Die fiktive Selbstauslegung des Paulus: Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe 9783666539534, 3525539533, 3727814489, 9783525539538


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German Pages [480] Year 2004

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Die fiktive Selbstauslegung des Paulus: Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe
 9783666539534, 3525539533, 3727814489, 9783525539538

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Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Herausgegeben im Auftrag des Departments für Biblische Studien der Universität Freiburg Schweiz von Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theißen

Band 52

Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen Academic Press Fribourg

Annette Merz

Die fiktive Selbstauslegung des Paulus Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe

Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen Academic Press Fribourg

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-53953-3 (Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen) ISBN 3-7278-1448-9 (Academic Press Fribourg)

© 2004, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen und Academic Press Fribourg / Paulusverlag Freiburg Schweiz Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: Hubert & Co. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier

VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2000/2001 von der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie geringfügig überarbeitet; neu erschienene Literatur konnte nur noch punktuell berücksichtigt werden. Am meisten zu danken habe ich meinem Doktorvater Gerd Theißen. An seinem Lehrstuhl durfte ich die vergangenen Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Assistentin in einer von gegenseitigem Vertrauen getragenen und wissenschaftlich überaus inspirierenden Atmosphäre arbeiten. Manche der in dieser Arbeit vertretenen Thesen sind durch ihn angeregt, andere mussten angesichts seiner klugen Gegenargumente nicht etwa preisgegeben sondern konnten modifiziert oder besser begründet beibehalten werden. Der Abschluss dieses Manuskriptes fällt zeitlich zusammen mit meinem Weggang aus Heidelberg und der Aufnahme einer Dozententätigkeit an der Universität Utrecht. Meine Erinnerung an Heidelberg wird immer geprägt sein von Dankbarkeit für viele Jahre größtmöglicher Freiheit des Denkens und Arbeitens und dafür, einen wissenschaftlichen Mentor gehabt zu haben, der mir wann immer nötig mit Rat und Tat zur Seite stand und jederzeit ein Vorbild an wissenschaftlicher Kreativität und menschlicher Integrität war und sein wird. Peter Lampe danke ich für ein ausführliches Korreferat mit wichtigen Anregungen; Christoph Burchard hat meine Arbeit über viele Jahre mit Gutachten und vor allem mit Sympathie und stimulierendem Interesse begleitet und gefördert. In den verschiedenen Stadien der Entstehung der Arbeit habe ich Anregungen von vielen weiteren Personen bekommen und in verschiedensten Kontexten Teile der Arbeit vorgestellt und von den Diskussionen darüber profitiert. Nur wenigen kann ich an dieser Stelle danken. Neben der Heidelberger Neutestamentlichen Sozietät und dem Oberseminar war vor allem der Theißensche Montagskreis wichtig, wo dauerhafte Kontakte und Freundschaften entstanden. Viel verdanke ich den halbjährlichen Neutestamentlerinnen-Treffen der European Society of Women in Theological Research (ESWTR), wo ich in einzigartiger Weise fachliche, durchaus auch kritische Kompetenz verbunden mit persönlicher Wertschätzung und Unterstützung gefunden habe. Wichtige DiskussionspartnerInnen über einen größeren Teil der Entstehungszeit dieses Buches waren mir Petra von Gemünden, Judith Hartenstein, Christina Jeremias-Hofius, Brigitte Karl, Silke Petersen, Hanna Roose, Astrid Schlüter, Angela Standhartinger, Elke Tönges, David Trobisch, Annette Weißenrieder. Viele weitere Freundinnen und Freunde, die

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Vorwort

mit durch die Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre gegangen sind, bleiben zwar namentlich ungenannt, aber ihr teilweise bedeutender Beitrag zum Gelingen in Zeiten sinkenden Mutes soll nicht verschwiegen werden. Für Unterstützung bei der Literaturbeschaffung, beim Korrekturenlesen und nicht zuletzt der Umstellung auf die neue Rechtschreibung danke ich Silke Rittmann, Ariane Gutzeit, Sabine Bayreuther und Tobias Walkling. Angelika Berlejung und Volker Erbacher boten mir großzügig Kost und Logie mit Blick auf das Heidelberger Schloss in der Schlussphase der Drucklegung. Das Land Baden-Württemberg förderte die Arbeit an der Dissertation durch ein einjähriges Promotionsstipendium und hat während der übrigen Zeit als Arbeitgeber meinen Lebensunterhalt finanziert. Druckkostenzuschüsse gewährten dankenswerter Weise die Evangelische Kirche von Westfalen und das Kirchenamt der VELKD. Der Stiftung der Universität Heidelberg, die mir rur die Promotion den Ruprecht-Karls-Preis verliehen hat, habe ich rur die erwiesene Auszeichnung und das damit verbundene Preis geld zu danken, das ebenfalls zur Drucklegung beiträgt. Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theißen danke ich rur die Aufnahme in die Reihe NTOAIStUNT, Reinhilde Ruprecht und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlages rur die kompetente Betreuung. Widmen möchte ich das Buch meiner Familie, die mir über all die Jahre beständig praktische Hilfe und emotionalen Rückhalt gegeben hat. Utrecht im August 2003

Annette Merz

INHALT I. EINLEITUNG 1. Exegese als Intertextualitätsforschung: Ansatz und Zielsetzung dieser Untersuchung ............................................................................................... 1 2. Theoretische Grundlegung: das Phänomen der Intertextualität und seine Analyse ................................................................................................... 5 2.1 Ebenen des Intertextualitätsbegriffs ................................................................. 5 2.1.1 Die texttheoretische Ebene: Textualität und Intertextualität .................... 8 2.1.2 Die literatur- und kulturkritische Ebene des Intertextualitätsbegriffs: Dezentrierung und Dekonstruktion als notwendige Folgen? .................. 12 2.1.3 Die textanalytische Ebene: spezifische Ausprägungen von Intertextualität und der "intertextuelle Ort" eines Textes ....................... 18

2.2 Erscheinungsformen intertextueller Verweise: Einzeltextreferenz und Systernreferenz ........................................................................................ .22 2.2.1 EinzeItextreferenz: onomastische, titulare und allusive Intertextualität sowie pseudointertextuelle Verweise ...................................................... 22 2.2.2 System referenz ....................................................................................... .25 2.3 Die intertextuelle Dimension des Textes jenseits von Produktionsintertextualität und Rezeptionsintertextualität .......................... 26

2.4 Intendierte und latente Intertextualität .......................................................... .29 2.5 Sinnkonstitution und Sinnkomplexion durch Intertextualität... ................... .35 2.5.1 Sinnkomplexion durch Überkodierung von Texten ............................... .35

2.5.2 Die intratextuellen Rahmenvorgaben intertextuell strukturierter Textkonstitution ...................................................................................... 36 2.5.3 Sinnvermehrende Zusatzkodierungen im Zusammenspiel von intratextueller und intertextueller Ebene ................................................ .39 2.5.3.1 Unklarer Prätext bei mehrdeutiger intratextueller Aussage: ITim 2,15 ................................................................................... .39 2.5.3.2 Der situative Kontext als umstrittener Faktor bei der Deutung von Prätextverweisen: 1Tim 4,3-5 ............................. .40 2.5.3.3 Einbeziehung des prätextuellen Ko-Textes als umstrittener Faktor bei der Aktualisierung eines Prätextverweises: 2Tim 2,19 ..................................................... ..44

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Inhalt 2.5.3.4 Sinnkomplexion durch Intertextualität: 2Tim 4,17 im Zusammenspiel von intratextueller Ebene und intertextueller Mehrfachkodierung ............................................ .46 2.5.4 Textorientierte und referenztextorientierte Funktionen von Intertextualität ................................................................................. .57

2.6 Allusionskompetenz, intertextuelle Präsuppositionsstruktur und Formen der Markierung .................................................................................. 60 2.7 Zusammenfassung ........................................................................................... 69 11. DIE PASTORALBRlEFE ALS PRÄ TEXTE IN IHRER FRÜHESTEN REZEPTIONSGESCHICHTE

3. Probleme der Bestimmung des Terminus ad quem der Abfassung der Pastoralbriefe .................................................................................................. 72 3.1 Die äußere Bezeugung der Pastoralbriefe ...................................................... 74 3.2 Verwandte Datierungsprobleme urchristlicher Schriften.............................. 78 3.3 Datierungsprobleme aufgrund des pseudepigraphischen Charakters der Pastoralbriefe ............................................................................................. 79 4. Überlegungen zur Methode: Intertextualität und literarische Abhängigkeit ......................................................................................................... 87 4.1 Verfahren zur Feststellung literarischer Abhängigkeit in der Exegese ........ 88 4.1.1 Die Hauptkriterien literarischer Abhängigkeit vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.................................................................................... 89 4.1.2 Versuche weiterer Konkretisierungen und Herausforderungen des gültigen Paradigmas .......................................................................... 98 4.2 Kriterien zur Skalierung der Intensität von intertextuellen Bezügen ........ 105 5. Polykarp von Smyrna und die Pastoralbriefe ................................................. 114 5.1 Die intertextuelle Präsuppositionsstruktur des Polykarpbriefs: Polykarps Quellen und sein Umgang mit ihnen ......................................... 114 5.2 Eindeutige intertextuelle Bezugnahmen und Verweise Polykarps auf die Pastoralbriefe ................................................................................... 117 5.2.1 Der Anfang allen Übels (Polyc 4,1 /ITim 6,7.10) ............................... 117 5.2.2 Die Liebe der Märtyrer (Polyc 9,2/2Tim 4,6-10) ............................... 123 5.2.3 Diakonenspiegel (Polyc 5,2) ................................................................ 127 5.3 Weitere sprachliche, sachliche und gattungsspezifische Parallelen .......... 129

Inhalt

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5.4 Authentizität, Redaktionsgeschichte und Datierung der Philipperkorrespondenz Polykarps .............................................................. 133 6. Ignatius von Antiochien und die Pastoralbriefe ............................................. 141 6.1 Methodische Vorbemerkungen, Hypothese und Gang der Untersuchung ............................................................................... 141 6.2 Sprachliche Beobachtungen zur Nähe zwischen Ignatius upd den Pastoralbriefen ............................................................................... 145 6.3 Die intertextuell konstituierte Selbststilisierung des Ignatius als Paulusnachfolger .................................................................................... 147 6.4 Paulus als Vorbild in der Bekämpfung von Gegnern ................................. 155 6.5 Paulus als Vorbild im Einsatz für das kirchliche Amt.. ............................. 161 6.6 Paulus als Vorbild des Erlebens und Verhaltens eines Märtyrers ............. 165 6.7 Paulus als Vorbild der brieflichen Kommunikation mit Gemeinden und Einzelpersonen ...................................................................................... 172 6.7.1 Gemeindebriefe .................................................................................... 172 6.7.2 Der Polykarpbrief ................................................................................. i 77 6.7.2.1 Der Polykarpbrief des Ignatius als Nachahmung des Brieftyps "paulinischer Pastoralbrief" (Systemreferenz) ......... 179 6.7.2.2 Wörtliche Berührungen zwischen dem Polykarpbrief und den Pastoralbriefen (Einzeltextreferenzen) ....................... 183 7. Die Paulusbriefsammlung als Prätext der Ignatiusbriefe und des Polykarpbriefs - Zusammenfassung und weiterfiihrende Überlegungen zum intertextuellen Ort ........................................................... 188 7.1 Ignatius' Selbstwahmehmung als Paulusnachfolger, die Entstehung der Ignatiusbriefsammlung und ihre Rezeption bei Polykarp ................... 188 7.2 Polykarps Philipperbrief im Kontext der Paulusimitation des Ignatius .... 191

III. DIE PASTORALBRIEFE UND IHRE PRÄTEXTE: DIE FIKTIVE SELBSTAUSLEGUNG DES PAULUS 8. Die intertextuelle Dimension paulinischer Pseudepigraphie als Schlüssel zum Ort der Pastoralbriefe in der Paulustradition ........................ 195 8.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick: Modelle der Bestimmung des Ortes der Pastoralbriefe in der Paulustradition ........................................... 196 8.1.1 Die Pastoral briefe in Diskontinuität zu Paulus .................................... 202

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Inhalt 8.1.2 Die Pastoral briefe in Kontinuität zu Paulus: unangefochtene oder umstrittene Paulustradition? ................................................................. 208 8.2 Paulinische Pseudepigraphie als konstitutiv intertextuell strukturiertes literarisches Verfahren .......................................................... 222 8.3 Fingierte Selbstreferenzen als der Pseudepigraphie eigene literarische Waffe im Streit um die legitime Auslegung der Paulusbriefe und die Aktualisierung der Paulustradition ................................................ 232 8.4 Folgerungen fiir die Auslegung der Pastoralbriefe und den Aufbau der folgenden Untersuchung .......................................................... 242

9. Paulus und der Streit um die sozialen Folgen der Geschwisterschaft von SklavInnen .................................................................................................. 245 9.1 Intratextuelle Analyse und situativer Kontext ............................................ 247 9.1.1 Tit 2,9f.................................................................................................. 247 9.1.21Tim6,1-5 ........................................................................................... 250 9.2 Intertextuelle Analyse ................................................................................... 257 9.2.1 Traditionsgeschichtlicher Rückschluss auf den theologischen Ort der gegnerischen Argumentation ......................................................... 257 9.2.2 Der Prätext (Phlm 16): Die fingierte Eigentextreferenz und ihre Intention ................................................................................. 258 10. Paulus und der Streit um die Lehre von Frauen (1 Tim 2,9-3,1) .............. 268 10.1 Intratextuelle Analyse und situativer Kontext: Echos von Traditionen, innergemeindlichen Diskussionen und Konflikten ................................ 269 10.1.1 Kotextuelle Einbindung und Abgrenzung der Perikope ................. 269 10.1.2 Die argumentative Struktur der Perikope ....................................... 273 10.1.3 1Tim 2,9f: der Schmuck der Schlichtheit... .................................... 274 10.1.3.1 Was Frauen schmückt - I: Tugend statt Tünche (ITim 2,9t) ..................................... 274 10.1.3.2 Die aktuelle Dimension der Schmuckparänese ................ 277 10.1.4 lTim 2,11-15: Der Frauen Schmuck durch gute Werkestille Unterordnung und Mutterschaft statt Lehre .......................... 279 10.1.4.1 Was Frauen schmückt - 11: Lernen in Stille und Unterordnung (1 Tim 2,11) ........................................ 279 10.1.4.2 Was Frauen schmückt (und rettet) - III: nicht Lehren, sondern Kindergebären (1 Tim 2,12-15) ... 288 a) lTim 2,12 als Verbot eines potenziell heilswirksamen guten Werkes ....................................................................... 288

Inhalt

XI

b) Die Bedeutung von au9sv-rdv avöp6