Die Entwicklung der Russischen Erzählung (1800–1825): Eine gattungsgeschichtliche Untersuchung [Reprint 2021 ed.] 9783112535387, 9783112535370


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German Pages 172 [178] Year 1972

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Die Entwicklung der Russischen Erzählung (1800–1825): Eine gattungsgeschichtliche Untersuchung [Reprint 2021 ed.]
 9783112535387, 9783112535370

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KLAUS STÄDTKE

DIE ENTWICKLUNG DER RUSSISCHEN ERZÄHLUNG (1800-1825)

AKADEMIEVERLAG BERLIN

KLAUS STÄDTKE DIE ENTWICKLUNG DER RUSSISCHEN ERZÄHLUNG (1800-1825)

D E U T S C H E AKADEMIE D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N VERÖFFENTLICHUNGEN DES F Ü R SLAWISTIK

Herausgegeben von H. H. B I E L F E L D T

Nr. 57

INSTITUTS

DIE ENTWICKLUNG DER RUSSISCHEN ERZÄHLUNG (1800-1825) Eine gattungsgeschichtliche

Untersuchung

Herausgegeben von KLAUS STÄDTKE

AKADEMIE-VERLAG 1971

-¿BERLIN

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, leipziger Straße 3 - 4 Copyright 1971 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/112/71 Herstellung: IV/2/14 VBB Werkdruck, 445 Gräfenhainichen/DDE • 3515 Bestellnummer: 2040/57 • ES:7 I EDV 751 787 5 32

Inhalt

EINLEITUNG

Methodologische Voraussetzungen Zum Begriff der literarischen Gattung Die Erzählung als ein Problem der russischen und sowjetischen Gattungsgeschichte Zur Zeitsituation (1800-1825) Strukturtypen der russischen Erzählung in der zweiten

1 7 12

Hälfte des 1 8. Jahrhunderts Entstehungsbedingungen Die satirische Schwank-Erzählung Die „orientalische" Erzählung Die sentimentale Erzählung

17 19 26 29

KAPITEL I

Der Übergang zur sentimentalen Romantik Die elegische Erzählung Karamzin und seine Nachfolger Zukovskij als Abschluß und Übergang

39 43

KAPITEL II

Die Tradition des Schelmenromans und der „orientalischen" Erzählung (1800-1815) Gegen Satire und „Systemgeist" Naturalistische Erzähler Die Kurzbiographie bei Karamzin, Bulgarin und Nareznyj Die Entwicklung der „orientalischen" Erzählung . .

48 48 52 55

KAPITEL III

Die sentimentale Erzählung zu Beginn des 19. Jahrhunderts (1800-1820) Die „reine" Form Die „gemischte" Form

63 80 KAPITEL IV

Die historische Erzählung zu Beginn des 19. Jahrhunderts (1800-1820)

94

VI

Inhalt KAPITEL V

Die Erzählung der Dekabristen (1820-1825) Neue Tendenzen in der russischen Prosa und die Entwicklung der Versepik um 1820 Die historische Erzählung der Dekabristen KjucheVbeker 116 — Bestuzev-Marlinskij 119 — Kornilovic 133 Der Versuch zur Novelle Ryleevs „öudak" und Bestuzevs „Vecer na bivuake"

.

ZUSAMMENFASSUNG

111

135 140

ANHANG

Literaturverzeichnis

144

Verzeichnis der in der Arbeit besprochenen Erzählungen

153

Personenregister

156

Abkürzungsverzeichnis

a. a. 0 . = a m angegebenen Ort AN = Akademija Nauk = öast' ö. f. = folgende Seite ff. = folgende Seiten = god(a) g= gody bzw. godov ggizbr. soc. = izbrannye soöinenija izd. = izdanie kn. = kniga L. = Leningrad - Moskva M. = Nummer N. = ohne Seitenangabe o. S. p o d red. = pod redakcijej poln. sobr. so6. = polnoe sobranie soßinenij S. = siehe bzw. Seite sobr. soc. = sobranie soBinenij SPB. = Sankt-Peterburg Vgl. = vergleiche vv. = vek(ov) = v o m A u t o r ergänzt / /

Für die Hilfe bei der Abfassung und Drucklegung dieser Arbeit, die 1967 am Slavischen Institut der Humboldt-Universität Berlin als Dissertation vorgelegt wurde, danke ich ganz besonders Herrn Prof. Dr. H. H. Bielfeldt, Herrn Prof. Dr. Eberhard Reißner und Herrn Dr. phil. habil. Hellmut Graßhoff. Mein aufrichtiger Dank für die hilfreiche Unterstützung während eines Studienaufenthaltes in Moskau gilt außerdem dem Lehrstuhl für Russische Literatur an der Lomonosov-Universität und meinen wissenschaftlichen Betreuern, Herrn Prof. Dr. A. N. Sokolov (f) und Herrn Prof. Dr. V. I. Kulesov.

EINLEITUNG

Methodologische Voraussetzungen

Zum Begriff der literarischen Gattung Der Begriff 'Gattungsgeschichte' enthält bereits das Grundproblem der literarischen Gattung, das Wechselverhältnis zwischen einer relativ konstanten Gattungsstruktur und ihrer jeweiligen historisch-konkreten Entäußerung im Einzelwerk. Die Historisierung des Formbegriffes, von der Romantik als Problem aufgeworfen und durch Hegels dialektische FormInhalt-Konzeption 1 endgültig ausgesprochen, wandelt die Begriffe der Gattungspoetik in historische Begriffe um und stellt damit, so scheint es zunächst, die Gattungspoetik überhaupt in Frage. Die moderne bürgerliche Literaturwissenschaft verhält sich daher sehr skeptisch zu dem Begriff der literarischen Gattung 2 , obwohl sie den Zusammenhang zwischen Gattungspoetik und Gattungsgeschichte nicht leugnen kann. 3 Von jedem ahistorischen Standpunkt aus muß aber diese Erweiterung des Gattungsbegriffes zu einem „Dilemma" werden, da eine rein formale Koppelung konstanter und historisch veränderlicher Elemente einer Gattungsstruktur, die sich, wie Lämmert meint, „notwendig gegenseitig trüben" 4 , zu keinem befriedigenden Resultat führt. Man hat daher versucht, die literarische Gattung aus der Forschung auszuklammern 5 oder die Grundkategorien der Gattungspoetik durch Kategorien der literarischen Stilistik zu ersetzen. So charakterisiert Emil Staiger die Begriffe „Epik", „Lyrik" und ^Dramatik" als „Fächer, in die das Kunstwerk zunächst nach äußerlichen Gesichtspunkten gehört". An die Stelle dieser von ihm als „Sammelbegriffe" entwerteten Grundkategorien der Gattungspoetik setzt er die Adjektive „episch", „lyrisch" und „dramatisch", die für ihn erst den geeigneten Rahmen für die eigentliche Interpretation schaffen. 6 Mit der Übertragung der Hauptelemente der Gattung in die Ebene der literarischen Stilistik ergeben sich für ihn „zeitlose" Stilmöglichkeiten, die 1

Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik, in: G. W. F. Hegel, Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe in 20 Bänden. Stuttgart 1953, Bd. 8, S. 302-303. 2 Vgl. René Wellek und Austin Warren, Theorie der Literatur. New-York 1958, S. 2 0 8 - 2 1 2 . 3 Vgl. Eberhard Lämmert, Bauformen des Erzählens, Stuttgart 1955, S. 12. < Vgl. Ebenda, S. 10. 5 Vgl. Benedetto Croce, Grundriß der Ästhetik. Leipzig 1913, S. 4 3 - 4 9 . 6 Vgl. Emil Staiger, Grundbegriffe der Poetik, 4. Auflage, Zürich 1959, S. 2 3 6 - 2 3 7 .

EINLEITUNG

Methodologische Voraussetzungen

Zum Begriff der literarischen Gattung Der Begriff 'Gattungsgeschichte' enthält bereits das Grundproblem der literarischen Gattung, das Wechselverhältnis zwischen einer relativ konstanten Gattungsstruktur und ihrer jeweiligen historisch-konkreten Entäußerung im Einzelwerk. Die Historisierung des Formbegriffes, von der Romantik als Problem aufgeworfen und durch Hegels dialektische FormInhalt-Konzeption 1 endgültig ausgesprochen, wandelt die Begriffe der Gattungspoetik in historische Begriffe um und stellt damit, so scheint es zunächst, die Gattungspoetik überhaupt in Frage. Die moderne bürgerliche Literaturwissenschaft verhält sich daher sehr skeptisch zu dem Begriff der literarischen Gattung 2 , obwohl sie den Zusammenhang zwischen Gattungspoetik und Gattungsgeschichte nicht leugnen kann. 3 Von jedem ahistorischen Standpunkt aus muß aber diese Erweiterung des Gattungsbegriffes zu einem „Dilemma" werden, da eine rein formale Koppelung konstanter und historisch veränderlicher Elemente einer Gattungsstruktur, die sich, wie Lämmert meint, „notwendig gegenseitig trüben" 4 , zu keinem befriedigenden Resultat führt. Man hat daher versucht, die literarische Gattung aus der Forschung auszuklammern 5 oder die Grundkategorien der Gattungspoetik durch Kategorien der literarischen Stilistik zu ersetzen. So charakterisiert Emil Staiger die Begriffe „Epik", „Lyrik" und ^Dramatik" als „Fächer, in die das Kunstwerk zunächst nach äußerlichen Gesichtspunkten gehört". An die Stelle dieser von ihm als „Sammelbegriffe" entwerteten Grundkategorien der Gattungspoetik setzt er die Adjektive „episch", „lyrisch" und „dramatisch", die für ihn erst den geeigneten Rahmen für die eigentliche Interpretation schaffen. 6 Mit der Übertragung der Hauptelemente der Gattung in die Ebene der literarischen Stilistik ergeben sich für ihn „zeitlose" Stilmöglichkeiten, die 1

Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik, in: G. W. F. Hegel, Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe in 20 Bänden. Stuttgart 1953, Bd. 8, S. 302-303. 2 Vgl. René Wellek und Austin Warren, Theorie der Literatur. New-York 1958, S. 2 0 8 - 2 1 2 . 3 Vgl. Eberhard Lämmert, Bauformen des Erzählens, Stuttgart 1955, S. 12. < Vgl. Ebenda, S. 10. 5 Vgl. Benedetto Croce, Grundriß der Ästhetik. Leipzig 1913, S. 4 3 - 4 9 . 6 Vgl. Emil Staiger, Grundbegriffe der Poetik, 4. Auflage, Zürich 1959, S. 2 3 6 - 2 3 7 .

2

Einleitung

allein einer Analyse zugänglich sind. Dabei wird das subjektive Stilgefühl — in weitesten Sinne des Wortes — für Staiger zum wesentlichsten Kriterium der Wissenschaftlichkeit. 7 Diese Auffassung bietet, so fruchtbar sie auch im Einzelfall für eine Stilanalyse sein mag, keine Möglichkeit für eine gattungsgeschichtliche Untersuchung. Ausgehend von den Stilkriterien Staigers spricht Wolfgang Kayser von einer „lyrischen", „epischen" und „dramatischen Haltung" als einem Grundbegriff der Gattungsanalyse 8 . Eine zweite Möglichkeit für die Bestimmung der literarischen Gattung sieht Kayser in Anlehnung an Jolles 9 und Petsch 1 0 in der Rückführung der Gattung auf „einfache Formen" u , die gleich den Staigerschen Stilkriterien zeitlosen und damit normativen Charakter tragen. Ein Ansatz zur Überwindung des formalistischen Standpunktes, der die gattungsgeschichtliche Forschung in eine Sackgasse geführt hat, findet sich in Peter Szondis Aufsätzen zur Theorie des modernen Dramas 1 2 . Szondi verzichtet auf eine „systematische, also normative Poetik" zugunsten einer „historisch-dialektischen Auffassung von Form und Inhalt". Wenn aber das als Widerspruch aufgefaßte Wechselverhältnis von Form und Inhalt in erster Linie als eine „technische Schwierigkeit . . . im Innern des konkreten Werks" 1 3 untersucht wird, scheinen die Grenzen doch wieder zu eng gezogen. Auch im Rahmen der Untersuchungen zur kleinen Prosaform wird der Verzicht auf eine historische Betrachtungsweise bei der Bestimmung des Gattungsbegriffes zu einem Hindernis. Die Deutung der deutschen Novelle des 19. und 20. Jahrhunderts aus zeitlosen „wesenhaften" Gegensätzen wie „Chaos und Ordnung" (Benno v. Wiese), „Freiheit und Zwang" (Johannes Klein), „Schicksal und Individuum" (Hermann Pongs), „Chaos und Kosmos" (Fritz Lockemann), verrät tiefe Ratlosigkeit angesichts der Form-InhaltBeziehungen im Einzelwerk und hält einer theoretischen Verallgemeinerung nicht stand. Werner Baum hat dies in seinem Essay 1 4 mit Recht zum Ausgangspunkt einer kritischen Analyse gemacht. Die marxistische Literaturwissenschaft, die eine organische Bindung zwischen dem literarischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß zu7

Vgl. Emil Staiger, Die Kunst der Interpretation, Studien zur deutschen Literaturgeschichte. Zürich 1955, S. 13-14. Vgl. Wolfgang Kayser, Das sprachliche Kunstwerk, 9. Auflage, Bonn 1963, S. 333f. 9 Vgl. André Jolles, Einfache Formen. Halle 1930. 10 Vgl. Robert Petsch, Wesen und Formen der Erzählkunst. 2. Auflage, Halle 1942. 11 Siehe Wolfgang Kayser, a. a. O., S. 352. 12 Vgl. Peter Szondi, Theorie des modernen Dramas, Frankfurt/M. 1964. 13 Siehe ebenda, S. 12. 14 Siehe Werner Baum, Bedeutung und Gestalt. Über die sozialistische Novelle. Halle 1968, S. 113ff, 8

Zum Begriff der literarischen Gattung

3

gründe legt, sieht in der Gattung die notwendige Existenzbedingung des Wortkunstwerkes15 und leitet aus dem Wechselverhältnis zwischen einer relativ konstanten Gattungsstruktur und ihrer historisch-konkreten Entäußerung im Einzelwerk Gesetzmäßigkeiten der literarischen Entwicklung ab, wobei eine Veränderung der Form immer in Abhängigkeit vom Inhalt betrachtet wird.10. In diesem Zusammenhang stellt sich die Gattung zunächst als ein Strukturprinzip dar, wonach der Autor die ästhetische „Realität" seines Kunstwerkes organisiert. Als Strukturprinzip ist die Gattung ein Teil der literarischen Form. Zugleich aber stehen die einzelnen das Wesen der Gattung bestimmenden Formelemente in einer konkreten, historisch bedingten Beziehung zur Gesamtstruktur des Einzelwerkes und seiner inhaltlichen Aussage17. Nur aus der Beziehung zum Inhalt ist das funktionale Zusammenwirken der literarischen Formelemente und damit auch die Gattung selbst erfaßbar. Daraus läßt sich für eine gattungsgeschichtliche Untersuchung theoretisch ableiten: a) Die Begriffe „Epik", „Lyrik" und „Dramatik" beinhalten die Summe aller Gattungsmerkmale, die den vorhandenen Kunstwerken des jeweiligen Typus eigen sind, und geben darüber hinaus die Möglichkeiten ihrer Veränderung und Kombination in Abhängigkeit vom konkreten Inhalt des Einzelwerkes an. b) „Roman", „Drama" oder „Elegie" sind als literarische Gattungen durch eine Struktur bestimmt, die sich aus der Beziehung der den Charakter der Gattung bestimmenden Formelemente zueinander und zur Gesamtstruktur des jeweiligen Einzelwerkes ergibt. Da die Verwirklichung einer künstlerischen Idee in literarischen Gestalten und Bildern durch einen Autor erfolgt, der seine Weltauffassung und sein Verhältnis zu dem von ihm gestalteten Stoff einer ihm gegenwärtigen Wirkslichkeit abgewinnt, ist die Gattungsstruktur seines Werkes nur historisch interpretierbar. Dabei beinhaltet der Begriff der historischen Interpretation das Spannungsverhältnis zwischen der spezifischen Gesamtstruktur des Einzelwerkes und seiner, auf eine ganze Reihe von Einzelwerken beziehbaren Gattungsstruktur. Im Rahmen einer typologischen Differenzierung der literarischen Gattungen ist eine Untergliederung in Genres üblich, die von der übergeordneten Gattung durch entsprechende Attribute unterschieden werden („Schauerroman", „romantisches Poem", „sentimentale Erzählung" usw.). Mit der Unterteilung in Genres unterstreicht die literaturtheoretische Forschung die Zugehörigkeit einer Reihe von Einzelwerken einer Gattung zu einer Stilart, Vgl. Teorija literatury, Moskau 1964, Bd. I I , S. 39. i« Vgl. ebenda, S. 8. 17 Vgl. J u . M. Lotman, Lekcii po struktural'noj poetike, vyp. I., (Vvedenie, teorija sticha), in: Ucenye zapiski Tartuskogo gos. universiteta, 160 vyp., Tartu 1964, S. 51. 15

Einleitung

4

einer literarischen Richtung oder Schule, zu einer bestimmten literarhistorischen Epoche. J e beschränkter die Auswahl der zu untersuchenden Einzelwerke einer Gattung und je enger die Bindung der Autoren im Rahmen einer literarischen Schule oder Stilrichtung ist, desto klarer und deutlicher wird sich auch die jeweilige Gattungsstruktur abzeichnen, desto stabiler die Gattung selbst erscheinen. Für eine solche Situation bietet sich bei der Gattungsanalyse eine formale Methode der Untersuchung an, wie sie in einigen Arbeiten sowjetischer Literaturwissenschaftler der 20er und 30er Jahre zum Ausdruck kam. So schrieb V . Sklovskij 1929: „ E C J I H ROBOPHTT c T O I K H 3 P E H H H N O 9 T H K H HCTOpiiiecKoö, TO MomeT 6TITI>,KaK HtaHp omynjaeTCH T 0 cocTOHHue jiHTepaTypHOü BMecTe, hto omymaeTCH KaK ijejiocTHoe" — „CaMoe Banmoe B Bonpoce o HtaHpe — 9TO BH^ejieHHe

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MaTepnajia." 18

Ähnlich urteilte zum gleichen Zeitpunkt auch Jurij Tynjanov. „. . . jKaHp CMemaeTCH . . . " — , , . . . BCfl CyTfc HOBOH KOHCTpyKIJHH MOJKeT 6 H T B B HOBOM

HCn0JII.30BaHHH CTapHX npneMOB, BHX HOBOMKOHCTpyKTHBHOM 3 H a i e H H H . , . 1 9

Die Gattung „verschiebt sich", und diese Verschiebung vollzieht sich für Tynjanov im Bereich der Form. Hier wird Gattungsgeschichte einseitig auf Form- und Strukturgeschichte reduziert. Eine Entwicklung sieht Tynjanov nur in der Einführung neuer Formelemente oder auf Grund der Kombination vorhandener. Zu der gleichen Auffassung bekannte sich auch B. Tomasevskij. 20 I m Rahmen der vorliegenden Arbeit wird sich am Beispiel der sentimentalen Erzählung in Rußland zeigen, daß die Entwicklung einer Gattung nicht durch die Wiederholung oder „Verschiebung" der Gattungsstruktur zu erfassen ist. Nach dem Muster der Erzählungen Karamzins wurden gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts zahlreiche Erzählungen geschrieben, wobei sich die Autoren der von Karamzin so erfolgreich angewandten Gattungsstruktur bedienten. Unter der Feder der epigonalen Autoren verlor die sentimentale Erzählung jedoch sehr schnell ihren literarischen Wert. Die einzelnen Gattungselemente, ganz gleich in welcher Kombination, erfüllten keine Funktion im Hinblick auf eine inhaltliche Aussage und wurden damit zu einem sterilen Klischee. Es handelt sich bei dieser Erscheinung eher um eine Zerstörung der Gattung als um ihre Stabilisierung. Allerdings läßt sich am Beispiel eines derartigen Epigonentums sehr gut die nun freigelegte, d. h. ihrer Funktion beraubte Gattungsstruktur beobachten. KeMiyr HKaMeHbH, kohx 6bijio ßojiee, Hemejra opcjporpacJtiMecKHx ouihöok b Hauinx hobbix niicaTejiHx" — „. . . b KanßoB BeK ß&ijia TajKan Mo^a Ha ly^eca, KaK Htrae, Ha aHrjiHiicKire uuihiikh, h tot flOM, b kotopom He cjiyHajioct b Hejjejiio no KpaüHefi Mepe ßBa -Hy.ua, 6hji TaKHte cMeuioH, Kan hbihc aom, r,n;e He nrpaioT b KapTti".106 Bei Fonvizin wird der Philosoph zum Träger eines moralischen Prinzips, das sich als machtlos erweist angesichts eines unvernünftig handelnden Monarchen. Krylov nimmt die Selbstherrschaft als eine soziale Erscheinung, die bestimmend ist für die Handlungen seines Helden. Der Hof Alexanders «>* siehe ebenda, S. 37. 105 Vgl. I . A . Krylov, Kaib. Vostocnaja povest', in: „Zritel'", SPB. 1792, c. III, oktjabr', S. 9 0 - 1 0 9 ; dekabr', S. 257-307. 106 Siehe I. A. Krylov, Kaib, Vostocnaja povest', in: Russkaja proza X V I I I veka. M.-L. 1950, Bd. II, S. 691; 695.

Die sentimentale Erzählung

29

in der Erzählung Fonvizins war der Rahmen für das philosophische Gespräch. Bei Krylov ist das Leben am Hofe des Kaib als Ganzes Objekt der Satire. Die Parallele zu Rußland wird nicht mehr vom Leser nachgedacht, sondern vom Erzähler selbst hergestellt. Auf seiner Reise verwandelt sich Kaib aus dem Monarchen in den „natürlichen" Menschen, die Idealgestalt der Aufklärung. E r tritt gewissermaßen aus einer fiktiven Welt in die Realität, über die er bei seinen einzelnen Begegnungen aufgeklärt wird. Doch erst die Liebe zu Roksana befähigt ihn, als tugendhafter Mensch in sein Amt als Monarch zurückzukehren. Die moralische Metamorphose des Haupthelden ist nur wenig motiviert. In der Liebesgeschichte zwischen Kaib und Roksana greift Krylov zu den Mitteln der sentimentalen Literatur, die er selbst kurz bevor im ersten Teil der Erzählung stark kritisiert. Bei der sozialen und psychologischen Motivierung eines individuellen Charakters kommt Krylov über eine Vermischung von Satire und sentimentaler Idylle nicht hinaus. Zusammenfassend laß t sich sagen: Die „vostocnaja povest'" nimmt in der Aufklärungsprosa einen breiten Raum ein. Das Strukturprinzip, das diese Erzählungen als ein literarisches Genre zusammenfaßt, besteht in der Zweigliedrigkeit der Handlung. Die Handlung spielt in einer stilisierten „orientalischen" Welt. Eine Parallele zur zeitgenössischen russischen Wirklichkeit wird vom Leser hergestellt (vgl. „Kallisfen"). Krylov zerstört dieses Prinzip in seiner Erzählung „Kaib" mit den Mitteln der Parodie und Satire. Das Problem der Selbstherrschaft wird in die soziale Sphäre verlegt. Dadurch verändert sich auch die literarische Darstellung. Der Erzähler durchbricht immer wieder die Grenzen des „orientalischen" Handlungsplatzesund stellt konkrete Beziehungen zur zeitgenössischen Umwelt her. Das Problem des individuellen Charakters f ü h r t ihn in den Bereich des russischen Frührealismus, wenn ihm auch eine literarische Lösung nicht gelingt. Beide Erzählungen gehören der Kurzform an. Bei Fonvizin ist das zentrale Ereignis, das Todesurteil für Kallisfen, die Antwort auf eine philosophische Frage. I n der Erzählung Krylovs steht das Motiv des Orakels und seiner Auflösung in der Bedeutung vor dem Reisemotiv. Stark rahmende Funktion kommt hier außerdem dem Erzähler zu.

Die sentimentale

Erzählung

Mit dem Erscheinen der sentimentalen Erzählungen Karamzins tritt die Erzählung als eigene Gattung in das Gattungssystem der russischen Literatur ein. 107 107 Vgl. D. D. Blagoj, Literatura i dejstvitel'nost'. M. 1959, S. 271; N. I. Mordovcenko, Russkaja kritika pervoj cetverti X I X veka. M.-L. 1959, S. 39—40; N. L. Stepanov, Proza Puskina. M. 1962, S. 23.

30

Einleitung

Der Beginn der literarischen Strömung des Sentimentalismus in der russischen Literatur führt in die 70er Jahre des 18. Jahrhunderts zurück. I n der Prosadichtung wurde diese Entwicklung zunächst durch Übersetzungen englischer und französischer Romane bestimmt. Auf die Bedeutung der Lyrik für die Entstehung des sentimentalen Prosa ist bereits hingewiesen worden. Versuche zur Schaffung eines russischen sentimentalen Prosaromans wurden lange vor Karamzin unternommen. 108 Doch läßt sich bei der Untersuchung dieser Romane und Erzählungen noch kein einheitliches Strukturprinzip erkennen. Auf dieser Stufe des Experiments vermischt die sentimentale Prosadichtung in Rußland Elemente des Abenteuerromans und der Pastorale mit den moralisierenden Tendenzen der Aufklärungsliteratur. Dieses Entwicklungsstadium wird an dem Beispiel der weniger bekannten Erzählung „Dobrodetel'naja Rozana" von V. Lazarevic 109 deutlich erkennbar: Schauplatz der Handlung ist das Fürstentum Vladimir kurz nach der Übernahme des Christentums. Rozana, die Tochter des habgierigen Gutsbesitzers Zlonrav, verliebt sich in den jungen Edelmann Ljubocest. Diebeiden geloben einander ewige Treue. Als Ljubocest mit seinem Fürsten gegen die Pecenegen auszieht, beschließt der Vater, Rozana mit dem alten, aber reichen Nachbarn Grubej zu verheiraten. Auf dem Wege zu Grubej, auf dessen Gut die Hochzeit stattfinden soll, wird Rozana von den Pecenegen entführt und ihrem Anführer als Beute zugeteilt. Ljubocest befreit seine Geliebte nach sechs Jahren aus der Gefangenschaft. Zlonrav ist glücklich über die Widerkehr seiner Tochter und gibt seine Zustimmung zur Hochzeit mit Ljubocest.

Die Idee seiner Erzählung teilt der Verfasser gleich zu Beginn dem Leser mit: „Hejii.3H CKa3aTb, htoöbi HeB03M05KH0 6hjio H36e5KaTi> 3Jia nejioBeKy 0CH0BbiBaK)meMy na 3ßpaB0M paccyjKAemiH Bce cboh jjejia . . . h6o yejioBeK npocßeman cßoe no3HaHHe b chhhhh jjoöpoßeTejibHoro jkhthh TeM . . . h OTJlOTaeTCH OT CKOTOB ÖeCCJIOBeCHBIx".110

Dieses sittliche Ideal demonstriert Lazarevic an der Geschichte der „tugendhaften Rozana". Die Szene, in der sich Rozana und Ljubocest bekanntmachen, trägt deutlich sentimentalen Charakter: Sie wird eröffnet mit einer Naturbeschreibung: „B Ofliin fleHB, K o r ^ a n p e K p a c H o e C B e T H J i o H a HHHaJio y}Ke oJKHBJiaTb npuposy cbohm ßjiecKOM, h pa3rHaBiim coBepmeHHO M p a K hohh npHBJieKaJio B C H K o r o HacJiajKflaTbca HanaJiOM ctojib HCHoro Rozana verbringt die Hälfte des Tages in einem Hain und flicht Blumen zu einem Kranz. 112 108 Vgl. f . Emin, Pis'ma Ernesta i Doravry, 4 c. SPB. 1766-68; N. Emin, Roza, poluspravedlivaja original'naja povest'. SPB. 1786; N. Emin, Igra sud'by. SPB. 1789, u. a. 109 ygi. y . Lazarevic, Dobrodetel'naja Rozana. SPB. 1782. "0 Siehe ebenda, S. 3 - 4 . "i Siehe ebenda, S. 9. i « Vgl. ebenda, S. 9.

Die s e n t i m e n t a l e E r z ä h l u n g

31

Hier findet sie Ljubocest, und zwischen beiden entwickelt sich ein Dialog, aus dem hier nur die Worte des jungen Edelmannes angeführt werden: „H nporay Bac yflocTOHTb MeHH Barnen ßecejju, OHa ecTb hjih MeHH HaHnpuHTHeöuiaH b CBeTe". „. . . B3opi>i BaniH nofl;aK)T MHe H a ^ e ^ A y , ' i t o moü n j i a M e H b , KOTopbifi: Barna o6o?KaHHH flocroimaH K p a c o T a b cepfli];e CBoeM boc-

najiHJia, He Tinerao nbraaeT bo MHe".113

Die schwerfällige Sprache des Dialogs zeigt die Schwierigkeiten, die die Prosadichtung bei der Wiedergabe eines einfachen, emotional gefärbten Gesprächs noch zu überwinden hatte. Dem Liebesmonolog des Ljubocest wird das Liebeswerben des ungehobelten Grubej gegenübergestellt: „. . .flyptraflyniKa,He ctli^hcb, B3rjiHHH Ha ßyflymero TBoero MyjKa. . . 9KäH yjiHTa, Bce-TaKH OTBapa^HBaeTCH. . . na ,n;o6po npHBLiKHeuib".114

Die umgangssprachlichen Wendungen in der Rede des Grubej dienen einer negativen Charakteristik. Der Hauptheld bedient sich dagegen der Literatursprache, im vorliegenden Falle der Buchsprache aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Nach der E n t f ü h r u n g Rozanas gerät die Handlung in das Schema des Abenteuerromans. Der Erzähler beschreibt ausführlich das exotische Feldlager der Pecenegen, den Kampf der kräftigsten Männer u m Rozana u n d ihr Leben mit dem Anführer Celubej, der sie Burnorev abgewinnt. Bis zur Befreiung durch Ljubocest nach sechs J a h r e n vermag sie ihre Tugend zu bewahren. Mit dem Sieg der Tugend ist auch die Reue u n d moralische Läuterung des Vaters verbunden. Dabei handelt es sich um ein für die sentimentale Erzählung typisches Motiv. Bei Lazarevic dienen die Elemente der sentimentalen Literatur ausschließlich einem moralischen Zweck. Die Liebesgeschichte bleibt eine Episode der abenteuerlichen Handlung und wird nicht, wie später bei Karamzin, in den Mittelpunkt der Erzählung gestellt. Die Naturbeschreibung ist völlig abstrakt und ohne jede Beziehung zu den seelischen Empfindungen der handelnden Personen. Der Erzähler steht dem Geschehen nur als Moralist u n d ohne emotionale Bewegung gegenüber. Auch in der Komposition geht der Verfasser über das Schema der moralischen Beispielgeschichte nicht hinaus. Ein einheitliches Strukturprinzip läßt sich erst an H a n d der Erzählungen Karamzins ermitteln. I n der tragischen Geschichte der „Armen Liza" wird die weitschweifige Handlung des sentimentalen Romans, typisch für die Werke Emins u n d P. L'vovs, zu einer kurzen Erzählung verdichtet. Karamzin verzichtet auf einen philosophisch-moralischen K o m m e n t a r u n d konzentriert sich ganz auf die psychologische Entwicklung der Liebesbeziehungen zwischen Liza u n d dem jungen Edelmann Erast. Die Erzählung setzt ein mit der Beschreibung des Simonov-Klosters bei Moskau. Mit einer genauen Zeit- u n d Ortsangabe für die Handlung baut der Siehe e b e n d a , S. 1 5 - 1 6 .

114

Siehe e b e n d a , S. 45.

32

Einleitung

auktoriale Erzähler eine Brücke aus der zeitgenössischen Gegenwart in seine ästhetische „Wirklichkeit". Reale Tatbestände werden vom Erzähler in die Sphäre der literarischen Fiktion übertragen. Die erdachte Handlung erscheint dem Leser nun als faktologisch glaubwürdig. Diese Handlung stellt sich dar als ein psychologischer Prozeß. Die Liebe des jungen Adligen Erast zu dem Bauernmädchen Liza entwickelt sich stufenweise. Die Gestalt Lizas wird zu Beginn in der Rede des Erzählers deutlich umrissen. Der Charakter des jungen Mannes enthüllt sich dem Leser allmählich mit der Entwicklung der Liebesbeziehungen zu Liza. Ein P o r t r ä t des Helden entwirft der Erzähler erst, nachdem Erast Liza u n d auch ihre Mutter kennengelernt h a t : „Tenept HMTaTe.nb ßOJiJKeH 3HaTB, hto ceft mojioroü nejioBeK, cefi 9pacT 6hji .hobojibho ßoraTBiö ^bophhhh, c H3pjmHbIM HflOßpBIMCepjmeM,flOÖpHMOT npHpOHBI, HO CJiaßtlM H BeTpeHLIM. Oh Ben pacceHHHyio jkh3hb, «yMaji tojibko o cßoeM yflOBOJiBCTBHH, HCKaji ero b cBeTCKHx 3a6aBax, ho iacTO He HaxoRira: cKynaji h ?KajioBajicH Ha cyflbßy CBOK)"115. Durch die Widersprüchlichkeit seines Charakters unterscheidet er sich von den eindeutig positiv oder negativ angelegten Helden in der Literatur des Klassizismus. Bei Karamzin ist die Charakterzeichnung psychologischer Natur. Das soziale Problem der Standesunterschiede wird nur angedeutet. F ü r den Verfasser ist der gesellschaftliche Konflikt im sittlichen Verhalten des Einzelnen begründet . Das Novum seiner Erzählung besteht in der Gegenüberstellung individueller Charaktere ohne Rücksicht auf ihre soziale Ungleichheit. Das Bauernmädchen Liza ist in ihrer konsequenten Haltung dem haltlosen Adligen überlegen. Die tragische Auflösung des Konflikts wird jedoch durch die reuevoll-besinnliche Haltung Erasts a m Schluß der Erzählung weitgehend neutralisiert. Die Tragik menschlichen Schicksals war ein typischer Gedanke der sentimentalen Literatur. 1 1 6 Das Motiv des erlösenden Todes läßt sich bis in die frühromantische Lyrik Zukovskijs verfolgen. Das feste Strukturprinzip der sentimentalen Erzählung ergibt sich aus der funktionalen Einheit der einzelnen Formelemente. Die Naturbeschreibungen untermalen das Handlungsgeschehen und die seelischen Empfindungen der handelnden Personen. Der Dialog dient in erster Linie der stufenweisen Enthüllung des Charakters. In der H a n d h a b u n g des Dialogs zeigt Karamzin eine völlig neue Auffassung. Als Beispiel sei hier die Dialogszene bei der ersten Begegnung zwischen Liza und Erast angedeutet: „OHa noKa3ajia eMy ijBeTH — h 3aKpacHejiacB. „Tbi npoflaeim. iix, neByuiKa?" — cnpocHJi oh c yjitiÖKOio. — „Ilpoflaio", — oTBenajia OHa. — „A hto Teöe HaflOÖHO?" — „IThtb KoneeK." — „ 3 t o ciinuiKOM nerneBo. Bot Teße 115 116

Siehe N. M. Karamzin, Bednaja Liza, in: N. M. Karamzin, Izbrannye socinenija v dvuch tomach. M.-L. 1964, Bd. I, S. 610. Vgl. G. P . Makogonenko, Radiscev i ego vremja. M. 1956, S. 739.

Die sentimentale E r z ä h l u n g

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pyÖJib" . . . „Kyaa ?Ke TII noftßemb,FLEBYIIIKA?"- „^OMOH". — „A rae 30M JlH3a cKa3ajia, r^e OHa jKHBeT, cKa3ana h nouujia".117 Der extreme Unterschied zu Lazarevic wird sofort sichtbar. Auffallend ist der umgangssprachliche Plauderton, in dem die rasch wechselnden Repliken vorgebracht werden. I n dem Gespräch zwischen Rozana und Ljubocest ist der Monolog des Helden mit dem Bekenntnis seiner Leidenschaft zugleich der eigentliche Abschluß der Liebesgeschichte. Bei Karamzin hat die gleiche Szene nur einleitende Funktion. Die Sympathie der Gesprächspartner für einander steht hinter dem kurzen Wortwechsel, der diesen Gegenstand direkt nicht berührt. Wie im Drama weist der Dialog hier über sich selbst hinaus und ist damit funktional in den Gesamtablauf der Handlung eingebettet. Dem Handlungsaufbau aus der Distanz dient auch die Rede des Erzählers. I n seiner Sicht werden die einzelnen Teile des Sujets motiviert und zueinander in Beziehung gesetzt. Vom Blickwinkel des Erzählers aus wird die Handlung als Ganzes überschaubar. Dadurch bietet sich für ihn die Möglichkeit einer Umstellung der einzelnen Episoden gegen den chronologischen Ablauf. Der Vortrag des Erzählers läuft in zwei Zeitebenen ab, in der ihm gegenwärtigen Zeit — in dieser Ebene beginnt die Erzählung — und in der Zeit, in der sich (30 Jahre früher) die tragische Liebesgeschichte abspielt. Am Beginn steht die elegische Erinnerung an den Vorfall, und aus der Zeit der Handlung heraus deutet der Erzähler immer wieder auf das tragische Ende hin. Erinnerung und Vorausdeutung geben der Erzählung ihre kompositorische Geschlossenheit. Die Zeitebene des Erzählers ist der äußere Rahmen für die Handlung. Diese für die moderne epische Prosadichtung so typische Kompositionstechnik geht in der russischen Literatur auf die sentimentale Erzählung Karamzins zurück. Damit sind neue Möglichkeiten der Darstellung entdeckt, die die Entwicklung der Gattung wesentlich beeinflussen. Die Anlage der Erzählerfigur und der Dialoge erforderte eine neue Sprache. Die Rede des Erzählers, ein durch rhetorische Fragen und Wendungen an den Leser und die handelnden Personen dramatisierter Monolog, orientierte sich an der Umgangssprache des Adelssalons, die Karamzin mit der Literatursprache identifizierte. Durch exakte Wortwahl klammert er archaische Elemente der Buchsprache aus. Die verwendeten sprachlichen Mittel werden in einem neuen Kontext entweder neutralisiert oder emotional-expressiv aufgeladen (s. Wahl bestimmter Attribute, Verwendung von Deminuitivformen, Rhythmisierung der Prosa u 8 ). Durch diese sorgfältige Arbeit an der Sprache werden die Gegenstände aus ihrem realen Zusammenhang gelöst und in die Sphäre der Poesie überführt. • Am Beispiel Krylovs wurde bereits angedeutet, wie die Prosadichtung der Aufklärung einzelne Motive und Stilmittel der sentimentalen Erzählung TBOH?"

Siehe N . M. K a r a m z i n , a. a. O., S. 608. 118 y g i . p e t e r B r a n g , a. a. O., S. 105.

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Einleitung

verarbeitete. Die Erschließung der Psyche des Individuums sahen die Aufklärer im Zusammenhang mit dem Recht des einzelnen auf „natürliche" Empfindungen im Verhältnis zu seiner sozialen Umwelt. Die Verbindung von Tendenzen der sentimentalen Literarur mit dem Ideengut der Aufklärung zeigt sich in der Erzählung „Nescastnyj M-v" von A. I. Klusin, veröffentlicht 1793 in der Zeitschrift „Sanktpeterburgskij Merkurij" 119 . Der gebildete u n d empfindsame M-v verliebt sich in Sofja, die Tochter eines reichen Gutsbesitzers, der ihn als Hauslehrer eingestellt h a t . N a c h d e m der Vater von diesem Liebesverhältnis erfahren h a t , verbietet er dem jungen Mann, S o f j a wiederzusehen. M-v begeht Selbstmord.

Die zentrale Idee seiner Erzählung vermittelt Klusin in einer eingeschobenen kurzen Anekdote. In einer Unterhaltung bei Tisch berichtet der Vater von einer jungen Dame vornehmer Herkunft, die sich in einen jungen Mann niederen Standes verliebt. Ungeachtet der Einwände und Drohungen ihrer Eltern heiratet sie den Geliebten. Ihre Handlungsweise wird von der Gesellschaft als ein Verbrechen verurteilt. Zu diesem Vorgang äußert sich M-v im Sinne des Verfassers: „ — ^ T O c ^ e j i a j i a CHH qeTa nopo^Horo ? JIKIÖHMBI B 3 a HMHO,

HMefl ijejibio CBoeio

ÖJIAMEHCTBO,

Torjja

OHH

öynyT

npecTynHHKH,

KORRJA y M e H b i n a T N P H B H 3 A H H 0 C T T OJJHH K n p y r o M y . " „ — H a p y j K H o e c n a c T t e ,

coeflHHeimoe c ßjiecKOM TmecjiaBHH, OTPABA JIJIH HYBCTBHTEJIBHBIX cep^eij. ,Hj0JI}KH0 HCKaTb 6jia>KeHCTBa BHyTpb Hac CaMHx".120 Die tragische Auflösung am Schluß der Erzählung erfolgt im Rahmen der Motivwelt des Sentimentalismus. Die Bedeutung des sozialen Konflikts wird durch das Motiv der „verderblichen Leidenschaft" abgeschwächt. Dieser Rückgriff auf den Klassizismus wird im rhetorisch-deklamatorischen Kommentar des Erzählers deutlich: „.BaGjiytfi^aücfl, HeciacTHtiii! EoroTBopn Hflojia, noxHTHBiiiero TBoe crioKoföcTBHe, cep;me, s y n i y , — cjie3ti öy^yT TBoeio nnmeio, OTiaaHHe — pa3pyinemieM TBoero 6jia?KeHCTBa, T B o e r o cy-

meCTBOBaHHH".121 Bei Karamzin ist die Leidenschaft eher Ausdruck der psychischen Eigenart des Charakters, der für seine Handlungen eigene Verantwortung übernehmen muß: „Be3paccy;IHHÖ MOJIOAOH HEJROBEK! 3Haeuib JIH T H cßoe C E P J M E ? Beer/ja JIH MOHIENIB OTBENATB 3 A CBOH FLBHHIEHHH? Bcer^a JIII paccyBOK ecTb u;apb I Y B C T B T B O I I X ? " 1 2 2 Die reuevolle Besinnung des Vaters ist wieder ein typischer Schlußpunkt der sentimentalen Erzählung. So verbindet Klusin eklektisch verschiedenartige Motive aus der literarischen Tradition. Diese Tendenz läßt sich auch an seiner Kompositionslia Vgl. A. I . Klusin, Nescastnyj M-v. Povest', i n : „S. Peterburgskij Merkurij. Ezemesjacnoe izdanie 1793 goda". SPB. 1793, c. I, S. 138-226. 120 Siehe A. I. Klusin, Nescastnyj M-v, i n : R u s s k a j a proza X V I I I veka. M.-L. 1950, Bd. I I , S. 589. 121 Siehe ebenda, S. 583. Siehe N. M. Karamzin, a. a. O., S. 614.

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Die sentimentale Erzählung

technik nachweisen. Der Verfasser unterbricht den Erzählfluß durch szenische Dialoge mit kurzen Regieanweisungen. Nach dem Vorbilde des „Werther" fügt er Briefe bei, die M-v vor seinem Tode an Sofja schreibt. Die ausführliche Charakteristik der Hauptgestalt, vom Verfasser an den Anfang seiner Erzählung gestellt, bleibt funktionslos im Hinblick auf den Handlungsverlauf, wo der Leser ihn nur in seiner „verderblichen Leidenschaft" beobachtet. Der Titel der Einzelausgabe von 1802 enthält den direkten Hinweis auf Goethes „Werther". 123 Goethes Roman war dem russischen Publikum bereits bekannt. 124 I n der Literaturkritik des Sentimentalismus galt er lange Zeit nur als eine rührende Liebesgeschichte, vergleichbar mit der „Nouvelle Heloise" von Rousseau. I n seiner Zeitschrift „Aglaja" druckte K. P. Salikov 1808 Auszüge aus einem Aufsatz von Laharpe über Goethes „Werther" in russischer Übersetzung ab, wo dieser Standpunkt berührt wird: „ H H T e p e c cero poMaHa , . . h h b neM h h o m , K p o M e n o f l p o ß H o r o o i r a c a H H H H e c i a c T H o ü CTpacTH, TejiBHee

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HeM HeT h h K a p T H H , h h n p H K j n o H e H H Ö . . . B c e r o caMoyßnöcTBa,

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cMepTbio"125. Die Erzählung Klusins weist eine Reihe von Parallelen zum „Werther" auf. Dazu gehören die Charakterisierung des M-v als geniehafte Persönlichkeit, die für die Haupthandlung bedeutsame eingeschobene Anekdote 12G und die Briefe des M-v vor seinem Tode. 127 Der Selbstmord kann nur bedingt als Motiv aus dem Roman angesehen werden, da es in der sentimentalen Prosadichtung bereits bekannt war. Versuchen wir nun, an Hand der Einzelbeispiele die Struktur der sentimentalen Erzählung festzustellen. Im Mittelpunkt der Handlung steht eine Liebesgeschichte, die sich in steigender Linie von der ersten Bekanntschaft beider Partner bis zum Geständnis ihrer gegenseitigen Neigung entwickelt. An dieser Stelle setzt zumeist der Konflikt ein. Soziale Ungleichheit oder charakterlich bedingte Fehlentscheidungen bewirken die Trennung. Nun steigt die Handlung ab in die Katastrophe. Einer der beiden Partner stirbt an den seelischen Folgen der Trennung oder begeht Selbstmord. Der Effekt sentimentaler Rührung wird durch das Motiv einer moralischen Läuterung der Schuldigen am Schluß noch erhöht. Die Variante des glücklichen Ausgangs ist bedeutend seltener und nicht typisch für das Genre. jno6oBHHu;e, n w c a u H B i x n e p e f l

123 Vgl. A. I. Klusin, Verterovy cuvstvovanijailinescastnyj M-v, original'nyj anekdot. S P B . 1802. 124 Vgl. Strasti molodogo Vertera, soöinenie g. Gete, per. s nemeckogo F. Galcenk o v y m , 2 c. S P B . 1781, 2. Aufl. 1794, 3. Aufl. 1796. 125 Siehe O Vertere, in: „Aglaja", izdavaemaja k n . P . I. S a l i k o v y m . M. 1808, No. 8, S. 1 2 - 1 3 . 120 Vgl. J. W. v. Goethe, die Leiden des jungen Werthers, in: J. W. v. Goethe, Werke in 10 Bänden, Bd. 3, Weimar 1956, S. 1 9 7 - 9 8 . 127 Vgl. ebenda, S. 2 5 5 - 2 7 6 .

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Einleitung

Mit der funktionalen Verwendung der einzelnen Formelemente leitet die sentimentale Erzählung eine neue Etappe in der Entwicklung der Gattung ein. Die zentrale Begebenheit und die Figur des Erzählers werden als Gattungsmerkmale in ein neues Bezugssystem überführt. Die Ursachen für diese Neuordnung eines Formprinzips sind im Gesamtprozeß der literarischen Entwicklung zu suchen. I n der Lyrik des Sentimentalismus verläßt der Autor die für den Klassizismus typische unpersönliche Haltung und tritt selbst in den von ihm geschilderten Handlungsablauf ein. I n der Parodie von Schablonen der antiken und klassizistischen Literatur zeigt er sich in Opposition zur literarischen Tradition. Er wendet sein Interesse einfachen psychischen Vorgängen zu, die seiner Erlebniswelt entsprechen. Auch der Verfasser von satirischen Briefen und Essays in der Publizistik der Aufklärung geht von seiner eigenen Erfahrung aus. Die Gestalt des Autors wird so zum literarischen Faktum und damit auch als Formelement interpretierbar. Die Gestalt des Autors in der Literatur der Aufklärung gleicht dem Bild vom „wahrheitssuchenden Philosophen", das Klusin in seiner Skizze „vecer "entwirft: „. . . Myapeu;,hcthhhliü npyrqejiOBenecTBa . . . öjiarocjioBJiaeT r o c y ß a p n M y a p o r o , K p o T K o r o h npe3HpaeT Kp0B0?Ka5Kftymer0

My-

MHTejiH. O h 3,ep3aeT H a n o M j m y T b cyfliie e r o npncTpacTue h ö e c i e j i o B e i H e , BejibMOJKe — e r o c n a ß o c r a h 3 a 6 j i y H m e H H H . H e yatacaeT e r o h h HeHaBHCTb CHJIbHBIX, H H r O H e H H H 3 H a T H H X , B XHJKHHe, O K p y j K e H H H H rOHHTeJIHMH, BonweT o h b nojib3y h c t h h h . . . " 1 2 8

Dieser Haltung lag das rationalistische Weltbild Voltaires und der französischen Aufklärung zugrunde. Das Idealbild des literarischen Autors in der Ästhetik Karamzins ist der empfindsame Dichter, der, wenn er zur Feder greift, das „Porträt seiner Seele und seines Herzens" zeichnet. 129 Karamzin zweifelt an der Allmacht des Verstandes: „. . . TBopeu; He xoTeji Bjih HenoBeKa CHHTb 3aBeci>i c jjeji c b o h x , h «ora^KH Hamw Hmcorna H e ß y s y T HMeTb c h j i h y ß e p e H H H " 1 3 0

Der Mensch vermag auch gesellschaftliche Ideale wie Freiheit und sittliche Vollkommenheit nur in sich selbst zu verwirklichen. Die Unvollkommenheit einer politischen Ordnung ist im moralischen Versagen des einzelnen begründet. Während Radiscev seinen Protest gegen den Feudalabsolutismus mit revolutionärem Pathos in die Literatur einführt, lenkt Karamzin die Aufmerksamkeit auf die Gestaltung psychischer Vorgänge im Charakter des Einzelmenschen. 128

Siehe A. I. Klusin, Vecer. Otryvok, in: „Zritel'", SPB. 1792, N . 1, S. 5 8 - 5 9 . 129 Vgl. N . M. Karamzin, Cto nuzno avtoru?, in: N . M. Karamzin, a. a. O., Bd. 2, S. 121. «o Siehe N . M. Karamzin, Socinenija. M. 1814, Bd. 8, S. 209.

Die sentimentale Erzählung

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I n der Prosadichtung bediente sich der Autor der Maske des Erzählers, dem in Abhängigkeit von der ideologisch-ästhetischen Haltung des Autors eine unterschiedliche Funktion zufiel. I n der Literatur der Aufklärung hatten die einzelnen Vorgänge an sich keine verallgemeinernde Bedeutung. Der Kommentar des Erzählers bildete gleichsam eine zweite Ebene, aus der die reale Handlung durch satirische Darstellung oder durch direkte, auf den Sachverhalt bezogene philosophischmoralische Sentenzen beurteilt wurde. Die Allegorie, hinter der sich in der Erzählung „Kallisfen" die reale Ebene verbarg, wird bei Krylov weitgehend im Kommentar des Erzählers, der in ständigen Vergleichen reale Vorgänge aus seiner Erfahrungswelt einführt, zerstört. Nicht das Geschehen an sich, sondern seine Beziehung zum Erzählerkommentar macht die Dynamik der Erzählung aus. In der sentimentalen Erzählung hat die Figur des Erzählers eine andere Funktion. I n einem emotional gefärbten Monolog überträgt er selbst die Vorgänge der Handlung in die Ebene der literarischen Fiktion. Er wird zum Bestandteil der fiktiven Handlung, und darin liegt der Unterschied zur Erzählung der Aufklärung. Der Erzähler wird zeitlich und örtlich in bezug auf die Handlung „lokalisiert". Er nimmt persönlichen Anteil an dem Schicksal der handelnden Personen: Bei Karamzin erfährt er die Geschichte Lizas vom Haupthelden, bei Klusin kennt er die Freunde des M-v. InKrylovs „Kaib" kommentiert der Erzähler von einem Standpunkt außerhalb der fiktiven Handlung. Bei Karamzin wird der Erzähler zur „personage" und vermittelt zwischen Realität und Fiktion. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis von Vers und Prosa: Die Aufklärer hielten an der alten Auffassung von der Prosa als dem Ausdruck der „Wahrheit" im faktologischen und philosophischen Sinne fest. Radiscevs Prosa reicht vom rhetorischen Pathos über die Sachlichkeit des Essays bis zur Beschreibung einfacher realer Vorgänge, wo in Abhängigkeit vom Gegenstand Elemente der Buch- und Umgangssprache einfließen. Karamzin hebt die Grenzen zwischen Prosa und Versdichtung in der Sphäre der poetischen Fiktion annähernd auf. 131 Er bemüht sich in Vers und Prosa um gefällige „Eleganz" („prijatnost'"), der sorgfältig ausgewählte Gegenstand wird poetisiert. Bei Karamzin „spricht" der Erzähler als „personage" einen emotional-expressiven Monolog, in dem die Vorgänge der Handlung eine einheitliche poetische Perspektive bekommen, deren Fluchtpunkt in der geistigen Atmosphäre des russischen Adelssalons lag. Die sprachliche Grundlage des Monologs bildete die Umgangssprache des ge131

Vgl. Pis'ma Karamzina K. I. I. Dmitrievu. SPB. 1866, S. 70; N. M. Karamzin, K bednomu poetu, in N. M. Karamzin, a. a. O., Bd. 2, S. 65; A. I. Mordovcenko, Russkaja kritika pervoj cetverti X I X veka. M.-L. 1959, S. 43—44.

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Einleitung

bildeten Adels. Auf die sprachschöpferische Leistung Karamzins ist in diesem Zusammenhang mehrfach hingewiesen worden.132 Die kompositionstechnischen und sprachlichen Neuerungen Karamzins waren für die Entwicklung der Gattung von großer Bedeutung. Die weitere Entwicklung der sentimentalen Erzählung zeigt jedoch, wie klein der Raum war, in dem sich diese Veränderungen vollzogen. 132 Vgl. K. Skipina. O cuvetvtiel'noj povesti, in: Russkaja proza. Sbornik pod red. V. Eichenbauma i Ju. Tynjanova. L. 1926, S. 13—41; V. D. Levin, Ocerk stilistiki russkogo literaturnogo jazyka konca X V I I nacala X I X veka. M. 1964, S. 147ff; V. V. Vinogradov, Problema avtorstva i teorija stilej. M. 1961, S. 221—245.

KAPITEL I

Der Übergang zur sentimentalen Romantik Die elegische Erzählung

Karamzin und seine Nachfolger Von den drei Strukturtypen, die sich im Bereich der Kurzform der russischen Prosadichtung im 18. Jahrhundert herausbildeten, läßt sich nur die sentimentale Erzählung in einer kontinuierlichen Entwicklung bis 1820 verfolgen. Am Beispiel zahlreicher epigonaler Autoren stellt sich diese Entwicklung als Zerfallsprozeß des Genres dar, der zugleich den Hintergrund für die neuen Tendenzen in der Prosadichtung bildet. Aus der Fülle der Einzelbeispiele hebt sich eine Gruppe von Erzählungen ab, die bereits auf die frühe Romantik hindeuten. Ihr Erscheinungsjahr liegt zwischen 1794 und 1805. Die äußere Handlung ist hier nur der Ausgangspunkt für eine elegischmelancholische Erinnerung, das Grundmotiv dieser Erzählungen. 1794 veröffentlicht Karamzin die kurze Erzählung „Ostrov Borngol'm" An der Küste Englands begegnet der Erzähler einem jungen Mann, der in einem Lied zur Gitarre die Trennung von der Geliebten beklagt. In dem Lied werden der Name Lila und die Insel Borngol'm erwähnt. Der Erzähler hat keine Zeit, den jungen Mann näher kennenzulernen und begibt sich auf eine Seereise, die ihn an die Ufer der Insel Borngol'm verschlägt. Auf der Insel verbringt er die Nacht in einem alten Schloß, wo er in einem unterirdischen Verließ einer jungen Frau begegnet, die hier in der Gefangenschaft eine Strafe verbüßt. Der Greis, der ihn bei seiner Ankunft im Schloß empfangen hat, entdeckt dem Erzähler die Lebensgeschichte der unglücklichen jungen Frau und ihre Beziehung zu dem unbekannten Sänger.

Dem Leser wird dieser Zusammenhang jedoch nicht mitgeteilt. Aus den vom Erzähler vorgetragenen Bruchstücken der äußeren Handlung vermag er ihn nur ahnend zu erfassen. Das Unfaßbare und der geheimnisvolle Zauber menschlichen Schicksals werden in dem Erlebnis des Erzählers zur poetischen Realität: „CjiyinaüTe — H noBecTByio — noBecTByio HCTHHy, He BtiflyMKy" 2. Karamzin nimmt damit ein Grundmotiv der romantischen Dichtung Zukovskijs vorweg. Auffallend sind die düsteren Farben der Landschaft:,,. . . 3.naTan ocem> N O ß J I E A H E J I A , 3ejieHb yBHJia, flepeßa CTOHT 6e3 njiofloß H 6e3 jiHCTbeB, TyMaHHoe Heöo BOJiHyeTcn, Kan Mparaoe Mope . . . Hiraero, KpoMe cTpauraoro, 1 2

Vgl. N. M. Karamzin, Ostrov Borngol'm, in: „Aglaja", M. 1794, Bd. I. Siehe N. M. Karamzin, Izbr. soc. . . ., Bd. I, S. 661.

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Kapitel I

He npeßCTaBJiHJiocb HA ce^tix yTecax. C yatacoM BH^eji H TSM oßpa3 xna«HOH, 6e3MOJIBHOÖ BeHHOCTH . . . " 3

In die düstere Landschaft fügt sich das Schloßmotiv: „FL y^Bonji inara

CBOH H CKOpO npHÖjIinKMJICH K ÖOJIblHOMy TOTHieCKOMy 3flaHHI0,

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J K e H H O M y r j i y Ö O K H M p B O M H BMCOKOH) CTeHOIO. B e 3 f l e I i a p C T B O B a J i a THUIHHa, BflanH m y M e j i o mnimax

Mope, nocjieflHHÖ j i y q

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Der Greis berichtet die Geschichte seiner Vorfahren, und in der Vorstellung des Erzählers belebt sich das Bild der Vergangenheit. Der feste Standpunkt des Erzählers in der „Armen Liza" weicht hier einer Haltung zwischen Wachen und Träumen.5 Das Spiel der „chinesischen Schatten" der Phantasie, von Karamzin in den Reisebriefen angedeutet, erreicht einen Höhepunkt. Es ist die Zeit der Herausgabe des Almanachs „Aglaja" (1794—1795), eine Zeit, in der das Weltbild Karamzins von einem äußersten Subjektivismus geprägt war.6 Die Zeitspanne, in der sich Karamzin, enttäuscht von den Ideen der Aufklärung angesichts der revolutionären Ereignisse in Frankreich, in eine subjektivistische Weltbetrachtung zurückzieht, ist kurz. Sie reicht von 1793—1796/7.7 Er findet danach zu einer gemäßigt-konservativen Haltung, die seine dritte und letzte Schaffensperiode einleitet. 1795 erscheint in dem gleichen Almanach die Erzählung „ Sierra Morena" 8 . I n Andalusien verliebt sich der Erzähler in die bezaubernde E l ' v i r a , die ihren Geliebten Alonzo bei einem Schiffsunglück ertrunken glaubt. Als sie nach langem Zögern ihre Liebe dem Erzähler zuwendet, erscheint bei ihrer Hochzeit der Totgeglaubte und begeht vor ihren Augen Selbstmord. E l ' v i r a beschließt ihr Leben im Kloster.

Die Erzählung umfaßt nur vier Seiten, und das äußere Geschehen beschränkt sich auf zwei Szenen: El'vira gibt ihre Zustimmung zur Hochzeit, und der Totgeglaubte erscheint bei der Trauung in der Kirche. Am Anfang der Erzählung steht ein aus der sentimentalen Elegie bekanntes Bild: Die trauernde Gestalt El'viras am Denkmal des verstorbenen Geüebten. Karamzin versetzt dieses Bild in die romantisch-exotische Landschaft Andalusiens. Die sentimentale Erzählung bevorzugte ein statisches Landschaftsbild, das sich ständig wiederholte: Eichen- oder Birkenhaine, blühende Wiesen mit weidenden Schafherden usw. Witterungsausbrüche, wie Gewitter und Wolkenbrüche, begleiteten die Handlung nur an den Höhepunkten. In der 3 Siehe ebenda, S. 6 6 1 ; 665. Siehe ebenda, S. 666. 5 Vgl. ebenda, S. 6 6 8 - 6 6 9 . 6 Vgl. J u . M. L o t m a n , Evoljucija mirovozzrenija K a r a m z i n a (1789—1803), in: Ucenye zapiski Tartuskogo gos. universiteta, 51 vyp. T a r t u 1957, S. 142—143. 7 Vgl. J u . M. L o t m a n , a. a. O., S. 135. 8 Vgl. N. M. Karamzin, Sierra Morena, in: „Aglaja", M. 1795, B d . I . 4

Die elegische Erzählung der sentimentalen Romantik: Karamzin

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R o m a n t i k dagegen bekunden exotische u n d bewegte Landschaftsbilder einen geheimnisvollen Zusammenhang zwischen Natur, Gottheit und der Vergänglichkeit menschlichen Daseins. Die Farben werden dunkler, und das statische, bisher nur optisch wahrnehmbare Landschaftsbild wird in Klang u n d Bewegung umgesetzt. Bei Karamzin deutet sich dieser Prozeß bereits a n : „HacTO TeMHan hohb 3acTiirajia Hac b OTflajieHHOM ye^imeHHii. 3ßyqHoe 9xo noBTopHJio rnyM BojjonaflOB, poTopträ pa.3j];aBajiCH MejKfly bhcokhx yTecoB

Cneppbi — MopeHbi . . ." 9 . Die Vergänglichkeit allen Seins betont der Erzähler in seinem elegischmelancholischen Monolog: „Hto ecTB jkh3hb HejioBeqecKaa? Hto ßtiTiie Harne? OflHH MHr, h Bce HcieHeT! YjiHÖKa cnacraH h cJie3H 6c,o;ctbhh noKpOIOTCH e^HHOH) TOpCTHH) HepHOÖ 3eMJIn" 10 .

Der Erzähler verläßt seinen normativen Standpunkt, der in der sentimentalen Erzählung mit gefälliger Eleganz u n d zärtlicher R ü h r u n g abgesteckt war. E r eröffnet dem Leser die Dimensionen der Frühromantik, die unmittelbare u n d doch so geheimnisvolle Beziehung des einzelnen zu Tod u n d Ewigkeit. Die Schaffung einer neuen Erzählperspektive beginnt aus der Position eines elegisch-melancholischen Subjektivismus. Das äußere Handlungsgeschehen t r i t t in den Hintergrund. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Evolution eines „Werther"Motivs. Die nach dem Vorbild des „Werther" verfaßten Briefe des unglücklichen M-v an Sofja stehen bei Klusin am Schluß einer dramatischen Liebesgeschichte. Stolypins „Otcajannaja l j u b o v ' " 1 1 besteht ganz aus zusammenhanglosen Tagebuchnotizen, in denen sich der Verfasser an die geliebte Sarlotta wendet. I n diesen Notizen wird die äußere Handlung, wonach Sarlotta von ihrem Vater gezwungen wird, einen ungeliebten Mann zu heiraten, nur angedeutet. 1 2 An die Stelle der Briefe t r i t t das Tagebuch u n d löst die Figur des Verfassers aus jedem realen Zusammenhang. Inhalt der Notizen sind die seelischen Empfindungen des Verfassers. V. Izmajlov überträgt in seiner Prosa-Idylle „Minutnoe blazenstvo" 1 3 das äußere Geschehen in die Welt der Traumphantasie. Der Erzähler wohnt mit seiner Familie in beschaulicher Einsamkeit. Als bei einem Gewitter seine Frau vom Blitz erschlagen wird, erwacht der Erzähler aus einem Traum.

I n der Darstellung eines idyllischen Lebens in ländlicher Einsamkeit liegt eine leichte melancholische Ironie. 14 10 9 Siehe N. M. Karamzin, a. a. O., S. 675. Siehe ebenda, S. 678. Vgl. Arkadij Stolypin, Otcajannaja ljubov', in: Prijatnoe i poleznoe preprovoidenie vremeni", M. 1795, c. VII, S. 210-239. 12 Vgl. ebenda, S. 235-236. 13 Vgl. V. V. Izmajlov, Minutnoe blazenstvo, in: „Prijatn. i pol. prepr. vr.", M. 1795, c. VI, S. 8 1 - 9 9 . 14 Vgl. ebenda, S. 97. 11

i Städtke, Buss. Erzählung

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Kapitel I

Im Jahre 1799 veröffentlichte Jakov Galinkovskij seine Erzählung „Casy zadumcivosti" 15 . Er verbindet hier die Erzählweise Sterne's mit der Tradition Karamzins. Die einzelnen Episoden der Liebesgeschichte bilden nur den Hintergrund für den elegischen Monolog des Erzählers. Die Überschriften der Kapitel bezeichnen den Gegenstand der Meditationen: „Luna", „Verter", „Rosca", „Öuvstva", „Vremja", „Divan", „Skuka", „Razgovor" usw. Damit wird der Monolog in Stationen aufgelöst und zerfällt in einzelne selbständige Prosaskizzen, die nur durch eine elegisch-sentimentale Grundhaltung verbunden sind. Immer wieder betont der Erzähler, er schreibe nur seine Gedanken auf, die ihm ungeordnet durch den Kopf gingen, und dieser Gedankenstrom sei keine Liebeserzählung.11' Die Handlung ist endgültig ausgeklammert und wird bei Galinkovskij in den Rahmen der Erzählung verlegt. Der Rahmen, das Vorwort des Verfassers, hat noch eine andere Bedeutung. In der sentimentalen Erzählung verbarg sich der Verfasser zumeist hinter der Figur des Erzählers oder stimmte in seinen Auffassungen mit ihm überein. Galinkovskij distanziert sich im Vorwort von seinem „Ich"-Erzähler in einer ironischen Charakteristik: „Mojiofloü NEJIOBEK, BJIIOSJIEHHHFI B npeKpacHyio fleByniKy, B i a c b i CBoeü 3aflyMHMBOCTH BBepneT B3,O;OXH nenajin CBoeü 6e3MOJiBHOH npiipofle, h ocTaHaBJiHBaeT HyBCTBHTejibHoe cepjwe Ha Bcex n p e f l M e T a x e r o o K p y w a i o m H x , K0T0pi.ie, K a m e T C H , n p H H H M a i o T yiacrae B ero

ropecTH"17.

Damit verhert die Sicht des sentimentalen Erzählers ihren absoluten Charakter. Das so entstandene Spannungsfeld zwischen Autor-Erzähler und fiktivem „Ich"-Erzähler deutet im Ansatz bereits auf eine Überwindung des normativen Erzählerstandpunktes der sentimentalen Prosadichtung. Die 1802 erschienenen Prosa-Elegien „Mecty voobrazenija" und „Utechi melancholii" 18 sind im Bereich der Erzählung nicht mehr interpretierbar. Sie zeigen nur die wachsende Tendenz zur völligen Aufgabe des Sujets. I m Mittelpunkt stehen Meditationen über die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins, die Vorzüge des Landlebens und über die Bedeutung von Freundschaft und Liebe für das Glück des Individuums. Den Erzähler umgibt eine düstere, an Macphersons Ossian-Dichtung erinnernde Landschaft. In diesen Zusammenhang gehört auch Kropotovs Erzählung „Lan(d)saft moich voobrazenij" 19 . Seelischer Hintergrund für die melancholischen Betrachtungen des Erzählers ist die Erinnerung an einen verstorbenen Freund und die untreue Geliebte. Das tragische Ende einer 15 Vgl. Jakov Galinkovskij, Casy zadumcivosti, c. I—II. M. 1799. 16 Vgl. ebenda, Teil I, S. 67; Teil II, S. 23. " Siehe ebenda, Teil I, S. 5. 18 Vgl. Ivan Rosljakov, Mecty voobrazenija. Smolensk, 1802; A. F., Uteohi melancholii. M. 1802. 19 Vgl. A. K. Kotlin (A. F. Kropotov), Lan(d)saft moich voobrazenij. SPB. 1803.

Die elegische Erzählung der sentimentalen Romantik: Zukocskij

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Liebesgeschichte wird n u r angedeutet. 2 0 I m Mittelpunkt steht eine emotional gefärbte Naturbeschreibung als Ausdruck der seelischen Stimmungen des Erzählers. Die einzelnen Bilder sind überschrieben: „Burnaja noc'", „Melancholija", „ U t r e n n j a j a pesnja" u n d „Dvina". Wie sehr hier die sentimentale Erzählung ihren epischen Charakter aufgab u n d sich der Lyrik näherte, zeigt eine Definition der zeitgenössischen Elegie :„BjierHfl, MOflHaH B 9TH roRu, He ßbina ßoraTa pa3Hoo6pa3HeM TeM. HyßcTBO MejiaHxojiira rocnoflCTBOBa.no Haji, nponiiMH HyBCTBaMir. I L 0 9 T 0 M Y H TEMBI 6HJIH B orpamiMEHHOM BMÖope. Pa3JiyKa c B03JiK)6JIEHH0H, Hepa3flejieHHaH JIIO6OBI>, HyBCTBO MCJiaHXOJIIMeCKOH peBHOCTH, CKOpßb 06 yTpa^ieHHOH paflOCTH, Mpa^Hoe yeji;HHeHHe H „cTeHamiH" Ha jioHe npupo^bi B Be^epHnfi i a c , HYBCTBO

yracaiomeö

IOHOCTH H NPAßOIHHIEHHE

6e3BpeMeHHofi

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CJIAJKFLEHHE B CTPA^AHHHX H NE^AJIN — BOT NOHTH BECB 3AMKHYTBIÄ

Ha-

npyr

ajiernraecKiix TeM „yHbiJioro" Toorea" 21 .

Die Elegie war ein bevorzugtes Genre der Literatur des Übergangs vom Sentimentalismus zur Romantik. Nicht nur in der Erzählung, sondern auch in der zeitgenössischen Reisebeschreibung verdrängte der elegischmelancholische Stimmungsbericht die äußere Handlung. V. Izmajlov u n d P. Salikov vermittelten in ihren Reiseskizzen nur noch ein Bild der seelischen Empfindungen des Reisenden. 2 2

Zukovskij als Abschluß und Übergang Der Anteil der Prosa am Gesamtschaffen Zukovskijs ist gering. Literarischen Erfolg erlangte er in erster Linie als romantischer Dichter. Zukovskij t r a t 1802 in die Literatur ein mit der freien Übersetzung der „Elegy written in a Country Churchyard" von Thomas Gray. „The luminous melancholy of its diction and imagery, the tranquil solemnity of its cadences" 23 , all das entsprach der dichterischen Stimmung des russischen Frühromantikers aus der Schule Karamzins. Zur gleichen Zeit übersetzte Zukovskij die Erzählung „Geprüfte Liebe" aus dem Sammelband „Die jüngsten Kinder meiner Laune" (Leipzig 1795—97) von August Kotzebue u n d den R o m a n „Wilhelm Teil" von J e a n Pierre de Florian.2/* I h n begeisterte die Poesie der englischen Dichter Edward Young u n d Thomas Gray sowie Macphersons schottische Heldenlieder. E r las die Romane so populärer 20 Vgl. ebenda, S. 67-68. 21 Siehe B. V. Tomasevskij, Puskin, kn. I. (1813-1824). M.-L. 1956, S. 120. 22 Vgl. P. I. Salikov, Putesestvie v Malorossiju, 3 e. M. 1798; V. V. Izmajlov, Putesestvie v poludennuju Rossiju, 4 c. M. 1802. 23 Siehe James Reeves, A short History of English Poetry (1340—1940). LondonMelbourne-Toronto 1961, S. 127. 24 Vgl. Mal'cik u rucja ili postojannaja ljubov', povest' g. Kocebu, 4 c. M. 1801; Vil'gel'm Teil', ili osvoboidennaja Svejcarija. Socinenie g. Floriana. Perevod s francuzkogo, M. 1802. 4*

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Kapitel I

Autoren wie Ann Radcliffe, Kotzebue, Florian und Christian Heinrich Spieß, obwohl er dem zeitgenössischen Roman als einer literarischen Gattung sehr skeptisch gegenüberstand. 25 Die Balladen Bürgers und der deutschen Romantik lieferten ihm die Vorlage für seine Nachdichtungen. Typische literarische Stoffe der frühen Romantik in Europa waren irrationale Begebenheiten, das Mittelalter mit seinen Geheimnissen und Schrecken sowie eine phantastische Folklore. Dies alles verband Zukovskij mit der traditionellen Empfindsamkeit in einer weltfremden und humanen Melancholie. Damit ist der Rahmen abgesteckt, in dem sich seine Dichtung entwickelte. Wenn seine Prosaerzählungen an den Schluß dieses Kapitels gestellt werden, so deshalb, weil das elegische Motiv ihren Aufbau wesentlich bestimmt. (Die historischen Motive werden hier nur angedeutet und später in einem anderen Zusammenhang untersucht). 1803 veröffentlichte Zukovskij in der Zeitschrift „Vestnik Evropy" den ersten Teil seiner Erzählung „Vadim Novgorodskij" 2C . Am Anfang betrauert der auktoriale Erzähler den schmerzlichen Verlust seines Freundes (gemeint ist der früh verstorbene Freund des Verfassers A. I. Turgenev). Dann beschwört er im Sinne Ossians die Helden der slavischen Vorzeit und führt den Leser zurück in die Vergangenheit: In einer einsamen Hütte am Ladogasee beklagt der legendäre Gostomysl das Schicksal der im Kampf gefallenen Helden. Bei Anbruch der Dunkelheit besucht ihn der junge Vadim, Sohn des mit Gostomysl einst befreundeten Radegast. Vadim erzählt, wie er nach der Achtung seines Vaters in die Einsamkeit geflohen sei, wo ihn Träume von den Heldentaten seiner slavischen Vorväter bewegen.

Hier endet der veröffentlichte Teil mit dem Hinweis auf eine spätere Fortsetzung, die jedoch ausblieb. Vor dem Hintergrund einer Ossianschen Landschaft sind hier drei Prosa-Elegien miteinander verbunden. Erinnerungen an die Vergangenheit, leichte Resignation im Hinblick auf die Gegenwart und Wunschträume, die in eine unbekannte Zukunft weisen, alles dargestellt mit den sprachlichen Mitteln der lyrischen Prosa Karamzins, von Zukovskij um jene schwingende Intonation erweitert, die bereits eine Überwindung der stilistischen Normen des Sentimentalismus erkennen läßt. Durch das musikalisch-rhythmische Element in der Naturbeschreibung werden die festen Konturen der optischen Erzählerperspektive aufgegeben. Die seelischen Stimmungen des Erzählers sind ganz in dem Bild der Natur aufgelöst: „Ee3M0JiBHHe flyöpaBBI, THXHe ftOJIHHH, . . . K BaM CTpeMJIIOCB flymOK)". „3aflyMHHBHH MpaK . . . a a norpy3HT MOIO jjyiiiy B MejiaHxoJiHio! . . . B n a c u TopHtecTBeHHoro 6E3MOJIBHH IipiipOflbl ß y n y MeiTaTB 0 5KH3HH, CMOTpH Ha THXHe BOJIHBI, y r a c a r o m n e c BeiepmiM cojimjeM" 2 7 . 25 26 27

Vgl. V. A. Zukovskij, Pis'mo iz uezda k izdatelju, in: „Vestnik Evropy", M. 1808, c. 37, N. Vgl. V. A. Zukovskij, Vadim Novgorodskij, in: „Vestnik Evropy", M. 1803, c. X I I , S. 211 ff. Siehe V. A. Zukovskij, Polnoe sobranie socinenij v 12 tomach. Bd. I X , SPB. 1902, S. 13-14.

Die elegische Erzählung der sentimentalen Romantik: Zukovskij

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Das ganze Stück zeigt, wie fließend die Grenzen zwischen Naturbetrachtung und seelischen Empfindungen geworden sind. I n der Erzählung tritt dreimal ein Erzähler-„Ich" in Erscheinung. Dabei sind die Standpunkte des auktorialen Erzählers und der beiden historischen Gestalten zeitlich völlig verschieden. Nur die elegisch-melancholische Stimmung und die düstere Landschaft des Ladogasees sind ihnen gemeinsam. I n Karamzins „Bednaja Liza" behält der auktoriale Erzähler in beiden Zeitebenen den gleichen Standpunkt zum Geschehen. Die Gefühlswelt der Hauptgestalten wird ganz aus seiner Sicht geschildert. Bei Zukovskij gibt der einzelne Erzähler in der jeweiligen Zeitebene selbst ein Bild seiner Empfindungen. I n diesem Zusammenhang wird die Bedeutung des historischen Motivs für die Entwicklung zu einer differenzierteren Erzählerperspektive deutlich. Rezanov vermutet eine zufällige Verbindung der Prosaelegie am Anfang mit der anschließenden historischen Erzählung. 28 Der organische Zusammenhang der drei Elegien deutet jedoch auf eine bewußte Ergänzung. 1809 erscheint Zukovskijs „Mar'ina rosca" 29 . Legende und Kunstmärchen verbinden sich hier zu einer sentimentalen Erzählung, die auch als Mischform auf das Vorbild Karamzins zurückgeht. Der umherziehende Sänger und Märchenerzähler Uslad begegnet der empfindsamen Marija, einem Dorfmädchen. Zwischen beiden entwickelt sich ein Liebesverhältnis. Eines Tages erklärt Uslad, er müsse das Land für drei Monate verlassen, um einen Freund zu begleiten. In seiner Abwesenheit bewirbt sich der finstere Ritter Rogdaj um die Liebe Marijas. Durch Geschenke und Erzählungen vom Reichtum am Hofe des Fürsten Vladimir vermag er sie zu überreden, seine Frau zu werden. In dem verlassenen Schloß des Ritters begegnet Uslad nach seiner Rückkehr dem Gespenst Marijas, das ihn zu dem Einsiedler Arkadij geleitet. Von ihm erfährt Uslad, Rogdaj habe Marija getötet und sei später selbst bei einer Wolfsjagd ertrunken. Uslad verbringt den Rest seines Lebens am Grabe der Geliebten.

I n dieser im Grunde sentimentalen Liebesgeschichte sind bereits einige romantische Motive enthalten. Die aufsteigende Linie der Erzählung reicht bis zur Begegnung Marijas mit dem Ritter Rogdaj. Danach strebt die Handlung dem tragischen Ausgang zu. Die genaue Ortsangabe am Schluß hat wie bei Karamzin Beglaubigungsfunktion. Die Charakterisierung der Gestalten, der Liebesmonolog des Uslad und die Unterbrechung durch den Erzähler, der vorausdeutend das Schicksal Marijas beklagt, sind typisch für die empfindsame Erzählung. Dieses Handlungsschema wird jedoch vom Verfasser in eine eigenwillige Form gebracht. Zunächst fällt auf, daß neben dem auktorialen Erzähler auch die handelnden Personen als Erzähler auftreten (Uslad und Ol'ga, die Freundin Marijas). Die Handlung vollzieht sich in der Sphäre Marijas. Uslad 28 28

Vgl. V. I. Rezanov, Iz razyskanij o socinenijach V. A. Zukovskogo, vyp. II, Petrograd 1916, S. 109. Vgl. V. A. Zukovskij, Mar'ina rosöa. Starinnoe predanie, in: „Vestnik Evropy", M. 1809, N N . 2 - 3 .

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Kapitel I

ist eher ein elegischer Betrachter des Geschehens. Aus seiner Sicht erfährt der Leser den größten Teil der Ereignisse. Die Erzählung beginnt mit der elegisch-melancholischen Erinnerung des Helden an die verlorene Geliebte. Dann holt der Verfasser in einer Rückwendung die voraufgegangene Liebesgeschichte nach. Aus der Erzählung Ol'gas erfährt Uslad nach seiner Rückkehr von der Hochzeit Marijas mit dem Ritter. Das tragische Ende seiner Geliebten schildert ihm der Einsiedler Arkadij. In den Monologen des Uslad und in den Erzählungen der einzelnen Personen realisiert sich immer wieder das elegische Motiv. Die eigentliche Handlung wird von verschiedenen Standpunkten aus nacherzählt und nachempfunden. Das zweite Motiv, das die Handlung begleitet, ist das Schloß des Ritters Rogdaj, das wiederholt im Blickfeld Uslads auftaucht: „.. . TepeM rpo3Horo P o r ^ a n " (369), „OH yBHjjeji . . . yeftHHeHHHÜ TepeM rpo3Horo P o r t a s " ( 3 7 0 ) , „NEBEU; NOFLHJRA rjia3a HA BBICOKHH Por,n;aeB TepeM . . (374), „ycnafl

norueji K ymacHOMy TepeMy" (385).30 Schließlich geht von dem Schloß die Lösung aus. Die ständige Wiederkehr beider Motive gibt der Erzählung den liedhaftstrophischen Charakter einer Ballade. Die Verbindung zur Balladendichtung Zukovskijs läßt sich bei einem Vergleich mit der 1808 veröffentlichten Ballade „Ljudmila" bis in stilistische Einzelheiten verfolgen: „ JIioflMHJia":

„MapbHHa poma" :

„ B O T H MECHU; BEJIHIAßTIFI

BCTan Han THXOK)

flyßpaBOfi

Hy . . . nojiHOHHbift nac 3 B y w r . . . B O T noßenji OT ,a;ojmHbi

„ÜOJIHOHB ÖTMA YIKE 6JIH3KO —

nojiHaa JiyHa, socTHrinaa Bepimrabi Heöa, cHHJia IIOHTK Has ronoBoio Ycjiafla. B^pyr

OT ßyßpaBbi no,n;biMaeTCH BeTepoK.

nepejieTHBiö BeTepoK

THXHH

Bce

J K H J I H e r o CMIBHO ÖHJIHCB . . .

B H e ß JKHJIKH 3aflpo?KAJIH

B f l p y r . . . M^yT . . . JIiofl,MHjia CJIHUIHT Ycjiafl noflHHMaeT rjia3a . . . ITO me ? ... 0 ymac! 0 pa^ocTb . . . OH BHRHT . . . To 3HAK0MBIFI TOJIOC 6BIJI BH^HT nepefl coöoio Mapmo" 32 . To efi MHJiHH roBopHJi:"31 Danach fragen beide, Ljudmila und Uslad, nach der Herkunft der Erscheinung, wobei der Held der Erzählung bereits weiß, daß ihm hier ein Gespenst gegenübersteht. Beiden deutet die Erscheinung an, ihr zu folgen: „Bflpyr npHBCTaji . . MaHHT nepcTOM1'33. „IIpH3paK MaHHJi ero 3a coSoro"3'1. Der soziale Konflikt, der dem tragisch-rührseligen Ausgang der sentimentalen Erzählung ursprünglich zu Grunde lag, scheidet bei Zukovskij aus. An seine Stelle tritt ein Bylinenmotiv, die Gestalt des Ritters Rogdaj. Der 30 31 33

Siehe V. A. Zukovskij, Sobranie soeinenij v 4 tomach. M.-L. i960, Bd. 4, S. s. Text. 32 Siehe ebenda, Bd. 4, S. 387. Siehe ebenda, Bd. 2, S. 9 - 1 0 . 34 Siehe ebenda, Bd. 4, S. 387. Siehe ebenda, Bd. 2, S. 13.

Die elegische Erzählung der sentimentalen R o m a n t i k : Zukovskij

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Konflikt beruht auf der psychologisch bedingten Fehlentscheidung Marijas, die ihren I r r t u m zu spät erkennt. Die moralische Belehrung am Schluß ist überflüssig. So hat das tragische Ende Marijas keine eigentliche Funktion innerhalb der Erzählung und wird ausgespart. Die elegische Erzählung steht als eine Übergangserscheinung zwischen Sentimentalismus und Romantik. Sie entsteht in einer Zeit gesellschaftspolitischer Unsicherheit im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Die blutigen Ereignisse der Französischen Rvolution hatten bei einem großen Teil des liberalen Adels den Glauben an das Weltbild der Aufklärung erschüttert. Die Welle der Bauernunruhen, die seit dem PugacevAufstand nicht mehr verebbte, und die verstärkte Kapitalisierung der Wirtschaft stellten die Ordnung des russischen Feudalabsolutismus immer mehr in Frage. Es schien, als ließe sich das gesellschaftliche Leben nicht mehr in verbindliche Normen fassen. In der Literatur der Aufklärung bewirkte dieser Prozeß einen verschärften sozialen Protest. Radiscev drängte in seinen Werken auf eine revolutionäre Veränderung, Derzavin appellierte in seiner Lyrik an die gesellschaftliche Verantwortung des einzelnen. In der sentimentalen Dichtung entwickelte sich dagegen ein elegisch-melancholischer Subjektivismus, eine Haltung, in der das Weltgeschehen nur noch im Bereich der seelischen Empfindungen des Individuums meßbar wird. Die Trauer um den Freund, um die verlorene Jugend, die verstorbene Geliebte oder den vergangenen Sommer wurde letztendlich zur Trauer um eine gesellschaftliche Formation, die in die Schlußphase ihrer historischen Entwicklung eingetreten zu sein schien. Die Elegie enthielt gleichzeitig den Protest gegen jede rationale Deutung menschlicher Beziehungen. In ihr befreite sich der Dichter von der normativen Ästhetik der Aufklärung und des Sentimentalismus. In diesem Sinne beeinflußte das elegische Motiv die Entwicklung der Erzählerfigur in der Prosa. Der sentimentale Erzähler gibt seinen festen Fluchtpunkt, der durch den literarischen Geschmack des Adelssalons bestimmt wurde, auf. Das reale Handlungsgeschehen wird nur noch in seiner Erinnerung sichtbar oder erscheint als eine Reihe zusammenhangloser Episoden. Ihren Höhepunkt erreicht diese Entwicklung in „Landsaft moich voobrazenij", „Utechi melancholii" und „Mecty voobrazenija". Die elegische Erzählung löst sich auf in Meditationen des Erzählers vor dem Hintergrund einer düsteren Landschaft, für die die Ossiandichtung das Vorbild lieferte. Mit der Einführung historischer und folkloristischer Motive nimmt die Erzählung bei Zukovskij wieder feste Gestalt an. Der Weg von der Elegie „Sel'skoe kladbisce" (1802) zur Ballade „Ljudmila" (1808) führt in der Prosa von „Vadim Novgorodskij" (1803) zu „Mar'ina rosca" (1809). Wesentlichstes Ergebnis der elegischen Prosadichtung für die Gattung war die Aufgabe der normativen und sentimentalen Erzählerperspektive und bei Zukovskij die Einführung neuer Motive aus der Geschichte und Folklore.

KAPITEL II

Die Tradition des Schelmenromans und der „orientalischen" Erzählung (1800—1815)

Gegen Satire und „Systemgeist" Die satirische Schwank-Erzählung und die „vostocnaja povest'" waren das Erbe der Prosadichtung des 18. Jahrhunderts. Beide Genres spielten zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine unbedeutende Rolle und zeigten sich dem Lesepublikum außerdem in veränderter Form. Die Ursachen für diese Evolution sind einmal in der Aufgabe der ideellen Positionen der Aufklärung und zum anderen in dem veränderten Leserinteresse zu suchen. Der Publikumsgeschmack zu Beginn des neuen Jahrhunderts orientierte sich bei der Romanlektüre vorwiegend an der Übersetzungsliteratur. Großer Beliebtheit erfreuten sich nicht nur die Schauerromane der Ann Radcliffe und des französischen Autors Ducray-Duminil, sondern auch die sentimentalen Familiengeschichten Kotzebues und Florians. 1 Dieser Einfluß des Auslandes überlagerte die zu diesem Zeitpunkt noch schwach entwickelte russische Prosa. Naturalistische

Erzähler

Die Tradition Culkovs und Levsins läßt sich in den teils komischen, teils tragikomischen Erzählungen mittelmäßiger Autoren wie A. F. Kropotov und M. Brankevic nachweisen. Im Jahre 1809 veröffentlichte Kropotov einen Sammelband unter dem Titel „Crezvycajnye proissestvija. Ugnetennaja dobrodetel', ili porosenok v meske. Russkoe socinenie" 2 . Die hier abgedruckten Erzählungen nimmt Kropotov 1815 noch einmal in seine Zeitschrift „Demokrit" auf. 3 Hinter dem Titel „Ugnetennaja dobrodetel' ili porosenok v meske" verbirgt sich eine literarische Parodie im herkömmlichen Sinne des 18. Jahrhunderts. Es ist die Geschichte eines Ferkels, das der Frau eines Bootsmachers gehört, und dem von dem Hund der Konstablerfrau der Schwanz abgebissen wird. Vor Gericht, geben 1

2 3

Vgl. A. Storch i F. Adelung, Sistematiceskoe obozrenie l i t e r a t u r y v R o s s i i v tecenie pjatiletija s 1801 po 1806 god. SPB. 1810; V. Sopikov, Opyt bibliografii ili polnyj slovar' socinenij i perevodov, napecatannych na slavenskom i rossijskom jazykach ot nacala zavedenija tipografii do 1813 goda, 5 c. SPB. 1813—1821. Vgl. A. F. Kropotov, Crezvycajnye proizsestvija. Ugnetennaja dobrodetel' ili porosenok v meske. Russkoe socinenie. SPB. 1809. Vgl. „Demokrit", iurnal izdavaemyj Andreem Kropotovym. SPB. 1815.

Naturalistische Erzähler

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die Eigentümer in einer dramatischen Auseinandersetzung ihre Aussagen zu Protokoll. (Das Sujet schließt eine Motivübertragung, evtl. aus dem Englischen, nicht aus).

Die Komik dieser Kriminalanekdote ergibt sich aus dem „hohen" Stil, in dem dieser an sich unbedeutende Vorgang in einem fiktiven Brief an den Herausgeber nacherzählt wird. Am Anfang steht eine ernste Betrachtung über die Kriminalgesetzgebung. 4 Dazu steht die anschließende banale Anekdote in einem krassen Gegensatz. Die Voraussetzung f ü r eine Parodie ist gegeben. Parodiert wird in erster Linie das Klischee der sentimentalen Stilistik Karamzins: „YnbißaiomaH npiipona 6ajiaHfla.Jiach B atJrapHBix Bojraax ßjiaropacTBopeHHoro B03flyxa, — 6p0H30BHe jiynn moii nacra 3HaTHbiö MOJIOFLOH nejioBeK, a Bcero öojiee 3HaJi CBOH Bbiroflbi — . . . " ; „npwexaß B J l e i m i p i r , MBI cneiinuiH n 0 3 i i a K 0 M H T b C H co BCEMH CJIABHHMH npo23 4»eCCOpaMH — H HHM(|)aMH . . . MM OflHHM flaBaJIH o ß e f l b l , itpyrHM yjKHHbl" . Die Reise nach Europa und der Besuch europäischer Honorationen — in Karamzins „Pis'ma russkogo putesestvennika" noch ein Bildungsideal — werden hier der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Ereignisse erreichen den Leser nur aus der Distanz, d. h. aus dem Bericht des „Ich"-Erzählers. Es gibt weder Szene noch Dialog. Durch den Hinweis „tak bylo" bestimmt der Erzähler die Vorgänge als real und authentisch. Da die Erlebnisse für ihn jedoch ohne einen inneren Zusammenhang bleiben, empfindet er diese Realität als „kitajskie teni". I m Gegensatz zum Sittenroman des 18. Jahrhunderts, wo eine abenteuerliche Handlung im Vordergrund stand, konzentriert sich Karamzin auf die Person des Erzählers. Er kennzeichnet den Grafen NN als einen Egoisten, dessen naturgegebenen Charakter weder die Erziehung noch die Umwelt verändert. Andrerseits zeigt die Lebensbeichte des Grafen, in welchem Maße die gesellschaftliche Realität die Ausbildung seiner Charakteranlagen begünstigt. Seine geistige Leere versucht der Graf durch Zerstreuungen auszufüllen. Doch die außergewöhnlichsten Erlebnisse erfüllen ihn mit Gleichmut und gewähren ihm Befriedigung nur im Beifall der Zeitgenossen. Seine Lebenserfahrung hat ihm das moralische Leitbild des 18. Jahrhunderts zerstört. Geblieben ist kalte Resignation: „IIpaBfla, HTO HeK0T0pbie JUOFLN CMOTPHT Ha MEHH c NPE3PEHHEM H roßopaT, HTO H OCTHRHJI P O ß CBOÖ, HTO 3HATHAH (JtaMHJiHH ecTb 0ÖH3aHH0CTb 6 b i T b nojie3HbiM Heji0BeK0M B r o c y s a p c T B e . Ho noßepio JIH HM, BH,O;H, c « p y r o ö cxopoHbi, KaK MHorne H3 H a u m x jiio6e3Hbix cooTenecTBeHHHKOB cTapaioTca noflpa>KATB MHe, ?KHBYT 6e3 ijerai, JKBHHTCH 6 E 3 JIIO6BH, PA3BOJI;HTCA RJIH 3a6aBbi H pa3opHH)TCH HJIH y?KHHOB! HeT, HeT!"24. Damit rückt die Gestalt des Erzählers in die Nähe der „lisnie ljudi", die die russische Literatur des 19. Jahrhunderts durchziehen. Wie Erast und Leonidin der Skizze „Öuvstvitel'nyj i cholodnyj", so ist auch der Graf NN eine objektivierte, individuell motivierte Gestalt. Das Motiv der „chinesischen Schatten", in den „Pis'ma russkogo putesestven23 Siehe ebenda, S. 730-731. Siehe ebenda, S. 739.

Entwicklung der „orientalischen" Erzählung

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nika" und „Ostrov Borngol'm" noch auf den auktorialen Erzähler bezogen, geht in die Sphäre des Helden über, von dem sich der Autor distanziert. Die Charakterbilder, die Karamzin entwirft, sind jedoch nur skizzenhaft angedeutet und ohne Tiefe. Wir erleben die Gestalten nicht in Aktion. Der Verfasser gibt im wesentlichen nur eine Beschreibung ihrer Charaktere. Als eine Art Fortsetzung zu „Moja ispoved'" läßt sich Bulgarins kurze Erzählung „Talisman ili sredstvo zit' bez deneg" 25 (1824) auffassen: Der Erzähler verschwendet sein Vermögen in den Salons der Gesellschaft. Als er sich aus Verzweiflung ertränken will, trifft er seinen ehemaligen Hauslehrer Biderman, der ihn zu sich nimmt. Durch Biderman und seine Freunde verschafft sich der Erzähler Informationen über die Ansichten und die Vermögenslage seiner Bekannten. Er kehrt in die Gesellschaft zurück und benutzt diese Informationen, um als Hochstapler und Parasit der Gesellschaft weiterzuleben.

Die „moralische" Nutzanwendung gibt der Erzähler am Schluß als Rezept, wie man in der Gesellschaft ohne Geldmittel bestehen kann. 26 Der Schelmenroman sinkt ab in die kleinbürgerliche Trivialliteratur. Das Motiv des Gelderwerbs um jeden Preis wird in eine Tugend umgedeutet. Bulgarin nimmt hier die Grundidee seines Romans „Ivan Vyzigin" (1829) vorweg. Die Kurzbiographien, die in Form von Erzählungen in Nareznyjs Roman „Rossijskij Zil Blaz" enthalten sind („Istorija" und „Povest' molodogo nemeckogo barona"), gehen nicht über die Tradition des 18. Jahrhunderts hinaus. Das Genre hat sich erschöpft. Bei Gogol' taucht noch einmal das Motiv auf. Die Geschichte vom Schicksal des „kapitan Kopejkin" in seinem Roman „Mertvye dusi" (1842) steht jedoch bereits in einem neuen Zusammenhang. Die Entwicklung

der „orientalischen"

Erzählung

Die Tradition der philosophischen „vostocnaja povest'", die mit Krylovs Erzählung „Kaib" einen Höhepunkt erreicht hatte, wurde im 19. Jahrhundert nur in geringem Maße weitergeführt. An die Stelle der scharfen Zeitkritik t r a t die philosophische Allegorie oder die Abenteuergeschichte im Sinne der Märchen aus „1001 Nacht". Als schwerverständliche Allegorien, in denen sich Motive der antiken Sagenwelt und des spätgriechischen Romans verbinden, lassen sich die Erzählungen „Chram istiny, videnie Sezostrisa carja egipetskogo" (1790) und „Anakreont ili moguscestvo ljubvi" (1796)27 ausklammern, da sie für die Entwicklung des Genres keine Bedeutung haben. 25 26 27

Vgl. F. V. Bulgarin, Talisman ili sredstvo zit' bez deneg. Pis'mo k izdatelju, in: „Literaturnye listki", SPB. 1824, N. 8, S. 331-367. Vgl. ebenda, S. 367. Vgl. Pavel L'vov, Chram istiny, Videnie Sezostrisa, carja egipetskogo. Petropol' 1790; Anakreont ili moguscestvo ljubvi. M. 1796.

56

Kapitel I I

In Zinov'evs Erzählung „Torzestvujuscaja dobrodetel' ili zizn' i prikljucenija gonimogo fortunoju Selima" 28 steht die abenteuerliche Handlung im Vordergrund. Selim, der Sohn eines reichen Kaufmanns aus Bal'zora, erzählt dem türkischen Sultan seine Lebensgeschichte: Nachdem er von seinem Vater eine vorbildliche Ausbildung erhalten hat, begibt sich Selim auf eine Seereise nach Mekka. Unterwegs wird er durch einen Sturm an die Küste von Sumatra verschlagen, gerät unter die Piraten und wird als Sklave nach Algier verkauft. E r rettet flüchtend sein Leben und kehrt nach Hause zurück. Seine Brüder betrügen ihn um das Erbteil des Vaters und lassen ihn zum Tode verurteilen. Als Kalender verkleidet, flieht er an den Hof des türkischen Sultans, der ihm, überwältigt von der Weisheit und der Tugend Selims, seine Tochter zur F r a u gibt.

Weisheit und Tugend, die Selim bei allen Anfechtungen des Schicksals bewahren, verhelfen ihm am Schluß zu seinem Lebensglück. Die Erzählung erinnert an die Kalendergeschichten aus „1001 Nacht". In dem moralisierenden Erzählerkommentar fehlt jeder Bezug zur zeitgenössischen Wirklichkeit. Die Tradition des arabischen Märchens und des Abenteuerromans liegt auch der Erzählung „Selim i Roksana" (1798) von Sergej Glinka 29 zugrunde. Durch ein böses Schicksal ist Alrasid, der Kalif von Bagdad, von seinen Gegnern gestürzt worden. Nach einer Reihe von Abenteuern überwindet sein Sohn Selim mit Hilfe der gütigen Fee Al'cima die Feinde des Vaters, der am Schluß wieder in seine alten Rechte eingesetzt wird. Selim begegnet auf seinen Irrfahrten Roksana, der Tochter des Kaisers von Kaschmir, wird von ihr mehrmals getrennt und erst am Schluß durch die Hilfe Al'cimas endgültig mit ihr vereint.

Der junge Sergej Glinka stand noch stark unter dem Eindruck der Ideen der Aufklärung. Einige Episoden seiner Erzählung lassen den direkten Vergleich mit Krylovs „Kaib" zu. Selim überzeugt sich bei seinen Wanderungen von der Verlogenheit des Lebens am Hofe seines Vaters.30 Die Bestechlichkeit der Gerichte wird ihm zum Verhängnis.31 Die Gestalt der gütigen Fee Al'cima und die eingeschobene Liebesgeschichte bekräftigen die Parallelen der Handlung. Wie bei Krylov gibt sich auch hier der Erzähler als zeitgenössischer Autor zu erkennen.32 Doch die Ebene des satirischen Kommentars, in der Krylov das System der Selbstherrschaft angreift, fehlt bei Glinka. Er legt das Hauptgewicht auf die abenteuerliche Handlung. Die Grundidee der Erzählung, der Sieg der standhaften Tugend über ein wechselhaftes Schicksal, läßt die zeitkritischen Motive in den Hintergrund treten. Vgl. D. Zinov'ev, Torzestvujuscaja dobrodetel' ili zizn' i prikljucenija gonimogo fortunoju Selima. Istinnaja povest'. M. 1789. 2 9 Vgl. S. N. Glinka, Selim i Roksana ili prevratnost' zizni celoveceskoj. Vostocnaja povest'. M. 1798. 30 Vgl. ebenda, S. 25. 31 Vgl. ebenda, S. 5 6 - 5 7 . 3 2 Vgl. ebenda, S. 14. 28

Entwicklung der „orientalischen" Erzählung

57

Durch die Fülle der Abenteuer und die eingeschobenen Lebensgeschichten der handelnden Personen nähert sich die Erzählung dem Roman. Ein Motiv aus „Kaib" findet sich in der Erzählung „Ibragim i Osman, Vostocnaja povest'" (1806) von A. E. Izmajlov: Zu dem weisen Einsiedler Ibragim kommt Osman, der König von Damaskus, und beklagt sich, daß er unglücklich sei und Langeweile empfinde. Ibragim gibt ihm den Rat, zu arbeiten und Gutes zu tun. Osman bleibt zunächst in der Umgebung Ibragims und bemüht sich, sein Leben zu verändern. Dann erwirbt er sich große Verdienste als Befehlshaber der Armee des Kalifen. Nach seiner Heirat mit der armen, aber tugendhaften Zumbeka kehrt er in sein Königreich zurück.

Die „natürliche" Veranlagung und die Langeweile inmitten seines Reichtums hat Osman mit Kaib gemeinsam. Der weitere Verlauf der Handlung zeigt jedoch den Unterschied zwischen beiden Erzählungen. Krylov versucht, die Haltung seines Helden sozial und psychologisch zu motivieren. Er führt ihn aus der Scheinwelt des Hoflebens in die Realität natürlicher menschlicher Beziehungen, wobei der Leser ständig die Parallele zur zeitgenössischen Wirklichkeit empfindet. Das Verhalten Osmans in der Erzählung Izmajlovs demonstriert dagegen lediglich die Gültigkeit eines moralischen Grundsatzes: „trudis', delaj dobro i budes' scastliv". Die Erzählung wird damit zur moralischen Beispielgeschichte. Krylov negiert den Feudalstaat als eine Scheinwelt, die der Wirklichkeit gegenübersteht. Izmajlov erkennt ihn als Realität an, die von dem moralischen Verhalten des einzelnen getragen wird. Der Orient bietet hier das Bild einer staatspolitischen Idylle. In diesen Grenzen entwickelt sich im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts eine Kurzform der „vostocnaja povest'", eine kurze allegorische Erzählung mit moralisierender Pointe. Ihre Motive gehen auf das arabische Märchen und den Apolog zurück. Der bedeutendste Verfasser pointierter allegorischer Erzählungen ist N. Brusilov, der Herausgeber des „Zurnal rossijskoj slovesnosti" (1805).33 In der Allegorie „Strela" wird der Erzähler von einem Riesen in einen Bogen gespannt und in weit entferntes Land geschossen. Dort will man ihn nur unter der Bedingung in die Gemeinschaft aufnehmen, wenn er sich bereit erklärt, sich den Kopf abschlagen zu lassen. Als er protestiert, stößt man ihn von einem hohen Felsen ins Meer. Er landet in einer bevölkerten Stadt, wo er zum Dienst in der Armee gezwungen wird. Er flieht und wird wieder eingefangen und zum Tode durch Erschießen verurteilt. Man verbindet ihm die Augen, der Schuß fällt, und der Erzähler erwacht aus einem Traum.

Die Möglichkeit einer satirischen Deutung der beiden Bilder ist gering. Das erste Bild läßt den Gedanken an eine satirische Anspielung auf die Französische Revolution zu: „ H O npeatfle HAFLOÖHO Teße 0 T P E 3 A T B roJioBy! 33

Vgl. „Zumal rossijskoj slovesnosti", izd. Nikolaem Brusilovym. SPB. 1805, c. I» S. 196-199.

5

Städtke, Buas. Erzählung

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Kapitel I I

,H,jih Toro, h t o t h i^enoio TOJiOBOH) Bbiine H a c , a 3eMJia chh ecTb 3eMJia paßeHCTBa. — £. OpaTop roBopuT tojibko ncTHHy c yöe^HTejibhok) chjiok) h npocTOTOM, a no9T H3o6pa!KaeT npaBflonofloßHoe . . ." 50 Dabei räumt er die Möglichkeit der Fiktion (vymysel) in der Prosa ein: „Mh BCTpenaeM blimhcjibj nuHTHneckhe, npeRCTaBJieHHbie b n p o c r o ö

ojjejKfle

npo3bi, KaKOBH cyTB poMaHH h Bce nncaHHoe b hx po^e" 51 . Er hält jedoch das Problem der Fiktion in der literarischen Prosa, das sich b ei einer Berücksichtigung der Romanliteratur ergibt, nicht für wesentlich: „Ho CHH BBIMbICJIBI B Iip03e . . . He 3c^KJIH)MaiOT B C e 6 e . . . H a C T O H m e f i np03H . . . 3 t o cyTb hckjhomghhh H3 o6u;ero n p a B H J i a , H e Morymne onpoßeprHyTb noKa3aHHoro 3flecb onpeflejieHHH noa3HH"52. Den gleichen Standpunkt bei der Charakterisierimg der Prosaliteratur nimmt auch N. I. Grec in seinem „Ucebnaja kniga rossijskoj slovesnosti" (1819-1822) ein.53 Die Genres der Prosadichtung („roman", „povest'", „skazka") rechnet Grec auf Grund der fiktiven Handlung zur epischen Poesie, der äußeren Form nach aber zur Prosa, die bei ihm in den Rahmen der Rhetorik gehört. Wieder erscheint die Prosadichtung als ein Ausnahmefall im System der literarischen Gattungen. Vor diesem Hintergrund wird die Entwicklung der „vostocnaja povest'" von der Erzählung zur moralisch-didaktischen Anek48

Vgl. A. N. Sokolov, Istorija russkoj literatury X I X veka, 2 izd. M., 1965, S. 25. Vgl. N . F. Ostolopov, Slovar' drevnej i novoj poezii, c. I - I I I , SPB. 1821. so Siehe ebenda, S. 400. 51 Siehe ebenda, S. 401. 52 Siehe ebenda, S. 401. 63 Vgl. N. I. Grec, Ucebnaja kniga rossijskoj slovesnosti ili izbrannye mesta iz russkich socinenij i perevodov v stichach i proze. SPB. 1819—1822, ö. I, S. 3. 49

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Kapitel I I

dote und zum moralisch-philosophischen Essay verständlich. In der Definition der „skazka" deutet Grec diese Tendenz an: „B CKa3Kax 3aKjnonaiOTCH nepe^KO Ba/Kiitie h c t h h h , npaKTHiecicne h HpaBCTBeHHBie, no,n; h x

n0Kp0B0M mojkho BneqaTJieTb b lOHbie cep^ija JiioßoBb k so6py h OTBpameraie ot 3Jia"54. Nicht zufällig rechnet er neben Karamzin und Zukovskij den heute längst vergessenen Benitckij zu den bedeutendsten Erzählern in der russischen Literatur. So verläuft eine Entwicklungslinie der „orientalischen" Erzählung parallel zur Entwicklung der theoretischen Auffassungen über die Prosadichtung. Ausgangspunkt für diese Entwicklung war die Ästhetik des Klassizismus, und zum Teil der Aufklärung, wo die Prosa als Ausdruck der „Wahrheit" („istina") im faktologischen und philosophisch-moralischen Sinne gewertet wurde und die Fiktion (vymysel) ein Vorrecht der Poesie blieb. Zur Entwicklung der Gattung trägt die „vostocnaja povest'" zu Beginn des 19. Jahrhunderts wenig bei, da weder die Gestalt des Erzählers noch die erzählte Begebenheit einen eigenen Aussagewert besitzen. Die „orientalische" Erzählung zeigt nur eine allgemeine Tendenz in der russischen Prosaentwicklung in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. In Glinkas „Dobrodetel' i porok" finden sich Spuren jener religiösen Mystik, die die russische Gesellschaft besonders zwischen 1807 und 1812 beschäftigte. Die Allegorie Glinkas bildet den Übergang zu den von Odoevskij 1824 in der Zeitschrift „Mnemozina" veröffentlichten Apologen und seiner allegorischen Satire „Stariki, ili ostrov Panchai (Dnevnik Arista)" 55 . Dagegen nimmt Brusilovs „Putesestvie na ostrov podlecov" Kjuchel'bekers allegorische Erzählung „Zemlja bezglavcev" vorweg.56 54 Siehe ebenda, c. III, S. 363 65 Vgl. „Mnemozina", sobranie socinenij v stichach i proze, izdavaemaja kn. V. Odoevskim i V. Kjuchel'bekerom. M. 1824, 8.1, S. 1 - 1 2 ; vgl. dazu P. N. Sakulin, Iz istorii russkogo idealizma, Knjaz' V. F. Odoevskij. M. 1913, Bd. I, S. 209f. 56 Vgl. „Mnemozina", c. II, S. 143-159.

K A P I T E L III

Die sentimentale Erzählung zu Beginn des 19. Jahrhunderts (1800—1820)

Der Sentimentalismus als die stärkste literarische Strömung zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist eine sehr komplizierte Erscheinung, die in ihrer literarischen u n d ideologischen Problematik erst dann überschaubar wird, wenn m a n die Weiterführung der Traditionen Karamzins vor einem neuen gesellschaftspolitischen u n d literarischen Hintergrund betrachtet. Es ist zunächst auffällig, daß es nach 1800 innerhalb des Sentimentalismus zu keiner bedeutenden Leistung mehr kommt. Die sentimentale Lyrik erschöpft sich in Elegien, Sendschreiben u n d Epigrammen. Den stärksten Anteil an der Erzählliteratur in den ersten Jahrzehnten des neuen J a h r hunderts h a t die sentimentale oder empfindsame Erzählung (cuvstvitel'naja povest'"). Sie entwickelt sich nach Karamzin ohne wesentliche Veränderungen der Struktur bis ungefähr 1820. Die empfindsame Erzählung steht zu diesem Zeitpunkt nicht nur im Zentrum der russischen Prosadichtung. Die Entwicklung des Genres verdeutlicht darüber hinaus auch die Besonderheiten des russischen Sentimentalismus nach 1800. Das umfangreiche Material, das der Forschung vorliegt, erfordert eine zusätzliche Unterteilung. I n der vorliegenden Arbeit werden die Erzählungen zu einer ersten Gruppe zusammengefaßt, in denen sich das Strukturschema in annähernd „reiner" F o r m wiederholt. Eine zweite Gruppe bilden die Erzählungen mit einer veränderten Struktur. Die „reine" Form Ausgangspunkt für die Entwicklung der „reinen" Form sind die Erzählungen Karamzins, insbesondere seine „Bednaja Liza". 1795 veröffentlichte V. V. Izmajlov die Erzählung „Rostovskoe ozero" 1 . Anjuta, die Tochter eines Adligen und einer Bäuerin, wächst nach dem Tode ihres Vaters in ländlicher Abgeschiedenheit auf und lernt hier einen jungen Mann kennen, den sie später heiratet. Sie stirbt bei der Geburt des ersten Kindes. Der Erzähler erfährt ihre Geschichte von dem unglücklichen Ehemann, dem er am Grabe Anjutas auf dem Friedhof des Jakovlev-Klosters bei Rostov begegnet.

Die Tragik der Handlung wird durch die elegisch-melancholische Stimmung, die von der Gestalt des auktorialen Erzählers ausgeht, gemildert. Der 1

Vgl. V. V. Izmajlov, Rostovskoe ozero, in: „Prijatn. i pol. preprov. vr.", M. 1795, c. 5, S. 1 5 - 1 8 ; c. 6, S. 291-317.

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Kapitel III

Gedanke an die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins weckt bei Izmajlov ein Gefühl angenehmer Rührung ohne jene tragische Note, wie sie etwa in Karamzins „Sierra Morena" spürbar wird. Das idyllische Lebensideal des Sentimentalismus bleibt im Diesseits erreichbar. Die sozialen Standesunterschiede werden im Bereich der seelischen Empfindungen aufgehoben. Die Erzählung bekommt den Charakter einer sentimentalen Idylle. Im Gegensatz dazu steht Gorcakovs „Plamir i Raida" (1796) 2 unter dem Eindruck der Ideen der Aufklärung. Gorcakov galt in seiner Jugend als Voltairianer und wurde früh als Verfasser komischer Opern und Komödien bekannt, deren scharfe Satire die Zeitgenossen beeindruckte. 3 In der Erzählung „Plamir i Raida" fanden diese Tendenzen ihren Niederschlag. Plamir, der Hauptheld, zieht sich nach einem bewegten Leben in der „großen Welt" (bol'soj svet) auf sein Landgut nach O. . . zurück. Dort lernt er Raida, die Tochter eines Gutsbesitzers, kennen. Raida ist aber mit dem reichen Nichtstuer Bleskar verlobt, und ihr Vater verbietet Plamir, sie zu besuchen. Nach ihrer Verheiratung mit Bleskar meldet sich Plamir freiwillig zur Armee. Raida erfährt aus einer Zeitungsnotiz vom Tode Plamirs und stirbt bald darauf.

Das Handlungsschema entspricht ganz einer sentimentalen Erzählung. Die geniehafte und empfindsame Persönlichkeit Plamirs erinnert, ähnlich wie der Charakter des unglücklichen M-v bei Klusin, an Goethes „Werther". Die Beschreibung der einzelnen Gestalten und Situationen der Handlung bleibt jedoch sachlich und objektiv. Gorcakov verzichtet fast völlig auf eine emotional-expressive Erzählhaltung. Nur am Höhepunkt der Erzählung, nach der Liebeserklärung Plamirs, unterbricht der Erzähler die Handlung für einen Monolog an den Leser. Die Satire in der Beschreibung des Bleskar ist beispielhaft für die lakonische Prosa der Erzählung: „OH 6 H J I Hieroix PaHßH, H36paHHHÜ OTIJOM ee, Mojioji;, xopom, 3HaTeH, SoraT . . . cyflHiipiii 060 Bcewr, Hunero He noHHMan, B op^eHax, B HHHax . . . He MynpeHO . . . OH ÖMJL

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ÖOHPAM"4.

Anklänge an die stilistischen Klischees der empfindsamen Prosadichtung finden sich nur in der Sphäre Raidas: „Eojibnme TOMHtie r j i a 3 a , B KOHX HyBCTBHTejlbHOCTb flyiHH H3o6pa5KaJiaCb KaK B 3 e p K a J i e , HeÖeCHbIM B3rJIHflOM CBOHM npoH3HJiH jjo BHYTPEHHOCTH e r o

cepjme . . ."5.

Bemerkenswert für die Komposition ist die Verwendung eines besonderen Kunstgriffes: Bei der Betrachtung eines Medaillons, in dem ein Bild Raida als Vestalin zeigt, schwört Plamir, er werde dieses Bild ständig an seinem Herzen tragen. Raida wird von einer bösen Vorahnung erfaßt. In einer Schlacht wird Plamir später von einer Kugel getroffen, die ihm das Medaillon ins Herz drückt. 2

Vgl. D. P. Gorcakov, Plamir i Raida, rossijskaja povest'. M. 1796. Vgl. Istorija russkoj literatury v 3 tomach, izd. AN SSSR pod red. D. D. Blagogo. Bd. II, M.-L. 1963, S. 64. « Siehe D. P. Gorcakov, Socinenija. M. 1890, S. 128. 5 g; e he ebenda, S. 127. 3

Sentimentale Erzählung: „reine" Form

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Beide Erzählungen veranschaulichen noch einmal den Aktionsradius des Genres zwischen sentimentaler Idylle und gesellschaftskritischer Satire der Aufklärung gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Goethes „Werther" und Karamzins „Arme Liza" sind die literarische Vorlage für Popugaevs Erzählung „Aptekarskij ostrov ili bedstvija ljubvi" (1800)6. Der junge Poet N. verliebt sich in die bezaubernde Masa und schwört ihr ewige Liebe. Da ihre Mutter nicht mehr lebt, wird sie von einer alten Frau beaufsichtigt, die ihr verbietet, sich mit N. zu treffen. Die Alte macht sie mit dem Sohn eines reichen Kaufmanns bekannt. Ihm gelingt es, Masa gegen ihren Willen zu verführen. Von einem Freund erfährt N. von diesem Vorfall und erschießt sich.

Der Erzähler beginnt mit der Beschreibung eines kleinen Häuschens und seiner Bewohner, einem Greis und seiner unglücklichen Tochter. Dann folgt in einer Rückwendung die eigentliche Erzählung. Die Dialoge zwischen N. und Masa entstammen der Karamzinschen Tradition. Dem „Werther" scheint das Motiv des Selbstmordes entnommen zu ein. I n ähnlicher Weise wie „Werther" verbringt auch N. die Nacht vor seinem Tode. Auffällig ist nur die Betonung des erotischen Elements in der Liebesges c h i c h t e : „. . 3e6obhhkob, kocbihkei Marni-i paciuraraHJiacB h cjieTejia, ö e j i a a aJießacTpoBaa rpy,o;B OTKpbijiacB, jjBe a n t i e po3ti Ha flByx ß e j i t i x y n p y r n x n o j i y r j i o 6 y c a x nopamaiOT B3op H . . . " 7 .

Auf eine moralische Ausdeutung der Vorgänge wird völlig verzichtet. U m psychologische Vertiefung bemüht sich I. Svecinskij in „Obol' scennaja Genrietta" (1801)8. Der Verfasser gibt sich hier als Herausgeber einer unglücklichen Liebesgeschichte zu erkennen, die er von einer ihm bekannten Dame, Genrietta, gehört hat. Genrietta wird mit 16 Jahren in die Gesellschaft eingeführt. Ihre Eltern halten ihr Haus offen für vielzählige Bekannte und deren Freunde. Darunter ist der junge Dezorm, der Genrietta ständig nachstellt. Da er aus begüterten Verhältnissen stammt, sucht sie sich ihm zu entziehen. Als er schließlich droht, sich zu töten, gibt sie ihm nach. Dezorm verspricht ihr die Ehe. Sie erfährt aber, daß er schon verheiratet ist und trennt sich von ihm. Das Kind, das sie von ihm bekommt, stirbt bald nach der Geburt.

Interessant ist hier der Versuch, in die weibliche Psyche einzudringen, deren Reaktionen bisher nur aus der Sicht des auktorialen Erzählers betrachtet wurden. Genriettas Erzählung ist frei von der elegischen Stimmung einer trauernden Geliebten. Selbst die Nacherzählung der für ihr Leben so bedeutsamen Ereignisse erfolgt aus einer sachlichen Distanz ohne jede emotionale Bewegung. Zitiert sei hier ein Auszug aus ihren psychologischen Überlegungen: „JIk>6 7 8

Vgl. V. Popugaev, Aptekarskij ostrov ili bedstvija ljubvi. SPB. 1800. Siehe ebenda, S. 31-32. Vgl. Iv. Svecinskij, Obol' scennaja Genrietta ili torzestvo obmana nad slabost'ju i zabluzdeniem. Istinnaja povest', rossijskoe socinenie. SPB. 1801.

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Kapitel I I I fle3opMa

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Wieder versetzt die tragische Liebesgeschichte den Erzähler in eine Stimmung angenehmer Rührung. Doch im Unterschied zu Izmajlovs „Rostovskoe ozero" deutet sich hier in einigen Details eine Intensivierung des sentimentalen Effekts an: Der böse Vormund wird auf der Flucht vor den Gerichten von der Vorsehung für seine Untaten bestraft: „Bspyr CBepKHyna mojihhh — h CTpauiHbiü y«ap pa3«ajiCH b noflHeßecHoü — Barni nofloßHbie ropaM ßpocujinct Ha cyjjHO, JiojjKy onpoKHHyjio, h — 3Jiofleö no-

r p y 3 H J i c H H a BeKH b 6e3ÄHy . . " n . Die Steigerung ins Dämonische war in der sentimentalen Erzählung zu Beginn des Jahrhunderts keine Seltenheit. Hier begegnet dieses Motiv zunächst als unbedeutendes Detail. Das traditionelle Motiv der mechanischen Umkehr einer von gesellschaftlichen Vorurteilen bestimmten Haltung in reuevolle Besinnung tritt in den Erzählungen zu Beginn des Jahrhunderts zurück. Die neuen Lösungsversuche stehen z. T . schon im Zeichen der Frühromantik. Völlig anspruchslos ist dagegen Izmajlovs Erzählung „Prekrasnaja Tatjana, zivuscaja u podosvy Vorobjevych gor" 1 2 . Tatjana lebt mit ihrem Vater in ländlicher Abgeschiedenheit. Sie begegnet dem jungen Adligen Mel'ton, der ihr einen Beutel voll Geld schenkt. Eine Nachbarin hinterbringt diese Begegnung dem Verlobten Tatjanas Filip. Filips Eifersucht ist Siehe ebenda, S. 29, 31. Vgl. Iv. Svecinskij, Ukrainskaja sirota. Istinnaja povest', SPB. 1805. " Siehe ebenda, S. 67-68. 12 Vgl. V. V. Izmajlov, Prekrasnaja Tatjana, zivuscaja u podosvy Vorobjevych gor, in: „Patriot", M. 1804, N. 2, S. 104-14-7. 0

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Sentimentale Erzählung: „reine" F o r m

jedoch unbegründet. Am geplanten Hochzeitstag wird Filip unter die Soldaten gesteckt, u n d T a t j a n a erkrankt. Mel'ton erweist sich als großherziger Freund und f ü h r t die beiden wieder zusammen.

Die Ereignisse werden in einer gefälligen Sprache vorgetragen. Der Vei fasser verzichtet auf jeden Kommentar. Das sozialkritische Motiv der Rekrutenwerbung wird durch den glücklichen Ausgang neutralisiert. Die sittliche Entscheidung des jungen Adligen bestimmt den Ausgang der Handlung. Dem Klischee der sentimentalen Erzählung entspricht Brusilovs „Istorija bednoj Mar'i" (1805)«. M a r j a ist die Tochter eines reichen Pächters in der Umgebung von Moskau. Sie wird von ihrem Vater gezwungen, einen reichen K a u f m a n n zu heiraten. Als die Neuvermählten aus der Kirche kommen, erscheint der heimliche Geliebte Marjas, Milon, u n d ersticht sich vor ihren Augen. Marja verbringt den Rest ihres Lebens in der Einsamkeit.

Der Verfasser widmet diese tragische Liebesgeschichte den empfindsamen Lesern seiner Zeitschrift 14 und unterwirft sich damit einer literarischen Mode, der er als Literaturkritiker ablehnend gegenübersteht. Wie eine Kritik an seiner eigenen Erzählung wirkt der wenig später im Dezemberheft des gleichen Journals abgedruckte Aufsatz Brusilovs „Satiriceskie vedomosti" : „OflHOMy caHTHMeirrajibHOMy niicaTejiio noTpeÖHo h j i h coiMiiHewroro

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HOBoro poMaHa HeMajioe KOJinnecTBO npiiTBopHoft HyBCTBirrejibHocTii, JlOJKHOrO

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JKejiaiomiie BHineo3HaHeHHbie MaTepnajiBi nocTaBHTb 3a cxo^nyio neHy . . . 6jiar0B0JiHT HaTb 3HaTb o ceivr "ipes BeROMocTH"15. Eine solche kompromißfreudige Haltung gegenüber dem empfindsamen Leserpublikum war durchaus typisch in einer Zeit, als die russische Prosadichtung noch wenig zur Ausbildung des literarischen Geschmacks beitragen konnte. Beispielhaft für die unsichere Haltung Brusilovs ist die Widmung zu seiner Schäfer-Idylle „Stareciliprevratnost' sud'by" (1803): ,,fl yBepeH, hto bbi n p o c r a T e npocTOTe Mbicjieü h HeKpacHBOCTH cjiora, ho yBepeH TaK?Ke, i t o HaiifleTe 3flecb HeK0T0pbie qyBCTBOBaHHH nenoBeKa npe^aHHoro BaM . . ." 16 . I n der nachfolgenden Erzählung wiederholt der Verfasser ein Motiv der Idylle des 18. Jahrhunderts: Ein vom Schicksal verfolgter Greis wird an die Ufer des Mittelmeeres verschlagen und erkennt dort in einer Schäferin seine verlorene Tochter Eleonora wieder. Dieses Wiedersehen ereignet sich vor dem Hintergrund einer stark stilisierten griechischen Landschaft mit weidenden Herden und flötespielenden Hirten. Literarisch ist die Erzählung völlig bedeutungslos. 13 15 16

Vgl. N. Brusilov, „Istorija bednoj Mar'i", in: „Zurnal rossijskoj slovesnosti", SPB. 1805, c. 3, S. 3 - 1 2 . Vgl. ebenda, S. 3. Siehe „Zurnal rossijskoj slovesnosti", SPB. 1805, NJ 12, S. 173. Siehe N. Brusilov, Starec ili prevratnost' sud'by. Povest'. SPB. 1803, o. S.

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Kapitel I I I

Die „reine" Form bewahrt auch Popovs „Lilija" (1809)17: I n der N ä h e des ukrainischen Städtchens P . begegnet der Erzähler einem Leichenzug. Von einem jungen Mann, der dem Sarge gefolgt war, e r f ä h r t er die Geschichte Lilijas: Als Waise von einer T a n t e aufgezogen u n d von Hauslehrern unterrichtet, begegnet Lilija einem jungen F ü r s t e n aus Petersburg. E r v e r f ü h r t die leichtgläubige Lilija u n d verläßt sie noch in der gleichen N a c h t . Sie folgt i h m in die H a u p t s t a d t u n d b e k o m m t von ihm eine Einladung zu seiner Hochzeit. Lilija schreibt ihm einen Abschiedsbrief u n d stirbt bald danach an einem Nervenfieber. Der F ü r s t empfindet Reue u n d eilt zu ihrer Beerdigung. E r ist der junge Mann, von dem der Erzähler die Geschichte vernimmt.

Popov wiederholt die Geschichte der „Armen Liza", verzichtet dabei aber auf die psychologische und soziale Problematik der Karamzinschen Erzählung. Das Motiv der verführten Unschuld und der klischeehafte Monolog des „Ich"-Erzählers zielen auf die Schaffung einer rührseligen Atmosphäre. In etwas abgewandelter Form kehrt das Strukturprinzip in Protopopovs „Nescast'e ot ljubvi" (1810)18 wieder. Nikolaj, der Sohn des t u g e n d h a f t e n Gutsbesitzers I. L., verliebt sich in Serafina, die Tochter eines reichen K a u f m a n n s , findet aber keine Gegenliebe. Auf D r ä n g e n der E l t e r n gibt Serafina ihre Zusage zur H e i r a t . Nikolaj wird von seinem Vater in Geschäften nach England geschickt. Dort erreicht ihn ein Absagebrief Serafinas, die sich inzwischen m i t einem Offizier verlobt h a t . Nikolaj begeht Selbstmord.

Das tragische Dreiecksverhältnis wird hier nicht einer rührseligen Pointe vorangestellt. Es zielt vielmehr auf die Sichtbarmachung unterschiedlicher Charaktere ab. In den Augen der nüchternen Serafina wirkt das schwärmerische Liebeswerben Nikolajs lächerlich. Sie empfindet seine sentimentalen Liebesbriefe als eine Art eitler Selbstbespiegelung. Man sucht jedoch zu Unrecht hinter der nüchternen Haltung Serafinas eine Tendenz des Verfassers, die literarische Tradition zu überwinden. Sein Anliegen erschöpft sich darin, die Verderblichkeit der Liebesleidenschaft zu zeigen.19 In Klusins „Nescastnyj M-v" noch eine abstrakte Größe, hat diese Leidenschaft bei Protopopov ihren Ursprung in dem schwachen Charakter Nikolajs. In dem Bemühen um psychologische Vertiefung steht die Erzählung neben Svecinskijs „Obol'scennaja Genrietta". Ein psychologisches Problem liegt auch der anonymen Erzählung „Modest i Sofija" (1810) 20 zu Grunde. Modest, ein empfindsamer u n d gebildeter junger Mann, begibt sich nach einem unglücklichen Liebesabenteuer in der Petersburger Gesellschaft auf sein L a n d g u t u n d findet bei Sofija, der Tochter seines N a c h b a r n P r j a m o d u s i n , die echte Liebe. 17

Vgl. AI. Popov, Lilija. Rossijskoe socinenie. M. 1809. Vgl. M. Protopopov, Nescast'e ot ljubvi. I s t i n n a j a povest'. S P B . 1810. 18 Vgl. ebenda, S. 29. 20 Vgl. V. Prvscv (?), Modest i Sofija, in „Cvetnik", S P B . 1811, N . 5, S. 131-161, N. 6, S. 274-307. 18

Sentimentale Erzählung: „reine" Form

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In einer ironischen Einleitung distanziert sich der Verfasser von den bekannten Romanfiguren: „. . . He *mTaiiTe hh 9 j i o h 3 h , hh BepTepa, He BoenjiaMeHHHTe cBoero B006pa»;eHiHbie COCHBI CMOTPHTCH B CTpyn H e ß t i . . JIIOÖJIIO H

HacjiajKßaTbCH KpacoToro 3eMJin .

. . II

oöpamaa

B MHCJIHX

BpeMeHa

npoTeKnme . . . noBeflaio BaM o noflBHrax paratix npeflKOB Harnnx, H jiio6e313 HOCTH fleB 3 e M J I H CJiaBeHOBOÜ" . Die sprachliche Anlehnung an Byline und „skazka", bei Karamzin ein Problem der literarischen Form, findet in der Erzählergestalt nun auch eine innere Motivierung. In den drei ersten Erzählungen entwirft der Verfasser nur skizzenhafte Porträts legendärer Helden der slavischen Vorgeschichte. I n „ K i j i D u l e b " besiegt K i j , F ü r s t der Poljanen u n d Begründer der S t a d t Kiev, das Heer seines Gegners Duleb, als ein Sänger aus dem Lager der Poljanen die wilden Krieger des Duleb auffordert, sich der hohen K u l t u r der Poljanen zu unterordnen. Dulebs Heerscharen laufen zu den Poljanen über, u n d der e n t t ä u s c h t e Anführer begeht Selbstmord. Slaven, der Held der gleichnamigen Erzählung des zweiten Abends, verspricht dem besiegten Warägerfürsten Radimir das Leben u n d seine Tochter Vsemila, falls der Waräger sein unstetes Räuberleben aufgibt. Am dritten Abend berichtet der Erzähler von der heldenhaften T a t des R i t t e r s R o g d a j , der den A n f ü h r e r der Pecenegen, Bujslav, besiegt u n d a m Hofe Vladimirs mit großen E h r e n empfangen wird.

In „Velesil", der Erzählung des vierten Abends, zeigen sich Ansätze einer sentimentalen Fabel: Velesil, einer der sagenumwobenen Recken a m H o f e Vladimirs, erzählt seinem Schwertträger die Geschichte seiner unglücklichen Liebe zu der griechischen Hirtentochter S o f j a . E r h a t t e S o f j a e n t f ü h r t u n d lange Zeit in einer Höhle gefangen gehalten, da sie sich ihm, dem heidnischen Barbaren, versagte. Nach der A n n a h m e des Christentums eilt Velesil zu der Höhle u n d findet dort die Leiche der inzwischen verstorbenen S o f j a . Mit einer elegischen B e t r a c h t u n g über die Vergänglichkeit des Daseins klingt die Erzählung Velesils aus.

Die Abende fünf und sechs sind der Erzählung „Gromoboj" gewidmet. Gromoboj gewinnt mit Hilfe des Recken D o b r y n j a die geliebte Milovzora im Zweikampf gegen Buriboj, den F ü r s t e n der Pecenegen, u n d Boripolk, den Anführer der Krivicen. Irena, die H a u p t h e l d i n der Erzählung des siebenten Abends, wird von den Griechen an den Hof Vladimirs geschickt, u m die Helden des russischen F ü r s t e n aus K i e v 12 13

Vgl. V. T. N a r e z n y j , Slavénskie vecera, S P B . 1809. Siehe V. T. Nareznyj, Slavenskie vecera, SPB. 1826, S. I ; IV.

Historische E r z ä h l u n g ( 1 8 0 0 - 1 8 2 0 )

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f o r t z u l o c k e n u n d d a m i t d e m griechischen H e e r den W e g nach K i e v freizumachen. Sie erreicht z u n ä c h s t ihre A b s i c h t . D i e R e c k e n Vladimirs folgen ihr n a c h Cernigov. Velesil, der allein in K i e v zurückgeblieben ist, erfährt v o n d e m g e p l a n t e n Ü b e r f a l l u n d h o l t die Krieger zurück. D i e Griechen werden besiegt u n d Irena zur Strafe enthauptet. D i e l e t z t e E r z ä h l u n g des ersten Teils berichtet v o n d e m Schicksal des S v j a t o s l a v , der a u f der F l u c h t m i t seiner Geliebten, einer griechischen F ü r s t e n t o c h t e r , v o n s e i n e m Bruder S v j a t o p o l k erschlagen wird. D e r w e i s e E r e m i t Miroslav, bei d e m das P a a r U n t e r s c h l u p f s u c h t , b e s c h l i e ß t die E r z ä h l u n g m i t einer elegischen Betrachtving.

Worauf es Nareznyj ankam, war nicht die in einem faktologischen R a h m e n lokalisierte historische Persönlichkeit, sondern die geheimnisvolle, „v mrake drevnosti" befindliche Figur der Legende. Ohne einen meßbaren historischen Hintergrund war diese Gestalt „frei" f ü r eine poetische Verklärung. Sie wurde zum Ausdruck des sittlichen Ideals, aber auch zum Träger der elegisch-melancholischen Weltsicht des Verfassers. Angaben über das Schicksal der legendären Helden des alten Rußlands konnte der Verfasser dem pseudohistorischen R o m a n des 18. Jahrhunderts, der Chronik, der Bylinendichtung u n d den Arbeiten zur slavischen Mythologie (Culkov, Kajsarov) entnehmen. I m Gegensatz zu den Romanen Culkovs und Popovs verzichtet Nareznyj auf eine phantastisch-abenteuerüche Handlung. E r beschränkt sich auf die Wiedergabe einer eindrucksvollen Episode, die seine Helden im Sinne des sittlich-patriotischen Ideals genügend charakterisiert. Die Struktur der Erzählungen ist einfach u n d schematisch: Am Anfang steht eine kurze, stimmungsvolle Naturbeschreibung. Darauf folgt eine heroische „Geste" (vgl. Sieg über einen Gegner in „Kij i Duleb", „Slaven", „ R o g d a j " u n d „Irena") oder eine sentimentale „Geste" (vgl. Liebesmotiv in „Velesil", „Gromoboj" und „Miroslav"). Die zentrale Begebenheit wird hier als „Geste" bezeichnet, da die klischeehafte Handlung wenig Eigengewicht besitzt u n d lediglich eine bestimmte H a l t u n g des Helden motiviert. Am Schluß des f ü n f t e n Abends deutet der Rahmenerzähler die Idee der „Slavenskie vecera" a n : Beim OTFLAJIEHHBIE! BpeMeHa RRBHO npoTeramie! K T O h3 CBIHOB CjiaBeHOBtix BoenoMHHeT 06 Bac 6e3 Kporaoro TpeneTaHHH cepflija H 6jiaro«apHott cjie3bi Ha rjia3ax — B saHb naMHTH npenKaivr, BejmKHM CBOHMIIfloöJiecTHMH? — J I M H A H floöpofleTejib 0TBep3Jia BpaTa K cjiaBe U ciacTbio. BeKH OTjjajieHHbie! BpeMeHa BaBHonpoTemiiHe! Korfla B03BpaTHTECB BEI HA 3eMJiio CJIABEHCKYIO" 14 . I n einer Atmosphäre des erwachenden Nationalgefühls nach der Schlacht bei Austerlitz zeichnete Nareznyj Leitbilder der Tugend u n d des Patriotismus für seine Zeitgenossen. Nareznyjs Erzählungen fanden bei der Kritik eine wohlwollende Aufnahme. So heißt es in der Zeitschrift „Cvetnik" gleich nach Erscheinen des Buches: „CjiaBeHCKHe Beiepa MOJKHO HaaBaTb noflpamaHiieM necHHM occuaHOBbiM i'' Siehe V . T. N a r e i n y j , ebenda, S. 110.

100

Kapitel IV

ii noflpaJKaimeM Becbiia yflaiHHM. KapraHbi y Hero pa3HTejibHH, mbicjih BbICOKH, BBipaJKBHHH ÖJiarOpOAHH H CHJIbHbl, CJIOr BeJIHHeCTBBH, MHCT H njiaßeH . . . " „KoMy He noHpaBHTCH TaKaH npeBoexojjHaH npo3a?" 1 5 .

In ähnlicher Weise äußert sich auch Nikolaj Grec und nimmt die Erzählung „Kij i Duleb" in seine Sammlung ausgewählter Prosastücke auf. 1(i Die lyrisch-emotionale Prosa der „Slavenskie vecera" entspricht im Wesen den Sprachnormen des Sentimentalismus. I m Unterschied zu Karamzin läßt sich allerdings eine starke Archaisierung der sentimentalen Prosa feststellen. Damit folgt der Verfasser einer allgemeinen Tendenz, die zu Beginn des Jahrhunderts in der Lyrik durch die Einführung des heroischpathetischen Elementes zum Ausdruck kam. 1 7 Bei Karamzin blieb die Archaisierung auf die Wiedergabe des historischen Hintergrundes beschränkt. Nareznyj verwendet auch im Dialog und in der Naturschilderung sowie im Erzählerkommentar in zunehmendem Maße archaische Formen. Motiviert wird diese Tendenz durch die Gestalt des auktorialen Erzählers, der zugleich als Heldensänger im Sinne der Ossianschen Dichtung auftritt. Eine zweite Besonderheit, wodurch sich Nareznyjs „Vecera" der „romanticeskaja poema" nähern 1 8 , ist die häufige Verwendung von Motiven der Folklore. So wird z. B. die Landschaft bei Nareznyj häufig mythologisiert: „EßBa 3 m m e p j i a , . . . npejiecTHan HeBecTa CBeTOBHfla, 0TBep3Jia BpaTa HeSa . . ." — „EflBa Cb6tobh,h hbhjich . . .", „TyMaHOM noKptiTBi 6 h j i h BJiacbi BOCTeKaiomero Ha« rpajjOM KneBOM CBeTOBH^a"19.

Dabei verwendet Nareznyj im Gegensatz zu Öulkov und Popov ausschließlich Gestalten und Motive der slavischen Mythologie. Die ständige Wiederholung von festen Wortverbindungen aus der Bylinendichtung („rat' sil'naja", „truby brannye", „kopje bulatnoe"), worin sich zweifellos der Einfluß des „Igorliedes" andeutet, verstärken den rhythmischen Charakter seiner Prosa. U m die „Slavenskie vecera" gruppiert sich eine Reihe von Erzählungen, die in ähnlicher Weise Elemente der sentimentalen Erzählung und des Heldengedichtes miteinander verbinden. I n „Ol'ga, istoriceskij otryvok" 2 0 berichtet der Erzähler von der Begegnung des Igor' Svatoslavie mit Prekrasa (seiner späteren Frau Ol'ga), die in einer Schlacht gegen die Poloveen den nordischen Fürsten Al'ferd und viele seiner Krieger tötet. is Vgl. „Cvetnik", SPB. 1809, c. 3., N. 7, S. 263-264; 273. 16 Vgl. N. I. Grec, Izbrannye mesta iz russkich socinenij i perevodov v proze. SPB. 1812, S. 33-37. 17 Vgl. V. D. Levin, Ocerk stilistiki russkogo literaturnogo jazyka konca XVIII — nacala X I X veka. M. 1964, S. 294. 18 Vgl. A. N. Sokolov, Ocerki po istorii russkoj poemy XVIII i pervoj poloviny X I X veka, M. 1955, S. 388-395. »9 Siehe V. T. Nareinyj. a. a. O., S. 7; 46; 99. 20 Vgl. Ol'ga, istoriöeskij otryvok. Rossijskoe socinenie. M. 1803.

Historisohe Erzählung (1800-1820)

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Mit einigen Änderungen erscheint die gleiche Erzählung eines anonymen Verfassers 1814 noch einmal unter dem Titel „Igor', velikij knjaz' severa" 21 . Die sentimentale Fabel, die Liebesgeschichte zwischen Igor' und Ol'ga, steht in dem heroisch-pathetischen Kontext des Heldenliedes. Ol'ga gleicht in ihrer Liebe zu Igor' den Frauengestalten des Sentimentalismus, nimmt aber in der Schlacht, wo sie gleich den Kriegern des Fürsten Igor' das Schwert führt, heroische Züge an. Die ins Dämonische übersteigerte Gestalt des Widersachers Al'ferd scheint dagegen den negativen Figuren des Schauerromans nachgebildet: „Oh ynaji b CTpauiHbix KOHByjibCHHx h c KJIOKOmymeiO lepHOIO KpOBbK) H3pbirHyJI flyX CBOH, KOTOpHH HH3Beprca

b npe^ejibi a^a" 2 2 . So wird am Beispiel dieser Erzählung die Vermischung unterschiedlichster Motive und sprachlicher Ausdrucksformen besonders deutlich. In den gleichen Rahmen gehört auch Arcybasevs „Rogneda ili razorenie Polocka" 23 . Der Ritter Rachdaj (Rogdaj) erzählt dem Fürsten Vladimir von der schönen Rogneda, der Tochter des Fürsten Rogvol'dvon Polock. Vladimir wirbt um sie, bekommt aber eine Absage. Rogneda ist bereits in den litauischen Fürsten Rual'd verliebt. Da nimmt Vladimir die Stadt mit Gewalt ein, tötet Rual'd im Zweikampf und entführt Rogneda.

Sprachlich steht Arcybasevs Erzählung unter dem Einfluß der sentimentalen Prosadichtung. Nur einmal (bezeichnenderweise vor der Darstellung der entscheidenden Schlacht) vergleicht sich der Erzähler mit dem Ossianschen Heldensänger. Archaische Wendungen sind in der Erzählung nicht enthalten. Dagegen übertreibt Arcybasev bisweilen den sentimentalen Stil bis zur Groteske: „ . . . OHa . . . pomuia cjie3H ropiOTHe, KpoTKHii BeceHHiiii BeTepoK cBeHJi oflHy H3 hhx Ha Jimje Pyajitfla h omer ero KaK HCKpoü Hiryieio"24.

Aber auch hier wird das Liebesmotiv in seiner doppelten Bedeutung wirksam (Liebe zur Frau und Liebe zum Vaterland). In der anonymen Erzählung „Ksenija, knjazna Galickaja" 2 5 wird dieses Motiv zur Grundlage des Handlungskonfliktes: Nach der tragischen Niederlage der Russen in der Schlacht an der Kal'ka wird Ksenija, die Tochter des gefallenen Fürsten Mstislav (Jaroslavic), von den Tataren entführt. In der Gefangenschaft bemüht sich der jüngere Bruder des Khan Batyj, Temir, ihre Liebe zu gewinnen. Ksenija kann dem jungen und tugendhaften Temir ihre Zuneigung nicht versagen, unterdrückt jedoch ihr Gefühl und flieht mit dem ebenfalls gefangenen Priester Michail nach Rußland, wo sie den Rest ihres Lebens im Kloster verbringt. Vgl. Igor', velikij knjaz' severa, geroiceskoe proissestvie. Rossijskoe socinenie. M. 1814. 22 Siehe ebenda, S. 38. 23 Vgl. N. Arcybasev, Rogneda, ili razorenie Polocka. SPB. 1818. 24 Siehe ebenda, S. 52. 2 5 Vgl. Ksenija knjafcna Galickaja. Istoriceskaja povest'. SPB. 1808. 21

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Kapitel IV

Interessant ist an dieser literarisch dürftigen Erzählung nur die Einleitung: „ßyimt

HyBCTBHTejiBHbie,

GecKopiicTHbie

h

ÖJiaropoflHbie,

npHBHKiirae

jiio6htb OTenecTBO .. .!" „POCCHH! jno6e3Hoe oTenecTBo! kto He B03pasyeTCH bhjjh HHHe ij;BeTymee TBoe cocTOHHiie . . ," 2 0 .

Die Verbindung von Empfindsamkeit und Patriotismus, die allen Erzählungen dieser Gruppe zu Grunde liegt, wird hier vom Erzähler selbst ausgesprochen. Eine Sonderstellung nimmt in dieser Reihe die Erzählung „Oskol'd" von M. N. Murav'ev ein. 27 Der Erzähler beschreibt den Auszug der Heerscharen des Warägerfürsten Oskol'd nach Griechenland. Die Vermählung des jungen Ritters Radmir, für den Oskol'd als Brautwerber auftritt, fügt sich als Episode in die breite Schilderung des Aufbruchs der Helden ein.

Wenn Rezanov hier von einer Nachahmung der Ossiandichtung spricht 28 , so nennt er damit nur ein Motiv der Erzählung. Muravjev verzichtet völlig auf den lyrisch-emotionalen Stil der bisher genannten Erzählungen. Prosar h y t h m u s u n d die ausführliche Beschreibung der einzelnen Gestalten erinnern vielmehr an den Stil des Homerschen Epos. Auch das Gespräch der Götter über den Aufbruch der Waräger scheint eher dem antiken Epos entnommen, wohingegen die Erscheinung des toten Recken, die Oskol'd den Tod voraussagt, an ein Motiv der Ossiandichtung erinnert. Murav'evs Versuch, in die historische Erzählung Elemente der Erzählweise Homers oder Vergils zu übertragen, f ü h r t zur Auflösung des Genres in eine lose Folge von Szenen, die auch von der Liebesepisode kompositorisch nicht gebunden werden. Die Erzählung erscheint als eine Art Expose zu einem Heldenepos im antiken Stil. Nur ist der antike Vers hier durch eine rhythmische Prosa ersetzt. Der Vergleich mit Homer findet sich auch im Vorwort zu Murav'evs dreibändiger Gesamtausgabe von 1819. Außer dem Hinweis auf den fragmentarischen Charakter findet der Verfasser des Vorworts, der Dichter Batjuskov, nur anerkennende Worte für die Erzählung seines Onkels. Dabei hebt er noch einmal den Vorteil hervor, den ein Stoff aus der Vorgeschichte f ü r den Dichter h a t : „^eßcTBHe npoiicxofliiT b Pocchh bo BpeMeHa ot.najieHHHe, KOTopwe noaTy c t o j i l yßoÖHO yKpauiaTB BHMHCJiaMii h u;BeTaivra TBopnecKoro B006pa?KeHHH"29.

Schon 1810 h a t t e Batjuskov in „Predslava i d o b r y n j a " sein Interesse an dem Genre gezeigt: Predslava, die Tochter des Fürsten Vladimir, wird dem bulgarischen Fürstensohn Radmir versprochen. Sie aber liebt Dobrynja, einen der Recken am Hofe ihres 26 Siehe ebenda, S. 5; 7. 27 Vgl. M. N. Murav'ev, Oskol'd, povest' pocerpnutaja iz otryvkov drevnych gotfskich Skal'dov (otryvok), in: M. N. Murav'ev, Polnoe sobranie socinenij. SPB. 1819, c. I., S. 273-298. 28 Vgl. V. I. Rezanov, a. a. O., S. 67. 29 Siehe M. N. Muravjev, a. a. O., S. X V .

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Historische Erzählung (1800-1820)

Vaters. Radmir überrascht Dobrynja nachts im Gemach Predslavas und tötet ihn.

Unter den Prosastücken Batjuskovs nimmt „Predslava i Dobrynja" den letzten Platz ein.30 Dessen war sich der Verfasser selbst bewußt. „Nasilu doskazal" heißt es, nicht ohne Ironie, am Schluß in Anlehnung an eine Verszeile aus Dmitrievs „Pricudnica". I n seinen Briefen aus den Jahren 1809—1811 parodiert Batjuskov schon die übermäßige Empfindsamkeit der Karamzinschen Prosa. Es mochte jedoch schwierig sein, sich in dieser Zeit bei der Abfassung einer Liebesgeschichte von dem Klischee der sentimentalen Erzählung zu lösen. Batjuskov war als Lyriker zu bekannt, als daß die Kritik seine Erzählung schweigend übergehen konnte. 1831 erstmalig veröffentlicht 31 , wirkte „Predslava i Dobrynja" jedoch bereits als ein klarer Anachronismus. Puskin weist vorsichtig in seinem Vorwort zu der Erzählung auf den Hauptmangel hin: „MomeT 6hti>, HaöflyT b btoh noBecTH He^ocTaTOK co3flamiH n HapOflHOCTH. Mo?KeT ßtlTb C K a J K y T , HTO B H e f t H e BHflHO flpeBHeÜ PyCH H flBOpa BjiaflHMHpoBa"32. Dieser mit Recht geäußerte Vorwurf läßt sich auf alle sentimentalheroischen Erzählungen beziehen, von denen sich „Predslava i Dobrynja" nur in Einzelheiten unterscheidet. Der sentimentale Erzähler hat ein Vorbild in der Prosadichtung Karamzins und seiner Nachfolger. Das mythologisch-historische Bild des Eürstenhofes von Kiev findet sich bei Nareznyj („Rogdaj") ebenso wie in Arcybasevs „Rogneda". Als Eigenleistung des Verfassers können allenfalls die Szenen jener verhängnisvollen Nacht aufgefaßt werden, als Radmir die Liebenden überrascht und Dobrynja im Zweikampf tötet. Auffallend ist die Betohung des erotischen Elements, das bei Karamzin nur angedeutet wird. 33 Vor der Beschreibung erotischer Szenen senkte sich bei Karamzin der Vorhang der Wohlanständigkeit. Hier zeigt sich ein Motiv der anakreontischen Lyrik Batjuskovs, die Poetisierung der irdischen Liebe. Die Erscheinung Radmirs und der blutige Zweikampf werden unter dem Einfluß der „romantika uzasov" dargestellt: „O y?Kac, oh BH^ea, npn coMHHTejibHOM 6 j i e c n e M e c f l i j a . . ., y B H j j e j i y v K a c H H ö n p n 3 p a K

. . .

Boopy-

HieHHoro p u i j a p H , h cepßije e r o , He 3HaK0M0e c o CTpaxoM, 3aTpeneTajio . . ." 3 4 .

Die Gestalt des sentimentalen Erzählers bestimmt den stilistischen Aufbau der Erzählung. Der Prosarhythmus und das empfindsame Vokabular berechtigen Bulachovskij zu der Annahme, es handele sich bei Bajuskovs „Predslava i Dobrynja" ähnlich wie bei Zukovskijs „Mar'ina rosea" um eine direkte Nachahmung Karamzins. 35 Es besteht jedoch ein Unterschied zu der 30 Vgl. N . V. Fridman Proza Batjuskova. M. 1965, S. 22. 31 Vgl. „Severnye e v e t y " na 1832 god, SPB. 1831, S. 1 - 4 6 . 32 33 Siehe ebenda, S. 1 - 2 . Vgl. N . V. Fridman, a. a. O., S. 3 2 - 3 3 . 34 Siehe K . N . Batjuskov, Soöinenija. SPB. 1885, Bd. II, S. 59. 35 Vgl. L. A. Bulachovskij, Russkij literaturnyj jazyk pervoj poloviny X I X veka, K i e v 1941, Bd. I, S. 31.

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Kapitel IV

epigonalen Erzählung des Sentimentalismus. Wie Zukovskij bereicherte Batjuskov seine sentimentale Prosa um ein musikalisches Element, das auch seiner Dichtung zugrunde lag. Einig waren sich daher die Kritiker bei der positiven Beurteilung der sprachlichen Eigenheiten. 36 Doch selbst unter Berücksichtigung der stilistischen Vorzüge hob sich „Predslava i Dobrynja" nicht von den übrigen sentimental-heroischen Erzählungen ab. Belinskij behauptete zu Recht, Batjuskovs Erzählung sei für die Entwicklung der Prosadichtung unbedeutend und das schwächste Werk im Schaffen des Dichters. 37 Anschließend sei noch auf eine Erzählung verwiesen, die im Rahmen dieser Gruppe eine Sonderstellung einnimmt. 1822 veröffentlichte Pavel L'vov den ersten Teil einer Reihe von historischen Skizzen unter der Bezeichnung „Chram slavy velikich Rossijan" 38 . I n dieser Sammlung befindet sich unter anderem eine historische Erzählung unter dem Titel „Povest' o Mstislave I, Volodimirovice, slavnom knjaze russkom" 39 . Mstislav I., Sohn Vladimirs des Heiligen, verliebt sich in Ljubava, die Tochter des Posadnik von Novgorod Dmitrij svet Danilovic. Nach einer siegreichen Schlacht gegen die Litauer wird in Novgorod die Hochzeit gefeiert.

Bei L'vov erreicht die historische Erzählung einen Höhepunkt in der Stilisierung „pod drevnij kolorit". Schon im Vorwort verrät der Verfasser seine Absicht, die Form seiner Erzählung der altrussischen „skazka" und „povest'" anzugleichen. 40 Somit entsteht eine Art Heldengedicht in Prosa. Als historische Erzählung ist L'vovs „Mstislav" nicht mehr interpretierbar. Eine zweite Entwicklungslinie der historischen Erzählung begann mit Karamzins „Marfa posadnica" 41 . Das Schicksal der Witwe des Statthalters Boreckij von Novgorod mußte für Karamzin in dieser seiner letzten Schaffensperiode in zweierlei Hinsicht interessant werden: Marfa forderte nicht nur als eine historische Persönlichkeit, sondern auch als ein individueller Charakter zur literarischen Darstellung heraus. Bei aller Sympathie für die Republik Novgorod — Karamzin behauptete von sich, er sei im Herzen stets Republikaner geblieben — sah er in der Ausdehnung des monarchistischen Prinzips auf ganz Rußland eine historische Notwendigkeit, die nicht rational ermittelt wurde, sondern sich für ihn aus der geschichtlichen Entwicklung des Landes ergab. Der Versuch, in Novgorod die Republik zu retten, wurde somit zu einem Akt menschlicher Leidenschaft. Marfa, die sich frei fühlt in ihren Gefühlen 36 Vgl. N. V. Fridman, a. a. O., S. 33. 37 Vgl. ebenda, S. 35. 38 Vgl. P. J. L'vov, Chram slavy velikich Rossijan. M. 1822. 39 Vgl. ebenda, S. 1 - 2 7 . 40 Vgl. ebenda, o. S. 41 Vgl. N. M. Karamzin, Marfa-Posadnica ili pokorenie Novagoroda. Istoriceskaja povest', in: „Vestnik Evropy", M. 1803, N N . 1 - 3 .

Historische Erzählung (1800-1820)

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und Handlungen, nicht aber gegenüber dem Geheimnis der Vorsehung 42 , gibt ihren ehrgeizigen Plänen den Vorrang vor jener ahnend erfaßten historischen Notwendigkeit. Der Gattungscharakter der Erzählung ist nicht eindeutig. Durch den stofflichen Umfang rückt „Marfa posadnica" an die Grenze des Romans. Der Untertitel „istoriceskaja povest'" ist vom Verfasser wohl weniger als moderne Gattungsbezeichnung als im Sinne der altrussischen Chronik gemeint. Durch die Manuskriptfiktion gibt der Autor den optischen und ideologischen Fluchtpunkt der Erzählerperspektive an. Damit wird das erzähltechnische Prinzip aus „Natalja, bojarskaja doc'" umgedreht: Dort „nadlezalo tol'ko poddelat'sja pod drevnij kolorit", hier wird der Stil eines alten Manuskripts modernisiert. Das zeigt Karamzins veränderte Geschichtsauffassung. Als Hintergrund, als „kolorit" in „Natalja . . .", wird die Geschichte nun zum Exemplum für die Gegenwart, das historische Ereignis zum Meilenstein der nationalen Entwicklung. Dazu schreibt er im Vorwort s e i n e r „ I s t o r i j a . . .": IIpaBHTeJiH, 3aKOHOflaTejin fleftcTByiOT n o yKa3amiHM M c t o p h h h cMOTpHT Ha ee jihctbi KaK MopenjiaBaTejin Ha HepTeJKH

Mopefi. . ." 43 . Jetzt trennt Karamzin auch den Dichter vom Historiker. 44 Doch die Aufwertung der historischen Fakten hat bei Karamzin nicht erkenntnistheoretischen Charakter, sondern dient der Sichtbarmachung von — nach Karamzin — apriori bestehenden moralischen und politischen Prinzipien. (Die Überwindung des „poetischen" Standpunktes in bezug auf einen historischen Stoff zeigt sich schon in einem Aufsatz über die Ossiandichtung. I n einem Vergleich steht Homer mit seiner sachlich-beschreibenden Erzählweise über Ossian.45 Der zeitgenössische „Herausgeber" ist jedoch nicht nur sprachlich beteiligt, wie er im Vorwort vermerkt. Die Beschreibung der Liebesbeziehungen Ksenijas zu Miroslav hat sentimentalen Charakter. Außerdem entspricht die Kompositionstechnik eher dem Drama als einer Erzählung (vgl. hoher Anteil der direkten Rede, räumliche Perspektive zwischen Szene und Hintergrund und mögliche Einteilung in Akte). Durch den dramatischen Aufbau „reinigt" Karamzin seine Erzählung von historisch zufälligen oder störenden Fakten, die der Gesamtidee hätten hinderlich werden können. Wenn er trotzdem der „povest'" vor dem Drama den Vorrang gibt, so wahrscheinlich deshalb, weil die Chronik-Erzählung für den Leser einen höheren Grad an Objektivität bedeutete als die poetische Fiktion einer Tragödie. Karamzins „Marfa posdanica" steht im Mittelpunkt einer Reihe von Erzählungen, die im Gegensatz zu der sentimental-heroischen Erzählung faktologischen und moralisch-didaktischen Charakter tragen. « Vgl. N. M. Karamzin, Izbr. soö. . Bd. I, S. 727-728. 43 Siehe N. M. Karamzin, Istorija Gosudarstva Rossijskogo, SPB. 44 S. I X . Vgl. ebenda, S. X I V . 45 Vgl. V. I. Maslov, Ossianizm Karamzina. Priluki 1928, S. 13-14. 8

Städtke, Euss. Erzählung

1818, Bd. I,

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Kapitel IV

1801 veröffentlicht Gavriil Gerakov seine historische Skizze „Knjaz' Menscikov"46. In einer Lebens- und Charakterbeschreibung des Fürsten Menscikov macht der Verfasser den persönlichen Ehrgeiz für das tragische Schicksal dieses außergewöhnlichen Staatsmannes verantwortlich. Die mit Anspruch auf wissenschaftliche Sachlichkeit vorgetragene Biographie Menscikovs steht exemplarisch für die Idee der Unterordnung des einzelnen unter den Willen der Selbstherrschaft. In ähnlicher Form sind auch L'vovs historische Skizzen abgefaßt, die der Verfasser als Mitglied der Gesellschaft „Beseda ljubitelej russkogo slova" geschrieben hatte. Seine dreiteilige Skizze „Pozarskij i Minin, spasiteli otecestva"47 enthält eine Lebens- und Charakterbeschreibung des Fürsten Pozarskij („o pochval' nych kacestvach knjazja Pozarskogo") sowie die Beschreibung der Befreiung Moskaus von der polnischen Besetzung im Jahre 1612. Die Gestalt eines russischen Bojaren idealisiert L'vov in der Skizze „Bojarin Matveev"48. Auch hier bestimmt die episch-naive Grundhaltung des Erzählers den Blick auf ein idyllisch-patriarchalisches Bild der Vergangenheit. In die Reihe der historischen Skizzen gehört die Arbeit des Historikers N. Arcybasev „Pristup k povesti o russkich"49. Arcybasev beginnt seine „povest'" mit der Vorgeschichte Rußlands bei Rjurik, dem ersten „edinoderzavec", und führt seine Chronik bis zur Übernahme des Christentums durch Vladimir. Wieder wird der stark emotional gefärbten Erzählung eine Fülle von beglaubigenden Literaturangaben hinzugefügt. Erst Glinkas „Russkie istoriceskie i nravoucitel'nye povesti"50 gehören wieder in den Rahmen der Gattung. Glinka veröffentlichte in diesem Sammelband einige Erzählungen, die er ursprünglich für den „Russkij Vestnik" geschrieben und auch dort bereits abgedruckt hatte. Im „Russkij Vestnik" vermittelte S. Glinka seinen Lesern ein Bild der russischen Geschichte, wobei er den historischen Fakten eine konservativ-nationalistische Deutung gab. Den trockenen, historiographischen Charakter der Zeitschrift suchte der Herausgeber durch historische Anekdoten und Erzählungen aufzulockern. In „Menscikov" sieht Glinka ähnlich wie L'vov die Ursache für das tragische Schicksal seines Helden in persönlicher Machtgier, die zu den staatspolitischen Interessen in Widerspruch gerät. Damit wird ein zentrales Motiv der Karamzinschen Geschichtsauffassung wiederholt, wonach die 46 47 48 49 50

Vgl. G. Gerakov, Knjaz' Menscikov. Ljubopytnyj istoriöeskij otryvok 1727 goda. SPB. 1801. Vgl. P. J. L'vov, Poiarskij i Minin, spasiteli otecestva. SPB. 1810. Vgl. P. J. L'vov, Bojarin Matveev. SPB. 1815. Vgl. N. Arcybasev, Pristup k povesti o russkich. SPB. 1811. Vgl. S. N. Glinka, Russkie istoriceskie i nravoucitel'nye povesti. M. 1819—1820, c. 1 - 3 .

Historische Erzählung (1800-1820)

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Vielzahl egoistischer individueller Interessen durch das System der Selbstherrschaft geordnet und gelenkt wird.51 Tragische Größe erlangt die Gestalt des Fürsten Menscikov bei Glinka erst durch die moralische Läuterung in der Verbannung. Dabei mischt sich in die gesellschaftspolitische Motivation ein Gedanke der Frühromantik an die göttliche Schicksalsfügung52, die allem menschlichen Streben eine unüberwindbare Grenze setzt. Der Lebensweg Menscikovs von der Selbstüberhebung zur Demut gegenüber Gott, Zar und Vaterland steht exemplarisch für das staatspolitische Ideal des Verfassers. Exemplarisch ist auch der Tod des Bojaren Matveev in der Erzählung „Grobnica Matveeva ili izobrazenie smerti nezabvennogo syna otecestva". Hier wie in „Obrazec ljubvi" trägt die Darstellung der Geschichte faktologischen Charakter. Der Erzähler tritt nur als Kommentator in Erscheinung. Statt der verklärenden Poetisierung der Geschichte treffen wir in den Erzählungen Glinkas, z. T. auch in Karamzins „Marfa", die exemplarische Deutung eines historischen Faktums im Sinne einer staatspolitischen Utopie. Hier ergibt sich eine Parallele zu der Entwicklung der „vostocnaja povest'" zu Beginn des Jahrhunderts. Beide Typen haben die „Beweisführung" und das naivdidaktische Pathos des Erzählerkommentars gemeinsam. Nur wird in der historischen Erzählung die Utopie aus der philosophischen Abstraktheit gelöst und im nationalen Raum lokalisiert. Am Rande dieser Entwicklung steht Kazottis „Bojara B-v i M-v ili sledstvija pylkich strastej i narusenija obeta" 53 . Die sentimentale Fabel und der abenteuerliche Charakter der Handlung deutet auf eine Vermischung verschiedener Gattungselemente: Der Bojar M-v heiratet Marja, die Tochter des Voevoden S-j. Als die Ehe kinderlos bleibt, geloben beide eine Wallfahrt nach Kiev. Verpflichtungen im Staatsdienst zwingen M-v, Moskau für einige Zeit zu verlassen. In seiner Abwesenheit dringt der Bojar B-v, als Bettler verkleidet, in sein Haus und entehrt die junge Frau. Nach seiner Rückkehr schwört M-v, diese Tat zu rächen und zieht sich mit seiner Frau auf sein Landgut zurück, nicht ohne vorher die gelobte Wallfahrt nach Kiev zu unternehmen. Auf der Rückreise finden sie unterwegs in einer Bauernhütte den geläuterten Verbrecher B-v als wohltätigen Einsiedler.

Die Behauptung des 18jährigen Verfassers, es handle sich um eine wahre Begebenheit, ist kaum ernstzunehmen. Vielmehr entwirft er vor dem nur flüchtig angedeuteten Hintergrund der Regierungszeit des Zaren Aleksej Michajlovic eine sentimentale Idylle, die den Vergleich mit Karamzins „Natalja" herausfordert. In diesem Rahmen kommt das frühromantische Motiv der Rache an einem Verbrecher nicht zum Austrag. 51

Vgl. J. M. Lotman, Evoljucija mirovozzrenija Karamzina . . . S. 151 f. 52 Vgl. S. N. Glinka, a. a. O., S. 20. 53 Vgl. Petr Kazotti, Bojara B-v i M-v ili sledstvija pylkich strastej i narusenija obeta. Rossijskoe proissestvie, slucivseesja v carstvovanie carja Alekseja Michajlovica. M. 1807. 8*

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Kapitel IV

Literarisch weitaus interessanter ist die anonyme Erzählung „Knjaz' 0 . . . ij i Grafinja M . . . va, ili urok o modnom vospitanii" 54 . Die novellistische Komposition gibt dieser an sich historisch-sentimentalen Erzählung einen modernen Charakter. Der Fürst O. . . ij ist Beamter am Hofe der Zarin Elizaveta Petrovna. Er reist im Auftrage der Regierung nach Kazan'. Unterwegs rettet er aus einem brennenden Landhaus zwei Damen, von denen die eine, Gräfin M-va, in ihm ihren ehemaligen Liebhaber erkennt. Aus ihrem Tagebuch, das der Fürst auf ihren Wunsch im Kreise der Familie vorliest, erfährt diese eine erschütternde Liebesgeschichte. Der Fürst hatte der Gräfin in der Moskauer Gesellschaft den Hof gemacht. Gleichzeitig aber hatte auch der Minister Menscikov um ihre Liebe geworben. O. . .ij wird von Menscikov nach Riga beordert. Die Gräfin ist verzweifelt, da sie von O. . . ij ein K i n d erwartet. O . . . ij erfährt in Riga, die Gräfin sei Menscikovs Geliebte geworden und heiratet. Die Familie des Grafen wird auf Betreiben des Ministers auf ihr Gut verbannt. Nach dem Tode seiner Frau kehrt O. . . ij nach Moskau in seine alten Ämter zurück. Die zufällige Begegnung führt die Liebenden endgültig zusammen.

Die geheimnisvolle Ahnung, die den Fürsten zu der von ihm in der Ferne wahrgenommenen Feuersbrunst führt, ist bereits Stilmittel der romantischen Erzähltechnik. Das Geheimnis der Erkennungsszene wird in der nachfolgenden Erzählung gelöst. Auch hier bedient sich der Verfasser eines Kunstgriffs: Er läßt den Fürsten das Tagebuch der Gräfin vorlesen. Damit ist eine Erzählsituation gegeben, die durch die Unterbrechungen der Zuhörer und Vorlesenden außerordentlich lebendig wirkt. Das Tagebuch vermittelt die Erlebnisse der Gräfin und ihre psychischen Reaktionen auf eine Situation zwischen Hofintrige und echten Liebesgefühlen aus ihrer eigenen, „beschränkten" Sicht. Die Auflösung der darin enthaltenen Mißverständnisse gibt der Fürst durch den anschließenden Bericht über seinen Aufenthalt in Riga, wohin ihm bewußt falsche Informationen über die Gräfin zugetragen wurden. Erst am Schluß sind damit die Gestalt des Fürsten, die in dem Tagebuch der Gräfin höchst zweifelhaft erscheint, rehabilitiert und sein ehrenhaftes und tapferes Verhalten in der Rettungsszene bestätigt. Während die zentrale Begebenheit sogleich sichtbar wird, erscheint das Problem des Erzählers ungleich schwieriger. Der auktoriale Rahmenerzähler verhält sich innerhalb der Handlung völlig neutral. Sein Vorwort, in dem er seine didaktische Absicht dem Publikumsgeschmack gegenüberstellt, hat für die Erzählung selbst keine Bedeutung. Dort gibt es zwei Standpunkte, das Tagebuch der Gräfin und den ergänzenden Bericht des Fürsten. Doch gerade bei der Verwendung dieses Kunstgriffes zeigt der Verfasser seine Hilflosigkeit. Beiden Gestalten fehlt es an Individualität für eine Objektivierung der Handlung. Das Tagebuch enthält einen sentimentalen Monolog, in dem die realen menschlichen Be54

Vgl. K n j a z ' O. . . ij i Grafinja M . . . va, ili urok o modnom vospitanii. Istinnoe rossijskoe proissestvie, slucivseesja v carstvovanie Imperatricy Ekateriny I. Rossijskoe socinenie, izd. A. S. M. 1810.

Historische Erzählung (1800-1820)

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Ziehungen in das traditionelle Schema (Tugend — Laster, falsche Erziehung — echtes Gefühl) gezwungen werden. Der Bericht des Grafen bringt lediglich die Aufklärung eines Mißverständnisses. Neben der sentimentalen Erzählung ist die historische Erzählung zu Beginn des 19. Jahrhunderts die bedeutendste Gattungsvariante. Die Legende und das historische Faktum, in den 90er Jahren bei Karamzin noch ein Element der literarischen Form, nehmen nach der Jahrhundertwende exemplarische, leitbildhafte Gestalt an und werden zum objektiven Ausdruck des Nationalcharakters. In Rußland, wo die gesellschaftlichen Veränderungen nicht zu einer Abschaffung des Feudalabsolutismus führten, fehlt jene gesellschaftspolitische Grenze, die in Europa nach 1789 Vergangenheit und Gegenwart voneinander trennte. Bei der Entwicklung der historischen Erzählung bedeutet das eine weitgehende Aufhebung der zwei Zeitebenen durch die Gestalt des Erzählers und den direkten Bezug zur Gegenwart bei der Darstellung und Deutung historischer Begebenheiten. Die Aufspaltung des Genres in zwei Entwicklungslinien ist zunächst thematisch bedingt. Die sentimental-heroische Erzählung entnimmt ihren Stoff vorzugsweise der legendären slavischen Vorgeschichte (vgl. „Slavenskie vecera"), wobeiden Verfassern bei der Stoffwahl die unterschiedlichsten literarischen Quellen zur Verfügung standen (Bylinendichtung, die Ausgabe des „Igorliedes", Chroniken, Handbücher zur slavischen Mythologie und der historische Abenteuerroman des 18. Jahrhunderts). In der Form neigt die Erzählung dieses Typs zum romantischen Heldengedicht in Prosa. Die Parallele zur „poema" zeigt sich schon in der Gestalt des Erzählers, der den Standpunkt des empfindsamen Zeitgenossen mit dem historischen Standpunkt des Heldensängers verbindet. Neben den in der Erzählerfigur enthaltenen Zeitebenen lassen sich mit dem elegisch-sentimentalen Monolog und dem heroisch-pathetischen „Gesang" auch zwei Stilebenen erkennen, in denen die Erzählerrede zum Ausdruck kommt. Beide Stilebenen verbindet ein Prosarhythmus, zu dem die sentimental-romantische Lyrik und die sprachlich-rhythmischen Muster der Volksdichtung das Vorbild hefern konnten. I n diesen, stark der Lyrik verpflichteten Erzählungen ersetzt das zeitlose Geheimnis der Legende eine historiographisch beglaubigte Wirklichkeit. Eine zweite Gruppe von Erzählungen geht nicht von der Legende, sondern von der historischen Tatsache aus. Dazu gehört Karamzins ihrer Struktur nach sehr komplizierte Erzählung „Marfa posadnica". Durch eine Manuskriptfiktion ersetzt Karamzin den sentimentalen Erzähler aus „Natalja, bojarskaja doc'" durch einen Novgoroder Chronisten. Aus der naiv-epischen Sicht des Chronisten reduziert Karamzin die geschichtliche Entwicklung auf politisch-moralische Grundprobleme, die in der Sphäre menschlicher Leidenschaften ausgetragen werden. Die äußere Form einer Chronik ver-

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Kapitel IV

leiht der im Wesen dramatisch aufgebauten Erzählung einen objektiven Charakter. Ähnlich wie „Natalja" bleibt auch „Marfa" ein Einzelbeispiel. Schriftsteller und Historiker wie L'vov und Arcybasev bestätigen in ihren historischen Skizzen nur die Tendenz zur Aufgabe des fiktiven Elements in der Prosadichtung. Die historischen Vorlagen zu den Charakterskizzen und Sergej Glinkas historischen Erzählungen stammen aus der Zeit vor und während der Regierung Peters I., aus einer Zeit also, in der der russische Feudalabsolutismus einen Höhepunkt erreichte. Der stark didaktische Charakter dieser Erzählungen nimmt ihnen den Anspruch auf literarische Bedeutung. Das gilt auch für die sentimental-historische Idylle „ B o j a r a B-v i M-v ili narusenie obeta". Erzähltechnisch interessant ist dagegen die novellistisch komponierte Erzählung „Knjaz' 0 . . . ij i grafinja M-va". Die „objektive" Variante ist mit ihrer didaktisch-exemplarischen Zielsetzung, ähnlich wie die „vostocnaja povest'" Schlußpunkt der rhetorischen Prosa des 18. Jahrhunderts. Die sorgsam mit Quellenangaben versehenen Lebensbeschreibungen historischer Persönlichkeiten sind „Beweisstücke" in der Darstellung einer reaktionären Utopie, in der die Normen der Feudalgesellschaft als verbindlich für die zeitgenössische Wirklichkeit gefordert werden. Damit entspricht dieser Typ der historischen Erzählung der zeitgenössischen Auffassung von den Aufgaben der literarischen Prosa. In der Ästhetik V. Podsivalovs, die 1796 von A. Skvorcov herausgegeben wurde, finden wir einen direkten Hinweis auf die historische Erzählung. Skvorcov unterscheidet „stichotvornye romany" fiktiven Charakters von „istoriceskie povesti", deren Handlung in erster Linie auf realen Fakten basiert.55 55

Vgl. Sokrascennyj kurs rossijskogo sloga, izdannyj Aleksandrom Skvorcovym. M. 1796, S. 102-103.

KAPITEL V

Die Erzählung der Dekabristen (1820—1825)

Neue Tendenzen in der russischen Prosa und die Entwicklung der Versepik um, 1820 Gegen Ende des zweiten Jahrzehnts begann in der russischen Literatur eine neue Phase in der Entwicklung des Prosa-Stils. Im Jahre 1818 erschienen die ersten acht Bände von Karamzins „Istorija Gosudarstva Rossijskogo" i, die selbst für die anspruchsvollsten Kritiker dieser Zeit, wie Puskin und Batjuskov, in mustergültiger Prosa geschrieben waren. Ein Jahr früher hatte Batjuskov seine „Opyty vstichach i proze" veröffentlicht.2Die Rezensenten, den erfahrenen Belinskij eingeschlossen, kamen zu dem Schluß, daß die Prosa (es handelte sich dabei um satirische und historisch-philosophische Skizzen) in ihrer literarischen Qualität den Versen des Dichters nicht nachstehe.3 Für stilistisch mustergültig hielt man auch N. I. Turgenevs „Opyt teorii nalogov" (1818)4, ein Buch, das nach Meinung des Verfassers nicht nur ein wissenschaftliches, sondern zugleich ein politisches Traktat sein sollte.5 1815/1816 veröffentlichte F. N. Glinka acht Teile seiner „Pis'ma russkogo oficera"6. N. I. Grec nahm einige Auszüge aus Glinkas „Briefen" als Beispiel einer guten Prosa in den ersten Teil seiner „Ucebnaja kniga rossijskoj slovesnosti"7 auf. Interessant für die Entwicklung der russischen Prosa zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist auch die 1818 erschienene „Putesestvie kritiki"8. Der 1 2

Vgl. N. M. Karamzin,

Istorija Gosudarstva

Rossijskogo, Bd. I—VIII,

SPB.

1816-1818.

Vgl. K. N. Batjuskov, Opyty v stichach i proze. SPB. 1817. 3 Vgl. N. V. Fridman, a. a. O., S. 3 - 4 . Vgl. N. I. Turgenev, Opyt teorii nalogov. SPB. 1818; vgl. dazu J. M. Lotman, Lekcii po struktural'noj poetike . ., S. 53. 5 Vgl. B. V. Tomasevskij, Puskin. M.-L. 1956, Bd. I, S. 150. 6 Vgl. F. N. Glinka, Pis'ma russkogo oficera o Pol'se, Avstrijskich vladenijach, Prussii i Francii, s podobnym opisaniem pochoda Rossijan protiv Francuzov v 1805 i 1806 godach, takze otecestvennoj i zagranicnoj vojny s 1812 po 1815 god, 8 6., M. 1815-1816. 7 Vgl. N. I. Grec, „Ucebnaja kniga rossijskoj slovesnosti . . ." SPB. 1819, c. I., S. 164-182. 8 Vgl. (S. v. Ferel'tc), Putesestvie kritiki ili pis'ma odnogo putesestvennika, opisyvajuscego drugu svoemu raznye poroki, kotorych bol'seju castju sam byl ocevidn y m svidetelem. M. 1818. 4

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Kapitel V

Autor, S. fon Ferel'tc, wurde 1956 endgültig von G. Makogonenko bestätigt. 9 Die Bindung an die Traditionen der Aufklärungsprosa, insbesondere an Radiscevs „Putesestvie iz Peterburga v Moskvu" (1790), ist offensichtlich. Hier wie dort wird eine Reihe realistischer Zeitbilder vom Erzähler kommentiert. Wie Radiscev konzentriert sich auch Ferel'tc auf zwei Themen: den Zerfall des Provinzadels und die unerträgliche Lage der leibeigenen Bauernschaft. Daneben läßt sich leicht die Erzähltradition des russischen Schelmenromans und der sentimentalen Erzählung feststellen. Schon die Überschrift verrät den anekdotenhaften Charakter einiger Briefe: „EeflHBiü My?K h ßoraTan HceHa hjih ckojib xy.no Se^HOMy JKeHHTLCH Ha SoraToö (nncbMO 4); KoHOKpaA hjih Kpap;eHHHe jiomaan flopoHie KynjieHHBix (micBMo 15)" 1 0 . Als Erzähler treten Freunde und Bekannte des Reisenden auf, oder er berichtet selbst als Augenzeuge den Hergang der Ereignisse. In Radiscevs „Reise" hielt der satirisch-pathetische Kommentar des Erzählers die Verbindung zwischen den einzelnen Bildern aufrecht. Ferel'tc löst seine „Reise" in eine Reihe von kleinen anekdotenhaften Erzählungen auf, die bereits durch die Dynamik ihrer Handlung eigenen Aussagewert erhalten. Eine bedeutende Rolle für die Ausbildung eines neuen Prosastils spielte der private und zugleich literarische Briefwechsel der Mitglieder des „Arzamas", einer literarischen Gesellschaft, die 1815 als Opposition gegen die „Tafelrunde . . . " des Admirals Siskov gegründet worden war. Der Rahmen des Brief-Genres bot Möglichkeiten zur Lösung bestimmter stilistischer Probleme. Die Briefe der „Arzamas"-Mitglieder wurden zu einer Art Laboratorium, wo ein individueller Prosa-Stil entstand, der sich an der mündlichen Redestruktur orientierte und den Leser mit einer Fülle von alltäglichen, intimen, aber auch literarischen Assoziationen überraschte. In diesen Briefen wurde sowohl die rhetorische Prosa der „Archaisten" als auch die lyrisch-rhythmische Prosa des Sentimentalismus parodiert. Charakteristisch für den Briefstil der Mitglieder des „Arzamas" war die parodistische Verwendung von Schablonen des „hohen" Stils und eine mosaikartige Komposition, in der die unterschiedlichsten Themen und Stilschichten, auch Vers und Prosa, vermischt wurden.11 Sieht man davon ab, daß sich alle genannten Prosastücke außerhalb der literarischen Fiktion befinden, so fällt zunächst eine extreme Vielfalt ins Auge. Es ergibt sich nur ein gemeinsames Strukturprinzip: Reale Fakten und Begebenheiten werden in der Darstellung auf einen sujektiv urteilenden 9 10

11

Vgl. G. Makogonenko, Radiscev i ego vremja. M. 1956, S. 728. Siehe Putesestvie kritiki, Pamjatnik russkoj satiriceskoj publicistiki naöala X I X veka. M. 1951, S. 135. Vgl. N. L. Stepanov, Druieskoe pis'mo naöala X I X veka, in: Russkaja proza. Sbornik statej. L. 1926, S. 7 4 - 8 2 .

D e k a b r i s t e n : Neues in der russischen Prosa

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Verfasser bezogen, der als Historiker, Offizier, Politiker, Ökonom oder Literat auftritt. Die Wirklichkeit wird von verschiedenen Standpunkten gesehen und gedeutet. Dabei erhalten die einzelnen Fakten in der Beziehung zum Subjekt des Autors eine verallgemeinernde Bedeutung, ohne ihren objektiven Charakter zu verlieren. Die literarische Fiktion als Voraussetzung für ein Sujet war in jener Zeit fast ausschließlich der Dichtung vorbehalten. Während in der Prosa ein neues Verhältnis zwischen Autor und einem vorwiegend faktologischen, „statischen" Material entstand, zeigte sich in der Dichtung eine neue Beziehung zwischen dem Erzähler und der Dynamik einer fiktiven Handlung. Am Beginn dieser Entwicklung stand die lyrische Elegie. In der Elegie diente das Handlungsgeschehen, soweit überhaupt erwähnt, nur einer Motivierung der seelischen Erlebniswelt des lyrischen „Ich". Schon in den Balladen Zukovskijs und Katenins wurde die dramatische Bewegung des Sujets nicht mehr ausschließlich vom Autor geführt. Es scheint eher, als begleite er die Handlung als Beobachter und Erzähler, der selbst von den Ereignissen unmittelbar betroffen ist. Puskins Poeme, die nach Zukovskijs Balladen in den Mittelpunkt der literarischen Diskussion rückten, bilden den Abschluß dieser Evolution. Hier verbindet der Erzähler, dessen Gestalt in „Ruslan i Ljudmila" (1820) feste Konturen annimmt, eine emotional-expressive Darstellung mit einem objektiv-neutralen oder ironisch-distanzierten Bericht. I m Zusammenhang mit dieser Evolution des epischen Elements in der Dichtung steht auch die Entwicklung Ryleevs. Nach seinen „Dumy" (1822) erreicht er in dem Poem „Vojnarovskij" (1825) eine Erzählweise, von der Puskin in einem Brief an A. A. Bestuzev vom 21. 1. 1824 schreibt: „. . . Plijieeßa BoftHapoBCKHÖ HecpaBHeHHO Jiynine Bcex e r o Ay M , cjror e r o B03MyjKa>n H cTaHOBHTCH HCTHHHO noBecTBOBaTejibHHM, nero y Hac noHTH eme He ÖBIJIO."

12

Die Entwicklung epischer Elemente in der russischen Dichtung zeigte sich in zwei Richtungen an: Für die Dichtung wurden neue Stoffgebiete, in erster Linie aus der zeitgenössischen Wirklichkeit, entdeckt. Außerdem veränderte sich die Gestalt des lyrischen „Ich" in Richtung auf einen epischen Erzähler. Die emotionale, unmittelbare Beziehung zwischen dem Dichter und dem dargestellten Gegenstand wurde zu einer epischen Distanz zwischen Erzähler-„Ich" und Handlung. Mehr noch, der Erzähler bekam die Möglichkeit, seine Position zu wechseln. So gibt er sich einmal den Anschein, als stünde er unter dem unmittelbaren Eindruck des Schicksals seiner Helden, hin und wieder aber entfernt er sich in die ironische Sicht des neutralen Beobachters. Gerade diese Bewegungsfähigkeit der Erzähler bedingte in hohem Maße ihre Individualität und bedeutete eine Absage an die normative Autorenposition in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Die sprachlichen Be12

Siehe A. S. Puskin, Polnoe sobranie socinenij v 6 toniach, B d . VI, M.-L. 1938, S. 65.

114

Kapitel V

dieser Entwicklung formuliert N. L. Stepanov in seiner Fabeln Krylovs: „Cjiobo y Kpmioisa CTporo h tohho coOTHeceHO c ero peaJibHHM, KOHKpeTHHM 3HaieHHeM (xoth 3to h He orpaimHHBaoio pa3Hooöpa3Hfl . . . ero cmhcjiobhx OTTeHKOB)"13. Das Wort wird nur auf reale Kontexte abgestimmt, die sehr unterschiedlicher Natur sein können, ebenso wie der Blickwinkel, unter welchem der Erzähler diesen Kontext oder Vorgang betrachtet. Die normative Deutungsebene, die der Stilistik des 18. Jahrhunderts zugrunde lag, schwindet in dem Maße, wie sich der subjektive Standpunkt, angefangen bei der Unmittelbarkeit des lyrischen „Ich" bis zu der „verborgenen Subjektivität" des Erzähler-„Ich" durchsetzt. Je deutlicher die notwendigen Voraussetzungen für die Entstehung einer modernen Erzählprosa in das Blickfeld der Literaturkritik gelangte, um so häufiger wurde in Briefen und Aufsätzen auf das Vakuum in der Prosa aufmerksam gemacht. Den Mangel an russischen Schriftstellern stellte Karamzin bereits 1803 in seinem Aufsatz „Ot cegó v Rossii malo avtorskich talantov?" fest. Es fehlt für Karamzin an den nötigen Vorbildern, die der französische Schriftsteller sogleich bei der Hand habe. Außerdem sei die Umgangssprache der Gebildeten als einzige Quelle sprachlicher Orientierung insofern ungeeignet, da man in der Gesellschaft in erster Linie Französisch spräche.1''' Den Gedanken Karamzins führte N. I. Gnedic in seinem Aufsatz „Rassuzdenie o pricinach, zamedljajuscich razvitie nasej slovesnosti" (1814) fort. In einer Gegenüberstellung räumte Gnedic der Dichtimg eine größere Autonomie vor der Prosa ein, die sich nach seiner Meinung immer in Abhängigkeit von der Umgangssprache der gebildeten Gesellschaft entwickelt. Wie Karamzin sah Gnedic das Übel in einem allgemeinen Gebrauch des Französischen.15 Über den Mangel an guter Prosa beklagten sich später Batjuskov, N. I. Turgenev und schließlich der Dekabrist A. Bestuzev.10 Während Gnedic und Batjuskov nach Karamzin der Dichtung das Primat vor der Prosa gaben und das niedrige Niveau der Prosa auf eine mangelhaft ausgebildete Umgangssprache zurückführten, sah Bestuzev das Problem bereits in einem neuen Zusammenhang. Mit der Behauptung, die Prosa verlange eine „Grammatik des Verstandes" („grammatika razuma")17, nahm er Puskins Auffassung vorweg. Sonderheiten

Arbeit über

die

Vgl. N.-L. Stepanov, Masterstvo K r y l o v a basnopisca. M. 1956, S. 181 f. « Vgl. N . M. Karamzin, Izbr. soc . ., Bd. I I , S. 184-185. 15 Vgl. N . I . Gnedic, Rassuidenié o pricinach, zamedljajuscich razvitie nasej slovesnosti, in: Russkaja literatura X I X . veka. Chrestomatija kriticeskich materialov, izd. 2., M. 1964, S. 75-76. 16 Vgl. N . V . Fridman, a. a. O., S. 9. 17 Vgl. A . A . Bestuäev, Vzgljad na staruju i novuju slovesnost' v Rossii, in: „Poljarnaja zvezda" karmannaja kniika dlja ljubitel'nic i ljubitelej russkoj slovesnosti na 1823 god, izdannaja A . Bestuzevym i K . R y l e e v y m . SPB. 1823, S. 36. 13

Dekabristen: Neues in der russischen Prosa

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Im Jahre 1822 schrieb Puskin einen kurzen Aufsatz „ 0 proze", in dem er seine Vorstellungen von einem guten Prosastil darlegt: „ T O H H O C T L H KpaTKOCTB — BOT nepBtieFLOCTOHHCTBAnpo3bi. OHa TpeßyeT Mbicjieit H Mticjieö — 6e3 HHX ßJIECTHMIIE BbipaweHMH HH K neiwy HE cjiyHiaT; CTHXII — ßejio flpyroe..."18

Eine solche Prosa forderte auch die zeitgenössische Theorie der Rhetorik von wissenschaftlichen und philosophischen Arbeiten. Puskin dachte bei der Hervorhebung der Prosa Karamzins in erster Linie an dessen historiographische Arbeiten. Doch von einem Zeitstil im Bereich der literarischen Prosa konnte nicht die Rede sein. „IIpo3a Haina Tau enje Majio oßpaßoTaHa, TTO FLAVKE B n p o c T o ö nepenacKe M U npHHymfleHti COSFLABATB oßopora JIJM H3i>HCHeHHH noHHTHÖ C S M M X oßbiKHOBeHiibix, Tan I T O jieHOCTt Haina oxoraee BupaJKaeTCH Ha H3HKe iy}K0M, . . , " 1 9

Das Verhältnis zwischen Vers und Prosa gewann um das Jahr 1820 auch einen sozialen Aspekt. Am 21. 4. 1820 schrieb Puskin an Vjazemskij: „. . . BeK Harn He BeK n03T0B . . . cKopo M H ß Y S E M npHHyjKfleHH, no He.noCTaTKy cjiyiuaTejieft, HMTSTB CBOH CTHXH a p y r flpyry Ha y x o " 2 0 .

Dem entspricht eine Passage aus dem drei Jahre später veröffentlichten Aufsatz „Vzgljad na russkuju slovesnost' v tecenie 1823 goda" von A. Bestuzev: „Ka3aJiocL, HTO npomeAuiHÖ roa 6HJI oceHbio AJIH COHOBLCB Harneii n033HH" 2 1 .

Die hier angedeutete Krise in der Poesie wurde zu Beginn der 20er Jahre für die literarisch gebildeten Zeitgenossen offensichtlich. Das Lesepublikum begann zu einer bunten Masse unterschiedlich gebildeter Leser anzuwachsen, die der Autor weder auf Grund einer sozialen Zusammengehörigkeit noch durch persönliche Beziehungen kennen konnte. Durch die wachsende Zahl der Zeitschriften und den verstärkten Buchdruck entstand eine indirekte Verbindung zwischen Autor und Leser, die von der Literatur neue Gestaltungsprinzipien verlangte. Für ein intimes, im Kreis der Freunde vorgetragenes Gedicht fehlte jetzt der nötige Kontakt. Die Zeit der intimen Lyrik „dlja nemnogich" war vorüber. In der zweiten Hälfte der 20er Jahre wurde die Lyrik von der Prosa bereits entscheidend zurückgedrängt. Die Dekabristen bevorzugten jedoch noch eindeutig den Vers. Dabei handelte es sich im Gegensatz zu den elegisch-weichherzigen Gedichten Zukovskijs und der Anakreontik Batjuskovs um eine gesellschaftskritische Lyrik, in deren Motiven und Stilformen sich das Ideengut der russischen Auf18 Siehe A . S. Puskin, Polnoe sobranie socinenij, Bd. 1-16, izd. A N . SSSR, M.-L. 1937-1949, Bd. 11, S. 19. 19 Siehe A . S. Puskin, O predislovii g-na Lemonte k perevodu basen I . A . K r y l o v a (1825), in: A . S. Puskin, Poln. sobr. soc. v 6 tomach, Bd. V , M. 1938, S. 18. 20 Zitiert nach: D. D. Blagoj, Literatura i dejstvitel'nost'. M. 1959, S. 16. 21 Siehe A . A . Bestuiev, Vzgljad na russkuju slovesnost' v tecenie 1823 goda, i n : „Poljarnaja zvezda" (Literaturnye pamjatniki), M.-L. 1960, S. 271.

Kapitel V

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klärung mit einem romantischen Subjektivismus verband. Die ethische Funktion der Literatur bekam in Anlehnung an Radiscev und Derzavin wieder einen politisch-gesellschaftlichen Aspekt. Der Dichter war sich zugleich seiner Pflichten als Staatsbürger bewußt. An die Stelle des göttlichen Weltzusammenhangs i n der deutschen Romantik setzten die Dekabristen eine bessere irdische Welt, eine Utopie, die zum großen Teil ihrer romantischen Phantasie entsprang. Es galt, mit literarischen Mitteln die zeitgenössische Wirklichkeit mit ihren sozialen Mißständen („suscee") herabzusetzen und die Zukunft („dolznoe") vor den Augen des Lesers zu erhellen. A. Bestuzev forderte den Dichter auf, in der Geschichte seines Volkes die Kräfte zu suchen, die auf jene bessere Zukunft hoffen ließen. 22 Dieser Gedanke forderte eine neue Geschichtsauffassung. Folkloristische und historische Motive wurden in der Poesie der Dekabristen aktualisiert im Hinblick auf eine Veränderung der Gegenwart. Der unmittelbare Ausdruck ihres leidenschaftlichen Protestes, das revolutionäre Pathos sozialer Anklage, war für die Dekabristen mit dem Vers verbunden. Rhythmus und Reim verstärkten den emotionalen Charakter ihrer agitatorischen Dichtung. Dem Ruf nach Prosa folgen sie nur zögernd. Die historische

Erzählung der KjucheVbeker

Dekabristen

Wie in der Lyrik interessierte man sich auch in der Prosadichtung vorwiegend für historische Stoffe. Zwischen der heroisch-sentimentalen Erzählung und der historischen Erzählung der Dekabristen steht Kjuchel'bekers „Ado. Estonskaja povest'" 2 3 . Unter den Freunden und Lyzeumskameraden in „Carskoe selo" war V. K. Kjuchel'beker der „merkwürdigste, komplizierteste und vielleicht auch am wenigsten erfolgreiche" 24 Dichter. Er selbst bezeichnete sich als Romantiker im Lager der Klassizisten. Seine Lyrik war eine komplizierte Mischung unterschiedlicher Motive und Stilelemente. Dem entspricht auch der Charakter seiner einzigen Prosaerzählung größeren Umfangs vor 1825. Ado, der Anführer der estnischen Stämme am Peipussee, ist nach der Niederlage gegen den Schwertritterorden und seine lettischen Verbündeten in die Wälder geflohen und hält sich dort mit seiner Tochter Maja und ihrem Verlobten Nor verborgen. In Nor weckt die Au'speitschung seines Vaters Sur durch lettische Krieger den Gedanken der Rache, und mit seiner Unterstützung entsteht eine estnische Verschwörung gegen den Orden. Zum Anführer der Esten wird Ado gewählt. Nor reist 22 Vgl. Istorija russkoj kritiki, izd. AN SSSR, M.-L. 1958, Bd. I, S. 201-202. 23 Vgl. V. K. Kjuchel'beker, Ado. Estonskaja povest', in: „Mnemozina", M. 1824, c. I., S. 119-167. 24 Vgl. Stender-Petersen, Geschichte der russischen Literatur. München 1957, Bd. IT, S. 91.

Historische Erzählung: Kjuchel'beker

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nach Novgorod und bittet dort um militärische Hilfe, die ihm der Fürst Jaroslav Vsevolodovic zunächst zusagt. Die Volksversammlung lehnt aber den geplanten Feldzug gegen Riga ab. Inzwischen wird die estnische Verschwörung aufgedeckt und Maja und Ado gefangengenommen. Die geplante Hinrichtung Ados soll in Anwesenheit des Rigaer Priors stattfinden und verzögert sich. Maja kann infolge dieser Verzögerung entfliehen. Sie kehrt zurück mit Nor, dem es mit Hilfe eines mordvinischen Fürsten gelingt, Ado aus der Haft zu befreien. Nor, Maja und Ado lassen sich in Novgorod nieder und nehmen den christlichen Glauben an. Nor fällt später in einem Gefecht gegen den Orden, Maja stirbt bei der Geburt ihres ersten Kindes.

Den historischen Hintergrund dieser Erzählung bilden zwei Ereignisse aus dem Jahre 1227. Der Schwertritter-Orden erobert die Gebiete um den Peipussee, und der russische Fürst Jaroslav II. Vsevolodovic, Schirmherr von Novgorod, erhält von der Stadtbevölkerung eine Absage auf seine Forderung nach einer militärischen Aktion gegen Pskov. Kjuchel'beker heroisiert keine Helden der slavischen Legende, sondern fiktive Romanfiguren in einer konkreten historischen Situation. Aus dem Helden der Legende wird der politische Verschwörer, der revolutionäre Freiheitskämpfer. In den „Vecera" bestimmt eine schicksalhafte, historische Notwendigkeit die Handlung, bei Kjuchel'beker ist das Geschehen weitgehend von politisch zufälligen Umständen abhängig. Die Reise Nors nach Rußland verbindet zwei Handlungskreise: die Verschwörung der Esten und die angespannte Situation in Novgorod. Das Nebeneinander beider Handlungsstränge wird zu einem linearen Nacheinander ohne eine echte kausale oder psychologische Motivierung. Die Liebe Nors zu Maja ist ein Detail und bleibt außerhalb jeder sentimentalromantischen Gefühlsanalyse. So gliedert sich die Erzählung in eine Szenenfolge, die nur lose durch äußere Handlungsumstände verbunden ist. Kjuchel'bekers frühromantische Grundhaltung, wonach er seine Gestalten als „prizraki" seiner Phantasie betrachtet wissen wollte 25 , zeigt sich auch in der Motivationstechnik der Erzählung. Eine genaue Motivierung der Ereignisse durch historische Belege hätte den Schwerpunkt auf den historischen Inhalt der Erzählung verlegt und die Aussagekraft der romantischen Bilder und Figuren abgeschwächt. I m Zentrum steht dabei das Schicksal des einsamen Volkshelden, dem die „prezrennaja tolpa" aus kleinlichen Interessen nicht in den Befreiungskampf folgen will. Die Parallele zur Dakabristenbewegung ist nur zu deutlich: „B flojirite 3 H M H H E HOHH OHH ßECEFLOBAJIH o C B O ß O ^ E H OTENECTBE; raeB H O T I A H H U E oßypeBajiH cepflija H X : OHH BOKpyr ce6n 3pejiH O^HO Majioaymiie" 26 .

I n den romantischen Motivkreis gehört die tragische Gestalt des Sängers vom Neckar, der anläßlich der Feiern zu Ehren des Bischofs am Hof des Letten Ubal'd eintrifft. 25 Vgl. Istorija russkoj literatury, Bd. I - X , izd. A N SSSR, M. L. 1941-1954, Bd. VI, S. 9 6 - 9 7 . 26 Siehe „Mnemozina", M. 1824, iBmMci>, H flapoM, n p a B ^ y cKa3aTb, nopyßjiHBajiH BCTpemoro Ii n o n e p e ^ H o r o . . . " „ H y , fla 3to, i t o 6 He pa3yiHTBCH hjih noy^HTbca", — TOBOpHJI oh" 57 .

Balladesken Charakter bekommt die Erzählung bei der A n k u n f t des Z w i l l i n g s b r u d e r s : „. . . h Bflpyr noiyflHJiocb, öy^TO k t o - t o , rapKan, CKaieT k KpbiJibBiy . . . yjKe no KpbiJibijy . . . — O t b o p h , otboph! — 3arpeMejio 3a

SBepbio . . ."; „CnHmHO öhjio, KaK pwaJi KOHb h Tonan no njiHTaM no«KOBaMH . . . h Bßpyr sBepn, 3acTOnaB o t y j j a p a , c o c k o i h u h c neTJieft h pyxHyjin Ha non . . . B o h h b qepHbix JiaTax . . . piiHyjicfl k Hanoio . . ,"58.

Dem Erzähler fällt diesmal auch die Aufgabe der Deutung zu: „EpyHO noraß — h ^eJiBHo: oh 6biji BHHOBaT; «a TOJibKO npaBbi jih ero yßniiijbi? PerHHajibA 6hji Majibiü ßjiaropoRHbm, floöptiH,. . . Oh BoccTaJi tojibko ^jih cnaceHHH CBoefl ?kh3hh, a MoaceT ßtiTb h ßjra BbiroT CBoeft jkh3hh ! KaKan-?K b tom 3 a c j i y r a ? " 5 9 .

Damit rückt das Motiv des Tyrannenmordes in den Mittelpunkt der Erzählung und schließt damit an die Erzählung „Zamok Venden" an, in der ein ähnliches Urteil vom auktorialen Erzähler ausgesprochen wird. Bei Bestuzev steht das romantische Motiv des Tyrannenmordes nicht isoliert oder gar als literarisches Stilmittel. I h n interessiert die Gestalt des Mörders und seine Beweggründe. I m Urteil des Offiziers bleibt der Mord an dem 67 Siehe BestuZev, a. a. O., S. 196. 58 Siehe ebenda, S. 204. 69 Siehe ebenda, S. 203.

Historische E r z ä h l u n g : Bestuzev — Marlinskij

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Ritter Bruno ein Verbrechen, da der Mörder einzig aus persönlichen Motiven zur Tat gelangt. Dieses Urteil enthält aber zugleich indirekt eine Rechtfertigung des Tyrannenmordes aus sozialen Beweggründen. Damit ließe sich die Erzählung in direkten Zusammenhang bringen mit der aktuellen Diskussion über die Ermordung des Zaren, die in den Geheimgesellschaften der Dekabristen eine Rolle spielte. Die Aktualisierung des historischen Stoffes ist auch künstlerisch durch die konkrete Gestalt des zeitgenössischen Erzählers motiviert. Der Wechsel der Perspektive von ironischer Distanz und lyrisch-balladesker Unmittelbarkeit, der Wechsel zwischen der Erzählergegenwart und der Zeitebene der Handlung gibt der Erzählung ihren lebendigen Charakter. Von den historischen Erzählungen Bestuzevs, zu denen der Stoff speziell der russischen Geschichte entnommen ist, hat nur „Roman i Ol'ga" (1823)60 literarische Bedeutung. Der Verfasser datiert die Handlung auf die Jahre 1396—1398. Um diese Zeit wehrte sich das freie Novgorod gegen die Ansprüche des Großfürstentums Moskau und seiner litauischen Verbündeten. Im 14. Jahrhundert war Novgorod dem durch ständige Tatarenüberfälle geschwächten Moskau militärisch und kulturell überlegen. Nicht ohne Grund wählte Bestuzev für seine Erzählung einen früheren Zeitpunkt aus der Geschichte Novgorods als Karamzin, der die Beseitigung der Republik als einen notwendigen Akt bei der Einigung des russischen Reiches unter dem Zeichen der Monarchie betrachtete. Für die Dekabristen war die Republik Novgorod das Symbol ihres Kampfes gegen die absolute Selbstherrschaft. 61 Aus der Entwicklung Novgorods leiteten sie nicht nur alle demokratischen Traditionen der russischen Geschichte ab. Kjuchel'beker brachte in seinen Pariser Vorlesungen sogar die Entwicklung der russischen Literatursprache mit dem demokratischen Gemeinwesen Novgorods in Verbindung. Diese romantische Idealisierung des „vecevoj Novgorod" bezeugt auch Bestuzevs Erzählung. R o m a n J a s e n s k i j ist in Ol'ga, die T o c h t e r des N o v g o r o d e r K a u f m a n n s S i m e o n Y o e s l a v , v e r l i e b t , v e r f ü g t a b e r n i c h t ü b e r g e n ü g e n d G e l d m i t t e l , u m V o e s l a v s Zus t i m m u n g zu einer H e i r a t zu e r r e i c h e n . D a t r e f f e n in N o v g o r o d die A b g e s a n d t e n des M o s k a u e r G r o ß f ü r s t e n V l a d i m i r ein, u m die B e v ö l k e r u n g f ü r d e n K a m p f gegen d e n O r d e n u n d die H a n s e zu g e w i n n e n . N o v g o r o d w e i g e r t sich a b e r , K r i e g gegen seinen H a n d e l s p a r t n e r zu f ü h r e n . R o m a n , d e r u r s p r ü n g l i c h die A b s i c h t h a t t e , seine B r a u t z u e n t f ü h r e n , r e i t e t als Spion n a c h M o s k a u u n d v e r s u c h t , die B o j a r e n gegen d e n Großfürsten einzunehmen. Unterwegs überfällt ihn der R ä u b e r Berkut, läßt ihn aber f r e i , als er in R o m a n e i n e n t r e u e n B ü r g e r d e r S t a d t N o v g o r o d e r k e n n t . I n M o s k a u v e r h a f t e t u n d e i n g e s p e r r t , w i r d R o m a n drei T a g e v o r seiner H i n r i c h t u n g v o n B e r k u t g e r e t t e t . A u f d e m H e i m w e g n a c h N o v g o r o d b e f r e i e n sie S i m e o n Voeslav a u s Moskauer Gefangenschaft. e0

61

Vgl. A . B e s t u z e v , R o m a n i O l ' g a . S t a r i n n a j a p o v e s t ' , i n : „ P o l j a r n a j a z v e z d a " n a 1823 god. Vgl. S. S. Volk, I s t o r i c e s k i e v z g l j a d y d e k a b r i s t o v . M.-L. 1958, S. 327.

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Kapitel V

Der günstige Ausgang einer Schlacht gegen die Moskauer Truppen geht der Hochzeit voraus.

Der zentralen Liebesgeschichte liegt ein Legendenmotiv zugrunde: Roman singt im dritten Kapitel seiner Geliebten von der Liebe des varägischen Ritters Harald zu Elizaveta, der Tochter Jaroslavs des Weisen, der dem Ritter auf seinen Antrag antwortet: „. . 3Hafi, HTO O^HHMH necHHMH HE Kyn62 HHIB p y K H E J I H 3 A B E T H , n o n y ^ a cjiaßa HE ßYFLET TBoeio CBaxoio" . U n d Ha63 rald zieht in den Krieg, um sein Glück zu erkämpfen. Wie in „Revel'skij turnir" erinnern die Liebesszenen an die Tradition der sentimentalen Erzählung. Mit der Zusage Ol'gas zur Flucht scheint sich eine Fabel nach dem Vorbild der „Natalja" zu entwickeln. Da setzt der historische Handlungskreis ein. Roman entführt seine Braut nicht, sondern stellt sich in den Dienst des Vaterlandes. Mit Hilfe des romantischen Räubers Berkut gelingt es ihm, sich auszuzeichnen, und damit auch sein privates Schicksal zu wenden. Die direkte Verbindung von patriotischer Tat und persönlichem Glück war ein Grundgedanke der Dekabristen-Ethik. Diese vereinfachte Kausalität bewältigt der Verfasser nur durch eine willkürliche Verknüpfung der Handlungsfäden. Ein hohes Maß an äußerer Handlung drängt den Dialog in den Hintergrund. Doch zeigen der unvermittelte Auftritt des Simeon Voeslav zu Beginn der Erzählung und das Gespräch mit seinem Bruder auch hier Bestuzevs Tendenz zur Dramatisierung des Genres: „— 9T0My He ötiBaTb! — roBopwji CmvieoH BoecJiaß, HMeHHTMHrocTb HOBropoflCKMÜ GpaTy CBoeaiy: He ßtiBaTb KaK RByM cojmu;aMHa He6e. NPAB^a, TBOÜ JNOßHMEU;, PoMaH FLCEHCKHÜ xopom H n p u r o j K . . . oflHa

ße^a . . . — OH ÖE^EH, CTaJio ÖBITB, HE B H ^ A T T EMY 3a coßoö Ojibrn" 64 . Bei überwiegend szenischer Darstellung wirkt die Komposition bruchstückartig und uneinheitlich. Die Liebesszenen sind eindeutig nach dem Vorbild Karamzins geschrieben. Ähnlich wie in Karamzins „Natalja" entsteht neben der „historischen Schicht" eine „sentimentale Schicht". Die Anmerkungen des Erzählers außerhalb dieser Sphäre vermitteln nur skizzenhaft ein historisches Kolorit. Eine sichtbare Parallele zur Gegenwart des Verfassers ist auch in der 1825 veröffentlichten romantisch-historischen Erzählung „Izmennik" 6 5 enthalten. Sie berichtet v o m Schicksal der Brüder Vladimir und Michail Sitckij in Perejaslavl' zur Zeit des zweiten „Lzedrnitrij" (Beginn des 17. Jahrhunderts). Vladimir hat die Liebe der Tochter des Voevoden von Perejaslavl', Elena, und die Anwärterschaft auf den Titel des Voevoden an seinen jüngeren Bruder verloren. Aus leidenschaftlichem Haß läuft er zu den polnischen und litauischen Interventen über und nimmt teil an der Belagerung der Stadt. Bei einem Angriff tötet er seinen Bruder und wird selbst schwer verwundet. Vor seinem Tode vernimmt er noch ein Gespräch zwischen 02 03 64 65

Siehe Bestuzev, a. a. O., S. 91. Über den Einfluß der Folklore bei Bestuäev vgl. V. V. Vinogradov, O jazyke chudoiestvennoj literatury. M. 1959, S. 5 3 8 - 5 3 9 . Siehe B e s t u i e v , a. a. O., S. 86. Vgl. A. Bestuzev, Izmennik. Povest', in: „Poljarnaja zvezda" na 1825 god.

Historisehe Erzählung: Bestuzev — Marlinskij

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plündernden Polen, die ihn als Verräter charakterisieren u n d beiläufig erwähnen, daß m a n die Leiche der Elena aus dem Fluß geborgen habe.

Vladimir Sitckij gehört in den Kreis der romantischen Egoisten, die aus einer unbezähmbaren Leidenschaft zum Verbrecher werden. Die Brüder Sitckij sind nach dem gleichen Prinzip dramatischer Gegenüberstellung konzipiert wie die Paare Gedeon — Strejterfel'd („Gedeon") und die Ritter Nordek und Mej („Zamok Nejgauzen"). In der Erzählung „Izmennik" versucht der Verfasser, den Charakter des Vladimir Sitckij stärker zu motivieren. Zu Beginn deutet der aus Moskau heimkehrende Vladimir in einem Selbstgespräch am Plesceevo-See die leidenschaftliche und zwiespältige N a t u r seines Charakters a n : „IlycTb ate tboh ßepera coxpaHHT MeHH ot . . . 6ypn JKH3HH, h Bcero ßojiee ot mchh caaioro, KaK tboh bo^bi cnacann HeKor^a npe^KOB ot hpocth TaTap" eo . I n dem Dialog zwischen einem Wachtposten und einem Tischler auf den Mauern der Stadt werden die Brüder Sitckij danach aus der Sicht einfacher Bürger beschrieben, die einen neuen Voevoden erwarten. I n der nächsten Szene versucht Vladimir in einer finsteren Gewitternacht eine Teufelsbeschwörung. In der Erzählerrede erhält diese Szene schauerlich-balladesken Charakter. Das frühromantische Gespenstermotiv wird von Bestuzev, der hier gleichsam Gogol' vorwegnimmt, hyperbolisiert: „KaJKflyio n o j m o i b — n o cjiOBaM y ^ a j i t i x o x o t h h k o b , cjibiiiihbi Tain njiecK Kptra, XOXOT H CBHCTH. CHHHe OrOHBKH JieTaiOT nO B03flyxy, MejIbKaiOT yjKacHtie npHBHfleHHH w BOJimeÖHMK c KpoBaBHMH ycaMH 6poflHT KpyroM h MaHHT a a 6 j i y ^ m e r o nyTHHKa" 07 .

I n dieser romantischen Situation erscheint vor Vladimir der Versucher in Gestalt des russischen Überläufers Chvorostinin. Er überredet Vladimir zum Verrat. I n ihrem Gespräch findet sich wieder die Gegenüberstellung von niedrigem Egoismus und Hingabe im Dienst für das Vaterland. 68 Der Dualismus zwischen egoistischer Leidenschaft und patriotischer Pflicht ist hier weitgehend in der Gestalt des Vladimir Sitckij selbst enthalten. I n die Charakterzeichnung mischen sich aber bereits kritische Elemente. Die Lebensbeichte Vladimirs enthält eine Art offener Selbstkritik: „ . . . h He Mor jkhtb BOBce 6e3 jnofleß, c KOToptiMH He Mor y?KHTbCH. TaKOBa-TO ijem. oömecTBa: chhtb mbi ee He b cnjiax, a pa3opßaTb He peimntcn" 69 . Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Äußerung des Zynikers Chvorostinin: „ . . . MHe, npaBO, cMenmu bbi, ropmiie rojiOBbi. Booöpa3HJiH ceße, *ito ijejibiii cBeTflOJiHteHrjinseTb BaM b rjia3a h mto npnpofla fljiH Bac BepraTCH Ha K y p b e ü HOJKKe! K HeMy cjiyjKaT Bce 9 t h 3aKJiimaHHH 11 npoKJiHTbfl? KaK Tbi He ropnHHCh, a 9 t o He BLicyniHT Haniero n j i a T b f l . . ." 7 0 . 66 Siehe Bestuiev, a. a. O., S. 108. 68 67 Siehe ebenda, S. 111. Vgl. ebenda, S. 113. 6» Siehe ebenda, S. 115. ™ Siehe ebenda, S. 113.

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Kapitel V

Damit ist Sitckij nicht im historischen Rahmen motiviert. Er gehört in die Reihe der zeitgenössischen jungen Adligen, wie sie bei Puskin in „Kavkazskij plennik" und in „Cygany" zum Typ erhoben werden. I n der Komposition der Erzählung ergeben sich auch Parallelen zu Lermontovs „Geroj nasego vremeni" (1840): Der äußerlichen Charakterisierung durch den auktorialen Erzähler und das Gespräch der Stadtbewohner folgt die Lebensgeschichte Vladimirs, von ihm selbst erzählt. Doch auch hier zeigt sich der Abstand zwischen dem Romantiker und dem Realisten. Bei Bestuzev gewinnt die Außenwelt, die soziale und historische Umgebung des Charakters, keine festen Konturen. Die realen Beweggründe für die Entscheidungen Sitckij s sind nur flüchtig angedeutet. Dem gegenüber unterstreicht die Gestalt des lyrisch-balladesken Erzählers nur den dämonischen Charakter des Helden. Die Bedeutung der historischen Erzählungen Bestuzevs für die Entwicklung der Gattung darf nicht unterschätzt werden. I n der Gestalt des literarisch und historisch gebildeten Offiziers macht Bestuzev den Versuch zur Schaffung einer individuellen Erzählerperspektive. Die Einführung einer konkreten Rahmensituation, die den Fluchtpunkt dieser Perspektive in der Gegenwart des Verfassers motiviert, bietet die Möglichkeit, zwischen Gegenwart und Historie eine Distanz entstehen zu lassen und damit die historischen Vorgänge zu objektivieren. Eine solche Tendenz zeigt sich jedoch nur im Ansatz (vgl. „Zamok Ejzen", „Zamok Venden"). Weit mehr Raum gibt Bestuzev der lyrisch-expressiven Erzählhaltung aus der Tradition Karamzins und Zukovskijs. Der oft unmotivierte Wechsel der Optik, sprachlich ausgedrückt durch einen ständigen Wechsel der Stilebenen 71 , verhindert eine geschlossene Komposition der Erzählungen. Die Form des „skaz", bei Bestuzev erstmalig eine syntaktisch deformierte, der mündlichen Redestruktur angepaßte Erzählweise, gibt der Gestalt des Ich-Erzählers keine eigene, vom auktorialen Erzähler verschiedene Physiognomie. So überwiegt bei Bestuzev der lyrisch-expressive Standpunkt des auktorialen Erzählers, wie sehr er auch zwischen Autor und Ich-Erzähler zu differenzieren versucht. Die Idee seiner Erzählungen besteht in dem Dualismus zwischen egoistischer Leidenschaft und patriotisch-sittlichem Pflichtgefühl. Unter dem Einfluß des zeitgenössischen Dramas verlegt der Verfasser den Konflikt der Handlung vorwiegend in den Dialog der zueinander stark kontrastierenden Gestalten. Dieser Konflikt, bei Karamzin an den Gestalten demonstriert, vom Erzähler aber entwickelt, wird hier in die Gestalten selbst verlegt. Die Handlung enthält im wesentlichen zwei Motive, deren unmittelbare Wechselbeziehung sich bei Karamzin nur andeutet: Das Liebesgefühl und die patriotische Tat des Helden verbinden zumeist zwei Handlungsstränge (vgl. „Revel'skij turnir", „Roman i Ol'ga"). Ihre kompositiorische Ver" Vgl. V. Vinogradov, a. a. 0 . , S. 540.

Historisohe Erzählung: Korniloviô

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bindung, schon erschwert durch die vorwiegend szenische Darstellung, gelingt nur in einer einfachen, abenteuerlichen Fabel. I n einigen Fällen findet sich der Ansatz zu einer Rahmenerzählung (vgl. „Zamok Venden", „Zamok Ejzen"). Die Frage nach dem historischen Charakter der Erzählungen Bestuzevs beantwortet bereits Belinskij negativ. 72 Historisch sind allenfalls die Kulisse, die Namen und einige Begebenheiten. In die fiktive Handlung aber projiziert der Verfasser zeitgenössische Probleme. I h n interessiert der romantische „Held seiner Zeit" nicht als gesellschaftliches Phänomen, sondern in seiner poetischen Gestalt (vgl. Byron). Ihn stellt er immer wieder einer in Vorurteilen erstarrten Gesellschaft gegenüber, deren Bild ebenfalls nur bedingt historischen Charakter trägt. I n einem Brief an Bestuzev (Mai/Juni 1825) summiert Puskin die Vorzüge und Mängel der Erzählungen Bestuzevs: „ T B O H Typraip HanoMHHAET T Y P H H P B I W. Scotta. Epocb STHX HeMijeB H OÔPATHCB K HAM npaßocjiaBHBiM; na n0JiH0 Teöe iracaTb öbicTpue noBecra c poMaHTiraecKHMH nepexo,U;aMH — STO xopouio AJIH no33HH 6aöpoHHHecKoö. PoMaH TpeßyeT 6 0 J I T 0 B H H , BbicKa3biBaö Bce HANUCTO. T B O H BJIAFLHMNP ROBOPHT H 3 H K O M HeMeijKoü npaMbi, CMOTPNT Ha cojimje B nojmoib etc. Ho oimcaHHe CTaHa jiHTOBCKoro, pa3roßop njioTHHKa c nac(oBbiM) npejiecTb, KOHeu; TaKJKe. 73

B N P O ^ e M Be3fle TBOH HeoÔHKHOBeHHan îKHBOCTb" .

Komilovic

Zu den Verfassern historischer Erzählungen unter den Dekabristen gehört auch A. 0 . Kornilovic. Er wurde 1816 noch vor Abschluß der Militärschule in Moskau zum Mitarbeiter des Militärhistorikers D. P. Buturlin und studierte in Moskauer und Petersburger Archiven Material für eine von Buturlin geplante russische Kriegsgeschichte. Die erste seiner historischen Erzählungen, die thematisch alle mit der Regierungszeit Peters I. verbunden sind, entstand 1820, wurde aber erst 1828 unter dem Titel „Utro vecera mudrenee" veröffentlicht. 74 Das Sujet entnahm der Verfasser einer Erzählung des Mechanikers und Ingenieurs am Hofe Peters I. A. K. Nartov. 7 5 Romodanovskij, der Statthalter Peters I., feiert die Hochzeit seines Patenkindes Dementij Pavloviö Gornostaev mit der Bojarentochter Marja Patrikeevna Polubojarova. Während der Festlichkeiten sucht Peter I. seinen Statthalter auf, u m ihm seine Besorgnis über die finanzielle und politische Lage des Landes mitzuteilen. Noch 72 73 74

75

Vgl. V. G. Belinskij, a. a. O., Bd. I, S. 274. Siehe A. S. Puskin, Poln. sorb. soc., v 6 tomach, Bd. 6, M. 1938, S. 114. Vgl. A. O. Kornilovic (Pseud. Staroäilov), Utro vecera mudrenee, in: „Arborn severnych muz", izdannyj A. Ivanovskim, S P B . 1828. Vgl. A. K. Nartov, Dostopamjatnye povestvovanija i reci Petra Velikogo, in: „ S y n otecestva", S P B . 1819.

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Kapitel V

in der gleichen Nacht entdeckt Romodanovskij dem Zaren an einem geheimen Ort eine Geldtruhe, die der verstorbene Vater des Zaren seinen Kindern für Notzeiten hinterlassen hatte.

In einer „pribavlenie dlja gospod kritikov" berichtet der Verfasser von dem Eindruck, den diese Erzählung bei seiner Hauswirtin hinterlassen hat. Sie fragte mit Recht, welche der beiden nur lose untereinander verbundenen Episoden dem Autor wichtiger war, und rät ihm, beide nur skizzenhaft ausgeführten Bilder zu zwei selbständigen Erzählungen zu erweitern. 76 Über die Hälfte der nur 12 Seiten umfassenden Erzählung ist der Beschreibung der historischen Kulisse gewidmet (Kostüme, Hochzeitsbräuche, die politische und militärische Lage Rußlands vor dem endgültigen Sieg über Schweden). Zu diesem, bis ins Detail rekonstruierten historischen Hintergrund kontrastiert der sentimental-romantische Dialog zwischen dem Zaren und seinem Statthalter. Der „aufgeklärte" Monarch betrachtet seine Aufgabe von einem rationalistischen Standpunkt und ist bereit, die Kirchenglocken einschmelzen zu lassen, um Kanonen zu bauen. Sein Statthalter überzeugt ihn davon, er müsse, um zum Ziel zu gelangen, immer die Meinung des Volkes respektieren, das einem Angriff auf die Religion Widerstand leisten würde. Kornilovic berührt mit diesem Dialog ein Thema der politischen Diskussion unter den Dekabristen — das Verhältnis des Zaren zum Volk. Der Widerspruch zwischen dem fiktiven und aktualisierten Dialog und dem historischen Hintergrund ist deutlicher als bei Bestuzev, da Kornilovic die Geschichte bis ins Detail nachzeichnet, während Bestuzevs historische Kulisse zumeist romantisch-fiktiven Charakter trägt. Die zweite Erzählung Kornilovics, „Za bogom molitva, a za carem sluzba ne propadajut", wurde 1825 in dem Almanach „Poljarnaja zvezda" veröffentlicht. 77 Peter I. übernachtet unerkannt im Hause seines ehemaligen Hauptmanns Berdin und erfährt von Natalja, der Tochter Berdins, die in Abwesenheit ihres Vaters die Hauswirtschaft führt, daß ihr Vater nicht die verdiente Rente bekommt und ihr selbst und ihrem Bräutigam, dem Leutnant Muchanov, die nötigen Mittel zur Heirat fehlen. Bald darauf erscheint Muchanov mit einem Brief des dankbaren Zaren, der dem alten Berdin eine ausreichende Rente und seiner Tochter eine Mitgift von fünfhundert Rubeln übermittelt.

Das Landschaftsbild dieser bescheidenen Idylle entstammt der sentimentalen Erzählung. 78 I n die gleiche Tradition gehört auch die Gestalt der Natalja Berdina und ihr Verhalten zu dem „Unbekannten", dem sie, ohne es zu wollen, ihr Liebesverhältnis zu Muchanov offenbart. 79 Das Spannungselement besteht im Inkognito des Zaren. Der „neznakomec" gibt sich 76 Vgl. A. O. Kornilovic, Socinenija i pis'ma. izd. A N SSSR (Literaturnye pamjatniki), M.-L. 1957 S. 2 1 - 2 2 . 77 Vgl. A. O. Kornilovic, Za bogom molitva, a za carem sluiba ne propadajut. Istoriceskij anekdot, in: „Poljarnaja zvezda" na 1825 god. 7 ® Vgl. Kornilovic, a. a. O., S. 2 3 - 2 4 . ra Vgl. ebenda, S. 27.

Ryleevs „Cudak", Bestuzevs „Vecer na bivuake"

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gegenüber Natalja als P j o t r Michajlov aus, verrät sich aber für den Leser bereits als der Zar. Am Schluß k o m m t mit dem Brief auch die endgültige Auflösung. I n den Erzählungen Kornilovics erreicht die objektive Darstellung der historischen Realität innerhalb der Prosadichtung der Dekabristen ihren Höhepunkt. Wie Bestuzev, kommt auch Kornilovic bei dem Versuch, einen historischen Stoff in eine fiktive Handlung umzusetzen, nicht über die Tradition der sentimentalen Fabel hinaus, wobei die stark aktualisierten Dialoge in krassem Widerspruch zu der historischen Umgebimg stehen. Kornilovic war in erster Linie Historiker u n d weniger Belletrist als Bestuzev. Seine historischen Erzählungen stehen am Rande seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

Der Versuch zur Novelle Ryleevs „Cudak" und Bestuzevs „Vecer na bivuake" Wenn am Schluß der Arbeit doch noch der Terminus Novelle gebraucht wird, so geschieht das mit Vorbehalten, die den Begriff einengen. Unter einer Novelle ist hier eine Erzählung gemeint, die neben einer äußeren Motivierung des Handlungsgeschehens (Kausalität des Ablaufs der Handlung, Autorenu n d Erzählerkommentar, Dialoge) eine innere Motivierung enthält, deren Spezifik an den folgenden Beispielen demonstriert wird. Die Novelle steht hier f ü r einen bestimmten T y p von Erzählungen, in denen das Strukturprinzip nur erweitert wird. I m J a h r e 1821 erschien in der Zeitschrift „Nevskij Zritel'" eine kurze Erzählung des Dekabristen K . F. Ryleev unter dem Titel „Cudak" 8 0 . Ryleev war in erster Linie Dichter. Wie bereits angedeutet, entwickelte sich in seinen Gedichten, Liedern und Poemen f r ü h eine epische Tendenz, die in dem Poem „Vojnarovskij" ihren Höhepunkt erreicht. Die kurze Prosaerzählung „Cudak" ist nur eine Randerscheinung seines Gesamtschaffens. U m so mehr überrascht neben einer novellistischen Kompositionstechnik die Sicherheit u n d lakonische Kürze des sprachlichen Ausdrucks. Auf nur zwei Seiten stellt der Verfasser einen „seltsamen" jungen Mann vor, der aus einer tiefen Abneigung gegen das weibliche Geschlecht die Heirat mit einem Mädchen ausschlägt, in das er sich verliebt, als sie, gegen ihren Willen, die Frau seines Freundes geworden ist.

An kurze einleitende Worte des Erzählers schließen sich zwei Briefe. Ugrjumov, der Hauptheld, teilt seinem Freund mit, er sei soeben einer von seinem Vater angeordneten Verheiratung entgangen, da er Liza, die vom so Vgl. K. (F.) R(yleev), Cudak. Povest', in: „Nevskij Zritel'" SPB. 1821, e . V . , S. 160-163.

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Kapitel V

Vater bestimmte Braut, noch rechtzeitig bitten konnte, ihm offiziell einen Korb zu geben. In der Antwort befürchtet der Freund unter scherzhaften Hinweisen auf die antike Sage, Ugrjumov werde der Rache des weiblichen Geschlechts nicht entgehen. Seine Warnung bestätigt sich. Der Erzähler berichtet am Schluß von der Wandlung des Helden. Der Konflikt setzt mit dem Betrug des Vaters ein. Ugrjumov spürt, er könnte mit Liza glücklich werden. „Jliraa HMEET BIIR BECBMA NPUBJIEKATEJILHBIÖ. H T O , NO^YMAN H, ecjinSti H flymeBHBie ee K a n e c T B a c 0 0 T B e T C T B 0 B a j i H H a p y j K H B i M . H 6BI M o r ÖHTb ciacTJiHBBiM . . . Ho MeiTa, MeiTa!"81 Doch der Betrug gelingt vortrefflich. Alles scheint nach den Wünschen Ugrjumovs geordnet. Der Brief des Freundes enthält den zweiten Hinweis auf die mögliche Wendung, die dann auch überraschend und zugleich indirekt motiviert eintritt. Die äußerste Kürze und der Verzicht auf alle für den Handlungsablauf unwesentlichen Details nimmt Puskins Erzähltechnik vorweg. Auf kleinstem Raum treten drei Erzähler auf: der Autor und die beiden Briefschreiber. Der auktoriale Erzähler beschränkt sich auf knappe berichtartige Anmerkungen. Ugrjumov beschreibt den einzigen realen Vorgang, die Reise zu der Familie Dobronravov, Lizas Eltern. Sein Standpunkt ist durch Vorurteile beschränkt. Er überschaut nicht die Tragweite seiner Entscheidung, die nur scheinbar eine Lösung bedeutet. Diese scheinbare Lösung wird in dem Brief des Freundes ironisch kommentiert. Ryleev benutzt mit der Abstufung der Erzählerstandpunkte bereits einen Kunstgriff der realistischen Erzählung. Das Thema des „sonderbaren Menschen", das seit Karamzin (vgl. „Cuvstvitel'nyj i cholodnyj") in der russischen Literatur beginnt und später in die Reihe der „überflüssigen" Helden (Onegin, Cackij, Pecorin) einmündet 82 , wird in Ryleevs „Öudak" in einer Episode erfaßt, deren Gestaltung novellistischen Charakter trägt. Als ein Experiment in der Entwicklung zu einer realistischen Erzählprosa steht diese skizzenhafte Novelle neben Batjuskovs „Progulka po Moskve" (1811/1812) und Ryleevs eigener Skizze „Provincial v Peterburge" (1821)). Neben den „Druzeskie pis'ma" sind diese Skizzen der ersten Versuch, die Erzählprosa von dem Einfluß der Lyrik und der lyrischen Prosa zu befreien. Die ironische Distanz des Erzählers und der aus dem Bereich des Alltäglichen gewählte Stoff sind symptomatisch für eine Entwicklung, die Puskin mit dem Beginn der Arbeit an seinem „roman v stichach" (1823) fortsetzt. In der Polemik um die ersten Kapitel des „Evgenij Onegin" bestätigt Ryleev seine in „Cudak" literarisch demonstrierte Auffassung von der 81 82

Siehe K. F. Ryleev, Polnoe sobr. socinenij, pod red. A. G. Cejtlina. M.-L. 1934, S. 305. Vgl. B. T. Udodov, „Geroj nasego vremeni kak javlenie istoriko-literaturnogo processa, in: M. J. Lermontov, Tssledovanija i materialy. Voronez 1964, S. 17-33.

Ryleevs „Cudak", Bestuzevs „Vecer na bivuake"

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Stoffwahl: „Pa3ji;ejiHK) TBoe MHEHHE, I T O K A P T H H H CBeTCKoft H U I 3 H H B X O ^ H T II033HH. J],a eCJIHÖ H H e BXOflHJIH, T U C CBOHM ^epTOBCKHM flapoBaHMGM BTOJIKHyjI 6bl HX HaCHJIbHO Tyfla"83. Auch, bei Bestuzev gibt es eine Erzählung, die einen zeitgenössischen Stoff auf neue Weise zu gestalten versucht. Gemeint ist die 1823 in dem Dekabristen-Almanach erschienene Erzählung „Vecer na bivuake" 8 4 .

B oßjiaCTb

Russische Offiziere unterhalten sich in einer Kampfpause am Lagerfeuer. Nach einigen scherzhaften Anekdoten berichtet Oberstleutnant Mecin eine Begebenheit aus seinem Leben. Er lernt eines Tages in Petersburg die von allen Kavalieren umschwärmte Sofija S. kennen und lieben. Alles deutet darauf hin, daß seine Gefühle von ihr erwidert werden. In dem Duell mit einem Offizier, der sich über seine Geliebte abfällig geäußert hat, wird Mecin schwer verwundet. Als er nach seiner Genesung Sofija aufsucht, findet er sie in einem vertraulichen Gespräch mit seinem Duellgegner. Von seinem Freund Vladov erfährt Mecin, daß der Offizier und Sofija in Kürze heiraten werden. Vladov erwirkt für den verzweifelten Freund einen militärischen Auftrag, und beide verlassen die Hauptstadt. Nach längerem Aufenthalt an der Front bittet Mecin um einen Genesungsurlaub und reist in den Kaukasus. Dort begegnet er Sofija, die, inzwischen an Schwindsucht erkrankt, ihren Tod erwartet. Vom Kurarzt erfährt er, der Hauptmann sei die Verbindung nur aüs finanziellen Erwägungen eingegangen und habe Sofija bald nach der Hochzeit verlassen.

Seit dem Beginn der Feldzüge gegen Napoleon bis zum Dezemberaufstand 1825 verkörperte der adlige Offizier in Rußland die sittlichen u n d politischen Ideale seiner Zeit. Sein Dasein am Rande des Todes auf den Schlachtfeldern Europas stellte ihm die Frage nach dem Sinn des Lebens, das für ihn die Erfüllung nur im Einsatz für das Vaterland fand. E r lernte aus unmittelbarer Anschauung in den einfachen Soldaten Tapferkeit und Opferbereitschaft des russischen Volkes kennen. E r verglich politische und soziale Einrichtungen in Europa mit dem rückständigen System der Selbstherrschaft in Rußland. E s ist daher nicht zufällig, daß die politische Opposition, die ab 1816 in einer Reihe von Geheimbünden ihren organisatorischen Ausdruck fand, von Offizieren geleitet wurde. Der Kreis politisch u n d literarisch gebildeter Offiziere löste als kulturelles Zentrum in der russischen Gesellschaft den Adelssalon des ausgehenden 18. J a h r h u n d e r t s ab. So ist in der Rahmensituation der Erzählung eine Gesellchaft versammelt, die ähnlich wie der Zuhörerkreis bei Boccaccio und später bei Goethe in den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter" höchste sittliche Ideale verkörpert und sich in einer außergewöhnlichen Situation befindet. I n der Liebesgeschichte Mecins scheint sich zunächst alles glücklich zu fügen. Mecin verliebt sich u n d glaubt sich wiedergeliebt. Den äußeren Wendepunkt bildet der enttäuschende Besuch Mecins bei Sofija nach dem Duell. Die innere Wendung erfahren wir aus einem Detail: Vladov über83 Siehe K. F. Ryleev, a. a. O., S. 482-483. Vgl. A. Bestuzev, Vecer na bivuake, in: „Poljarnaja zvyezda" na 1825 god.

84

10

Städtke, Russ. Erzählung

138

Kapitel V

gibt Mecin ein Medaillon, das der Hauptmann an ihn verspielt hat. Das Medaillon enthält ein Bildnis Sofijas. An diesem Wendepunkt wird der Rahmen wieder sichtbar. Mecin zeigt den Offizieren das Medaillon. Die Unterbrechung für eine Verbindung beider Zeitebenen (Rahmen + Handlung) verstärkt den objektiven, authentischen Charakter der Erzählung. Während nun die äußere Handlung mit der Abreise Mecins auf ein Nimmerwiedersehen zwischen ihm und Sofija deutet, enthält schon die Szene der Übergabe des Medaillons indirekt das tragische Ende der Ehe Sofijas und fordert eine Auflösung. Mecin erfährt im Kaukasus von einem Kurarzt die Geschichte einer jungen Frau, die schwer erkrankt an den Folgen einer unglücklichen Ehe, hier ihr Leben beschließt. Weder er noch Mecin scheinen direkt an dem Schicksal der Frau beteiligt. Der Dialog bleibt ohne jede emotionale Färbung. Vorbereitet durch die Episode mit dem Medaillon, glaubt aber der Leser, in der Unbekannten Sofija zu erkennen. Damit ist die Erzählung des Arztes Teil der Handlung und gewinnt so einen doppelten Boden. Die anschließende Begegnung mit der jungen Frau enthält den Rest der tragischen Geschichte. Den wahren Schuldigen am Schicksal der jungen Frau hatte der Arzt in seinem Bericht genannt: eine Gesellschaft, in der es üblich war, junge Mädchen „po rascetu" zu verheiraten. 85 So gewinnt das Motiv der Verirrung, bei Zukovskij noch ganz in Märchenmotive eingekleidet und nur unter psychologischem Blickwinkel ausgeführt, bei Bestuzev gesellschaftskritische Bedeutung. Die Literaturgeschichte bezeichnet diese Erzählung als „obrazec korotkoj sjuzetnoj novelly", wie sie in Rußland zum ersten Mal auftritt. 8 6 I n der Entwicklung der Gattung bedeutet Bestuzevs „Vecer na bivuake" einen Schritt vorwärts in Richtung auf die Erzählungen Puskins. Bisher war die zentrale Begebenheit, die den Wendepunkt bewirkte, immer an einen Vorgang aus der Fabel geknüpft oder im Dialog enthalten. Die Dynamik der Erzählung war vordergründig mit dem emotionalen Vortrag des Erzählers oder dem dramatischen Dialog der Gestalten verknüpft. Die novellistische Kompositionstechnik der indirekten Motivierung, hier erkennbar durch die Einführung eines Dingsymbols, „entlastet" sowohl den Erzähler als auch den Dialog. Mecin erzählt als „personnage" nur die Begebenheiten , die ihm aus eigener Sicht zugänglich sind. Durch die indirekte Motivierung wird aber der zweite Handlungsstrang, die Geschichte der unglücklichen Ehe, in die Erzählung einbezogen und ist von der Übergabe des Medaillons bis zur Erzählung des Arztes indirekt anwesend, braucht also nicht nacherzählt zu werden. 85 Vgl. Bestuzev, a. a. O., S. 328. «6 Vgl. Istorija russkoj literatury, izd. A N SSSR, M.-L. 1946-1954, Bd. VI, S. 570.

Ryleevs „Cudak", Bestuzevs „Vecer na bivuake"

139

Im Wesen der kleinen Erzählung Bestuzevs liegt die überraschende und doch indirekt durch ein Detail motivierte Aufdeckung eines Vorganges, der an der Oberfläche bereits einer klaren Lösung zuzusteuern schien. Wie in Ryleevs „Cudak" ist die scheinbare Lösung aus der beschränkten Perspektive des Erzählers sichtbar, der hier aus dem Blickwinkel der „personnage" erzählt. Damit ist das Problem der differenzierten Erzählerperspektive, das bei Karamzin und Zukovskij nur erst angedeutet wurde, auch kompositorisch gelöst. Die Technik der indirekten Motivation ist die Voraussetzung für die Überwindung der Fabel als Hauptfaktor der Komposition. Es sei an dieser Stelle noch einmal auf die Tiecksche Interpretation des Novellenbegriffes verwiesen. Tieck bezeichnete als einen Wesenszug der Novelle den „Vorfall", den er als „Wendung" bezeichnet: „. . . dieser Punkt, von welchem aus sie sich unerwartet völlig umkehrt, und doch natürlich, dem Charakter und den Umständen angemessen, die Folge entwickelt, wird sich der Phantasie des Lesers um so fester einprägen, als die Sache, selbst im Wunderbaren, unter anderen Umständen wieder alltäglich sein könnte." Dazu äußert Himmel völlig zu Recht: „Das 'Wunderbare' ist also nichts Übernatürliches, es erhält diesen seinen Charakter nur durch die 'Umstände', ist also eine Richtungsmöglichkeit im Geschehen, die bis zu diesem 'Punkt' verborgen gebheben ist" 87 . Ryleevs „Öudak" und Bestuzevs „Vecer na bivuake" bestätigen diesen „Punkt" der romantischen Novellentheorie. Genauso bedeutsam ist aber im Zusammenhang mit der indirekten Motivierung die Schaffung einer indi-? viduellen Erzählerperspektive. Die Begrenzung der Perspektive eines fiktiven Ich-Erzählers, der den Gesamtvorgang der Handlung aus verschiedenen Gründen (als „personnage" oder auf Grund sozialer und psychologischer Vorurteile) nicht überschaut, ist ein Ergebnis der Romantik, enthält aber zugleich im Keim den Übergang zu einer realistischen Erzählweise, die sowohl die Gestalt des Erzählers ais auch den Handlungsvorgang in einen größeren sozialen und psychologischen Zusammenhang stellt und damit breitere, außerhalb der Fabel liegende Assoziationsbereiche schafft. Die beiden kurzen Novellen der Dekabristen Ryleev und Bestuzev stehen am Beginn der realistischen russischen Erzählprosa, die in Roman und Novelle wenig später Weltgeltung erreichen sollte, sind jedoch kaum mehr als ein literarisches Experiment. 87

10»

Siehe Hellmuth Himmel, Geschichte der deutschen Novelle, Bern-München 1963, S. 35.

ZUS AMMENFAS SUNG

Für die Erzählung als die kleine Form der Kunstprosa gibt es in der russischen Literatur zwei Termini, deren Begriffsinhalt nur historisch erklärbar ist: Einmal wird die Erzählung als ein dem Roman verwandtes Genre betrachtet und als „povest'" bezeichnet. Historisch hat der Begriff „povest'" Anspruch auf die Bedeutung Chronik (vgl. „Povest' vremennych let"), Schelmenroman und -erzählung (vgl. „Povest' o Frole Skobeeve") und steht im 18. Jahrhundert zunächst für den aus Westeuropa eindringenden Roman und wird erst gegen Ende des Jahrhunderts neben „skazka" auch für die Kurzform gebraucht. Der Begriff ist auch im folgenden bis in die moderne Forschung nicht eindeutig lokalisiert worden. Außer einer Vielzahl von Bedeutungen haftete ihm nur die Vorstellung von einer gewissen faktologischen Glaubwürdigkeit und einem im Vergleich zum Roman geringeren Handlungsumfangs an. Heute steht „povest'" als eine Erzählung mittlerer Länge zwischen „roman" und „rasskaz". Von Puskin bis zu zeitgenössischen Romanautoren ist „Povest'" als Gattungsbezeichnung für fast alle epischen Gattungen in Anspruch genommen worden. Im Gegensatz zu „povest'" handelt es sich bei „skazka" zunächst um eine fiktive, in erster Linie volkstümliche Erzählung, bei der man außer einem begrenzten Handlungsgeschehen auch einen Erzähler voraussetzte. „Skazka" hatte nicht nur die Bedeutung des Märchens, sondern auch der Schwank-Erzählung (vgl. „bytovye skazki"), im 18. Jahrhundert sogar des phantastischen Abenteuerromans. Der fiktive Charakter der „skazka", der sich nicht zuletzt mit der Vorstellung von einer mündlichen Vortragsweise verband, motivierte das Element der Phantastik und des Wunderbaren. Die häufige Zyklisierung durch eine übergeordnete Rahmenhandlung oder -Situation, in der die Erzählergestalt motiviert wird, ist die Ursache für den fast ausschließlichen Gebrauch des Terminus im Plural. Als Märchen, Schwank oder Abenteuerroman genoß die „skazka" in der klassizistischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts keine literarische Reputation. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Kategorie der literarischen Fiktion neu gedeutet wurde, bekam „skazka" die Bedeutung des Märchens. Die fiktive Ich-Erzählung aber wurde in den 20er Jahren zum ersten Mal mit „rasskaz" bezeichnet. Bei Belinskij und Nadezdin beginnt die Parallele von „rasskaz" und „novella", die sich bis in die Gegenwart erhalten hat. „Rasskaz" ist heute gegenüber „roman" die eigentliche Kurzform (Novelle, Erzählung, Kurzgeschichte), ein Begriff, der

Zusammenfassung

141

neben einer zentralen Begebenheit in seiner historischen En twicklung auch die Vorstellung von einer Erzählerfigur behalten hat. Die funktionale Einheit der Gattungselemente, im gegebenen Falle das Wechsel Verhältnis zwischen Erzähler und zentraler Begebenheit, ergibt für die kleine epische Form eine Gattungsstruktur,deren Entwicklung in einem bestimmten Zeitraum (1800-1825) in der vorliegenden Arbeit untersucht wurde. Die Bezeichnung „povest'" für die Erzählung in dieser Phase ihrer Entwicklung machte sich erforderlich, da „rasskaz" als Gattungsbegriff noch nicht üblich war. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts steht die Erzählung in der russischen Literatur am Wendepunkt zur modernen realistischen Erzählprosa. Die Strukturtypen der russischen Erzählung, die sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts herausgebildet haben („Schwank-Erzählung", „orientalische" und sentimentale Erzählung), entwickeln sich nach 1800 in ein literarisches Klischee. Besonders anschaulich läßt sich das am Beispiel der sentimentalen Erzählung zeigen, da hier das umfangreiche Material eine genaue Analyse möglich macht. Entscheidende Bedeutung für diese Entwicklung hat die zu Beginn des neuen Jahrhunderts deutliche Aufgabe der ideellen Positionen der Aufklärung. In der satirischen Schwank-Erzählung zeigt sich in der Hauptsache ein Interesse am komischen und tragikomischen Effekt (Kropotov, Brankevic). Das Genre der Kurzbiographie verliert bei Karamzin und bei Nareznyj seinen satirischen Charakter. Die gesellschaftskritische Haltung in der „orientalischen" Erzählung (Krylov) weicht weitgehend moralisch-didaktischen Tendenzen, wobei der Orient sich in eine staatspolitische Idylle verwandelt, die vom sittlichen Verhalten des einzelnen getragen wird. In der sentimentalen Erzählung wird der Effekt empfindsamer Rührung zum Selbstzweck. Die psychologische und gesellschaftliche Problematik ist ausgeklammert und die Erzählung aus allen realen Zusammenhängen gelöst. Die Entwicklung der Erzählprosa befindet sich zum gleichen Zeitpunkt unter dem unmittelbaren Einfluß der zeitgenössischen Lyrik. Diese Abhängigkeit von der Lyrik kommt am deutlichsten in der elegischen Erzählung zum Ausdruck, wo die äußere Handlung weitgehend zugunsten eines elegisch-melancholischen Erzählerkommentars ausgeklammert wird (Kropotov, Galinkovskij). Für die düsteren Landschaftsbilder in diesen ProsaElegien liefert die Ossian-Dichtung das Vorbild. Die Herauslösung der Gestalt des Erzählers aus allen realen Bezügen einer Handlung bedeutet zugleich die Abkehr von den normativen Grenzen, die die Prosadichtung des 18. Jahrhunderts (Aufklärung, Sentimentalismus) setzte. Die elegische Prosadichtung, die sich in Anlehnung an die Lyrik entwickelt, bildet den Übergang zu einer individuellen Erzählerperspektive. Von der elegischen zur historischen Erzählung führt der Weg über Zukovskijs „Vadim Novgorodskij" und „Mar'ina rosca". Der erste Typ der historischen Erzählung des

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Zusammenfassung

19. Jahrhunderts läßt sich am besten mit h e r o i s c h - s e n t i m e n t a l e r Erzählung bezeichnen. Am Beispiel der „Slavenskie vecera" von Nareznyj zeigen sich deutliche Parallelen zur Entwicklung der „romanticeskaja poema", dem romantisch-historischen Heldengedicht. Den Stoff für beide liefert die Legende. Die legendären Helden der slavischen Vorgeschichte, an sich schon in der Volksdichtung (Byline, historisches Lied) poetisiert, werden zu Leitbildern der Tugend und des Patriotismus, zum Ausdruck des russischen Nationalcharakters. Die zentrale Begebenheit in diesen Erzählungen ist nicht mehr als eine heroische oder sentimentale Geste, die den Helden als Träger gesellschaftspolitischer und sittlicher Ideale genügend charakterisiert. Die Handlung läuft ab vor dem Hintergrund einer im Sinne der Ossian-Dichtung stark stilisierten Landschaft. Den Rahmen zu diesen Erzählungen bildet der elegische Kommentar des Erzählers, in dessen Gestalt sowohl der empfindsame Zeitgenosse als auch der legendäre Heldensänger zu Worte kommen. Die Verbindung beider Gestalten, sprachlich motiviert durch eine starke Archaisierung, bedeutet eine Aufhebung der Unterschiede zwischen den beiden Zeitebenen (Gegenwart — Historie), die bei Karamzin in „Natalja, bojarskaja doc'" noch markiert wurden. Eine zweite Variante der historischen Erzählung beginnt mit Karamzins „Marfa posadnica". Das Schicksal historischer Persönlichkeiten, nach genauen Quellenangaben aufgezeichnet, steht neben dem Erzählerkommentar exemplarisch für eine reaktionäre Utopie, in der das System der Selbstherrschaft vom sittlichen Verhalten und der freiwilligen Unterordnung des einzelnen unter den Willen der Staatsmacht abhängig erscheint. Die weitgehende Aufgabe der Fiktion und der rhetorische Kommentar des Erzählers geben diesen Erzählungen einen stark essayhaften Charakter. Am Übergang von der heroisch-sentimentalen Erzählung Nareznyj s zu den historischen Erzählungen des Dekabristen Bestuzev-Marlinskij steht Kjuchel'bekers „Ado". Aus dem Helden der Legende wird bei Kjuchel'beker der fiktive Romanheld, dessen Heroisierung mit den stilistischen Mitteln des Heldengedichtes bereits zweifelhaft erscheint. Mit den Erzählungen Bestuzevs entsteht ein neuer Typ der historischen Erzählung, frei von dem unmittelbaren Einfluß der Lyrik (Elegie, Ballade und Heldengedicht). Den Stoff entnimmt der Verfasser der Geschichte des russischen und baltischen Mittelalters, was ihm die Übernahme von Elementen des westeuropäischen Schauerromans erleichtert.In der Erzähltechnik Bestuzevs nehmen diese Stilmittel jedoch keine zentrale Stellung ein. Der Spannungseffekt seiner Erzählungen ist eher dem Drama abgesehen und liegt in der Gegenüberstellung leidenschaftlicher Charaktere oder in der Entwicklung und Auflösung einer Liebesfabel, die im Wesen auf Karamzin zurückgeht. Dabei beruht der Konflikt zumeist auf dem Gegenüber von leidenschaftlichem Egoismus, der mitunter bis ins Dämonische gesteigert wird, und einem patriotisch-sittlichen Pflichtgefühl. Die einfache Kausalität zwischen persönlichem Glück und dem Dienst am Vaterland, ein Grund-

Z usammenfassung

143

gedanke der Dekabristen-Ethik, führt in den Erzählungen stets zu einer klischeehaften Auflösung des Konfliktes. In der Erzähltechnik Bestuzevs steht der Dialog im Vordergrund. In den Dialog projiziert der Verfasser zeitgenössische Probleme und schafft damit einen unmotivierten Kontrast zwischen historischer Kulisse und modernem Dialog. Der Dialog und die szenische Darstellung bewirken eine bruchstückartige Komposition und einen schnellen Handlungsablauf, der von Seiten des Erzählers nicht gebremst wird (vgl. Puskin: „bystrye povesti . . ."). In der Gestalt des Erzählers bestimmt Bestuzev den Versuch zu einer Differenzierung in den Beziehungen zwischen auktorialem und fiktivem Ich-Erzähler. Der auktoriale Erzähler motiviert bei ihm eine Rahmensituation (vgl. „Zamok Ejzen") oder markiert einen Fluchtpunkt in der Erzählergegenwart (vgl. „Zamok Venden"). Einen fiktiven Ich-Erzähler mit einem „skaz" gibt es in „Zamok Ejzen". Seine syntaktisch deformierte, der mündlichen Redestruktur angepaßte Vortragsweise schafft die ironische Distanz zu der an sich schaurig-dramatischen Rittergeschichte. Eine feste Erzählerperspektive zeigen jedoch Bestuzevs Erzählungen, insgesamt betrachtet, noch nicht. Zu häufig wechselt der Verfasser die Stilebenen zwischen naiv-sentimentalem, schaurig-balladeskem und objektiv-sachlichem Vortrag und verstärkt dadurch den Eindruck einer mangelhaften Kompositionstechnik. Puskin erinnert in seiner Kritik nicht zu Unrecht an die Unterschiede zwischen einem Roman und den Poemen Byrons. Erst mit Ryleevs „Cudak" und Bestuzevs „Vecer na bivuake" gelingt den Dekabristen der Übergang zur modernen Technik einer Novelle, die> ihren Stoff der Gegenwart entnimmt. In beiden Erzählungen wird aus der „beschränkten" Sicht eines fiktiven Ich-Erzählers ein Vorgang berichtet und gedeutet, der dann in einer übergeordneten, objektiven Ebene eine für den Ich-Erzähler unerwartete Wendung nimmt. Für den Leser ist jedoch diese Wendung indirekt bereits motiviert. Bei Ryleev erfolgt die Auflösung in der Ebene des auktorialen Erzählers, bei Bestuzev erzählt der Ich-Erzähler als „personnage" in einer Rahmensituation, die den Effekt der Auflösung vorbereitet und motiviert. Wichtig ist hier die Einführung des Dingsymbols, das die Handlung verdichtet und eine echte „Beschränkung" des Umfangs mitbewirkt. Zwei Probleme waren für diese Erzähltechnik vorrangig zu lösen: die Schaffung einer individuellen Erzählerperspektive und die Erschließung von Möglichkeiten einer indirekten Motivierung. Beide Erzählungen sind im Grunde nur Experimente ohne großen Eigenwert. Ihre Erzähltechnik aber verrät den Weg, der zu Puskins „Povesti Belkina" führt. Inwieweit die westeuropäische Novelle (Irving, Merimee und Hoffmann), die in den 20er Jahren immer häufiger ins Russische übersetzt wurde, Anlaß zu dieser Entwicklung gegeben hat, muß noch untersucht werden. Die Voraussetzungen für eine realistische Erzähltechnik entstanden jedoch in der russischen Prosadichtung selbst.

ANHANG

Literaturverzeichnis

Bibliographische

Quellen

Istorija russkoj literatury X I X veka. Bibliografiöeskij ukazatel' pod red. K . D. Muratovoj, Izd. AN SSSR M.-L. 1962. Lisovskij, N. M., Russkaja periodiceskaja pecat' 1703—1900 gg. Bibliografija i graficeskie tablioy. Petrograd 1915. Neustroev, A. N. Istoriöeskoe rozyskanie o russkich povremennych izdanijach i sbornikach za 1703—1802 gg., bibliografìceski i v chronologiöeskom porjadke opisannych. SPB. 1875. Sipovskij, V. V., Iz istori) russkogo romana i povesti. Materialy po bibliografii, istorii i teorii russkogo romana, c. I, X V I I I vek. izd. 2. SPB. 1903. Smirdin, A., Rospis' rossijskim knigam dlja ötenija iz biblioteki Aleksandra Smirdina, sistematiceskim porjadkom raspolozennaja, c. I—IV. SPB. 1828. Smirdin, A., Pribavlenija k rospisi rossijskim knigam dlja ctenija iz biblioteki AI. Smirdina, c. I - I V . SPB. 1829-1856. Sopikov, V., Opyt rossijskoj bibliografii ili polnyj slovar' socinenij i perevodov, napecatannych na slavenskomi rossijskom jazykaoh ot nacala zavedenija tipografii do 1813 g., c. I - V . SPB. 1813-1821. Storch, A. i Adelung, F., Sistemai iceskoe obozrenie literatury v Rossii v tecenie pjatiletija s 1801 po 1806 god., c. I, SPB. 1810.

Literarische

Zeitschriften

und

Almanache

„Avrora", Ezemesjacnoe izdanie. M. 1805. „Aglaja", izdavaemaja kn. P. I . Salikovym. M. 1808—1810. „Blagonamerennyj", Ezemesjacnyj zurnal, izdavaemyj A. Izmajlovym. SPB. 1818— 1821.

„Damskij zurnal", izdavaemyj kn. P. I . Salikovym. M. 1823—1825. „Demokrit", Zurnal, izdavaemyj Andreem Kropotovym. SPB. 1815. „Korifej ili kljuc literatury", c. I—III. izdavaemyj A. Galinkovskim. SPB. 1802— 1807. „Literaturnye listki", izdavaemye F . V. Bulgarinym. SPB. 1823—1824. „Ljubitel' slovesnosti", ezemesjacnoe izdanie Nikolaja Ostolopova. SPB. 1806. „Mnemozina", sobranie socinenij v stichach i proze, izdavaemaja kn. V. Odoevskim i V. Kjuchel'bekerom. c. I - I V . M. 1824-1825. „Moskovskij Merkurij", izdavaemyj P . Makarovym, M. 1803. „Novosti lit(t)eratury", izdavaemye A. E . Vojejkovym. SPB. 1822—1825. „Patriot", zurnal vospitanija, izdavaemyj Vladimirom Izmajlovym. M. 1804. „Poljarnaja zvezda", k a r m a n n a j a knizka dlja ljubitel'nic i ljubitelej russkoj slovesnosti, izdavaemaja A. A. Bestuzevym i K . F . Ryleevym. SPB. 1823—1825. „Prijatnoe i poleznoe preprovozdenie vremeni", Periodiceskoe izdanie, izdavaemoe Ch. Ridigerom i Ch. Klaudiem, M. 1794-1798.

ANHANG

Literaturverzeichnis

Bibliographische

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Istorija russkoj literatury X I X veka. Bibliografiöeskij ukazatel' pod red. K . D. Muratovoj, Izd. AN SSSR M.-L. 1962. Lisovskij, N. M., Russkaja periodiceskaja pecat' 1703—1900 gg. Bibliografija i graficeskie tablioy. Petrograd 1915. Neustroev, A. N. Istoriöeskoe rozyskanie o russkich povremennych izdanijach i sbornikach za 1703—1802 gg., bibliografìceski i v chronologiöeskom porjadke opisannych. SPB. 1875. Sipovskij, V. V., Iz istori) russkogo romana i povesti. Materialy po bibliografii, istorii i teorii russkogo romana, c. I, X V I I I vek. izd. 2. SPB. 1903. Smirdin, A., Rospis' rossijskim knigam dlja ötenija iz biblioteki Aleksandra Smirdina, sistematiceskim porjadkom raspolozennaja, c. I—IV. SPB. 1828. Smirdin, A., Pribavlenija k rospisi rossijskim knigam dlja ctenija iz biblioteki AI. Smirdina, c. I - I V . SPB. 1829-1856. Sopikov, V., Opyt rossijskoj bibliografii ili polnyj slovar' socinenij i perevodov, napecatannych na slavenskomi rossijskom jazykaoh ot nacala zavedenija tipografii do 1813 g., c. I - V . SPB. 1813-1821. Storch, A. i Adelung, F., Sistemai iceskoe obozrenie literatury v Rossii v tecenie pjatiletija s 1801 po 1806 god., c. I, SPB. 1810.

Literarische

Zeitschriften

und

Almanache

„Avrora", Ezemesjacnoe izdanie. M. 1805. „Aglaja", izdavaemaja kn. P. I . Salikovym. M. 1808—1810. „Blagonamerennyj", Ezemesjacnyj zurnal, izdavaemyj A. Izmajlovym. SPB. 1818— 1821.

„Damskij zurnal", izdavaemyj kn. P. I . Salikovym. M. 1823—1825. „Demokrit", Zurnal, izdavaemyj Andreem Kropotovym. SPB. 1815. „Korifej ili kljuc literatury", c. I—III. izdavaemyj A. Galinkovskim. SPB. 1802— 1807. „Literaturnye listki", izdavaemye F . V. Bulgarinym. SPB. 1823—1824. „Ljubitel' slovesnosti", ezemesjacnoe izdanie Nikolaja Ostolopova. SPB. 1806. „Mnemozina", sobranie socinenij v stichach i proze, izdavaemaja kn. V. Odoevskim i V. Kjuchel'bekerom. c. I - I V . M. 1824-1825. „Moskovskij Merkurij", izdavaemyj P . Makarovym, M. 1803. „Novosti lit(t)eratury", izdavaemye A. E . Vojejkovym. SPB. 1822—1825. „Patriot", zurnal vospitanija, izdavaemyj Vladimirom Izmajlovym. M. 1804. „Poljarnaja zvezda", k a r m a n n a j a knizka dlja ljubitel'nic i ljubitelej russkoj slovesnosti, izdavaemaja A. A. Bestuzevym i K . F . Ryleevym. SPB. 1823—1825. „Prijatnoe i poleznoe preprovozdenie vremeni", Periodiceskoe izdanie, izdavaemoe Ch. Ridigerom i Ch. Klaudiem, M. 1794-1798.

Literaturverzeichnis

145

„Russkij Vestnik", izdavaemyj Sergeem Glinkoju. M. 1808—1809. „Sovremennyj nabljudatel' rossijskoj slovesnosti", izdavaemyj P . Stroevym. M. 1815. „Vestnik Evropy", izdavaemyj Nikolaem Karamzinym. (Herausgeber 1804—1807 P . P . Sumarokov, 1808-1809 V. A. Zukovskij) M. 1802. „Zurnal rossijskoj slovesnosti", izdavaemyj Nikolaem Brusilovym. SPB. 1805. „Cvetnik", izdavaemyj A. Izmajlovym i A. Benitckim. SPB. 1809—1810. „Syn otecestva". Istoriceskij i politiceskij zurnal, izd. N. I. Grec. SPB. 1812.

Alphabetisches

Verzeichnis

der sonstigen

literarischen

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Anhang

Dolgorukij, I. M., „Nesöastnaja Liza" (1811), S. 69, 74—77. Fonvizin, D. /., „Kallisfen" (1786), S. 27-29, 82. Galinkovskij, J„Casy zadumcivosti" (1799), S. 42, 97. Oerakov, G., „Knjaz' Menscikov" (1801), S. 106. Glinka, F.N., „Dobredetel' i porok" (1819), S. 60. — „Zlatoperaja ptiöka" (1818), S. 60. Glinka, S. N., „Grobnica Matveeva" (1820), S. 107. - „Monscikov" (1820), S. 106. „Selim i Roksana" (1798), S. 56-57. Gogol', N. V., „Veöera" (1831), S. 5 . - „Sinei'" (1842), S. 33 Goröakov, D. P., „Plamir i Raida" (1796), S. 64, 74-78. — „Igor', velikij knjaz' severa" (1814), S. 101. Izmajlov, A.E., „Ibragim i Osman" (1806), S. 57. — „Bednaja Masa" (1801), S. 83-84, 93. - „Istorija Razvratina" (1801), S. 23-24, 53. Izmajlov, F. F., „Minutnoe blazenstvo" (1795), S. 41, 90. — „Rostovskoe ozero" (1795), S. 63-64, 74, 77. - „Siroty v Malorossii (1814), S. 89-90, 93. - „Prekrasnaja Tatjana" (1804), S. 66-67, 74, 76, 78. Karamzin, N.M., „Anekdot" (1802), S. 82-83, 93. [„Bednaja Liza" (1792), S. 11, 31-33, 63, 65, 68, 77, 78, 79, 95.] - „Öuvstvitel'nyj i cholodnyj" (1803), S. 52-53. - „ M o j a ispoved'" (1802), S. 53-55. - „Maria posadnica"*(1803), S. 104-105, 107, 109, 110, 142. - „Natalja, bojarskaja doö'" (1792), S. 94-97, 105, 107, 109, 110, 130, 142. - „Ostrov Borngol'm" (1794), S. 39-40. — „Sierra Morena" (1795), S. 40-41. Kazotti, Petr, „Bojara B-v i M-v, ili sledstvija pylkich strastej" (1807), S. 107, 110. KjucheVbeker, V.K., „Ado" (1824), 116-119, 142. Klusin, A. I., „Nesöastnyj M-v" (1793), S. 34-35, 64, 68. „Knjaz' O . . . ij i grafinja M . . . va, iliurokomodnomvospitanii" (1810), S. 108—110. Kornilovi6, A. 0., „Utro vecera mudrennee" (1828), S. 133—134. — „Za bogom molitva . . ." (1825), S. 134-135. Kropotov, A. F., „Landsaft moich voobrazenij" (1803), S. 42—43, 47, 97. — „Örezvyöajnye proissestvija" (1809), S. 48-49. - „Duch Rossijanki" (1809), S. 84, 93. Krylov, I. A., „Kaib" (1792), S. 28-29, 55-57. „Ksenija, knjazna Galickaja" (1808), S. 101—102. Lazareviö, F., „Dobrodetel'naja Rozana" (1782), S. 30—31. Laze&nikov, I.I., „Manilovka" (1817), S. 71-72, 78. - „Spaskaja luzajka" (1817), S. 71, 77. Levsin, F., „Povest' o novomodnom dvorjanine" (1783), S. 22—23. — „Dosadnoe probuzdenie" (1783), S. 24-25. L'vov, P . J., „Bojarin Matveev" (1815), S. 106. — „Dedovskie kresla" (1820), S. 91. — „Povest' o Mstislave" (1822), S. 104. - „Pozarskij i Minin" (1810), S. 106. Mamysev, N., „Nesöastnaja N." (1818), S. 88-89, 93. „Margarita, nesöastnaja" (1803), S. 85-87, 93. „Milye neznye serdca" (1800), S. 80. „Modest i Sofija" (1810), S. 68-69, 75, 76, 77-78. Murav'ev, M. N„ „Oskol'd" (1810), S. 102. Nareznyj, V.T., „Bogatyj bednjak" (1824), S. 51-52. - „Marija" (1824), S. 72, 76. — „Rogvol'd" (1798), S. 97-98. - „Slavenskie vecera" (1809), S. 69, 98-100, 109. „Zamorskij princ" (1814), S. 51. „Ol'ga" (1803), S. 100-101. Osiolopov, N. / . , „Evgenija" (1803), S. 84-85. Panaev, V.l., „Oteceskoe nakazanie" (1819), S. 91—92. — „Romaniöeskoe pis'mo" (1819), S. 77, 9 1 . - „PrikJjucenie v maskarade" (1820), S. 92. Popov, A„ „Lilija" (1809), S. 68, 74-75, 77-78, 80. Popugaev, F., „Aptekarskij ostrov" (1800), S. 65, 74—75, 77. Protopopov, M., „Nescast'e ot ljubvi" (1810), S. 68, 76—78.

Anhang

155

Pudcova, K., „Milovzor" (1812), S. 70, 76. - „Eduard i Sofija" (1812), S. 70-71, 75-77. Puslcin, A.S., „Povesti Belkina" (1831), S. 5, 11, 72, 143. - „Pikovaja dama" (1834), S. 8. Rosljalcov, I., „Mecty voobrazenija" (1802), S. 42, 47, 97. Ryleev, K. F., „tfudak" (1821), S. 135-136, 139, 143. Salikov, P. I., „Povesti" (1819), S. 73-74, 76, 80. - „Temnaja roäöa" (1801), S. 73, 75, 77. Stolypin, A., „Otöajannaja ljubov'" (1795), S. 41. Suskov, M., „Rossijskij Verter" (1801), S. 81-82, 93. Sveöinskij, I., „Obol'äöennaja Genrietta" (1801), S. 65—66, 74-77. — „Ukrainskaja sirota" (1805), S. 66, 74^-78, 80. „Ubijca ot ljubvi" (1807), S. 89, 93. „Utechi melancholii" (1802), S. 42, 47, 97. VeVjaminov-Zernov, V. F., „Knjaz' V-skij i knjazna Sö-va" (1807), S. 88. „2ena, obol'§cennaja" (1804), S. 87-88. Zinov'ev, D., „Torzestvujusöaja dobrodetel'" (1789), 56—57. ZuJcovskij, V. A., „Mar'ina rosca" (1809), S. 45-47, 141. - „Vadim Novgorodskij" (1803), S. 44—45, 47, 97, 141.

n*

Personenregister

Aröybasev, N. 101 106, 110 B a t j u s k o v , K . N. 6 104 111 114/115 136 B a u m , Werner 2 Bausch, W a l t e r 6 Belinskij, V. G. 7-11 16 104 111 133 140 Benitckij, A. P . 5 9 - 6 2 Bestuzev- (Marlinski j), A . A . 14 89 1 1 3 - 1 1 6 119 123 1 2 5 - 1 3 5 137 - 1 3 9 142/143 Bogdanoviö, I . F . 19 Brang, P e t e r 6 16 Brankevic, M. 48 50 83 141 Brusilov, N. P . 50 57/ 58 6 0 - 6 2 67 84 Bulachovskij, L. A. 103 Bulgarin, F . V. 52 55 B u n i n a , A n n a 69 Bürger, Gottfried August 44 B u t u r l i n , D. P . 133 Byron, George Gordon 143 Öechov, A. P . 7 Cottin (Marie Risteau) 119 Öulkov, M. D. 19 2 1 23 25/26 28 48/49 83 99/100 Derzavina,

O.

A.

47

1 1 6 118

Dickens, Charles 93 Dmitriev, I. I . 18/19 Dolgorukij, I . M. 69 Ducray-Duminil., Francois Guilleaume 48 88

D u p a t y , Charles

120

E j c h e n b a u m , B. M. E m i n , F . 31

10

Ferel'tc, S. f. 112 121 Florian, J e a n Pierre de 43 48 Fonfizin, D. I . 2 7 - 2 9 82 F r i d m a n , N . Y. 6 Galinowskij, J . 42 97 141 Garsin, V. M. 7 Genlis, Stephanie 88 119 Gerakov, G. 106 Glagolev, A. 8/9 Glinka, F . N. 60 62 111 120 Glinka, S. N. 56 106/ 107 110 Gnedic, N . I . 79 114 Goethe, J o h a n n Wolfgang v o n 9 17 35 64/65 81/82 137 Gogol', N. V. 6/7 16 25 50 55 83 128 131 Gorcakov, D . P . 64 77/ 78 Gor'kij, M. 7 Gray, Thomas 43 Greö, N. I . 7 61 100 111 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 1 Hielscher, K a r l a 6 Himmel, H e l l m u t h 139 H o f f m a n n , E . T. A. 118 Irving, W a s h i n g t o n 143 I z m a j l o v , A. E . 24 57— 61 8 2 - 8 4 93

Izmajlov, V. V. 41 43 63/64 66 77 89/90 J a s i n k a , Marija 6 Jolies, André 2 K a j s a r o v , A. S. 99 K a r a m z i n , N. M. 4 7 12 14 16 29 3 1 - 3 4 3 6 - 4 5 49 5 1 - 5 5 6 2 65 6 8 - 7 0 7 3 - 7 5 7 7 80 82/83 87 90 9 4 98 100 1 0 4 - 1 0 7 109 111 114/115 118 1 2 0 122 126 128-130 132 136 139 141/142 K a t e n i n , P . A. 79 113 Kayser, Wolfgang 2 K a z o t t i , P . 107 Kjuchel'beker, V. K . 62 116-118 129 142 Klein, J o h a n n e s 2 Kleist, Heinrich von 118 Kljucevskij, Y. O. 13 Klusin, A. I . 3 4 - 3 7 41 64 68 77/78 82 Kornilovic, A. O. 1 3 3 135 K o s t r o v , E . M. 96 K r o p o t o v , A. F . 42 48 8 3 - 8 5 93 97 141 Krylov, I . A. 28/29 37 5 5 - 5 7 78 114 141 Lämmert, Eberhard 1 Lazarevic, V. 30/31 33 Lazecnikov, I . I . 71 Lermontov, M. J . 132 Lesage, Alain R e n é 17 Leskov, N. S. 7 Levsin, V. A. 22 24^26 28 48 Lockemann, F r i t z 2

157

Personenregister Lomonosov, M. V. 70 L ' v o v , P . J . 31 91 93 104 106 110 Macpherson, J a m e s 42 43 96 118 Makogonenko, G. P . 112 Mamysev, N. 88 Marmontel, J e a n F r a n cois 17 Mérimé, Prosper 143 M u r a v ' e v , M. N. 102 N a d e z d i n , N. I . 9/10 140 N a r e z n y j , Y. T. 5 0 - 5 2 55 69 72 77 9 7 - 1 0 0 141/142 N a r t o v , A. K . 133 Novikov, N . I . 27 Odoevskij, Y. F . 62 Orlov, P . A. 22 Ostolopov, N. F . 61 84/ 85 P a n a e v , V. I. 91—93 P e t r o v s k i j , M. A. 10 Petsch, Robert 2 Podsivalov, V. 110 Pogodin, M. P . 16 Pongs, H e r m a n n 2 P o p o v , A. 68 P u s k i n , A. S. 6/7 9 12 16 72 91 113 115 118

120 132/133 136 138 140 143 Popugaev, V. 65 Protopopov, V. 68 P u c k o v a , K . 70/71 77 Radcliffe, A n n 48 87 93 119 Radiscev, A. N . 27 36/ 37 47 7881 112 116121 Rezanov, Y. I. 45 Richardson, Samuel 17 Rosljakov, I. 97 Rousseau, Henri 17 35 53 74 Ryleev, K . F . 113 135/ 136 139 143 Salikov, P . I . 35 43 72 -74 Sakulin, P . N. 10 Scarron, P a u l 22 Schamschula, Walter 6 Schiller, Friedrich 86 Schlegel, Friedrich 9 Scott, Walter 126/127 133 Sevyrev, S. P . 7 Sipovskij, V. B. 4 22 Skvorcov, A. 10 Sokolov, A. N. 15 Spielhagen, Friedrich 9 Spiess, Christian Heinrich 44

Staiger, Emil 12 Stepanov, N. L. 114 Sterne, Laurence 42 120 Stolypin, A. 41 Sumarokov, A. P . 17 Suskov, M. 79 81/82 Svecinskij, I . 65/66 68 Szondi, P e t e r 2 Tieck, Ludwig 71 139 Tolstoj, L. N. 5 Tomasevskij, B. V. 4 10 Tynjanov, Ju. N. 4 Turgenev, I . S. 7 96 111 114 Veselovskij, A. N. 9/10 Vinogradov, V. Y. 86 Vjazemskij, P . A. 115 Voltaire (François-Marie Arouet) 26 36 82 91 Wackenroder, W. H. 118 Weimann, R o b e r t 12 Wiese, Benno v. 2 Young, E d w a r d

43

Zinov'ev, D. 56 Zukovskij, V. A. 16 32 39 4 3 - 4 7 62 79 87/88 97 104 113 115 132 139 141

Dr. EBERHARD DIECKMANN

Erzählformen im Frühwerk L. N. Tolstois

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