mit der Neuregelung des § 80 EheG 1938 waren damit weite Teile der Reichsgerichtsrechtsprechung zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt obsolet. Diese waren nunmehr, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Abschlusses, grundsätzlich zulässig169. Der mit dem Unterhaltsvertrag verfolgte Zweck der Scheidungserleichterung allein konnte de lege lata keine Sittenwidrigkeit mehr begründen170. Allerdings blieb die Rechtsprechung dabei, einen Sittenverstoß zu bejahen, wenn eine Unterhaltsvereinbarung dahin instrumentalisiert wurde, dass ein Ehegatte allein um der nachehelichen wirtschaftlichen Vorteile willen zu einer Scheidungsklage bewegt werden sollte171. Hierdurch sollte verhindert werden, die Ehe zum reinen Objekt materiellen Gewinnstrebens werden zu lassen. Dies ging vereinzelt soweit, dass auch Vereinbarungen, die das Maß des Unterhalt überschritten, welches einem nach wirtschaftlicher Sicherheit nach der Ehe strebenden Ehegatten zugebilligt werden konnte, als sittenwidrig angesehen wurde172. Unterhaltsvereinbarung auch dann noch verneint, wenn die Ehegatten im Scheidungsverfahren zwar einen nicht bestehenden Scheidungsgrund geltend gemacht hatten, tatsächlich aber ein anderer Scheidungsgrund bestanden hatte; vgl. RGZ 159, 157, 167. Eine mit dem Wortlaut der Vorschrift schwerlich zu vereinbarende Auslegung. 167 Vgl. die amtliche Begründung zum EheG 1938 in: DJ 1938, 1102, 1107 f. 168 DJ 1938, 1102, 1107. 169 Lauterbach, in: Palandt, BGB (1. Aufl.), § 80 EheG, Anm. 3. 170 Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 25 I 4, S. 212. Das Reichsgericht hat seine diesbezügliche Rechtsprechung nach Inkrafttreten des § 80 EheG 1938 ausdrücklich aufgegeben; vgl. ausführlich, auch zur bisherigen Rechtsprechung: RGZ 159, 157, 162 ff. 171 RGZ 159, 157, 165 f. 172 RGZ 166, 40, 42. Ebenfalls als sittenwidrig sah das Reichsgericht eine Unterhaltsvereinbarung an, welche dem Begünstigten als wirtschaftliche Basis einer bereits in Aussicht stehenden zweiten Ehe dienen sollte; vgl. RGZ 159, 157, 167. Der BGH hat diese Rechtsprechung zunächst ansatzweise fortgeführt; vgl. BGH FamRZ 1957, 298, 299 f: Eine Vereinbarung, die von Anfang an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mannes übersteigt und die von vornherein nur unter ständiger Inanspruchnahme der sich hierfür verbürgenden (!) neuen Lebensgefährtin erfüllt werden kann, ist sittenwidrig.
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Das EheG 1946 übernahm die bisherige Regelung wortgleich in § 72 EheG 1946. Die Vorschrift wurde – trotz ihrer Intention – wohl deshalb nicht im Zuge der Befreiung der Gesetze von nationalsozialistischem Gedankengut durch den alliierten Gesetzgeber aufgehoben, da sich dessen Überprüfung nur auf den objektiven Regelungsgehalt der Gesetze beschränkte173. Die Beibehaltung der mit § 80 EheG 1938 gewonnenen Privatautonomie im Scheidungsfolgenrecht wurde seitens des Schrifttums überwiegend positiv bewertet174. Begrüßt wurde insbesondere, dass sie Scheidungsprozessen, die wegen der Bedeutung des Schuldausspruchs für die Unterhaltsfrage oftmals eine vergiftete Atmosphäre beherrschte, im Interesse beider Ehegatten diesen emotional belastenden Moment nehmen würde175. bb) Vereinbarungen zur Geltendmachung von Scheidungsgründen Bemerkenswert erscheint, dass die neu gewonnenen Gestaltungsmöglichkeiten durch Unterhaltsvereinbarungen zunehmend dazu verwandt wurden, ein inhaltlich der wahren Rechtslage nicht entsprechendes Scheidungsurteil zu erreichen. So konstatierte beispielsweise Gernhuber, dass ein Unterhaltsverzicht das klassische Äquivalent der Frau für den Verzicht des Mannes auf subjektive Scheidungsrechte sei176. In der Tat kam es damals nicht selten zu Abreden, nach denen die Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt verzichtete und der Ehemann sich im Gegenzug mit der Geltendmachung eines fingierten Scheidungsgrundes durch die Frau einverstanden zeigte oder sich bereit erklärte, keine Scheidungswiderklage zu erheben, das Stellen eines Mitschuldantrags zu unterlassen oder selbst nur wegen einer minder schweren Eheverfehlung Klage zu erheben177. Dies rührte daher, dass die Schuldigerklärung im Scheidungsurteil nach den damaligen gesellschaftlichen Vorstellungen für das Ansehen der Frau einen deutlich größeren Makel darstellte, als dies beim Mann der Fall war178. In der Rechtspraxis wurden solche Fälle unter dem Begriff der so genannten „ritterlichen Scheidung“179 zusammengefasst. Faktisch wurde hierdurch häufig ein der wahren Rechtslage entsprechender Zustand hergestellt, da der verzichtenden Frau im Falle der Geltendmachung der tatsächlich bestehenden Scheidungs173
Eine Begründung zum EheG 1946 ist nicht erschienen. Beitzke, Familienrecht (1. Aufl.), S. 47 f; Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 175; Ksoll, Familienrecht, S. 111; Lauterbach, in: Palandt, BGB (7. Aufl.), § 72 EheG, Anm. 2. 175 Wiethaup, MDR 1954, 9, 10; Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 175. 176 Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 25 IV 1, S. 218. 177 Hampel, FamRZ 1960, 421 und Huhn, FamRZ 1967, 267 stellten diese Tendenz ebenfalls fest. 178 Meder, FuR 1993, 12, 15; LG Ellwangen FamRZ 1955 108, 109. 179 BGH NJW 1956, 790, 791; BGHZ 86, 82, 87; Meder, FuR 1993, 12, 15. 174
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gründe ohnehin kein Unterhaltsanspruch zugestanden hätte180. Ebenso gab es aber auch Fallkonstellationen, in denen sich der Mann zu Unterhaltsleistungen verpflichtete und die Frau im Gegenzug nur wegen einer minder schweren Eheverfehlung Scheidungsklage erhob oder sich überhaupt erst zu einer Klageerhebung bereit erklärte. Inwieweit solche Vereinbarungen im Hinblick auf § 72 S. 3 EheG 1946 rechtlichen Bestand haben konnten, war umstritten. Überzeugend erscheint hierzu die Auffassung, dass es im Grundsatz eine von den Ehegatten zu treffende Entscheidung war, wie sie ihre zerrüttete Ehe lösen wollten181. Dies hat auch der BGH anerkannt, jedoch zu Recht betont, dass den Ehegatten unter Berücksichtigung der prozessualen Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO nicht gestattet werden könne, das Scheidungsverfahren zu einem förmlichen Spiel zu degradieren182. Nach Auffassung des BGH stand es den Ehegatten zwar frei, im Zusammenhang mit einer Unterhaltsvereinbarung die Beschränkung vorhandener Scheidungsgründe zu vereinbaren und bestimmte Gründe nicht vorzubringen183. Eine Vereinbarung, nach der ein fiktiver Scheidungsgrund vorgetragen wurde und ein tatsächlich vorhandener verschwiegen werden sollte, wurde dagegen in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Reichsgerichts aufgrund § 72 S. 3 EheG 1946 als nichtig angesehen184. Dem kann unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 72 S. 3 EheG 1946 nur zugestimmt werden. c) Gleichberechtigungsgesetz 1957 Die §§ 1360, 1361 BGB wurden gegenüber der Fassung aus dem Jahre 1896 erstmals durch das GleichberG im Jahre 1957 umfassend geändert185. Bezüglich der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten traten indes keine wesentlichen Veränderungen zur bisherigen Rechtslage ein. Da die gesetzliche Differenzierung zwischen ehelichem Unterhalt und ehelichem Aufwand aufgegeben wurde, unterfiel aber eine Vereinbarung zum Familien- oder Trennungsunterhalt nicht mehr den güterrechtlichen Regelungen und damit auch nicht dem Beurkundungserfordernis nach § 1410 BGB186. § 72 EheG 1946 blieb unverändert.
180 Meder, FuR 1993, 12, 15 f ; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 25 IV 1, S. 218. 181 Hampel, FamRZ 1960, 421, 423. 182 BGHZ 41, 166, 172. 183 BGHZ 41, 166, 172. 184 BGHZ 41, 166, 170; a. A. noch: RGZ 159, 157, 167. 185 Vgl. hierzu oben unter II.1.c). 186 Vgl. zur bisherigen Rechtslage oben unter II.2.a). Das GleichberG hat den § 1434 BGB 1896 wortgleich als § 1410 BGB 1957 übernommen.
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d) 1. EheRG 1976 und heutige Rechtslage Mit dem 1. EheRG erfuhr das Scheidungsfolgenrecht zwar tiefgreifende Änderungen187. Hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen zu den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten bei Unterhaltsvereinbarungen traten indes keine wesentlichen Neuregelungen in Kraft. Diesen Abschnitt abschließend, soll nunmehr die gegenwärtige Rechtslage zu den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die ehebedingten Unterhaltsansprüche skizziert werden. aa) Vereinbarungen zum Familienunterhalt Nach §§ 1360 a Abs. 3, § 1614 Abs. 1 BGB ist ein Verzicht auf Familienunterhalt für die Zukunft nach wie vor unzulässig mit der Folge der Nichtigkeit entsprechender Vereinbarungen nach § 134 BGB. Dies gilt nach § 1361 Abs. 4 S. 4 BGB auch für den Trennungsunterhalt. Eine vertragliche Regelung des Familienunterhalts ist zwischen den Ehegatten aber grundsätzlich zulässig, soweit sie die Grenzen des § 1614 BGB beachtet188 und mit dem Wesen der Ehe vereinbar ist. Danach sind Regelungen zur Art und Weise der Unterhaltsgewährung nicht zu beanstanden. Auch eine Abrede, Familienunterhalt in Form einer Geldrente zu gewähren, kann im Einzelfall zulässig sein189. Es ist den Ehegatten auch rechtlich möglich, zu vereinbaren, sparsamer zu leben oder das Niveau ihres Lebensstandards vorübergehend zu senken, um bestimmte Ziele zu erreichen, die zum gemeinsamen Lebensplan zählen190. Gegen eine Erweiterung der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem gesetzlich geschuldeten Maß bestehen ebenfalls keine Bedenken191. Allgemeingültige Aussagen lassen sich hierzu, insbesondere da der Bereich der persönlichen Verhältnisse der Ehegatten betroffen ist, aber kaum treffen. Eine Vereinbarung zum Familien- oder Trennungsunterhalt nach §§ 1360, 1361 BGB bedarf grundsätzlich nicht der Form des § 1410 BGB192, da es sich hierbei um eine Regelung der allgemeinen Ehewirkungen und nicht um eine Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse handelt193. Etwas anderes kann aufgrund § 139 BGB dann gelten, wenn die Unterhaltsvereinbarung im Zusammen187
Vgl. oben unter II.1.d). Lange, in: Soergel, BGB, § 1360, Rn. 12; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360, Rn. 55; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1360, Rn. 23. 189 Lange, in: Soergel, BGB, § 1360 a, Rn. 12; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1360, Rn. 23 und § 1360 a, Rn. 14: Bei berufsbedingter Abwesenheit einzig ehegemäße Unterhaltsgewährung. A. A. noch, allerdings wegen Verstoßes gegen das Entscheidungsrecht des Mannes aus § 1354 BGB 1896: RG JW 1905, 435 f. 190 Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360, Rn. 55. 191 Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360, Rn. 58. 192 Mit dem 1. EheRG wurde die Zuständigkeit der Gerichte gestrichen; ein Ehevertrag bedarf seitdem immer der notariellen Beurkundung. 188
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hang mit anderen formbedürftigen Rechtsgeschäften abgeschlossen wird oder hierauf Bezug nimmt. Vereinbarungen zu § 1360 BGB werden von den Ehegatten freilich ohnehin nur selten getroffen. bb) Vereinbarungen zum Unterhalt bei Getrenntleben Vereinbarungen zum Trennungsunterhalt kommen in der Praxis eine deutlich höhere Bedeutung zu, da unterhaltsrechtliche Streitigkeiten unter getrenntlebenden Ehegatten naturgemäß häufiger anzutreffen sind, als dies bei bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft der Fall ist194. Aufgrund ihrer befriedenden Wirkung für die Dauer des Scheidungsverfahrens sind Vereinbarungen über den Trennungsunterhalt daher grundsätzlich zu begrüßen195. Zum einen, da eine einverständliche Regelung der Vermeidung eines Rechtsstreits hinsichtlich des Trennungsunterhalts dient und damit zugleich geeignet ist, die Chance einer Versöhnung zu wahren. Zum anderen, da hierdurch auch emotionale Spannungen der Ehegatten im Hinblick auf ein bevorstehendes oder anhängiges Scheidungsverfahren vermieden werden. Den Ehegatten ist daher auch zuzugestehen, von § 1361 Abs. 4 S. 1 BGB abweichende Vereinbarungen über die Art der Unterhaltsgewährung zu treffen196. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 1614 Abs. 1 BGB nur den Verzicht schlechthin verbietet. Eine vertragliche Abrede, die die Art und Weise der Unterhaltsleistung regelt, stellt indessen keinen Verzicht dar und wird folgerichtig auch nicht durch das gesetzliche Verbot in § 1614 BGB erfasst. Die Disponibilität des § 1361 Abs. 4 S. 1 BGB rechtfertigt sich zudem aus der Gesetzesintention, nach der in die bestehenden Verhältnisse während der Trennungszeit möglichst wenig eingegriffen werden soll197. Daher kann beispielsweise vereinbart werden, dass bei Überlassung einer bisher gemeinsam genutzten Wohnung deren Nutzwert auf den Barunterhalt angerechnet wird198. Allerdings sind auch hierbei stets die Grenzen des § 1614 Abs. 1 BGB zu beachten. Auf Unterhalt für die Vergangenheit kann dagegen, wie sich aus dem Wortlaut des § 1614 Abs. 1 BGB im Umkehrschluss ergibt, verzichtet werden199.
193 Lange, in: Soergel, BGB, § 1360, Rn. 12; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360, Rn. 59; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1360, Rn. 23. 194 Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 2. 195 Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 27; Cuny, in: RGRK, BGB, § 1361 BGB, Rn. 39. 196 BGH NJW 1962, 2102, 2103; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1361 BGB, Rn. 122. 197 BT-Drs. 7/650, S. 100 f. 198 BGH FamRZ 1997, 484, 486. 199 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1361 BGB, Rn. 137; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 245.
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Der Anspruch aus einer Vereinbarung zum Trennungsunterhalt erlischt mit Beendigung des Getrenntlebens oder Rechtskraft der Scheidung. Haben die Ehegatten einen Versöhnungsversuch unternommen, so wird man aber die Grundsätze des § 1567 Abs. 2 BGB entsprechend heranzuziehen haben200. Bei einem nur kurzzeitigen Zusammenleben, das der Versöhnung dienen sollte und welches die Trennungszeiten nach §§ 1566, 1567 Abs. 2 BGB nicht unterbricht, kann daher nicht angenommen werden, dass dadurch die Grundlage einer Trennungsvereinbarung aufgehoben ist201. Die Ehegatten können selbstverständlich auch hierzu vertragliche Regelungen treffen, insbesondere – auch schon vor der Ehe – festlegen, dass eine Unterhaltsvereinbarung für jeden Fall des Getrenntlebens gelten soll. Da es sich beim Trennungsunterhalt und dem nachehelichen Unterhalt nach herrschender Auffassung um prozessual verschiedene Streitgegenstände handelt202, kann ohne besondere Anhaltspunkte, die auf einen entsprechenden Willen der Ehegatten schließen lassen, nicht angenommen werden, dass eine Vereinbarung zum Unterhalt bei Getrenntleben auch für den nachehelichen Unterhalt gelten soll203. cc) Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt, § 1585 c BGB Durch das 1. EheRG erhielt das BGB mit § 1585 c BGB erstmals eine Norm zur vertraglichen Regelung von nachehelichen Unterhaltsansprüchen. § 1585 c BGB entspricht § 72 S. 1 EheG 1946204. Die Beibehaltung dieser Regelung wurde damit begründet, dass eine frühzeitige endgültige Regelung zur Vermeidung späterer Unterhaltsstreitigkeiten wünschenswert sei205. § 72 S. 2 und 3 EheG 1946 wurden ersatzlos gestrichen. Dass § 72 S. 2 EheG obsolet wurde, ergibt sich bereits aus der Abschaffung des Verschuldensprinzips206, denn die Gründe, die das Reichsgericht zu jener Rechtsprechung bewogen, der § 72 S. 2 200 Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 4 und 27; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 246. 201 Wie lange die „kürzere Zeit“ im Sinne des § 1567 Abs. 2 BGB zu bemessen ist, ist im Einzelnen streitig. Die überwiegende Auffassung sieht zumindest bei der Jahresfrist des § 1566 Abs. 1 BGB drei Monate als Obergrenze an; vgl. Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1567, Rn. 8; Rauscher, Familienrecht, Rn. 536; Wolf, in: MünchKomm, BGB, § 1567, Rn. 65; OLG Köln FamRZ 1982, 1015; a. A.: Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 27 VII 6, S. 338: immer nur ein Monat. 202 Vgl. ausführlich unten unter II.3.a)bb). 203 Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 253; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 27; BGH FamRZ 1982, 782, 783; OLG Hamm FamRZ 1981, 1074, 1075. 204 Es wurden lediglich die beiden Wörter „der Ehe“ gestrichen, womit allerdings keine Änderung des Regelungsinhalts verbunden war. 205 BT-Drs. 7/650, S. 149. 206 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 2.
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II. Die Entwicklung der Gesetzgebung seit Inkrafttreten des BGB
EheG 1946 (zuvor: § 80 S. 2 EheG 1938) entgegenwirken sollte, sind damit ebenfalls weggefallen. § 72 S. 3 EheG 1946 wurde als überflüssig angesehen, da sich dessen Rechtsfolge bereits aus den allgemeinen Regeln der §§ 134, 138 BGB ergebe207. Insgesamt war eine sachliche Änderung durch die Streichung des § 72 S. 2 und 3 EheG 1946 vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt208. Eine Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt kann nach nahezu einhelliger Auffassung jederzeit, auch schon vor der Ehe, geschlossen werden209. Der Wortlaut des § 1585 c BGB („Ehegatten“) steht dem nicht entgegen, da dieser nur klarstellende Funktion hinsichtlich des Regelungsinhalts – ehebedingte Unterhaltsansprüche – hat210. (1) Selbständige und unselbständige Unterhaltsvereinbarungen, Unterhaltsverzicht Dem Grundgedanken der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Ehe aus § 1569 BGB entsprechend, herrscht damit im Bereich des nachehelichen Unterhaltsrechts Vertragsfreiheit. Auch der BGH211 hat in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung212 stets betont, dass die Vorschriften zum nachehelichen Unterhalt nachgiebiges Recht enthalten. Die Ehegatten können hinsichtlich Umfang und Ausgestaltung des Anspruchs mit Bedingungen, Befristungen, Betrags- oder Zeitgrenzen arbeiten; auch ein Verzicht ist grundsätzlich zulässig213. Man differenziert, je nach Vertragsinhalt, zwischen selbständigen (novierenden) und unselbständigen (modifizierenden) Unterhaltsvereinbarungen214. Bei einer unselbständigen Unterhaltsvereinbarung treffen die Ehegatten Regelungen hinsichtlich Höhe und Dauer des Anspruchs; der gesetzliche Unterhaltsanspruch wird lediglich ausgestaltet und bleibt in seinem Wesen unverändert215. Bei 207
BT-Drs. 7/650, S. 149. BT-Drs. 7/650, S. 149. 209 BGH NJW 1985, 1833; BGH NJW 1991, 913, 914; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 5; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 2; vgl. hierzu auch unten unter IV.2.b)aa). A. A. noch: Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (3. Aufl.), § 26 I 1, S. 278: nichtig wegen Ermöglichung einer gefahrlosen Probeehe; dagegen als „praktisch bedeutungslose Frage“ offen gelassen in: Gernhuber/CoesterWaltjen, Lehrbuch des Familienrechts, (4. Aufl.), § 26 I 1, S. 291. 210 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 23. Der Gesetzgeber der wortgleichen Regelung des § 72 S. 1 EheG 1938 dürfte eine solche Auslegung freilich kaum in Betracht gezogen haben; vgl. hierzu ausführlich unten unter IV.2.b)aa). 211 BGH NJW 1979, 43. 212 BT-Drs. 7/650, S. 149. 213 Vgl. zu den Regelungsmöglichkeiten auch oben unter I.2.c). 214 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 27; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 10, 11. 208
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einem selbständigen Unterhaltsvertrag stellen die Ehegatten den Unterhaltsanspruch dagegen auf eine eigenständige, von der gesetzlichen Regelung unabhängige schuldrechtliche Grundlage. Voraussetzung für die Annahme einer solchen Abrede ist daher ein gleichzeitiger Verzicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche216. Die Abgrenzung im Einzelfall kann indes schwierig sein. Ohne besondere Anhaltspunkte wird von einer unselbständigen Unterhaltsvereinbarung auszugehen sein217. Die Differenzierung ist wichtig, da bei einer selbständigen Unterhaltsvereinbarung der Unterhaltsanspruch unabhängig von Bedürftigkeit des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten besteht; der Anspruch erlischt auch nicht nach § 1586 BGB bei Wiederheirat des Berechtigten218. Aufgrund der Loslösung vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch gelten die rechtlichen Privilegierungen des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach §§ 850b, 850d ZPO (Pfändungsschutz), §§ 394, 400 BGB (Aufrechnungs- und Abtretungsverbot) und § 40 InsO nicht für selbständige Unterhaltsverträge219. Zudem sind für Ansprüche aus selbständigen Unterhaltsverträgen nach Auffassung des BGH nicht die Familiengerichte, sondern die Zivilgerichte zuständig220. Grundsätzlich zulässig ist insbesondere auch die Vereinbarung eines vollständigen Unterhaltsverzichts. Hierbei handelt es sich nach h. M. um einen Erlassvertrag im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB221. Diesem verfügenden Rechtsgeschäft liegt ein schuldrechtliches Kausalgeschäft, regelmäßig in Form eines Unterhaltsvertrags, einer Scheidungsfolgenregelung oder eines Vergleichs, zu215 BGHZ 24, 269, 276; BGHZ 31, 210, 218; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 27; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 10. 216 BGH NJW 1979, 43; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 11; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 27. 217 RGZ 166, 378, 381; BGH FamRZ 1988, 933, 935; OLG Bamberg NJW-RR 1999, 1095; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 8. 218 OLG Bamberg NJW-RR 1999, 1095. Die Auslegung der Vereinbarung kann freilich anderes ergeben. 219 Gernhuber-Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 26 II 1, S. 297; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 38. 220 BGH NJW 1979, 43 ff m. w. N. Für diese Auffassung spricht indes nur der formale Grund, dass es sich bei einem solchen Anspruch nicht (mehr) um einen familienrechtlichen Anspruch handelt. Dagegen sprechen überzeugendere Gründe, wie beispielsweise der Sach- und Regelungszusammenhang (auch der Anspruch aus einer selbständigen Unterhaltsvereinbarung ist letztlich ehebedingt) dafür, diese ebenfalls als Familiensache zu behandeln; zutreffend daher: Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 40. 221 BGH NJW 1985, 1835, 1836; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 5; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 7; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 22; a. A.: Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 30 XII 7, S. 458. Ausführlich hierzu: Hess, FamRZ 1996, 981, 983 f, der allerdings ein Verfügungsgeschäft in Form eines Verzichts auf ein gesondertes Unterhaltsstammrecht verneint und den Unterhaltsverzicht als reines Verpflichtungsgeschäft, welches das unterhaltsrechtliche Dauerrechtsverhältnis ausgestalte, bewertet.
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grunde. Bei einem vollständigen Unterhaltsverzicht erlischt damit auch das Unterhaltsstammrecht, aus dem die einzelnen Unterhaltsansprüche resultieren222. Daher kann auch im Falle später eintretender Bedürftigkeit grundsätzlich nicht mehr auf die Anspruchsgrundlagen der §§ 1570 ff BGB zurückgegriffen werden. Wegen dieser einschneidenden Rechtsfolge muss eine solche Verzichtsvereinbarung klar und eindeutig sein223. Allein die Nichtgeltendmachung des Anspruchs über einen längeren Zeitraum hinweg wird hierfür regelmäßig nicht ausreichen. Erforderlich sind für einen Verzicht als gegenseitiges Rechtsgeschäft vielmehr zwei übereinstimmende Willenserklärungen der Ehegatten224. (2) Formerfordernis (nur) bei Zusammenhang mit anderen formbedürftigen Rechtsgeschäften Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung sind Unterhaltsvereinbarungen nach § 1585 c BGB grundsätzlich formlos wirksam225. Sie können daher auch durch mündliche Vereinbarung oder konkludentes Verhalten zustande kommen226, was tatsächlich aber eher selten der Fall ist und aufgrund der hiermit verbundenen Beweisschwierigkeiten schon aus praktischen Gründen nicht empfohlen werden kann. Die formlose Wirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung war vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt227. Namhafte Teile des Schrifttums fordern indes de lege ferenda, die Form der notariellen Beurkundung auch im Rahmen des § 1585 c BGB vorzuschreiben228. Obwohl in § 1585 c BGB nicht geregelt, bedürfen Unterhaltsvereinbarungen ohnehin in zahlreichen Fällen der Form229. Bei einer einverständlichen Scheidung nach §§ 1565, 1566 Abs. 1 BGB ist nach § 630 ZPO Abs. 3 ZPO regelmäßig ein vollstreckbarer Schuldtitel auch in Bezug auf die Unterhaltsvereinbarung vorzulegen230. Bei Zusammenhang mit anderen formbedürftigen Rechtsge222 Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 5; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 22; BGH NJW 1985, 1835, 1836. 223 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 7; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 22. 224 So ausdrücklich: BGH FamRZ 1981, 763. 225 Allg. M., vgl. nur Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 6. 226 Den Fall einer – durch jahrelange monatliche (Weiter-)Zahlung des Trennungsunterhalts – konkludent abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung behandelt LG Münster MDR 1961, 239. 227 BT-Drs. 7/4361, S. 34 f. 228 Rauscher, Familienrecht, Rn. 635; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 45; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 4; vgl. ausführlich unter II.3.b). 229 Die Schriftform ist zu beachten, falls die Vereinbarung rechtlich ein Leibrentenversprechen im Sinne des § 759 BGB darstellt (vgl. § 761 BGB). Gleiches gilt selbstverständlich im Falle des § 127 BGB.
2. Die Entwicklung im Bereich der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten
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schäften, beispielsweise mit güterrechtlichen Vereinbarungen oder Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich in einem Ehevertrag, bedarf nach zutreffender h. M. auch die Unterhaltsvereinbarung dieser Form (§§ 1408, 1410 BGB)231. Gleiches gilt für eine Unterhaltsvereinbarung im Zusammenhang mit einer Scheidungsvereinbarung nach § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB232 oder § 1587 o Abs. 1 S. 1 BGB. Die Formbedürftigkeit auch der Unterhaltsvereinbarung ergibt sich in solchen Fällen daraus, dass sich ein gesetzliches Formerfordernis grundsätzlich auf den Vertrag im Ganzen erstreckt. Es erfasst also auch Nebenabreden, die nach dem Willen der Vertragsschließenden Vertragsinhalt werden sollen233. Auch bei gemischten oder zusammengesetzten Verträgen erstreckt sich der Formzwang auf den gesamten Vertrag, wenn dieser eine rechtliche Einheit bildet, was immer dann zu bejahen ist, wenn die einzelnen Vertragsteile nicht für sich allein gelten, sondern miteinander „stehen und fallen“ sollen234. Ist ein solcher Zusammenhang gegeben und wahren die Ehegatten in diesem Fall nicht die strengste gesetzliche Form, so ist das Rechtsgeschäft nach §§ 125, 139 BGB im Zweifel insgesamt nichtig235. Die Vermutung des § 139 BGB ist allerdings widerlegbar. Sie ist widerlegt, wenn nach dem hypothetischen Parteiwillen anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Dies ist bei einem Zusammenspiel verschiedener Scheidungsfolgenvereinbarungen aber kaum anzunehmen und könnte allenfalls im Falle eines Globalverzichts ohne Kapitalabfindung bejaht 230 Die Soll-Vorschrift des § 630 Abs. 3 ZPO ist regelmäßig als Muss-Vorschrift zu verstehen; vgl. Wieczorek/Rössler/Schütze, ZPO, § 630, Rn. C IV. Allenfalls in besonderen Ausnahmefällen kann seitens des Gerichts von der Vorlage eines Unterhaltstitels abgesehen werden. 231 Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1410, Rn. 3; Kiethe, MDR 1994, 639, 641 ff; Tendenziell ebenso: BGH FamRZ 1987, 934, 935; a. A.: Kanzleiter, NJW 1997, 217, 220. 232 Hierbei kann die Abgrenzung zwischen einem Ehevertrag im Sinne des § 1408 BGB und einer Scheidungsvereinbarung im Sinne des § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB im Einzelfall schwierig sein, da beide im Hinblick auf eine mögliche künftige Scheidung erfolgen und § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB nach Auffassung der Rechtsprechung auch für Vereinbarungen vor Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens gelten soll, wenn die Scheidung bereits beabsichtigt ist (vgl. BGH NJW 1983, 753, 755). Das entscheidende Abgrenzungskriterium dürfte damit in der Ehesituation liegen. Bei Abschluss eines Ehevertrages ist die Ehe noch intakt oder soll zumindest fortgesetzt werden. Bei Abschluss einer Scheidungsvereinbarung im Sinne des § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB, ist die Ehe dagegen gescheitert und eine Scheidung bereits konkret geplant; vgl. Kiethe, MDR 1994, 639. Die praktische Bedeutung dieser Differenzierung ist gering; allerdings kann im Falle einer Scheidungsvereinbarung gemäß § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB die notarielle Beurkundung nach § 127a BGB durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich ersetzt werden. 233 BGHZ 74, 346, 348; BGHZ 63, 359, 361. 234 BGHZ 101, 393, 396; BGHZ 78, 346, 349; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1410, Rn. 3. 235 Vgl. ausführlich hierzu: Kiethe, MDR 1994, 639 ff.
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II. Die Entwicklung der Gesetzgebung seit Inkrafttreten des BGB
werden236. Treffen die Ehegatten dagegen in einem Ehevertrag Vereinbarungen zu den drei wesentlichen Scheidungsfolgen Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt, die nach ihrer Vorstellung eine ausgewogene und/oder gerechte Regelung der vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung darstellen, so wird man wohl regelmäßig annehmen müssen, dass diese im vorgenannten Sinne miteinander stehen und fallen sollen237. e) Zwischenergebnis Die Ausführungen unter II.2. haben gezeigt, dass die gesetzlichen Regelungen zur Vertragsfreiheit im ehelichen und nachehelichen Unterhaltsrecht weit weniger Änderungen erfahren haben238, als die ehebedingten Unterhaltsansprüche selbst. Im Bereich der ehelichen Unterhaltsansprüche ist die Regelung des § 1614 Abs. 1 BGB, nach der für die Zukunft auf Unterhalt nicht verzichtet werden kann, seit Inkrafttreten des BGB unverändert geblieben. Vertragliche Vereinbarungen zur Ausgestaltung dieser Ansprüche innerhalb der Grenzen des § 1614 Abs. 1 BGB sind ebenfalls seit Inkrafttreten des BGB im Grundsatz zulässig. Sowohl Vereinbarungen zum Familien- und Trennungsunterhalt, als auch Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt sind grundsätzlich formfrei möglich239. Ein Formerfordernis besteht aber dann, wenn mit der Unterhaltsvereinbarung weitere formbedürftige Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden. Auch im Bereich des nachehelichen Unterhaltsrechts besteht im Grundsatz seit Inkrafttreten des BGB Vertragsfreiheit. Zwar fand eine ausdrückliche Regelung hierzu erst mit § 80 EheG 1938 Eingang ins Eherecht; jedoch war bereits zuvor anerkannt, dass die Ehegatten privatautonome Regelungen hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts treffen konnten. Diese nach dem Gesetz zulässige Gestaltungsmöglichkeit konnte allerdings aufgrund der sehr restriktiven Rechtsprechung des Reichsgerichts, nach der scheidungserleichternde Abreden dem Verdikt der Sittenwidrigkeit unterfielen, in der Praxis zunächst nur selten genutzt werden. Die Vertragsfreiheit im nachehelichen Unterhaltsrecht unterlag daher bei genauer Betrachtung keinem Wandel in der Gesetzgebung, sondern allein dem Wandel der herrschenden Wertvorstellungen, wie sie in der Rechtsprechung zunächst des Reichsgerichts und dann des BGH durch die Konkreti236 In diesem Fall dürfte kaum davon auszugehen sein, dass bei Kenntnis der Formunwirksamkeit hinsichtlich einzelner Scheidungsfolgen nicht auch auf die übrigen Scheidungsfolgen verzichtet worden wäre. 237 Kiethe, MDR 1994, 639, 641. 238 Etwas anderes gilt freilich hinsichtlich der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ehevertragsfreiheit; vgl. hierzu unter III. 239 Für den nachehelichen Unterhalt gilt dies seit jeher. Für den Unterhalt während bestehender Ehe erst seit Inkrafttreten des GleichberG; vgl. oben unter II.2.c).
3. Die Motive des Gesetzgebers
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sierung der zivilrechtlichen Generalklauseln zum Ausdruck gekommen sind. Während das Reichsgericht selbst solche Unterhaltsvereinbarungen, mit denen einem Ehegatten ein Unterhaltsanspruch für den Fall der Scheidung gewährt wurde, wegen deren scheidungsfördernder Wirkung für sittenwidrig erachtete240, nahm der BGH eine Sittenwidrigkeit regelmäßig nur bei Unterhaltsverzichtsvereinbarungen an241.
3. Die Motive des Gesetzgebers Diesen Abschnitt abschließend, sollen die Motive des Gesetzgebers zu einigen wesentlichen Grundzügen des gegenwärtigen ehelichen und nachehelichen Unterhaltsrechts sowie der privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich dieser ehebedingten Unterhaltsansprüche näher beleuchtet werden. a) Die klare Grenzziehung zwischen Unterhalt während bestehender Ehe und nach der Ehe Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Gesetzgeber eine klare Grenze zwischen Unterhalt während bestehender Ehe und nach der Ehe und insbesondere auch zwischen privatautonomen Vereinbarungen über diese Unterhaltsansprüche zieht. aa) Die Gesetzesintention: Zäsurwirkung der Scheidung Nach der Konzeption des Gesetzgebers sind die gegenseitigen Unterhaltsansprüche während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft Ausdruck der ehelichen Solidarität242 und der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser Gedanke der ehelichen Solidarität erlischt nicht mit der Trennung der Ehegatten. Vielmehr wird die gegenseitige – auch wirtschaftliche – Verantwortung der Ehegatten füreinander hierdurch grundsätzlich nicht berührt243. Bereits in den Motiven zum BGB 1896 heißt es zu § 1361 BGB 1896: „Der im § 1361 ausgesprochene Grundsatz folgt daraus, daß durch die thatsächliche Trennung das Band der Ehe, auf welchem die gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten beruht, nicht gelöst wird (. . .)“244. Mit der Ab240
Vgl. beispielsweise: RGZ 150, 385, 386. Vgl. hierzu ausführlich unter III.3.b). 242 Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1353, S. 80 und § 1360, S. 91 und 94; BVerfGE 66, 84, 99; Schwab, Familienrecht, Rn. 142. 243 Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 7; Cuny, in: RGRK, BGB, § 1361, Rn. 1; KG FamRZ 1997, 1012. 244 Motive, in: Haidlen, BGB, Dritter Band, § 1361, S. 94. 241
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II. Die Entwicklung der Gesetzgebung seit Inkrafttreten des BGB
schaffung des Verschuldensprinzips durch das 1. EheRG können auch die Gründe der Trennung auf den Unterhaltsanspruch bei Getrenntleben in der Regel keinen Einfluss mehr haben245. Nach der Gesetzesintention wird gerade auch in Zeiten einer Ehekrise der Schutz und die Aufrechterhaltung der Ehe erstrebt, weshalb „alles verhindert werden muß, was die Aussichten einer Heilung der Ehe vermindern oder das endgültige Scheitern der Ehe fördern könnte“246. Aus diesem Grund soll möglichst wenig in die bisherige Lebensgestaltung der Ehegatten eingegriffen werden können247; die möglichen Scheidungsfolgen sollen nicht bereits in der Trennungszeit vorweggenommen werden. Die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung soll damit die Chance einer Versöhnung wahren248 und den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten im Vertrauen auf den Fortbestand des gemeinsamen Lebensplans vor nachteiligen Veränderungen der Verhältnisse vorläufig schützen249. Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Zielsetzung erklärt sich auch, dass nach § 1361 Abs. 2 BGB nur eine eingeschränkte Pflicht zur Erwerbstätigkeit besteht250 und dass die Ehegatten für die Zeit des Getrenntlebens nicht auf Unterhaltsansprüche verzichten können (§ 1614 Abs. 1 BGB). Mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils ändert sich diese Ausgangslage und damit auch die Legitimation eines Unterhaltsanspruchs des nun geschiedenen Ehegatten. Die Scheidung stellt eine echte Zäsur in den unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten dar. Die Eherechtskommission, deren Auffassung sich der Gesetzgeber ausdrücklich angeschlossen hat, umschrieb dies so: „Mit der Scheidung der Ehe wird die Gemeinsamkeit der wirtschaftlichen Basis der Ehegatten aufgelöst. Deshalb hat nunmehr jeder Ehegatte in eigener Verantwortung nach besten Kräften für sich selbst zu sorgen. Jedoch besteht in Nachwirkung der Ehe eine wirtschaftliche Verantwortung der früheren Ehegatten füreinander, aus der sich Unterhaltspflichten des einen für den anderen ergeben können.“251
Das nacheheliche Unterhaltsrecht ist damit – zumindest nach der Gesetzesintention – beherrscht vom Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung, der wiederum eingeschränkt ist durch den Grundsatz der nachehelichen Solidarität252. Dem Gedanken der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Scheidung entspricht es daher auch, dass die Ehegatten über nacheheliche 245
BT-Drs. 7/650, S. 100; vgl. auch bereits oben unter II.1.d)bb). BT-Drs. 7/650, S. 100. 247 Nicht zu Unrecht kritisch zur praktischen Umsetzung dieser Gesetzesintention: Rauscher, Familienrecht, Rn. 328 und 333; vgl. hierzu Abschnitt I, Fn. 56. 248 Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 7. 249 BGH NJW 1981, 1214, 1215. 250 BT-Drs. 7/650, S. 101. 251 BT-Drs. 7/650, S. 121. 252 BVerfGE 57, 361, 389; Brudermüller, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 1569, Rn. 5; vgl. hierzu auch oben unter I.1.b)cc)(1). 246
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Unterhaltsansprüche Vereinbarungen treffen können253. Dem Gesetzgeber erschien „zur Vermeidung unnötigen Streits im Scheidungsverfahren und im Interesse des Ausschlusses späterer Unterhaltsstreitigkeiten (. . .) eine möglichst frühzeitige und endgültige vertragliche Lösung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung sogar erwünscht“254. Dies wird auch durch die gesetzlichen Voraussetzungen einer einverständlichen Scheidung nach § 630 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 ZPO bestätigt255. bb) Verschiedene prozessuale Streitgegenstände Aus der dargelegten gesetzgeberischen Differenzierung ergibt sich auch, dass es sich beim Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt um verschiedene Streitgegenstände handelt. Denn (erst) mit der Scheidung wird das Band der Ehe zwischen den Ehegatten endgültig gelöst. Genau hierin liegt auch der wesentliche Unterschied zwischen der Unterhaltspflicht bei Getrenntleben während der Ehe und derjenigen nach der Ehe256. Die mit der Eheschließung füreinander übernommene Verantwortung, die den eigentlichen Entstehungsgrund sowohl für die eheliche als auch für die nacheheliche Unterhaltspflicht bildet257, ist bei der nachehelichen Unterhaltsverpflichtung durch den Grundsatz der Eigenverantwortung überlagert258. Während beim Getrenntleben nach § 1361 BGB im Falle der Bedürftigkeit generell ein Unterhaltsanspruch nach Maßgabe der ehelichen Lebens- und Erwerbsverhältnisse besteht, sind in den Tatbeständen der §§ 1570 ff BGB zusätzliche Voraussetzungen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs enumerativ aufgezählt. Mit der Scheidung werden die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten somit neu gestaltet; die Scheidung begründet einen neuen Lebenssachverhalt259. Damit liegen hinsichtlich des Trennungsunterhalts und des nachehelichen Unterhalts sowohl materiell als auch prozessual zwei verschiedene Streitgegenstände vor260. 253 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 2; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 1. 254 BT-Drs. 7/650, S. 149. 255 Danach soll das Gericht dem Scheidungsantrag erst stattgeben, wenn die Ehegatten – u. a. – über die nacheheliche Unterhaltspflicht einen vollstreckbaren Schuldtitel herbeigeführt haben. 256 BGH FamRZ 1981, 242, 243. 257 BGH FamRZ 1980, 1099; ebenso bereits: BGH NJW 1956, 790, 791. 258 BGH FamRZ 1981, 242, 243. 259 BGH FamRZ 1981, 242, 243. 260 Ganz h. M.; vgl. Rauscher, Familienrecht, Rn. 559; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1361, Rn. 4; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 251; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, vor §§ 1569–1586b, Rn. 21; BGH FamRZ 1981, 242, 243; a. A.: Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 30 I 3, S. 406 f: da Grundstruktur und Zweck die nachehelichen Unterhaltsansprüche nicht von den ehelichen Ansprüchen bei Getrenntleben trennten, seien diese identisch.
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Prozessual hat dies wiederum zur Folge, dass aus einer den Trennungsunterhalt betreffenden gerichtlichen Entscheidung nicht hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts vollstreckt werden kann261; denn der Anspruch auf Trennungsunterhalt erlischt mit Rechtskraft der Scheidung. Auch eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO im Sinne einer Änderung des Titels vom Trennungsunterhalt auf nachehelichen Unterhalt kommt wegen der Verschiedenartigkeit der zugrunde liegenden Ansprüche nicht in Betracht262. Haben die Ehegatten über den Trennungsunterhalt eine Vereinbarung getroffen, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob diese Vereinbarung auch für den nachehelichen Unterhalt gelten soll; ohne besondere Anhaltspunkte ist dies regelmäßig nicht der Fall263. In der Rechtspraxis kann sich diese Differenzierung zwischen Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt durchaus als wenig praktikabel erweisen. Die gegen sie vorgebrachte Kritik264 ist genau betrachtet auch mehr verfahrensrechtlicher und nicht dogmatischer Natur. Sie verkennt indes die mit der Scheidung eintretende Zäsur in den (vermögens-)rechtlichen Beziehungen der Ehegatten. Eine Identität von ehelichen und nachehelichen Unterhaltsansprüchen kann mithin aus dogmatischen Gründen nicht bejaht werden; die Gemeinsamkeiten erschöpfen sich vielmehr in der Begründung durch die Ehe und der Zielsetzung der Unterhaltssicherung265. In prozessualer Hinsicht auftretende Schwierigkeiten rechtfertigen keine andere Beurteilung und sind vor diesem Hintergrund hinzunehmen. b) Kein Formerfordernis bei Unterhaltsvereinbarungen nach § 1585 c BGB Unterhaltsvereinbarungen nach § 1585 c BGB sind grundsätzlich formlos wirksam. Aufgrund der immensen wirtschaftlichen Bedeutung, die eine solche Vereinbarung, gerade im Falle eines Verzichts, haben kann, wird von einem 261 Einer weiteren Vollstreckung aus dem Trennungsunterhaltstitel kann daher nach der Scheidung jederzeit mit Erfolg mit einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO begegnet werden. Eine Ausnahme hiervon bildet nach § 620 f ZPO nur die Vollstreckung aus einer einstweiligen Anordnung im Verbundsverfahren. 262 BGH FamRZ 1980, 1099, 1100. 263 BGH FamRZ 1982, 782, 783; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 253. Nach BGH FamRZ 1982, 782, 784 kann ein über den Trennungsunterhalt geschlossener Prozessvergleich auch nicht durch nachträgliche außergerichtliche Vereinbarung dahin abgeändert werden, dass an die Stelle des Anspruchs auf Trennungsunterhalt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gesetzt und zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung gemacht wird; diese neue Vereinbarung müsse vielmehr ihrerseits die Voraussetzungen des § 794 Abs. 1 Nr. 1 (oder: Nr. 5) ZPO erfüllen. 264 Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 49; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1569, Rn. 17. 265 Rauscher, Familienrecht, Rn. 559.
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Großteil des Schrifttums de lege ferenda eine notarielle Beurkundungspflicht auch im Rahmen des § 1585 c BGB gefordert266. Auch während des Gesetzgebungsverfahrens zum 1. EheRG wurde beantragt, für eine Unterhaltsvereinbarung nach § 1585 c BGB das Formerfordernis der notariellen Beurkundung aufzustellen; dieser Antrag fand jedoch im Rechtsausschuss keine Mehrheit. Dort war man der Auffassung, dass der Schutz des Unterhaltsberechtigten bereits dadurch in fast allen Fällen gewährleistet sei, dass der überwiegende Teil der Unterhaltsvereinbarungen in gerichtlichen Verfahren von Rechtsanwälten ausgehandelt und vom Gericht protokolliert werden würde267. Demgegenüber erscheine ein Zwang zur notariellen Beurkundung wegen der dadurch entstehenden Kosten, die auch bei jeder Änderung dieser Vereinbarung entstünden, nicht angezeigt268. Berücksichtigt man die drei wesentlichen Funktionen der notariellen Beurkundungspflicht, die Warnfunktion, die Beweisfunktion und die Beratungsfunktion, so spricht auf den ersten Blick wohl einiges für eine gesetzliche Regelung der notariellen Beurkundungspflicht auch für Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt. Allerdings lässt sich allein mit dem Argument, ein Unterhaltsverzicht habe tiefgreifende und lang anhaltende, oft existenzielle Folgen für den Verzichtenden269, ein Beurkundungserfordernis nicht rechtfertigen. Denn solche wirtschaftlichen Folgen können auch bei diversen anderen Rechtsgeschäften, die keinem Beurkundungszwang unterliegen, eintreten270. Wer sich beispielsweise für einen anderen verbürgt, kann oftmals ebenfalls auf unabsehbare Zeit verschuldet sein und seinen Lebensunterhalt von den Pfändungsfreibeiträgen bestreiten müssen271; er wird lediglich durch § 138 BGB geschützt. Auch das Argument, die fehlende Formbedürftigkeit einer Vereinbarung nach § 1585 c BGB stünde in einem nicht zu rechtfertigenden Gegensatz zum Formschutz, den das Gesetz für güterrechtliche Vereinbarungen oder beim Versorgungsausgleich vorsieht272, vermag nicht voll zu überzeugen. Denn dabei wird die unterschiedliche Legitimation dieser gesetzlichen Scheidungsfolgen sowie die gesetzgeberische Maxime der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Ehe nicht ausreichend berücksichtigt. Beim Zugewinnausgleich und beim Versorgungsausgleich handelt es sich letztlich – anders als beim in die Zukunft gerichteten nachehelichen Unterhaltsanspruch – um Ansprüche auf einen Aus266 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 45; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 4; Rauscher, Familienrecht, Rn. 635; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 632. 267 BT-Drs. 7/4361, S. 34. 268 BT-Drs. 7/4361, S. 34 f. 269 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 45. 270 Ebenso: Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, S. 14. 271 Vgl. als möglichen Ausweg allerdings die §§ 304 ff InsO. 272 Büttner, FamRZ 1998, 1, 3.
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gleich des während bestehender Ehe gemeinsam Erwirtschafteten273. Mit der Scheidung sollen diese in der Vergangenheit erworbenen Vermögenswerte nach dem Willen des Gesetzgebers abschließend ausgeglichen werden. Beim nachehelichen Unterhalt ist die Gesetzesintention im Ausgangspunkt anders. Zwar ließe sich auch hier damit argumentieren, durch die nachehelichen Unterhaltsansprüche werde der während bestehender Ehe „gemeinsam erworbene Lebensstandard“ ausgeglichen. Damit würde aber die gesetzgeberische Grundentscheidung nicht nur praktisch274, sondern auch dogmatisch umgekehrt. Denn dieser Gesichtspunkt ist allenfalls im Ansatz zutreffend. Anders als beim Zugewinnausgleich und beim Versorgungsausgleich geht das Gesetz beim nachehelichen Unterhalt im Grundsatz davon aus, dass ein solcher „Ausgleich“ gerade nicht stattfindet, sondern jeder für seinen Unterhalt selbst aufkommt. Die wirtschaftliche Eigenverantwortung nach der Ehe wird – theoretisch – nur ausnahmsweise durch die auf der nachehelichen Solidarität beruhenden Unterhaltsansprüche überlagert. Gerade diese in § 1569 BGB postulierte Eigenverantwortlichkeit spricht tendenziell ebenfalls gegen eine Formbedürftigkeit. Ein nicht zu rechtfertigender Gegensatz zwischen der Formbedürftigkeit von Vereinbarungen zum Güterstand und Versorgungsgausgleich und der formlosen Wirksamkeit von Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt kann daher unter Berücksichtigung der Gesetzesintention m. E. nicht ohne Weiteres bejaht werden. Dennoch wäre die Einführung eines notariellen Beurkundungserfordernisses, wenngleich nicht aus dogmatischen Gründen geboten, so doch zumindest aus praktischen Erwägungen wünschenswert. Hierdurch würden in Fällen, in denen Unterhaltsvereinbarungen zusammen mit anderen oder auf frühere Abreden Bezug nehmenden formbedürftigen eherechtlichen Vereinbarungen geschlossen werden, Auslegungsschwierigkeiten im Hinblick auf § 139 BGB vermieden. Zudem könnte dies zu einer Entlastung der Gerichte führen275, die sich nicht selten mit Unterhaltsvereinbarungen zu befassen haben, bei denen nachträglich eine Überrumpelung, Unerfahrenheit oder Zwangslage im Zusammenhang mit § 138 BGB geltend gemacht wird. Letztlich steht auch zu vermuten, dass sich manche Ehegatten, die eine Unterhaltsvereinbarung vor oder während gut funktionierender Ehe abschließen, nicht umfassend mit deren rechtlicher Tragweite bei Scheitern der Ehe auseinandersetzen. Dem könnte im Falle der gesetzlich vorgeschriebenen notariellen Form durch die Beratungspflicht aus § 17 Abs. 1 BeurkG entgegengewirkt werden. Der Gesetzgeber hält dagegen, trotz zahlreicher Änderungen im Ehe- und Familienrecht seit Inkrafttreten des 1. EheRG und ungeachtet zunehmender Kritik seitens des Schrifttums, an der bisherigen Regelung des § 1585 c BGB fest276. 273 274 275
BVerfG NJW 2003, 2819, 2820; Grziwotz, MDR 1998, 1075, 1077. Vgl. sogleich unter II.3.c). Langenfeld, Eheverträge, Rn. 632.
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c) Eigenverantwortlichkeit und nacheheliche Solidarität in der Praxis – Kritik am System der Einsatzzeitpunkte Bei der Neufassung des nachehelichen Unterhaltsrechts hat der Gesetzgeber mit § 1569 BGB betont, dass nicht allgemein jede schicksalsbedingte Bedürftigkeit zu einem Unterhaltsanspruch führen soll277. So hat auch der Rechtsausschuss zur neuen Konzeption des nachehelichen Unterhaltsrechts ausgeführt, dass der Unterhaltsanspruch nicht wie bislang generalklauselartig umschrieben werden solle (vgl. §§ 58, 61 EheG 1946), sondern „daß ausgehend von dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit jedes Ehegatten für seinen Unterhalt nach der Scheidung (§ 1570 BGB-E278) die Fälle aufgezählt werden, in denen ein Unterhaltsanspruch besteht.“279 Nach der Gesetzeskonzeption ist ein nachehelicher Unterhaltsanspruch demnach als Ausnahme von der Regel der Eigenverantwortlichkeit vorgesehen280. Trotz der vermeintlichen Eingrenzung auf diese enumerativen Unterhaltstatbestände wird hierdurch ein Großteil aller denkbaren Bedarfslagen umfasst, sodass eine nacheheliche Unterhaltsberechtigung faktisch die Regel und das Fehlen eines Anspruchs die Ausnahme bildet281. Mag dies unter dem Postulat der nachehelichen Solidarität für einen gewissen Zeitraum zweifellos gerechtfertigt sein, so ist doch das System der Einsatzzeitpunkte der nachehelichen Unterhaltstatbestände nachdrücklich zu kritisieren. Dies nicht nur deshalb, weil sich der Unterhaltspflichtige einer zeitlich unübersehbaren Inanspruchnahme ausgesetzt sieht, da sich die verschiedenen Unterhaltstatbestände nahtlos aneinander reihen können282. Aufgrund dieses Systems erhält die Ehe auch das ihr nicht zukommende Erscheinungsbild eines unabhän276 Allerdings soll nach der derzeit geplanten Reform des Unterhaltsrechts ein Unterhaltsverzicht „nur erfolgen [können], wenn sichergestellt ist, dass beide Parteien über die im Einzelfall weitreichenden Folgen umfassend aufgeklärt worden sind.“ So der Wortlaut der Mitteilung vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz vom 01.11.2004, abgedruckt in: FamRZ 2004, 1939, 1940. 277 BT-Drs. 7/650, S. 121. 278 § 1570 BGB-E entsprach dem später Gesetz gewordenen § 1569 BGB. 279 BT-Drs. 7/4361, S. 16. 280 A. A.: Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1569, Rn. 5, der beide Grundsätze als nebeneinander stehend ansieht, ohne dass von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis ausgegangen werden könne. Hiergegen sprechen aber sowohl Wortlaut als auch die vorstehend zitierte Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber plant derzeit auch, den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit „ausdrücklich“ im Gesetz zu verankern; vgl. die Mitteilung vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz vom 01.11.2004, abgedruckt in: FamRZ 2004, 1939, 1940. 281 Bosch, Ehe und Familie in der Bundesrepublik Deutschland – Grundfragen der rechtlichen Ordnung, S. 25; Willutzki, ZfJ 1984, 1, 2; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 12. 282 Vgl. beispielsweise: OLG Stuttgart FamRZ 1982, 1015 f; OLG Bamberg FamRZ 1984, 897, 898; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1569, Rn. 6:
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gig von ihrem Bestand fortwirkenden Versorgungsinstituts auf Lebenszeit. Es ist beispielsweise nicht recht einzusehen, warum einem geschiedenen Ehegatten, der nach der Ehe zunächst eine (im Sinne des § 1573 Abs. 4 BGB nachhaltig gesicherte) Erwerbstätigkeit ausübt und damit dem gesetzgeberischen Grundgedanken der Eigenverantwortlichkeit genügt, später aber seine Erwerbsstelle verliert und arbeitslos, krank oder alt wird, kein Unterhaltsanspruch nach §§ 1571 ff BGB zusteht, während der von vornherein arbeitslose Ehegatte auch bei späterer Krankheit oder Alter weiterhin unterhaltsberechtigt bleibt283. Ebenso wenig verträgt sich die Systematik der Einsatzzeitpunkte mit der in § 1356 BGB manifestierten Gleichwertigkeit von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit. Denn während der in der Ehe Erwerbstätige bei erst nachehelich eintretender Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Alter – auch bei bestehender Leistungsfähigkeit des während der Ehe haushaltsführenden Ehegatten – nicht unterhaltsberechtigt ist, bleiben dem die Haushaltsführung und Kindesbetreuung übernehmenden Ehegatten auch nach Beendigung der Kindesbetreuung die §§ 1571 ff BGB erhalten; insbesondere muss er – in wirtschaftlicher Hinsicht – die Erwerbslosigkeit nicht fürchten. Gerade bei einer so genannten Unterhaltskette, die mit den Unterhaltstatbeständen der §§ 1571, 1572 BGB endet, lässt sich das nach Auffassung des Gesetzgebers wichtige Kriterium zur Legitimation eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs, die ehebedingte Unterhaltsbedürftigkeit284, unter Kausalitätsgesichtspunkten und Fragen der objektiven Zurechnung der Bedürftigkeit häufig nicht mehr überzeugend bejahen285. Die durch die Gesetzessystematik geschaffene Möglichkeit der Bildung von Unterhaltsketten wird daher im Schrifttum zu Recht vielfach kritisiert286. Es ist zwar richtig, dass nacheheliche Solidarität „Durch die Anschlußeinsatzpunkte (. . .) gewinnt der Unterhaltsanspruch allerdings in zahlreichen Fällen Dauercharakter.“ Vgl. hierzu auch oben unter I.1.b)cc)(10). 283 Überspitzt formuliert, kann dem zur Zeit der Scheidung schon etwas älteren Ehegatten daher aus wirtschaftlichen Erwägungen kaum geraten werden, sich über das für eine Anspruchsberechtigung nach § 1573 BGB erforderliche Mindestmaß ernsthaft um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen, da er hierdurch die Aussicht auf den späteren Altersunterhaltsanspruch einbüßt. 284 BT-Drs. 7/4361, S. 16. 285 Kritisch daher auch: Gernhuber-Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 30 I 5, S. 408. Die Gesetzesbegründung hierzu erscheint teilweise widersprüchlich. So soll im Rahmen des § 1572 BGB die Krankheit, auch wenn sie zeitlich erst nach der Ehe, also zu einem späteren Einsatzzeitpunkt eintritt, nicht ehebedingt sein müssen. Andererseits sollen aber schicksalsbedingte Ereignisse, die sich nach der Scheidung im Leben eines geschiedenen Ehegatten einstellen, grundsätzlich nicht zu Lasten des anderen gehen; vgl. BT-Drs. 7/650, S. 124. 286 Knöpfel, AcP 191 (1991), 107, 121 ff; Dieckmann, FamRZ 1984, 946. Diederichsen, NJW 1993, 2265, 2273 f; Willutzki umschreibt die Systematik einer Unterhaltskette aus Sicht des Unterhaltsberechtigten nicht ohne Ironie folgendermaßen: „Der Zeit der Betreuung gemeinschaftlicher minderjähriger Kinder könnte eine notwendige Umschulung oder Fortbildung folgen, ihr könnte sich die Zeit der Stellungs-
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nicht grundsätzlich nur für eine der Ehedauer entsprechende Zeit geschuldet wird287. Andererseits kann aber auch die Grenze der Zumutbarkeit für den Unterhaltspflichtigen, in deren Rahmen auch der Aspekt der Dauer der Leistungspflicht zu berücksichtigen ist, nicht gänzlich außer Acht gelassen werden288.
4. Exkurs: Das Verhältnis von ehebedingten Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsvereinbarungen zu § 1615 l BGB § 1615 l BGB regelt als besonderer Unterhaltstatbestand den Unterhaltsanspruch der nicht mit dem Vater verheirateten289 Mutter aus Anlass der Geburt eines gemeinsamen Kindes. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Frau in einem näheren Zeitraum vor und nach der Geburt regelmäßig nicht in der Lage sein wird, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen290. Die Regelung dient damit dem Schutz der Mutter, aber auch dem Schutz des Kindes, was sich insbesondere aus § 1615 l Abs. 2 S. 2 BGB ergibt. Nach § 1615 l Abs. 4 BGB kann der Anspruch wegen Betreuung des gemeinsamen Kindes gemäß Abs. 2 S. 2 der Vorschrift auch dem Vater zustehen, wenn er das Kind betreut. Sind oder waren die Eltern des Kindes miteinander verheiratet, ergibt sich ein Unterhaltsanspruch dagegen allein aus den §§ 1360, 1361, 1570 BGB. Aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen hinsichtlich des Unterhalts wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes in § 1570 BGB und § 1615 l BGB soll in einem Exkurs deren Verhältnis zueinander – vor allem auch mit Blick auf privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten – dargestellt werden. a) Historische Entwicklung Das BGB 1896291 enthielt mit § 1715 Abs. 1 BGB 1896 lediglich eine Regelung, nach welcher der Vater eines nichtehelichen Kindes verpflichtet war, suche anschließen, und über das Zwischenstadium eines krankheitsbedingten Unterhaltsbedarfs könnte man dann einlaufen in den endgültig rettenden Hafen des Altersunterhalts.“; vgl. Willutzki, ZfJ 1984, 1, 2. 287 BGH NJW 1999, 1630, 1631; Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 289; im Gesetzgebungsverfahren zum UÄndG 1986 wurde eine über § 1573 Abs. 5 BGB hinausgehende allgemeine zeitliche Beschränkung des nachehelichen Unterhalts ausdrücklich abgelehnt; vgl. BT-Drs. 10/2888, S. 18. 288 Der Gesetzgeber scheint dieses Problem erkannt zu haben und plant derzeit, den Gerichten mehr Möglichkeiten einzuräumen, den nachehelichen Unterhalt zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen; vgl. die Mitteilung vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz vom 01.11.2004, abgedruckt in: FamRZ 2004, 1939, 1940. 289 Dies ergibt sich nur aus der Überschrift vor § 1615 l BGB, nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst. 290 Engler, in: Staudinger, BGB, § 1615 l, Rn. 1.
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„die Kosten der Entbindung sowie die Kosten des Unterhalts für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und, falls in Folge der Schwangerschaft oder der Entbindung weitere Aufwendungen nothwendig werden, auch die dadurch entstehenden Kosten zu ersetzen“. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass es sich bei § 1715 Abs. 1 BGB 1896 nicht um einen Unterhaltsanspruch im eigentlichen Sinne handelte; Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit waren keine Anspruchsvoraussetzung. Die damals herrschende Lehre ging daher von einem Anspruch sui generis aus292. Erst mit dem Gesetz über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder (NEhelG) aus dem Jahre 1969293 wurde mit § 1615 l BGB ein echter familienrechtlicher Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen dessen Vater geschaffen. Dieser Anspruch bestand nach § 1615 l Abs. 1 BGB 1969 für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt. Soweit die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachging, weil sie infolge der Schwangerschaft dazu außerstande war, oder weil das Kind andernfalls nicht versorgt werden konnte, bestand der Anspruch über diesen Zeitpunkt hinaus (vgl. § 1615 l Abs. 2 S. 1 und 2 BGB 1969). Diese erweiterte Unterhaltspflicht begann frühestens vier Monate vor und endete spätestens ein Jahr nach der Entbindung (§ 1615 l Abs. 2 S. 3 BGB 1969). Mit dem Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (SFHÄndG) aus dem Jahre 1995294 wurde die Dauer der Unterhaltspflicht auf maximal drei Jahre erweitert. Der Wortlaut des § 1615 l Abs. 2 S. 2 BGB wurde dem des § 1570 BGB angeglichen. Ein Anspruch war danach gegeben, „soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden“ konnte. Durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG) aus dem Jahre 1997295 wurde der Anspruch schließlich in zeitlicher Hinsicht nochmals erweitert. Bei Vorliegen besonderer Umstände, die eine Versagung des Anspruchs grob unbillig erscheinen lassen, besteht die Unterhaltspflicht auch über die Dreijahresfrist hinaus und kann theoretisch auch zu einer dauernden Unterhaltspflicht führen296. Mit dem KindRG wurde in Form des § 1615 l Abs. 4 BGB auch erstmals ein Anspruch des Vaters gegen die Mutter auf Betreuungsunterhalt geschaffen, falls dieser das Kind betreut297.
291 Vgl. zur historischen Entwicklung des Unterhaltsanspruchs der nicht mit dem Vater verheirateten Mutter, auch für die Zeit vor Inkrafttreten des BGB: Puls, FamRZ 1998, 865 f. 292 Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 60 I 2, S. 647. 293 BGBl. 1969 I, 1243. 294 BGBl. 1995 I, 1050. 295 BGBl. 1997 I, 2942. 296 Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1615 l, Rn. 13. 297 Vgl. hierzu ausführlich: Büdenbender, FamRZ 1998, 129 ff.
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b) Abgrenzung zwischen § 1570 BGB und § 1615 l BGB Die Abgrenzung zwischen § 1570 BGB und § 1615 l BGB kann sich als schwierig erweisen, wenn die Eltern miteinander verheiratet waren, das gemeinsame Kind aber erst nach Rechtskraft der Scheidung geboren wird. Für diese Abgrenzung ist auf den Zeitpunkt der Zeugung, nicht den der Geburt, abzustellen. „Gemeinschaftliche“ Kinder im Sinne des § 1570 BGB sind nur während bestehender Ehe geborene (§§ 1591, 1592 Nr. 1 BGB) oder gezeugte Kinder, sowie vorehelich geborene Kinder, deren Vaterschaft anerkannt oder festgestellt wurde (§ 1592 Nr. 2 und 3 BGB). Dies ergibt sich aus § 1615a BGB298 sowie aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Wird ein Kind nach der Ehe geboren, so unterfällt es unter Berücksichtigung des § 1593 S. 1 BGB dann noch dem Anwendungsbereich des § 1570 BGB, wenn es innerhalb von 300 Tagen nach Rechtskraft der Scheidung geboren wurde299. Diese Differenzierung rührt daher, dass nur bei während oder vor der Ehe geborenen oder gezeugten gemeinsamen Kindern eine typische ehebedingte Bedürfnislage besteht, welche die Anwendung des § 1570 BGB voraussetzt300. Wird das Kind erst nach Rechtskraft der Scheidung gezeugt, besteht demnach nur ein Anspruch nach § 1615 l BGB, der diesbezüglich als abschließende Regelung anzusehen ist301. Von einem Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt wird dieser Anspruch, der seiner Natur nach kein nachehelicher Unterhaltsanspruch ist, nicht erfasst302. c) Anwendbarkeit des § 1614 BGB Nach § 1615 l Abs. 3 S. 1 BGB sind die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten auf den Anspruch aus § 1615 l BGB entsprechend anzuwenden; der Anspruch setzt also insbesondere Bedürftigkeit des Berechtigten (§ 1602 BGB) und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (§ 1603 BGB) vor298 Büttner, FamRZ 2000, 781, 782; Heiß/Heiß, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, I, 14. Kap., Rn. 1. 299 BGH FamRZ 1998, 426; Büttner, FamRZ 2000, 781, 782; Rauscher, Familienrecht, Rn. 563; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1615 l, Rn. 3. 300 BGH FamRZ 1998, 426, 427. 301 BGH NJW 1998, 1065, 426 f; Heiß/Heiß, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, I, 14. Kap., Rn. 1; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1615 l, Rn. 3. Im Rahmen des § 1570 BGB wird damit weiter an den rechtlichen Status der Ehelichkeit angeknüpft, obwohl die gesetzliche Differenzierung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern mit dem KindRG aufgegeben wurde; vgl. Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1570, Rn. 5. 302 Ergibt die Auslegung der Verzichtsvereinbarung allerdings etwas anderes, ist diese ohne Weiteres nach §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB unwirksam. Eine solche Fallkonstellation dürfte indes eher theoretische denn praktische Bedeutung haben. Dennoch sollte ein Notar schon aus haftungsrechtlichen Gründen hierauf hinweisen und die Verzichtsvereinbarung entsprechend formulieren.
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aus. Aus dieser Verweisung ergibt sich damit auch, dass nach § 1614 BGB auf den Anspruch aus § 1615 l BGB für die Zukunft nicht verzichtet werden kann303. Dies wurde nach der Neufassung des § 1615 l BGB durch das KindRG von Stimmen aus dem Schrifttum in Frage gestellt, da der Wortlaut nunmehr dem des § 1570 BGB weitgehend angeglichen wurde. Daraus sei zu schließen, dass auch die für diesen Anspruch geltende Regelungsmöglichkeit des § 1585 c BGB in den Rahmen des § 1615 l BGB einzubeziehen sei; § 1615 l Abs. 3 S. 1 BGB sei insoweit teleologisch einzuschränken304. Dieser Auffassung kann indes keinesfalls gefolgt werden. Hier findet die Auslegung ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Da § 1615 l Abs. 3 S. 1 BGB zweifellos auf § 1614 BGB als Vorschrift zur Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und nicht auf § 1585 c BGB als Vorschrift zum nachehelichen Unterhalt verweist305, kann § 1614 BGB nicht contra legem unangewendet bleiben, nur weil der Wortlaut des § 1615 l Abs. 1 BGB dem des § 1570 BGB gleicht. Dies gilt umso mehr, als es sich bei § 1615 l BGB gerade nicht um einen nachehelichen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1585 c BGB handelt. Anhaltspunkte für eine anderweitige Gesetzesintention oder gar ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers sind ebenfalls nicht ersichtlich306. Es wäre daher ausschließlich Sache des Gesetzgebers, diese vermeintliche „systematische Widersprüchlichkeit“307 im Hinblick auf den ähnlichen Wortlaut zu beseitigen. d) Wertungswiderspruch zwischen §§ 1570, 1585 c BGB und §§ 1615 l, 1614 BGB? Im Schrifttum finden sich vermehrt Stimmen, welche die Disponibilität des § 1570 BGB im Verhältnis zu § 1615 l BGB als Wertungswiderspruch kritisieren308. Hieran ist sicherlich richtig, dass es unter Berücksichtigung des Art. 6 GG merkwürdig anmutet, dass eine geschiedene Mutter auf den Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes nach §§ 1570, 1585 c BGB verzichten können soll, während bei einer nie mit dem Vater verheirateten Mutter nach §§ 1615 l Abs. 3 S. 1, 1614 Abs. 1 BGB ein Verzicht ausgeschlossen ist. Bei genauer Betrachtung des Regelungszusammenhangs und des Schutzzwecks der §§ 1570, 1615 l BGB lässt sich aber zumindest kein grober Wertungswider303
Engler, in: Staudinger, BGB, § 1615 l, Rn. 29. Vgl. insbesondere: Lenz, MittBayNot 1999, 152, 157 f; andeutungsweise, aber offen lassend: Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 31. 305 BGH NJW 1992, 3164, 3165; allerdings ohne auf § 1585 c BGB einzugehen. 306 Vgl. hierzu die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zur Neufassung des § 1615 l BGB durch das KindRG: BT-Drs. 13/8511, S. 71. 307 So Lenz, MittBayNot 1999, 152, 157. 308 Goebel, FamRZ 2003, 1513, 1518; Frank, AcP 200 (2000), 401, 411; Schwab, FamRZ 1997, 521, 525; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 58 und 182. 304
4. Exkurs: Das Verhältnis der §§ 1360 ff, 1569 ff BGB zu § 1615 l BGB
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spruch feststellen. An der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften bestehen jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Auszugehen ist zunächst davon, dass sowohl § 1570 BGB als auch § 1615 l BGB eigene Ansprüche der Mutter und nicht des Kindes sind309. Zwar dienen beide Ansprüche auch dem Schutz des Kindes310; diesem stehen jedoch eigene Ansprüche gegen den Vater zu, auf die nach §§ 1601 ff, 1614 BGB nicht verzichtet werden kann. Die Frage eines Wertungswiderspruchs kann m. E. nicht mit einem isolierten Blick auf die Unterhaltstatbestände der §§ 1570, 1615 l BGB beantwortet werden. Entscheidender Anknüpfungspunkt ist vielmehr, dass der nicht mit dem Vater verheirateten Mutter, abgesehen von dem grundsätzlich (vgl. § 1615 l Abs. 2 S. 3 BGB311) auf drei Jahre befristeten Anspruch aus § 1615 l BGB, von vornherein keinerlei weitere Ansprüche gegen den Vater zustehen, während die geschiedene Mutter aufgrund der Ehe zusätzlich durch ein umfangreiches Scheidungsfolgenrecht geschützt ist. Insoweit kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Scheidungsfolgenregelungen, in die auch Vermögensverschiebungen während der Ehe einzubeziehen sein werden, ein Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt angemessen und gerechtfertigt erscheinen312. Freilich kann nach der derzeitigen Gesetzeslage auch hier im Wege eines Globalverzichts auf sämtliche begünstigenden Scheidungsfolgen einschließlich des Betreuungsunterhalts verzichtet werden (vgl. §§ 1408 Abs. 1, Abs. 2, 1585 c BGB). Dennoch kann m. E. nicht unberücksichtigt bleiben, dass die wirtschaftliche Belastung durch einen Unterhaltsverzicht theoretisch durch einen Zugewinnausgleichsanspruch, Durchführung des Versorgungsausgleichs oder auch eine Kapitalabfindung kompensiert werden kann. Dies rechtfertigt, dass der Gesetzgeber den Anspruch aus § 1570 BGB – im Gegensatz zu dem aus § 1615 l BGB – nicht von vornherein als unverzichtbar ausgestaltet hat. Im Falle einer unangemessenen Benachteiligung kann immer noch durch eine gerichtliche Kontrolle der getroffenen Vereinbarungen anhand der allgemeinen Regeln der §§ 138 Abs. 1, 242 BGB geholfen werden. Die Ausgangssituationen sind somit verschieden, sodass sich der besondere Schutz der nicht mit dem Vater verheirateten Mutter durch § 1614 BGB durchaus legitimieren lässt. Gerade weil dieser keinerlei anderweitigen gesetzlichen Ansprüche gegen den Vater zustehen, soll auf § 1615 l BGB nicht verzichtet werden können. 309 Gleiches gilt selbstverständlich für den umgekehrten Fall, dass der Vater das Kind betreut. Vgl. hierzu (hinsichtlich des § 1570 BGB) auch ausführlich unter IV.2.c)aa). 310 Vgl. für § 1570 BGB: BVerfGE 57, 361, 382 f; für § 1615 l BGB: Schwab, FamRZ 2000, 781, 782 f. 311 Das OLG Hamm hält diese Befristung wegen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG für verfassungswidrig und hat diese Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt; OLG Hamm FamRZ 2004, 1893 f. Für die Verfassungsmäßigkeit des § 1615 l Abs. 2 S. 3 BGB: Mehrle, FamRZ 2004, 1894, 1895. 312 Vgl. ausführlich zum Erfordernis der Gesamtbetrachtung unten unter IV.2.f).
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II. Die Entwicklung der Gesetzgebung seit Inkrafttreten des BGB
In praktischer Hinsicht tritt ein Wertungswiderspruch in der Regel nur dann zu Tage, wenn die geschiedene Mutter zur Zeit der Rechtskraft der Scheidung ein Kind unter drei Jahren betreut313 oder von ihrem geschiedenen Mann erwartet, auf nachehelichen Unterhalt verzichtet hat und dieser Verzicht nicht durch anderweitige scheidungsfolgenrechtliche Leistungen oder Vermögensverschiebungen während der Ehe kompensiert wird. Hier könnte zwar aufgrund Art. 6 Abs. 4 GG daran gedacht werden, dass § 1585 c BGB generell dahin einschränkend auszulegen ist, dass sich der Verpflichtete, bis das gemeinsame Kind drei Jahre alt ist, nicht auf den Unterhaltsverzicht berufen kann (§ 242 BGB). Dies wird im Schrifttum erwogen, da die Mutter eines ehelichen Kindes andernfalls – entgegen Art. 6 Abs. 4 GG – nach der Scheidung schlechter stehe, als wenn das Kind außerehelich geboren worden wäre314. Dieser Gedanke ist im Ansatzpunkt durchaus zutreffend, verkennt aber wiederum, dass § 1570 BGB nicht isoliert zu betrachten, sondern im Gesamtgefüge des Scheidungsfolgenrechts zu sehen ist, eine Kompensation der Nachteile eines Unterhaltsverzichts also grundsätzlich möglich ist. Zudem ist zu bedenken, dass diese vermeintliche Schlechterstellung letztlich nicht (unmittelbar) auf der gesetzlichen Regelung, sondern auf einer durch diese ermöglichte privatautonomen Entscheidung beider Ehegatten beruht. Daher kann die Zulässigkeit der Geltendmachung eines Verzichts auf den Anspruch aus § 1570 BGB m. E. nicht generell unter Anwendung des § 242 BGB bis zum dritten Lebensjahr des Kindes ausgeschlossen werden. Entscheidend sind auch hier die konkreten Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls. Widerspricht danach der Unterhaltsverzicht den Grundsätzen von Treu und Glauben, so ist es dem Verpflichteten zweifellos nach § 242 BGB verwehrt, sich auf den Verzicht zu berufen315. In der Praxis wird dies auch auf die Mehrzahl der vorstehend genannten Fallkonstellationen zutreffen. Hat aber die Verzichtende beispielsweise eine Kapitalabfindung oder einen auskömmlichen Zugewinnausgleich erhalten und diese Vermögenswerte in wirtschaftlich unvernünftiger Weise verbraucht, sodass sie nunmehr bedürftig ist, muss ihr die Einrede des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB verwehrt bleiben316.
313 Der Anspruch aus § 1615 l BGB besteht nur bei Vorliegen grober Unbilligkeit über den Zeitraum von drei Jahren ab Geburt des Kindes hinaus. 314 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 58 und 182. 315 Vgl. zur Zulässigkeit eines Verzichts auf den Anspruch aus § 1570 BGB unter IV.2.c); zur Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB beim Betreuungsunterhalt unter IV.3.b)bb)(2)(b). 316 Hinsichtlich solcher Vermögenswerte wird sich die Verzichtende auch nur in seltenen Ausnahmefällen auf § 1577 Abs. 3 BGB berufen können.
III. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen Bereits die bisherigen Ausführungen haben aufgezeigt, dass sich die Judikatur seit Inkrafttreten des BGB kontinuierlich mit der Wirksamkeit von Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen zu befassen hatte. In einem dritten Abschnitt soll nunmehr die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bis zur eingangs zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 20011 und dem dieser nachfolgenden Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahre 20042 dargestellt werden, wobei akzentuiert auf die Entwicklung seit Inkrafttreten des 1. EheRG abgestellt wird. Die Grundsätze der Rechtsprechung des Reichsgerichts wurden bereits im vorherigen Abschnitt skizziert. Logischer Ausgangspunkt der Rechtsprechung ist, dass die vertragliche Regelung von ehebedingten Unterhaltsansprüchen nur im Rahmen der allgemeinen Regeln des BGB erfolgen kann.
1. Die Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Familienunterhalt Höchstrichterliche Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Familienunterhalt liegt nur vereinzelt vor. Wie bereits dargelegt, sind solche Vereinbarungen innerhalb der Grenzen des § 1614 BGB grundsätzlich zulässig; dies war bereits in der Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannt3. Eine vertragliche Regelung des Familienunterhalts muss zudem mit dem Wesen der Ehe vereinbar sein4. Da sich dieses kaum abstrakt definieren lässt, sondern immer auch einem Wandel der gesellschaftlichen Wertvorstellungen unterliegt5, kommt es hinsichtlich der Wirksamkeit solcher Vereinbarungen stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zur Sicherung der ehelichen Unterhaltspflicht wurde in der Rechtsprechung zu Recht als mit dem Wesen der Ehe unvereinbar angesehen6. Gleiches gilt selbstverständ1
BVerfGE 103, 89 ff. BGH NJW 2004, 930 ff. 3 RGZ 61, 50, 54; RGZ 109, 137, 141. 4 Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1360, Rn. 23; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360, Rn. 56. 5 BVerfGE 105, 313, 345. 2
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
lich auch für die Ausschließung des Rechts der Stellung eines Scheidungsantrags in Verbindung mit – aber auch ohne – einer Unterhaltsvereinbarung7. Die vereinzelt vertretene These, nach der aus dem Grundsatz der Eheschließung auf Lebenszeit gemäß § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen aus den Art. 2, 4 und 6 GG, geschlossen werden könne, dass die Ehegatten ehevertraglich auf die Scheidungsmöglichkeit verzichten könnten8, ist seitens der Rechtsprechung mit Recht strikt abgelehnt worden9. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Eheschließungsfreiheit und die Glaubensfreiheit sprechen gerade dafür, dass eine Lösung von einer gescheiterten Ehe10 ebenso wie ein Wechsel des Glaubensbekenntnisses möglich sein müssen11. Vereinbarungen über den Familienunterhalt kommen in der Praxis aber nur selten vor, sodass von weiteren Ausführungen an dieser Stelle abgesehen werden kann12. Soweit ersichtlich, sind in den letzten Jahren auch keine höchstrichterlichen Entscheidungen hierzu ergangen.
2. Die Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben (§ 1361 BGB) zulässig sind, soweit sie die Grenzen des § 1614 BGB beachten13. Daher hat bereits das Reichsgericht – unter der Voraussetzung, dass eine Berechtigung zum Getrenntleben (§ 1353 Abs. 2 BGB 1896) bestand – die Wirksamkeit von Vereinbarungen zum Trennungsunterhalt im Grundsatz bestätigt14. 6 RGZ 158, 294, 300. Die Vereinbarung einer Abfindungssumme für den Fall einer Scheidung wird dagegen grundsätzlich anerkannt, soweit sie der finanziellen Absicherung eines Ehegatten dienen soll und nicht den Charakter einer Vertragsstrafe hat; vgl. BGH NJW 1990, 703, 704. 7 BGH NJW 1986, 2046 f. 8 Hattenhauer, ZRP 1985, 200, 201 ff. 9 BGH NJW 1986, 2046, unter ausdrücklicher Ablehnung der Auffassung Hattenhauers; BGH NJW 1990, 703; Knütel, FamRZ 1985, 1089 ff; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 13; Grziwotz, in: Beck’sches Notarhandbuch, B I. Eheverträge, Rn. 15. 10 Vgl. BVerfG 31, 58, 82 f: Die Ehe ist zwar eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft; sie ist aber nur grundsätzlich, nicht absolut unauflöslich. 11 Knütel, FamRZ 1985, 1089, 1090 f. 12 Vgl. ausführlich – allerdings teilweise recht weit gehend – zu Möglichkeiten und Grenzen von Vereinbarungen zur Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft: Grziwotz, MDR 1998, 1075 ff (zum Familienunterhalt: S. 1079 f). Vgl. im Übrigen unten unter IV.3.a)aa). 13 Vgl. oben unter II.2.d)bb). 14 RG JW 1920, 640; RGZ 61, 50, 54; RGZ 109, 137, 141.
2. Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben
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a) Grundsätze der Rechtsprechung Obwohl Vereinbarungen über den Trennungsunterhalt häufig getroffen werden, finden sich hierzu – anders als im Bereich des nachehelichen Unterhalts – nur wenige höchstrichterliche Entscheidungen. Dies dürfte an der klaren gesetzlichen Regelung der §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360 a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB liegen, nach der ein Verzicht für die Zukunft unzulässig ist; bei hiergegen verstoßenden Vereinbarungen wird der Instanzenzug nach anwaltlicher Beratung regelmäßig nicht ausgeschöpft werden. Bereits das Reichsgericht hat zu Recht betont, dass auch ein (nur) teilweiser Verzicht auf Unterhalt für die Zukunft nach §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB nichtig ist15. Dies gilt selbst für den Fall der Vereinbarung einer Gegenleistung16, da eine solche Gestaltungsmöglichkeit in der zwingenden Regelung des § 1614 BGB nicht vorgesehen ist. Als nichtig ist nach zutreffender Rechtsprechung ferner der Abschluss eines pactum de non petendo zu behandeln17. Dieser stellt dogmatisch zwar keinen Verzichtsvertrag dar, da er den Unterhaltsanspruch selbst unberührt lässt. Er ist jedoch als unzulässiges Umgehungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig. Auch kann es beim Trennungsunterhalt – anders als bei Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt18 – keine novierenden Vereinbarungen geben, da diese einen Verzicht auf den gesetzlich geschuldeten Unterhalt voraussetzen. Ein Verzicht auf Unterhalt für die Vergangenheit ist dagegen grundsätzlich zulässig19. In der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass die inhaltliche Ausgestaltung des Anspruchs aus § 1361 BGB privatautonomen Regelungen zugänglich ist20; § 1361 Abs. 4 S. 1 BGB ist disponibel. Als rechtlich problematisch erweisen sich nach den vorstehenden Grundsätzen daher Unterhaltsverträge, nach deren Inhalt die vereinbarte Unterhaltssumme oder der objektive Wert der vereinbarten Naturalleistungen hinter dem gesetzlich geschuldeten Unterhaltsbetrag zurückbleibt. Hier bedarf es einer Grenzziehung zwischen der zulässigen inhaltlichen Ausgestaltung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs aus § 1361 BGB und dem nach § 1614 Abs. 1 BGB unzulässigen Teilverzicht.
15
RG JW 1902, 72; BGH FamRZ 1984, 997, 999. RG JW 1905, 682. 17 OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; vgl. hierzu im einzelnen unter IV.2.a)bb)(2). 18 Vgl. oben unter II.2.d)cc)(1). 19 RGZ 164, 65, 69. 20 BGH FamRZ 1997, 484, 486; BGH FamRZ 1965, 125; BGH NJW 1962, 2102, 2103. 16
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
b) Die Rechtsprechung zum Teilverzicht auf den nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB geschuldeten Unterhalt Der unterhaltspflichtige Ehegatte schuldet gemäß § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB die Zahlung des nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalts21. Nach der Rechtsprechung einer beachtlichen Zahl von Oberlandesgerichten soll allerdings eine nur „geringfügige“ betragsmäßige Unterschreitung des gesetzlich geschuldeten Unterhalts im Rahmen einer Trennungsunterhaltsvereinbarung zulässig sein. Dies wird im Ansatz noch zutreffend damit begründet, dass § 1614 Abs. 1 BGB zwar zwingendes Recht ist, aber grundsätzlich nicht ausschließt, die gesetzliche Unterhaltspflicht nach Inhalt und Höhe näher zu regeln22. Im Weiteren wird mit dem Normzweck des § 1614 Abs. 1 BGB argumentiert, der darin zu sehen sei, zu verhindern, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch eine Belastung der Sozialhilfeträger zur Folge habe23. Andererseits handele es sich bei dem gesetzlich geschuldeten „angemessenen Unterhalt“ aber um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der (auch) den Parteien im Falle einer privatautonomen Regelung einen gewissen Spielraum belasse24. Das OLG Hamm vertritt hierzu die Auffassung, dass der gesetzliche Unterhaltsanspruch aus § 1361 BGB zwar „theoretisch auf einen bestimmten Betrag“25 gehe, aber bereits aus dem Normzweck des § 1614 BGB folge, dass den Ehegatten in tatsächlicher Hinsicht für die Bemessung des Unterhalts in einer Vereinbarung ein Spielraum für interessengemäße und situationskonforme Regelungen bleibe; nur eine Regelung, die diesen Rahmen unterschreite, sei unwirksam26. Nach Ansicht des OLG Köln könne kein genereller Maßstab dafür aufgestellt werden, ab welcher prozentualen Unterschreitung des „an sich“ geschuldeten gesetzlichen Unterhalts nicht mehr eine zulässige Vereinbarung zur Unterhaltshöhe, sondern ein Unterhaltsverzicht vorliege; entscheidend sei die
21 Dieser wird in der Praxis regelmäßig anhand der hierzu von den Oberlandesgerichten entwickelten Tabellen und Leitlinien ermittelt; vgl. oben unter I.1.b)bb)(2) und ausführlich: Brudermüller/Klattenhoff, Tabellen zum Familienrecht. 22 KG FamRZ 1997, 627, 628; OLG Köln FamRZ 1983, 750, 752; OLG Hamm FamRZ 1981, 869. 23 KG FamRZ 1997, 627, 628; OLG Köln FamRZ 1983, 750, 752; OLG Hamm FamRZ 1981, 869. 24 KG FamRZ 1997, 627, 628; OLG Hamm FamRZ 1981, 869. 25 OLG Hamm FamRZ 1981, 869. 26 OLG Hamm FamRZ 1981, 869: eine feste Grenze wird dort nicht festgelegt. Im konkreten Fall wurde die Unwirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarungen unter Ehegatten verneint.
2. Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben 101
Zumutbarkeit für den Berechtigten27. Danach sei ab einer Unterschreitung von 20% im Einzelfall zu prüfen, ob ein Verstoß gegen § 1614 BGB vorliege; ab einer Unterschreitung um ein Drittel sei ein unzulässiger Teilverzicht im Regelfall zu bejahen28. Eine Unterschreitung des gesetzlich geschuldeten Unterhalts um 20% sieht das OLG Celle dagegen als grundsätzlich zulässig an29. Das OLG Oldenburg knüpft an einen „gesetzlich zugelassenen Spielraum der Angemessenheit“30 an, der jedenfalls dann überschritten sei, wenn auf ein Drittel des Tabellenunterhalts verzichtet werde. Nach Auffassung des KG sei die betragsmäßige Unterhaltsermittlung nach den Tabellen der Oberlandesgerichte nur eine Orientierungshilfe zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessener Unterhalt“, sodass eine vereinbarte Unterschreitung dieser Werte keinen Teilverzicht darstellen müsse31. Bei einer so deutlichen Unterschreitung des gesetzlich geschuldeten Betrags, dass der Berechtigte einen Anspruch auf Sozialhilfe hätte, sei der Ermessensspielraum der Vertragsschließenden jedenfalls überschritten und ein unzulässiger Teilverzicht zu bejahen32. Im Gegensatz zu den vorstehend genannten Oberlandesgerichten bejaht das OLG Schleswig einen nach § 1614 BGB unzulässigen Teilverzicht schon bei jeder Unterschreitung des anhand der maßgeblichen Tabellen ermittelten gesetzlich geschuldeten Unterhaltsanspruchs33. Der BGH hat sich, soweit ersichtlich, erst einmal mit der Frage befasst, ab wann eine Unterhaltsvereinbarung, nach welcher der gesetzlich geschuldete Betrag unterschritten wird, einen unzulässigen Teilverzicht beinhaltet. Danach komme es zunächst – unabhängig von einem Verzichtswillen der Parteien – allein darauf an, ob der dem Unterhaltsberechtigten von Gesetzes wegen zustehende Unterhalt objektiv verkürzt werde34. Für die konkrete Bemessung des Unterhalts bestehe ein Angemessenheitsrahmen, der auch von den Parteien aus27
OLG Köln FamRZ 1983, 750, 752. OLG Köln FamRZ 1983, 750, 752; diese Entscheidung erging allerdings zu einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt. Die Argumentation ist aufgrund der dort ebenfalls geltenden Vorschrift des § 1614 BGB aber ohne Weiteres auf Trennungsunterhaltsvereinbarungen übertragbar. Für eine Vereinbarung zum Trennungsunterhalt daher ebenso: OLG Düsseldorf JAmt 2001, 137. 29 OLG Celle FamRZ 1992, 42; ebenfalls zu einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt. 30 OLG Oldenburg FamRZ 1979, 333. 31 KG FamRZ 1997, 627, 628. 32 KG FamRZ 1997, 627, 628 f; ebenfalls zu einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt. Beim Trennungsunterhalt soll nach KG FamRZ 1997, 627, 629 nichts anderes gelten. 33 OLG Schleswig SchlHA 1979, 190; ebenfalls zu einer Vereinbarung hinsichtlich des Kindesunterhalts. 34 BGH FamRZ 1984, 997, 999; auch dieser Entscheidung lag eine Vereinbarung über den Kindesunterhalt zugrunde. 28
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
geschöpft werden könne; unterschreite der vereinbarte monatliche Unterhaltsanspruch diesen Rahmen, könne die Vereinbarung keinen Bestand haben35. Eine nähere Festlegung lehnte der BGH ab, da in dem entschiedenen Fall die Toleranzgrenze eindeutig überschritten war. Im Hinblick auf die klare gesetzliche Regelung der §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB erscheint diese Tendenz der Rechtsprechung, eine betragsmäßige Unterschreitung des gesetzlich geschuldeten Unterhalts von bis zu einem Drittel hinzunehmen, m. E. äußerst bedenklich. Kritische Stellungnahmen aus dem Schrifttum sind indes kaum ersichtlich. Zu dieser Problematik soll an anderer Stelle noch ausführlich Stellung bezogen werden36.
3. Die Entwicklung der Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt sind bereits seit Inkrafttreten des BGB deutlich häufiger Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen, als dies bei Vereinbarungen zum Familien- oder Trennungsunterhalt der Fall ist, was sicherlich auch daran liegt, dass die die Vertragsgestaltungsfreiheit weitgehend einschränkende Norm des § 1614 BGB hier nicht gilt. Bemerkenswert ist freilich, dass sich die Argumentationsschwerpunkte und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, nach denen Unterhaltsvereinbarungen die Rechtswirksamkeit versagt werden kann, teilweise wesentlich gewandelt haben. a) Die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des 1. EheRG im Überblick In der Zeit nach Inkrafttreten des BGB, unter Geltung des strengen Schuldprinzips, befasste sich das Reichsgericht mit Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt in erster Linie im Hinblick auf deren Unwirksamkeit wegen ihrer scheidungserleichternden Wirkung. Die Interessen der Allgemeinheit spielten hierbei kaum eine Rolle; im Vordergrund stand der Schutz der Institution Ehe37. Weite Teile dieser Rechtsprechung wurden mit Inkrafttreten des § 80 EheG 1938, der die scheidungserleichternde Wirkung einer Unterhaltsvereinbarung für rechtlich unbedenklich erklärte, obsolet38. In der Folgezeit trat in der 35
BGH FamRZ 1984, 997, 999. Vgl. hierzu unten unter IV.3.a)bb). 37 Meder, FuR 1993, 12, 14; vgl. auch oben unter II.2.a). 38 Das RG musste seine Rechtsprechung demzufolge auch aufgeben; vgl. ausdrücklich RGZ 159, 157, 162 ff: grundsätzlich keine Sittenwidrigkeit, wenn durch die Unterhaltsvereinbarung die Scheidung erleichtert oder ermöglicht worden ist. 36
3. Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt
103
Rechtsentwicklung ein anderer Gesichtspunkt in den Vordergrund. Die Gerichte hatten sich vermehrt mit Fällen der so genannten „ritterlichen Scheidung“, in denen die Geltendmachung oder Nichtgeltendmachung von Scheidungsgründen mit Unterhaltsvereinbarungen in ein Gegenseitigkeitsverhältnis gebracht wurden, und deren Zulässigkeit im Hinblick auf § 80 S. 2 EheG 1938 beziehungsweise § 72 S. 3 EheG 1946 zu befassen39. Erst seit Mitte der fünfziger Jahre wurde auch die Frage der Sittenwidrigkeit eines Unterhaltsverzichts wegen der Belastung der Sozialhilfeträger zunehmend diskutiert. Gewährt ein Sozialhilfeträger einem Berechtigten finanzielle Hilfe, so kann er die diesem gegen einen Dritten zustehenden Ansprüche durch schriftliche Anzeige nach § 90 BSHG auf sich überleiten40. Ansprüche gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen gehen nach § 91 BSHG kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger über. Der BGH hat hierzu bereits 1956 klargestellt, dass ein Unterhaltsverzicht, der zeitlich nach einer Überleitungsanzeige erfolgt41, ins Leere geht, da es ab diesem Zeitpunkt an der Verfügungsbefugnis des Unterhaltsberechtigten fehlt42. Gleiches gilt heute hinsichtlich der Überleitung kraft Gesetzes. Dass ein Unterhaltsanspruch jeden Monat aus dem Unterhaltsstammrecht neu entsteht, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da ein Verzicht auch das Stammrecht erfasst und es auch insoweit an einer Verfügungsbefugnis fehlt. Für zeitlich vor der Sozialhilfebedürftigkeit liegende Verzichtsvereinbarungen ist dies aber nicht der Fall. Hier waren die Gerichte43 und ihnen folgend auch weite Teile des Schrifttums44 zu Beginn der fünfziger Jahre noch der Auffassung, dass Verzichtsvereinbarungen, die sich zu Lasten der Sozialhilfeträger 45 auswirkten, nur unter engen subjektiven Voraussetzungen als sittenwidrig anzusehen seien. Dies wurde damit begründet, dass § 72 EheG 1946 hinsichtlich nachehelicher Unterhaltsansprüche einen Verzicht uneingeschränkt zuließ. Es sei daher nicht gerechtfertigt, die nur für das eheliche Unterhaltsrecht geltende Regelung des § 1614 Abs. 1 BGB für die Fälle der Inanspruchnahme von Sozialhilfe auf dem Umweg des § 138 BGB wieder herzustellen46. Unterhaltsverzichtsverträge würden deshalb nur dann gegen die guten 39 Meder, FuR 1993, 12, 15 f; vgl. auch oben unter II.2.b)bb). Solche Vereinbarung gab es freilich bereits vor Inkrafttreten des EheG 1938. Allerdings wurden diese aufgrund der restriktiven Rechtsprechung des Reichsgerichts regelmäßig für nichtig befunden. 40 Sog. Überleitungsanzeige, die ein anfechtbarer Verwaltungsakt ist. 41 Damals konnten auch Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht gemäß § 21a FürsPflVO a. F. nur durch schriftliche Anzeige übergeleitet werden. 42 BGH NJW 1956, 790. 43 OLG Düsseldorf FamRZ 1955, 293; LG Ellwangen FamRZ 1955, 108, 109. 44 Lauterbach, in: Palandt, BGB (19. Aufl.), § 72 EheG, Anm. 2; Lüdtke, NJW 1955, 211, 212; Hampel, FamRZ 1960, 421, 423; zustimmend ebenfalls: Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 25 IV 3, S. 218 f. 45 Damals noch: „die öffentliche Fürsorge“.
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
Sitten verstoßen, wenn die Ehegatten bei Vertragsschluss in der gezielten Absicht handelten, die Sozialhilfeträger zu schädigen und sich auf Kosten der Allgemeinheit finanzielle Vorteile zu verschaffen47. Diese restriktive Auffassung ist wohl im Zusammenhang mit der damals auch in der Rechtspraxis grundsätzlich anerkannten so genannten „ritterlichen Scheidung“, die häufig mit einem Unterhaltsverzicht einher ging, zu sehen48. b) Die Inhaltskontrolle anhand des § 138 BGB aa) Sittenwidrigkeit wegen unzulässiger Drittbelastung Der BGH urteilte erstmals im Jahre 1982 zur Frage der Sittenwidrigkeit eines Verzichts auf nachehelichen Unterhalt im Zusammenhang mit der Belastung des Sozialhilfeträgers49. In diesem Grundsatzurteil erkannte der BGH zwar das Interesse der Ehegatten an einer ritterlichen Scheidung zur Vermeidung eines Schuldausspruchs an. Allein dies rechtfertige es jedoch nicht, den Anwendungsbereich des § 138 BGB im Rahmen des § 72 EheG 1946 auf Fälle einer gezielten Schädigungsabsicht zu Lasten der Sozialhilfeträger zu beschränken, da die den Eheleuten eingeräumte Vertragsfreiheit nach allgemeinen Grundsätzen dort ende, wo die Rechte Dritter entgegenstünden50. Der das Sozialhilferecht beherrschende Subsidiaritätsgrundsatz, nach dem derjenige „der sich aus eigener Kraft zu helfen in der Lage ist, mit seinem Wunsch nach staatlicher Hilfe zurücktreten muß“51, entfalte sich hier dergestalt, dass die Geltendmachung gesetzlich zustehender Unterhaltsansprüche der Inanspruchnahme von Sozialhilfe vorgehe52. Auf eine Schädigungsabsicht 46 Lüdtke, NJW 1955, 211, 212; Hampel, FamRZ 1960, 421, 423; zustimmend: OLG Düsseldorf FamRZ 1955, 293, 294; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 25 IV 3, S. 218 f; so auch heute noch: Meder, FuR 1993, 12, 15 (unter Fußnote 23). 47 Lüdtke, NJW 1955, 211, 212; Hampel, FamRZ 1960, 421, 423 meinte, es sei in derartigen Fällen darauf abzustellen, ob das Verhalten der Eheleute als gewissenlos anzusehen sei. Könne dies nicht festgestellt werden, seien die Interessen der Eheleute höher zu bewerten als die wirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit. 48 So fasste auch der BGH den bisherigen Meinungsstand zusammen; vgl. BGHZ 86, 82, 85. 49 BGHZ 86, 82 ff: der aus übergeleitetem Recht klagende Sozialhilfeträger nahm den beklagten Ex-Ehemann auf Erstattung von Leistungen in Anspruch, die der Sozialhilfeträger der geschiedenen Frau, die in einer Scheidungsvereinbarung auf nachehelichen Unterhalt verzichtet hatte. Der Entscheidung lag eine nach § 72 EheG 1946 zu beurteilende Unterhaltsvereinbarung zugrunde. 50 BGHZ 86, 82, 87. 51 BVerfGE 17, 38, 56. 52 BGHZ 86, 82, 88.
3. Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt
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komme es für die Anwendung des § 138 BGB dagegen nicht an. Wenn eine Unterhaltsverzichtsvereinbarung in objektiver Hinsicht zwangsläufig zu einer Belastung der Sozialhilfeträger führe, sei es in subjektiver Hinsicht ausreichend, wenn den Vertragsschließenden dies zur Zeit des Abschlusses der Vereinbarung bewusst gewesen sei oder sie sich dieser Erkenntnis grob fahrlässig verschlossen hätten53. Die Verzichtsvereinbarung sei dann aufgrund einer Gesamtwürdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck als sittenwidrig anzusehen54. Der BGH wies damit die vorgenannte restriktive Auffassung zurück. Dieses Grundsatzurteil wurde im Schrifttum überwiegend positiv aufgenommen55. Mit der Abschaffung des Verschuldensprinzips und der Einführung des Zerrüttungsprinzips durch das 1. EheRG ist das für die Gegenmeinung wesentliche Argument des Interesses der Ehegatten an einer ritterlichen Scheidung ohnehin weggefallen; die Auffassung des BGH ist folglich auch in der Literatur mittlerweile h. M.56. Diese Grundsätze hat der BGH seit 1982 in ständiger Rechtsprechung fortgeführt und präzisiert57. Bei vorsorgenden Unterhaltsverzichtsvereinbarungen wurde die Frage der Sittenwidrigkeit indes differenziert beurteilt. Hierzu hat der BGH ausgeführt, dass ein Sittenverstoß wegen unzulässiger Belastung des Sozialhilfeträgers grundsätzlich nicht angenommen werden könne, wenn der eine Teil die Eingehung der Ehe von einem Unterhaltsverzicht abhängig mache. Denn wenn es ohne den Verzicht erst gar nicht zur Eheschließung komme, habe für den Verzichtenden auch zu keiner Zeit Aussicht auf einen nachehelichen Unterhaltsanspruch bestanden58. Der Unterhaltsverzicht habe daher die (künftige) Bedürftigkeit und damit das Risiko, zur Bestreitung des Lebensunterhalts auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, nicht erhöht59. Damit wurde die Sittenwid53
BGHZ 86, 82, 89. BGHZ 86, 82, 89. 55 Vgl. Bosch, FamRZ 1983, 140; Göppinger, JR 1983, 197 f. 56 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c BGB, Rn. 24; Schwab, Familienrecht, Rn. 389; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 42; Häberle, in: Soergel, BGB, § 1585 c, Rn. 16; A. A.: Zöllner, in: FS Lange, 973, 988, da niemand in der Verpflichtung stehe, seine Privatangelegenheiten so zu gestalten, dass die Sozialhilfe geschont werde. Dem zustimmend: Meder, FuR 1993, 12, 21; ebenfalls kritisch: Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 192. 57 BGH NJW 1985, 1833, 1834; BGH FamRZ 1987, 152, 154; BGH NJW 1992, 3164, 3165. Erst recht sittenwidrig war danach die Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts für die Vergangenheit zu beurteilen, wenn der Berechtigte in dem in der Vergangenheit liegenden Verzichtszeitraum Sozialhilfe bezogen hat; vgl. BGH NJW1987, 1546, 1548. Seit der Neufassung des § 91 BSHG ginge eine solche Verzichtserklärung mangels Verfügungsbefugnis des Verzichtenden ohnehin ins Leere. 58 BGH NJW 1992, 3164 f; dort hatte der Mann die Eheschließung mit der von ihm schwangeren Frau u. a. von einem Unterhaltsverzicht abhängig gemacht. Der BGH betonte, dass die Ehefrau auch nicht auf den ohne die Eheschließung bestehenden Anspruch aus § 1615 l BGB verzichtet habe, da dies gerade kein nachehelicher Unterhaltsanspruch sei. 54
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
rigkeit wegen Belastung der Sozialhilfeträger bei vorsorgenden Vereinbarungen aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der BGH hatte an anderer Stelle angedeutet, dass dann, wenn die drittbelastenden Auswirkungen eines Unterhaltsverzichts zur Zeit des Vertragsschlusses vor der Ehe bedacht oder zumindest in Kauf genommen worden seien, auch die Sittenwidrigkeit in Betracht zu ziehen sei60. bb) Sittenwidrigkeit wegen unangemessener Benachteiligung oder Ausnutzung einer Zwangslage Ab Mitte der achtziger Jahren hatte sich der BGH mehrfach mit der rechtlich wie auch rechtspolitisch brisanten Frage zu befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine gegenseitige Unterhaltsverzichtsvereinbarung, die sich faktisch zu Lasten nur eines Ehegatten – regelmäßig der Ehefrau – auswirkt, dem Verdikt der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB unterfällt61. Dass eine Nichtigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB in diesem Zusammenhang nicht in Betracht kommt, ergibt sich daraus, dass diese Vorschrift nur auf Austauschgeschäfte anwendbar ist und sich die dazu entwickelten Grundsätze nicht auf familienrechtliche Verträge übertragen lassen62. Rechtlicher Ansatzpunkt war daher die Sittenwidrigkeit wegen unangemessener Benachteiligung oder Ausnutzung einer Zwangslage. (1) Das Argument der Eheschließungsfreiheit Der BGH hat bei der rechtlichen Überprüfung von Unterhaltsvereinbarungen stets betont, dass auch ein vollständiger Verzicht auf jeglichen nachehelichen Unterhalt grundsätzlich wirksam sei, da er den Kernbereich der Ehe nicht berühre, mit dem Wesen der Ehe vereinbar und nach § 1585 c BGB gesetzlich zulässig sei63. Es müssten vielmehr besondere Umstände hinzutreten, wenn im Einzelfall ausnahmsweise das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit begründet sein solle64. Mehreren Entscheidungen lagen Fallkonstellationen zugrunde, in denen der Ehemann die Eheschließung mit der von ihm schwangeren Frau vom vorherigen Abschluss (unter anderem) einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung für die 59
BGH NJW 1992, 3164, 3165. BGH NJW 1991, 913, 914; vgl. auch BGH NJW 1985, 1833, 1834. 61 Vgl. BGH NJW 1985, 1833, 1834 f; BGH NJW 1992, 3164, 3165; BGH NJW 1997, 192, 193; BGH NJW 1997, 126 ff. 62 BGH NJW 1992, 3164, 3165; BGH NJW 1985, 1833, 1834. 63 BGH NJW 1985, 1833. 64 BGH NJW 1997, 192, 193; BGH NJW 1997, 126, 127; BGH NJW 1991, 913, 914. 60
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Zeit nach der Ehe abhängig machte65, beziehungsweise in Zeiten einer Ehekrise die Fortführung der Ehe unter die Bedingung des Abschlusses einer solchen Vereinbarung stellte66. In den Fällen des vorehelichen Abschlusses der Verzichtsvereinbarung ging der BGH zwar davon aus, dass die Frau – insbesondere angesichts ihrer Schwangerschaft – ein starkes und begreifliches Interesse daran gehabt habe, durch eine Heirat eine gesicherte Versorgung zu erlangen. Von einer sittenwidrigen Ausbeutung einer Zwangslage könne aber nicht ausgegangen werden, weil sich der Mann auch auf die rechtlichen Verpflichtungen eines nichtehelichen Vaters hätte zurückziehen können67. Da der Mann rechtlich zu keiner Zeit zur Heirat verpflichtet, sondern bis zuletzt in seiner Entscheidung, die Ehe einzugehen, frei sei, könne er diese auch vom Abschluss einer Verzichtsvereinbarung abhängig machen68. Würde diesem Verzicht aufgrund § 138 Abs. 1 BGB die Rechtswirksamkeit abgesprochen, so läge darin ein Eingriff in die Eheschließungsfreiheit, der seinerseits nicht mit den guten Sitten zu vereinbaren sei69. Zudem stehe die Frau insgesamt gesehen besser, da sie während der erst durch den Verzicht ermöglichten Ehe Anspruch auf Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB gehabt habe70. Ähnlich argumentierte der BGH in einem Fall, in dem die Fortsetzung einer seit vier Jahren bestehenden Ehe von einem vollständigen Verzicht auf die gesetzlichen Scheidungsfolgen abhängig gemacht wurde. Auch dort gelte, dass allein die Tatsache, dass sich Regelungen eines Ehevertrages im Falle einer Scheidung ausschließlich oder überwiegend zu Lasten nur eines der Ehegatten auswirken, nicht die Annahme eines Sittenverstoßes rechtfertige71. Da der Ehemann die bestehende schwere Ehekrise zum Anlass hätte nehmen können, einen Scheidungsantrag zu stellen, könne es nicht als sittenwidrige Ausnutzung einer Zwangslage angesehen werden, wenn er hiervon nur dann absehen wollte, falls die Ehefrau sich mit der Verzichtsvereinbarung einverstanden erkläre72. Mit dem Argument der Eheschließungsfreiheit korrespondierte damit das Argument der Scheidungsfreiheit. 65 BGH NJW 1992, 3164 ff: vollständiger Unterhaltsverzicht, falls innerhalb von fünf Jahren ein Scheidungsantrag gestellt wird; danach nur beschränkte Unterhaltspflicht. BGH NJW 1997, 126 ff: Gütertrennung, Verzicht auf die Hälfte des gesetzlichen nachehelichen Unterhalts, Ausschluss des Versorgungsausgleichs für den Fall des Verschuldens am Scheitern der Ehe nach altem Recht; Gegenstand der Revision war aber nur der Ausschluss des Versorgungsausgleichs. 66 BGH NJW 1997, 192 f: Gütertrennung, vollständiger Unterhaltsverzicht, Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach vierjähriger Ehe, die sich in einer ernsten Krise befand. 67 BGH NJW 1997, 126, 127; BGH NJW 1992, 3164, 3165. 68 BGH NJW 1992, 3164, 3165, unter Hinweis auf § 1297 Abs. 1 BGB. 69 BGH NJW 1992, 3164, 3165. 70 BGH NJW 1992, 3164, 3165. 71 BGH NJW 1997, 192, 193. 72 BGH NJW 1997, 192, 193.
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
(2) Zulässigkeit von Globalverzichtsvereinbarungen Vereinbaren die Ehegatten einen so genannten Globalverzicht73, galt nach der Tendenz dieser (früheren74) Rechtsprechung des BGH75 nichts anderes. Nach der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte sollte hier aber strenger zwischen Vereinbarungen, die vor der Ehe geschlossen wurden und solchen, die während bestehender Ehe oder des Scheidungsverfahrens geschlossen wurden, zu differenzieren sein. So hat beispielsweise das OLG Karlsruhe einen Ehevertrag, mit dem die Ehefrau nach 25 Jahren Ehe ohne nennenswerte Gegenleistung auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt verzichtete und zusätzlich ihren Hausanteil auf den Ehemann übertrug, als insgesamt sittenwidrig angesehen76. Auch andere Oberlandesgerichte haben bei ähnlich langer Ehedauer eine Globalverzichtsvereinbarung als sittenwidrig beurteilt, wenn ohne Gegenleistung auf in jahrzehntelanger Ehe erworbene Rechte und Vermögenswerte verzichtet wurde77. In der Ehedauer lag nach dieser Rechtsprechung ein im Rahmen des § 138 BGB besonders zu berücksichtigender Faktor. Allerdings ergibt sich aus diesen Entscheidungen auch, dass die langjährige Ehe allein noch nicht die Sittenwidrigkeit begründen konnte; hinzukommen mussten weitere Umstände, die dieses Unwerturteil bekräftigten, an deren Nachweis aber keine allzu hohen Anforderungen gestellt wurden78.
73 Ein Globalverzicht ist eine Vereinbarung, welche die Gütertrennung, den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt beinhaltet. 74 Vgl. zu der mit dem Grundsatzurteil vom 11.02.2004 (NJW 2004, 930 ff) neu eingeschlagenen Linie unten unter III.6. 75 Eine Globalverzichtsvereinbarung lag den Entscheidung in BGH NJW 1997, 192 f und BGH NJW 1991, 913 ff zugrunde. 76 OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 452. 77 OLG Köln DNotZ 1981, 444, 446 f: entschädigungsloser Globalverzicht nach 20 Jahren Ehe ist sittenwidrig; im Ergebnis ebenso für den Fall einer 30 Jahre bestehenden Ehe: OLG Zweibrücken FamRZ 1996, 869, 870; im Grundsatz zustimmend: OLG Frankfurt FamRZ 1983, 176, 178, eine nur fünfjährige Ehe rechtfertige diese Annahme jedoch noch nicht. A. A., allerdings ohne sich mit den vorstehend genannten Entscheidungen auseinanderzusetzen: OLG Koblenz FamRZ 1996, 1212 f: Globalverzicht auch nach 15-jähriger Ehe grundsätzlich zulässig. Seitens des BGH wurde diese Frage in BGH NJW 1997, 192, 193 im Ergebnis offen gelassen. 78 OLG Zweibrücken FamRZ 1996, 869, 871: Zwangslage, weil der Mann das Fortbestehen der langjährigen Ehe vom Globalverzicht abhängig machte und die Frau hierdurch ihr Versprechen zu künftiger ehelicher Treue „manifestieren“ sollte. OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 452: Zwangslage, da der Mann der scheidungswilligen Frau glauben machte, seine „Mitwirkung“ am Scheidungsverfahren sei erforderlich und er diese Mitwirkung von einer Globalverzichtsvereinbarung abhängig machte.
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cc) Sittenwidrigkeit wegen Beeinträchtigung der Kindesinteressen Im Zusammenhang mit der seit Inkrafttreten des 1. EheRG zunehmenden Tendenz der Gesetzgebung, die Rechte des Kindes zu stärken und das Kindeswohl stets als – auch in Bezug auf die Rechtsverhältnisse der Eltern – übergeordnetes Interesse zu behandeln, wurde im Schrifttum vermehrt die Frage aufgeworfen, ob ein Unterhaltsverzicht nicht generell sittenwidrig sei, soweit er den Anspruch aus § 1570 BGB betreffe79. Diese These hat der BGH erstmals mit Urteil vom 24.04.198580 und nachfolgend in ständiger Rechtsprechung verneint81. Zwar nehme § 1570 BGB unter Berücksichtigung des Art 6 Abs. 2 GG unter den nachehelichen Unterhaltstatbeständen eine besondere Stellung ein; daher sei dieser Anspruch auch in mehrfacher Hinsicht besonders stark ausgestaltet82. Diese Gründe reichten aber nicht aus, § 1570 BGB generell als unabdingbar anzusehen83. Denn § 1585 c BGB stelle den während bestehender Ehe eingeschränkten (vgl. §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4, 1614 Abs. 1 BGB) Grundsatz der Vertragsfreiheit wieder her und enthalte keine Ausnahme für irgendeine Bedürfnislage, auch nicht für den Anspruch aus § 1570 BGB84. An dieser Auffassung hat der BGH trotz zunehmend anderslautender Stimmen aus dem Schrifttum festgehalten85. Dagegen werden Unterhaltsvereinbarungen, die im Zusammenhang mit Regelungen des Sorge- oder Umgangsrechts getroffen werden, seitens der Rechtsprechung besonders kritisch überprüft, da hierdurch übergeordnete Belange des Kindeswohls betroffen sind. Wird die Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts des sorgeberechtigten Elternteils mit einer Zusage der Nichtausübung des Umgangsrechts durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil inhaltlich verbunden, ist das Verdikt der Sittenwidrigkeit nach Auffassung des BGH regelmäßig begründet86. Zwar könne es im Einzelfall auch dem Wohl des Kindes entsprechen, wenn das Umgangsrecht eines Elternteils zeitweise nicht ausgeübt werde. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit sei aber überschritten, wenn das Kind mit der Vereinbarung der Eltern über die Regelung des Umgangs- oder Sorge79 Schwab, Familienrecht, Rn. 390; entschieden für eine generelle Unverzichtbarkeit des Betreuungsunterhalts: Bosch, in: FS Habscheid, 23, 34 ff; erstmals: Bosch, FamRZ 1982, 1216. 80 BGH NJW 1985, 1833. 81 BGH FamRZ 1987, 46, 47; BGH NJW 1991, 913, 914; BGH NJW 1992, 3164; BGH NJW 1995, 1148. 82 Vgl. hierzu auch oben unter I.1.b)cc)(2). 83 BGH NJW 1985, 1833. 84 BGH NJW 1985, 1833. 85 Die Kritik von Bosch wurde ausdrücklich zurückgewiesen, vgl. BGH NJW 1991, 913, 914. Vgl. zu der mit Urteil vom 11.02.2004 (NJW 2004, 930 ff) neu eingeschlagenen Linie unten unter III.6. 86 BGH FamRZ 1984, 778, 779.
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
rechts und des nachehelichen Unterhalts zum Gegenstand eines Handels gemacht werde87. c) Die Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB Im Hinblick auf die vorstehend skizzierte restriktive Rechtsprechung ist der BGH schon in den achtziger Jahren dazu übergegangen, Unterhaltsvereinbarungen, die nach den von ihm aufgestellten Grundsätzen einer Inhaltskontrolle anhand der §§ 134, 138 BGB standhielten, auch dahin zu überprüfen, ob sich der Begünstigte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf diese Vereinbarung berufen kann. Langenfeld spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von einem Übergang „von der Inhaltskontrolle zur Ausübungskontrolle“88. aa) Treu und Glauben und der Verzicht auf den Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB Diese Rechtsprechung gewann in erster Linie hinsichtlich Unterhaltsverzichtsvereinbarungen und § 1570 BGB an Bedeutung. Der BGH hatte hier seit der Grundsatzentscheidung vom 24.04.198589 stets betont, dass trotz eines auch im Hinblick auf § 1570 BGB wirksamen Unterhaltsverzichts, Umstände denkbar seien, unter denen dem auf Unterhalt in Anspruch genommenen geschiedenen Ehegatten die Berufung auf den Unterhaltsverzicht nach § 242 BGB verwehrt sei. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Ehegatten den Unterhaltsverzicht zu einem Zeitpunkt vereinbart hätten, als die Ehe kinderlos gewesen und beide Ehegatten davon ausgegangen seien, jeder wäre nach einer Scheidung in der Lage, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen90. Eine solche Annahme könne sich durch die Geburt eines gemeinschaftlichen Kindes grundlegend ändern. Mit der Betreuung dieses Kindes erfülle der unterhaltsberechtigte Elternteil eine Aufgabe, die als Nachwirkung der Ehe dem Wohl des Kindes diene, welches auf eine solche Betreuung auch im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen als Vater einen grundrechtlich geschützten Anspruch habe91. Solange und soweit der Unterhaltsberechtigte wegen der Betreuung des Kindes an einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert sei, verstoße es daher gegen Treu und Glauben, wenn sich der Unterhaltspflichtige auf den unter anderen tatsächlichen Umständen erklärten Verzicht berufe92. 87 88 89 90 91 92
BGH FamRZ 1984, 778, 779; ähnlich: BGH NJW 1986, 1168. Langenfeld, in: FS Schippel, 251 ff. Erstmals: BGH NJW 1985, 1835, 1836; vgl. auch: BGH NJW 1985, 1833. BGH NJW 1985, 1835, 1836. BGH NJW 1985, 1835, 1836 unter Bezugnahme auf BVerfGE 57, 361 ff. BGH NJW 1985, 1835, 1836.
3. Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt
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An dieser Rechtsprechung hatte der BGH seitdem festgehalten und sie fortentwickelt93. Dabei wurde die Anwendung dieser Grundsätze nicht auf Sachverhalte beschränkt, in denen erst eine nachträgliche und unvorhergesehene Entwicklung einen Verstoß gegen Treu und Glauben begründet94. So wurde in ständiger Rechtsprechung auch für einen vorsorgenden Unterhaltsverzicht einer zur Zeit des Vertragsschlusses schwangeren Verlobten entschieden, dass sich der Verpflichtete nach der Ehe nicht auf den Verzicht berufen könne, solange die geschiedene Frau das gemeinschaftliche Kind betreue95. Tragendes Argument dieser Rechtsprechung war demnach, dass überwiegende schutzwürdige Interessen gemeinschaftlicher Kinder auch auf das bestehende Vertragsverhältnis der Eltern einwirken und der Geltendmachung eines Unterhaltsverzichts entgegenstehen können. Da die getroffene Vereinbarung danach wirksam war, ging der BGH weiter davon aus, dass sich der Begünstigte nur zeitweise – solange die Betreuung des gemeinsamen Kindes nach den zu § 1570 BGB entwickelten Grundsätzen erforderlich sei – nicht auf den Verzicht berufen könne96. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs orientierte sich nach Auffassung des BGH ebenfalls ausschließlich am Wohl des Kindes, da der Anspruch auch dem Grunde nach hiervon abhänge. Er sei daher der Höhe nach so zu bemessen, dass dem betreuenden Elternteil ermöglicht werde, sich der Pflege und Erziehung des Kindes zu widmen, ohne eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Dazu bedürfe es regelmäßig keines Unterhalts am Maßstab des § 1578 BGB; dem vorehelichen Lebensstandard des Berechtigten fehle der erforderliche Bezug zum Kindeswohl97. Ein höherer als der notwendige Unterhalt konnte nach dieser Rechtsprechung nur dann verlangt werden, wenn besondere Umstände vorlagen, die dies aus Gründen des Kindeswohls geboten98. bb) Weitere Anwendungsfälle des § 242 BGB Die treuwidrige Geltendmachung eines Unterhaltsverzichts wurde seitens des BGH zwar nicht auf den Bereich des Betreuungsunterhalts beschränkt, sondern auch für weitere Fallkonstellationen für möglich gehalten. Tatsächlich wurde 93 BGH FamRZ 1987, 46, 47; BGH NJW 1991, 913, 914; BGH NJW 1992, 3164, 3165; BGH NJW 1995, 1148. 94 So ausdrücklich: BGH NJW 1992, 3164, 3165; vgl. auch: BGH NJW 1995, 1148, 1149. 95 BGH NJW 1991, 913, 914 f; BGH NJW 1992, 3164, 3165. 96 BGH NJW 1995, 1148, 1149. 97 BGH NJW 1995, 1148, 1149; BGH NJW 1992, 3164, 3166. 98 BGH NJW 1995, 1148, 1149; BGH NJW 1992, 3164, 3166. Besondere Umstände wurden beispielsweise bei einer erhöhten Betreuungsbedürftigkeit eines behinderten Kindes angenommen; vgl. OLG Hamburg FamRZ 1992, 444, 445.
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
dies aber nur in seltenen Ausnahmefällen bejaht99. Eine Belastung der Allgemeinheit in Form der Sozialhilfeträger sollte dagegen nicht für die Bejahung der Treuwidrigkeit genügen, da § 242 BGB nur zur billigen Rücksichtnahme auf die Interessen der am Vertragsverhältnis Beteiligten verpflichte100. Auch die Möglichkeit eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) einer Verzichtsvereinbarung wurde seitens der Rechtsprechung wiederholt diskutiert. Diese Frage wird indes äußerst zurückhaltend behandelt, da übereinstimmender Zweck eines Verzichts regelmäßig gerade die abschließende Klärung der Unterhaltsbeziehungen ohne Rücksicht auf die Weiterentwicklung sei101. Bei Unterhaltsvereinbarungen, die eine wiederkehrende Leistungspflicht begründen und damit ein Dauerschuldverhältnis darstellen, kann dagegen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nach ständiger Rechtsprechung in Betracht gezogen werden102. d) Exkurs: Überprüfung von Freistellungsklauseln bezüglich des Kindesunterhalts Im Zusammenhang mit Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt treffen Ehegatten teilweise auch Vereinbarungen hinsichtlich der Freistellung eines Elternteils von den Unterhaltsansprüchen gemeinschaftlicher Kinder. Eine solche Freistellungsvereinbarung ist nach §§ 329, 415 Abs. 3 BGB grundsätzlich zulässig. Sie ist nach zutreffender Auffassung des BGH auch nicht nach §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB nichtig, da sie regelmäßig so auszulegen ist, dass die Freistellung nur das Innenverhältnis zwischen den Ehegatten regelt und den Anspruch des Kindes – auf den nach § 1614 Abs. 1 BGB nicht verzichtet werden kann – unberührt lässt103. Wird eine solche Vereinbarung im Zusammenhang mit einer Regelung des Sorgerechts getroffen, wird in der Rechtsprechung hinsichtlich der Grenze zur Sittenwidrigkeit differenziert. Danach ist eine Vereinbarung, nach der ein Ehegatte die elterliche Sorge übernimmt und den anderen von Unterhaltsansprüchen des Kindes freistellt, nicht allein aus diesem Grund sittenwidrig; erst recht nicht, wenn die Sorgerechtsregelung dem Kindeswohl 99 Vgl. als Ausnahme BGH NJW 1987, 2739, 2740: Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn sich ein Ehegatte auf einen Unterhaltsverzicht beruft, der anlässlich einer – später überwundenen – Ehekrise vereinbart wurde, da der Verzicht seinen ursprünglichen Bezugspunkt verliere, wenn die Krise überwunden und die eheliche Lebensgemeinschaft über Jahre hinweg fortgesetzt werde. 100 So BGH NJW 1992, 3164, 3166; die (noch) gegenteilige Auffassung in BGH NJW 1991, 913, 914 f wurde ausdrücklich aufgegeben. 101 OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 171, 172 f; OLG Hamm FamRZ 1993, 973; ebenso im Zusammenhang mit der Auslegung eines Unterhaltsverzichts nach §§ 133, 157 BGB: BGH NJW 1985, 1835, 1836. 102 Ganz h. M.; vgl. nur BGH NJW 1995, 1891, 1892; OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 171, 172 f. 103 BGH NJW 1986, 1167, 1168; BGH FamRZ 1987, 934, 935.
3. Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt
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entspricht104. Werden dagegen der Verzicht auf das Sorgerecht oder auch das Umgangsrecht und die Freistellungsvereinbarung in ein Gegenseitigkeitsverhältnis gebracht, so wird die Vereinbarung als sittenwidrig beurteilt, da das Kind damit zum Gegenstand eines Handels gemacht wird105. Von dieser sittlich anstößigen Verknüpfung abgesehen, wurde die Zulässigkeit solcher Freistellungsvereinbarungen in der Rechtsprechung bislang nicht weiter problematisiert. e) Zwischenergebnis: Weitgehende Vertragsfreiheit aufgrund Eheschließungsfreiheit Die Darstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001106 hat aufgezeigt, dass der Privatautonomie im Bereich des Familien- und Trennungsunterhalts durch § 1614 Abs. 1 BGB enge Grenzen gesetzt sind, während der BGH im Bereich des nachehelichen Unterhaltsrechts bis dahin stets den Primat der Vertragsfreiheit betont hat. Die Nichtigkeit einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB wurde nach dieser Rechtsprechung des BGH regelmäßig nur in Fällen der unzulässigen Belastung Dritter in Form der Sozialhilfeträger und damit der Allgemeinheit bejaht107. In Fallkonstellationen, bei denen in erster Linie die Interessen der Vertragsparteien betroffen waren, insbesondere bei der möglichen Ausnutzung einer Zwangslage, agierte der BGH dagegen äußerst zurückhaltend hinsichtlich des Verdikts der Sittenwidrigkeit. Hier wurde – im Einzelfall zweifellos berechtigten – Bedenken gegen die Wirksamkeit einer faktisch nur einen Ehegatten belastenden Unterhaltsvereinbarung mit dem Hinweis auf die übergeordnete Bedeutung der Eheschließungsfreiheit des anderen Teils begegnet. Auch für einen Verzicht auf sämtliche ehebedingt erworbenen Vermögenspositionen (Globalverzicht) galt nichts anderes. Vorwiegend im Zusammenhang mit Verzichtsvereinbarungen und der Geltendmachung von Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB wurde auf das Instru104
Anschaulich: BGH NJW 1986, 1167, 1168 f. BGH NJW 1984, 1951, 1952; OLG Hamburg FamRZ 1984, 1223, 1224; OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 417, 418; vgl. bereits oben unter III.3.b)cc). 106 BVerfGE 103, 89 ff; BVerfG FamRZ 2001, 985; vgl. hierzu unten unter III.5. 107 Hierbei handelt es sich bemerkenswerter Weise um einen Gesichtspunkt, der in der Rechtsprechung und der Gesetzgebung vor Inkrafttreten des 1. EheRG ersichtlich keine Rolle gespielt hatte. Unter Geltung des strengen Verschuldensprinzips war eine Belastung der Sozialhilfeträger – überspitzt formuliert – häufig noch die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge für den Fall der Scheidung der Ehe wegen Verschuldens der Frau. Denn anderweitig beachtliche vermögensrechtliche Scheidungsfolgen zugunsten der Frau gab es nicht. Wurde die Ehe nach dem gesetzlichen Leitbild der Hausfrauenehe gelebt, war ein Vermögenserwerb der Frau während der Ehe ebenso unwahrscheinlich, wie ein Eintritt ins Erwerbsleben nach der Ehe. 105
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III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
ment der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zurückgegriffen, um grob unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Dem Begünstigten war es danach zeitweise versagt, sich auf den Verzicht zu berufen; dies freilich nur bis zur Höhe des Notunterhalts. Durch diesen rechtlichen Ansatzpunkt sollte die Vereinbarkeit der Privatautonomie der Ehegatten mit den Interessen des Kindeswohls erreicht werden; auch hier wurde also maßgeblich auf Drittinteressen abgestellt.
4. Die kontroversen Auffassungen zu dieser Rechtsprechung im Schrifttum Während hinsichtlich der Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Familien- oder Trennungsunterhalt kaum Kritik seitens des Schrifttums erhoben wird, hat die vorstehend skizzierte Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt äußerst differenzierte Auffassungen, die von vorbehaltloser Zustimmung bis zu heftiger Kritik reichen, hervorgerufen. Weitgehend zustimmend wird die Rechtsprechung zu Unterhaltsvereinbarungen zu Lasten Dritter beurteilt108. Anders ist dies in Bezug auf die Sittenwidrigkeit wegen unangemessener Benachteiligung oder Ausnutzung einer Zwangslage. a) Die Argumente der Befürworter der früheren Rechtsprechung des BGH Auch die Vertreter der die Rechtsprechung des BGH begrüßenden Auffassungen stellten in erster Linie auf die Eheschließungsfreiheit des Einzelnen ab, der diese auch von einem umfassenden Ausschluss vermögensrechtlicher Scheidungsfolgen abhängig machen dürfe109. Zudem wurde betont, dass die Vorschriften zum nachehelichen Unterhalt erklärtermaßen gemäß § 1585 c BGB dispositiv und nur die Regelungen zum Unterhalt während bestehender Ehe zwingend seien110. Weiter wurde angeführt, dass der Gesetzgeber eine Inhaltskontrolle hinsichtlich der Ausgewogenheit ehevertraglicher Vereinbarungen – im Gegensatz zu Scheidungsvereinbarungen nach § 1587 o BGB – gerade nicht vorgesehen habe und er deshalb deren Wirksamkeit auch nicht von der Ausge108
Bosch, FamRZ 1983, 140; Göppinger, JR 1983, 197 f. Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c BGB, Rn. 24; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1408, Rn. 10; Schwab, Familienrecht, Rn. 389; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 42; Häberle, in: Soergel, BGB, § 1585 c, Rn. 16; A. A.: Zöllner, in: FS Lange, 973, 988; vgl. hierzu Abschnitt III, Fn. 56. 109 Rauscher, Familienrecht, Rn. 639; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 182. 110 Zöllner, in: FS Lange, 973, 987.
4. Die kontroversen Auffassungen zu dieser Rechtsprechung im Schrifttum 115
wogenheit abhängig machen wollte111. Insbesondere Langenfeld hob eine mit dieser früheren Linie der Rechtsprechung verbundene Stärkung der Privatautonomie hervor. Indem nicht mittels des § 138 BGB der Vertragsinhalt, sondern mit Hilfe des § 242 BGB die Vertragsabwicklung korrigiert werde, werde der Einzelfallgerechtigkeit zum Sieg verholfen, ohne die Rechtssicherheit zu gefährden112. Von anderer Seite wurde die Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen anhand des § 138 BGB gar als „Irrweg“ angesehen113. b) Die teilweise heftige Kritik Ein beachtlicher Teil des Schrifttums stand der früheren Rechtsprechungstendenz dagegen äußerst kritisch gegenüber und forderte eine verstärkte Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Hierbei berief man sich vielfach auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen naher Angehöriger114. Die schwangere Frau befinde sich bei der Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts, von dem der Mann die Eheschließung abhängig mache, in einer ähnlichen Zwangslage wie der angehörige Bürge gegenüber der kreditgebenden Bank. Daher habe auch in diesem Fall eine Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB stattzufinden115. Vereinzelt wird sogar von einer generellen strukturellen Unterlegenheit der Frau beim Abschluss ehevertraglicher Vereinbarungen ausgegangen, weshalb solche Verträge immer einer richterlichen Inhaltskontrolle zu unterwerfen seien116. Teilweise wurde die Rechtsprechung auch im speziellen Zusammenhang mit einem Verzicht auf den Betreuungsunterhaltsanspruch aus § 1570 BGB kritisiert117. Ein solcher Verzicht gehe immer auch zu Lasten gemeinschaftlicher Kinder und sei bereits aus diesem Grund sittenwidrig118. § 1570 BGB sei daher grundsätzlich unverzichtbar119. Beanstandet wurde auch die weitere Auffassung 111
Gerber, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 49, 65. Langenfeld, in: FS Schippel, 251, 255. 113 So Grziwotz, FamRZ 1997, 585, 589. 114 BVerfGE 89, 214 ff; BVerfG NJW 1996, 2021. Dort knüpft das Verdikt der Sittenwidrigkeit an die Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen an, der nicht frei entscheiden kann, eine für ihn wirtschaftlich ruinöse Bürgschaftserklärung nicht abzugeben, weil der ihm persönlich nahestehende Darlehensnehmer ansonsten das für ihn notwendige Darlehen nicht erhält. 115 Büttner, FamRZ 1998, 1, 4 f; Dethloff, JZ 1997, 414, 415; gleiches gilt nach dieser Argumentation für den Fall, dass die Fortsetzung der Ehe von einem Unterhaltsverzicht abhängig gemacht wird. 116 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88, 111 ff. 117 Schwab, Familienrecht, Rn. 390; ausführlich hierzu: Bosch, in: FS Habscheid, 23, 34 ff. 118 Schwab, Familienrecht, Rn. 390. 119 Bosch, in: FS Habscheid, 23, 35 f und 42; Schwab, FamRZ 1997, 521, 525. 112
116
III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
des BGH, wonach der Betreuungsunterhalt bei Anwendung des § 242 BGB nur in Höhe des Notunterhalts bestehen sollte120.
5. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001121 Für große Aufmerksamkeit in Literatur und Rechtsprechung sorgte daher die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.02.2001, mit der sich dieses erstmals ausführlich mit der Wirksamkeit privatautonomer Vereinbarungen im Eherecht auseinander setzte122. Dem lag – kurz zusammengefasst – folgender Sachverhalt zugrunde: Nach Feststellung ihrer Schwangerschaft drängte die Frau den Mann, der zu Beginn der Beziehung betont hatte, dass er gemeinschaftliche Kinder ablehne, auf Eingehung der Ehe. Da dieser Bedenken wegen möglicher nachehelicher Unterhaltspflichten äußerte, ließ die Frau von ihrem Rechtsanwalt einen Vertragsentwurf anfertigen, den die Parteien sodann als privatschriftliche Unterhaltsvereinbarung unterzeichneten. Darin verzichteten beide auf jeglichen nachehelichen Unterhalt. Weiter verpflichtete sich die Frau, den Mann von sämtlichen über den Betrag von DM 150,00 hinausgehenden Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem gemeinsamen Kind freizustellen. Nachdem die Ehe geschieden war, nahm das Kind den Mann auf Unterhaltszahlung in Anspruch. Die daraufhin seitens des Mannes gegen seine geschiedene Frau erhobene Klage auf Freistellung von den monatlich über DM 150,00 hinausgehenden Beträgen war in der Berufungsinstanz erfolgreich123. Die von der Frau hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. a) Die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen und Eheverträgen Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts geht von der grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten, auch im Eherecht geltenden Privatautonomie aus124. Weiter betont das Bundesverfassungsgericht die zum 120
Schwab, FamRZ 1997, 521, 525; Ebenso: Büttner, FamRZ 1998, 1, 6. Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 ff; Beschl. v. 29.03.2001 – 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985. 122 BVerfGE 103, 89 ff; bestätigt durch BVerfG FamRZ 2001, 985. 123 OLG Stuttgart FamRZ 1992, 716 f; zwischen der Entscheidung des Berufungsgerichts und derjenigen des Bundesverfassungsgerichts lagen in der Tat fast zehn (!) Jahre. 124 BVerfGE 103, 89, 100. 121
5. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 117
Bürgschaftsrecht entwickelten Grundsätze, nach denen es auch im Rahmen der Privatautonomie Aufgabe des Rechts sei, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehre125. Art. 6 Abs. 1 GG gebe den Ehegatten einerseits das Recht, ihre Gemeinschaft frei zu gestalten, andererseits setze der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe auch eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus. Verfassungsrechtlich geschützt sei danach eine Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen126. Daher habe der Staat der Privatautonomie im Eherecht dort Grenzen zu setzen, wo ein Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis einer gleichberechtigten Lebenspartnerschaft sei, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegele. Es sei dann Aufgabe der Gerichte, in Fällen gestörter Vertragsparität über die zivilrechtlichen Generalklauseln zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren127. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertige nicht die Freiheit zu unbegrenzter Ehevertragsgestaltung, insbesondere nicht die einseitige ehevertragliche Lastenverteilung128. Enthalte ein vor der Ehe und im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft geschlossener Ehevertrag eine erkennbar einseitige Lastenverteilung zuungunsten der Frau, so gebiete der Schutz der werdenden Mutter aus Art. 6 Abs. 4 GG eine richterliche Inhaltskontrolle, da sich die Schwangere typischerweise in einer gegenüber dem Vertragspartner weit unterlegenen Position befände129. Dies gelte umso mehr, da bei Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt kein Schutz durch gesetzliche Formvorschriften bestehe130. Die Schwangerschaft sei allerdings nur ein Indiz für die vertragliche Disparität. Die Vermögenslage, berufliche Perspektive und die geplante Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit seien weitere maßgebliche Faktoren, die im Einzelfall dazu führen könnten, eine Unterlegenheit der Frau auszugleichen, auch wenn ehevertraglich Rechtspositionen abbedungen würden131. Ob eine einseitige Belastung eines Vertragsteils vorliege, hänge auch von der gemeinsamen Lebensplanung der Eheleute ab132. Wollten beide gleichwertig erwerbstätig bleiben, liege in einem gegenseitigen Unterhaltsverzicht noch keine ungleiche Belastung; anders sei dies, wenn sich ein Teil im Wesentlichen der Haushaltsführung widmen solle. 125 126 127 128 129 130 131 132
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
103, 103, 103, 103, 103, 103, 103, 103,
89, 89, 89, 89, 89, 89, 89, 89,
100 f; unter Bezug auf BVerfGE 89, 214, 232. 101; unter Hinweis auf BVerfGE 37, 217, 249 ff. 101. 102. 102 f. 102. 104. 105.
118
III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
Hinsichtlich der vereinbarten Freistellung vom Kindesunterhalt geht das Bundesverfassungsgericht ebenfalls vom Grundsatz der Vertragsfreiheit aus, betont aber, dass zu berücksichtigen sei, dass Art. 6 Abs. 2 GG auch ein Grundrecht im Interesse des Kindes sei133. Eine Freistellungsvereinbarung habe rechtlich zwar keine Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch des Kindes, wirke sich aber – soweit der betreuende Elternteil nicht über erhebliche finanzielle Mittel verfüge – wegen der vertraglichen Verpflichtung de facto wie ein Unterhaltsverzicht aus, da das dem gemeinsamen Haushalt von betreuendem Elternteil und Kind zur Verfügung stehende Einkommen hierdurch deutlich sinke134. Soweit die Vereinbarung der Eltern dazu führe, dass der sorgende Elternteil seinen Unterhalt und den des Kindes nicht mehr durch Einkünfte decken oder aus seinem Vermögen bestreiten könne, seien die Lebensumstände des Kindes in einer der Elternverantwortung zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigt135; damit liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 GG vor. Betont werden mit dieser Entscheidung sowohl die Gewährleistung als auch die Grenzen der Privatautonomie im Eherecht. Voraussetzung einer gerichtlichen Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen anhand der zivilrechtlichen Generalklauseln ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zum einen die objektive einseitige Benachteiligung des einen Ehegatten und zum anderen die faktische Dominanz des anderen Ehegatten bei den Vertragsverhandlungen, wobei hervorgehoben wird, dass stets auf den konkreten Einzelfall abzustellen ist. Ein Automatismus lässt sich aus der Entscheidung nicht herauslesen. Selbst die durch eine Schwangerschaft indizierte unterlegene Verhandlungsposition soll durch die konkrete Lebenssituation oder (gemeinsame) Lebensplanung der Vertragsparteien wieder ausgeglichen werden können136; gleiches gilt für die Beurteilung einer einseitigen Benachteiligung137. Zur Frage, ob eine gerichtliche Kontrolle anhand des § 138 BGB oder des § 242 BGB erfolgen soll, hat sich das Bundesverfassungsgericht dagegen nicht festgelegt. b) Die Zurückdrängung des Arguments der Eheschließungsfreiheit Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser Entscheidung ausdrücklich betont, dass die Eheschließungsfreiheit einer gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht entgegensteht138 und damit ein tragendes Argument der bisherigen Linie der 133 134 135 136 137 138
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
103, 103, 103, 103, 103, 103,
89, 89, 89, 89, 89, 89,
107; unter Hinweis auf BVerfGE 59, 360, 382. 109. 109. 104. 105. 101.
5. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 119
Rechtsprechung des BGH zurückgedrängt. Die Gerichte sind nunmehr aufgefordert, dann, wenn der konkrete Sachverhalt die entsprechenden Anhaltspunkte aufbietet, eine gerichtliche Kontrolle der ehevertraglichen Vereinbarungen vorzunehmen. Der Zurückweisung des Arguments der Eheschließungsfreiheit, welches auch seitens des Schrifttums zu Recht kritisiert wurde139, kann nur zugestimmt werden. Im Ausgangspunkt zutreffend ist zwar der besondere verfassungsrechtliche Schutz, den die Eheschließungsfreiheit durch Art. 6 Abs. 1 GG genießt140. Gerade aufgrund dieses besonderen Schutzes kann die Eheschließungsfreiheit auch nicht wirksam durch eine Selbst- oder gar Fremdbindung eingeschränkt werden141. Dann kann diese Freiheit aber auch keine echte Vertragsposition sein. Mangels wirksamer Bindung fehlt es an einem Äquivalenzverhältnis; die Eheschließung kann daher keine „Gegenleistung“ des einen Teils für die Verzichtserklärung des anderen Teils darstellen142. Genau diese Ansicht lag aber der früheren Rechtsprechung des BGH implizit zugrunde143. Hierdurch erlangte die Eheschließungsfreiheit die ihr nicht zukommende Gestalt einer kommerzialisierbaren Position144. Letztlich ergibt sich die fehlende Tragfähigkeit der früheren Argumentation der Rechtsprechung auch aus folgender Kontrollüberlegung: Unzweifelhaft kann aus der generellen Abschlussfreiheit für Verträge nicht darauf geschlossen werden, dass diese keiner Kontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB unterlägen. Dann kann aber auch aus der Eheschließungsfreiheit nicht darauf geschlossen werden, dass Verträge, die als Bedingung für die Eheschließung aufgestellt werden, einer Sittenwidrigkeitskontrolle von vornherein entzogen sind145. Dass das Argument der Eheschließungsfreiheit innerhalb der im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle vorzunehmenden Abwägung dann überhaupt 139 Überzeugend: Coester-Waltjen, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, 985, 1005 ff. 140 Vgl. hierzu: Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 47 f; Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 34 ff; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 2a. 141 Vgl. beispielsweise zur Unlässigkeit so genannter „Zölibatsklauseln“: BAG NJW 1957, 1688, 1689 f; BVerwGE 14, 21, 29 f; Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 37; vgl. zur aus der – mit der Eheschließungsfreiheit korrespondierenden – Scheidungsfreiheit resultierenden Unwirksamkeit des vertraglichen Ausschluss der Scheidung: BGH NJW 1986, 2046. 142 Coester-Waltjen, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, 985, 1006. 143 Vgl. nur BGH NJW 1997, 192, 193; immer noch erstaunlich deutlich in dieser Hinsicht: Armasow, RNotZ 2001, 196, 201: „Eine einseitige Bestimmung liegt schon deshalb nicht vor, weil der Mann seiner Partnerin auch sehr entgegenkam und sie heiratete. Der Ehevertrag entsprach tatsächlich seinen Wünschen, doch er erbrachte mit dem Eingehen der Ehe eine gewichtige Gegenleistung mit einem erheblichen Vorteil der Frau.“ 144 Coester-Waltjen, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, 985, 1006. 145 Coester-Waltjen, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, 985, 1007.
120
III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
keine Rolle mehr spielen kann, lässt sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dagegen nicht entnehmen. Vielmehr ist es der Rechtsprechung künftig nur versagt, eine Inhaltskontrolle aufgrund der Eheschließungsfreiheit generell abzulehnen. Wie die Gerichte und die Kautelarjurisprudenz mit dieser Vorgabe umgehen werden, wird die Praxis zeigen. c) Geltung dieser Grundsätze für alle ehevertraglichen Vereinbarungen Gegenstand des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteils war zwar weder ein Ehevertrag im Sinne des § 1408 BGB noch eine Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt, sondern eine Freistellungsvereinbarung hinsichtlich des Kindesunterhalts, die allerdings mit einem privatschriftlichen Unterhaltsverzicht verbunden war146. Das Bundesverfassungsgericht hätte demnach streng genommen keine Veranlassung gehabt, sich generell hinsichtlich der Privatautonomie bei Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen zu äußern147. Dennoch hat es diesen Fall als Anlass für ein Grundsatzurteil zur Ehevertragsfreiheit genommen. Die mit dieser Entscheidung gezogenen Grenzen der Privatautonomie im Eherecht sind allgemein aufgestellt und nicht auf den konkreten Fall beschränkt148. Sie lassen sich ohne Weiteres auf andere ehevertragliche Regelungen übertragen. Dies entspricht der aus den Urteilsgründen erkennbaren Intention des Bundesverfassungsgerichts und wurde im Übrigen durch eine weitere Entscheidung vom 29.03.2001149 bestätigt. Diese hatte einen notariell beurkundeten Ehevertrag zum Gegenstand, in dem die zur Zeit des Vertragsschlusses schwangere Frau auf nachehelichen Unterhalt sowie den Versorgungsausgleich verzichtete und Gütertrennung vereinbart wurde. Instanzgerichtlich wurde die Wirksamkeit dieses Globalverzichts bestätigt150; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte ebenfalls Erfolg151.
146
OLG Stuttgart FamRZ 1992, 716 f. Kritisch daher: Rauscher, Familienrecht, Rn. 639. 148 Schwab, FamRZ 2001, 349. 149 BVerfG FamRZ 2001, 985. 150 OLG Zweibrücken, Urteil vom 12.11.1992 – 6 UF 87/92; nicht veröffentlicht. Entsprechend der vom BGH entwickelten Grundsätze wurde der Frau dort aber der Notunterhalt für die Zeit der Kindesbetreuung zugesprochen (§ 242 BGB). 151 Zur Begründung verwies das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen auf die bereits zuvor im Urteil vom 06.02.2001 aufgestellten Grundsätze; vgl. BVerfG FamRZ 2001, 985. 147
5. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 121
d) Reaktionen auf diese Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aa) Stimmen aus dem Schrifttum Im Schrifttum riefen diese Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erwartungsgemäß unterschiedliche Reaktionen hervor. Von der Mehrzahl der Stimmen werden sie grundsätzlich begrüßt, da die Zivilgerichte hierdurch angehalten würden, die allgemeinen Regeln des BGB zur Vermeidung von untragbaren Ergebnissen konsequent anzuwenden152. Teilweise wird postuliert, dass die Rechtsprechung nunmehr gehalten sei, in allen Fällen einer einseitigen Lastenverteilung den Ehevertrag einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen153. Hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung der gerichtlichen Kontrolle werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten gesehen. Teils wird auf eine Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB abgestellt154, teils eine Extension des Anwendungsbereichs der Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB gefordert155. Von anderer Seite wird vorgeschlagen, künftig alle Unterhaltsvereinbarungen anhand einer neu verstandenen Ausübungskontrolle mit dem Ziel eines Ausgleichs ehemals gelebter Reziprozität zu überprüfen156. Von einer Gegenauffassung werden die Entscheidungen dahin analysiert, dass das Bundesverfassungsgericht die Ehevertragsfreiheit keineswegs grundsätzlich eingeschränkt habe157. Aus dem Verfassungsgrundsatz des Vorrangs des geringstbelastenden Eingriffs folge weiterhin, dass eine Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB nur erfolgen dürfe, wenn eine Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB nicht möglich sei158. Danach werde auch die bisher vom BGH vorgenommene Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht159. Teilweise werden die Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen aber auch als unausgewogen und wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigend kritisiert160. Wenig hilfreich erscheint in 152 Schwab, FamRZ 2001, 349; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 331. 153 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 330. 154 Bergschneider, FamRZ 2001, 1340; Schwab, FamRZ 2001, 349, 350. 155 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 327 ff. 156 Goebel, FamRZ 2003, 1513, 1520. 157 Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 276; Rauscher, DNotZ 2002, 751, 757 ff; Schervier, MittBayNot 2001, 213, 214 f, der allerdings betont, dass ein Verzicht auf den Kindesbetreuungsunterhalt künftig eine Inhaltskontrolle provoziere. 158 Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 277 ff. 159 Rauscher, DNotZ 2002, 751, 759 ff; ähnlich: Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 278 ff. 160 Grziwotz, MDR 2001, 393, 394 f; äußerst kritisch: Rauscher, FuR 2001, 155 ff; tendenziell – wenn auch im Ergebnis zustimmend – ebenfalls kritisch: Röthel, NJW 2001, 1334 f.
122
III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
diesem Zusammenhang ein Abdriften in die Polemik, wie es bei manchen Vertretern gegensätzlicher Auffassungen gelegentlich festzustellen ist161. Der Rechtsanwalt hat seinem Mandanten künftig sicherlich nicht zu raten, von der Eheschließung mit einer schwangeren Frau Abstand zu nehmen und möglichst auch eine junge Mutter nicht zu heiraten162. Ebenso wenig kann dem auch nach rechtskundiger Beratung auf eine Globalverzichtsvereinbarung bestehenden künftigen Ehemann pauschal nur „Dummheit oder grenzenlose Rücksichtslosigkeit“163 unterstellt werden. Ziel der wissenschaftlichen Diskussion muss vielmehr sein, einheitliche oder zumindest berechenbare Kriterien zu entwickeln, um dem Rechtssicherheitsbedürfnis der vertragsschließenden Ehegatten auch künftig gerecht zu werden. Insbesondere muss der Kautelarjurist über die möglichen rechtlichen Konsequenzen unausgewogener ehevertraglicher Vereinbarungen anhand dieser Kriterien umfassend belehren können. bb) Nachfolgende Entscheidungen aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Die ersten Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte, die im Anschluss an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergangen sind, lassen überwiegend die gebotene Einzelfallbeurteilung erkennen und verfallen nicht in pauschalierende Erwägungen hinsichtlich einer möglichen Sitten- oder Treuwidrigkeit. Der 16. Zivilsenat des OLG München hält eine Globalverzichtsvereinbarung im Hinblick auf § 138 Abs. 1 BGB dann für unbedenklich, wenn bei Vertragsschluss beide Ehegatten berufstätig waren und kein Kinderwunsch bestanden hatte164. Bei nachträglicher wesentlicher Änderung der Verhältnisse komme allerdings eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht165. Auch das OLG Nürnberg hält eine Globalverzichtsvereinbarung für grundsätzlich zulässig, wenn beide Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses erwerbstätig bleiben wollten und gemeinsame Kinder – dort aufgrund des Alters der Vertragsschließenden – nicht mehr zu erwarten waren166. Nach Auffassung des OLG Koblenz soll eine unangemessene Benachteiligung eines Ehepartners im Falle eines Globalverzichts selbst dann zu verneinen sein, wenn beide Parteien zwar eine Erwerbstätigkeit anstreben, aber für 161
Dies moniert nunmehr auch: Brandt, MittBayNot 2004, 221, 228. So aber: Rauscher, FuR 2001, 155, 157. 163 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 324; dies müsse, so Dauner-Lieb weiter, wenn nicht bei der künftigen Ehefrau, so zumindest bei deren Eltern (!) Zweifel an dessen charakterlicher Integrität und Ehefähigkeit auslösen. 164 OLG München FamRZ 2003, 376 f. 165 OLG München FamRZ 2003, 376, 377. 166 OLG Nürnberg FamRZ 2003, 634, 635. 162
5. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 123
die Zukunft ein allgemeiner Kinderwunsch bestand, dessen Erfüllung jedoch unsicher war167. In einer weiteren Entscheidung bejahte ein anderer Senat des OLG Koblenz – zu Recht – die Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages, den die hierdurch benachteiligte schwangere Verlobte am Tag der Eheschließung unter „massivem Druck“ des Mannes abgeschlossen hatte168. Auch das OLG Naumburg kam bei der Beurteilung eines – gegen Zahlung eines geringfügigen Geldbetrags vereinbarten – Globalverzichts aufgrund der konkreten Umstände des Falles zu dem dort zutreffenden Schluss, dass die Voraussetzungen eines Sittenverstoßes hinreichend im Sinne des § 114 ZPO dargelegt seien169. Andere Oberlandesgerichte haben dagegen nach Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung der zur Zeit des Vertragsschlusses schwangeren Verlobten und einer faktischen Dominanz des Mannes die getroffene ehevertragliche Vereinbarung lediglich unter Anwendung des § 242 BGB inhaltlich angepasst170 beziehungsweise für teilweise unwirksam befunden171.
167 OLG Koblenz NJW 2003, 2920 f. Die weitere Begründung, mit der das OLG Koblenz das sittenwidrige Ausnutzen einer Zwangslage verneint, erscheint indes kaum nachvollziehbar. Die auf alle ihr günstigen Scheidungsfolgen verzichtende Ehefrau war russische Staatsangehörige, deren Visum wenige Tage nach Unterzeichnung des Ehevertrages ablief. Das Gericht verneinte eine Zwangslage der Frau, da sie bereits zwei Wochen vor Vertragsschluss Kenntnis von dem geplanten Ehevertrag gehabt habe und sie einen (!) Tag vor dem Notartermin eine russische Übersetzung des Vertragsentwurfs erhalten habe. Die Frau sah sich damit offensichtlich vor die Wahl gestellt, den Ehevertrag zu unterzeichnen oder die Heimreise nach Russland anzutreten. Was die Kenntnis des Vertragsinhalts dann am Vorliegen dieser Zwangslage ändern soll, erschließt sich nicht. Daher zu Recht kritisch: Brudermüller, in: Palandt BGB, § 1408, Rn. 10. 168 OLG Koblenz FF 2003, 138, 139; zu entscheiden war dort nur über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Das OLG Koblenz betonte, dass die hiermit verbundene einseitige Benachteiligung für sich genommen das Verdikt der Sittenwidrigkeit noch nicht rechtfertigte; diese ergebe sich vielmehr erst unter zusätzlicher Berücksichtigung der vom Mann ausgenutzten Zwangslage. 169 OLG Naumburg FamRZ 2002, 456 f. Neben der bereits nach dem Vertragsinhalt objektiv einseitigen Benachteiligung waren weitere für eine Vertragsdisparität sprechende Indizien gutachterliche Stellungnahmen, nach denen Anzeichen dafür sprächen, dass die Frau von ihrem geschiedenen Mann psychisch abhängig sei. Zudem erfolgte durch den beurkundenden Notar keine ausreichende Belehrung und hatte der Mann gegenüber der Frau erklärt, er wolle sie keineswegs benachteiligen. Die Sache betraf ein Prozesskostenhilfeverfahren und konnte vom Beschwerdegericht nicht entschieden werden. Wie berichtet wird, wurde der Scheidungsantrag zwischenzeitlich zurückgenommen – die Ehegatten haben sich versöhnt; vgl. Schnitzler, FF 2002, 167, 168. 170 OLG Koblenz FamRZ 2004, 805, 807. Das Urteil ist freilich dogmatisch unsauber, da es offen lässt, ob die Voraussetzungen des § 138 BGB erfüllt sind, weil jedenfalls eine Anpassung nach § 242 BGB erfolgen müsse; vgl. zu dieser Problematik unten unter IV.2.a)dd). 171 OLG Oldenburg FamRZ 2004, 545 f; auch diese Entscheidung lässt eine Prüfung am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB vermissen.
124
III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
(1) Die Entscheidung des OLG München vom 01.10.2002 Für Unsicherheit172 sorgte dann aber die Entscheidung des OLG München vom 01.10.2002173. In dem dort zu entscheidenden Fall vereinbarte der sehr gut verdienende Mann mit der kindesbetreuenden Frau in einem notariellen Ehevertrag einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts, einen Ausschluss des Zugewinnausgleichs und eine Ersetzung des Versorgungsausgleichs durch – im Verhältnis zu den Einkommensverhältnissen des Mannes – relativ geringe Beitragszahlungen für eine Lebensversicherung. Der 4. Zivilsenat des OLG München entschied unter Bezugnahme auf das Bundesverfassungsgericht, dass dieser Ehevertrag insgesamt unwirksam sei. Ausgangspunkt der Argumentation des OLG München war, dass die Ehegatten nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten hätten, was seine Wirkung auch nach der Scheidung entfalte174. Durch den Ehevertrag sei die Frau einseitig unangemessen benachteiligt worden, da ihr gleichwertiger Beitrag zu den ehelichen Lebensverhältnissen – die Haushaltsführung – unberücksichtigt geblieben sei175. Der Unterhaltsverzicht sei, obwohl der Betreuungsunterhalt ausgenommen worden sei, unwirksam; denn für einen Ausschluss der übrigen Unterhaltstatbestände habe jeder sachliche Grund gefehlt176. Der Verzicht auf den Versorgungsausgleich sei ebenfalls unwirksam; insbesondere werde die damit verbundene Benachteiligung nicht durch die vereinbarte Kapitallebensversicherung ausgeglichen177. Auch der Ausschluss des Zugewinnausgleichs sei wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam178. Ohnehin habe der Grundrechtsverstoß im Zusammenhang mit den Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt und dem Versorgungsausgleich die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zur Folge, da es nicht Sinn der Inhaltskontrolle sei, ein Rechtsgeschäft von Grundrechtsverletzungen zu reinigen und im Übrigen aufrechtzuerhalten179.
172 Dies konstatieren auch: Lingelbach, in: Rotax, Praxis des Familienrechts, Teil 3, Rn. 259; Bergschneider, FamRZ 2003, 38, 39. 173 OLG München FamRZ 2003, 35 ff. 174 OLG München FamRZ 2003, 35. 175 OLG München FamRZ 2003, 35, 36. 176 OLG München FamRZ 2003, 35, 36. 177 OLG München FamRZ 2003, 35, 36 f; die Versicherungssumme belief sich auf etwa zwei Drittel der Einmalzahlung, die zur Begründung einer Rentenanwartschaft in Höhe des Betrages, der sich bei Durchführung des Versorgungsausgleichs zugunsten der Frau ergeben hätte, erforderlich gewesen wäre. 178 OLG München FamRZ 2003, 35, 37. 179 OLG München FamRZ 2003, 35, 37.
5. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 125
(2) Kritische Würdigung Dass dieses Urteil vor dem BGH keinen Bestand hatte180, verwundert nicht181. Das Urteil stützte sich fast ausschließlich auf Ausführungen zur objektiv unangemessenen Benachteiligung der Frau, enthält aber keinerlei überzeugende Feststellungen zu einem Verhandlungsungleichgewicht, welches der Mann für sich ausgenutzt haben könnte182; auch sonst wurden an sich keinerlei Feststellungen zur subjektiven Seite des § 138 BGB getroffen. Das Bundesverfassungsgerichts knüpft die von ihm geforderte verstärkte gerichtliche Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen indes an das kumulative Vorliegen einer besonders einseitigen Benachteiligung und einer auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhenden faktischen Dominanz des begünstigten Vertragspartners an183. Nach Auffassung des OLG München sollte dagegen bereits die „grundlose“ Abbedingung nachehelicher Unterhaltsansprüche genügen, um die Unwirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung zu begründen184. In dogmatischer Hinsicht überrascht185, dass die Unwirksamkeit des Ehevertrages nicht mit dessen Sittenwidrigkeit, sondern mit einem Verstoß gegen Grundrechte186 und an anderer Stelle mit einem Verstoß gegen § 242 BGB187 begründet wurde. Dass den Grundrechten im reinen Privatrechtsverkehr aber keine unmittelbare Drittwirkung zukommt, entspricht der ganz h. M.188. § 242 BGB setzt dagegen Schranken der Rechtsausübung, berührt aber grundsätzlich nicht die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts189. Gerade hierin liegt der wesentliche Unterschied zur Rechtsfolge des § 138 Abs. 1 BGB. Das OLG München mag an eine Inhaltskontrolle im engeren Sinne anhand des § 242 BGB gedacht 180 Die Revision vor dem BGH hatte Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache; vgl. BGH NJW 2004, 930 ff und sogleich unter III.6. 181 Kritisch bereits: Bergschneider, FamRZ 2003, 38 f. 182 Dies wurde – nur für den Ausschluss des Zugewinnausgleichs – lediglich apodiktisch aus der Tatsache geschlossen, dass der Mann ein hohes Einkommen und Vermögen hatte. 183 Vgl. BVerfGE 103, 89, 101; BVerfG FamRZ 2001, 985. Ebenso: Schwab, FamRZ 2001, 349; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 276; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339; und insbesondere auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier, NJW 2002, 2129, 2132. 184 So wohl OLG München FamRZ 2003, 35, 36. Vgl. hierzu auch ausführlich unten unter IV.2.a)bb)(4)(b). 185 Die dogmatischen Mängel rügen auch: Langenfeld, ZEV 2004, 311, 312; Rauscher, DNotZ 2004, 524, 525. 186 OLG München FamRZ 2003, 35, 37 unter I.2.d). 187 OLG München FamRZ 2003, 35 unter I.2. 188 Vgl. nur BVerfGE 103, 89, 101: mittelbare Drittwirkung über die zivilrechtlichen Generalklauseln. 189 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 19; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242, Rn. 35.
126
III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
haben; jedoch fehlt es auch insoweit an jeglichen Feststellungen zu deren Legitimation. Zudem ist es gerade Charakteristikum der Inhaltskontrolle anhand des § 242 BGB, dass diese in der Regel nur zur Unwirksamkeit einzelner unangemessener Vertragsklauseln und nicht grundsätzlich zur Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts führt190.
6. Das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004191 In seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzentscheidung vom 11.02.2004, welche die vorgenannte Entscheidung des OLG München zum Gegenstand hatte, hat sich der BGH erstmals nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 zur gerichtlichen Kontrolle von Eheverträgen geäußert und – erwartungsgemäß – seine bisherige restriktive Linie aufgegeben. a) Die Grundsätze der Entscheidung Der BGH betont zunächst, dass die gesetzlichen Scheidungsfolgen, nämlich nachehelicher Unterhalt, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich, grundsätzlich disponibel seien und das geltende Recht keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen kenne192. Allerdings könne der Schutzzweck der gesetzlichen Scheidungsfolgenregelungen nicht beliebig unterlaufen werden. Die Grenze sei dort zu ziehen, wo die privatautonom vereinbarte Regelung eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung darstelle, deren Hinnahme für den belasteten Teil bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheine193. Dies sei umso eher der Fall, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreife. Hinsichtlich dieses Kernbereichs nimmt der BGH eine Rangabstufung vor. In erster Linie sei hierzu der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) zu zählen, gefolgt vom Unterhalt wegen Krankheit (§ 1572 BGB) und wegen Alters (§ 1571 BGB)194. Hierauf folge der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 BGB), danach der Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt (§ 1578 Abs. 2 Alt. 1, Abs. 3 BGB)195. Der Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) und der Ausbildungsunterhalt (§ 1575 BGB) seien am ehesten 190 Dauner-Lieb, AcP 190 (1990), 1, 32 f; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 367; a. A. offensichtlich: OLG München FamRZ 2003, 35, 37. 191 XII ZR 265/02, NJW 2004, 930 ff = BGHZ 158, 81 ff. 192 BGH NJW 2004, 930, 933. 193 BGH NJW 2004, 930, 934. 194 BGH NJW 2004, 930, 934.
6. Das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004
127
verzichtbar196. Der Versorgungsausgleich rangiere als „vorweggenommener Altersunterhalt“197 auf derselben Stufe wie der Unterhalt wegen Alters; ein Verzicht müsse insoweit anhand derselben Kriterien überprüft werden, wie ein Unterhaltsverzicht. Der Zugewinnausgleich erweise sich als am weitesten disponibel, da das Eheverständnis und auch das Gebot ehelicher Solidarität keine bestimmte Zuordnung des Vermögenserwerbs in der Ehe erfordere198. Im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle der ehevertraglichen Vereinbarungen sei zunächst eine Wirksamkeitskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmen199. Hierfür sei eine Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse und Vorstellungen bei Vertragsschluss erforderlich; insbesondere sei der geplante Zuschnitt der Ehe einzubeziehen. In subjektiver Hinsicht seien die jeweils von den Ehegatten mit der Vereinbarung verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe für die gewählte Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit komme nur in Betracht, falls Regelungen aus dem Kernbereich der gesetzlichen Scheidungsfolgen abbedungen würden, ohne dass der hiermit verbundene Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert würde oder durch sonstige Umstände gerechtfertigt erscheine200. Ist die Vereinbarung danach wirksam, sei im Wege einer Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB zu prüfen, ob sich der Begünstigte im konkreten Fall und unter Berücksichtigung der Verhältnisse zur Zeit des Scheiterns der Lebensgemeinschaft auf den Vertrag berufen könne201. Dies könne bei einer Abweichung der tatsächlichen Entwicklung von der dem Vertrag zugrunde liegenden Lebensplanung zu verneinen sein. Wer selbst die eheliche Solidarität verletzt habe, könne aber nur ausnahmsweise, soweit ein Ausgleich ehebedingter Nachteile in Rede stehe, nacheheliche Solidarität einfordern202. Halte ein vertraglicher Ausschluss gesetzlicher Scheidungsfolgen einer Ausübungskontrolle nicht stand, habe dies nicht die Unwirksamkeit des Vereinbarten zur Folge; vielmehr habe der Richter diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Ehegatten in der nunmehr eingetretenen Situation Rechnung trage203. 195
Hierbei handelt es sich – wie sich schon aus der systematischen Stellung in § 1578 BGB ergibt – in dogmatischer Hinsicht freilich nicht um einen eigenständigen Unterhaltsanspruch, sondern um einen unselbständigen Teil des einheitlichen Unterhaltsanspruchs gemäß der §§ 1570 ff BGB; vgl Häberle, in: Soergel, BGB, § 1578, Rn. 45. 196 BGH NJW 2004, 930, 934; der Anspruch auf Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) findet keine Erwähnung. 197 BGH NJW 2004, 930, 934. 198 BGH NJW 2004, 930, 934. 199 BGH NJW 2004, 930, 935. 200 BGH NJW 2004, 930, 935. 201 BGH NJW 2004, 930, 935. 202 BGH NJW 2004, 930, 935. 203 BGH NJW 2004, 930, 935.
128
III. Die Rechtsprechung zur Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
Diesen vom BGH neu aufgestellten Grundsätzen wurde das Urteil des OLG München vom 01.10.2002204 selbstverständlich nicht gerecht. Es ließ bereits (nahezu) jegliche Feststellungen zur subjektiven Seite, vor allem zum gemeinsamen Lebensplan der Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses, vermissen205. Demzufolge sah der BGH die Voraussetzungen des Verdikts der Sittenwidrigkeit, auch da der unmittelbare Kernbereich der Scheidungsfolgen nicht berührt sei, als nicht gegeben an. Eine Inhaltskontrolle anhand des § 242 BGB scheint der BGH, wie sich aus den Entscheidungsgründen mittelbar ergibt, generell abzulehnen206. In zwei nachfolgenden Entscheidungen vom 06.10.2004207 hat der BGH im Zusammenhang mit dem ehevertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs die vorstehenden Grundsätze bestätigt. Zudem wurde dort betont, dass in Fällen, in denen Ehegatten ihre eheliche und berufliche Lebenssituation – insbesondere im Hinblick auf die Betreuung gemeinsamer Kinder – einvernehmlich ändern, an eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu denken sei, wobei jeweils nur die ehebedingten Versorgungsnachteile eines Ehegatten auszugleichen seien208. In einer weiteren Entscheidung vom 12.01.2005209 hat der BGH einen Ehevertrag, in dem die zur Zeit der Eheschließung 44 und 46 Jahre alten Ehegatten Gütertrennung vereinbarten sowie den Versorgungsausgleich und nacheheliche Unterhaltsansprüche ausschlossen als wirksam angesehen, da hinsichtlich des Versorgungsausgleichs und des nachehelichen Unterhalts zumindest eine teilweise Kompensation durch Ausgleichsleistungen erfolgte210. Der Ehevertrag hielt auch einer Ausübungskontrolle stand. Weitere Revisionen sind derzeit beim BGH anhängig. b) Erste Reaktionen Klar dürfte schon jetzt sein, dass der Entscheidung des BGH vom 11.02.2004 in der Praxis der Rechtsanwendung, sowohl im Rahmen der instanzgerichtlichen Rechtsprechung, wie auch in der Kautelarjurisprudenz, eine große Bedeutung zukommen wird. Die bislang nur vereinzelt vorliegenden Entscheidungen aus 204
OLG München FamRZ 2003, 35 ff. BGH NJW 2004, 930, 935 f; das Urteil war schon aus diesem Grund aufzuheben und – zur Nachholung entsprechender Feststellungen – zurückzuverweisen. 206 Vgl. BGH NJW 2004, 930, 933 und 935; der BGH geht dort davon aus, dass die Unwirksamkeit ehevertraglicher Vereinbarungen nur aufgrund § 138 BGB – nicht auch aufgrund § 242 BGB – in Betracht komme. 207 BGH FamRZ 2005, 26 ff und BGH NJW 2005, 139 ff. 208 BGH NJW 2005, 139, 141. 209 XII ZR 238/03 (Zur Zeit der Drucklegung noch nicht veröffentlicht). 210 Es wurde eine „Unterhaltsabfindung“ in Höhe von DM 10.000 pro Ehejahr vereinbart. Zudem sollten im Falle der unverschuldeten Erwerbslosigkeit die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach einem monatlichen Bruttoentgelt von DM 2.000 entrichtet werden. 205
6. Das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004
129
der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte versuchen konsequent, die vom BGH aufgestellten Kriterien einer gerichtlichen Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen im Rahmen einer einzelfallbezogenen Beurteilung zu berücksichtigen211. Die Stimmen aus dem Schrifttum sind dagegen – wie nicht selten – uneinheitlich. Teils ist von einem vom BGH geschaffenen „vorzügliche[n] dogmatische[n] System“ die Rede212, teils wird dessen Grundsatzurteil als in sich widersprüchlich und ohne ausreichende Grundlage im Gesetz gerügt213. Die Entscheidung wird zunächst wohl weiterhin für Unruhe sorgen. Zum einen, da der BGH im Vergleich zu seiner bisherigen Rechtsprechung teilweise völlig neue Maßstäbe an die gerichtliche Kontrolle von Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen legen will. Zum anderen, da seine Ausführungen hierzu recht allgemein gehalten sind und die gebotene Konkretisierung der Voraussetzungen einer Inhalts- oder Ausübungskontrolle vermissen lassen. Zumindest für eine Übergangszeit wird die Betonung des nunmehr vom BGH neu geschaffenen „Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts“214 ein nicht unerhebliches Maß an Rechtsunsicherheit hervorrufen215. Die hervorgehobene Bedeutung des Kriteriums des gemeinsamen Lebensplans zur Zeit des Vertragsschlusses dürfte in der Praxis, gerade bei der Beurteilung länger zurückliegender Vereinbarungen, erhebliche Beweisschwierigkeiten mit sich bringen. Welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind, soll – unter anderem – im folgenden Abschnitt näher analysiert werden, dem an dieser Stelle nicht weiter vorgegriffen werden soll. 211 OLG Celle FamRZ 2004, 1489 ff: Nichtigkeit des Ehevertrags nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Ausnutzens einer gestörten Vertragsparität; gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt (Az. XII ZR 130/03). OLG Düsseldorf RNotZ 2004, 574 ff: Auch bei außergewöhnlich guten Vermögensverhältnissen des Ehemannes keine einseitige Benachteiligung der kindesbetreuenden Ehefrau, wenn in einem Ehevertrag ein Globalverzicht mit Ausnahme des – auf monatlich 5.000 DM begrenzten – Betreuungsunterhalts vereinbart wurde und eine einmalige Ausgleichszahlung von 1.000.000 DM geleistet werden sollte; OLG Celle FamRZ 2004, 1202 ff: Wirksamkeit einer notariellen Scheidungsvereinbarung, da der Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht berührt sei, beziehungsweise kompensierende Vereinbarungen getroffen worden seien und auch keine Anknüpfungspunkte für ein Durchgreifen einer Ausübungskontrolle vorlägen. Deutlich zu weit gehend dagegen: OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1789 ff: Zuspruch von weiterem Erwerbslosenunterhalt (§ 1573 BGB) nach Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB, weil der vertraglich vereinbarte Unterhaltsbetrag aufgrund der besonders guten Entwicklung der Einkommensverhältnisse des anderen Ehegatten während der Ehe nicht mehr angemessen sei. Zu Recht kritisch hierzu: Bergschneider, FamRZ 2004, 1791 f. Auch gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt (Az. XII ZR 165/04). 212 Rauscher, DNotZ 2004, 524, 535. 213 Mayer, FPR 2004, 363, 368. 214 BGH NJW 2004, 930, 934. In der bisherigen Rechtsprechung des BGH zum Ehevertragsrecht findet sich eine solche Kategorisierung der Scheidungsfolgen jedenfalls ebenso wenig wie im Gesetz. 215 Kritisch wegen der insoweit „unerfreulich knapp[en]“ Begründung: DaunerLieb, FF 2004, 65, 67 f.
IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen zwischen Privatautonomie der Ehegatten und gerichtlicher Kontrolle Der historische Abriss der Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung im Bereich der Vereinbarungen zur Regelung ehebedingter Unterhaltsansprüche hat gezeigt, dass die Privatautonomie bereits seit Inkrafttreten des BGB auch im Eherecht zur Entfaltung kommt und sich im Verlauf des vorigen Jahrhunderts insbesondere im Bereich des nachehelichen Unterhaltsrechts immer stärker ausgeprägt hat. Im Folgenden sollen Inhalt, Umfang und Grenzen dieser Privatautonomie vor dem Hintergrund der dargestellten Entwicklung und den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur gerichtlichen Kontrolle von Eheverträgen näher beleuchtet und analysiert werden.
1. Das Spannungsfeld zwischen Privatautonomie und gerichtlicher Inhaltskontrolle Die Privatautonomie stellt zweifellos einen Grundpfeiler unserer Privatrechtsordnung dar1. Sie ist Teil des die gesamte Rechtsordnung bestimmenden Grundsatzes der Selbstbestimmung des Menschen und steht als solche unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Die wesentlichen Erscheinungsformen der Privatautonomie sind die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), die Testierfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) und die Freiheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG). Das Konzept des BGB geht vom Prinzip der insbesondere in § 311 Abs. 1 BGB anschaulich zum Ausdruck kommenden Vertragsfreiheit aus2, welche Teil des durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt: „Auf der Grundlage der Privatautonomie, die Strukturelement einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ist, gestalten die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehungen eigenverantwortlich. Sie bestimmen selbst, wie ihre gegenläufigen Interessen angemessen auszugleichen sind, und verfügen damit zugleich über ihre grundrechtlich geschützten Positionen ohne staatlichen Zwang.“3 1
Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 1. Schmidt, in: Staudinger, BGB, Einl. §§ 241 ff, Rn. 467; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 104, Rn. 1. 3 BVerfGE 81, 242, 254. 2
1. Privatautonomie und gerichtliche Inhaltskontrolle
131
Die Vertragsfreiheit umfasst die Abschlussfreiheit sowie die Gestaltungs- und Inhaltsfreiheit. Abschlussfreiheit bedeutet die grundsätzliche Freiheit der am Rechtsverkehr beteiligten Rechtssubjekte, Verträge nach ihrem freien Willen abzuschließen (positive Abschlussfreiheit) oder einen Vertragsschluss abzulehnen (negative Abschlussfreiheit)4. Ein Unterfall der Abschlussfreiheit ist die Endigungsfreiheit, durch die gewährleistet ist, dass die Kontrahenten ein Vertragsverhältnis durch Aufhebungsvertrag oder – bei Dauerschuldverhältnissen – durch Kündigung beenden können5. Eingeschränkt wird die Abschlussfreiheit durch das Institut des Kontrahierungszwangs, welches im Rechtsverkehr vor allem im Bereich marktbeherrschender Unternehmen und im Wettbewerbsrecht an Bedeutung gewinnt6. Die Inhalts- und Gestaltungsfreiheit wird durch das nicht disponible Vertragsrecht, vor allem das Verbraucherschutzrecht eingeschränkt. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die §§ 305 ff BGB (bis Ende 2001: AGBG), §§ 312 f BGB (bis Ende 2001: HaustürWG), §§ 312b ff BGB (bis Ende 2001: FernAbsG), §§ 491 ff BGB (bis Ende 2001: VerbrKrG) und im Kaufrecht die Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff BGB). Auch die gesetzlichen Formvorschriften stellen eine Einschränkung der Vertragsfreiheit dar, da sie die Freiheit, den rechtsgeschäftlichen Willen in beliebiger Form rechtswirksam ausdrücken zu können, beschränken7. Im Eherecht ist hier § 1410 BGB von Bedeutung. a) Die Vertragsfreiheit und deren Begrenzung durch die gerichtliche Inhaltskontrolle im Einzelfall Im Rahmen der Vertragsfreiheit wird zwischen einem formellen und einem materiellen Begriffsverständnis differenziert8. Nach ersterem steht die formale Rechtsgleichheit der Kontrahenten im Vordergrund, also die von der Rechtsord4 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 55; Thode, in: MünchKomm, BGB, § 305, Rn. 2 f; Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 8 ff. 5 Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 17; vgl. hierzu auch: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 56 f. 6 Hier ist zwischen dem unmittelbaren Kontrahierungszwang, der sich bereits aus dem Gesetz ergibt (vgl. beispielsweise §§ 22 PBefG, 6 Abs. 1 EnWG, 5 Abs. 2 PflVG, 15 Abs. 1 BNotO) und dem mittelbaren Kontrahierungszwang zu differenzieren. Beim mittelbaren Kontrahierungszwang ist der Nichtabschluss eines Vertrages kartell- oder deliktsrechtlich untersagt; vgl. hierzu im Überblick: Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 145, Rn. 9 ff; Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 9 ff. 7 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 60 ff; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1, 6; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 2. 8 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 53 ff; Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 5. Mit Blick auf die Entwicklung von der formalen Vertragsfreiheit des 19. Jahrhunderts zum heutigen Grundsatz der materiellen Vertragsfreiheit: Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 36 ff.
132
IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
nung gewährleistete rechtliche Möglichkeit, Verträge selbstbestimmt abzuschließen. Nach dem materiellen Begriffsverständnis ist auf die real existierende Vertragsfreiheit und damit auf deren faktische Durchsetzbarkeit durch beide Kontrahenten abzustellen9. Die materielle Vertragsfreiheit setzt somit die formelle Vertragsfreiheit denknotwendig voraus, ist allerdings dann beeinträchtigt, wenn diese formelle Vertragsfreiheit aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeübt werden kann10. Dies ist beispielsweise bei stark ungleicher Verhandlungsmacht der Kontrahenten der Fall, bei der der schwächere Teil „seine“ Vertragsfreiheit in Wahrheit nicht verwirklichen kann und sich der Vertrag gerade nicht als ein Ergebnis selbstbestimmten Handelns darstellt. aa) Vertragsfreiheit und Verfassung Begreift man die Vertragsfreiheit mit der ganz h. M.11 als eine Ausprägung des durch Art 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbrieften Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, wird deutlich, dass den Staat auch eine Verpflichtung trifft, die Rechtsordnung so zu gestalten, dass sowohl die formelle als auch die materielle Vertragsfreiheit in der Praxis des täglichen Lebens einen Schutz genießt, der allen Rechtssubjekten zugute kommt12. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber durch Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Daher müssen auch die von ihm geschaffenen Vorschriften des Privatrechts mit den Grundrechten vereinbar sein13. Der Gesetzgeber ist seiner Verpflichtung zum Schutz der Vertragsfreiheit unter anderem durch die Schaffung der zahlreichen Verbraucherschutzgesetze nachgekommen. Aber auch außerhalb dieser spezialgesetzlichen Regelungen kann die Vertragsfreiheit nicht mit einer unbegrenzten Inhalts- und Gestaltungsfreiheit gleichgesetzt werden. Sie unterliegt vielmehr ihr immanenten Schranken14. Schutz der Privatautonomie bedeutet mithin Schutz von Selbstbestim9 Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 5; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 37 f. 10 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 54. 11 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 145, Rn. 7; Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 6; Becker, WM 1999, 709, 710; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 74 f m. w. N.; ausführlich: Schlechtriem, in: 40 Jahre Grundgesetz – Der Einfluß des Verfassungsrechts auf die Entwicklung der Rechtsordnung, 39, 40 ff. Vgl. auch bereits: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, § 1 10a), S. 17 ff. 12 Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 27 f. 13 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, § 76 IV 6, S. 1578 ff; Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 1, Rn. 37; Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 1, Rn. 59. 14 BVerfGE 89, 214, 231 ff; Grün, WM 1994, 713, 721; Becker, WM 1999, 709, 710 und 718; Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 6; grundlegend bereits: Raiser, JZ 1958, 1, 4 ff.
1. Privatautonomie und gerichtliche Inhaltskontrolle
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mung und Schutz vor Fremdbestimmung15. Um den Einzelnen effektiv schützen zu können, muss daher im Grundsatz auch eine gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen erfolgen können. Verneinte man dies, bestünde faktisch nur eine formelle Vertragsfreiheit, deren tatsächliche Durchsetzung in der Praxis scheitern würde. Dabei dürfte es mittlerweile als in Literatur und Rechtsprechung geklärt anzusehen sein, dass den Grundrechten – mit Ausnahme von Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG – im Rahmen der gerichtlichen Beurteilung privatautonomen Verhaltens keine unmittelbare Drittwirkung zukommt16, da diese als subjektiv-öffentliche Rechte und damit als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert sind17. Allerdings sind die Grundrechte nach der sowohl im Verfassungsrecht18 als auch im Zivilrecht19 herrschenden Lehre der mittelbaren Drittwirkung bei der Auslegung und Anwendung der einfachgesetzlichen Normen zu berücksichtigen und wirken über die zivilrechtlichen Generalklauseln auf das Privatrecht ein20. In der als Handelsvertreterentscheidung bekannt gewordenen Grundsatzentscheidung hat sich das Bundesverfassungsgericht erstmals intensiv mit der gerichtlichen Inhaltskontrolle von Verträgen auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Privatautonomie besteht nur im Rahmen der geltenden Gesetze, und diese sind ihrerseits an die Grundrechte gebunden. Das Grundgesetz will keine wertneutrale Ordnung sein, sondern hat in seinem Grundrechtsabschnitt objektive Grundentscheidungen getroffen, die für alle Bereiche des Rechts, also auch für das Zivilrecht gelten. (. . .) Selbst wenn der Gesetzgeber davon absieht, zwingendes Vertragsrecht für bestimmte Lebensbereiche oder für spezielle Vertragsformen zu schaffen, bedeutet das keineswegs, daß die Vertragspraxis dem freien Spiel der Kräfte unbegrenzt ausgesetzt wäre. Vielmehr greifen dann ergänzend solche zivilrechtlichen Generalklauseln ein, die als Übermaßverbote wirken, vor allem die §§ 138, 242, 315 BGB. Gerade bei der Konkretisierung und Anwendung dieser Generalklauseln sind die Grundrechte zu beachten.“21 15
So treffend: Reich, JZ 1997, 609. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 7; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 355 f; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 43; a. A.: Hager, JZ 1994, 373 ff. Auch das BAG hat seine früher vertretene Auffassung, den Grundrechten käme im Arbeitsrecht eine unmittelbare Drittwirkung zu (vgl. BAG DB 1955, 316; NJW 1957, 1688, 1689) infolge des Lüth-Urteils (BVerfGE 7, 198 ff) wieder aufgegeben; vgl. nur BAG BB 1987, 1461, 1462. 17 BVerfGE 7, 198, 204 f. 18 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 351 ff; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, § 76 II 2, S. 1543 ff und § 76 IV, S. 1561 ff; von Münch, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Vorb. Art. 1–19, Rn. 31; Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, Vorb., Rn. 59 f. 19 Medicus, AcP 192 (1992), 35, 43; Brox, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Rn. 28; Schlechtriem, in: 40 Jahre Grundgesetz – Der Einfluß des Verfassungsrechts auf die Entwicklung der Rechtsordnung, 39, 45 ff. 20 Grundlegend hierzu das Lüth-Urteil: BVerfGE 7, 198, 205 ff. 16
134
IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Unabhängig davon, ob man diesem verfassungsrechtlichen Ansatz uneingeschränkt folgt oder nicht22, lässt sich m. E. nicht bestreiten, dass eine einzelfallbezogene Inhaltskontrolle von Verträgen anhand der zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB mehr dem Schutz der Privatautonomie dient, als dass diese daran Schaden nähme. Eine solche Kontrolle ist auch ohne verfassungsrechtliche Argumentationshilfe möglich und geboten, handelt es sich bei den §§ 138, 242 BGB doch um für das gesamte Vertragsrecht maßgebende Prinzipien der Privatrechtsordnung. Deren Wertesystem ist im Übrigen auch älter als die grundrechtlichen Gewährleistungen und hat sich bereits vor Inkrafttreten der Verfassung als Kontrollinstrument bewährt23. Zudem benötigt jedes Rechtsinstitut, welches dauerhaft Bestand haben soll, nicht nur des Schutzes durch Gesetze, sondern auch des Schutzes durch die Gesetzesanwender, insbesondere die Gerichte, die dem Rechtsinstitut im Einzelfall zur praktischen Entfaltung verhelfen24. Es geht daher weniger darum, ob eine gerichtliche Inhaltskontrolle überhaupt zulässig ist, sondern um die Frage, wie, also anhand welcher Kriterien, eine Inhaltskontrolle im Einzelfall durchzuführen ist. Mithin wird die Vertragsfreiheit durch das – richtig und mit Bedacht angewandte – Instrument der gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht unverhältnismäßig eingeschränkt, sondern in ihrer Funktionsfähigkeit gestärkt25. bb) Zum Begriff der gerichtlichen Inhaltskontrolle Bei der gerichtlichen Kontrolle von Verträgen ist begrifflich zwischen der Inhaltskontrolle und der Ausübungskontrolle zu differenzieren. Während mit dem Instrument der Inhaltskontrolle in die vertraglichen Vereinbarungen inhaltlich eingegriffen werden kann und der Vertrag ganz oder teilweise angepasst (§§ 242, 313 BGB), für unwirksam (§ 242 BGB) oder nichtig (§§ 134, 138 21
BVerfGE 81, 242, 254 ff. Äußerst kritisch gegen diese Tendenz der Rechtsprechung des BVerfG: Isensee, in: FS Großfeld, 485 ff, der einen Funktionswandel der Freiheitsrechte von der Grundlage zur Schranke der vertraglichen Gestaltungsfreiheit konstatiert; vgl. Isensee, a. a. O., S. 513: „Das Vertragsrecht wird vom Verfassungsrecht (wie das Gericht es versteht) überwältigt und verschlungen. Die Folge sind Systembrüche und Rechtsunsicherheit.“ 23 Becker, WM 1999, 709. Als Beispiel kann hier die umfangreiche Rechtsprechung zur Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Inkrafttreten des AGBG dienen. Hier hat schon die Rechtsprechung des Reichsgerichts mit Hilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln im Wege der Rechtsfortbildung Grundsätze über die richterliche Inhaltskontrolle entwickelt. Vgl. hierzu die zusammenfassende Darstellung in RGZ 143, 24, 28 f. 24 Dies ergibt sich mittelbar auch bereits aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. 25 Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774, 781; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1; Becker, WM 1999, 709, 718. 22
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BGB) erklärt werden kann, lässt die Ausübungskontrolle den Vertragsinhalt grundsätzlich unberührt, gewährt dem benachteiligten Vertragsteil aber die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Das klassische Element der Inhaltskontrolle im engeren Sinne ist § 242 BGB26. Bei der Anwendung der §§ 134, 138 BGB wird – statt von einer Inhaltskontrolle – teilweise auch von einer Wirksamkeitskontrolle gesprochen27. Rechtsprechung und Lehre differenzieren allerdings häufig nicht zwischen einer Inhaltskontrolle im engeren oder weiteren Sinne28, sondern verwenden den Begriff der Inhaltskontrolle für die inhaltliche Überprüfung eines Vertrages auf dessen Rechtswirksamkeit und Rechtsbeständigkeit anhand der gesetzlichen Regeln, insbesondere der zivilrechtlichen Generalklauseln29. Dieses Begriffsverständnis soll auch hier zugrunde gelegt werden. Dogmatisch ungenau erscheint dagegen, die Ausübungskontrolle als einen Unterfall der Inhaltskontrolle zu bezeichnen30. Klarzustellen ist zudem, dass der Begriff „gerichtliche Inhaltskontrolle“ kein Institut des Prozessrechts umschreibt, welches den Richter zu einer Änderung des Vertragsinhalts nach eigenen Gerechtigkeitserwägungen ermächtigt. Bei der Inhaltskontrolle handelt es sich vielmehr um eine materiell-rechtliche Einschränkung der Privatautonomie, deren tatsächlicher Bestand nicht von einem Richterspruch abhängt. Die Inhaltskontrolle und deren Rechtsfolgen ergeben sich mithin aus dem Gesetz31. Gleichwohl kommt deren praktische Wirkung oftmals erst im Prozess beziehungsweise mit dem Richterspruch zur Entfaltung. b) Die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen in anderen Rechtsgebieten Die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen erlangte erstmals im Zusammenhang mit der in der Nachkriegszeit zunehmenden Tendenz des Wirtschaftsverkehrs zur Massenproduktion und damit auch zum Massenvertrag – der Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen – mit den Konsumenten an Bedeutung. Da es lange Zeit keine spezialgesetzlichen Regelungen zur Wirk26
Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 6. So nunmehr: BGH NJW 2004, 930, 935. 28 Vgl. Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 365 ff; Schmidt, in: Staudinger, BGB Einl. 241 ff, Rn. 460 ff; Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 19 f; Schwab, FamRZ 2001, 349, 350; Bauer/Diller, DB 1995, 1810. Aus der Rechtsprechung: BVerfGE 103, 89, 101; BAG NJW 1999, 443, 444. 29 Vgl. zur Abgrenzung der Inhaltskontrolle im engeren Sinne zu ähnlichen Erscheinungen: Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 14 ff. 30 So aber: Hahne, DNotZ 2004, 84, 94. 31 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 13 f und 365; Becker, WM 1999, 709, 710. 27
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samkeitskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen gab32, entwickelte die Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung Grundsätze für die Durchführung einer richterlicher Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen33. Der BGH ging hierbei davon aus, dass derjenige, der allgemeine Geschäftsbedingungen aufstellt, die zumindest formal bestehende Vertragsinhaltsfreiheit für sich allein in Anspruch nimmt. Bringt er dort nur seine eigenen Interessen zur Geltung, wurde dies als ein Missbrauch der Vertragsfreiheit gewertet, die insoweit durch § 242 BGB eingeschränkt sei34. Rechtsfolge einer solcher Inhaltskontrolle war regelmäßig die Unwirksamkeit der beanstandeten Vertragsklauseln. Der Gesetzgeber knüpfte mit der Schaffung des AGBG an diese Rechtsprechung an. Die §§ 305 ff BGB (vormals: AGBG) stellen nach allgemeiner Auffassung aber keine abschließende Regelung zur Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge dar. Eine solche ist auch außerhalb von deren Anwendungsbereich grundsätzlich möglich35. Dies wurde in der Gesetzesbegründung zum AGBG ausdrücklich klargestellt36. Die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen wird in den verschiedenen Rechtsgebieten teilweise unterschiedlich gehandhabt. Dies liegt zum einen an der unterschiedlichen Regelungsdichte in den einzelnen Rechtsgebieten37, in erster Linie aber daran, dass die Schutzbedürftigkeit der Kontrahenten dort jeweils differenziert zu beurteilen ist. aa) Die gerichtliche Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht Im Arbeitsrecht ist die gerichtliche Inhaltskontrolle besonders stark ausgeprägt. Dies liegt zunächst daran, dass es in diesem Rechtsgebiet eine Fülle von Einzelregelungen gibt, welche die Inhalts- und Gestaltungsfreiheit bei Arbeitsverträgen ohnehin einschränken38. Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind Arbeitsverträge nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zudem an 32
Das AGBG (BGBl. 1976 I, 3317) trat erst am 01.04.1977 in Kraft. Vgl. beispielsweise: BGHZ 22, 90, 94 ff; BGHZ 41, 151, 154 ff; BGHZ 60, 377, 380 ff. 34 BGHZ 54, 106, 109. Vgl. zur Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Inkrafttreten des AGBG: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, (2. Aufl.), § 37 2, S. 670 ff. 35 BGHZ 101, 350, 353 ff; Becker, WM 1999, 709, 712; Bunte, ZIP 1984, 1313, 1315. 36 BT-Drs. 7/5422, S. 13; BT-Drs. 7/3919, S. 41. 37 Als Beispiel für eine Überregulierung durch den Gesetzgeber kann m. E. das Arbeitsrecht angesehen werden. Dort gibt es eine fast unüberschaubare Fülle von sich häufig ändernden Gesetzen und Verordnungen mit zahlreichen Vorschriften, die von einer Inhalts- und Gestaltungsfreiheit nur wenig übrig lassen. Dagegen finden sich beispielsweise für das seit Jahrzehnten immer größere wirtschaftliche Bedeutung erlangende Leasingrecht erstaunlicherweise überhaupt keine spezialgesetzlichen Regelungen. 33
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den §§ 305 ff BGB zu messen und gegebenenfalls einer entsprechenden Inhaltskontrolle unterziehen39. Aber auch über die Anwendung von spezialgesetzlichen Regelungen hinaus ist eine Inhaltskontrolle anhand der zivilrechtlichen Generalklauseln40 in der Rechtsprechung des BAG seit jeher mehr Regel als Ausnahme. Dies rührt zunächst daher, dass es sich bei einem Arbeitsverhältnis nicht (nur) um einen Vertrag, der einen schlichten Austausch von Leistung und Gegenleistung zum Gegenstand hat handelt, sondern – darüber hinaus – um ein Dauerschuldverhältnis mit personalem Charakter41. Hieraus ergibt sich eine besondere Intensität der gegenseitigen Verbundenheit42, die beispielsweise in den von der Rechtsprechung auf der Grundlage des Arbeitsvertrags in Verbindung mit § 242 BGB entwickelten Treuepflichten des Arbeitnehmers43 und den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers44 zum Ausdruck kommt45. Im Bereich des Arbeitsrechts ist zu berücksichtigen, dass es trotz der Vielzahl an verschiedenen arbeitsrechtlichen Regelungen eine einheitliche Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts nicht gibt. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte greift daher auf eine so genannte Billigkeitskontrolle anhand des § 315 BGB46 oder eine Inhaltskontrolle anhand der §§ 138, 242 BGB zurück und löst arbeitsvertragliche Problemstellungen im Wege der richterlichen Rechtsfortbil38 Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 108. Dem Gesetzgeber scheint es nach wie vor nicht zu gelingen, durch Kodifikation eines Arbeitsgesetzbuches für Übersicht und damit ein Mehr an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu sorgen. 39 Eine Anwendung des AGBG auf Arbeitsverträge war nach § 23 Abs. 1 AGBG noch ausgeschlossen. Allerdings wurde seitens des BAG bereits vor Inkrafttreten dieser Neuregelung eine Inhaltskontrolle anhand der allgemeinen Regeln vorgenommen, wobei insbesondere auch auf die Rechtsgedanken des AGBG zurückgegriffen wurde. 40 Soweit Arbeitsverträge nunmehr nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB den spezialgesetzlichen Regelungen der §§ 305 ff BGB unterfallen, gehen diese Regelungen bei Verstößen gegen Treu und Glauben dem § 242 BGB vor. 41 Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 137; Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 38. 42 Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 137; Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 38. 43 Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 611, Rn. 39 ff; vgl. aus der Rechtsprechung beispielsweise: BAG NJW 1970, 1861: Pflicht zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers; BAG NJW 1988, 1686 f: auch nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht bei möglicher Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers; BAG NJW 1977, 646: aus der Treuepflicht resultierendes Wettbewerbsverbot im Marktbereich des Arbeitgebers. 44 Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 611, Rn. 96 ff und 152 ff; vgl. aus der Rechtsprechung beispielsweise: BAG NJW 1970, 1654: Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Belange des Arbeitnehmers. Auch die Grundsätze der Haftungsbeschränkungen zugunsten des Arbeitnehmers wurden aus den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers entwickelt; vgl. hierzu: Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 207 ff. Grundlegend zur Anwendung der Grundsätze der Haftungsbeschränkung bei gefahrgeneigter Arbeit auf alle Fälle der betrieblich veranlassten Tätigkeit: BAG NJW 1995, 210, 211 ff. 45 Seit Inkrafttreten des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes sind diese Pflichten in § 241 Abs. 2 BGB normiert.
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dung47. Diese Praxis wurde seitens des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich gebilligt, welches betont, dass die richterliche Rechtsfortbildung im Bereich des Arbeitsrechts infolge des Zurückbleibens der Gesetzgebung hinter dem Fluss der sozialen Entwicklung besonderes Gewicht erlangt habe48. Gerechtfertigt wird die Inhaltskontrolle nach Auffassung der Arbeitsgerichte durch den Ausgangspunkt, dass arbeitsvertragliche Vereinbarungen regelmäßig einseitig durch den Arbeitgeber diktiert würden oder sich der Arbeitgeber zumindest in einer ungleich stärkeren Verhandlungsposition als der Arbeitnehmer befände, da dieser in der Regel auf den Arbeitsplatz angewiesen sei. Das Individualarbeitsrecht sei „durch eine strukturelle Unterlegenheit des einzelnen Arbeitnehmers gegenüber dem einzelnen Arbeitgeber gekennzeichnet“49; damit sei die Vertragsparität nicht gewährleistet50. Dies wird sowohl bei vorformulierten Vertragsbedingungen, wie auch bei Individualarbeitsverträgen angenommen51. Aus der regelmäßig gestörten Vertragsparität resultiert nach der Argumentation der Arbeitsgerichte eine besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers, die den Einstieg in eine Billigkeits- oder Inhaltskontrolle des Arbeitsvertrages bildet52. Die weitere dogmatische Begründung der Billigkeits- oder Inhaltskontrolle ist indes uneinheitlich53. Die Rechtsprechung stützt sich hierbei auf verschiedene Ansätze, wie beispielsweise die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte54, die besondere Fürsorgepflicht des Arbeitgebers55 oder das Sozialstaatsprinzip56. Der 46 Kritisch hierzu: Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, Individualarbeitsrecht I, § 14, Rn. 47 ff, der zu Recht betont, dass die gerichtliche Kontrolle des Vertragsinhalts keine Billigkeitskontrolle, sondern nur eine Rechtskontrolle sein könne. Ebenso: Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 112. 47 Vgl. ausführlich – unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht – zur grundsätzlichen Bejahung der Inhaltskontrolle anhand des § 242 BGB im Arbeitsvertragsrecht: BAG DB 1994, 1726 f. 48 BVerfGE 34, 269, 288. 49 BAG DB 1994, 1726, 1727. 50 BAG NJW 1971, 1149, 1150; BAG DB 1972, 2113, 2114; BAG BB 1990, 634, 635. 51 BAG NJW 1999, 443 f; BAG NJW 1996, 1916, 1917; BAG DB 1994, 1726, 1727. Ausführlich hierzu: Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 184 ff, der die Ursache der Vertragsdisparität ebenfalls auf das existentielle Angewiesensein des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz zurückführt. 52 Konsequenterweise scheidet eine Inhaltskontrolle bei Tarifverträgen daher aus, weil dort von einem Verhandlungsgleichgewicht der Tarifvertragsparteien ausgegangen werden kann; vgl. BAG NZA 1996, 1218, 1219; Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 116. 53 Vgl. ausführlich zur „verdeckte(n) Inhaltskontrolle unter anderen dogmatischen Figuren“: Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 166 ff und 201. 54 BAG NJW 1999, 443, 444: „von Verfassungs wegen geboten“; BAG BB 1987, 1461, 1462. 55 BAG NJW 1964, 171, 172. 56 BAG DB 1974, 294 f.
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Preis dieser Rechtsprechung ist eine weitgehend eingeschränkte Vertragsfreiheit und ein zum Teil erhöhtes Maß an Rechtsunsicherheit im Arbeitsrecht57. Teilweise erhobenen Bedenken seitens des Schrifttums begegnet das BAG mit dem Argument der Besonderheiten des Arbeitsrechts. Es sieht die Legitimation zur regelmäßigen Durchführung einer Inhaltskontrolle darin, dass das Schutzbedürfnis des gegenüber dem Arbeitgeber schwächeren Arbeitnehmers besonders groß sei; der richterlichen Vertragskontrolle komme im Arbeitsrecht daher eine größere Bedeutung zu als im allgemeinen Zivilrecht58. In praktischer Hinsicht werden bei der gerichtlichen Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht zunächst die mit dem Arbeitsvertrag gegenseitig übernommenen Rechte und Pflichten gegenübergestellt und geprüft, ob die Vertragsbedingungen eine unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten ausgewogene Regelung darstellen oder einen Teil unangemessen benachteiligen. Wird eine nicht unerhebliche Abweichung von wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken oder vertragstypischen Rechten und Pflichten festgestellt, so wird im Wege einer Interessenabwägung weiter geprüft, ob diese durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist oder durch entsprechende begünstigende Regelungen kompensiert wird. Ist dies nicht der Fall, kommt als Rechtsfolge der Inhaltskontrolle die Nichtigkeit nach § 138 BGB59 oder die Unwirksamkeit nach § 242 BGB60 in Betracht, wobei in der Rechtsprechung des BAG in der Mehrzahl der Fälle § 242 BGB angewandt wird. Eine dogmatische Differenzierung zwischen § 138 BGB und § 242 BGB findet aber oftmals auch überhaupt nicht statt61. Geläufige Beispiele aus der Praxis der Rechtsprechung des BAG sind die Grundsätze zur Unwirksamkeit von Abreden, die das Wirtschaftsrisiko in irgendeiner Form auf den Arbeitnehmer abwälzen62, die Unzulässigkeit von Rückforderungsvorbehalten bei Gratifikationen63 oder Fortbildungskosten64 sowie unzulässige Mankoklauseln65. 57 Im Schrifttum werden immer wieder Stimmen laut, die den Arbeitsgerichten teils eine unberechenbare, teils eine allzu arbeitnehmerfreundliche und wirtschaftsfeindliche Rechtsprechung vorwerfen; vgl. beispielsweise: Brox/Rüthers, Arbeitsrecht, Rn. 45b; Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 40. 58 BAG DB 1994, 1726, 1727. 59 Vgl. beispielsweise: BAG AP Nr. 21 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; BAG NJW 1991, 860, 861. 60 Vgl. beispielsweise: BAG NJW 1996, 2117, 2118. 61 So etwa bei: BAG NJW 1999, 443, 444; BAG AP Nr. 77 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. Vereinzelt wird die Rechtsgrundlage der Inhaltskontrolle gar nicht mehr genannt; vgl. BAG NJW 1986, 865. 62 BAG NJW 1991, 860, 861. 63 BAG JZ 1963, 173 f; BAG NJW 1962, 1537, 1538 f; vgl. auch: Brox/Rüthers, Arbeitsrecht, Rn. 116 m. w. N. 64 BAG NJW 1999, 443 f; BAG DB 1994, 1726, 1727. 65 BAG NJW 1986, 865; BAG AP Nr. 77 zu § 611 Haftung des Arbeitnehmers; vgl. auch Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 200c. Mankoklauseln sind Vereinbarungen, nach de-
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bb) Die gerichtliche Inhaltskontrolle im Gesellschaftsrecht Im Gesellschaftsrecht trat die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen anhand des § 242 BGB zunächst nur im Zusammenhang mit Publikumspersonengesellschaften66 in den Vordergrund. Die geworbenen Gesellschafter einer Publikumspersonengesellschaft erhalten regelmäßig einen fertig vorformulierten Gesellschaftsvertrag zur Unterzeichnung, auf deren inhaltliche Gestaltung sie keinen Einfluss nehmen können. Die AGB-rechtlichen Schutzvorschriften sind auf Verträge aus dem Gebiet des Gesellschaftsrechts gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nach wie vor nicht anwendbar. In einem Grundsatzurteil vom 14.04.197567 hob der BGH erstmals hervor, dass die Rechtslage hier ähnlich wie beim einseitigen Stellen von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beurteilen sei68. Daher bestünde bei Verträgen von Publikumspersonengesellschaften zum Schutz der Anlagegesellschafter ein Bedürfnis, dem unter solchen Umständen leicht möglichen Missbrauch der Vertragsfreiheit mit Hilfe einer an den Maßstäben von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichteten Inhaltskontrolle durch die Gerichte zu begegnen69. Diese Inhaltskontrolle sei keine Bestrafung der Verantwortlichen, sondern Wiederherstellung der Vertragsgerechtigkeit70. Mit dieser Argumentation, die auch in der Literatur überwiegend auf Zustimmung gestoßen ist71, nimmt der BGH seitdem bei Gesellschaftsverträgen von Publikumspersonengesellschaften eine Inhaltskontrolle am Maßstab des § 242 BGB vor72. Rechtsfolge dieser Inhaltskontrolle ist die Unwirksamkeit benachteiligender Vertragsklauseln. Maßgebender Gesichtspunkt ist also wiederum die unterlegene Verhandlungsposition der beitretenden Anleger gegenüber den die benachteiligenden Vertragsbedingungen stelnen der Arbeitnehmer für Fehlbestände bei von ihm verwalteten Kassen oder Waren haften soll. 66 Hierbei handelt es sich um ein „Geschäftsmodell“, bei der ein regelmäßig kleiner Kreis von Gründungsgesellschaftern in der aus steuerlichen und haftungsrechtlichen Gründen gewählten Rechtsform der GmbH & Co. KG eine große Zahl nicht unternehmerisch, sondern nur anlagemäßig interessierter Kommanditisten aufnimmt. Mit deren Einlagen werden Projekte der Gesellschaft finanziert, an deren Gewinn die Kommanditisten – im Idealfall – beteiligt werden. Die Publikumspersonengesellschaft fungiert daneben auch als Steuersparmodell. Teilweise wird hierfür auch die Rechtsform der BGB-Gesellschaft gewählt. 67 BGHZ 64, 238 ff. 68 BGHZ 64, 238, 241. 69 BGHZ 64, 238, 241. 70 BGHZ 64, 238, 242. 71 Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rn. 454 ff; von Gerkan, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 161, Rn. 95; Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Band 1, § 177a Anh. B, Rn. 24 ff; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A., Rn. 31 ff; Loritz, JZ 1986, 1073, 1079; Bunte, ZIP 1983, 8, 12. 72 Vgl. beispielsweise: BGHZ 64, 238 ff; BGHZ 84, 11 ff; BGHZ 104, 50 ff; BGH ZIP 1984, 59 ff.
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lenden Gründungsgesellschaftern, mithin also eine gestörte Vertragsparität und damit einhergehend ein fehlender, die Vertragsgerechtigkeit gewährleistender Vertragskompromiss. Die Situation des Anlagegesellschafters ist hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit zwar nicht ganz mit derjenigen des auf einen Arbeitsplatz und damit den Vertragsschluss angewiesenen Arbeitnehmers zu vergleichen. Der BGH hat jedoch zu Recht betont, dass auch ein Anleger die Angemessenheit eines vorformulierten Vertrags erwarten darf und nicht mit einer einseitigen Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit rechnen muss73. Die Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen wird in der Rechtsprechung zwar nicht auf Publikumspersonengesellschaften beschränkt. Allerdings agiert der BGH im Rahmen der „klassischen“ Personengesellschaften deutlich zurückhaltender, da dort nicht ohne Weiteres von einer gestörten Vertragsparität ausgegangen werden kann74; diese wird vielmehr nur den Ausnahmefall bilden. Im Vordergrund stehen dort als Anknüpfungspunkt für eine Inhaltskontrolle daher § 138 BGB und die wesentlichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter. Nach Auffassung des BGH gibt es einen engen Kernbereich an Gesellschafterrechten, die unverzichtbar sind75. So hat der BGH beispielsweise Gesellschafterausschlussklauseln, die einen grundlosen Ausschluss eines Gesellschafters ermöglichen, als mit den Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts unvereinbar erachtet76; eine solche Klausel sei in der Regel nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig77. Anders als im Bereich der Publikumspersonengesellschaften sieht sich die Rechtsprechung hier aber vermehrt der Kritik des Schrifttums ausgesetzt, welches zu weit gehende Eingriffe in die im Gesellschaftsrecht besondere Bedeutung genießende Vertragsfreiheit moniert78. cc) Die gerichtliche Inhaltskontrolle im Handelsvertreterrecht – Die Handelsvertreterentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Im Hinblick auf die bisher skizzierte Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle und vor dem Hintergrund der eingangs genannten Verbraucherschutzgesetze könnte vermutet werden, dass das Schutzbedürfnis von Kaufleuten und Gewerbetreibenden in Bezug auf eine gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen geringer einzustufen ist als das des Verbrauchers. Dies schließt eine Inhaltskontrolle indes nicht aus, wie die viel beachtete Handelsvertreterentscheidung79 des Bun73
BGHZ 104, 50, 53 f. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 156 und 158 f. 75 BGH NJW 1995, 194, 195; BGH NJW 1995, 1218, 1219. 76 Erstmals: BGHZ 68, 212, 215 (obiter dictum); BGHZ 81, 263, 265 ff. 77 BGHZ 81, 263, 265 ff; BGH NJW 1985, 2421, 2422 f. 78 Loritz, JZ 1986, 1073, 1077 ff; Bunte, ZIP 1983, 8, 15; Flume, DB 1986, 629, 632 f. 79 BVerfGE 81, 242 ff. 74
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desverfassungsgerichts aus dem Jahre 1990 beweist. Gegenstand dieser Entscheidung war die Frage der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung eines entschädigungslosen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für den Fall, dass der Handelsvertreter die Vertragsbeendigung schuldhaft verursacht. Ausgehend von der Prämisse, dass die Verfassung mit dem Grundrechtsabschnitt objektive Grundentscheidungen getroffen hat, die für alle Bereiche des Rechts gelten, sieht das Bundesverfassungsgericht der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährten und geschützten Privatautonomie dort Schranken gesetzt, wo sich aufgrund einer überwiegenden Verhandlungsposition des einen Teils ein Vertrag nicht als Ergebnis freier Selbstbestimmung, sondern als Fremdbestimmung darstellt80. Soweit das Vertragsrecht über keine spezialgesetzlichen Regelungen verfüge, sei eine Kontrolle des Vertrags anhand der zivilrechtlichen Generalklauseln, bei deren Konkretisierung und Anwendung die Grundrechte zu berücksichtigen seien, vorzunehmen81. Das Bundesverfassungsgericht hat die fehlende Vertragsparität in dem zu entscheidenden Fall mit der Begründung bejaht, dass Handelsvertreter in ihrer Mehrzahl wirtschaftlich abhängig seien und deshalb bei typisierender Betrachtungsweise über keine ausreichende Verhandlungsstärke verfügten, um Verträge mit Unternehmern frei aushandeln zu können82. Daher sei zu befürchten, dass Wettbewerbsabreden aufgezwungen würden. Die Zivilgerichte müssten unter Berücksichtigung dieser Umstände prüfen, ob die Vertragsparteien ein solches Wettbewerbsverbot wirksam vereinbaren können. Ob eine solche Prüfung anhand § 242 BGB oder § 138 BGB zu erfolgen hat, ließ das Bundesverfassungsgericht offen. Diese Entscheidung war insofern wegweisend, als sie zeigt, dass eine gerichtliche Inhaltskontrolle nicht an die Person der Kontrahenten anknüpft, sondern an die Verhandlungssituation bei Vertragsschluss und daher theoretisch in allen Rechtsgebieten Anwendung finden kann. dd) Die gerichtliche Inhaltskontrolle im Bürgschaftsrecht In den neunziger Jahren erlangte die Frage nach Umfang und Grenzen der gerichtlichen Inhaltskontrolle von Verträgen bei Bürgschaften vermögensloser Angehöriger besondere Aufmerksamkeit83. Die Bürgen sahen sich im Haftungsfall regelmäßig Verpflichtungen ausgesetzt, die ihre Leistungsfähigkeit auf 80
BVerfGE 81, 242, 254 f. BVerfGE 81, 242, 255 f. 82 BVerfGE 81, 242, 260. 83 Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass es in der Sicherungspraxis des Kreditwesens üblich geworden war, bei hohen Geschäftskrediten für kleine bis mittelständische Unternehmen Bürgschaftsverträge mit Familienangehörigen abzuschließen. Die Gewährung dieser Kredite wurde regelmäßig vom Abschluss entsprechender Bürgschaften abhängig gemacht. Motiviert wurde diese Praxis dadurch, Vermögensver81
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Dauer bei weitem überstiegen. Insbesondere der IX. Zivilsenat des BGH lehnte aber eine Inhaltskontrolle solcher Bürgschaftsverträge am Maßstab des § 138 BGB unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit der Kontrahenten grundsätzlich ab84. Dort war man der Auffassung, dass ein Bürgschaftsvertrag nicht deshalb als sittenwidrig angesehen werden könne, weil er voraussichtlich zu einer Überschuldung führe85. Es sei zumindest aus Sicht des Kreditinstituts davon auszugehen, dass ein voll Geschäftsfähiger, der eine Bürgschaftsverpflichtung übernehme, sein Risiko selbstverantwortlich einschätzen könne86. Mit der Bürgschaftsentscheidung vom 19.10.199387 präzisierte das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung zur gerichtlichen Inhaltskontrolle von Verträgen weiter. Dabei wurden wiederum die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie und deren immanente Schranken betont. Das Gericht hob zunächst hervor, dass aus Gründen der Rechtssicherheit ein Vertrag nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt und korrigiert werden könne88. Bei einer typisierbaren Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils, für den die Folgen des Vertrages zudem ungewöhnlich belastend seien, erkennen lasse, müsse die Zivilrechtsordnung aber Korrekturen ermöglichen und dürften sich die Gerichte nicht mit der Feststellung „Vertrag ist Vertrag“ begnügen89. Die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Rechtsprechung stellt, sind durch den amtlichen Leitsatz der Entscheidung, der sich unmissverständlich auf Verträge jeder Art und nicht nur auf Bürgschaftsverträge bezieht, trefflich umschrieben: „Die Zivilgerichte müssen – insbesondere bei der Konkretisierung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 und § 242 BGB – die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Art. 2 I GG beachten. Daraus ergibt sich ihre Pflicht zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell unterlegener Verhandlungsstärke sind.“90 schiebungen zwischen den Angehörigen zu begegnen, welche die Haftungssumme des Kreditnehmers schmälern. 84 BGHZ 107, 92, 96 ff; BGHZ 106, 269, 271; BGH NJW 1991, 2015, 2016 f. 85 BGHZ 107, 92, 97 f; BGHZ 106, 269, 272; BGH NJW 1991, 2015, 2016. 86 BGHZ 107, 92, 102; BGHZ 106, 269, 272. Dagegen hatte aber der XI. Zivilsenat des BGH im Anschluss an die Handelsvertreterentscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass in Fällen einer gestörten Vertragsparität eine Pflicht zur Inhaltskontrolle von Bürgschaftsverträgen bestehe; vgl. BGH ZIP 1993, 26, 27 f; BGH NJW 1991, 923, 924 f. 87 BVerfGE 89, 214 ff. Die Entscheidung hatte ein Urteil des IX. Zivilsenats des BGH (ZIP 1989, 629 f) zum Gegenstand. Dort hatte sich die 21-jährige Tochter eines Unternehmers, die keine Berufsausbildung hatte, überwiegend arbeitslos war und über kein Vermögen verfügte, bis zu einem Höchstbetrag von DM 100.000.– verbürgt. 88 BVerfGE 89, 214, 232. 89 BVerfGE 89, 214, 234. 90 BVerfGE 89, 214.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
In der Rechtsprechung des BGH91 haben sich seitdem zunehmend konkretisierte Kriterien herausgebildet, nach denen eine Inhaltskontrolle von Bürgschaften naher Angehöriger anhand des § 138 Abs. 1 BGB vorgenommen wird. Zunächst ist eine krasse finanzielle Überforderung des bürgenden Ehepartners oder nahen Angehörigen erforderlich. Diese ist immer dann zu bejahen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen auf die Hauptschuld dauerhaft erbringen kann92. Ist eine solche krasse finanzielle Überforderung festgestellt, so besteht nach Auffassung des BGH eine tatsächliche widerlegbare Vermutung dafür, dass sich der Bürge bei Vertragsschluss nicht von seinen Interessen und einer rationalen Risikoeinschätzung hat leiten lassen und dass das Kreditinstitut die emotionale Bindung zwischen Hauptschuldner und Bürgen in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat93. Die Vertragsdisparität und das subjektive Element der Sittenwidrigkeit werden also aufgrund dieser objektiven Umstände vermutet. Diese Vermutung im Prozess zu widerlegen, obliegt dem Gläubiger. Auf die Interessen des Sicherungsgebers, Vermögensverschiebungen zwischen den Angehörigen zu vermeiden, kommt es bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit dagegen nicht an94. Die Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages kann aber trotz des Vorliegens der genannten Umstände zu verneinen sein, wenn der Bürge ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse an der Kreditgewährung hat; dies ist vor allem bei Gesellschafterbürgschaften der Fall95. Dort hat daher wiederum der Bürge darzulegen und zu beweisen, dass er die Haftung ohne wirtschaftliches Eigeninteresse, sondern nur aus enger persönlicher Verbundenheit zu einem Dritten übernommen hat. Eine tatsächliche Vermutung der Sittenwidrigkeit besteht hier also nicht96. 91 Der IX. Zivilsenat hat seine bisherige Rechtsprechung aufgrund dieser Entscheidung aufgegeben (BGH NJW 1994, 1341). Die zum Teil weiterhin bestehende Divergenz in der Rechtsprechung des IX. und XI. Zivilsenats sollte durch eine Vorlage an denen Großen Senat geklärt werden (vgl. BGH NJW 1999, 2584 ff); hierzu kam es aber nicht, da die zugrunde liegende Revision zurückgenommen wurde. Mittlerweile hat diese Frage an praktischer Bedeutung verloren, da die Zuständigkeit für Bürgschaftssachen seit 2001 ohnehin auf den XI. Zivilsenat übergegangen ist. 92 BGH NJW 2001, 815, 816; BGH NJW 2000, 1182, 1183. Bei dieser Beurteilung ist allein das pfändbare Einkommen und Vermögen des Bürgen, nicht aber das des Hauptschuldners zu berücksichtigen; vgl. BGH NJW 2001, 815, 816. 93 BGH NJW 2002, 2705, 2706; BGH NJW 2002, 2228, 2229; BGHZ 136, 347, 351. 94 Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 189 f. Anknüpfungspunkt des Verdikts der Sittenwidrigkeit ist ja gerade die Tatsache, dass der Bürge auch mit dem Vermögen haftet, welches er nicht vom Hauptschuldner erlangt hat. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn die Bürgschaftsabrede ausdrücklich auf den Fall der Vermögensverschiebung begrenzt wird; vgl. hierzu: BGH NJW 2002, 2230, 2231. 95 Ist der Hauptschuldner eine GmbH oder GmbH & Co. KG, verlangen Kreditinstitute häufig Bürgschaften von den persönlich haftenden Gesellschaftern. Der Erwerb bloßer mittelbarer geldwerter Vorteile – beispielsweise: Sicherung des Familienunterhalts – aus einem vom Hauptschuldner aufgenommenen Betriebsmittelkredit soll dagegen nicht ausreichen; vgl. BGH NJW 2001, 815, 817.
1. Privatautonomie und gerichtliche Inhaltskontrolle
145
Bei Durchsicht der umfangreichen Rechtsprechung des BGH zu Bürgschaften von Ehegatten oder nahen Angehörigen, die hier nicht abschließend dargestellt werden kann97, fällt jedenfalls auf, dass es der Rechtsprechung infolge einer entsprechenden „Aufforderung“ durch das Bundesverfassungsgericht gelungen ist, einigermaßen klare Kriterien herauszuarbeiten, mittels derer eine gerichtliche Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB durchzuführen ist. Damit wird der BGH zum einen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht und schafft zum anderen auch ein gewisses Maß an Rechtssicherheit. ee) Gemeinsame Kriterien dieser Rechtsprechung Gemeinsamer Ansatzpunkt für eine gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen ist nach der vorstehend skizzierten Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle in anderen Rechtsgebieten eine strukturell ungleiche Verhandlungsmacht der Kontrahenten, die regelmäßig aus einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis des unterlegenen Teils98 resultiert. Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertrag von den gesetzlichen Grundgedanken abweichende Regelungen enthält, die den hinsichtlich der Verhandlungspositionen unterlegenen Teil einseitig und ungewöhnlich stark belasten. Erforderlich ist zudem eine Kausalität zwischen der ungleichen Verhandlungsmacht und dem belastenden Vertragsinhalt, wobei diese je nach Sachlage auch vermutet werden kann. Bei vorformulierten Vertragsbedingungen wird eine solche tatsächliche Vermutung regelmäßig zu bejahen sein99. Bei der Prüfung der Voraussetzungen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle im Ehevertragsrecht kann zwar keineswegs allein an die hier genannten Kriterien, deren Herausarbeitung der Veranschaulichung des Instruments der Inhaltskontrolle dienen sollte, angeknüpft werden; ein erster Ansatzpunkt ist damit aber gegeben. Zusätzlich ist allerdings die Berücksichtigung der Besonderheiten des Eherechts unerlässlich.
96 BGH NJW 2003, 967, 968; BGH NJW 2002, 2634, 2365; insbesondere: BGH NJW 2002, 1337, 1338 f. 97 Vgl. Ausführlich zur Entwicklung der Rechtsrechung des BGH: Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 174 ff; Tiedtke, NJW 2001, 1015 ff und NJW 2003, 1359 ff. 98 Beispielsweise des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses, des Handelsvertreters vom Unternehmer hinsichtlich des Handelsvertreterverhältnisses oder auch – mittelbar – des emotional mit dem Hauptschuldner verbundenen Bürgen vom Kreditgeber. Bei Publikumspersonengesellschaften mag ein solches Abhängigkeitsverhältnis fehlen, nicht jedoch das Vorliegen der strukturell ungleichen Verhandlungsmacht. Der Beitretende hat regelmäßig keinerlei Einwirkungs- oder Verhandlungsmöglichkeiten hinsichtlich des Gesellschaftsvertrages. 99 Vgl. für Gesellschaftsverträge von Publikumspersonengesellschaften: BGHZ 64, 238, 241; für Bürgschaftsverträge: BGH NJW 2001, 815, 816; ähnlich für vorformulierte Arbeitsverträge: BAG DB 1994, 1726 f.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
c) Privatautonomie im Eherecht – Besondere Interessenlagen und besonderer Schutz aus der Verfassung Die Privatautonomie im Eherecht hat Tradition. Die Möglichkeit, die Rechtswirkungen der Ehe mittels Ehevertrag zu gestalten, gibt es bereits seit Inkrafttreten des BGB100 und gab es auch schon zuvor101. Detaillierte gesetzliche Regelungen finden sich indessen nur zum vertragsmäßigen Güterrecht. Der Bereich der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die ehebedingten Unterhaltsansprüche wird dagegen im Wesentlichen von den beiden Normen der § 1614 BGB und § 1585 c BGB geregelt. Es ist jedoch allgemein anerkannt und wurde bereits dargelegt, dass auch hier verschiedenartige vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind, die beim nachehelichen Unterhalt bis zum entschädigungslosen Verzicht reichen können102. Auch wenn sich das Eherecht des BGB grundsätzlich zur Vertragsfreiheit bekennt, ist zu berücksichtigen, dass sich aus der im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten bestehenden besonderen persönlichen und rechtlichen Bindung der Kontrahenten Auswirkungen auf Umfang und Grenzen der ihnen gewährten Privatautonomie ergeben können. Hier ist in erster Linie der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe zu nennen. Nach Art 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dieser Schutz setzt auch eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus103. Diesem Verfassungsauftrag ist der Gesetzgeber mit dem Vierten Buch des BGB nachgekommen. Mit dem in Art. 6 Abs. 1 GG manifestierten Grundsatz sind im Wesentlichen drei verfassungsrechtliche Funktionen verbunden. Art. 6 Abs. 1 GG gewährt eine Institutionsgarantie104, ein subjektives Abwehrrecht des Einzelnen gegen den Staat und ist zudem eine Grundsatznorm, die eine verbindliche Wertentscheidung für den Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts trifft105. Vor allem letzterer Gesichtspunkt ist für die Bemessung von Umfang und Grenzen der Vertragsfreiheit im Eherecht von Bedeutung. Für die Judikative bedeutet Art. 6 Abs. 1 GG, dass dieser als wertentscheidende Grundsatz100
Vgl. §§ 1432 ff BGB 1896 und die Ausführungen im Abschnitt II. v. Baligand, Der Ehevertrag, S. 2. 102 Vgl. hierzu oben unter I.2.c) und II.2.d)cc). 103 BVerfGE 31, 58, 69; Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 4; Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 28. 104 Geschützt ist (nur) das Institut der bürgerlichen Ehe im Sinne der von der Rechtsordnung anerkannten Verbindung von Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft auf Lebenszeit. Die kirchliche Ehe fällt dagegen nicht unter den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 5 I 1, S. 37. 105 BVerfGE 6, 55, 72; Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 6 ff; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 1; Schmitt-Kammler, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 20 ff; Schlüter, BGB-Familienecht, Rn. 5. 101
1. Privatautonomie und gerichtliche Inhaltskontrolle
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norm bei der Anwendung und Auslegung von (familienrechtlichen) Generalklauseln und von unbestimmten Rechtsbegriffen zu berücksichtigen ist106. Art. 6 Abs. 1 GG gibt den Ehegatten als Abwehrrecht auch das Recht, ihre eheliche Lebensgemeinschaft nach eigenen (Wert-)Vorstellungen frei zu gestalten107. Dies umfasst zunächst die Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft in persönlicher und emotionaler Hinsicht. Zum Schutzbereich dieses durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmungsrechts der Ehegatten zählt zudem deren Freiheit, ihre finanziellen Beziehungen untereinander privatautonom zu regeln108. Dies gilt grundsätzlich auch für Vereinbarungen über vermögensrechtliche Ansprüche der Ehegatten für den Fall einer Scheidung109. Die Privatautonomie im Eherecht wird also nicht nur durch Art. 2 Abs. 1 GG, sondern auch durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt110. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Ehevertragsfreiheit lässt aber andererseits keineswegs den Schluss auf eine unbegrenzte inhaltliche Gestaltungsfreiheit und damit einen Schutz vor einer gerichtlichen Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen zu. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz der Ehe spricht gerade auch dafür, dass, je weiter die vertraglichen Vereinbarungen der Ehegatten von der in Vollzug des Verfassungsauftrags aus Art. 6 Abs. 1 GG getroffenen gesetzlichen Ausgestaltung der Ehe und der Rechtsfolgen im Falle ihres Scheiterns abweichen, umso eher eine gerichtliche Kontrolle dieser Vereinbarungen im Grundsatz zulässig und möglich sein muss. Denn wenn man anerkennt, dass Art. 6 Abs. 1 GG dem Staat – als Legislative – eine Pflicht zur gesetzlichen Ausgestaltung der Ehe auferlegt, so kann ihm – als Judikative – auch nicht verwehrt sein, zu prüfen, ob die vertragliche Abbedingung ehebedingter Rechtspositionen im Einzelfall rechtswirksam ist. Hinzu kommt, dass aus der besonderen rechtlichen Bindung zu einer Gemeinschaft, die grundsätzlich auf Lebenszeit geschlossen ist (§ 1353 Abs. 1 S. 1 BGB), auch eine im Vergleich zu anderen Vertragspartnern erhöhte Pflicht der Ehegatten zur gegenseitigen Rücksichtnahme resultiert (vgl. § 1353 Abs. 1
106 BVerfGE 22, 93, 98; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 3; Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 14; Schlüter, BGBFamilienecht, Rn. 5; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 5 II 5, S. 42. 107 BVerfGE 80, 81, 92; Richter, in: Alternativkommentar Grundgesetz, Art. 6, Rn. 30 ff; Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 20; Schmitt-Kammler, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 20 f. 108 BVerfGE 60, 329, 339; BVerfGE 53, 257, 296; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6, Rn. 3; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 27; Richter, in: Alternativkommentar Grundgesetz, Art. 6, Rn. 39. 109 BVerfGE 60, 329, 339; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6, Rn. 3; Richter, in: Alternativkommentar Grundgesetz, Art. 6, Rn. 39. 110 Generell für eine vorrangige Gewährleistung der Ehevertragsfreiheit durch Art. 6 Abs. 1 GG, statt durch Art. 2 Abs. 1 GG: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 37.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
S. 2 BGB)111, was ebenfalls als Legitimation der Zulässigkeit einer gerichtlichen Inhaltskontrolle herangezogen werden kann. Neben der besonderen rechtlichen Verbindung durch die Ehe, kann in diesem Zusammenhang auch die besondere emotionale Bindung der Ehegatten an Bedeutung gewinnen. Anders als bei den unter Abschnitt IV.1.b) dargestellten Fallkonstellationen der gerichtlichen Inhaltskontrolle in anderen Rechtsgebieten, besteht im Eherecht zwar kein generelles wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis, welches eine strukturelle Unterlegenheit eines Vertragspartners und damit eine Vertragsdisparität begründen kann. Dafür können zwischen Ehegatten aber emotionale Abhängigkeiten bestehen, die eine besondere Unterlegenheit dergestalt entstehen lassen, dass der eine Teil – Mann oder Frau – allein um der Liebe oder der Eingehung beziehungsweise Aufrechterhaltung der Ehe Willen bereit ist, auf seine ehebedingten Rechtspositionen ganz oder teilweise zu verzichten. Besteht aufgrund solcher Umstände ein starkes Ungleichgewicht der Verhandlungsmacht, so kann eine gerichtliche Inhaltskontrolle des unter diesen Bedingungen zustande gekommen Vertrages aus den gleichen Gründen angezeigt sein, wie dies in anderen Rechtsgebieten der Fall ist. d) Zwischenergebnis: Zulässigkeit einer gerichtlichen Inhaltskontrolle auch im Eherecht Die Ausführungen unter Abschnitt IV.1. haben gezeigt, dass die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen als immanente Grenze der Privatautonomie zu begreifen ist. Allerdings bedarf es stets konkreter Anhaltspunkte, die eine solche Inhaltskontrolle rechtfertigen. Durch den gebotenen maßvollen Umgang mit dem Instrument der Inhaltskontrolle wird die Vertragsfreiheit nicht beschränkt, sondern in ihrer Funktionsfähigkeit gestärkt112. Die besondere Verbindung der Kontrahenten in persönlicher und rechtlicher Hinsicht, die bei Verträgen in anderen Rechtsgebieten regelmäßig nicht vorzufinden ist, kann im Eherecht eine erhöhte Aufmerksamkeit des Gerichts in Bezug auf die Prüfung des Vorliegens einer Vertragsdisparität bei Vertragsschluss rechtfertigen. Aus den vorstehend gewonnenen Erkenntnissen ergibt sich, dass aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Interessenlage und des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG eine gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen auch im Eherecht im Grundsatz zulässig ist und im Einzelfall erforderlich sein kann. 111 Aus § 1359 BGB ergibt sich nichts anderes, da diese Norm nur den Grad der Fahrlässigkeit, also den Haftungsmaßstab bei einer festgestellten Pflichtverletzung regelt. 112 Paulus/Zenker, JuS 2001, 1; Becker, WM 1999, 709, 718; Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774, 781.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht Das Bekenntnis zur Zulässigkeit und zum Erfordernis einer gerichtlichen Inhaltskontrolle privatautonomer eherechtlicher Vereinbarungen im Einzelfall erfordert indes zugleich, schon aus Gründen der Rechtssicherheit, eine möglichst präzise Bestimmung der Kriterien, anhand derer eine solche Kontrolle vorzunehmen ist. Während in diesem Abschnitt IV.2. zunächst allgemein untersucht wird, anhand welcher Maßstäbe die gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen durchzuführen ist, sollen im darauffolgenden Abschnitt IV.3. die Anknüpfungspunkte einer solchen gerichtlichen Kontrolle konkret herausgearbeitet werden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auch auf die Bestimmung von Umfang und Grenzen der Ehevertragsfreiheit im Allgemeinen übertragen. Insbesondere wird sich zeigen, dass neben einer isolierten Prüfung der Unterhaltsvereinbarung stets auch eine Gesamtbetrachtung im Zusammenhang mit etwaigen weiteren ehevertraglichen Vereinbarungen zu erfolgen hat, um deren rechtliche Wirksamkeit abschließend beurteilen zu können. a) Kontrolle anhand der allgemeinen Regeln unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes aus der Verfassung (Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) So selbstverständlich diese Erkenntnis auch sein mag, sei sie hier dennoch vorangestellt: Jeder Ehevertrag und jede Unterhaltsvereinbarung muss sich als zivilrechtlicher Vertrag an den Regelungen des Allgemeinen Teils des BGB, der nach seiner Zielsetzung und der Systematik des BGB für alle folgenden Bücher gemeinsame Regeln enthält113, messen lassen. Besonders zu beachten sind hierbei die §§ 134, 138 BGB. Gleiches gilt für die Regelung des § 242 BGB, der auf alle Schuldverhältnisse des BGB anwendbar ist114 und darüber hinaus eine die gesamte Rechtsordnung beherrschende Maxime darstellt115. aa) § 134 BGB und Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht Am unproblematischsten erscheint zunächst die Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen anhand des § 134 BGB. Die Regelung des § 134 BGB gewinnt dabei in erster Linie im Zusammenhang mit Vereinbarungen zum Familienoder Trennungsunterhalt und § 1614 Abs. 1 BGB an Bedeutung. Eine Vereinba113
Allg. M., vgl. nur: Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einleitung, Rn. 6. Allg. M., vgl. nur: Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. v. § 241, Rn. 12. 115 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 16 f; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242, Rn. 6; dies gilt insbesondere auch für das Familienrecht; vgl. nur: BGHZ 5, 186, 189; RGZ 166, 40, 49. 114
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
rung zum nachehelichen Unterhalt kann zwar aufgrund eines Sittenverstoßes nichtig sein (§ 138 BGB). Gegen ein gesetzliches Verbot verstößt sie aber regelmäßig nicht, da § 1585 c BGB die Disponibilität der nachehelichen Unterhaltsansprüche ohne Einschränkung bejaht. Bei § 134 BGB handelt es sich um eine gesetzliche Einschränkung der Privatautonomie. Im Kern besagt die Vorschrift, dass ein Rechtsgeschäft, welches grundsätzlich vorgenommen werden kann, aber aufgrund eines gesetzlichen Verbots nicht vorgenommen werden darf, nichtig ist116. Das gesetzliche Verbot in § 1614 Abs. 1 BGB umfasst jeglichen Verzicht auf ehelichen Unterhalt (§§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4, 1614 Abs. 1 BGB), also auch den Teilverzicht117. Allerdings ist bei Vereinbarungen zum Trennungsunterhalt die Disponibilität des § 1361 Abs. 4 S. 1 BGB anerkannt118. Im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle von Vereinbarungen zum Trennungsunterhalt erweist sich vor allem die Abgrenzung zwischen einer zulässigen vertraglichen Ausgestaltung des gesetzlich geschuldeten Unterhalts und einem unzulässigen Teilverzicht als schwierig119. Zwingende gesetzliche Regelungen, die nach § 134 BGB zur Nichtigkeit von diesen widersprechenden ehevertraglichen Vereinbarungen führen können, sind beispielsweise das Verbot der Bestimmung des Güterstandes durch Verweisung auf nicht mehr geltendes oder ausländisches Recht in § 1409 BGB oder die Vorschrift des § 1518 BGB120. Auch eine Vereinbarung der Eltern, nach der im Zusammenhang mit einer Unterhaltsvereinbarung auf das Umgangsrecht hinsichtlich gemeinsamer Kinder (§ 1684 Abs. 1 BGB) dauerhaft verzichtet wird, dürfte – unabhängig von der ebenfalls zu bejahenden Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB121 – bereits nach § 134 BGB nichtig sein, da es sich nach Sinn und Zweck der Neugestaltung des § 1684 BGB beim Umgang um ein Pflichtrecht, also auch ein Recht des Kindes handelt und hierauf nicht wirksam verzichtet werden kann122. Eine ganz andere Frage – die hier nicht weiter ver116 „Ein anderes“ im Sinne des § 134 BGB ergibt sich aus § 1614 Abs. 1 BGB ersichtlich nicht. 117 Insoweit ganz h. M., vgl. Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 7; Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 1259; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 27; Pauling, in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 6, Rn. 604; Miesen, in: Göppinger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, § 5, Rn. 166. 118 Vgl. hierzu bereits oben unter II.2.d)bb). 119 Zu dieser Frage wird unter IV.3.a)bb) ausführlich Stellung genommen. 120 Nach § 1518 BGB sind bei einer ehevertraglich vereinbarten fortgesetzten Gütergemeinschaft von den §§ 1483 bis 1517 BGB abweichenden Vereinbarungen unzulässig. 121 BGH FamRZ 1984, 778, 779. 122 Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1684, Rn. 3; ähnlich, allerdings ohne eine Rechtsgrundlage zu nennen: Veit, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1684, Rn. 15 („un-
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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tieft werden kann – ist freilich, inwiefern es dem Wohl des Kindes dient, sein Umgangsrecht gerichtlich durchzusetzen, was nach der Neuregelung des § 1684 BGB grundsätzlich möglich ist123. bb) § 138 Abs. 1 BGB und Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht Eine wesentlich größere praktische Bedeutung kommt § 138 Abs. 1 BGB bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht zu124. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Tatbestandsmerkmal „gesetzliches Verbot“ des § 134 BGB einen deutlich engeren Anwendungsbereich eröffnet, als der unbestimmte Rechtsbegriff der „guten Sitten“ bei § 138 Abs. 1 BGB. Nach der gängigen Definition ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt125. Diese Formel, die sich bereits in einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1901 findet126, trägt aufgrund ihrer eigenen Unbestimmtheit letztlich wirksam“); Finger, in: MünchKomm, BGB, § 1684, Rn. 13 („wirkungslos“); Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 410. 123 Von einigen Oberlandesgerichten wurde dies schon bestätigt und Umgangsunwillige entsprechend verurteilt (vgl. OLG Köln FamRZ 2002, 979; besonders deutlich: OLG Celle KindPrax 2001, 89 f). Hiergegen spricht indes, dass es kaum im Sinne Kindeswohls ist, den Kontakt mit dem das Kind ablehnenden Elternteil zu erzwingen. Zudem ist das Umgangsrecht der Eltern als höchstpersönliches Recht ausgestaltet, was einer Durchsetzung durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eigentlich entgegensteht. §§ 1684 Abs. 1, 1626 Abs. 3 S. 1 BGB sind daher eher als Appell an die Verantwortung, denn als gerichtlich durchsetzbarer Anspruch zu verstehen. Diese Auffassung deckt sich auch mit der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 13/4899, S. 68: „Eine gerichtlich durchsetzbare Umgangspflicht von Bezugspersonen wird ebenfalls nicht geschaffen. Ein Anspruch des Kindes gegen den Umgangsberechtigten auf Umgang wäre problematisch, da ein erzwungener Kontakt nur formal ausgeübt würde und nicht geeignet wäre, dem Kindeswohl zu dienen.“). Unter Berücksichtigung dieser Gesetzesintention ist § 1684 Abs. 1 BGB so auszulegen und anzuwenden, dass einem Antrag des Sorgeberechtigten (für das Kind), den anderen Elternteil gegen dessen ausdrücklichen Willen zum persönlichen Umgang mit dem gemeinsamen Kind zu verpflichten, nicht stattzugeben ist, wenn ein solcher Umgang nicht dem Interesse des Kindes dienen würde, was regelmäßig dann anzunehmen ist, wenn der betreffende Elternteil den Umgang kategorisch ablehnt (so zutreffend: OLG Nürnberg FamRZ 2002, 413 f). Kritisch zur gerichtlichen Durchsetzung des Umgangsrechts ebenfalls: Schwab, Familienrecht, Rn. 688; Rauscher, Familienrecht, Rn. 1102. Vgl. hierzu auch: BVerfG NJW 2002, 1863 f. 124 Dass § 138 Abs. 2 BGB hier nicht zur Anwendung kommt, ergibt sich daraus, dass diese Vorschrift nur auf Austauschgeschäfte anwendbar ist und sich die dazu entwickelten Grundsätze nicht auf familienrechtliche Verträge übertragen lassen; vgl. BGH NJW 1992, 3164, 3165; BGH NJW 1985, 1833, 1834. 125 Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 14; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 4; Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 13; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 2; aus der Rechtsprechung: BGHZ 69, 295, 297; BGHZ 10, 228, 232. 126 RGZ 48, 114, 124.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
wenig zur Präzisierung des Rechtsbegriffs der guten Sitten bei; sie bedarf daher einer weiteren Konkretisierung127. Diese hat in der Praxis der Rechtsanwender, im konkreten Einzelfall also das Gericht vorzunehmen. Hierin zeigt sich bei genauer Betrachtung einer der wesentlichen Angriffspunkte der Kritiker einer gerichtlichen Inhaltskontrolle im Ehevertragsrecht. Kritisiert wird nicht die Kontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB, an dessen Maßstab sich ohnehin jedes Rechtsgeschäft messen lassen muss, sondern die Art und Weise von deren Durchführung, also letztlich die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „gute Sitten“ durch die Gerichte. (1) Die Konkretisierung der „guten Sitten“ im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB Ausgangspunkt der Konkretisierung des Begriffs der guten Sitten ist nach im Grundsatz übereinstimmender Rechtsprechung128 und Lehre129 die herrschende Rechts- und Sozialmoral. Dabei kommt es auf besonders strenge oder besonders zurückhaltende Auffassungen nicht an; anzuwenden ist ein durchschnittlicher Maßstab. Damit verweist § 138 Abs. 1 BGB zugleich auf die der gesamten Rechtsordnung zugrunde liegenden rechtsethischen Werte und grundsätzlichen Prinzipien130. Ähnlicher Anknüpfungspunkt in diesem Sinne ist das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem, welches über konkretisierungsbedürftige Generalklauseln wie § 138 Abs. 1 BGB mittelbar auch auf das Privatrecht einwirkt131. Diese Erkenntnis ergibt sich auch daraus, dass es sich beim Grundgesetz um höherrangiges Recht handelt132. Die grundlegenden Wertvorstellungen, die durch die Verfassung zum Ausdruck kommen, sind daher bei der Konkretisierung der guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Im Rahmen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle von Verträgen ist dabei die durch Art. 2 Abs. 1 GG als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit der Parteien bei der Beurteilung der Sitten127 Brox, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Rn. 283; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 2; vgl. ausführlich hierzu: Sack, NJW 1985, 761 ff. 128 BGHZ 146, 202, 216; BGHZ 10, 228, 232; ebenso bereits: RGZ 48, 114, 124 f. 129 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 41, Rn. 12 ff; Brox, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Rn. 283; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 2 f. Freilich kann dies nur ein erster Ansatzpunkt sein. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der möglichen Fallkonstellationen, wird eine allgemeingültige Begriffsdefinition kaum zu finden sein; vgl. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 681 ff. 130 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 41, Rn. 12 ff; Sack, NJW 1985, 761, 765 m. w. N.; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 7. 131 BVerfGE 7, 198, 205 f. 132 Unter dem Gesichtspunkt des höherrangigen Rechts können im Einzelfall auch Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB herangezogen werden; vgl. hierzu beispielsweise: BGHZ 138, 55, 64.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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widrigkeit eines Rechtsgeschäfts mit einzubeziehen. Hier ist einerseits zu bedenken, dass die Rechtsfolgen der Inhaltskontrolle in die Vertragsfreiheit des hierdurch benachteiligten Vertragsteils eingreift, andererseits ist der durch den Vertragsinhalt benachteiligte Teil in Fällen einer gestörten Vertragsparität davor zu schützen, dass sich seine Freiheit zur Selbstbestimmung aufgrund der Überlegenheit seines Vertragspartners in eine faktische Fremdbestimmung wandelt133. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts sodann aus seinem Inhalt oder aus seinem Gesamtcharakter ergeben. Ist ein Rechtsgeschäft schon seinem Inhalt nach nicht mit den grundlegenden Werten der Rechts- oder Sittenordnung vereinbar, kann es vor dieser auch keinen Bestand haben. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit ist dann bereits aufgrund dieses Umstands begründet, ohne dass es auf die weiteren objektiven oder subjektiven Umstände seines Zustandekommens ankommt134. In der Praxis relevanter sind indes Fallkonstellationen, bei denen sich die Sittenwidrigkeit aus dem Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts ergibt. Für diese Beurteilung sind Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts zusammenfassend zu würdigen. Zu berücksichtigen ist also nicht nur der objektive Inhalt des Rechtsgeschäfts, sondern auch die konkreten Umstände, die zu seinem Zustandekommen geführt haben, sowie die subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien zur Zeit des Vertragsschlusses135. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre ist aber ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit oder gar eine Schädigungsabsicht nicht erforderlich136. Allerdings enthält auch § 138 Abs. 1 BGB ein subjektives Tatbestandselement, welches aber im Vergleich zu § 138 Abs. 2 BGB deutlich geringeren Voraussetzungen unterliegt. Erforderlich – aber auch ausreichend – ist, dass der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt oder dass er sich der Erkenntnis dieser Tatsachen bewusst oder grob fahrlässig verschließt137. Liegt der Sittenverstoß im Verhalten 133 BVerfGE 81, 242, 255 f; BVerfGE 89, 214, 232 f; vgl. hierzu auch die Ausführungen unter IV.1. 134 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, § 18 3, S. 373; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 129; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 31; BGHZ 94, 268, 272. 135 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 21 und 23; vgl. aus der Rechtsprechung beispielsweise: BGH NJW 1982, 1455. 136 Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 61 m. w. N.; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 33; BGH NJW 1993, 1587, 1588; BGH NJW 1982, 1455. 137 BGH NJW-RR 1998, 590, 591; BGH NJW 1982, 1455; BGHZ 20, 43, 52; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 23; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 8; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 34. Eine beachtliche Auffassung im Schrifttum will dagegen bereits einen objektiven Sittenverstoß grundsätzlich genügen lassen, es sei denn, dass sich der Sittenverstoß gerade aufgrund der sittenwidrigen Zielsetzung des Rechtsgeschäfts ergebe; vgl. hierzu: Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 62 ff m. w. N.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
der einen Vertragspartei gegenüber der anderen begründet, ist ausreichend, dass dieses subjektive Element beim sittenwidrig Handelnden vorliegt. Ist der Kern des Sittenverstoßes dagegen im Verhalten gegenüber Dritten zu sehen, ist das Vorliegen des subjektiven Elements bei beiden Kontrahenten erforderlich138. (2) Zur Konkretisierung des Begriffs der „guten Sitten“ im Eherecht Im Hinblick auf die Beurteilung von Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen anhand des § 138 Abs. 1 BGB ist zunächst zu konstatieren, dass es einen eigenen Begriff der „guten Sitten“ im Eherecht nicht gibt139. Dieser ist vielmehr ebenfalls anhand der vorstehenden allgemeinen Grundsätze zu ermitteln. Dabei ist unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung des im Grundgesetz verkörperten Wertesystems insbesondere Art. 6 Abs. 1 GG zu beachten. Der in Art. 6 Abs. 1 GG manifestierte staatliche Schutz der Ehe kann demnach nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, wenn die gesetzlichen Regelungen zum Scheidungsfolgenrecht, die als Nachwirkungen der Ehe zu begreifen sind, ganz oder teilweise vertraglich ausgeschlossen werden und sich dies für einen Vertragsteil besonders belastend auswirkt140. Da die Ehe als grundsätzlich unauflösliche Lebensgemeinschaft ausgestaltet ist, endet das eheliche Pflichtenverhältnis und auch der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe nicht ex nunc mit Rechtskraft der Scheidung141. Daraus ergibt sich, dass im Falle einer gerichtlichen Kontrolle einer ehevertraglichen Vereinbarung anhand der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB, diese im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG auszulegen ist142. Hieraus lässt sich aber keineswegs schließen, dass der teilweise oder auch vollständige Verzicht auf gesetzliche Scheidungsfolgen aufgrund der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung in Art. 6 Abs. 1 GG generell oder jedenfalls in der Regel sittenwidrig ist. Denn andererseits ist wiederum zu bedenken, dass im Scheidungsfolgenrecht, wie es nach dem Willen des Gesetzgebers im Vierten Buch des BGB seine Ausgestaltung gefunden hat, ein teilweiser oder auch vollständiger Verzicht auf ehebedingt erworbene Anspruchspositionen sowohl beim nachehelichen Unterhalt (§ 1585 c BGB) als auch beim Ausgleich des Zugewinns (§ 1408 Abs. 1 BGB) sowie beim Versorgungsausgleich (§ 1408 Abs. 2 BGB) grundsätzlich zulässig ist. 138 Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 131; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 25; BGH NJW 1990, 567, 568. 139 Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 278; Gerber, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 49, 51. 140 Vgl. hierzu auch bereits oben unter IV.1.c). 141 Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 45; Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 42; BVerfGE 55, 134, 141 f; vgl. zum Grundsatz der nachehelichen Solidarität oben unter I.1.b)cc)(1). 142 BVerfGE 103, 89, 100 f; Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 14; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 3.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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Es kommt damit stets auf die konkreten Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses an. Hierbei sind beispielsweise die Vorstellungen der Ehegatten hinsichtlich des von ihnen gelebten Ehemodells143, die gegenwärtige oder künftig erwartete finanzielle Versorgungssituation von Mann und Frau, sowie sonstige relevante Vorstellungen der Ehegatten hinsichtlich ihrer gemeinsamen Zukunft oder auch einer Vermögensauseinandersetzung im Falle des Scheiterns der Ehe zu beachten. Je mehr sich unter Berücksichtigung dieser Faktoren nach dem Inhalt des Ehevertrags oder der isolierten Unterhaltsvereinbarung144 eine einseitige Lastenverteilung herauskristallisiert, die mit dem durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Ehe, der auch die nacheheliche Solidarität umfasst145, nicht zu vereinbaren ist, umso eher wird das Vorliegen eines Sittenverstoßes zu prüfen sein. Entscheidende Bedeutung ist in diesem Zusammenhang immer auch den Umständen des Zustandekommens des Vertrages beizumessen. Fraglich erscheint weiter, ob es bei der Anwendung und Auslegung des § 138 Abs. 1 BGB im Rahmen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen auch des Rückgriffs auf eine Ausstrahlungswirkung des Art. 3 Abs. 2 GG bedarf. Grundsätzlich verlangt Art. 3 Abs. 2 GG nur, dass beiden Ehegatten bei Vertragsschluss nach dem Gesetz die gleichen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen146. Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist also auch eine Vereinbarung, die einen Ehegatten einseitig benachteiligt – im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG – zulässig. Ein verfassungsrechtlicher Schutz davor, dass sich ein Vertrag aufgrund divergierender Verhandlungsstärke als Ergebnis einer Fremdbestimmung darstellt, ist nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet147. Das Bundesverfassungsgericht hebt allerdings auch hervor, dass die in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgte eheliche und familiäre Freiheitssphäre ihre verfassungsrechtliche Prägung auch durch Art. 3 Abs. 2 GG erfahre. Verfassungsrechtlich geschützt sei eine Ehe, in der Frau und Mann in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen148. Der Staat habe daher der Ehevertragsfreiheit unter Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln dort Grenzen zu 143 Hier kommen beispielsweise in Betracht: Einverdienerehe mit oder ohne Kinderwunsch, Doppelverdienerehe mit oder ohne Kinderwunsch, gemeinsame Vorstellungen hinsichtlich der späteren Versorgung im Alter.; vgl. hierzu: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 929 ff. 144 Unter einer isolierten Unterhaltsvereinbarung ist eine Vereinbarung zu verstehen, die ausschließlich nacheheliche Unterhaltsansprüche und keine weiteren Scheidungsfolgenregelungen zum Gegenstand hat. 145 BVerfGE 57, 361, 389; Schwab, Familienrecht, Rn. 337. 146 BGHZ 11, Anhang, 43, 74; Thiele, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 1408 ff, Rn. 26; Gaul, in: Soergel, BGB, Vor § 1408, Rn. 19; Finke, in: RGRK, BGB, § 1408, Rn. 8. 147 BVerfGE 103, 89, 100 f; BVerfGE 89, 214, 232; BVerfGE 81, 242, 255. 148 BVerfGE 103, 89, 101.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
setzen, wo ein Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis einer gleichberechtigten Lebenspartnerschaft sei149. Dem kann im Grundsatz nur zugestimmt werden. Jedoch bedarf es hierfür m. E., jedenfalls in Bezug auf eine gerichtliche Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen, keines Rückgriffs auf Art. 3 Abs. 2 GG. Denn dass die Ehe eine Lebensgemeinschaft ist, in der die Ehegatten in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen, ergibt sich nach heutigem Verständnis bereits aus dem Wesen der Ehe selbst150. Auch das Bundesverfassungsgericht zählt die Gleichberechtigung in der Partnerschaft „zum Gehalt der Ehe“151. Zweifellos trifft auch Art. 3 Abs. 2 GG eine grundlegende verfassungsrechtliche Wertentscheidung, welche die familienrechtliche Gesetzgebung seit Inkrafttreten des Grundgesetzes entscheidend geprägt152 und damit auch einen entsprechenden Wandel hinsichtlich des Ehebildes in der Gesellschaft herbeigeführt hat. Gerade aufgrund dieses Wandels153 in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht lässt sich aber mit guten Gründen vertreten, dass sich die Maxime der Ehe als gleichberechtigter Partnerschaft bereits aus Art. 6 Abs. 1 GG selbst ergibt und als solche auch unter dessen Schutz steht. Berücksichtigt man ferner, dass Art. 3 Abs. 2 GG bei der gerichtlichen Kontrolle sonstiger vertraglicher Abreden zwischen geschlechtsverschiedenen Vertragsparteien, die nicht miteinander verheiratet sind, in der Regel154 keine besondere Bedeutung zukommt155, spricht viel dafür, auch im Eherecht aus Art. 3 Abs. 2 GG keine besonderen Einschränkungen der Vertragsfreiheit herzuleiten156. Dies gilt umso mehr, als die einverständliche inhaltliche Ausgestaltung 149
BVerfGE 103, 89, 101. Kannengießer, in Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 1a; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 11. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt bei der Frage der Gleichberechtigung in der Ehe nicht immer (auch) auf Art. 3 Abs. 2 GG ab, sondern stützt sich teilweise allein auf Art. 6 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 63, 88, 109: „Zum Wesen der auf Lebenszeit angelegten Ehe im Sinne der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG gehört die gleiche Berechtigung beider Partner (. . .).“ 151 BVerfGE 105, 313, 345. 152 Hohloch, Familienrecht, Rn. 12; Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 27. 153 Vgl. BVerfGE 105, 313, 345: „Das Grundgesetz gewährleistet das Institut der Ehe nicht abstrakt, sondern in der Ausgestaltung, wie sie den jeweils herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht.“ 154 Ausgenommen sei hier der Bereich des Arbeitsrechts; vgl. hierzu auch die Regelung des § 611a BGB. 155 Für einen grundsätzlichen Vorrang der Vertragsfreiheit vor Art. 3 Abs. 2 GG: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 13; Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 3, Rn. 2; vgl. auch: BVerfGE 92, 26, 51. 156 Gaul, in: Soergel, BGB, Vor § 1408, Rn. 18 ff; Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, S. 300 ff; Bärmann, AcP 157 (1958/1959), 145, 201; Thiele, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 1408 ff, Rn. 26; Finke, in: RGRK, BGB, § 1408, Rn. 8. 150
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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der Ehe auch im Übrigen allein Sache der Ehegatten ist. Der Schutz der vertragsschließenden Ehegatten ergibt sich daher primär aus einer mittelbaren Drittwirkung der Art. 6 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG. Soweit im Einzelfall auch eine mittelbare Drittwirkung des Art. 3 Abs. 2 GG zu berücksichtigen sein sollte, gelten hierbei im Vergleich zum übrigen Vertragsrecht keine Besonderheiten. (3) Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Vertrages ist nach ganz h. M. der des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts, nicht der des Eintritts von dessen Rechtswirkungen157. Dieser Grundsatz ist in der Literatur für den Fall von vorsorgenden Unterhaltsvereinbarungen in Zweifel gezogen worden158. Weil diese ihre Rechtswirkungen häufig erst viele Jahre nach Vertragsschluss entfalten würden, könnten sie sich aufgrund der tatsächlichen Entwicklungen während der Ehezeit (erst) dann als höchst unbillig erweisen. Aus diesem Grund solle die Sittenwidrigkeit dort ausnahmsweise nach den Umständen zur Zeit der Ehescheidung beurteilt werden159. Gestützt wird diese Argumentation mit einer angeblichen Parallele zum Erbrecht, wo ein beachtlicher Teil des Schrifttums die Sittenwidrigkeit von Testamenten nach den Umständen zur Zeit des Erbfalls beurteilen will, da eine solche Verfügung von Todes wegen erst zu diesem Zeitpunkt ihre Wirkung entfalte160. Dieser Auffassung kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Zunächst lässt sich, soweit man der vorgenannten Ansicht zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei testamentarischen Verfügungen überhaupt zu folgen vermag161, schon mangels Mehrseitigkeit des Rechtsgeschäfts keine Parallelität zwischen Testament und Ehevertrag feststellen. Beim Erbvertrag, dem eine 157 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 9; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 40 ff; Brox, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Rn. 286; MayerMaly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 133; BGHZ 107, 92, 96 f; BGHZ 100, 353, 359; BGHZ 72, 308, 314. 158 Hess, FamRZ 1996, 981, 986. 159 Hess, FamRZ 1996, 981, 986. 160 So unter anderem: Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 692; Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 87; Leipold, Erbrecht, Rn. 195; Mayer-Maly, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 137. 161 M. E. sprechen die besseren Argumente dafür, auch hier – wie im gesamten übrigen Zivilrecht – auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen; ebenso: BGHZ 20, 71, 73 ff; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 9; etwas zurückhaltender: Schmidt, in: Erman, BGB, vor § 2064, Rn. 13; ausführlich: Schmoeckel, AcP 197 (1997), 1, 64 ff. Eine andere Beurteilung erscheint systemwidrig, da die Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung dann – überspitzt formuliert – vom „zufälligen“ Stand der allgemeinen Wertvorstellungen oder der persönlichen Beziehungen zwischen Erblasser und Bedachtem zur Zeit des Todes des Erblassers abhinge. Unbil-
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Doppelnatur als Vertrag und Verfügung von Todes wegen zukommt, wird im Übrigen auch im erbrechtlichen Schrifttum mehrheitlich vom Vertragsschluss als für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt ausgegangen162, da der Erbvertrag bereits ab diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen, wie zum Beispiel die Bindungswirkung, entfaltet. Auch ehevertragliche Vereinbarungen entfalten, zumindest was den Güterstand anbelangt, bereits ab Vertragsschluss Rechtswirkungen, weshalb hier erst recht auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist. Eine unterschiedliche Beurteilung von Vereinbarungen nach § 1408 BGB und § 1585 c BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, zumal diese auch häufig zusammen in einem Ehevertrag vereinbart werden. Ein derartiges Hinausschieben des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes wäre zudem unter Rechtssicherheitsgesichtspunkten für die Kontrahenten, welche die künftigen tatsächlichen Entwicklungen regelmäßig nicht vollumfänglich abschätzen können, aber dennoch eine rechtsverbindliche und rechtsbeständige Vereinbarung abschließen wollen, unzumutbar. Das hiergegen vorgebrachte Argument, wer in die Zukunft plane, müsse mit zwischenzeitlichen Änderungen rechnen163, vermag nicht zu überzeugen. Denn die Berücksichtigung späterer, von den Parteivorstellungen abweichender Entwicklungen erfolgt nach der Systematik des Vertragsrechts nicht unter Anwendung des § 138 BGB, sondern der des § 242 BGB oder der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Ein ausnahmsweises Hinausschieben des Beurteilungszeitpunkts der Sittenwidrigkeit für vorsorgende ehevertragliche Vereinbarungen wäre folglich systemwidrig. Die Schranken des § 138 Abs. 1 BGB begrenzen auch im Eherecht die Privatautonomie nur in Bezug auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses164. War ein Rechtsgeschäft zu diesem Zeitpunkt nicht sittenwidrig, lässt sich ein Sittenverstoß auch nicht durch spätere Entwicklungen oder eine Änderung der sittlichen Wertanschauungen der Gesellschaft begründen. Ebenso wenig kann ein zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sittenwidriges Rechtsgeschäft durch spätere Änderungen der Wertanschauungen zu einem wirksamen werden165.
ligen Ergebnissen kann unter Anwendung des § 242 BGB begegnet werden; vgl. BGHZ 20, 71, 75. 162 Schmoeckel, AcP 197 (1997), 1, 64 m. w. N.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, § 18 6, S. 379. 163 Hess, FamRZ 1996, 981, 986. 164 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 164. 165 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 164; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 10; BGH NJW 1983, 2692.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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(4) Zur grundsätzlichen Vereinbarkeit des Verzichts auf nachehelichen Unterhalt mit § 138 Abs. 1 BGB und Art. 6 Abs. 1 GG Nach der gesetzlichen Ausgestaltung des nachehelichen Unterhaltsrechts ist auch ein vollständiger Unterhaltsverzicht ohne Gegenleistung im Grundsatz zulässig. Dies ergibt sich daraus, dass die §§ 1569 ff BGB, anders als die Regelungen zum Familienunterhalt (§ 1360 a Abs. 3 BGB) und zum Unterhalt bei Getrenntleben (§§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360 a Abs. 3 BGB) keinen Verweis auf das Verzichtsverbot des § 1614 Abs. 1 BGB enthalten und § 1585 c BGB vertragliche Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt einschränkungslos zulässt. Die Nichtigkeit eines Unterhaltsverzichts wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) kann aufgrund dieser gesetzgeberischen Wertung daher nur ausnahmsweise in Betracht kommen166. Letztlich reflektiert die Vertragsfreiheit im nachehelichen Unterhaltsrecht auch den in § 1569 BGB postulierten Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Ehe. (a) Unterhaltsverzicht und Kernbereich der Ehe Dies wäre freilich anders zu beurteilen, wenn verfassungsrechtliche Argumente, insbesondere Art. 6 Abs. 1 GG, generell gegen die Zulässigkeit eines Verzichts auf nachehelichen Unterhalt sprächen. Anhaltspunkte dafür, dass aus Art. 6 Abs. 1 GG geschlossen werden könnte, der dort manifestierte Schutz der Ehe durch die staatliche Ordnung bedeutet, dass es sich bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Scheidungsfolgenrechts um zwingendes, nicht dispositives Recht handelt, sind indes nicht ersichtlich. Da das Grundgesetz die privatautonome Ausgestaltung der ehelichen Rechtsverhältnisse im Grundsatz nicht in Frage stellt, könnte eine generelle verfassungsrechtliche Unzulässigkeit eines Unterhaltsverzichts nur dann in Betracht gezogen werden, wenn man annähme, dieser berühre einen Kernbereich der Ehe, in dem von der gesetzlichen Regelung abweichende Parteivereinbarungen aufgrund Art. 6 Abs. 1 GG nicht anerkannt werden können167. Dies ist aber nicht der Fall168. Zum Kernbereich der Ehe zählen beispielsweise die eheliche Treue169 oder die gemeinsame Familienplanung170. Vertragliche Abreden in diesem sensiblen Bereich der ehelichen Lebensgemeinschaft entfalten keine rechtliche Bindungswirkung, da eine solche 166
Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 19. Vgl. zu solchen einer vertraglichen Regelung nicht zugänglichen Bereichen der Ehe: Grziwotz, MDR 1998, 1075, 1076; siehe auch: Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 18 III 2, S. 166 f und § 18 V, S. 173 ff. 168 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 119; BGH NJW 1985, 1833. 169 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 18 V 2, S. 173. 170 Vgl. hierzu aus der Rechtsprechung: BGHZ 97, 372, 379: Vereinbarung der regelmäßigen Anwendung empfängnisverhütender Mittel ist unwirksam. Die Vertrags167
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
weder mit dem individuellen Selbstbestimmungsrecht noch mit dem Wesen der Ehe vereinbar wäre. Die nacheheliche Unterhaltspflicht zählt nicht zu diesem Kernbereich, da das Band der Ehe, welches die gegenseitige Verantwortung sowie die Rücksichtsnahme- und auch Unterhaltspflicht begründet, dann gerade nicht mehr besteht. Die gesetzlich geregelte Unterhaltsverpflichtung nach der Ehe stellt sich zwar als eine Ausformung der fortbestehenden nachehelichen Solidarität dar171. Da diese aber nur eine weniger stark ausgeprägte Folge des zuvor bestehenden ehelichen Pflichtenkreises ist, sind Verzichtsvereinbarungen in diesem Bereich, jedenfalls im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG, im Grundsatz zulässig. Diese Auffassung entspricht auch der ganz h. M. in Rechtsprechung172 und Schrifttum173. (b) Unterhaltsverzicht als unzulässiger Verstoß gegen den Grundsatz gleicher Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten? Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 im Zusammenhang mit der bis dahin praktizierten Berechnungsmethode des BGH zur Bemessung der Höhe des nachehelichen Unterhaltsanspruchs betont, dass den Ehegatten gleiches Recht und gleiche Verantwortung bei der Ausgestaltung ihres Ehe- und Familienlebens zukomme und dass deshalb auch die Leistungen, die sie im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Aufgabenzuweisung jeweils erbrächten, unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung als gleichwertig anzusehen seien174. Daher hätten beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, das ihnen zu gleichen Teilen zuzuordnen sei. Dies gelte nicht nur für die Zeit des Bestehens der Ehe, sondern entfalte seine Wirkung auch nach der Trennung und Scheidung der Ehegatten auf deren Beziehung hinsichtlich Unterhalt, Versorgung und Aufteilung des gemeinsamen Vermögens175. Insbesondere bestimme der Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erarbeiteten auch die unterhaltsrechtliche Beziehung der geschiedenen Ehegatten176.
schließenden waren in dem entschiedenen Fall zwar nicht verheiratet; für eine entsprechende Vereinbarung unter Ehegatten könnte aber ersichtlich nichts anderes gelten. 171 BVerfGE 57, 361, 389; Brudermüller, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 1569, Rn. 5. 172 BGH NJW 2004, 930, 933; BGH NJW 1985, 1833; vgl. auch: BGH NJW 1991, 913, 914; BGH FamRZ 1987, 46, 47. 173 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 119; Rauscher, Familienrecht, Rn. 635; Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 21; Hohloch, Familienrecht, Rn. 690; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 4 ff. 174 BVerfG NJW 2002, 1185; ähnlich bereits: BVerfGE 79, 106, 126; BVerfGE 47, 1, 24. 175 BVerfG NJW 2002, 1185, 1186. 176 BVerfG NJW 2002, 1185, 1186; ähnlich bereits: BVerfGE 63, 88, 109.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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Es stellt sich daher die Frage, ob sich aus diesen Erwägungen auch Rückschlüsse auf die Unzulässigkeit von Unterhaltsverzichtsvereinbarungen zumindest bei Haushaltsführungsehen ziehen lassen. Das OLG München hat hieraus in der Tat gefolgert, dass in Fällen, in denen „ohne sachlichen Grund“ auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet werde, die Unwirksamkeit des Verzichtsvertrags in Betracht zu ziehen sei, da dieser in Widerspruch zur Stellung des verzichtenden Teils als gleichberechtigtem Ehegatten stehe, der mit der Haushaltsführung einen im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit des anderen Teils gleichwertigen Beitrag zum Familienunterhalt erbringe177. Einer solch weit gehenden Interpretation dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann m. E. nicht zugestimmt werden. Einen unverzichtbaren Anspruch auf gleiche Teilhabe am während der Ehe gemeinsam Erwirtschafteten gibt es nicht. Zutreffend ist freilich der Ausgangspunkt, wonach das Scheidungsfolgenrecht des BGB den gesetzlichen Grundgedanken einer gleichen Teilhabe am während der Ehe gemeinsam Erwirtschafteten widerspiegelt. Dem steht jedoch andererseits die auch seitens des Bundesverfassungsgerichts betonte verfassungsrechtlich geschützte Ehevertragsfreiheit gegenüber, die gerade die Dispositivität des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts gewährleistet178. Ehevertragliche Vereinbarungen unterliegen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zwar einer gerichtlichen Kontrolle anhand der zivilrechtlichen Generalklauseln. Sie sind dagegen nicht bereits aufgrund ihres Abweichens von den gesetzlichen Regelungen sittenwidrig. Soweit man aus der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2002 gegenteiliges schließen wollte, würde verkannt, dass dieses Urteil die Art und Weise der Berechnung von bestehenden nachehelichen Unterhaltsansprüchen zum Gegenstand hatte. Dass dort die Beiträge zum Familienunterhalt gleichwertig zu berücksichtigen sind, hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht bejaht179. Zur Zulässigkeit von Unterhaltsverzichtsverträgen enthält diese Entscheidung dagegen keinerlei – auch nicht obiter – Ausführungen180. Aus der dort getroffenen Feststellung, dass sich 177 OLG München FamRZ 2003, 35, 36; in diese Richtung argumentiert für Haushaltsführungsehen auch: Dauner-Lieb, JZ 2004, 1027 f. In dem der Entscheidung des OLG München zugrunde liegenden Fall war – in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung des BGH – der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) vom Unterhaltsverzicht ausgenommen. Vgl. ausführlich zu dieser Entscheidung oben unter III.5.d)bb). Die Entscheidung wurde vom BGH zu Recht aufgehoben, vgl. BGH NJW 2004, 930 ff und oben unter III.6. 178 BVerfGE 103, 89, 101; BVerfGE 60, 329, 339. 179 Der BGH hatte seine dort kritisierte Rechtsprechung auch bereits ein Jahr vor Verkündung dieser Entscheidung aufgegeben; vgl. BGH FamRZ 2001, 986 ff. 180 Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier, der sich in einem Beitrag zur neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Eherecht zu dieser und der Entscheidung vom 06.02.2001 (BVerfGE 103, 89 ff) geäußert hat, lässt keinerlei Tendenz zur generellen Unwirksamkeit von Unterhaltsverzichten bei Haushaltsführungsehen erkennen; vgl. Papier, NJW 2002, 2129, 2132 f.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
der Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten auch auf die unterhaltsrechtliche Beziehung der geschiedenen Ehegatten auswirkt, kann daher nicht geschlossen werden, dass auf nacheheliche Unterhaltsansprüche generell nicht mehr verzichtet werden könne; denn im Falle eines Verzichts besteht eine solche unterhaltsrechtliche Beziehung gerade nicht. Würde man den dem Scheidungsfolgenrecht in Gestalt der gesetzlichen Regelungen zum Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt zugrunde liegenden Gedanken der gleichen Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten als zwingend für die Scheidungsfolgen ansehen, wäre das Ehevertragsrecht weitgehend obsolet. Hierfür gibt aber auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nichts her. Es verbietet sich daher, aus der Entscheidung zur Berechnungsmethode bestehender Unterhaltsansprüche allgemeingültige Rückschlüsse zu ziehen, die den nur ein Jahr zuvor ergangenen Entscheidungen zu Eheverträgen, in denen das Bundesverfassungsgericht die Privatautonomie im Eherecht ausdrücklich anerkannt hat181, widersprechen182. Es bleibt daher im Grundsatz bei der Dispositivität aller gesetzlichen Scheidungsfolgen183. cc) § 242 BGB und Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht § 242 BGB ist die in praktischer Hinsicht wohl bedeutendste Norm des Vertragsrechts. Diese Vorschrift, die nach ihrer systematischen Stellung im Zweiten Buch des BGB nur für Schuldverhältnisse und ihrem Wortlaut nach nur für die Art und Weise der Erbringung der geschuldeten Leistung gilt, enthält darüber hinaus den das gesamte Zivilrecht beherrschenden Grundsatz, dass jeder bei der Ausübung seiner Rechte und der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat. Diese Maxime beruht auf dem Gedanken, dass jedem Recht sozialethische Schranken immanent sind184 und gilt nach allgemeiner Meinung für den gesamten Rechtsverkehr185.
181 BVerfGE 103, 89, 101; BVerfG FamRZ 2001, 985; dies betont zu Recht auch: Rauscher, DNotZ 2004, 524, 533. 182 Im Ergebnis wohl ebenso: Brandt, MittBayNot 2004, 221, 225. 183 Ebenso: BGH NJW 2004, 930, 933. 184 Vgl. zu dieser immanenten Inhaltsbegrenzung beispielsweise: BGHZ 30, 140, 144 ff: Klage eines in bigamischer Ehe lebenden Ehegatten auf Nichtigerklärung der Ehe ist Betätigung einer sittlich verwerflichen Gesinnung, wenn der Ehegatte die Zweitehe in Kenntnis des Fortbestehens der Erstehe eingegangen ist und sich nunmehr von der Zweitehe lösen will, um für eine Geliebte frei zu werden. Nach Auffassung des BGH stellte diese Klage eine unzulässige Rechtsausübung dar. 185 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 1; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242, Rn. 1 ff; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242, Rn. 6; RGZ 166, 40, 49.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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(1) Zur Konkretisierung von „Treu und Glauben“ im Eherecht Ebenso wie § 138 Abs. 1 BGB zeichnet sich auch die Generalklausel des § 242 BGB durch eine inhaltliche Unbestimmtheit aus. Der Tatbestand des § 242 BGB ist weitgehend offen und bedarf einer wertenden Konkretisierung, bei der die jeweiligen Besonderheiten des Rechtsgebiets, der dort herrschenden Verkehrssitten, der Art und Weise des Zustandekommens des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts sowie die Umstände zur Zeit der Geltendmachung eines Rechts zu berücksichtigen sind. Wie für § 138 Abs. 1 BGB bereits dargelegt186, so sind auch bei der Anwendung und Auslegung der Generalklausel des § 242 BGB im Ehevertragsrecht die grundlegenden Wertentscheidungen des Grundgesetzes und damit eine mittelbare Drittwirkung der Art. 2 Abs. 1 GG und 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen187. Was Treu und Glauben entspricht, wird durch das in den Grundrechten verkörperte Wertesystem entscheidend mitbestimmt188. Darüber hinaus ist im Ehevertragsrecht bei der Anwendung des § 242 BGB die besondere persönliche und rechtliche Bindung der Vertragschließenden, wie sie auch in der Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck kommt, zu beachten. (2) Anwendungsbereich und mögliche Rechtsfolgen des § 242 BGB Hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Rechtsfolgen stellt sich § 242 BGB gegenüber § 138 Abs. 1 BGB als wesentlich flexibleres Instrument dar. Während innerhalb des Anwendungsbereichs des § 138 Abs. 1 BGB stets auf die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses abzustellen ist, lässt § 242 BGB Raum für eine Berücksichtigung sich nachträglich ändernder Verhältnisse. Im Anwendungsbereich der Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung ist maßgebender Beurteilungszeitpunkt in der Regel jener der Geltendmachung des Rechts; dass die Rechtsausübung zur Zeit des Vertragsschlusses zulässig gewesen wäre, ist ohne Belang189. Während § 138 Abs. 1 BGB nur die strenge Rechtsfolge der Nichtigkeit einer sittenwidrigen Vereinbarung kennt, kommen bei der Anwendung des § 242 BGB verschiedenartige Rechtsfolgen in Betracht, denen indes gemein ist, dass sie die Wirksamkeit des Vertrages im Grundsatz unberührt lassen. 186
Vgl. unter IV.2.a)bb). BVerfGE 103, 89, 101; Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 14; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, Art. 6, Rn. 3. 188 Roth, in: MünchKomm, BGB, § 242, Rn. 53 ff; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 7; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242, Rn. 22 ff. 189 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 38; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242, Rn. 50; BGHZ 13, 346, 350 f. Allerdings ist bei einer Inhaltskontrolle im engeren Sinne anhand des § 242 BGB ebenfalls auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. 187
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse seit Vertragsschluss ist zunächst an die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu denken. Dieses Rechtsinstitut ist nunmehr in § 313 BGB spezialgesetzlich geregelt, es wurde aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Wissenschaft und Rechtsprechung aus § 242 BGB entwickelt. Auf der Rechtsfolgenseite kann ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) oder einer Auflösung des Vertragsverhältnisses durch Rücktritt (§ 313 Abs. 3 BGB) führen. Eine Anwendung des § 313 BGB erscheint entgegen anderslautender Stimmen im Schrifttum190 und trotz der bislang zurückhaltenden Tendenz der Rechtsprechung191 grundsätzlich auch bei Unterhaltsverzichtsvereinbarungen nach § 1585 c BGB möglich192. Allerdings sind in diesem Fall strenge Anforderungen an die Feststellung einer entsprechenden Geschäftsgrundlage zu stellen, da der Zweck eines Verzichts in der Regel gerade in der abschließenden Klärung der nachehelichen Unterhaltsbeziehungen ohne Rücksicht auf die Weiterentwicklung zu sehen ist193. Deutlich häufiger wird die Anwendung des § 313 BGB freilich bei Unterhaltsvereinbarungen in Betracht kommen, die eine Leistungspflicht begründen und somit ein Dauerschuldverhältnis darstellen194. Neben dem Wegfall der Geschäftsgrundlage erlaubt auch die in erster Linie im Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen und im Arbeitsrecht sowie neuerdings auch im Gesellschaftsrecht entwickelte Inhaltskontrolle im engeren Sinne anhand des § 242 BGB einen Eingriff in den Vertrag und dessen inhaltliche Korrektur. Den in der Rechtspraxis bedeutendsten Anwendungsbereich des § 242 BGB bildet die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung. Die Anwendung dieses rechtlichen Instrumentariums stellt keine Inhaltskontrolle, sondern eine Ausübungskontrolle dar195, die den Primat der Vertragsfreiheit betont, indem sie die Rechtswirksamkeit des Vertrages nicht beseitigt. Insbesondere im Falle eines – auch teilweisen – Verzichts auf nachehelichen Unterhalt kann es dem Begüns190 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 205; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 35. 191 OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 171, 172 f; OLG Hamm FamRZ 1993, 973; ebenso im Zusammenhang mit der Auslegung eines Unterhaltsverzichts nach §§ 133, 157 BGB: BGH NJW 1985, 1835, 1836. 192 Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 31 ff; vgl. unten unter IV.3.b)bb)(2)(a). 193 Zurückhaltend, aber die Möglichkeit eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich bejahend: Büttner, FamRZ 1998, 1, 3 f; Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 1272; Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 15. Kap., Rn. 27. Vgl. im Übrigen ausführlich unter: IV.3.b)bb)(2)(a)(bb). 194 Pauling, in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 6, Rn. 601 f m. w. N.; BGH NJW 1995, 1891, 1892; BGH NJW 1993, 1974; BGH NJW 1986, 2054 f. 195 Vgl. zur allgemeinen Abgrenzung von Inhalts- und Ausübungskontrolle oben unter IV.1.a)bb).
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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tigten aufgrund von § 242 BGB (zeitweise) verwehrt sein, sich auf den Verzicht zu berufen, wenn dessen Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. In der früheren Rechtsprechung des BGH wurde dies regelmäßig nur im Zusammenhang mit § 1570 BGB angenommen, wenn durch den Unterhaltsverzicht überwiegende schutzwürdige Interessen gemeinschaftlicher Kinder verletzt wurden196. Es sind jedoch ohne Weiteres auch andere Fallgestaltungen denkbar, in denen spätere, zur Zeit des Vertragsschlusses nicht absehbare Entwicklungen eintreten, die ein Festhalten des Begünstigten an der Unterhaltsvereinbarung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen197. Dies kann insbesondere dann in Erwägung zu ziehen sein, wenn die Ehegatten das zur Zeit des Vertragsschlusses geplante Ehemodell tatsächlich nicht verwirklicht haben und deshalb der ursprünglich angenommene Erwerb eigenen Vermögens und eigener Versorgungsansprüche unterblieben ist. Auch der BGH hat seine bis dahin restriktive Linie mit der Grundsatzentscheidung vom 11.02.2004 aufgegeben198. dd) Zur Abgrenzung der Kontrollinstrumente des § 138 Abs. 1 BGB und des § 242 BGB Das Bundesverfassungsgericht hat offen gelassen, ob die gerichtliche Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen anhand des § 138 Abs. 1 BGB oder § 242 BGB durchzuführen ist und lediglich allgemein auf die zivilrechtlichen Generalklauseln verwiesen199. Es bleibt daher abzugrenzen, welches rechtliche Instrumentarium im konkreten Fall anzuwenden ist. Da eine gerichtliche Kontrolle, wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht betont, jeweils einzelfallbezogen zu erfolgen hat200, kann eine von vornherein abschließende Festlegung auf eine der beiden Generalklauseln nicht in Betracht kommen. Ebenfalls abzulehnen ist die vereinzelt erhobene Forderung nach der Einführung einer „neuen Generalklausel der Einhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung im Zivilrecht“201. Denn die in den §§ 138 Abs. 1, 242 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie durch das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem konkretisiert werden202 und durch diese mittel-
196 BGH NJW 1985, 1833; BGH FamRZ 1987, 46, 47; BGH NJW 1991, 913, 914; BGH NJW 1992, 3164, 3165; BGH NJW 1995, 1148; vgl. oben unter III.3.c)aa). 197 Vgl. beispielsweise: BGH FamRZ 1987, 46, 47: entgegen der Erwartungen der Ehegatten genügte die Verwertung des als Ausgleich für einen Unterhaltsverzicht übertragenen Grundstücks nicht einmal aus, die darauf lastenden Sicherungsrechte abzulösen. 198 BGH NJW 2004, 930, 935. 199 BVerfGE 103, 89, 101; BVerfG FamRZ 2001, 985. 200 BVerfGE 103, 89, 104 f. 201 Wiedemann, JZ 1990, 695, 697. 202 BVerfGE 7, 198, 205 f.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
bare Drittwirkung die Einhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung im Privatrecht gewährleisten. (1) Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB oder des § 242 BGB? Bei der erforderlichen Abgrenzung zwischen § 138 Abs. 1 BGB und § 242 BGB ist in besonderem Maße auf eine dogmatisch konsequente Vorgehensweise zu achten. Danach steht es nicht allein im richterlichen Ermessen, ob die gerichtliche Kontrolle einer ehevertraglichen Vereinbarung anhand des § 138 Abs. 1 oder des § 242 BGB erfolgt203. Etwas missverständlich ist auch der Ausgangspunkt, dass eine Inhaltskontrolle nur dann erfolgen dürfe, wenn eine Korrektur durch eine Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB nicht möglich oder nicht erfolgversprechend sei204. Denn die Rechtsfolgen einer benachteiligenden Vereinbarung ließen sich faktisch immer durch eine Ausübungskontrolle mittels der Einrede des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach § 242 BGB korrigieren. Dogmatisch kommt eine Inhalts- oder Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB aber bereits nicht mehr in Betracht, wenn ein wirksames Rechtsverhältnis aufgrund der Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB, dessen Rechtsfolgen mit Wirkung ex tunc eintreten205, erst gar nicht entstanden ist206. In der Prüfungsreihenfolge gebührt § 138 Abs. 1 BGB daher der Vorrang vor § 242 BGB207. Allerdings ist im Grundsatz auch anerkannt, dass ein Rechtsgeschäft im Einzelfall unter Anwendung des § 242 BGB so korrigiert werden kann, dass mit der Korrektur des Inhalts auch die Sittenwidrigkeit entfällt und das Rechtsgeschäft somit verändert aufrechterhalten bleibt208. Dies kann indes nur ausnahmsweise und bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden, 203 Etwas missverständlich daher: Schwab, FamRZ 2001, 349, 350, der meint, die Gerichte stünden vor der Wahl zwischen der Nichtigkeit nach § 138 BGB und einer Korrektur mit Hilfe der Figur des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB. 204 So Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 277. Vgl. zur Abgrenzung von Inhalts- und Ausübungskontrolle oben unter IV.1.a)bb). 205 Allg. M. Eine Ausnahme hievon gilt aufgrund der dort bestehenden besonderen Umstände im Bereich von Arbeits- und Gesellschaftsverträgen, wo die Rechtsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB nach herrschender Auffassung ex nunc eintreten. Vgl. zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis: Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 114 ff, zur fehlerhaften Gesellschaft: Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rn. 341 ff. 206 Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242, Rn. 128. 207 Vgl. für die gerichtliche Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen: BGH NJW 2004, 930, 935. Dogmatisch unsauber dagegen: OLG Koblenz FamRZ 2004, 805, 806 f: Frage der Sittenwidrigkeit des Ehevertrags könne offen bleiben, da jedenfalls eine Anpassung nach § 242 BGB zu erfolgen habe. 208 Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242, Rn. 129; Roth, in: MünchKomm, BGB, § 242, Rn. 116 m. w. N.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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wenn beispielsweise die inhaltliche Korrektur einzelner vertraglich vereinbarter Rechte und Pflichten geeignet ist, dem Vertrag sein sittenwidriges Gepräge zu nehmen und der benachteiligten Vertragspartei eine weitere Bindung an den Vertrag zumutbar ist209. Hierbei darf aber der Sinn und Zweck des § 138 Abs. 1 BGB, dem auch ein Abschreckungs- und Sanktionscharakter zukommt210, nicht unberücksichtigt bleiben. Danach kommt eine geltungserhaltende Reduktion eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts in der Regel nicht in Betracht211. Könnte nämlich derjenige, der seinen Vertragspartner in sittenwidriger Weise übervorteilt, damit rechnen, dass die Vereinbarung mittels § 242 BGB schlimmstenfalls auf denjenigen Inhalt reduziert wird, der gerade noch vertretbar und damit sittengemäß ist, verlöre das sittenwidrige Rechtsgeschäft für ihn nicht das Risiko, mit dem es durch die Nichtigkeitsfolge behaftet sein soll212. Eine Inhaltskorrektur vertraglicher Vereinbarungen mit Hilfe des § 242 BGB wird in der Rechtsprechung unter überwiegender Zustimmung des Schrifttums im Arbeits- und Gesellschaftsrecht praktiziert213. Es fragt sich, ob nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001, die auf kein konkretes rechtliches Instrumentarium, sondern allgemein auf die zivilrechtlichen Generalklauseln verweisen214, auch im Ehevertragsrecht eine Inhaltskontrolle im engeren Sinne anhand des § 242 BGB grundsätzlich zulässig oder gar geboten ist215. Die besseren Argumente streiten m. E. gegen eine solche Auffassung. Hiergegen spricht zunächst die historische Entwicklung des Rechtsinstituts der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB. Dieses wurde lange Zeit vor Inkrafttreten des AGBG im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt, um der zunehmenden Tendenz von Unternehmen zur Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen die Rechte der Verbraucher weitgehend abbedungen wurden, zu begegnen216. Auch die Inhaltskontrolle auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und – partiell – des Gesellschaftsrechts wurde im 209 Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242, Rn. 129; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242 BGB, Rn. 35. 210 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 368 f; Mayer-Maly/ Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 2. 211 BGH NJW 2001, 815, 817; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, § 18 9, S. 389; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 47. 212 BGH NJW 2001, 815, 817; BGHZ 68, 204, 207 (im Zusammenhang mit einer Umdeutung eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts nach § 140 BGB); Schapp, ZBB 1999, 30, 39 f; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 184. 213 Vgl. die Nachweise unter IV.1.b)aa) und bb). 214 Vgl. BVerfGE 103, 89, 101; BVerfG FamRZ 2001, 985. 215 In diese Richtung: OLG München FamRZ 2003, 35 ff; dem zustimmend, wenn auch im Ergebnis eine Extension des Anwendungsbereichs der Ausübungskontrolle favorisierend: Dauner-Lieb/Sanders, FF 2003, 117. Für eine Inhaltskontrolle im engeren Sinne auch: OLG Oldenburg FamRZ 2004, 545 f. 216 Vgl. beispielsweise: BGHZ 60, 377, 380 ff; BGHZ 41, 151, 153 ff; BGHZ 22, 90, 94 ff.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Wesentlichen mit dem Argument der im Hinblick auf die Verhandlungspositionen strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers beziehungsweise Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer begründet217. Mithin erfolgt eine Inhaltskontrolle im engeren Sinne anhand des § 242 BGB traditionell nur bei der Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen oder bei Arbeits- beziehungsweise Verbraucherverträgen. Hiermit ist die Situation beim Abschluss eines Ehevertrages oder einer Unterhaltsvereinbarung aber typischerweise nicht vergleichbar218. Es fehlt zum einen an einer typisierbaren, eine strukturelle Ungleichgewichtslage begründenden Ausgangssituation, wie der zwischen Unternehmer und Verbraucher219. Zum anderen ist die Inhaltskontrolle anhand des § 242 BGB auf einseitig vorformulierte Regelungen zugeschnitten, während es sich beim Ehevertrag oder einer Unterhaltsvereinbarung um einen typischen Individualvertrag handelt220. Daher erscheint das Instrument der Inhaltskontrolle anhand des § 242 BGB sowohl aus systematischen Erwägungen als auch aufgrund seiner historischen Entwicklung als unpassend für den Bereich des Ehevertragsrechts. Im Übrigen betrifft auch die Inhaltskontrolle nach § 242 BGB ohnehin nur die Frage, ob ein vertragliches Recht wirksam begründet wurde221 und stellt somit – wie auch § 138 BGB – auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab, ohne nachträgliche Änderungen der Verhältnisse zu berücksichtigen222. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist eine inhaltliche Korrektur ehevertraglicher Vereinbarungen unter Anwendung des § 242 BGB grundsätzlich abzulehnen223. Etwas anderes könnte allenfalls in seltenen Ausnahmefällen und immer nur hinsichtlich einzelner vertraglicher Abreden in Betracht kommen224. Soweit eine Unterhaltsvereinbarung also nicht nach § 138 Abs. 1 BGB, dessen bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 allzu restriktive Anwendung seitens der Rechtsprechung wohl nicht mehr aufrecht erhalten wird225, nichtig ist, bleibt in der Regel nur Raum für eine Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB226.
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Vgl. die Nachweise unter IV.1.b)aa) und bb). Rauscher, DNotZ 2002, 751, 759; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 326; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 28 f. 219 Ebenso: Rauscher, DNotZ 2002, 751, 759; Coester-Waltjen, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, 985, 1001 ff; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 326. 220 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 326. 221 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 24. 222 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 326. 223 Rauscher, DNotZ 2002, 751, 759. 224 Dies hält beispielsweise Schervier, MittBayNot 2001, 213, 214 für möglich. 225 Vgl. BGH NJW 2004, 930 ff und die Nachweise unter III.5.d)bb) und III.6.b). 226 Im Ergebnis ebenso: Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 329 ff; Goebel, FamRZ 2003, 1513, 1519 f; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 278 ff; Rauscher, DNotZ 2002, 751, 759; BGH NJW 2004, 930, 933. 218
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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(2) Die Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB Ergibt eine Inhaltskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB, dass die getroffene Unterhaltsvereinbarung rechtswirksam ist und erweisen sich deren Rechtsfolgen zur Zeit ihrer Geltendmachung als grob unbillig, sind demnach die Voraussetzungen einer Ausübungskontrolle mittels § 242 BGB zu prüfen. Wie bereits erwähnt, ist bei der Kontrolle einer vertraglichen Vereinbarung am Maßstab des § 242 BGB in dogmatischer Hinsicht zwischen einer Wirksamkeitskontrolle einzelner Abreden in Form einer Inhaltskontrolle im engeren Sinne und einer Rechtsmissbrauchskontrolle in Form einer Ausübungskontrolle227 zu differenzieren. Während Rechtsfolge einer Inhaltskontrolle die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln ist, bleiben bei der Ausübungskontrolle die vertraglichen Vereinbarungen inhaltlich wirksam. Dem Begünstigten ist es jedoch nach Treu und Glauben zeitweilig – ausnahmsweise auch dauerhaft – untersagt, sich auf diese zu berufen, da sich ein solches Verhalten als Rechtsmissbrauch darstellen würde228. Im Eherecht kann dieses Rechtsinstitut auch als Auswirkung des Grundsatzes der nachehelichen Solidarität verstanden werden. Gegen diese Einrede kann nicht eingewandt werden, dass einem im Hinblick auf § 138 Abs. 1 BGB rechtsbeständigen Vertrag unter Heranziehung des § 242 BGB die Rechtswirkung zumindest faktisch wieder genommen werde. Denn vom Bestand eines Rechts ist dessen Geltendmachung zu unterscheiden. Während aufgrund unwirksamer Verträge keine Rechte erworben werden können, dürfen vertraglich wirksam begründete Rechte – ebenso wie gesetzlich begründete Rechte – unbeschadet ihres Bestands nicht missbräuchlich ausgeübt werden229. Die Anwendung der Ausübungskontrolle im Zusammenhang mit Unterhaltsvereinbarungen hat für den benachteiligten Vertragsteil daher den Vorteil, dass auch die Verhältnisse zur Zeit der Geltendmachung der getroffenen Abrede berücksichtigt werden können. Für den begünstigten Vertragsteil hat sie (immerhin) den Vorteil, dass die Vereinbarung grundsätzlich wirksam bleibt und die Einrede des Rechtsmissbrauchs in der Regel nur zeitlich und/oder höhenmäßig begrenzt erhoben werden kann. Fallen die besonderen Umstände, die den Rechtsmissbrauch begründen, wieder weg, entfällt auch die Einrede aus § 242 BGB mit Wirkung ex nunc230. Die Ausübungskontrolle wahrt somit im Sinne eines „geringstbelastenden Eingriffs“231 die verfassungsrechtlich gewährleistete 227 Diesen Begriff hat im Ehevertragsrecht insbesondere Langenfeld geprägt; vgl. Langenfeld, FS Schippel, 251, 254 ff. 228 Langenfeld, FS Schippel, 251, 254 f; Hahne, DNotZ 2004, 84, 95; Koch, NotBZ 2004, 147, 149. 229 BGH NJW 1987, 2739; BGH NJW 1985, 1833. 230 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 38. 231 Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 277.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Privatautonomie der Ehegatten und kann als flexibles rechtliches Instrumentarium unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu gerechten Ergebnissen führen. Gerade weil die Ehe als eine auf Lebenszeit ausgerichtete Gemeinschaft naturbedingt auch einem Wandel in emotionaler, wirtschaftlicher oder finanzieller Hinsicht unterliegt, kommt es häufig erst aufgrund nachträglicher Entwicklungen zu unbilligen Auswirkungen einer unter anderen Voraussetzungen getroffenen Unterhaltsvereinbarung. Dem kann mit der Ausübungskontrolle, in deren Rahmen auch solche nachträgliche Entwicklungen berücksichtigungsfähig sind, sinnvoll begegnet werden. Zusätzliche Kriterien können beispielsweise der Ausgleich ehebedingter Nachteile oder die schutzwürdigen Interessen gemeinschaftlicher Kinder sein. Allerdings sind bei dieser Anwendung des § 242 BGB auf Unterhaltsvereinbarungen zwei Punkte besonders zu beachten. Dies ist zum einen der allgemeine Grundsatz, dass § 242 BGB keine Ermächtigung zu einer Billigkeitsjustiz begründet232. Der übereinstimmende Parteiwille bei Vertragsschluss ist auch im Eherecht zu respektieren. § 242 BGB setzt der Rechtsausübung nur dort Schranken, wo diese zu Ergebnissen führt, die mit Recht und Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbaren sind233. Er gibt dem Gericht nicht die Befugnis, die sich aus einem Vertrag ergebenden, für eine Partei ungünstigen Rechtsfolgen generell durch vermeintlich angemessenere oder der Billigkeit entsprechende Rechtsfolgen zu ersetzen234. Zum anderen ist bei Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt235 im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 242 BGB zu bedenken, dass nach § 1585 c BGB auch ein Verzicht gesetzlich zulässig ist und dass dieser seinem Inhalt nach denknotwendig darauf gerichtet ist, im Falle des Eintritts der Bedürftigkeit den ehemaligen Ehegatten nicht in Anspruch nehmen zu können. Die in § 1585 c BGB manifestierte Vertragsfreiheit und das Rechtssicherheitsbedürfnis der vertragsschließenden Ehegatten sind daher bei der Kontrolle einer Unterhaltsvereinbarung dergestalt zu berücksichtigen, dass eine faktische Korrektur der Vereinbarung über § 242 BGB nicht grundsätzlich, sondern nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht zu ziehen ist236.
232 Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 134; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242, Rn. 2; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242, Rn. 9; BGH NJW 1985, 2579, 2580. 233 Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242, Rn. 2; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 2; BGHZ 48, 396, 398. 234 RGZ 131, 158, 176 f; Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 134; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242, Rn. 2; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 2; vgl. auch BGH NJW 1998, 3771: erst recht nicht contra legem. 235 Bei Vereinbarungen zum Unterhalt bei Getrenntleben stellt sich diese Frage aufgrund § 1614 Abs. 1 BGB regelmäßig nicht. 236 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 201.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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(3) Die Ausübungskontrolle beim Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt – Ein dogmatischer Widerspruch? Die Anwendung der Einrede der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB sieht sich im Falle eines Verzichts auf den nachehelichen Unterhalt zum Teil dogmatischer Kritik aus dem Schrifttum ausgesetzt237. Nach zutreffender h. M. handelt es sich bei einem Unterhaltsverzicht um einen Erlassvertrag im Sinne von § 397 Abs. 1 BGB238. Diesem verfügenden Rechtsgeschäft liegt ein schuldrechtliches Kausalgeschäft, regelmäßig in Form einer Unterhaltsvereinbarung zugrunde. Bei einem Unterhaltsverzicht erlischt auch das Unterhaltsstammrecht, mit der weiteren Rechtsfolge, dass hieraus keine monatlichen Einzelansprüche mehr entstehen können239. Nach Auffassung einiger Stimmen aus dem Schrifttum zeige sich vor diesem Hintergrund ein dogmatisches Problem auf, wenn man den Unterhaltsanspruch trotz dieses Verzichts „wieder aufleben“ lassen wolle. Da mit dem Unterhaltsverzicht als abstraktem Rechtsgeschäft in Form eines Erlasses das Unterhaltsstammrecht erloschen sei, müsse im Falle eines „Wiederauflebens“ unter Anwendung des § 242 BGB der Verzicht kondiziert und das Unterhaltsverhältnis schuldrechtlich neu begründet werden240. Um diese (vermeintliche) dogmatische Ungereimtheit auszuräumen, wird erwogen, den Unterhaltsverzicht gleich einem pactum de non petendo als schuldrechtliche Abrede, gesetzliche Unterhaltsansprüche nicht geltend zu machen, zu behandeln241. Diese rechtliche Einordnung wird indes dem insoweit eindeutigen Parteiwillen, das Unterhaltsverhältnis zum Erlöschen zu bringen, nicht gerecht. Die Parteien einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung wollen regelmäßig nicht nur, dass keine Unterhaltsansprüche mehr geltend gemacht werden, sondern dass diese erst gar nicht mehr entstehen können. Zu folgen ist daher der zutreffenden Auffassung des BGH, wonach der Verlust des Stammrechts der Anwendung des § 242 BGB nicht entgegensteht, da ein Unterhaltsverzicht auch sonst zeitlich befristet, aufschiebend oder auflösend bedingt oder der Höhe nach beschränkt werden kann242. Wenn daher im Falle eines Verzichts auf den nachehelichen Unterhalt der unterhaltspflichtige Teil sich aufgrund der konkreten Umstände des Falles nach § 242 BGB nicht auf den Verzicht berufen kann, bedeutet dies,
237
Hess, FamRZ 1996, 981, 983; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 126. BGH NJW 1985, 1835, 1836; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 5; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 7; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 22. 239 BGH NJW 1985, 1835, 1836; Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 22; Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 1285. 240 Hess, FamRZ 1996, 981, 983; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 126. 241 Hess, FamRZ 1996, 981, 983; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 126. 242 BGH FamRZ 1997, 873, 874; zustimmend: Büttner, FamRZ 1998, 1, 6. 238
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
dass dessen Verzichtserklärung nicht nur als durch den Eintritt der Scheidung (aufschiebend) bedingt ist, sondern im Hinblick auf § 242 BGB zusätzlich als nach Dauer und Höhe insoweit beschränkt zu gelten hat, als die konkreten Umstände ein Weiterbestehen des Unterhaltsanspruchs nach Treu und Glauben gebieten243. Darüber hinaus führt der Verzicht zum Erlöschen des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt244. Somit steht die Entfaltung der Rechtswirkungen eines Unterhaltsverzichts sowohl hinsichtlich des abstrakten Erlasses, als auch des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts unter dem Vorbehalt des § 242 BGB. Ein Widerspruch in dogmatischer Hinsicht lässt sich hierin deshalb nicht erkennen, da anerkannt ist, dass auch der Erlass als verfügendes Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung vereinbart werden kann245. Der danach fortbestehende Unterhaltsanspruch ist selbstverständlich kein Anspruch aus § 242 BGB, sondern bleibt seiner Rechtsnatur nach ein nachehelicher Unterhaltsanspruch im Sinne der §§ 1569 ff BGB246. (4) Die Durchführung der gerichtlichen Kontrolle in der Praxis Für die Judikatur ergibt sich aus den vorstehend dargestellten Grundsätzen folgende grob skizzierte Vorgehensweise bei der gerichtlichen Kontrolle von Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen: Ausgangspunkt sind stets die konkreten Umstände und Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss. Die danach getroffene Vereinbarung ist zunächst anhand der allgemein anerkannten Grundsätze der §§ 133, 157 BGB auszulegen247. Ergibt diese Auslegung, dass sich die Unterhaltsvereinbarung – möglicherweise entgegen dem ersten Eindruck – in den Schranken des sittlich Erlaubten hält, bleibt für eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB kein Raum248. Soweit vorhanden, sind bei einer Unterhaltsvereinbarung im Rahmen dieser Prüfung vor allem auch die weiteren vertraglichen Regelungen der Scheidungsfolgen zu berücksichtigen249. Sofern der Sachverhalt ausreichende Anhaltspunkte hierfür bietet, gebührt der Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB in dogmatischer Hinsicht der Vorrang vor einer Ausübungskontrolle.
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BGH FamRZ 1997, 873, 874. BGH FamRZ 1997, 873, 874. 245 Schlüter, in: MünchKomm, BGB, § 397, Rn. 6; Weber, in: RGRK, BGB, § 397, Rn. 32. 246 BGH FamRZ 1997, 873, 874. 247 Vgl. hierzu beispielsweise: BGH FamRZ 1988, 43, 44. 248 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 14; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 7; Krüger-Nieland/Zöller, in: RGRK, BGB, § 138, Rn. 11; Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 148. 249 Vgl. zum Erfordernis der Gesamtbetrachtung ausführlich unten unter IV.2.f). 244
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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Ist die Vereinbarung danach wirksam, bleibt die Möglichkeit der Anwendung des flexiblen Instruments der Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB, um im Einzelfall ein gerechtes Ergebnis zu erzielen. Dies darf freilich nicht dahin missverstanden werden, dass durch extensive Anwendung des § 242 BGB ein Sittenverstoß generell dadurch überwunden werden könnte, dass sich der andere Vertragsteil nicht auf die Vereinbarung berufen kann250. Ergibt sich das Sittenwidrigkeitsverdikt aus einem Verstoß gegen Gemeinschaftswerte oder aus der Art und Weise des Zustandekommens des Vertrages, wird eine Korrektur mittels § 242 BGB ohnehin nicht in Betracht kommen, da der Sittenverstoß hierdurch nicht beseitigt würde. Andererseits hat das Gericht aber stets auch zu beachten, dass der Primat der Vertragsfreiheit und die Rechtssicherheit es erfordern, dass eine gerichtliche Inhalts- oder Ausübungskontrolle nur bei Vorliegen besonderer Umstände und nicht regelmäßig erfolgt251. An die Stelle der zu verhindernden Fremdbestimmung durch den Vertragspartner darf nicht die Fremdbestimmung durch den Richter treten252. Insbesondere gewährt auch die Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB dem Gericht nicht die Ermächtigung zu einer reinen Billigkeitsrechtsprechung253. b) Der Zeitpunkt des Abschlusses der Unterhaltsvereinbarung Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung spielt der Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine entscheidende Rolle. Man unterscheidet hier zwischen vorsorgenden Vereinbarungen, die vor oder während intakter Ehe geschlossen werden und scheidungsbezogenen Vereinbarungen, die bei gescheiterter Ehe während oder zur Vorbereitung eines Scheidungsverfahrens geschlossen werden254. aa) Zur Zulässigkeit vorehelicher Vereinbarungen Nach nahezu einhelliger Auffassung in Literatur255 und Rechtsprechung256 kann eine Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt nach § 1585 c BGB bereits vor der Ehe geschlossen werden257. In erster Linie wird dies damit be250 Dies ergibt sich tendenziell auch aus BVerfG FamRZ 2001, 985, wo das Bundesverfassungsgericht die vom Berufungsgericht vorgenommene Ausübungskontrolle als im konkreten Fall unzureichend angesehen hat, da es die besondere Situation und einseitige Benachteiligung der verzichtenden Frau schon bei Vertragsschluss und die hierdurch indizierte weitere Vertragskontrolle unberücksichtigt gelassen hat. 251 Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 277. 252 Bredthauer, NJW 2004, 3072, 3076. 253 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 2; Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 134. 254 Hierzu sind begrifflich auch Trennungsvereinbarungen ohne konkrete Scheidungsabsicht zu zählen.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
gründet, dass es dem Sinn und Zweck des § 1585 c BGB entspreche, bereits den Ehewilligen die Möglichkeit zu geben, Regelungen hinsichtlich der Folgen eines möglichen Scheiterns der Ehe zu treffen. Der Wortlaut des § 1585 c BGB („Ehegatten“) stehe dem nicht entgegen, da dieser nur klarstellende Funktion hinsichtlich des Regelungsinhalts ehebedingte Unterhaltsansprüche habe258. Diesem Ergebnis ist zwar – schon aus praktischer Hinsicht – uneingeschränkt zuzustimmen259. Die Begründung hierfür erweist sich jedoch als angreifbar. Zunächst spricht der Wortlaut des § 1585 c BGB zweifellos eher dafür, dass die Parteien zur Zeit des Vertragsschlusses bereits verheiratet sein müssen; denn genannt werden dort nur Ehegatten, nicht auch Verlobte. Die Motive des Gesetzgebers und die Entstehungsgeschichte der Norm deuten ebenfalls darauf hin, dass § 1585 c BGB die Ehe der Vertragsschließenden voraussetzt. Wie eingangs dargestellt, enthielt das BGB 1896 keine ausdrückliche Regelung zur Zulässigkeit von Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt260. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts setzte solchen Vereinbarungen zunächst enge Grenzen. Scheidungserleichternde oder scheidungsermöglichende Unterhaltsvereinbarungen wurden als dem Wesen der Ehe widersprechend dem Verdikt der Sittenwidrigkeit unterworfen261. Das Scheidungsfolgenrecht erhielt erstmals mit § 80 EheG 1938 eine Regelung zur Zulässigkeit von Verträgen über den nachehelichen Unterhalt. Die Gesetzesbegründung zum EheG 1938 enthält indes keinerlei Hinweis darauf, dass der damalige Gesetzgeber überhaupt erwogen hat, dass solche Vereinbarungen bereits vor der Ehe geschlossen werden könnten. Die amtliche Begründung zu § 80 EheG 1938 wiederholt im Wesentlichen nur dessen Wortlaut262. Daher ist die Regelung mit Blick auf die Intention des damaligen Gesetzgebers bei der Neuregelung des Scheidungsfolgenrechts insge255 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 6; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 23; Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 5; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 2; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 219; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 631; Hohloch, Familienrecht, Rn. 690. 256 BGH NJW 2004, 930, 931; BGH NJW 1991, 913, 914; BGH NJW 1985, 1833. 257 Dies gilt selbstverständlich auch für Vereinbarungen zum Unterhalt bei Getrenntleben. Allerdings ist hier von einer betragsmäßigen Festlegung des geschuldeten Unterhalts abzuraten, da in der Regel nicht absehbar ist, wie hoch der nach den Lebensverhältnissen angemessene Unterhalt zur maßgeblichen Zeitpunkt der Trennung sein wird und somit die Gefahr der Nichtigkeit nach §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB besteht. 258 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 23. 259 Vgl. hierzu bereits unter II.2.d)cc). 260 Vgl. oben unter II.2.a). 261 Vgl. beispielsweise: RG JW 1913, 16; RG JW 1913, 321; RG JW 1916, 573, 574; RGZ 108, 213, 216 und im Einzelnen unter II.2.a)bb). Gegenstand dieser Rechtsprechung waren zwar überwiegend Unterhaltsvereinbarungen, die anlässlich einer bevorstehenden Scheidung getroffen wurden. Für Vereinbarungen, die vor der Ehe geschlossen wurden, dürfte dieses Ergebnis aber nach damaliger Auffassung erst recht gegolten haben.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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samt zu sehen. Hierbei war – entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie – ein wesentliches Ziel, dass Ehen, die gescheitert und damit „für die Volksgemeinschaft wertlos“263 waren, schnell und problemlos gelöst werden konnten. Da Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt damals in erster Linie im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Scheidungsgründen, also während oder zur Vorbereitung eines Scheidungsverfahrens, geschlossen wurden264 und der Gesetzgeber des EheG 1938 diesen Vereinbarungen mit § 80 EheG 1938 zur Rechtsbeständigkeit verhelfen wollte, ist davon auszugehen, dass vorsorgende Vereinbarungen, die vor der Eheschließung getroffen wurden, vom Willen des Gesetzgebers nicht umfasst waren. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei der Eheschließung noch nicht absehbar sein konnte, wen das Verschulden an der späteren Scheidung treffen würde. Aus der knappen Gesetzesbegründung zu § 1585 c BGB ergeben sich ebenfalls keine Hinweise, die darauf schließen lassen, dass mit „Ehegatten“ im Sinne des § 1585 c BGB auch Verlobte gemeint sein sollen, zumal dort auch betont wird, dass eine Änderung zum bisher geltenden Recht nicht gewollt war265. Erst mit der Neuregelung des Scheidungsfolgenrechts durch das 1. EheRG und dem Wegfallen des Verschuldensprinzips wurde die Problematik, ob auch vorehelich abgeschlossene Unterhaltsvereinbarungen von § 1585 c BGB erfasst werden, vermehrt diskutiert, da man nunmehr das Risiko sah, sich „unverschuldet“ einer langjährigen Unterhaltsverpflichtung ausgesetzt zu sehen266. 262 Vgl. die amtliche Begründung zu § 80 EheG 1938 in DJ 1938, 1102, 1112: „Im Hinblick auf die praktisch besonders bedeutsame, aber vielfach umstrittene und auch durch die Rechtsprechung nicht endgültig geklärte Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ehegatten bereits vor der Scheidung ihrer Ehe die gegenseitige Unterhaltspflicht durch Vereinbarung regeln können, ist schließlich zur Klarstellung bestimmt, daß solche Vereinbarungen, nicht schon deshalb als nichtig angesehen werden dürfen, weil sie die Scheidung ermöglicht oder erleichtert haben.“ Zum EheG 1946, dessen § 72 die bisherige Regelung wortgleich übernommen hat, ist keine amtliche Begründung erschienen. 263 DJ 1938, 1102, 1107. 264 Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (1. Aufl.), § 25 IV, S. 218 f; Meder, FuR 1993, 12, 15. 265 Vgl. BT-Drs. 7/650, S. 149. 266 Vgl. beispielsweise Diederichsen, NJW 1977, 217, 223: „Fraglich ist, ob die Eheleute schon bei Eheschließung einen Unterhaltsverzicht für den Fall der Scheidung der Ehe vereinbaren können. Die zum Teil harten Scheidungsfolgelasten legen es im Sinne einer Ermöglichung von Eheschließungen nahe, daß die Eheleute schon bei Beginn ihrer Verbindung für den Fall der Scheidung gegenseitig auf Unterhalt verzichten.“ Walter, NJW 1981, 1409, 1411 hält es im Hinblick auf die nunmehr erleichterten Scheidungsmöglichkeiten als mit den guten Sitten vereinbar, „gegen einen solchen Verlauf der Dinge Vorkehrungen zu treffen (um nicht zum immateriellen auch noch den materiellen Schaden zu haben).“ Dagegen hielt Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts (3. Aufl.), § 26 I 1, S. 278 voreheliche Unterhaltsvereinbarungen für nichtig, da sie in unzulässiger Weise die gefahrlose Eingehung einer Probeehe ermöglichten.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Aus den bereits dargelegten Gründen ist aber dennoch mit der h. M. davon auszugehen, dass Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt schon vor der Ehe geschlossen werden können, da der Wortlaut des § 1585 c BGB eine solche Auslegung (noch) zulässt267 und die besseren Argumente dafür sprechen, den mündigen Ehegatten beziehungsweise Verlobten die privatautonome Gestaltung ihrer nachehelichen Unterhaltsbeziehungen auch schon vor der Ehe zu gestatten. Hierfür spricht zudem die Vergleichbarkeit des Wortlauts des § 1585 c BGB mit dem des § 1408 Abs. 1 BGB, bei dem voreheliche Vereinbarungen seit jeher als zulässig erachtet werden268. In sachlicher Hinsicht würde auch nicht einleuchten, warum die Wirksamkeit des Vertragsschlusses vom Zeitpunkt der Eheschließung abhängig sein sollte. Wollte man dies mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm anders sehen, so wäre die in dogmatischer Hinsicht zutreffende Auffassung, dass § 1585 c BGB vor der Eheschließung getroffene Vereinbarungen zwar nicht unmittelbar erfasst, diese aber auch nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich zulässig sind269. M. E. erscheint es darüber hinaus auch sinnvoll, eine Vereinbarung über mögliche Scheidungsfolgen bereits vor der Eheschließung zu treffen270, da die künftigen Ehegatten zu diesem Zeitpunkt wohl eher zu einer ausgewogenen und objektiven Regelung finden werden, als dies unter den emotionalen Eindrücken ihrer bereits gescheiterten Ehe der Fall sein wird. Die h. M. dürfte sich letztlich auch ehefördernd auswirken und erscheint somit im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG sogar geboten271. Denn in Zeiten einer gesellschaftlichen Entwicklung, bei der die nichteheliche Lebensgemeinschaft gegenüber der Ehe als Lebensform immer mehr Zuspruch findet272, ist es durchaus sinnvoll, den Unschlüssigen, die die teils immensen vermögensrechtlichen Folgen beim Scheitern der Ehe als ehehinderndes Risiko sehen, schon vor der Eheschließung die rechtliche Möglichkeit zu gewähren, im Rahmen der allgemeinen Regeln des BGB privatautonome Gestaltungen für den Fall des Scheiterns der Ehe vorzunehmen. bb) Die Bedeutung der Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses für die Anwendung der § 138 Abs. 1 BGB und § 242 BGB Der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und die damit verbundenen verschiedenen Interessenlagen der Kontrahenten sind bei der Überprüfung einer Unter267
Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 23. Vgl. bereits v. Baligand, Der Ehevertrag, S. 3. 269 Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 5. 270 So auch Bredthauer, NJW 2004, 3072, 3073: „Ein Ehevertrag sollte also möglichst vor der Ehe geschlossen werden.“ 271 Vgl. hierzu auch: Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 19. 272 Vgl. bereits oben bei Abschnitt I, Fn. 132 und 134. 268
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haltsvereinbarung anhand § 138 Abs. 1 BGB und § 242 BGB, vor allem im Hinblick auf die Abgrenzung deren unterschiedlicher Anwendungsbereiche, von besonderer Bedeutung. Da für die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts immer nur die Umstände zum Vereinbarungszeitpunkt von Belang sind, kann eine nachträgliche Änderung dieser Umstände keinen Sittenverstoß begründen273. In diesem Fall kann nur mit § 242 BGB oder ausnahmsweise mit § 313 BGB geholfen werden. Das Gericht hat daher hinsichtlich der Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB zunächst die tatsächlichen Verhältnisse und subjektiven Vorstellungen der Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses festzustellen. Diese können indes auch für eine mögliche weitere Prüfung im Rahmen einer Ausübungskontrolle von maßgeblichem Gewicht sein, da erst hierdurch geklärt werden kann, ob sich die Verhältnisse zwischen Vertragsschluss und Geltendmachung der Rechte aus der Unterhaltsvereinbarung derart geändert haben, dass ein uneingeschränktes Festhalten hieran als rechtsmissbräuchlich zu werten ist. Hierbei ist insbesondere die nach den Vorstellungen der Ehegatten geplante Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit während der Ehe, also das ins Auge gefasste Ehemodell, zu berücksichtigen274. Planen die Ehegatten danach eine Ausgestaltung der Ehe als klassische Einverdienerehe, bei welcher der eine Ehegatte sich ausschließlich der Haushaltsführung und Kindeserziehung widmet und somit voraussichtlich keinerlei eigenes Vermögen erwerben wird, kann dieser Umstand im Falle eines entschädigungslosen Verzichts auf den nachehelichen Unterhalt als gewichtiges Indiz für eine unangemessene Benachteiligung des verzichtenden Ehegatten gewertet werden. Allerdings werden hierbei auch die berufliche Qualifikation des Verzichtenden und die Vorstellungen der Ehegatten hinsichtlich der Möglichkeiten einer Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit im Falle des Scheiterns der Ehe zu berücksichtigen sein. Haben die Ehegatten dagegen keine konkreten Vorstellungen von dem künftig gelebten Ehemodell, wird sich eine einseitige Benachteiligung eines Ehegatten nicht ohne Weiteres bejahen lassen. Weitere berücksichtigungsfähige Umstände sind beispielsweise die Vermögenssituation und das Einkommen der Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses, die Motive beider Ehegatten für den Vertragsschluss, das Vorliegen von Anhaltspunkten, die auf eine Schwächung der Verhandlungsposition eines Ehegatten schließen lassen oder auch – bei nach der Eheschließung getroffenen Vereinbarungen – die Dauer der Ehe. In prozessualer Hinsicht gilt hierbei der allgemeine Grundsatz, dass derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit einer Vereinbarung beruft, die Voraussetzungen des Tatbestands, aus dem sich diese Rechtsfolge ergeben soll, darzule273
Vgl. bereits oben unter IV.2.a)bb)(3). BVerfGE 103, 89, 104; BVerfG FamRZ 2001, 945; ebenso: OLG München FamRZ 2003, 376, 377; OLG Koblenz NJW 2003, 2920, 2921; BGH NJW 2004, 930, 935. 274
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
gen und zu beweisen hat275; gleiches gilt in Bezug auf die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung. Können entsprechende Feststellungen für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht getroffen respektive nicht bewiesen werden, kann jedenfalls nicht § 138 BGB, sondern allenfalls eine Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB zur Anwendung kommen276. c) Die Sonderstellung des § 1570 BGB im nachehelichen Unterhaltsrecht Der Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB nimmt eine Sonderstellung im nachehelichen Unterhaltsrecht ein, da er gegenüber den übrigen Unterhaltstatbeständen rechtlich privilegiert ist277. Diese Privilegierung hat ihren Grund unter anderem im Interesse des Kindeswohls278. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Unterhaltstatbestand des § 1570 BGB dazu dient, die persönliche Betreuung des Kindes trotz der Trennung der Eltern wenigstens durch einen Elternteil zu ermöglichen279. Der Anspruch verfolgt damit einen sozialpolitischen Zweck, ist aber gleichzeitig auch Ausdruck der gemeinsamen Elternverantwortung. Es lohnt daher, näher zu untersuchen, wie sich diese rechtliche Privilegierung und der mit der Vorschrift verfolgte Sinn und Zweck auf die Möglichkeiten seiner privatautonomen Ausgestaltung oder Abbedingung auswirken. aa) § 1570 BGB als Anspruch des Kindes? Nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung handelt es sich bei § 1570 BGB – unabhängig von seiner weiteren Zielrichtung – zweifellos um einen Anspruch des geschiedenen Ehegatten. In der Literatur wird zum Teil dennoch angedacht, den Anspruch auf Betreuungsunterhalt wegen des intendierten Schutzes des Kindeswohls als einen Anspruch des Kindes zu behandeln. So wurde auf dem 3. Regensburger Symposium für europäisches Familienrecht im Zusammenhang mit § 1615 l BGB diskutiert, ob nicht das Kind Anspruchsinhaber des Betreu275 Vgl. ausführlich zur Frage der Beweislast und möglichen Beweiserleicherungen unten unter IV.3.b)aa)(2)(e). 276 Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 31; Rauscher, DNotZ 2002, 751, 758. 277 Vgl. §§ 1585a Abs. 1, 1577 Abs. 4 S. 2 BGB, §§ 1573 Abs. 5 S. 2, 1578 Abs. 1 S. 3, 1579 Nr. 1 BGB und § 1582 Abs. 1 S. 2 BGB; zu deren Regelungsgehalt oben unter I.1.b)cc)(2). Vgl. zur Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB bereits unter III.3.c)aa). 278 BVerfGE 57, 361, 382 f; BGH NJW 1996, 1815, 1817; Gernhuber/CoesterWaltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 30 II 2, S. 409; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 193; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1570, Rn. 1. 279 BVerfGE 57, 361, 382 f.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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ungsunterhaltsanspruchs sein könne280. Weiter wurde erwogen, den Anspruch auf Betreuungsunterhalt als Anspruch des Kindes gegen seine Eltern auf Ermöglichung persönlicher Pflege und Erziehung zu deuten281. Bejahte man dies für § 1615 l BGB, könnte für § 1570 BGB wegen des ähnlichen Wortlauts und aufgrund des Benachteiligungsverbots aus Art. 6 Abs. 1 GG nichts anderes gelten. Von anderer Seite wird gefordert, den Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB rechtstechnisch in einen Anspruch des Kindes umzugestalten282. Eine solche Auffassung oder gesetzliche Umgestaltung hätte die logische Konsequenz, dass auf den Anspruch auf Betreuungsunterhalt im Hinblick auf §§ 1601 ff, 1614 Abs. 1 BGB nicht verzichtet werden könnte. Diesen Ansätzen kann indes nicht gefolgt werden. Die Deutung des Betreuungsunterhaltsanspruchs als Anspruch des Kindes widerspricht bereits dem klaren Wortlaut der §§ 1570, 1615 l BGB, welcher diese Ansprüche unmissverständlich als Ansprüche des betreuenden Elternteils ausweist. Zudem ist das Kind bereits durch einen eigenen, nach § 1614 Abs. 1 BGB unverzichtbaren Unterhaltsanspruch geschützt. Allein aus der Gesetzesintention, (auch) die Interessen des Kindes zu schützen, kann folglich nicht geschlossen werden, dass das Kind auch Anspruchsinhaber sein soll, zumal der Wortlaut und die weitere Gesetzesbegründung klar dafür sprechen, dass allein der betreuende Elternteil Anspruchsinhaber ist283. Mithin erscheint die Auffassung, nach der (nur) beim Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB das Kind statt des tatsächlich Bedürftigen Anspruchinhaber sein soll, bei einer Gesamtbetrachtung des geltenden Unterhaltsrechts systemwidrig. Der Gesetzgeber hat sich zwar bei der (Neu-)Schaffung des § 1570 BGB mit dem 1. EheRG nicht zu dieser Frage geäußert, er hat aber in der Begründung zur Neuregelung des § 1615 l BGB durch das KindRG vom 16.12.1997 im Zusammenhang mit der Legitimation der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs aus § 1615 l BGB ausgeführt, dass der Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB – im Gegensatz zum Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt nach § 1615 l BGB – ein Ausfluss nachehelicher Solidarität sei und deshalb allein der Mutter und nicht dem Kind zustehe284. Zwar kann man vermuten, 280
Berichtet von Löhnig, ZEuP 1997, 920, 923. Schwab, FamRZ 1997, 521, 523 (unter Bezugnahme auf Bosch). 282 Wichmann, FuR 1996, 168, 170; ähnlich: Puls, FamRZ 1998, 865, 869, wonach der Anspruch auf Betreuungsunterhalt rechtstechnisch dem Bedarf des betreuten Kindes zugeordnet werden solle. Puls hält dies deshalb für systemgerecht, da der sorgeberechtigte betreuende Elternteil auch sonst bestimme, wie der Bedarf des Kindes im einzelnen ausgestaltet werde. 283 Vgl. die Begründung zum KindRG zu § 1615 l BGB, BT-Drs. 13/8511, S. 71. Auch die Begründung zum 1. EheRG enthält keinerlei Hinweis darauf, dass § 1570 BGB einen Anspruch des Kindes begründen soll, vgl. BT-Drs. 7/650, S. 122 f. 284 Vgl. aus der Begründung zum KindRG zu § 1615 l BGB, BT-Drs. 13/8511, S. 71: „Die Mutter kann frei entscheiden, ob sie das Kind selbst betreuen will oder 281
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
der Gesetzgeber wollte mit dieser Begründung dem erwarteten Vorwurf einer Benachteiligung nichtehelicher Kinder im Vergleich zu ehelichen Kindern begegnen285. Dennoch lässt sich nach dieser gesetzgeberischen Willensäußerung kaum mehr argumentieren, eine Mutter könne auf den Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB nicht verzichten, weil es sich dabei auch um einen Anspruch des Kindes handele286. Soweit gefordert wird, den Anspruch auf Betreuungsunterhalt rechtstechnisch in einen Anspruch des Kindes umzugestalten, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Dies würde zum einen zu einem Systembruch im nachehelichen Unterhaltsrecht führen, da dann – im Gegensatz zum gesamten übrigen Unterhaltsrecht – der Umfang des Unterhaltsanspruchs einer Person gegen eine andere nach dem Bedarf einer dritten Person zu bestimmen wäre287. Zum anderen müsste dann, wenn das gemeinsame Kind Inhaber des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt wäre, konsequenterweise dem Kind auch ein Anspruch auf persönliche Betreuung durch einen Elternteil eingeräumt werden. Bei der Ausübung der elterlichen Sorge handelt es sich aber um ein höchstpersönliches subjektives Recht der Eltern288. Die Eltern sind zur Wahrnehmung der elterlichen Sorge zwar nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet (§ 1626 Abs. 1 S. 1 BGB) und können auf deren Ausübung nicht auf Dauer wirksam verzichten. Es ist aber allgemein anerkannt, dass der sorgeberechtigte Elternteil die Ausübung der persönlichen Betreuung widerruflich289 auf Dritte, beispielsweise Verwandte oder ein Internat, übertragen kann290. Da diese Entscheidungsfreiheit ebenfalls ein Ausfluss des Rechts der elterlichen Sorge ist, kommt ein Anspruch des Kindes auf ständige persönliche Betreuung nicht in Betracht291. Letzteres hat der durch Dritte betreuen lässt. Das heißt, das Kind hat keinen Anspruch auf Betreuung durch die Mutter. Dann aber kann das Kind auch nicht Inhaber des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt sein, da dieser die Entscheidung der Mutter für die persönliche Betreuung voraussetzt. Wenn es sich aber um einen Anspruch der Mutter gegenüber dem Vater des Kindes handelt, ist die rechtliche Qualität der Elternbeziehung für die Ausgestaltung des Anspruchs von Bedeutung, und es erscheint gerechtfertigt, den Anspruch der (früheren) Ehefrau unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität stärker auszugestalten als den Anspruch der Mutter, die mit dem Vater des Kindes nicht verheiratet ist.“ 285 So Gerber, DNotZ, Sonderheft zum 25. deutschen Notartag, 288, 293. 286 Gerber, DNotZ, Sonderheft zum 25. deutschen Notartag, 288, 293 f. 287 Dieckmann, FamRZ 1999, 1029, 1034. 288 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 57 III 1, S. 859 f und § 57 I 1, S. 856; Rauscher, in: Staudinger, BGB, § 1684, Rn. 46; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1626, Rn. 3. 289 Abreden, die einen Widerruf ausschließen sollen, sind dagegen nach §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 134 BGB nichtig; vgl. Rauscher, Familienrecht, Rn. 955; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 57 III 2, S. 860; Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, BGB, § 1626, 29. 290 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 57 III 2, S. 860; Strätz, in: Soergel, BGB, § 1626, Rn. 7.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
181
Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 1615 l BGB ausdrücklich betont292. Am gegenwärtigen System des nachehelichen Unterhaltsrechts, wonach die Anspruchsinhaberschaft stets beim bedürftigen Ehegatten liegt, ist daher festzuhalten. bb) Generelle Unverzichtbarkeit des Anspruchs aus § 1570 BGB? Ausgehend von Bosch293 wird im Schrifttum vermehrt die Auffassung vertreten, der Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB sei aufgrund seiner besonderen Bedeutung generell unverzichtbar294. Gestützt wird diese Ansicht darauf, dass andernfalls der nach § 1614 Abs. 1 BGB unverzichtbare Kindesunterhalt zumindest faktisch gefährdet werde, da im Falle eines Verzichts die Gefahr bestünde, dass der Verzichtende auf den Kindesunterhalt zurückgreife, um auch seinen eigenen Bedarf zu decken295. Zudem wird auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, nach der § 1570 BGB auch der Sicherung der Wahrnehmung der Elternverantwortung dient296. Dann aber könne auf diesen Anspruch – wie auch auf die Elternverantwortung selbst – nicht verzichtet werden297. Es bedürfe insofern einer „Reduktion“ des § 1585 c BGB, wonach die Vorschrift Verzichtsvereinbarungen hinsichtlich des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt nicht gestatte298. Zuzugeben ist der vorgenannten Auffassung, dass sich in der Gesetzgebung seit Inkrafttreten des 1. EheRG eine zunehmende Tendenz dahin feststellen lässt, die Rechte des Kindes zu stärken und das Kindeswohl auch in Bezug auf die Rechtsverhältnisse der Eltern als übergeordnetes Interesse zu behandeln299. 291 Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass die Entscheidung über die persönliche Betreuung des Kindes beim sorgeberechtigten Elternteil liegt; vgl. BVerfGE 103, 89, 109 f. Einen Anspruch des Kindes auf persönliche Betreuung durch den sorgeberechtigten Elternteil hat das Bundesverfassungsgericht entgegen Grziwotz, MDR 2001, 393, 394 f keineswegs bejaht. 292 BT-Drs. 13/8511, S. 71. 293 Erstmals: Bosch, FamRZ 1982, 1216; ausführlich: Bosch, in: FS Habscheid, 23 ff. 294 Grundlegend: Bosch, in: FS Habscheid, 23, 34 ff; Goebel, FamRZ 2003, 1513, 1518; ebenso: Schwab, Familienrecht, Rn. 390; zustimmend: Meder, FuR 1993, 12, 20. 295 Bosch, in: FS Habscheid, 23, 35; Bosch, NJW 1987, 2627, 2628 (in Fn. 200). 296 BVerfGE 57, 361, 382 ff. 297 Goebel, FamRZ 2003, 1513, 1518; Schwab, FamRZ 1997, 521, 525; Bosch, in: FS Habscheid, 23, 42. 298 Bosch, in: FS Habscheid, 23, 42 und 45. Bosch erkennt wohl, dass diese Auffassung vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt ist, spricht sich insofern aber in Anlehnung an Vertreter einer „Rechtsfindung contra legem“ dafür aus, in Bezug auf § 1585 c BGB eine Gesetzeskorrektur dahin zu bejahen, dass die Norm sich sinnvoller Weise nicht auf einen Verzicht auf den Betreuungsunterhalt beziehen könne; vgl. Bosch, in: FS Habscheid, 23, 37 ff und 41.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Allerdings kann hieraus de lege lata nicht geschlossen werden, dass der Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB generell unverzichtbar sei. Diese These wird auch seitens des BGH zu Recht in ständiger Rechtsprechung verneint300. Die Gegenauffassung geht zwar zutreffend davon aus, dass § 1570 BGB – auch unter Berücksichtigung des Art 6 GG – unter den nachehelichen Unterhaltstatbeständen eine besondere Stellung einnimmt und in mehrfacher Hinsicht rechtlich privilegiert ist. Aufgrund des klaren Wortlauts des § 1585 c BGB reichen diese Gründe aber nicht aus, § 1570 BGB als in jedem Fall unabdingbar anzusehen. § 1585 c BGB stellt den während bestehender Ehe durch §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4, 1614 Abs. 1 BGB eingeschränkten Grundsatz der Vertragsfreiheit wieder her und enthält gerade keine Ausnahme für irgendeine Bedürfnislage, auch nicht für den Anspruch aus § 1570 BGB301. § 1585 c BGB gewährt mithin volle Vertragsfreiheit, die im Grundsatz auch die Möglichkeit eines Verzichts auf § 1570 BGB mit einschließt302. Dieses Ergebnis entspricht auch der h. M. im Schrifttum303 und wird zudem durch die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 gestützt. Denn dort wurde der Verzicht auf den Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB gerade nicht generell ausgeschlossen, sondern unter Würdigung der konkreten Umstände des Falles beurteilt304. Dies kann im Umkehrschluss nur bedeuten, dass auch das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit eines Verzichts auf § 1570 BGB im Grundsatz anerkennt305. Soweit in diesem Zusammenhang de lege ferenda eine Unverzichtbarkeit des § 1570 BGB gefordert wird306, kann dem in dieser Allgemeinheit ebenfalls nicht zugestimmt werden. Denn dadurch würde die Privatautonomie im Schei299 Vgl. hierzu Frank, AcP 200 (2000), 401, 414 ff und auch die in den letzten Jahren neu gefassten §§ 1626 Abs. 2, 1627, 1631 Abs. 2, 1666 Abs. 1, 1671 Abs. 2, 1672 Abs. 1 BGB. 300 Erstmals: BGH NJW 1985, 1833; seither ständige Rechtsprechung: BGH FamRZ 1987, 46, 47; BGH NJW 1991, 913, 914; BGH NJW 1992, 3164; BGH NJW 1995, 1148; auch in seiner jüngsten Entscheidung hält der BGH hieran fest und betont, dass es einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen nicht gebe, vgl. BGH NJW 2004, 930, 933. 301 BGH NJW 1985, 1833. 302 BGH NJW 1991, 913, 914. 303 Rauscher, Familienrecht, Rn. 637; Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, I, 15. Kap., Rn. 39; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 145; Ziegler/Mäuerle, Familienrecht, Rn. 312; Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 7 und 40; Häberle, in: Soergel, BGB, § 1585 c, Rn. 16. 304 Vgl. BVerfGE 103, 89, 104 ff. 305 Dies hat auch Schwab, FamRZ 2001, 349, 350 zutreffend angemerkt. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht noch 1998 in einem obiter dictum, unter Bezugnahme auf Bosch, in: FS Habscheid, 23, 29 ff, angedeutet, dass ein betreuender Elternteil auf den Anspruch aus § 1570 BGB nicht verzichten können soll; vgl. BVerfG FamRZ 1999, 285, 288. 306 Meder, FuR 1993, 12, 20; letztlich wohl auch: Bosch, in: FS Habscheid, 23, 45.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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dungsfolgenrecht zu weit eingeschränkt. Hiermit soll freilich kein Plädoyer für eine in jedem Fall uneingeschränkte Zulässigkeit des Verzichts auf den Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB gehalten werden. Allerdings erweisen sich die derzeitigen vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten im Scheidungsfolgenrecht als ein funktionierendes Instrument, dessen Flexibilität durch die generelle Unverzichtbarkeit auf den Betreuungsunterhalt eingeschränkt würde. Als entscheidend muss in diesem Zusammenhang vielmehr eine Gesamtbetrachtung der von den Ehegatten getroffenen Scheidungsfolgenregelung angesehen werden307. Hierbei kann der Nachteil eines Verzichts auf den nachehelichen Unterhalt durch eine begünstigende Regelung im Bereich des Zugewinnausgleichs oder auch eine Kapitalabfindung wieder aufgewogen werden308. Ebenso können Vermögensverschiebungen zugunsten des verzichtenden Teils während bestehender Ehe den wirtschaftlichen Nachteil eines Unterhaltsverzichts aufwiegen beziehungsweise rechtfertigen. Die Geltung der starren Regelung des § 1614 Abs. 1 BGB auch für den Betreuungsunterhaltsanspruch aus § 1570 BGB würde die derzeit bestehende Möglichkeit einer ausgewogenen privatautonomen Regelung des Scheidungsfolgenrechts nach den persönlichen Vorstellungen der Ehegatten m. E. zu sehr einengen. Insbesondere ist das möglicherweise bestehende Interesse der Ehegatten an einer – auch wirtschaftlichen – Zäsur mit Rechtskraft der Scheidung zu respektieren. Dem stünde die dauerhafte Belastung mit einer Unterhaltsverpflichtung aber entgegen. Gerade diese Zäsurwirkung kann beispielsweise mit Hilfe einer Kapitalabfindung einfach und auch gerecht erreicht werden. Hierbei vereinbaren die Ehegatten einen gegenseitigen vollständigen Unterhaltsverzicht und verbinden diesen mit einem Abfindungsvertrag, nach dem eine bestimmte Summe als Gegenleistung für den Unterhaltsverzicht ausgezahlt wird309. Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Verzichts auf den Betreuungsunterhalt ändert selbstverständlich nichts an dem Umstand, dass sich auch dieser an den §§ 138 Abs. 1, 242 BGB messen lassen muss. Diese erweisen sich, mit Konsequenz und Sorgfalt angewandt, als ausreichendes und wirksames Instrument, um einer ungerechtfertigten und/oder unangemessenen Benachteiligung des Verzichtenden entgegenwirken zu können310.
307
Vgl. hierzu ausführlich unter IV.2.f). Langenfeld, ZEV 2004, 311, 314; Bredthauer, NJW 2004, 3072, 3075 f; Münch, ZNotP 2004, 122, 125. 309 Vgl. hierzu im Einzelnen: Miesen, in: Göppinger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, § 5, Rn. 243 ff; ausführlich: Hohenbleicher, Der Unterhaltsverzicht im nachehelichen Unterhaltsrecht nach § 1585 c BGB unter besonderer Berücksichtigung des Unterhaltsverzichts gegen Kapitalabfindung, S. 143 ff. 310 Hiervon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus, vgl. BVerfGE 103, 89, 101. 308
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
cc) Der Verzicht auf den Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB und §§ 138 Abs. 1, 242 BGB Für die Anwendung und Abgrenzung der §§ 138 Abs. 1, 242 BGB gelten auch beim Verzicht auf den Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB die bereits dargelegten311 allgemeinen Grundsätze zur Inhalts- und Ausübungskontrolle. Der BGH hatte den Verzicht auf den Betreuungsunterhaltsanspruch aus § 1570 BGB in seiner früheren Rechtsprechung regelmäßig nur unter dem Gesichtspunkt einer Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB überprüft312. Danach war es dem Begünstigten nach § 242 BGB untersagt, sich auf den Verzicht zu berufen, solange und soweit der Unterhaltsberechtigte wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes an einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert war313. Tragendes Argument dieser Rechtsprechung war, dass überwiegende schutzwürdige Interessen gemeinschaftlicher Kinder der Geltendmachung eines Unterhaltsverzichts entgegenstehen können. Dies galt sowohl bei vorsorgenden314 als auch bei scheidungsbezogenen315 Unterhaltsvereinbarungen. Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 11.02.2004316 ist der BGH infolge der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 von seiner bis dahin restriktiven Auffassung abgerückt. Der Anspruch auf den Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB soll nunmehr zu einem neu definierten „Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts“317 zählen, in dem eine Verzichtsvereinbarung eine Sittenwidrigkeitskontrolle indiziert318. Eine Abkehr von der bisherigen höchstrichterlichen Praxis, den Betreuungsunterhaltsanspruch betreffende Vereinbarungen regelmäßig allein unter dem Blickwinkel des § 242 BGB zu prüfen, war im Hinblick auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts unvermeidlich. Ob es dafür der Schaffung319 einer „Kernbereichslehre“ im Scheidungsfolgenrecht bedurfte, erscheint m. E. aber zumindest für § 1570 BGB fraglich. Denn im Hinblick auf die ohnehin bestehende rechtliche Privilegierung320 des § 1570 BGB und seines (auch) drittschützenden Charakters ist dort von vornherein eine sensiblere Kontrolle an311
Vgl. oben unter IV.2.a)dd). Vgl. ausführlich zur Rechtsprechung des BGH zum Verzicht auf den Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB und § 242 BGB oben unter III.3.c). 313 BGH NJW 1985, 1835, 1836. 314 Nach BGH NJW 1991, 913, 914 f auch im Falle eines vorsorgenden Verzichts auf nachehelichen Unterhalt durch eine schwangere Verlobte. 315 BGH NJW 1985, 1835 f. 316 BGH NJW 2004, 930 ff. 317 BGH NJW 2004, 930, 934. 318 BGH NJW 2004, 930, 935. 319 Der Begriff des „Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts“ findet sich weder im Gesetz oder in der Gesetzesbegründung, noch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 312
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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hand des § 138 Abs. 1 BGB geboten. Mithin ziehen diese Umstände den Maßstab des sittlich Erlaubten enger, als dies bei den übrigen Unterhaltstatbeständen der Fall ist321. Möglich erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere, von der auch verfassungsgerichtlich bestätigten322 Prämisse auszugehen, dass der Anspruch des betreuenden Elternteils aus § 1570 BGB die Wahrnehmung der Elternverantwortung sichern soll und damit auch dem Interesse des Kindeswohls dient323. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass sich ein Verzicht auf diesen Anspruch im Falle der – tatsächlich bestehenden324 – Bedürftigkeit des betreuenden Elternteils als den Interessen des Kindeswohls zuwider laufend darstellt. Dieser Umstand könnte in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur unzulässigen Belastung der Sozialhilfeträger325 einen Sittenverstoß im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB begründen, wenn die dem Kindeswohl widersprechende Bedürftigkeit des geschiedenen Ehegatten bewusst herbeigeführt wurde326. d) Unterschiedlicher Prüfungsmaßstab bei privatschriftlichen und notariell beurkundeten Vereinbarungen? Wie unter Abschnitt II.2. gesehen, bedürfen Unterhaltsvereinbarungen sowohl hinsichtlich der Unterhaltsansprüche während bestehender Ehe als auch bei nachehelichen Unterhaltsansprüchen grundsätzlich keiner Form. Sie können also auch mündlich, durch konkludentes Handeln oder privatschriftlich geschlossen werden, wenn nicht der Zusammenhang mit weiteren ehevertraglichen Vereinbarungen eine notarielle Beurkundung auch der Unterhaltsvereinbarung erfordert327. Es stellt sich daher die Frage, ob die Intensität der gerichtlichen Kontrolle einer Unterhaltsvereinbarung im Falle notarieller Beurkundung anderen Maßstäben folgt, als dies bei privatschriftlichen Vereinbarungen der Fall ist. 320 Vgl. §§ 1573 Abs. 5, 1577 Abs. 4 S. 2, 1578 Abs. 1 S. 2 und 3, 1579 Nr. 1, 1582 Abs. 1 S. 2, 1586 a Abs. 1 BGB. 321 Die Problematik der Kernbereichslehre des BGH wird an anderer Stelle noch ausführlich behandelt werden und soll daher hier nicht weiter vertieft werden; vgl. unten unter IV.3.b)aa)(3). 322 BVerfGE 57, 361, 382 f. 323 BGH NJW 1992, 3164, 3166; Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 193; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1570, Rn. 1. 324 Hiermit sollen an dieser Stelle nur Fallkonstellationen gemeint sein, in denen der Unterhaltsbedarf tatsächlich nicht durch Einkünfte irgendeiner Art oder auch Verbrauch des Vermögensstamms gedeckt werden kann, mit der Folge, dass der Bedürftige einer seinen Betreuungspflichten zuwider laufenden Erwerbstätigkeit nachgehen muss. 325 BGHZ 86, 82, 86 ff; vgl. hierzu auch die Nachweise unter III.3.b)aa). 326 Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 41. Vgl. hierzu im Einzelnen unter IV.3.b)aa)(1)(c). 327 Vgl. oben unter II.2.d)cc)(2).
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Hierfür spräche, dass § 17 BeurkG dem Notar umfangreiche Prüfungspflichten hinsichtlich des Inhalts der Urkunde sowie Belehrungspflichten gegenüber den vertragsschließenden Parteien auferlegt. Nach § 4 BeurkG soll der Notar die Beurkundung sogar ablehnen, wenn mit ihr erkennbar unerlaubte oder unredliche Ziele verfolgt werden. Im Hinblick hierauf hat auch das Bundesverfassungsgericht betont, gerade weil der Gesetzgeber bei Unterhaltsvereinbarungen – im Gegensatz zu Vereinbarungen über den Zugewinn oder den Versorgungsausgleich (§§ 1408, 1410 BGB) – davon abgesehen habe, durch Formerfordernisse oder Verfahrensregelungen einen gewissen Schutz vor Übervorteilung eines Vertragsteils zu gewährleisten, sei eine gerichtliche Kontrolle geboten328. Hieraus und aus dem Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht auch bei der Bürgschaftsentscheidung hervorgehoben hatte, dass es bei einer besonders ausgeprägten Unterlegenheit eines Vertragspartners entscheidend darauf ankomme, auf welche Weise der Vertrag zustande gekommen sei329, wurde im Schrifttum gefolgert, dass aufgrund der den Vertragsparteien Schutz gewährenden Notarpflichten aus § 17 BeurkG bei der Inhaltskontrolle einer Unterhaltsvereinbarung zu differenzieren sei, ob die Vereinbarung notariell beurkundet worden sei oder nicht330. Dieser Ansatz trifft indes nicht generell, sondern allenfalls teilweise zu. Allgemeingültige Auswirkungen auf den materiellrechtlichen Prüfungsmaßstab bei einer gerichtlichen Kontrolle von notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarungen lassen sich hieraus nicht ableiten. Aus der gesetzlichen Pflicht des Notars zur Ermittlung des Sachverhalts und der Belehrung der Parteien folgt keine inhaltliche Richtigkeits- oder gar eine Rechtswirksamkeitsgewähr331. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts bestimmt sich am Maßstab des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden, also nach materiellen und nicht nach formellen Gesichtspunkten wie dem der notariellen Beurkundung nach dem BeurkG. Mithin kann eine Vereinbarung nicht dadurch den ihr anhaftenden Makel eines Sittenverstoßes verlieren, dass sie notariell beurkundet wurde. Vielmehr ist es so, dass sich der Notar, der eine sitten- oder treuwidrige Vereinbarung beurkundet, ohne die Parteien auf Bedenken hinsichtlich deren Wirksamkeit hinzuweisen (§ 17 Abs. 2 S. 2 BeurkG), nach § 19 BNotO schadensersatzpflichtig machen kann332. Aus diesem Umstand kann aber nicht, wie von Tei-
328 329 330
BVerfGE 103, 89, 102. BVerfGE 89, 214, 235. Schervier, MittBayNot 2001, 213, 215; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 276 und
279. 331 Schubert, FamRZ 2001, 733, 736; Bunte, ZIP 1984, 1313, 1315; Staudinger, BGB, § 1 AGBG, Rn. 48. 332 Vgl. OLG Düsseldorf DNotZ 1997, 656: Weist der Notar bei der eines gegenseitigen Verzichts auf nachehelichen Unterhalt nicht darauf Verzicht im Hinblick auf § 1570 BGB möglicherweise nicht durchgreift,
Schlosser, in: Beurkundung hin, dass der kann ein An-
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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len des Schrifttums befürwortet333, geschlossen werden, dass aufgrund der Möglichkeit eines solchen Notarregresses kein Bedürfnis für eine Inhaltskontrolle notariell beurkundeter Verträge bestehe. Denn die Möglichkeit der Haftung eines Dritten gewährleistet weder eine angemessene Vertragsgestaltung334, noch hindert sie die Sitten- oder Treuwidrigkeit einer Vereinbarung. Allerdings kommt der notariellen Beurkundung unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Zwecke – Schutzfunktion, Warnfunktion und Beweisfunktion – sowie des § 17 BeurkG im Hinblick auf die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB dennoch Bedeutung zu. Die aus § 17 Abs. 1 BeurkG folgende Belehrungspflicht bietet nach ihrem Sinn und Zweck Schutz davor, dass eine Vereinbarung aus Unerfahrenheit oder Gesetzesunkenntnis abgeschlossen wird335. Bei der von Seiten des Notars ordnungsgemäß über die rechtliche Tragweite einer Vereinbarung belehrten Partei wird sich daher im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB nur unter besonderen Voraussetzungen die Sittenwidrigkeit wegen Überrumpelung oder verwerflicher Ausnutzung der Unerfahrenheit des Vertragspartners bejahen lassen336. Denn der Grundsatz der Privatautonomie gewährleistet auch die Möglichkeit des Einzelnen, einen unausgewogenen Vertrag abzuschließen. Generell ausgeschlossen bleibt der vorgenannte Einwand dadurch freilich nicht337. Prozessual obliegt es weiter dem benachteiligten Vertragsteil, darzulegen und zu beweisen, er sei unter Ausnutzung seiner geschäftlichen Unerfahrenheit zum Vertragsschluss bewegt worden. Allerdings wird man einer nach § 17 Abs. 1 BeurkG erfolgten Belehrung zunächst eine widerlegbare Vermutung338 für deren Richtigkeit und Vollständigkeit beizumessen haben, die der Bejahung der Überrumpelung oder Unerfahrenheit indiziell entgegensteht. Unter diesem Gesichtspunkt enthalten notarielle Verträge hinsichtlich der inneren Vertragsgerechtigkeit in der Tat eine größere Parität der Vertragsparteien als nicht notariell beurkundete Verträge339. In Bezug auf die weiteren Umstände, die einen Sittenverstoß begründen können, kann der notariellen Beurkundung einer Unterhaltsvereinbarung dagegen spruch des unterhaltspflichtigen Ehepartners auf Freistellung von den Unterhaltspflichten gegen den Notar bestehen. 333 Habersack, AcP 189 (1989), 403, 416 ff; Brambring/Schippel, NJW 1979, 1802, 1804 ff. 334 Bunte, ZIP 1984, 1313, 1315. 335 BGH NJW 1997, 126, 127. 336 Rauscher, DNotZ 2004, 524, 541; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 279; BGH NJW 1997, 126, 127. 337 So aber wohl: Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 279; etwas zurückhaltender nunmehr: Langenfeld, ZEV 2004, 311, 314. 338 Vgl. zur beweisrechtlichen Frage der tatsächliche Vermutung und deren Widerlegung unten unter IV.3.b)aa)(2)(e). 339 Vgl. hierzu: Keidel/Winkler, BeurkG, Einl., Rn. 21 ff; Limmer, in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, § 1 BeurkG, Rn. 8.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
keine wesentliche Bedeutung zukommen340. Zweifelsohne gilt dies für die Fälle der Sittenwidrigkeit wegen unzulässiger Drittbelastung. Deren Voraussetzungen können denknotwendig nicht durch die Belehrung (nur) der Vertragsparteien beeinflusst werden. Auch die Sittenwidrigkeit wegen Ausnutzung einer Zwangslage ist nicht deshalb an anderen Maßstäben zu messen, weil der sich in der Zwangslage befindende Vertragspartner über die rechtliche Tragweite der notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung belehrt wurde. Denn dadurch, dass diesem die Gesetzeslage und die Rechtsfolgen seiner Erklärungen vor Augen geführt werden, ändert sich – auch bei einem in geschäftlichen Dingen versierten Kontrahenten – nichts am Vorliegen der Zwangslage. Diese kann auch der Notar möglicherweise nicht erkennen. Abgesehen von den im vorherigen Absatz genannten Ausnahmen lässt sich aus dem Umstand der notariellen Beurkundung auch ansonsten nichts für die Beurteilung einer vertraglichen Disparität aufgrund einer zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden (Verhandlungs-) Unterlegenheit eines Vertragsteils gewinnen. Denn diese verliert durch eine Belehrung des hiervon Betroffenen nach § 17 Abs. 1 BeurkG im Hinblick auf §§ 138 Abs. 1, 242 BGB kaum an Gewicht. Bei stark benachteiligenden Vereinbarungen kann sich der Vertragsschluss trotz vorheriger Belehrung über dessen Rechtsfolgen unter Umständen sogar als ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Zwangslage erweisen, deren Ausnutzen die Sittenwidrigkeit begründen kann. Dass das Bundesverfassungsgericht diese Problematik im Ergebnis ebenso sieht, ergibt sich mittelbar aus seiner Entscheidung vom 29.03.2001, da dort mögliche Auswirkungen der notariellen Beurkundung auf den Prüfungsmaßstab bei der gerichtlichen Kontrolle eines Ehevertrages unter Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln mit keinem Wort erwogen werden341. Unabhängig hiervon ist den Ehegatten eine notarielle Beurkundung ihrer Unterhaltsvereinbarung, falls sich diese nicht bereits aus dem Zusammenhang mit dem Abschluss weiterer beurkundungsbedürftiger Vereinbarungen als zwingend ergibt, dennoch zu empfehlen. Denn zum einen gewährt die Beratung und Belehrung durch einen zur Unparteilichkeit verpflichteten Notar die Chance, dass die Ehegatten zu einer ausgewogenen Regelung ihrer unterhaltsrechtlichen Beziehungen finden (Schutz- und Warnfunktion). Zum anderen kann einer notariellen Beurkundung hinsichtlich des Zustandekommens und der Kenntnis der rechtlichen Tragweite einer Vereinbarung (vgl. § 17 Abs. 1 BeurkG) eine in
340 Gegen einen Einfluss der notariellen Beurkundung auf den materiellrechtlichen Prüfungsmaßstab im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle von Eheverträgen auch: Schubert, FamRZ 2001, 733, 736; Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 12; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337; Büttner, FamRZ 1998, 1, 8; ebenso, allerdings ohne Begründung: BGH NJW 2004, 930, 934. 341 BVerfG FamRZ 2001, 985; diese Entscheidung befasste sich mit einem notariell beurkundeten Ehevertrag. Der Entscheidung vom 06.02.2001 (BVerfGE 103, 89 ff) lag dagegen eine privatschriftliche Unterhaltsvereinbarung zugrunde.
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einem späteren Rechtsstreit prozessual bedeutsame beweisrechtliche Funktion zukommen342. e) Strengere gerichtliche Kontrolle aufgrund sozialund gesellschaftspolitischer Gesichtspunkte? Es bedarf kaum näherer Erläuterung, dass sich die Parteien eines Ehevertrages oder einer Unterhaltsvereinbarung nicht wie gewöhnliche Geschäftspartner gegenüberstehen, sondern durch die Ehe einander als Frau und Mann in besonderer Weise rechtlich und persönlich verbunden sind. Daher stellt sich die weitere Frage, ob sich allein aus diesen Umständen eine strengere gerichtliche Inhaltskontrolle oder Ausübungskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen rechtfertigen lässt. In diesem Zusammenhang hat insbesondere Schwenzer343 nachzuweisen versucht, dass sowohl bei vorsorgenden Eheverträgen als auch bei Scheidungsvereinbarungen generell von einer strukturellen Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann auszugehen sei. Solchen Verträgen wohne grundsätzlich keine Richtigkeitsgewähr inne, da die Frau in der Regel nicht in der Lage sei, ihre Interessen denen des Mannes adäquat entgegenzusetzen344. Diese strukturelle Unterlegenheit ergebe sich aus der sozio-ökonomischen und psychologischen Situation der Frau, die dem Mann aufgrund ihres regelmäßig niedrigeren Alters, geringeren Ausbildungsstandes und der für sie ungünstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt, sowie aufgrund ihres Moral- und Ethikverständnisses in Verhandlungssituationen regelmäßig unterlegen sei345. Allein auf diese (abstrakte) strukturelle Unterlegenheit sei entscheidend abzustellen, nicht dagegen darauf, ob im konkreten Fall eine individuelle Unterlegenheit gegeben sei346. Aus diesem Grund seien Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen generell einer gerichtlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen, die den Ausgleich ehebedingter Nachteile zum Ziel haben müsse347. Diese Thesen Schwenzers sind aufgrund ihres Anspruchs auf Allgemeingültigkeit innerhalb des Ehevertragsrechts im Schrifttum zu Recht überwiegend auf 342 Limmer, in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, § 1 BeurkG, Rn. 7 f und § 20 BNotO, Rn. 8. Den Vollbeweis nach §§ 415, 418 ZPO liefert die notarielle Urkunde freilich nur hinsichtlich Person, Zeit, Ort und Abgabe der Erklärung. Allerdings kommt der Urkunde auch die Vermutung der Vollständigkeit und der richtigen Wiedergabe der getroffenen Vereinbarung zugute; vgl. Limmer, in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, § 20 BNotO, Rn. 7; Keidel/Winkler, BeurkG, § 1, Rn. 12 f. 343 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 ff. 344 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88, 108 f. 345 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88, 104 ff. 346 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88, 109. 347 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88, 113.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Kritik gestoßen348. Sie lassen sich schon schwerlich mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbaren, dem das Bild einer eigenverantwortlich handelnden und gleichberechtigten Frau zugrunde liegt349. Warum dann bei einem gegenseitigen Verzicht auf begünstigende Scheidungsfolgen die Vereinbarung zugunsten der Frau immer einer Inhaltskontrolle unterzogen werden sollte, während dies zugunsten des Mannes nur ausnahmsweise der Fall sein soll350, vermag im Hinblick auf den klaren Aussagegehalt des Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG nicht zu überzeugen. Zudem lässt sich diese Ansicht auch kaum mit der Systematik der §§ 138 Abs. 1, 242 BGB vereinbaren. Charakteristisches Merkmal einer Generalklausel ist es gerade, dass sie aufgrund der Verschiedenartigkeit der möglichen Fallkonstellationen einen weiten Tatbestand haben und ihre Anwendung daher immer von der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls abhängt351. Dem widerspricht aber die Annahme einer generellen strukturellen Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann, der stets unter Anwendung der §§ 138 Abs. 1, 242 BGB mit dem Ziel der Herstellung des Ausgleichs ehebedingter Nachteile zu begegnen sei. Warum in dieser Hinsicht bei ehevertraglichen Vereinbarungen etwas anderes gelten sollte, als im gesamten übrigen Vertragsrecht, leuchtet nicht ein. Aus dem gleichen Grund kann auch der abgemilderten Auffassung von Büttner nicht gefolgt werden, der zwar eine generelle strukturelle Unterlegenheit der Frau verneint, aber annimmt, eine solche ergebe sich (immer) aus besonderen Lebenslagen, in denen sich die Frau typischerweise befinde352. Dieser Ansicht ist zu Recht entgegengehalten worden, dass ebenso wenig, wie beim Abschluss von Eheverträgen eine strukturelle Unterlegenheit pauschal für alle Frauen bejaht werden könne, diese auch nicht pauschal für alle schwangeren Frauen bejaht werden könne353. Auch das Bundesverfassungsgericht ist dieser These bei genauer Analyse der beiden Entscheidungen aus dem Jahre 2001 nicht gefolgt. Denn dort wurde zwar zunächst ausführlich dargelegt, warum die Schwangerschaft zur Zeit des Vertragsschlusses eine unterlegene Verhandlungsposition begründen könne354. Im Weiteren wurde aber explizit betont, dass die Schwangerschaft nur ein Indiz 348 Rauscher, Familienrecht, Rn. 639; Grziwotz, FamRZ 1997, 585, 588 f; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 276; ausführlich: Gerber, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 49, 55 ff. 349 Rauscher, FuR 2001, 155. 350 So Schwenzer, AcP 196 (1996), 88, 113. 351 Creifelds, Rechtswörterbuch, Generalklausel, S. 555; Gerber, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 49, 58; vgl. auch: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 316 ff. 352 Büttner, FamRZ 1998, 1, 5; als Beispiel werden dort die Schwangerschaft zur Zeit des Vertragsschlusses oder die laufende Kindesbetreuung genannt. 353 Gerber, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 49, 59; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 276. 354 BVerfGE 103, 89, 102 ff.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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für eine vertragliche Disparität bilde. Weitere Faktoren seien die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation sowie die geplante Aufteilung von Erwerbsund Familienarbeit in der Ehe. Diese könnten dazu führen, die Unterlegenheit der Schwangeren auszugleichen, auch wenn auf gesetzliche Rechtspositionen verzichtet werde355. Dieser Erkenntnis kann nur zugestimmt werden. Ebenso wie eine gerichtliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen zum Schutz der Privatautonomie im Einzelfall erforderlich ist356, erscheint es geboten, diesen Schutz gerade auch dadurch zu gewährleisten, dass nicht aufgrund pauschalierter „Tatbestände“ die Privatautonomie im Eherecht für bestimmte Personen oder Lebenssituationen faktisch ausgeschlossen wird. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang weiter, dass sich bei Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen die Vertragsschließenden nicht wie zwei „gewöhnliche“ am Rechtsverkehr teilnehmende Rechtssubjekte gegenüberstehen. Die Beziehung der Vertragsparteien wird vielmehr immer von deren persönlich-emotionalem Verhältnis zueinander geprägt sein. Dieses kann von inniger Liebe bei vorsorgenden Vereinbarungen oder Enttäuschung und Hass bei Scheidungsvereinbarungen bestimmt werden. Eine geschlechtsbezogene Differenzierung ist hier schon aus der Natur der Sache heraus nicht möglich357. Ebenso können – auch unterbewusst – besondere emotionale Abhängigkeiten bestehen, die eine Partei zum Vertragsschluss bewegen358. Gerade aus diesem Grund lassen sich aber keine allgemeingültigen Aussagen zur Verhandlungsstärke zwischen Frau und Mann zur Zeit des Vertragsschlusses oder gar zur faktischen Dominanz des einen oder anderen Teils machen. Auszugehen ist daher auch hier vom verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gleichberechtigung. Da aber das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 2 S. 1 davon ausgeht, dass Frau und Mann gleichberechtigt sind, wäre es schon aus rechtspolitischen Gründen ein falsches Signal, wenn die Gerichte von der Prämisse ausgingen, dass dies gerade in der Ehe in tatsächlicher Hinsicht nicht der Fall sei, weshalb dort stets eine auf den Bereich des Ehevertragsrechts begrenzte strenge Inhaltskontrolle von Verträgen vorzunehmen sei. Die Annahme einer generellen faktischen Dominanz des Mannes und strukturellen Unterlegenheit der Frau und eine daraus resultierende (einseitige) Inhalts- oder auch Ausübungskontrolle lässt sich m. E. nicht mit der grundsätzlichen Wertentscheidung des Art. 3 Abs. 2 GG vereinbaren359. Respektiert man den Grundsatz der Privatautonomie auch im Ehe355
BVerfGE 103, 89, 104. Vgl. oben unter IV.1.d). 357 Coester-Waltjen, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, 985, 1002. 358 Vgl. hierzu OLG Naumburg FamRZ 2002, 456, 457: dort wurde die Sittenwidrigkeit einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung unter anderem deshalb für möglich gehalten, da starke Indizien dafür sprachen, dass die Ehefrau von ihrem Mann psychisch abhängig war. 359 Ebenso: Rauscher, FuR 2001, 155. 356
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
recht, kann richtiger Ansatzpunkt demnach nur sein, bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte eine einzelfallbezogene gerichtliche Kontrolle der jeweiligen Vereinbarungen vorzunehmen, ohne von geschlechtsbezogenen Vermutungen zugunsten eines Vertragsteils auszugehen. f) Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung der ehevertraglichen Vereinbarungen Obwohl Gegenstand dieser Arbeit in erster Linie Unterhaltsvereinbarungen und deren gerichtliche Kontrolle sind, können die weiteren ehevertraglichen Vereinbarungen zwischen den Ehegatten bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung nicht unberücksichtigt bleiben360. Das Scheidungsfolgenrecht des BGB kennt drei wesentliche vermögensrechtliche Folgen einer Scheidung. Dies sind der Zugewinnausgleich (§§ 1373 ff BGB), der Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff BGB) und der nacheheliche Unterhalt (§§ 1569 ff BGB). Nach dem auch im Eherecht verfassungsrechtlich361 gewährleisteten Grundsatz der Privatautonomie können hinsichtlich jeder dieser ehebedingt erworbenen Rechtspositionen vertragliche Vereinbarungen getroffen werden (vgl. §§ 1408 ff, 1585 c BGB)362. Insbesondere kann auf sie auch verzichtet werden363. Diesen Scheidungsfolgen ist gemein, dass sie dem Ausgleich von während der Ehe von den Ehegatten erworbenen Vermögenswerten dienen. Beim Zugewinnausgleich ist dies das während der Ehe erworbene Vermögen, beim Versorgungsausgleich die während der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften und beim nachehelichen Unterhalt – abstrakt gesehen – der während der Ehe erworbene Lebensstandard364. Gleichzeitig haben die Scheidungsfolgen auch die Funktion, die wirtschaftliche Versorgung der Ehegatten auch nach der Scheidung zu sichern. Bereits vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, 360 Die Problematik der Gesamtbetrachtung betrifft in erster Linie wiederum nur Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt. Zum einen, da auf den Unterhalt während bestehender Ehe ohnehin nicht verzichtet werden kann (§ 1614 Abs. 1 BGB); zum anderen, da die weiteren Scheidungsfolgen regelmäßig erst mit Rechtskraft des Scheidungsurteils ihre Rechtswirkungen entfalten. 361 BVerfGE 103, 89, 101; BVerfGE 60, 329, 339. 362 Vgl. zu den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten oben unter I.2. 363 Für den Zugewinnausgleich ergibt sich dies aus §§ 1408 Abs. 1, 1414 BGB, für den Versorgungsausgleich aus § 1408 Abs. 2 BGB und für den nachehelichen Unterhalt aus § 1585 c BGB. 364 Ein wichtiger Unterschied zur Konzeption des Zugewinnausgleichs und des Versorgungsausgleichs besteht beim nachehelichen Unterhalt aber darin, dass der Unterhaltsanspruch aufgrund des Grundsatzes der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Ehe (§ 1569 BGB) nur ausnahmsweise gegeben sein soll, ein Ausgleich des während der Ehe erworbenen Lebensstandards also die Ausnahme von der Regel bildet, während der Zugewinn und die Versorgungsanwartschaften grundsätzlich immer ausgeglichen werden sollen. Die Praxis zeigt indes, dass im nachehelichen Unterhaltsrecht diese Ausnahme zur Regel geworden ist; vgl. oben unter II.3.c).
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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eine Unterhaltsvereinbarung nicht isoliert auf deren rechtliche Zulässigkeit zu untersuchen, sondern zusätzlich eine Gesamtbetrachtung der ehevertraglichen Scheidungsfolgenregelungen vorzunehmen365. aa) Rechtfertigung der Gesamtbetrachtung Für die These der Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung ehevertraglicher Vereinbarungen spricht zunächst die in § 1587 o Abs. 2 S. 4 BGB zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers. Zwar betrifft diese Vorschrift Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich, die im Zusammenhang mit der Scheidung getroffen werden und deshalb der gerichtlichen Genehmigung bedürfen. Bei dem Genehmigungserfordernis in § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB handelt es sich indes um den einzigen Fall einer spezialgesetzlich vorgeschriebenen richterlichen Inhaltskontrolle einer ehevertraglichen Vereinbarung366. Nach § 1587 o Abs. 2 S. 4 BGB ist die einer Genehmigung vorausgehende Inhaltskontrolle unter Einbeziehung einer von den Ehegatten vereinbarten Unterhaltsregelung und Vermögensauseinandersetzung vorzunehmen. Die Genehmigung hat zu erfolgen, wenn diese weiteren Scheidungsfolgenvereinbarungen insgesamt betrachtet nicht offensichtlich ungeeignet sind, die spätere Versorgung zu sichern und auch nicht offensichtlich zu einem nach Art und Höhe unangemessenen Ausgleich zwischen den Ehegatten führen367. Dies lässt sich zwar sicherlich nicht uneingeschränkt auf andere ehevertragliche Vereinbarungen übertragen. Da es im Übrigen aber an einer ausdrücklichen Regelung zur gerichtlichen Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen fehlt, ist zumindest der in § 1587 o Abs. 2 S. 4 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke der Gesamtbetrachtung der Scheidungsfolgenregelungen auch auf die gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen übertragbar368.
365 Grundsätzlich ebenso: Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 12; Schubert, FamRZ 2001, 733, 736 f; BGH NJW 2004, 930, 934. Vgl. auch BGH FamRZ 2003, 847, 848: Bei einem Grundstückskaufvertrag, der unter Eheleuten im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren geschlossen werde, könne man ein die Sittenwidrigkeit des Geschäfts begründendes auffälliges Missverhältnis jedenfalls dann nicht allein aus der Relation von Grundstückswert und Kaufpreis herleiten, wenn der Kaufpreis Teil einer umfassenden Vermögensauseinandersetzung sei und ein den Kaufpreis überschießender Grundstückswert in anderen wirtschaftlichen Zugeständnissen des Erwerbers eine Entsprechung finde. 366 Abgesehen von den Fällen der Eheverträge beschränkt Geschäftsfähiger oder Geschäftsunfähiger nach § 1411 BGB. 367 Vgl. ausführlich: Hahne, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1587 o, Rn. 25 ff. 368 Vgl. aus der Rechtsprechung zu § 1587 o BGB beispielsweise: OLG Oldenburg FamRZ 1995, 744 f, welches einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich deshalb für genehmigungsfähig hielt, da die an sich Ausgleichspflichtige im Gegenzug auf den nachehelichen Unterhalt verzichtete.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Mittelbar ergibt sich dies auch aus der unterhaltsrechtlichen Spezialregelung des § 1577 BGB. Nach § 1577 Abs. 1 BGB kann nachehelicher Unterhalt nicht verlangt werden, solange und soweit sich der geschiedene Ehegatte aus seinen Einkünften und seinem Vermögen unterhalten kann. Hierzu zählen grundsätzlich auch das Vermögen aus dem Zugewinnausgleich369 sowie Versorgungsleistungen aufgrund des Versorgungsausgleichs. Nach der gesetzgeberischen Wertung geht die Bestreitung des eigenen Unterhalts aus diesen Vermögenswerten der Inanspruchnahme des geschiedenen Ehegatten vor. Dann können diese Scheidungsfolgen bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung aber auch nicht unberücksichtigt bleiben. Insbesondere kann nach den Umständen des Einzelfalls ein Unterhaltsverzicht gerade deshalb als (noch) zulässig anzusehen sein, weil die Versorgung des Verzichtenden durch die weiteren Scheidungsfolgen gesichert scheint. Dies wird durch die Regelung in § 1577 Abs. 4 S. 1 BGB bestätigt, wonach – vorbehaltlich der Ausnahme in Satz 2 – ein Unterhaltsanspruch nicht besteht, wenn zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu erwarten war, dass der Unterhalt des Berechtigten aus seinem Vermögen nachhaltig gesichert sein würde. Auf der anderen Seite darf dann freilich nicht übersehen werden, dass sich die Sittenwidrigkeit eines Unterhaltsverzichts gerade daraus ergeben kann, dass auch auf den Zugewinnausgleich und den Versorgungsausgleich verzichtet wurde (Globalverzicht)370. Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 06.02.2001 auf den Gedanken der Gesamtbetrachtung abgestellt und zur gerichtlichen Inhaltskontrolle einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung ausgeführt, dass hierbei auch die Vermögenslage und der Umfang der in einem Ehevertrag abbedungenen gesetzlichen Rechtspositionen zu berücksichtigen seien; diese Umstände könnten geeignet sein, eine vertragliche Disparität oder die Nachteile eines Unterhaltsverzichts auszugleichen371. bb) Die Kontrolle der Unterhaltsvereinbarung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung In praktischer Hinsicht ist im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle einer Unterhaltsvereinbarung zunächst zu prüfen, ob diese isoliert betrachtet mit den durch §§ 138 Abs. 1, 242 BGB zum Ausdruck kommenden Anforderungen der Rechtsordnung vereinbar ist. Drängt sich danach die Sittenwidrigkeit oder Treuwidrigkeit der Unterhaltsvereinbarung auf, ist zu prüfen, ob die Indizien, welche dieses Unwerturteil stützen, bei einer Gesamtbetrachtung der Scheidungsfolgen369 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1577, Rn. 37; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1577, Rn. 35. 370 Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 12. 371 BVerfGE 103, 89, 104 f.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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regelungen wieder entkräftet werden. Dabei kann es keinen wesentlichen Unterschied machen, ob die Ehegatten die Scheidungsfolgen in einem Ehevertrag umfassend geregelt haben oder ob es sich um eine isolierte Unterhaltsvereinbarung handelt. Denn im letzteren Fall bleiben die weiteren gesetzlichen Scheidungsfolgen – Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich – ohnehin erhalten. Zu beachten ist bei der so vorzunehmenden Gesamtbetrachtung aber, dass es auch hier jeweils auf die konkreten Umstände des Falles ankommt. Allgemeingültige Aussagen, dass etwa ein Unterhaltsverzicht immer wirksam sei, wenn nicht gleichzeitig auch auf den Zugewinn oder den Versorgungsausgleich verzichtet werde, lassen sich nicht machen. Ausgangspunkt der Prüfung muss vielmehr die Frage sein, ob die Versorgung des geschiedenen Ehegatten durch die Scheidungsfolgenregelungen ausreichend und angemessen gesichert ist. Wird die Ehe beispielsweise in jungen Jahren geschieden und haben die Ehegatten keinen nennenswerten Zugewinn erzielt, sind die Ansprüche auf Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich, der sich ja erst mit Eintritt ins Rentenalter realisiert, häufig nicht geeignet, die Nachteile eines Unterhaltsverzichts in wirtschaftlicher Hinsicht zu kompensieren. Andererseits kann beispielsweise ein Ehegatte, der gemeinschaftliche Kinder zu betreuen hat und kein eigenes Einkommen erzielt, wirksam auf den nachehelichen Unterhalt verzichten, wenn sein Unterhalt durch Vermögensverschiebungen während der Ehe, durch den Zugewinnausgleich oder die (spätere) Rente infolge des Versorgungsausgleichs abgesichert scheint372. Zu berücksichtigen ist im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung aber wiederum, dass es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit allein auf die Umstände und Vorstellungen – auch hinsichtlich der künftigen Entwicklung – zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt373. Daher wird man bei einem vorehelich vereinbarten Unterhaltsverzicht nicht allein aus dem Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt denknotwendig noch keine kompensationsfähigen anderweitigen Vermögenspositionen gemeinsam erworben wurden, auf einen Sittenverstoß schließen können. Andererseits kann eine zur Zeit des Vertragsschlusses sittenwidrige Vereinbarung auch durch die spätere tatsächliche Entwicklung während der Ehe keine nachträgliche Wirksamkeit mehr erlangen. Ebenso wenig kann eine zur Zeit des Vertragsschlusses sittengemäße Vereinbarung durch spätere Entwicklungen erst sittenwidrig werden; in diesen Fällen kann allenfalls mit einer Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB geholfen werden. Gründet sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit dagegen allein auf andere als vermögensrechtliche Gesichtspunkte, wie beispielsweise Täuschung, Drohung oder Ausnutzung einer Zwangslage, kann der Sittenverstoß regelmäßig auch nicht durch eine Gesamtschau der Scheidungsfolgenregelungen wieder beseitigt werden. 372 Schubert, FamRZ 2001, 733, 737; Langenfeld, ZEV 2004, 311, 314; Münch, ZNotP 2004, 122, 125. 373 Vgl. ausführlich oben unter IV.2.b)bb).
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
cc) Unverzichtbarer Kernbereich der Scheidungsfolgen? Folgt man der Erkenntnis, dass sich die Wirksamkeit einzelner Vereinbarungen zu den vermögensrechtlichen Folgen einer Scheidung nicht isoliert beurteilen lässt, sondern auch eine Gesamtbetrachtung der vertraglichen Abreden zu den Scheidungsfolgen erfordert, lässt sich zugleich feststellen, dass es einen abstrakt bestimmbaren unverzichtbaren Kernbereich vermögensrechtlicher Scheidungsfolgen nicht gibt. Dies folgt zunächst bereits aus dem Gesetz selbst, da das Eherecht des BGB den entschädigungslosen Verzicht auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt grundsätzlich zulässt374. Hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen anhand der §§ 138 Abs. 1, 242 BGB ergibt sich dies daraus, dass der Verzicht auf einzelne ehebedingt erworbene Vermögenspositionen grundsätzlich durch die übrigen Scheidungsfolgenregelungen kompensiert werden kann375. Fraglich bleibt dann freilich die rechtliche Zulässigkeit der Vereinbarung eines Globalverzichts, also der vertragliche Ausschluss von Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichem Unterhalt376. Solange das Gesetz auch eine solche Vertragsgestaltung im Grundsatz zulässt, lassen sich aber keine allgemeingültigen Aussagen zur Sitten- oder Treuwidrigkeit eines Globalverzichts machen. Es kommt daher auch hier auf die konkreten Umstände an. Bei scheidungsbezogenen Vereinbarungen wird zu berücksichtigen sein, ob die nachteiligen Rechtswirkungen eines Globalverzichts im Hinblick auf den jeweiligen Vermögenserwerb oder auch Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten während der Ehe kompensiert werden können. So ist beispielsweise auch im Rahmen des § 1587 o BGB anerkannt, dass ein entschädigungsloser Verzicht auf den Versorgungsausgleich zu genehmigen ist, wenn er durch die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse während der Ehe gerechtfertigt ist und die anderweitige Versorgung des Verzichtenden gesichert erscheint377. Bei der vorsorgenden Vereinbarung eines Globalverzichts wird entsprechend der Hinweise des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen sein, welches Ehemodell die Ehegatten anstreben und wie sich die jeweilige Verhandlungsposition zur Zeit des Vertragsschlusses darstellt378. Hier lässt sich im Hinblick auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 11.02.2004379 prognostizieren, dass Globalverzichtsvereinbarungen seitens der Rechtsprechung künftig wohl häufiger als bisher dem Verdikt der Sittenwidrigkeit unterfallen werden. 374
BGH NJW 2004, 930, 933. Vgl. für den nachehelichen Unterhalt vorstehend unter IV.2.f)bb). 376 Vgl. hierzu auch unten unter IV.3.b)aa)(4). 377 Borth, FamRZ 1996, 714, 715; BGH FamRZ 1994, 234, 236. 378 BVerfGE 103, 89, 104 f; BVerfG FamRZ 2001, 985. 379 BGH NJW 2004, 930 ff; zuvor bereits in diesem Sinne: Schubert, FamRZ 2001, 733, 739. 375
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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dd) Die möglichen Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit einzelner ehevertraglicher Abreden Erweist sich eine Unterhaltsvereinbarung auch nach einer Gesamtbetrachtung der Scheidungsfolgenregelungen als sittenwidrig, stellt sich im Hinblick auf § 139 BGB die weitere Frage, ob hiervon auch die übrigen ehevertraglichen Regelungen erfasst werden380. Die Vermutung der Gesamtnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 139 BGB ist widerlegt, wenn nach dem hypothetischen Parteiwillen anzunehmen ist, dass das Geschäft bei Kenntnis von der Teilnichtigkeit auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre381. Hier wird man in mehrfacher Hinsicht differenzieren müssen. Im Falle eines Globalverzichts könnte die Aufrechterhaltung der weiteren Verzichtsvereinbarungen zwar bejaht werden, da nicht angenommen werden kann, dass bei Kenntnis von der Unwirksamkeit des Unterhaltsverzichts auch nicht auf Zugewinn und Versorgungsausgleich verzichtet worden wäre382. Ergibt sich die Sittenwidrigkeit aber nicht aufgrund einer isolierten Betrachtung der Unterhaltsvereinbarung, sondern gerade erst aufgrund einer Gesamtbetrachtung der vermögensrechtlichen Scheidungsfolgenvereinbarungen, bleibt für eine Anwendung des § 139 BGB kein Raum383, da dies letztlich zu einer im Rahmen der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB grundsätzlich unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion führen würde384. Bei einem Zusammenspiel verschiedener Scheidungsfolgenvereinbarungen kann die Frage einer Gesamtnichtigkeit daher nicht pauschal beantwortet werden; es kommt auf die Umstände des jeweiligen Falles an. Treffen die Ehegatten in einem Ehevertrag Vereinbarungen zu den drei wesentlichen vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen (Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt), die nach ihrer Vorstellung in ihrer Gesamtheit eine ausgewogene und/oder gerechte Regelung der vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung darstellen, so spricht dieser Umstand dafür, dass diese auch miteinander stehen und fallen sollen385. Etwas anderes kann möglicherweise für den Fall gelten, dass die Ehegatten 380 Auf Fälle einer Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB findet § 139 BGB dagegen keine Anwendung, da es dort gerade an einer Unwirksamkeit fehlt. 381 BGH NJW 2001, 815, 817; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 139, Rn. 14; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139, Rn. 74 ff; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 508. 382 Vgl. zu einem Fall, bei dem die Nichtigkeit eines vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht den gleichzeitig vereinbarten Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und den Ausschluss des Zugewinnausgleichs erfassen soll: OLG Schleswig NJW-RR 1999, 1094. 383 Schubert, FamRZ 2001, 733, 737; Borth, FamRZ 2004, 609, 611 f; Münch, ZNotP 2004, 122, 127; Langenfeld, ZEV 2004, 311, 314. 384 Vgl. hierzu: BGH NJW 2001, 815, 817. 385 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 50 und 198; Klein, in: Weinreich/ Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 12; vgl. hierzu auch: BGH FamRZ 1987, 934, 935.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
zwar keinen Globalverzicht vereinbaren, aber dennoch hinsichtlich aller vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen vertragliche Abstriche von den gesetzlichen Regelungen machen. Erweist sich dann nur eine der ehevertraglichen Vereinbarungen als unwirksam, wird man – falls sich die Unwirksamkeit nicht gerade aus der Gesamtbetrachtung ergibt – kaum annehmen können, dass auch die übrigen Abreden nach dem Willen der Parteien nicht weitergelten, sondern hinsichtlich aller Scheidungsfolgen die gesetzlichen Regeln greifen sollen386. g) Der Vorrang der Einzelfallbeurteilung vor einer Schematisierung von Unwirksamkeitsgründen An dieser Stelle sei nochmals betont, dass auch nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einer Schematisierung von Unwirksamkeitsgründen für ehevertragliche Vereinbarungen zugunsten einer einzelfallbezogenen Beurteilung Einhalt zu gebieten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen aus dem Jahre 2001 den auch im Hinblick auf die bisherige Linie seiner Rechtsprechung zur gerichtlichen Kontrolle von Verträgen zutreffenden Rechtssatz aufgestellt, dass der Ehevertragsfreiheit dort Grenzen zu setzen sind, wo ein Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis einer gleichberechtigten Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt und infolge dessen zu einer einseitigen Lastenverteilung führt387. Dieser Ansatz ist keineswegs neu, da das Bundesverfassungsgericht bereits zuvor mehrmals betont hatte, dass die Privatautonomie dort eingeschränkt ist, wo sich ein Vertrag faktisch als Ergebnis einer Fremdbestimmung darstellt388. Die Entscheidungen aus dem Jahre 2001 wurden erforderlich, da die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung auch bei grob unbilligen und mit dem Rechtsempfinden schwerlich zu vereinbarenden Ergebnissen unter Hinweis auf die Eheschließungsfreiheit jegliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen ablehnte389. Darüber hinaus wurde der das Ehevertragsrecht beherrschende Grundsatz der Privatautonomie aber nicht angetastet. Insbesondere sind Eheverträge nach § 1408 BGB und Unterhaltsvereinbarungen nach § 1585 c BGB nach wie vor grundsätzlich zulässig390. Das Bundesverfassungsgericht lässt deutlich erkennen, dass es gerade keine allgemeingültigen Kriterien oder abstrakten Tatbestandsmerkmale für die Unwirksamkeit von Eheverträgen und Unterhaltsverein386
In diese Richtung wohl auch: Rauscher, DNotZ 2004, 524, 543. BVerfGE 103, 89, 101 ff; BVerfG FamRZ 2001, 985. 388 BVerfGE 89, 214, 232; BVerfGE 81, 242, 254 f. 389 Schwab, FamRZ 2001, 349; vgl. zur bisherigen Rechtsprechung: BGH NJW 1997, 192; BGH NJW 1997, 126, 127; BGH NJW 1992, 3164. 390 So zutreffend: OLG München FamRZ 2003, 376, 377. 387
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barungen aufstellen will, sondern es auf die jeweils vom Tatrichter festzustellenden konkreten Umstände des Falles ankommt391. Die bislang unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hierzu ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen lassen, ob man diesen im Ergebnis jeweils folgt oder nicht, im Großen und Ganzen auch die gebotene Differenzierung erkennen392. An dieser Maxime hat sich auch durch das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004 im Prinzip nichts geändert, da auch dort die Einzelfallbeurteilung durch den Tatrichter besonders betont wird393. Allerdings gab der BGH durch den dort von ihm erstmals benannten und definierten „Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts“394 gewisse Kriterien vor, an denen sich die Inhalts- und Ausübungskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung künftig zu orientieren haben wird. Die weiteren Maßstäbe einer solchen gerichtlichen Kontrolle wurden indes kaum näher konkretisiert395. h) Exkurs: Die gerichtliche Genehmigung von Scheidungskonventionen nach schweizer Recht (Art. 140 ZGB) – Ein Modell für das deutsche Eherecht? Diesen Abschnitt abschließend soll im Rahmen eines Exkurses ein Blick auf das Ehevertragsrecht der Schweiz geworfen werden. Dies bietet sich im Hinblick auf die hier vorgenommene Untersuchung von Zulässigkeit und Umfang einer gerichtlichen Kontrolle von Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen deshalb an, da das Schweizer Zivilgesetzbuch hierzu mit Art. 140 ZGB eine ausdrückliche Regelung enthält, wonach so genannte Scheidungskonventionen einer gerichtlichen Genehmigung bedürfen. aa) Art. 140 ZGB Unter dem Begriff der Scheidungskonvention versteht das schweizer Recht eine Vereinbarung der Ehegatten, in der die Rechtsfolgen einer Scheidung in vermögensrechtlicher Hinsicht vollständig geregelt werden. In der Schweiz wird die überwiegende Mehrheit aller Scheidungsverfahren mit einer solchen Vereinbarung abgeschlossen, weshalb Art. 140 ZGB eine große praktische Bedeutung 391 BVerfGE 103, 89, 104 f; BVerfG FamRZ 2001, 945; vgl. hierzu auch oben unter IV.2.b)bb). 392 Vgl. hierzu ausführlich die Nachweise unter III.5.d)bb). 393 BGH NJW 2004, 930, 935. 394 BGH NJW 2004, 930, 934; vgl. hierzu oben unter III.6. 395 Äußerst kritisch zu dieser Zurückhaltung: Dauner-Lieb, FF 2004, 65, 67 f. Vgl. aber nunmehr zum vertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleich: BGH FamRZ 2005, 26 ff; BGH NJW 2005, 139 ff.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
zukommt396. Die Vorlage einer Scheidungskonvention ist auch Voraussetzung einer einverständlichen Scheidung nach Art. 111 ZGB (Scheidung auf gemeinsames Begehren). Art. 140 ZGB lautet: „(1) Die Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen ist erst rechtsgültig, wenn das Gericht sie genehmigt hat. Sie ist in das Urteilsdispositiv aufzunehmen. (2) Das Gericht spricht die Genehmigung aus, wenn es sich davon überzeugt hat, dass die Ehegatten aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung die Vereinbarung geschlossen haben und diese klar, vollständig und nicht offensichtlich unangemessen ist.“
Eine Scheidungskonvention muss sämtliche im Rahmen einer Scheidung zu regelnden Belange enthalten. Hierzu zählen nach schweizer Recht das Güterrecht (Art. 120, 181 ff ZGB), die Familienwohnung (Art. 121 ZGB), die berufliche Vorsorge (Art. 122 ff ZGB) und der nacheheliche Unterhalt (Art. 125 ff ZGB)397. Zum nachehelichen Unterhalt ist anzumerken, dass das schweizer Recht, im Gegensatz zum deutschen Recht (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB), eine so genannte „Lebensstandardgarantie“ nicht kennt. Nach Art. 125 Abs. 1 ZGB hat ein Ehegatte nur Anspruch auf einen angemessenen Beitrag zu dem ihm gebührenden Unterhalt, dessen Höhe nach Art. 125 Abs. 2 ZGB von den jeweiligen Umständen abhängt398.
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Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 1. Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 10. 398 Art. 125 Abs. 1 und 2 ZGB lauten: „(1) Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten. (2) Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Aufgabenteilung während der Ehe; 2. die Dauer der Ehe; 3. die Lebensstellung während der Ehe; 4. das Alter und die Gesundheit der Ehegatten; 5. Einkommen und Vermögen der Ehegatten; 6. der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder; 7. die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person; 8. die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen.“ 397
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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(1) Der Anwendungsbereich des Art. 140 ZGB Art. 140 ZGB findet Anwendung auf Vereinbarungen in Scheidungs- und Trennungsverfahren399 und bei Eheungültigkeitsprozessen. Ferner ist Art. 140 ZGB analog auf Regelungen des Getrenntlebens und nach h. M. auch auf vorsorgende, auch voreheliche Vereinbarungen anzuwenden. Letzteres wurde im Schrifttum im Hinblick darauf angezweifelt, dass eine Scheidungskonvention in zeitlicher Hinsicht immer einen klaren Zusammenhang mit einer konkreten Scheidung haben müsse; vorsorgende Vereinbarungen seien daher nicht rechtsverbindlich400. Eine vorsorgende Regelung des nachehelichen Unterhalts sei im schweizer Recht nicht möglich, da es an einer Vorschrift wie der des § 1585 c BGB im deutschen Recht fehle401. Die h. M. in Rechtsprechung402 und Lehre403 sieht dies zu Recht anders. Die Ehegatten können auch bereits vor der Ehe einen Ehevertrag schließen (so ausdrücklich: Art. 182 Abs. 1 ZGB). Dieser unterliegt keiner gerichtlichen Genehmigungspflicht404, bedarf aber der öffentlichen Beurkundung (Art. 184 ZGB). Gegenstand eines Ehevertrages im engeren Sinne kann aber – ähnlich wie im deutschen Recht – nur das Güterrecht sein. Es ist kein überzeugender Grund ersichtlich, warum die Ehegatten Vereinbarungen über die weiteren vermögensrechtlichen Folgen einer Scheidung nicht ebenfalls bereits vor oder während intakter Ehe – möglicherweise im Zusammenhang mit einem Ehevertrag – treffen könnten. Die zu dieser Zeit noch vorhandene gegenseitige Zuneigung erscheint eher als Garant, denn als Hindernis einer angemessenen und ausgewogenen Regelung. Durch das in jedem Fall bestehende Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung im Falle der Scheidung sind die Ehegatten ohnehin hinreichend vor Übervorteilung oder wesentlichen Änderungen der Verhältnisse, welche die vorehelich getroffenen Vereinbarungen nunmehr als offensichtlich unangemessen erscheinen lassen können, geschützt405. Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen können daher auch nach schweizer Recht bereits 399 Das Eherecht der Schweiz kennt neben der Ehescheidung auch das Institut der gerichtlichen Trennung der Ehe (Art. 117 f ZGB). Die gerichtliche Trennung der Ehe kann unter den gleichen Voraussetzungen wie die Scheidung verlangt werden (Art. 117 Abs. 1 ZGB). Sinn und Zweck dieser Regelung ist die Ermöglichung einer Beruhigung und Wiedervereinigung von in zerrütteter Ehe lebenden Ehegatten sowie – für Ehegatten, die eine Scheidung aus Glaubens- oder Gewissensgründen ablehnen – die Ermöglichung einer rechtswirksamen Trennung, die aber keine Scheidung ist; vgl. Steck, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 117/118, Rn. 1. 400 Geiser, in: FS Hausheer, 217, 229 und 233. 401 Geiser, in: FS Hausheer, 217, 229. 402 BGE 121 III, 393, 395. 403 Breitschmid, AJP 1999, 1606, 1607 ff; Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140 ZGB, Rn. 7 und 18; Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 1. 404 Bis 1988 sah das schweizer Eherecht in Art. 181 Abs. 2 ZGB allerdings noch eine Kontrolle durch die Vormundschaftsbehörde vor. 405 Breitschmid, AJP 1999, 1606, 1610 und 1612.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
vor der Ehe getroffen werden. Erfolgen sie im Zusammenhang mit einem Ehevertrag, unterliegen sie zwar nicht der Beurkundungspflicht nach Art. 184 ZGB, bedürfen aber der gerichtlichen Genehmigung nach Art. 140 ZGB analog406. (2) Voraussetzungen und Rechtsfolgen der gerichtlichen Genehmigung nach Art. 140 ZGB Der Sinn und Zweck der Regelung des Art. 140 ZGB ist im sozialen Schutz der Parteien in einer besonderen Lebenssituation zu sehen407. Die Scheidungskonvention bedarf grundsätzlich keiner Form, kann also auch mündlich geschlossen werden408. Nach h. M. ist eine Scheidungskonvention zwar bereits ab ihrem Abschluss für die Parteien verbindlich409; rechtswirksam wird sie indes erst mit der gerichtlichen Genehmigung im Scheidungsfall. Die Scheidungskonvention ist damit bis zur Genehmigung schwebend unwirksam. Die Voraussetzungen einer Genehmigung ergeben sich aus Art. 140 Abs. 2 ZGB. Danach hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung von beiden Parteien unter freier Willensbildung und Willensäußerung oder unter Zwang oder Täuschung durch den anderen Vertragsteil oder Dritte zustande gekommen ist410. Weiter hat das Gericht festzustellen, dass die Vereinbarung nach reiflicher Überlegung zustande gekommen ist, sich also jede Partei über deren rechtliche Tragweite im Klaren ist411. Die Scheidungskonvention muss sämtliche im Rahmen einer Scheidung zu regelnden Belange enthalten und im Hinblick auf eine spätere Vollstreckung inhaltlich klar sein. Die gerichtliche Genehmigung darf schließlich nur erteilt werden, wenn die Vereinbarung nicht offensichtlich unangemessen ist. 406 BGE 121 III, 393, 395; Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140 ZGB, Rn. 7 und 18; Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 1. 407 Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140 ZGB, Rn. 13; Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 1; ähnlich zur vorherigen Regelung in Art. 158 Abs. 5 ZGB: Spühler, in: Berner Kommentar, ZGB, § 158, Rn. 158. 408 Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140 ZGB, Rn. 21 ff; allerdings kann wohl nach kantonalem Recht Schriftform erforderlich sein. 409 Geiser, in: FS Hausheer, 217, 220 f; Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 2. Hierbei ist aber zu beachten, dass bei einer einverständlichen Scheidung nach Art. 111 ff ZGB, die neben einem Antrag beider Ehegatten auch die Einreichung einer Scheidungskonvention voraussetzt, letztere erst nach Ablauf der zweimonatigen Bedenkzeit des Art. 111 Abs. 2 ZGB für die Parteien verbindlich wird. Bis dahin kann sie jederzeit grundlos widerrufen werden. Auch wenn die Vereinbarung für die Ehegatten verbindlich geworden ist, kann dennoch deren Nichtgenehmigung im Scheidungsverfahren beantragt werden; vgl. zum Ganzen: Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140 ZGB, Rn. 39 ff. 410 Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 6. 411 Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 7.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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Mit der Scheidungsrechtsreform aus dem Jahre 1998 (in Kraft seit dem 01.01.2000) und der damit verbundenen Neuregelung des Art. 140 ZGB hat der schweizer Gesetzgeber den Prüfungsmaßstab des Gerichts eingeschränkt und damit die Privatautonomie der Ehegatten gestärkt412. Nach der alten Regelung des Art. 158 Abs. 5 ZGB war der richterliche Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Genehmigung einer Scheidungskonvention noch nicht tatbestandsmäßig normiert413. Von der damals h. M. wurde angenommen, dass das Gericht die Scheidungskonvention auf ihre rechtliche Zulässigkeit, ihre Klarheit und ihre sachliche Angemessenheit hin zu untersuchen habe414. Nach der Neuregelung rechtfertigt nur noch die offensichtliche Unangemessenheit eine Verweigerung der Genehmigung. Für diese Beurteilung bedarf es regelmäßig einer Gesamtschau der Scheidungsfolgenregelungen415. Offensichtlich unangemessen ist die Scheidungskonvention in jedem Fall dann, wenn sie gesetzes- oder sittenwidrig ist. Letzteres wird beispielsweise – ähnlich wie im deutschen Recht – angenommen, wenn durch einen Unterhaltsverzicht der Verzichtende der Sozialhilfe oder unterhaltshaltspflichtigen Verwandten zur Last fällt. Auch die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen gemeinschaftlicher Kinder kann die Sittenwidrigkeit begründen416. Ob das Gericht nach der Neuregelung des Art. 140 ZGB darüber hinaus eine umfassende Inhaltskontrolle der Scheidungskonvention vorzunehmen hat, ist noch nicht abschließend geklärt. Während das Bundesgericht417 und Teile des Schrifttums418 zum alten Recht im Ansatz noch davon ausgingen, dass eine umfassende Inhaltskontrolle vorzunehmen sei, spricht der Wortlaut der Neuregelung dafür, dass aufgrund der Privatautonomie der Ehegatten nur eine eingeschränkte Inhaltskontrolle stattfinden soll419. Im Hinblick darauf erscheint die Auffassung vorzugswürdig, wonach eine offensichtliche Unangemessenheit nicht bereits dann vorliegt, wenn das Gericht im Streitfall anders entscheiden würde, sondern erst dann, wenn mit der Vereinbarung in einer durch Billigkeitserwägungen nicht zu rechtfertigenden Weise von den gesetzlichen Regelungen abgewichen wird420. Dies ist dann anzunehmen, wenn bei einer wirtschaftlichen
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Geiser, in: FS Hausheer, 217, 220. Art. 158 Abs. 5 ZGB a. F. lautete: „Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung oder Trennung bedürfen zur Rechtsgültigkeit der Genehmigung durch den Richter.“ 414 BGE 119 II, 297, 301; Geiser, in: FS Hausheer, 217, 220; Spühler/Schütt, AJP 1999, 1541, 1544; Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 12. 415 Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140 ZGB, Rn. 72; Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 12. 416 Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 11. 417 BGE 121 III, 393, 395 f; BGE 119 II, 297, 301. 418 Schwenzer, AJP 1996, 1156, 1158; a. A.: Spühler, in: Berner Kommentar, ZGB, § 158, Rn. 183, der nur eine beschränkte Angemessenheitsprüfung für zulässig erachtete. 419 Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 12. 413
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Gesamtbetrachtung der Scheidungskonvention ein „offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung“421 festgestellt werden kann. Versagt das Gericht die Genehmigung, entfaltet die Vereinbarung keinerlei Rechtswirkungen422. Können sich die Ehegatten auch weiterhin nicht auf eine genehmigungsfähige Vereinbarung einigen, fehlt es bei einer einverständlichen Scheidung an einer Scheidungsvoraussetzung (Art. 111 Abs. 1 ZGB). Ausnahmsweise kann eine Teilgenehmigung in Betracht kommen, wenn anzunehmen ist, dass die Vereinbarung auch ohne den nicht genehmigten Teil abgeschlossen worden wäre. Hierbei wird aber stets zu bedenken sein, dass die einzelnen Bestimmungen einer Scheidungskonvention regelmäßig in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen423. Im Falle einer Teilgenehmigung können die Ehegatten im Rahmen der Scheidung auf gemeinsames Begehren (Art. 111 ZGB) hinsichtlich des nicht genehmigten Teils gemeinsam die Entscheidung des Gerichts beantragen (Art. 112 ZGB). Andernfalls setzt das Gericht jedem Ehegatten eine Frist, um das Scheidungsbegehren durch Klage zu ersetzen (Art. 113 ZGB)424, wobei auch dort eine einverständliche Regelung durch eine Scheidungskonvention anzustreben ist, wenn der andere Ehegatte zustimmt oder Widerklage erhebt (Art. 116, 111, 112 ZGB). Im Übrigen erfolgt eine streitige Entscheidung über die Scheidungsfolgen. bb) Erforderlichkeit einer gerichtlichen Genehmigung auch im deutschen Eherecht? Es bleibt nunmehr zu erwägen, ob die schweizer Regelung der gerichtlichen Genehmigungspflicht von Scheidungsfolgenvereinbarungen auch Modellcharakter für das deutsche Scheidungsfolgenrecht haben kann. Auch hierzulande ist vereinzelt aufgrund der wirtschaftlichen Tragweite von Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt de lege ferenda deren gerichtliche Genehmigungspflicht gefordert worden425. 420 Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140, Rn. 71; Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 12. 421 Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 11 f; gemeint ist hiermit die vermögensrechtliche Scheidungsfolgenregelung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse während der Ehe. Vgl. auch Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140, Rn. 72 f. 422 Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Art. 140 ZGB, Rn. 45; Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 14. 423 Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 15. 424 Allerdings kennt das schweizer Recht bei der streitigen Scheidung nur die beiden Scheidungsgründe des vierjährigen Getrenntlebens (Art. 114 ZGB) oder der Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen (Art. 115 ZGB). Scheitert die einverständliche Regelung der Scheidungsfolgen nach Art. 111, 112 ZGB müssen die Ehegatten daher möglicherweise noch Jahre warten, bis Ehe geschieden werden kann.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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(1) Das Gegenargument der Rechtssicherheit und des Sinn und Zwecks des § 1585 c BGB Gegen ein solches Genehmigungserfordernis sprechen m. E. sowohl Gründe der Rechtssicherheit als auch der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Privatautonomie sowie der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen zum Ehevertragsrecht. Mit einer gesetzlich vorgeschriebenen gerichtlichen Genehmigungspflicht ihrer für den Fall der Scheidung getroffenen Vereinbarungen würde den Ehegatten mit der einen Hand genommen, was ihnen mit der anderen – Gewährleistung der Privatautonomie – gegeben wurde. Sieht man die Zielsetzung der Ehevertragsfreiheit auch darin, den Ehegatten die rechtliche Möglichkeit zu gewähren, die Rechtsfolgen einer Scheidung auch schon vor der Ehe einverständlich nach ihren persönlichen Vorstellungen zu regeln und damit auch ehekritisch eingestellte oder unentschlossene Lebensgemeinschaften zur Eheschließung zu bewegen426, würde die gesetzliche Einführung einer Genehmigungspflicht diesem Ziel zweifellos zuwider laufen. Die schwebende Unwirksamkeit der ehevertraglichen Vereinbarungen bis zu ihrer gerichtlichen Genehmigung im Scheidungsfall birgt für die Vertragsschließenden zudem ein kaum zumutbares Rechtssicherheitsrisiko in sich, da sie letztlich immer erst dann von der endgültigen Unwirksamkeit Kenntnis erlangen, wenn die Vereinbarungen ihre Rechtswirkungen entfalten sollen, nämlich im Falle der Scheidung. Dem Sinn und Zweck des § 1585 c BGB, den der Gesetzgeber in der Ermöglichung einer „möglichst frühzeitige(n) und endgültige(n) vertragliche(n) Lösung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung“427 und damit einer Vermeidung unnötigen Streits im Scheidungsverfahren oder einer späteren Unterhaltsstreitigkeit sieht, würde eine schwebende Unwirksamkeit der Unterhaltsvereinbarung bis zur Erteilung der gerichtlichen Genehmigung wohl ebenfalls kaum gerecht werden428. Die Möglichkeit der Einholung einer „vorgezogenen“ gerichtlichen Genehmigung – etwa durch das Familiengericht oder das Vormundschaftsgericht – bereits nach Abschluss der Vereinbarung, also auch ohne konkreten Scheidungsbezug, würde diese Rechtsunsicherheit zwar zunächst beseitigen. Sie ist jedoch schon aufgrund der damit verbunden Aushöhlung des Aufgaben- und Pflichtenkreises der Kautelarjuristen und der sicherlich nicht unerheblichen Mehrbelastung der Rechtspflege ebenfalls abzulehnen. Im Übrigen soll für die gericht425
Bartsch, ZRP 1979, 96, 97; Bosch, in: FS Habscheid, 23, 42. Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 19; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 19. 427 BT-Drs. 7/650, S. 149. 428 Dies umso weniger, wenn man – wie es nach der Rechtslage in der Schweiz der Fall ist –, annähme, dass die Ehegatten im späteren Scheidungsverfahren die Nichtgenehmigung ihrer Vereinbarung beantragen könnten; vgl. Gloor, in: Basler Kommentar, ZGB, Art. 140, Rn. 2 und soeben unter IV.2.h)aa). 426
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
liche Genehmigung nach schweizer Vorbild ja gerade der Zeitpunkt der Scheidung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse während der Ehe – und nicht derjenige des Vertragsschlusses – maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sein. (2) Das Gegenargument der Privatautonomie und der Systematik des Vertragsrechts des BGB Eine generelle Genehmigungspflicht ehevertraglicher Vereinbarungen würde zudem nicht in die vom Primat der Vertragsfreiheit geprägte Systematik des BGB passen. Danach kommt eine gerichtliche Genehmigung als Wirksamkeitserfordernis eines zivilrechtlichen Vertrages nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die im BGB geregelten gerichtlichen Genehmigungserfordernisse betreffen regelmäßig Fälle, in denen der Betroffene aufgrund Geschäftsunfähigkeit oder einer Beschränkung seiner Geschäftsfähigkeit eines besonderen Schutzes durch die Rechtsordnung bedarf429. Im Übrigen hält sich der Staat bei Rechtsgeschäften zwischen Privatpersonen zum Schutze des Rechtsverkehrs mit Genehmigungsvorbehalten zu Recht zurück. Dies ist unmittelbarer Ausdruck des verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatzes der Privatautonomie, wonach das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) auch die Befugnis umfasst, seine persönlichen Verhältnisse im Rahmen des gesetzlich Zulässigen selbstbestimmt zu regeln430. Ein Schutz des Einzelnen vor Übervorteilung, Überrumpelung oder sonstiger Benachteiligung findet daher regelmäßig erst nachträglich im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle der entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen am Maßstab der §§ 138, 242 BGB statt. Die Einführung eines gerichtlichen Genehmigungserfordernisses für Eheverträge und Unterhaltsvereinbarungen, welche zwischen voll geschäftsfähigen Ehegatten abgeschlossen werden, wäre daher systemwidrig und, da dies den Ehegatten die Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Regelung der Scheidungsfolgen abspräche, rechtspolitisch verfehlt. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs erschiene ein gerichtliches Genehmigungserfordernis zudem als nicht erforderliche und damit unzulässige Einschränkung der auch im Eherecht verfassungsrechtlich gewährleisteten Privatautonomie431. 429 Als Beispiele sind hier die Genehmigung des Familiengerichts für bestimmte Rechtsgeschäfte, welche die Eltern für das Kind vornehmen (vgl. §§ 1643, 1821 f, 2347 BGB), die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts für bestimmte Rechtsgeschäfte, die der Vormund in gesetzlicher Vertretung des Mündels vornimmt (§§ 1819 ff, 2347 BGB) oder die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts für bestimmte Rechtsgeschäfte, die der Betreuer für den Betreuten vornimmt (§§ 1908 i, 1819 ff, 1411 Abs. 1 S. 2 BGB) zu nennen. 430 BVerfGE 89, 214, 231; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 145, Rn. 7. 431 Vgl. hierzu insbesondere: BVerfGE 60, 329, 339.
2. Grundsätze zur gerichtlichen Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen
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(3) Keine andere Beurteilung aufgrund § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB Eine Ausnahme von der eben dargestellten Systematik bildet allerdings § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB, wonach eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, welche die Ehegatten im Zusammenhang mit der Scheidung schließen, der Genehmigung des Familiengerichts bedarf432. Den Sinn und Zweck dieser Regelung hat der Gesetzgeber im Schutz des Ausgleichsberechtigten vor Übervorteilung und der Realisierung des mit dem Versorgungsausgleich verfolgten Ziels, den Berechtigten sozial abzusichern, gesehen433. Warum allerdings Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich bei Vertragsschluss vor und während intakter Ehe nur der notariellen Beurkundung bedürfen, während bei Vertragsschluss im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren zusätzlich zur notariellen Beurkundung eine gerichtliche Genehmigung erforderlich ist, vermag nicht recht einzuleuchten434. Denn eigentlich genießt der Verzichtende gerade in letzterem Fall ohnehin den größeren Schutz. Dort ist der Ausgleichsberechtigte bei Verzichtsvereinbarungen vor Stellung des Scheidungsantrags durch § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB und die unparteiliche rechtskundige Belehrung des Notars geschützt; bei Vereinbarungen während des Scheidungsverfahrens kommt – neben der Belehrungspflicht des Notars435 – hinzu, dass die Ehegatten regelmäßig durch einen die jeweiligen Interessen vertretenden Rechtsanwalt beraten sind436.
432 Ein Zusammenhang mit der Scheidung im Sinne des § 1587 o Abs. 1 S. 1 BGB ist – unabhängig von der Stellung des Scheidungsantrags – bereits dann zu bejahen, wenn sich einer der Ehegatten für den anderen erkennbar mit konkreten Scheidungsabsichten trägt; vgl. Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1587 o, Rn. 4; Rauscher, Familienrecht, Rn. 701. 433 BT-Drs. 7/4361, S. 49 f; vgl. ausführlich zum Gesetzgebungsverfahren die Darstellung in BVerfGE 60, 329, 331 ff. 434 Kritisch insofern auch: Frank, AcP 200 (2000), 401, 410; Büttner, FamRZ 1998, 1, 2 f. Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht verneint, da die Situation bei Abschluss einer vorsorgenden Vereinbarung nicht mit derjenigen bei Abschluss einer scheidungsbezogenen Vereinbarung zu vergleichen sei; vgl. BVerfGE 60, 329, 346 ff. 435 Nach §§ 1587 o Abs. 2 S. 2, 127a BGB ist der gerichtliche Vergleich der notariellen Beurkundung gleichgestellt. Die den Notar treffenden Pflichten aus § 17 BeurkG gelten dann für das Gericht nach § 1 Abs. 2 BeurkG entsprechend. 436 In Familiensachen herrscht nach Maßgabe des § 78 Abs. 2 ZPO Anwaltszwang. Es besteht allerdings keine Pflicht für beide Ehegatten, einen Prozessvertreter zu bestellen. Bestellt ein Ehegatte im Scheidungsverfahren keinen Rechtsanwalt, kann er zwar keine wirksamen Prozesshandlungen vornehmen, also insbesondere keine Anträge stellen. Er ist aber gemäß § 613 ZPO persönlich anzuhören und kann insbesondere nach §§ 630 Abs. 2, 78 Abs. 3 ZPO wirksam die Zustimmung zur Scheidung erklären. Gerade bei einer einverständlichen Scheidung wird diese Möglichkeit aus Kostengründen – es fallen schließlich nur die Gebühren eines Rechtsanwalts an – von nicht wenigen Ehegatten genutzt. Obwohl die prozessuale Vorgehensweise in der Regel nach Absprache mit beiden scheidungswilligen Ehegatten erfolgt, vertritt der
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Das Bundesverfassungsgericht hielt die Regelung des § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel, die Versorgung des Ausgleichsberechtigten zu sichern und zu verhindern, dass dieser sich aus sachfremden Erwägungen zu einer nachteiligen Versorgungsausgleichsvereinbarung drängen lasse, für verfassungsgemäß437. Insbesondere habe der Gesetzgeber mit der Regelung des § 1587 o Abs. 2 S. 4 BGB438 sichergestellt, dass der Eingriff in die Handlungsfreiheit der Ehegatten die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogenen Grenzen der Zumutbarkeit nicht überschreite439. Aus dieser Entscheidung ergibt sich – zumindest mittelbar – aber auch, dass ein genereller gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt für Eheverträge oder Unterhaltsvereinbarungen nicht mehr mit der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Ehevertragsfreiheit vereinbar wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich hervorgehoben, dass ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten mit dem Grundgesetz nur dann zu vereinbaren sei, wenn er zur Erreichung eines legitimen gesetzgeberischen Ziels geeignet und erforderlich sei und die Ehegatten nicht übermäßig belaste440. Die ausnahmsweise Genehmigungsbedürftigkeit nach § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB sei aufgrund der Besonderheiten beim Versorgungsausgleich gerechtfertigt. Der Notar könne mangels gesicherter Erkenntnisse über die Versorgungsdaten der Ehegatten nicht sachgerecht belehren; das Gericht (vgl. §§ 1587 o Abs. 2 S. 2, 127a BGB) habe dagegen – anders als der Notar bei der Beurkundung – nicht die Möglichkeit, eine Protokollierung zu verweigern441. Diese Begründung, nach der ein Genehmigungserfordernis nur im Ausnahmefall verfassungsrechtlich zulässig ist, belegt, dass ein allgemeiner gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt für Eheverträge und Unterhaltsvereinbarungen im Hinblick auf die durch Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG gewährleistete Ehevertragsfreiheit nicht in Betracht kommen kann. Das in Art. 140 ZGB zum Ausdruck kommende schweizer Modell ist damit nicht auf das deutsche Ehevertragsrecht übertragbar. Soweit an der Regelung des § 1585 c BGB vielfach kritisiert wird, dass (isolierte) Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt jederzeit formlos geschlossen werden können, könnte diesem vermeintlichen Missstand mit der Einführung einer notariellen Beurkundungspflicht wesentlich effektiver begegnet werRechtsanwalt nach außen freilich nur einen Ehegatten. Der nicht anwaltlich vertretene Ehegatte ist durch die Regelung des § 625 ZPO ausreichend geschützt. 437 BVerfGE 60, 329, 338 ff. 438 § 1587 o Abs. 2 S. 4 BGB lautet: „Die Genehmigung soll nur verweigert werden, wenn unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung offensichtlich die vereinbarte Leistung nicht zu einer dem Ziel des Versorgungsausgleichs entsprechenden Sicherung des Berechtigten geeignet ist oder zu keinem nach Art und Höhe angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt.“ 439 BVerfGE 60, 329, 345. 440 BVerfGE 60, 329, 339. 441 BVerfGE 60, 329, 344 f.
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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den, als mit der Einführung einer gerichtlichen Genehmigungspflicht im Scheidungsfall442. Eine notarielle Beurkundung kann zwar nicht die Wirksamkeit oder (faktische) Rechtsbeständigkeit einer Vereinbarung gewährleisten443. Aufgrund der Beteiligung eines rechtskundigen Dritten beim Vertragsschluss und den dem Notar obliegenden Aufklärungs- und Belehrungspflichten erscheint dies dennoch schon aus Rechtssicherheitsgründen die vorzugswürdige Lösung, statt eine formlos – aber schwebend unwirksam – geschlossene Unterhaltsvereinbarung im „Ernstfall“ an einem gerichtlichen Genehmigungserfordernis scheitern zu lassen.
3. Die gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im konkreten Einzelfall Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen soll im Folgenden, auch unter Berücksichtigung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, versucht werden, die Kriterien herauszuarbeiten, anhand derer eine Inhalts- oder Ausübungskontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Eherecht vorzunehmen ist. Zudem sollen Hinweise hinsichtlich der Konsequenzen der richtungsweisenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 und des BGH aus dem Jahre 2004 für die künftige Gestaltung von Unterhaltsvereinbarungen gegeben werden. a) Vereinbarungen über den Unterhalt während bestehender Ehe Auf – in der Praxis nur selten vorzufindende – Vereinbarungen zum Familienunterhalt, aber auch auf Vereinbarungen zum Unterhalt bei Getrenntleben werden sich die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 und auch das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004 kaum auswirken, da hier aufgrund des durch §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4, 1614 Abs. 1 BGB aufgestellten Verzichtsverbots ohnehin kaum nachteilige Vereinbarungen zu Lasten eines Ehegatten möglich sind. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu Vereinbarungen über den Unterhalt während bestehender Ehe findet sich nur wenig. Dennoch ist ein Überblick über nach hier vertretener Auffassung zulässige Vereinbarungen schon im Hinblick auf einen Vergleich zu den Gestaltungsmöglichkeiten und der gerichtlichen Kontrolle bei Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt unverzichtbar. 442 De lege ferenda für die Einführung einer notariellen Beurkundungspflicht für Vereinbarungen nach § 1585 c BGB: Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 45; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 4; Rauscher, Familienrecht, Rn. 635; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 632. 443 Vgl. bereits oben unter IV.2.d).
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
aa) Vereinbarungen über den Familienunterhalt In der Kautelarjurisprudenz finden sich zu Vereinbarungen zum Familienunterhalt kaum Regelungsvorschläge444, woraus gefolgert werden kann, dass es sich hierbei nicht um ein praxisrelevantes Problem handelt. M. E. erscheint in Bezug auf Vereinbarungen zum Familienunterhalt auch generell Zurückhaltung geboten. Eine Vereinbarung, in der die Ehegatten die Art und Weise der Erfüllung ihrer gegenseitigen Unterhaltspflichten aus § 1360 BGB regeln, betrifft immer auch die Frage der Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit im Sinne des § 1356 BGB445. Zwar ist noch nicht abschließend geklärt, welcher Rechtscharakter dem Einvernehmen im Sinne des § 1356 Abs. 1 S. 1 BGB zukommt; im Ergebnis besteht jedoch weitgehend Einigkeit darin, dass dieses Einvernehmen zumindest rechtsgeschäftsähnlichen Charakter hat446. Im Grundsatz ist auch anerkannt, dass die Ehegatten die Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit vertraglich regeln können447. Es bleibt indes fraglich, inwieweit solche Vereinbarungen in ehelichen Krisensituationen rechtsverbindlich sind. § 1356 BGB ist in seiner heutigen Fassung, die er durch das 1. EheRG erhalten hat, Ausdruck der Ehe als einer gleichberechtigten Lebensgemeinschaft, in der es ein gesetzliches Leitbild der Ehe nicht (mehr) gibt und beide Ehegatten zur Erwerbstätigkeit berechtigt sind (§ 1356 Abs. 2 S. 1 BGB). Wie sich aus der Formulierung des § 1356 Abs. 2 BGB mittelbar ergibt, unterliegt die Aufteilung von Erwerbsund Familienarbeit auch während der Ehe grundsätzlich der Notwendigkeit des Konsenses448, mit der logischen Folge, dass beispielsweise auf das Recht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 1356 Abs. 2 S. 1 BGB nicht dauerhaft vertraglich verzichtet werden kann. Will ein Ehegatte aufgrund einer wesentlichen Änderung der Sachlage oder seiner persönlichen Vorstellungen von der
444 Vgl. als Ausnahme beispielsweise: Grziwotz, in: Beck’sches Notarhandbuch, B I. Eheverträge, Rn. 25; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 657. 445 Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 15. Kap., Rn. 3; Diederichsen, NJW 1977, 217, 219. 446 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 41; Diederichsen, NJW 1977, 217, 219; ausführlich: Kurr, FamRZ 1978, 2 ff. Ähnlich: Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 18 III 4, S. 168 f und Ziegler/Mäuerle, Familienrecht, Rn. 66: Ordnung, die sich die Ehegatten zur Organisation des ehelichen Zusammenlebens geben und die durch einseitigen Akt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Zukunft aufgehoben werden kann. Gernhuber erkennt den Rechtsgeschäftscharakter einer solchen Ordnung ausdrücklich an, vgl. Gernhuber, FamRZ 1979, 193, 196. Anders Schwab, Familienrecht, Rn. 112: Kein Rechtsgeschäft, aber aufgrund der allgemeinen Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft verbindliche Übereinkunft, von der einseitig nur bei Vorliegen wesentlicher Gründe für eine Änderung abgerückt werden kann. 447 Grziwotz, MDR 1998, 1075, 1079; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 657; Diederichsen, NJW 1977, 217, 223. 448 Rauscher, Familienrecht, Rn. 242.
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Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft an der einmal getroffenen Regelung nicht mehr festhalten, muss eine Abänderung möglich sein449. Eine vertragliche Vereinbarung, die eine solche Abänderbarkeit ausschließt, ist daher wegen Unvereinbarkeit mit der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ehe als einer gleichberechtigten Lebensgemeinschaft sowie aufgrund einer übermäßigen Beschränkung der persönlichen Handlungsfreiheit als sittenwidrig zu werten450. Die Unwirksamkeit einer die Abänderung ausschließenden Vereinbarung über die Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit erschließt sich auch daraus, dass sich eine Pflicht zur Erwerbstätigkeit des haushaltsführenden Ehegatten auch aus der unterhaltsrechtlichen Regelung des § 1360 BGB ergeben kann. Reicht beispielsweise die Arbeitskraft des einen Ehegatten zur Deckung des Familienunterhalts nicht mehr aus, so kann der andere Ehegatte trotz einer vertraglich anderweitig vereinbarten Aufteilung aufgrund § 1360 S. 1 BGB zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet sein451. Eine vertragliche Abbedingung dieser Pflicht wäre nach §§ 1360 a Abs. 3, 1614 Abs. 1, 134 BGB nichtig. Vereinbarungen über den Familienunterhalt stehen somit neben der strengen Regelung des § 1614 Abs. 1 BGB auch immer unter dem Vorbehalt eines fortbestehenden Einvernehmens. Haben die Ehegatten eine einvernehmliche Regelung über die Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit getroffen, kann sich die weitere Frage stellen, ob eine Abrede, wonach ein erwerbstätiger Ehegatte seinen Beitrag zum Familienunterhalt (allein) durch die Leistung von Barunterhalt erbringt, rechtswirksam ist. Auszugehen ist hier im Grundsatz davon, dass die Art der Unterhaltsleistung von den Ehegatten bestimmt werden kann. Der Familienunterhalt kann danach durch tatsächliches Bewirken, durch Naturalleistungen oder durch Bereitstellen von Geld geleistet werden452. Eine vertragliche Regelung zur Art und Weise der Gewährung des Familienunterhalts zwischen den Ehegatten ist zulässig, soweit sie in Bezug auf § 134 BGB die Grenzen des § 1614 Abs. 1 BGB beachtet453 und hinsichtlich des § 138 Abs. 1 BGB mit dem Wesen der Ehe vereinbar ist. Zwar begründet § 1360 BGB nach seinem Sinn und Zweck keinen Anspruch auf Barunterhalt454; andererseits kann ein solcher Anspruch ausnahmsweise aber dann bestehen, wenn die Ehegatten aufgrund von Sach449 Rauscher, Familienrecht, Rn. 242; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 20 I 2, S. 215; Grziwotz, MDR 1998, 1075, 1079. 450 Gernhuber, FamRZ 1979, 193, 197 f; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 44. 451 Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1360, Rn. 13; Scholz, in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 3, Rn. 19. 452 Vgl. zur Bereitstellung von Haushalts- oder Wirtschaftsgeld § 1360 a Abs. 2 S. 2 BGB. 453 Lange, in: Soergel, BGB, § 1360, Rn. 12; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360, Rn. 55; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1360, Rn. 23. 454 BGH NJW 1995, 1486; Scholz, in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 3, Rn. 1.
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zwängen (beispielsweise berufsbedingt) getrennt sind, aber nicht im Sinne von § 1361 BGB getrennt leben455. Dann muss auch eine Abrede, den Familienunterhalt in Form einer Geldrente zu gewähren, im Einzelfall zulässig sein456, wenn der Unterhalt damit nicht dauerhaft vollständig abgegolten werden soll. Letztere Regelung widerspräche aufgrund ihrer rein materiellen Ausrichtung dem Wesen der Ehe und verstieße zudem gegen die in § 1356 BGB postulierte Flexibilität bei der ehelichen Aufgabenverteilung, auf welche die Ehegatten nicht unwiderruflich verzichten können. Im Hinblick auf die zweifelhafte Rechtsverbindlichkeit von Vereinbarungen zur Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit und der Art und Weise der Gewährung des Familienunterhalts, kann den Ehegatten m. E. nur empfohlen werden, entweder deren Abänderbarkeit klar und unmissverständlich schriftlich zu fixieren457 oder besser gleich von einer solchen Regelung abzusehen und es beim formlosen (konkludenten) Einvernehmen nach § 1356 Abs. 1 S. 1 BGB zu belassen458. Denn käme es hinsichtlich der getroffenen vertraglichen Regelung tatsächlich zum Rechtsstreit, würde die Vereinbarung einer gerichtlichen Kontrolle in der Mehrzahl der Fälle wohl nicht standhalten. bb) Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben Deutlich größere praktische Bedeutung kommt Vereinbarungen zum Unterhalt bei Getrenntleben zu. Dass hier eine einverständliche Regelung zulässig und auch wünschenswert ist, da sie zum einen – wegen Vermeidung eines Unterhaltsrechtsstreits – geeignet ist, die Chance einer Versöhnung zu wahren und zum anderen – bei gefestigtem Scheidungswillen – eine befriedende Wirkung während des Scheidungsverfahrens ausstrahlt459, wurde bereits dargelegt460.
455 Rauscher, Familienrecht, Rn. 320; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1360, Rn. 23 und § 1360 a, Rn. 14; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360 a, Rn. 50. 456 Lange, in: Soergel, BGB, § 1360 a, Rn. 12; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1360, Rn. 23 und § 1360 a, Rn. 14. Die gegenteilige Auffassung des RG, die sich insbesondere auf einen Verstoß gegen das Entscheidungsrecht des Mannes aus § 1354 BGB 1896 stützte, vgl. RG JW 1905, 435 f, ist aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Änderungen der Gesetzeslage und der gesellschaftlichen Wertvorstellungen lange überholt. 457 Vgl. beispielsweise: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 657, dort a. E.: „Der Notar hat die Erschienenen darauf hingewiesen, daß das Einvernehmen über die Eheführung jederzeit einseitig aufgekündigt werden kann.“ 458 Zurückhaltend daher auch: Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 15. Kap., Rn. 9 und Langenfeld, Eheverträge, Rn. 657; Brambring, in: Schnitzler, Münchener Anwaltshandbuch – Familienrecht, § 25, Rn. 22. 459 Cuny, in: RGRK, BGB, § 1361 BGB, Rn. 39; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 27. 460 Vgl. oben unter II.2.d)bb).
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Sowohl in der Rechtsprechung461 als auch im Schrifttum462 ist anerkannt, dass § 1614 Abs. 1 BGB privatautonome Vereinbarungen auch im Bereich des Unterhalts bei Getrenntleben im Grundsatz zulässt (vgl. §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360 a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB). Die Disponibilität des § 1361 Abs. 4 S. 1 BGB rechtfertigt sich bereits aus der Gesetzesintention, nach der in die bestehenden Verhältnisse während der Trennungszeit möglichst wenig eingegriffen werden können soll463. Die nach übereinstimmendem Willen der Ehegatten vereinbarte (auch teilweise) Unterhaltsgewährung durch Naturalleistungen ist nicht zu beanstanden. (1) § 134 BGB und die Grenze zur unzulässigen Teilverzichtsvereinbarung Im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolle von Trennungsunterhaltsvereinbarungen rückt regelmäßig § 134 BGB und nicht die §§ 138 Abs. 1, 242 BGB in den Mittelpunkt. Dies ergibt sich zwangsläufig daraus, dass die Verbotsnorm des § 1614 Abs. 1 BGB einer solchen Vereinbarung enge inhaltliche Grenzen setzt. Danach ist ein auch nur teilweiser Verzicht auf den Unterhalt bei Getrenntleben unzulässig; eine entsprechende Vereinbarung nach § 134 BGB nichtig. (a) Die h. M. zur Grenze des unzulässigen Teilverzichts Im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle einer Trennungsunterhaltsvereinbarung am Maßstab der §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB erweist sich insbesondere die Abgrenzung zwischen einer zulässigen vertraglichen Ausgestaltung des gesetzlich geschuldeten Unterhalts und einem unzulässigen Teilverzicht als schwierig. Beim „angemessenen Unterhalt“ im Sinne des § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall einer näheren Konkretisierung bedarf. Diese wird in der Rechtsprechung regelmäßig anhand der Tabellen und Leitlinien der Oberlandesgerichte vorgenommen. Selbige werden auch zur Festlegung der Grenze zum unzulässigen Teilverzicht herangezogen. Nach der Rechtsprechung einer beachtlichen Anzahl von Oberlandesgerichten464 verbleibt den vertragsschließenden Ehegatten bei der Bestimmung
461
Vgl. oben unter III.2.a). Diederichsen, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 1601, Rn. 29; Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 27; Cuny, in: RGRK, BGB, § 1361 BGB, Rn. 38 ff; Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 244; ausführlich: Schwackenberg, FPR 2001, 107 ff. 463 Vgl. hierzu oben unter II.2.d)bb). 464 Vgl. OLG Köln FamRZ 1983, 750, 752; OLG Celle FamRZ 1992, 42; OLG Oldenburg FamRZ 1979, 333; vgl. auch: BGH FamRZ 1984, 997, 999; KG FamRZ 1997, 627, 629; OLG Hamm FamRZ 1981, 869; ausführlich hierzu oben unter III.2. 462
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
des angemessenen Unterhalts ein eigener Ermessensspielraum, dessen Grenze zum nach § 134 BGB nichtigen Teilverzicht erst dann überschritten sein soll, wenn von den entsprechenden Tabellenwerten um mehr als ein Drittel oder – ausnahmsweise – auch nur mehr als ein Fünftel abgewichen wird. Besonders deutlich bringt diese Rechtsprechung das OLG Düsseldorf mit der Feststellung, „Der „Angemessenheitsrahmen“ wird nicht mehr eingehalten, wenn der vereinbarte Unterhalt den geschuldeten Betrag um 1/3 unterschreitet (. . .).“465, zum Ausdruck. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 1614 Abs. 1 BGB sollte man vermuten, dass diese Tendenz der Rechtsprechung seitens des Schrifttums kritisch behandelt wird. Doch auch dort ist herrschende Auffassung, dass der Trennungsunterhalt nicht nur in seiner Art, sondern auch in seiner Höhe innerhalb bestimmter Grenzen disponibel sei. Dabei wird im Wesentlichen – weitgehend ohne nähere Begründung – auf die seitens der Rechtsprechung erwogenen Grenzwerte Bezug genommen. Teils wird empfohlen, bei Unterhaltsvereinbarungen die Grenze von 80% des geschuldeten Unterhalts nicht zu unterschreiten466; teils wird ein unzulässiger Teilverzicht erst ab einer Unterschreitung von mehr als einem Drittel angenommen467. Allerdings wird im vertragsgestaltenden Schrifttum in diesem Zusammenhang auch empfohlen, in der Unterhaltsvereinbarung klarzustellen, dass ein eventuell höherer gesetzlicher Unterhaltsanspruch durch die Vereinbarung unberührt bleibt468. (b) Stellungnahme: Erforderlichkeit der Beachtung der engen Grenzen des § 1614 Abs. 1 BGB Sind Vereinbarungen über die Art und Weise der Unterhaltsgewährung oder einer Erhöhung des gesetzlich geschuldeten Unterhalts zwar grundsätzlich zulässig, so erscheint doch die von den Oberlandesgerichten geübte Praxis, auch eine betragsmäßige Unterschreitung des gesetzlich geschuldeten Unterhaltsanspruchs um ein Fünftel bis zu einem Drittel zu billigen, äußerst fraglich. Wesentliche Argumentationsansätze dieser Rechtsprechung sind der Sinn und Zweck des § 1614 Abs. 1 BGB, der (auch) in einer Entlastung der öffentlichen Kassen zu sehen sei, und die Tatsache, dass es sich beim „angemessenen Unter465
OLG Düsseldorf JAmt 2001, 137. Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 27; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 726; Miesen, in: Göppinger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, § 5, Rn. 168; wohl auch: Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1361 BGB, Rn. 139. 467 Hübner/Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1361, Rn. 244. 468 Kanzleiter/Wegmann, Vereinbarungen unter Ehegatten, Rn. 306; dort wird wegen der höchstrichterlich nicht eindeutig geklärten Rechtslage generell Zurückhaltung bei Vereinbarungen zum Trennungsunterhalt empfohlen (Rn. 304); ebenso: Oenning, in: Schnitzler, Münchener Anwaltshandbuch – Familienrecht, § 9, Rn. 8. 466
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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halt“ im Sinne des § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB um einen unbestimmten Rechtsbegriff handele, der den Parteien einer Unterhaltsvereinbarung einen eigenen Ermessensspielraum gebe469. Beides vermag nicht zu überzeugen. In den Motiven zu § 1614 BGB heißt es hierzu: „Die Bestimmung des Abs. 1 rechtfertigt sich durch die sittliche Grundlage der Unterhaltspflicht und die Rücksicht auf das wegen der öffentlichen Armenpflege konkurrierende öffentliche Interesse.“470 Der Schutz der Sozialhilfeträger ist folglich neben der sittlichen Grundlage der Unterhaltspflicht nur ein Motiv des Gesetzgebers. Daher kann hieraus nicht geschlossen werden, ein Unterhaltsverzicht sei wirksam, soweit dadurch nicht die Sozialhilfeträger belastet würden471. Denn dann könnten Ehegatten mit geringem verfügbaren Nettoeinkommen praktisch nie und Ehegatten mit überdurchschnittlich hohem verfügbarem Nettoeinkommen regelmäßig auf einen Großteil des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs verzichten. Der Schutz der Sozialhilfeträger ist mithin zwar ein gesetzgeberisches Motiv für die Unzulässigkeit eines Unterhaltsverzichts, darüber hinaus aber kein taugliches Argument für die Annahme, der gesetzlich geschuldete Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1614 Abs. 1 BGB könne teilweise vereinbarungsgemäß unterschritten werden. Dies wird durch die weitere Gesetzesbegründung umso deutlicher. Zur Frage, ob über einen Anspruch im Sinne des § 1614 Abs. 1 BGB eine vertragliche Regelung in Form eines Vergleiches getroffen werden kann, heißt es in den Motiven: „Auch das B.G.B. hat in dieser Beziehung eine besondere Vorschrift nicht aufgenommen, davon ausgehend, daß die Unwirksamkeit eines derartigen Vergleiches aus der Bestimmung des Abs. 1 sich genügend für alle diejenigen Fälle ergibt, in welchen der gesetzliche Unterhaltsanspruch gemindert wird.“472 Die Unwirksamkeit einer den gesetzlichen Unterhaltsanspruch mindernden Vereinbarung ist nach der Gesetzesintention also generell und nicht nur für den Fall der Belastung der Sozialhilfeträger gewollt. Dies rechtfertigt sich aus dem tragenden Motiv des § 1614 Abs. 1 BGB, der sittlichen Grundlage der Unterhaltspflicht. Auch die Argumentation, den Vertragsparteien stehe ein eigener Ermessensspielraum hinsichtlich der Angemessenheit des Unterhalts zu, überzeugt nicht. § 1614 Abs. 1 BGB verbietet den Verzicht auf „den Unterhalt“, womit der gesetzlich geschuldete Unterhalt473 und damit – im Falle des Trennungsunterhalts – der im Sinne des § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessene Unterhalt gemeint ist. Richtig ist zwar der Aus469
Vgl. zur Argumentation im Einzelnen oben unter III.2.b). Motive, in: Haidlen (Hrsg.), BGB, Dritter Band, § 1614, S. 422. 471 So argumentieren aber zumindest tendenziell: KG FamRZ 1997, 627, 628; OLG Köln FamRZ 1983, 750, 752; OLG Hamm FamRZ 1981, 869. 472 Motive, in: Haidlen (Hrsg.), BGB, Dritter Band, § 1614, S. 422. 473 Vgl. Motive, in: Haidlen (Hrsg.), BGB, Dritter Band, § 1614, S. 422. 470
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
gangspunkt, wonach es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der grundsätzlich einen gewissen Ermessensspielraum zulässt. Es kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich hierzu in den verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken über Jahrzehnte hinweg eine einheitliche Rechtsprechung entwickelt hat, die sich an den jeweils gültigen Tabellenwerten und den entsprechenden Leitlinien orientiert474. Diesen kommt zwar kein Rechtsnormcharakter zu475. Allerdings vermittelt diese einheitliche Rechtsprechungspraxis ein bedeutendes Maß an Rechtssicherheit und bewirkt für die jeweiligen Gerichte eines Oberlandesgerichtsbezirks, dass die Tabellen und Leitlinien faktisch bindenden Charakter haben476. Teilweise wird sogar gefordert, zumindest die Düsseldorfer Tabelle als Gewohnheitsrecht anzuerkennen477. Ob man dem folgt oder nicht, sei hier dahingestellt; gleichwohl hat diese einheitliche Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessener Unterhalt“ durch die Oberlandesgerichte m. E. auch für die Vertragsparteien einer Unterhaltsvereinbarung im Grundsatz verbindlich zu sein. Insofern geht der gesetzliche Unterhaltsanspruch in der Tat theoretisch auf einen bestimmten Betrag478. Dann können die Vertragsparteien aber nicht ihre eigenen Ermessenserwägungen an die Stelle derjenigen der ständigen Rechtsprechung stellen, wenn der unbestimmte Rechtsbegriff durch eben diese Rechtsprechung bereits hinreichend konkretisiert ist. Dies ergibt sich auch aus folgender Kontrollüberlegung: Sähe man eine solche, den Tabellenunterhalt um bis zu ein Drittel unterschreitende Vereinbarung trotz § 1614 Abs. 1 BGB als zulässig an, so müsste in logischer Konsequenz auch eine Unterhaltsvereinbarung des Wortlauts: „Die Ehegatten stimmen überein, dass nur zwei Drittel des gesetzlichen Unterhalts geschuldet werden.“, zulässig sein479. Denn legt man diese Klausel anhand der §§ 133, 157 BGB aus, so kann mangels anderweitiger Anhaltspunkte als „gesetzlich geschuldeter Unterhalt“ nur der nach der ständigen Rechtsprechung angemessene Tabellenunterhalt anzusehen sein. Dass in einer solchen Vereinbarung aber ein unzulässiger Teilverzicht und keine Ausnutzung eines privatautonomer Gestaltung zugänglichen Ermessensspielraums zu sehen wäre, liegt m. E. auf der Hand. Die Klausel führt aber faktisch zum gleichen Ergebnis, wie die Vereinbarung eines konkre474 Vgl. hierzu ausführlich: Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts; Brudermüller/Klattenhoff, Tabellen zum Familienrecht. 475 BGH FamRZ 1987, 266, 267; Rauscher, Familienrecht, Rn. 616. 476 Hohloch, Familienrecht, Rn. 848; ausführlich zur Rechtsnatur: Klingelhöffer, ZRP 1994, 383 ff. 477 Klingelhöffer, ZRP 1994, 383, 385. 478 Hoffmann, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn. 1370; OLG Hamm FamRZ 1981, 869. 479 Wacke, in: MünchKomm, BGB, § 1361, Rn. 27 scheint eine solche Vereinbarung tatsächlich für zulässig zu erachten: „Auf dem schmalen Grat zwischen zulässiger inhaltlicher Ausgestaltung und und unzulässigem Teilverzicht sollte 80% des Kraft Gesetzes geschuldeten Unterhalts nicht unterschritten werden.“
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ten Unterhaltsbetrags, der durch Berechnung des gesetzlich geschuldeten Tabellenunterhalts unter Abzug eines Drittels ermittelt wurde. Dann kann aber schon aus Rechtssicherheitsgründen und auch im Hinblick auf Art. 3 GG nicht die eine Klausel als wirksam und die andere als unwirksam angesehen werden, da die Nichtigkeit nach § 134 BGB ansonsten nur vom Formulierungsgeschick der Vertragsparteien abhängen würde. Wenn daher Einigkeit darüber herrscht, dass § 1614 Abs. 1 BGB auch einen Teilverzicht verbietet480, so können vorstehend behandelte Klauseln rechtlich nicht mehr als zulässige inhaltliche Ausgestaltung des Anspruchs aus § 1361 BGB gewertet werden481. Da der Sinn und Zweck des § 1614 Abs. 1 BGB gerade darin liegt, den rechtlichen Erfolg eines (teilweisen) Unterhaltsverzichts zu verhindern, wird in der Regel auch die Vereinbarung eines konkreten Betrages, der unter dem entsprechenden Tabellenunterhalt liegt, von § 134 BGB erfasst werden. Mithin ist der unbestimmte Rechtsbegriff des „angemessenen Unterhalts“ im Sinne des § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB durch die jahrzehntelange höchstrichterliche Rechtsprechung zum Trennungsunterhalt hinreichend konkretisiert und steht grundsätzlich nicht mehr zur freien Disposition der Ehegatten. Allerdings kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass die in den Richtlinien der Oberlandesgerichte enthaltenen Quoten nicht immer einheitlich sind482. Zwar übernimmt die überwiegende Zahl der Oberlandesgerichte die Leitlinien des OLG Düsseldorf und benutzt bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs die Düsseldorfer Tabelle. Manche Oberlandesgerichte verwenden dagegen auch andere Berechnungsmethoden, die sich aber im Ergebnis letztlich nur unwesentlich unterscheiden483. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, sind daher geringfügige Abweichungen vom gesetzlich geschuldeten (Tabellen-)Unterhalt zu tolerieren. Dies aber keineswegs in einer Höhe von einem Fünftel oder gar einem Drittel. Andererseits ist zu bedenken, dass bei Vor480 BGH FamRZ 1984, 997, 999; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1614, Rn. 1; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1361, Rn. 139; Schwab, Familienrecht, Rn. 738. 481 Diese Auffassung deckt sich auch mit der oben zitierten Gesetzesbegründung, vgl. Motive, in Haidlen (Hrsg.), BGB, Dritter Band, § 1614, S. 422; vgl. auch: RG JW 1902, 72: Unwirksam ist jede vertragliche Abmachung, durch welche der gesetzliche Unterhaltsanspruch vermindert werden soll. 482 Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 863. 483 Die Quote schwankt von der überwiegend verwendeten Aufteilung des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens von vier Siebtel (ca. 57%) für den Verpflichteten und drei Siebtel (ca. 43%) für den Berechtigten bis zur teilweise verwendeten Aufteilung von drei Fünftel (60%) für den Verpflichteten und zwei Fünftel (40%) für den Berechtigten. Das OLG Stuttgart zieht vom Nettoeinkommen jedes Erwerbstätigen 15% ab und nimmt dann eine hälftige Teilung des danach zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens vor. Im erzielten Ergebnis weichen die verschiedenen Berechnungsmethoden aber um weniger als 5% voneinander ab. Vgl. ausführlich zu den verschiedenen Leitlinien und Tabellen: Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 3 ff.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
liegen besonderer Umstände ausnahmsweise auch eine Abweichung von den Leitlinien geboten sein kann484. Mit den Empfehlungen des 12. Deutschen Familiengerichtstages 485 ist daher zu fordern, dass die Grenze zur Nichtigkeit einer Vereinbarung zum Unterhalt bei Getrenntleben nach §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB nicht durch feststehende prozentuale Abschläge vom gesetzlichen (Tabellen-)Unterhalt festzulegen, sondern nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden ist486. Liegen danach aber keine besonderen Umstände vor, wird m. E. eine Abweichung um mehr als eine Toleranzgrenze von 5% regelmäßig zum Verdikt der Nichtigkeit nach § 134 BGB führen. Um die notwendige Rechtssicherheit für eine Unterhaltsvereinbarung für die Zeit des Getrenntlebens zu haben, ist den Ehegatten daher dringend anzuraten, eine Klausel in ihre Vereinbarung aufzunehmen, nach der für den Fall, dass der vereinbarte Betrag den gesetzlich geschuldeten Betrag unterschreiten sollte, der gesetzlich geschuldete Betrag zu leisten ist487. Nach vorstehenden Grundsätzen geringfügige Abweichungen vom gesetzlich geschuldeten Unterhalt bleiben jedoch unbeachtlich. Der allzu großzügigen Rechtsprechungstendenz der Oberlandesgerichte im Rahmen einer diesbezüglichen gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des § 134 BGB kann indessen aufgrund der klaren Regelung des § 1614 Abs. 1 BGB nicht gefolgt werden. (2) Nichtigkeit eines pactum de non petendo bezüglich des Unterhalts bei Getrenntleben Unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des § 1614 Abs. 1 BGB ist auch die Vereinbarung eines pactum de non petendo bezüglich des Unterhalts bei Getrenntleben als unzulässiges Umgehungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig488. Unter einem Umgehungsgeschäft wird nach allgemeiner Auffassung ein Rechtsgeschäft verstanden, das den vom Verbotsgesetz missbilligten Erfolg durch Verwendung anderer rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen sucht, die vom Tatbestand der Verbotsnorm nicht erfasst werden489. Ein pactum de non petendo stellt in dogmatischer Hinsicht zwar keinen Verzichtsvertrag 484
Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 865. NJW 1998, 2026, 2027. 486 Ebenso: Born, in: MünchKomm, BGB, § 1614, Rn. 9. 487 So auch: Kanzleiter/Wegmann, Vereinbarungen unter Ehegatten, Rn. 306; Oenning, in: Schnitzler, Münchener Anwaltshandbuch – Familienrecht, § 9, Rn. 8. 488 OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; Schwackenberg, FPR 2001, 107, 108; Kathoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 133. 489 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 134, Rn. 19; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134, Rn. 37; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 134, Rn. 28; vgl. aus der Rechtsprechung beispielsweise: BGHZ 85, 39, 46 (Schwarzarbeit); BGHZ 58, 60, 65 f (zu § 89b Abs. 4 HGB); BGH NJW 1959, 332, 334. Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist das Umgehungsverbot in §§ 312 f S. 2, 506 S. 2 BGB, 9 Abs. 2 TzWrG. 485
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dar, da er den Unterhaltsanspruch an sich unberührt lässt. Er bewirkt aber faktisch nichts anderes als der durch § 1614 Abs. 1 BGB gerade verbotene Unterhaltsverzicht und unterfällt daher dem Anwendungsbereich des § 134 BGB mit der Folge der Nichtigkeit. Auf den Parteiwillen kann es bei einem Umgehungsgeschäft nach zutreffender h. M. nicht ankommen; es genügt vielmehr bereits ein objektiver Verstoß490. Entscheidend ist daher der Eintritt des vom Gesetz missbilligten Erfolges, der hier in der rechtlichen Undurchsetzbarkeit des ehelichen Unterhaltsanspruchs zu sehen ist; dieser ist bei einem Unterhaltsverzicht wie auch bei einer Vereinbarung der gegenseitigen Nichtgeltendmachung von Unterhaltsansprüchen gleichermaßen gegeben. Genau dies verkennt das OLG Köln, wenn es die Wirksamkeit einer Vereinbarung, keine Ansprüche auf Zahlung eines laufenden Unterhalts geltend zu machen, mit der Begründung bejaht, dass nicht angenommen werden könne, dass die – vom Notar über § 1614 Abs. 1 BGB aufgeklärten – Parteien bewusst eine unwirksame notarielle Vereinbarung geschlossen hätten, da dies „keinen Sinn“ ergebe491. Die Vereinbarung sei daher im Sinne einer gegenseitigen Feststellung, dass keiner der Ehegatten einen Unterhaltsbedarf habe und demnach auch keinem ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen zustehe, zu verstehen492. Mit dieser Argumentation ermöglicht das OLG Köln indes die Aushebelung des Verzichtsverbots aus § 1614 Abs. 1 BGB und verkennt den wesentlichen Gesichtspunkt, dass es sich bei § 1614 Abs. 1 BGB um eine zwingende Vorschrift handelt, die der Parteidisposition gerade nicht unterliegt493. Der objektiv vorliegende und rechtlich missbilligte Erfolg eines faktischen Unterhaltsverzichts kann daher nicht über eine Argumentation mit dem übereinstimmenden Parteiwillen entgegen §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB in eine zulässige Vereinbarung ausgelegt werden. Lediglich klarstellend bleibt anzumerken, dass die 490 So auch: Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134, Rn. 40; Sack, in: Staudinger, BGB, § 134, 145; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 134, Rn. 28; BGHZ 56, 285, 289; BGHZ 51, 255, 262; a. A.: Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 134, Rn. 18. 491 OLG Köln FamRZ 2000, 609; wohl zustimmend: Schwackenberg, FPR 2001, 107, 108. 492 OLG Köln FamRZ 2000, 609. 493 Zutreffend daher: Deisenhofer, FamRZ 2000, 1368; bedenklich dagegen: Bergschneider, FamRZ 2000, 609, 610, der meint, dass eine Korrektur der Verbotsfolgen von §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB über § 242 BGB möglich sei und derartige Vertragsbestimmungen – gemeint ist die Abrede der Nichtgeltendmachung von Unterhaltsansprüchen – also „nicht sinnlos“ seien. Hieran ist richtig, dass sich das Berufen auf die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) erweisen kann. Dies lässt aber die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts unberührt. Bergschneider verkennt den unzutreffenden Ausgangspunkt des OLG Köln, wonach die Vereinbarung des pactum de non petendo gerade nicht als unwirksam angesehen wurde. Nur weil die Vereinbarung dort als wirksame „übereinstimmende Feststellung des Nichtbestehens eines Unterhaltsbedarfs“ ausgelegt wurde, konnte das geltend gemachte Auskunftsbegehren als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden.
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tatsächliche Nichtgeltendmachung von Trennungsunterhalt für sich genommen weder einen Unterhaltsverzicht, noch ein pactum de non petendo darstellt, da diese als gegenseitiges Rechtsgeschäft zwei übereinstimmende Willenserklärungen der Ehegatten voraussetzen494. (3) §§ 138 Abs. 1, 242 BGB und Vereinbarungen über den Unterhalt bei Getrenntleben Trotz der in praktischer Hinsicht größeren Relevanz des § 134 BGB kann bei Vereinbarungen zum Unterhalt bei Getrenntleben natürlich auch eine Inhaltsoder Ausübungskontrolle anhand der §§ 138 Abs. 1, 242 BGB in Betracht kommen. Eine unangemessene, einen Sittenverstoß begründende Benachteiligung eines Ehegatten kann unter Umständen darin zu sehen sein, dass dieser sich in einem Unterhaltsvertrag zur Zahlung eines besonders hohen, seine Leistungsfähigkeit überschreitenden Unterhaltsbetrags verpflichtet495. Allerdings ist hier Zurückhaltung geboten; die Bejahung der Sittenwidrigkeit erscheint in solchen Konstellationen nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des BGH und den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 zu Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt müssen auch hier besondere Umstände – wie beispielsweise eine gestörte Vertragsparität – hinzutreten, um einen Sittenverstoß zu begründen. Ansonsten kann es unter dem Postulat der Vertragsfreiheit im Eherecht nicht ohne Weiteres als verwerflich angesehen werden, wenn sich der Unterhaltsschuldner über sein Leistungsvermögen hinaus verpflichtet. Denn Privatautonomie bedeutet auch hier nicht nur Selbstbestimmung, sondern auch Selbstverantwortung496. Lässt sich das Vorliegen solcher besonderer Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses nicht feststellen, ist die Vereinbarung im Hinblick auf § 138 Abs. 1 BGB zweifellos wirksam. Bei einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse kann eine Anpassung der Unterhaltsvereinbarung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht kommen. Dies kann bei einer wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse beim Verpflichteten – aber auch beim Berechtigten – anzunehmen sein, wenn die Ehegatten bei Vertragsschluss übereinstimmend vom Fortbestand der bestehenden Verhältnisse ausgegangen sind497. Ergibt die Auslegung des Vertrages dagegen, dass der vereinbarte Un494 BGH FamRZ 1981, 763; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1361 BGB, Rn. 138. 495 Einen solchen Fall hatte das OLG Brandenburg zu entscheiden, welches einen Sittenverstoß aber mit zutreffender Begründung verneint hat; vgl. OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 578 ff. Auch das OLG Celle hält einen Sittenverstoß in diesem Zusammenhang für möglich; vgl. OLG Celle FamRZ 2004, 1969 f. 496 OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 578, 579.
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terhaltsbetrag ohne Rücksicht auf die spätere tatsächliche Entwicklung gezahlt werden soll, kommt auch eine Abänderung nach § 313 BGB nicht in Betracht. Hier kann dann allenfalls über eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB geholfen werden498. b) Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt Im Gegensatz zum Unterhaltsrecht während bestehender Ehe herrscht im Bereich des nachehelichen Unterhaltsrechts im Grundsatz volle Vertragsfreiheit499. Die Ehegatten können daher den gesetzlichen Unterhaltsanspruch modifizieren, zeitlich befristen, betragsmäßig begrenzen, einzelne Unterhaltstatbestände ausschließen oder vollständig – gegen Kapitalabfindung, aber auch ohne Gegenleistung – auf nachehelichen Unterhalt verzichten500. Diese strikte Differenzierung des Gesetzgebers leuchtet hinsichtlich des Familienunterhalts ohne Weiteres ein und rechtfertigt sich für den Unterhalt während Getrenntlebens daraus, dass dort möglichst wenig in die bestehenden Verhältnisse eingegriffen werden können soll. Dagegen stehen nach Feststehen des Scheiterns der Ehe, korrespondierend mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Ehegatten nach der Ehe, auch die in der nachehelichen Solidarität begründeten nachehelichen Unterhaltsansprüche zur Disposition der Ehegatten501. Mit der Gewährung der Vertragsfreiheit gehen freilich auch die der Vertragsfreiheit immanenten Schranken einher, deren Beachtung durch die Judikative das Bundesverfassungsgericht mit seinen Entscheidungen aus dem Jahre 2001502 angemahnt hat. Da die Ehe eine grundsätzlich auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft ist, unterliegt sie naturbedingt auch einem Wandel in tatsächlicher, wirtschaftlicher, finanzieller oder auch emotionaler Hinsicht. Die Verhältnisse der Ehegatten werden vor allem bei vorsorgenden Unterhaltsvereinbarungen zum Zeitpunkt einer Scheidung häufig andere sein als zur Zeit des Vertragsschlusses. Hinsichtlich einer gerichtlichen Kontrolle solcher Vereinbarungen ist daher sinnvoller Weise zwischen den Umständen und Vorstellungen der Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses und den nachträglich eintretenden Umständen beziehungsweise den Umständen zur Zeit der Geltendmachung der Unterhaltsvereinbarung 497 Vgl. zum Unterhalt bei Getrenntleben: OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 578, 580; OLG Celle FamRZ 2004, 1969, 1970; zum nachehelichen Unterhalt ausführlich unten unter IV.3.b)bb)(2)(a). 498 Vgl. OLG Celle FamRZ 2004, 1969, 1970. 499 BGH NJW 1985, 1833; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 10; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 1. 500 Vgl. zu den Regelungsmöglichkeiten oben unter I.2.c), sowie das einschlägige Schrifttum, insbesondere Langenfeld, Eheverträge, Rn. 629 ff, 798 ff. 501 Vgl. zu den Motiven des Gesetzgebers bereits oben unter II.3.a)aa), sowie BTDrs. 7/650, S. 100 und 121. 502 BVerfGE 103, 89 ff; BVerfG FamRZ 2001, 985.
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durch einen Ehegatten zu differenzieren. Diese Unterscheidung erscheint auch im Hinblick auf eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 138 Abs. 1 BGB und des § 242 BGB praktikabel. Weiter ist zwischen vorsorgenden und scheidungsbezogenen Unterhaltsvereinbarungen zu differenzieren503. Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass sich die Situation der Ehegatten bei Abschluss eines vorsorgenden Ehevertrages wesentlich von derjenigen unterscheidet, in der sich die Ehegatten nach ihrer Trennung befinden504. aa) Die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses Ansatzpunkte für eine gerichtliche Kontrolle von Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen sind zunächst, wie auch im übrigen Vertragsrecht, die jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses. Diese sind vor allem für die Anwendung des hier zunächst behandelten § 138 BGB von maßgeblicher Bedeutung. Hierzu ist vorab klarzustellen, dass sich zwar theoretisch jede Unterhaltsvereinbarung am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB messen lassen muss, in praktischer Hinsicht eine Inhaltskontrolle aber schon aus Gründen der Rechtssicherheit nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte vorzunehmen ist505. Insbesondere bei vorsorgenden Vereinbarungen kann es aber, wenn beispielsweise zwischen dem Vertragsschluss und der Rechtskraft der Scheidung ein langer Zeitraum liegt, problematisch werden, die konkreten Vorstellungen der Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses zu ermitteln. Diese sind sowohl in objektiver Hinsicht im Hinblick auf die Frage, ob sich die Vertragsgestaltung aufgrund des ins Auge gefassten Ehemodells als einseitig benachteiligend darstellt506, als auch in Bezug auf die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB von immenser Bedeutung. In der Praxis wird in einem Unterhaltsprozess somit häufig auch die prozessuale Frage der Beweislastverteilung über die Rechtswirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung entscheiden. Entsprechend den allgemeinen Prinzipien der Verteilung der Beweislast ist im Grundsatz auch hier davon auszugehen, dass derjenige, der die Unwirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung behauptet, diese auch zu beweisen hat. Es wird sich allerdings die weitere Frage stellen, ob dem Beweisbelasteten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine – prozessual im Ausnahmefall zulässige – Beweiserleichterung zugute kommen kann507. 503 So auch Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 13 ff. 504 BVerfGE 60, 329, 347; allerdings bezogen auf Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich. Es ist indes kein Grund ersichtlich, warum für andere ehevertragliche Vereinbarungen etwas anderes gelten sollte. 505 Vgl. allgemein: Schmidt, in: Staudinger, BGB, Einl. §§ 241 ff, Rn. 467 ff; zu Unterhaltsvereinbarungen: Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 9 ff. 506 Vgl. BVerfGE 103, 89, 104.
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(1) Sittenwidrigkeit wegen unzulässiger Belastung Dritter Es entspricht einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass ein Vertrag zu Lasten Dritter unzulässig ist508. Für diese Erkenntnis bedarf es streng genommen nicht einmal eines Rückgriffs auf § 138 BGB; sie ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Grundsatz der Privatautonomie selbst. Unter einem Vertrag zu Lasten Dritter versteht man eine Vereinbarung, durch die ein außerhalb des Vertragsverhältnisses stehender Dritter unmittelbar zu einer Leistung verpflichtet werden soll509. Grundlegendes Wesenselement der das Zivilrecht beherrschenden Privatautonomie ist aber gerade das Recht jedes Einzelnen, seine Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung durch Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten und Pflichten eigenverantwortlich selbst zu gestalten510. Unter dieser Prämisse ist die rechtsgeschäftliche Verpflichtung eines Dritten ohne dessen Wissen und Wollen deshalb denknotwendig ausgeschlossen511. Verträge über den nachehelichen Unterhalt, die unmittelbar eine Leistungspflicht Dritter ohne deren Einverständnis begründen sollen, sind danach ohne Weiteres unwirksam; solche kommen in der Praxis aber ohnehin nicht vor. Eine andere Frage ist dann, ob auch ein Unterhaltsverzicht, der mittelbar zur Folge hat, dass der Bedürftige einem nachrangig verpflichteten Dritten zur Last fällt, als Vertrag zu Lasten Dritter in vorgenanntem Sinne eingeordnet werden kann. Dies ist vereinzelt schon bejaht worden, falls der Dritte objektiv sowie – für die Vertragsschließenden – subjektiv sicher erkennbar für den Unterhaltsbedarf einstehen müsse512. Dem kann jedoch aus dogmatischen Gründen nicht gefolgt werden. Charakteristikum eines Vertrags zu Lasten Dritter ist die unmittelbare rechtsgeschäftliche Auferlegung von Pflichten oder Entziehung von Rechten zu Lasten eines außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Dritten513. Ein Verzicht auf nachehelichen Unterhalt entfaltet seine rechtsgeschäftliche Wirkung aber nur zwischen den Vertragsschließenden. Die im Falle der Bedürftigkeit des
507
Vgl. hierzu im Einzelnen unten unter IV.3.b)aa)(2)(e). Vgl. nur: Medicus, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 759; Martens, AcP 177 (1977), 113, 139; Jagmann, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 328 ff, Rn. 42 ff; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BGB, § 328, Rn. 5; BGHZ 78, 369, 374 f; BGHZ 61, 359, 361; BGHZ 58, 216, 220. 509 Gottwald, in: MünchKomm, BGB, § 328, Rn. 172; Jagmann, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 328 ff, Rn. 42. 510 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, § 1 1, S. 1; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 174; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. v. §145, Rn. 7. 511 Martens, AcP 177 (1977), 113, 139. 512 OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 174, 175; Gottschick/Giese, BSHG, § 90, Rn. 8.3. 513 Heß, FamRZ 1996, 981, 985; Koch, Sittenwidrigkeit von Unterhaltsverzichten und die Rückgriffsmöglichkeiten inanspruchgenommener Dritter, S. 37 f. 508
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Verzichtenden eintretende Unterhaltspflicht eines Dritten ist nur mittelbare Folge des Verzichts; die unmittelbare Verpflichtung des Dritten ist nicht rechtsgeschäftlich, sondern gesetzlich begründet. Beispielsweise ergibt sich die Leistungspflicht der Sozialhilfeträger aus § 9 SGB-AT in Verbindung mit §§ 11 ff BSHG, die der unterhaltspflichtigen Verwandten aus §§ 1601 ff BGB. Ein Unterhaltsverzicht, der nur mittelbar die Leistungspflicht eines Dritten zur Folge hat, kann daher nach zutreffender Auffassung514 nicht als Vertrag zu Lasten Dritter qualifiziert werden. Es stellt sich aber zweifellos die weitere Frage nach der Sittenwidrigkeit einer solchen Vereinbarung. (a) Sittenwidrigkeit wegen Belastung der Sozialhilfeträger Das Problem der Sittenwidrigkeit eines teilweisen oder vollständigen Unterhaltsverzichts stellt sich in der Praxis häufig in der Konstellation, dass der Verzichtende bedürftig wird und die Sozialhilfeträger aufgrund des Verzichts für den Unterhaltsbedarf aufkommen müssen. Seit Beginn der achtziger Jahre vertritt der BGH515 unter Zustimmung des überwiegenden Teils des Schrifttums516 hierzu zu Recht die Auffassung, dass ein Unterhaltsverzicht in objektiver Hinsicht bereits dann sittenwidrig ist, wenn er zwangsläufig zu einer Belastung des Sozialhilfeträgers führt. Dies ergibt sich aus dem das Sozialhilferecht beherrschenden und in § 9 SGB-AT517 sowie § 2 Abs. 1 BSHG518 gesetzlich manifestierten Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe, wonach vor einer Belastung der Allgemeinheit die private Inanspruchnahme – hier durch Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche – zu erfolgen hat519. Im Übrigen erschiene ein Unterhaltsverzicht, der objektiv zwangsläufig zu einer Belastung der Sozialhilfeträger und damit der Allgemeinheit führt, im Hinblick auf die gegenseitige 514 Heß, FamRZ 1996, 981, 985; Herb, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt – insbesondere zu Lasten der Sozialhilfeträger, S. 139 ff; BGHZ 86, 82, 89. Ausführlich zu Rechtsgeschäften mit Lastwirkungen gegenüber Dritten: Martens, AcP 177 (1977), 113, 164 ff. 515 Erstmals: BGHZ 86, 82 ff. 516 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c BGB, Rn. 24; Schwab, Familienrecht, Rn. 389; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 42; Rauscher, Familienrecht, Rn. 638; Häberle, in: Soergel, BGB, § 1585 c, Rn. 16. 517 § 9 SGB-AT lautet: „Wer nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder in besonderen Lebenslagen sich selbst zu helfen, und auch von anderer Seite keine ausreichende Hilfe erhält, hat ein Recht auf persönliche und wirtschaftliche Hilfe, die seinem besonderen Bedarf entspricht, ihn zur Selbsthilfe befähigt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht und die Führung eines menschenwürdigen Lebens sichert.“ 518 § 2 Abs. 1 BSHG lautet: „Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.“ 519 So auch: BVerfGE 17, 38, 56; vgl. ausführlich zur Entwicklung dieser Rechtsprechung oben unter III.3.a) und III.3.b)aa).
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Verantwortung der Ehegatten füreinander, die für die Zeit nach der Scheidung im Grundsatz der nachehelichen Solidarität ihre Ausprägung findet, auch unabhängig von diesem gesetzlichen Subsidiaritätsprinzip als sittenwidrig, da die vertragliche Abbedingung der aufgrund persönlicher und rechtlicher Verbundenheit bestehenden eigenen Verantwortlichkeit zu Lasten der Allgemeinheit in jedem Fall als gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßend zu werten ist. Ist diese objektive Voraussetzung erfüllt, genügt in subjektiver Hinsicht das Bewusstsein, dass sich der Unterhaltsverzicht zu Lasten des Sozialhilfeträgers auswirkt oder dass sich die Vertragsschließenden dieser Erkenntnis grob fahrlässig verschließen520. Die im Schrifttum hierzu teilweise vertretene Auffassung, nach der die Drittbelastung den Zweck oder Grund des Unterhaltsverzichts bilden müsse, da § 1585 c BGB keine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit zugunsten der Sozialhilfeträger enthalte und auch ansonsten niemand verpflichtet sei, seine Privatangelegenheiten so zu gestalten, dass die Sozialhilfe geschont werde521, verkennt den wesentlichen Anknüpfungspunkt für die Feststellung des Sittenverstoßes. Aufgrund des Bandes der Ehe besteht eine – sowohl rechtliche als auch sittliche – nacheheliche Verantwortlichkeit der Ehegatten füreinander. Entscheidender sittenwidrigkeitsbegründender Umstand ist daher, dass die vertragsschließenden Ehegatten ihre eigenen Interessen an der Aufhebung der bestehenden gesetzlichen Leistungspflicht eines Ehegatten in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von der hieraus zwangsläufig resultierenden Belastung der Allgemeinheit durchsetzen. Darauf, ob diese Drittbelastung Zweck des Verzichts oder nur dessen logische Folge ist, kann es insoweit nicht ankommen. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich vielmehr aus einer Gesamtwürdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck der Vereinbarung522. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt hinsichtlich des Sittenwidrigkeitsverdikts ist nach ganz h. M. auch im Ehevertragsrecht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses523. Nimmt der unterhaltsberechtigte Ehegatte zu dieser Zeit bereits Sozialhilfe in Anspruch, liegt indes kein Fall der Sittenwidrigkeit vor. Denn nach § 91 BSHG gehen bestehende bürgerlich-rechtliche Unterhaltsansprüche kraft 520 BGHZ 86, 82, 89; Schwab, Familienrecht, Rn. 389; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c BGB, Rn. 24. 521 Zöllner, in: FS Lange, 973, 988 f; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 192; Meder, FuR 1993, 12, 21. 522 BGHZ 86, 82, 88. Forderte man in Bezug auf die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit, dass die Drittbelastung den Zweck des Unterhaltsverzichts bildet, könnte diese – dies räumt auch Zöllner, in: FS Lange, 973, 989 ein – wohl nur in seltenen Ausnahmefällen bejaht werden, da mit einem Unterhaltsverzicht regelmäßig allein der Zweck verfolgt wird, eine Leistungsverpflichtung zum Erlöschen zu bringen und nicht, einen Dritten zu belasten. 523 Vgl. ausführlich, auch zur vereinzelt vertretenen Gegenansicht, oben unter IV.2. a)bb)(3).
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Gesetzes auf den Sozialhilfeträger über, sodass der Verzichtende in diesem Fall bereits nicht mehr materiell berechtigter Anspruchsinhaber ist; ein Verzicht geht somit von vornherein ins Leere524. Eine Unterhaltsverzichtsvereinbarung ist danach sittenwidrig, wenn sie zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv zwangsläufig zu einer Belastung der Sozialhilfeträger führt und beiden525 Kontrahenten diese Folge bewusst oder grob fahrlässig unbewusst gewesen ist. Eine hundertprozentige Sicherheit hinsichtlich des Eintritts der Sozialhilfebedürftigkeit ist allerdings nicht zu fordern. Es genügt daher, wenn diese nach objektiver ex-ante-Betrachtung hinreichend konkret vorhersehbar war. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes der Privatautonomie kann es dagegen nicht ausreichen, dass die Sozialhilfebedürftigkeit nur eine mögliche Folge des Unterhaltsverzichts ist526. Denn dann wäre in logischer Konsequenz nahezu jeder Unterhaltsverzicht sittenwidrig, da eine nachehelich eintretende Bedürftigkeit – beispielsweise infolge Verlusts des Arbeitsplatzes – praktisch nie ausgeschlossen werden kann. Dass Verzichtsvereinbarungen aber im Grundsatz zulässig sind, wurde bereits geklärt527 und ergibt sich zudem unmittelbar aus § 1585 c BGB. Allein die abstrakte Möglichkeit des Eintritts der Sozialhilfebedürftigkeit kann das Sittenwidrigkeitsurteil daher ebenso wenig rechtfertigen, wie die spätere Belastung der Allgemeinheit durch den zur Zeit des Vertragsschlusses nicht vorhergesehenen tatsächlichen Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit528. (aa) Vorsorgende Unterhaltsvereinbarungen Vorsorgende Vereinbarungen werden zu einem Zeitpunkt geschlossen, zu dem sich die Verlobten oder Ehegatten (noch) verstehen und sich zur ehelichen Lebensgemeinschaft oder deren Fortsetzung gerade bekennen. Daher steht im Rahmen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle von vorsorgenden Unterhaltsvereinbarungen anhand des § 138 Abs. 1 BGB regelmäßig die Motivation für den Abschluss des Vertrages im Vordergrund. Hier können vor allem das nach der
524 Sollte durch den Verzicht der Anspruch beim Sozialhilfeträger zum Erlöschen gebracht werden, läge ohnehin ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter vor. 525 Bei sittenwidrigem Verhalten gegenüber außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Dritten muss grundsätzlich beiden Vertragsparteien der Vorwurf eines Sittenverstoßes gemacht werden können; vgl. BGH NJW 1992, 310; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 35. 526 A. A. – allerdings unter unzutreffender Bezugnahme auf BGHZ 86, 82 ff – noch: Mayer-Maly, in: MünchKomm, BGB (3. Aufl.), § 138, Rn. 57; mit der h. M. jetzt: Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 63. 527 Vgl. oben unter IV.2.a)bb)(4). 528 Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 191; Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 24; BGH NJW 1991, 913, 914.
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gemeinsamen Planung der Ehegatten ins Auge gefasste Ehemodell und die geplante Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit Bedeutung erlangen529. Danach werden sich bei vorsorgenden Vereinbarungen die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit wegen unzulässiger Drittbelastung wohl nur in seltenen Fällen bejahen lassen. Bereits in objektiver Hinsicht dürfte in der Regel kaum feststellbar sein, dass ein Unterhaltsverzicht bereits zur Zeit des Vertragsschlusses im Falle der Scheidung zwangsläufig zur Sozialhilfebedürftigkeit führen wird530. Dies gilt gerade für Vereinbarungen, die vor oder kurz nach der Heirat geschlossen werden. Verfügen in diesem Fall, wie es nach dem derzeitigen Gesellschaftsbild fast schon die Regel ist531, beide Ehegatten über eine abgeschlossene Berufsausbildung, kann zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt kaum von einem zwangsläufigen oder auch nur überwiegend wahrscheinlichen Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit nach der Scheidung ausgegangen werden. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Ehegatten ihren Beruf weiter ausüben oder in diesen zurückkehren werden, was im Übrigen auch den subjektiven Vorstellungen der Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses entsprechen dürfte. Auch in Fallkonstellationen, in denen die Ehegatten bei Vertragsschluss das Modell einer Einverdienerehe ins Auge fassen, bei welcher der nicht erwerbstätige Ehegatte seinen Beitrag zum Familienunterhalt durch Haushaltsführung und Kindeserziehung erbringt, kann in der Regel nicht von einer für den Scheidungsfall objektiv konkret vorhersehbar eintretenden Sozialhilfebedürftigkeit ausgegangen werden, da sich die spätere tatsächliche Entwicklung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehen lässt532. Insbesondere ist der Zeitraum der Ehedauer, der wesentlich über die Chancen einer Wiedereingliederung ins Erwerbsleben entscheiden wird, nicht vorhersehbar. Die spätere Sozialhilfebedürftigkeit im Falle der Scheidung bleibt auch dann nur eine abstrakte Möglichkeit, deren Eintreten zwar mit zunehmender Dauer der Ehe wahrscheinlicher werden mag; die Sittenwidrigkeit kann dies, gerade weil für diese Beurteilung allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, m. E. aber nicht begründen. Auch der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB dürfte sich bei vorsorgenden Vereinbarungen regelmäßig nicht bejahen lassen, da die Ehegatten bei Vertragsschluss vom Bestand der Ehe ausgehen werden533. Zwar ergibt sich aus 529 BVerfGE 103, 89, 104; Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 14. 530 Büttner, FamRZ 1998, 1, 4; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 27. 531 Vgl. hierzu die Übersicht zur Bevölkerung nach Altersgruppen und Bildungsabschluss in: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2002, 16.1, S. 360 f. 532 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 27; Büttner, FamRZ 1998, 1, 4. 533 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 27; Büttner, FamRZ 1998, 1, 4; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 3466, 3468: „Zwar hat in den letzten Jahrzehnten die Scheidungsrate (. . .) zugenommen. Es wäre aber schon wegen der Dauerhaftigkeit, die die Ehe grundsätz-
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
dem Umstand, dass ein Ehevertrag oder eine Unterhaltsvereinbarung abgeschlossen wurde, denknotwendig auch, dass zumindest die theoretische Möglichkeit einer späteren Scheidung bedacht wurde. Andererseits kann aber allein aus der vorsorgenden Gebrauchmachung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Ehevertragsfreiheit noch nicht auf eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von einer im Falle einer Scheidung eintretenden Sozialhilfebedürftigkeit geschlossen werden. Auch der BGH hält die Sittenwidrigkeit einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung wegen Belastung der Sozialhilfeträger bei vorsorgenden Vereinbarungen zwar für grundsätzlich möglich534, hat dies in seiner bisherigen Rechtsprechung aber noch in keinem Fall bejaht535. (bb) Scheidungsbezogene Unterhaltsvereinbarungen Anders ist die Frage der Sittenwidrigkeit dagegen bei scheidungsbezogenen Unterhaltsvereinbarungen zu beurteilen. Diese werden zu einem Zeitpunkt geschlossen, an dem die Ehe bereits gescheitert ist und sowohl objektiv als auch subjektiv für die Ehegatten hinreichend konkret absehbar ist, wie sich die finanziellen Verhältnisse und die Chancen einer möglichen Wiedereingliederung ins Berufsleben nach der Scheidung darstellen. Aufgrund dieser Absehbarkeit der künftigen Verhältnisse haben die Ehegatten bei Ausübung der ihnen gewährten Ehevertragsfreiheit auch den allgemeinen Grundsatz, wonach die Privatautonomie dort endet, wo die Rechte Dritter entgegenstehen, zu berücksichtigen536. Die Sittenwidrigkeit ist danach – wie oben dargestellt – zu bejahen, wenn zur Zeit des Vertragsschlusses objektiv konkret vorhersehbar war, dass ein Ehegatte nach der Scheidung seinen Unterhaltsbedarf nicht selbst decken können und damit zwangsläufig der Sozialhilfe zur Last fallen wird und dieser Umstand den Ehegatten in subjektiver Hinsicht auch bewusst war oder sie sich dieser Erkenntnis zumindest grob fahrlässig verschlossen haben537.
lich auszeichnet, unzulässig und würde auch durch keine Anhaltspunkte in der Wirklichkeit gestützt, wenn man deshalb unterstellen wollte, mit einer eingegangenen Ehe sei zugleich deren mögliches Scheitern (. . .) mitgedacht (. . .).“ 534 BGH NJW 1991, 913, 914. 535 BGH FamRZ 1987, 152 ff und BGHZ 86, 82 ff betrafen scheidungsbezogene Unterhaltsverzichtsvereinbarungen. BGH NJW 1992, 3164 ff; BGH NJW 1991, 913 ff und BGH NJW 1985, 1833 ff betrafen vorsorgende Vereinbarungen, bei denen die Sittenwidrigkeit wegen unzulässiger Belastung des Sozialhilfeträgers verneint wurde. 536 BGHZ 86, 82, 87. 537 BGHZ 86, 82, 89; BGH FamRZ 1987, 152, 154; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c BGB, Rn. 24; Schwab, Familienrecht, Rn. 389; Rauscher, Familienrecht, Rn. 638; Häberle, in: Soergel, BGB, § 1585 c, Rn. 16.
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(b) Sittenwidrigkeit wegen Belastung nachrangig unterhaltspflichtiger Verwandter Aus §§ 1601 ff, 1584 S. 2 BGB in Verbindung mit § 9 SGB-AT und § 2 Abs. 1 BSHG ergibt sich, dass für den Fall, dass nicht bereits sein geschiedener Ehegatte dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten haftet (§ 1584 S. 1 BGB), die Verwandten in gerader Linie noch vor dem Sozialhilfeträger haften. Die Frage der Sittenwidrigkeit wegen einer unzulässigen Drittbelastung stellt sich somit auch hier. Obwohl sich der BGH hiermit noch nicht zu befassen hatte, kann im Ergebnis kein Zweifel daran bestehen, dass die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit wegen Belastung der Sozialhilfeträger auch bei Belastung von nach § 1584 S. 2 BGB nachrangig haftenden Verwandten gelten538. Einziger sachlicher Grund, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, wäre der Umstand, dass zwischen Verwandten gerader Linie ein besonderes persönliches und sittliches Näheverhältnis besteht, aus dem sich der Unterhaltsanspruch letztlich ableitet. Ein solches Näheverhältnis existiert zwischen dem bedürftigen Ehegatten und der Allgemeinheit naturgemäß nicht. Hieraus ergeben sich indes keine Anhaltspunkte, die das Verhalten der Vertragsschließenden in einem anderen Licht erscheinen lassen. Der die Sittenwidrigkeit begründende Vorwurf, der im Kern darin liegt, dass die Ehegatten die bestehende gesetzliche Unterhaltsverpflichtung trotz objektiv vorhersehbar eintretender Bedürftigkeit nach der Scheidung aufheben und damit bewusst die gesetzliche Leistungspflicht Dritter herbeiführen, ist hier ebenfalls gerechtfertigt. Ebenso wie im Sozialhilferecht, besteht in Form des § 1584 S. 2 BGB auch hier eine gesetzliche Subsidiarität des Verwandtenunterhalts zum nachehelichen Unterhalt. Mithin würde es eine kaum erklärbare Wertungsdivergenz darstellen, wenn ein in gerader Linie nach § 1601 BGB Verwandter seine faktisch erst aus einem Unterhaltsverzicht der Ehegatten resultierende Unterhaltsverpflichtung hinzunehmen hätte, während ein unter gleichen Voraussetzungen unterhaltspflichtiger Sozialhilfeträger seine Inanspruchnahme unter Hinweis auf § 138 Abs. 1 BGB verweigern könnte539. (c) Sittenwidrigkeit wegen Belastung gemeinschaftlicher Kinder Unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Drittbelastung ist schließlich zu untersuchen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Sittenverstoß bei Unterhaltsvereinbarungen, die einen Verzicht auf den Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB beinhalten, bejaht werden kann. Obgleich es sich bei § 1570 BGB 538 Ebenso: Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c BGB, Rn. 24; Cuny, in: RGRK, BGB, § 1585 c BGB, Rn. 63; Rauscher, Familienrecht, Rn. 638; Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 1288; Langenfeld, Eheverträge, Rn. 813; Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, S. 66 ff. 539 Zutreffend ebenso: Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, S. 69.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
um einen Anspruch des geschiedenen Ehegatten und nicht des Kindes handelt, ist in Rechtsprechung540 und Lehre541 anerkannt, dass der Anspruch des betreuenden Elternteils aus § 1570 BGB auch die Wahrnehmung der Elternverantwortung sichern soll und somit auch dem Interesse des Kindeswohls dient. Dies wurde auch seitens des Bundesverfassungsgerichts stets betont542. Daraus folgt aber konsequent weiter, dass der Verzicht auf den Betreuungsunterhalt im Falle einer nach der Scheidung eintretenden Bedürftigkeit des betreuenden Elternteils den Interessen des Kindeswohls zuwider laufen kann. Der Betreuende kann sich in diesem Fall vor die Wahl gestellt sehen, entweder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und das Kind – soweit sich überhaupt eine Möglichkeit hierfür bietet – durch Dritte betreuen zu lassen, oder Sozialhilfe zu beantragen543. Auch wenn das Kind keinen eigenen Anspruch auf persönliche Betreuung durch einen Elternteil hat544, wird es durch den Unterhaltsverzicht mittelbar belastet, wenn der betreuende Elternteil die persönliche Betreuung ausüben möchte und eine solche im Interesse des Kindeswohls auch geboten erscheint. Ob dies der Fall ist, hängt von den tatsächlichen Umständen ab. Hierbei sind in erster Linie die konkreten Bedürfnisse des Kindes zu berücksichtigen, hilfsweise wird man auch auf die von der Rechtsprechung zu § 1570 BGB zur Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit entwickelten Altersgrenzen545 zurückgreifen können. Um eine Wertungsdivergenz zur Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Unterhaltsverzichtsvereinbarungen wegen Belastung der Sozialhilfeträger zu vermeiden, sind die dort entwickelten Grundsätze hier entsprechend anzuwenden, da nicht ersichtlich ist, warum die Allgemeinheit als durch den Verzicht mittelbar belastete Dritte einen größeren Schutz genießen sollte, als ein gemeinsames Kind. Darauf, dass die Belastung der Sozialhilfeträger rein finanzieller 540
BGH NJW 1992, 3164, 3166; BGH NJW 1985, 1833. Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 193; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1570, Rn. 1; Rauscher, Familienrecht, Rn. 637; Schwab, Familienrecht, Rn. 390. 542 BVerfGE 57, 361, 382 f: „Mit der Trennung ihrer Eltern ist für die Kinder (. . .) in der Regel eine Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse verbunden. (. . .) Kinder getrennt lebender und geschiedener Ehegatten müssen darauf verzichten, mit ihren Eltern in einer Familiengemeinschaft zusammenzuleben. Die abträglichen Folgen dieses gestörten familiären Zustandes würden erheblich verstärkt, wenn sie zudem auch noch weitgehend die Betreuung durch den Elternteil entbehren müßten, dem sie zugeordnet sind, weil dieser auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen wäre. Es entspricht vielmehr dem Wohl des Kindes, wenn es sich auch nach der Trennung seiner Eltern in der Obhut eines Elternteils weiß, der hinreichend Zeit hat, auf seine Fragen, Wünsche und Nöte einzugehen.“ 543 Kommt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wegen der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes von vornherein nicht in Betracht, fällt der Betreuende in jedem Fall der Sozialhilfe anheim, was wiederum die Sittenwidrigkeit (auch) nach vorstehend unter IV.3.b)aa)(1)(a) dargelegten Grundsätzen begründet. 544 BT-Drs. 13/8511, 71; vgl. bereits oben unter IV.2.c)aa). 545 Vgl. hierzu die Nachweise bei: Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 402 bis 414. 541
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Natur ist, während sich die Belastung des Kindes aus der nur eingeschränkt möglichen Wahrnehmung der Elternverantwortung ergibt, kann es nicht ankommen546. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass bei Kleinkindern die Eigenbetreuung durch einen Elternteil unter Berücksichtigung der Interessen und der Entwicklung des Kindes einer Fremdbetreuung vorzuziehen sein wird547. Zudem ergibt sich aus der in § 1618a BGB postulierten Pflicht von Eltern und Kindern zu gegenseitigem Beistand und Rücksichtnahme, dass die Eltern diese Umstände bei der Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse zu beachten haben. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit ist bei einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung daher auch dann begründet, wenn sich diese zur Zeit des Vertragsschlusses objektiv konkret vorhersehbar zu Lasten des Kindes auswirken wird. Dies ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn der betreuende Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu Lasten einer im konkreten Fall im Interesse des Kindeswohls gebotenen persönlichen Betreuung aufnehmen müsste, um seinen Unterhaltsbedarf decken zu können548. Hier sind durchaus auch Fallkonstellationen denkbar, in denen der Bedürftige zwar seinen notwendigen Unterhalt gerade noch selbst decken kann und er deshalb nicht der Sozialhilfe zur Last fällt, eine im Hinblick auf die bisherigen ehelichen Lebensverhältnisse (noch) angemessene beziehungsweise zumutbare Bestreitung des Unterhalts aber nicht möglich ist. Denn gerade bei einem gehobenen Lebensstandard während der Ehe kann schwerlich angenommen werden, dass die Interessen des Kindes nicht beeinträchtigt sind, wenn der betreuende Elternteil seinen Lebensbedarf nunmehr aus dem Notunterhalt bestreiten soll. Zwar hat das Kind einen eigenen Unterhaltsanspruch in Höhe seines angemessenen Lebensbedarfs (§ 1610 BGB) gegen den anderen Elternteil; da der Betreuende und das Kind aber regelmäßig in einem gemeinsamen Haushalt leben und daher auch gemeinsam wirtschaften, wird ihm dieser Anspruch in der Praxis kaum in voller Höhe zugute kommen549. Andererseits wird eine sittenwidrige Belastung der Kindesinteressen freilich nicht schon bei jeder betragsmäßigen Unterschreitung des nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalts angenommen werden können. Hier kommt es auf die jeweiligen Umstände an. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass den vertragsschließenden Ehegatten diese Umstände bewusst oder grob fahrlässig unbewusst gewesen sind550. Eine Schädigungsabsicht gegenüber dem Kind ist nicht erforderlich. Ebenso wie bei der Sittenwidrigkeit
546
Ebenso: Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, S. 79 f. Rauscher, Familienrecht, Rn. 637. 548 OLG Köln FamRZ 2003, 767; Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, S. 79 f; Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 41. 549 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch unten unter IV.3.b)bb)(2)(b)(bb). 550 Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, S. 81. 547
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
wegen Belastung der Sozialhilfeträger kann auch hier die bloß abstrakte Möglichkeit einer späteren Beeinträchtigung der Kindesinteressen nicht ausreichen. (aa) Differenzierung zwischen vorsorgenden und scheidungsbezogenen Vereinbarungen Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist wiederum von den tatsächlichen Verhältnissen zur Zeit des Vertragsschlusses und den Vorstellungen der Ehegatten hinsichtlich deren künftiger Entwicklung auszugehen. Wird eine Unterhaltsverzichtsvereinbarung nicht im Vorfeld einer Scheidung, wenn bereits klar ist, dass ein zu betreuendes Kind vorhanden ist, sondern zu einer Zeit geschlossen, zu der sowohl eine Scheidung, als auch eine mittelbare Betroffenheit eines (möglicherweise noch nicht einmal geplanten) gemeinsamen Kindes hiervon nicht konkret absehbar ist, so kann der Verzicht – im Hinblick auf die Kindesinteressen – regelmäßig keinen Sittenverstoß begründen551. Eine andere Beurteilung würde nicht nur immense Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringen, sie ließe sich auch kaum mit der gesetzlichen Wertung in den §§ 1570, 1585 c BGB vereinbaren. Denn wenn ein Verzicht auf den Betreuungsunterhalt im Grundsatz zulässig ist552, so kann die strenge Rechtsfolge des § 138 Abs. 1 BGB nicht bereits dann eingreifen, wenn eine spätere Belastung des zu betreuenden Kindes in objektiver Hinsicht nur eine mögliche, aber (noch) nicht hinreichend konkret absehbare Folge des Verzichts ist. Ohnehin dürfte sich in praktischer Hinsicht bei vor oder während intakter Ehe geschlossenen Vereinbarungen das subjektive Element des § 138 Abs. 1 BGB kaum nachweisen lassen, da die Ehegatten dort gerade vom Bestand der Ehe ausgehen werden. Damit ist das Verdikt der Sittenwidrigkeit wegen Belastung gemeinschaftlicher Kinder bei vorsorgenden Unterhaltsvereinbarungen zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen; es dürfte in der Praxis jedoch nur in Ausnahmefällen bejaht werden können. Wie schon zur Sittenwidrigkeit wegen der Belastung der Sozialhilfeträger festgestellt, kann diese Frage daher auch hier nur hinsichtlich scheidungsbezogener Vereinbarungen praktische Relevanz gewinnen. Die Rechtsprechung hatte sich in diesem Zusammenhang bislang zwar überwiegend mit vorsorgenden Unterhaltsvereinbarungen zu befassen. Soweit sie jedoch auch bei scheidungsbezogenen Verzichtsvereinbarungen in Fällen, in denen zur Zeit des Vertragsschlusses ein vom Verzichtenden zu betreuendes gemeinschaftliches Kind vorhanden war, nur die Anwendung einer zeitlich und höhenmäßig begrenzten Einrede der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB erwogen hat553, ist diese hinsichtlich des § 138 Abs. 1 BGB zurückhaltende Tendenz schon im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht554 551 552
Rauscher, Familienrecht, Rn. 637; BGH NJW 1991, 913, 914. Vgl. ausführlich oben unter IV.2.c)bb).
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stets betonten Kindesinteressen aufzugeben. Eine Abkehr von dieser bislang restriktiven Auffassung der Rechtsprechung ist mit dem Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004 nunmehr auch erfolgt555. (bb) Rechtsfolgen beim sittenwidrigen Verzicht auf den Betreuungsunterhalt Eine Besonderheit ist bei den hier behandelten Fallkonstellationen darin zu sehen, dass – anders als in den Fällen der unzulässigen Belastung der Sozialhilfeträger – ein Sittenverstoß nur hinsichtlich eines Unterhaltstatbestands (§ 1570 BGB) bejaht werden kann. Es fragt sich daher, ob auf der Rechtsfolgenseite der Unterhaltverzicht hinsichtlich der übrigen Unterhaltstatbestände aufrecht erhalten werden kann. Rechtsfolge der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ist dessen Nichtigkeit, die sich grundsätzlich auf das Rechtsgeschäft im Ganzen erstreckt556. Allerdings kann ein Rechtsgeschäft im Hinblick auf § 139 BGB ausnahmsweise auch ohne den sittenwidrigen Teil aufrechterhalten werden, wenn dies dem hypothetischen Willen der Vertragsschließenden entspricht557. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Sittenwidrigkeit auf einen abtrennbaren Teil des Rechtsgeschäfts beschränkt. Eine Unterhaltsverzichtsvereinbarung, die den Anspruch aus § 1570 BGB mit umfasst, wird indes regelmäßig nicht zwischen einzelnen Unterhaltstatbeständen differenzieren558. Dies steht einer Anwendung des § 139 BGB aber nicht grundsätzlich entgegen. Denn lässt sich bei einer Vereinbarung der Teil des Vertragsinhalts, der allein den Vertrag zum sittenwidrigen macht, in eindeutig abgrenzbarer Weise bestimmen, während im Übrigen gegen Inhalt und Zustandekommen des Vertrages keine Bedenken bestehen, spricht nach h. M. 553 Vgl. beispielsweise: OLG Zweibrücken, FuR 2000, 444 ff. Zutreffend dagegen: OLG Köln FamRZ 2003, 767, welches das Sittenwidrigkeitsverdikt – neben der vorhersehbaren Belastung der Sozialhilfeträger – auch auf die im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit drohende Vernachlässigung des gemeinsamen Kindes stützt. 554 BVerfGE 103, 89, 107; BVerfGE 57, 361, 382 f. 555 BGH NJW 2004, 930, 934; vgl. zur gerichtlichen Kontrolle einer Scheidungsvereinbarung nunmehr: OLG Celle FamRZ 2004, 1202, 1203 f, wo ein Sittenverstoß wegen Verzichts auf den Anspruch aus § 1570 BGB im Hinblick auf die schon während der Ehe bestehende ganztägige Berufstätigkeit zu Recht verneint wurde. 556 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW 1989, 26, 27; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 32. 557 BGH NJW 2001, 815, 817; Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 89; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 139, Rn. 14; vgl. für eine einseitige Verfügung von Todes wegen: BGHZ 52, 17, 24 f. 558 Häufig findet sich dann eine Klausel der Art: „Wir verzichten gegenseitig auf jeglichen nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall den Not.“ Wird ein Unterhaltstatbestand von der Verzichtsvereinbarung ausgenommen, handelt es sich hierbei regelmäßig um den Anspruch auf Betreuungsunterhalt.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
nichts dagegen, die Nichtigkeitsfolge allein auf den sittenwidrigen Teil zu beschränken559. Dies ist zumindest bei einem vollständigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, bei dem sich das Sittenwidrigkeitsverdikt allein auf die Belastung der Kindesinteressen und damit den Verzicht auf den Betreuungsunterhalt stützt, m. E. der Fall. Die Verzichtsvereinbarung ist insoweit – hinsichtlich der einzelnen Unterhaltstatbestände – auch teilbar. Dies ergibt sich im Umkehrschluss daraus, dass auch allgemein davon ausgegangen wird, dass Ehegatten Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt auf einzelne Unterhaltstatbestände beschränken können560. Dann stellt ein vollständiger Verzicht nichts anderes als einen Verzicht auf alle in den §§ 1570 ff BGB enumerativ genannten Unterhaltstatbestände dar561. Wenn nun in der Rechtsprechung sogar anerkannt ist, dass Dauerschuldverhältnisse, bei denen sich die Sittenwidrigkeit allein aus deren unverhältnismäßig langer Bindung ergibt, nicht insgesamt nichtig sein müssen, sondern unter Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf ein zeitlich vertretbares Maß beschränkt werden können562, ist nicht ersichtlich, warum nicht auch bei einem umfassenden Unterhaltsverzicht hinsichtlich des Anspruchs aus § 1570 BGB angenommen werden kann, dass sich die Nichtigkeitsfolge auf diesen Unterhaltstatbestand beschränkt, wenn sich der Sittenverstoß allein aus der Belastung des gemeinsamen Kindes ergibt. Aus dem Umstand, dass es sich bei einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung nicht um einen Austauschvertrag handelt, lässt sich nichts anderes schließen. Bei einem isolierten Unterhaltsverzicht spricht im Hinblick auf § 139 BGB auch nichts dafür, dass die Vertragsschließenden bei Kenntnis der Unwirksamkeit des Verzichts hinsichtlich des Betreuungsunterhalts, nicht auch auf die übrigen Unterhaltstatbestände verzichtet hätten. Bei einer umfassenden Scheidungsfolgenvereinbarung kann dies freilich anders zu beurteilen sein. Ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Verzichts auf den Betreuungsunterhalt dagegen aus anderen Gründen, insbesondere aufgrund des Verhaltens gegenüber dem verzichtenden Vertragspartner, wird eine Aufrechterhaltung der Vereinbarung bezüglich der übrigen Unterhaltstatbestände im Hinblick auf die im Rah559 BGH NJW 2001, 815, 817; BGHZ 68, 204, 207; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 159; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 139, Rn. 13 ff und § 138, Rn. 32; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 49; etwas weit gehend: Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 92 ff. 560 Vgl. nur: Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 134; Häberle, in: Soergel, BGB, § 1585 c BGB, Rn. 11; Pauling, in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 6, Rn. 605. 561 Langenfeld, Eheverträge, Rn. 642. 562 Vgl. beispielsweise BGH NJW 1972, 1459 f – Bierbezugsvertrag; BGH NJWRR 1996, 741, 742 – Wettbewerbsverbot; BGHZ 105, 213, 220 ff – Gesellschafterausschlussklausel, die sich auf ein sachlich und zeitlich vertretbares Maß beschränken lässt. Diese Fälle aus der Rechtsprechung sollen hier nur als veranschaulichendes Beispiel dienen und sind im Übrigen selbstverständlich nicht mit einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung vergleichbar.
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men des Anwendungsbereichs des § 138 BGB grundsätzliche Unzulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion dagegen nicht in Betracht kommen563. Gleiches gilt für den Fall, dass sich die Sittenwidrigkeit erst aufgrund einer Gesamtbetrachtung der Scheidungsfolgenregelungen ergibt564. In praktischer Hinsicht wird eine solche auf den Betreuungsunterhalt begrenzte Sittenwidrigkeit daher auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. (d) Zusammenfassung zur Nichtigkeit wegen sittenwidriger Drittbelastung Wie vorstehend dargelegt, sind die von der Rechtsprechung unter Zustimmung des Schrifttums entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung wegen unzulässiger Belastung der Sozialhilfeträger auf die Belastung der nach § 1584 S. 2 BGB nachrangig unterhaltspflichtigen Verwandten übertragbar. Diese Rechtsprechung ist durch das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004 keineswegs obsolet geworden, sondern beansprucht weiterhin Geltung, worauf auch im Schrifttum zu Recht hingewiesen wird565. Bei einer zur Zeit des Vertragsschlusses objektiv konkret vorhersehbaren Belastung gemeinsamer Kinder durch einen Verzicht auf den Betreuungsunterhalt sind diese Grundsätze ebenfalls entsprechend heranzuziehen. Allerdings kann dort auf der Rechtsfolgenseite in eng begrenzten Ausnahmefällen der Verzicht hinsichtlich der übrigen Unterhaltstatbestände aufrecht erhalten werden, falls sich der Sittenverstoß auf den Unterhaltstatbestand des § 1570 BGB und die Beeinträchtigung der Kindesinteressen beschränkt. Den behandelten Fallkonstellationen ist gemein, dass die Drittbelastung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv zwangsläufige oder zumindest konkret vorhersehbare Folge des Unterhaltsverzichts ist. In subjektiver Hinsicht ist weitere Voraussetzung der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB im Falle eines sittenwidrigen Verhaltens gegenüber außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Dritten, dass beiden Kontrahenten der Vorwurf eines Sittenverstoßes gemacht werden kann, also beide die Tatsachen kennen oder kennen müssen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt566. Aufgrund dieser – insgesamt gesehen – engen Voraussetzungen wird sich die Sittenwidrigkeit wegen Beeinträchtigung von Drittinteressen in der Regel nur bei scheidungsbezogenen und nur ausnahmsweise bei vorsorgenden Unterhaltsvereinbarungen bejahen lassen. Dieser begrenzte Anwendungsbereich ist indes im Hinblick darauf, dass 563
Vgl. hierzu oben unter IV.2.a)dd)(1) und IV.2.f)dd). Vgl. zum Erfordernis der Gesamtbetrachtung oben unter IV.2.f). 565 Bergschneider, FamRZ 2004, 1757, 1765. 566 BGH NJW 1992, 310; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 35; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 40; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 25. 564
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
§ 138 Abs. 1 BGB keine allgemeine Angemessenheitskontrolle vertraglicher Vereinbarungen ermöglicht, sondern lediglich die Einhaltung der äußersten Grenzen der herrschenden Rechts- und Sozialmoral sichert567, gerechtfertigt. Die zur Zeit des Vertragsschlusses bestehende abstrakte Möglichkeit der Beeinträchtigung von Drittinteressen kann das Sittenwidrigkeitsverdikt folglich nicht begründen. Unvorhergesehenen späteren Entwicklungen kann durch Anwendung des § 242 BGB begegnet werden. Anders als bei der im Folgenden zu erörternden Sittenwidrigkeit wegen gestörter Vertragsparität oder sonstigem sittenwidrigen Verhalten gegenüber dem Vertragspartner, bleibt bei den hier behandelten Fallkonstellationen wenig Raum für eine Argumentation mit dem Vorrang der Privatautonomie der Vertragsschließenden. Denn diese findet naturgemäß dort ihre Grenzen, wo sie in nicht hinnehmbarer Weise in Rechte Dritter eingreift568. (2) Sittenwidrigkeit wegen gestörter Vertragsparität Herausragende Bedeutung kommt den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 in Bezug auf die gerichtliche Kontrolle von Eheverträgen und Unterhaltsvereinbarungen unter anderem deshalb zu, weil hiermit das tragende Argument der Eheschließungsfreiheit569, aufgrund dessen die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung in der Regel eine Inhaltskontrolle unter dem Gesichtspunkt der gestörten Vertragsparität verweigerte570, weggefallen ist. Auch bei einer gerichtlichen Inhaltskontrolle wegen sittenwidrigen Verhaltens gegenüber dem Vertragspartner – hierzu sind die Fälle der gestörten Vertragsparität zu zählen – ist von der Prämisse auszugehen, dass sich das Sittenwidrigkeitsurteil allein auf die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses gründen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu einige Kriterien in den Raum gestellt, ohne diese jedoch näher zu konkretisieren. Letzteres wird auch durch die zahlreichen Interpretationsversuche belegt, die im Nachklang dieser Entscheidungen im Schrifttum geäußert wurden571. Im Ausgangspunkt ist zu konstatieren, dass 567 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 325; Büttner, FamRZ 1998, 1, 4; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 20; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 2; ähnlich BGH NJW 2004, 930, 935: „Beschränkung des § 138 I BGB auf gravierende Verletzungen der sittlichen Ordnung“. 568 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 379 ff; BGHZ 86, 82, 87. 569 Ausführlich hierzu oben unter III.5.b). 570 Vgl. beispielsweise: BGH NJW 1997, 192, 193; BGH NJW 1997, 126, 127; BGH NJW 1992, 3164, 3165. 571 Während beispielsweise Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 279 f nach Analyse der Entscheidung zu dem Schluss kommt, dass auch künftig hauptsächlich mit dem Instrument der Ausübungskontrolle gearbeitet werden kann, hält Schwab, FamRZ 2001,
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das Bundesverfassungsgericht die Privatautonomie im Eherecht im Grundsatz anerkennt572. Es betont aber auch die der Vertragsfreiheit immanenten Schranken, denen im Einzelfall, sofern sie von den Vertragsschließenden nicht beachtet werden, durch eine gerichtliche Kontrolle zur Wirkung verholfen werden muss573. Dies gilt beispielsweise dann, wenn die Ausnutzung einer aufgrund konkreter Umstände bestehenden gestörten Vertragsparität der Unterhaltsvereinbarung ein sittenwidriges Gepräge gibt. Unter Berücksichtigung der bisher entwickelten Grundsätze und der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien, ist eine gerichtliche Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen anhand des § 138 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Vertragsdisparität an das kumulative Vorliegen der nachfolgend dargestellten Voraussetzungen anzuknüpfen, die sowohl für vorsorgende wie auch scheidungsbezogene Vereinbarungen gelten574. (a) Objektiv einseitige Benachteiligung eines Ehegatten Erstes Kriterium ist eine in objektiver Hinsicht ungewöhnlich starke Belastung eines Ehegatten durch die getroffene Vereinbarung575. Ausgangspunkt für diese Beurteilung ist daher zunächst der Inhalt der Unterhaltsvereinbarung. Je weiter dort von den gesetzlichen Leistungspflichten abgewichen wird, umso mehr kann von einer objektiven Benachteiligung ausgegangen werden. Hierbei muss freilich klar sein, dass eine einseitige Benachteiligung nicht grundsätzlich dadurch ausgeschlossen werden kann, dass beide Ehegatten gleichermaßen auf gesetzliche Ansprüche verzichten576. Gerade bei einer Einverdienerehe stellt beispielsweise ein Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt für den erwerbstätigen Ehegatten keinen wirtschaftlich relevanten Nachteil dar, da er im Falle ei349, 350 die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB für naheliegend. Vgl. zu den Reaktionen aus dem Schrifttum oben unter III.5.d)aa). 572 BVerfGE 103, 89, 101: „Dies gilt auch für Eheverträge, mit denen Eheleute ihre höchstpersönlichen Beziehungen für die Zeit ihrer Ehe oder danach regeln. Art. 6 I GG gibt ihnen hierbei das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten (. . .)“; ebenso bereits: BVerfGE 60, 329, 339. 573 BVerfGE 103, 89, 101. 574 Auf die Geltung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für Scheidungsvereinbarungen weisen Brandt, MittBayNot 2004, 278, 281 und Bredthauer, NJW 2004, 3072, 3076 zu Recht hin. Die gegenteilige Auffassung von Wachter, ZNotP 2004, 264, 265 f vermag dagegen nicht zu überzeugen, da sie den hierfür wesentlichen Ansatzpunkt der Vertragsdisparität verkennt; diese kann auch bei Scheidungsvereinbarungen bestehen, auch wenn sie dort an andere tatsächliche Anhaltspunkte anknüpfen wird. Vgl. zur Inhaltskontrolle einer scheidungsbezogenen Unterhaltsvereinbarung am Maßstab der vom Bundesverfassungsgericht und dem BGH aufgestellten Grundsätze: OLG Celle FamRZ 2004, 1969 f. 575 BVerfGE 103, 89, 102. 576 BVerfGE 103, 89, 105.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
ner Scheidung ohnehin nicht mit einem Unterhaltsanspruch gegen den haushaltsführenden Ehegatten rechnen kann. Wird in der Unterhaltsvereinbarung vollständig oder überwiegend auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet, ist dies aber nur ein erstes Indiz für eine einseitige Lastenverteilung. Es sind dann weiter die konkreten Umstände und Vorstellungen der kontrahierenden Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses zu berücksichtigen. Hierbei wird die Vermögenslage, die berufliche Perspektive und das von den Ehegatten ins Auge gefasste oder bereits gelebte Ehemodell eine Rolle spielen577. Sind beide Ehegatten vermögend, sodass der Unterhaltsbedarf ohnehin durch das eigene Vermögen gesichert erscheint, wird eine Benachteiligung durch einen Unterhaltsverzicht kaum in Betracht kommen; nachträgliche Änderungen der Vermögenslage können dann nur noch im Rahmen des § 242 BGB berücksichtigt werden. Gleiches gilt für den Fall, dass beide Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses planen, erwerbstätig zu bleiben und kein konkreter Kinderwunsch besteht, später aber doch gemeinsame Kinder aus der Ehe hervorgehen578. Gehen die Ehegatten dagegen von der familiären Konstellation einer Einverdienerehe aus, liegt der Schluss auf eine mit einem Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt verbundene einseitige Benachteiligung des haushaltsführenden Ehegatten nahe, da nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass eine Wiedereingliederung ins Berufsleben umso schwieriger werden wird, je länger die Ehe dauert. Allerdings kann eine besonders gute berufliche Qualifikation des haushaltsführenden Ehegatten auch dafür sprechen, dass eine Rückkehr in die Erwerbstätigkeit im Falle des Scheiterns der Ehe in objektiver Hinsicht realistisch ist. Lässt sich nach diesen Grundsätzen eine einseitige Benachteiligung eines Ehegatten durch den Unterhaltsverzicht feststellen, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zusätzlich zu prüfen, ob diese Benachteiligung durch die weiteren Scheidungsfolgenregelungen oder bereits erfolgte Vermögensverschiebungen während der Ehe kompensiert werden kann579. Eine solche nachteilsausgleichende Kompensation kann aber nicht bereits immer dann bejaht werden, wenn – im Falle einer isolierten Unterhaltsvereinbarung – die weiteren gesetzlichen Scheidungsfolgen, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich, unberührt bleiben. Auch hier kommt es auf die Umstände des zu beurteilenden Falles an. Eine Kompensation kann danach nur in Betracht kommen, wenn bei 577 BVerfGE 103, 89, 104; BGH NJW 2004, 930, 935; Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 17; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 15. Vgl. hierzu auch oben unter IV.2.b)bb). 578 Vgl. hierzu den Fall in OLG München FamRZ 2003, 376 f. 579 Langenfeld, ZEV 2004, 311, 314; Bredthauer, NJW 2004, 3072, 3075 f; Schubert, FamRZ 2001, 733, 736 f; Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 12; vgl. ausführlich zur Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung oben unter IV.2.f).
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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Vertragsschluss zumindest hinreichend konkret vorhersehbar ist, dass sich diese weiteren ehebedingten Anspruchspositionen im Scheidungsfalle auch als werthaltig erweisen werden. Dies wird bei einem Ehevertrag, der einige Zeit nach der Eheschließung geschlossen wird oder bei einer scheidungsbezogenen Vereinbarung bereits absehbar sein. Bei vorehelichen Vereinbarungen wird diese Abgrenzung dagegen Schwierigkeiten bereiten. (b) Die gestörte Vertragsparität Zweites wichtiges Kriterium, bei dessen Vorliegen eine gerichtliche Inhaltskontrolle der Unterhaltsvereinbarung anhand des § 138 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sein kann, ist die gestörte Vertragsparität. (aa) Zum Begriff der gestörten Vertragsparität Unter dem Begriff der gestörten Vertragsparität werden diejenigen Fallkonstellationen zusammengefasst, in denen einer der Vertragsschließenden aufgrund besonderer Umstände in tatsächlicher Hinsicht nicht in der Lage ist, seine Interessen bei Abschluss eines Vertrages angemessen zu vertreten. Es handelt sich mithin um Fälle stark divergierender Verhandlungsmacht580. Während dieser Begriff zunächst nur im Arbeitsrecht581 und im Zusammenhang mit der gerichtlichen Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen582 verwendet wurde, gewann er durch die Handelsvertreterentscheidung und die Bürgschaftsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts583 zunehmend auch in anderen Bereichen des Zivilrechts an Bedeutung. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt ist, dass die durch Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG auch im Eherecht gewährleistete und geschützte Privatautonomie, also das Recht des Einzelnen, seine Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich zu gestalten, voraussetzt, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung auch tatsächlich gegeben sind584. Ist dies der Fall, wird von einer Richtigkeitsgewähr hinsichtlich des vertraglich Vereinbarten gespro580 Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 15; Schmidt, in: Staudinger, BGB, § 242, Rn. 461 und 467 f; ausführlich: Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 18 ff. 581 Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 108 ff; ausführlich zur historischen Entwicklung der Vertragsfreiheit im Arbeitsvertragsrecht: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 495 ff. 582 Kramer, in: MünchKomm, BGB, vor § 145, Rn. 2 ff; Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rn. 441 ff. 583 BVerfGE 81, 242 ff; BVerfGE 89, 214 ff; vgl. hierzu oben unter IV.1.b)cc) und IV.1.b)dd). 584 BVerfGE 103, 89, 100; BVerfGE 81, 242, 254 f.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
chen585. Eine solche privatautonome Vereinbarung wird von der Rechtsordnung grundsätzlich anerkannt, da sie auf dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien beruht, mag dieser aus Sicht eines objektiven Dritten auch unvernünftig erscheinen586. Besteht jedoch zwischen den Vertragsschließenden eine derart ungleiche Verhandlungsmacht, dass eine Partei den Inhalt des Vertrages faktisch alleine bestimmen kann, stellt sich der Vertrag für den unterlegenen Teil nicht als Ergebnis seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Selbstbestimmung, sondern als Fremdbestimmung dar. Damit entfällt aber auch die inhaltliche Richtigkeitsgewähr, die korrektiven Eingriffen des Staates in den Vertragsinhalt entgegensteht. Gerade der Umstand, dass sich ein Vertrag als Ergebnis einer Fremdbestimmung und nicht der Selbstbestimmung darstellt, kann ihm ein sittenwidriges Gepräge geben, falls der unterlegene Teil durch den Vertragsinhalt einseitig belastet wird587. Zu beachten ist allerdings, dass nicht jede unterschiedlich starke Verhandlungsposition eine solche Vertragsdisparität begründen kann. Erforderlich ist vielmehr ein solch starkes Ungleichgewicht, dass der überlegene Teil den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann588. Während das Bundesverfassungsgericht bei seinen vorherigen Entscheidungen zur gerichtlichen Inhaltskontrolle von Verträgen auf eine strukturelle Unterlegenheit eines Vertragspartners abgestellt hat589, hob es in Bezug auf Eheverträge hervor, dass aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes einer Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen, der Staat der Vertragsfreiheit dort Grenzen zu setzen hat, wo eine Vereinbarung nicht Ausdruck und Ergebnis einer solchen gleichberechtigten Partnerschaft ist, sondern die einseitige Dominanz eines Ehegatten widerspiegelt590. Das Bundesverfassungsgericht geht damit zu Recht weder von einer generellen strukturellen Unterlegenheit der Frau im Allgemeinen, noch von einer generellen strukturellen Unterlegenheit der schwangeren Frau aus, sondern betont das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Feststellung der Vertragsdisparität591. So greifbar die-
585 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 42, Rn. 1 ff; Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rn. 439; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 14 ff; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 51 ff; grundlegend zur Lehre von der Richtigkeitsgewähr: Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 132 ff; ähnlich auch: BVerfGE 103, 89, 100. 586 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 14; BVerfGE 103, 89, 100; BVerfGE 81, 242, 254. 587 Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 116 f; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 86 ff. 588 BVerfGE 103, 89, 100 f; BVerfGE 89, 214, 232. 589 BVerfGE 89, 214, 232; ähnlich: BVerfGE 81, 242, 254 f und 260 f. 590 BVerfGE 103, 89, 101; BVerfG FamRZ 2001, 985. 591 Vgl. BVerfGE 103, 89, 104: „Allerdings ist die Schwangerschaft bei Abschluss eines Ehevertrages nur ein Indiz für eine vertragliche Disparität, das Anlass gibt, den Vertrag einer stärkeren richterlichen Kontrolle zu unterziehen.“
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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ser Begriff der gestörten Vertragsparität auf den ersten Blick zwar erscheinen mag, so schwierig kann deren Feststellung aber im konkreten Fall sein. (bb) Fälle der gestörten Vertragsparität Um das Vorliegen einer Vertragsdisparität bejahen zu können, ist zunächst zu prüfen, ob für die Zeit des Vertragsschlusses objektive Kriterien, die eine stark unterlegene Verhandlungsposition begründen, festgestellt werden können. Allgemeingültige Fallgruppen lassen sich hierzu nur schwer entwickeln. Die gestörte Vertragsparität kann auf sozialer, psychischer592 oder auch intellektueller Überlegenheit beruhen. Dagegen kann bei einem wohlhabenden Ehegatten die bloße „Vermögensdisparität“ regelmäßig noch kein Verhandlungsungleichgewicht begründen593. Auch im Falle der Drohung oder Täuschung kann von einer Vertragsdisparität gesprochen werden, wenn ein Vertragspartner hierdurch in seiner freien Willensbildung und Interessenwahrnehmung bei den Vertragsverhandlungen stark eingeschränkt wird. Gleiches gilt für den Fall der Ausnutzung der Unerfahrenheit eines Vertragspartners zum Zwecke der Ausgestaltung des Vertrages nach ausschließlich eigenen Interessen594. Wurde die Unterhaltsvereinbarung notariell beurkundet, wird man in letzterem Fall aber im Hinblick auf die Belehrung des Notars nach § 17 BeurkG zurückhaltender sein müssen595. Auch die Fälle der Ausnutzung einer Zwangslage sind unter den Begriff der gestörten Vertragsparität zu subsumieren, da der sich in der Zwangslage befindende Vertragspartner dort regelmäßig nicht in der Lage ist, seine Interessen angemessen zu vertreten596. Praktischer Anhaltspunkt für eine solche ungleiche Verhandlungsposition kann beispielsweise der unbedingte Ehewunsch eines der Vertragsschließenden sein, wenn die Eheschließung vom anderen Teil vom Abschluss eines Ehevertrages mit einem bestimmten Inhalt abhängig gemacht wird. Als mittlerweile „klassisches“ Beispiel hierfür kann der vorsorgende Ehevertrag mit einer schwangeren Frau, welche die Ehe aufgrund bestehender sozialer Zwänge, konfessionellen Gründen oder aus Versorgungsgründen im Hinblick auf 592 Vgl. hierzu: OLG Naumburg FamRZ 2002, 456, 457 und Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339. 593 Rauscher, DNotZ 2004, 524, 541 f; BGH NJW 2004, 930, 935; a. A. wohl, freilich ohne Begründung: OLG München FamRZ 2003, 35, 37. 594 Vgl. hierzu: Klein, in Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 23; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 498, 499 f: Sittenwidrigkeit wegen Ausnutzung der Unerfahrenheit, da nach dem Wortlaut des Vertrages der Ausschluss des Zugewinnausgleichs nicht erkennbar war (dort wurde vereinbart, dass im Falle der Scheidung das Endvermögen dem Anfangsvermögen entspricht). Dieser Gesichtspunkt kann insbesondere auch bei Ehen mit Ausländern an Bedeutung gewinnen; vgl. dazu: OLG Koblenz NJW 2003, 2920, 2921 und OLG Köln FuR 2001, 430, 431. 595 BGH NJW 1997, 126, 127; vgl. ausführlich hierzu unter IV.2.d). 596 Büttner, FamRZ 1998, 1, 5 f.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
das erwartete Kind wünscht, gesehen werden597. Solche Fälle waren auch Gegenstand mehrerer Entscheidungen des BGH598 und der beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001. Lässt sich das Aufstellen einer solchen Bedingung durch den Mann nicht feststellen599, wird man aber nicht ohne Weiteres von einer Vertragsdisparität ausgehen können600. Denn trotz der besonderen Lebenssituation der schwangeren Frau, die das Bundesverfassungsgericht unter Hervorhebung der psychologischen und soziologischen Aspekte ausführlich dargelegt hat601, ändert die Schwangerschaft als solche noch nichts an deren Fähigkeit, privatautonome Vereinbarungen zu schließen. Bei Ehen mit Ausländern kommt eine gestörte Vertragsparität unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzens einer Zwangslage dann in Betracht, wenn es um deren Aufenthaltserlaubnis geht602. Der ohnehin fragwürdigen Praxis der Ehevermittlung mit Partnerinnen aus Südostasien oder Osteuropa, mit denen vor der Eheschließung ein Globalverzicht hinsichtlich des Scheidungsfolgenrechts vereinbart zu werden pflegt, kann somit zumindest mit einer gerichtlichen Kontrolle dieser Eheverträge begegnet werden603. Bei Vereinbarungen, die während bestehender Ehe getroffen werden, kann sich eine Vertragsdisparität beispielsweise daraus ergeben, dass einer der Ehegatten die Fortsetzung der Ehe vom Abschluss eines Ehevertrags oder einer Unterhaltsvereinbarung abhängig macht604. Der Ehegatte, der die Fortsetzung der Ehe wünscht, befindet sich in diesem Fall zweifellos in einer psychischen Zwangslage, die der Durchsetzung einer angemessenen Berücksichtigung seiner Interessen bei der Ausgestaltung des Ehevertrages regelmäßig entgegenstehen wird; dies gilt auch dann, wenn er möglicherweise selbst zu der Ehekrise beigetragen hat605. Die gestörte Vertragsparität wird hier, im Vergleich zu Fallkons597 Gleiches kann auch dann gelten, wenn bereits gemeinschaftliche Kinder vorhandenen sind, deren finanzielle Versorgung durch die Eheschließung gesichert werden soll. 598 BGH NJW 1997, 126 ff; BGH NJW 1992, 3164 ff; BGH NJW 1991, 913 ff. Dort wurde die Sittenwidrigkeit allerdings jeweils verneint. 599 Einen solchen Fall behandelt AG Warendorf FamRZ 2003, 609 f. 600 Langenfeld, ZEV 2004, 311, 315 f. 601 BVerfGE 103, 89, 102 ff. 602 Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1408, Rn. 10; Mayer, FPR 2004, 363, 365. 603 Vgl. hierzu aus der bislang – m. E. zu Unrecht – zurückhaltenden Rechtsprechung: OLG Koblenz NJW 2003, 2920, 2921; OLG Köln FamRZ 1995, 997 f; vgl. hierzu weiter: Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339. 604 Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 27. 605 Die gegenteilige Argumentation des BGH, wonach sich aus der mit der Eheschließungsfreiheit korrespondierenden Scheidungsfreiheit ergebe, dass auch ein solches Verhalten grundsätzlich zulässig sei (BGH NJW 1997, 192, 193), ist im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 ebenfalls obsolet geworden. Wenn schon die Eheschließungsfreiheit keine Freiheit zu unbe-
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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tellationen, bei denen die Eheschließung vom Abschluss eines Ehevertrags abhängig gemacht wird, noch dadurch verstärkt, dass in letzterem Fall die nichteheliche Lebensgemeinschaft möglicherweise fortgeführt werden wird, während dies bei einer angedrohten Scheidung wohl kaum anzunehmen ist. Schließlich ist bei scheidungsbezogenen Vereinbarungen auch immer dann an eine stark unterlegene Verhandlungsposition eines Vertragsteils zu denken, wenn mit der Scheidungsvereinbarung auch eine Regelung des Sorge- oder Umgangsrechts hinsichtlich der gemeinsamen Kinder verbunden wird, beziehungsweise ein Ehegatte diesbezügliche Erklärungen von ihn begünstigenden Scheidungsfolgenvereinbarungen abhängig macht606. Eine abschließende Aufzählung der Umstände, die eine gestörte Vertragsparität begründen können, ist indes nicht möglich. Diese kommt bei vorsorgenden wie auch bei scheidungsbezogenen Vereinbarungen gleichermaßen in Betracht, auch wenn sie in tatsächlicher Hinsicht an unterschiedliche Anhaltspunkte zu knüpfen sein wird. Abstrakt lässt sich lediglich formulieren, dass in Fällen, in denen die festgestellten Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses ergeben, dass sich einer der Ehegatten aufgrund objektiver und/oder subjektiver Faktoren in einer derart unterlegenen Verhandlungsposition befand, dass er auf den Inhalt der Vereinbarungen faktisch keinen Einfluss nehmen konnte, eine Vertragsdisparität vorliegt. (c) Die Kausalität zwischen Vertragsdisparität und einseitiger Belastung Weitere Voraussetzung für die Bejahung des Sittenwidrigkeitsverdikts ist die Kausalität zwischen der festgestellten Vertragsdisparität und der einseitigen Belastung des unterlegenen Teils durch den Inhalt der Unterhaltsvereinbarung. Der Kausalität kommt eine entscheidende Bedeutung zu, da gerade hierin der eigentliche Sittenverstoß zu sehen ist. Denn weder die – nach dem Gesetz im Grundsatz zulässige – einseitige Benachteiligung, noch die fehlende Einflussmöglichkeit auf den Vertragsinhalt607 geben für sich genommen einem Rechtsgeschäft ein sittenwidriges Gepräge. Dieses ergibt sich vielmehr erst daraus, dass die überlegene Verhandlungsposition als Mittel der Fremdbestimmung grenzter Ehevertragsgestaltung rechtfertigen kann (BVerfGE 103, 89, 101 f), so gilt dies erst recht für die Scheidungsfreiheit. 606 Hier kann die Vereinbarung aber auch bereits aufgrund einer sittenwidrigen Instrumentalisierung des Sorge- oder Umgangsrechts nichtig sein; vgl. hierzu unter IV.3.b)aa)(4). 607 Die Privatautonomie umfasst auch die Freiheit, sich ohne jegliche Einflussmöglichkeit auf die Gestaltung des Vertragsinhalts vertraglich zu binden. In manchen Geschäftsbereichen, in denen ausschließlich mit AGB gearbeitet wird, ist dies fast schon üblich.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
dazu benutzt wird, den unterlegenen Vertragsteil zu übervorteilen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinen Entscheidungen zur gerichtlichen Inhaltskontrolle von Verträgen im Handelsvertreterrecht608 und im Bürgschaftsrecht609 zu Recht die Kausalität zwischen der Vertragsdisparität und der einseitigen Belastung als sittenwidrigkeitsbegründendes Merkmal hervorgehoben und dies auch in seinen jüngsten Entscheidungen zum Ehevertragsrecht betont610. In praktischer Hinsicht ist allerdings zu bemerken, dass bei kumulativem Vorliegen von einseitiger Benachteiligung und gestörter Vertragsparität wohl eine tatsächliche Vermutung für die Kausalität sprechen dürfte, diese mithin nur in seltenen Ausnahmefällen zu verneinen sein wird. (d) Die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit bei gestörter Vertragsparität In subjektiver Hinsicht genügt – entsprechend der h. M. in Literatur611 und Rechtsprechung612 – auch bei der Sittenwidrigkeit wegen gestörter Vertragsparität, dass der überlegene Vertragspartner die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt oder sich der Kenntnis dieser Tatsachen bewusst oder grob fahrlässig verschließt. Ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit seines Handelns oder gar eine Schädigungsabsicht ist danach nicht erforderlich613. Dies gilt auch für einen isolierten Unterhaltsverzicht, obgleich es sich dort nicht um einen reinen Austauschvertrag handelt614. Weiter ist eine sittlich anstößige Ausnutzung dieser Vertragsdisparität erforderlich, da gerade hierin die besondere Verwerflichkeit des Handelns zu sehen ist615. Zwar finden sich in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 608
BVerfGE 81, 242, 254 ff. BVerfGE 89, 214, 234: „Die Gerichte (. . .) müssen vielmehr klären, ob die (ungewöhnlich belastende) Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und gegebenenfalls im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend eingreifen.“ 610 BVerfGE 103, 89, 102: „In diesem Fall obliegt es vornehmlich den Gerichten, (. . .) bei der Inhaltskontrolle den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag umzusetzen und der Schwangeren Schutz vor Druck und Bedrängung aus ihrem Umfeld oder seitens des Kindesvaters zu gewähren (. . .), insbesondere, wenn sie dadurch zu Vertragsvereinbarungen gedrängt wird, die ihren Interessen massiv zuwiderlaufen.“ 611 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 8; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 23; Brox, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 284; vgl. zur Gegenansicht, die teilweise auf das Vorliegen eines subjektiven Elements verzichten will: Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 62 ff m. w. N. 612 BGH NJW-RR 1998, 590, 591; BGH NJW 1994, 187, 188; BGHZ 20, 43, 52; BGHZ 10, 228, 233. 613 So zutreffend im Zusammenhang mit einer Vereinbarung zum Unterhalt bei Getrenntleben: OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 578, 580. 614 Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 1288; BGHZ 86, 82, 89. 609
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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zum Ehevertragsrecht keine Ausführungen zur subjektiven Seite des § 138 Abs. 1 BGB; hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB bei der gerichtlichen Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen nunmehr entbehrlich ist616. Freilich werden an das Vorliegen dieses subjektiven Merkmals keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sein. Denn wer die maßgeblichen Tatsachen kennt, die eine einseitige Benachteiligung seines Vertragspartners durch den Vertragsinhalt sowie dessen stark unterlegene Verhandlungsposition begründen, wird sich nur selten mit Erfolg darauf berufen können, er habe diese überlegene Position aber nicht für eine Vertragsgestaltung in seinem Sinne ausgenutzt. Das Argument der Eheschließungsfreiheit steht der Bejahung eines Sittenverstoßes in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht entgegen617. Ebenso wenig wird man von der Kenntnis des unterlegenen Teils von der einseitigen Belastung und deren bewusster Akzeptanz um der gewünschten Eheschließung willen auf ein Fehlen der verwerflichen Ausnutzung dieser Umstände schließen können618. Zwar beinhaltet die Vertragsfreiheit grundsätzlich auch die Möglichkeit, einen einseitig belastenden Vertrag abzuschließen. Andererseits nimmt die Kenntnis von dessen Inhalt und Rechtsfolgen ihm nicht das sittenwidrige Gepräge in Bezug auf sein Zustandekommen. Auch wer in Kenntnis der eigenen Zwangslage einen nachteiligen Vertrag abschließt, bedarf des Schutzes durch die Rechtsordnung. Insbesondere würde nicht einleuchten, warum das sittenwidrige Verhalten des überlegenen Teils im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss deshalb in einem anderen Licht erscheinen sollte, weil er seinen Vertragspartner über die für ihn nachteiligen Rechtsfolgen aufklärt. Je nach Grad der festgestellten Vertragsdisparität wird man auch Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des subjektiven Tatbestands annehmen können.
615 Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 278; Gerber, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 49, 59. 616 Hierauf weisen zutreffend hin: Rauscher, DNotZ 2002, 751, 757 f; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 278 f; wohl auch: Koch, NotBZ 2004, 147, 149; Armasow, RNotZ 2001, 196, 202. A. A. anscheinend: Schubert, FamRZ 2001, 733, 735. Allerdings waren Ausführungen hierzu aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts auch nicht erforderlich, da die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen bereits deshalb aufzuheben waren, da sie sich einer gerichtlichen Kontrolle der ehevertraglichen Vereinbarungen unter Verkennung der grundgesetzlichen Schutznormen von vornherein verschlossen hatten. Eine dem § 561 ZPO entsprechende Vorschrift kennt das BVerfGG nicht. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur, ob die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung auf einer Grundrechtsverletzung beruht und nicht auch, ob sich der Hoheitsakt unter anderen rechtliche Gesichtpunkten rechtfertigen lässt; vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG, § 95, Rn. 14. 617 BVerfGE 103, 89, 101 f; BVerfG FamRZ 2001, 985. Allerdings ist auch nicht jeder Ehevertrag, von dem die Eheschließung abhängig gemacht wurde, automatisch sittenwidrig. 618 A. A. aber: Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 279.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
(e) Die Beweislast in Fällen gestörter Vertragsparität Nach den allgemein geltenden Regeln der Beweislastverteilung hat derjenige, der sich auf die Sitten- oder Treuwidrigkeit eines Vertrages beruft, die Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit oder die Treuwidrigkeit ergibt619. Danach hätte hier der unterlegene Vertragspartner die objektiv einseitige Benachteiligung, die gestörte Vertragsparität, die Kausalität der Vertragsdisparität für die Benachteiligung sowie die subjektive Tatbestandsseite zu beweisen. Hinsichtlich der objektiv einseitigen Belastung mag dieser Nachweis anhand des Vertragsinhalts und der tatsächlichen Verhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses noch relativ einfach zu führen sein. In Bezug auf die gestörte Vertragsparität kann sich dies bei länger zurück liegenden Unterhaltsvereinbarungen aber als äußerst schwierig erweisen. Im Schrifttum ist deshalb erwogen worden, in besonders schwerwiegenden Fällen bereits von der objektiven Benachteiligung auf die schwache Verhandlungsposition zu schließen620. Beweisrechtlich wäre dies als tatsächliche widerlegbare Vermutung der Vertragsdisparität, also eine Beweiserleichterung – keine Beweislastumkehr – zu werten621. Im Prozess müsste daher im Falle einer festgestellten besonders einseitigen Belastung des einen Vertragspartners der hierdurch begünstigte Teil gegenbeweislich die Vermutung nachhaltig erschüttern, dass eine Vertragsdisparität zur Zeit des Vertragsschlusses vorgelegen hat622. Diese Auffassung kann sich zumindest im Ansatz auf die neuere Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger stützen. Dort sind Voraussetzung für die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB die krasse finanzielle Überforderung des (angehörigen) Bürgen sowie zusätzliche besondere Umstände, die ein Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien begründen. Allerdings ist der Bürge der schwierigen Beweisführung in Bezug auf diese besonderen Umstände in praktischer Hinsicht zunächst enthoben623. Kann nämlich eine krasse finanzielle Überforderung festgestellt werden, so besteht nach Auffassung des BGH eine tatsächliche widerlegbare Vermutung für eine Vertragsdisparität und deren Ausnutzung durch die Gläubigerbank624. Die619 Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, § 138, Rn. 1 ff und § 242, Rn. 1 ff; Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 75; BGH NJW 1995, 1425, 1429; BGHZ 95, 81, 85. 620 Schwab, FamRZ 2001, 349; ebenso für den Fall einer Globalverzichtsvereinbarung: Borth, FamRZ 2004, 609, 611; Büttner, FamRZ 1998, 1, 6. 621 Anschaulich zur Abgrenzung der Beweiserleichterung von der Beweislastumkehr: Laumen, NJW 2002, 3739, 3740 ff. 622 Vgl. ausführlich zu Beweiserleichterungen durch tatsächliche Vermutungen: Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, Rn. 352 ff. 623 In dogmatischer Hinsicht ist er weiterhin beweisbelastete Partei; der Beweis ist indes durch die tatsächliche Vermutung zunächst erbracht; vgl. Laumen, NJW 2002, 3739, 3743.
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ser obliegt es dann, zu widerlegen, dass sich der Bürge nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern von seiner emotionalen Bindung an den Hauptschuldner hat leiten lassen und sie dies als Kreditgeberin in sittenwidriger Weise ausgenutzt hat625. Diese Grundsätze lassen sich jedoch nicht allgemein auf Unterhaltsvereinbarungen übertragen, da die tatsächliche Situation zwischen den Vertragsparteien dort eine andere ist. Die Ehe ist eine verfassungsrechtlich geschützte Lebensgemeinschaft, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen626; als solche treten sie sich grundsätzlich auch als Parteien einer Unterhaltsvereinbarung gegenüber. Außerhalb dieses Vertragsverhältnisses stehende Personen spielen dabei regelmäßig keine Rolle. Damit ist die Situation der kreditgebenden Bank gegenüber dem Bürgen, der kein beachtliches wirtschaftliches Eigeninteresse an der Kreditgewährung hat, dessen Angehöriger aber auf die Kreditgewährung wirtschaftlich angewiesen ist, kaum vergleichbar. Denn dort ergibt sich bereits aus der Ausgangslage regelmäßig eine strukturelle Unterlegenheit des Bürgen, die bei einer Unterhaltsvereinbarung gerade nicht generell vermutet werden kann. Dem vereinzelt gebliebenen Versuch, im Ehevertragsrecht eine allgemeine strukturelle Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann zu begründen627, ist auch das Bundesverfassungsgericht zu Recht nicht gefolgt. Es verlangt vielmehr, dass die Vertragsdisparität aufgrund der konkreten Umstände des Falles festgestellt wird628. Danach gilt auch hier, dass der sich auf die Sittenwidrigkeit einer Unterhaltsvereinbarung berufende Ehegatte diese grundsätzlich auch darzulegen und zu beweisen hat und nicht von der objektiven Benachteiligung auf die Vertragsdisparität geschlossen werden kann. Dies entspricht auch der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung, die unter Berücksichtigung der beiden Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen ergangen ist629. Da die Vertragsdisparität nicht allein aus einer objektiv einseitigen Belastung geschlossen werden kann, bleibt zu klären, wie streng die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast in dieser Hinsicht zu bemessen sind. Hier spricht m. E. viel dafür, zumindest beim Vorliegen besonders gewichtiger objektiver Anhaltspunkte, die indiziell bereits stark für eine unterlegene Verhandlungsposi624 BGH NJW 2002, 2705, 2706; BGH NJW 2002, 2228, 2229; BGHZ 136, 347, 351; Tiedtke, NJW 2003, 1359, 1360. 625 BGH NJW 2002, 2705, 2706; BGH NJW 2002, 2228, 2229; BGHZ 136, 347, 351; Tiedtke, NJW 2003, 1359, 1360. 626 BVerfGE 103, 89, 101; BVerfGE 63, 88, 109. 627 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 ff; vgl. hierzu oben unter IV.2.e). 628 BVerfGE 103, 89, 104. 629 OLG Koblenz NJW 2003, 2920 f; OLG München FamRZ 2003, 376, 377; OLG Naumburg FamRZ 2002, 456, 457; OLG Nürnberg FamRZ 2003, 634, 635; vgl. auch: BGH NJW 2004, 930, 935, unter IV.1.a); BGH FamRZ 2005, 26, 27.
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tion zur Zeit des Vertragsschlusses sprechen, eine vertragliche Disparität widerlegbar zu vermuten630. Derartige besonders gewichtige Umstände können bei vorehelichen Vereinbarungen beispielsweise in der Schwangerschaft der Frau oder der Abhängigkeit einer Aufenthaltserlaubnis von der Eheschließung gesehen werden631. Eine solche – auf Ausnahmefälle beschränkte – Beweiserleichterung erscheint vertretbar und angemessen. Eine unter prozessualen Gesichtspunkten unzumutbare Benachteiligung des anderen Vertragsteils ist hierin nicht zu sehen, da dieser, anders als bei einer Beweislastumkehr oder im Rahmen einer gesetzlichen Vermutung nach § 292 ZPO, nicht den vollen (Gegen-)Beweis für das Nichtvorliegen der Vertragsdisparität erbringen muss. Ihm obliegt vielmehr, diese widerlegbare Vermutung nachhaltig zu erschüttern632, was – falls dies gelingt – prozessual wiederum die Folge hat, dass der die Unwirksamkeit geltend machende Vertragsteil nunmehr den Vollbeweis für die Vertragsdisparität zu erbringen hat633. Stehen nach den soeben skizzierten Grundsätzen die objektiv einseitige Benachteiligung und die gestörte Vertragsparität fest, spricht auch eine tatsächliche Vermutung für die Kausalität zwischen Vertragsdisparität und Benachteiligung. Gleiches dürfte hinsichtlich des subjektiven Merkmals des verwerflichen Ausnutzens anzunehmen sein. Hat der benachteiligte Vertragspartner im Prozess den objektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit sowie die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des ihm überlegenen Vertragsteils von den maßgeblichen Tatsachen bewiesen, spricht daher auch eine tatsächliche Vermutung für ein – als innerer Vorgang ohnehin nur schwer durch den Prozessgegner nachzuweisendes – Ausnutzen dieser Umstände durch den überlegenen Vertragspartner. Im Unterhaltsprozess kann der durch die getroffene Vereinbarung Begünstigte diese Vermutungen freilich jeweils widerlegen. (f) Zusammenfassung zur Sittenwidrigkeit wegen gestörter Vertragsparität Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Sittenwidrigkeit wegen gestörter Vertragsparität bei vorsorgenden und scheidungsbezogenen Unterhaltsvereinbarungen gleichermaßen in Betracht zu ziehen ist. Allerdings wird die Vertragsdisparität in der Regel an verschiedene Anhaltspunkte anknüpfen. 630 Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339; Koch, NotBZ 2004, 147, 149. Das Vorliegen dieser gewichtigen Anhaltspunkte hat aber selbstverständlich derjenige zu beweisen, der sich auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung beruft. 631 Hier sind natürlich auch weitere Fallkonstellationen denkbar. 632 Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 404; zum Spezialfall des Anscheinsbeweises: Prütting, in: MünchKomm, ZPO, § 286, Rn. 65; BGHZ 8, 239, 240. Vgl. hierzu auch BVerfGE 103, 89, 104. 633 BGHZ 8, 239, 240; BGHZ 6, 169, 170 f; Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 404.
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Voraussetzung ist stets das kumulative Vorliegen von einseitiger Benachteiligung und unterlegener Verhandlungsposition634. Während bei vorsorgenden Vereinbarungen beispielsweise psychische oder – unter Versorgungsgesichtspunkten – wirtschaftliche Zwangslagen als Folge einer von einem Vertragsteil an die Eheschließung geknüpften Bedingung des Abschlusses eines Ehevertrages die gestörte Vertragsparität begründen können, kommen bei scheidungsbezogenen Vereinbarungen das Umgangs- und Sorgerecht hinsichtlich gemeinsamer Kinder und schließlich auch die bloße Androhung der Scheidung als Anknüpfungspunkte in Frage. Eine abschließende Aufzählung ist hier aufgrund der Verschiedenartigkeit der denkbaren Fallkonstellationen nicht möglich. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes der Privatautonomie im Eherecht kann aber nicht jedes Ungleichgewicht bei der Verhandlungsstärke das Verdikt der Sittenwidrigkeit begründen; es ist daher stets eine Vertragsdisparität von besonderem Gewicht zu fordern. Liegen hierfür ausreichende objektive Anhaltspunkte vor, können dem unterlegenen Vertragspartner im Prozess gewisse Beweiserleichterungen in Form von tatsächlichen widerlegbaren Vermutungen zugute kommen; jedoch wird sich ein Schluss von einer objektiven Benachteiligung auf die unterlegene Verhandlungsposition regelmäßig verbieten. Obgleich diese Darstellung vorwiegend am Beispiel von Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt erfolgte, sind die hier herausgearbeiteten Grundsätze auch auf andere ehevertragliche Vereinbarungen anwendbar, wobei bei einer umfassenden Regelung der Scheidungsfolgen wiederum eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist635. (3) Sittenwidrigkeit wegen Verzicht auf den „Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts“? Der BGH hat in seinem Grundsatzurteil vom 11.02.2004 erstmals einen sogenannten „Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts“636 definiert, dem für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ehevertraglicher Vereinbarungen in der Rechtsprechungspraxis künftig wohl maßgebliche Bedeutung zukommen wird. Zu diesem Kernbereich zählt in erster Linie der Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB, gefolgt von – in dieser Rangabstufung – dem Anspruch auf Alters- und Krankheitsunterhalt (§§ 1571, 1572 BGB) sowie dem Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff BGB), dem Anspruch auf den Erwerbslosenunterhalt (§ 1573 BGB), dem Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt (§ 1578 Abs. 2 und 3 BGB), dem Aufstockungs- (§ 1573 Abs. 2 BGB) und Ausbildungsunterhalt 634 Vgl. BVerfGE 103, 89, 101; Papier, NJW 2002, 2129, 2132; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 276; Schwab, FamRZ 2001, 349. 635 Vgl. hierzu oben unter IV.2.f). 636 BGH NJW 2004, 930, 934; vgl. ausführlich zu diesem Urteil oben unter III.6.
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(§ 1575 BGB) und schließlich dem Zugewinnausgleich (§§ 1373 ff BGB)637. Je mehr in diesen Kernbereich eingegriffen wird, umso eher soll die Disponibilität der Scheidungsfolgen nach Auffassung des BGH eingeschränkt sein. Im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB sei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehegatten vorzunehmen, um zu prüfen, ob die Vereinbarung zu einer derart einseitigen Lastenverteilung führe, dass ihr wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung zu versagen sei638. (a) Zur Kernbereichsdefinition über die Versorgungsinteressen Der Begriff des Kernbereichs der Scheidungsfolgen findet sich weder im Gesetz, noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor dem 11.02.2004, auch nicht derjenigen des Bundesverfassungsgerichts. Soweit ersichtlich, wurde die „Neuformulierung eines Kernbereichs zwingender Normen“639 des Scheidungsfolgenrechts als Konsequenz der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 erstmals von Dauner-Lieb angedacht. Der BGH definiert diesen Kernbereich nunmehr in erster Linie über die Versorgungsinteressen des geschiedenen Ehegatten, ohne jedoch eine dogmatisch fundierte Begründung für die vorgenommene Differenzierung zu liefern640. Denn mit Blick auf die historische Entwicklung des nachehelichen Unterhaltsrechts sowie die gesetzlichen Schutzmechanismen hinsichtlich des übrigen Scheidungsfolgenrechts, lässt sich die These, die nachehelichen Unterhaltsansprüche – zumindest die §§ 1570, 1571, 1572 BGB als dessen erste und zweite Stufe – bildeten den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts, nicht ohne Weiteres begründen641. Hier ist zunächst zu konstatieren, dass das nacheheliche Unterhaltsrecht unter den vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen sowohl in historischer Hinsicht wie auch heute noch den geringsten gesetzlichen Schutz genießt. Bis zum Inkrafttreten des 1. EheRG am 01.07.1977 waren nacheheliche Unterhaltsansprüche bei einem Scheidungsverschulden in der Regel ohnehin ausgeschlossen. Unterhaltsverzichtsvereinbarungen wurden seitens der 637 BGH NJW 2004, 930, 934. Eine entsprechende Übersicht findet sich auch bei: Münch, ZNotP 2004, 122, 124 ff; Wachter, ZFE 2004, 132, 133 f. 638 BGH NJW 2004, 930, 935; ebenso zum vertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs: BGH FamRZ 2005, 26, 27. 639 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 331. 640 Vgl. BGH NJW 2004, 930, 934, wo lediglich die Disponibilität des Zugewinnausgleichs ausführlich begründet wird. 641 Kritisch daher auch: Mayer, FPR 2004, 363, 368: „Hinzu kommt, dass der BGH (. . .) nahezu „vereinbarungsfeste Kernbereiche“ schafft. Dies Tabuisierung findet im Gesetz keine Grundlage.“
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Rechtsprechung ab Inkrafttreten des EheG 1938 zur Ermöglichung einer „ritterlichen Scheidung“ grundsätzlich gebilligt642. Auch der Gesetzgeber des 1. EheRG ließ Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt in § 1585 c BGB uneingeschränkt und formlos zu, obwohl er – trotz Aufgabe des gesetzlichen Leitbilds der Hausfrauenehe – davon ausging, dass die Frau während der Ehe meist nicht erwerbstätig sei, sondern sich der Haushaltsführung widmen werde643. Vereinbarungen zum Güterstand und zum Versorgungsausgleich bedürfen dagegen seit jeher der notariellen Form. Der Anspruch auf den Versorgungsausgleich erfährt zusätzlich durch die Unwirksamkeitsregelung in § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB und das Genehmigungserfordernis in § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB einen besonderen gesetzlichen Schutz. Hinzu kommt, dass nach der Konzeption des Scheidungsfolgenrechts der Zugewinnausgleich und der Versorgungsausgleich grundsätzlich immer durchzuführen sind, während nacheheliche Unterhaltsansprüche unter dem Vorbehalt der Maxime der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Ehe stehen644. Im Hinblick auf diese historischen und gesetzessystematischen Gesichtspunkte lässt sich m. E. in dogmatischer Hinsicht kaum begründen, dass gerade die nachehelichen Unterhaltsansprüche zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zählen sollen. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass den nachehelichen Unterhaltsansprüchen in faktischer beziehungsweise wirtschaftlicher Hinsicht unter den gesetzlichen Scheidungsfolgen in der Mehrzahl der Fälle die wichtigste Bedeutung zukommt. Dies gilt insbesondere für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB, bezüglich dessen Disponibilität der BGH zutreffend das zusätzliche Erfordernis der Berücksichtigung der Kindesinteressen betont645. Insoweit wird man wohl zu Recht zumindest von einem wirtschaftlichen Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts sprechen können. Ob es, um in diesem Bereich eine Inhalts- oder Ausübungskontrolle zu rechtfertigen, tatsächlich der Kernbereichsdefinition des BGH bedurfte, erscheint indes fraglich. Dies gilt umso mehr, als die vorgenommene Rangabstufung zum Teil nur apodiktisch begründet und auch nicht immer nachvollziehbar ist. Beispielsweise ist das vom BGH angeführte Argument, die Unterhaltspflicht wegen Erwerbslosigkeit sei gegenüber dem Krankheits- und Altersunterhalt nachrangig, da das Gesetz das Arbeitsplatzrisiko ohnehin auf den Berechtigten verla642 In der Zeit davor wurden Verzichtsvereinbarungen in der Regel nur wegen deren scheidungserleichternder Wirkung, nicht wegen deren Rechtsfolgen für den Verzichtenden, für nichtig erachtet. Vgl. ausführlich hierzu oben unter II.1. und II.2. 643 BT-Drs. 7/650, S. 101 und 121; vgl. auch Abschnitt IV, Fn. 657. 644 Vgl. hierzu ausführlich oben unter II.3.c). Vgl. zu den derzeitigen Planungen des Gesetzgebers, den Grundsatz der nachehelichen Eigenveratwortung zu stärken, die Mitteilung vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz vom 01.11.2004, abgedruckt in: FamRZ 2004, 1939, 1940. 645 BGH NJW 2004, 930, 934.
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gere, sobald dieser einen nachhaltig gesicherten Arbeitsplatz gefunden habe646, dadurch widerlegt, dass auch der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Scheidung Kranke sein weiteres „Gesundheitsrisiko“ trägt, wenn er gesundet. Als logische Konsequenz des Systems der Einsatzzeitpunkte lebt der Anspruch aus § 1572 BGB bei einer späteren erneuten Erkrankung in der Regel nicht wieder auf. Ebenso wenig leuchtet ein, warum auf den Kernbereich der §§ 1571, 1572 BGB gerade dann verzichtet werden können soll, wenn deren Voraussetzungen bereits zur Zeit der Eheschließung vorlagen647. Schließlich ist der nach Auffassung des BGH auf gleicher Stufe mit dem Krankheits- und Altersunterhalt stehende Versorgungsausgleich in dogmatischer Hinsicht kein „vorweggenommener Altersunterhalt“648, sondern – auf demselben Grundgedanken wie der Zugewinnausgleich beruhend – der unabhängig vom Vorliegen einer Bedürftigkeit erfolgende Ausgleich von gemeinsam während der Ehe erworbener Versorgungsanwartschaften649. Mithin findet die Kernbereichslehre des BGH – mit Ausnahme des ohnehin seit jeher gesetzlich privilegierten Anspruchs auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB – weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung eine hinreichende Stütze. M. E. erscheint daher – unabhängig von feststehenden Rangfolgen – auch eine konsequente und einzelfallbezogene Umsetzung des Grundsatzes der Gesamtbetrachtung der Scheidungsfolgenregelungen, auf den der BGH schließlich ebenfalls zurückgreift650, ausreichend, um bei der Durchführung einer Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB gerechte Ergebnisse zu erzielen. Die vom BGH aufgestellten Kriterien werden aber in der Praxis nach einer Übergangszeit wohl immerhin für ein gewisses Maß an Rechtssicherheit sorgen, da sich sowohl die Kautelarjurisprudenz als auch die Instanzgerichte hierauf einstellen werden (müssen). (b) Ehevertragsfreiheit und objektiv einseitige Benachteiligung – Erfordernis weiterer sittenwidrigkeitsbegründender Umstände Die Grundsatzentscheidung des BGH vom 11.02.2004 wirft auch die Frage auf, inwieweit künftig allein die objektiv einseitige Benachteiligung eines Ehe646
BGH NJW 2004, 930, 934. Mayer, FPR 2004, 363, 368; so aber in der Tat: BGH NJW 2004, 930, 934. 648 BGH NJW 2004, 930, 934. 649 BT-Drs. 7/4361, S. 18 f; kritisch daher ebenfalls: Mayer, FPR 2004, 363, 368. 650 BGH NJW 2004, 930, 935: „Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden,ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird.“ 647
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gatten für eine Bejahung der Sittenwidrigkeit einer Unterhaltsvereinbarung, vor allem im Falle eines Verzichts auf den Betreuungsunterhalt oder den Alters- und Krankheitsunterhalt, genügen kann. Die Urteilsgründe sind insoweit nicht eindeutig651. Hier ist zunächst zu bemerken, dass der BGH zu Recht nicht auf eine isolierte Betrachtung der Unterhaltsvereinbarung abstellt, sondern das Erfordernis einer Gesamtbetrachtung der Scheidungsfolgenregelungen hervorhebt652. Weiter ist zu konstatieren, dass der BGH durchaus auch hier die subjektive Seite des § 138 BGB betont. In subjektiver Hinsicht seien die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den Begünstigten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den Benachteiligten bewogen hätten, diesem Verlangen zu entsprechen653. Andererseits könnte das Urteil aber durchaus auch so verstanden werden, dass ein Verzicht auf den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts bereits dann sittenwidrig sein soll, wenn dieser im Hinblick auf das geplante Ehemodell zu einer evident einseitigen Lastenverteilung führt654. M. E. erscheint hier im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Privatautonmie der Ehegatten Zurückhaltung geboten und sind an die subjektive Seite des § 138 Abs. 1 BGB keine zu geringen Anforderungen zu stellen655. Den Ehegatten muss es grundsätzlich gestattet bleiben, auf Scheidungsfolgen – auch wenn sie zu einem so genannten Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zählen – einverständlich, aus freien Stücken und ohne unter dem Eindruck einer Zwangslage zu stehen, verzichten zu können, sofern hiermit keine konkret vorhersehbare mittelbare Belastung Dritter656 verbunden ist. Eine gegenteilige Auffassung findet im Gesetz keine Stütze. Der Gesetzgeber des 1. EheRG hat Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt in § 1585 c BGB uneingeschränkt zugelassen, obwohl er davon ausgegangen ist, dass auch künftig die Frau während der Ehe häufig nicht erwerbstätig sein, sondern sich der Haushaltsführung widmen wird657. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn man den vom BGH definierten Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zum Wesen der Ehe zählt, auf den unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Familienordnung nach § 138 651
So auch Koch, NotBZ 2004, 147, 148. BGH NJW 2004, 930, 935, vgl. das Zitat in Abschnitt IV, Fn. 650. Vgl. ausführlich zur Gesamtbetrachtung der Scheidungsfolgenregelungen oben unter IV.2.f). 653 BGH NJW 2004, 930, 935. 654 BGH NJW 2004, 930, 934 und, für den Unterhalt wegen Krankheit und Alters, 936. Vgl. hierzu auch: Mayer, FPR 2004, 363, 368; Langenfeld, ZEV, 311, 312. 655 Vgl. Bergschneider, FamRZ 2004, 1757, 1760. 656 Vgl. hierzu bereits unter IV.3.b)aa)(1). 657 BT-Drs. 7/650, S. 101 und insbesondere 121: „Während nach der Eheschließung im allgemeinen der Mann seine Erwerbstätigkeit fortsetzt, übernimmt die Frau meist im Wege der Arbeitsteilung die Führung des Haushalts und gibt ihre Berufstätigkeit auf.“ 652
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BGB nicht verzichtet werden kann. Dies ist indes nicht der Fall. Zum im Hinblick auf das Wesen der Ehe vertraglichen Regelungen nicht zugänglichen Kernbereich der Ehe zählen beispielsweise die eheliche Treue oder die gemeinsame Familienplanung658. Dass die nacheheliche Unterhaltspflicht nicht hierunter fällt, wurde bereits dargelegt659. Auch der BGH geht nicht so weit, den „Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts“ zum Wesen der Ehe zu zählen. Seine früher vertretene Auffassung, wonach sich aus der mit dem 1. EheRG erfolgten Abkehr vom Verschuldensprinzip hin zum Zerrüttungsprinzip, welches den nachehelichen Unterhaltsanspruch auf eine verschuldensunabhängige Grundlage stellt, keine so weitreichende Wertverschiebung herleiten lässt, dass der Unterhaltsverzicht mit dem Wesen der Ehe unvereinbar wäre660, hat der BGH nicht aufgegeben. Dies ergibt sich schon daraus, dass er betont, dass das geltende Recht einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen nicht kennt661. Zudem konstatiert der BGH, dass ehevertragliche Vereinbarungen unzulässig seien, wenn dadurch „eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten (. . .) bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint.“662 Hieraus lässt sich aber im Umkehrschluss auch folgern, dass ein einverständlicher Verzicht aus freien Stücken und in Kenntnis der Rechtsfolgen weiterhin grundsätzlich zulässig ist. Denn ein unzumutbares „Hinnehmen“ liegt schon begrifflich nicht mehr vor, wenn das Vereinbarte zur Zeit des Vertragsschlusses – und nur hierauf ist im Rahmen des § 138 BGB abzustellen – von den Vertragsparteien tatsächlich gewollt war und dieser Willensentschluss nicht durch psychischen Druck von außen beeinflusst wurde. Nach hier vertretener Auffassung kann daher unter Berücksichtigung der Maxime der verfassungsrechtlich gewährleisteten Ehevertragsfreiheit der Verzicht auf gesetzliche Scheidungsfolgen, auch wenn diese zu einem so genannten Kernbereich zu zählen sind, für sich genommen nicht genügen, um das Verdikt der Sittenwidrigkeit zu begründen663. Dies gilt auch für den Fall, dass der Verzicht sich für einen der Ehegatten als einseitig benachteiligend erweist. Es müssen vielmehr weitere besondere Umstände hinzutreten, die den Verzicht als gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßend erscheinen 658 Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 18 III 2, S. 167 und § 18 V 2, S. 173; zur Familienplanung: BGHZ 97, 372, 379. 659 Vgl. hierzu oben unter IV.2.a)bb)(4)(a). 660 BGH NJW 1985, 1833. 661 BGH NJW 2004, 930, 933. 662 BGH NJW 2004, 930, 934. 663 Ebenso: Koch, NotBZ 2004, 147, 149; Münch, ZNotP 2004, 122, 128; Rauscher, DNotZ 2004, 524, 539; wohl auch: Mayer, FPR 2004, 363, 371; Langenfeld, ZEV, 311, 315 f.
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lassen. Dies ist auch deshalb zu fordern, da der Anwendungsbereich des § 138 BGB auf gravierende Verletzungen der sittlichen Ordnung beschränkt ist664. Solche besonderen Umstände sind beispielsweise in einer unzulässigen Belastung Dritter665 oder der gestörten Vertragsparität666 zu sehen. Die sorgfältige und konsequente Umsetzung der hierzu entwickelten Grundsätze gewährleistet einen angemessenen Ausgleich zwischen einer im Einzelfall erforderlichen gerichtlichen Inhaltskontrolle und dem Rechtssicherheitsbedürfnis der Ehegatten. Hierdurch wird insbesondere auch den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts Genüge getan. Denn dort wurde das Erfordernis einer gerichtlichen Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen ebenfalls an das kumulative Vorliegen einer besonders einseitigen Benachteiligung und einer auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhenden faktischen Dominanz des begünstigten Vertragspartners geknüpft667. Bestätigt wird dies letztlich auch durch einen Vergleich mit den Grundsätzen der gerichtlichen Inhaltskontrolle von Verträgen in anderen Rechtsgebieten668. Bei deren Untersuchung hat sich gezeigt, dass auch dort die objektiv einseitige Benachteiligung für sich genommen nicht genügt, um einen Sittenverstoß oder die Unwirksamkeit nach § 242 BGB zu begründen, sondern das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände, wie beispielsweise einer strukturell ungleichen Verhandlungsmacht der Vertragsschließenden, erforderlich ist. Schließlich spricht für dieses Ergebnis auch die folgende Überlegung: Der BGH knüpft das Vorliegen einer einseitigen Benachteiligung insbesondere auch an das von den Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses ins Auge gefasste Ehemodell an669. Ließe man daher für die Bejahung der Sittenwidrigkeit die einseitige Benachteiligung allein genügen, würde hierdurch den Ehegatten, die ohne im einzelnen durchdachten Lebensplan die Ehe zur Verwirklichung ihrer Lebensgemeinschaft wählen, ohne vernünftigen Grund faktisch ein Mehr an Privatautonomie gewährt, als den ihre Lebensgemeinschaft langfristig und konkret Planenden. Eine solche Wertungsdivergenz wird vermieden, wenn man das Sittenwidrigkeitsverdikt nicht allein an die Lebensplanung und eine hierdurch begründete objektive Benachteiligung, sondern auch an die Freiheit der Willensentschließung – dem Kernstück der Privatautonomie – knüpft. Der objektiv 664 BGH NJW 2004, 930, 935; Büttner, FamRZ 1998, 1, 4; Wendtland, in Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 2; Dauner-Lieb; AcP 201 (2001), 295, 325. 665 Vgl. hierzu ausführlich oben unter IV.3.b)aa)(1). 666 Vgl. hierzu ausführlich oben unter IV.3.b)aa)(2). 667 Vgl. BVerfGE 103, 89, 101; BVerfG FamRZ 2001, 985. Ebenso: Papier, NJW 2002, 2129, 2132; Schwab, FamRZ 2001, 349; Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 276; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339. 668 Vgl. zur Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Handelsvertreterrecht und Bürgschaftsrecht oben unter IV.1.b). 669 BGH NJW 2004, 930, 935.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
einseitig benachteiligte Ehegatte wird hierdurch keineswegs schutzlos gestellt, da mit dem Instrument der Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB unangemessenen Auswirkungen ehevertraglicher Vereinbarungen effektiv entgegengewirkt werden kann, ohne dass die Privatautonomie zu sehr eingegrenzt wird670. Nach alldem bildet die Feststellung einer objektiv einseitigen Benachteiligung daher lediglich den Einstieg in eine gerichtliche Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB, in deren Rahmen dann, soweit nicht bereits eine unzulässige Drittbelastung in Rede steht, zu prüfen ist, ob sich diese einseitige Benachteiligung als Folge einer gestörten Vertragsparität darstellt671. Das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004 steht dem nicht entgegen, da auch dort die Beweggründe, „die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen“672 ausdrücklich betont wurden. Es bleibt freilich abzuwarten, ob die Rechtsprechung dieser eher restriktiven, aber dogmatisch konsequenten Auffassung folgen wird. Dafür spricht jedenfalls, dass der BGH in seiner jüngsten Entscheidung zur Sittenwidrigkeit eines ehevertraglichen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die subjektive Seite des § 138 Abs. 1 BGB in besonderem Maße darauf abgestellt hat, was die Ehefrau zu dem Verzicht bewogen habe673. (4) Sittenwidrigkeit wegen des Inhalts der Unterhaltsvereinbarung Ein Rechtsgeschäft kann wegen seines Gesamtcharakters, aber auch allein aufgrund seines Inhalts sittenwidrig sein, wobei sich bei den bislang erörterten Fallkonstellationen die Sittenwidrigkeit aus dem Gesamtcharakter, also aus einer umfassenden Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Geschäfts ergab. Dies sind auch die Hauptanwendungsfälle des § 138 Abs. 1 BGB im Ehevertragsrecht. Eine Inhaltssittenwidrigkeit liegt dagegen immer dann vor, wenn bereits der Inhalt des Rechtsgeschäfts mit grundlegenden Werten der Rechtsoder Sittenordnung unvereinbar ist674. Ist dies der Fall, kommt es auf die weiteren Umstände seines Zustandekommens oder die subjektive Seite des § 138 Abs. 1 BGB in der Regel nicht mehr an, da ein Rechtsgeschäft, dessen Inhalt bereits einen Sittenverstoß begründet, vor der Rechtsordnung auch bei Gutgläubigkeit der Vertragsparteien keinen Bestand haben kann675.
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Vgl. hierzu im Einzelnen unten unter IV.3.b)bb)(2). Ebenso: Koch, NotBZ 2004, 147, 149; Rauscher, DNotZ 2004, 524, 539; Münch, ZNotP 2004, 122, 128. 672 BGH NJW 2004, 930, 935. 673 BGH FamRZ 2005, 26, 27. 674 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 7; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, § 18 2 b), S. 368 ff. 671
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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Aufgrund der auch im Eherecht geltenden Vertragsfreiheit, die im Grundsatz auch die Zulässigkeit eines vollständigen Verzichts auf den nachehelichen Unterhalt umfasst, kommt eine Inhaltssittenwidrigkeit bei Unterhaltsvereinbarungen regelmäßig nur dann in Betracht, wenn diese mit weiteren, nicht unterhaltsrechtlichen Bedingungen verknüpft ist676. Dies ist nach zutreffender Auffassung etwa dann der Fall, wenn der Unterhaltsverzicht des einen Ehegatten und der – dauerhafte – Verzicht des anderen Ehegatten auf sein Umgangs- oder Sorgerecht hinsichtlich der gemeinsamen Kinder in ein Gegenseitigkeitsverhältnis gebracht werden, da hierdurch das Kind in sittlich anstößiger Weise zum Gegenstand eines Handels gemacht wird677. Ein solches Rechtsgeschäft, bei der die zugesagte Unterhaltsfreistellung einen ständigen Anreiz bietet, ohne Rücksicht auf das Wohl des Kindes aus finanziellen Gründen von der Ausübung des Umgangsrechts abzusehen, ist als unzulässige Kommerzialisierung des elterlichen Umgangsrechts bereits seinem Inhalt nach sittenwidrig678. Hinzu kommt, dass das Umgangsrecht als Bestandteil des natürlichen Elternrechts als solches ohnehin unverzichtbar ist und unter dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 2 GG steht. Die Nichtigkeit einer solchen Vereinbarung ergibt sich seit der Neufassung der §§ 1684, 1626 BGB durch das KindRG679 m. E. auch aus dem Gesetz selbst. Danach ist das Umgangsrecht nach §§ 1684 Abs. 1, 1626 Abs. 3 S. 1 BGB als ein eigenes Recht des Kindes ausgestaltet, das auch gegenüber einem umgangsunwilligen Elternteil besteht680. Eine Vereinbarung zwischen den Eltern, nach der auf dieses Umgangsrecht dauerhaft und nicht nur vorübergehend681 verzichtet wird, ist daher bereits nach § 134 BGB nichtig682. Eine weitere denkbare Fallkonstellation der Inhaltssittenwidrigkeit kann in der Koppelung einer Unterhaltsvereinbarung an bestimmte Verhaltensklauseln, welche das Recht des anderen Ehegatten auf freie Entfaltung seiner Persönlich675 BGHZ 94, 268, 272; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 129; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 31; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, § 18 3, S. 373. 676 Der Verzicht auf den ehelichen Unterhalt ist bereits aufgrund §§ 1614 Abs. 1, 134 BGB nichtig. Vgl. allgemein zur Inhaltssittenwidrigkeit aufgrund der Verknüpfung einer Bindung mit einem materiellen Vorteil oder Nachteil: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, § 18 2 b) cc), S. 369 f. 677 BGH FamRZ 1984, 778, 779 f. 678 Maurer, in MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 46; BGH FamRZ 1984, 778, 779 f. 679 BGBl. 1997 I, 2942. 680 Rauscher, Familienrecht, Rn. 1102; OLG München FamRZ 1998, 750. 681 Ein nur vorübergehender Verzicht auf das Umgangsrecht kann im Einzelfall durchaus mit den Interessen und dem Wohl des Kindes vereinbar sein. 682 Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1684, Rn. 3; die Nichtigkeit einer solchen Vereinbarung lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen Vertrags zu Lasten Dritten begründen, da damit das Recht des Kindes aus §§ 1684 Abs. 1, 1626 Abs. 3 S. 1 BGB verletzt wird.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
keit in sittlich anstößiger Weise einschränken, gesehen werden683. Hierzu wäre beispielsweise die Ausgestaltung der Unterhaltsvereinbarung als Vertragsstrafeversprechen für den Fall der Ausübung des Scheidungsrechts zu zählen684. Allein die Vereinbarung einer Abfindung für den Fall der Scheidung reicht hierfür aber nicht aus685. In diesem Zusammenhang ließe sich auch die Frage aufwerfen, ob nicht bereits die voreheliche Vereinbarung eines Globalverzichts ihrem Inhalt nach gegen die guten Sitten verstößt, ob also die Vereinbarung einer von vornherein rechtsfolgenlosen Ehe unzulässig ist686. Denn immerhin statuiert § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB eine gegenseitige Verantwortung der Ehegatten füreinander, die nach allgemeiner Auffassung nicht ex nunc mit Rechtskraft der Scheidung endet, sondern im Grundsatz der nachehelichen Solidarität fortwirkt. Da allerdings das Gesetz durch §§ 1408 Abs. 1 und 2, 1585 c BGB eine solche Vereinbarung im Grundsatz zulässt, wird man deren Inhaltssittenwidrigkeit kaum bejahen können687. Anders wäre dies allenfalls zu beurteilen, würde man den Ausgleich der während der Ehe gemeinsam erworbenen Vermögenspositionen und die fortwirkende nacheheliche Solidarität zum Wesen der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ehe gehörend betrachten, da sich dann jedenfalls ein vollständiger vertraglicher Ausschluss der gesetzlichen Scheidungsfolgen verböte. So weit will indes auch das Bundesverfassungsgericht nicht gehen, wie sich aus der Entscheidung vom 29.03.2001688 mittelbar ergibt. Denn hätte es die dem dortigem Fall zugrunde liegende voreheliche Vereinbarung eines Globalverzichts als mit dem Wesen der Ehe unvereinbar angesehen, hätten sich weitere Ausführungen zur Vertragsdisparität und deren Rechtsfolgen erübrigt. Die Vereinbarung wäre dann in jedem Fall bereits aufgrund ihres Inhalts als sittenwidrig zu werten gewesen. Man wird aber annehmen können, dass künftig solche Globalverzichtsvereinbarungen seitens der Gerichte – durchaus zu Recht – kritischer beurteilt werden689. Dennoch ist ein solcher Verzicht aus freien Stücken und in Kenntnis 683 Die Abrede, dass bei einseitigem oder überwiegenden Verschulden an der Scheidung kein Unterhalt geschuldet wird, ist indes noch zulässig; vgl. Walter, NJW 1981, 1409 ff; BGH NJW 1995, 1891, 1892. 684 Vgl. hierzu: BGH NJW 1990, 703, 704; Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1408, Rn. 10. 685 BGH NJW 1990, 703, 704. 686 Kritisch hierzu: Frank, FamRZ 2004, 841, 842 f; Frank, AcP 200 (2000), 401, 409; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 314. 687 Vgl. Frank, FamRZ 2004, 841, 843: „Der eigentliche Fehler liegt jedoch beim Gesetzgeber, weil dieser solche Verträge bei Eingehung der Ehe überhaupt zulässt.“ 688 BVerfG FamRZ 2001, 985. 689 Schubert, FamRZ 2001, 733, 739; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339; insbesondere: BGH NJW 2004, 930, 934 f; vgl. auch: Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 316 f.
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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dessen Rechtsfolgen auch weiterhin grundsätzlich zulässig690. Gerade im Falle einer Einverdienerehe sind aber die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit anhand der oben entwickelten Grundsätze sehr sorgfältig zu prüfen. In prozessualer Hinsicht sind hierbei möglicherweise zugunsten des durch den Verzicht benachteiligten Ehegatten eingreifende Beweiserleichterungen zu berücksichtigen691. Erst recht liegt im Falle eines entschädigungslosen Globalverzichts nach mehrjähriger Ehe der Schluss auf einen Sittenverstoß nahe692. In letzterem Fall dürften an den dem Verzichtenden obliegenden Nachweis einer gestörten Vertragsparität keine allzu hohen Voraussetzungen zu knüpfen sein693. (5) § 242 BGB und die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses Die Tatsache, dass die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses vorstehend in erster Linie im Zusammenhang mit der Sittenwidrigkeit einer Unterhaltsvereinbarung diskutiert wurden, besagt nicht, dass diese nicht auch im Hinblick auf die Anwendung des § 242 BGB von Bedeutung sind. Allerdings wird bei einer zur Zeit des Vertragsschlusses objektiv erkennbaren Drittbelastung regelmäßig nur die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB in Betracht kommen, da die Drittbelastung in Kenntnis der eigenen vorrangigen sittlichen und rechtlichen Verantwortlichkeit als gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu werten ist und § 242 BGB in erster Linie ohnehin „nur“ zur billigen Rücksichtnahme auf die am konkreten Schuldverhältnis Beteiligten verpflichtet694. Auch in Fällen der gestörten Vertragsparität erscheint aufgrund der hierdurch implizierten sittlichen Anstößigkeit des Handelns des überlegenen Vertragsteils die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB naheliegender695.
690 Rauscher, DNotZ 2004, 524, 539 und 542; Langenfeld, ZEV 2004, 311, 315 f; Bergschneider, FamRZ 2004, 1757, 1763. 691 Vgl. hierzu oben unter IV.3.b)aa)(2)(e). 692 Vgl. hierzu: OLG Zweibrücken FamRZ 1996, 869 ff; OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 452; Rauscher, DNotZ 2004, 524, 536; kaum vertretbar dagegen: BGH NJW 1997, 192 f. Vgl. zum nach neun Ehejahren vereinbarten Verzicht auf den Versorgungsausgleich nunmehr aber: BGH FamRZ 2005, 26, 27. 693 Büttner, FamRZ 1998, 1, 6 und Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 1273 sprechen sich im Falle eines Globalverzichts nach langjähriger Ehe sogar für eine tatsächliche Vermutung des Vorliegens und Ausnutzens einer Vertragsdisparität aus. 694 BGH NJW 1992, 3164, 3166. 695 Hoffmann, in Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn. 1384. Im Schrifttum werden in Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Fälle der gestörten Vertragsparität ganz überwiegend im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB diskutiert, vgl. Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1585 c, Rn. 15; Klein, in: Weinreich/ Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 16 ff; Schwab, FamRZ 2001, 349; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1340.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Allerdings ist auch zu bedenken, dass von § 138 Abs. 1 BGB wegen dessen strenger Rechtsfolge, die über § 139 BGB bei Eheverträgen auch die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zur Folge haben kann, eher zurückhaltend Gebrauch zu machen ist und die Vorschrift zudem nur die Einhaltung der äußersten Grenzen der herrschenden Rechts- und Sozialmoral sichert696, während § 242 BGB einen deutlich weiteren Anwendungsbereich hat und auch eine allgemeine Interessenabwägung erlaubt. Da auch bei einer Inhaltskontrolle im engeren Sinne anhand des § 242 BGB auf die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses abzustellen ist697, könnte zwar daran gedacht werden, in Fallkonstellationen, bei denen die Schwelle zur Sittenwidrigkeit nicht überschritten wird, sich aber dennoch eine einseitige Benachteiligung eines Vertragsteils feststellen lässt, eine Inhaltskontrolle am Maßstab des § 242 BGB vorzunehmen. Wie aber bereits im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 138 Abs. 1 BGB und § 242 BGB dargelegt698, erscheint das Instrument der Inhaltskontrolle im engeren Sinne aus systematischen Erwägungen und aufgrund seiner historischen Entwicklung nicht passend für den Bereich des Ehevertragsrechts und ist daher grundsätzlich abzulehnen. Auch der BGH hat sich – zumindest konkludent – hiergegen ausgesprochen699. Die Umstände des Zustandekommens des Vertrags werden sich zum Teil aber auch im Rahmen einer Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB berücksichtigen lassen700, dessen Anwendungsbereich keineswegs auf nachträglich eintretende Änderungen der Verhältnisse beschränkt ist701. Hier kann ein zur Zeit des Vertragsschlusses bestehendes Verhandlungsungleichgewicht im Einzelfall auch bei der Beurteilung der Frage, ob sich der überlegene Teil auf die getroffene Vereinbarung berufen kann, eine Rolle spielen. Bestand dagegen keine Ungleichgewichtslage und wurde möglicherweise auch eine nachträglich eintretende Änderung der Verhältnisse beziehungsweise des gelebten Ehemodells bei den Vertragsverhandlungen besprochen, wird dies bei der Beurteilung, ob sich der begünstigte Ehegatte auf die Unterhaltsvereinbarung berufen kann, zu seinen Gunsten zu bedenken sein702.
696 Büttner, FamRZ 1998, 1, 4; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 20; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 325; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 138, Rn. 2; BGH NJW 2004, 930, 935. 697 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 326; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 24. 698 Vgl. oben unter IV.2.a)dd)(1). 699 BGH NJW 2004, 930, 935: „Eine solche Unwirksamkeit könnte sich, wie ausgeführt, nur aus § 138 I BGB (. . .) ergeben (Wirksamkeitskontrolle).“ 700 Münch, ZNotP 2004, 122, 127 f; Brandt, MittBayNot 2004, 278, 280; BGH NJW 2004, 930, 935; BGH FamRZ 2005, 26, 27. 701 Vgl. unten unter IV.3.b)bb)(2)(b) und IV.3.b)bb)(2)(c). 702 Münch, ZNotP 2004, 122, 128.
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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Lediglich klarstellend ist zu bemerken, dass § 242 BGB selbstverständlich auch dann Anwendung findet, wenn die Parteien einer Unterhaltsvereinbarung bestimmte regelungsbedürftige Punkte erkennbar übersehen haben oder bestimmte Nebenpflichten nicht ausdrücklich geregelt haben. Hierbei handelt es sich aber nicht um die spezielle Frage der gerichtlichen Kontrolle einer Unterhaltsvereinbarung, sondern um einen weiteren Kernbereich der Anwendung der zivilrechtlichen Generalklausel des § 242 BGB. bb) Die nach Vertragsschluss eintretenden Umstände Die tatsächlichen Verhältnisse während bestehender Ehe unterliegen in der Regel Veränderungen in wirtschaftlicher, sozialer und emotionaler Hinsicht. Vor allem können sich diese Verhältnisse auch entgegen den Erwartungen der Ehegatten zur Zeit des Abschlusses eines Ehevertrages oder einer Unterhaltsvereinbarung entwickeln. Da sich deren Rechtsfolgen in praktischer Hinsicht dagegen regelmäßig erst längere Zeit nach Vertragsschluss auswirken, muss die Rechtsordnung auch auf geänderte Umstände reagieren können, um untragbare Ergebnisse zu vermeiden. Rechtstechnisch geschieht dies regelmäßig mit Hilfe der zivilrechtlichen Generalklausel des § 242 BGB, deren Anwendungsbereich typischerweise auch nach Vertragsschluss eintretende Umstände erfasst. (1) Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 BGB? Während § 138 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ex tunc beseitigt, regelt § 242 BGB – abgesehen vom Instrument der Inhaltskontrolle im engeren Sinne – lediglich Umfang und Grenzen der Rechtsausübung und lässt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts an sich unberührt. Aufgrund dieser differenzierten Rechtsfolgen sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB deutlich enger als die des § 242 BGB. Während die Sittenwidrigkeit immer auch einen Verstoß gegen Treu und Glauben begründet, kann nicht in jeder Treuwidrigkeit zugleich ein Sittenverstoß gesehen werden703. Eine Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 BGB auf sich nach Vertragsschluss ändernde Umstände ist indes mit der ganz h. M. in Literatur704 und Rechtsprechung705 abzulehnen. Einzig für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Ver703 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 19; Werner, in: Erman, BGB, § 242, Rn. 15; Schmidt, in: Staudinger, BGB § 242, Rn. 270. 704 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 9; Brox, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Rn. 286; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 40 ff; MayerMaly/Armbrüster, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 133. 705 BGHZ 107, 92, 96 f; BGHZ 100, 353, 359; BGHZ 72, 308, 314.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
trages maßgeblicher Zeitpunkt ist der des Abschlusses der Vereinbarung. Warum von diesem im gesamten Zivilrecht geltenden Grundsatz im Ehevertragsrecht eine Ausnahme gelten sollte, leuchtet nicht ein und verbietet sich schon aus Rechtssicherheitsgründen. Soweit in der Literatur in Anlehnung an eine im erbrechtlichen Schrifttum vertretene Auffassung, welche die Sittenwidrigkeit von Testamenten nach den Umständen des Erbfalls beurteilen will706, vereinzelt gefordert wird, bei Unterhaltsvereinbarungen den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt hinauszuschieben, weil auch diese ihre Rechtswirkungen häufig erst viele Jahre nach Vertragsschluss entfalten würden707, lässt sich schon die Parallele zur Sittenwidrigkeit letztwilliger Verfügungen, die zwar Rechtsgeschäft, nicht aber Vertrag sind, nicht erkennen708. Im Übrigen wird diese Auffassung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sittenwidrigkeit von Testamenten seitens der Rechtsprechung709 und aus dem Schrifttum710 zu Recht als systemwidrig abgelehnt. Denn die sittliche Bewertung des Errichtungsakts eines Rechtsgeschäfts ist unabhängig davon, ob nach der Errichtung Verhältnisse eintreten, unter denen die erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts eine andere sittliche Bewertung verdienen würde711. Nach Vertragsschluss eintretende Umstände sind daher, auch wenn sich hierdurch die Rechtsfolgen einer Unterhaltsvereinbarung zum Zeitpunkt der Scheidung als sittlich bedenklich darstellen, allein unter dem Gesichtspunkt des § 242 berücksichtigungsfähig. (2) Der Anwendungsbereich des § 242 BGB Für die Anwendung der Generalklausel des § 242 BGB auf Unterhaltsvereinbarungen bietet sich naturgemäß ein weites Feld, da aufgrund deren langfristiger Auswirkungen nach Vertragsschluss eintretende wesentliche Änderungen der persönlichen oder finanziellen Verhältnisse sowohl beim Berechtigten als auch beim Verpflichteten nicht ungewöhnlich sind. Zu berücksichtigen ist freilich stets, dass § 242 BGB keine Ermächtigung zu einer reinen Billigkeitsrechtsprechung enthält. Auch hier gebietet der verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsatz der Privatautonomie, zu beachten, dass § 242 BGB der Judikative nicht die freie Befugnis in die Hand legt, die sich aus einem aufgrund übereinstimmender Willensbildung zustande gekommenen Vertrag ergebenden Rechts706 So etwa: Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 692; Sack, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 87; Mayer-Maly, in: MünchKomm, BGB, § 138, Rn. 137; Leipold, Erbrecht, Rn. 195. 707 Hess, FamRZ 1996, 981, 986. 708 Vgl. ausführlich oben unter IV.2.a).bb)(3). 709 BGHZ 20, 71, 73 ff. 710 Vgl. Schmoeckel, AcP 197 (1997), 1, 78; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 9; Schmidt, in: Erman, BGB, vor § 2064, Rn. 13. 711 BGHZ 20, 71, 74.
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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folgen durch vermeintlich angemessenere oder billigere zu ersetzen oder zeitweise zu suspendieren712. § 242 BGB stellt sich vielmehr als eine von vornherein der Vertragsfreiheit immanente Grenze dar713, die der Rechtsausübung im Hinblick auf eine an sich wirksame Vereinbarung entgegenstehen kann. Eine diesbezügliche gerichtliche Kontrolle hat stets einzelfallbezogen zu erfolgen und den – möglicherweise erst durch Auslegung erforschten – übereinstimmenden Parteiwillen im Grundsatz zu respektieren. (a) Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB Bei einer nachträglichen wesentlichen Änderung der Verhältnisse ist auch bei Unterhaltsvereinbarungen zunächst an einen Wegfall der Geschäftsgrundlage zu denken714. Anders als die Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB, erlaubt das – ebenfalls aus § 242 BGB entwickelte und nunmehr in § 313 BGB spezialgesetzlich geregelte – Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auch einen Eingriff in den vereinbarten Vertragsinhalt. In diesem Zusammenhang ist vorliegend zwischen Vereinbarungen, die eine Unterhaltsleistungspflicht begründen, und Unterhaltsverzichtsvereinbarungen zu differenzieren. (aa) Unterhaltsregelnde Vereinbarungen Bei Unterhaltsvereinbarungen, die eine Leistungspflicht begründen und damit ein Dauerschuldverhältnis darstellen, ist zwischen unselbständigen und selbständigen Vereinbarungen zu differenzieren715. Bei unselbständigen (modifizierenden) Vereinbarungen, welche den gesetzlichen Unterhaltsanspruch lediglich ausgestalten, kommt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage bei einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der Rechtslage entsprechend den hierzu entwickelten allgemeinen Grundsätzen in Betracht716. Hierbei kann im Ansatz davon ausgegangen werden, dass die die gesetzliche Unterhaltspflicht ausgestaltenden Verträge in Erwartung gleichbleibender Verhältnisse geschlossen werden717. An eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB ist daher vor allem bei wesentlichen Änderungen bezüglich der Bedürftigkeit des Berechtigten oder 712 RGZ 131, 158, 176 f; Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 134; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 2. 713 BVerfGE 89, 214, 233; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 1. 714 Obwohl der Wegfall der Geschäftsgrundlage nunmehr in § 313 BGB geregelt ist, soll dieser Punkt hier unter § 242 BGB, aus dem sich dieses Rechtsinstitut entwickelt hat, dargestellt werden. 715 Vgl. zur Abgrenzung oben unter II.2.d)cc)(1). 716 Vgl. beispielsweise: BGH NJW 1995, 1891, 1892; BGH NJW 1993, 1974; BGH NJW 1986, 2054 f. Im Übrigen kann bei unselbständigen Unterhaltsverträgen auch eine Abänderung nach § 323 ZPO in Betracht kommen; vgl. Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 104 ff.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu denken718. Bei einer selbständigen (novierenden) Unterhaltsvereinbarung, deren Charakteristikum darin liegt, dass die Ehegatten den Unterhaltsanspruch – unter Verzicht auf den gesetzlichen Anspruch – auf eine eigenständige, von der gesetzlichen Regelung unabhängige schuldrechtliche Grundlage stellen719, werden dagegen weitere besondere Umstände vorliegen müssen, um eine Vertragsanpassung gerechtfertigt erscheinen zu lassen, da hier die Unterhaltsverpflichtung ja gerade unabhängig von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit bestehen soll720. (bb) Unterhaltsverzichtsvereinbarungen Einer näheren Prüfung bedarf dagegen, inwieweit § 313 BGB auch bei Unterhaltsverzichtsvereinbarungen Anwendung finden kann. Als Geschäftsgrundlage gelten nach herrschender Auffassung die bei Vertragsschluss vorhandenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille aufbaut721. In der Rechtsprechung wurde das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Zusammenhang mit Unterhaltsverzichtsvereinbarungen bislang zurückhaltend behandelt, da übereinstimmender Zweck eines Verzichts regelmäßig gerade die abschließende Klärung der Unterhaltsbeziehungen ohne Rücksicht auf die Weiterentwicklung sei722. Auch im Schrifttum herrscht Zurückhaltung723. Teilweise wird die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage generell ausgeschlossen, da ein vollständiger Unterhaltsverzicht zum Wegfall des Unterhaltsstammrechts 717 Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 30; Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 99. 718 Roth, in: MünchKomm, BGB, § 313, Rn. 123; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 313, Rn. 11; BGH NJW 1995, 1891, 1892; BGH 1993, 1974; BGH NJW 1986, 2054 f. 719 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1585 c, Rn. 11; BGH NJW 1979, 43. 720 Maurer, in: MünchKomm, § 1585 c, Rn. 32; vgl. auch: Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 34 ff. Anders als bei unselbständigen Unterhaltsverträgen scheidet hier in der Regel auch eine Abänderung nach § 323 ZPO aus. 721 Vgl. ausführlich: Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 313, Rn. 3 ff. 722 OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 171, 172 f; OLG Hamm FamRZ 1993, 973; ebenso im Zusammenhang mit der Auslegung eines Unterhaltsverzichts nach §§ 133, 157 BGB: BGH NJW 1985, 1835, 1836. Vgl. dagegen OLG München FamRZ 2003, 376, 377, das einen Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich auch bei Globalverzichtsvereinbarungen für möglich hält. 723 Gegen eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage beispielsweise: Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1585 c, Rn. 35; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 313, Rn. 11; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 30 XII 6, S. 457 f.
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führe und damit die Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche für die Zukunft generell ausgeschlossen sei724. Letztere Ansicht übersieht m. E., dass dem Erlassvertrag (§ 397 BGB) als verfügendem Rechtsgeschäft, das das Unterhaltsstammrecht zum Erlöschen bringt, die konkrete Unterhaltsvereinbarung als schuldrechtliches Rechtsgeschäft zugrunde liegt. Fällt dessen Geschäftsgrundlage nachträglich mit der Rechtsfolge der Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) oder des gesetzlichen Rücktrittsrechts (§ 313 Abs. 3 BGB) weg, kann der Erlass, soweit die Unterhaltsvereinbarung hierdurch teilweise oder vollständig unwirksam geworden ist, kondiziert werden725. Aber auch der erstgenannten Auffassung zum Vertragszweck kann nur im Ansatz zugestimmt werden. Richtig ist, dass sich die nachteiligen Rechtsfolgen eines Unterhaltsverzichts in tatsächlicher Hinsicht immer erst im Falle des Eintritts der Bedürftigkeit des Verzichtenden auswirken. Aus diesem Grund lässt sich mit der allgemeinen Behauptung, man habe nur verzichtet, weil man davon ausgegangen sei, man werde nicht bedürftig, kein Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen. Denn der Ausschluss eines Unterhaltsanspruchs für den Fall der Bedürftigkeit ist gerade Inhalt des Rechtsgeschäfts und nicht nur dessen Geschäftsgrundlage726. Andererseits kann dieser Grundsatz aber dann keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, wenn sich aus der Vereinbarung beziehungsweise deren Auslegung konkrete Vorstellungen und Erwartungen beider Ehegatten bei Vertragsschluss ergeben, auf denen der Geschäftswille hinsichtlich des Verzichts gründete und diese nachträglich fehlgegangen sind727. Man wird also differenzieren müssen. Hielten die Vertragsparteien bei Vertragsschluss die nachträglich eingetretene Entwicklung für möglich und haben sie dennoch bewusst eine abschließende Regelung getroffen, wird ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommen728. Lagen dem Verzicht dagegen konkrete Vorstellungen über den Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände zugrunde, auf denen der Verzichtswille aufbaute, die sich aber nicht verwirklicht haben, erscheint auch die Anwendung des § 313 BGB denkbar. In der Rechtsprechung wurde dies beispielsweise für den Fall bejaht, dass der Unterhaltsverzicht nach übereinstimmendem Willen der Ehegatten im Hinblick auf 724
Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 205; Herb, NJW 1987, 1525,
1527. 725 Schlüter, in: MünchKomm, BGB, § 397, Rn. 6; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397, Rn. 41; Weber, in: RGRK, BGB, § 397, Rn. 31. 726 Insoweit zutreffend: Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 204. 727 Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 1272; Rauscher, Familienrecht, Rn. 637; Klein, in: Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585 c, Rn. 31 ff; Zöllner, in: FS Lange, 973, 991; OLG München FamRZ 2003, 376, 377; ebenso zu einem Verzicht auf den Versorgungsausgleich: BGH NJW 1997, 126, 127; die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage wurden dort allerdings verneint. 728 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 327.
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Vermögenswerte des Verzichtenden, aus denen der Unterhaltsbedarf dauerhaft gedeckt werden sollte, erklärt wurde und dieses Vermögen innerhalb kurzer Zeit ohne Verschulden des Verzichtenden verloren ging729. Allerdings wird dies bei einem Unterhaltsverzicht gegen Kapitalabfindung nicht in Frage kommen, da dort die Kapitalabfindung als Gegenleistung für die Erklärung des Unterhaltsverzichts zu verstehen ist730. Haben die Ehegatten einen Ehevertrag geschlossen, der eine vollständige Regelung der vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung enthält, können sich auch aus einer Gesamtbetrachtung Erkenntnisse hinsichtlich der Geschäftsgrundlage eines darin enthaltenen Unterhaltsverzichts ergeben731. M. E. kann schließlich auch das von den Ehevertragsparteien konkret ins Auge gefasste Ehemodell, also beispielsweise die dauerhafte Doppelerwerbstätigkeit oder Kinderlosigkeit, die Geschäftsgrundlage eines Unterhaltsverzichts bilden732, soweit die Ehegatten eine Änderung der Verhältnisse nicht in Betracht gezogen und damit auch nicht in ihren Verzichtswillen mit aufgenommen haben. Hierauf deutet im Ansatz auch das Bundesverfassungsgericht hin, indem es die Feststellung, ob ein Ehegatte durch einen Unterhaltsverzicht einseitig belastet wird, (auch) von dem übereinstimmend geplanten Ehemodell abhängig macht733. In praktischer Hinsicht besteht dann aber auch hier das Problem des Nachweises einer entsprechenden Geschäftsgrundlage. Insbesondere bei einer expliziten vertraglichen Dokumentation der Motivation des Unterhaltsverzichts wird sich der Verzichtende aber mit gewisser Aussicht auf Erfolg auf § 313 BGB berufen können734. Die danach gebotene Vertragsanpassung hat sich an 729 OLG München FamRZ 1985, 1264 ff; zwar hat es das OLG München dort vermieden, ausdrücklich von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage zu sprechen. Es kam aber zu dem Ergebnis, dass der Vertrag nach Treu und Glauben an die nicht vorhergesehenen Umstände anzupassen sei (OLG München FamRZ 1985, 1264, 1266). Die Vertragsanpassung ist indes die typische Rechtsfolge eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Auch in OLG Köln FamRZ 1991, 451 ging es in der Sache um einen Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dort ging die Frau zur Zeit des erklärten Verzichts auf den nachehelichen Unterhalt davon aus, sie werde unmittelbar nach Rechtskraft der Scheidung eine neue Ehe eingehen; diese Beziehung zerbrach jedoch. 730 Hoffmann, in Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn. 1385. 731 Vgl. hierzu BGH FamRZ 1987, 46 ff: Dort hatte die Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt verzichtet; gleichzeitig wurde vereinbart, dass sie den Erlös aus der Veräußerung des gemeinsamen Hausgrundstücks erhalten und hieraus ihren Unterhalt bestreiten werde. Der tatsächlich erzielte Erlös deckte aber nicht einmal die auf dem Grundbesitz liegenden Lasten, sodass die Frau bedürftig wurde und ihren geschiedenen Mann auf Unterhalt in Anspruch nahm. Obwohl der BGH die Frage der veränderten Geschäftsgrundlage offen ließ, da der Mann sich wegen der Betreuungsbedürftigkeit eines gemeinsamen Kindes ohnehin nicht auf den Verzicht berufen könne (§§ 1570, 242 BGB), kann in einer solchen Konstellation ein Wegfall der Geschäftsgrundlage wohl kaum verneint werden. 732 So im Ergebnis wohl auch: Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV, Rn. 1272; Rauscher, Familienrecht, Rn. 637 a. E. 733 BVerfGE 103, 89, 104 f.
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den allgemeinen hierzu entwickelten Grundsätzen zu orientieren. Für eine allzu restriktive Anwendung des § 313 BGB auf Unterhaltsverzichtvereinbarungen bestehen somit keine überzeugenden Gründe735. In Bezug auf den Verzicht auf den Versorgungsausgleich hat sich der BGH nunmehr ausdrücklich für eine Berücksichtigung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausgesprochen736. (b) Die Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB bei Vereinbarungen zum Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB Kommt eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und damit eine inhaltliche Anpassung der Unterhaltsvereinbarung nicht in Betracht, bleibt der Weg einer Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB. Danach kann bei einer Unterhaltsverzichtsvereinbarung, die einer Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB stand hält, deren Rechtsfolgen im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände zur Zeit der Scheidung aber zu unbilligen Ergebnissen führen, zu prüfen sein, ob der durch den Verzicht Begünstigte sich nach Treu und Glauben auf diese Vereinbarung berufen kann737. (aa) Die Einrede des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu Unterhaltsverzichtsvereinbarungen im Zusammenhang mit § 1570 BGB kann sich der nach der gesetzlichen Regelung Unterhaltspflichtige unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung nicht auf den rechtswirksam erklärten Unterhaltsverzicht berufen, wenn hierdurch das Wohl der gemeinsamen Kinder beeinträchtigt würde738. Da bei der Anwendung des § 242 BGB in erster Linie die Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen sind, erscheint es indes dogmatisch zutreffender, hier auch auf die Verantwortlichkeit der Eltern gegenüber ihrem gemeinsamen Kind abzustellen, den Ansatzpunkt für ein rechtsmissbräuchliches 734 Vgl. OLG München FamRZ 1995, 95, 96: Dort hatten die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich folgende Klausel aufgenommen: „Wir beide haben einen erlernten Beruf und werden uns in unserer Ehe unsere Alterssicherung getrennt aufbauen.“ Da dies infolge der Kindesbetreuung durch die Ehefrau nicht der Fall war, hat das OLG München einen Wegfall der Geschäftsgrundlage mit Wirkung ab Geburt des Kindes bejaht. Vgl. zur Dokumentation des Motive der vertragsschließenden Ehegatten auch unten unter IV.3.d). 735 Vgl. OLG München FamRZ 2003, 376, 377. 736 BGH NJW 2005, 137, 141. 737 Vgl. hierzu auch oben unter IV.2.a)dd) und IV.2.c)cc). 738 Erstmals: BGH NJW 1985, 1835, 1836; vgl. ausführlich zur Entwicklung der diesbezüglichen Rechtsprechung des BGH oben unter III.3.c)aa).
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Verhalten also darin zu sehen, dass der Verzichtende aufgrund des Unterhaltsverzichts seinen Betreuungs- und Sorgepflichten und damit seinen Rechtspflichten aus §§ 1626, 1618a BGB gegenüber dem gemeinsamen Kind nicht in ausreichendem Maße nachkommen kann739. In praktischer Hinsicht ergeben sich hierdurch keine anderen Ergebnisse. Die Einrede des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus § 242 BGB kommt somit zunächst dann in Betracht, wenn die Ehegatten den Unterhaltsverzicht zu einem Zeitpunkt vereinbart haben, als die Ehe kinderlos war und beide Ehegatten davon ausgingen, jeder sei nach einer Scheidung in der Lage, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen740. Gleiches kann aber auch für den Fall angenommen werden, dass zur Zeit des Vertragsschlusses zwar gemeinsame Kinder geplant oder bereits vorhanden waren, die Ehegatten aber vom Bestand der Ehe ausgingen, also (zunächst) nicht damit rechneten, dass sich ein Unterhaltsverzicht nachteilig auf ihre Fürsorgepflichten gegenüber dem Kind auswirken könnte. Dies ergibt sich bei vorsorgenden Vereinbarungen daraus, dass trotz des Abschlusses dieser Vereinbarung, nicht unterstellt werden kann, dass mit Eingehung der Ehe zugleich auch deren Scheitern konkret bedacht wurde741. Eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse ist zwar stets berücksichtigungsfähig, allerdings keine grundsätzliche Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 242 BGB. Entscheidender Ansatzpunkt der Ausübungskontrolle ist vielmehr, dass sich die Rechtsausübung, also die Geltendmachung des Unterhaltsverzichts durch den Verpflichteten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch den Bedürftigen, als gegen Treu und Glauben verstoßend darstellt742. Hierdurch können auch Fälle erfasst werden, in denen sich die Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses keine konkreten Vorstellungen über die künftige Ausgestaltung ihrer Lebensgemeinschaft gemacht haben oder in denen sich, trotz Vorliegens einzelner Anhaltspunkte die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit nicht feststellen lassen. Rechtsfolge der Ausübungskontrolle ist, dass sich der durch den Verzicht Begünstigte zeitweise, im Ausnahmefall wohl auch dauerhaft, nicht auf die Vereinbarung berufen kann. Im Hinblick auf die besonders schützenswerten Interessen des Kindeswohls wird dies bei § 1570 BGB für die Zeit der Erforderlichkeit der Betreuung auf die ganz überwiegende Mehrzahl der Fälle zutreffen. Im Übrigen sei an dieser Stelle auf die in diesem Zusammenhang bereits erfolgten Ausführungen verwiesen743. 739 Im Ergebnis wohl ebenso: BGH NJW 1992, 3164, 3166 – allerdings wurde dieser Gesichtspunkt in der sonstigen Rechtsprechung des BGH nicht weiter problematisiert. 740 BGH NJW 1985, 1835, 1836. 741 So in anderem Zusammenhang: BVerfG NJW 2003, 3466, 3468. 742 Wachter, ZNotP 2004, 122, 127; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 328 f; vgl. allgemein hierzu: Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 38; BGHZ 13, 346, 350 f.
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Ist jedoch – vor allem bei scheidungsbezogenen Verzichtsvereinbarungen – bereits zur Zeit des Vertragsschlusses konkret vorhersehbar, dass sich die Vereinbarung zum Nachteil des gemeinsamen Kindes auswirken wird, so begründet dieser Umstand entsprechend den Grundsätzen zur Sittenwidrigkeit wegen Belastung der Sozialhilfeträger einen Sittenverstoß744. Eine Wertungsdivergenz zwischen vorsorgenden und scheidungsbezogenen Unterhaltsvereinbarungen ist hiermit nicht verbunden, da entscheidender Anknüpfungspunkt für das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit gerade der Umstand ist, dass beim scheidungsbezogenen Verzicht die objektiv zwangsläufig beziehungsweise konkret vorhersehbar eintretende Benachteiligung gemeinsamer Kinder von den Vertragsschließenden bewusst oder grob fahrlässig unbewusst hingenommen wird. (bb) Ausübungskontrolle und Unterhaltsmaß Es bleibt die Frage nach dem Maß beziehungsweise der Höhe des im Rahmen der Ausübungskontrolle zu gewährenden Unterhalts. Hier erscheint die bis zum Grundsatzurteil vom 11.02.2004 verfolgte restriktive Linie der Rechtsprechung des BGH745 als verfehlt. Zustimmen konnte man allenfalls noch dem Ausgangspunkt des BGH, wonach sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs am Wohl des Kindes orientiert, da er auch dem Grunde nach hiervon abhängt746. Warum dieser Anspruch dann allerdings regelmäßig auf den Notunterhalt beschränkt sein sollte747, vermag nicht einzuleuchten. Der BGH argumentierte diesbezüglich, dass der Anspruch der Höhe nach so zu bemessen sei, dass dem betreuenden Elternteil ermöglicht werde, sich der Pflege und Erziehung des Kindes zu widmen, ohne eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Dazu bedürfe es in der Regel keines Unterhalts am Maßstab des § 1578 BGB, da dem ehelichen Lebensstandard des Berechtigten der erforderliche Bezug zum Kindeswohl fehle748. Unabhängig davon, ob man diesem rechtlichen Ausgangspunkt folgen möchte, wäre es in tatsächlicher Hinsicht reine Fiktion, davon auszugehen, der Betreuende könne sich bei gemeinsamer Lebensführung mit dem Kind auf das Existenzminimum beschränken, während das Kind den vollen Unterhalt erhält und auch verbrauchen 743 Vgl. allgemein zur Ausübungskontrolle oben unter IV.2.a)dd)(2); zur Entwicklung der Rechtsprechung zu §§ 1570, 242 BGB unter III.3.c). Dem Ansatz der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Ausübungskontrolle beim Betreuungsunterhalt ist daher durchaus zuzustimmen. 744 Vgl. ausführlich oben unter IV.3.b)aa)(1)(c); A. A.: OLG Zweibrücken FuR 2000, 444, 445: Auch bei scheidungsbezogenem Unterhaltsverzicht nur Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB. 745 Vgl. ausführlich oben unter III.3.c)aa). 746 Vgl. BGH NJW 1995, 1148, 1149; BGH NJW 1992, 3164, 3166. 747 So BGH NJW 1995, 1148, 1149; BGH NJW 1992, 3164, 3166. 748 BGH NJW 1992, 3164, 3166.
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kann749. Vielmehr senkt in diesem Fall jeder Entzug von Mitteln auch das Lebensniveau des Kindes. Von einem früheren Mitglied des für Familiensachen zuständigen XII. Zivilsenats des BGH wurde zwar bereits 1998 eine Änderung der diesbezüglichen Rechtsprechung des BGH angedeutet750. Erfolgt ist dieser Richtungswechsel, der auch im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001, die nicht nur das Betreuungsinteresse des Kindes, sondern auch das Eigeninteresse der Mutter betonen751, erforderlich wurde, freilich erst mit dem Grundsatzurteil vom 11.02.2004752. Von einer Begrenzung auf den Notunterhalt ist in dieser Entscheidung keine Rede mehr. Der BGH betont nunmehr allgemein, dass in Fällen, in denen die Berufung eines Ehegatten auf den vertraglichen Ausschluss einer Scheidungsfolge einer gerichtlichen Ausübungskontrolle nicht stand halte, das Gericht diejenige Rechtsfolge anzuordnen habe, die den berechtigten Belangen beider Parteien in der nunmehr eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trage753. Hierbei habe sich das Gericht umso stärker an der vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge zu orientieren, je zentraler diese im Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts anzusiedeln sei. Was dies für den Anspruch aus § 1570 BGB bedeutet, musste nicht entschieden werden, da im dortigen Fall der Betreuungsunterhalt vom Unterhaltsverzicht ausgenommen worden war. Für die Zeit nach der Kindesbetreuung hat der BGH erwogen, der verzichtenden Frau im Rahmen einer Ausübungskontrolle einen Unterhaltsanspruch zuzuerkennen, der sich zwar nicht am Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) orientieren soll, der aber jedenfalls ihre ehebedingten Erwerbsnachteile ausgleicht754. Hieraus geht klar hervor, dass der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung zum Unterhalt am Maßstab des Notunterhalts – zu Recht – nicht festhält. Andererseits dürfte der BGH aber auch im Falle eines Verzichts auf den Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) nicht grundsätzlich allein § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB für das im Rahmen einer Ausübungskontrolle anzuwendende Unterhaltsmaß ansehen755. Die Gewährung des vollen Unterhalts nach dem Maßstab der ehelichen 749
Büttner, FamRZ 1998, 1, 6; Schwab, FamRZ 1997, 522, 525. Gerber, DNotZ, Sonderheft zum 25. deutschen Notartag, 288, 293. 751 BVerfGE 103, 89, 102 ff und 106; BVerfG FamRZ 2001, 985. 752 BGH NJW 2004, 930 ff. Zuvor bereits als Konsequenz der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eine Änderung fordernd: Rauscher, DNotZ 2002, 751, 761 f; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 329 f. 753 BGH NJW 2004, 930, 935. 754 BGH NJW 2004, 930, 936. 755 Dies ergibt sich m. E. im Umkehrschluss daraus, dass der BGH nur eine „umso stärkere“ Orientierung an den vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen fordert, je zentraler in den Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts eingegriffen wird. Da der BGH den Betreuungsunterhalt als den wichtigsten Kernbereich der Scheidungsfolgen ansieht, hätte er, falls er dort grundsätzlich nur die gesetzlich angeordnete 750
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Lebensverhältnisse erscheint auch keineswegs immer gerechtfertigt. Es bedarf daher der Klärung, nach welchen Grundsätzen das Maß des Unterhalts in solchen Fällen zu bestimmen ist. Allein ein Verweis auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO kann hier nicht ausreichen. Ebenso wenig genügt aber der schlichte Hinweis des BGH, „der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in der nunmehr eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt.“756 Die Formulierung einer solchen Maxime ist geeignet, der Ausübungskontrolle den Anschein einer reinen Billigkeitskontrolle zu geben, bei der es in der Hand des Richters liegt, die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechtsfolgen durch nach seiner Auffassung angemessenere oder billigere zu ersetzen. Dies ist aber nicht der Fall757. Schon aus Rechtssicherheitsgründen ist daher ein greifbarer Ansatzpunkt für die Bestimmung des Unterhaltsmaßes im Rahmen einer Ausübungskontrolle zu fordern. Hier könnte man zunächst daran denken, §§ 1615 l Abs. 3 S. 1, 1610 BGB für das Maß des Unterhalts heranzuziehen758. Dafür spräche beim Anspruch auf Betreuungsunterhalt zunächst der Umstand, dass der Grund für einen – trotz wirksam erklärten Verzichts – nach § 242 BGB fortbestehenden Anspruch aus § 1570 BGB letztlich auch im Interesse des Kindeswohls zu sehen ist und das Interesse des Kindeswohls anerkanntermaßen auch dem Unterhaltsanspruch nicht miteinander verheirateter Eltern aus § 1615 l BGB zugrunde liegt759. Im Gegensatz zum Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, wo sich das Unterhaltsmaß nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB), gibt es im Rahmen des § 1610 BGB weder eine Lebensstandardgarantie760 noch einen Anspruch auf Teilhabe am Luxus761. Die Lebensstellung des Bedürftigen kann sich insbesondere auch ändern. Befürwortete man hier eine entsprechende Anwendung der §§ 1615 l Abs. 3 S. 1, 1610 BGB, wäre zunächst die Lebensstellung des betreuenden Elternteils nach der Trennung die maßgebliche Berechnungsgrundlage. Der Unterhaltsbedarf würde danach in der Rechtsfolge des Unterhalts am Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse in Betracht ziehen würde, dies ohne Weiteres klarstellen können. 756 BGH NJW 2004, 930, 935. 757 Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 134; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242, Rn. 2; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 2; RGZ 131, 158, 176 f; BGH NJW 1998, 3771. 758 Vgl. hierfür: Rauscher, DNotZ 2002, 751, 761 f. Für die Frage der Dauer des Anspruchs wäre aber selbstverständlich weiterhin allein auf §§ 1570, 242 BGB und nicht auf § 1615 l BGB abzustellen. 759 Vgl. § 1615 l Abs. 2 S. 3 BGB und Büttner, FamRZ 2000, 781, 782 f; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 59 III 4, S. 936. 760 OLG Zweibrücken NJW 1997, 2390, 2391; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1610 BGB, Rn. 2. 761 BGH FamRZ 1987, 58, 60.
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Regel zwischen den vorehelichen und den ehelichen Lebensverhältnissen liegen762. Eine kindeswohlgerechte Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes wäre hierdurch wohl gesichert. Aus systematischen Gründen überzeugender und daher vorzugswürdig erscheint aber, da es sich bei § 1570 BGB um einen nachehelichen Unterhaltsanspruch handelt, den nach dem Lebensbedarf angemessenen Unterhalt im Sinne des § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB für die Bestimmung des Unterhaltsmaßes entsprechend heranzuziehen. Tatbestandliche Voraussetzung einer Anwendung des § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB ist allerdings, dass der Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Der Sinn und Zweck dieser Regelung wird unter anderem darin gesehen, sicherzustellen, dass keine sachlich nicht mehr gerechtfertigte fortgesetzte Teilhabe am ehelichen Lebensstandard stattfindet763. Diesem Sinn und Zweck würde eine analoge Anwendung der Vorschrift im Rahmen einer Ausübungskontrolle freilich nur insoweit gerecht, als der Bedürftige auf diese fortgesetzte Teilhabe am ehelichen Lebensstandard selbst rechtswirksam verzichtet hat. Es soll hier indes ohnehin nicht auf den „gesamten“ Tatbestand des § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB rekurriert, sondern lediglich das dort bestimmte Unterhaltsmaß entsprechend herangezogen werden. Ein solcher Rückgriff auf das Unterhaltsmaß des § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB erscheint als konsequente Lösung, da dem Gericht mit dem „angemessenen Lebensbedarf“ eine konkretisierungsfähige gesetzliche Grundlage aus dem nachehelichen Unterhaltsrecht für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs im Rahmen der Ausübungskontrolle zur Verfügung steht. Hierdurch wird auch das erforderliche Maß an Rechtssicherheit gewahrt. Zudem kann dieses Unterhaltsmaß auch in Bezug auf andere nacheheliche Unterhaltstatbestände herangezogen werden764, was bei einer entsprechenden Anwendung von §§ 1615 l Abs. 3 S. 1, 1610 BGB – mangels Kindesbezug – doch einige dogmatische Schwierigkeiten bereiten würde. Da nur der Unterhaltsmaßstab „angemessener Lebensbedarf“ entsprechend herangezogen wird, kommt es auf die in § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB vorgesehene vorherige zeitliche Begrenzung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht an. Die in § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB ausdrücklich aufgeführten Umstände, die eine Herabsetzung des Unterhaltsmaßes auf den angemessenen Lebensbedarf rechtfertigen, sind im Übrigen, wie sich aus dem Wortlaut („insbesondere“) ergibt, nicht abschließend. Auch der Umstand, dass die Vorschrift für den Anspruch aus § 1570 BGB den Maßstab des angemessenen 762 Allein auf die vorehelichen Lebensverhältnisse dürfte nicht abzustellen sein (so aber: Rauscher, DNotZ 2002, 751, 761 f). Dies erschiene beispielsweise in Fallkonstellationen, in denen die Ehegatten als Studenten heiraten und sich nach mehrjähriger Ehe, während der aufgrund der Erwerbstätigkeit nur eines Ehegatten ein gehobener Lebensstandard aufgebaut wurde, scheiden lassen, äußerst unangemessen. 763 Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1578, Rn. 63. 764 Vgl. hierzu nachfolgend unter IV.3.b)bb)(2)(c).
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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Lebensbedarfs „in der Regel“ gerade nicht angewendet wissen will, steht nicht grundsätzlich entgegen und kann bei der Bemessung der konkreten Unterhaltshöhe in ausreichendem Maße berücksichtigt werden. Nach dem Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs liegt der Unterhaltsbedarf nach h. M. oberhalb des Existenzminimums beziehungsweise des notwendigen Unterhalts und orientiert sich an der vorehelichen Lebensstellung oder der Lebensstellung ohne Ehe765. Für diese Auffassung spricht auch die Gesetzesbegründung766. Die ehelichen Lebensverhältnisse sind insofern von Bedeutung, als sie die für die Unterhaltshöhe oberste Grenze darstellen767. Waren die ehelichen Lebensverhältnisse niedriger als der Lebensstandard vor der Ehe, kommt eine Herabsetzung des Unterhalts daher nicht in Betracht, da die untere Grenze noch oberhalb der oberen Grenze liegt768. Die konkrete Bestimmung des hiernach angemessenen Unterhalts ist Sache des Tatrichters. Allerdings ist hierbei nach zutreffender h. M. jeweils auch darauf zu achten, dass ehebedingte Nachteile nach Möglichkeit ausgeglichen werden769. Für letzteren Ansatzpunkt hat sich auch der BGH in seinem Grundsatzurteil vom 11.02.2004 ausgesprochen770. Mit dem Unterhaltsmaß des angemessenen Lebensbedarfs steht der Rechtspraxis m. E. ein flexibles Instrument zur Verfügung, um im Rahmen einer Ausübungskontrolle im Einzelfall gerechte Ergebnisse erzielen zu können. Aus Sicht des durch den Unterhaltsverzicht begünstigten Ehegatten lässt sich miteinbeziehen, dass der andere Ehegatte auf eine fortgesetzte Teilhabe am ehelichen Lebensstandard rechtswirksam verzichtet und der Begünstigte auf die getroffene Vereinbarung vertraut hat771. Aus Sicht des Verzichtenden lässt sich ein aufgrund der konkreten Umstände gerechtfertigter Ausgleich ehebedingter Nachteile bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigen772. Gerade bei sorgfältiger Beachtung letzteren Ansatzpunktes sowie des Merkmals der (hypothetischen) „Lebensstellung ohne Ehe“ wird beispielsweise in Fällen eines aus Rücksicht 765 Brudermüller, in Palandt, BGB, § 1578, Rn. 80; Maurer, in: MünchKomm, BGB, § 1578, Rn. 95; BGH FamRZ 1986, 886, 889. 766 Vgl. BT-Drs. 10/4514, S. 22. 767 Verschraegen, in: Staudinger, BGB, § 1578, Rn. 201; Hahne, FamRZ 1985, 113, 116. 768 Verschraegen, in: Staudinger, BGB, § 1578, Rn. 201. 769 Verschraegen, in: Staudinger, BGB, § 1578, Rn. 202; Dieckmann, in: Erman, BGB, § 1578, Rn. 56; BGH FamRZ 1986, 886, 889. 770 BGH NJW 2004, 930, 936 – im Hinblick auf das Unterhaltsmaß eines möglichen Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt aus § 1573 Abs. 2 BGB. Ebenso für die Ausübungskontrolle in Bezug auf den Verzicht auf den Versorgungsausgleich: BGH NJW 2005, 137, 141. 771 Auch der BGH betont, dass das Vertrauen des Begünstigten in die getroffene Abrede im Rahmen der Ausübungskontrolle zu berücksichtigen ist; vgl. BGH NJW 2004, 930, 935. 772 Auch dieser Ansatzpunkt findet in BGH NJW 2004, 930, 936 eine Stütze.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
auf die Ehe erfolgten Verzichts auf eigene Ausbildung oder Karriere ein – im Hinblick auf den nunmehr gescheiterten gemeinsamen Lebensplan – angemessener Ausgleich der Interessen der Ehegatten erzielt werden können. Ein auf den notwendigen Unterhalt beschränkter Anspruch wird danach nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. (c) Extension des Anwendungsbereichs der Ausübungskontrolle auf die übrigen Unterhaltstatbestände Die Einrede der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung eines Unterhaltsverzichts ist indes nicht auf den Anspruch auf Betreuungsunterhalt beschränkt, sondern kann auch hinsichtlich der übrigen Unterhaltstatbestände in Betracht kommen. Denn § 242 BGB verpflichtet grundsätzlich zur billigen Rücksichtnahme auf schutzwürdige Interessen des Vertragspartners. Allerdings fehlt es insoweit an den auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht (Art. 6 Abs. 2 GG) besonders zu berücksichtigenden Interessen des Kindeswohls. Anknüpfungspunkt einer Ausübungskontrolle in Bezug auf die Unterhaltstatbestände der §§ 1571 ff BGB ist die im Hinblick auf das ehemals bestehende Band der Ehe treuwidrige Geltendmachung einer unter möglicherweise anderen Voraussetzungen getroffenen Verzichtsvereinbarung. Die Wirksamkeit der vormals getroffenen privatautonomen Vereinbarung wird von der Rechtsordnung zwar anerkannt, jedoch aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände durch den Grundsatz der nachehelichen Solidarität dergestalt überlagert, dass sich der Begünstigte auf ihre Rechtswirkungen zeitweise und/oder teilweise nicht berufen kann. (aa) Die Ausübungskontrolle zwischen dem Rechtssicherheitsbedürfnis und der Schutzbedürftigkeit der Ehegatten Der BGH hatte seine frühere Rechtsprechung zur Ausübungskontrolle zwar nie explizit auf den Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB beschränkt; tatsächlich hat er aber fast773 ausschließlich solche Fälle entschieden774. Die vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsge773 Vgl. als Ausnahme: BGH NJW 1987, 2739 f: Dort sah der BGH ein treuwidriges Verhalten darin, dass sich ein Ehegatte auf einen Unterhaltsverzicht beruft, der ausschließlich anlässlich einer Ehekrise vereinbart worden war, welche allerdings überwunden wurde und die Eheleute danach noch 15 Jahre in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hatten. Nach dortiger Auffassung des BGH hatte der Unterhaltsverzicht seinen ursprünglichen Bezugspunkt mit der Überwindung der Ehekrise verloren. 774 Vgl. BGH NJW 1985, 1833; BGH FamRZ 1987, 46, 47; BGH NJW 1992, 3164, 3165. Dort wird jeweils betont, dass das Geltendmachen eines Unterhaltsverzichts nach § 242 BGB gegen Treu und Glauben verstoßen könne, was „insbesondere“ für den Fall gelte, dass überwiegende schutzwürdige Interessen gemeinschaftlicher Kinder entgegenstünden.
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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richts aus dem Jahre 2001 gebotene775 Extension des Anwendungsbereichs der Ausübungskontrolle hat der BGH mit der Grundsatzentscheidung vom 11.02. 2004 vollzogen. Danach soll im Rahmen der Ausübungskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen nunmehr entscheidend sein, ob sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft aus dem vereinbarten Ausschluss der gesetzlichen Scheidungsfolgen eine evident einseitige Lastenverteilung ergebe, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und dessen Vertrauen in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar sei776. Je höherrangiger die vertraglich ausgeschlossene Scheidungsfolge im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts einzustufen sei, umso schwerwiegender müssten die Gründe sein, die den Ausschluss zum Zeitpunkt dessen Geltendmachung noch rechtfertigten777. Dem ist in Bezug auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ausübungskontrolle im Ansatz zwar uneingeschränkt zuzustimmen. Dennoch erscheint m. E. aus Gründen des Schutzes der Privatautonomie und der Rechtssicherheit auch Vorsicht geboten. Der übereinstimmende Wille der Ehegatten zur Zeit des Abschlusses ehevertraglicher Vereinbarungen ist grundsätzlich zu respektieren und darf nicht voreilig unter dem Postulat eines Ausgleichs sämtlicher ehebedingter Vor- und Nachteile unter alleiniger Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung während des Bestehens der Ehe unberücksichtigt bleiben. Andernfalls würde die Ehevertragsfreiheit faktisch entwertet. Insbesondere ist die Maxime der gleichberechtigten Partnerschaft in der Ehe nicht gleichzusetzen mit dem dispositiven Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten. Letzterer Rechtsgedanke liegt zwar den gesetzlichen Scheidungsfolgen Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt zugrunde. Wie ein Blick auf die historische Entwicklung des Eherechts des BGB zeigt, sind diese Scheidungsfolgen aber seit jeher ehevertraglich abänderbar beziehungsweise verzichtbar. Dies gilt in besonderem Maße auch für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Daher sollte der Grundsatz der nachehelichen Solidarität nicht dahin missverstanden werden, die Ehe nach ihrem Scheitern als ein fortbestehendes Versorgungsinstitut auf Lebenszeit zu sehen. Auszugehen ist daher auch im Rahmen der gebotenen Extension des Anwendungsbereichs des Instruments der Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB vom Primat der Vertragsfreiheit778. Die Einrede des rechtsmissbräuchlichen 775 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 327 ff; ebenso, aber zu weit gehend: Goebel, FamRZ, 1513, 1519 f. 776 BGH NJW 2004, 930, 935. 777 BGH NJW 2004, 930, 935. 778 Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 277.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Verhaltens kommt danach weiterhin nicht regelmäßig, sondern nur ausnahmsweise in Betracht. Selbst der Umstand der – zur Zeit des Vertragsschlusses nicht vorhersehbaren – nachträglich eintretenden Sozialhilfebedürftigkeit muss für sich allein betrachtet nicht in jedem Fall ausreichen, dem begünstigten Ehegatten zu verwehren, sich auf den Unterhaltsverzicht zu berufen779. Vielmehr ist grundsätzlich das Hinzutreten weiterer Umstände erforderlich, um die Einrede aus § 242 BGB zu begründen. Hinsichtlich deren Gewichtung ist einerseits zu bedenken, dass der Begünstigte auf die getroffene Vereinbarung vertraut780, andererseits dieses Vertrauen nicht (mehr) schutzwürdig ist, wenn sich für den Belasteten im Hinblick auf die ehemals bestehende persönliche und rechtliche Verbundenheit untragbare Folgen ergeben. (bb) Zur Durchführung der Ausübungskontrolle im Einzelfall Im Rahmen einer Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB ist folglich zunächst auf die konkrete Situation und die (Lebens-)Vorstellungen der Ehegatten bei Vertragsschluss abzustellen. Die so festgestellten Umstände sind mit der tatsächlichen Entwicklung während des Bestehens der Ehe bis zur Scheidung zu vergleichen. Erweist sich im Hinblick darauf das Berufen auf die Unterhaltsvereinbarung als treuwidrig, kann mit § 242 BGB geholfen werden781. Hierbei wird auch zu berücksichtigen sein, dass der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich einen atypischen, von den ursprünglichen Vorstellungen der Parteien abweichenden Verlauf der Dinge voraussetzt782. Andererseits lässt sich die Ausübungskontrolle aber nicht von vornherein auf atypische Geschehensverläufe beschränken783. Rechtsmissbrauch liegt beispielsweise auch dann vor, wenn durch ein Festhalten an der getroffenen Vereinbarung höherrangige Interessen784, namentlich die der gemeinsamen Kinder, betroffen werden. Auch in Fallkonstellationen, in denen die Ehegatten vor der Ehe einen Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt vereinbaren, obwohl diese Art der Vertragsgestaltung aufgrund des ins Auge gefassten Ehemodells der Einverdienerehe mit oder ohne Kinderwunsch nicht typgerecht erscheint785, kann – sofern sich nicht bereits 779 Kritisch zur Tendenz, das im Privatrecht angesiedelte Unterhaltsrecht als Sozialrechtsersatz zu sehen, welches die öffentlichen Kassen entlasten soll: Dieckmann, FamRZ 1999, 1029, 1033 f. 780 Hahne, DNotZ 2004, 84, 95; BGH NJW 2004, 930, 935. 781 So im Ergebnis auch: BGH NJW 2004, 930, 935; ebenso: Rauscher, DNotZ 2004, 524, 544. 782 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 328; Langenfeld, ZEV 2004, 311, 313; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 24 ff. 783 So aber wohl: Langenfeld, ZEV 2004, 311, 313. 784 Vgl. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 25. 785 Vgl. nur: Langenfeld, Eheverträge, Rn. 944 und Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 277.
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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ausreichende Anhaltspunkte für einen Sittenverstoß finden – an eine Ausübungskontrolle gedacht werden. Denn hier wird sich mit zunehmender Ehedauer, in welcher sich der eine Ehegatte den ursprünglichen Vorstellungen beider Ehegatten entsprechend der Haushaltsführung widmet, sein Vertrauen in den Fortbestand der Ehe manifestieren und gleichzeitig die reelle Chance auf eine eigenverantwortliche Bestreitung seines Lebensunterhalts im Falle einer Scheidung sinken. Gleiches kann hinsichtlich einer bei Vertragsschluss offenen und erst durch den späteren Verlauf konkretisierten Lebensplanung gelten786. Schließlich kann auch die Verhandlungssituation bei Abschluss der Unterhaltsvereinbarung in eine Ausübungskontrolle mit einfließen787. Hier wird sich, insbesondere falls die nach Vertragsschluss eingetretene tatsächliche Entwicklung bei der Aushandlung der Unterhaltsvereinbarung bedacht wurde, der gleichberechtigt Verhandelnde eher an der getroffenen Vereinbarung festhalten lassen müssen, als der aufgrund seiner unterlegenen Verhandlungsstärke Übervorteilte. In Bezug auf das Unterhaltsmaß kann auch für die Ausübungskontrolle hinsichtlich der Unterhaltstatbestände der §§ 1571 ff BGB auf eine entsprechende Heranziehung des angemessenen Lebensbedarfs im Sinne des § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB verwiesen werden788. Gegebenenfalls werden zusätzlich die Besonderheiten des jeweiligen Unterhaltstatbestands zu berücksichtigen sein. Fallen die Umstände, die der Geltendmachung des Unterhaltsverzichts entgegenstehen wieder weg, entfällt insoweit auch die Einrede aus § 242 BGB mit Wirkung ex nunc. Abschließende Aussagen lassen sich in diesem Zusammenhang aufgrund der Verschiedenartigkeit der möglichen Fallkonstellationen indes nicht treffen. Dass es im Rahmen der Ausübungskontrolle bei einem Ehevertrag beziehungsweise einer Unterhaltsvereinbarung aber einer Rangfolge im Sinne des vom BGH definierten Kernbereichs der Scheidungsfolgen bedarf, lässt sich dogmatisch schwerlich begründen und darf zumindest insoweit bezweifelt werden, als auch eine „kernbereichsunabhängige“ sorgfältige und konsequente Handhabung des rechtlichen Instrumentariums der Ausübungskontrolle zu gerechten Ergebnissen führen wird789. Die Rechtspraxis wird sich freilich auf diese Differenzierung des BGH einzustellen und die Kautelarjurisprudenz wird sie bei der Vertragsgestaltung künftig zu berücksichtigen haben, was nach einer Übergangszeit zumindest für ein gewisses Maß an Rechtssicherheit sorgen wird.
786 787 788 789
Rauscher, DNotZ 2004, 524, 544. Münch, ZNotP 2004, 122, 127. Vgl. hierzu ausführlich oben unter IV.3.b)bb)(2)(b)(bb). Vgl. hierzu ausführlich oben unter IV.3.b)aa)(3).
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
(cc) Keine Wiedereinführung des überkommenen Verschuldensprinzips Welchen Gedanken der BGH mit dem Hinweis auf das überkommene Verschuldensprinzip verfolgt790, wird m. E. nicht ganz klar791. Dieses wurde durch das 1. EheRG abgeschafft, da es – zu Recht – als nicht (mehr) erwünscht angesehen wurde, dass der Tatrichter den inneren Lebensbereich der Ehegatten erforschen muss und sich hierdurch der Scheidungsprozess unnötig verschärft792. Zudem sollte für die Zukunft vermieden werden, dass ein Ehegatte wegen einer einmaligen Eheverfehlung seine möglicherweise über viele gemeinsame Ehejahre hinweg erworbenen ehebedingten Vermögenspositionen verliert793. Weiter hat der Gesetzgeber zur negativen Härteklausel des § 1579 BGB ausdrücklich betont, dass die Anwendung dieser Vorschrift der Ausnahmefall bleiben müsse und hierdurch keineswegs das Schuldprinzip in der unterhaltsrechtlichen Auseinandersetzung wieder aufleben solle794. An dieser Gesetzesintention hat sich m. E. bis heute nichts geändert. Es bleibt daher zu hoffen, dass der BGH, um in künftigen Scheidungsprozessen ein gegenseitiges Vortragen sämtlicher denkbarer „Verletzungen der ehelichen Solidarität“ zu vermeiden, diesen Hinweis wieder einschränkt und klarstellt, dass eine solche Gegeneinrede allenfalls in § 1579 BGB nahekommenden Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen ist795. c) Exkurs: Vereinbarungen über die Freistellung vom Kindesunterhalt Vereinbarungen über die Freistellung vom Kindesunterhalt sind zwar weiterhin zulässig, werden im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.02.2001796 aber noch strenger als bislang beurteilt werden müssen797. Im Grundsatz gelten hier die Ausführungen zu den Anwendungsbereichen der § 138 Abs. 1 BGB und § 242 BGB und deren Abgrenzung entsprechend. Allerdings werden die durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Interessen des Kindeswohls und die damit verbundene unabdingbare gemeinsame Eltern790 BGH NJW 2004, 930, 935: „Nacheheliche Solidarität wird dabei ein Ehegatte regelmäßig nicht einfordern können, wenn er seinerseits die eheliche Solidarität verletzt hat (. . .).“ 791 Vgl. Brandt, MittBayNot 2004, 278, 280: „Irritierend“; Dauner-Lieb, FF 2004, 65, 68: „Wirklich aufregend“. 792 Vgl. BT-Drs. 7/650, S. 72. 793 Vgl. BT-Drs. 7/650, S. 77. 794 Vgl. BT-Drs. 7/4361, S. 32. Vgl. im übrigen zu den Motiven der Aufgabe des Verschuldensprinzips oben unter II.1.d)cc). 795 A. A. wohl: Rauscher, DNotZ 2004, 524, 545. 796 BVerfGE 103, 89, 107 ff. 797 Rauscher, DNotZ 2002, 751, 764.
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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verantwortung, die eine verantwortungslose Ausübung des Elternrechts zu Lasten des Kindes verbietet798, eine stärkere gerichtliche Kontrolle von Freistellungsvereinbarungen rechtfertigen, als dies bei Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt der Fall ist. Dem Argument, dass eine Freistellungsvereinbarung unter den Eltern den Unterhaltsanspruch des Kindes unberührt lässt, wird dabei kein besonderes Gewicht beigemessen werden können. Entscheidend ist vielmehr, wie sich die Vereinbarung zwischen den Eltern faktisch auf die Unterhaltsansprüche des Kindes auswirkt. Werden dessen Unterhaltsansprüche dadurch gefährdet, dass der freistellende Elternteil seinen Unterhalt und den des Kindes nicht mehr durch seine Einkünfte decken kann, wird die Vereinbarung, zumindest was ihre Rechtswirkungen anbelangt, keinen Bestand haben können799. Hierbei kann es, da die höherrangigen Interessen des Kindeswohls betroffen sind, auch nicht darauf ankommen, ob eine gestörte Vertragsparität vorlag800. Im Ergebnis gilt daher folgendes: Ist die Gefährdung beziehungsweise Belastung der Kindesinteressen bereits zur Zeit des Vertragsschlusses objektiv konkret vorhersehbar, ist die Vereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Gründet sich diese Gefährdung dagegen erst auf nachträglich eintretende Umstände, so kann sich der durch die Freistellung Begünstigte soweit und solange nicht auf die Vereinbarung berufen, als diese Gefährdungslage besteht. Umgekehrt formuliert bedeutet dies, dass die Freistellung immer nur dann unbedenklich ist, wenn der betreuende und freistellende Elternteil gleichwohl in der Lage ist, nach Abzug des zu erstattenden Kindesunterhalts seinen eigenen Bedarf im Wesentlichen ungeschmälert zu decken801. Danach kann ein Verzicht auf nachehelichen Unterhalt verbunden mit einer Freistellungsvereinbarung hinsichtlich des Kindesunterhalts beispielsweise dann als zulässig angesehen werden, wenn hierfür im Gegenzug die bisher gemeinsam genutzte Wohnung und ein bisher gemeinsam betriebenes Geschäft überlassen werden802.
798
BVerfGE 103, 89, 107 f; Schwab, FamRZ 2001, 349, 350. Rauscher, DNotZ 2002, 751, 764; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 308 f; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339 f; Schubert, FamRZ 2001, 733, 735 f. 800 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 309. 801 Rauscher, DNotZ 2002, 751, 764; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1340. 802 So – unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.02.2001 – zutreffend: BGH FF 2002, 167. Vgl. für die Zulässigkeit einer Freistellungsvereinbarung gegen „Kapitalabfindung“: OLG Celle FamRZ 2004, 1202, 1203. 799
280
IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
d) Der Rat zur Dokumentation von Sachverhalt und Motiven der Vertragspartner Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen aus dem Jahre 2001 keine allgemeingültigen Kriterien zur Zulässigkeit der gerichtlichen Kontrolle von Eheverträgen und Unhaltsvereinbarungen aufgezeigt, sondern betont, dass Ausgangspunkt stets die konkreten Umstände des Einzelfalls, wie die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation und Perspektive sowie das von den Vertragsparteien ins Auge gefasste Ehemodell seien803. Auch der BGH stellt nunmehr auf diese Gesichtspunkte, insbesondere auf das von den Ehegatten für die Verwirklichung ihrer Lebensgemeinschaft geplante Ehemodell ab804. Erweisen sich die Rechtsfolgen ehevertraglicher Vereinbarungen im Scheidungsfall für den dadurch benachteiligten Ehegatten als unzumutbar und können sich die Ehegatten nicht auf eine einvernehmliche Neugestaltung einigen, müssen diese konkreten Umstände und Vorstellungen im Prozess dargelegt und bewiesen werden, um eine Inhalts- oder Ausübungskontrolle zu begründen oder abzuwehren. Vor allem bei längere Zeit zurückliegenden Unterhaltsvereinbarungen dürften sich aber die Vorstellungen der Vertragsparteien zur Zeit des Vertragsschlusses über die künftige tatsächliche Entwicklung oder das angestrebte Ehemodell in praktischer Hinsicht nur schwer nachweisen lassen, auch wenn im Einzelfall gewisse Beweiserleichterungen in Betracht zu ziehen sind805. Es fragt sich daher, ob die Vertragsparteien durch eine schriftliche Dokumentation ihrer gemeinsamen Motivation, die sie zum Abschluss des Ehevertrages oder der isolierten Unterhaltsvereinbarung bewegt hat, erreichen können, dass die Vereinbarung einer gerichtlichen Kontrolle standhält. Im Zusammenhang mit der Sittenwidrigkeit von Unterhaltsverzichtsvereinbarungen wegen der Belastung der Sozialhilfeträger hat der 5. Deutsche Familiengerichtstag bereits 1983 empfohlen, in der Vereinbarung die Gründe für den Verzicht sowie die Feststellung, dass und warum aus Sicht der Beteiligten keine konkrete Gefahr der Sozialhilfebedürftigkeit besteht, festzuhalten806. Auch im vertragsgestaltenden Schrifttum wurde die Aufnahme einer solchen Klausel empfohlen, um so dem Nichtigkeitsverdikt nach § 138 Abs. 1 BGB vorzubeugen807. Von anderer Seite wurde die Zweckmäßigkeit einer solchen Abrede dagegen bezweifelt, da die Gefahr bestünde, dass durch stereotype Klauseln die wahren Motive einer Unterhaltsvereinbarung verdeckt würden und die Möglich-
803 804 805 806
BVerfGE 103, 89, 104 f; BVerfG FamRZ 2001, 985. BGH NJW 2004, 930, 935. Vgl. hierzu oben unter IV.3.b)aa)(2)(e). Empfehlungen des 5. Deutschen Familiengerichtstages, FamRZ 1983, 1199,
1201. 807
Miesen, in: Göppinger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, § 5, Rn. 294.
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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keit einer künftigen Sozialhilfebedürftigkeit hierdurch nicht ausgeschlossen würde808. Diese Kritik ist zwar im Ansatz nachvollziehbar, sie kann indes im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und das Grundsatzurteil des BGH vom 11.02.2004 nicht überzeugen. Wenn es für Umfang und Grenzen einer gerichtlichen Kontrolle auf die tatsächlichen Verhältnisse und Vorstellungen der Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses ankommt, ist ihnen schon aus beweisrechtlichen Gründen dringend anzuraten, die relevanten Tatsachen und Motive in den Vertragstext aufzunehmen. Dies gilt vor allem hinsichtlich des gemeinsam geplanten Ehemodells sowie – im Falle eines Unterhaltsverzichts – für die Vorstellungen zur Bestreitung des jeweiligen Unterhaltsbedarfs nach einem Scheitern der Ehe. Eine solche Empfehlung findet sich auch in den ersten Stellungnahmen aus der Kautelarpraxis zur Entscheidung des BGH vom 11.02.2004809. Die Gefahr eines Missbrauchs durch Verwendung stereotyper Klauseln ist zwar zweifellos gegeben. Allerdings erfordert es das hier überwiegende Rechtssicherheitsbedürfnis der redlichen Rechtsgenossen, solche Vertragsklauseln im Grundsatz anzuerkennen. Wenn die Rechtsordnung die Möglichkeit der vertraglichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der Ehegatten für die Zeit während und nach der Ehe gewährleistet, so hat sie auch das schutzwürdige Interesse der Ehegatten an deren Rechtsbeständigkeit zu respektieren. Die Aufnahme des geplanten Ehemodells, der sonstigen tatsächlichen Verhältnisse sowie der Motive der Ehegatten zur Zeit des Vertragsschlusses in den Vertragstext kann freilich keine für die Parteien oder das Gericht unwiderlegbare Wirkung haben. Jedoch dürfte einer solchen Klausel zumindest die tatsächliche widerlegbare Vermutung der Richtigkeit zukommen. Der Gefahr eines Missbrauchs ist dadurch ausreichend begegnet, dass der durch die Vereinbarung benachteiligte Vertragsteil Umstände darlegen und beweisen kann, welche diese Vermutung erschüttern. Bei notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarungen bietet zudem die Pflicht des Notars zur Erforschung des Willens der Vertragsparteien und zur Aufklärung des Sachverhalts sowie die Belehrungspflicht aus § 17 BeurkG zumindest teilweise Gewähr für die Richtigkeit des Beurkundeten810. Dies freilich nur insoweit, als die Vertragsschließenden gegenüber dem Notar wahrheitsgemäße Angaben machen.
808
Baumann, in: Staudinger, BGB, § 1585 c, Rn. 193. Bredthauer, NJW 2004, 3072, 3073; Grziwotz, FamRB 2004, 199, 203; Bergschneider, FamRZ 2004, 1757, 1764; Langenfeld, ZEV 2004, 311, 315; Wachter, ZFE 2004, 132, 141; Münch, ZNotP 2004, 122, 129; zweifelnd dagegen: Mayer, FPR 2004, 363, 370. 810 Keidel/Winkler, BeurkG, Einl., Rn. 21 ff; Limmer, in: Eylmann/Vaasen, BNotO/ BeurkG, § 1 BeurkG, Rn. 8. 809
282
IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
Die in das Vertragswerk aufgenommenen Motive, welche dem Ehevertrag beziehungsweise der Unterhaltsvereinbarung zugrunde liegen, werden sowohl im Rahmen einer Inhaltskontrolle, als auch im Rahmen einer Ausübungskontrolle Bedeutung gewinnen. Weicht das tatsächlich gelebte Ehemodell von dem dem Vertrag zugrunde gelegten Ehemodell wesentlich ab, wird man auch einen Wegfall der Geschäftsgrundlage in Erwägung ziehen und den Vertrag nach § 313 BGB an die veränderten Umstände anpassen können. Liegt keine wesentliche Abweichung vor oder hielten die Vertragsschließenden eine Änderung der Verhältnisse zwar für möglich, wollten aber dennoch eine abschließende Regelung der Scheidungsfolgen treffen, werden die Motive jedenfalls im Rahmen einer Ausübungskontrolle nach § 242 BGB angemessen zu gewichten sein. Den Ehegatten bleibt es allerdings unbenommen, mittels der eingangs dargestellten Instrumentarien – beispielsweise der auflösenden oder aufschiebenden Bedingung – bereits in der Unterhaltsvereinbarung Vorsorge für den Fall zu treffen, dass sich die dem Vertrag zugrunde gelegten tatsächlichen Verhältnisse nachträglich ändern811. Dies gilt in besonderem Maße für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB, bei dem ohnehin von einem bedingungsund entschädigungslosen Verzicht grundsätzlich abzuraten ist. Sämtliche Eventualitäten werden sich hierbei selbstverständlich nicht berücksichtigen lassen. Dennoch ist den Ehegatten schon im Hinblick auf die neu eingeschlagene Linie der Rechtsprechung des BGH eine solche privatautonome „vorweggenommene Ausübungskontrolle“ zu empfehlen812. e) Die Vorzüge der notariellen Beratung Aufgrund der aufgezeigten Unwägbarkeiten und wegen des mit jedem Ehevertrag und jeder Unterhaltsvereinbarung grundsätzlich anzustrebenden Ziels, eine ausgewogene Regelung der Scheidungsfolgen zu finden, kann den Ehegatten, die sich zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung entschlossen haben, nur geraten werden, vor dem Vertragsschluss rechtskundigen Rat einzuholen, falls nicht ohnehin nach § 1410 BGB eine notarielle Beurkundung zwingend vorgeschrieben ist. Auch den Kautelarjuristen, der nicht Notar ist, trifft bei der Ausarbeitung ehevertraglicher Vereinbarungen aus dem Anwaltsvertrag eine Pflicht zur Willenserforschung, zur Sachverhaltsaufklärung und zur Aufklärung über die Rechtsfolgen der Vereinbarung813. Hierunter fällt beispielsweise die Ermittlung der familiären Situation und der Vermögenssituation der Vertragsparteien sowie 811
Vgl. oben unter I.2.b) und I.2.c). Eine solche Empfehlung findet sich auch in ersten Besprechungen des Urteils des BGH vom 11.02.2004; vgl. Grziwotz, FamRB 2004, 199, 203; Wachter, ZFE 2004, 132, 141; Münch, ZNotP 2004, 122, 129; Rauscher, DNotZ 2004, 524, 547. 812
3. Gerichtliche Kontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelfall
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die Motivation für den Vertragsschluss. Der Rechtsanwalt oder Notar muss auch die maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung kennen und die Parteien hierüber und die möglichen Rechtsfolgen bei Abschluss einer sittenwidrigen oder treuwidrigen Unterhaltsvereinbarung belehren814. Beim Rechtsanwalt ergeben sich diese Pflichten aus dem Anwaltsvertrag (§ 675 BGB), beim Notar sind diese im BeurkG spezialgesetzlich geregelt. Danach hat der Notar nach § 4 BeurkG die Beurkundung eines Ehevertrages oder einer Unterhaltsvereinbarung abzulehnen, wenn mit ihr erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden, was insbesondere im Falle der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) und der Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) zu bejahen ist. Verletzt er diese Pflicht, kann er sich schadensersatzpflichtig machen (vgl. § 19 BNotO). Bestehen indes Zweifel, ob die Voraussetzungen der Sitten- oder Treuwidrigkeit erfüllt sind, ist der Notar nach eingehender Belehrung der Vertragsparteien (§ 17 Abs. 2 S. 1 BeurkG) zur Beurkundung verpflichtet, hat seine Bedenken aber in der Urkunde zu dokumentieren (§ 17 Abs. 2 S. 2 BeurkG)815. Durch die fachkundige Rechtsberatung kann daher, sofern die Vertragsparteien der Beratung aufgeschlossen gegenüber stehen, der Abschluss einer unwirksamen Unterhaltsvereinbarung vermieden werden. Zwar kann auch insoweit ein treuwidriges Verhalten nicht ausgeschlossen werden, als die Vertragsparteien unwahre Angaben machen. Denn weder Rechtsanwalt noch Notar sind verpflichtet, eigene Nachforschungen anzustellen, sondern dürfen sich auf die Angaben der Beteiligten verlassen816. Andererseits dürfte die kundige Rechtsberatung durch einen unparteilichen Dritten in der Mehrzahl der Fälle geeignet sein, eine die Interessen beider Vertragsparteien berücksichtigende Regelung zu finden und den Abschluss einer einseitig belastenden Vereinbarung zu verhindern. Der Notar ist zudem nach § 17 Abs. 1 S. 2 BeurkG gesetzlich verpflichtet, darauf zu achten, dass Irrtümer und Zweifel der Vertragsparteien vermieden werden und dass geschäftsunerfahrene Beteiligte nicht benachteiligt werden. Seinen durch das BeurkG auferlegten Rechtspflichten wird der Notar schon im Hinblick auf die mögliche Haftung aus § 19 BNotO nachkommen. Eine Amtspflichtverletzung des Notars kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn der Notar eine unwirksame Regelung beurkundet oder ausarbeitet oder die Ver813 Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, Rn. I 76 ff und I 83 ff. Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur dann, wenn der Rechtsanwalt von beiden Vertragsparteien mandatiert wurde. Wird er nur von einer Vertragspartei beauftragt, hat er aus dem Anwaltsvertrag grundsätzlich nur dessen Interessen zu vertreten. 814 Schubert, FamRZ 2001, 733, 738; OLG Düsseldorf DNotZ 1997, 656 f; vgl. auch: Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, Rn. I 111 und II 105 ff. 815 Vgl. hierzu: Bredthauer, NJW 2004, 3072, 3073 f. 816 Keidel/Winkler, BeurkG, § 17, Rn. 72; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, § 17 BeurkG, Rn. 6; Schubert, FamRZ 2001, 733, 738; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, Rn. I 86.
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IV. Die Ehevertragsfreiheit bei Unterhaltsvereinbarungen
tragsschließenden nicht ausreichend über die Rechtsfolgen oder Risiken einer Vereinbarung belehrt817. Im Übrigen dürfte ohnehin kaum davon ausgegangen werden, dass sich ein beachtlicher Teil der Rechtssuchenden auch nach eingehender Belehrung als beratungsresistent erweisen wird. Im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 und die daraufhin neu eingeschlagene Linie der Rechtsprechung des BGH sind die Notare daher mehr denn je gefordert, auf ausgewogene Eheverträge hinzuwirken818. Rücksichtslose und uneinsichtige (Ehe-)Vertragspartner sind, so wird aus der Praxis berichtet, selten vorzufinden und werden wohl auch künftig die Ausnahme bilden819. Die notarielle Beratung und Belehrung steht einer späteren gerichtlichen Inhalts- oder Ausübungskontrolle der getroffenen Vereinbarung zwar nicht entgegen820, sie erscheint aber unter dem Gesichtspunkt der von den Ehegatten zu Recht angestrebten Rechtssicherheit geeignet, den Abschluss unwirksamer oder treuwidriger privatschriftlicher Unterhaltsvereinbarungen zu vermeiden. Die bisherigen Veröffentlichungen von Stimmen aus der Kautelarjurisprudenz, zeigen, dass man sich dort der im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des BGH nochmals gestiegenen Anforderungen an die Sorgfalt der notariellen Praxis durchaus bewusst ist821.
817 Schubert, FamRZ 2001, 733, 739; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, Rn. II 105 ff und II 117; vgl. hierzu insbesondere: OLG Düsseldorf DNotZ 1997, 656 ff; vgl. zur Amtshaftung des Notars wegen fehlerhafter Aufklärung über sittenwidrige Klauseln eines Grundstückskaufvertrags: BGH NJW 1993, 1587, 1588. 818 Langenfeld, DNotZ 2001, 272, 280; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 330; Rauscher, DNotZ 2002, 751, 765 f. 819 Grziwotz, FF 2001, 41, 44; Brandt, MittBayNot 2004, 221, 227. 820 Vgl. hierzu ausführlich unter IV.2.d). 821 Langenfeld, ZEV 2004, 311, 314 f; Brandt, MittBayNot 2004, 221, 227; Bergschneider, FamRZ 2004, 1757, 1765; Mayer, FPR 2004, 363, 369 f, Rauscher, DNotZ 2004, 524, 546 f.
V. Ausblick Umfang und Grenzen der Privatautonomie im Eherecht werden Rechtsprechung und Schrifttum zweifellos auch weiterhin beschäftigen. Vor allem im Hinblick auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 11.02.2004 ist, wie schon in Folge der beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 zu beobachten, mit zahlreichen weiteren Veröffentlichungen aus der Literatur zu dieser Thematik zu rechnen. Die bislang vorliegenden Stellungnahmen und Interpretationsversuche sind, wie kaum überrascht, uneinheitlich1. Einerseits wird betont, der BGH habe mit dieser Entscheidung die Vertragsfreiheit gestärkt2 und für ein zunehmendes Maß an Rechtssicherheit gesorgt3. Andererseits wird gerade kritisiert, dass eine beachtliche Rechtsunsicherheit verbleibe4. Vereinzelt wird sogar vermutet, diese neue höchstrichterliche Rechtsprechung werde zu einem Rückgang der Eheschließungen führen5. Es kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass es eine gewisse Übergangszeit in Anspruch nehmen wird, bis sich die Kautelarjurisprudenz und die instanzgerichtliche Rechtsprechung auf diese neu eingeschlagene Linie des BGH eingestellt haben. Dass sich die vom BGH begründete Kernbereichslehre aber durchaus als angreifbar erweist, wurde aufgezeigt. Abschließend bleibt zu konstatieren, dass die Ehevertragsfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht keineswegs unangemessen eingeschränkt wurde. Es besteht nach wie vor, wie Schwab bereits in seiner Anmerkung zur Entscheidung vom 06.02.2001 treffend bemerkt hat, „kein Anlaß, das Lied vom Ende der Privatautonomie zu singen“6. Die Entscheidungen aus dem Jahre 2001 wur1 Vgl. Bergschneider, FamRZ 2004, 1757 ff; Borth, FamRZ 2004, 609 ff; Brandt, MittBayNot 2004, 278 ff; Bredthauer, NJW 2004, 3072 ff; Dauner-Lieb, FF 2004, 65 ff; Dauner-Lieb, JZ 2004, 1027 ff; Finger, LMK 2004, 108 ff; Grziwotz, FamRB 2004, 199 ff; Koch, NotBZ 2004, 147 ff; Kornexl, FamRZ 2004, 1609 ff; Langenfeld, ZEV 2004, 311 ff; Mayer, FPR 2004, 363 ff; Münch, ZNotP 2004, 122 ff; RaketeDombek, NJW 2004, 1273 ff; Rauscher, DNotZ 2004, 524 ff; Wachter, ZFE 2004, 132 ff. 2 Wachter, ZFE 2004, 132. 3 Rauscher, DNotZ 2004, 524, 525; Koch, NotBZ 2004, 147, 148. 4 Dauner-Lieb, FF 2004, 65, 69; wohl auch: Bredthauer, NJW 2004, 3072, 3076; Mayer, FPR 2004, 363, 371. 5 Anders kann die Bemerkung von Grziwotz, FamRB 2004, 199, 200, dass es künftig die Silberhochzeit trotz eines unanständigen Ehevertrags kaum noch geben werde, nicht verstanden werden. 6 Schwab, FamRZ 2001, 349, 350.
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V. Ausblick
den vielmehr erforderlich, da sich die Zivilgerichte, versteckt hinter dem Argument der Eheschließungsfreiheit, einer Inhalts- oder Ausübungskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen anhand der zivilrechtlichen Generalklauseln weitgehend verschlossen hatten. Für die mit dieser Arbeit in erster Linie untersuchten Unterhaltsvereinbarungen ist für die Zukunft zu betonen, dass von dem Instrument der Inhaltskontrolle anhand des § 138 Abs. 1 BGB vorwiegend in Fällen der mittelbaren Benachteiligung Dritter oder der gestörten Vertragsparität Gebrauch zu machen ist. Die in praktischer Hinsicht häufigsten Anwendungsfälle einer gerichtlichen Kontrolle werden diejenigen der nachträglichen Ausübungskontrolle anhand des § 242 BGB bilden. Die Extension des Anwendungsbereichs der seitens der Rechtsprechung für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB bereits vor der Intervention des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Ausübungskontrolle ist geeignet, einen angemessenen Ausgleich zwischen der Privatautonomie und dem Rechtssicherheitsbedürfnis der vertragsschließenden Ehegatten einerseits und der Berücksichtigung der Interessen eines durch den Vertragsinhalt benachteiligten Ehegatten andererseits, zu finden. Im Vordergrund hat hierbei freilich keine allgemeine Billigkeitskontrolle, sondern die Vermeidung untragbarer Ergebnisse und damit – insbesondere im Hinblick auf das gelebte Ehemodell – die Einzelfallgerechtigkeit zu stehen. Was die gerichtliche Kontrolle von Vereinbarungen zum Unterhalt bei Getrenntleben anbelangt, sei nochmals hervorgehoben, dass die engen Grenzen des § 1614 BGB hier stärker zu beachten sind, als dies in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang der Fall ist. Der vorzugswürdige Weg ist ohnehin im Abschluss einer ausgewogenen ehevertraglichen Vereinbarung zu sehen, die eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle gerade entbehrlich macht. Hier ist die Kautelarjurisprudenz gefordert, mit „Einfallsreichtum und Weitsicht“7 auf eine ausgeglichene Vertragsgestaltung hinzuwirken. Die auch in der Öffentlichkeit größte Aufmerksamkeit genießenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 und des BGH aus dem Jahre 20048 dürften ohnehin für viele Ehewillige den Anstoß dafür bilden, künftig zugunsten einer ausgewogenen Regelung für den Fall des Scheiterns der ehelichen Lebensgemeinschaft von einseitig benachteiligenden Vereinbarungen abzusehen.
7
So Hahne, DNotZ 2004, 84, 95. Das öffentliche Interesse an dieser Entscheidung war so hoch, dass der Server des BGH am Tage der Urteilsverkündung am 11.02.2004 zusammenbrach und die diesbezügliche Presseerklärung im Internet nicht abrufbar war; vgl. Rakete-Dombeck, NJW 2004, 1273, 1274. 8
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Sachwortregister 1. EheRG 61 ff, 75 ff, 175, 210, 251 Abschlussfreiheit 119, 131 Altersunterhalt (§ 1571 BGB) 29 f, 252 Androhung der Scheidung 107, 242 f, 249 Angemessener Lebensbedarf 272 ff, 277 Angemessenheit der Erwerbstätigkeit 30 f, 32 Aufklärungspflicht, Notar 185 ff, 282 ff Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) 31 f Ausbildungsunterhalt (§ 1575 BGB) 32 f Ausländerehe 242, 248 Auslegung 86, 133, 147, 155, 163, 172, 216, 265 Ausschluss der Scheidung 98 Ausübungskontrolle 110 ff, 127, 134 f, 164 f, 166, 169 ff, 184, 260, 267 ff, 274 ff Barunterhalt 23, 211 f Bedingung, auflösende 41, 43, 282 Bedingung, aufschiebende 44, 282 Bedürftigkeit 25 f, 33 f Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) 28 f, 94 f, 110 f, 178 ff, 229 ff, 267 ff Betreuungsunterhalt (§ 1615 l BGB) 91 ff, 179, 271 f Beurkundungsgesetz 186 ff, 241, 281, 283 Beweiserleichterung 246 ff, 259 Beweislast 222, 246 ff BGB 1896 46 ff, 68 ff Bürgschaftsentscheidung 142 ff, 186
Dauerschuldverhältnis 112, 137, 164, 263 Dokumentation 266, 280 ff Doppelverdienerehe 23, 38, 41, 63 Ehedauer 29, 108, 227, 277 Ehegesetz 1938 53 ff, 71 ff Ehegesetz 1946 53 ff, 59 ff, 71 ff Ehelehren 17 f Eheliche Lebensverhältnisse 25 f, 30 f, 33 f, 65, 272 f Eheliche Solidarität 21, 28, 83, 278 Ehelicher Aufwand 47 f, 58, 69 Ehemodell 37 f, 41 ff, 177, 238, 255, 266, 280 ff Eheschließungsfreiheit 106 ff, 113, 118 ff, 245 Eheverständnis 17 f Ehevertrag im engeren Sinne 40 Ehevertrag im weiteren Sinne 40, 68 Eigenverantwortung, wirtschaftliche 27, 78, 84 f, 87 f, 251 Einsatzzeitpunkt 34 ff, 89 ff Einvernehmen (§ 1356 BGB) 210, 212 Elternverantwortung 118, 181 f, 185, 230 f Enumerationsprinzip 27, 65, 89 Erlassvertrag 79 f, 171, 265 Erwerbslosenunterhalt (§ 1573 BGB) 30 f, 90 Familienunterhalt 21 ff, 47 f, 57 f, 63, 68, 75 f, 97 f, 210 ff Formelle Vertragsfreiheit 131 ff Formvorschriften 40, 69, 75, 80 f, 86 ff, 207 f
Sachwortregister Freistellungsvereinbarung 112 f, 118, 257, 278 f Fremdbestimmung 117, 133, 155, 240 Geltungserhaltende Reduktion 167, 197 Gemeinschaftliches Kind 28, 93, 229 ff Genehmigung, gerichtliche 199 ff, 204 ff Generalklausel des Eherechts 15, 20 Generalklauseln, zivilrechtliche 133 f, 152 f, 154 f, 163, 190 Gesamtbetrachtung 183, 192 ff, 238, 252 f Gesetzliches Verbot 150 f, 213, 218 f Gestaltungsfreiheit 132 f, 147 Gestörte Vertragsparität 143 f, 148, 239 ff, 248 f Gestörte Vertragsparität, Begriff 239 ff Getrenntleben, Begriff 24 Gleichberechtigte Partnerschaft 117, 155 f, 240, 247, 275 Gleichberechtigungsgesetz 56 ff, 74 f Gleichberechtigungsgrundsatz 56 ff, 62, 156, 191 f Gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten 124, 160 ff, 275 Globalverzicht 108, 122, 196 f, 258 f Grundrechte 133, 152 ff, 162 f Grundgesetz als Werteordnung 133, 142 f, 152 ff Handelsvertreterentscheidung 133, 141 f Härteklausel 65, 278 Hausfrauenehe 37 f, 63, 251 Inhaltskontrolle 104 ff, 126 ff, 135 ff, 223 ff, 236 ff Inhaltskontrolle im engeren Sinne 135, 164, 167 ff, 260 Inhaltskontrolle, Arbeitsrecht 136 ff, 167 f Inhaltskontrolle, Bürgschaftsrecht 142 ff Inhaltskontrolle, Gesellschaftsrecht 140 f, 167 f Inhaltskontrolle, Handelsrecht 141 f Inhaltssittenwidrigkeit 153, 256 ff
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Isolierte Unterhaltsvereinbarung 155, 234, 238 Kausalität 243 f, 248 Kautelarjurisprudenz 41 ff, 284 Kernbereich der Ehe 159 f, 254 Kernbereich der Scheidungsfolgen 126 ff, 184 f, 196 ff, 249 ff, 277 Kindesunterhalt 112 f, 118, 181, 278 f Kindeswohl 185, 230 f, 271 f, 278 f Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB) 30, 251 f Lebenspartnerschaftsgesetz 19 Lebensstandardgarantie 31, 200, 271 Leistungsfähigkeit 25 f, 33 f, 79, 263 f Leitlinien der Oberlandesgerichte 25, 216 ff Materielle Vertragsfreiheit 131 f Modifizierende Unterhaltsvereinbarung 78 f, 263 Motive des Vertragsschlusses 177, 226 f, 266 f, 280 ff Nacheheliche Solidarität 21, 27 f, 67, 83 f, 89, 258, 275 Nachehelicher Unterhalt 27 ff, 50 ff, 54 ff, 59 ff, 64 ff Naturalunterhalt 23, 211 Notarhaftung 186, 283 Notarielle Beurkundung 80 f, 87, 185 ff, 209, 282 ff Notwendiger Unterhalt 111, 231, 269 f, 273 f Novierende Unterhaltsvereinbarung 78 f, 99, 264 Objektive einseitige Benachteiligung 118, 237 ff, 246, 252 ff Pactum de non petendo 99, 171, 218 ff Primat der Vertragsfreiheit 164, 173, 206, 275
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Sachwortregister
Privatautonomie 44 f, 116 f, 130 ff, 146 f, 191, 205 f, 223 Privatautonomie, Erscheinungsformen 130 Privilegierung des Betreuungsunterhalts 29, 178 Rechtsmissbräuchliches Verhalten 164 f, 169, 267 f, 276 f Rechtssicherheitsbedürfnis 45, 255, 274 ff Ritterliche Scheidung 73, 103 Scheidungsbezogene Unterhaltsvereinbarung 173, 196, 228, 232, 243, 269 Scheidungsfreiheit 107 Scheidungsgrund 51, 64, 73 f Scheidungskonvention 199 ff Scheidungsrate 40 Scheidungsverbund 36, 62 Scheidungsvereinbarung 81 Schriftform 80 Selbständige Unterhaltsvereinbarung 78 f Sittenwidrigkeit, Begriff 152 ff Sittenwidrigkeit, Beurteilungszeitpunkt 157 ff, 261 f Sittenwidrigkeit, objektive Seite 144, 153, 225 f, 237 f, 252 ff Sittenwidrigkeit, subjektive Seite 127, 153 f, 225, 235, 244 f, 253 ff Sorgerecht 112 ff, 257 Sozialhilfe 104 f, 224 ff Streitgegenstand, prozessualer 85 f Strukturelle Unterlegenheit 138, 143, 168, 189 ff, 240 Subsidiarität der Sozialhilfe 224 Tatsächliche Vermutung 144, 246 ff Teilnichtigkeit 81, 197 f, 233 f Teilverzicht 100 f, 213 ff Trennungszeit 25, 76 f, 84 Treu und Glauben, Begriff 162 f, 267 f Umgangsrecht 109, 150 f, 243, 257 Umgehungsgeschäft 99, 218 f
Unbestimmter Rechtsbegriff 100 f, 165, 213 ff Unselbständige Unterhaltsvereinbarung 78 f, 263 Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) 28, 33, 34 f Unterhaltsbedarf 25 f, 33, 271 ff Unterhaltskette 34 f, 90 f Unterhaltsmaß 22, 33, 44, 269 ff, 277 Unterhaltsstammrecht 80, 103, 171 f, 264 f Unterhaltstabellen 25, 101, 213 f, 216 f Unterhaltsverzicht 79 f, 108 f, 110, 159 ff, 171 f, 181 ff, 223 ff, 264 ff Unternehmerehe 41 f Verschuldensprinzip 51 f, 54 f, 65 f, 175, 278 Versorgungsausgleich 37, 62, 87, 127, 193, 207 f, 251 f Vertrag zu Lasten Dritter 223 f Vertragsanpassung 128, 164, 220 f, 263 ff Vertragsfreiheit 44 f, 116 f, 130 ff, 146 f, 191, 205 f, 223 Vertragsparität 117, 138, 141 f, 236 ff Verwandtenunterhalt 229 Vorsorgende Unterhaltsvereinbarung 157 f, 173 ff, 221 f, 226 f, 232, 268 f Wegfall der Geschäftsgrundlage 164, 220, 263 ff, 282 Wesen der Ehe 17 f, 52, 70, 97 f, 156, 159 f, 253 f Wiederverheiratung 52, 65 Wirksamkeitskontrolle 127, 135, 169 Zerrüttungsprinzip 63 f Zerrüttungsvermutung 19, 64 Zugewinnausgleich 36 f, 41 f, 87 f, 95, 127, 192 ff, 251 Zwangslage 106 ff, 115, 188, 241 ff