Die Dramen Jacob Lochers und die frühe Humanistenbühne im süddeutschen Raum 9783110201581, 9783110183504

The dramatic works of Jacob Locher (1471-1528) have largely fallen into oblivion. Introduced here in chronological order

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German Pages 598 [599] Year 2005

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Table of contents :
Frontmatter
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Drama an der Hohen Schule
3. Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse
4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br.
5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)
6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)
7. Jacob Locher und der Straßburger Terenz von 1499
8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen
9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt
10. Das Spiel für den Landesherrn: Spectaculum de regibus (1502)
11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)
12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater
13. Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510)
14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)
15. Rückbesinnung auf Seneca: tres selectiores tragoediae (1520)
16. Schluss
Backmatter
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Die Dramen Jacob Lochers und die frühe Humanistenbühne im süddeutschen Raum
 9783110201581, 9783110183504

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Cora Dietl Die Dramen Jacob Lochers

Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte Begründet als

Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker von

Bernhard Ten Brink und Wilhelm Scherer

Herausgegeben von

Ernst Osterkamp und Werner Röcke

37 (271)

≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York

Die Dramen Jacob Lochers und die frühe Humanistenbühne im süddeutschen Raum von

Cora Dietl

≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN-13: 978-3-11-018350-4 ISBN-10: 3-11-018350-1 ISSN 0946-9419 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2005 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Sigurd Wendland, Berlin

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2004 von der Neuphilologischen Fakultät der Universität Tübingen als Habilitationsschrift angenommen worden. Sie ist im Rahmen des Tübinger Graduiertenkollegs Ars & Scientia im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit entstanden und im Rahmen des Margarete von WrangellProgramms des Landes Baden-Württemberg fertiggestellt worden. Für beide Förderungen gilt mein Dank nicht nur dem Land Baden-Württemberg und der DFG, sondern insbesondere auch all denen, die es mir ermöglicht haben, in das jeweilige Programm aufgenommen zu werden. An erster Stelle seien hier an der Universität Tübingen die Herren Professoren Georg Wieland, Sönke Lorenz, Christoph Huber und v.a. mein Betreuer, Herr Professor Walter Haug, genannt. Dem Graduiertenkolleg wie auch dem Tübinger Mediävistischen Oberseminar sowie den Kollegen und Gutachtern in der Neuphilologischen Fakultät verdanke ich wichtige Anregungen, Hilfe und konstruktive Kritik. Neben den oben angeführten Personen möchte ich hier in erster Linie die Herren Professoren Joachim Knape, Klaus Ridder, Burghart Wachinger und Heinz Hofmann erwähnen. Dank schulde ich vornehmlich auch meinen externen Kommentatoren, Herrn Prof. Gerrit Walther (Wuppertal) und in ganz besonderer Weise Herrn Prof. Jan-Dirk Müller (München), der die Rolle eines externen Betreuers übernommen hat. Für richtungsweisende Gespräche in der Anfangsphase des Projekts danke ich Herrn Dr. Bernhard Coppel (Freiburg); für die kritische Durchsicht des Manuskripts in der Endphase bin ich Herrn Dr. Frieder Schanze (Tübingen), vor allem aber Herrn Professor Fidel Rädle (Göttingen) und Herrn Dr. Derk Ohlenroth (Tübingen) zu Dank verpflichtet. Für die rasche Aufnahme meiner Arbeit in die Quellen und Forschungen und eine umsichtige Betreuung des entstehenden Buchs danke ich Herrn Professor Werner Röcke (HU Berlin) und Herrn Dr. Haiko Hartmann vom Verlag Walter de Gruyter. Zuletzt aber sollte ich den Dank an meine jetzige Arbeitstelle, an das Onderzoekinstituut voor Geschiedenis en Cultuur der Universität Utrecht, und an Herrn Dr. Bart Besamusca nicht vergessen, dessen Großzügigkeit es mir erlaubt hat, mich neben dem laufenden gemeinsamen Projekt der letzten Überarbeitung des Manuskripts zu widmen. Cora Dietl

Utrecht, im Oktober 2005

Inhalt Vorwort...................................................................................................................................... V 1. Einleitung..........................................................................................................................1 1.1. Ein Leben im Dienste der Musen ................................................................................. 2 1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick....................................................................... 7 2. 2.1. 2.2. 2.3.

Das Drama an der Hohen Schule................................................................................20 Die Komödie..................................................................................................................20 Komödie oder Tragödie?..............................................................................................25 Was ist ‚Tragödie‘? Die Vorgabe des Aristoteles.......................................................29

3. 3.1. 3.2. 3.3.

Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse...............................................35 Eine theoretische Hinführung: Konrad Celtis...........................................................35 Ein erstes praktisches Vorbild: Albertino Mussato...................................................39 Ein weiteres praktisches Vorbild: Carlo Verardi .......................................................43

4. 4.1. 4.2. 4.3.

Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br............................48 Residenzstadt und Universitätsstadt............................................................................48 Freiburger Musik- und Festkultur ...............................................................................53 Humanisten in Stadt und Universität: Lochers Vorgänger und Freunde ..............59

5. 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 5.6. 5.7. 5.8.

Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495) ...........63 Vorspiel: Locher als „Kriegsberichtserstatter“ ..........................................................63 Das Werk eines Lektors für Geschichte und Poesie.................................................67 Deutung historischen Geschehens durch die Tragödienstruktur ...........................76 Der Tragödienchor als didaktischer Kommentar......................................................87 Fortuna, der Kern der Tragödie ..................................................................................94 Die Aufführung der Tragödie als Feier zwischen Hof und Universität...............103 Fazit I: ein bedeutender Schritt für die Literaturgeschichte...................................105 Fazit II: ein bedeutender Schritt für Lochers Karriere ...........................................106

6. 6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 6.5. 6.6.

Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497) ............................................109 Die Zeit ist reif: Aufruf zum Türkenkrieg................................................................109 Kreuzzugspredigt auf der Bühne: Visualisierungstechniken..................................111 Exkurs: die Präsenz von Vergangenem im Fronleichnamspiel .............................122 Eine neue Art zu schreiben: Wiedergeburt des antiken Theaters .........................125 Die Berechtigung der Gattungsbezeichnung ‚Tragödie‘ ........................................133 Fazit ...............................................................................................................................135

VIII

Inhalt

7.

Jacob Locher und der Straßburger Terenz von 1499..................................................137

8. 8.1. 8.2. 8.3. 8.4. 8.5. 8.6.

Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen...............148 Jakob Wimpheling, Gegner der Histrionen .............................................................149 Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie...........................................................160 Joseph Grünpeck: Komödie als naher Spiegel ........................................................174 Konrad Celtis: Theater als Programm ......................................................................188 Heinrich Bebel, der Poet als Lateinlehrer und königlicher Rat .............................204 Bilanz: Noch einmal Tragödie vs. Komödie............................................................212

9. 9.1. 9.2. 9.3. 9.4. 9.5.

Ein neues Umfeld: Ingolstadt ....................................................................................215 Eine Fürstenuniversität...............................................................................................215 Ingolstadt, Bayern und das Reich ..............................................................................219 Eine Kulturstadt?.........................................................................................................220 Humanismus an der Universität Ingolstadt .............................................................225 Locher in Ingolstadt: Erste Stimmungsbilder ..........................................................228

10. Das Spiel für den Landesherrn: Spectaculum de regibus (1502)..................................234 10.1. Spectate rem novam: eine neue Form für ein altes Anliegen.......................................234 10.2. Mehr als nur Kreuzzugswerbung. Eine Huldigung an Georg ...............................239 11. 11.1. 11.2. 11.3. 11.4. 11.5. 11.6. 11.7. 11.8.

Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502) ....................................................243 Der Philomusus als Leser Boccaccios.......................................................................244 Lochers Fulgentius-Lektüre........................................................................................246 fabulas dilatare: Erweiterung der Vorlage mit neuem Akzent..................................252 Paris: Identifikationsfigur oder Feindbild? ...............................................................257 Die Dramenform – diese Dramenform .....................................................................264 Ein Festspiel wie Celtis’ Ludus Dianae oder Grünpecks Komödien?....................270 Die Aufführung des Iudicium Paridis 1502.................................................................271 Rezeption in Polen ......................................................................................................275

12. 12.1. 12.2. 12.3. 12.4.

Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater......................277 Die Abrechnung mit Georg Zingel...........................................................................277 Ludicrum drama de sene amatore (um 1503/05) ............................................................282 Kampf an mehreren Fronten .....................................................................................291 Mulopoeta vs. Mulotheologus....................................................................................299

13. 13.1. 13.2. 13.3.

Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510)..................................................305 Neue alte Aufgaben für den Dichter des Kaisers....................................................305 Ein lukianischer Dialog als „drama“ ..........................................................................306 Der sensus mysticus .........................................................................................................311

14. 14.1. 14.2. 14.3.

Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513).......................................319 Wer ist der Gegner?.....................................................................................................319 Die Suche nach der angemessenen Form.................................................................323 Zwei Tyrannen in zwei Akten....................................................................................325

Inhalt

IX

14.4. Sammerpotzleychnam. Der dritte Akt ............................................................................328 14.5. Veterum more chorus........................................................................................................333 14.6. Theater als politische Werbung .................................................................................336 15. 15.1. 15.2. 15.3. 15.4.

Rückbesinnung auf Seneca: tres selectiores tragoediae (1520).......................................339 Locher als Lehrer.........................................................................................................339 Vorlesungsankündigung und Retrospektive.............................................................340 Noch einmal gegen die Feinde der Musen...............................................................343 Noch einmal zum Ziel von Lochers Dichtung........................................................346

16. 16.1. 16.2. 16.3. 16.4. 16.5. 16.6. 16.7. 16.8. 16.9.

Schluss...........................................................................................................................348 Dichtung und Wahrheit ..............................................................................................349 Das Dichteramt. Ein Auftrag in Politik und Lehre.................................................350 Augenzeugenschaft, Strukturzwang und Festatmosphäre .....................................354 Orator oder Histrione? Gestik und Mimik im Spiel ...............................................358 Zwischen Amphitheater und Stubenbühne .............................................................363 Lukian und Lazarus .....................................................................................................365 Formenvielfalt ..............................................................................................................367 Lochers Dichterkollegen und ihre Vorliebe für die comoedia..................................372 Anregungen für Lochers Schüler und für die Nachwelt ........................................375

Anhang ....................................................................................................................................379 Anhang I: Historia de Rege Frantie .....................................................................................384 Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano ............................................................................407 Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis .....................................................448 Anhang IV: Iudicium Paridis..................................................................................................461 Anhang V: Ludicrum drama de sene amatore.........................................................................492 Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico..............................................................................503 Anhang VII: Libellus dramaticus novus sed non musteus...........................................................515 Abbildungsverzeichnis ..........................................................................................................531 Literatur...................................................................................................................................533 1. Quellen................................................................................................................................534 2. Forschungsliteratur............................................................................................................549 Personen- und Werkregister.................................................................................................579

1. Einleitung Anders handelten die Athener. Sie gaben ihrem Schmerz über den Fall Milets auf verschiedene Weise Ausdruck. So dichtete Phrynichos ein Drama Der Fall Milets. Als es zur Aufführung gelangte, weinten alle Hörer im Theater. Phrynichos mußte 1000 Drachmen Strafe zahlen, weil er das Unglück ihres eigenen Stammes wieder aufgerührt hatte. Weiterhin bestimmten die Athener, niemand dürfe mehr dieses Drama aufführen (Herodot, Historien VI, 21).1

Am Anfang des Theaters stand der Krieg, so argumentiert Rolf HOCHHUTH mit Verweis auf Herodots Erwähnung der Tragödie »Miletu halosis«. In ihr dramatisiert Phrynichos von Athen im Jahr 492 v. Chr. die zwei Jahre zuvor erfolgte Eroberung Milets durch die Perser.2 „Das Entsetzen des Krieges also hat das Drama geboren; Staatspolitik es verboten“.3 Schon immer habe das Theater mit Politik zu tun gehabt, schon immer sei es mit staatlichen Interessen und Zensur konfrontiert gewesen. In seinen Erörterungen zur „Geburt der Tragödie aus dem Krieg“ und zur Geschichte des Dramas springt HOCHHUT großzügig von der klassischen Antike zu Lessing und Schiller. Übersprungen ist damit die Zeit, in der das antike Theater eine zweite „Geburt“ in Europa erlebt hat: der Renaissancehumanismus. Die neue Institution der fürstlich gestifteten Landesuniversität stellte im Frühhumanismus den geeigneten Rahmen zur Verfügung, in welchem eine neue Form des Dramas entstehen konnte, bedingt durch die neue Auseinandersetzung mit der Antike, durch den neuen Blick auf die Geschichte und Politik und durch das neue Selbstverständnis des Dichter-Gelehrten, welche den Humanismus prägen. Diese neue Form des Dramas, die sich als „Nachahmung der antiken Tragödie“ versteht, ist gleichfalls aus dem Krieg geboren; auch sie ist engstens mit der Politik verstrickt. HOCHHUTHs Gegenüberstellung von revolutionärem Dichter und oppressiver Obrigkeit aber erweist sich als ein inkompatibles Beschreibungsmodell für die Komplexität der Fronten, zwischen denen das neulateinische Drama entsteht und die sich um dieses auftun. Der Humanismus entdeckt die Massenwirksamkeit und die Macht des gedruckten Worts und die Überzeugungskraft des audiovisuellen Mediums Theater und er setzt sie zu vielfältigen Zwecken ein. –––––––––––––– 1 2 3

Herodot, Historien. Hrsg. u. übers. v. Josef Feix. München 1963, 2 Bde (Tusculum-Bücherei). Bernhard ZIMMERMANN, Phrynichos aus Athen, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hrsg. v. Hubert Cancik u. Helmuth Schneider, Bd. 9. Stuttgart u. a. 2000, Sp. 970f. Rolf HOCHHUTH, Die Geburt der Tragödie aus dem Krieg. Frankfurter Poetikvorlesungen. Frankfurt a. M. 2001 (edition suhrkamp), S. 17.

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1. Einleitung

Dass, wer diese beiden Medien gezielt in seinen Dienst stellt, seine Rolle im Machttheater der Welt zu spielen vermag, ist, trotz einer unleugbaren Differenz der Umstände, auch der heutigen Zeit ein vertrautes Phänomen.4 Eine nicht unbedeutende Rolle in der Entwicklung des humanistischen Dramas in Deutschland und in der Entdeckung seiner gesellschaftlichen und politischen Wirkungsmöglichkeiten spielt Jacob Locher, der Protagonist der vorliegenden Arbeit. Er hat als erster deutscher Dichter ein eigenes, nach dem Muster der Tragödien Senecas verfasstes, Theaterstück auf die Bühne gebracht.

1.1. Ein Leben im Dienste der Musen Im Vorspann seiner Fulgentius-Ausgabe von 1521,7 gegen Ende seiner Schaffenszeit, dankt Jacob Locher Philomusus seinen Lehrern, die ihn in moribus unterrichtet haben, ihm latinae ... progymnasmata linguae / Monstravere und ihn zu einem comes camenis gemacht haben.6 Er nennt Sebastian Brant, celebrem Basileae7 poetam, den Lyriker Celtis, den Rhetoriker Johannes Calphurnius, Filippo Beroaldo, den Elegiker Lorenzo Rosso und Johannes Baptista Pius als Erneuerer des Varro. Ubertinus Clericus lobt er für seine Eloquenz, Franciscus Niger für seine sapphische Dichtung und schließlich Marcus Musuros Cretensis als Verfasser griechisch-lateinischer Mischdichtung und als Übersetzer des Galenus. Diese selbstbewusste Rückbesinnung auf seine Lehrer ist eine wertvolle Quelle für die Rekonstruktion von Lochers wissenschaftlichem Werdegang; sie zeugt aber v.a. auch von seinem Selbstverständnis als Dichter. Als comes der Musen sieht er sich mit hervorragenden Vertretern des deutschen und italienischen Frühhumanismus verbunden, in deren Werk die lateinische Dichtkunst eine untrennbare Einheit mit einer umfassenden Ethik bilde. Jacob Locher wurde in der letzten Juliwoche 1471 in Ehingen an der Donau geboren.8 Mitglieder der Familie Locher sind in verschiedenen Ämtern der Stadt Ehingen bezeugt. Ein Vetter Jacobs, Konrad Locher, war Stadtammann in Ulm –––––––––––––– 4

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Auf die häufig diskutierte Frage nach Alterität und Kontinuität möchte ich hier nicht näher eingehen. Exemplarisch sei verwiesen auf die Einleitung zu: Jeffrey Jerome COHEN (Hrsg.), The Postcolonial Middle Ages. New York 2000 (New Middle Ages), S. 1–17. Fulgentius Placiades [sic!] In Mythologiis. Hoc volumine infra scripta continentur: Fabii Fulgentii Placiadis Episcopi Mythologiarum libri tres, in quibus priscarum interpretamenta studiosis admodum utilia continentur; Scolia paraphrastica a Philomuso addita sunt...; Epistola dedicatoria cum aliis appendicibus... Augsburg: Sigismund Grimm u. Marx Wirsung, 1521 (Exemplar UB Tübingen, Ce 178). Praeceptorum fidelium ac Doctissimorum Grata philomusi Recordatio, ebd., a4r–v. Basileae ] Basilea. Josef HEHLE, Der schwäbische Humanist Jakob Locher Philomusus (1471–1528). Eine kulturund literarhistorische Skizze, in: Programm des Königlichen Gymnasiums in Ehingen zu dem Schlusse des Schuljahrs 1872–73/1873–74/1874–75. Ehingen 1873–75, Bd. I (1873), S. 8.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

3

von 1481 bis mindestens 1515. Jacobs Bruder Berthold wurde Kaplan am Ulmer Münster, sein Bruder Bartholomäus Stadtschreiber und Schulmeister in Geislingen. Nach dem Besuch der Lateinschule in Ulm immatrikulierte sich Jacob Locher im Mai 1487 an der Universität Basel.9 Dort lernte er Sebastian Brant kennen.10 Bereits am 1. Juli 1488 allerdings trug er sich an der vorderösterreichischen Universität Freiburg in die Matrikel ein.11 Sein Jurastudium in Freiburg blieb ohne Abschluss. Am 15. 6. 1489 wechselte er an die Universität Ingolstadt – und bezeichnete sich hier bereits als einen Freund der Musen: Jnscriptus est albo Universitatis ad diem 15. Juni h. a. Jacobus Locher Ehinganus, notum Musis nomen, bemerken die Annalen der Universität.12 Ab 1492 lehrte hier Konrad Celtis, zu dem Locher später ein enges Schüler-Lehrer-Verhältnis bewahrte. Dennoch konnte ihn Celtis nicht in Ingolstadt halten; schon im Juni 1492 zog der Ehinger Dichter nach Tübingen, wo er am 24. 6. 1492 als poeta (d. h. als Vertreter der Poeten-Lektur) in die Matrikel eingetragen ist. Am 8.9.1492 kündigte er dort seine Vorlesungen wieder auf, nachdem er mit dem Tübinger Juristen Johannes Lupfdich in einen heftigen Konflikt geraten war.13 Er plante, noch im gleichen Jahr nach Frankreich zu gehen. Spätestens 1493 allerdings trat er eine Italienreise an, die ihn nach Bologna,14 Pavia, Ferrara, Venedig und Padua führte. Vermutlich begleitete ihn ein Stück weit sein Bruder Bartholomäus;15 von Ferrara nach Venedig reiste er nach eigenen Angaben in Begleitung von Markgraf Jakob II. von Baden,16 der zuvor wie Locher bei Beroaldo d. Ä. studiert hatte.17 –––––––––––––– 9

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Günter HEIDLOFF, Untersuchungen zu Leben und Werk des Humanisten Jakob Locher Philomusos (1471–1528). Diss. Freiburg i. Br. 1971. Münster 1975, S. 142. Zu seiner Zeit als Schüler Brants vgl. Joachim KNAPE, Dichtung, Recht und Freiheit: Studien zu Leben und Werk Sebastian Brants 1457–1521. Baden-Baden 1992 (Saecula spiritalia 23), S. 170– 172. Matrikel der Universität Freiburg im Breisgau von 1460–1658. Hrsg. v. Hermann Mayer. 2 Bde. Freiburg 1907–1910, Nachdr. Nendeln 1976, S. I,91: Jacobus Locher de Echingen. Constant. dioc. prima die Julii. Zit. nach: HEHLE I (1873), S. 11. Dieter MERTENS, Jakob Locher Philomusus als humanistischer Lehrer an der Universität Tübingen, in: Bausteine zur Tübinger Universitätsgeschichte 3 (1989), S. 11–38; ders., Der humanistische Rhetoriker Heinrich Bebel (1472–1518), in: 500 Jahre Tübinger Rhetorik. 30 Jahre Rhetorisches Seminar. Katalog zur Ausstellung im Bonatzbau der Universitätsbibliothek Tübingen vom 12. Mai bis 31. Juli 1997. Hrsg. v. Joachim Knape. Tübingen 1997, S. 16–19, S. 16; Andrea u. Dag BENHELM, Jakob Locher: Schwanengesang, ebd., S. 25. Ernst CONRAD, Die Lehrstühle der Universität Tübingen und ihre Inhaber (1477–1927). Tübingen 1960, verzeichnet Locher nicht. Zu Beroaldos d. Ä. deutschen Schülern vgl. Anna ROSE, Filippo Beroaldo der Ältere und sein Beitrag zur Properz-Überlieferung. München/Leipzig 2001 (Beiträge zur Altertumskunde 156), S. 131f.; Konrad KRAUTTER, Philologische Methode und humanistische Existenz. Philippo Beroaldo und sein Kommentar zum Goldenen Esel des Apuleius. München 1971 (Humanist. Bibliothek I, 9), S. 18–20. HEHLE I (1873), S. 10. Brief an Wolfgang von Tannberg, gedruckt in Lochers Fulgentius-Ausgabe von 1521, b2v, zitiert in: HEHLE I (1873), S. 12, A. 11.

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1. Einleitung

In die italienische Zeit fallen die Anfänge von Lochers schriftstellerischem Werk: Kurzprosa und Gedichte.18 Im September 1494 hielt sich der Dichter noch in Bologna auf und schrieb von dort an seinen Vetter Konrad in Ulm über den Feldzug Karls VIII. von Frankreich in Italien.19 Im selben Jahr erschien bei Johannes Otmar in Reutlingen Lochers Ausgabe von Ciceros Reden »Pro Aulo Licino Archia poeta« und »Pro Marco Marcello«.20 HEHLE vermutet daher, dass Locher im Laufe des Jahres 1494 nach Deutschland zurückgekehrt sei,21 widerspricht dieser Auffassung aber selbst, indem er später die Cicero-Ausgabe auf Januar 1494 datiert.22 Über den Fortgang der Geschehnisse in Italien blieb Locher jedenfalls informiert, was auf eine späte Rückkehr schließen lassen könnte.23 Im Jahr 1495 trat der Philomusus (so nannte sich Locher seit seinem Italienaufenthalt) seinen Dienst als außerplanmäßiger Lektor für Rhetorik und Poesie an der Universität Freiburg an, unterstützt von den Markgrafen von Baden, die bei ihm studierten. Wann er in der Stadt im Breisgau angekommen war, ist nicht bekannt. Erstmals erwähnt ist er dort am 31. Oktober, und zwar auf einem Leihzettel der Fakultätsbibliotek der Artisten: In eodem actu conclusum fuit, quod domino Jacobo Locher Philomuso deberet accomodari Plinius ex libraria facultatis.24 Vermutlich ebenfalls im Oktober 1495 ließ Locher sein erstes Drama durch Studenten der Universität in Freiburg aufführen, die »Historia de Rege Frantie«, die bald darauf bei Friedrich Riederer in Freiburg im Druck erschienen ist (vgl. Kap. 5). Kurz darauf druckte Riederer weitere Werke Lochers: das »Carmen de diluvio Romae effuso« (Dezember 1495), seine Antrittsvorlesung »Oratio de studio humanarum disciplinarum et laude poetarum« (1495/96), das Rhetorikbüchlein »Epithoma rhetorices graphicum ... congestum« (nach 24. 2. 1496) und die »Nenia de obitu et laude principis Sigismundi« (nach 4. 3. 1496). Offensichtlich über seinen ehemaligen Lehrer Sebastian Brant, dessen »Narrenschiff« er zu dieser Zeit

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In der Widmung seiner Abhandlung »De foelicitate« (1495) an Jacob von Baden, Venisti non pri– dem unacum duobus clarissimis fratribus ad gymnasium hoc nostrum. Varia Philippi Beroaldi opuscula in hoc Codice contenta. Basel: Gregor Bartholomäus, 1513 (Exemplar UB Tübingen, Kf II 10.4°), 111r. Zu diesen vgl. Bernhard COPPEL, Liebeselegie als Dialog. Erinnerungen an den Humanisten Jakob Locher Philomusus anläßlich des 500. Jahrestages seiner Immatrikulation an der Universtiät Freiburg am 1. Juli 1488. Freiburger Universitätsblätter 104 (1989), S. 103–117, S. 111– 116. ÖNB Wien, Cod. lat. Vindob. 3193, fol. 1r–6r. HEIDLOFF, S 21f. HEHLE I (1873), S. 14. Josef HEHLE, Der große Humanist Jakob Locher, genannt Philomusus (†1528), der berühmteste Sohn der Stadt Ehingen, und seine kulturelle Bedeutung, in: ders., Geschichtliche Forschungen über Ehingen und Umgebung. Ehnigen 1925, S. 163–186, S. 168. Auch COPPEL 1989, S. 117 geht von einer Rückkehr Lochers Mitte 1495 aus. Aus den Fakultätsakten des Jahres 1495, fol. 123r, zit. nach: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. I. Hrsg. v. Paul Lehmann. München 1918, S. 45.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

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ins Lateinische übertrug (als »Stultifera navis«),25 kam Locher in Kontakt mit dem Baseler Verleger Johannes Bergmann von Olpe, bei dem seine folgenden Werke erschienen: die »Theologica emphasis« (1496),26 sein theologisches Hauptwerk, in welchem er eine Theologie der Kirchenväter entwirft, ferner das »Heroicum carmen de sancta Catharina« (1496) und schließlich die bereits erwähnte »Stultifera navis« (1. 3. 1497), der sowohl Jacob Locher als auch zu großen Teilen das »Narrenschiff« selbst seine Berühmtheit verdanken. Kurz nach Erscheinen dieses seines Hauptwerks, zwischen dem 1. 3. und dem 15. 5. 1497, wurde Locher zum Dichter gekrönt. Anlässlich dieser Feierlichkeit ließ er ein zweites Theaterstück aufführen, die »Tragedia de Thurcis et Suldano«, die noch im gleichen Jahr in einem Sammelband von Locherschen Panegyrica bei Johannes Grüninger in Straßburg gedruckt worden ist (vgl. Kap. 6). Dies war der Auftakt zu einer kurzen, aber fruchtbringenden Zusammenarbeit mit dem berühmten Straßburger Verleger, der am 10. 3. 1498 ein weiteres von Lochers Hauptwerken herausbringen sollte, seine Horaz-Ausgabe.27 Es handelt sich hierbei um die erste vollständige Ausgabe der Werke des Horaz von einem deutschen Herausgeber. Als sie erschien, hatte Locher bereits die Universität Freiburg verlassen. Am 28. 1. 1498 trat er in Ingolstadt die Nachfolge seines Lehrers Konrad Celtis an, als Lektor für Poesie.28 Lochers anfängliche Begeisterung für die neue Stelle klang bald ab. In einem Brief an Celtis vom 19./20. 4. beklagt er erstmals Anfeindungen durch die Theologen. Sein einflussreichster und energischster Gegner war Georg Zingel, der Vizekanzler der Universität. Dieser nahm Anstoß an Lochers Beschäftigung mit heidnischen Dichtern und an Lochers lockerem Privatleben. Welche Rolle Lochers Theateraufführungen in diesem Streit gespielt haben, ist umstritten.29 Nach mehreren kleineren Werken, die eine religiöse Thematik, die Endzeiterwartung um 1500 und kaiserliche Panegyrik verbinden, erscheinen als erste größere Werke aus Lochers Ingolstädter Zeit 1502 die beiden Dramen »Spectaculum de regibus et proceribus christianis« und »Iudicium Paridis de pomo aureo« (gedruckt bei Hans Froschauer in Augsburg). Bald darauf folgte das »Ludicrum –––––––––––––– 25

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28 29

Vgl. Nina HARTL, Die ‚Stultifera navis‘. Jakob Lochers Übertragung von Sebastian Brants ‚Narrenschiff‘. Münster 2001 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 1); Michael RUPP, „Narrenschiff“ und „Stultifera navis“. Deutsche und Lateinische Moralsatire von Sebastian Brant und Jacob Locher in Basel 1494–1498. Münster 2002 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 3). Teiledition und Übersetzung in: RUPP, S. 16–49. Die Habilitationsschrift von Hans-Peter SCHÖNBECK, Jakob Locher Philomusus und seine kommentierte Horazausgabe (Straßburg 1498). Bielefeld (masch.) 1987 war mir leider nicht zugänglich. Annales Ingolstadiae academiae, zit. in: HEHLE I (1873), S. 33. HEIDLOFF, S. 158.

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1. Einleitung

drama de sene amatore« nach plautinischem Vorbild (vgl. Kap. 10–12). Die zwei letzteren Dramen stehen bereits deutlich im Kontext des Gelehrtenstreits. Bis, wie mit HEHLE anzunehmen ist,30 im Sommer 1503 Lochers »Apologia contra poetarum hostem Georgium Zingel« erschien, hatte der Dichter Ingolstadt bereits verlassen.32 Am 23. Juni übernahm er die planmäßige Lektur für Poesie in Freiburg, auf der bisher sein Freund, der Jurist Ulrich Zasius, gesessen hatte. Dieser wandte sich nun der Juristerei zu, allerdings nicht ohne seinen Nachfolger kritisch zu beobachten. Bald lernte Locher auch Jakob Wimpheling kennen, der sich ab 1504 als Mentor zweier Straßburger Studenten in Freiburg aufhielt. Von Freiburg aus führte der Philomusus nun mit verschärften Mitteln seinen Streit gegen Zingel weiter. Aus diesem Streit, der unten eine ausführlichere Betrachtung finden wird (Kap. 12), sind weitere Streitschriften wie v. a. Lochers »In anticategoriam rectoris gymnasii Ingolstadiensis responsio compendiosa« (1505) hervorgegangen. Bald waren auch Wimpheling und Zasius gegen Locher aufgebracht und die Atmosphäre in Freiburg so sehr vergiftet, dass der Philosmusus sich auf die Hilfe Herzog Albrechts von Bayern verlassen musste. Dieser berief ihn noch rechtzeitig, bevor Locher von der Universität Freiburg seines Amts enthoben wurde, im März 1506 nach Ingolstadt zurück. Die wütendste Schmähschrift des Dichters gegen Zingel und die scholastische Theologie sollte dann im Dezember 1506 erscheinen, die »Comparatio sterilis mulae ad musam«, gedruckt in Nürnberg bei Johannes Weißenburger.32 An den anschließenden Streitigkeiten um diesen Text beteiligte sich Locher nicht mehr. Georg Zingel stellte schließlich aus der »Comparatio« 24 häresieverdächtige Sätze zusammen, um eine päpstliche Verurteilung Lochers zu erwirken.33 Das Verfahren aber kam nicht zustande, da Zingel am 26. 4. 1508 starb. Locher wurde im Juni 1508 von der Universität dazu bestimmt, in Tübingen um einen Nachfolger für Zingel zu werben – was sich allerdings als eine vergebliche Mission herausstellte.34 Zwei Jahre später wurde schließlich Johannes Eck auf diese Professur berufen. Nach mehreren Jahren weitgehenden literarischen Schweigens (mit Ausnahme von einigen Gelegenheitsdichtungen, darunter auch dem »Poemation de Lazaro mendico« von 1510, vgl. Kap. 13) legte Locher 1512 einen Sammelband von Gedichten und kleineren Schriften vor. Im Jahr darauf versuchte er sich noch einmal an einem Drama, ließ es aber ungedruckt (vgl. Kap. 14). Ab 1514 folgten –––––––––––––– 30 31

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HEHLE I (1873), S. 175; HEIDLOFF, S. 69. Locher wendet sich in der »Apologia« an Herzog Georg von Bayern. Dessen Tod im Dezember 1503 bildet damit den terminus ante quem. MÜLLER nimmt im Gegensatz zu HEHLE an, Locher habe die »Apologia« bereits in Freiburg verfasst: Jan-Dirk MÜLLER, Jakob Locher, in: Biographisches Lexikon der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998, S. 2246f., S. 246. HEIDLOFF, Nr. XXXIV, S. 74. Joseph SCHLECHT, Zu Wimphelings Fehden mit Jacob Locher und Paul Lang, in: FS Karl Theodor von Heigel. München 1903, S. 236–265, S. 243–45. HEHLE II (1874), S. 35f.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

7

seine Veröffentlichungen wieder in dichterer Folge, nun deutlich an den Bedürfnissen des Unterricht ausgerichtet: das »Compendium rhetorices« und eine Reihe von Klassikerausgaben. Erwähnt seien nur die Ausgabe von drei Tragödien des Seneca 1520 (vgl. Kap. 15) und der »Mythologiae« des Fulgentius 1521. In seinen kleineren Schriften äußert sich Locher zu politischen Ereignissen der Zeit; die aktuellen konfessionellen Fragen aber lässt er weitestgehend unkommentiert. Am 17. 9. 1515 heiratete Jacob Locher, und 1517 kam sein Sohn Johann Paul zur Welt.35 Im gleichen Jahr verstrickte er sich wieder in neue Händel an der Universität: mit Johannes Eck. Der Kanzler Leonhard von Eck konnte diese aber beilegen. Auch drei Jahre später, als der Philomusus erneut verdächtigt wurde, der Autor von Schmähschriften zu sein, scheint sich Leonhard von Eck für ihn eingesetzt zu haben.36 Die räumliche Trennung dürfte schließlich das ihrige dazu getan haben, dass sich die Wogen wieder glätteten: Im Jahr 1521 musste Ingolstadt wegen der Pest geräumt werden; Locher siedelte nach Ulm über.37 In seiner Ulmer Zeit begann Locher schwer unter dem „Podagra“ (der Gicht oder doch eher der Syphilis?)38 zu leiden, deren Symptome sich bereits früher gezeigt hatten. Nach seiner Rückkehr nach Ingolstadt 1522 ging seine literarische Produktivität ganz zurück; nachweislich hatte er nur noch sehr wenige Hörer, während einige Studenten beim Senat beantragten, dass ein neuer Lehrer für Poesie eingestellt werde.39 Locher starb am 4. 12. 1528. Auf seinen Wunsch wurde sein früherer Gegner, Johannes Eck, zum Vormund für seinen (zweiten?) Sohn Joachim bestellt.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick Das Humanistendrama brauche eine viel intensivere Analyse, als es bisher erfahren habe, fordert James A. PARENTE 1992, denn seine Intentionen seien oft verborgen.40 Verborgene politische, soziale und ideologische Intentionen aber sind einer rein philologischen Untersuchung kaum zugänglich. Dass eine Literatur, die ––––––––––––––

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HEHLE II (1874), S. 36, Anm. 8. HEHLE II (1874), S. 39. Ebd., S. 40. Heinz Otto BURGER, Renaissance, Humanismus, Reformation. Deutsche Literatur im europäischen Kontext. Frankfurt a. M. 1969 (Frankfurter Beitr. zur Germanistik 7), S. 257 u. 292; John L. FLOOD, Die Syphilis und der deutsche Humanismus, in: Die Funktion außer- und innerliterarischer Faktoren für die Entstehung deutscher Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Hrsg. v. Christa Baufeld. Göppingen 1994 (GAG 603), S. 217–247, S. 223. HEHLE II (1874), S. 41. James A. PARENTE, Empowering Readers. Humanism, Politics and Money in Early Modern German Drama, in: The Harvest of Humanism in Central Europe. FS Lewis W. Spitz. Hrsg. v. Manfred F. Fleischer. St. Louis, Mo. 1992, S. 263–280.

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1. Einleitung

eine zentrale Rolle in ihrer Gesellschaft anstrebt, sie jedoch nur erringen kann, wenn ihr eine entsprechende Performanz gewährt wird, vom Literaturhistoriker nicht kontextneutral betrachtet werden sollte, ist offenkundig, selbst wenn sich in der Art der Bezugnahme der Literatur auf ihren Kontext Überzeitliches mitteilt – was ja diese Dichtung erst in anderen zeitlichen und kulturellen Umgebungen lesenswert macht. Eine solche Literatur verlangt geradezu nach einer kulturwissenschaftlichen Betrachtung, nach der immer wieder neuen Verbindung zwischen Einzelinterpetation und Kontextanalyse, nach negotiations im Sinne von Stephen GREENBLATT, der sich energisch gegen das Bild des isolierten Künstlers wehrt: „Individuen sind selbst ein Produkt kulturellen Austauschs“,41 und „das Theater [ist] ganz offenkundig das Produkt kollektiver Intentionen“.42 In diesem Sinne hat auch bereits 1969 Eberhard LÄMMERT die Notwendigkeit einer Erweiterung der Germanistik zu einer interdisziplinären Kulturwissenschaft erkannt und für eine Aufspaltung und Neuintegration des Fachs in allgemeine Sprach- und Literaturwissenschaft, regionale Kulturwissenschaft und verschiedene Epochen-Wissenschaften plädiert.43 Den Weg zu einer interdisziplinären, Geschichts- und Politikwissenschaft, Soziologie und andere Disziplinen integrierenden Wissenschaft hat sicherlich nicht zuletzt auch die mit dem Namen GREENBLATT bereits anzitierte, aus der anglistischen Renaissance-Forschung erwachsene Theorie des New Historicism geebnet;44 die Einzelphilologien freilich haben die kulturwissenschaftlichen Ansätze auf vielfältige Weise weiterentwickelt. In der Humanismusforschung bedeutet die Wahl einer kulturwissenschaftlichen Fragestellung eine Betonung und Problematisierung der Verbindung zwischen dem literarischen und anderen Diskursen, der Dialektik zwischen Text und Welt;45 sie bedeutet eine Erweiterung des Gegenstandsbereichs der Literaturgeschichte auch auf andere Textgattungen und auf symbolische Formen der Repräsentation. Dabei geht es „um die Analyse der komplizierten Wege, in denen Kultur, Gesellschaft und Politik ineinandergreifen, und um die Aufdeckung von Machtstrukturen, an denen vielfach vermittelt auch die Kultur teilhat.“ 46 ––––––––––––––

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Stephen GREENBLATT, Shakespearean Negotiations. Verhandlungen mit Shakespeare. Innenansichten der englischen Renaissance. Aus d. Amerikanischen übers. v. Robin Cackett. Frankfurt a. M. 1993, S. 22. Ebd., S. 13. Eberhard LÄMMERT, Das Ende der Germanistik und ihre Zukunft, in: Ansichten einer künftigen Germanistik. Hrsg. v. Jürgen Kolbe. München 1969, S. 79–104, S. 93. Anton KAES, New Historicism: Literaturgeschichte im Zeichen der Postmoderne?, in: New Historicism. Hrsg. v. Moritz Baßler. Tübingen/Basel 22001, S. 251–267; Stephen GREENBLATT, Die Formen der Macht und die Macht der Formen in der englischen Renaissance (Einleitung), in: ebd., S. 29–34. Louis A. MONTROSE, Die Renaissance behaupten. Poetik und Politik der Kultur, in: ebd., S. 60– 93, S. 74. KAES, S. 263.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

9

Der sog. „kulturwissenschaftlichen Wende“ in der Literaturwissenschaft ist es auch zu verdanken, dass der Renaissancehumanismus mehr und mehr als ein Gegenstand der germanistischen Mediävistik entdeckt wird.47 Die lateinische Literatur des deutschen Humanismus wird nicht mehr nur unter (alt-) philologischen Gesichtspunkten betrachtet, sondern als ein Teil der deutschen Literatur und Kultur begriffen. Neben dem Blick auf Stil und antike Vorlagen schärft sich der Blick auf die historischen, intellektuellen und literarischen Kontexte, in denen die Werke stehen. In diesem Sinne sollen auch in der vorliegenden Arbeit die Dramen Jacob Lochers nicht als autonome ästhetische Gebilde, sondern als Teile eines Netzwerkes von politischen, wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und persönlichen Beziehungen analysiert werden, es sollen die „Diskursfäden“ aufgezeigt werden, welche „in den Text hinein und aus dem Text hinaus“ laufen und „innerhalb und außerhalb des Textes vielfältig verwoben sind,“48 oder, um mit Anton KAES zu sprechen, es soll versucht werden, „den literarischen Text wieder mit den gesellschaftlichen Energien aufzuladen, die ihm als historisch bedingtes [sic] Produkt bei seiner Entstehung in Fülle zu eigen waren.“49 Konkret bedeutet dies, dass die Ausbildung des „Philomusus“, seine künsterlischen Inspirationen, seine persönlichen Freundschaften oder Rivalitäten mit anderen Dichtern und Wissenschaftlern ebenso wie seine kulturellen, wissenschaftlichen und politischen Erfahrungen und Überzeugungen in der folgenden Untersuchung eine Rolle spielen werden. Der Dichter als soziales Wesen steht einem Werk gegenüber, das seinerseits nicht nur mit Gattungsregeln konfrontiert ist, sondern ebenfalls eine „soziale“ Komponente aufweist: den Aufführungskontext eines dramatischen Werks. Das politische Universitätsdrama (unter diese Kategorie sind die meisten der dramatischen Werke Lochers zu fassen) steht am Schnittpunkt mehrerer Diskurs- und Interessenssphären: Die erste ist die Kommunikationsgemeinschaft der humanistischen Gelehrten, welche die Denkrichtung des Dichters prägt oder verfestigt, von der er wichtige Inspirationen bezieht und in der auch Werke noch vor ihrer Publikation oder Aufführung diskutiert werden; die zweite ist die Universität, aus der heraus das Werk entsteht und innerhalb derer es aufgeführt wird, durchaus auch mit Bezug auf an der Universität vermittelte Lehrinhalte; die dritte ist die Stadt, in deren eigene dramatische Kultur das Werk hineingeschrieben wird und deren oberste Vertreter in der Regel bei der Aufführung anwesend sind; die ––––––––––––––

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Verwiesen sei u. a. auf: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon. Hrsg. v. Franz Josef Worstbrock, 2 Bde. Berlin 2005ff. Als ein älteres, wenngleich heute noch aktuelles Plädoyer für die verstärkte Berücksichtigung neulateinischer Literatur in der Germanistik sei erwähnt: Dieter WUTTKE, Deutsche Germanistik und Renaissance-Forschung. Ein Vortrag zur Forschungslage. Bad Homburg u. a. 1968 (Respublica Literaria 3). Moritz BASSLER, Einleitung: New Historicism. Literaturgeschichte als Poetik der Kultur, in: ders. (Hrsg.), New Historicism. Tübingen/Basel 22001, S. 7–28, S. 16. KAES, S. 254.

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1. Einleitung

vierte schließlich ist das Reich, das die Stoffe für die politischen Werke liefert, dem das Werk eines poeta laureatus dienen soll und an das es sich vor allem dann richtet, wenn Repräsentanten des Kaiserlichen Hofs oder des Hochadels der Aufführung beiwohnen. Der Hof Maximilians I., um mit dem Letztgenannten zu beginnen, war ein bedeutender Kumulationspunkt der deutschsprachigen und lateinischen Kultur, der Mittelalter- und Antiken-Renaissance um 1500. Ihm hat Jan-Dirk MÜLLER 1982 seine Habilitationsschrift gewidmet.50 Die bahnbrechende Studie deckt die engen Verbindungen zwischen Hof und Universitäten, zwischen Politik, Gelehrsamkeit und Literatur um Maximilian auf und führt den Wandel der Führungsschicht bei Hof vor Augen, der sich um 1500 vollzog, als die Gelehrsamkeit und die Beherrschung der Techniken der Rede nun auch Bürgerliche zu einem Hofamt qualifizierten. Umgekehrt wurde zu dieser Zeit auch für den Adel Bildung vonnöten, denn die Techniken des geschriebenen und gesprochenen Worts wurden zu einem unentbehrlichen Mittel der Selbstbehauptung und wurden „von den Zeitgenossen als Äquivalent militärischer Macht aufgefaßt“.51 Für seine politischen Ziele nutzte Maximilian Einblattdrucke und Flugschriften und veröffentlichte Teile seines Schriftverkehrs. Er besoldete sprecher, welche seine Politik in poetischer Form darstellten, und ließ sich von Dichtern wie Grünpeck und Celtis gerne auch in Dramenform loben. Im Zentrum von MÜLLERs Arbeit steht Maximilians gedächtnus-Werk. Im Detail wird die eng verzahnte Zusammenarbeit zwischen König, Sekretären, Gelehrten, Literaten und Künstlern entfaltet, die auf eine Verherrlichung des Königs und seiner Familie in historiographischem Gewand sowie auf eine Unterstützung seiner Politik zielte. MÜLLER stellt die Weichen für jede weitere Beschäftigung mit der frühhumanistischen Literatur in Deutschland, indem er die Entdeckung der Instrumentalisierbarkeit von Bildung, Literatur und Rhetorik wie auch der Historiographie für die Politik dokumentiert, ebenso wie die entstehende Einsicht in die Wirksamkeit von Flugblättern und Aufführungen um 1500. Das unmittelbar am Habsburger Hof Beobachtete gilt auch für den weiteren Kreis um Maximilian wie auch für andere Höfe. Von geschichtswissenschaftlicher Seite ist Maximilians Staats- und auch Kulturpolitik bestens aufgearbeitet durch Hermann WIESFLECKER.51 Ergänzend kommen dazu die Arbeiten von Dieter MERTENS, der den Blick v. a. auf das Verhältnis Maximilians (und anderer Fürsten) zu den Universitäten, auf die Rolle

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Jan-Dirk MÜLLER, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. München 1982 (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 2). Ebd., S. 49. Hermann WIESFLECKER, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende der Neuzeit, 4 Bde. München 1971–1986; ders., Maximilian I. Die Fundamente des habsburgischen Weltreiches. Wien/München 1991.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

11

der Dichtung und des kulturellen Begleitprogramms bei den Reichstagen und auf das Amt des gekrönten Dichters richtet.53 Neben dem Hof kommen, wie oben an dritter bzw. zweiter Stelle erwähnt, der Universitätsstadt, in welcher die Aufführungen der Spiele stattfinden, und der Universität, dem unmittelbaren Arbeitsfeld eines Dichtergelehrten wie Jacob Locher, bedeutende Rollen zu. Die Analyse der dramatischen Werke Lochers wird daher im Folgenden eingeleitet durch eine Skizze der jeweiligen Universitätsund Stadtkultur, in welche sie gleichsam hinein geschrieben sind. Für Freiburg kann dazu v. a. auf die in neuerer Zeit entstandenen Arbeiten von Dieter MERTENS,54 Hugo OTT und Hans SCHADEK55 zurückgegriffen werden, für Ingolstadt in erster Linie auf die von Laetitia BOEHM herausgegebenen Werke zur Universitätsgeschichte55 und auf die Beiträge im Ausstellungskatalog anlässlich der 600jährigen Wiederkehr der Teilung des Herzogtums Bayern im Jahr 1992.57 Terrence HEATH hat eine vergleichende Darstellung des Humanismus an den Universitäten Freiburg, Ingolstadt und Tübingen vorgelegt.58 Er erstellt eine Liste der –––––––––––––– 53

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Dieter MERTENS, Bebelius ... patriam Sueviam ... restituit. Der poeta laureatus zwischen Reich und Territorium. ZWLG 42 (1983), S. 145–173; ders., Maximilians gekrönte Dichter über Krieg und Frieden, in: Krieg und Frieden im Horizont des Renaissancehumanismus. Hrsg. v. Franz Josef Worstbrock. Mitteil. 13 der Komission für Humanismusforschung. Weinheim 1986 (Acta Humaniora), S. 105–123; ders., Petrarcas Privilegium laureationis, in: Litterae Medii Aevi. FS Johanne Autenrieth. Hrsg. v. Michael Borgolte u. Herrad Spilling. Sigmaringen 1988, S. 225–247; ders., Zu Sozialgeschichte und Funktion des poeta laureatus im Zeitalter Maximilians I., in: Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts. Hrsg. v. Rainer Christoph Schwinges. Berlin 1996 (ZHF, Beiheft 18), S. 327–348; ders., Der Reichstag und die Künste, in: Mediävistische Komparatistik. FS Franz Josef Worstbrock. Hrsg. v. Wolfgang Harms u. Jan-Dirk Müller. Stuttgart/Leipzig 1997, S. 295–314; ders., Die Universität, die Humanisten, der Hof und der Reichstag zu Freiburg 1497/98, in: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498. Hrsg. v. Hans Schadek. Freiburg i. Br. 1998 (Schau-ins-Land 117 (1998), Sonderheft), S. 314–331; u. a. Dieter MERTENS, Die Anfänge der Universität Freiburg, in: ZGORh 131 (1983), S. 289–308; ders. 1998. Hugo OTT u. Hans SCHADEK (Hrsg.), Freiburg im Breisgau. Universität und Stadt. Freiburg i. Br. 1982 (Stadt und Geschichte, N.R. 3); Hugo OTT, Aus der Frühzeit der Freiburger Universität, in: Freiburg in der Neuzeit. Hrsg. v. Wolfgang Müller. Bühl 1972 (Veröffentl. des Alemannischen Instituts 31), S. 7–23; Heiko HAUMANN u. Hans SCHADEK (Hrsg.), Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. 2 Bde. Stuttgart 1996; Hans SCHADEK, Der Kaiser und seine Stadt. Maximilian I. und seine Beziehung zu Freiburg, in: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498. Hrsg. v. Hans Schadeck. Freiburg i.Br. 1998 (Schau-ins-Land 117 (1998), Sonderheft), S. 216–273. Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt – Landshut – München 1472–1972. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. Johannes Spörl. Berlin 1972, S. 13–84; Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18). Bayern-Ingolstadt – Bayern-Landshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wiss. Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt. Ingolstadt 1992. Terrence HEATH, Humanism in the Universities of Freiburg im Breisgau, Ingolstadt, and Tübingen, 1485–1520. Diss. (masch.) Oxford 1966.

12

1. Einleitung

Lehrpläne und Lehrbücher, konfrontiert sie mit teilweise nicht zeitgemäßen didaktischen Ansprüchen und wertet die deutschen Frühhumanisten im Vergleich mit ihren italienischen Zeitgenossen ab, ohne auf Kontexte Rücksicht zu nehmen. Insgesamt verdient diese Studie nur geringe Beachtung, da in ihr die Universitäten allzu isoliert betrachtet und keine Verbindungen zum Hof, zur Stadt oder zu humanistischen Zirkeln gesehen werden. Das oben an erster Stelle genannte Bezugssystem der neulateinischen Dramen, die Verbindungen der humanistischen Gelehrten untereinander, die vielfältigen Verstrickungen in wissenschaftlich-gelehrte Netzwerke wie in gesellschaftliche Strukturen, erschließt sich nicht zuletzt aus den Briefwechseln der Dichtergelehrten. Nachdem die Briefe von Celtis59 und zumindest ein Teil der Briefe Pirckheimers60 schon lange ediert sind, liegen nun auch Wimphelings61 und zum Teil Reuchlins62 Briefwechsel vor, was u. a. zu einer Revision des ReuchlinBilds in der Forschung geführt hat.63 Wo aus dem Briefverkehr der Dichterkollegen Rückschlüsse auf Lochers Dramenwerk gezogen werden können, wird unten auf diese Quellen zurückgegriffen, außerdem auf die wenigen Briefe Lochers, die bisher ediert sind.64 –––––––––––––– 59

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Konrad Celtis, Briefwechsel. Hrsg. v. Hans Rupprich. München 1934 (Veröffent. der Kommission zur Erforschung der Gesch. der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 3). Willibald Pirckheimer, Briefwechsel. Hrsg. v. Emil Reicke. 2 Bde. München 1956. Fortsetzungsbände 3–5 bearb. v. Helga Scheible. München 1989, 1997, 2002. Jakob Wimpheling, Briefwechsel. Eingel., komm. u. hrsg. v. Otto Herding u. Dieter Mertens. 2 Bde. München 1990 (Jacobi Wimphelingi Opera Selecta 3). Johannes Reuchlin, Briefwechsel. Hrsg. v. d. Heidelberger Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Stadt Pforzheim, 4 Bde. Erschienen: Bd. 1: 1477–1505; Bd. 2: 1506– 1513. Unter Mitw. v. Stefan Rhein bearb. v. Matthias Dall’Asta u. Gerald Dörner. Stuttgart 1999/ 2003; Johannes Reuchlin, Briefwechsel. Leseausgabe in deutscher Übersetzung. Hrsg. v. d. Heidelberger Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Stadt Pforzheim, 4 Bde. Erschienen: Bd. 1: 1477–1505; Bd. 2: 1506–1513. Übers. v. Adalbert von Weh. Stuttgart 2000/2004. Stefan RHEIN, Reuchliana 1: Neue Bausteine zur Biographie Reuchlins. Wolfenbütteler Renaissance Mitteilungen 12 (1988), S. 84–94; ders., Reuchliana 2. Forschungen zum Werk Johannes Reuchlins. Wolfenbütteler Renaissance Mitteilungen 13 (1989), S. 23–44; Adolf LAUFS, Johannes Reuchlin – Rat und Richter. Erste Bausteine für eine juristische Biographie, in: Aus südwestdeutscher Geschichte. FS Hans-Martin Maurer. Hrsg. v. Wolfgang Schmierer u. a. Stuttgart 1994, S. 296–306; Hans RUPPRICH, Johannes Reuchlin und seine Bedeutung im europäischen Humanismus, in: Johannes Reuchlin (1455–1522). Hrsg. v. Hermann Kling u. Stefan Rhein. Paderborn 1994 (Pforzheimer Reuchlinschriften 4), S. 10–24; Gerald DÖRNER u. Stefan RHEIN, Der Reuchlin-Briefwechsel – auf dem Weg zu einem neuen Reuchlinbild, in: Editionsdesiderate zur Frühen Neuzeit. Beiträge zur Tagung der Kommission für die Edition von Texten der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Hans-Gert Roloff. Amsterdam/Atlanta 1997, Bd. 1 (Chloe 24), S. 121–13; Udo FRIEDRICH, Johannes Reuchlin am Heidelberger Hof: poeta – orator – paedagogus, in: Reuchlin und die politischen Kräfte seiner Zeit. Hrsg. v. Stefan Rhein. Sigmaringen 1998 (Pforzheimer Reuchlinschriften 5), S. 163–185; Hans-Gert ROLOFF, Sozialkritik und Komödie. Reuchlin als Komödienautor, in: Reuchlin und die politischen Kräfte seiner Zeit. Hrsg. v. Stefan Rhein. Sigmaringen 1998 (Pforzheimer Reuchlinschriften 5), S. 187–203. Walter LUDWIG, Universitätslob – oder wie der Humanist Jakob Locher Philomusus für die Universität Ingolstadt warb. Philologus 140 (1996), S. 163–182.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

13

Nicht nur die deutschen Humanisten aber standen miteinander im Dialog; der deutsche Frühhumanismus ist stark von der Romania, in erster Linie von Italien her, beeinflusst. Den Kontakten von Maximilians Hof zu italienischen Gelehrten und Gesandten ist Stephan FÜSSEL exemplarisch am Beispiel des Riccardo Bartholini aus Perugia nachgegangen,65 während Alfred NOE das Phänomen des italienischen Einflusses auf den deutschen Humanismus allgemeiner angeht. Er weist darauf hin, dass der für den Renaissancehumanismus grundlegende Gedanke, Macht lasse sich durch kulturelle Repräsentation in Bauten, Kunstwerken, Musik, Schauspiel und Festen demonstrieren, ein ursprünglich italienisches Konzept ist.66 Im Kapitel ‚Dramatik‘ geht er auch auf Locher ein. Dieser hat aus der Lektüre italienischer Humanisten wie aus seiner Italienreise entscheidende Inspirationen für seine dichterische Tätigkeit bezogen. Daher wird unten immer wieder ein Blick auf italienische Vergleichstexte geworfen werden. Auch eine kulturwissenschaftliche Literaturanalyse darf selbstverständlich die literarischen Traditionen, denen ein Werk verpflichtet ist, nicht außer Acht lassen. Einen wichtigen Bezugsrahmen für Lochers Dramenwerk stellt daher auch die deutsche Dramen- und Theatergeschichte dar. Während Otto FRANCKE noch die Anfänge des lateinischen Dramas (welches er mit der Schulkomödie gleichsetzt) in Mitteldeutschland sieht, von wo aus es sich nach Norden verbreitet habe, wohingegen „im süden wol nur Strassburg sein theatrum academicum hatte; erst später ward die schulcomoedie auch in andern städten des südens gepflegt“67 (nur beiläufig wird das „noch“ in Prosa verfasste »Ludicrum drama«68 erwähnt), werden Lochers Dramen bereits in anderen Theatergeschichtsdarstellungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts (weitgehend) vollständig aufgeführt;69 zu nennen ist v. a. Paul BAHLMANNs immer noch hilfreiches, wenn auch in manchen Details überholtes Repertorium der (wichtigsten) frühhumanistischen Dramen aus Deutschland (1893).70 Spätestens seit der Dissertation Wolfgang MICHAELs ––––––––––––––

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Stephan FÜSSEL, Riccardus Bartholinus Perusinus. Humanistische Panegyrik am Hofe Maximilians I. Baden-Baden 1987 (Saecula Spiritualia 16). Alfred NOE, Der Einfluß des italienischen Humanismus auf die deutsche Literatur vor 1600: Ergebnisse jüngerer Forschung und ihre Perspektiven. Tübingen 1993 (Int. Archiv für Sozialgesch. der dt. Literatur, Sonderheft 5), S. 76. Otto FRANCKE, Terenz und die lateinische Schulcomoedie in Deutschland. Weimar 1877, S. 50. Ebd., S. 110. Max HERMANN, Forschungen zur deutschen Theatergeschichte des Mittelalters und der Renaissance. Berlin 1914, S. 343–345; Wilhelm CREIZENACH, Geschichte des neueren Dramas, Bd. II: Renaissance und Reformation. Halle 21918, S. 29–32, 38f., 47f.; Johannes MAASSEN, Drama und Theater der Humanistenschule in Deutschland. Augsburg 1929 (Schriften zur dt. Literatur 13), S. 85; Fritz MOSER, Die Anfänge des Hof- und Gesellschaftstheaters in Deutschland. Diss. Berlin 1940 (Theater und Drama 16), S. 28–30. Paul BAHLMANN, Die lateinischen Dramen von Wimphelings Stylpho bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. 1480–1550. Münster 1893, hier S. 12–17.

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1. Einleitung

zur Geschichte des Freiburger Theaters71 von 1934 haben Lochers Spiele einen festen Platz in der Geschichte des deutschen Dramas, speziell die »Historia de Rege Frantie«, welche MICHAEL ausführlicher behandelt, als die „erste regelrechte Aufführung eines lateinischen weltlichen Dramas auf deutschem Boden seit den Tagen des Imperium Romanum“.72 Sowohl in seiner Freiburger Theatergeschichte als auch in seinen späteren Arbeiten73 weist MICHAEL (mit größerem Nachdruck als seine Vorgänger) auf die Verbindungen von Lochers Frühwerk zur italienischen Dramatik hin, speziell zu Carolo Verardi, und separiert das humanistische Universitätsdrama klar vom zeitgenössischen geistlichen Spiel in der Volkssprache; seiner Auffassung nach stehen diese beiden Spielformen als voneinander gegenseitig weitgehend unbeeinflusste Größen nebeneinander.74 Dennoch ist es ihm wichtig festzuhalten, dass das Schauspiel des Renaissancehumanismus noch zum Drama des Mittelalters gehöre; erst durch die Reformation sei es zu einem Bruch in der Entwicklung und einer grundlegenden Änderung von Gehalt und Form der Dramen gekommen.75 In einer Reihe von Überblicksdarstellungen, in denen es nur um eine systematische Einteilung der Theatergeschichte in Epochen, nicht um eine Diskussion möglicher Bezüge zwischen gleichzeitig existierenden dramatischen Gattungen geht,76 finden Lochers Werke gleichfalls Erwähnung. Ivo BRAAK betont zwar einleitend, dass die mittelalterliche Spieltradition, das neulateinische und das volks–––––––––––––– 71 72

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Wolfgang F. MICHAEL, Die Anfänge des Theaters zu Freiburg im Breisgau. Freiburg i. Br. 1934. Ebd., S. 48f. Allein Leicester BRADNER, Check-List of Original Neo-Latin Dramas by continental writers, printed before 1650. PMLA 57 (1943), S. 621–633, S. 628, hat von MICHAELs Arbeit keine Kenntnis genommen; er führt unter Lochers dramatischen Werken die »Historia« gar nicht auf (ebenso wenig wie der »Libellus dramaticus«). Wolfgang F. MICHAEL, Das deutsche Drama und Theater vor der Reformation. DVjs 31 (1957), S. 106–153; ders., Frühformen der deutschen Bühne. Berlin 1963 (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte 62); ders., Das deutsche Drama des Mittelalters. Berlin 1971 (Grundriß der Germanischen Philologie 20), S. 247–271; ders., Das deutsche Drama der Reformationszeit. Bern u. a. 1984. MICHAEL 1963, S. 86. MICHAEL 1971, S. 247f.; ders., Prolegomena zur Erfassung des Dramas im Reformationszeitalter, in: Akten des 6. Int. Germanistenkongresses, Basel 1980. Hrsg. v. Heinz Rupp u. Hans-Gert Roloff. Bern u. a. 1980 (Jb. für Int. Germanistik 8), Teil 3, S. 315–318, S. 316. Hans-Gert ROLOFF, Neulateinisches Drama, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 2. Berlin 1959, S. 645–678 (erwähnt S. 645, dass das neulateinische Drama Elemente des mittelalterlichen Dramas aufgenommen habe); Heinz KINDERMANN, Theatergeschichte Europas, Bd. 2. Salzburg 21969, S. 252–254; Hans RUPPRICH, Die deutsche Literatur von späten Mittelalter bis zum Barock, Teil 1. München 21994 (Geschichte der dt. Lit. von den Anfängen bis zur Gegenwart 4/1), S. 626–651. Vgl. auch Derek VAN ABBÉ, Drama in Renaissance Germany and Switzerland. Melbourne 1961, der das neulateinische Universitätsspiel einerseits vom Fastnachtspiel, andererseits vom höfischen Festspiel absetzt und als eine Form des Theaters betrachtet, „in between the crude theatre of the mob and the lavish if not dull theatre of the courts“, die eigenen Gesetzen folge (S. XI). – Im Gegensatz zu diesen Systematisierungen stellt Edith WEBER in ihrem (an einigen Stellen leider fehlerhaften) Repertorium des deutschen und niederländischen Theaters Schuldrama und geistliches Spiel unterschiedslos nebeneinander. Edith WEBER,

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

15

sprachliche Drama im Zeitalter des Humanismus nebeneinander existieren und sich gegenseitig „teils stärker, teils schwächer“ beeinflussen, geht aber nicht weiter auf diese Einflüsse ein und trennt die Werke systematisch.77 Wolf-Lüder LIEBERMANN dagegen sieht die Beeinflussung des neulateinischen Dramas durch das traditionelle volkssprachliche Spiel auf breitester Ebene: „Das deutsche Humanistendrama bewegt sich in einem Horizont, der noch weitgehend von spätmittelalterlichen Formen und überkommenem Denken geprägt ist. Der Ablösungs- und Erneuerungsprozeß geht nur langsam vonstatten, die alten Traditionen sind äußerst lebendig, ja, erreichen jetzt erst ihren Höhepunkt.“78 Alfred NOE79 endlich wird hier konkreter und versucht in seiner kurzen Vorstellung von Lochers »Iudicium Paridis« eine Zusammenschau von geistlichem Spiel und humanistischen Drama, die gemeinsam die Bauelemente eines neuen hybriden Spieltyps lieferten. Auf der anderen Seite pädiert er für eine größere Differenzierung innerhalb der Gruppe der neulateinischen Dramen und schlägt vor, Komödie und Tragödie stärker zu trennen.80 Seinen Anregungen folgt die vorliegende Arbeit. Da das humanistische Theater nicht in einem Vakuum entsteht, sondern in einem Raum, der bereits andere Formen der theatralischen Repräsentation kennt, ist es schwerlich denkbar, dass es sich in keiner Weise mit diesen auseinandergesetzt habe.81 Deshalb soll versucht werden, gegenseitige Beeinflussungen zwischen Humanistendrama, geistlichem Spiel und anderen, auch nonverbalen theatralischen Formen wie Prozession, Entrée Royale, Turnier und Fest aufzuspüren. Zu den königlichen Einzügen und vergleichbaren Formen der Ritualisierung und Theatralisierung von Macht im spätmittelalterlichen Reich liegt seit kurzem die grundlegende Arbeit von Gerrit SCHENK vor.82 Den möglichen Einfluss der dramatischen Werke Lochers auf einzelne Untergattungen des Dramas haben jüngst – allerdings sehr knapp – Johannes RETTELBACH in seiner Abhandlung über die Kriegsdramen des 16. Jahrunderts83 und

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Musique et théâtre dans les pays Rhénans, 2: Le théâtre humaniste et scolaire dans les pays Rhénans. Paris 1974 (Études et commentaires 85), S. 79–266. Ivo BRAAK, Gattungsgeschichte deutschsprachiger Dichtung in Stichworten, Bd. Ia. Kiel 21981 (Hirt’s Stichwortbücher), S. 95; Manfred BRAUNECK, Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters, Bd. 1. Stuttgart/Weimar 1993, S. 78f., 518f. Wolf-Lüder LIEBERMANN, Die deutsche Literatur, in: Eckhard Lefèvre (Hrsg.), Der Einfluß Senecas auf das europäische Drama. Darmstadt 1987, S. 371–449, S. 376. NOE, S. 301. Ebd., S. 297. Hier sei auf die Arbeiten des Münsteraner SFB 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme“ verwiesen. Gerrit Jasper SCHENK, Zeremoniell und Politik. Herrschereinzüge im spätmittelalterlichen Reich. Köln u. a. 2003 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 21). Johannes RETTELBACH, Theater für den Ernstfall: Kriegsdramen im 16. Jahrhundert, in: Dulce bellum inexpertis. Bilder des Krieges in der deutschen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts. Hrsg. v. Horst Brunner u. a. Wiesbaden 2002 (Imagines Medii Aevi 11), S. 538–601, S. 539–547.

16

1. Einleitung

Dirk NIEFANGER84 thematisiert, der Lochers Werke als den Ausgangspunkt des Geschichtsdramas in der Frühen Neuzeit betrachtet. Was die Forschung zu Jacob Locher selbst anbelangt, so gilt zunächst, dass er unter den deutschen Frühhumanisten fraglos zu den weniger beachteten gehört. 1803 hat ZAPF eine erste Biographie des Philomusus vorgelegt,85 die dann 1872– 75 durch die auf eingehender Quellenarbeit fußende und auch heute noch relevante biographische Arbeit von Joseph HEHLE86 überholt worden ist. Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch Lochers »Ludicrum drama« ediert,87 und Ludwig GEIGER wies auf das titellose ungedruckte Drama Lochers hin.88 Danach geriet der Ehinger weitgehend in Vergessenheit. Gelegentlich fanden noch einzelne seiner Gedichte Erwähnung,86 oder man zitierte den Philomusus im Zusammenhang seines Streits mit Wimpheling und mit Zingel,90 der »Narrenschiff«-Übersetzung oder, wie bereits erwähnt, der Theatergeschichte. Weder die etwas ausführlichere Behandlung von Lochers Freiburer Dramen in der oben zitierten Dissertation von Walter F. MICHAEL (1934) noch die maschinenschriftlich gebliebenen Wiener Dissertationen von LETHNER91 und REISCHL92 zum »Iudicium Paridis« bzw. zur »Tragoedia de Thurcis et Suldano« von 1951 vermochten Locher zu einem bevorzugten Forschungsgegenstand zu erheben. Die beiden Arbeiten bieten wenig mehr als eine normalisierte Ausgabe des jeweiligen Textes mit (im Fall LETHNERs metrischer) deutscher Übersetzung, einer (aus HEHLE entnommenen) biographischen Einführung und einigen Hinweisen zu Aufbau, Stil und Stoff des Textes. REICHL fügt noch einige Ausführungen zur frühen Türkenkriegsliteratur in Deutschland und zum politisch-tendenziösen Charakter von Lochers Werk hinzu, LETHNER eine ausführliche Darlegung der historischen Entwicklung des Mythos vom Parisurteil von den »Kyprien« aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. bis in die Spätantike. –––––––––––––– 84 85

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Dirk NIEFANGER, Geschichtsdrama der Frühen Neuzeit, 1495–1773. Niemeyer 2005 (Studien zur deutschen Literatur 174), S. 65–69. Georg Wilhelm ZAPF, Jakob Locher, genannt Philomusus, in biographischer und litterarischer Hinsicht. Ein Beitrag zur Erläuterung der Gelehrtengeschichte Baierns und Schwabens. Nürnberg 1803. HEHLE I–III (1873–1875). Kurzfassung: ders. 1925. Karl von REINHARTSTOETTNER, Plautus. Spätere Bearbeitungen Plautinischer Lustspiele. Leipzig 1886, S. 240–246. Ludwig GEIGER, Ein ungedrucktes humanistisches Drama. ZfvglLit, NF. 1 (1887/88), S. 72–77. Franz BOLL, Ein verschollenes Gedicht des Jakob Locher. Blätter für das Gymnasial-Schulwesen 37 (1901), S. 3–7; ders., Jakob Locher und Jakob Ziegler. Blätter für das Gymnasial-Schulwesen 37 (1901), S. 370–373. Darunter fällt auch die wenig beachtete Ausgabe von Lochers »Comparatio« in: Joël LEFÈBVRE, Les fols et la folie. Etude sur les genres comiques et la création littéraire en Allemagne pendant la Renaissance. Paris 1968, S. 402–412. Martha LETHNER, Das Iudicium de pomo aureo des Jacobus Locher Philomusus. Diss. (masch.) Wien 1951. REISCHL, Josefine, Die Tragedia de Thurcis et Suldano des Jakob Locher Philomusus. Diss. (masch.) Wien 1951.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

17

Erst Günter HEIDLOFF hat 1975 mit seiner ausführlichen bio-bibliographischen Arbeit Lochers wissenschaftliche Wiederentdeckung eingeleitet. Seine Schrift stellt den Ausgangspunkt jeder neueren Untersuchung zu Lochers Leben und Werk dar. Die historisch-politischen Dramen Lochers behandelt er in einem kurzen Kapitel.93 Seine Beobachtungen hat Bernhard COPPEL 1979 für die beiden Freiburger Dramen ausgeweitet.94 COPPEL stellt die Werke in ihren historischen, literaturtheoretischen und interkulturellen Kontext. Dabei zeichnet er eine Opposition zwischen der italienisch inspirierten »Historia« und der deutsch beeinflussten »Tragoedia«. Sein Hauptinteresse liegt bei dem unterschiedlichen Realitätsbezug der beiden Schauspiele. Mit diesem und zwei weiteren Beiträgen zum Lyriker95 und Universitätsgelehrten96 Locher hat COPPEL die literatur- und geistesgeschichtliche Bedeutung des Philomusus deutlich gemacht. In den letzten 20 Jahren hat sich die Forschung verschiedensten Aspekten von Lochers Leben und Werk gewidmet: Seine Trauerrede auf Hedwig von Polen97 hat ebenso Beachtung gefunden wie seine Horaz-Ausgabe,98 die Umstände seines kurzen Aufenthalts an der Universität Tübingen99 oder seine Briefe aus den 1520er Jahren.100 Seine Biographie hat mehrfach neue Kurzdarstellungen gefunden – allerdings ohne dass sich große Neuerungen ergeben hätten.101 Mit den Dissertationen von Nina HARTL102 und Michael RUPP103 sowie mit den (auch die Übersetzungstradition mit einschließenden) Textausgaben von Anton SOMMER104 ––––––––––––––

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HEIDLOFF, S. 307–325. Bernhard COPPEL, Jakob Locher und seine in Freiburg aufgeführten Dramen, in: Acta Conventus Neo-Latini Amstelodamensis. Hrsg. v. Pierre Tuynman u. a. München 1979 (Humanist. Bibliothek, Abh. 26), S. 258–272. Ders. 1989. Ders., Jakob Locher Philomusus (1471–1528). Musenliebe als Maxime, in: Paul Gerhard Schmidt (Hrsg.), Humanismus im deutschen Südwesten. Biographische Profile. Sigmaringen 1993, S. 151–187. Threnodia sive funebris lamentatio in laudem inclite matrone Hedvigis ... Trauerrede auf den Tod der Hedwig von Polen, Gemahlin Herzog Georgs von Bayern-Landshut, gehalten im Jahre 1502 von Jakob Locher, genannt Philomusus. Hrsg., übers., komm. u. eingel. v. Alfons Beckenbauer. Landshut 1984 (Schriften zur Landshuter Hochzeit 1475, 3). SCHÖNBECK 1987. MERTENS 1989. LUDWIG 1996. Jan-Dirk MÜLLER, Jakob Locher, 1998; Hans KILB, Poetae laureati. Gekrönte humanistische Dichter in Schwaben, in: Schwabenspiegel. Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1000–1800. Hrsg. v. Ulrich Gaier u. a. Ulm 2003, Bd. 2, S. 749–761, S. 752f. u. 755–757. HARTL, vgl. dazu meiner Rezension in: PBB 126 (2004), S. 153–157. RUPP 2002. Jacobus L. Philomusus, Stultifera navis (ed. 1497). Mit Vergleichstexten: Jodocus Badius Ascenius: Navis Stultifera (1505); Sebastian Brant: Das Narren Schyff (1494); Alexander Barclay: The Ship of Fools (1509), 3 Bde. Hrsg. v. Anton F. W. Sommer. Wien 2003 (Editiones Neolatinae 29–31); Jakob Locher, Stultifera navis Mortalium Basel 1572. Beigegeben: Dat nye schip van Narragonien 1519, niederdt. Übersetzung des ‚Narrenschiffes‘ von Sebastian Brant. Hrsg. v. An-

18

1. Einleitung

und der digitalen Edition durch die Universitätsbibliothek Mannheim105 ist in den letzten Jahren Lochers »Stultifera navis« neu ins Zentrum des Forschungsinteresses gerückt worden. Zuletzt hat Ulrich Gaier den Streit des Philomusus mit Jakob Wimpheling durch eine Übersetzung wichtiger Textauszüge einem weiteren Publikum erschlossen.106 Auch Lochers dramatischen Werke sind in neuerer Zeit wiederholt berücksichtigt worden. David PRICE107 stellt in einem kurzen Aufsatz die ersten fünf Dramen Lochers vor und zieht dabei eine Entwicklungslinie von der in Prosa geschrieben »Historia« zum ganz in Versen verfassten »Spectaculum de regibus«, welches sich in eine Folge von Gedichten und Liedern auflöse, auf Kosten des plots. Insgesamt sei Lochers Dramaturgie „above all else an expression of his devotion to poetry“.108 Den Performanz-Aspekt klammert PRICE dabei aus. Auf politische Interessen und historische Kontexte verweist er kurz, sucht aber keine Verbindung zwischen ihnen und der „lyrischen“ Form der Dramen. Die ungedruckt gebliebene Magisterarbeit Dagmar PFANNKUCHs zu Lochers »Ludicrum drama«109 bietet eine zweisprachige Ausgabe des Textes, dazu eine ausführlichen Dokumentation der Überlieferung – und einen sehr knappen Querverweis auf Lochers polemische Schriften gegen Georg Zingel. Zum gleichen Spiel hat sich bald darauf SCHÖNBECK geäußert, in einem Beitrag, der sich auf den stilistischen Nachweis der Plautus-Nachfolge und auf den pädagogischen Ton des Spiels konzentriert.110 – Jens BRANDT endlich plant, auch auf der Grund-

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ton F. W. Sommer. Wien 2003 (Editiones Neolatinae 33); La grand nef des folz du monde. Das ‚Narrenschiff‘ Sebastian Brants aus der lateinischen Version Lochers von einem Anonymus ins Französische übersetzt (1499). Mit lateinischen und deutschen Vergleichstexten. 2 Bde. Hrsg. v. Anton F. W. Sommer. Wien 2003 (Editiones Neolatinae 35–36); Jacob Locher / Pierre Riviere / Sebastian Brant, Stultifera Navis (1497, 2. Nachdruck) / La nef des Folz du Monde (1497) / Das Narrenschiff. Lochers ‚Stultifera Navis‘ von Pierre Riviere ins Französische übersetzt. Beigegeben: Faksimile des ‚Narrenschiffs‘ von Sebastian Brant. 2 Bde. Hrsg. v. Anton F. W. Sommer. Wien 2003 (Editiones Neolatinae 37–38); Jakob Locher, Stultifera Navis. Editio Lyon 1498. Mit der niederländischen Übersetzung vom Jahr 1500 und dem deutschen Vergleichstext des ‚Narrenschiffs‘ von Sebastian Brant 1494. 3 Bde. Hrsg. v. Anton F. W. Sommer. Wien 2004 (Editiones Neolatinae 44–46). Jakob Locher, Stultifera Navis Mortalium. Ausgabe Basel 1572. Digitale Edition und Faksimile. UB Mannheim 2002. GAIER, Ulrich, Suevia. Kontroversen: Jakob Locher Philomusus (1471–1528), in: Schwabenspiegel. Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1000–1800. Lesebuch 1. Hrsg. v. Ulrich Gaier u. a. Ulm 2004, S. 30–36; ders., Suevia. Kontroversen: Jakob Wimpheling (1450–1528), ebd., S. 36–39. David PRICE, Politics, Poetry and Whimsy: On the Humanist Dramaturgy of Jakob Locher (1471–1528). Yale Univ. Library Gazette 63 (1988), S. 23–31. Ebd., S. 24. PFANNKUCH, Dagmar, Des Ludicrum drama des Jakob Locher Philomusus. Edition und motivgeschichtliche Untersuchung. Magisterarbeit Göttingen 1989. Hans-Peter SCHÖNBECK, Plautino more fictum: Der Beitrag des Humanisten Jakob Locher zur Wirkungsgeschichte der plautinischen Komödie, in: Skenika. Beiträge zum antiken Theater und seiner Rezeption. FS Horst-Dieter Blume. Hrsg. v. Susanne Gödde u. Theodor Heinze. Darmstadt 2000, S. 349–361.

1.2. Fragestellung und Forschungsüberblick

19

lage meines Manuskripts, eine zweisprachige Leseausgabe ausgewählter Dramen Jacob Lochers in der von Ulrich Gaier herausgegebenen Reihe Bibliotheca Suevica. Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die vielfältigen in der Forschung vorhandenen Ansätze aufzugreifen, die Fäden zusammenzuführen und durch Vertiefungen, Fortführungen und Verknüpfungen ein neues Verständnis von den Entstehungsbedingungen und dem Charakter des frühen neulateinischen Dramas im süddeutschen Raum zu erlangen. Nicht ein einzelnes Theaterstück oder die Biographie eines Einzelautors soll dargestellt werden, noch soll ganz generell die Entwicklung einer dramatischen Gattung über eine längere Zeit hinweg verfolgt werden; vielmehr ist es mein Ziel, am – für seine Zeit außergewöhnlich breiten, bisher aber nur punktuell oder oberflächlich betrachteten – Dramenoeuvre des Gelehrten, der die humanistische Theatertradition in Deutschland begründet hat, die vielfältigen Einflüsse aufzudecken, die auf seine Literaturtheorie wie auf sein Werk gewirkt und die Wahl je einer unterschiedlichen Form und Darstellungsart sowie eines je unterschiedlichen Stoffes bedingt haben. Dazu ist es notwendig, sich nicht nur auf einen Dramentyp zu beschränken, sondern alle seine dramatischen Werke, auch die weniger gelungenen, zu berücksichtigen. Man darf diese Theaterstücke nicht vorschnell an klassischen Maßstäben messen oder sie in den Schatten der (klassischen Anforderungen eher entsprechenden) Lyrik stellen, sondern man sollte sich bemühen, die den einzelnen Werken je eigene Form der Performanz als einen Teil des dramatischen Kunstwerks ernst zu nehmen. Dies bedeutet auch, dass es an der Zeit ist, Lochers Dramen nicht mehr, wie es in Theatergeschichtsdarstellungen oft geschieht, als Anfangsstufen eines teleologisch ausgelegten Prozesses zu sehen, sondern sie in ihrem je eigenen Kontext zu erklären – und damit auch diesen Kontext, den süddeutschen Frühhumanismus im weiteren Umkreis Maximilians, neu zu beleuchten. Wie oben deutlich geworden ist, sind nur einzelne von Lochers Dramen ediert, und dies zum Teil in schwer zugänglichen Ausgaben. Die Texte finden sich deshalb im Anhang dieser Arbeit abgedruckt, nach editiorischen Prinzipien, die dort erläutert sind. Die Wiedergabe von Zitaten aus anderen unedierten Werken im Haupttext folgt den gleichen Richtlinien.

2. Das Drama an der Hohen Schule 2.1. Die Komödie Am Anfang des deutschen Humanistendramas stand, das ist in der heutigen Forschung unbestritten, die Komödie – genauer die Rezeption der römischen Komödie.1 Man verweist darauf, dass mit der Wiederentdeckung des Kommentars von Donat 1433 Terenz neu ins Zentrum des gelehrten Interesses gerückt war, zunächst in Italien, dann auch in Deutschland.2 Als ein großer Auftakt der studia humanitatis an deutschen Universitäten und zugleich der Beschäftigung mit der römischen Komödie gilt Peter Luders Inauguralrede an der Universität Heidelberg vom 15. Juli 1456. In ihr betont der von Kurfürst Friedrich I. berufene Humanist den didaktischen Wert der Poesie und speziell der Komödien des Terenz: Quantam quoque utilitatem cum iocunditate poetas legendo nobis acquirere valeamus, Terencius saltem comicorum non minimus, eius in epitaphio ostendit cum dicit: Descripsi mores hominum iuvenumque senumque, Qualiter et servi decipiant dominos, Quid meretrix, quid leno dolis confingat avarus: Hec quicunque leget, sic puto, cautus erit.3 (Welch großen Nutzen wir uns, verbunden mit Annehmlichkeit, durch die Dichterlektüre verschaffen können, und speziell durch die Lektüre des Terenz, des größten der Komödiendichtern, drückt dieser in seinem Epitaph aus, wenn er sagt: „Ich habe die Sitten der Menschen beschrieben, die der Jungen und der Alten, und wie die Diener ihre Herren betrügen, was die Hure, was der geldgierige Kuppler sich an Listen ausdenkt: Wer immer dies liest, wird, so denke ich, hinterher vorsichtig sein.“)

Den didaktischen Nutzen der Komödien des Terenz – ja, gerade auch der als lasziv getadelten Stellen –, die in die Charaktere der Menschen einführen und auf das Leben vorbereiten, betont Luder auch in der Ankündigung seiner Terenz_______________ 1

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Vgl. ROLOFF 1959, S. 648f.; BRAAK, S. 79: „Das absolut Neue für die Struktur des Dramas in diesem Zeitraum war die Rezeption des Terenz, des Plautus und des gr. Dramas“. „Die Komödie stand eindeutig im Vordergrund“, erklärt auch LIEBERMANN, S. 375; ähnlich Harald ZIELSKE, Drama und Theater in England, den Niederlanden und Deutschland, in: Propyläen Geschichte der Literatur, Bd. 3: Renaissance und Barock, 1400–1700. Frankfurt a. M. u. a. 1984, S. 131–173, S. 134f. Vgl. Max HERMANN, Terenz in Deutschland bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts. Ein Überblick. Mitt. der Ges. für dt. Erziehungs- und Schulgeschichte 3 (1893), S. 1–28, S. 9. Peter Luders Antrittsrede in Heidelberg, 15. Juli 1456, in: Walter WATTENBACH, Peter Luder, der erste humanistische Lehrer in Heidelberg. ZGORh 22 (1869), S. 33–127, S. 106. Vgl. dazu: Wilfried BARNER, studia toto amplectenda pectore. Zu Peter Luders Programmrede vom Jahre 1456, in: Respublica Guelpherbytana. FS Paul Raabe. Chloe 6 (1989), S. 227–251.

2.1. Die Komödie

21

Vorlesung 1457,4 die so erfolgreich war, dass er sie in Erfurt5 und Leipzig wiederholt hat.6 Bei seiner moralisierenden Interpretation des Terenz konnte er sich auf Donats Abhandlung »De Comoedia« stützen,7 die mit folgenden Worten beginnt: Comoedia est fabula diuersa instituta continens affectuum ciuilium ac priuatorum, quibus discitur, quid sit in uita utile, quid contra euitandum ... comoediam esse Cicero ait imitationem uitae, speculum consuetudinis, imaginem ueritatis (V,1).8 (Die Komödie ist eine Geschichte, die verschiedene Darstellungen von Leidenschaften von Bürgern und Privatleuten beinhaltet, aus denen man lernt, was im Leben nützlich und andererseits was zu meiden sei. ... Cicero sagt, die Komödie sei eine Nachahmung des Lebens, ein Spiegel des Alltags, ein Abbild der Wahrheit.)

Ciceros Lob der Komödie als Spiegel der Sitten und Charaktere9 wird von humanistischen Gelehrten häufig zitiert, so z. B. auch in Hans Neidharts Übersetzung des »Eunuchus«10 von 1486 und im sehr einflussreichen Vorwort der Lyoner Terenzausgabe des Jodocus Badius von 1493,11 welches Johannes Grüninger 1496 in seinen Straßburger Terenz12 übernommen hat (5vff.), der seinerseits nicht zuletzt wohl aufgrund seiner Illustrationen weiteste Verbreitung fand. Neben die Komödientexte stellt Grüninger einen vornehmlich moralisierenden Kommentar; in verschiedenen Exemplaren des Drucks heben zeitgenössische Unterstreichungen und Glossen gerade diese Lesart der Komödien als „Spiegel der Sitten“ besonders hervor. In der Neuauflage von 1499 weisen die Beigaben von Jacob Locher (1v) und Heinrich Bebel (181r) ebenfalls auf die moralische Lehrhaftigkeit der Komödien hin, daneben aber auch auf ihre – bei Badius hervorgehobene – hervorragende sprachliche Qualität, die, so Bebel, den Gallus Alexander Barbara verba vomens (181r), d. h. den von den Humanisten verachteten Schulgrammatiker Alexander de Villa Dei, in den Schatten stelle.13 Auch Melanchthon und Luther _______________ 4

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Ludwig BERTALOT, Humanistische Vorlesungsankündigungen in Deutschland im 15. Jahrhundert. Zs. für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts, N.F. 5 (1915), S. 1–24, S. 3. WATTENBACH, S. 62; BARNER 1989, S. 246. BERTALOT, S. 6. Zu Donat vgl. Rainer JAKOBI, Die Kunst der Exegese im Terenzkommentar des Donat. Berlin/ New York 1996 (Unters. zur antiken Literatur und Geschichte 47). Aeli Donati Commentum Terenti. Hrsg. v. Paul Wessner. Stuttgart 1962, Bd. 1, S. 22. De re publica, IV,11. Marcus Tullius Cicero, Der Staat. Hrsg. u. übers. v. Karl Büchner. München/Zürich 41987 (Sammlung Tusculum). Der Eunuchus des Terenz, übers. v. Hans Neidhart 1486. Hrsg. v. Hermann Fischer. Tübingen 1915 (StLV 265), S. 7. In französischer Übersetzung hrsg. in: Josse Bade, dit Badius (1462–1535). Préfaces de Josse Bade. Humaniste, éditeur-imprimeur et préfacier. Übers., Einl. u. Anm. v. Maurice Lebel. Louvain 1988, S. 49–119. Terentius cum directorio vocabulorum, sententiarum, glosa interlineali artis comice, comentariis Donato, Guidone, Ascensio. Straßburg: J. Grüninger 1496 (Hain 15431, verwendete Exemplare: SB Berlin Preußischer Kulturbesitz 4° Inc. 2296; 4° Inc. 2296a; SUB Göttingen, 4. Auct. lat. I, 3638 Inc). Verwendete Exemplare: SB Berlin Preußischer Kulturbesitz, 4° Inc 2305; StUB Göttingen, 4. Auct. lat. I, 3642 Inc.

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2. Das Drama an der Hohen Schule

sollten den „Spiegel der Sitten“ später zum einen Hauptargument für das Theaterspiel machen – die sprachliche Qualität der Palliata zum anderen.14 Aus letzterem Grund hatte die Komödie, speziell die des Terenz, ihren festen Platz in der universitären Grammatik- und Rhetorikausbildung. Enea Silvio Piccolomini expliziert in seinem »Tractatus de liberorum educatione« (1450): Comoediae plurimum conferre ad eloquentiam possunt,15 und schon Quintilian hatte in seiner »Institutio oratoria« erklärt, die Komödie eigne sich besonders für sprach- wie moraldidaktische Zwecke: Antiqua comoedia cum sinceram illam sermonis Attici gratiam prope sola retinet, tum facundissimae libertatis, et si est insectandis vitiis praecipua, plurimum tamen virium etiam in ceteris partibus habet. nam et grandis et elegans et venusta, et nescio an ulla, post Homerum tamen ..., aut similior sit oratoribus aut ad oratores faciendos aptior (X,1,65).16 (Die antike Komödie bewahrt wohl als einzige jene natürliche Grazie des attischen Stils, vor allem aber zeigt sie sich in ihrer Freimütigkeit äußerst wortgewandt; und wenn auch ihre besondere Stärke in der Verhöhnung der Laster liegt, erweist sie sich dennoch auch auf anderen Gebieten als sehr wirkungsvoll. Denn sie ist feierlich, elegant, anmutig, und vielleicht entspricht – wenigstens nach Homer ... – keine andere Dichtungsgattung so sehr den rhetorischen Anforderungen oder ist eher geeignet, Redner heranzubilden.)

Auf eben diese Stelle verweist auch eine zeitgenössische Glosse in der Berliner Inkunabel 4° Inc. 2296a des Straßburger Terenz von 1496.17 Ein Lob der Komödie im Rahmen der Rhetorik-Ausbildung muss allerdings noch nicht ein Lob des Schauspiels bedeuten. So hatte auch Hrotsvitha von Gandersheim, deren Werke Celtis spätestens 1494 wiederentdeckt und 1501 voller

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Epistola Philippi Melanchtonii de legendis Tragoediis et Comoediis (1.1.1545), in: Corpus Reformatorum, Bd. 5. Halle 1838, Sp. 567–572. Vgl. auch: Hugo HOLSTEIN, Die Reformation im Spiegelbild der dramatischen Literatur des 16. Jahrhunderts. Halle 1886, S. 26f.; Thomas I. BACON, Martin Luther and the Drama. Amsterdam 1976 (Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur 24); Rudolf DENK, Mehrfache Spiegelung: zum deutsch-lateinischen Schultheater im Umkreis Martin Luthers, in: Reinhard Wunderlich und Bernd Feininger (Hrsg.), Zugänge zu Martin Luther. FS Dietrich von Heymann. Frankfurt u. a. 1997, S. 129–144; Christel MEIER, Die Inszenierung humanistischer Werte im Drama der Frühen Neuzeit, in: dies. u. a. (Hrsg.), Das Theater des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation. Münster 2004 (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 4), S. 249–264, S. 250–253. Enea Silvio Piccolomini, Opera quae extant omnia, Basel 1551, 984, zit. nach: Wilfried BARNER, Barockrhetorik. Untersuchungen zu ihren geschichtlichen Grundlagen. Tübingen 1970, S. 304; vgl. Frank BARON, Plautus und die deutschen Frühhumanisten, in: Studia Humanitatis. FS Ernesto Grassi. Hrsg. v. Eginhard Hora u. Eckhard Keßler. München 1973, S. 89–101, S. 92 u. 99. Quintilian, Institutio oratoria X. Hrsg., komm. u. übers. v. Franz Loretto. Stuttgart 21995 (RUB 2956). SB Berlin Preußischer Kulturbesitz, 4° Inc. 2296a, vorgeb. Doppelblatt, fol. 1r.

2.1. Die Komödie

23

Begeisterung für die frühe „Dramenautorin“ herausgegeben hat,18 die Sprache des Terenz zwar gelobt19 und sich auch bemüht, seine „dramatische Darstellungsweise“ nachzuahmen, die perniciosas gentilium delicias, die verderblichen heidnischen Blendkünste auf der Bühne aber wollte sie meiden.20 Eine Komödie ohne schauspielerische Darbietung war das ganze Mittelalter hindurch problemlos denkbar. Man deutete den Vermerk Calliopius recensui, den der spätantike Philologe Calliopius in seiner Terenz-Ausgabe unter jede Komödie gesetzt hatte, als einen Nachsatz des Rezitators, wobei recensui als mit recitavi synonym verstanden wurde. Man vermutete, die Vorträge seien pantomimisch begleitet worden. Terenz- und auch Seneca-Ausgaben des Mittelalters bilden daher den lesenden Calliopius ab,21 gelegentlich auch den lesenden Dichter selbst, der mit Calliopius identifiziert werden konnte. Ein Beispiel für solche Darstellungen des Terenz-Theaters findet sich im »Terence des Ducs« aus der Zeit um 1410–20: Unten im Bild erkennt man hier den Dichter Terenz, der sein Werk einem Regisseur gibt. Oben, in der Mitte eines arenenartigen Theaters, sitzt Calliopius in einem als scena markierten Zelt und liest aus dem Buch vor, während maskierte Mimen seine Lektüre begleiten. Diese wiederum sind dicht umringt vom Publikum. Für die Lektüre der Komödien im Rhetorikunterricht, in welchem keine Mimen sondern Rezitatoren ausgebildet werden sollten, konnte also leicht auf das Spiel verzichtet werden. Eine Bestätigung für diese Praxis sah man in der »Rhetorica ad Herennium«, wo vor übertriebener Gestik der Redner gewarnt wird: in gestu nec venustatem conspiciendam nec turpidinem esse, ne aut histriones aut operarii videamur esse (III,xv,26).22 (in der Gebärde soll man weder übertriebene Anmut noch Häßlichkeit erblicken, damit wir nicht den Eindruck von Schauspielern oder Tagelöhnern erwecken.)

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Konrad Celtis (Hrsg.), Opera Hrotsvitae, Illustris Virginis, Et Monialis, Germane, Gente, Saxonica, Orte. s.l.: Sodalitas Celtica 1501 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, C 891/892). Zur Entdeckung und weiten Verbreitung der Kunde von der Handschrift vor ihrer Publikation vgl. Edwin H. ZEYDEL, The Reception of Hrotsvitha by the German Humanists after 1493. JEGP 44 (1945), S. 239–249. Hrotsvithae Opera. Mit einer Einl. u. Komm. von H. Homeyer. München/Paderborn/Wien 1970, II, praef. 2f., S. 233. Ebd., II, praef. 9, S. 234. MICHAEL 1963, S. 68f. Rhetorica ad Herennium. Hrsg. u. übers. v. Theodor Nüßlein. München/Zürich 1994 (Sammlung Tusculum).

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2. Das Drama an der Hohen Schule

Terence des Ducs (1410–20), 1v.

2.2. Komödie oder Tragödie?

25

2.2. Komödie oder Tragödie? Zur Zeit Luders und auch noch nach seinem Weggang las man an der Universität Heidelberg die klassischen römischen Komödien23 sowie lateinische Renaissancekomödien aus Italien, wie etwa Leonardo Brunis »Poliscena«, Ugolino Pisanis »Philogenia«24 oder einige Texte, die Luder vermutlich selbst aus Padua mitgebracht hatte: die »Comoedia Cauteriaria« des Antonio Barzizza,25 den »Philodoxeos« von Barzizzas Jugendfreund und Hausgenossen Leon Battista Alberti26 und die sehr kurze »Comedia Bile«27: sämtlich Komödien.28 Luder war während seines Studiums in Padua mit Gasparino Barzizza in Kontakt gekommen, der intensive Terenz-Studien betrieb und eine Schule von Komödienschriftstellern um sich scharte. Dies erklärt sicherlich Luders Vorliebe für die Komödie, nicht aber die Einseitigkeit, mit welcher er sich allein dieser Dramengattung zuwandte. In Padua hätte er auch die »Ecerinis« des Paduaners Albertino Mussato von 1314, die erste im Stil Senecas verfasste neulateinische Tragödie, kennen lernen können.29 Sie ist nicht nur als Cod. 1 der Universitätsbibliothek Padua überliefert, sondern noch in über 30 weiteren Handschriften. Von ihr scheint er aber keine größere Notiz genommen zu haben. _______________ 23

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Eine Vorlesung des Magister Konrad Schuitzer zu Terenz ist erwähnt im »Manuale scholarium« (Kap. V), welches vermutlich vor 1581 in Heidelberg entstanden ist. Ed. in: Friedrich Zarnke (Hrsg.), Die Deutschen Universitäten im Mittelalter. Beiträge zur Geschichte und Charakteristik derselben, I. Leipzig 1857, S. 1–48 u. 221–232, S. 15. Albrecht von Eyb hatte sie 1459 aus Pavia mitgebracht und 1472/73 in deutscher Übersetzung herausgegeben. Paul BAHLMANN, Die Erneuerer des antiken Dramas und ihre ersten dramatischen Versuche 1314–1478. Münster 1896, S. 34. RUPPRICH 21994, S. 629; zum Text vgl. Ernst BEUTLER, Forschungen und Texte zur frühhumanistischen Komödie. Hamburg 1927 (Mitteilungen aus der Hamburger SUB, N.F. 2), S. 1–77. Für SOTTILI ist die »Cauteriaria« ein Beispiel dafür, wie wenig wählerisch deutsche Studenten bei der Auswahl der humanistischen Literatur, die sie aus Italien mit heimbrachten, waren: Agostino SOTTILI, Wege des Humanismus: Lateinischer Petrarchismus und deutsche Studentenschaften italienischer Renaissance-Universitäten, in: From Wolfram and Petrarch to Goethe and Grass. Studies in Literature. FS Leonard Forster. Hrsg. v. Dennis H. Green u.a. Baden-Baden 1982 (Saecula spiritalia 5), S. 125–149, S. 132f. BAHLMANN 1896, S. 28–30; Wilhelm EISENBARTH, Geschichte des Heidelberger Theaters im Zeitalter des Humanismus und der Reformation. Diss. Heidelberg 1939, S. 11. RUPPRICH 21994, S. 633. Hugo HOLSTEIN, Heidelbergiensia. Zeitschrift für vergl. Litteraturgeschichte und RenaissanceLitteratur, N.F. 5 (1892), S. 387–395, S. 392, weist anhand der erläuternden Glossen in der Heidelberger Sammelhandschrift Cod. lat. 589.4° aus den 1470er Jahren, die unter anderem den Dialog »Lollius et Theodoricus« und die »Comedia Bile« enthält, nach, „daß die Komödie in den Vorlesungen der Artisten sehr häufig den Gegenstand der Lektüre gebildet hat.“ Vgl. auch Gerhard RITTER, Die Heidelberger Universität. Ein Stück deutscher Geschichte. Bd. I: Das Mittelalter (1386–1508). Heidelberg 1936, S. 453 u. 463. Vgl. zu Mussato: Hubert MÜLLER, Früher Humanismus in Oberitalien: Albertino Mussato: Ecerinis. Frankfurt a. M. u. a. 1987 (Studien zur klass. Philologie 31); zu Ezzelino: Nuovi Studi Ezzeliniani. Hrsg. v. Giorgio Cracco. Rom 1992 (Istituto Storico Italiano per il Medio Evo, nuovi studi storici 21).

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2. Das Drama an der Hohen Schule

Nur einmal versuchte Luder eine Seneca-Vorlesung zu halten,30 scheiterte aber an diesem Unterfangen. Er musste vorzeitig abbrechen; stattdessen bot er eine Vorlesung über Ovids »Ars amatoria« und »Remedia amoris« an. Quoniam leccione seuera L. Annei Senece grauitate et morum et sentenciarum refertissima mentes multorum perterruit, [Petrus Luder] ad quedam leuia nec tamen mediocriter (ne sese inercia torpentem reddat) utilia animum induxit.31 (Da er [Peter Luder] mit seiner ernsten Vorlesung zu L. A. Seneca, die eine Fülle inhaltlich-moralischer und sprachlicher Schwierigkeiten bot, viele abgeschreckt hat, hat er sich nun für etwas Leichteres und trotzdem etwas von nicht geringem Nutzen entschieden, damit er sich nicht in Trägheit erlahmt zeige.)

Luder hatte offensichtlich Probleme, die Ethik der Tragödien Senecas verständlich zu machen und ihre Grausamkeit mit Sinn zu erfüllen. Anders als bei der Komödie fand er hier keine Unterstützung bei Donat. Dort, besser gesagt in Evanthius ‘ Abhandlung »De Fabula«, die bis ins 16. Jahrhundert als ein Teil von Donats »De Comoedia« betrachtet wurde,32 ist die Definition der Tragödie sehr blass: inter tragoediam autem et comoediam cum multa tum inprimis hoc distat, quod in comoedia mediocres fortunae hominum, parui impetus periculorum laetique sunt exitus actionum, at in tragoedia omnia contra, ingentes personae, magni timores, exitus funesti habentur; et illic prima turbulenta, tranquilla ultima, in tragoedia contrario ordine res aguntur; tum quod in tragoedia fugienda uita, in comoedia capessenda exprimitur; postremo quod omnis comoedia de fictis est argumentis, tragoedia saepe de historia fide petitur (IV,2).33 (Der Unterschied zwischen der Tragödie und der Komödie besteht unter anderem v. a. darin, dass in der Komödie die Schicksale der Menschen unbedeutend, die Gefahren, denen sie begegnen, gering und die Ausgänge der Handlungen glücklich sind; in der Tragödie aber ist alles entgegengesetzt: da gibt es berühmte Persönlichkeiten, große Schrecken und tödliche Ausgänge. Dort beginnt es stürmisch und endet schließlich ruhig, in der Tragödie nehmen die Geschehnisse den entgegengesetzten Verlauf; außerdem gilt, dass in der Tragödie das zu meidende Leben zum Ausdruck gebracht wird, in der Komödie das erstrebenswerte, und schließlich, dass es in der Komödie stets um Fiktives geht, während die Tragödie oft bezüglich der Geschichte für glaubwürdig angesehen wird.)

Diese schlichte Formel, mit der beispielsweise auch Dante in seinem Brief an Cangrande della Scala die beiden dramatischen Gattungen knapp umreißt34 und die bereits Johannes de Garlandia kennt,35 wurde, wie Mitschriften von Studenten _______________ 30 31 32 33 34

35

Datierung unsicher, zwischen 1457 und 1460. BERTALOT, S. 4. Marvin T. HERRICK, Comic Theory in the 16th Century. Urbana, Ill. 1950, S. 58. Aeli Donati Commentum Terenti, Bd. 1, S. 21. Dante Alighieri, Letter to Can Grande della Scala, in: Allan H. GILBERT, Literary Criticism I: Plato to Dryden. Detroit 1962, S. 202–206, S. 203f. Joachim SUCHOMSKI, Delectatio und utilitas. Ein Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur. Bern/München 1975, S. 90 und 225.

2.2. Komödie oder Tragödie?

27

zeigen, im Heidelberger Poetikunterricht gelehrt.36 Ein Beispiel solcher Unterrichtsmitschriebe findet sich in der etwa zehn Jahre nach Luders Weggang in Heidelberg entstandenen Stuttgarter Sammelhandschrift HB VIII 19 auf fol. 99v. Hier ist an die aus Evanthius IV, 2 entlehnte Gattungsdefinition die pseudoCiceronianische Unterscheidung von argumentum, fictum und historia angeschlossen,37 was wohl als ein Hinweis darauf gewertet werden darf, dass im Unterricht neben Evanthius-Donat auch der im Mittelalter weit verbreitete Terenzkommentar des Servius verwendet wurde, der denselben Gedankengang aufweist.38 Auch Jodocus Badius zählt in seinem Vorwort zur Lyoner Terenzausgabe, Kap. IV, die genannten drei Hauptunterschiede zwischen Tragödie und Komödie auf: (1) die häufig intendierte historische Wahrheit gegenüber der Fiktivität, (2) den hohen Stand der Figuren und den hohen Stil gegenüber dem mittleren Personal und dem mittleren Stil, (3) die Handlungsentwicklung von stolzer Pracht zur Katastrophe gegenüber der Entwicklung von einem bunten Wirrwar zu einer glücklichen Lösung. Während Badius in ausführlichen Worten einen didaktischen Nutzen der Komödien nachweist, erklärt er zur Tragödie nur kurz, sie sei dazu entworfen, auf die Brüchigkeit der Dinge hinzuweisen. Das Tragische blieb damit ungenügend erklärt. Auch nach Luder konnte in Heidelberg nur die Komödie Fuß fassen, nicht die Tragödie. In Jakob Wimphelings »Stylpho« (vgl. Kap. 8.1) aus dem Jahr 1480 kann man, obgleich er ursprünglich nicht für eine szenische Aufführung entworfen ist, eine Vorform der Komödie sehen.39 Mit der Aufführung von Reuchlins »Henno« (vgl. Kap. 8.2) am 31. 1. 1497 in Heidelberg beginnt schließlich in den Augen sowohl der heutigen Forschung als auch der Zeitgenossen der Siegeszug der lateinischen Komödie – nicht nur in Heidelberg, sondern in ganz Deutschland. Martin Crusius vermerkt in seinen »Annales Svevicorum« zum Jahr 1497: Prima Comoedia (ut Bucholcer ait) cuius scriptor fuit Reuchlinus, in Germania est acta, in honorem Joannis, nobilis à Dalburg, Episcopi Wormaciensis: magno cum plausu, à Germano tale quid scriptum esse. (III, ix, 8)40 Um diese Zeit wurde, (wie Bucholcer meldet,) in Teutschland die erste Comoedie, (deren Urheber Reüchlin war,) den Edlen Johann von Dalburg, Bischoff von Worms

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Vgl. Cora DIETL‚ Tragoedia est encomium. Gab es eine frühe Humanistentragödie in Heidelberg?, in: Encomia-Deutsch. Sonderheft der deutschen Sektion der ICLS. Hrsg. v. Christoph Huber. Tübingen 2000, S. 27–41, S. 28. Rhetorica ad Herennium, I, 8, 12. HERRICK 1950, S. 60f. BAHLMANN 1896, S. 53f.; ders. 1893, S. 7–9; Hennig BRINKMANN, Anfänge des modernen Dramas in Deutschland. Versuch über die Beziehungen zwischen Drama und Bürgertum im 16. Jahrhundert. Jena 1933 (Jenaer germ. Forschungen), S. 26; ROLOFF 1959, S. 650f.; BURGER, S. 276; BRAAK, S. 95; ZIELSKE, S. 135; NOE, S. 311. Martin Crusius, Annales Svevicorum (1213–1594). Frankfurt 1596, S. 507 (Exemplar UB Tübingen, L I 24).

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2. Das Drama an der Hohen Schule

zu ehren, mit grossen Frohlocken, daß ein Teutscher etwas solches geschrieben, gehalten.41

Über die Aufführung von Lochers »Historia de Rege Frantie« 1495 schreibt Crusius nichts. Ihn scheint nur die Komödie zu interessieren. Das Trennende zwischen den Gattungen wog offenbar weiterhin stärker als das Verbindende. Dies ist v.a. verständlich, solange der Aspekt der dramatischen Präsentation noch keine Rolle spielte und die Aufführung in theatro als gleichbedeutend mit einem Vortrag in der Öffentlichkeit verstanden wurde. Man neigte dazu, nicht nur die Dramengattungen klar voneinander zu scheiden, sondern ihnen auch verschiedene Dichtertypen zuzuordnen, entsprechend den unterschiedlichen Autoritäten, dem comicus Terenz, dem tragicus Seneca (den nur die Paduaner Prähumanisten bereits um 1300 als identisch mit dem Philosophen Seneca erkannten42) und dem satyricus Juvenal.43 Naevius, der Komödien und Tragödien verfasst hat, war nur dem Namen nach bekannt. Wie weit die Identifikation von Dramengattung und Dichter auch noch im italienischen Quattrocento reicht, zeigt beispielsweise der Vitruv-Kommentar des Leon Battista Alberti von 1450/52, den Luder, wie EISENBARTH vermutet,44 ebenfalls mit nach Heidelberg gebracht haben könnte. Erstmals gedruckt wurde er 1485, knapp zwei Jahre vor dem Erstdruck Vitruvs. Marcus Vitruvius Pollio beschreibt im 5. Buch, Kapitel 7, § 9 seines Traktats »De architectura«, der eine der Hauptquellen des Frühhumanismus für das Aussehen des römischen Theaters war, drei verschiedene Arten von Bühnendekorationen: Genera autem sunt scaenarum tria: unum quod dicitur tragicum, alterum comicum, tertium satyricum. Horum autem ornatus sunt inter se dissimili disparique ratione.45 (Es gibt aber drei Arten von Bühnenwänden: Die eine nennt man die tragische, die andere die komische, die dritte die satyrische. Deren Dekorationen aber sind untereinander unähnlich und unterschiedlich ausgerichtet.)

In Albertis Wiedergabe verschiebt sich hier der Akzent. Er erklärt, die verschiedenen Theaterdekorationen seien nötig,46 _______________ 41

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46

Martin Crusius, Schwäbische Chronik. Aus dem Lateinischen erstmals übersetzt und mit einer Continuation vom Jahre 1596–1733 ... von Johann Jacob Moser. Frankfurt 1733, Bd. II, S. 149, Sp. 1. Hubert MÜLLER, S. 51. Coluccio Salutati, Epistolario. Hrsg. v. Francesco Novati, 4 Bde. Rom 1891–1911 (Fonti per la storia d’Italia 15–18). EISENBARTH, S. 11f. Marcus Vitruvius Pollio, De architectura. Zehn Bücher über Architektur. Hrsg., übers. u. komm. v. Curt Fensterbusch. Darmstadt 31981. Vgl. Wolfgang OSTHOFF, Die humanistische Formel der dramatischen Gattungen und die Entwicklung der Theatermusik, in: Musik in Humanismus und Renaissance. Hrsg. v. Walter Rüegg u. Annegrit Schmitt. Weinheim 1983 (Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung 7), S. 99–134, S. 102.

2.3. Was ist ‚Tragödie‘? Die Vorgabe des Aristoteles

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cum[...] in theatro triplex poetarum genus versaretur, tragicum, qui tyrannorum miserias recitarent, comicum, qui patrum familias curas et sollicitudines explicarent, satyricum, qui ruris amoenitates pastorumque amores cantarent (VIII,7).47 (..., da im Theater dreierlei Arten von Dichtern auftreten: die tragischen Dichter, die das Unheil von Tyrannen vortragen, die komischen Dichter, welche die Sorgen und Leiden von Familienvätern darlegen, und die satyrischen Dichter, welche die Annehmlichkeiten des Landes und die Liebe von Hirten besingen.)

An die Stelle der drei verschiedenen Dramengattungen, die verschiedene Theaterdekorationen verlangen, sind nun drei Arten von Dramenautoren getreten, die ihre Werke (rezitativ oder als Spielleiter?) vortragen.48 – Alberti selbst hat nur Komödien, keine Tragödien verfasst.49 Auch bei den deutschen Autoren der Zeit, nicht zuletzt auch bei Locher, findet sich wiederholt diese Unterscheidung der dramatischen Gattungen nach Dichtertypen. Verständlich ist daher Alfred NOEs Zweifel daran, „daß sich die neulateinische Tragödie, wie z. B. Jakob Lochers »Historia de rege Franciae« von 1495 gemeinsam mit der Komödie selbständig aus der Terenz-Tradition herausbildet“.50 Es ist vielmehr an eine getrennte Entwicklung der Gattungen zu denken.

2.3. Was ist ‚Tragödie‘? Die Vorgabe des Aristoteles Als Hauptquelle für die Poetik der Tragödie in der Renaissance, auch der Frührenaissance, ist von der Forschung lange Zeit fraglos Aristoteles51 postuliert worden. Dem hat aber bereits 1950 Marvin HERRICK mit Nachdruck widersprochen.52 Die »Poetik« des Aristoteles wird in den Anfängen des Humanismus nur eingeschränkt und gebrochen rezipiert. So zeigt auch KELLYs neuere Untersuchung, dass die italienischen Prähumanisten – mit Ausnahme Albertino Mussatos – ein nur geringes Interesse an Aristoteles selbst hatten.53 Ein Grund hierfür dürfte darin liegen, dass in der mittelalterlichen Überlieferung die »Poetik« (in der Übersetzung Wilhelms von Moerbeke) vom »Poetik«-Kommentar des Averroës (in der Übersetzung des Hermannus Alemannus) weit in den Schatten gestellt _______________ 47

48 49 50 51

52 53

Leon Battista Alberti, L’Architettura (De re aedificatoria). Hrsg. u. ins Ital. übers. v. Giovanni Orlandi, eingel. v. Paolo Portoghesi. 2 Bde. Mailand 1966, S. 739. Vgl. auch Isidor von Sevilla, Etymologiae, VIII, vii, 6. »Philodoxeos« (1424) und »Janus« (1427). BAHLMANN 1896, S. 28–30. NOE, S. 297. Für eine zusammenfassende Darstellung der Tragödientheorie des Aristoteles vgl. Manfred FUHRMANN, Die Dichtungstheorie der Antike. Aristoteles – Horaz – Longin. Eine Einführung. Darmstadt 21992 (Die Literaturwissenschaft), S. 24–44. HERRICK 1950, S. 1. Henry Ansgar KELLY, Aristotle-Averroes-Alemannus on Tragedy: The Influence of the ‘Poetics’ on the Latin Middle Ages. Viator 10 (1979), S. 161–209, S. 206.

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2. Das Drama an der Hohen Schule

war: Fünf lateinische Aristoteles-Handschriften stehen 24 lateinischen AverroësHandschriften gegenüber.54 Waren schon die Verweise des Aristoteles auf griechische Tragödien, die dem frühen Humanismus unbekannt waren, der Rezeption seiner Literaturtheorie eher abträglich, so wurde dieser Effekt in Ibn Ruschds Überarbeitung mit Beispielen aus der arabischen Literatur noch verstärkt. Mit der ersten Edition des »Poetik«-Kommentars durch Philippus Venetus 1481 und der Neuübersetzung der »Poetik« durch Lorenzo Valla 1498 waren endlich die Weichen für eine verstärkte »Poetik«-Rezeption im 16. Jahrhundert gestellt.55 Locher, für dessen erste Dramen Vallas Übersetzung zu spät kam, steht an der Schwelle zum neu erwachenden Interesse an Aristoteles. Es ist zugleich die Zeit der begeisterten Rezeption des neu entdeckten Terenz-Kommentars Donats und die Zeit von Lochers intensiver Beschäftigung mit Horaz, dessen Werke er 1498 in Straßburg ausgiebig kommentiert herausgegeben hat.56 Aristoteles (Moerbeke), Averroës, Horaz und Donat gehen in ihrer Tragödientheorie keineswegs in allen Punkten konform. Wilhelm von Moerbeke fasst die aristotelische Definition der Tragödie mit folgenden Worten zusammen:57 Est igitur tragoedia imitatio actionis studiose et perfecte, magnitudinem habentis, delectante sermone seorsum unaquaque specierum in partibus, actitantium et non per enuntiationem, per misericordiam et timorem concludens talium pathematum58 purificationem. (1449 b 24–28) (Die Tragödie ist die Nachahmung einer bemühten [= willentlichen] und abgeschlossenen Handlung, die eine gewisse Bedeutung hat, in einer Rede, die besonders dadurch gefällt, dass sie in ihren einzelnen Teilen jeweils eine eigene Form besitzt. Die Wiedergabe des Geschehens erfolgt nicht in einem Bericht, sondern durch Aktion. Durch Mitleid und Furcht führt sie am Schluss zur Reinigung von solchen Affekten.)

Es soll eine willentliche Handlung auf die Bühne gebracht werden; der Held trägt also Verantwortung für seine Taten. In diesem ethischen Verständnis von der Tragödie stimmt der lateinische Aristoteles auch mit dem Averroës latinus überein. Das delectans der variierenden sprachlichen und metrischen Form ersetzt dieser aber durch ein moraldidaktisches utile: in oratione utili praeter unamquamque ex speciebus quae sunt facientes in partibus, non per promissa. _______________ 54 55

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Ebd., S. 161. Reinhart HERZOG, Veritas Fucata. Hermeneutik und Poetik in der Frührenaissance, in: WolfDieter Stempel u. Karl-Heinz Stierle (Hrsg.), Die Pluralität der Welten. Aspekte der Renaissance in der Romania. München 1987 (Romanist. Kolloquium 4), S. 107–136, S. 107. Zur Mehrsträngigkeit der Renaissance-Poetiken, die oft Horaz, Aristoteles und neuplatonische Traditionen miteinander kontaminieren vgl. Heinrich F. PLETT, Renaissance-Poetik zwischen Imitation und Innovation, in: ders. (Hrsg.), Renaissance-Poetik. Berlin/New York 1994, S. 1–20, S. 9–11. Aristoteles, De Arte Poetica. Translatio Guillelmi. Hrsg. v. Laurentius Minio-Paluello. Brüssel/Paris 21968. (Aristoteles Latinus, Bd. 33), S. 5. MINIO-PALUELLO lässt hier unkommentiert mathematum stehen, was m. E. nur ein Abschreibfehler sein kann.

2.3. Was ist ‚Tragödie‘? Die Vorgabe des Aristoteles

31

Während so bei Averroës die Form hinter der Ethik zurücktritt, stellt schließlich Horaz die Form gerade in den Dienst der Wirkkraft des Werks: Non satis est pulchra esse poemata: dulcia sunto et quocumque volent animum auditoris agunto. (V. 99f.)59 (Es genügt nicht, wenn Dichtungen schön sind; sie seien einnehmend und sollen den Sinn des Zuhörers dorthin lenken, wohin sie wollen.)

Ein Verständnisproblem stellt ferner Aristoteles’ Bestimmung der dramatischen Darstellungsweise dar: Handlung statt Bericht. Horaz spricht von einer Alternative innerhalb des Dramas, aut agitur res in scaenis aut acta refertur (V. 179), wobei man sich je nach Gegenstand für die eine oder andere Darstellungsform entscheiden sollte: segnius inritant animos demissa per aurem quam quae sunt oculis subiecta fidelibus et quae ipse sibi tradit spectator: non tamen intus digna geri promes in scaenam multaque tolles ex oculis, ... (V. 180–184) (Schwächer erregt die Aufmerksamkeit, was seinen Weg durch das Ohr nimmt, als was vor die verlässlichen Augen gebracht wird und was der Zuschauer sich selbst vermittelt; doch wirst du nicht, was besser im Innern sich abspielen sollte, auf die Bühne bringen, wirst vieles den Augen entziehen.)

Averroës dagegen kennt keine szenische Darstellung. Die Alternative actio oder enuntiatio ist gestrichen, und auch an anderen Stellen zeigt er eine deutliche Skepsis gegenüber allem Schauspielerischen. Wenn Aristoteles in Kapitel 6 erklärt, die Bühnenkunst sei, selbst wenn sie durchaus wirkungsvoll sei, nicht Sache des Dichters, und daher müsse er so dichten, dass seine Tragödie auch ohne sie wirke (1450 b 16–20), erklärt Averroës hierzu, die Visualisierung diene in der Rhetorik dazu, eine Sache glaubwürdiger erscheinen zu lassen, sei Mittel der persuasio. Dies sei aber nicht Aufgabe der Tragödie, die der repraesentatio diene, und daher könne diese auf solche persuasiven Hilfsmittel verzichten: Ideoque non utitur carmen laudativum arte gesticulationis neque vultuum acceptione sicut utitur his rhetorica (IV, 31).60 (Daher bedient sich das Lobgedicht [= die Tragödie] nicht in dem Sinne der Gestikulationskunst und Mimik, wie sich die Rhetorik dieser bedient.)

Auf dieser Grundlage wird es nicht erstaunen, dass das Mittelalter (und z. T. auch der frühe Humanismus) davon ausgegangen ist, dass die römische Tragödie nicht für eine Schauspielbühne entworfen war. _______________ 59

60

Horaz, Ars Poetica. Die Dichtkunst. Nach dem Text von Friedrich Klingner hrsg. u. übers. v. Eckart Schäfer. Stuttgart 21997 (RUB 9421). Averroës Latinus, zit. nach KELLY, S. 167. Vgl. auch S. 163 zu Tragödie und Komödie als Rezitationsstücken.

32

2. Das Drama an der Hohen Schule

Der kritischste Punkt in der oben zitierten Definition der Tragödie durch Aristoteles war der Gedanke der Katharsis, wie er in der Wendung per misericordiam et timorem concludens talium pathematum purificationem zum Ausdruck kommt. Nicht jeder Held, so Aristoteles, eigne sich zur Erregung solcher Affekte. Vielmehr dürfe der Held sich weder durch außerordentliche Vortrefflichkeit auszeichnen, noch dürfe er aus Schlechtigkeit ins Unglück geraten, sondern müsse wegen eines Fehlers stürzen (1453 a 8–15). In den Worten Wilhelms von Moerbeke allerdings wird aus dem Fehler eine Sünde. Er beschreibt den tragischen Helden wie folgt: Est autem talis qui neque virtute differens et iustitia, neque propter malitiam et pestilentiam transmutans in infortunium, sed propter peccatum aliquod, eorum qui in magna gloria sunt et eufortunio, ut puta Dipoys et Thyestes et qui ex talibus generibus insignes viri. (1453 a 8–12) (Es ist vielmehr ein solcher, der weder durch besondere Tugend oder Gerechtigkeit ausgezeichnet ist, noch wegen seiner Bosheit und Verdorbenheit ins Unglück stürzt, sondern wegen irgendeines Vergehens, und zwar einer von denen, die in hohem Ruhm und Glück stehen, wie etwa Ödipus oder Thyestes oder welche ausgezeichneten Männer es auch immer aus solchen Häusern gibt.)

Noch einmal betont er in den folgenden Sätzen, dass es zu dem Umschlag vom Glück ins Unglück nicht propter pestilentiam kommen dürfe, sondern propter peccatum magnum (1453 a 15f.), nicht wegen unabänderlicher Schlechtigkeit, sondern wegen einer gravierenden Sünde (und das heißt einer bewusst gewählten Untat). In diesem Sinne ist auch Donats Formulierung, die Tragödie beschreibe fugienda vita (IV, 2), zu verstehen. Bei Aristoteles und noch weit expliziter bei Averroës ist der Held einer, der den Untergang nicht verdient (VI, 52). Der Tragödienheld ist vielmehr ein grundsätzlich positiver. Daher erweitert Ibn Ruschd auch die oben zitierte Passage dahingehend, dass der Reinigungsprozess als eine Reinigung von den Affekten Furcht und Mitleid zu verstehen sei. Er stützt sich für sein positives Heldenbild nicht zuletzt auch auf die Unterscheidung des Komödien- und Tragödienpersonals bei Aristoteles: In ipsa autem differentia et tragodia ad komodiam distat: hec quidem enim peiores, hec autem meliores imitari vult nunc (1448 a 17f.).61 (Hierin unterscheiden sich Tragödie und Komödie: Die eine will hier nämlich bessere, die andere schlechtere Menschen nachahmen.)

Die Kategorien peior und melior interpretiert Averroës moralisch und bezieht das erste hec auf die erstgenannte Gattung, die Tragödie, das zweite auf die zweitgenannte, die Komödie. Er sieht also in dieser Passage seine Unterscheidung von

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Aristoteles, De Arte Poetica. Translatio Guillelmi. Hrsg. v. Laurentius Minio-Paluello. Brüssel/ Paris 21968. (Aristoteles Latinus, Bd. 33), S. 5.

2.3. Was ist ‚Tragödie‘? Die Vorgabe des Aristoteles

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Tragödie = Lobrede und Komödie = Schmährede begründet, die er zum Leitfaden seines »Poetik«-Kommentars macht.62 Donat sieht den Bezug für die beiden hec, wie bereits erwähnt, umgekehrt. Wie die »Poetik«-Übersetzung des Paccius von 1536 aber zeigt, kann die Bezeichnung des Personals als „besser“ und „schlechter“ auch gesellschaftlich verstanden werden. Paccius spricht von humiliores und praestantiores,63 und daher gilt diese Passage in der Frühen Neuzeit als eine Bekräftigung der „Ständeklausel“, die in ihren Anfängen auch auf Donat zurückgeht. Wilhelms von Moerbeke Formulierung von der großen Sünde des Protagonisten, verbunden mit der ständischen Definition der Tragödienhelden als ingentes personae, ermöglicht eine Definition des Tragödienhelden wie die oben zitierte Albertis in »De re aedificatoria«: tyrannorum miserias (VIII,7) werden dargestellt, der Held ist ein Tyrann. Dieser unterscheidet sich, wie Alberti in seiner »Deciarchia« erklärt, vom König dadurch, dass er nicht den Dienst an den Untertanen und das Recht an die erste Stelle seines Regiments stellt, sondern ein imperium iniquum führt.64 Der Tyrann ist, wie Francesco ERCOLE anschaulich vorführt,65 ein im Renaissance-Italien vor dem aktuellen Hintergrund der Signoria häufig diskutiertes Phänomen. Ein Höhepunkt der Diskussion ist mit Coluccio Salutatis »Tractatus de Tyranno« erreicht, in welchem zusammenfassend festgehalten wird: Concludamus igitur tyrannum esse qui invadit imperium et iustum non habet titulum dominandi, et quod tyrannus est qui superbe dominatur aut iniustitiam facit vel iura legesque non observat; sicut e contra legitimus princeps est, cui iure principatus delatus est, qui iustitiam ministrat et leges servat (Kap. I, §9)66 (Wir können also schließen, dass ein Tyrann ist, wer die Herrschaft an sich reißt und den Herrschertitel nicht zu Recht trägt, und dass ein Tyrann ist, wer hoffärtig herrscht oder Ungerechtigkeit verübt oder Recht und Gesetz nicht beachtet; so ist andererseits ein legitimer Fürst der, dem die Herrschaft von Rechts wegen verliehen worden ist, der Gerechtigkeit übt und den Gesetzen dient.)

Ein solcher Tyrann, der unrechtmäßig die Herrschaft erwirbt und unrechtmäßig Gewalt ausübt, ist der typische Tragödienheld der italienischen Renaissance.67 Unsicherheit schließlich bestand in der Frage nach der historischen Wahrheit der Tragödie. Aristoteles ‘ Unterscheidung zwischen dem fiktiven Komödienpersonal und dem Personal der Tragödie, das bekannte Namen trage (1451 b 15) und _______________ 62

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Averroës, Middle Commentary on Aristotle’s Poetics. Eingel. u. ins Engl. übers. v. Charles E. Butterworth. Princeton 1986. HERRICK 1950, S. 62. L. Battista Alberti, Deciarchia, in: Opere Volgari. Hrsg. v. Anicio Bonucci., Bd. 1. Florenz 1895, S. 19. Coluccio Salutati, Tractatus de Tyranno. Hrsg. u. eingel. v. Francesco Ercole. Berlin/Leipzig 1914 (Quellen der Rechtsphilosophie 1), S. 19 u. ö. Ebd. Zur Tragödie der italienischen Renaissance sei auf die derzeit entstehende Dissertation von Hartmut Beyer, Münster, verwiesen.

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2. Das Drama an der Hohen Schule

dessen Handlung sich an traditas fabulas halte (1451 b 24) – so Wilhelms von Moerbeke Übersetzung von mythos –, die auch gesta, historisch wahre Geschehnisse, sein könnten (1451 b 30f.), erfährt bei Averroës eine andere Akzentsetzung. Er betont den Unterschied zwischen der (verpflichtenden) historischen Wahrheit der Tragödie und der Fiktivität der Komödie. Donat wiederum spricht nur davon, dass die Tragödie saepe de historia fide petitur. Wie aus dem Vorausgegangenen deutlich geworden ist, existierte im Frühhumanismus keine verbindliche Gattungsdefiniton, die in die Lehre Eingang gefunden hätte oder auf die sich ein Tragödiendichter hätte stützen können. Fest standen allein der negative Ausgang und die Ständeklausel:68 Tragedia autem regesque continet et semper infelices exitus habet, heißt es im Vorwort zu Grüningers Terenzausgabe von 1496 (5v). Auf diese knappe Definition der Gattung folgt (ein Zitat aus Jodocus Badius’ Vorwort, Kap. IV) die Erklärung, Euripides habe aus diesem Grund keine Tragödie über Archilaos verfassen wollen und eher gebetet, dass ihm nichts einer Tragödie Würdiges widerfahre: Unde Euripides roganti Archilao regi ut de se tragediam scriberet abnuit. precatusque deos est ne quid sibi accideret tragedia dignum (5v). Die Vorgabe, dass der Held ein Tyrann sein sollte, der warnend didaktische Gehalt und die Nähe zur historischen Wahrheit waren nur weitgehend verpflichtend, die Frage nach der metrischen Form und dem Aufführungscharakter dagegen gänzlich ungeklärt. Wer klare Anweisungen über die Zahl der Akte und die Rolle des Chors finden wollte, musste sich auf Horaz verlassen; Aristoteles macht hierzu keine eindeutigen Angaben.

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RUPPRICH 21994, S. 631.

3. Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse 3.1. Eine theoretische Hinführung: Konrad Celtis ... Illud etiam preceptum dedi meis versibus: ut in quibuscumque conviviis / symposiis / scholis / aut theatris sint: meos preceptores Conradum Celtis et Sebastianum brant epicos ac aeolios vates colant: venerentur / observent. sunt isti qui me pene puerum in politioribus doctrinis instituerunt: hos precor adhortorque: ut industriam adolescentis discipulique probent ac tueantur. (b6v)1 (Ich habe auch das meinen Versen geboten, dass sie, wo immer sie vorgetragen werden, in geselligem Beisammensein, bei Gastmählern, in Schulen oder in Festsälen, meine Lehrer, Konrad Celtis und Sebastian Brant, als epische und lyrische Dichter preisen, feiern und befolgen. Sie sind es, die mich, als ich noch fast ein Junge war, in den Disziplinen der eleganteren Bildung unterwiesen haben; sie bitte und ermutige ich, dass die den Fleiß des jungen Mannes, ihres Schülers, prüfend anerkennen und in ihre Obhut nehmen.)

Tiefe Verbundenheit gegenüber seinen Lehrern Celtis und Brant spricht aus diesen Worten des jungen Jacob Locher, der, gerade vierundzwanzigjährig, 1495 die Dozentur für Rhetorik und Poesie an der Universität Freiburg angetreten hatte und nun im Oktober desselben Jahres dort sein erstes Bühnenstück präsentierte, die »Historia de Rege Frantie«. Noch im selben Jahr ist es in den Druck gegangen, mit eben dieser Hommage an seine Lehrer. Sie ist eine Geste der Dankbarkeit; so sehr Locher betont, dass er den Maßstäben seiner Lehrer gerecht werden möchte, so sehr drückt er jedoch in diesen Worten aus, dass er sich dessen bewusst ist, Neues zu schaffen. Seine Lehrer waren Epiker und Lyriker; er verfasst ein Drama. Dabei ist Celtis keineswegs so eindeutig ein epicus ac aeolius vates, wie dies der Philomusus reklamiert. In Wien ließ er, allerdings erst später, nach Lochers ersten dramatischen Entwürfen, seine Studenten klassische, aber auch eigene Bühnenstücke aufführen (vgl. Kap. 8.4). Seine Beschäftigung mit dem antiken Theater datiert aber viel weiter zurück und war sicherlich nicht ohne Einfluss auf Locher. Im Wintersemester 1486/87 begann Konrad Celtis in Leipzig mit der Interpretation der Tragödien Senecas. Er fasste den Plan, sämtliche zehn damals Seneca zugeschriebenen Tragödien herauszugeben, und zwar nach dem Erstdruck von Ferrrara von 1484. Vollendet allerdings hat er nur seine Ausgabe des »Hercules furens« und der »Coena Thyestis«. Im Leipziger Druck von 1487 widmet er die ______________ 1

Jacob Locher, Historia de Rege Frantie cum nonnullis aliis versibus et elegiis. Freiburg: Friedrich Riederer, 1495 (Exemplar B.N. Paris, RES P-YC-8).

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3. Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse

Ausgabe dem Fürsten Magnus von Anhalt, als einem der „wenigen“ Förderer der Wissenschaft.2 Celtis beschreibt in diesem Brief die Tragödie als eine Literaturgattung, die er in Deutschland neu einführe. Sie beschreibe den Niedergang von Königen und Fürsten: Cum itaque novum litterarum genus (quod tragoedias vocant regumque ducumque casus figurans) nuper ad Alamanos referrem ... (Z. 45f.). Aus jeder Tragödie zieht er eine Lehre für Fürsten. Die Sammlung der zehn Tragödien, die er als in fabula gekleidete historia, d. h. als dichterisch ausgeschmückte oder gar integumental verhüllte Geschichtsdarstellung,3 versteht, vergleicht er mit den Zehn Geboten: Sie stellten die Gesamtheit der wichtigsten Regeln für das Leben eines Fürsten dar, und zwar in Form von sehr eindrücklichen Verboten von Lastern: … itaque nihil principem ad animi magnitudinem omniumque laborum suorum tollerantiam animare possunt, quam ea, quae de Hercule clarissime gesta narrantur. Quid ab impietate revocare vehementius potest quam Thyestis coena cruentissima ... Nihil malorum bellorum exitum plenius figurat quam ea, quae de Troia historia cum fabula inscribitur... Itaque, inclite princeps, summam operis habes, quod decem tragoedias instar decalogi complectitur. Magnum ex historiis generosus animus fructum colligere potest, ad quem Seneca inter ceteros philosophos et poetas semper ardentius nos hortatus est, maxime principes in tragoediis. (Z. 55–58, 64–66, 71–76). (… daher kann nichts [an Erzählungen von Taten anderer] einen Fürsten so sehr zu Hochherzigkeit und zum bereitwilligen Ertragen aller seiner Mühen motivieren wie die Darstellungen der höchst trefflichen Taten des Herkules. Was kann jemanden vehementer dazu rufen, von Gottlosigkeit zu lassen als das entsetzliche Mahl des Thyestes? ... Nichts zeigt deutlicher den Ausgang unrechter Kriege als die teils mit Erfundenem durchsetzte Geschichte Trojas ... Deshalb, ruhmreicher Fürst, gehört dir die Sammlung des Werks, das die zehn Tragödien gleichsam als den Dekalog umfasst. Ein edler Geist kann aus den Geschichten großen Nutzen ziehen, wozu uns Seneca unter den anderen Philosophen und Dichtern immer besonders dringlich ermuntert hat – und in den Tragödien v. a. die Fürsten.)

Celtis anerkennt (mit der Paduaner Schule) die Identität des Tragödiendichters mit dem Philosophen Seneca. Dieser, so erklärt er im Folgenden, habe zur Zeit des grausamen Nero geschrieben und daher in exemplarischen Bildern darüber gesprochen, wie ein Herrscher sein sollte, damit er ihn tam sublimi persuasione ad ______________ 2

3

Der Widmungsbrief ist ediert in: Der Briefwechsel des Konrad Celtis. Hrsg. u. erl. v. Hans Rupprich. München 1934 (Veröffentl. der Kommission zur Erforschung der Gesch. der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 3), S. 10–13. „Geschichte“ sei hier nicht in einem nachaufklärerischen Sinne verstanden, sondern als für die Gegenwart bedeutsames Vergangenes, dessen Darstellung (mit Wahrheitsanspruch) dem Rhetoren oder auch Poeten obliegt, entsprechend Ciceros Definition in »De oratore«, 2, 36: Historia vero testis temporum, lux veritatis, vita memoriae, magistra vitae, nuntia vetustatis, qua voce alia nisi oratoris immortalitati commendatur? Cicero, De oratore. Über den Redner. Hrsg. u. übers. v. Harald Merklin. Stuttgart 31997 (RUB 6884). Vgl. Joachim KNAPE, Melanchthon und die Historien. ARG 91 (2000), S. 111–126, S. 126; ders., Die Problematik unseres Geschichtsbegriffs fürs Mittelalter. GRM 38 (1988), S. 15–34.

3.1. Eine theoretische Hinführung: Konrad Celtis

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virtutes inflammat (Z. 84) und ihn vom Laster abschrecke. Die Tragödie ist damit eine andere, eine verdeckte und zugleich besonders eindringliche Art staats- und moralphilosophischen Schreibens, sie ist zugleich Geschichtsschreibung und Fürstenlehre. – Dieses klare Tragödienbild des Celtis ragt aus der allgemeinen Begriffsverwirrung um die Tragödie, der man anderenorts begegnet, heraus. Im Umkreis des „Erzhumanisten“ wird man daher dieser Form des dramatischen Schreibens eher zugeneigt gewesen sein als etwa im Umkreis Luders. In seiner »Ars versificandi et carminum«,4 die zur gleichen Zeit entstanden ist wie die Seneca-Ausgabe,5 steigert Celtis sein Lob des Dramas und speziell der Tragödie von der Fürstenlehre zum Instrument kluger Staatslenkung, indem er dem Widmungsträger Friedrich von Sachsen erläutert: Summa profecto res illa erat et pene divina in administranda eorum republica ut sapientie summam eloquenciam qua urbs et orbis regebatur coniungere studuerint: hinc publica illa comediarum tragediarumque spectacula: Quibus sublimi persuasione remotisque invencionibus poete spectancium animos ad virtutes inflammabant et pubescentem iam indolem a viciis deterrebant: ut quid patrie: quid amicis: parentibus: hospitalibusque deberent: vivis exemplis acciperent (15v). (In der Tat war im Zusammenhang mit der Staatslenkung [der Römer] der Umstand höchst bedeutend und beinahe göttlich, dass sie mit der Weisheit die höchste Beredsamkeit, durch die Rom und die Welt beherrscht wurde, zu verbinden suchten. Deshalb gab es jene öffentlichen Aufführungen von Komödien und Tragödien, in denen die Dichter durch hohe Überredungskunst und tiefgründige Erfindungen die Herzen der Zuschauer für die Tugenden entflammten und, wenn die jungen Leute heranwuchsen, sie von den Lastern abschreckten, damit sie sich das, was sie Vaterland, Freunden, Eltern und Gastfreunden schuldeten, angesichts von lebenden Vorbildern aneigneten.)

Die Verbindung von sapientia und eloquentia im Dienst des Staates ist, wie Jörg ROBERT in seiner ausführlichen Untersuchung zur Poetik des Konrad Celtis gezeigt hat,6 ein zentrales Anliegen des „Erzhumanisten“.7 Fast wörtlich wiederholt Celtis die hier zitierte Passage wieder in seiner an ein universitäres Publikum gerichteten Ingolstädter Antrittsvorlesung (10,4), die Locher wohl nicht gehört, aber gelesen hat.8 Dort sind nur die Prämissen leicht verändert: Nicht die eloquen______________ 4

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Konrad Celtis, Ars versificandi et carminum. Leipzig: Konrad Kachelofen, 1486 (Exemplar UB Freiburg, TM 85/6574). Jörg ROBERT, Konrad Celtis und das Projekt der deutschen Dichtung. Studien zur humanistischen Konstitution von Poetik, Philosophie, Nation und Ich. Tübingen 2003 (Frühe Neuzeit 76), S. 76, betont ausdrücklich die Gleichzeitigkeit der Projekte. Ebd., S. 46 u. ö. Dieser Ehrentitel ist, wie ROBERT, ebd., S. 1, nachweist, durch David Friedrich STRAUSS geprägt. Konrad Celtis, Oratio in gymnasio Ingolstadio publice recitata / Des Konrad Celtis öffentliche Rede an der Universität Ingolstadt. Hrsg. u. übers. v. Joachim Gruber. Internet-Publikation http://www.klassphil.uni-muenchen.de/~gruber/texte/celtis/ingolstadt.html (18.10.2005); Edition auch in: Conradi Celtis Protucii Panegyris ad duces Bavariae. Hrsg., eingel., übers. u. komm. v. Joachim Gruber. Wiesbaden 2003 (Gratia 4).

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3. Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse

tia tritt zur sapientia hinzu, sondern umgekehrt, denn die eloquentia gehört ja wie selbstverständlich in den Unterricht des Triviums. Auf der dort gelehrten Eloquenz basiert dann die auf höherer Stufe zu erlangende Weisheit.9 In der an einen Fürsten adressierten wie auch in der an ein universitäres Publikum gerichteten Schrift geht es Celtis primär um die durch das Medium Theater mögliche Beeinflussung des Publikums. Der Zuschauer wird durch das Schauspiel emotional bewegt; er wird zur Tugend ermahnt (dies entspricht dem üblichen didaktischen Verständnis der Komödie) und, wie Celtis in der »Oratio« ausführt, zum Streben nach Ruhm veranlasst. Das Ziel dieses Strebens aber genauer zu definieren, ist Aufgabe des Dichters. ROBERT spricht daher von „rhetorischer Machtausübung“ der Eloquenz, von der Beredsamkeit „als Herrin und Führerin über eine profane Menge, deren ziel- und vernunftlose Bewegungen (furor) von der seelenleitenden Kraft des Wortes eingedämmt und kontrolliert werden sollen“.10 Celtis geht es dabei nicht nur um eine moraldidaktische Wirkung des Dramas in dem Sinne, wie sie Donat und Cicero der Komödie zugeschrieben haben; durch das Theaterspiel soll vielmehr der Einzelne daran erinnert werden, was er seiner patria schuldet. Er zitiert hier Horaz an, der in der »Ars poetica« vom Dichter verlangt, dass er gelernt habe und aus diesem Wissen heraus rede, ... patriae quid debeat et quid amicis, quo sit amore parens, quo frater amandus et hospes (V. 312f.) (... was er dem Vaterland schulde und was den Freunden, welche Liebe man den Eltern entgegen bringen solle und welche dem Bruder und dem Gastfreund).

Horaz fährt fort, indem er auf die Pflichten des Senators, des Richters und des Feldherrn verweist. In diesem Sinne betont Celtis hier den Nutzen des Spiels in administranda illorum republica, in der Staatspolitik. Einen solchen sucht man in der Komödie vergeblich, geht es in ihr doch, wie es in der »Ars versificandi« heißt, um res familiares und um die Sache von Privatpersonen, die sensibilibus ... exemplis in theatris exprimitur (15v). Der dem Kaiser verpflichtete poeta laureatus muss im Gegensatz dazu der Tragödie den Vorzug geben. Das didaktische Potenzial der Komödie, die Lehre für den einzelnen Bürger, will er auf den Staatsbürger in öffentlichen Angelegenheiten übertragen wissen. Mehrfach betont Celtis den Aspekt des Sichtbaren, welches eine besondere Überzeugungskraft beinhalte. Diesen Gedanken, dessen Wurzeln weit in die antike Psychologie zurück reichen,11 übernimmt der „Erzhumanist“ von Horaz – mit dem sich Locher während der Abfassungszeit seiner zwei ersten Dramen ______________ 9 10

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Vgl. ROBERT, S. 123. ROBERT, S. 43; vgl. auch ebd., S. 132: eloquentia als „Kunst affektivischer Einflußnahme auf den Zuhörer“ stehe im Zentrum der Ingolstädter Rede. Vgl. dazu meinen Aufsatz: Der Griff nach dem Optischen. Zur Entwicklung des deutschen geistlichen Spiels im 13. Jahrhundert. Miscellanea Mediaevalia 27 (2000), S. 467–482, und die dort angegebene Literatur.

3.2. Ein erstes praktisches Vorbild: Albertino Mussato

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intensiv beschäftigt hat. Horaz betont neben der besonderen Erkenntniskraft des Gesichtssinns auch die scheinbare Unmittelbarkeit des szenisch Dargestellten (V. 182), die beim Zuschauer den Eindruck erwecke, er selbst sei Augenzeuge des Geschehens. Dadurch wird neben der Glaubwürdigkeit des Dargestellten auch die Betroffenheit des Zuschauers gesteigert. Wenn Konrad Celtis zu jenen gehörte, die Locher pene puerum in politioribus doctrinis instituerunt, dann umfasst diese Einführung sicherlich auch die theoretische Hinführung zu der (durch die Horaz-Lektüre dann verstärkten) Überzeugung, dass das Theater und v. a. die Aufführung von Tragödien ein wirkungsvolles Medium sei, um Menschen zu überzeugen und zu lenken und damit dem Staat zu dienen. Noch aber fehlte es dem jungen Locher an der praktischen Anschauung. In Maximilians flandrischen Landen und in Burgund waren Ende des 15. Jh. mimische Darstellungen aktueller historischer Ereignisse üblich. Im Vorwort der Terenz-Ausgabe des Jodocus Badius von 1493, die Locher auf jeden Fall 1499, vermutlich aber schon deutlich früher gelesen hat, sind maskierte Darstellungen der Geschichte von Königen und Prinzen in den Sälen der herrschaftlichen Paläste erwähnt (VII).12 „Tragödien“ lassen sich diese Spiele aber nicht wirklich nennen. In Italien, nicht in Frankreich, wohin Locher zuerst reisen wollte, sollte der Philomusus dramatische Texte in die Hand bekommen, die dem Ideal der gesellschaftswirksamen Nachahmung der antiken Tragödie näher kamen.

3.2. Ein erstes praktisches Vorbild: Albertino Mussato Während seiner Studienreise hat Locher vermutlich eine Reihe von theatralischen Aufführungen erlebt und auch verschiedene neuere, an den Klassikern orientierte, Dramen kennengelernt. In Padua oder, falls er tatsächlich, wie HEHLE annimmt,13 die Platonische Akademie besucht haben sollte, in Florenz dürfte er auf den berühmtesten und ältesten Vertreter der an Seneca angelehnten neulateinischen Tragödie gestoßen sein: auf die oben bereits erwähnte »Ecerinis« des Albertino Mussato. In einigen Handschriften steht dieses Werk gleichwertig behandelt neben Senecas Tragödien, wie etwa in der Privathandschrift Coluccio Salutatis, die der Florentiner Humanist sich 1369/70 im Rahmen intensiver Seneca-Studien angefertigt hat. Sie hat wohl zu dem Teil der Bibliothek Salutatis gehört, der nach dessen Tod von Cosimo de’ Medici aufgekauft und der von ihm geförderten Platonischen Akademie zur Verfügung gestellt worden ist.14 ______________ 12 13

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Badius, S. 90. HEHLE I (1873), S. 13., Anm. 16. Zur Beeinflussung Lochers durch die Florentiner Platonische Akademie, speziell durch Marsilio Ficino, den Konrad Celtis persönlich kannte, vgl. RUPP, S. 59. Albinia C. DE LA MARE, The Handwriting of Italian Humanists, Bd. I/1. Oxford 1973, S. 31f. Anfang des 19. Jh. hat Frederick North die Handschrift in Italien erworben und nach England gebracht; sie ist heute im Besitz der British Library, als Add. 11987. [Für diesen Hinweis danke

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3. Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse

Albertino Mussato (1261–1329) war eines der führenden Mitglieder des für die Seneca-Studien berühmten Paduaner Prähumanistenkreises.15 Seine poetologischen Schriften erlangten große Bedeutung und wurden u. a. von Petrarca und Boccaccio weiterentwickelt.16 Locher hat sicherlich auch sie, nicht nur Mussatos „Tragödie“ selbst, rezipiert. Mussato unterscheidet zwei grundsätzliche Typen von Tragödien: Die eine berichte in heroischem Versmaß von Triumphen auf Schlachtfeldern und folge dem Beispiel von Ennius, Lucan, Vergil und Statius; die andere, die eigentliche Tragödie, orientiere sich am Vorbild Senecas und führe in Jamben Glorie, Sturz und Tod von Königen und Prinzen vor.17 Facta Ducum memorat, generosaque nomina Regum, Quum terit eversas alta ruina domos. Fulmina supremas feriunt ingentia turres, Nec capiunt planas impetuosa casas. (Epist. I, V. 87–90)18 (Sie bewahrt die Erinnerung an die Taten von Fürsten und an die hohen Namen von Königen, wenn der tiefe Sturz die vernichteten Häuser zermalmt. Die gewaltigen Blitze fahren in die höchsten Türme, die niedrigen Hütten aber verschonen die schrecklichen.)

Die Tragödie bedient sich also keiner Fiktion, noch befasst sie sich mit dem Alltäglichen, sondern sie berichtet von facta, und die tragischen Helden sind bedeutende historische Persönlichkeiten.19 Der jähe Sturz der Helden soll die Unbeständigkeit des Schicksals verdeutlichen und eine stoische Haltung lehren. Vox Tragici mentes ad contingentia fortes Efficit, ignavus diluiturque metus, Vincit in adversis semper constantia rebus, Non habet hanc, illis qui rude pectus habet. ... Proficit hoc nimium Mortalibus utile carmen, Quum nihil in nostris computat esse bonis, Conspicitur nulla stabilis dominatus in aula, Certaque de sola est mobilitate fides. (V. 93–96, 105–108)

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ich Herrn Dr. Scot McKendrick, British Library.] Die Zusammenstellung der »Ecerinis« mit Senecas Tragödien findet sich außerdem noch in: Florenz, Laurenziana, ms. 8, plut. 37 (Abschrift von Salutatis Handschrift?); Mailand, Ambrosiana, D. 38, inf. und Burgo de Osma, Archivo Bibl. de la Santa Iglesia Catedral, 156. Vgl. Paul Oskar KRISTELLER, Iter Italicum. A finding list of uncatalogued or incompletely catalogued Humanistic manuscripts of the Renaissance in Italian and other libraries. 6 Bde. London/Leiden 1977–1992. Hubert MÜLLER, S. 16–25. Ebd., S. 38. Joseph R. BERRIGAN, Early Neo-Latin Tragedy in Italy, in: Acta Conventus Neo-Latini Lovaniensis. Hrsg. v. Jozef Ijsewijn u. Eckhard Keßler. Louvain/München 1973 (Humanist. Bibliothek I, 20), S. 85–93, S. 85f. Albertini Mussati Epistolae, seu sermones, in: Thesaurus Antiquitatum et historiarum Italiae. Hrsg. v. Johann Georg Graevius u. Petrus Burmannus, Bd. 6/2. Louvain 1722, Sp. 33. Die Beispiele, die Mussato im Folgenden nennt, Hercules, die Trojaner, Agamemnon, Phaedra und die anderen Helden der Tragödien Senecas (V. 77–86), zeigen allerdings, dass er hier Moerbekes fragwürdiger Übersetzung von mythos als fabula tradita aufgesessen ist.

3.2. Ein erstes praktisches Vorbild: Albertino Mussato

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(Die Stimme des Tragödiendichters stärkt den Geist gegen Schicksalsschläge, und die lähmende Furcht wird verscheucht. In misslichen Lagen siegt immer die Standhaftigkeit, und die fehlt dem, der in dieser Lage nur einen ungebildeten Geist besitzt. ... Diese Dichtung ist den Sterblichen überaus dienlich, da sie erweist, dass unter unseren Gütern nichts Bestand hat; man sieht, dass an keinem Hof die Herrschaft beständig ist; sicher ist allein das Vertrauen auf die Unbeständigkeit.)

Die Kontingenz, die Wankelmütigkeit des Glücks, ist für Mussato, der die Identität zwischen dem stoischen Philosophen Seneca und dem Tragödienschriftsteller erkennt, der Hauptgegenstand der Tragödie.20 Auf einer solchen direkt mit der stoischen Philosophie Senecas in Verbindung gebrachte Wesensbestimmung der Tragödie fußt auch Celtis’ Aussage, dass durch das klassische Drama zu omnium rerum tolerantia aufgerufen werde. Ein stoisches Ausharren gegenüber der Gewalt der Fortuna kann nur eingeübt werden, wenn der Schrecken der Schicksalsschläge in keiner Weise abgemildert wird. Komische Szenen und Komödienelemente (wie etwa in vielen geistlichen Spielen des Mittelalters) wären daher dem Zweck der Tragödie abträglich. Daher erklärt Mussato: Non amat obscenos irata Tragoedia risus, Versibus alludit fabula nulla suis. (V. 73f.) (Die zornige Tragödie mag kein schamloses Lachen, und kein [solches] Drama treibt Scherze in seinen Versen.)

Diese Weltsicht, diesen Ernst und diese stoische Didaktik setzt Mussato in seinem eigenen Tragödienentwurf, der »Ecerinis«, um. Das Werk entspringt einer unmittelbaren Erfahrung von der Kontingenz des Schicksals durch den Dichter. Im Jahr 1312 war Padua (gegen den Rat des Senatsmitglieds Mussato) in eine offene Feindschaft zu Kaiser Heinrich VII. und dessen Reichsvikar Cangrande della Scala getreten. Der Konflikt verschärfte sich, als Heinrich am 24. 8. 1313 starb. Bei einem Feldzug Paduas gegen Cangrande im September 1313 geriet Mussato in Gefangenschaft, und als er einen Monat später während eines Waffenstillstands freigelassen wurde,21 schenkte er seiner Stadt zwei im Gefängnis vollendete Werke: die »Historia Augusta de gestis Henrici VII Caesaris« und die »Ecerinis«. Die »Ecerinis« ist ein Rezitationsstück;22 die geringe Betonung des Performativen korrespondiert mit Mussatos Gleichsetzung von fabula und tragoedia im oben genannten Zitat. Berichtet wird vom Aufstieg und Fall des berüchtigt grausamen ______________ 20 21

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Vgl. dazu auch MEIER, S. 250f. Wilhelm CLOETTA, Beiträge zur Litteraturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance II. Halle 1892, S. 14–17. Vgl. Agostino SOTTILI, Preumanesimo, in: August Buck (Hrsg.), Die italienische Literatur im Zeitalter Dantes und am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance. Grundriß der Romanischen Literaturen des Mittelalters X/2. Heidelberg 1989, S. 255–285, S. 283, und die dort angegebene Literatur.

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3. Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse

Tyrannen Ezzelino da Romano (1194–1259),23 der 1236/37 unter dem Deckmantel der Kaisertreue Padua seiner Herrschaft unterworfen hatte.24 Historisch akkurat werden die Feldzüge Ezzelinos beschrieben.25 Es geht Mussato aber nicht um Ezzelino, es geht ihm um die Tyrannis allgemein; er verurteilt jede Hoffart, jeden Machthunger, jeden Verstoß gegen die göttliche Ordnung und droht mit der gerechten Strafe Gottes. Die Stadtrepublik sollte in Cangrande eine Reinkarnation Ezzelinos erkennen und sich vor einer Wiederholung der Geschichte hüten. In diesem Sinne definiert auch Guiscardo Bononiensis in seinem 1317 verfassten Kommentar den Zweck der »Ecerinis«: Causa finalis eruditio praesentium et posterorum ad policias conservandas et tyramnides evitandas, seu etiam finis sit tyramnorum vituperatio et detestatio.26 (Zweckursache ist ein erzieherischer Ansporn für die gegenwärtige und nachfolgende(n) Generation(en), die staatliche Ordnung zu bewahren und Tyrannei zu vermeiden, oder das Ziel soll auch sein, Tyrannen zu tadeln und mit Verachtung zu strafen.)

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Inhalt: Adelheita gesteht ihren beiden Söhnen Ezzelino und Alberic, dass sie von einem satanischen Ungeheuer gezeugt seien. Stolz auf diese Abkunft, ruft Ezzelino seinen Vater Satan an und gelobt ihm Gehorsam und Dienst in allen Verbrechen. Der Chor äußert Entsetzen über die ambitio des mortale hominum genus. Er warnt vor den tödlichen Folgen von tyrannis, Neid und Machthunger, denn wer andere vernichte, werde mit diesen in die Tiefe gerissen: Sic semper rota volvitur, / Durat perpetuum nichil. (V. 146f.). Bereits ertönt von überall her Kriegsgeschrei, Treviso ist im Blutstrom versunken. Ein Bote berichtet dem Chor von der Eroberung Veronas und Paduas durch Ezzelino und von dessen grausamer Tyrannenherrschaft, für die er sich hochmütig auf den Kaiser berufe (V. 221). Er hetze Verwandte gegeneinander auf, verstümmele Frauen und Kinder, um das Heranwachsen künftiger Feinde zu verhindern. Das ganze Volk beuge sich duldsam dem Joch des Tyrannen. Der Chor fleht Gott um Beistand an, Te Patrem caeli populus redemptus / Invocat supplex, iterum relapsus (V. 279f.). – Die beiden Brüder teilen untereinander die Welt auf; der Süden und der Osten sollen Ezzelino zufallen, der Norden und der Westen Alberic. Als der Bote Ziramons von der vom Volk widerstandslos hingenommenen Hinrichtung eines Fürsten berichtet, befiehlt Ezzelino weitere Hinrichtungen. Frater Lucas mahnt Ezzelino zur Umkehr, dieser erklärt jedoch beharrlich, Gott billige sein Wüten. Er wird unterbrochen durch einen Boten, der vom Vorrücken eines Kreuzheers von Venedig aus gegen Ezzelino berichtet. Der Tyrann lässt ihn für diese Nachricht hart bestrafen. Ein zweiter Bote berichtet, Padua sei verloren, und wird dafür hingerichtet. Die Soldaten drängen auf einen raschen Gegenangriff Ezzelinos. Der Chor mahnt erneut an Fortuna und berichtet vom Aufstand Paduas gegen den Tyrannen. Dieser erkennt, dass er hier keine Chance hat, kehrt nach Verona zurück und tötet dort 11.000 gefangene Paduaner. – Nun greift Ezzelino die Lombardei an. Da kommt ein Bote jubelnd auf den Chor zu, In vos ab alto iustus inspexit Deus (V. 469). Cremona, Mantua und Ferrara haben sich mit Ezzelinos ehemaligen Freunden verbündet. Bei Cassano haben sie den Tyrannen in die Enge getrieben, gefangen genommen und gelyncht. Der Chor fordert alle Umstehenden auf, Gott zu danken. – Die Rache des Volkes schlägt nun mit aller Grausamkeit zu. Ein Bote berichtet dem Chor von der grausamen Hinrichtung Alberics und seiner Familie. Die Meute habe den Körper Alberics regelrecht zerfetzt. Mit einem ans Publikum gerichteten Triumphlied des Chors endet das Drama. Zu Ezzelino: Nuovi Studi Ezzeliniani. Hrsg. v. Giorgio Cracco. Rom 1992 (Instituto Storico Italiano per il Medio Evo, nuovi studi storici 21). CLOETTA II, S. 49. Albertino Mussato, Ecerinide. Tragedia. Hrsg. v. Luigi Padrin. Bologna 1900 (Medium Aevum B. V, 3), S. 79f.

3.3. Ein weiteres praktisches Vorbild: Carlo Verardi

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Guiscardo hebt ausdrücklich hervor, dass Mussato Senecas Muster folge.27 Er folgt ihm sprachlich und metrisch, in der Gliederung in fünf Akte (besser: Abschnitte)28 mit Chorliedern und dem Gebrauch von Botenberichten als Mittel zur Einbeziehung ortsferner Geschehnisse. Die Figur des Tyrannen ist Senecas »Thyestes« entlehnt, und die Betonung der Macht der Fortuna entspricht Mussatos Interpretation der Tragödien Senecas.29 Die zeitliche Ausdehnung der Handlung allerdings lässt die »Ecerinis« eher als ein dialogisiertes Epos erscheinen, wie dies ja auch der Titel suggeriert.30 Dieser Verstoß gegen klassische Normen aber behinderte nicht den Erfolg des Stücks. Auf Betreiben Herzog Alberts von Sachsen, des Bischofs von Padua und des Universitätsrektors verlieh die Universität Padua am 3. 12. 1315 Mussato als dem ersten Dichter der Neuzeit den Dichterlorbeer. Damit sollte der Historiker, der Politiker und der Poet gerühmt werden.31 Mit der öffentlichen Würdigung des Paduaners und der »Ecerinis« war der Versuch, nach dem Muster der antiken Tragödie eine gesellschaftlich und politisch wirksame Dichtungsform zu entwerfen, als gelungen bestätigt. Das Werk konnte Locher den Weg zur Umsetzung der von Celtis vermittelten Tragödientheorie und damit den Weg zu einer aktiven Rolle des Dichters in der Gesellschaft – und zur Dichterkrone – weisen.

3.3. Ein weiteres praktisches Vorbild: Carlo Verardi Offensichtlich beeindruckte Locher während seines Italienaufenthalts noch eine andere neulateinische Tragödie, die er dort kennenlernte. Im Jahr 1493 übermittelte er seinem ehemaligen Lehrer Sebastian Brant32 ein Exemplar der soeben in Rom erschienenen Ausgabe der »Historia Baetica« des Carlo Verardi.33 Sie war am 21. 4. 1492 im Palast des Kardinals Raffaelo Riario in Rom aufgeführt worden, im Rahmen der Feier des im Januar desselben Jahres erfolgte Eroberung der maurisch besetzten Stadt Granada durch Ferdinand den Katholischen. Das Spiel war nur eine der verschiedenen Formen von ludi und Präsentationen, welche an die______________ 27 28

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Ebd., S. 83. Leicester BRADNER, The Latin Drama of the Renaissance (1340–1640). Studies in the Renaissance 4 (1957), S. 31–70, S. 32. Vgl. ausführlich zur Nachahmung Senecas: Hubert MÜLLER, S. 71–74. CLOETTA II, S. 68f. Näheres zur Krönungsfeierlichkeit, bei der die »Ecerinis« rezitativ vorgetragen wurde, in Mussatos Epistel 1, V. 45–59; vgl. auch: Joseph Burney TRAPP, The Poet Laureate: Rom, Renovatio and Translatio Imperii, in: Rome in the Renaissance. The City and the Myth. Hrsg. v. Paul Addison Ramsey. Birminghamton, N.Y. 1982 (Medieval and Renaissance Texts and Studies 18), S. 93– 130, S. 99f. Zu der auch während des Italienaufenthalts gepflegten Verbindung Lochers zu Brant vgl. RUPP, S. 79. MICHAEL 1934, S. 51.

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3. Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse

sem Tag dargeboten wurden, neben einem Triumphzug, Stierkämpfen, Turnieren etc. Es beschreibt die Ereignisse, die zum Triumph Ferdinands geführt haben.34 Bereits ein Jahr später gab Sebastian Brant die »Historia Baetica« in Basel heraus. Allein bis zum Jahr 1500 erlebte sie noch fünf weitere Auflagen. Als Intention seiner Aufführung nennt Verardi die visuelle Vergegenwärtigung des gefeierten Geschehens, die einen nur mündlichen Bericht an Glaubwürdigkeit und Eindringlichkeit übertreffe.35 historiamque interlocutoribus personisque ita contexui: atque distinxi: ut totam rem ita uti gesta est: posset Populus Romanus non solum auribus percipere: verum etiam oculis intueri [5].36 (Und ich habe die Geschichte mit sprechenden und handelnden Figuren so zusammengefügt und untergliedert, dass das römische Volk den ganzen Sachverhalt, so wie er sich ereignet hat, nicht nur mit den Ohren vernehmen, sondern tatsächlich mit den Augen erkennen könne.)

Erst an zweiter Stelle nennt er den moraldidaktischen Nutzen seines Dramas, das beim Publikum nicht wegen seiner Form so gut angekommen sei, sondern wegen der Tugenden des Königs und der Königin, die nicht nur des Erinnerns überaus wert seien, sondern deren Wahrnehmung auch einem rechtschaffenen Herzen höchst angenehm sein müsse. possentque hoc exemplo admoniti reliqui Reges: ac principes nostri intelligere: quanto gloriosius salutariusque sit pro religione nostra tuenda vel amplificanda adversus eius hostes arma sumere: quam pro levibus et caducis fortunae muneribus (ut saepe solent) inter se digladiari. [6]

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Carlo Verardi, Historia Baetica. Hrsg. v. Lucien Barrau-Dihigo. Revue Hispanique 47 (1919), S. 319–382, S. 319; BAHLMANN 1893, S. 11. Inhalt: In Granada diskutiert der Maurenkönig Baudelis mit seinen Räten, ob man einen Angriff gegen Ferdinand wagen könnte. Da trifft eine Flotte aus der Türkei ein, um die Mauren im Kampf gegen Spanien zu unterstützen. – Ferdinand, Isabella und Kardinal Mendoza beraten ihrerseits, ob der rechte Zeitpunkt für einen Angriff auf Granada gekommen sei. Im Vertrauen auf Gottes Hilfe wird der Krieg beschlossen. – Nun berichtet ein Bote den Mauren vom Anrücken des spanischen Heers. Der König der Numider eilt Baudelis zur Hilfe. Der Maure fleht Jupiter um Hilfe an, doch ein prophetischer Traum seiner Frau sagt bereits den Fall Granadas voraus. Da trifft ein Bote ein und berichtet von der schweren Niederlage des muslimischen Heeres gegen die Christen, denen Ferdinand persönlich vorgestanden habe. Die Räte drängen Baudelis, bedingungslos zu kapitulieren und auf Ferdinands humanitas zu vertrauen. – Während Ferdinand mit seinen Räten über das Gerücht spricht, die Heiden wollten sich ergeben, überbringt ein Bote die Kapitulationserklärung. Ein Herold ruft den Sieg Spaniens aus. Die Gefangenen werden freigelassen, Baudelis ergibt sich Ferdinand. Am Schluss ziehen Ferdinand und Isabella feierlich in die Stadt ein. Ein abschließendes Lied ist mit Noten überliefert. Vgl. auch die Formulierung in Verardis zweitem Drama, dem »Fernandus Servatus«, den sein Verwandter und Schüler Marcellino noch 1492 Horationa more in Verse gesetzt hat: quod res non solum lecta, sed etiam oculis, quorum sensus in nobis acerrimus est, spectata, plus haberet et voluptatis et gratiae. Marcellino Verardi, Fernandus Servatus. Straßburg: Matthias Schurer, 1513 (Exemplar UB München, W4 P. lat. rec. 252(5), B3r. Zit. nach der Faksimimileausgabe: Carlo Verardi, Historia Baetica. La Caduta di Granata nel 1492. Hrsg. v. M. Chiabò u.a. Rom 1993.

3.3. Ein weiteres praktisches Vorbild: Carlo Verardi

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(Unsere restlichen Könige und Fürsten könnten, ermahnt durch dieses Beispiel, erkennen, wie viel ruhmreicher und besser für das Seelenheil es sei, zum Schutz und zur Mehrung unserer Religion die Waffen gegen ihre [der Religion] Feinde zu erheben als sich, wie sie es oft tun, wegen flüchtiger und hinfälliger Glücksgüter zu bekriegen.)

Verardi will nicht durch raffinierte Überredungskunst überzeugen, er will allein die Wahrheit und Exemplarität der Geschichte wirken lassen. Daher auch verfasst er seine »Historia« in Prosa (mit Ausnahme von Prolog und Schlusslied). Im Prolog setzt er sich ausführlich mit den dramatischen Gattungskonventionen auseinander, die er bewusst bricht: Apporto non Plauti aut Nevii comoedias, Quas esse fictas scitis omnes fabulas. At novam vobis veramque fero historiam ... Quod fabulis si in fictis tantam capere Soletis pleno voluptatem pectore: Quid quaeso res ubi narratur verissima Cognitioneque digna vos facere addecet? Praesertim cum ulla hic tyrannorum scelera Non sitis audituri: aut fastus regios: Intolerandam vel bonis superbiam: Quae saepe describi solent tragoediis. Neque audientur lenonum hic periuria: Servorum technae: aut meretricum blandiciae Avara non usquam lena hic inducitur: Milesve gloriosus: aut sicophanta impudens: Edaxve parasitus: vel matrona impotens: Paterve durus: aut amator cupidus: Et reliqua: quae in Graiis nostrisque comicis Spectata praebent voluptatem plurimam. Verum pudica honestaque hic sunt omnia: Summoque cuncta perfecta consilio Virtute semper duce: fortuna comite: Fides bonique mores et probitas vigent: Nullus superbiae: nullus auaritiae est Locus relictus: aut foedis amoribus. ... Requirat autem nullus hic comoediae Leges ut observentur, aut tragoediae: Agenda nempe est historia non fabula. [7]–[9] (Ich biete keine Komödien von Plautus oder Naevius, von denen ihr wisst, dass es alles erfundene Geschichten sind. Vielmehr präsentiere ich euch eine neue und wahre historia. ... Wenn ihr es gewohnt seid, aus vollem Herzen und in höchstem Maße erfundene Geschichten zu genießen, wie, frage ich, reagiert ihr dann erst, wenn eine gänzlich wahre und der Kenntnis würdige Sache erzählt wird, zumal ihr hier nichts über Verbrechen von Tyrannen hören werdet, oder über die Überheblichkeit von Königen oder über für die Guten unausstehliche Hybris, die oft in Tragödien beschrieben werden. Hier hört man auch keine falschen Beteuerungen von Zuhältern, keine Tricks von Dienern oder Gleisnereien von Dirnen; hier wird nirgends eine gei-

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3. Das Werden einer Idee: Inspirationen und Einflüsse

zige Kupplerin eingeführt oder ein aufschneiderischer Hauptmann, ein schamloser Betrüger, ein gefräßiger Parasit oder eine hemmungslose Ehefrau, ein hartherziger Familienvater oder ein gieriger Liebhaber und all das übrige, was, in den Schauspielen griechischer und römischer Komödienschriftsteller dargestellt, für das größte Vergnügen sorgt. Hier ist wahrlich alles anständig und ehrenwert, alles wird nach verantwortlicher Überlegung durchgeführt, wobei stets die Tugend den Weg zeigt und Fortuna nur Begleiterin ist. Gottvertrauen, gute Sitten und Rechtschaffenheit blühen; kein Platz bleibt für Hochmut oder Geiz oder unsittliche Liebesabenteuer ... Es soll hier auch niemand die Befolgung der Regeln der Komödie oder der Tragödie einfordern; was dargestellt werden soll, ist nämlich eine wahre Geschichte und keine Fiktion.)

Weder im Inhalt noch in der Form will sich Verardi an die Vorgaben der antiken Komödie oder der Tragödie halten.37 Sie nämlich seien fiktiv, und beide Gattungen stellten Laster zur Schau. Damit widerspricht Verardi der Tragödiendefinition im Sinne Mussatos. In aller Ausführlichkeit geht Verardi auf die typischen Figuren der antiken Komödien ein, v. a. der Komödien des Plautus, im Anklang an Enea Silvios berühmtes Lob der römischen Komödie.38 Im Vergleich hiermit wirkt die Behandlung der Tragödie auffallend kurz. Den Tyrannen und hochmütigen Fürsten in der Tragödie, erklärt er, seien die tugendsamen, gottesfürchtigen königlichen Helden der »Historia Baetica« entgegengesetzt, für die Fortuna keine Gefahr sondern eine Begleiterin darstelle. Ex negativo lässt sich hieraus Verardis Tragödienkonzept erschließen: Die Tragödie beschreibt am fiktiven Beispiel den Konflikt hochmütiger Fürsten und grausamer Tyrannen mit Fortuna. Allein der gesellschaftliche Stand des Personals in der »Historia« entspricht dem des üblichen Tragödienpersonals. Für die Form seines Werks bedeutet die bewusste Absetzung von den konventionellen Gattungen, dass Verardi nicht nur auf eine gebundene Sprache, auf einen Tragödienchor und auf eine Akteinteilung verzichtet, wie Mussato sie fordert (allein durch den Ortswechsel ergeben sich Einschnitte, die aber im Druck in keiner Weise markiert sind); er verzichtet auch auf eine an Senecas Tragödien angelehnte Handlungsstruktur. Es gibt bei ihm nicht den einen (tragischen) Helden, der erst aufsteigen und dann plötzlich stürzen würde. Vielmehr stehen sich von Anfang an zwei Gegenspieler gegenüber, von denen sich der eine durch seine christliche Tugendhaftigkeit sogleich als der künftige Sieger auszeichnet. Die Entscheidung im Krieg bedeutet daher keinen ______________ 37

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Auf diese Abweichung von der antiken Norm reagiert die ältere Forschung, repräsentiert durch CREIZENACH II, S. 7f., mit Kopfschütteln: Auch wenn der große Erfolg des Stücks allein aus dem Gegenstand resultiere, „können wir kaum begreifen, wie die fürs Altertum begeisterten Zuhörer ein solches Machwerk über sich ergehen lassen konnten.“ Der Gattungsfrage sei der Verfasser „ratlos gegenüber“ gestanden. Vis plebeos homines et milites gloriosos et lenonum insidias et servorum deceptiones ut evitare illas possis intelligere, Plautum tibi et Terentium assumito. Aus dem Brief des Enea Silvio an Sigismund von Österreich, 5.12.1443. Zit. nach BARON, S. 99.

3.3. Ein weiteres praktisches Vorbild: Carlo Verardi

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plötzlichen Umschwung, und auch für den Besiegten bleibt die Katastrophe aus: Er kann sich auf die humanitas des Siegers verlassen.39 Im Vorwort zu seiner Ausgabe der »Historia Baetica« preist Sebastian Brant Ferdinand den Katholischen und verbindet mit diesem Preis die Bitte, dass Gott auch Deutschland Könige von dieser Tugendhaftigkeit beschere. Alle Hoffnung und Erwartung setze er auf den künftigen Kaiser Maximilian.40 Eine Rückbindung der »Historia Baetica« an die klassischen dramatischen Gattungen wird man hier vergeblich suchen; Brant behandelt den Text wie ein panegyrisches Historiengedicht, spricht von einem triumphus und stellt ihn neben den sog. »Kolumbusbrief«. Locher aber sah, wie sich später, als er seine »Historia« verfasste (Kap. 5), herausstellen sollte, in Verardis Werk eine vorbildliche Form der Nachahmung einer antiken Tragödie, die für ihn eine Geschichtsdarstellung auf der Bühne bedeutete. Eine Reihe von Vorbildern und Anregungen ließ in Locher die Idee reifen, mit einem historisch-politischen Drama an die Öffentlichkeit zu treten und so einen Beweis für die wichtige Rolle der (eigenen) Dichtung in der Gesellschaft zu bieten. Den Stoff hierfür konnten die politischen Ereignisse der Zeit liefern; während seiner Studienreise erlebte Locher unmittelbar den Italienfeldzug Karls VIII. von Frankreich mit. Den geeigneten Rahmen für eine Theateraufführung aber sollte er erst an der Universität Freiburg finden, an die der Philomusus im Herbst 1495 berufen wurde.

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Im »Ferdinandus Servatus« entscheidet sich Verardi unter Berufung auf Plautus’ »Amphitruo« für die Mischgattung Tragikomödie. Carlo Verardi, Historia Baetica und Kolumbus-Brief. Hrsg. v. Sebastian Brant. Basel: Johann Bergmann von Olpe, 1494 (Exemplar UB Mannheim, Ink 043b).

4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br. In der »Oratio Friburgi in funere Divi Maximiliani Imperatoris Augusti habita«, der offiziellen Trauerrede der Universität Freiburg auf den verstorbenen Kaiser Maximilian vom 7. Februar 1519, preist Ulrich Zasius, kaiserlicher Rat, Ordinarius Legum und Stadtschreiber der Stadt Freiburg, die Regierungszeit Maximilians als eine Blütezeit der deutschen Bildungsgeschichte, in der die barbaries, welche ducentis et amplius annis foeda tyrannide patriam invaserat et oppresserat aus Deutschland vertrieben worden sei.1 (In einem Brief aus dem Jahr 1491 hatte er bereits den Einzug der Muse der klassischen Dichtkunst in Deutschland gefeiert, wo ihr der kaiserliche Hofkanzler Konrad Stürzel eine Heimstatt gewährt habe.2) Der Kaiser habe aber nicht nur allgemein die Gelehrten im Reich, sondern speziell die Stadt und Universität Freiburg gefördert.3 Der Preis seines persönlichen Gönners4 und seiner Stadt lag Zasius am Herzen, und der Ruf Freiburgs als der Stadt Maximilians hat sich noch lange gehalten. Tatsächlich war aber, wie Hans SCHADEK nachweist, Freiburg „für Maximilian nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall einer landesherrlichen Stadt, seiner Stadt, die ihre Bedeutung daher ableitete, daß sie in ihrem Raum – Breisgau und Schwarzwald – eine führende Rolle spielte.“5 Vor allem gegenüber Augsburg fiel Freiburg in der Gunst Maximilians deutlich ab. Aus der Perspektive der vorderösterreichischen Universitätsstadt gestaltete sich das Verhältnis allerdings anders.

4.1. Residenzstadt und Universitätsstadt Die alte Zähringerstadt hatte unter Herzog Albrecht VI. ihre neue Vorrangstellung erhalten. Er machte, als er 1439 die Regentschaft Vorderösterreichs erhielt, Freiburg zu seiner Residenz. Die Stadt sollte die Basis für eine habsburgische ______________ 1

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Udalricus Zasius (Ulrich Zäsy), Opera omnia. Hrsg. v. Johann Ulrich Zasius u. Joachim Münsinger von Frundeck, Bd. 4. Neudr. d. Ausg. Lyon 1550. Aalen 1966. Karl Heinz BURMEISTER, Ulrich Zasius (1461–1535). Humanist und Jurist, in: Paul Gerhard Schmidt (Hrsg.), Humanismus im deutschen Südwesten. Biographische Profile. Sigmaringen 1993, S. 105–123, S. 110. Heiko HAUMANN und Hans SCHADEK (Hrsg.), Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Stuttgart 1996, Bd. 2, S. 13. Vgl. unten, Kap. 4.3. SCHADEK, S. 254.

4.1. Residenzstadt und Universitätsstadt

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Expansionspolitik gegen die Schweizer Eidgenossen und Burgund bilden.6 Wirtschaftlich war Freiburg wegen der Silbergruben des Breisgaus und wegen seiner Edelsteinschleifereien bedeutend7 – auch wenn die Silberpreise rückläufig waren.8 Über 12 Aufenthalte des Herzogs in Freiburg, von z. T. mehreren Wochen Dauer, begleitet von Festen, Tanzveranstaltungen und Turnieren, sind nachgewiesen.9 Seine geradezu königliche Hofhaltung hat Albrecht den Beinamen „Verschwender“ eingetragen.10 Bekannt geworden ist v.a. ein fünf Tage andauerndes Fest in Freiburg, welches Albrecht 1454 zu Ehren Herzog Philipps des Guten von Burgund gab.11 Unterkunft fanden fürstliche Gäste im sog. Kaiserbau, einem Anbau an das Predigerkloster, der im Besitz der Stadt war.12 Berühmt ist der Kaiserbau nicht zuletzt für einen Festbaum,13 der im Hof stand und der sogar in alten Stadtplänen Freiburgs eingezeichnet ist. Er ist 1442 erstmals erwähnt, im Zusammenhang der Krönungsreise Friedrichs III.: Da lag meins herrn gnad in ainem mšnichkloster zš den minnern bršdern;14 darinn ist der aller schenist mašlberpašm, so ich all mein tag gesehen hab, das in dem bašm zwaintzig oder dreissig man sythen vnnd essen vnnd trinckhen.15 Vnnd in denn pašm get ain tšrn,16 das man dar get vnnd tršmett vnnd pheiffet darinn.17

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Gerhard RITTER, Die Freiburger Universität als vorderösterreichische Hochschule. Freiburg 1941 (Lehrbriefe der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. 8), S. 3. Heinrich SCHREIBER, Geschichte der Stadt Freiburg i. Br., Teil II. Freiburg 1857, S. 255–257. Michael BORGOLTE, Freiburg als habsburgische Universitätsgründung, in: Schau-ins-Land 107 (1988), S. 33–50, S. 35. SCHADEK, S. 219. Dieter SPECK, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität, in: Sönke Lorenz (Hrsg.), Attempto – oder wie stiftet man eine Universität. Die Universitätsgründungen der sogenannten zweiten Gründungswelle im Vergleich. Stuttgart 1999 (Contubernium 50), S. 55–111, S. 66. SPECK 1999, S. 67. Adolf POINSIGNON, Das Dominicaner- oder Prediger-Kloster zu Freiburg im Breisgau. Freiburger Diözesan-Archiv 16 (1883), S. 1–48; Joseph SAUER, Das Predigerkloster zu Freiburg und seine Kunst. Zs. der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften 38 (1925), S. 111–150, S. 117; SCHADEK, S. 225. Zu Festbäumen oder „zerteilten Bäumen“ vgl. Adolf REINLE, Vergängliche und dauerhafte Festarchitektur vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, in: Stadt und Fest. Zu Geschichte und Gegenwart europäischer Festkultur. Hrsg. v. Paul Hugger. Unterägeri/Stuttgart 1987, S. 129– 160, S. 133f. Das Franziskaner- und das Dominikanerkloser Freiburgs werden in historischen Dokumenten wie in der Forschung häufig verwechselt. Vgl. SCHADEK, S. 261f. REINLE, S. 133, erklärt dazu: „Seine Äste wurden wie die Reben eines Weinstocks oder wie ein Obstspalier horizontal nach allen Seiten abgelegt und durch eine Art Pergola aus Steinpfeilern und Balken getragen. … Diese schattigen Dächer dienten sowohl als Gerichtsplatz wie auch als gemütliche Gartenwirtschaft im Sommer.“ Dieser Turmaufbau saß wohl auf den Steinpfeilern, die die Äste trugen, auf. Friedrich III. Aachener Krönungsreise. Hrsg. v. Joseph Seemüller. MIÖG 17 (1896), S. 584–665, S. 647: Nr. 106.

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4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br.

Durch die Gründung einer Universität wollte Albrecht nicht nur seiner Residenzstadt zu besonderem Glanz verhelfen; die Gründung steht vielmehr im Kontext eines Konflikts zwischen Albrecht, seinem Bruder Friedrich (dem späteren Kaiser Friedrich III.) und seinem Cousin Sigmund von Tirol. Albrecht war, wie Dieter SPECK überzeugend nachweist,18 bemüht, seine ihm von Friedrich geliehene Herrschaft über die Vorlande auf vielerlei Weise zu verfestigen und auszuweiten; in diesen Kontext gehören die Heirat mit Mechthild von der Pfalz, der Witwe Ludwigs II. von Württemberg, im Jahr 1452 und sein für die Jahre 1453/54 dokumentiertes Streben nach der Königskrone.19 Es „fehlte nur noch eine Universität, um das Machtzentrum am Oberrhein noch mit dem zusätzlichen Prestige eines bildungspolitisch versierten Renaissancefürstentums zu vervollständigen.“20 Nachdem Friedrich 1453 sich selbst und seinen Bruder zu Erzherzögen ernannt und ihnen das Vorrecht übertragen hatte, akademische Titel verleihen zu dürfen,21 holte sich Albrecht 1455 das päpstliche, 1456 das kaiserliche Privileg für eine Universitätsgründung und stellte am 21. 9. 1457 den Stiftungsbrief für die Universität Freiburg aus. Die Privilegien ihrer Angehörigen gegenüber der Stadt wurden in der Stiftungsurkunde festgesetzt, die jedes Jahr feierlich im Freiburger Münster verlesen werden sollte und auf welche die Stadtobersten regelmäßig eingeschworen wurden.22 Als erster Rektor wurde Albrechts Rat Matthäus Hummel bestellt.23 Während die ältere Forschung einen Zusammenhang zwischen der Privilegierung der Universitätsmitglieder und Albrechts Auflösung der im Stadtrat in bedrückender Überzahl vertretenen Zünfte von 1454 proklamiert,24 neigt man heute dazu, die Universitätsgründung und die Bekämpfung der von Albrecht für die wirtschaftliche Notlage der Stadt verantwortlich gemachten Zünfte als zwei Versuche einer Wirtschaftsförderung zu sehen. Dass die Auflösung der Zünfte ein politischer Fehler war, stellte sich rasch heraus; bereits 1459 wurden Zünfte in geringerer Zahl wieder zugelassen, 1464 wieder vollständig.25 Anders verhält es sich mit der Universitätsgründung. Sie war ein Erfolg und lag offensichtlich im ______________ 18 19

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SPECK 1999, S. 67. Ebd., S. 65f.; KÖHLER sieht im Gegensatz hierzu die Universität Freiburg als eine gesamthabsburgische Gründung: Joachim KÖHLER, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof. Recht, Anspruch und Praxis an der vorderösterreichischen Landesuniversität Freiburg (1550– 1752). Wiesbaden 1980 (Beitr. zur Gesch. der Reichskirche in der Neuzeit 9), S. 37. SPECK 1999, S. 67. Frank REXROTH, Städtisches Bürgertum und landesherrliche Universitätsstiftung in Wien und Freiburg, in: Stadt und Universität. Hrsg. v. Heinz Duchhardt. Köln u.a. 1993 (Städteforschung A/33), S. 13–31, S. 25. OTT/SCHADEK, S. 5–7. Zur These, Mechthild stehe hinter der Berufung Hummels, vgl. BORGOLTE, S. 41, und die Widerlegung der These bei SPECK 1999, S. 72–76. MICHAEL 1934, S. 2. BORGOLTE, S. 40.

4.1. Residenzstadt und Universitätsstadt

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Interesse der Stadt, was sich darin zeigt, dass der Stadtrat gegen die Gründung der konkurrierenden Universität Basel einzuschreiten versuchte.26 Die Frage nach Albrechts Haltung zu Stadt und Universität erübrigte sich bald; noch bevor am 26. 4. 1460 der Lehrbetrieb beginnen konnte, hatte Albrecht seine Ländereien bereits an Sigmund überschrieben. Von ihm konnte sich die neue Universität keine größere Förderung versprechen. Wenn Hummel in seiner feierlichen Eröffnungsrede Sapiencia edificavit sibi domum27 den Vorzug der Wissenschaft gegenüber dem Reichtum betont, ist dies nicht nur ein an Aristoteles angelehnter klassischer Topos, sondern es ist wohl auch ein Hinweis auf vielerlei finanzielle Schwierigkeiten, die bei der Einrichtung der Universität zu überwinden waren.28 Es dauerte lange, bis das der neuen Institution versprochene Geld floss.29 Hier sprang die Stadt in vielfältiger Weise ein30 und stellte der Unviersität u. a. auch Gebäude zur Verfügung.31 Als Gegenleistung erwartete die Stadt ein Mitspracherecht bei der Stellenbesetzung und bei der Verwaltung und bemühte sich, eine Oberaufsicht über den Lehrbetrieb zu erringen.32 Bei Versuchen städtischer Einflussnahme auf die Universität ist allerdings oft nur schwer zwischen Stadt und Hof zu unterscheiden. Der Stadtrat Andreas von Bossenstein beispielsweise, der Hummel bei seiner Professorenanwerbung begleitete, war spätestens seit 1454/55 Rat Albrechts und seit 1437 ein Mitglied der von Albrecht geförderten Gesellschaft mit St. Georgs- und Wilhelmschild.33 Er gilt als ein loyaler Diener des Hauses Habsburg. Mit der Gesellschaft mit St. Georgs- und Wilhelmschild ist ein weiterer politischer Aspekt berührt, der als ein Hintergrund zur Gründung der Universtität Freiburg zu sehen ist. REXROTH hat darauf hingewiesen, dass Hummel in seiner Autobiographie hervorhebt, er habe die Universität Freiburg am St. Georgstag eröffnet: Anno 1460 Georgii incepi universitatem et studium generale in Friburg.34 Genau genommen fand die Eröffnung nicht am 23. 4. selbst statt, sondern am Sonntag danach. Sollte im Eröffnungsgottesdienst des Hl. Georg gedacht worden sein, so ______________ 26 27

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OTT, S. 8. Vgl. dazu: Heinrich SCHREIBER, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau, Teil 1: Von der Stiftung der Universität bis zur Reformation. Freiburg 1857, S. 19–28; Axel NELSON, Richard de Burys Philobiblon und die Festreden Matthæus Hummels, des ersten Rektors der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg. Zentralblatt für Bibliothekswesen 40 (1923), S. 269–278. Vgl. Franz Josef WORSTBROCK, Matthäus Hummel von Villingen, VL2 IV (1983), Sp. 304–306, Sp. 305. Die Münsterpfarrei beispielsweise, die laut der Donationsurkunde Albrechts vom 28. 8. 1456 der Universität vermacht war, wurde erst 1464 tatsächlich in diese inkorporiert. OTT/SCHADEK, S. 11. KÖHLER, S. 63. OTT/SCHADEK, S. 14. KÖHLER, S. 64; zu hieraus entstehenden Konflikten vgl. OTT, S. 15f. SPECK 1999, S. 100. Die Autobiographie des Matthäus Hummel, zit. nach: REXROTH, S. 29.

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4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br.

REXROTH, „dann wurde den Augenzeugen ein unmißverständlicher Hinweis erteilt: Die Universitätseröffnung wurde dann in den Kontext der Türkengefahr gestellt.“35 Ob eine so unmittelbare Verbindung zwischen dem Patron der Ritter und den Türkenkriegen allerdings bereits 1460 gezogen werden darf, ist m. E. zweifelhaft. Der Freiburger Öffentlichkeit dürfte der Gedanke an die Gesellschaft mit St. Georgs- und Wilhelmschild näher gelegen haben, welcher große Teile des Freiburger städtischen Rittertums angehörten. Sie war 1436 von Herzog Friedrich IV. von Österreich aus der älteren Freiburger Gesellschaft ‚Zum Ritter’ und der Elsässer Wilhelmsgesellschaft gebildet worden und hatte allein den Auftrag, Friedrichs Hoheitsrechte zu schützen.36 Es sei unbenommen, dass Hummel beim Abfassen seiner Autobiographie dann auch an den 1468 von Kaiser Friedrich III. gegründeten Ritterorden vom Heiligen Georg gedacht haben dürfte, dessen Ziele die Wahrung des Gedächtnisses des Hauses Habsburg und v. a. die Abwehr der Türken waren.37 Die Wahl des St. Georgs-Tags für die Eröffnung der Universität jedenfalls dürfte v. a. als ein Zeichen gedeutet werden, dass die neue Institution in den Kontext (bereits in Freiburg verankerter) habsburgischer politischer Interessen gestellt wurde.38 Sigmunds Politik war allerdings alles andere als überzeugend; 1469 war er zu einem Bündnis mit Karl dem Kühnen gezwungen und musste ihm u. a. die Landgrafschaft Elsass und den Breisgau verpfänden; 1474/76 schließlich verbündete er sich mit den bisher bekriegten Eidgenossen gegen Burgund.39 Der städtische Haushalt wurde durch Sigmunds Unternehmungen so ruiniert, dass der Stadtrat 1476 andere Städte um finanziellen Rat bitten musste, während Sigmund 1487 sogar die Veräußerung der Vorlande an die Herzöge von Bayern beabsichtigte. Auf dem Landtag von Meran 1487 wurde auf Betreiben Kaiser Friedrichs III. und seines Sohnes Maximilian eine Regierung der Vorlande gebildet und Sigmund entmachtet;40 1490 trat er zurück und übergab Maximilian die Vorlande und Tirol. Bald erfuhr Freiburg, vom neuen Landesherrn (der die strategische Schlüssellage der Stadt als Truppenstützpunkt erkannte) mit einer großen Zahl von Privilegien ______________ 35 36

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REXROTH, S. 29. Dieter SPECK, St. Georg- und Wilhelmschild am Oberrhein – ein Mittel habsburgischer Politik bei der Umstrukturierung des Personenverbandes zum modernen Territorialstaat. ZGORh 139, N.F. 100 (1991), S. 95–122, S. 108. Josef PLÖSCH, Der St. Georgsritterorden und Maximilians I. Türkenpläne von 1493/94, in: FS Karl Eder. Hrsg. v. Helmut J. Mezler-Andelberg. Innsbruck 1959, S. 33–56. Vgl. dazu REXROTH, S. 29: Die Universität sei damit in einer Sache verankert, die alle anging und die Bewohner des Reichs einte. Er verweist dabei auf Claudius SIEBER-LEHMANN, ‚Teutsche Nation‘ und Eidgenossenschaft. Der Zusammenhang zwischen Türken- und Burgunderkriegen. HZ 253 (1991), S. 561–602, wo nicht nur die Allgegenwärtigkeit der Türkenangst hervorgehoben wird, sondern auch mit Verweis auf Johannes Knebels »Diarium« (1479) und ein Lied zum Neußer Krieg belegt wird, dass Karl der Kühne, der für Freiburg ja eine akute Bedrohung darstellte, in politischer Propaganda als „Türke von Burgund“ bezeichnet wurde. Peter KALCHTHALER, Kleine Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Freiburg 1997, S. 54f. KÖHLER, S. 43.

4.2. Freiburger Musik- und Festkultur

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und Vergünstigungen ausgestattet,41 einen steilen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Es fanden nicht nur wieder häufiger Besuche und Feierlichkeiten des Landesherrn in Freiburgs Mauern statt42 – hervorzuheben ist insbesondere der viel gerühmte Reichstag zu Freiburg 1498 –, Maximilian setzte v. a. auch auf eine stärkere Kooperation mit der Stadt, wie mit „seinen“ Städten generell, die er als Unterstützung seiner Partei gegen die Fürsten brauchte. Wohl nicht zuletzt auch aus symbolischen Gründen, um seiner Nähe zur Stadt Ausdruck zu verleihen, wünschte er sich eine neue Königsunterkunft in Freiburg, außerhalb der Klostermauern: ein Wunsch, den ihm die Stadt allerdings nicht erfüllen konnte.43 Eine besonders enge Verbindung zwischen Maximilian und der Stadt bestand auf personeller Ebene.44 Er setzte damit eine Politik fort, die Albrecht begonnen hatte. Eine größere Zahl der Würdenträger der Stadt, Stadtschreiber, Obristzunftmeister etc., stand im Dienst Maximilians als königliche Räte oder Unterhändler; selbst Maximilians Beichtvater, der Kartäuserprior Georg Reisch, saß in Freiburg.45 Es wird auch wenig verwundern, dass gerade die Verbindungsleute des Kaisers einen Einfluss auf kulturelle Entwicklungen in der Stadt nahmen. Der 1465 von Matthäus Hummel (wohl auf Anweisung Albrechts)46 für die Universität Freiburg angeworbene Konrad Stürzel, mehrfacher Rektor der Universität, 1475 von Sigmund zum „Rat von Haus aus“ ernannt, als Superintendent Vermittler zwischen Universität und Hof,47 1487–1500 Hofkanzler des Habsburger Landesherrn, von diesem 1494 in den erblichen Adelsstand erhoben,48 wurde zu einem der wichtigsten Promotoren von poetae laureati, speziell in Freiburg.

4.2. Freiburger Musik- und Festkultur Ein weiterer von Maximilians Verbindungsleuten in Freiburg, Peter Sprung, Obristzunftmeister und Geschworener des Bergwerkgerichts, Unterhändler zwischen Stadt und König, setzte sich nicht nur 1497 als Baubürgermeister für die Errichtung eines neuen Tanzhauses, das fürstlichen Ansprüchen genügen sollte, ein,49 sondern er war auch maßgeblich an der Gründung der Meistersänger______________ 41 42 43 44 45

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SCHADEK, S. 239, 248f. Maximilian weilte allerdings viel kürzer und seltener in Freiburg als Albrecht. SCHADEK, S. 224. Ebd., S. 226f. Ebd., S. 230–248. Johannes Cuspinianus, Maximilianus Keyser, zit. in: Otto ROMMEL (Hrsg.), Wiener Renaissance. Wien/Zürich 1947 (Klassiker der Wiener Kultur 1), S. 377–392, S. 383f. SPECK 1999, S. 103. Zur Einführung des Amts des Superintendenten vgl. MERTENS, Die Anfänge, 1983, S. 306. SCHADEK, S. 233f. Walter SALMEN, Das Freiburger tanzhus oder kornhus und das Tanzen bei Reichstagen um 1500, in: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498. Hrsg. v. Hans Schadek. Freiburg i. Br. 1998 (Schau-ins-Land 117 (1998), Sonderheft), S. 186–197, S. 188.

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4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br.

Bruderschaft in Freiburg beteiligt, die zwar erst 1513, nach Sprungs Tod, ihre Bestätigung durch den Bürgermeister und Stadtrat fand, deren Existenz aber bereits vorher belegt ist.50 Die bürgerliche Gesang-Bruderschaft ergänzte die musikalische Aktivität der Pfeiferbruderschaft von Riegel, die 1458 von Graf Ulrich V. von Württemberg bestätigt worden war und zu verschiedensten Anlässen in Freiburg auftrat.51 Die Meistersänger-Bruderschaft sollte aber nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern auch dazu, daß ... Gott der allmächtig dardurch gelobt, die Selen getrost, und die Menschen zu Ziten so sie dem Gesang zuhorten, von Gotslästerung, auch vom Spil und anderer weltlichen Ueppigkeit gezogen wurden.52 Noch mehr, man sollte durch den Gesang nicht nur von unziemlichen Unterhaltungen abgehalten werden, sondern die Lieder dienten der Idee nach auch der Förderung der Tugenden, als eine Übertragung der Predigt in ein für Laien zugänglicheres Medium: Welich trostlich Lere wir von der wirdigsten Priesterschafft predigen oft unfruchtbarlich oder verdrießlich hören. wird doch die durch der göttlichen Kunst Doktores auch frier Künste Meister in den ungelerten Leien verstentlich brächt mit übersußisten Gedichten ze singen in den zwölf meisterlichen Tönen uß den frien Künsten!53

Der öffentliche Anschlag der neu gegründeten Bruderschaft greift nicht nur das im Meistergesang beliebte Thema der septem artes liberales auf, über das oft die Meisterschaft definiert wird,54 sondern er sucht gezielt die Verbindung der bürgerlichen Musikkultur zur Gelehrtenkultur der loblich hohe[n] Schul55 und zur christlichen Morallehre. Differenzen zwischen Stadt, Geistlichkeit und Universität werden bewusst abgebaut, unter Berufung auf Peter Sprung,56 der zwischen Stadt und Hof vermittelt hatte. Man mag hierin einen Reflex von Maximilians Kulturpolitik sehen, die auf eine Verbindung von Universität, Stadt(-obrigkeit) und (Kaiser-)Hof zielte.57 Die Meistersänger veranstalteten ihre öffentlichen Gesangsveranstaltungen im Predigerkloster, im Sommer im Refektorium, im Winter in der Konventsstu______________ 50

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Antonia E. HARTER-BÖHM, Zur Musikgeschichte der Stadt Freiburg im Breisgau um 1500. Freiburg i. Br. 1968 (Veröffentl. aus d. Archiv d. Stadt Freiburg i. Br. 10), S. 20. HARTER-BÖHM, S. 12. Aus dem Stiftungsbrief von 1513. Urkunden der Meistersinger zu Freiburg im Breisgau. Hrsg. v. Heinrich Schreiber, in: Franz Joseph MONE, Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, Bd. 2. Karlsruhe 1827, S. 195–209, S. 196. Aus dem öffentlichen Anschlag der Meistersänger nach Erlangen ihrer Bestätigung. Urkunden der Meistersinger, S. 203. Vgl. dazu Dietlind GADE, Wissen – Glaube – Dichtung. Kosmologie und Astronomie in der meisterlichen Lieddichtung des 14. und 15. Jahrhunderts. Tübingen 2005 (MTU 130), Kap. II.3.2. Urkunden der Meistersinger, S. 204. Stiftungsbrief, ebd., S. 196. Ab ca. 1550 lässt sich dann eine weitergehende Verbindung zwischen städtischer Musikkultur und der Universität nachweisen: Die Turmbläser des Münsters spielen dann sowohl auf Universitäts- als auch auf Stadtfesten. HARTER-BÖHM, S. 9f.

4.2. Freiburger Musik- und Festkultur

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be,58 nur wenige Meter von den Räumlichkeiten entfernt, in denen der Kaiser bei seinen Freiburger Aufenthalten residierte und seine Feste veranstaltete. Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts sind auch Komödienaufführungen der Meistersänger belegt.59 Sie wollen ausdrücklich nicht in Konkurrenz mit der anderen Theatertradition in Freiburg treten, mit dem Passionsspiel am Fronleichnamstag.60 Bereits in den ersten Statuten der Universität von 1460 sind Prozessionen und Feierlichkeiten erwähnt, an denen der Rektor, die Doktoren, Magister und alle Universitätsangehörigen teilzunehmen hatten, und anlässlich der Eröffnung der Universität am 26. 4. fand eine Prozession statt.61 Ein Senatsbeschluss vom 26. 11. 1463 legt schließlich fest, an welchen Festen Prozessionen stattzufinden haben: Weihnachten, Mariä Reinigung, Ostern, Kirchweih, Pfingsten, Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt, Allerheiligen, St. Katharina (25. 11.). Dass die Fronleichnamsprozession durch die Straßen der Stadt und sogar bis zum außerhalb der Stadtmauer gelegenen Kloster Adelhausen ging, ist erstmals 1474 belegt.62 Ein deutliches Interesse Maximilians an der Prozession ist für das Jahr 1498 bezeugt. Der Römische König, der nicht rechtzeitig zum Fronleichnamsfest am 14. 6. 1498 auf den Reichstag zu Freiburg kommen konnte, bat den Stadtrat darum, die Prozession um eine Woche zu verschieben, damit er noch an ihr teilnehmen könne.63 Der Bitte wurde stattgegeben.64 Am 18. 6. schritt Maximilian zunächst die Grenzen Freiburgs ab (ein symbolischer Ausdruck seiner Landesherrschaft) und zog dann in die Stadt ein. Wie Peutinger berichtet, war er allein in der Kerngruppe des Zugs umgeben von weit mehr als tausend Pferden.65 Nur drei ______________ 58 59

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HARTER-BÖHM, S. 24. Heinrich SCHREIBER, Das Theater zu Freiburg. Freiburger Adreßkalender 1837, S. 21f. nennt folgende Spiele: die »Geschichte Davids« (1593), die »Enthauptung des Johannes« (28. 6. 1598), »Lucretia« (10. 8. 1600) und »Judith«. ... dieweil wir erfaren haben, daß man den Passion auf des Herren Fronleichnamstag werde halten: derohalben sind wir obgedachte Singer gedacht, solche unser Komedi an daruf folgenden Freitag zu halten. Aus der Eingabe bei dem Stadtrat 1593. Urkunden der Meistersinger, S. 204. REXROTH, S. 28: „nach dem Vorbild der Fronleichnamsprozession“. Hermann MAYER, Zur Geschichte der Freiburger Fronleichnamsprozession. Freiburger Diözesan-Archiv 39 (1911), S. 338–362, S. 339. Vgl. SCHREIBER, Geschichte der Stadt, 1857, der S. 257f. davon ausgeht, dass in Freiburg bereits im 14. Jahrhundert das Fronleichnamsfest mit Prozession und Spiel gefeiert worden sei, ohne allerdings Quellenbelege hierfür anführen zu können. Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 6: Reichstage von Lindau, Worms und Freiburg 1496–98. Bearb. von Heinz Gollwitzer. Göttingen 1979 (Dt. Reichstagsakten, Mittlere Reihe), S. 600, Nr. 148; Urkundenbuch der Stadt Freiburg i. Br. Hrsg. von Heinrich Schreiber, Bd. 2/II. Freiburg 1829, S. 631, Nr. 787: Uff corporis Christi [14. Juni], als die versamlung hie was und aber die kön. may. geschriben, man sölte mit der prozeß verzeihen bis uff den attenden tag. Und ward damals circuiert also, das uff die hymel volgtend, burgermeister und schultheis, mit wissen steblin als amptlüt, darnach die kertzen, und uff die kertzen volgt die versamlung. Reichstagsakten, Bd. 6, S. 600f., Nr. 148–50. Ebd., S. 603–05, Nr. 1. Das Urkundenbuch der Stadt Freiburg vermerkt bescheiden: Montag nach Corporis Christi, hora octava post vesperas, ist der König mit gar einer hüpschen schar ingeritten, den graben hinumb zu den predigern (S. 631, Nr. 787).

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4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br.

Tage darauf folgte dann die Prozession, wie von alters herkomen ist.66 Allerdings nahmen der König und die Fürsten doch nicht an ihr teil, da unter den Fürsten keine Einigung in der Präzedenzfrage erzielt werden konnte.67 Erst 1523 wohnte schließlich Ferdinand I. der Aufführung des Freiburger Fronleichnamspiels bei.68 Welche Gestalt diese Umzüge hatten, kann zumindest für die Frühzeit nicht mit Sicherheit rekonstruiert werden. Aus einer Prozessionsordnung aus dem späten 15. Jahrhundert69 ist lediglich bekannt, welche der zwölf Zünfte welche der zwölf Stationen der Heilsgeschichte vom Sündenfall bis zum Jüngsten Gericht übernommen haben und dass die einzelnen Stationen durch agierende Personen dargestellt wurden.70 Erst ab ca. 1508 sind Dialogtexte überliefert.71 Interessant ist v. a. die Wahl der Szenen. Die Zeit der Kirche, d.h. zwischen Pfingsten und dem Jüngsten Tag, wird allein vertreten durch Christophorus, den Schutzheiligen gegen die Pest (die Freiburg 1469 heimgesucht hatte) und Patron der Pilger und Reisenden, sowie durch St. Georg, den Patron der Ritter und speziell der Kreuzritter,72 von dem es auch in Maximilians älterem Gebetbuch heißt: O Georgi miles Christi / Palestinam devicisti / manu tua valida.73 Wie bereits erwähnt, ______________ 66 67

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Reichstagsakten, Bd. 6, S. 607, Nr. 5. Ebd., S. 607, Nr. 5; vgl. Thomas ZOTZ, Der Reichstag als Fest: Feiern, Spiele, Kurzweil, in: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498. Hrsg. v. Hans Schadek. Freiburg i. Br. 1998 (Schau-ins-Land 117 (1998), Sonderheft), S. 146–170, S. 157f. Friburgi Brisgoiae singulis annis luditur historia supplicii Christi in festo Corporis Christi, ut vocant. Anno 1523 luserunt eandem in presentia Ferdinandi. Aus dem Diarium des Johannes Rütinger von St. Gallen, 1529–1539, zit. nach: Bernd NEUMANN, Geistliches Spiel im Zeugnis der Zeit. Zur Aufführung mittelalterlicher religiöser Dramen im deutschen Sprachgebiet. 2 Bde. München 1987 (MTU 84, 85), Nr. 1570, S. 341. KALCHTHALER, S. 55, schließt hier vorschnell auf ein Spiel und datiert dessen Entstehung – ohne Begründung – auf das Jahr 1479. Erzbischöfl. Archiv, Freiburg, Anniversar des Münsters I, fol. 126v–127v, zit. nach: NEUMANN, Nr. 1564, S. 337f. Zu beachten ist die Formulierung der track, do gond zwen inn, aus der ersichtlich wird, dass die Figuren nicht nur abgebildet waren, sondern Akteure beteiligt waren. Zu beachten ist außerdem die Formulierung Marien gend dem creucz nach clagende. Sie legt die Vermutung einer verbalen Klage nahe. Freiburg, Universitätsarchiv, cod. UA II c9, zit. nach: MICHAEL 1934, S. 71. In der »Legenda Aurea« heißt es, Georg sei den christlichen Rittern vor Jerusalem in weißer Rüstung mit rotem Kreuz erschienen und habe ihnen ein Zeichen gegeben, ut post se securi ascenderent et ciuitatem obtinerent. Qui ex hoc animati ciuitatem ceperunt et Saracenos occiderunt. Iacopo da Varazze, Legenda aurea. Hrsg. v. Giovanni Paolo Maggioni. Florenz 21999, Bd. 1, Kap. LVI, S. 398. Zu St. Georg als der Verkörperung des Kämpfers gegen die Heiden verweist Edith FEISTNER, Reinbot von Durne: Georgslegende, in: Interpretationen. Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen. Hrsg. von Horst Brunner. Stuttgart 1993, S. 311–325, S. 311 auf: Monika SCHWARZ, Der heilige Georg – Miles Christi und Drachentöter. Wandlungen seines literarischen Bildes in Deutschland von den Anfängen bis in die Neuzeit. Diss. (masch.) Köln, S. 53–59. Das ältere Gebetbuch Maximilians I. Faksimileausgabe des Codex Vind. 1907 der Österreichischen Nationalbibliothek, eingel. von Wolfgang Hilger. Graz 1973, fol. 82v. Das Gedicht an St. Georg war in der ersten Fassung von 1486/87 noch nicht vorhanden, sondern ist später nachgetragen worden. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Maximilians Interesse an St. Georg zum Zeitpunkt seiner Krönung noch nicht so aktuell war wie einige Jahre später. Christophorus

4.2. Freiburger Musik- und Festkultur

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gab es bereits seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eine Gesellschaft ‚Zum Ritter‘, deren Schutzheiliger St. Georg war.74 Als adelige Gesellschaft war sie aber nicht an dem Fronleichnamsumzug beteiligt. Für die spätere Zeit ist daher als Bezugsgröße für diese Szene eher der 1468 von Friedrich III. gestifteten Orden vom Hl. Georg zu erwägen. Noch weit größere Begeisterung für den Orden und für St. Georg als Friedrich selbst zeigte sein Sohn Maximilian, der sich den Kampf gegen die Türken zum Ziel seiner Herrschaft wählte.75 Auf dem Frankfurter Reichstag von 1489 erhob Maximilian den Ordensgroßmeister in den Fürstenstand; im August 1493 gründete er die Georgsbruderschaft, deren Insignien er am 28. 10. 1494 annahm und die er als die eigentliche Waffe der Christenheit gegen die Türken proklamierte.76 Die Aufnahme von St. Georg in den Fronleichnamszyklus der vorderösterreichischen Stadt an so prominenter Stelle könnte daher auch als ein Reflex der Georgs-Begeisterung Maximilians zu deuten sein. Nachdem bereits 1456 Papst Calixt III. angeordenet hatte, dass ein mittägliches Türkenläuten die gesamte christliche Öffentlichkeit akustisch auf die drohende Gefahr hinweisen sollte,77 bot die Aufnahme des Türkenthemas in den Fronleichnamsumzug nun eine optische Vergegenwärtigung der permanenten Bedrohung. Der Umzug wurde allmählich ausgebaut; in der Prozessionsordnung von 1516 sind bereits 24 Szenen erwähnt;78 die Zeit der Kirche ist um zwei weitere Heiligenlegenden erweitert: St. Sebastian und St. Ursula. Der vollständige Text dieser Spiele ist erst aus dem späten 16. Jahrhundert erhalten.79 Hier sind die Heiden – die Römer in Sebastianspiel ebenso wie die Hunnen im Ursulaspiel – jeweils als Türken gedeutet. Unterstützt wird diese Deutung nicht zuletzt auch

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und Sebastian dagegen, beide hier v.a. als Pestheilige angerufen, sind bereits in der Hand des ersten Schreibers bedacht und durch Vollbilder entsprechend geehrt. SPECK 1991, S. 98. Zu Maximilians Georgs-Begeisterung, die ihn bis ins Totenbett begleitete, vgl.: Walter WINKELBAUER, Kaiser Maximilian I. und St. Georg. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7 (1954), S. 523–550. Zur Maximilians Lebensaufgabe des Türkenkampfs vgl. auch »Weißkunig«, Kap. 15 (Taufe als Darbietung des künftigen Messias und Retters der Christenheit gegen die Türken im Tempel) u. ö.; Georg WAGNER, Maximilian I. und die politische Propaganda, in: Ausstellung Maximilian I. Katalog. Innsbruck 1969, S. 33–46; FÜSSEL 1987, S. 19f. Auch Beroaldo pries Maximilian als denjenigen, der universum populum christianum adversus turchaniam barbariem: quae diutius grassa est proteges. Philippus Beroaldus, Varia opuscula. Basel 1513 (Exemplar UB Tübingen, Kf II 10.4°), H2r. Vgl. PLÖSCH. Ulrich ANDERMANN, Geschichtsdeutung und Prophetie. Krisenerfahrung und -bewältigung am Beispiel der osmanischen Expansion im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, in: Europa und die Türken in der Renaissance. Hrsg. v. Bodo Guthmüller u. Wilhelm Kühlmann. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54), S. 29–54, S. 32. Erzbischöfl. Archiv, Freiburg, Anniversar des Münsters I, fol. 101r–102r, zit. nach: NEUMANN, Nr. 1568, S. 339–341. Die Handschrift A (Freiburg, Stadtarchiv, B1 Nr. 12) aus dem Jahr 1599 weist drei Redaktionen auf, Handschrift B (Freiburg, Stadtarchiv, B1 Nr. 13) aus dem Jahr 1606 liefert eine vierte Fassung. Vgl. Hansjürgen LINKE, Freiburger Fronleichnamsspiele, in: VL2 II (1980), Sp. 893–896.

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4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br.

durch die 1488 gedruckte »Prognasticatio« des Johannes Lichtenberger, des Hofastrologen Kaiser Friedrichs III., welcher eine Endschlacht gegen die Osmanen in Köln prophezeit.80 Ursula, Sebastian und Georg stellen damit im Freiburger Fronleichnamspiel die Zeit der Kirche als eine Zeit des Kampfes zwischen Christen und Türken dar – eine Maximilian sicherlich genehme Interpretation.81 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Walther MÜLLER in seiner stilistischen Untersuchung verschiedener geistlicher Spiele gerade dem Freiburger Fronleichnamspiel den Stil eines „höfischen, aristokratischen Humanistentheaters“ attestiert.82 An anderer Stelle habe ich versucht, die der Politik des Hauses Habsburg entgegenkommende Ausrichtung des Fronleichnamspiels mit der humanistischen Türkenliteratur und mit Lochers Freiburger Türkenspiel in Verbindung zu bringen; problematisch ist ein solcher Textvergleich freilich aufgrund der späten Überlieferung des Textes vom Freiburger Fronleichnamspiel.83 Auf die besondere Art der „Geschichtsdarstellung“ im Fronleichnamspiel wird unten (Kap. 6.3) einzugehen sein. Das Fronleichnamspiel ist nicht das erste bezeugte geistliche Spiel in Freiburg. SCHLANG vermutet schon im 12. Jahrhundert eine Tradition von im Kirchenraum aufgeführten Spielen;84 im Jahr 1338 jedenfalls empfand es die Stadtobrigkeit für nötig, Spiele, die sich gegen Juden richteten, zu verbieten.85 Daraus ist zu schließen, dass es zu dieser Zeit Aufführungen judenfeindlicher Spiele, vermutlich von Passionsspielen, gab. Auch eine weltliche Spieltradition war in Freiburg zumindest ab dem späten 15. Jahrhundert vorhanden; am 12. 12. 1496 ist erstmals ein fastnachtsspil erwähnt, leider allerdings ohne Hinweise auf dessen Inhalt.86 Erst 1501 wurde die Fastnachtfeier, zu der auch ein Maskenumzug und ein Sturm des Butzenturms gehörten, auf den Rosenmontag gelegt.87 Aus dem 16. Jahrhundert liegen in den Ratsprotokollen der Stadt auch zahlreiche Zeugnisse für Auftritte von Spielleuten vor, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit der Fastnacht, sondern auch mit Hochzeiten, mit dem lobertag (dem freien Tag der Handwerksgesellen),88 mit dem Neujahrsfest, mit der Kirch______________ 80 81

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Vgl. ANDERMANN, S. 46. Den Charakter einer „militärischen“ Parade nimmt nach Auffassung MICHAELs auch die Szene der Hl. Drei Könige im Freiburger Fronleichnamsspiel an. Wolfgang F. MICHAEL, Die geistlichen Prozessionsspiele in Deutschland. Baltimore/Göttingen 1947 (Hesperia 22), S. 68. Walther MÜLLER, Der schauspielerische Stil im Passionsspiel des Mittelalters. Diss. Greifswald 1927, S. 133. Cora DIETL, A Corpus Christi Play as Part of the Habsburg Monarchy’s Politics. EMD 6 (2002), S. 109–119. Wilhelm SCHLANG u. Otto RITTER VON MAURER, Das Freiburger Theater. Ein Stück deutschen Gemüts- und Geisteslebens. Freiburg i. Br. 1910, S. 8. MICHAEL 1934, S. 3; NEUMANN, S. 337. KALCHTHALER, S. 57. Ebd., S. 59. Zuerst in den Ratsprotokollen vom 5. 6. 1500.

4.3. Humanisten in Stadt und Universität: Lochers Vorgänger und Freunde

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weihe89 und verschiedenen kirchlichen Feiertagen. Spielleute traten auch in Herbergen auf und bei den sommerlichen Abendtänzen und kränzlin singen, welche der Rat über ein halbes Jahr lang vergeblich zu verbieten suchte.90 Bereits im Oktober 1495 ist ein Auftritt von Spielleuten anlässlich eines Fürstenbesuchs in Freiburg belegt.91 Freiburg in den 1490er Jahren ist also eine Stadt mit blühender Theater-, Tanz- und Musikkultur, eine Stadt, die ihrem Landesherrn Maximilian verbunden ist, zugleich auch seine militärischen Ideen unmittelbar miterlebt und in der die Fürstenuniversität präsent ist.

4.3. Humanisten in Stadt und Universität: Lochers Vorgänger und Freunde Die Universität Freiburg leistete sich ab 1471 eine ordentliche Humanistenlektur.92 Zuvor war neben Konrad Stürzel, der u. a. 1460 über Donat las93 und bei dem auch Jakob Wimpheling von 1464 bis 1469 studierte,94 wohl Konrad Odernheim, Ordinarius der Juristischen Fakultät, der bedeutendste Vertreter humanistischen Bildungsguts gewesen. Odernheim hatte in Padua Jura studiert und von dort Handschriften mitgebracht: Werke Sallusts, Ciceros, Juvenals und Petrarcas und die »Rhetorica ad Herennium«.95 Bis 1470 scheint die Bibliothek der Artistenfakultät unbedeutend gewesen zu sein; danach allerdings, mit Inkrafttreten einer neuen Benutzerordnung, lässt sich eine häufige Frequentierung der Bibliothek nachweisen, die auf entsprechende Bestände schließen lässt. Für 1470 sind umfangreiche Buchkäufe belegt, größere Schenkungen für die Jahre 1469, 1479 und 1495.96 Der erste Inhaber der Poetenlektur, Johannes Ziegel, verweilte nur ein Jahr auf der Stelle, die dann vakant blieb, bis Heinrich Gundelfingen, Magister und ordentlicher Lehrer der Artistenfakultät, 1476 von Herzog Sigmund dazu verpflichtet wurde, sie mit zu versorgen. Er hatte in Heidelberg, wohl bei Peter Luder, studiert.97 Vermutlich 1483 löste ihn der später von Maximilian gekrönte Dichter Johannes Lunson ab, der nun seinerseits auch in der Artistenfakultät lehrte. Der Philomusus dürfte ihn bei seinem Studium in Freiburg 1488 gerade noch kennen gelernt haben. Von 1488 an stand die Stelle dann erneut leer, bis sie ______________ 89 90 91 92 93

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Zuerst in den Ratsprotokollen vom 24. 7.1499 und vom 29.4.1500. HARTER-BÖHM, S. 14. Ratsprotokolle vom 19. 10. 1495, vgl. HARTER-BÖHM, S. 11. Für eine Darstellung der Geschichte der Poetenlektur vgl.: HAUMANN/SCHADEK, S. 270f. Jürgen SCHIEWE, Sprachenwechsel – Funktionswandel – Austausch der Denkstile. Die Universität Freiburg zwischen Latein und Deutsch. Tübingen 1966, S. 147. HAUMANN/SCHADEK, S. 273. Ebd., S. 269. Mittelalterliche Bibliothekskataloge I (1918), S. 42–54; Josef REST, Die älteste Geschichte der Freiburger Universitätsbibliothek. Zentralblatt für Bibliothekswesen 39 (1922), S. 7–25. Dieter MERTENS, Heinrich Gudelfingen, in: VL2 III (1981), Sp. 306–310, Sp. 306.

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4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br.

1492 vom Juristen Gabriel Münzthaler mit versorgt und schließlich 1495 von Locher übernommen wurde. Münzthaler aber lehrte gleichzeitig weiterhin die Dichtkunst. Jacob Locher verdankte seine Berufung offensichtlich den Markgrafen von Baden, die mit ihm in Italien studiert hatten. Christoph, Johann und Jakob von Baden, Vettern Maximilians, gehörten zu den treuen Parteigängern habsburgischer Politik.98 Sie waren selbst an der Universität Freiburg eingeschrieben und sollten später auch Lochers Vorlesungen besuchen.99 Es mangelte Locher aber auch nicht an Kontakten zu anderen bedeutenden Persönlichkeiten. Wie die Beigaben des Drucks seiner »Historia de Rege Frantie« belegen, stand er in freundschaftlichem Verhältnis zu Sigismund Kreutzer, Ulrich Zasius und Konrad Stürzel. Von letzterem, dem Reichskanzler, war oben bereits die Rede. Sygismundus Crûzer aus Neustadt bei Coburg hatte sich am 24. 5. 1477 in Freiburg immatrikuliert100 und war im Sommersemester 1492 zum ersten Mal Rektor der Universität, als Lizentiat des kanonischen Rechts und Kanonikus der Kathedrale von Brixen.101 Bei seinem zweiten Rektorat, im Sommersemester 1495, ist er bereits mit seinem Doktortitel genannt, die Promotion muss also vor Ende der Dienstzeit am 31. 10. 1495 vollzogen gewesen sein. Er ist zu dieser Zeit Kanonikus von Brixen und Regensburg und Propst von Rheinfelden,102 bei seinem dritten Rektorat im Wintersemester 1497/98 noch zusätzlich Kanonikus von Passau,103 im Jahr 1498 dann auch von Konstanz. Seine steile geistliche Karriere geht mit einer Annäherung an den Kaiserhof einher. Während des Reichstags in Freiburg 1498 ist er als königlicher Rat und Diplomat bezeugt und vollzieht auch als Kommissar des Königs die Dichterkrönung von Virgilius (Johannes) Lunson, Joseph Grünpeck und Gabriel Münzthaler.104 Locher lobt Kreutzer als einen Förderer der studia humanitatis, der nicht zuletzt auch ihn dazu bewegt habe, sein Werk der Öffentlichkeit zu präsentieren (a2r). Nicht zufällig fällt wohl auch Lochers zweite Theateraufführung in Freiburg im Mai 1497 wiederum in Kreutzers Rektorat. Im Widmungsbrief dieses zweiten Dramas lobt der Philomusus ausführlich Kreutzers Einsatz für den Aufbau des Literaturstudiums. Offensichtlich bildete sein Haus auch das Zentrum einer kleineren Sodalitas:105 ______________ 98 99

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WIESFLECKER 1991, S. 230. Locher nennt seine prominenten Hörer in: Claudianus, De raptu Proserpinae: cum quibusdam declaratoriis glossematibus ... Eiusdem Philomusi argumenta in singulos libros. Nürnberg: Friedrich Peypus, 1518, B1r (Exemplar SB München, 4° L lat. 531). Matrikel der Universität Freiburg im Breisgau von 1460–1658. Hrsg. v. Hermann Mayer, Bd. 1. Freiburg 1907–1910, Nachdr. Nendeln 1976, Bd. I, S. 64. Ebd., S. 106. Ebd., S. 121. Ebd., S. 130. MERTENS 1998, S. 315. Dies widerlegt die Aussage von HEATH, S. 26, dass es in Freiburg keine gelehrte Kultur außerhalb der Universität gegeben habe.

4.3. Humanisten in Stadt und Universität: Lochers Vorgänger und Freunde

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vatum professores coluisti. eorundemque delicatissima carmina atque concentus argutissimos lubenter didicisti Propterea domus tua: nobilissimaque familia: tanquam publicum diversorium: eruditis graphicisque poetis semper patuit (A5v)106 (du hast Lehrer der Dichtkunst in deinen Schutz genommen und hast deren überaus kunstvolle Lieder gerne gelernt. Deswegen hat dein Haus und deine überaus ehrenwerte Familie gleichsam wie eine öffentliche Zufluchtsstätte gebildeten und meisterhaften Dichtern immer offen gestanden.)

Neben diesem generellen allen Dichtern gewährten Schutz erbittet Locher am Ende seines Brief auch eine persönliche Protektion, ut philomusus sub alis tuis positus ab omni liventium rabie tutissimus siet (A5v). Uoldaricus Siguardus cognomine Zäsi, geboren in Konstanz 1461, hatte nach dem Besuch der Konstanzer Domschule und einem Studium der Artes in Tübingen an verschiedenen Städten im Bodenseegebiet und im Aargau Gerichts- und Stadtschreiber und Notartätigkeiten inne gehabt, bevor er 1494 nach Freiburg gekommen war.107 Im November 1487 war er erstmals Maximilian begegnet; später stand er in Briefkontakt mit Konrad Stürzel, den er in zahlreichen Gedichten lobt, aber auch mit dem Herzog von Mailand und mit Johannes von Dalberg, dem Bischof von Worms und Zentrum des Heidelberger Humanistenkreises.108 Die Kontakte zu Stürzel dürften erklären, weshalb Zasius 1494 nach Freiburg wechselte, wo er das Amt des Stadtschreibers erhielt und 1520 das neue Stadtrecht formulierte. Von Anfang an beschränkte er seine Kontakte in Freiburg nicht auf Stadt und Hof, sondern pflegte auch Umgang mit Universitätsgelehrten. Zasius stand brieflich im Austausch mit Jakob Wimpheling, Konrad Peutinger, Heinrich Bebel, Sebastian Brant – und persönlich mit Jakob Locher. Seine große Privatbibliothek öffnete er seinen Humanistenfreunden, später auch seinen Studenten.109 1496 avancierte Zasius zum Rektor der Freiburger Lateinschule, obwohl ihm der dazu nötige akademische Abschluss fehlte. Maximilian zwang 1497 die Freiburger Artistenfakultät, ihn zum Magister Artium zu promovieren.110 Der Kontakt zum Herrscher war mittlerweile so eng, dass dieser 1499 Gäste in Zasius’ Privatburse unterbrachte.111 Nach drei Jahren aber legte der Lateinschulmeister sein Amt nieder und widmete sich dem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität, wo er im Herbst 1501 den Titel eines Dr. iur. civ. erwarb. Noch als Scholar übernahm er im Jahr 1500 Lochers Unterricht.112 Fünf Jahre später trat ______________ 106

107 108 109 110 111 112

Jacob Locher, Libri philomusi. Panegyrici ad Regem. Tragedia de Thurcis et Suldano. Dyalogus de heresiarchis. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2179). Ausführlicher zu seiner Biographie vgl. BURMEISTER. Ebd., S. 108, 110. Ebd., S. 121. Ebd., S. 112. SCHADEK 1998, S. 242. HEATH, S. 38, bezeichnet ihn als den ersten namhaften Vertreter der Humanistenlektur in Freiburg. Vgl. dagegen BURMEISTER, S. 114, der Lehrauftrag für Poetik sei trotz Zasius’ Hochschätzung der Dichtkunst für den Juristen unpassend gewesen.

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4. Der angemessene Rahmen. Stadt und Universität Freiburg i. Br.

Locher wieder seine Nachfolge an; Zasius erhielt endlich 1506 das Ordinariat für römisches Recht, für welches er mit Unterstützung der Stadt lange gekämpft hatte. Auf dem ersehnten Posten zu neuem Selbstbewusstsein gelangt – welches durch die Ernennung zum königlichen Rat 1507 und zum kaiserlichen Rat 1508 weiter gestärkt wurde –, geriet er wiederholt mit der Universität in Konflikt,113 daneben auch mit seinem gleichfalls deutlich selbstbewusster gewordenen ehemaligen Freund Jacob Locher, der eine Auffassung vom Wert der Poesie vertrat, welche der seinigen klar widersprach (Kap. 12.3).

______________ 113

BURMEISTER, S. 116.

5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495) „Mit diesem Drama beginnt in der Theatergeschichte die deutsche Humanistenbühne“, erklärt Bernhard COPPEL;1 etwas zurückhaltender wertet HEIDLOFF die »Historia« als „den ersten Versuch auf deutschem Boden, zeitgeschichtliche Ereignisse in eine dramatische Form umzusetzen“.2 Die »Historia de Rege Frantie« – oder, wie sie im Druck auch überschrieben ist, die »Historia Tragico de Carolo Francorum Rege« (a3v) – ist eine Darstellung des Italienfeldzugs Karls VIII. von Frankreich von 1494/95 in fünf Akten.3 Bezeichnend ist der Titel des Werks. Offensichtlich steht für Locher nicht die dramatische Form im Zentrum des Interesses, sondern die Historiographie. Worin der Philomusus den Zweck und das Wesen der Geschichtsdarstellung und speziell den der dramatischen sieht, soll im Folgenden rekonstruiert werden – nicht nur anhand der »Historia«, sondern auch auf der Grundlage seiner frühen Reflexionen über Geschichtsschreibung und Poesie aus Bologna. Es gilt danach zu untersuchen, wie er seine Theorie des Historiendramas in seinem Erstlingswerk umsetzt.

5.1. Vorspiel: Locher als „Kriegsberichtserstatter“ Schon lange bevor Jacob Locher die Freiburger Lektur für Poesie, Rhetorik und Geschichte erhalten hatte, war er vom Wert der Historiographie fest überzeugt, hatte doch nicht zuletzt auch sein Lehrer Konrad Celtis diesen in seiner oben bereits zitierten programmatischen Ingolstädter Rede gepriesen und dringend dazu aufgerufen, eine würdige Geschichtsschreibung aus deutscher Sicht in Angriff zu nehmen: Pudeat, nobiles viri, in sugillationem et amaram cavillationem Germani nominis modernis quorundam historiis, qui se novarum Decadum editione illud priscum Romanum imperium aequasse gloriantur, clarissimos principes nostros natalicio illorum nomine suppresso barbaros tantum vocari ... Pudeat, quaeso, multis memorabilibus bellis per nos confectis aut profligatis in Pannonia, Gallia et Italia et contra Asiae immanissimum tyrannum Christiano sanguine rorantem neminemque inter vos hodie inveniri, qui res Germanica virtute gestas aeternitati commendet … (5,13+15).

______________ 1 2 3

COPPEL 1993, S. 151–187, S. 158. HEIDLOFF, S. 309; vgl. auch BURGER, S. 257. Eine Inhaltsangabe findet sich in Anhang I.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

(Es soll euch mit Scham erfüllen, edle Herren, dass zur Verhöhnung und bitteren Ironisierung des deutschen Namens in neueren historiographischen Werken gewisser Leute, die sich rühmen, durch die Veröffentlichungen der letzten Jahrzehnte die gleiche Größe wie das alte Römischen Reich erlangt zu haben, die Geburtsnamen unserer edelsten Fürsten verschwiegen und sie nur Barbaren genannt werden. ... Es soll euch mit Scham erfüllen, sage ich, dass so viele denkwürdige Kriege von uns vollbracht oder niedergeschlagen wurden, in Böhmen, Frankreich und Italien und gegen den entsetzlichsten asiatischen Tyrannen, der von christlichem Blut trieft, dass es heute aber niemanden unter euch gibt, der die mit deutscher Tugend vollbrachten Taten der Ewigkeit überliefert.)

Historiographie, wie sie Celtis hier darstellt, dient der memoria denkwürdiger Taten und damit dem Ansehen des Reichs; sie vermag das nationale Selbstbewusstsein zu stützen. Locher greift diesen Gedanken auf, als er am 6. September 1494 aus Bologna an seinen Vetter Konrad in Ulm schreibt:4 Si veterum instituta diligenter Intuemur: summas in illis rerum bene gerendarum virtutes cognoscimus: qui nihil unquam cum dignitate et gloria gestum actumve: oblivioni tradi voluerint. Existimarunt nanque posteram Iuventutem ad res preclare gerendas melius institui non posse: quam exemplis monumentisque earum rerum: quas maiores nostri ob virtutis premium historiis mandari iusserunt. Quamobrem magnifice rerum scriptores fecisse arbitrantur qui versibus et perpetuis historiis insignia regum ac gentium facta complexi sunt: que etas nostra recolere: videre autem non potuit. Que iam veterum Consilia: que rerum gestarum memoria extarent? si non prudentes et eloquentes quidam extitissent: quorum beneficio ac litteraria virtute cuncta: de quibus studiose querimus: immortalitati consecrata forent5. Quo fit? ut oratores grecie et nostri romani: rerum publicarum et communis Salutis Conditores patresque merito sint appellati. Quis enim hectorem? Troianamque Iuventam bellicosissimam: quis herculem? Ulixem atque Argivorum Achillem fortissimum memoria teneret: si heroica homeri Tuba: et aliorum preconia vatum: illorum gesta Mavortia ab oblivionis Invidia non vendicassent. ... Itaque cum nostra quidem Tempestate Ingenia hominum et ad bellicam Industriam et ad eloquentie Studia sint uberrima: et Talia (duce Marte) facinora. nostro Seculo peragantur: que cum dignitate memorari possint Recte mihi facere videntur hii: qui Studium suum ad scribendum conferunt: Virtutibus enim rebusque preclaris facile Iuvenum Animi concitantur: ut vel Ingenio vel corporis viribus aliquid consequantur: quod laude ac recordatione dignum censeri videatur6. (1r–v) (Wenn wir die Einrichtungen der Alten genau betrachten, erkennen wir in ihnen die höchsten Tugenden im guten Handeln: Sie wollten nichts, das jemals mit Würde und Ruhm vollbracht oder getan worden ist, der Vergessenheit anheim geben. Sie meinten nämlich, sie könnten die künftige Jugend nicht besser dazu führen, Ruhmestaten zu vollbringen, als durch Exempel und Denkmäler der Dinge, die unsere Vorfahren zum Lohn der Tugend den Geschichtswerken anvertrauen ließen. Deshalb gilt es als großartige Leistung der Historiographen, dass sie die herausragenden Taten von Königen und Völker in Verse und in fortlaufende (Prosa-)Texte fassten, an die sich unsere Zeit

______________ 4 5 6

ÖNB Wien, Cod. lat. Vindob. 3193, fol. 1r-6r. Nicht ediert. forent korrigiert aus sunt. videatur]videbatur.

5.1. Vorspiel: Locher als „Kriegsberichtserstatter“

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zwar erinnern kann, die sie aber nicht sehen konnte. Welche Entschlüsse der Alten wären noch lebendig und welche Erinnerung an ihre Taten würde heute noch existieren, wenn sich nicht einige kluge und eloquente Männer hervorgetan hätten, durch deren Gunst und dichterisches Vermögen alles, wonach wir eifrig forschen, unsterblich gemacht worden ist? So kommt es, dass die Redner Griechenlands und „unsere“ römischen Redner zu Recht die Gründer und Väter des Staats und des Gemeinwohls genannt werden. Wer würde sich nämlich an Hektor, an die überaus kriegerische trojanische Jugend, an Herkules, an Odysseus und Achill, den tapfersten Griechen, erinnern, wenn der Heldengesang Homers und die Verlautbarungen anderer Dichter ihre Kriegstaten nicht vor der Missgunst des Vergessens bewahrt hätten? ... Daher, da in unserer Zeit die Menschen sowohl zur Kriegführung als auch zum Studium der Rhetorik durchaus begabt sind und in unserer Zeit mit der Hilfe des Mars solche Taten vollbracht werden, die würdig in Erinnerung gehalten werden könnten, scheint es mir, dass diejenigen recht handeln, die sich dem Schreiben widmen. Durch Tugenden und Ruhmestaten lassen sich die Herzen junger Menschen nämlich leicht anspornen, dass sie mit dem Geist oder mit körperlichen Kräften etwas erreichen, was man für lobenswert und erinnerungswürdig erachtet.)

Geschichtsschreibung schafft ein Wissen von vergangenen Zeiten und ersetzt damit die Augenzeugenschaft. Sie hält hervorragende Taten der früheren Generationen im Bewusstsein der Menschen wach und gibt ihnen dadurch erst ihren eigentlichen Wert, der darin besteht, Vorbild für die Nachfolgenden zu sein, zu Tugend und Ruhmestaten anzuspornen. Diese Ruhmestaten sind Kriegstaten im Dienste des Staates. Der Geschichtsschreiber und Orator ist damit eine staatstragende, ja staatsstiftende Kraft, denn er offenbart und bewahrt das Vergangene und regt die Gegenwart zu einer aktiven Arbeit an der Zukunft des Staates an. Der Orator und der Feldherr sind damit die zwei Stützen des Reichs. Diese Argumentation entspricht der des vermutlich von Petrarca selbst verfassten und bei späteren Dichterkrönungen teilweise wiederverwendeten privilegium laureationis,7 und sie findet sich selbstverständlich im Umfeld Maximilians wieder. Hierauf wird später zurückzukommen sein. Lochers theoretische Überlegungen zum Zweck der Geschichtsschreibung und Rhetorik bilden die Einleitung zu »De Motu bellico Regum frantie et Neapolis«, einem Bericht über den gegenwärtigen Stand des Kriegs in Italien, den der Philomusus seinem Vetter Konrad übermittelt. Nach einem Exkurs über die Geschichte Kampaniens und Siziliens thematisiert er den angeblichen Erbanspruch Karls VIII. von Frankreich auf das Königreich Neapel, den dieser, nachdem es ihm auf rechtlichem Wege nicht gelungen war, mit kriegerischen Mitteln durchsetzen wollte. Ludovico Moro, der Herzog von Mailand, unterstützte ihn dabei. Locher beschreibt die Seeschlacht und das Vorrücken des Landheers durch die Lombardei, über Parma, Bologna, Imola. In Genua, das mit Karl verbündet ist, sammelt sich ein weiteres Heer und geht auf Rom zu. Der Papst, der auf der ______________ 7

MERTENS 1988, S. 237f.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Seite des Königs von Neapel steht, kann „unter dem Schutz der Götter“8 entkommen. Schließlich spitzt sich alles auf eine Entscheidungsschlacht im Gebirge Liguriens hin zu. Karl schlägt die Neapolitaner vernichtend. Danach tritt in fast ganz Italien Ruhe ein. In Bologna aber kann man erkennen, dass beide Könige, Karl und Alfons, erneut zum Krieg rüsten. Nemo tamen nunc recte poterit Censere: quis harum rerum futurus sit exitus: cum bellicarum rerum Conditio tam labilis atque mutabilis videatur: ut plerumque ex Temporis momento:9 potentissimus quisque e magna maiestate: in Calamitatem gravissimam incidat. (5v) (Niemand aber wird nun richtig abschätzen können, wie der Ausgang dieser Sache sein wird, da das Kriegsglück sich häufig so labil und wandelbar zeigt, dass sehr oft ein Übermächtiger in einem Augenblick von höchster Macht und Würde in tiefstes Unglück stürzt.)

Die mutabilitas des Kriegsglücks könne man am Beispiel des Krösus ersehen, oder am Beispiel Philipps, des Herzogs von Burgund und Flandern. qui nimium sue confisus potentie: sepenumero a fortuna bellica victus:10 ... Itaque quanto hii reges potentiores sunt Tanto graviori ruina quassantur. (5v) (Er, der zu sehr auf seine eigene Macht vertraute, wurde oft von der kriegerischen Fortuna besiegt. ... Daher, je mächtiger die Könige sind, in umso wuchtigerem Fall werden sie zerschmettert.)

Nach dieser Wendung ins Überzeitliche endet Lochers „Bericht“. Der junge Schriftsteller legt hier ein Beispiel dessen vor, was er unter Geschichtsschreibung und ihrem Zweck versteht. Man soll aus den Exempeln der Vergangenheit lernen und zur Tugend angespornt werden. Was er aktuell aber nur berichten kann, ist ein ungerechter Angriff eines habgierigen Königs, des Feindes des Kaisers. Alle Hoffnung ruht auf der zum Naturgesetz erhobenen historischen Erfahrung, dass die fortuna bellica unberechenbar ist und, um mit Mt 23,12 zu sprechen, Qui autem se exaltaverit humiliabitur. Noch ist dieser Sturz des Hoffärtigen ausschließlich Hoffnung, und daher hängt Locher an seinen Bericht ein Klagelied an, das den drohenden Untergang des Abendlands und seiner Gerechtigkeit und Tugenden beweint. Die einzige Hoffnung bestehe in einem Einschreiten der gerechten Fortuna (6v). Eine auf das Lied folgende Deklamation schließlich gibt dieser Gerechtigkeit schaffenden Fortuna ein Gesicht: Maximilian wird angerufen, er solle mit militärischen Mitteln eingreifen. Ein Jahr später ist Karls Italienfeldzug beendet (allerdings nicht durch Maximilian) und Locher bekleidet die Lektur für Poesie, Rhetorik und Geschichte in der Maximilian nahe stehenden Universität Freiburg. Hier bietet sich ihm die ______________ 8

9 10

In dieser Formulierung zeigt sich deutlich Lochers stilistisch bedingte Verwendung antikheidnischer Formeln, die ihm später als widerchristlich vorgeworfen worden ist. potentissimus] ut potentissimus. victus zuerst gestrichen, dann wieder eingefügt.

5.2. Das Werk eines Lektors für Geschichte und Poesie

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Möglichkeit, den in seinen theoretischen Äußerungen so hoch gehaltenen Wert der Historiographie praktisch zu bewähren und damit die gesellschaftliche Relevanz der studia humanitatis unter Beweis zu stellen.

5.2. Das Werk eines Lektors für Geschichte und Poesie Lochers erste Lehrveranstaltungen in Freiburg dienten eben dieser Selbstdarstellung und Selbstverteidigung der humanistischen Studien. Eine vorrangige Position unter ihnen nimmt die Antrittsvorlesung »Oratio de studio humanarum disciplinarum et laude poetarum Extemporalis« ein, welche Locher vermutlich noch in seinem ersten Freiburger Semester gehalten hat.11 Er beschreibt in ihr eine Begegnung seiner selbst mit dem Dichtergott Apoll, der ihm die verschiedenen Arten der Menschen erklärt habe: Die einen suchten Glückseligkeit in der Tugend, die anderen im Besitz, die dritten in der voluptas corporis (a4v). Eine ganz andere Lebensweise verfolgten diejenigen, die ihren Sinn nur auf Göttliches richteten, wie die Kirchenväter, die als Heilige Verehrung verdienten (b1r). Als die Lieblinge der Götter aber und die Menschen, mit denen man sich in der Universität beschäftigen solle, nennt er die Dichter (b1v). Hier unterscheidet Apoll weiter; es scheint, als bedeute die Wahl einer literarischen Gattung eine ähnliche Grundsatzentscheidung wie die Wahl des Lebenswegs (Ähnliches war oben am Beispiel Albertis bereits beobachtet worden). Zuerst nennt er die dramatischen Dichter: Quidam inter illos musarum cultores comediam celebrant: que vite humane speculum est presentissimum: quidam tragedias concinunt: in quibus status principum regumque et formidabiles vite exitus commemorant. Quidam licentiori stilo vagantes satiram conglutinant (b1v). (Einige unter denen, die die Musen verehren, feiern die Komödie, die ein sehr direkter Spiegel des menschlichen Lebens ist; einige verfassen Tragödien: In ihnen wird der Stand der Fürsten und Könige beschrieben und werden grausige Todesfälle in Erinnerung gehalten. Einige erdichten, sich frei in leichterem Stil bewegend, eine Satyrdichtung.)

Auffällig parallel zu den Tragöden beschreibt Apoll die epici aut heroici, welche die Taten der Könige und Fürsten für die commemoratio der Nachwelt festhalten und damit ein Wissen über die Natur, über Göttliches und über heroische Dinge vermitteln: hos armat altitono calliopea cothurno (b1v); auch sie tragen, bildlich gesprochen, den Kothurn der Tragöden. Unter ihnen habe sich in besonderer Weise Lucan hervorgetan. ______________ 11

Jacob Locher, Oratio de studio humanarum disciplinarum et laude poetarum Extemporalis. o.O. [Freiburg i. Br.: Friedrich Riederer], o. D. [circa 1500] (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2053).

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Über Lucans »Pharsalia« hatte Beroaldo 1478 seine Antrittsvorlesung in Paris 1478 gehalten,12 und Locher wählte den Lucanischen »Bürgerkrieg« als den Gegenstand seiner Lehre im Wintersemester 1495/96.13 Leider sind keine Vorlesungsmitschriften oder Notizen von Lochers Vorlesung bekannt. Die Antrittsvorlesung aber erklärt, worin Lochers Themenwahl begründet war. incognitus theutonicis gentibus diu iacuit: que cum ceteras orbis nationes arte bellica industriaque militari nunc excellant: ferventiori studio anneum lucanum legere ac volvere debent: cum apud romanos grecosque prelia pugnas ac pulchra stratagemata ornatius elegantius tersius describat nemo. Hic poeta oratorem et orator poetam vincit (b1v). (Er lag lange brach, den Deutschen unbekannt. Da sie nun die anderen Völker der Erde in der Kriegskunst und im Kampfeseifer überragen, müssen sie jetzt Annaeus Lucanus umso eifriger lesen und ihn sich vor Augen führen, denn bei den Römern und Griechen hat niemand Gefechte, Kämpfe und schöne Kriegskünste stilvoller, eleganter, reiner beschrieben. Hier übertrifft der Poet den Redner und der Redner den Poeten.)

Die neue militärische Rolle der Deutschen erzwinge geradezu eine Beschäftigung mit Lucan. Dass es dabei allerdings allein um Kriegstechniken gehe, wird man nicht annehmen dürfen. Die »Pharsalia« setzen mit einer Überlegung zu Wesen und Grund des Bürgerkriegs ein. Dem Ideal eines globalen Friedens (V. 60f.)14 ist die neidvolle Zerstrittenheit des Reichs gegenübergestellt. ... quid pacem excusserit orbi: invida fatorum series summisque negatum stare diu nimioque graves sub pondere lapsus nec se Roma ferens... (V. 69–72) (was den Frieden vom Erdkreis verjagte: eine missgünstige Kette von Verhängnissen und die Tatsache, dass es den Höchsten nicht vergönnt ist, lange Bestand zu haben, schwere Stürze unter übergroßer Last – und ein Rom, das sich nicht selbst trägt.)

Der Untergang Roms wird mit dem künftigen Zusammenbruch der kosmischen Ordnung und der Rückkehr ins Urchaos verglichen (V. 72–80). Das Römische Reich steht für die Ordnung der Welt. Bereits Celtis hatte in seiner Antrittsvorlesung in Ingolstadt den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius mit den aktuellen Zuständen im Reich verglichen: civili inter nos dissensione tanquam Sulla et Marius aut Caesar et Pompeius tumultuamur (7. 13). Wenn Udo FRIEDRICH das Aufstellen solcher Analogien zwischen dem Zeitgeschehen und antiker Geschichte als „eine Art gelehrtes Gesellschaftsspiel“ ______________ 12

13 14

Filippo Beroaldo Bononiensis, Oratio de laudibus gymnasii Parrhisiorum et poetices acta in enarratione Lucani, Paris: Ulrich Gering, o.D. [nach 1478 (1486?)]. Exemplar Leeds, Brotherton Library, RCL XVII.F.9. Vgl. KRAUTTER, S. 12. HEIDLOFF, S. 205. Lucanus, Bellum civile. Der Bürgerkrieg. Hrsg. u. übers. v. Wilhelm Ehlers. München 1973 (Tusculum Bücherei).

5.2. Das Werk eines Lektors für Geschichte und Poesie

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bezeichnet,15 verkennt er den Ernst dieser Sache: Wiederholungen (um nicht zu sagen typologische Strukturen) in der Geschichte werden im deutschen Frühhumanismus beschworen, um einen aktuellen Handlungsbedarf in der Politik aufzuzeigen. So erschien beispielsweise die 1471 in Paris veröffentlichte lateinische Übersetzung von Demosthenes’ »Erster Olynthischer Rede« durch Kardinal Bessarion im Gewand einer Türkenrede,16 und Reuchlin bezog die gleiche Rede, die er 1495 dem auf dem Wormser Reichstag weilenden Eberhard d. Ä. zuschickte, auf Karls VIII. Italienfeldzug;17 hohe Aktualität hatte nicht zuletzt der Satz: „Meine Meinung jedenfalls ist, sofort die Hilfe zu beschließen und sie schleunigst einzuleiten, um von hier aus zu helfen“ (2).18 Zahlreiche Dichter im Umkreis Maximilians zogen literarische Muster und Motive aus dem Umkreis des Augustus heran, um den römischen König zum großen Hoffnungsträger des Römischen Reichs zu stilisieren; allein er könne aus dem sich überall abzeichnenden Chaos die verlorene Ordnung wiederherstellen und ein neues, goldenes Zeitalter einläuten.19 Es liegt daher keineswegs fern, auch bei Locher ein solches bewusstes Heranziehen antiker Texte zur Deutung aktueller politischer Ereignisse zu erwarten.20 Man darf davon ausgehen, dass der Philomusus sein Vorlesungsthema sehr bewusst gewählt hat. Die bedrohliche Erfahrung eines Verfalls der Einheit des Reichs wie des christlichen Okzidents und die Hoffnung auf die ordnende Macht des Kaisers dürften schließlich die verbindenden Elemente zwischen Lochers Lucan-Vorlesung und seinem ersten Schauspiel gewesen sein. Mit beiden Veranstaltungen wollte er vermutlich, überzeugt von der engen Verwandtschaft von Geschichtsepik und Tragödie, die bedeutende Rolle des Dichters, des Lieblings der Götter, in der Gesellschaft und in der aktuellen politischen Situation erweisen. Während die Antrittsvorlesung das Leben des Dichters als die höchste Lebensweise preist und unter den Dichtern speziell die Verfasser von Tragödien und Geschichtsepen lobt, die erst ein tugendhaftes Leben der Menschen ermögli______________ 15 16

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FRIEDRICH, S. 164. Dieter MERTENS, Europa id est patria, domus propria, sedes nostra ... Zu Funktionen und Überlieferung lateinischer Türkenreden im 15. Jahrhundert, in: Europa und die osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter. Hrsg. von Franz-Reiner Erkens. Berlin 1997 (Zs. für hist. Forschung, Beiheft 20), S. 39–57, S. 53f. ; ders., Claromontani passagii exemplum. Papst Urban II. und der erste Kreuzzug in der Türkenkriegspropaganda des Renaissance-Humanismus, in: Europa und die Türken in der Renaissance. Hrsg. v. Bodo Guthmüller u. Wilhelm Kühlmann. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54), S. 65–78, S. 76. DÖRNER/ RHEIN, S. 137. Demosthenes, Politische Reden. Hrsg. u. übers. v. Wolfhart Unte. Stuttgart 1985 (RUB 957). Zu Sebastian Brants Stilisierung Maximilians zum neuen Augustus vgl. Gudrun AKER, Narrenschiff. Literatur und Kultur in Deutschland an der Wende zur Neuzeit. Stuttgart 1990 (StAG 216), S. 107. Zur Geschichtsdarstellung als Deutung der Gegenwart bei Cicero und verschiedenen mittelalterlichen Autoren vgl. Joachim KNAPE, Historiography as Rhetoric, in: The Medieval Chronicle, II. Proceedings of the 2nd Int. Conference on the Medieval Chronicle, Driebergen/Utrecht, 16.–21. 7. 1999. Amsterdam/New York 2002, S. 117–129.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

chen, und während die Vorlesung über Lucan die Relevanz der Historiographie für Politik und Gesellschaft erweist, will Lochers Geschichtsdrama den hohen Wert und die Wirksamkeit der eindringlichen Geschichtsdarstellung durch den Tragödiendichter unmittelbar vor Augen führen und praktisch erproben. Im Prolog der »Historia de Rege Frantie« reflektiert Locher zunächst den Sinn von Historiographie – in Worten, die aus seinem Brief an Konrad Locher vertraut sind: Laudatissimum priscorum institutum fuisse memoratur: Spectatores iucundissimi: ut quecumque et in rebus bellicis: et civilibus preclare glorioseque gesta fuerint: ab eruditissimis rerum memorabilium scriptoribus litteris graphicis ac monumentis non exolescentibus dedicarentur. Pleraque etenim in hoc litterarum diversorio scripta comperiebantur: que ad bene beateque vivendum: sanctissima ac saluberrima prebebant invitamenta. In primis hoc dictum esse velim de historiis: que non ficta commentacione: sed rerum gestarum magnitudine constant. | ... historias hac quidem ratione luculenta mentis exercitacione sepenumero volvere ac lustrare debemus ut ex veterum moribus ac sancta vivendi consuetudine: nostra tempora ac nostras etates rectius ordinaremus (a3v–4r). (Es ist, liebenswürdige Zuschauer, bekannt, dass es bei den Alten die äußerst lobenswerte Einrichtung gegeben hat, dass, was immer an hervorragenden und rühmenswerten Taten im Krieg und in zivilen Angelegenheiten vollbracht worden sei, von hoch gebildeten Geschichtsschreibern Büchern und unvergänglichen Denkmälern anvertraut wurde. In diesem Zufluchtsort der Dichtung nämlich waren die meisten Schriften geborgen, die höchst tugendhafte und heilsame Anreize für ein gutes und glückliches Leben boten. In erster Linie möchte ich dies von den Historien sagen, die nicht auf einer Fiktion, sondern auf der wahren Großartigkeit von Taten beruhen. ... Aus dieser Überlegung heraus müssen wir für eine rechte Übung des Geistes die Geschichten oft erwägen und betrachten, um auf der Grundlage der Sitten der Alten und ihrer heiligen Lebensgewohnheit unsere Zeiten und unsere Generationen besser zu ordnen.)

Wieder wird hier deutlich, dass Lochers Geschichtsdichtung auf der Vorstellung von der Exemplarität heroischer Taten der Vergangenheit basiert. Konnte er aber in »De Motu bellico« zumindest noch auf eine solche heroische Tat (des Römischen Königs) hoffen, so war mit der geglückten Flucht Karls aus Italien mittlerweile die Ernüchterung eingetreten. Bei aller Ähnlichkeit der Formulierung des Lobs der Historiographie in beiden Texten fällt auf, dass hier ein neuer Gedanke eingefügt ist: der Ruf nach einem besseren (verlässlichen) ordo. Im Widmungsbrief an Sigismund Kreutzer, der dem Druck der »Historia« von 1495 beigegeben ist, stellt Locher die durch Geschichtsschreibung vermittelten Kenntnisse auch in einen globaleren Rahmen: quid hactenus de cursu syderum ac planetarum motibus: quid de rebus humanis divinisque: quid de diis immortalibus! quid de inferis: quid de universo terrarum globo: quid de rerum publicarum ordinationibus: quid de pace: quid denique de rebus bellicis omnium gentium atque priorum seculorum ad memoriam nostram pervenis-

5.2. Das Werk eines Lektors für Geschichte und Poesie

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set. Si poete et historiographi suis litterarum facundissimis lucubrationibus et monumentis: non vindicassent: et posteritati dedicassent (a2r). (Was wäre bis heute in unserer Erinnerung bewahrt über den Lauf der Sterne und die Bewegungen der Planeten, über menschliche und göttliche Dinge, über die unsterblichen Götter, über die Unterwelt, über die gesamte Erdkugel, über die Staatenordnungen, über den Frieden und schließlich über die Kriege aller Völker und der früheren Jahrhunderte, wenn es Dichter und Historiographen nicht in ihren höchst beredten, in Nachtarbeit entstandenen literarischen Werken und Denkmälern festgehalten und der Nachwelt überliefert hätten?)

Hatte Locher 1494 noch gefragt, was man ohne die Dichter über Hektor, die Trojaner, Herkules, Odysseus und Achill wüsste, so erklärt er hier, dass es ohne die Schriftsteller (d. h. poete und historiographi) gar kein Wissen gäbe, und zwar nicht nur über Historisches, sondern über die Gegenstandsbereiche aller Wissenschaften, der Astronomie, der Philosophie, der Theologie, der Geographie, der Politik und erst zuletzt auch über vergangene Ereignisse, die Locher kurz unter „Kriege“ zusammenfasst. Historiographie ist für ihn die allumfassende Vermittlung und Fixierung von Wissen, sie ist die memoria, ohne die es keine scientia geben kann. Dieser universale Anspruch wird im nächsten Satz noch einmal mit Nachdruck formuliert: noscimus eoi limites: calentes austri harenas: gelidas arctophylacum stellas: et hesperium calpen: noscimus Asiatica regna: latinorum / grecorum / ac barbarorum prelia: pugnas et stratagemata: at tamen non vidimus (a2r). (Wir kennen die Grenzen des Ostens, die glühenden Sandwüsten des Südens, die eisigen Sterne des nördlichen Himmels und die Säulen des Herkules im Westen. Wir kennen die Reiche Asiens, die Kriege, Kämpfe und Strategien der Römer, Griechen und Barbaren, und doch haben wir sie nicht gesehen.)

Das durch die Historiographie (und Poesie) vermittelte Wissen umfasst alle vier Himmelsrichtungen und deren Völker, die Asiaten, die Griechen, die Römer, die Barbaren (d. h. die Germanen); es ist ein Wissen, das abgehoben ist von der unmittelbaren Sinneserfahrung. Dieser Gesamtheitsanspruch entspricht dem der Philosophie bei Konrad Celtis, wie dies der von Albrecht Dürer angefertigte, in der Forschung häufig diskutierte Holzschnitt der Philosophia in Celtis’ »Amores« (a6v) illustriert.21 ______________ 21

Vgl. Dieter WUTTKE, Humanismus als integrative Kraft. Die Philosophia des deutschen ‚Erzhumanistenȧ Conrad Celtis. Nürnberg 1985 (Renaissance-Vorträge 8), S. 17–20; ders., Conrad Celtis Protucius, in: Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450–1600). Ihr Leben und Werk. Hrsg. v. Stephan Füssel. Berlin 1993, S. 173–199, S. 189; Peter LUH, Die Holzschnitte für Conrad Celtis. Eine Untersuchung zu den Bildprogrammen des Humanisten und den Planungen für den Buchschmuck seiner Werkausgabe. Diss. München 1991 [Publ. unter: Kaiser Maximilian gewidmet. Die unvollendete Werkausgabe des Conrad Celtis und ihre Holzschnitte. Diss. München 1991. Frankfurt a. M. u. a. 2001 (Europ. Hochschulschriften XXVIII, 377)].

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Konrad Celtis, Quatuor libri amorum. Nürnberg: Sodalitas Celtica, 1502, a6v.

5.2. Das Werk eines Lektors für Geschichte und Poesie

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Philosophia thront inmitten eines Kranzes, der die vier Himmelsrichtungen mit den vier Winden, den vier Temperamenten, den vier Elementen, den vier Jahreszeiten, den vier Lebensaltern und den Vertretern der (das Trivium, das Quadrivium und die Theologie umfassenden) Philosophie in den vier Weltreichen Ägypten/Chaldäa (= Babylon), Griechenland, Rom und Germanien verbindet.22 Ein Strahl (er ist von LUH als Obelisk gedeutet worden) geht von den römischen poetae et rhetores (auf denen Albrecht Dürer seine Initialen aufsetzt) zu ihrem Herzen, dessen unteres Ende mit dem ) der Physis oder Physica bezeichnet ist, dessen oberes mit dem 4 der Theorie oder aber Theologie.23 Dazwischen stehen die Anfangsbuchstaben der sieben freien Künste. Die Bildunterschrift erklärt: Quicquid habet Coelum quid Terra quid Aer et aequor, Quicquid in humanis rebus et esse potest Et deus in toto quicquid facit igneus orbe Philosophia meo pectore cuncta gero. (Was immer Himmel, Erde, Luft und Wasser umschließen, was immer es in menschlichen Dingen auch geben kann und was immer der flammende Gott in der ganzen Welt bewirkt, das trage ich Philosophie in meinem Herzen.)

Diese allumfassende Philosophie und die Dichtkunst – die wiederum, wie aus seiner »Panegyris« hervorgeht, von der Historiographie nicht zu trennen ist24 – stellen für Celtis eine Einheit dar. Dies verbildlicht eindrucksvoll die Celtis-Kiste, welche direkt nach dem Tod des „Erzhumanisten“ 1508 zur Aufbewahrung der Insignien seines Dichterkollegs in Wien angefertigt worden ist: Sie ziert auf der einen Seite eine Kopie dieser Darstellung der Philosophie, auf der anderen Seite ein Bildnis Apolls.25 Celtis kann sich bei seiner Definition der Dichtung als der „Kehrseite“ der Philosophie auf Boccaccio stützen, der im literaturtheoretischen XIV. Buch seiner »Genealogiae deorum gentilium«25 (welche Celtis 1494 gelesen ______________ 22

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Zum Totalitätsanspruch der Philosophie bei Celtis und zu der symbolischen Verwendung der Vierzahl vgl. LUH, ebd., S. 97–113. LUH, ebd, S. 75, verweist auf die Bezüge dieser Darstellung zur Consolatio des Boëthius, wo die Buchstaben 3 und 4 als philosophia practica und philosophia theoretica zu deuten sind. Celtis weiche, inspiriert durch Rudolf Agricola, von der Philosophie-Auffassung des Boëthius ab (S. 78). Nicht zuletzt die ikonographische Ähnlichkeit der Philosophia im Holzschnitt mit Darstellungen der Sapientia Dei (S. 119–129) legen es nahe, die Buchstaben ) und 4 hier als Abkürzungen für physica und theologia zu sehen. Dem entgegnet GRUBER, es seien physis und theos (Gott selbst) gemeint. Joachim GRUBER, Ein Buchunternehmen der Dürer-Zeit. Internet-Publikation unter http://iasl.uni-muenchen.de, 10.6.2002, wieder, wenngleich nicht ganz so deutlich in: ders., Annäherungen an den „Erzhumanisten“ Conrad Celtis. Internet-Publikation, http://www.klassphil.uni-muenchen.de/~gruber/celtis-rezensionen.html (18. 10. 2005). ROBERT, S. 124–126 plädiert unter Verweis auf Celtis’ auch anderweitig formulierte Definition der Philosophie als Natur- und Gotteserkenntnis für die Deutung als Bezeichnungen der physiologia/physica und theologia.. Vgl. Joachim GRUBER, Singulis rebus reperire causas. Konrad Celtis und der Bildungskanon er Frühen Neuzeit. Gymnasium 110 (2003), S. 259–276. Internet-Veröffentlichung des Universitäts-Archivs Wien, http://www.univie.ac.at/archiv/rg/ 7.htm (18. 10. 2005). Vgl. dazu LUH 1991, S. 318.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

hat) 27 die Poesie als eine scientia (XIV, iv, 12), als eine Wissenschaft begreift, die er dem Bereich der Philosophie zurechnet.28 Sie beschreibe die Ordnung und die Wirkung der Natur und ihrer Werke, d. h. ihr Gegenstandsbereich sei derselbe wie der der Philosophie, allein in der Darstellungsart unterscheide sie sich von ihr.29 Eine enge Verbindung von Philosophie und Dichtung oder gar eine Unterordnung der Philosophie unter die Poesie – entsprechend etwa der Darstellung der in Burgkmairs ‚Reichsadler‘ (vgl. Kap. 8.4.4)30 – proklamieren einige italienische Humanisten. Nur wenige Beispiele seien hier genannt: Salutati stellt (wie auch Mussato) die Dichtung aufgrund der Allseitigkeit ihrer Thematik, die auch die Themenbereiche der Theologie und Philosophie integriere, an die oberste Stelle der artes.31 Pontano erklärt, die ursprüngliche Sprache sei die poetische und nicht die rationale, Dichtung und Theologie seien ursprünglich ein und dasselbe, wie auch Rhetorik und Geschichtsschreibung nichts anderes als Dichtung seien.32 Bartolommeo della Fonte erklärt, aus der Dichtung seien alle anderen artes entstanden, auch die Rhetorik und die Philosophie.33 ______________ 26

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Es handelt sich dabei um das bis zum 16. Jahrhundert maßgebliche Handbuch zur griechischen und römischen Mythologie. Zu seiner Bedeutung vgl. HEGE (Ausg.), S. 1; Jean SEZNEC, Das Fortleben der antiken Götter. Die mythologische Tradition im Humanismus und in der Kunst der Renaissance. Übers. v. Heinz Jatho. München 21990, S. 164; Botho GUTHMÜLLER, Formen des Mythenverständnisses um 1500, in: Hartmut Boockmann u. a. (Hrsg.), Literatur, Musik und Kunst im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1989 bis 1992. Göttingen 1995 (Abh. der Akademie der Wiss. in Göttingen. Philol.-hist. Klasse, 3. Folge Nr. 208), S. 109–131, S. 123. Er forderte Sixt Tucher zweimal auf, ihm das Werk zu schicken: RUPPRICH 1934, Nr. 36, S. 62 und Nr. 73, S. 122f. Genealogiae deorum gentilium, Buch 14, in: Boccaccios Apologie der heidnischen Dichtung in den Genealogie deorum gentilium, Buch XIV. Text, Übers., Komm. u. Abh. v. Brigitte Hege. Tübingen 1997 (Ad fontes 4). Ulrich MUHLACK hat zuletzt in seinem Vortrag „Humanistische Geschichtsschreibung als Geschichtswissenschaft“, Tübingen, 20. 1. 2004, die in diesem Zitat zum Ausdruck gebrachte Ähnlichkeit zwischen Dichtung und Philosophie als eine Grenzziehung zwischen Dichtung/Philosophie und Geschichtsschreibung gedeutet. Zumindest für Locher kann man nicht von einer solchen Trennung zwischen Geschichtsschreibung und Dichtung sprechen; die Historiographie umfasst für den Philomusus v. a. auch Geschichtsdichtung, das Epos und die Tragödie. Zur Deutung der einzelnen Teile des Adlers vgl. Peter LUH, Der Allegorische Reichsadler von Conrad Celtis und Hans Burgkmair. Ein Werbeblatt für das Collegium poetarum et mathematicorum in Wien. Frankfurt a. M. u. a. 2002 (Europäische Hochschulschriften XXVIII, 390). August BUCK (Hrsg.), Dichtungslehren der Romania aus der Zeit der Renaissance und des Barock, Teil I: Italien. Frankfurt a. M 1972 (Dokumente zur europäischen Poetik 3), S. 17. Vgl. HERZOG, S. 114, der dieses Argument in die Spätantike zurückverfolgt und auch Mussatos Brief 7 in diesem Zusammenhang zitiert. Ernesto GRASSI, Das humanistische rhetorische Philosophieren. G. Pontanos Theorie der Einheit von Dichtung, Rhetorik und Geschichte, in: Giovanni Pontanos Dialoge. Hrsg. u. übers. v. Hermann Kiefer. München 1984 (Humanist. Bibliothek 2, 15), S. 7–27. Bartolommeo della Fonte, Poetica, in: Charles Trinkaus (Hrsg.), The Unknown Quattrocento Poetics of Bartolommeo della Fonte. Studies in the Renaissance 13 (1966), S. 40–122, S. 114. Dazu: BUCK 1972, S. 23. Vgl. dagegen Lixa in Reuchlins Komödie »Sergius«, V. 256f.: Rerum om-

5.2. Das Werk eines Lektors für Geschichte und Poesie

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Locher dürfte nicht nur die Positionen Salutatis und Mussatos gekannt haben, vermutlich hat er auch vor Abfassen der »Historia« Boccaccios »Genealogien« gelesen; er besaß sie in einem Venezianer Druck von 1494, den er eventuell schon aus Italien mitgebracht hatte.34 So erklärt sich sein universaler Anspruch der Dichtkunst, den er auch in der »Stultifera navis« zum Ausdruck bringt, wo er die Entstehung der Poesie auf philosophorum aetas (7v) zurückführt.35 In diesem Sinne kann sich auch Geschichtsdichtung nicht in Exemplarik erschöpfen; sie bildet nicht nur Offensichtliches ab, sondern sie macht wie die Philosophie auch unsichtbare Wirkkräfte und Wahrheiten sichtbar. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass Locher nicht nur historische Wahrheiten sichtbar darstellen will wie Verardi in seiner »Historia Baetica«; er will durch sie die Welt, ihre Ordnung und Gesetzmäßigkeit deuten. Die literarische Gattung, die ihm eine Geschichtsdeutung erlaubt, ist die Tragödie, zu der er sich im Prolog seiner »Historia« bekennt: Aliud scribendi genus et multo grandius poete celebrarunt: quod tragediam inscripserunt: in qua heroica quadam sublimitate: et grandiloquo cothurno casus et lapsus fortuitos: et regum et principum lugebant. imbecillitatemque humani generis cum acrimonia sententiarum ostentabant. hosce scriptores: cultores quicumque prudentie imitari debent: horum quam grandiloquo spiritu et magnifica rerum admirabilium commemoratione delectari: ut in rebus publicis et privatis recte consultare: recte facere: et nostro iuri subiectos: recte gubernare valeamus. Ad similitudinem igitur veteris tragedie: hancce historiam hocque tragicum argumentum conteximus (a4r). (Eine andere und bei weitem höherstehende literarische Gattung [als die zuvor genannte Komödie] pflegten die [antiken] Dichter: Sie nannten sie ‚Tragödie‘. In ihr betrauerten sie in einer gewissen heroischen Erhabenheit und in der würdevollen tragischen Redeform die vom Schicksal bedingten Stürze und Untergänge von Königen und Fürsten. Mit scharfen Sentenzen verwiesen sie auf die Hinfälligkeit des Menschengeschlechts. Wer um Klugheit bemüht ist, muss diese Schriftsteller nachahmen, er muss sich erfreuen an deren so erhabenem sprachlichem Geist und an ihrem ausgezeichneten Wachrufen vergangener bewundernswerter Dinge, damit wir in öffentlichen und privaten Angelegenheiten richtig zu Rate gehen, recht handeln und die, die unserer Rechtsprechung unterworfen sind, recht lenken können. In Nachahmung also der antiken Tragödie habe ich diese historia und diesen tragischen Stoff verfasst.)

Die Tragödie, hier charakterisiert durch adeliges Personal, erhabenen Stil und tragischen Ausgang – nicht erwähnt sind die Fünf-Akte-Struktur und die Auftritte des Chors zwischen den Akten, die Lochers Werk formal deutlich von Verardis ______________

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nium poesis est exordium / Et ante caelum et ante mundum prae omnibus. Hugo HOLSTEIN, Johann Reuchlins Komödien. Ein Beitrag zur Geschichte des lateinischen Schuldramas. Halle 1888, S. 108–126. Ioannes Boccatius, Genealogie cum demonstrationibus in formis arborum designatis ... Venedig: Bonetus Locatellus für Octavianus Scotus, 1494 (Lochers Privatexemplar UB München, 2° Inc. lat. 708). Hinweis bei HEIDLOFF, S. 301. Martin Opitz führt diesen Gedanken später weiter und erklärt im Sinne Pontanos, es seyen die Poeten vil älter als die Philosophen / vnd für weise leute gehalten worden / ehe man von dem namen der Weißheit gewust hat (BIIr). Martin Opitz, Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Studienausgabe. Hrsg. v. Herbert Jaumann. Stuttgart 22002 (RUB 18214).

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Stück unterscheiden36 –, vereint den didaktischen und philosophischen Wert der Geschichtsschreibung mit der Eindringlichkeit des Theaters. Sie liefert nicht nur Tugendexempel, sondern sie zeigt auch die Hinfälligkeit menschlicher Dinge auf, sie offenbart Mechanismen des Schicksals und lässt den Betrachter die Klugheit und Weltweisheit erwerben, die er in privatem und öffentlichem Handeln und in juristischen Fragen braucht, für ein Leben als verantwortungsbewusster Staatsbürger. Einem möglichen Zweifel an der historischen Wahrheit der Tragödie begegnet Locher, indem er diese Gattungsbezeichnung meidet und sein Werk stattdessen wie Verardi als historia betitelt.

5.3. Deutung historischen Geschehens durch die Tragödienstruktur Johannes Reuchlin regt, als er vom Ausgang des Italienkriegs hört, an, diesen vor dem Hintergrund des fünften Gesangs der »Ilias« zu betrachten; aus Homers Dichtung habe er selbst fehlenden die Kriegsinformationen entnommen: Offert ille istis meis oculis et his manibus librum Iliados Homericae quintum, his mihi versibus (semper enim versu Apollo edicit) ita respondens: Si cupis Italiae vel prelia Gallica nosse, confer huic libro clarissima nomina gentis. Inter legendum igitur omnem vim belli totumque praelium, de quo iam tanta fama est, ego ipse quasi non solum affuerim, sed interfuerim quoque aspiciens.37 (Er [Apoll] bietet diesen meinen Augen und diesen Händen das fünfte Buch von Homers »Ilias« an und und entgegnet mir in folgenden Versen (Apoll teilt sich nämlich immer in Versform mit): „Wenn du etwas über Italien oder die französischen Kriegszüge erfahren willst, dann vergleiche die hochberühmten Stammesnamen mit diesem Buch.“ Als ich also von der vollen Kriegsgewalt und der gesamten hochberühmten Schlacht las, war es mir, als ob ich nicht nur dabei gewesen sei, sondern auch beobachtend mitten im Geschehen gestanden habe.)

In gleicher Weise wird Locher in seinem »Iudicium Paridis« (Kap. 11) die »Ilias« verwenden, um durch sie die Zeitgeschichte zu zeichnen. Für seine Darstellung des Italienfeldzugs aber bedient er sich nicht eines klassischen Einzeltextes, sondern der Struktur einer klassischen Literaturgattung. Die Handlungsmechanismen der Tragödie erhebt er zum Deutungsmuster für den gesetzmäßigen Lauf der Geschichte; er erklärt Eckpunkte des historischen Geschehens mithilfe von Seneca und Mussato und macht es so für ein deutsches Publikum akzeptabel.38 ______________ 36

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BRAAK, S. 81, erklärt fälschlich, Reuchlin habe die Akteinteilung im deutschen Humanistendrama eingeführt, und die Einführung von Chören sei „von Seneca über Celtis“ erfolgt. Brief Reuchlins an Hans von Hermansgrün, Tübingen, 25. 7. 1495, ed. in: Reuchlin, Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 72, S. 228–231, S. 229. Mussato wiederum rezipiert Lucans »Bürgerkrieg«. Giovanna M. GIANOLA, L’ Ecerinis di Albertino Mussato tra Ezzelino e Cangrande, in: Nuovi Studi Ezzeliniani 2 (1992), S. 537–574, S. 547.

5.3. Deutung historischen Geschehens durch die Tragödienstruktur

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Ganz anders als bei Verardi, der einen erfolgreichen Feldzug beschreibt – laut Mussato eine Tragödie nur im weiteren Sinne des Wortes –, findet Locher bei Mussato den Aufstieg und Fall eines Tyrannen vorgezeichnet. Legt man die Handlungsschemata von »Ecerinis« und »Historia de Rege Frantie« nebeneinander, zeigt sich eine erstaunliche Parallelität:

Ecerinis

Historia de Rege Frantie

Akt I: Der Held erfährt von seiner Abkunft und beschließt, dem Willen des Teufels zu gehorchen und Krieg zu führen. Chor: Warnung vor Hochmut, Tod bringender Tyrannei und Fortuna. Akt II: Botenbericht über Eroberungen und Gräueltaten des Helden. Chor: Bitte um ein Eingreifen Gottes für sein Volk.

Akt I: Der Held wird im Traum zur Eroberung Neapels aufgefordert und beschließt, dem Willen der Götter zu gehorchen. Chor: Lob der tugendhaften vita activa und der vita contemplativa. Akt II: strategische Beratung mit Ludovico. Chor: Warnung vor Hochmut, vor Tod bringendem Krieg und dem FortunaRad. Bitte um ein Eingreifen der Götter für die Gerechten. Akt III: strategische Beratung mit Akt III: Botenbericht über EroberunAlberic. Botenbericht vom Tod eines gen und Schandtaten des Helden. Fürsten. Bekehrungsversuch durch den Mönch. Botenberichte über Gegenwehr unter päpstlicher und venezianischer Leitung. Chor: Mahnung an das Fortuna-Rad. Chor: Verurteilung des Krieges aus Habgier; Vertrauen auf die göttliche Lenkung. Akt IV: Angriff auf die Lombardei. Akt IV: Klage des besiegten Fürsten. Botenbericht vom Sieg ehemaliger Freunde über Ezzelino an der Adua, Gefangennahme und Tod. Chor: Aufforderung zum Dankgebet. Lied: Mahnung an das Fortuna-Rad. Akt V: Botenbericht über den Tod Akt V: Botenbericht vom Sieg der Alberics. Heiligen Liga (incl. Ludovico) über Karl am Taro, Flucht Karls, Tod vieler Soldaten. Jubel über den Sieg von Ordo und Providenz. Chor: Sieg von Ordo und Providenz. Chor: Aufforderung zum Jubel, Lob des Kaisers.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Weit entfernt davon, Mussato sklavisch zu folgen, scheint sich Locher doch im Handlungsablauf, in der Verwendung des Chors und in zentralen Motiven an Mussato anzulehnen, vor allem dort, wo eine reine Abbildung der geschichtlichen Ereignisse, wie sie Verardi zu liefern vorgibt, den Intentionen des Philomusus nicht genügt. Im Detail stellt sich dies wie folgt dar. 5.3.1. Die Motivation des Angriffs Maximilian hatte im Mai 1493 im Vertrag von Senlis Karl VIII. freie Hand gegen Neapel zugesichert. Das sehr stolze Auftreten Alfonsos von Neapel (der in zeitgenössischen Darstellungen z. T. als Tyrann dargestellt wird)39 war dem Römischen König ohnehin ein Dorn im Auge. Er und auch Ludovico Moro, der zwischen Karl und Maximilian vermittelt hatte, erhofften sich aber eine Schwächung Frankreichs durch einen aller Voraussicht nach zermürbenden Kampf gegen Neapel-Aragon und eventuell auch gegen die übermächtige Stadtrepublik Venedig. Wollte Karl, wie er vorgab, von Neapel aus tatsächlich gegen die Türken ziehen, würde ihn dies weiter entkräften und für lange Zeit von Burgund, Maximilians hauptsächlichem Interessensgebiet, ablenken.40 Der Deutsche König ließ sogar dem Franzosen nach dessen Eroberung Neapels seine Glückwünsche überbringen. Jean Bontemps berichtet am 5. 1. 1495, se a serenissimo domino Romanorum rege missum, ut ipsum dominum Francorum regem visitet et ei simul felicitatem successuum eius, dum ad Neapolitanam expeditionem tendit, verbis amantissimis gratuletur ...41 (er sei vom durchlauchtigsten Herrn, dem Römischen König, geschickt worden, dass er den Herrscher der Franzosen persönlich aufsuche und ihm zum Glück seiner auf dem Neapelfeldzug erzielten Erfolge mit freundlichsten Worten gratuliere.)

Bald jedoch musste Maximilian erkennen, dass er Karl unterschätzt hatte und dass dieser ihm auch in Italien zu einer großen Gefahr wurde. Später konnte da______________ 39

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Philippe de Commynes, Mémoires. Hrsg. v. Joseph Calmette, Bd. 3. Paris 1925 (Les classiques de l’histoire de France au moyen âge), VII, 13 (S. 76–81) beschreibt ausführlich die Grausamkeiten des Hauses Aragon in Neapel. Nul homme n’a esté plus cruel que luy ne plus vicieulx ne plus gormant. Le père estoit plus dangereux, car nul ne congneüt oncques son courroux (S. 78). Deutsche Übersetzung: Philippe de Commynes, Memoiren. Europa in der Krise zwischen Mittelalter und Neuzeit. Übers. v. Fritz Ernst. Stuttgart 1952. Hermann WIESFLECKER, Maximilian I. und die Heilige Liga von Venedig (1495), in: FS W. SasZaloziecky. Hrsg. v. Gertrude Gsodam. Graz 1956, S. 178–199, S. 179–181. Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 5: Reichstag von Worms 1495. Bearb. v. Heinz Angermeier. Göttingen 1981 (Dt. Reichstagsakten, Mittlere Reihe 5), Dokument 14b, S. 114f. Johann J. MÜLLER zitiert hierzu Belcarius, Commentaria rerum Gallicarum, VI,10–12: Das Volk in Neapel habe ebenso wie die Deutschen den Sieg Karls mit ehrlicher Freude begrüßt, welcher der Tyrannei Ferdinands und Alfonsos endlich ein Ende gemacht habe. Johann Joachim MÜLLER, Des Heiligen Römischen Reichs Teutscher Nation Reichs Tags Theatrum wie selbiges unter Keyser Maximilians I. allerhöchsten Regierung gestanden ... Jena 1718, Teil I, S. 212.

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her die anfängliche Billigung des Deutschen Königs für den Angriff gegen Neapel keineswegs mehr zugegeben werden. In einem Reichsgutachten vom Juli/August 1495 wird Karl zum größenwahnsinnigen Tyrannen stilisiert, der fraglos eine ernste Bedrohung für das Reich darstelle und unverzüglich bekämpft werden müsse: er vermeint, das er naturlich erb [des] Röm. Ks. und Kg. sein sol von Ks. Karl dem Grossen her, der dann ain geporner Franzos gewesen, und vermeint, das seine 3 liligen, die er fuert, sollen repräsentiren Franciam, Ytaliam und Germaniam, und das er durch manigfaltig wunderzeichen mit dem swert Germaniam und den merern tail Ytaliam im und der cron Frankreich underworfen gemacht und darauf zu Rom fur sich und sein nachkumen die ksl. cron von dem Babst emphangen und den ewigen titl, dem cristenlichsten Kg., den die Franzosen auslegen als einem ainigen kristenlichen Kg. und H. aller cristenhait.42

Karl VIII. erklärt dagegen in einem offenen Brief „an die Christenheit“ vom 22. 11. 1494, er besitze das Erbrecht auf das Königreich Sizilien/Neapel, welches seine Vorfahren wiederholt den Feinden der Kirche entrissen hätten. An einen Übergriff gegen Rom denke er keineswegs, vielmehr beabsichtige er, von Neapel aus einen Kreuzzug gegen die Türken zu führen.43 Im Rückblick wandelt sich auch hier das Bild: Karls Historiograph Philippe de Commynes erklärt in seinen »Memoires« (VII, 1), der noch junge und unerfahrene König sei dem egoistischen Streben übler Berater zum Opfer gefallen, als er sich zu dem umstrittenen Unternehmen entschlossen habe.44 In seinem Brief an Konrad Locher hatte der Philomusus die Frage des Erbanspruchs Karls auf Neapel bereits thematisiert. War die Erklärung, postquam autem Id iure recuperare nequivit: copias bellicas per mare Tyrrhenium et per terras paravit (3v), aber ausreichend, um Karl als den ungerechten Herrschsüchtigen darzustellen, als den Maximilian ihn in der Öffentlichkeit dargestellt haben wollte? Die Vorgaben der von ihm gewählten Gattung erlaubten es Locher, ja, sie zwangen ihn geradezu, die vorgegebenen Motive (den Erbanspruch nicht nur auf Neapel, sondern auf das ganze Reich, die schlechten Berater und den Kreuzzugsgedanken) zu kombinieren, den plötzlichen Ausbruch des Krieges in seiner ______________ 42

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Dt. Reichstagsakten, Bd. 5, Dokument Nr. 99, S. 178. Ähnlich formuliert Maximilian 1495 die Gefahr für Reich und Kirche in seiner Instruktion an seine Gesandten in Italien: Urkunden, Briefe und Actenstücke zur Geschichte Maximilians I. und seiner Zeit. Hrsg. v. Joseph Chmel. Stuttgart 1845, Dokument Nr. LXXXIX, S. 83. Vgl. Jakob Wimphelings Argumentation gegen den französischen Anspruch auf die Nachfolge Karls des Großen in der »Germania« (Straßburg, 1501), Buch I. Jacob Wimpfeling, Germania, in: Emil VON BORRIES, Wimpfeling und Murner im Kampf um die ältere Geschichte des Elsasses. Ein Beitrag zur Charakteristik des deutschen Frühhumanismus. Heidelberg 1926 (Schriften des Wiss. Instituts der Elsaß-Lothringer im Reich 8), S. 80–175. Deutsche Reichstagsakten, Bd. 5, Dokument Nr. 18, S. 117–119. Philippe de Commynes, Bd. 3, S. 3: Car le roy estoit très jeune, foible personne, plain de son vouloir, peu acompaigné de saiges gens ne de bons chiefz.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Schrecklichkeit zu illustrieren und in der Exposition Karls rasche Verwandlung von einem eher farblosen Herrscher in einen Tyrannen vorzuführen. Das Muster hierfür lieferte Mussatos »Ecerinis«. Dort ist es die plötzliche Eröffnung seiner teuflischen Abkunft, die Ezzelino in einen Tyrannen verwandelt und ihn zum Angriff gegen Italien und die ganze Welt bewegt. Hier ist es ein dämonischer Traum von einem Uhu letifer, der den rex lilifer (der Anklang an Luzifer ist offensichtlich) beunruhigt und in dem eine „göttliche“ Stimme – für den Zuschauer ist es offenkundig, dass es eine teuflische ist – ihn auffordert, dass er Neapel erobere und die ganze Welt unter das französische Joch beuge. Die bei Commynes genannten schlechten Berater greifen hier nur noch unterstützend ein, und der angebliche Plan eines Türkenfeldzugs ist unmittelbar als ein Scheinmotiv ersichtlich. Der Traum als dämonisches Element ist der primäre Auslöser der Handlung, die dem Schema einer Tyrannen-Tragödie folgt, mit Karl als Tyrannen. 5.3.2. Die große Niederlage Neapels und des Papstes Die Leichtigkeit, mit der die französischen Truppen Italien durchqueren und bis nach Neapel vorstoßen konnten, erstaunt selbst Philippe de Commynes, der hierin ein Zeichen Gottes sieht (VII, 13). In seinem Brief aus Bologna schildert Locher das rasche Vorrücken der Franzosen, die Hilflosigkeit des Papstes und die vernichtende Niederlage der neapolitanischen Truppen, nicht ohne einen Aufschrei, wie denn Deutschland so etwas dulden könne. Das zunächst taktische, dann aber notgedrungene Zögern Maximilians würde in jeder anderen Textgattung nach einer Erklärung verlangen. Das Drama aber mit seiner Forderung einer Steigerung der Spannung, die nicht zuletzt auf partieller Uninformiertheit der Rezipienten über die Handlungszusammenhänge beruht,45 bietet hier eine ideale Darstellungsmöglichkeit. Die immer dringlichere Frage, weshalb der Römische König nicht eingreife, weshalb Karl selbst den Papst vertreiben dürfe, dient der Steigerung der Spannung, ebenso wie die Frage, weshalb Gott Ezzelino nicht an seinem Wüten hindere, die bei Mussato im Zentrum des dritten Akts steht. Der dritte Akt der »Historia« bildet die Situation ab, aus der heraus Locher 1494 an seinen Vetter Konrad schrieb. Im Brief spricht er vom Krieg der „beiden Könige“; er hätte im Drama also ebenso wie Verardi einen positiven und einen negativen Helden einander gegenüberstellen können. Stattdessen aber entscheidet er sich dafür, den zweiten König, Alfons, erst und ausschließlich im vierten Akt auftreten zu lassen – als schillernde Gestalt, von der bis zuletzt nicht deutlich wird, ob es sich um einen gleichwertigen Tyrannen oder ein positives Gegenbild zu Karl handelt. Die Figur scheint sich allein über ihre Funktion zu definieren, und diese besteht in der Reflexion über die Herrscherrolle und über die Ge______________ 45

Vgl. Manfred PFISTER, Das Drama. München 91997 (UTB 580), S. 142.

5.3. Deutung historischen Geschehens durch die Tragödienstruktur

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schichtsschreibung. Im Moment höchster Spannung also wechselt Locher auf die Metaebene und demonstriert an einer Figur und aus ihrer Perspektive das Prologthema, nämlich die Diskussion um den Sinn und Zweck einer Auseinandersetzung mit dem Historischen (und d. h. letztlich der studia humanitatis). Der gestürzte Herrscher greift zu historischen Exempeln, um sich an ihnen zu trösten: Tristiores casus regum priorum extitisse legimus. itaque preteritorum temporum secula me consolantur. in quibus et fortune: et dignitatis multe vicissitudines vise sunt troianum illud regnum asie tocius spetiosissimum ob formam unius femine grecorum manibus fuit eversum. ... Quid dicam de croeso lydorum rege ditissimo! qui cum amplissimas regni dotes possideret: tamen insolentem fortune temeritatem vitare non potuit. is enim delphica sorte: misticisque oraculorum vaticinationibus deceptus: adversus cyrum persarum regem bellum ingens ultra | Halim fluvium ductans: miserabili clade ceditur et superatur. Quid de iugurtha in triumphum a romanis imperatoribus acto: quid de iuba: quid de sardanapalo! quid de philippo macedonico: quid de ptolomeio dicam (b3v–4r). (Wir lesen, dass es bei den Königen früherer Zeiten noch traurigere Untergänge gegeben hat, und deshalb tröstet mich die Geschichte, in der sich häufig Wechselfälle des Glücks und der Ehre ereigneten. Jenes reichste Königreich Asiens, das Reich der Trojaner, wurde wegen der Schönheit einer einzigen Frau von den Griechen zerstört. ... Was soll ich über Krösus, den überaus reichen König der Lyder, sagen, der, obgleich er die reichste Ausstattung einer Herrschaft besaß, dem schnöden Wankelmut der Fortuna dennoch nicht ausweichen konnte. Er wurde nämlich von dem delphischen Spruch, von den dunklen Weissagungen der Orakel, getäuscht und führte daraufhin einen aufwändigen Feldzug gegen Cyrus, den König der Perser, über den Fluss Halys: Dort erlitt er eine beklagenswerte Niederlage und wurde überwunden. Was soll ich über Iugurtha sagen, der vom römischen Herrscher im Triumphzug mitgeführt wurde, was über Iuba, Sardanapal und Philipp von Makedonien, was über Ptolemäus?)

Wieder, wie im Brief an Konrad Locher, wird im Moment der Unsicherheit, ob es einen Umschwung geben werde, das Beispiel des Krösus zitiert. Alfons fügt nun aber hinzu, dass Krösus habe einem falschen „überirdischen“ Rat gefolgt und sei dann beim Überqueren eines Flusses geschlagen worden. Damit ist dem Publikum ein Hinweis gegeben, dass Krösus hier weniger ein Vorbild Alfonsos als Karls VIII. ist, der auf den dämonischen Traum gehört hatte und dem die Überquerung des Taro bevorstand. Das gleiche trifft auch auf Ezzelino zu, der beim Überqueren der Adua besiegt wurde, nachdem er die Weissagung, er werde bei Cassano sterben, missverstanden und irrtümlich Bassano gemieden hatte. Die Tragödienstruktur und die Anlehnung an die »Ecerinis« also ermöglicht es Locher, die aktuelle verzweifelte Lage in eine sinnstiftende Struktur einzubetten, Karls ungehinderten Erfolg als Voraussetzung für seinen jähen Fall zu rechtfertigen und damit jedes negative Licht, welches das untätige Reich treffen könnte, abzuwehren. Zugleich wird der Sinn der Geschichtsschreibung und der Tragödie als ein Trost und eine Milderung des Schreckens aktueller Erfahrungen sowie als eine Offenbarung des sinnvollen Gesetzes des Weltenlaufs bestätigt.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

5.3.3. Die Bildung der Heiligen Liga in Abwesenheit Maximilians In der »Historia de Rege Frantie« erscheint die Heilige Liga von Venedig gegen Karl als ein unerwarteter deus ex machina. Die harten Verhandlungen, die der Unterzeichnung des Ligavertrags am 31. 3. 1495 und seiner Ratifizierung durch Maximilian am 28. 5. 1495 vorausgegangen waren, die Diskussionen um den offensiven oder defensiven Charakter des Bündnisses, die Ängste der beteiligten Mächte vor einer deutsch-spanischen Übermacht und die Bedenken des Römischen Königs gegen eine Teilung seiner Ordnungsgewalt über Italien mit anderen europäischen Fürsten und Mächten46 bleiben sämtlich unerwähnt. Auch die von Anfang an zwielichtige Haltung Ludovicos, der nach Karls Eroberung von Florenz am 17. 11. 1494 endgültig mit dem Französischen König gebrochen hatte und nun zu den Gründern der Liga gehörte, wird nicht thematisiert. Im Schlussakt der »Historia« operiert Locher vielmehr weiter mit der Uninformiertheit des Publikums. Die Auflösung erfolgt schlagartig, ohne dass die Wege, die zu ihr geführt haben, aufgezeigt würden. Sie überrascht die Zuschauer ebenso wie die Franzosen, deren erstauntes Entsetzen Philippe de Commynes (VII, 20) anschaulich beschreibt. Er erlebte am 12. April in Venedig die Feier mit, die anlässlich des Vertragsabschlusses und der bevorstehenden Befreiung Italiens gegeben wurde, und berichtet voll Schmerz von seiner Begegnung mit dem Gesandten aus Neapel, der in einem nagelneuen Gewand prangte und vor Freude strahlte (VII, 20). Die Botenszene in der »Historia« kommt diesem Bericht des französischen Gesandten erstaunlich nahe; Locher kann beim Abschluss seines Dramas die »Memoires« noch nicht gekannt haben, er könnte jedoch von den Feierlichkeiten selbst erfahren oder sogar ihnen beigewohnt haben. Der Venezianer Marino Sanuto berichtet, die Stadt sei geschmückt worden „wie für das Fronleichnamsfest“.47 Am Ende der Festprozession seien Bühnenwagen mitgeführt worden, ähnlich denen für geistliche Spiele. Schulen stellten auf diesen biblische, allegorische und politische Szenen in tableaux vivants dar. So hatte die Schule von St. Marco fünf Bühnenwagen, auf welchen Ludovico Moro, das spanische Königspaar, Maximilian, der Papst und schließlich, auf dem Wagen der Iustitia, Venedig dargestellt waren. Auf die Schulen folgten die Konventualen mit weiteren Darstellungen.48 Dieses Fest hat eventuell Lochers Schlusszene beeinflusst; deutlicher ist der Einfluss solcher Feste später in seiner »Tragedia« (vgl. Kap. 6) zu erkennen. Für die Botenszene zu Beginn von Akt V der »Historia« aber lehnt sich Locher wiederum an Mussato an. ______________ 46 47 48

WIESFLECKER 1956, v.a. S. 178 u. 184f. Marino Sanuto, I Diarii (1494–1512). Hrsg. v. Guglielmo Berchet, Bd. 15. Venedig 1886, S. 299. Ebd., S. 301–303; Raimondo GUARINO, Teatro e mutamenti. Rinascimento e spettacolo a Venezia. Bologna 1995, S. 106f.

5.3. Deutung historischen Geschehens durch die Tragödienstruktur

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Gerade in Venedig bildet sich in der »Ecerinis« die Gegenwehr der oberitalienischen Städte unter der Führung des Papstes und unter Beihilfe der ehemaligen Freunde Ezzelinos. Zwei Boten berichten hiervon. Das Kreuzheer erscheint als ein Werkzeug der göttlichen Gerechtigkeit, dessen plötzliches Auftreten sich geradezu logisch aus dem hochmütigen Gespräch Ezzelinos mit dem Mönch entwickelt, in dem sich der Spross des Teufels als Geißel Christi stilisiert und Gott verhöhnt, der ihm seinen Lebenswandel nicht wehre. Sein Hochmut schreit nach der Antwort Gottes, die sofort darauf folgt. Die Figur des Mönchs fehlt bei Locher. Die Wende ist vielmehr in dem Moment vollzogen, als der Name Maximilianus Rex glorissimus fällt (b4r). Während Ezzelino sich als Antichrist präsentiert und gegen die göttliche Ordnung und jedes Gesetz des menschlichen Zusammenlebens verstößt, verletzt Karl die gottgewollte Ordnung des Heiligen Römischen Reichs und die Gesetze staatlichen Zusammenlebens. Das Erscheinen des Botschafters Maximilians genügt ebenso wie das Erscheinen des Mönchs als eines Botschafters Gottes, um den Umschwung durch die Heilige Liga herbeizurufen. So wenig wie in der »Ecerinis« Gott selbst auftritt, so wenig muss Maximilian in der »Historia« auftreten. Er erscheint trotz seiner Abwesenheit als die Macht, die im Hintergrund die Fäden in der Hand hält, und deshalb kann er im Schlussakt als Sieger gepriesen werden. 5.3.4. Die Flucht Karls Dass sich die Franzosen am 6. 7. 1495 den Weg über den Taro freikämpfen und neun Tage später das französische Asti erreichen konnten, muss als eine Niederlage des Reichs gewertet werden. Noch Mitte Juni desselben Jahres hatte Maximilian erklärt, er wolle Mitte Juli nach Italien aufbrechen, und selbst noch am 21 7. 1495 soll er vorgehabt haben, Karl den Weg zu versperren, bis er dann vier Tage später von Ludovico die Nachricht erhielt, dass Karl bereits Asti erreicht hatte.49 Damit war der Plan des Habsburgers, die Macht Frankreichs zu zerschlagen, am Widerstand der Reichsfürsten gescheitert, welche die bedrängte Lage des Königs ausnützten, um Reichsreformen durchzusetzen.50 Die Italiener feierten dennoch ihren Sieg am Taro;51 an einem allzu großen Machtgewinn Maximilians wären sie ohnehin nicht interessiert gewesen. Ein Gerücht, welches die venezianischen Gesandten nach Worms trugen, wollte, dass Ludovico die wenigen ihm zur ______________ 49 50

51

Deutsche Reichstagsakten, V, Nr. 1881, S. 1759, 1785f. Für Details zu Maximilians Ringen gegen die Reichsfürsten in Worms vgl. Hermann WIESFLECKER, Maximilian I. und die Wormser Reichsreform von 1495. Zs. des Historischen Vereins für Steiermark 49 (1958), S. 3–66. WIESFLECKER 1956, S. 190.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Verfügung stehenden deutschen Hilfstruppen gar nicht einsetzte und weit davon entfernt war, sein Möglichstes zu tun, um Karl aufzuhalten.52 Die Literaten im Umfeld des Kaiserhofs mussten allerdings ihrerseits versuchen, den für Maximilian peinlichen Ausgang des Italienkriegs zu beschönigen. In der lateinischen Autobiographie Maximilians heißt es, einziger und schnell erreichter Zweck des Reichstags zu Worms sei es gewesen, Truppen gegen Frankreich zu sammeln und zu entsenden: Qui si non fuissent, absque dubio totam Italiam subiugasset.53 Im pseudo-autobiographischen »Weißkunig« fällt das Jahr 1495 aus, und Maximilians Italienfeldzug von 1496 erscheint als die direkte Antwort des Römischen Königs auf Karls Übergriff auf Italien: Jn dem Zoch der plab kunig [= Karl], auf ainen mechtigen fursten, der dem Jungen weisen kunig [= Maximilian] zugehöret, der maynung, denselben furstn Zuvertreibn, das aber der Jung weiß kunig, nit gestaten wolt, vnd zoch mit seinem volck demselben furstn zu hilf, vnd entschuttet Jne, vnnd traib den plaben kunig Zurück aus dem Lanndt (S. 255f.)54

Für Locher bietet sich 1495 eine solche Möglichkeit noch nicht. Er nutzt im Gegensatz dazu die Struktur der Tragödie, um Karls Flucht als eine Katastrophe für den Franzosen erscheinen zu lassen. Der Titelheld einer Tragödie, der Tyrann, muss am Ende zugrunde gehen. Auf ein retardierendes Moment wie das erneute Aufbäumen Ezzelinos, als er die Nachricht vom nahenden Kreuzheer erhält, verzichtet Locher. Nachdem der Bote Venedigs von der Schlacht am Taro berichtet hat, beschreibt der Bote Ludovicos den Zusammenbruch der Macht Frankreichs und die kopflose Flucht der Truppen. Die Peripetie führt direkt in die Katastrophe. Die Unerbittlichkeit des Schicksals und die fast geheimnisvolle Macht der Liga gegenüber dem Tyrannen werden dadurch unterstrichen. Entgegen der historischen Wahrheit, aber gemäß der Gattungskonvention und dem Vorbild Mussatos, stimmt zum Schluss der Chor ein Jubellied über den Sturz des Tyrannen an: Ausonii gaudete patres: germania gaude Bellica: iam fulget gloria parta tibi! Rex modo gallorum sublimi cultus in arce Et solio! sceleris tristia damna luit. Parthenopes voluit nuper proscindere regnum Et capitolini menia sacra iovis: Attamen eximiis victoria amicta triumphis

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Deutsche Reichstagsakten, Bd. 5, Nr. 1881, S. 1785. Fragmente einer lateinischen Autobiographie Maximilian I., in: Der Weißkunig. Nach den Dictaten und eigenhändigen Aufzeichnungen Kaiser Maximilians I. zusammengestellt von Marx Treitzsauerwein von Ehrentreitz. Hrsg. v. Alwin Schultz. Jb. der kunsthistorischen Sammlungen 6 (1888), S. 421–446, S. 443, Z. 24f. Maximilian I., Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten von Marx Treitzsaurwein auf dessen Angeben zusammengetragen, nebst den von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten. Neudr. d. Ausg. Wien 1775. Weinheim 1985.

5.3. Deutung historischen Geschehens durch die Tragödienstruktur

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Sistere non passa est huncce trophea sibi: Ipsa solet iustis alas expandere sacras Et vectare probos candida ad astra duces: Impietate sua cecidit rex lilifer: atque Nunc scelerum penas sentit et exitium! Lilia decrescunt. gallos sua lilia perdunt. Lilia marcescunt stipitibusque cadunt. Lilia nunc tristes lapsus experta: ruinam Imperii mestam significantque luem. Lilia quid sacras aquilas vexastis: olympi Stelliferi sedes que penetrare solent. Hec volucris summo semper bene grata tonanti Inter aves cunctas sola sacrata manet. Dum fierent contra titanas bella superbos Tunc aquila est superos auxiliata deos. Tu sequeris vastos rex lilifer: vsque gigantes Affectas orbis dum lacerare caput. Fulgebit toto romanus cesar in orbe Qui didicit pacis non violare fidem. (b5v, V. 1–26) (Fürsten Italiens, freut euch! Freue dich, kriegerisches Deutschland: Schon erstrahlt der von dir erworbene Ruhm! Der König der Franzosen leidet nun schreckliche Strafen für das Verbrechen eines hoffärtigen Hof- und Thron-Kults. Vor kurzem noch wollte er das Königreich Neapel und die heilige Stadt des kapitolinischen Jupiters niederwerfen. Die Siegesgöttin aber, gehüllt in herausragende Triumphe, hat es nicht erduldet, dass er siegreich sei. Sie pflegt ihre göttlichen Flügel über die Gerechten auszubreiten und edle Heerführer zu den glänzenden Sternen empor zu tragen. Der Lilien tragende König ist wegen seiner Treulosigkeit gestrauchelt, und jetzt erfährt er die Strafen für seine Verbrechen und stürzet in den Untergang. Die Lilien schwinden. Ihre eigenen Lilien richten die Franzosen zugrunde. Die Lilien welken und fallen von den Stängeln. Die Lilien, die nun den traurigen Niedergang erfahren haben, bezeichnen den traurigen Untergang des Reichs und das Verderben. Lilien, weshalb habt ihr die heiligen Adler misshandelt, die zu den Sitzen [der Götter] im himmlischen Olymp zu fliegen pflegen? Dieser Vogel bleibt unter allen Vögeln allein dem Höchsten, dem stets gütig herrschenden „Donnerer“ [Jupiter/Gott] geweiht. Im Krieg gegen die hoffärtigen Titanen half seinerzeit der Adler den himmlischen Göttern. Du, Lilien tragender König, strebst den ungeschlachten Giganten nach, wenn du danach trachtest, das Oberhaupt der Welt zu zertrümmern. – Im ganzen Erdenrund wird der Römische Kaiser erstrahlen, der gelernt hat, dass man einen Friedensbund nicht verletzt.)

Noch bei Celtis in Ingolstadt oder auch in Tübingen 1492 dürfte Locher der offene und als politische Propagandaschrift verbreitete polemische Briefwechsel Jakob Wimphelings mit dem französischen Hofpoeten und Diplomaten Robert Gaguin in die Hand gekommen sein.55 Thema des Briefwechsels ist der sog. Brautraub: Karl VIII. hatte 1491, während Maximilian im Ungarnkrieg gebunden war, die mit ihm verlobte Margarete, die Tochter Maximilians, verstoßen und ______________ 55

Vgl. HEIDLOFF, S. 314.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Maximilians Braut, Anne de Bretagne, zur Frau genommen. Von einer groß angelegten Publikation dieser Freveltat erhoffte sich Maximilian – wenn auch vergeblich – die Unterstützung des Reichs für einen Rachefeldzug zu gewinnen. Daher bilden den Kern des Briefwechsels auch zwei aufeinander bezogene Gedichte Wimphelings in sapphischen Strophen,56 von denen das erste (vom 12. 2. 1492) die Untat des Franzosen und den moralischen Niedergang Frankreichs beschreibt, mit dem eindringlichen Refrain lilia marcent. Das andere (vom 19. 2. 1492) verheißt den militärischen Untergang der Lilien, wenn der Adler sie zerfetze. Es endet mit den Strophen: Cum duae forsan aquilae repugnant, alteri gryphes cupiat57 nocere: mutuo belli posito furore vincitur hostis An negas vires aquilae potentis candidos flores violare posse? Terreat nuper reparans puella lilia regni. (Wenn etwa zwei Adler sich streiten und es dazu kommt, dass dem einen ein Greif schaden will, legt sich der gegenseitige Zorn und der Feind wird mit Kampfeswut besiegt. Glaubst du denn nicht, dass die Kräfte des mächtigen Adlers die weißen Blumen zerfetzen können? Das Mädchen58 versetzt die Lilien noch in Schrecken, wenn es demnächst Genugtuung fürs Reich fordert.)

Lochers Siegesgedicht am Ende der »Historia de Rege Frantie« antwortet nicht nur auf Wimphelings Gedichtreihe, sondern es bildet den Abschluss derselben. Der dort angedrohte Untergang des lilifer ist nun eingetreten, die zerstrittenen Adler haben sich gegen den Greifen gewandt, der den Streit der Deutschen ausnützen wollte. Es ist ein politisches Wunschbild, ebenso wie Wimphelings Drohung. Durch die Eindringlichkeit und „Einsichtigkeit“ des Theaters, der Repräsentation in Bild und Musik, und durch den Historizität vorgebenden Titel erscheint der Wunsch aber als wahr und bereits eingetreten: Die Geschichte des französischen Königs ist abgeschlossen. Der Kaiser triumphiert und mit ihm die göttliche Gerechtigkeit. Es ist ein Triumph gleich dem in Venedig, vergleichbar der Feier der göttlichen Heilstat zu Fronleichnam. 59 ______________ 56

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Jacob Wimpfeling, Briefwechsel. Eingel., komm. und hrsg. von Otto Herding und Dieter Mertens. 2 Bde. München 1990 (Jacobi Wimphelingi Opera Selecta 3), Nr. 26–29, S. 172–197. Auch in: J. J. MÜLLER, S. 136–141. Die bald nach der lateinischen herausgegebene deutsche Fassung der Gedichte findet sich ediert in: Ludwig GEIGER, Jacob Wimpfeling als deutscher Schriftsteller. Archiv für Litteraturgeschichte 7 (1878), S. 164–175, S. 172–175. cupiat] cupiant J.J. MÜLLER. Derk OHLENROTH hat angeregt, in der puella, die nuper Frankreich in Schrecken versetzt habe, eine Erinnerung an Jeanne d’Arc zu sehen. Ich verstehe das Mädchen allerdings eher als einen pars pro toto für das Verbrechen des Brautraubs, das binnen Kurzem Frankreich schaden soll. In der Literaturwissenschaft ist der optative Charakter dieses Schlusses bisher übersehen worden. COPPEL 1979, S. 267 und PRICE, S. 25 sehen in Lochers zweitem Drama, der »Tragedia de

5.4. Der Tragödienchor als didaktischer Kommentar

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5.4. Der Tragödienchor als didaktischer Kommentar Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen Lochers und Verardis »Historia« ist der Chor, den der Philomusus wie Mussato und wie Seneca (und später auch Reuchlin) zwischen den Akten und wie Mussato, aber anders als die meisten antiken und humanistischen Dramenautoren, auch am Ende des letzten Akts auftreten lässt. Die »Historia de Rege Frantie« bildet mit diesen – notierten – Chorliedern den Beginn der gesungenen Humanisten-Ode in Deutschland.60 Auf Lochers Hinweise bezüglich der Bedeutung der Musik wird unten einzugehen sein, hier interessiert zunächst der Inhalt der Chorlieder. Horaz erklärt in der »Ars poetica«, die Rolle des Chors entspreche der eines Schauspielers, d. h. er solle in die Handlung involviert sein (V. 193).61 Er solle zwischen den Akten nichts singen, was nicht zum Thema gehöre oder an dieser Stelle deplaziert sei (quod non proposito conducat et haereat apte, V. 195); er solle schließlich auf der Seite der Guten stehen, als Freund, Berater und Tröster, das Gute loben und zu den Göttern beten, ut redeat miseris, abeat Fortuna superbis (V. 201). Senecas Chorlieder folgen keineswegs immer diesen an der griechischen Tragödie entwickelten Normen; vielmehr führt Seneca in seinen Tragödien die weiteste Bandbreite der Variationen des Bezugs zwischen Chor und handelnden Figuren sowie zwischen den Inhalten der Chorlieder und der Handlung vor; selbst die metrische Nähe oder Differenz der Chorlieder zum Dialogtext variiert, bis hin zu eventuell getanzten Chorliedern in der »Medea«.62 Zudem lassen sich bei ihm zahlreiche Abstufungen der Informiertheit, des Weitblicks und der moralischen Festigkeit des Chors beobachten.63 Den Dichtern des Frühhumanismus nun bieten sich verschiedene Interpretationsmöglichkeiten für die Differenz zwischen den Autoritäten Horaz und Seneca. Mussato hält sich in der Gestaltung seiner Chorlieder weitgehend an Horaz. Der Chor tritt bei ihm in einen Dialog mit den Boten, er spricht wie die anderen Figuren in jambischen Trimetern und singt am Ende der Akte Lieder in jeweils unterschiedlichem Versmaß, stets bezogen auf die Handlung, und formuliert seine Kommentare aus der Perspektive der „Guten“. Er mahnt die Hochmütigen an das Rad der Fortuna, welches sie stürzen wird; er fleht v. a. am Ende des zwei______________ 60 61

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Thurcis et Suldano«, eine grundsätzliche Neuerung, insofern sich Locher hier von der historischen Wahrheit der »Historia de Rege Frantie« abkehre und der politischen Utopie zuwende. COPPEL 1979, S. 263. Dies entspricht der Forderung der aristotelischen »Poetik«, Et chorum autem unum oportet suscipere ypocritas et partem esse totius et coagonizari (1456 a 26f.). Seneca, Lucius Anneus, Medea. Hrsg. u. übers. v. Bruno W. Häuptli. Stuttgart 1993 (RUB 8882), erstes, zweites und drittes Chorlied, S. 11, 33, 59. Konrad HELDMANN, Nachwort, in: L. Annaus Seneca, Oedipus. Hrsg. u. übers. v. Konrad Heldmann. Stuttgart 21992 (RUB 9717), S. 120–142, S. 138; vgl. Alberto GIL, Die Chorlieder in Senecas Tragödien. Eine Untersuchung zu Senecas Philosophie und Chorthemen. Diss. Köln 1979.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

ten Akts in aller Eindringlichkeit zu Gott, dass er Ezzelinos Wüten nicht ungehindert geschehen lassen möge. Die Ironie des Handlungsgangs will es, dass Ezzelino zu Beginn des folgenden Akts den Gedanken, den der Chor eben geäußert hat, wieder aufgreift. Er sieht sich in seinem Handeln bestätigt, da Gott nicht eingreift. Sic fata forsan expetunt, quae non Deus Prohibere curans, esse sic ultro sinit; Nam quisque liber arbiter in actus suos. (V. 284–286) (So fordert es wohl das Schicksal, und da Gott sich nicht darum kümmert, es zu hindern, lässt er es frei so geschehen; denn jeder hat die Entscheidungsfreiheit in seinem Handeln.)

Nicht immer aber bleibt Mussatos Chor der Ebene der Handlung verhaftet. Bereits bei seinem ersten Auftritt fällt auf, dass er nicht unmittelbar auf das Geschehen und auf Ezzelino Bezug nimmt. Dieser hat in den Versen zuvor seinen Vater Satan angerufen. Der Chor wirft ein: Quis vos exagitat furor, O mortale hominum genus? Quo vos ambitio vehit? Quonam scandere pergitis? (V. 113–116) (Welche Raserei treibt euch, sterbliches Menschengeschlecht? Wohin führt euch der Ehrgeiz? In welche Höhen wollt ihr euch versteigen?)

Damit beklagt er nicht die Hoffart des Protagonisten, sondern der Menschen allgemein. Er steht auf einer abstrakteren Ebene als die Handlung. Wenige Verse später spricht er dann einen konkreten Adressatenkreis an: Vos in iurgia, nobiles, Atrox invidiae scelus Ardens elicit, inficit: Numquam quis patitur parem. O quam multa potentium Nos et scandala cordibus Plebs vilissima iungimus! (V. 129–135) (Euch Adelige treibt in Streitereien glühend die scheußliche Sünde des Neids und vergiftet euch. Niemals duldet jemand einen Ebenbürtigen. O, wie viele Laster der Mächtigen tragen auch wir, das gänzlich unbedeutende Volk, in unseren Herzen!)

Angesprochen sind die Adeligen, die alle potenzielle Tyrannen sind, dann aber auch das „normale“ Volk, d. h. der dritte Stand, mit dem sich der Chor identifiziert. Das Volk besitze die gleichen Laster wie der Adel, auch wenn es ihm zum Teil an der Möglichkeit sie auszuleben fehle. Das gesamte Publikum also, mit dem Mussato rechnen kann, soll sich in Ezzelino gespiegelt sehen. Die Tragödie will, das wird aus diesem ersten Chorlied offenbar, nicht als eine reine Geschichtsdarstellung verstanden werden, nicht als die Beschreibung einer außerordentlichen, einmaligen Begebenheit, noch als ein nur für den Adel relevantes Lehrstück; sie

5.4. Der Tragödienchor als didaktischer Kommentar

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ist ebenso wie die Komödie Spiegel der Sitten und eine Lehre für alle. Eine ähnlich überlegene, die Handlung von außen kommentierende Position nimmt der Chor erst wieder im Schlusslied ein, auf das unten noch einzugehen ist. Locher setzt seinen Chor bereits formal stärker von der Handlung ab: Der Haupttext ist in Prosa gehalten, der Chor spricht oder singt in elegischen, sapphischen oder heroischen Versen. Er äußert sich nur jeweils am Akt-Ende und tritt nicht in einen Dialog mit den Boten oder anderen Figuren der Handlung. Er bleibt gänzlich isoliert, entgegen den Vorschriften von Aristoteles und Horaz. In seiner Horaz-Ausgabe von 1497 kommentiert Locher V. 193 der »Ars poetica«, den er mit einer Zeigehand markiert, wie folgt (CXIIIr):64 Actoris partes. chorus officiumque virile Defendat...

partes. Sic debet unus! ACTORIS quisque recitare fabulas ut audien-

tes laudent65 eum suumque officium laudando protegant ab accusatoribus. Quando vir agit virum chorus debet induci. chorus inquit non multarum personarum partes suscipiat. quia in cliorio multi sunt. sed virilem partem tueatur. hoc est unius viri. virile autem non aliqua re astuta. sed unumquemque contigit. Est autem ordo. chorus defendat partes actoris et officium virile.

(„Der Chor übernehme die Rolle eines Schauspielers und die Aufgabe eines Mannes“. – Die Rolle eines Schauspielers. Jeder muss so den Text rezitieren, dass ihn die Zuhörer loben und sie ihn und sein Amt [d. h. den Schauspielerstand] lobend gegen Kritiker verteidigen. Wenn jemand als eine Figur der Handlung auftritt, muss ihn der Chor einführen. Der Chor, so sagt er [Horaz], soll nicht die Rollen vieler Personen übernehmen, da Clio in ihrem Hause ja viele zu vergeben hat. Er soll sich vielmehr auf die Seite eines Mannes schlagen, d.h. eines einzigen Mannes. „Männlich“ soll er sich zeigen, aber nicht in irgendeiner listigen Angelegenheit, sondern in einer Sache, die alle betroffen hat. Die Wortfolge ist allerdings: chorus defendat partes actoris et officium virile.)

Locher sieht in V. 193 weniger die Forderung einer Involviertheit des Chors in die Handlung, als einer Eindeutigkeit und „Mannhaftigkeit“ seiner Stellungnahme in Fragen und Situationen, die alle, sie in der Handlung vorgeführt worden sind, alle berührt haben. Die Möglichkeit, dass der in die Handlung involvierte Chor auch an Intrigenspielen teilnehmen könnte, lehnt er strikt ab; der Chor spielt ein offenes Spiel. In der Rolle dessen, der Akteure vorstellen soll, kommt der Chor ______________ 64

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Horatii Flacci Venusini poete lirici opera: cum quibusdam annotationibus imaginibusque pulcherrimis aptisque ad odarum concentus et sententias. [Hrsg. v. Jacob Locher]. Straßburg: Johannes Grüninger, 1498 (Exemplar UB Freiburg Ink. 4. D. 6329, p). laudent ] laudet.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

entgegen den antiken Vorschriften einem Herold oder Spielleiter nach mittelalterlicher Vorstellung nahe. Er steht kommentierend außerhalb der Handlungsebene und ersetzt den Erzähler narrativer Texte. In dieser Funktion begegnet man dem Chor in der »Historia de Rege Frantie«. Mehr noch als bei Mussato fällt bei Locher der erste Chorgesang aus dem unmittelbaren Handlungszusammenhang heraus. Die Worte, mit denen der Chorus sapphicus am Ende von Akt I das vorausgegangene Geschehen, den Traum Karls und dessen Deutung durch den Herzog von Orleans (den späteren König Ludwig) sowie die Entscheidung zum Feldzug, kommentiert, erstaunen zunächst: Quisquis eternum cupit ad nepotes Nomen educi celebremque famam Impiger claros capiat labores pectore forti (a6r, V. 1–4). (Wer möchte, dass sein unsterblicher Name und sein gefeierter Ruf an die Nachkommenschaft überliefert werde, der nehme unverdrossen und mannhaft im Herzen ruhmvolle Mühen auf sich.)

Auf den ersten Blick scheint es, als lobe der Chor den kühnen Entschluss Karls, der dafür von der Nachwelt gerühmt werde. In der nächsten Strophe aber präzisiert der Chor seine Rede: Das Lob der Welt verdienten Tapferkeit und (im Adonius hervorgehoben) ingenium. In der dritten und vierten Strophe rücken die geistigen Werte ins Zentrum; die claras athenas, Bildung und Wissenschaft, solle man loben; sie würden von den Dichtern verewigt. Die virtus studiosa endlich mache die Fürsten der Erde Gott ähnlich. So kann der Chor schließen: Ergo virtutis monumenta quisquam Integer vite colat: ut nepotes Sic suos reddat memores: et acta candida linquat Alter heroos capiat labores Et duces bello cupiat potentes Vincere: insignes agat ut triumphos Victor et auctor Alter attrectet studium sophie Gustet et sacras epulas minerve Ut queat duros superare casus Fataque rerum (a6v, V. 21–32) (Also suche ein rechtschaffen Lebender sich Denkmäler der Tugend zu setzen, damit er so seinen Nachfahren strahlende Taten als Erinnerung hinterlasse. Der eine nehme heroische Mühen auf sich und versuche, mächtige Fürsten im Krieg zu besiegen, um als Sieger und [Staats-]Lenker herausragende Triumphe zu feiern. Der andere befasse sich mit dem Studium der Weisheit und koste die heilige Speisung der Minerva, damit er harte Stürze und Schicksalsschläge überwinden könne.)

Dieses Lob der vita contemplativa und der vita activa hat zunächst keinen unmittelbaren Bezug zur Handlung. Es wendet sich vielmehr wie Mussatos erster Chor

5.4. Der Tragödienchor als didaktischer Kommentar

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direkt an das Publikum: an Gelehrte und Adelige. An sie beide ist der Appell gerichtet, sich durch tugendhafte Verdienste unsterblichen Ruhm zu verdienen. Die Alternative, der guten Sache im Feld oder auf dem Papier zu dienen, war bereits in Lochers Brief aus Bologna formuliert, als Rechtfertigung des Dichters. Sie ist hier eine Rechtfertigung und ein Lob der Universität. Indem quisquam integer vite vom Chor angesprochen wird, ist jeder einzelne im Publikum aufgefordert, sich im Spiegel der vorliegenden Spiels zu prüfen, ob er zu den tugendhaften Fürsten oder zu den erhabenen Weisen gezählt werden dürfe. Der edle Fürst schafft sich durch seine Heldentaten monumenta, und zwar durch Triumphe. Das Lob des Triumphators zu Beginn einer Tragödie aber muss den Zuschauer davor warnen, den Protagonisten sogleich mit dem edlen Fürsten gleichzusetzen. Ein unbedacht und auf falschen Rat hin begonnener, ungerechter Feldzug wie der Karls kann ins Gegenteil umschlagen und dem Gegner zu einem Triumph und zu Nachruhm verhelfen. Im letzten Adonius fällt hierzu der Schlüsselbegriff: Fata rerum. Wie der erste Chor der »Ecerinis« mündet auch dieser Chorgesang in eine Warnung vor dem Schicksal. Hatte Mussato seinem Publikum die Augen dafür geöffnet, dass die Sünde Aufstieg und Fall vom Rad der Fortuna bedeute, so schlägt Locher hier den umgekehrten Weg ein: Er lobt diejenigen, die am Ende nicht stürzen und sich durch virtus oder durch das studium sophiae aus der Verhaftetheit an vergängliche Dinge gelöst haben. Mit diesem ersten Chorgesang ist wie bei Mussato neben der Handlungsebene eine zweite Ebene des Dramas geöffnet, die Ebene der Didaxe, die an das gesamte Publikum gerichtet ist. Anders aber als in der »Ecerinis« ist diese Ebene weiter aufgespalten; es geht nicht nur um den Protagonisten als ein Exempel politischen Handelns. Locher blendet vielmehr auch die Metaebene ein, die sich bei einem Werk, das seinen Platz in der Universität hat, anbietet: Der Gelehrte (d.h. der Autor und die Aufführenden), die studia humaniora und das Werk selbst als Produkt und Gegenstand der universitären Wissenschaft werden mit reflektiert. Auch nach dem zweiten Akt bleibt der Chor deutlich außerhalb des Geschehens. Nachdem Karl zum Angriff auf Italien ansetzt, sinnt der Chor allgemein über die mortales und den Krieg nach, der doch immer ein tödliches Ende nehme. Dies erinnert an den ersten Chorgesang in der »Ecerinis«, der die Blindheit der Menschen gegenüber dem tödlichen Ausgang jeder Tyrannei beklagt. In elegischem Versmaß erinnert Lochers Chor an den Untergang des Julius Caesar, der Scipionen, der Trojaner, des Achill und des Cyrus und fleht dann die Götter an, Ut iusti vincant magnanimique viri (b1v, V. 22), während der Ungerechte zu Recht stürze (dum ruit iniustus: credite rite cadit, b1v, V. 24), und zwar von je höher umso vernichtender (Qui cadit ex alto grandius inde cadit, b1v, V. 26). Locher folgt damit gänzlich der oben zitierten Vorschrift des Horaz, dass der Chor zu den Göttern beten solle, ut redeat miseris, abeat Fortuna superbis (V. 201). Auch bei diesem Gebet aber bleibt der Chor weiterhin von der Handlungsebene separiert.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Erst am Ende von Akt III, als der Herold von Karls siegreichem Zug erzählt hat, nimmt der Chor – nun in dem typischen Metrum rezitativer Texte, dem heroischen Vers – tatsächlich auf das Geschehen Bezug und erwägt, ob es den Franzosen zustehe zu triumphieren. Von langer Dauer aber könne, so wendet er selbst ein, ein Triumph nicht sein, der auf ungerechtem Wege herbeigeführt worden sei. Sogleich ist die allgemeine Ebene wieder erreicht, auf welcher der Chor nun von nos und quisquam spricht: Non propter mores sanctos: non civica iura Sumuntur martis fulgentia tela cruenti Non propter leges sacras: et nomine66 christi Rumpantur pacis neglecte foedera: sed nos Precipites ducit rerum vesana cupido. Consulat ergo sibi quisquam quo rite ministret Imperium: sortem contineatque suam (b2v, V. 17–21). (Nicht zum Schutz heiliger Sitten, nicht zum Schutz bürgerlichen Rechts, werden die strahlenden Geschosse des grausamen Mars ergriffen, nicht wegen heiliger Gesetze oder im Namen Christi würden Friedensverträge missachtet und gebrochen, sondern die rasende Begierde nach Besitz lässt uns kopfüber stürzen. Daher möge man sich selbst fragen, womit man dem Reich recht dienen könne, und man halte sein Schicksal im Zaum.)

Ein zweiter Chor antwortet hier in elegischem Versmaß und verweist auf die göttliche Hand, die alles Geschehen lenke. Gott gelte es für jeden Triumph zu loben, doch vor ihm müsse sich auch jeder hüten, der ungerecht zu den Waffen greife. Und dies gelte eben für den König von Frankreich (b3v). Karl wird damit zu einem Exempel eines allgemeingültigen Gesetzes; der Chor nimmt offensichtlich von einer höheren, moralisch-theoretischen Ebene aus Bezug auf das Geschehen. Im oben bereits zitierten Schlusschor ist dies noch einmal deutlich zu erkennen. Lochers Chorkonzept ist gegenüber dem klassisch antiken ein neues. Es entspricht dem von Mussatos erstem Chorgesang, der Chor bleibt aber dann auf dieser Ebene und wird nicht weiter in die Handlung hinein gezogen. Er steht zwischen Handlung und Zuschauer, und zwar näher bei letzterem; er spricht nie zu Figuren. Seine Rolle ist die eines moralisierenden Kommentators und entspricht etwa der des Erzählers spätmittelalterlicher Epik oder des Herolds im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen deutschen Spiel. Einen bemerkenswerten Sonderfall stellt das Lied am Ende von Akt IV dar. Es ist nicht vom Chor gesungen, sondern von Alfons selbst, der zuvor in Prosa gesprochen hat. Seine Klagerede ist an die reges et principes orbis gerichtet, die in ihm ein Exempel für die Unberechenbarkeit und Unverlässlichkeit des weltlichen Glück sehen sollen (b3v). Das daraufhin angestimmte Lied in elegischem Versmaß ______________ 66

nomine ] nomina.

5.4. Der Tragödienchor als didaktischer Kommentar

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gibt ihm zunächst die Möglichkeit zu einem verstärkt emotionalen Ausdruck seiner Klage: En cecidi misero casu: qui nuper in orbe Rex fueram clarus: imperioque potens. Heu cecidi: famam nec questio tollit obortam Heu cecidi sortis impietate mee. (b4r, V. 3–6) (Siehe, ich bin gestürzt in elendem Fall, der ich noch vor kurzem ein strahlender König in der Welt und eines Reiches mächtig war. Wehe, ich bin gestürzt, und keine Klage hebt den Ruf67 auf, da aufgekommen ist. Wehe, ich bin gestürzt durch die Unverlässlichkeit meines Schicksals.)

Innerhalb der nächsten Verse wechselt er von der Ich-Rede zu einem allgemeinen nos, das die Menschen als solche bezeichnet, und zur Rede über quisquis, jeden, der die Unsicherheit des Schicksals beachten solle. Diese moralisierende, verallgemeinernde Darbietung seines eigenen Falls lässt Alfons hier die Aufgabe des Chors übernehmen. Dann aber, in den letzten beiden Versen seines Gesangs, tritt er noch weiter aus seiner Rolle heraus: Exemplum dedimus mortalibus usque timendum Quo possint celerem nunc suparare rotam. (b4r, V. 11f.) (Wir haben den Menschen ein beständig Furcht erregendes Exempel gegeben, damit sie nun das sich schnell drehende Rad überwinden könnten.)

Das ‚Wir‘ bezeichnet nicht mehr die Menschen allgemein, es ist nun plötzlich ihnen gegenüber gestellt. ‚Alfons‘ spricht (genauer singt) hier nicht mehr als der gestürzte König auf der Handlungsebene oder als der Kommentator des Geschehens, sondern als Darsteller. Er wendet sich direkt an die Zuschauer, ähnlich wie auch in Akt III der Bote am Ende seiner Rede direkt die spectatores eminentissimi anspricht: Valete et si quid deinceps preclare gestum fuerit: istuc in vestro theatro uti mimus aliquis argutissimus edicam. (b2v). (Lebt wohl, und wenn später noch etwas Rühmenswertes vollbracht werden sollte, werde ich es hier in eurem Theater in der Rolle eines überaus wohlberedten Schauspielers verkünden.)

Dieses Spiel mit der Rolle, das Heraustreten des Darstellers aus der Illusion und das dadurch erzielte Wachhalten des Bewusstseins vom repräsentativen Charakter des Dargestellten ist ein Merkmal des mittelalterlichen Spiels. Locher übernimmt es nicht nur bei Figuren, die sich dafür anbieten, wie Boten, die ohnehin der Herold-Rolle nahe sind, sondern auch bei zentralen Figuren der Handlung wie dem König von Sizilien. Er spielt mit den Grenzen zwischen fiktiver Rolle, kommentierendem Chor und Darsteller. Damit kann er die oben genannten Ebenen der Rede umso besser separieren, die Handlungsebene, die Ebene der didaktischen Deutung der Handlung und die Ebene der Reflexion über den Sinn der dramati______________ 67

Gemeint ist wohl der Ruf vom Triumph Karls und der unwiderlegbaren Niederlage Alfonsos.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

schen Darstellung. Diesen definieren die Chorgesänge ähnlich wie er in Mussatos erstem Brief bestimmt ist: Die Tragödie solle stoische Ruhe und virtus lehren und damit helfen, den Lauf des Fortuna-Rads zu überwinden.

5.5. Fortuna, der Kern der Tragödie Nach Mussato stärkt die Tragödie „die Sinne gegenüber der Kontingenz“ (Epist. I, V. 93). Ihr Hauptzweck bestehe im Aufdecken der mobilitas des Schicksals (V. 107f.). Fortuna ist daher das Leitmotiv der »Ecerinis«. Sic semper rota volvitur, / Durat perpetuum nichil (V. 146f.), erklärt bereits warnend der erste Tragödienchor. Ein blindes Vertrauen auf das sprichwörtliche Glück der Tüchtigen,68 wie es die Soldaten des Tyrannen zeigen, Fortuna vires ausibus nostris dabit (V. 431), kann der Chor nur mit einer erneuten Mahnung an das Rad quittieren, das sich fortlaufend drehe. Fortuna ist bei Mussato nicht allein die blinde, grausame Macht Tyche, als welche sie in der römischen Literatur und speziell im Drama spätestens seit Pacuvius etabliert ist.69 Frater Lucas mahnt Ezzelino im zentralen Akt III an die Vergänglichkeit aller Dinge, omne, quod oritur, occidit (V. 342). Bewusst wird hier die Zweideutigkeit beibehalten von „Alles was entsteht, vergeht“ und „Alles was sich erhebt, stürzt“. Beide Lesarten beschreiben das Naturgesetz, dem alles folge; alles bewahre die Ordnung; dictus hic ordo sacer / Iustitia (V. 356f.): Diese heilige Ordnung ist die Gerechtigkeit. Sie ist der von Ezzelino unmittelbar zuvor beanspruchten absoluten Willensfreiheit kontradiktorisch gegenübergestellt. Gott habe, so fährt Lucas fort, die Menschen mit Glauben, Liebe und Hoffnung versehen, damit sie diese seine Ordnung wahren (V. 360), Ezzelino möge zu diesen dem Menschen angeborenen Tugenden zurückkehren. Fortuna, welche die Hohen stürzt, ist so in den göttlichen Weltplan hereingeholt, sie ist Teil der göttlichen Gerechtigkeit und wird erst für den zur Bedrohung, der sich nicht in die Ordnung der Welt fügt. Das Mittel, sich hierein zu fügen, ist nicht die römische virtus, sondern es sind die von Gott als Gnadengabe verliehenen christlichen Kardinaltugenden Glaube, Liebe und Hoffnung (1 Kor 13, 13). Dieses christliche Verständnis von Fortuna wird dem Publikum im Schlusslied der »Ecerinis« noch einmal mit aller Nachdrücklichkeit nahe gebracht. ______________ 68

69

Terenz, Phormio, V. 203: fortis fortuna adiuvat; Seneca, Medea, V. 159: Fortuna fortes metuit, ignavos premit. Vgl. I. KAJANTO, Fortuna, in: Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 8. Stuttgart 1972, Sp. 182–197, Sp. 184f. Jerold C. FRAKES, The Fate of Fortune in the Early Middle Ages. The Boethian Tradition. Leiden u. a. 1988 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 23), S. 14. Zu Fortuna und Providentia in der mittelalterlichen Literatur sei auf zwei neuere Aufsatzsammlungen verwiesen: Walter HAUG und Burghart WACHINGER (Hrsg.), Fortuna. Tübingen 1995 (Fortuna vitrea 15); Jörg O. FICHTE (Hrsg.), Providentia – Fatum – Fortuna. Berlin 1996 (Das Mittelalter 1).

5.5. Fortuna, der Kern der Tragödie

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Haec perpetuo durat in aevo Regula iuris. Fidite, iusti: Nec, si quando forsitan ullum Quemquam nocuum sors extollat, Regula fallit. Consors operum Meritum sequitur quisque suorum. Stat iudicii conscius aequi Iudex rigidus, iudex placidus; Donat iustos, damnat iniquos. Haud hic stabilis desinit ordo: Petit illecebras virtus superas, Crimen tenebras expetit imas. Dum licet ergo moniti stabilem Discite legem. (V. 618–629) (Diese Regel des Rechts hat ewig Bestand. Habt Vertrauen, Gerechte: Wenn das Schicksal vielleicht auch einmal einen Üblen erhöht, so täuscht die Regel doch nicht. Jeder erhält den gerechten Anteil, den er sich durch seine Taten verdient hat. Der strenge und milde Richter bleibt standhaft eines gerechten Urteils bewusst. Er belohnt die Gerechten und verdammt die Ungerechten. Diese stabile Ordnung geht nicht unter: Tugend führt zu den Freuden des Himmels, Verbrechen in das Dunkel der Hölle. Daher seid ermahnt und erlernt, solange ihr noch könnt, das dauerhafte Gesetz!)

Wenn Joseph BERRIGAN feststellt, dass am Ende der »Ecerinis« Providentia siege und nicht Fortuna,70 verkennt er den Charakter von Mussatos Fortuna. Ihr Rad ist für ihn kein Ausdruck der Kontingenz der Welt, sondern es ist ein Vehikel der göttlichen Ordnung und die Antwort auf die Frage der Theodizee: Qui autem se exaltaverit humiliabitur (Mt 13, 12).71 Jede Selbsterhöhung und d. h. jede Erhebung gegen die Ordnung führt zum gerechten Sturz aus der Höhe des Rads – spätestens in der Stunde des Todes. Dieses Verständnis der Fortuna entspricht, dies sei an dieser Stelle noch einmal betont, Mussatos christlicher Seneca-Interpretation. Nach Seneca beherrscht Fortuna die physische Welt; die Tugend aber verleiht sie weder, noch kann sie sie rauben. Die Katastrophen, die Fortuna in seinen Tragödien herbeiführt, betreffen daher nur „Nichtigkeiten“, die es gerade durch die Tragödienhandlung als solche zu erkennen gilt: materielle Güter. Der Philosoph kann der Macht der Fortuna entgehen, indem er sich auf innere Werte stützt, und für einen christlichen Denker würde dies bedeuten, auf die christlichen Tugenden.72 Die Verbindung von Fortuna und Providentia ist bei Boëthius vorgezeichnet, der zu Beginn seiner »Consolatio« die vernichtende Macht der Fortuna-Tyche in den Vordergrund stellt, die er nicht zuletzt am Beispiel des Krösus (II, pr. 2) und ______________ 70 71

72

BERRIGAN, S. 88. Lateinische Bibelzitate nach: Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem. Hrsg. von Robert Weber (†). Stuttgart 41994. FRAKES, S. 16.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

der Tragödienhelden exemplifiziert. Letztlich siegt aber die Erkenntnis, dass es keine Gegenüberstellung von Fortuna und göttlichem ordo gebe, sondern dass die (mit fatum gleichgesetzte) Fortuna Teil und Werkzeug des ordo, der göttlichen Providenz, sei. nam providentia est ipsa illa divina ratio in summo omnium principe constituta, quae cuncta disponit, fatum vero inhaerens rebus mobilibus dispositio, per quam providentia suis quaeque nectit ordinibus (IV, pr. 6).73 (Denn die Vorsehung ist jene im allerhöchsten Herrn gegründete göttliche Vernunft selbst, die alles ordnet; das Schicksal aber ist eine den beweglichen Dingen innewohnende Ordnung, mittels denen die Vorsehung alles in ihre Regeln einbindet.)

In der lateinischen Geschichtsschreibung des Mittelalters schließlich geht, wie Hans-Werner GOETZ anschaulich nachgewiesen hat, die Verschmelzung von Fortuna und providentia/ordo so weit, dass sie als zwei Perspektiven derselben Sache begriffen werden. „Fortuna ... entsprach ... gleichsam der (beschränkten) menschlichen Sicht, der Gottes Ratschlüsse letztlich verborgen waren. Die providentia Dei hingegen kennzeichnete die Perspektive des unwandelbar Göttlichen.“74 Diese Überzeugung steht auch hinter Francesco Petrarcas Erklärung in »De remediis utriusque fortunae«, dass er den Begriff ‚Fortuna‘ für die treibende Kraft des wechselhaften Weltgeschehens nur verwende, weil er dem allgemeinen Sprachgebrauch entspreche; die docti aber wüssten, was er damit meine, dass er nämlich wie Hieronymus die Existenz einer blinden Schicksalsmacht ablehne.75 Locher kannte Petrarcas Werk fraglos; es war nicht nur bereits 1474 in Straßburg gedruckt worden, sondern es lag auch aktuell Sebastian Brant vor: in einer im April 1495 von Jakob Wimpheling vermittelten italienischen Ausgabe. Brant gab 1496 eine Ausgabe der Werke Petrarcas bei Johannes Amerbach heraus.76 Eine unmittelbare Beschäftigung mit dem Problem der Fortuna verlangte schließlich das Projekt der »Narrenschiff«-Übersetzung. Lochers Kapitel De fortunae mobilitate in der »Stultifera navis« ist weit ausführlicher als seine Vorlage, »Narrenschiff«, ______________ 73

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75

76

Anicius Manlius Severinus Boethius, Philosophiae Consolationis libri quinque. Hrsg. v. Karl Büchner. Heidelberg 31977. Vgl. auch die deutsche Übersetzung des Herausgebers, der ich allerdings nicht wörtlich folge: Boethius, Trost der Philosophie. Übers. und hrsg. von Karl Büchner. Stuttgart 1971. Hans-Werner GOETZ, Fortuna in der hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung. Das Mittelalter 1 (1996), S. 75–89, S. 89. Ende der Vorrede zum zweiten Buch: Francesco Petrarca, Heilmitttel gegen Glück und Unglück. De remediis utriusque fortunae. Lat.-dt. Ausgabe in Auswahl, übers. u. komm. von Rudolf Schottlaender, hrsg. von Eckhard Keßler. München 1988 (Humanist. Bibliothek II, 18), S. 184. Vgl. dazu: Klaus HEITMANN, Fortuna und Virtus. Eine Studie zu Petrarcas Lebensweisheit. Köln/Graz 1958, S. 51, 55 u. ö.; Cora DIETL, Das wandelbare Gesicht der Fortuna. Petrarcas De remediis utriusque fortunae in deutschen Übersetzungen. JOWG [im Druck]. Jürgen GEISS, Herausgeber, Korrektor, Verlagslektor? Sebastian Brant und die Basler PetrarcaAusgabe von 1496, in: Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum Narrenschiff und zum übrigen Werk. Hrsg. v. Thomas Wilhelmi. Basel 2002, S. 83–102.

5.5. Fortuna, der Kern der Tragödie

97

Kapitel 37, Von gluckes fall.77 Brant geht es hier vornehmlich um die Vergänglichkeit von Reichtum und Macht, die Neid und Hass erregen und schnell geraubt sind, wofern die Macht sich nicht mit Gerechtigkeit und Gottesfurcht paare: Wer hatt gewalt der selb der ler Lieb haben gott / vnd suoch syn ere Wer gerechtikeyt halt jn der hant Des gwalt mag haben guot bestant (V. 23–26)

Die Illustration von Kapitel 37 ist dieselbe wie die von Kapitel 56, von end des gwaltes, und beide Kapitel sind auch eng aufeinander bezogen.78 In letzterem reiht Brant mehrere Exempel von Herrscherfiguren aneinander, die einen plötzlichen Untergang erlitten haben, als Mahnung an alle Mächtigen. Sindt witzig / vnd trachtend das end Das gott das radt / üch nit vmb wend Vörchten den herren / dyenent jm. (V. 41–43)

Gott wendet hier das Rad, wie die Illustration zeigt. Locher kürzt sein Kapitel Potentatus seculi finis gegenüber der Vorlage. Er streicht die Warnung vor Gottes strafender Hand und schließt stattdessen mit der Warnung, dass alles Menschliche untergehen müsse: pereunt quia nam mortalia cuncta / Quae facimus: cunctis exitus unus erit (64v). Brant korrigiert dies in den Marginalien,79 indem er auf Bibelstellen verweist, die seine Interpretation stützen: Ecclesi. xlix Iob.iii. Apoca. xviii. Sapientiae. vii. Die genannte Stelle JesSir 49,5f. verurteilt die Könige der Erde als gottlos; in Job 3 steht die Klage Jobs, der sich wegen seiner Sünde den Tod wünscht; Kapitel 18 der Offenbarung beschreibt den Untergang der mächtigen, sündigen Stadt Babylon. In diesen Bibelstellen wird gerade nicht das Organische jeden Untergangs betont, sondern die Sündhaftigkeit der Mächtigen und Gottes Strafe. Allein der letzte Verweis Brants deckt sich mit Lochers Interpretation, Sap 7,6: unus ergo introitus est omnibus ad vitam et similis exitus. Die Korrektur Brants vermag Lochers Intention umso deutlicher zu unterstreichen: Dem Philomusus geht es nicht primär um das göttliche Gericht, sondern um die Vergänglichkeit alles Menschlichen, getreu der Beobachtung Petrarcas zu Beginn seiner »Remedia«: ______________ 77

78 79

Ich beziehe mich hier auf die Baseler Erstausgabe von 1494. Sebastian Brant, Das Narrenschiff. Nach der Erstausgabe hrsg. von Manfred Lemmer. Tübingen 21968 (Neudrucke deutscher Literaturwerke, N.F. 5). Die Straßburger Fassung weicht in diesem Fall extrem von der Baseler ab; von den 192 Versen in Straßburg sind nur 14 Verse mit Basel identisch. Dementsprechend ist auch die Stoßrichtung des Kapitels eine gänzlich andere. Das Problem der Macht bleibt in Straßburg weitgehend unbeachtet. Im Zentrum steht Fortuna als die ungerechte Tyche, die Böse begünstigt und der man nur Gleichmut und Geduld entgegen bringen kann. Sebastian Brant, Das neue Narrenschiff (Das nüv schiff von Narragonia. Straßburg 1494). Hrsg. v. Loek Geeraedts. Dortmund 1981 (Dt. Wiegendrucke). Straßburg nimmt hier sogar 14 Verse von Basel, Kap. 37 auf. Zu den Marginalien, welche Sebastian Brant dem Druck der »Stultifera navis« beigegeben hat, da er ja seine inventio besser kenne als der „Übersetzer“, vgl. HARTL I, S. 99–101.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

Jacob Locher, Stultifera navis. Basel: Johannes Bergmann von Olpe, 1497, 67r.

5.5. Fortuna, der Kern der Tragödie

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Cum res fortunasque hominum cogito incertosque et subitos rerum motus, nihil ferme fragilius mortalium vita, nihil inquietius invenio. (Epistolaris praefatio, 1) (Wenn die Angelegenheiten und Schicksale der Menschen bedenke, die ungewissen und plötzlichen Veränderungen der Dinge, finde ich kaum etwas Zerbrechlicheres und Ruheloseres als das Menschenleben.)

Locher ergänzt Kap. 37 des »Narrenschiffs« durch eine breit angelegte Mahnung an die Sterblichkeit aller Kreatur. Nil adeo excelsum est / quid non trepidare ruinam Debeat: ad mortem cuncta creata ruunt. Omnia que terris nunc sunt innata / senescunt (47v)80 (Es steht nämlich nichts so hoch, dass es nicht den Sturz befürchten müsste: Alle Geschöpfe fallen dem Tod anheim. Alles, was jetzt auf der Erde lebt, altert.)

Jedes Leben, so scheint es, bedeutet ein excelsum esse, welches ebenso ein Entstandensein wie auch eine Selbsterhöhung bezeichnen kann. Jede Art des Emporkommens eines Geschöpfes verlangt nach einer Form des Niedergangs. Fortuna bezeichnet so ein natürliches Gesetz steten Wandels vom Glück ins Unglück – und auch umgekehrt: Tolluntur in altum ut lapsu graviore ruant. Nemo confidat nimium secundis Nemo desperet meliora lapsis Miscet hec illis prohibetque Clotho. Stare fortunam. rotat omne fatum (47r, Bildbeischrift) (Man wird in die Höhe gehoben, um in noch steilerem Fall zu stürzen. Niemand vertraue zu sehr dem Glück, niemand verzweifle; Klotho mischt das Bessere auf der einen Seite mit dem Zusammengestürzten auf der anderen und verhindert, dass das Glücksrad stehe. Ständig kehrt sich das Schicksal.)

Bei aller Betonung des Unvorhersehbaren und Wandelbaren Fortunas ist Lochers Fortuna dennoch keine Tyche im klassischen Sinn. Die Illustration mit der göttlichen Hand bleibt, und das Kapitel schließt mit dem Verweis darauf, dass das Rad von Gott selbst bewegt werde (rota vertetur cum deus ipse volet, 67v). Das von Gott gedrehte Rad als ein Naturgesetz, das dem Menschen nicht einsichtig ist, zum einen gänzlich unberechenbar zu sein scheint, zum anderen aber doch für die Hochmütigen besonders gefährlich ist und also auf eine göttliche Gerechtigkeit verweist: Dies ist eine Verbindung von Providentia und Fortuna, wie sie Locher in Mussatos »Ecerinis« vorgeformt fand. In der »Historia de Rege Frantie« dienen sors und fortuna als Leitbegriffe. Bereits im Tetrastichon des Titelblatts wird der Leser darauf vorbereitet, Hic canitur misere trita inconstantia sortis, und der Prolog weist den Zuschauer darauf hin: Continet enim potentissimi francorum regis tragicam historiam: quam simplici pompa: tenuique stilo confecimus: non ut quicquam dulce aut iucundum auribus tersis ex

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Paginierung im Original fehlerhaft. 47 ] LXVII.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

hac actione nostra infundi queat: sed ut optimus quisque fortune ac rerum humanarum imbecillitatem plane cognoscat (a4r). (Es enthält nämlich die tragische Geschichte des überaus mächtigen Königs der Franzosen. Ich habe sie schlicht und in gemäßigtem Stil gehalten, nicht damit etwas Süßes oder Angenehmes aus diesem unserem Schauspiel in geschulte Ohren dringen könne, sondern damit gerade die Besten die Hinfälligkeit des Schicksals und der menschlichen Angelegenheiten offen erkennen.)

In der an den Prolog angeschlossenen adhortatio ad spectatores wiederholt er diese Kernaussage des Stücks, in Abgrenzung von der Komödie, die nur von Privatleuten handle und auf Scherz und Lachen ziele. Nemo quidem temere sorti confidat inique Fallaci currit sors maledicta gradu. Nemo potest stabilem ac firmam iam ponere sedem Omnia nam fatum conterit atque rapit... Hoc sapiens quisquam fugiat: nam tempore in omni Mortales prona voluimur usque rota (a4v, V. 9–12, 19f.). (Freilich sollte niemand dem unsicheren Schicksal blindlings vertrauen, das verfluchte Schicksal nimmt nämlich einen täuschenden Lauf. Niemand kann schon einen festen und sicheren Sitz einrichten, denn das Schicksal zerstört und raubt alles. ... Dies [die trügerische Sicherheit] meide jeder Weise, denn zu aller Zeit werden wir Sterblichen überall vom jäh stürzenden Rad [der Fortuna] überrollt.)

Das unsichere Schicksal, an das der Prologsprecher mahnt, interessiert den Protagonisten Karl nicht. Nur einmal spricht er in Akt II von fortuna, und da voller Zuversicht: vadam, quo me fortuna vocat (b1r) – freilich eine zweischneidige Aussage. Hierauf greift der Chor das Thema sors und fortuna auf: Mortales misere turbantur sorte, erklärt er, noch keiner habe in diesem Leben einen festen Punkt erreicht (b1r). Das Schicksal ist aber nicht nur ungewiss, es ist auch gerecht: dum ruit iniustus: credite rite cadit: Fortunam proceres et magni cernite reges Qui cadit ex alto grandius inde cadit (b1v, V. 24–26). (Wenn der Ungerechte stürzt, glaubt mir, dann stürzt er zu Recht. Fürsten und hohe Könige, betrachtet den Schicksalslauf: Wer aus der Höhe stürzt, stürzt umso steiler.)

Fortuna hat hier ein starkes Element der Gesetzmäßigkeit in sich, sie ist ein Teil der Gerechtigkeit. Ähnlich ist im Chorgesang zu Akt III auch sors definiert: Für jeden gelte: sortem contineat... suam (b2v, V. 21), heißt es dort, er solle an seiner Bestimmung festhalten und sich nicht gegen sie erheben, sich ein eigenes Schicksal bauen wollen. Sors und fortuna sind also gesetzt, sind Teile einer (göttlichen) Weltordnung. Die handelnden Figuren in der »Historia« aber bleiben der weltlichen Perspektive verhaftet. Für sie ist fortuna eine zufällige, wankelmütige, nicht einschätzbare Größe. Die Klage Alfonsos in Akt IV dreht sich allein darum. Von mutatio fortune ist die Rede, von der temeritas (Planlosigkeit) der Fortuna, von der blanditia des Schicksals und von der delphica sors, die so undurchschaubar sei wie

5.5. Fortuna, der Kern der Tragödie

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das Orakel (b3v–4r). Selbst im fünften Akt, wenn die Entscheidung gegen den ungerechten Angreifer gefallen ist, beklagt noch der Bote Maximilians die Unsicherheit der sors, die mit den Menschen spiele: O quam fallaci vultu impia sors mortales ludit omnes: proh pudor quam instabilis subitusque rerum humanarum exitus est (b5r). Er wendet sich an das Publikum, es könne hier die inconstans fortuna erkennen. Plötzlich aber wechselt er die Perspektive und erklärt: Hisce rebus infeliciter gestis: orbis theutonus applaudit: ita spoliatores templorum: rerum publicarum destructores: apostolice sanctitatis calumniatores / et foederum pacisque corruptores divina providentia punire solet (b5r). (Diesen unglücklichen Vorgängen schenkt das Deutsche Reich Applaus: So pflegt die göttliche Vorsehung Tempelschänder, Zerstörer des Staats, Diffamierer des Papstes sowie Vertrags- und Friedensbrecher zu bestrafen.)

Reich und göttlicher ordo triumphieren am Schluss, und so erscheint der Deutsche König als Triumphator: Maximilian, der sich gerne mit einem Rad hat abbilden lassen. In Maximilians pseudo-biographischem »Theuerdank« trägt der Held das Fortunarad im Wappen,81 in Analogie zum Helden des nachklassischen Artusromans »Wigalois«, wo das Fortunarad als ein Zeichen dafür gedeutet wird, dass der Hausherr stets im Besitz des Glückes sei.82 Im »Triumphzug« zeigt Hans Burgkmair Maximilian thronend in einem Rad.83 Die Fresken an der Fassade des Palazzo Geremia in Trient, wo Maximilian wohnte, als er sich 1508 in Trient zum Kaiser proklamieren ließ, stellen ein Fortunarad unter das Krönungsgeschehen. Beim festlichen Einzug Karls V. in Brügge 1515 wurde ein Bildnis mitgeführt, das Karl über dem Fortunarad thronend darstellt, davor die gefesselte Fortuna.84 Weitere Beispiele wären leicht anzuführen. Maximilian und sein Haus sahen sich als Vollender des Weltlaufs, denen Fortuna, die Tyrannen stürzt, nichts anhaben kann, da sie vielmehr auf der Seite ______________ 81

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Die Beschreibung und Deutung der Rüstung des Ritters Theuerdank, die sich laut Widmungsbrief des Melchior Pfinzing im 9. Kapitel befinden sollte, fehlt. Dort findet sich aber der Segenswunsch des Vaters, So wirdest du Groß Glück walten / Jetz und zuo allen Zeiten. Die Illustrationen zeigen dann das Fortunarad auf der Rüstung Theuerdanks und dem Gewand seines Herolds. Kaiser Maximilian I., Teuerdank. Die Geferlicheiten und eins Teils der Geschichten des loblichen streitbaren und hochberümbdten Helds und Ritters Herr Teurdanks. Vollst. Text unter Zugrundelegung der Erstausgabe von 1517. Hrsg. v. Helga Unger. München 1968. Zum Schlussbild des »Theuerdank« als der Bezwingung des Fortunarads vgl. Stephan FÜSSEL, Dichtung und Politik um 1500. Das Haus Österreich in Selbstdarstellung, Volkslied und panegyrischen Carmina, in: Die österreichische Literatur. Ihr Profil von den Anfängen im Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert (1050–1750). Unter Mitw. v. Fritz Peter Knapp hrsg. v. Herbert Zeman, Teil 2. Graz 1986, S. 803–831, S. 811, Anm. 35. Wirnt von Grafenberg, Wigalois. Text nach der Ausg. v. J. M. N. Kapteyn. Übers., erl. u. mit e. Nachw. vers. v. Sabine u. Ulrich Seelbach. Berlin/New York 2005. V. 1036–1052. Maximilian I., Triumphzug. Hrsg. v. Franz SCHESTAG. Jb. der kunsthistorischen Sammlungen 1 (1883/84), Abb. XVIII. La tryumphante Entrée de Charles Prince des Espagnes en Bruges 1515. A Facsimile with an Introduction by Sydney Anglo. Amsterdam/New York o. D.

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der gerechten Providenz stehen. Die Tragödie als die Darstellung des Sturzes von Tyrannen durch Fortuna war daher die ideale Textform, um den Kaiser als den Vertreter der göttlichen Ordnung zu feiern.

Maximilian I., Theuerdank. Nürnberg: Hans Schoensperger, 1517, P6r.

5.6. Die Aufführung der Tragödie als Feier zwischen Hof und Universität

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5.6. Die Aufführung der Tragödie als Feier zwischen Hof und Universität Vade liber: nitidis plausus iam redde theatris Te spectant iuvenes: virgo: puella: senex (a4v, V. 1f.). (Geh hinaus, Buch! Bringe den Applaus in die glänzenden Theater. Dich sehen [dort] Jugendliche, die junge Frau, das Mädchen, der Alte.)

Im Epigramm an das Buch entlässt der Dichter sein Buch in die Welt. Es soll den Erfolg, den die Aufführung hatte, in ein anderes Medium übertragen. Die Buchpublikation scheint allerdings wieder auf eine Aufführung hin zu zielen, die dann außerhalb des Wirkungskreises des Autors liegt. Er wünscht seinem Buch daher im Folgenden beim Zuschauer aptas miseris aures, Ohren, die zur Rezeption des Tragischen bereit seien und also nicht nur Komödien hören und sehen wollten. Zugleich wünscht er einen Zuschauer, der nicht so kritisch sei wie Cato, Cynicus oder stoicus alter, also sich weder als strenger Sittenrichter (der auch im 15. Jahrhundert noch jedes Schauspiel als unmoralisch bezeichnen würde),85 noch als alles verachtender Zyniker oder als gefühlskalter Stoiker gebe. Diesen drei Rezipienten-Typen ist das Ideal eines fröhlich offenen, mitfühlenden Zuschauers gegenübergestellt. Die Rezeptionshaltung, die der Verfasser sich für sein durchaus ernstes Werk wünscht, ist eine Feststimmung mit der Tendenz zum Ausgelassenen. Sie erst kann dem Werk zu seiner Wirksamkeit verhelfen, denn die »Historia« will nicht nur dokumentieren, sie will nach dem Durchgang durch den Schrecken den Untergang des Tyrannen feiern. Als Stimmungsträger und Mittel zur Lenkung der Emotionen wird in der frühhumanistischen Theorie die Musik immer wieder hervorgehoben. Daher erhofft sich Locher v. a. auch Beifall für seine Musik. Drei der Chorlieder, dem sapphischen Chor am Ende von Akt I und den elegischen Chören nach Akt II und III, sind Noten für drei Stimmen mitgegeben. Da die beiden letzten identisch notiert sind, kann man davon ausgehen, dass auch die weiteren elegischen Strophen gleich vertont werden sollten. Der Dichter fährt in seiner Anrede an sein Werk fort: Nuper enim sacris musarum pastus in hortis Nunc age pyerio carmina digna choro (a4v, V. 5f.). (Neulich nämlich weidetest du im heiligen Garten der Musen; nun singe Lieder, die des Musenchors würdig sind.)

Diese Äußerung ist in der Forschung wiederholt dahingehend gedeutet worden, dass die »Historia« „in einem Garten oder Hof der Universität“ aufgeführt wor______________ 85

Zu den geistlichen Vorbehalten gegenüber dem Theater vgl. Jacques HEERS, Vom Mummenschanz zum Machttheater. Europäische Festkultur im Mittelalter. Übers. v. Grete Osterwald, Frankfurt a. M. 1986, S. 77f.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

den sei.86 Zweifellos ist hier aber vom allegorischen Musengarten als dem Ursprungsort der Dichtung die Rede, nicht von einem wirklichen Garten. Das Epigramm stellt damit nicht nur Aufführung und Buch einander gegenüber, sondern es thematisiert die verschiedenen Phasen der Produktion und Rezeption, die Entstehung bei den Musen, die Aufführung im vermutlich ebenso metaphorisch gemeinten theatrum, die Publikation im Buch und mögliche spätere Aufführungen. Zeitlich scheinen die ersten drei Phasen relativ nahe beieinander zu liegen, obgleich die Betonung des raschen Entweichens der Verse aus der Pflege des Dichters auch ein gerade bei Locher beliebter Bescheidenheitstopos ist. Die Aufführung war, wie Locher in der Widmung hervorhebt, Teil der Promotionsfeierlichkeiten Sigismund Kreutzers. Die Promotion dieses am Hof und in der Kirche einflussreichen Universitätsrektors (vgl. Kap. 4.3) wird, wie es die Statuten der Juristischen Fakultät der Universität Freiburg im 15. Jahrhundert für feierliche Promotionen vorschreiben, mit Festansprachen im Münster begangen worden sein. Im Anschluss an den Festakt hatte der Promovend ein Festmahl in einem Wirtshaus auszurichten.87 Locher beschreibt das Fest wie folgt: Itaque Sigismunde humanitatis splendidissimus fulgor: non absurdum esse censeo: quod actum theatricum: quem honoris et magnificentie tue gratia: nuper in conspectu Illustrium Marchionum Badensium: Procerum nobilissimorum: Patrum reverendorum et doctorum scolasticorumque clarissimorum publice celebravimus: in lucem edo Erat dies Actionis faustissimus: in quo tu pariter tuorum studiorum lauream: premiaque doctoratus fulgentissima suscipiebas. O qualem apparatum auri argentique cuncti suspiciebant. O tyrios colores varios: O cultum rerum omnium magnificum: Aderant cuiuscumque conditionis homines elegantissimi: qui tuis festivis celebritatibus applaudebant (a2v). (Deshalb, Sigismund, leuchtendster Glanz der humanitas, erscheint es mir nicht abwegig, dass ich das Theaterstück publiziere, welches wir neulich zu deinen Ehren und wegen deiner Hochherzigkeit vor den erlauchten Markgrafen von Baden, vor den höchsten Vertretern des Adels, vor ehrenwerten Geistlichen und den ausgezeichnetsten Doktoren und Studenten öffentlich aufgeführt haben. Der Tag der Aufführung war der überaus glückliche, an dem du zugleich den Lorbeer deiner Studien und die glänzendste Auszeichnung des Doktorats entgegen nahmst. Oh, welchen Aufwand von Gold und Silber erblickten alle! Oh, welche verschiedenen Purpurtöne! Oh, welche große Üppigkeit an allen Dingen! Es waren die auserlesensten Vertreter jedes Standes anwesend, die deinem feierlichen Festakt Beifall schenkten.)

Der Prunk der Festgesellschaft, des Raumes und der nicht näher bestimmten Gegenstände bildet das glänzende theatrum der Aufführung. Der Raum selbst verschwindet dabei in der Beschreibung der allgemeinen Atmosphäre, und auch von den illustren Gästen werden nur wenige direkt benannt, die Markgrafen von Baden. Das Publikum ist zugleich ein universitäres und ein Hofpublikum, aber ______________ 86 87

MICHAEL 1934, S. 53; ders. 1963, S. 76; RUPPRICH 21994, S. 640. SCHREIBER, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität, 1857, S. 173.

5.7. Fazit I: ein bedeutender Schritt für die Literaturgeschichte

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auch, wie man aus dem Verweis auf die verschiedenen Stände schließen darf, ein städtisches. Die Grenzen zwischen stadtöffentlicher Universitätszeremonie und Hoffest verwischen sich. Möglich wäre es, die oben bereits kurz erwähnte Notiz des Freiburger Stadtrats vom Montag, dem 19. 10. 1495 über strengere Maßnahmen gegen das unbändige Treiben von Spielleuten, die anlässlich von Fürstenbesuchen in die Stadt kämen und nach schlechter Bezahlung ihr Unwesen in der Stadt trieben,88 auf die bevorstehende oder vor kurzem erfolgte Aufführung der »Historia« zu beziehen. Einer Datierung der Aufführung auf den Herbst wäre gegenüber HEHLEs Datierung auf den Sommer89 auf jeden Fall der Vorzug zu geben: Die Kunde von Karls Entkommen nach Asti verbreitete sich in Deutschland erst ab dem 25. 7. 1495.90 Im Herbst wäre eine Aufführung im Freien eher unwahrscheinlich. Da das Stück selbst keinerlei Bühnenapparat und nur eine Neutralbühne verlangt, wäre es gut denkbar, dass die Aufführung im Anschluss an den Festakt im Münster stattfand – ein Rahmen, der, da er vom geistlichen Spiel her vertraut war, die religiösen Aspekte im Spiel hätte unterstreichen können: der rex lilifer Karl als Feind der heiligen Staatenordnung, des Papstes und der Christenheit, die göttliche Providenz und Gerechtigkeit als seine siegreichen Gegner, Maximilian als die unsichtbare, im Hintergrund wirksame Waffe Gottes: all dies erhält im Kirchenraum einen besonderen Akzent. Was gäbe es auch Passenderes als anlässlich der Promotion eines Dozenten des kanonischen Rechts, der im Dienste Maximilians steht, den Sieg der göttlichen Gerechtigkeit und Maximilians zu feiern?

5.7. Fazit I: ein bedeutender Schritt für die Literaturgeschichte Phebe qui blande cithare repertor Linque delectos Eliconque Pindum Et veni nostris vocitatus oris Carmine grato … Tu celer vastas equoris per undas Letus a grecis laciam videre Invehens musas voluisti gratas Pandere et artes Sic velis nostras rogitamus oras Italas ceu quondam aditare terras, Barbarus sermo fugiatque ut atrum Subruat omne (24r)

______________ 88 89 90

HARTER-BÖHM, S. 11. HEHLE I (1873), S. 15f. Deutsche Reichstagsakten, V, Nr. 1881, S. 1785f.; Reuchlin, Briefwechsel, Nr. 72, S. 228–231.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

(Phoebus, Erfinder der schmeichelnden Leier, verlasse den Helikon und den Pindus, die du erwähltest, und komm, eindringlich gerufen, mit dem geschätzten Lied in unser Land! … Du wolltest ja schnell über die weiten Wogen des Meers, die Griechen verlassend, froh nach Latium gehen, wolltest die Musen hinführen und die lieben Künste verbreiten. Ebenso mögest du, wir bitten dich, unsere Gegend, so wie einst die Länder Italiens, betreten, so dass die barbarische Sprache entfliehe, damit das ganze Dunkel zusammenbreche.)

Im Jahr 1486 hatte Konrad Celtis mit diesen Worten Apoll und die Musen beschworen, in Erfüllung der translatio studii nach Deutschland zu kommen.91 Locher hat mit seiner »Historia de Rege Frantie« zumindest eine der Musen, Calliope, nach Deutschland geleitet, er hat ein neues Genre eingeführt und sich dabei in seinem Amt als Poetik- und Geschichtslektor präsentiert, und zwar als Fortführer des Werks von Albertino Mussato, der durch seine Geschichtsdeutung den Staat vor Gefahren und Missständen warnt. Nicht lange Vergangenes aber zeichnet Locher, sondern er bringt aktuelle Neuigkeiten vom Krieg auf die Bühne, die ein Großteil seines Publikums nicht kritisch hinterfragen kann; vielmehr ist dieses geneigt dem „Augenzeugen“ zu glauben, der sein Publikum selbst wiederum zu Augenzeugen macht. Auf eine lückenlose Dokumentation der Tatsachen verzichtet Locher und nutzt geschickt das Vorwissen und die Erwartungen seiner Zuschauer, damit sie die Lücken füllen und an seiner Konstruktion der historia teilhaben. Die Tyrannentragödie und z. T. auch das Fronleichnamspiel geben Deutungsstrukturen vor; es ist für den Rezipienten keine Frage, dass die Lücken im Geschehen mit der göttlichen Gnade und Gerechtigkeit, der Wirkkraft der christianisierten Fortuna, der messianischen Retterfigur zu füllen seinen, welche der Chor, der seine Nähe zum Publikum, seine „Erzählerrolle“ und die suggestive Kraft der Musik nutzt, mit Maximilian identifiziert. Da die Lösung des Konflikts und die Aufhebung des Informationsdefizits des Publikums mit dem musikalisch inszenierten Triumph zusammenfallen, der wiederum mit dem gegenwärtigen Festrahmen verschmilzt, ist kaum Raum gelassen für einen Zweifel an Maximilians Größe und auch seiner Fähigkeit, die Franzosen zu besiegen. Das Fest als solches gibt die adäquate Rezeptionshaltung vor, es verlangt eine Hochstimmung und einen gemeinsamen Jubel von Universität, Kirche, Adel und Stadt.

5.8. Fazit II: ein bedeutender Schritt für Lochers Karriere Am 26. Oktober 1495 instruiert Papst Alexander VI. seinen Abgesandten am Kaiserhof, er solle als orator und nuntius darauf drängen, dass Maximilian gemeinsam mit den deutschen Fürsten dafür sorge, dass Karl die von ihm besetzten Gebiete wieder freigebe. Nach Wiederherstellung des Friedens sollen die christli______________ 91

Zur Diskussion, ob Celtis hier tatsächlich an eine translatio oder eher an eine Ausbreitung des „Lichts der Dichtkunst“ denke, vgl. ROBERT, S. 91.

5.8. Fazit II: ein bedeutender Schritt für Lochers Karriere

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chen Könige und Fürsten zum Türkenkrieg aufbrechen. Ferdinand habe vor Karls Italienfeldzug einen solchen Kreuzzug gegen die Türken bereits vorbereitet, jetzt liege es aber am Römischen König und den deutschen Fürsten, die Sache der Kirche und der Christenheit zu vertreten. Karl und der Sultan werden zur Unterstützung dieser Forderung als ähnlich grausame Tyrannen beschrieben.92 Mit dieser Forderung, und v. a. mit der steten Betonung der Zusammenarbeit von König und Fürsten goss der Papst Wasser auf Maximilians Mühlen, der bei den deutschen Fürsten mühsam um Unterstützung für seine beiden Ziele rang, den Krieg gegen Frankreich und den Kreuzzug gegen die Türken. Am 21. 11. 1495 sollte Maximilian mit einem Flugblatt antworten, in welchem er die dringende Notwendigkeit eines Eingreifens in Italien zur Rettung des Papstes und der ganzen Christenheit betont.93 Vor diesem aktuellen politischen Hintergrund ist Lochers Erklärung in der Vorrede an den Leser zu lesen: Ad laudem gloriosissimi regis Maximiliani: Cesaris augustissimi universeque germanice nationis scriptum esse censor optimus existimabit (a1v). (Der beste Kritiker wird befinden, dass es zum Lob des glorreichsten Königs Maximilian, des erhabensten Kaisers und der gesamten deutschen Nation geschrieben ist.)

Lochers Lob Maximilians beschränkt sich, wie deutlich geworden ist, nicht auf Geschichtsklitterung, es ist die Stilisierung Maximilians zum von Gott gesandten glorreichen Sieger über Frankreich und über alle Feinde des Reichs. Der Sieg ist nicht Vergangenheit sondern Gegenwart, er ist Wesensbeschreibung Maximilians, die es in der politischen Wirklichkeit zu entfalten gilt. Dasselbe gilt für die Beschreibung Maximilians als Caesar Augustus, als des regierenden Kaisers,94 der er de facto zu dieser Zeit noch nicht war; auch dies muss als eine „Wesensbeschreibung“ und politische Wunschvorstellung verstanden werden. Die »Historia« ist eine persuasive Propagandaschrift für Maximilian und für seinen geplanten Frankreichfeldzug. Von diesem galt es die Öffentlichkeit zu überzeugen, nicht nur allgemein im Reich, sondern auch konkret in der Stadt Freiburg, die Maximilian zwar generell zugeneigt war und ihrerseits einige Privilegien genoss, als Stütz- und Sammelpunkt der kaiserlichen Truppen gegen Frankreich aber auch eine schwere Last zu tragen hatte. Mit solcher Propaganda reiht sich Locher in die Reihe der Dichter ein, die Maximilians Politik und gedechtnus dienen – das aber keineswegs ohne damit einen ehrgeizigen Plan zu verfolgen: liceat igitur mihi sic gradu moderato ad vatum eminentissimorum virentes laureas proserpere (a2r), erklärt er in der Widmung an Sigismund Kreutzer. Die Formulierung ist ______________ 92

93 94

J. J. MÜLLER, Teil II, S. 685–687; Deutsche Reichstagsakten, V, Nr. 184, S. 245. Vgl. auch die Charakterisierung Karls des Kühnen als des „Türken im Westen“ in der zeitgenössischen politischen Propaganda, Claudius SIEBER-LEHMANN, S. 600. Peter DIEDERICHS, Kaiser Maximilian als politischer Publizist. Jena 1932, S. 108, Nr. 11. Die Unterscheidung zwischen Caesar (designierter Kaiser) und Caesar Augustus (herrschender Kaiser) ist laut Karl Ernst GEORGES, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Hannover 81913, Nachdr. 1998, Bd. I, Sp. 908, seit Hadrian und bis in die Neuzeit gebräuchlich.

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5. Eine neue Form der Geschichtsdarstellung: Historia de Rege Frantie (1495)

durchaus zweideutig, sie kann als reine Bescheidenheitsfloskel dessen begriffen werden, der vermeint nicht würdig zu sein den Dichtern nachzugehen und ihnen nur nachkriechen zu können. Der ‚Lorbeer‘ darf aber durchaus auch wörtlich genommen werden, und so steckt in dieser Formulierung das vorsichtige Bekenntnis Lochers zu seiner Intention: seinem Lehrer Kornrad Celtis nachzueifern und wie er den Dichterlorbeer zu empfangen.95 Nicht von ungefähr widmet Locher sein Werk gerade dem am Hof einflussreichen Sigismund Kreutzer, nicht von ungefähr fügt er auch ein Lob des Reichskanzlers Konrad Stürzel hinzu (d6v–e1r). Dieser war erst im Juni 1495 aus Mailand zurückgekehrt, wo er im Auftrag Maximilians die Investitur des Ludovico Moro zum Herzog von Mailand vollzogen hatte.96 Er war zweifellos an einer für Maximilian günstigen Darstellung des Italienkriegs interessiert, zumal an der Universität Freiburg. Er gehörte auch, wie bereits erwähnt, zu den hauptsächlichen Promotoren von poetae laureati. Zuversichtlich, seinem großen Ziel nahe zu sein, kann der Philomusus zwei Jahre später schon stolz erklären: me Phoebus amat. Im Beibrief der »Stultifera navis« an Bergmann von Olpe blickt er auf seinen Werdegang zurück: Etsi barbaricae telluris sterilitas me ad litterarum studia vix concitarit, tamen quia mortales omnes natura quadam ad sciendi cognitionem accendimur, propterea explosis ab ingenio teterrimis ignorantiae tenebris animum Heliconis rore perunctum ad scribendum appuli. (143v)97 (Auch wenn die Unfruchtbarkeit des Barbarenlands mich schwerlich zum Studium der [humanistischen] Wissenschaften angeregt hat, habe ich dennoch, da wir Menschen ja alle aus einer gewissen Anlage heraus zur Wissenschaft getrieben werden, die abscheulichen Schatten der Unwissenheit aus meinem Geist verdrängt, meinen Sinn vom Tau des Helicon benetzen lassen und ihn dann darauf gerichtet zu schreiben.)

Zwar räumt er Brant und Johann Bergmann von Olpe auch gewisse Verdienste ein, letztlich aber sieht er es als seine Leistung an, dass Musica nostrates Phoebo duce venit ad oras (3v),98 dass die translatio studii vollzogen sei, mit der nach Celtis’ und Lochers Verständnis auch die translatio imperii erst endgültig zum Abschluss komme. Eine solche Leistung aber verlangte nach der Dichterkrone.

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MERTENS 1996, S. 342, stellt fest, dass generell die Initiative zu den Dichterkrönungen Maximilians nicht vom König ausgingen, sondern vom Dichter, der von sich aus die Kontakte zum Hof aufbauen musste. Dt. Reichstagsakten, Bd. 5, Dok. 261, S. 284; Dok. 271, S. 296–299, Dok. 1282, S. 983. HARTL, Bd. 1, S. 264. Ebd., S. 18 (Carmen eiusdem ad Sebastianum Brant).

6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497) 6.1. Die Zeit ist reif: Aufruf zum Türkenkrieg Wer wunder nit / ob ich schon hett Myn ougen gantz der zae hern voll Daz man so schmae chlich sehen soll Den krysten glouben nehmen ab ... Wir nehmen (leyder) groe blich war Des kristen glouben nott / vnd klag Der mindert sich von tag zţ tag / Zţm ersten hant die kae tzer hert Den halb zerrissen vnd zerstoe rt Dar noch der schae ntlich Machamet Inn mer / vnd mer verwue stet het Vnd den mit sym jrrsal geschae nt Der vor was groß jnn Orient Vnd was gloe ubig alles Asia Der Mören land vnd / Affrica (V. 4–7, 10–20)

Sebastian Brant beklagt in seinem »Narrenschiff«, Kap. 99 (Von abgang des glouben), den Verfall des Glaubens und den Verlust christlicher Territorien. In dem Kapitel, welches nach SCHÜNICKEs Beobachtungen aus dem Gesamtkonzept des »Narrenschiffs« herausfällt und deshalb besondere Beachtung verdient,1 zählt Brant einzeln die Länder und Städte auf, die für das Christentum verloren seien (V. 31–52). Immer wieder überfallen die Türken Länder jenseits ihrer Herrschaftsgrenzen und schänden Kirchen (V. 53f.), sie bedrohen Italien und schließlich Rom (V. 58). Europa könnte von ihnen, die nur nach Christenblut dürsten (V. 94), überrascht werden wie die schlafenden Schafe vom Wolf (V. 62f.). Nach einem heftigen Tadel der desinteressierten, selbstsüchtigen Fürsten schließlich erklärt er: Aber jr herren / künig / land / ... Ir haben zwor eyn künig milt Der üch wol fürt / mit ritters schiltt Der zwyngen tue g all land gemeyn Wann jr jm helffen wendt alleyn Der edel fürst Maximilian Wol würdig ist der Roe mschen kron

______________ 1

Sebastian SCHÜNICKE, Zu den Antiturcica Sebastian Brants, in: Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum Narrenschiff und zum übrigen Werk. Hrsg. v. Thomas Wilhelmi. Basel 2002, S. 37–81.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

Dem kumbt on zwifel jnn sin handt Die heilig erd / vnd das globte landt Vnd wţrt sin anfang thţn all tag Wann er alleyn üch trüwen mag (V. 151, 155–164)

Brant hat bis 1513 eine Reihe weiterer Antiturcica verfasst, in welchen er alle Hoffnung auf Maximilian, den „zweiten Augustus“, den Friedensfürsten und Erretter des Römischen Reichs und der Christenheit legt.2 Am 7. 1. 1498 erschien in Basel seine Ausgabe der Prophezeiungen des Pseudo-Methodius: Texte aus dem 8. Jahrhundert, welche den Engelssturz, die Weltgeschichte, die translationes imperii und den Triumph der Christen über die Heiden am Ende der Zeit beschreiben; Wolfgang Aytinger hatte das Werk 1496 in Augsburg herausgegeben, zusammen mit einem Kommentar, in welchem er unter Heranziehung der Visionen der Heiligen Brigitta von Schweden (welche er auf den Angriff Karls von Frankreich auf Neapel bezieht) das Datums für den Endsieg der Christen berechnet: Er sei im Jahr 1510 zu erwarten.3 Brant druckt Aytingers Traktat mit ab und präzisiert dabei in Text und Bild die Prophezeiungen: Jedes biblische und historische Ereignis wird als eine Präfiguration des Triumphes über die Türken gedeutet; der über Lucifer triumphierende Michael (a1r/a3r) und der über das siebenköpfige Ungeheuer triumphierende Maximilian (m5r) rahmen die Weltgeschichte, welche aus einem ständigen Kampf zwischen den Kindern Gottes (d.h. dem Römischen Reich, e4v) und den Söhnen Ismahels (d. h. den Türken, g2v) besteht. Gegen Kritik an den Offenbarungen als „Hirngespinsten“ hält Brant an der Gewissheit des vorhergesagten Sieges Maximilians über die Türken fest4 und gibt diese Sicherheit offensichtlich auch an seinen Schüler Locher weiter. Maximilians Pläne eines Türkenkreuzzugs, von denen oben bereits mehrfach die Rede war (vgl. Kap. 4.2., 5.8.), rückten durch den Italienkrieg nur kurzfristig in den Hintergrund. Noch im Januar 1495, als Karl bereits Neapel besetzt hielt, versuchte Maximilian, diesen zur Teilnahme am Türkenfeldzug zu verpflichten;5 ______________ 2

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Vgl. SCHÜNICKE; WIESFLECKER IV (1981), S. 345; AKER, S. 107, 111f. u. 122f.; Walter LUDWIG, Eine unbekannte Variante der Varia Carmina Sebastian Brants und die Prophezeiungen des Pseudo-Methodius. Ein Beitrag zur Türkenkriegspropaganda um 1500. Daphnis 26 (1997), S. 263–299. Titulus in libellum sancti Methodij martyris et episcopi Partinensis ecclesie provincie grecorum continens in se revelationes divinas a sanctis angelis factas: de principio mundi et eradicatione variorum regnorum atque ultimi regis romanorum gestus et futuro triumpho in turcos atque de liberatione christianorum ac oppressione sarracenorum; de restauratione ecclesie et uniuersali pace cum autenticis concordantiis prophetiarum deque consumatione seculi hic annotat. o. O. [Augsburg] o. Dr. [Johann Froschauer], 1496 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E414). Die »Revelationes« sind ab ca. 1475 mehrfach gedruckt worden und bereits 1497 in Memmingen in einer deutschen Übersetzung erschienen. Vgl. dazu: LUDWIG 1997, S. 292 u. ö. Sebastian Brant (Hrsg.), De revelatione facta Ab angelo beato Methodio in carcere detento. Basel: Michael Furter, 1498 (UB Freiburg MK 98/453). Verwendete Auflage: ebd. 1504 (Exemplar UB Tübingen, Gb 177. 4). Vgl. LUDWIG 1997, S. 282–295. Deutsche Reichstagsakten, Bd. 5, S. 113f.

6.2. Kreuzzugspredigt auf der Bühne: Visualisierungstechniken

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der weitere Fortgang der Geschehnisse in Italien allerdings legte offen, dass diese Hoffnung vergeblich war. Ein Jahr später betrieb der Römische König erneut den Kreuzzug, der von dieser Zeit an meist in einem Satz mit dem geplanten Romzug, d. h. der Kaiserkrönung, genannt wurde. Im August 1496 forderte Maximilian die Könige von England, Schottland, Dänemark, Polen und Ungarn auf, Gesandte zu ihm abzuordnen, um mit ihnen über den Türkenzug verhandeln zu können, während der König von Ungarn ihm Bewaffnete für den Romzug stellen sollte.6 Im April 1497, erklärt Maximilian, habe er dem Sultan den streit angesagt: ... das wir den streit der zeit, als wir wider den kg. von Franckreich, der gegen uns unbillich und mutwillig vehd furnymbt, in Ittalien kriegt, angeboten, dann wir solhs aus der ursach, das wir allzeit verhofft, der kg. von Hungern und darzu die ganz christenheit würden uns, als sy schuldig sein, darzu helfen, in ansehung, das wir all nymer von dem Türgkhen sicher seyen, man gewinn ime denn die grenitzen ab, das nit anderst, dann durch ein streit sein mag. und nachdem wir yetzo mit genötigten kriegen gegen den kg. von Franckreich dermassen beladen gewesen und nichtsdestomynder dem Türgken den streit angepoten, welhe zwen aus den mächtigsten kss. und kgg. in der welt sein, vermainen wir mer dann ye kain Ro. ks. oder kg. in fil hundert jaren und die obgedacht sach aus keiner leichtfertigkait noch klainmüetigkait getan haben.7

Umso unerträglicher ist es für Maximilian, dass Vladislav, der König von Ungarn, in Friedensverhandlungen mit Baijezid steht. Einen unbefristeten Frieden könne er, so erklärt der Römische König, nicht akzeptieren.

6.2. Kreuzzugspredigt auf der Bühne: Visualisierungstechniken In diese Situation hinein, in der Maximilian den Türken bereits den Kampf angesagt hat,8 die Fürsten ihm aber erneut die Unterstützung untersagen, schreibt Jacob Locher, der zur selben Zeit über der lateinischen Übersetzung des »Narrenschiffs« sitzt, seine »Tragedia de Thurcis et Suldano«. Ein Vergleich zwischen Brants Kapitel 99 und dem entprechenden Kapitel De rei publice christiane interitu in Lochers »Stultifera Navis« (CIXv–CXIIIr) zeigt eine deutliche Betonung der Grausamkeit der Türken, der politischen Aspekte und der „Erlöserrolle“ Maximilians bei Locher. Die »Tragedia« stellt das so bearbeitete Kapitel 99 auf die Bühne. ______________

6 7 8

Ebd., Bd. 6, S. 126, Nr. 34. Ebd., Bd. 6, S. 369, Nr. 4. Dass es sich bei dem streit um einen ritterlichen Zweikampf handeln solle, wie die ältere Forschung und auch GOLLWITZER, Dt. Reichstagsakten, Bd. 6, S. 60, annimmt, möchte ich bezweifeln. Maximilians Hoffnung auf Unterstützung der christlichen Fürsten und seine Erklärung, dass die Grenzen nicht anders als durch einen streit gesichert werden könnten, widerspricht m. E. dieser Deutung; eher wäre an eine große Entscheidungsschlacht zu denken. Vgl. in diesem Sinne auch: Johann GRÖBLACHER, König Maximilians I. erste Gesandtschaft zum Sultan Baijezid II., in: FS Wiesflecker. Hrsg. v. Alexander Novotny u. Othmar Pickl. Graz 1973, S. 73–80, Anm. 8.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

Lochers „Meisterstück“, das er anlässlich seiner Dichterkrönung aufgeführt hat, nach der »Stultifera navis« sein meistverbreitetes Werk, hat in der Forschung vernichtende Beurteilungen gefunden: Es sei ein „undramatisches Drama, in dem das, was an Handlung da wäre, zwischen die Akte verbannt wird“, „eine gewissenhafte und sorgfältige Arbeit, wie sie eines humanistischen Wissenschaftlers würdig ist, nicht aber eines tragischen Dichters“, erklärt Josefine REISCHL in ihrer Dissertation von 1951, der einzigen Monographie, die der »Tragedia« bislang gewidmet ist.9 – Unbestritten sei die Handlungsarmut auf der Bühne; für Schlachtendarstellungen ist erst die Barockbühne geeignet. Dennoch lohnt es sich, die »Tragedia« unter dem Aspekt der Visualisierung eines Lesetextes zu betrachten, bevor auf die Gattungsbezeichnung und den für die Dramentheorie Lochers bedeutenden Prolog eingegangen werden soll. Während in Kapitel 99 des »Narrenschiffs« ein klagendes Ich unter Tränen schildert, wie der christliche Glaube (fides) – in der Darstellung oszillierend zwischen dem Abstraktum und der Personifikation desselben – von Ketzern und Moslems zerrissen, zerstört, geschändet werde und sichtbar abnehme, tritt zu Beginn der »Tragedia« Fides selbst auf, tränenüberströmt und in zerfetzten Kleidern.10 Sicht- und hörbar ist ihre Not: eine erbarmungswürdige Frau, die Zuflucht sucht (E5r),11 zugleich aber dem als „spectatores Christianissimi“ (E4r) apostrophierten Publikum erklärt, sie selbst sei die einzige Zuflucht der Gläubigen: Fides sum catholicorum hominum ac christianorum unicum refugium (E4v). Sehr viel deutlicher also als im »Narrenschiff« fällt hier die sichtbare Klage der Fides auf den als Zuschauer involvierten Christen zurück. Ausführlich und äußerst bildreich, angereichert mit Verweisen auf biblische und mythologische Parallelen (wie z.B. die Entführung der Proserpina durch Pluto),12 beschreibt sie die Schandtaten der Türken, sceleratissimum gentilium ac barbarorum nefas (E4v), die auch vor der Cathedra des Papstes nicht halt machen. Ähnlich stellt Locher auch in der »Stultifera Navis« (CXr) fest, dass die sacra cathedra vom Sturz bedroht sei. Die territorialen Verluste, die Vorwürfe an die zwieträchtigen Fürsten, schließlich die Hoffnung auf einen Sieg durch Gottes Hilfe, aus Kap. 99 des »Narrenschiffs« bekannt, werden hier erneut thematisiert, immer wieder unterbrochen durch direkte Appelle an die Zuschauer, die Waffen ______________ 9 10 11

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REISCHL, S. 148. Dass die Gestalt der Fides der Agrippina in der Seneca zugeschriebenen »Octavia« entspreche und also ein Klassikerzitat sei, wie CREIZENACH II, S. 30, konstatiert, ist m. E. nicht einsichtig. Cornelia KLEINLOGEL, Exotik – Erotik. Zur Geschichte des Türkenbildes in der deutschen Literatur der frühen Neuzeit (1453–1800). Frankfurt a. M. u. a. 1989 (Bochumer Schriften zur deutschen Literatur 8), S. 26, bezeichnet Fides hier als „Notzuchtopfer“ und sieht die Türken diffamiert als „Vertreter diesseitsgewandter Sinnengier und Feinde des wahren Eheideals“ (S. 28). Das Diesseitig-Sinnliche spielt fraglos eine große Rolle für das hier gezeichnete negative Türkenbild (vgl. unten, Kap. 11); das Sexuelle darf dabei allerdings nicht einseitig überbewertet werden. Es geht dem Humanisten eher um den (angeblichen) Mangel an Intellekt. Vgl. Fulgentius, 134r.

6.2. Kreuzzugspredigt auf der Bühne: Visualisierungstechniken

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zu ergreifen (im Druck stets als apostrophe markiert). Die Rede gipfelt im Aufruf: accingite queso lumbos vestros gladiis. et frontem signo crucis signate (E6v), in Anlehnung an Ez 9,4. Damit ist im ersten Akt ein apokalyptischer Endkampf angekündigt. Das Publikum ist direkt involviert und muss Stellung beziehen. Die Rede der Fides, die den ersten Akt bildet, ist nichts anderes als eine Kreuzzugspredigt. Das Theater bietet hier gegenüber einer bloßen Rede die Möglichkeit, nicht nur einen Dritten sprechen zu lassen, sondern den christlichen Glauben selbst als Personifikation auftreten, dem Publikum seinen schlimmen Zustand unmittelbar vor Augen führen und sich direkt, ohne die Vermittlung eines Predigers, an dieses wenden zu lassen. Dieser Form der eindringlichen Vermittlung von Lehren und Appellen durch eine außerhalb der Bühne unmögliche direkte Rede bedient sich auch das geistliche Spiel. Das aber bedeutet, dass sie dem Publikum vertraut ist und an ein eingeübtes Rezeptionsverhalten appelliert, welches verlangt, die Worte als Mahnung und Appell sehr ernst zu nehmen. Bereits 1454 war am Hof Karls des Kühnen von Burgund im Rahmen des „Fasanenfests“ die Personifikation der heiligen Kirche aufgetreten, um vom „Grand duc d’Occident“ die Befreiung Konstantinopels aus den Händen der Türken zu erflehen;13 Lochers Idee, Fides mit dieser Mahnung auf die Bühne zu bringen, ist also nicht gänzlich neu; neu aber ist sie in Deutschland, und neu ist v. a. die Einbettung dieses Auftritts in eine Tragödie.14 Fides beschließt ihre Rede damit, dass sie die weitere Behandlung der Sache denen überlasse, qui me spectabunt (E6v), die sie sehen werden: dem Publikum? Oder meint sie die anderen Figuren? Der erste „Augenzeuge“, der hier auftritt, ist der Chor. Seine Rede ist nicht zuletzt auch metrisch von der Rede der Fides und von den nachfolgenden Reden der anderen Personen abgesetzt. Er kommentiert als außenstehende, beobachtende Instanz das Geschehen. Aus dieser Außenperspektive heraus kann er nach den Ursachen der Krise forschen. Während Brant im »Narrenschiff«, Kap. 99, V. 71 nach der Beschreibung der territorialen Verluste des Christentums eher unvermittelt einwendet, Das ist als vnser sünden schuldt etc., ist hier der Perspektivenwechsel durch den Wechsel des Redners eingeleitet. Der ______________

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Otto CARTELLIERI, Theaterspiele am Hof Karls des Kühnen. GRM 9 (1921), S. 168–179, S. 170; Robert SCHWOEBEL, The Shadow of the Crescent. The Renaissance Image of the Turk (1453– 1517). Nieuwkoop 1967, S. 85–90. Einen Überblick über die Türkenschauspiele in Deutschland von Rosenplüts »Des Türken vasnachtspiel« von 1454, in welchem aber die Türken als positivere Herrscher als die Deutschen erscheinen, über Lochers Spiele (mit Inhaltsangabe, ohne weitere Interpretation) bis zum 30jährigen Krieg bieten Wilhelm GERSTENBERG, Zur Geschichte des deutschen Türkenschauspiels, Teil I: Die Anfänge des Türkenschauspiels im 15. und 16. Jahrhundert. Meppen 1902 (Wissenschaftliche Beilage zum Programm des königl. Gymnasiums zu Meppen, Ostern 1902) und (in etwas weiterem europäischem Rahmen) Carl GÖLLNER, Turcica, Bd. III: Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert. Baden-Baden 1978, S. 356–376. Auf thematische Parallelen zwischen Lochers Türkentragödie und Jacob Ayrers späteren Türkenspielen weist NIEFANGER, S. 105, hin.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

Chor beklagt die mangelnde Tugend der Fürsten, die sich aus Gewinnsucht vom Glauben und seinen Erfordernissen abgewandt haben (und verweist in diesem Kontext auch wieder, wie in der »Historia«, auf das gerechte Schicksalsrad, das die Geizigen stürzen werde, F1r). Vor diesem Hintergrund greift der Chor die Rede der Fides wieder auf, wiederholt die wichtigsten Punkte, betont die Berechtigung der Klage und appelliert an das Publikum (proceres, equites, regesque potentes, F1v), die Waffen zu ergreifen – und zwar unter der Führung Maximilians. Während Locher in der »Stultifera navis« das Kapitel mit einem Lob Maximilians beschließt, der die Kirche retten werde, Maximilianus adest: quo maior tempore nullo / Rex fuit ... (CXIIIr), lässt er hier am Ende des ersten Akts den Chor die gleiche Überzeugung äußern: Maximilianus adest: quo non prestantior Alter / Viribus: ingenio: Relligione: Fide (F1v, V. 62f.). Nur ist die Anwesenheit des Helfers Maximilian hier weitaus spürbarer als in der »Stultifera navis«: Maximilian wird bald (durch einen Schauspieler repräsentiert) auf die Bühne treten, und Maximilian sitzt (durch seinen rechtsgültigen Stellvertreter repräsentiert) im Publikum. Der Chor (der übrigens von sich in der ersten Person Singular spricht) übernimmt die Rolle des sprechenden Ichs in Brants Kapitel 99. Durch die Rede der personifizierten Fides ist dieser Rede eine Vorgeschichte geschaffen, ein beobachtetes und berichtetes Geschehen (die Klage), das der Zuschauer nun sowohl unmittelbar als auch vermittelt erfahren hat. In Akt II treten weitere „Augenzeugen“ der Klage auf: das vulgus christianum, das christliche Volk, das von sich selbst als von den vulgares simplicesque christiani spricht (F2v). Der nichtfürstliche Zuschauer sieht sich jetzt selbst auf die Bühne gebracht. Das Volk betet zu Gott, bekennt seinen Glauben und beteuert seinen Gottesgehorsam in Formeln, die dem Credo und der Bibel entnommen sind. Schließlich appelliert das Volk an die Fürsten und bittet Gott: Excita. inquam. deus omnipotens. Christiane reipublice Magistratus. ut contemptis Terrestribus spectaculis. ad celi Spectaculum. quod est pulcerrimum. et intermicantibus Astrorum luminibus celatum. et tanquam floribus adornatum. oculos convertant. (F3v) (Bewege, allmächtiger Gott, die Lenker des christlichen Staates, dass sie ihre Augen von den minderwertigen irdischen Schauspielen abwenden und auf das himmlische Schauspiel richten, welches das schönste ist, von schillernden Sternenlichtern verhüllt und zugleich wie mit Blumen geschmückt.)

Lochers Theaterpublikum muss sich hier direkt angesprochen fühlen. Das irdische Schauspiel sei ein minderwertiges; Fürsten – und solche befinden sich auf den Rängen der Freiburger Bühne – sollten ihre Augen von diesem abkehren und sich stattdessen der göttlichen Bühne zuwenden. Man könnte zunächst annehmen, mit diesem celi spectaculum sei der Lauf der Sterne gemeint. Ein Aufruf, der Theaterkunst die Astronomie vorzuziehen, wäre in diesem Kontext allerdings wenig sinnvoll. Mit der Gegenüberstellung von himmlischen und weltlichen spectacula spielt Locher vielmehr auf die Schlusswendung von Tertullians »De spectaculis« an, eine der maßgeblichen frühchristlichen Schriften, welche das antike Thea-

6.2. Kreuzzugspredigt auf der Bühne: Visualisierungstechniken

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ter und die antiken Kampfspiele verurteilen. In humanistischen Kreisen und v. a. in Maximilians Hofkreisen, in denen nicht nur das antike Theater hoch gehalten, sondern auch eine rege Fest- und Turnierkultur gepflegt wurde, ist die Zitation Tertullians ein Affront, v. a. für ein Publikum, das aktuell der Aufführung einer Tragödie beiwohnt. Die Zuschauerschaft, mit deren Betroffenheit hier gespielt wird, ist damit gezwungen, sich mit dem Vorwurf, sie sollte lieber celi spectaculum als ein irdisches Schauspiel betrachten, auseinanderzusetzen und sich daran zu erinnern, was Tertullian mit dem himmlischen Schauspiel meint. Dieses ist keineswegs nur ein kosmisches Ereignis, zu ihm gehört auch das aktive Leben im Glauben, die wachsame Vorbereitung auf den Jüngsten Tag, der als das größte aller Schauspiele begriffen wird: … Quod calcas deos nationum, quod daemonia expellis, quod medicinas facis, quod reuelationes petis, quod Deo uiuis: hae uoluptates, haec spectacula Christianorum, sancta, perpetua, gratuita. In his tibi ludos circenses interpretare: cursos saeculi intuere, tempora labentia dinumera, metas consummationis expecta, societates ecclesiarum defende, ad signum Dei suscitare, ad tubam angeli erigere, ad martyrii palmas gloriare. ... Quale autem spectaculum in proximo aduentus Domini … (XXIXf.).15 (…dass du die heidnischen Götter mit Füßen trittst, Dämonen austreibst, Heilungen durchführst, um göttliche Offenbarungen bittest und dein Leben auf Gott ausrichtest: dies sind die Genüsse, dies sind die heiligen, immerwährenden, schuldenfreien Schauspiele der Christen. Hierin sieh für dich „Zirkusspiele“, darin betrachte den Lauf der Welt, miss die verrinnenden Zeiten, erwarte die Endzeit, verteidige die kirchlichen Gemeinschaften, erwache auf Gottes Zeichen, auf den Posaunenklang des Engels hin, suche den Ruhm der Märtyrerpalme … Was für ein Schauspiel aber wird die bevorstehende Ankunft Gottes sein!)

Dieses höchste Schauspiel, die Endschlacht Gottes gegen Satan und alle Heiden, scheint im Türkenkrieg, wie ihn die »Tragedia« beschwört, vorweggenommen zu sein. Auf diesen, auf das calcare deos nationum, soll der Zuschauer (und speziell der fürstliche) sein Auge richten; in dem aktiven Kampf für Gott soll er das eigentliche Schauspiel sehen, nicht in dem Theaterstück auf der Freiburger Bühne. Während also Akt I Brants Kapitel 99 in das unmittelbare audiovisuelle Erlebnis der Klage des Glaubens und die kommentierende Rede des Chors umgestaltet hat, führt Akt II nun die Reaktion des einfachen Volks auf die Klage der Fides vor: Auf breiter Ebene besteht die Bereitschaft, ja das Bedürfnis zum Kreuzzug. Ein Publikum, das auf die Klage der Fides nicht wie das einfache Volk mit unmittelbarer Handlungsbereitschaft reagiert, sondern nur ein spectaculum konsumieren möchte, ist beschämt. Brant warnt die Christenheit, dass sie sich nicht im Schlaf überraschen lasse (V. 63). Dieses Motiv ist in Lochers zentralem Akt III in Handlung umgesetzt: Im Traum erscheint Papst Alexander die klagende Fides, die das (wache) Publikum ______________

15

Tertullian, Les spectacles/De spectaculis. Hrsg. u. ins Frz. übers. v. Marie Turcan. Paris 1986 (Sources Chrétiennes 332).

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

im ersten Akt bereits gesehen und auf die das einfache Volk bereits im zweiten Akt reagiert hat. Während der Klagen von Fides, Chor und Volk hat der Papst beschämenderweise geschlafen. Dieser Tadel trifft nicht Maximilian. Als er von Alexander herbeigerufen wird, antwortet er geradeheraus, der Papst komme zur rechten Zeit; die Notlage erfordere sofortiges Handeln. Er wiederholt noch einmal die zuvor geäußerten Punkte, betont die Gräueltaten der Türken und die Chance auf einen Sieg. Er hatte offensichtlich nicht geschlafen, sondern nur auf ein Zeichen des Papstes gewartet. Mit der Entscheidung zum Angriff ist der Höhepunkt der Handlung erreicht. Der Chor klagt plötzlich nicht mehr über das träge Volk der Christen, sondern warnt eindringlich die Türken.

Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, H3v.

Über die Besprechung zwischen Baijezid und Sultan in Akt V setzt Grüninger den Holzschnitt, den er im »Narrenschiff« für die beiden Kapitel über Ketzer und Heiden verwendet hat: Uslendig narren (Kap. 98)16 und das in der Straßburger ______________ 16

Zu Grüningers Mehrfachverwendung seiner Holzschnitte vgl. Paul KRISTELLER, Die Straßburger Bücher-Illustration im 15. und im Anfange des 16. Jahrhunderts. Leipzig 1888 (Beiträge zur Kunstgeschichte, N.F. 7), S. 7–29 u. 87–102.

6.2. Kreuzzugspredigt auf der Bühne: Visualisierungstechniken

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Ausgabe zwischen Kap. 109 und 110 eingeschobene Kapitel Bös gloubig narren, allein die am Boden liegende Narrenkappe am linken Bildrand fehlt. Kapitel 98 wendet sich gegen alle, die dem Teufel verbunden sind: Saracenen / Türken / Heyden (V. 9) und alle Ketzer, speziell die Hussiten (V. 12), sowie alle, die Todsünden begehen. Konkreter wendet sich Bös gloubig narren gegen jeden Menschen und speziell auch jeden Herrscher, der sich dem Gebot des Papstes und der Kirche widersetzt. In diesem Sinne ist auch in der »Tragedia« die Kriegserklärung an die Türken als eine Mahnung an „verlorene Schafe“ formuliert, die durch diese Verirrung ihre Narrheit beweisen: Sepius apostolico decreto Saluberrimisque doctrinis vos admonuimus: ut demum post longa temporum intervalla Mahumaticam pravitatem a Regionibus vestris expelleretis: nihil benigne cohortaciones in obducatis cordibus efficere potuerunt. Sed solita confusione: dyabolicaque secta omnes Asie ac Grecie populos falsam religionem venerari iussistis. Crucis dominice signaculum non in frontispitio. sed in plantis vestris cum magna ignominia fertis: quando divine legis precepta: rationabilesque ceremonias colere desideratis? purgate vesanam ignorantiam... cur legibus | divinis fraudem facitis / quid huic assentioni adheretis? cui natura repugnat: cui ratio? ... Haurite de cratere sacro divinam sapientiam: haurite disciplinam apostolicam! haurite dictamen recte rationis et intellectus habitum: haurite errorum vestrorum correctionem (H2v–3r). Öfter schon haben wir euch durch päpstlichen Bescheid und durch heilsamste Lehren ermahnt, dass ihr endlich nach so langer Zeit die muslimische Irrlehre aus euren Gebieten vertreibt. Nichts konnten gut gemeinte Ermahnungen in euren verblendeten Herzen bewirken. Vielmehr befahlt ihr in der immer gleichen Verirrung und gemäß der teuflischen Sekte allen Völkern Asiens und Griechenlands, die falsche Religion zu pflegen. Das Zeichen des Kreuzes des Herrn tragt ihr nicht auf der Stirn, sondern voller Verachtung an eueren Fußsohlen. Wann wollt ihr die Vorschriften des göttlichen Gesetzes einhalten und vernünftige Gottesdienste feiern? Wischt die widersinnige Ignoranz weg! ... Warum verstoßt ihr betrügerisch gegen die göttlichen Gesetze? Warum hängt ihr an dieser Behauptung, der Natur und Verstand widerstreiten? ... Trinkt aus dem heiligen Kelch die göttliche Weisheit, trinkt die apostolische Lehre! Trinkt das Gebot der rechten Vernunft und den Gebrauch des Intellekts, trinkt die Korrektur eurer Fehler.)

Die christliche Religion erscheint hier als eine Vernunftreligion, das Bekenntnis der Osmanen (zu dem bereits Fides im 1. Akt geäußert hatte: hii corporis imperium. secuti rationem famulatricem fecerunt, E4v) als eine vorübergehende geistige Verirrung ehemaliger Christen. Heiden und Ketzer werden so zu einer Einheit.17 Deshalb versucht auch der Chor vor Akt IV, die Türken zur Vernunft zu rufen und zum christlichen Glauben „zurück“ zu bekehren. Die Verirrtheit der bös gloubig narren ist aber nicht nur konstatiert, sie wird auch im Folgenden im Dialog zwischen Baijezid und Sultan vorgeführt: ______________

17

Zu der entsprechenden Gleichsetzung von Häretikern und Türken in der seit Mitte des 15. Jahrhunderts zelebrierten missa contra Turcas vgl. GÖLLNER III (1978), S. 22.

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Ignave mentis Tyrannus foret: qui minis christianorum ita terreretur. ut positis Armis se sponte. nec coactus Capiti alieno subiiceret. Maximum denique probrum Tyranno foret: cui tot urbes totque bellice. nationes servirent non visis hostibus cervicem inclinaret (H3v). (Ein kleingeistiger Tyrann wäre, wer sich durch die Drohungen der Christen so schrecken ließe, dass er die Waffen niederlegte und von sich aus, ohne dazu gezwungen zu sein, sich einem fremden Oberhaupt unterwürfe. Deshalb würde es für einen Tyrannen, dem so viele Städte und so viele kriegerische Völker dienten, die größte Schande bedeuten, wenn er seinen Nacken beugte, ohne die Feinde auch nur gesehen zu haben.)

Baijezid und Sultan bekennen sich zu ihrer Rolle als Tyrannen. In höchster superbia behauptet Baijezid, die Taten der Türken überträfen weit die Taten Achills, Hektors, Hannibals, Scipios, des Herkules oder Alexanders. Er wähnt sich auf dem Gipfel seiner Macht – und fügt sich als Tyrann damit unbewusst dem Tragödienschema. Nullum obmittam facinus. et nullum satis erit. donec christi cultores contritos ac perditos conspitiam. Tumultus pectus nostrum attonitus quatit. penitusque ad arma voluit. et rapior. dii inferi. me ad belli molem sollicitant. Mugit e fundo tellus. et eumenidum cohortem in lucem mittit: pluto (H5r). (Keine Untat werde ich auslassen und keine wird genügen, bis ich die Vertreter Christi aufgerieben und vernichtet sehe. Ein mächtiger Aufruhr lässt unsere Brust erbeben und ruft im Inneren zu den Waffen; und ich werde fortgerissen. Die Götter der Unterwelt drängen mich, die Mühen des Krieges auf mich zu nehmen. Aus der Tiefe tost die Erde, und Pluto schickt die Eumeniden ans Licht.)

Dieser Diener Plutos ist mehr als nur ein uslendig und ein bös gloubig narr, er ist ein prototypischer Tyrann, ein Ezzelino, der mit dem Teufel im Bunde steht. Die Drohung, alle Christen zu vernichten, unmittelbar zu einem christlichen Publikum gesprochen, weckt Entsetzen und zugleich die Hoffnung, dass das gerechte Fortunarad ihn stürze. Auch der muslimische Kriegsausrufer, der den Chorgesang am Ende des vierten Akts ersetzt, demonstriert noch einmal den Hochmut der beiden Tyrannen. Die flammende Kriegsrede des christlichen Heerführers zu Beginn des fünften Akts dient nur noch als retardierendes Moment, der Handlungsverlauf ist bereits vorgezeichnet. Es muss zum Umschwung, zum Sturz der Tyrannen kommen: Fama schließlich verkündet den Sieg der Christen und den Sturz des Türkenreichs vom höchsten Gipfel: Magno de culmine lapsum est Thurci Regnum (H8v). Was am Ende von Kap. 99 des »Narrenschiffs« nur als Hoffnung und Überzeugung artikuliert ist, wird hier audiovisuell vorgeführt. Das Tragödienschema verlangt den Sturz des Tyrannen; am Ende steht der Triumph der Gerechten, der zuerst verkündet, dann als Triumphzug vorgeführt wird. Unter die Überschrift Triumphus setzt Grüninger den Holzschnitt eines Wagens, in dem – am Wappen kenntlich – Maximilian sitzt. Voran gehen Sänger mit Notenblättern; Passanten beobachten den Zug. (Den gleichen Holzschnitt verwendet Grüninger auch in

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Lochers Horazausgabe für den Triumph Julius Caesars über Antonius und Cleopatra, E5v, L2r). In sapphischen Strophen ist der Triumph beschrieben: Jeder soll Beifall spenden; Jung und Alt, Männer und Frauen sollen den Triumphwagen ziehen, während die Osmanen bereits gefesselt dem Kerker zugehen. Die siegreiche Fides wird auf dem Ehrenthron geführt, umjubelt vom Volk. Ihrem Wagen folgt das besiegte Volk; auch es hört die Lieder, die junge Menschen anstimmen, und den Klang der Cythara. Nun folgt der eigentliche Triumphwagen, gezogen von weißen Pferden. Der Wagen glänzt von erbeuteten Rüstungen. Auf Bildtafeln sind die eroberten Flüsse und Städte abgebildet. Zudem befinden sich auf dem Wagen die Szepter der mächtigen unterworfenen Könige. Der (oder vielleicht auch ein zweiter) Wagen ist übervoll beladen mit ausländischen Schätzen. Ihm folgen stolze Könige in Purpurgewändern. Rom und Alemannia werden zum Jubel und zum Dankgebet an Gott aufgefordert.

Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, I1v.

In der Forschung ist diskutiert worden, ob der Triumphzug am Ende des Dramas tatsächlich als Parade aufgeführt worden sei,18 wie etwa der Triumphzug am Ende von Verardis »Historia Baetica« oder wie die trionfi, welche seit Mitte des 15. Jahrhunderts in den oberitalienischen Stadtstaaten zu politischen Zwecken aufgeführt wurden,19 orientiert an den römischen Imperatorenzügen, aber angereichert durch ______________ 18 19

HEHLE I (1873), S. 29, geht von einem tatsächlichen Triumphzug Maximilians und seines Heers aus. Vgl. auch MAASSEN, S. 84f.; BRAUNECK, S. 416. Thomas Ulrich SCHAUERTE, Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers. München 2001, S. 58, betont, dass es zu Maximilians Lebzeiten keinen Tirumphzug „all’antiqua“ nördlich der Alpen gegeben habe und dass Maximilian immer mit dem

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

weitere Wagen und durch Tanzpantomimen und Rezitationen,20 oder ob er nur im Chorlied besungen worden sei.21 Locher bedankt sich im Widmungsbrief an Sigismund Kreutzer bei diesem, qui me in poetico triumpho theatralique ovatione tua presidentia plurimum decorasti (A5v), was nicht nur darauf hinweist, dass Kreutzer bei der Aufführung und, sofern die Dichterkrönung tatsächlich ebenfalls in Freiburg stattgefunden hat, auch bei dieser Maximilian vertreten hat22 (Maximilian war zur im Druck genannten Aufführungszeit, am 15. 5. 1497, in Füssen23), sondern v. a. auch, dass nicht nur ein poetischer Triumph, sondern auch ein (kleinerer) theatralischer stattgefunden hat. Im Epilog gibt Locher außerdem einen Hinweis auf einen Aufführungsunterschied zwischen Spiel und Triumphzug: Audistis fidei devota mente querelas Audistis lachrimas mestiferosque modos Audistis populi spurcissima probra superbi: Consilium Regum: quos mala secta premit. Audistis pape sancti mandata: potentis Caesaris et iussus Consiliumque probum Audistis pariter Tragico dictata cothurno Verba sed iambis non mea scripta volant. Audistis quam sit nostris Rhamnusia rebus Infesta / et fractis sit modis structa rotis. Vidistis celebrem turba comitante triumphum Vidistis nostri laurea serta ducis. Morsibus a diris tenerum servate poetam Perstet ut eterno gloria parta gradu.

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Pferd in Städte eingeritten sei. Vorsichtiger erklärt SCHENK, S. 267, Triumphzüge seien im Reich höchst selten gewesen. HEERS, S. 308–320; SCHENK, S. 41 (Lit.). Von einer Verknüpfung von Elementen des „panegyrischen Trionfo-Theaters mit klassizistischen Formen des neuen Renaissancedramas“ bei Locher spricht Wilhelm KÜHLMANN, Der Poet und das Reich – Politische, kontextuelle und ästhetische Dimensionen der humanistischen Türkenlyrik in Deutschland, in: Europa und die Türken in der Renaissance. Hrsg. v. Bodo Guthmüller u. Wilhelm Kühlmann. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54), S. 193–248, S. 203. REISCHL, S. 161, geht davon aus, dass er über die Bühne ging; MICHAEL 1957, S. 256 sieht in dem Triumphzug einen unszenischen Triumphgesang, ebenso GÖLLNER III (1978), S. 359; KINDERMANN 1969, S. 254 spricht von einem „sicherlich festlich inszenierte[n] Triumphzug“. Dass Konrad Celtis Locher zum Dichter gekrönt habe, wie Johannes Nepomuk MEDERER, Annales Ingolstadiensis Academiae. Pars I: Ab anno 1472 ad annum 1572. Ingolstadt 1782, S. 54, annimmt, entbehrt jeder Wahrscheinlichkeit. Sigmund von Rorbach berichtet von seinen Jagdunternehmungen vom 5.–11. Mai 1497 und seinem Vorhaben, binnen 12 Tagen nicht nach Worms sondern nach Innsbruck zu reisen (Deutsche Reichstagsakten, Bd. 6, S. 387, Nr. 16). Am 16. 5. schreibt Maximilian mehrere Briefe aus Füssen (ebd., S. 388f., Nr. 17–19). MERTENS 1998, S. 319f., vermutet, Locher sei anschließend an die Dichterkrönung zu Maximilian nach Füssen gereist, um vor dem König den Panegyricus vorzutragen. Denkbar wäre aber durchaus auch, dass Locher zur Dichterkrönung zu Maximilian reiste und anschließend in Freiburg die »Tragedia« aufführte.

6.2. Kreuzzugspredigt auf der Bühne: Visualisierungstechniken

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Se tibi commendat lector philomusus Amice Perlege: quod numeris scripsimus ecce novis (I3r)24 (Ihr habt die in Demut gesprochenen Klagen der Fides gehört. Ihr habt die Tränen und traurigen Lieder gehört. Ihr habt von den verruchtesten Schandtaten des hochmütigen Volks gehört und vom Rat der Könige, die die üble Sekte bedrängte. Ihr habt den Beschluss des Heiligen Papstes gehört sowie die Befehle und den guten Rat des mächtigen Kaisers. Ihr habt ebenso die Worte gehört, die auf tragischem Kothurn gesprochen wurden, auch wenn meine Worte [hier auf dem Papier] nicht in Jamben dahin fliegen. Ihr habt gehört, wie feind Rhamnusia unserer Sache ist und wie zerbrechlich das Rad gebaut ist. Ihr habt den feierlichen Triumphzug gesehen, der von vielen begleitet wurde. Ihr habt den Lorbeerkranz unseres Feldherrn gesehen. Beschützt den jungen Dichter vor wütenden Angriffen, damit der erworbene Ruhm auf ewig erhöht sei. Dir, freundlicher Leser, empfiehlt der Philomusus: lies durch, was ich hier in neuem Versmaß geschrieben habe.)

Gezielt steigert er den Wahrnehmungsmodus vom Hören alles dessen, was die Tragödie in Akt I–V vorgeführt hat, zum Sehen des Triumphes. Mit ihm soll ein noch intensiverer Sinneseindruck verbunden sein als mit dem Theaterspiel. Fraglos fordert der Triumphzug eine größere Involviertheit des Publikums als das Spiel. Locher teilt allen Zuschauern eine Rolle zu: Sie bilden die Stadt Rom, durch welche der Zug mit Wagen, die römische Triumphwagen repräsentieren sollen (wenn sie wohl auch eher Theaterwagen glichen), mit dem König, der durch einen Darsteller repräsentiert wird, ziehen, um einen fiktiven Sieg zu feiern. Am Schluss wird das Publikum aufgerufen: Plaude qui cernis celebrem triumphum Plaude qui Sellas trahis et curules Plaude qui cernis superata stantis Aequora ponti (I3r, V. 54–57). (Applaudiere, da du den glorreichen Triumphzug siehst! Applaudiere, da du die Triumphwagen ziehst! Applaudiere, da du die Weiten des Schwarzmeergebiets überwunden siehst.)

Der Zuschauer, der den Triumph sieht, ist zugleich derjenige, der den Wagen zieht,25 und derjenige, der den Sieg errungen hat. Der Zug fordert eine vollständige Identifikation des Publikums mit dem Dargestellten. Bei dieser Forderung kann Locher sich auf ein bei anderen prozessionalen Repräsentationsformen eingeübtes Rezeptionsverhalten seiner Zuschauer stützen; königliche Einzüge und v. a. geistliche Prozessionen und Prozessionsspiele waren den Freiburgern, wie oben (Kap. 4.2) dargelegt, vertraut.

______________

24 25

Hervorhebungen von mir, C.D. Zu den im Gegensatz zu antiken Triumphzügen auf frühneuzeitlichen Triumph-Bildern dokumentierten von Menschenhand angetriebenen mechanischen Wagen vgl. SCHAUERTE, S. 63.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

6.3. Exkurs: die Präsenz von Vergangenem im Fronleichnamspiel Wiederholt ist in den letzten Kapiteln das Fronleichnamspiel erwähnt worden, so dass es hier angebracht sein dürfte, einen kurzen Exkurs zu dieser spätmittelalterlichen Spielform einzufügen. Das Fronleichnamsfest ist von seiner Idee her ein Fest des Zusammentreffens der gesamten Heilsgeschichte in der Realpräsenz Christi in der gewandelten Hostie. Das Dogma der Realpräsenz, das, um mit Christoph PETERSEN zu sprechen, „das fundamentale Präsenzdefizit des eucharistischen Corpus Christi diskursiv zu kompensieren versucht“, sich selbst aber der Wahrnehmbarkeit entzieht,26 soll im Fest wahrnehmbar werden, während es in der Eucharistie nur durch rituelle Zeichen zum Ausdruck gebracht werden kann.27 Eine Möglichkeit, die Präsenz Gottes und die Präsenz des Opfertods Christi begreiflich zu machen, besteht darin, sie auf eine andere Zeichenebene zu heben. Seit der Einsetzungsbulle Urbans IV. und v. a. seit dem Entwurf einer Fronleichnamsliturgie durch Thomas von Aquin,28 ist die Betonung der typologischen Strukturen der Heils- und Weltgeschichte ein Kernelement des Fronleichnamsfestes. Jede einzelne Szene der Heilsgeschichte wird auf den Leib Christi und auf die Erlösung bezogen. Durch seine Präsenz in den Präfigurationen durchbricht der corpus Christi sicht- und darstellbar die Grenzen der Zeit, was er in der Realpräsenz auf eine Weise tut, die sich der Anschauung und der Erfassung durch den menschlichen Verstand verweigert. Dargestellt wird nun dieses Durchbrechen der Zeitgrenzen im Fronleichnamspiel, das i. d. R. in chronologischer Reihenfolge ausgewählte Szenen der Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zum Jüngsten Tag präsentiert und in ihnen typologische Strukturen29 wie auch die jeweilige Gegenwärtigkeit des Vergangenen betont. Letzteres geschieht nicht nur durch Anachronismen, durch Wendungen an das Publikum und Andeutungen auf Zeitgenössisches, sondern v. a. auch durch das gemeinsame Formulieren des Credo, des Pater noster oder anderer vertrauter Gebete durch die Figuren oder durch das gemeinsame Anstimmen von ______________ 26

27

28 29

Christoph PETERSEN, Imaginierte Präsenz. Der Körper Christi und die Theatralität des geistlichen Spiels, in: Das Theater des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation. Hrsg. von Christel Meier u. a. Münster 2004 (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 4), S. 45–61, S. 49. Zur Problematik des Verhältnisses zwischen Ritual und Spiel vgl. auch Christoph PETERSEN, Ritual und Theater: Meßallegorese, Osterfeier und Osterspiel im Mittelalter. Tübingen 2004 (MTU 125) und die dort angegebene Literatur. Vgl. Pierre-Marie GY, L’office du Corpus Christi et S. Thomas d’Aquin. État d’une recherche. RSPT 64 (1980), S. 490–507. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist etwa die Deutung des Kampfes zwischen David und Goliath als Typus des Kampfes zwischen Christus und Satan, der wiederum darauf verweise, dass jeder Mensch heute noch gegen das Böse ankämpfen musse, im »Künzelsauer Fronleichnamspiel«, V. 895–906. Künzelsauer Fronleichnamspiel. Hrsg. v. Peter K. Liebenow. Berlin/ New York 1969 (Ausg. dt. Lit. des 15. bis 18. Jh. Drama 2).

6.3. Exkurs: die Präsenz von Vergangenem im Fronleichnamspiel

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Kirchenliedern, deren Aktualität für die Betrachter außer Frage steht. Als ein Beispiel hierfür sei das »Innsbrucker Fronleichnamspiel« genannt, in welchem die Propheten bei ihrer Befreiung aus der Hölle unter Hinweis auf ihre einzelnen Prophezeiungen, die sie jetzt erfüllt sehen, Satz für Satz das apostolische Glaubensbekenntnis zusammensetzen.30 Das Credo, über das sich die kirchliche Gemeinschaft definiert, ruft die Zuschauer in ihre Rolle als Gemeindemitglieder; die zuschauende Gemeinde sieht sich in der dargestellten Gemeinde gespiegelt, welche die Erlösung als das Zentrum der Kirche unmittelbar bezeugt. Zu sehen, was doch der gemeinsame Glaube ist: dazu ist hier das Publikum aufgefordert. Nicht eine neue Wahrheit soll dargestellt werden, sondern ein als wahr Geglaubtes, das durch die Unmittelbarkeit der Darstellung im Zuschauer wachgerufen und bestätigt werden soll oder das durch seine Präsenz eine Stellungnahme des Betrachtenden fordert. – In seinem gesungenen triumphus appelliert Locher an ein solches Gemeinde-Gefühl und ein solches Rezeptionsverhalten seines Publikums. Die Verbindung zwischen den Einzelszenen der Fronleichnamspiele, die häufig durch große Zeitsprünge voneinander getrennt sind, besteht in dem gemeinsamen Bezug auf die Erlösung oder auf die Spannung zwischen Erlösung und Erlösungsnotwendigkeit während der Zeit des eschatologischen Vorbehalts. So folgt zum Beispiel in Freiburg nach Angaben der ältesten Prozessionsordnung31 unmittelbar auf die Erscheinung des Auferstandenen vor seinen Jüngern der Auftritt des Heiligen Georg. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Szenen ist innerhalb eines Fronleichnamspiels (oder -umzugs) offensichtlich: Die Tötung des Drachens ist ein Abbild der Erlösung – die mit Christus zwar geschenkt, aber in der Welt noch nicht vollständig erfüllt ist. Der Drachentöter und Schutzheilige der Kreuzritter als Abbild Christi geht den Betrachter eines Fronleichnamspiels, das ja auf eine Aufhebung zeitlicher Grenzen angelegt ist, unmittelbar an. Die Szene ist Heilsversicherung und Appell zugleich: ein Appell, gegen das Böse zu kämpfen. Für die Georg-Szene in Freiburg war gerade die Krämerzunft, das ist die Zunft Peter Sprungs, des Vertrauten Maximilians, verantwortlich; daher liegt es nahe, wie oben (Kap. 4.2.) dargelegt, zu vermuten, dass hier bereits von Anfang an eine Deutung des Drachenkampfes als eines Typus des Türkenkriegs vorgesehen war. Das zukünftige Ereignis eines Siegs über die Türken wird so durch die Aufhebung der Zeitstrukturen zu einem Teil der präsenten Heilsgeschichte. Ähnliches sieht Locher für sein Türkendrama vor, das eine noch nicht erfüllte historia präsentiert, die in einem typologischen Verhältnis zur Erlösung und damit jenseits der Zeitstrukturen gesehen werden kann. Der prozessionale Charakter, der (weitgehend) konstitutiv für das Fronleichnamspiel ist und der Anordnung von Papst Johannes XXII. aus dem Jahr 1317 ______________ 30 31

Innsbrucker Fronleichnamspiel, in: Altteütsche Schauspiele. Hrsg. v. Franz Joseph Mone. Quedlinburg/Leipzig 1841 (Bibliothek der ges. dt. National-Litteratur 21), S. 145–164, V. 84ff. NEUMANN, Bd. 1, S. 227f.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

gerecht wird, wonach am Fronleichnamstag Prozessionen stattfinden sollten, setzt die Zeitdimension des Dargestellten in Bewegung um. Bei einer Aufführung auf Bühnenwagen mit mehreren Aufführungsorten bedeutet das, dass verschiedene Stationen der Heilsgeschichte zur gleichen Zeit aufgeführt werden und sich doch dem Publikum, sofern es sich nicht gegen die Laufrichtung des Zugs bewegt, in chronologischer Reihenfolge darbieten. Mit dem prozessionalen Spiel konnte, wie bei Lochers »Tragedia«, auch ein stationäres Spiel verbunden sein. So wurde etwa in späterer Zeit das Freiburger Fronleichnamspiel mit einem stationären Passionsspiel in fünf Akten verknüpft; anderenorts sind solche Verbindungen von Spiel und Prozession bereits seit der Mitte des 15. Jahrhunderts belegt.32 Getrennt vom Zug der Bühnenwagen ist in der Regel die Prozession mit der Monstranz, d. h. mit dem real präsenten Christus. In ihr geleitet vor oder nach dem Spiel die Festgemeinde den zentralen Verehrungsgegenstand, eben jenen Kulminationspunkt der Weltgeschichte. Das Mitgehen auf dem Weg ist ein symbolischer Ausdruck der andauernden Verbundenheit und der Eingliederung in den Weltenlauf. Die Feiernden sollen dabei eine Ordnung einnehmen, die der gesellschaftlichen Hierarchie entspricht, die wiederum als ein Abbild der göttlichen Ordnung begriffen wird. Die feiernde Gemeinde also setzt sich als solche, in ihrer Struktur, ebenso wie der einzelne, in ein Verhältnis zum Allerheiligsten und zum Erlösergott. Wenn sich die Gemeinde in der Prozession so auch nach außen präsentiert, dann ist dies kein Schauspiel, es ist eine symbolische Selbstdarstellung. Der Zug am Ende von Jacob Lochers »Tragedia«, in welchem der König und Fides in der sella durch die Straßen ziehen, konnte sowohl Assoziationen der Machtdemonstration des Herrschers im Entrée Royale als auch der Feier der göttlichen Erlösung zu Fronleichnam wachrufen. Beide Prozessionsformen fordern vom Zuschauer, dass er sich als ein Teil des zu feiernden Ordnungssystems, der Kirche oder des Reichs, begreife, dass er letztlich Teil des Dargestellten selbst werde.33 SCHENK betont den Ernst der Herrschereinzüge, der mit dem Begriff ______________ 32

33

Neil C. BROOKS, Processional Drama and Dramatic Procession in Germany in the Late Middle Ages. Journal of English and Germanic Philology 32 (1933), S. 141–171, v. a. S. 142–144. Von einer üblichen Verlängerung der Spiele in die Stadt durch kostümierte Umzüge am Ende der Aufführungen im 16./17. Jahrhundert spricht Erich KLEINSCHMIDT, Literatur und städtische Gemeinschaft. Aspekte einer literarischen Stadtkultur in der Frühen Neuzeit, in: Literatur in der Stadt. Bedingungen und Beispiele städtischer Literatur des 15. bis 17. Jahrhunderts. Hrsg. v. Horst Brunner. Göppingen 1982 (GAG 343), S. 73–93, S. 82. SCHAUERTE, S. 62f., betont als Unterschied zwischen Entrée Royale und Triumphzug, dass sich beim Einzug der Herrscher rezeptiv verhalte und die Stadt sich ihm durch unterschiedliche Darbietungen präsentiere, während beim Triumphzug das Volk in der rezeptiven Rolle sei und der Zug es von der Triumphwürdigkeit des Einziehenden überzeugen solle. „Dazu veranschaulicht er dessen Taten durch bildliche Darstellungen, mitgeführte Gefangene, Trophäen und nicht zuletzt durch die gottähnliche Erscheinung des Triumphators auf seinem Wagen.“ Diesen Unterschied sollte man m. E. nicht überbewerten, da die Darstellung von Herrscher bzw. Stadt jeweils nicht isoliert ist, sondern Stadt und Herrscher zueinander in Beziehung gesetzt werden.

6.4. Eine neue Art zu schreiben: Wiedergeburt des antiken Theaters

125

der Theatralität nicht recht zu verbinden sei.34 Spiel aber bedeutet zu Lochers Zeit nicht notwendigerweise Unernst; Schauspiel kann auch die Repräsentation eines Abwesenden oder Unsichtbaren, umso Ernsteren und Wahreren bedeuten. Diesen Ernst kennt das geistliche Spiel, und auf eben diesen zielt auch Locher mit seinem Triumphzug. Er will, dass sich die Zuschauer von Spiel und Triumph so betroffen fühlen wie von einem prozessionalen Fronleichnamspiel, dass sie sich als Teil des hier vorgeführten und gefeierten Römischen Reichs begreifen. Der glorreiche Sieg Maximilians wird durch die Parallele zur Fronleichnamsprozession zu einem heilsgeschichtlichen Ereignis gesteigert. Diese „Heilstatsache“, die im göttlichen Ideenreich, in der Tiefe des überzeitlich Wahren, bereits besteht und hier in poetischem Gewand sicht- und hörbare Form erhalten hat, in der eigenen Zeit umzusetzen, muss das Ziel des Publikums sein.

6.4. Eine neue Art zu schreiben: Wiedergeburt des antiken Theaters Antequam inusitatum Alemannis nostris scriptitandi genus aperiam (D4r). Eine neue Art zu schreiben, die den Deutschen bisher ungewohnt sei, wolle er beginnen, erklärt Locher im seinem In tragici ludi Spectaculum ... prefatio. Sofern man ihn hier nicht tadle und verlache, … more tragico: non tragica sublimitate: nec iambica structura ludum scaenicum ac umbratilem clarissimis personis introductis representarem (D4r). (... dann böte ich in der Art einer Tragödie, aber nicht von tragischer Erhabenheit noch in jambischem Versbau ein schulmäßiges szenisches Spiel dar, in dem sehr hochstehende Personen vorkommen.)

Nach der »Historia de Rege Frantie« ist es erstaunlich, dass Locher immer noch beansprucht, eine Neuigkeit in Deutschland einzuführen, zumal aus dem Widmungsbrief Lochers an Sigismund Kreutzer hervorgeht, dass er (und vielleicht auch andere Dichterkollegen) in der Zwischenzeit noch weitere Aufführungen organisiert hatte: In tanto tamen. tamque spectabili professorum Numero. Vatum Oratorumque Spectacula Ludosque Iucundissimos Spectare | nunquam erubuisti (A5r–v). (In einer so großen und so angesehenen Runde von Professoren hast du dich dennoch nie geschämt, die Aufführungen und äußerst unterhaltsamen Spiele der Dichter und Redner anzuschauen.)

Erstmals zwar verwendet Locher den Begriff tragedia, daneben auch den die szenische Performanz betonenden Ausdruck spectaculum tragicum. Wieder aber erklärt er, dass das Werk die formalen Kriterien einer Tragödie nicht gänzlich erfülle; allein auf das hochgestellte Personal legt er besonderes Gewicht (wenngleich die Stän______________

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SCHENK, S. 74.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

deklausel bereits in der »Historia« eingehalten war), nicht auf Metrik und Stil. Die weiteren Prologworte des Philomusus mögen Aufschluss darüber geben, worin er den Neuigkeitswert dieses Schauspiels sieht: Placidas Spectatorum aures: faventissimaque Numina | precabor: ut mihi tenero vati benivolis votis. plausibusque dulce sonantibus adsint: ne inepti spectaculi ludus actorem cum auctore suo de pulpito det precipitem. Tanta enim multitudo ad audiendum convenistis. ut potius capite tremulo titubem. quam schole nostre gratuler. que tot eruditorum hominum copiis obsessa: vix efficere potest in publico: quod domi excogitavimus: Sed quia personam actoris indui: in proscenium: theatricamque harenam prodivi. pedem retrahere nequeo (D4r-v). (Ich möchte die geneigten Ohren der Zuschauer und die gütige Gottheit bitten, dass sie mir jungem Dichter mit wohlmeinenden Worten und lieblich tönenden Beifallsbekundungen beistehen, damit nicht die Aufführung eines ungeeigneten Stückes den Schauspieler mit dem Autor kopfüber von seiner Bühne stürze. In so großer Zahl seid ihr nämlich zum Zuhören zusammengeströmt, dass ich eher zitternden Hauptes stammeln möchte, als unsere Schule beglückwünschen, die von einer solchen Zahl gebildeter Menschen erfüllt, schwerlich in der Öffentlichkeit ausführen kann, was wir uns zu Hause ausgedacht haben. Aber weil ich in die Rolle eines Schauspielers geschlüpft bin, kann ich nach Betreten des Proszeniums und der Schauspielarena den Fuß nicht mehr zurückziehen.)

In seine topische Unfähigkeitsbekundung und die Bitte um Wohlwollen flicht der Dichter nicht nur ein Zitat aus den »Flores« des Apuleius, Kap. 18,35 ein, er nennt auch mehrere termini technici des antiken Theaters: pulpitum, proscenium, harena. Er fährt fort: Nam pro amplitudine gymnasii frequentia auditorum congregata est: et pro magnitudine frequentie locus est delectus speciosissimus. (D4v) (Denn es hat sich eine der Größe der Universität angemessene Hörerzahl versammelt, und für die große Menge ist der herrlichste Ort gewählt worden.)

Auch dies ist ein Apuleius-Zitat.36 Ganz offensichtlich soll die Universität Freiburg die antike Stadt Karthago ersetzen; das Publikum soll sich in die Antike versetzt fühlen, so wie im abschließenden Triumphzug Freiburg zu Rom werden soll. Und so folgt dann auch mit Apuleius die Beschreibung des Raums als eines römischen Theaters. Was bei Apuleius vom Theaterstück ablenken könnte,37 trägt hier zur Pracht des Theaterereignisses bei: locus inquam ille eminentissimus est. in quo lepidum commentum spectaculi hodie sumus acturi. O quam spatiosa pavimenti marmoratio. proscenii splendidissima conta-

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Apuleius, Verteidigungsrede. Blütenlese. Hrsg. u. übers. von Rudolf Heim. Berlin 1977 (Schriften und Quellen der alten Welt 36): Tanta multitudo ad audiendum convenistis, ut potius gratulari Karthagini debeam, quod tam multos eruditionis amicos habet, quam excusare, quod philosophus non recusaverim dissertare. Ebd.: nam et pro amplitudine civitatis frequentia collecta et pro magnitudine frequentiae locus delectus est. Ebd.: praeterea in auditorio hoc genus spectari debet non pavimenti marmoratio nec proscaenii contabulatio nec scenae columnatio, sed nec culminum eminentia nec lacunarium refulgentia nec sedilium circumferentia, ...

6.4. Eine neue Art zu schreiben: Wiedergeburt des antiken Theaters

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bulatio. culminum eminentia admirabilis. Sedilium Orchestrorumque circumferentia comminatissima! (D4v) (Jener Ort, sage ich, wo wir heute die anmutige Erfindung eines Schauspiels aufführen werden, ist der bestmögliche. Oh, was für ein ausladender Marmorbelag auf dem Boden, die herrliche Dielenfügung des Proszeniums, die wunderbare Höhe der gewölbten Decke, die überaus dichte Umschließung der Orchestrasitze!)

Wie in den »Flores« steht der Raum auch für andere Aufführungen offen; das aber soll (wie bei Apuleius) die Würde des Vortrags nicht gefährden,38 vielmehr die Würde des Raums erhöhen: patet hic locus omnibus. qui aliquid artis et ingenii in turbas fundere sciunt. Hic mimus et histrio Corporis motum. vultusque gestum elegantissime representant. hic comedus empta fabula de privatorum hominum fortuna. lenociniisque amatoriis sermotionatur. Hic Tragedus fulvis amictus cothurnis. longoque vestitus Syrmate / de fato. de fortuna. et de miseris Regum ac principum calamitatibus vociferatur. Ceteri itaque ludiones. quod cuiusque artis est. In spectaculo Regio: celebrique consessu / turbis congregatis ostentant (E1r). (Dieser Ort steht allen offen, die etwas Kunst- und Geistreiches in die Menge werfen können. Hier zeigen Mime und Schauspieler aufs Beste ein gewandtes Körper- und Mienenspiel. Hier plappert der Komiker in einer tradierten Geschichte über das Geschick von Privatleuten und über verliebte Kuppelei. Hier lässt der Tragöde, angetan mit goldenen Kothurnen und langem Schleppmantel, seine Stimme über das Schicksal, das Glück und die beklagenswerten Unglücksfälle von Königen und Fürsten erschallen. Und so zeigen die übrigen Schauspieler, was eines jeden Kunst ist, im königlichen Schauspiel, in feierlicher Versammlung, vor der lebhaften Menge.)

Der eher literarische als reale Raum steht damit symbolisch für die Wiedererstehung des römischen Theaters in seiner kulturellen Fülle in Deutschland. Anders als bei Apuleius bildet das Zentrum der Raumbeschreibug der Preis des Throns: In quo quidem loco sacrosancte Romane Maiestatis Cathedra fixis firmata gradibus pendet. Ad quem non osoribus / non Rabulis / non denique fraudulentis. Assentatoribus accedere licet. sed eruditis bonisque viris. quorum studio atque virtute Romani Regis solium Augustissimum semper colitur et illustratur. ... quid locum describo? cum nihil sit in Regis solio. quod a preciosis munditiis peregrinisque sumptibus / sit alienum. In hoc excellenti vestibulo. hacque clarissimorum hominum celebritate / tanto etiam cesare presidente / nihil insulsum. nil a moribus humanis alienum decantari solet. Impudica scriptorum cohors / ab hoc sacro | palatio pedem ammoveat: sancta et incorrupta hec narrantur dictamina: que mortales ipsos a vitiis vanisque rerum humanarum concupiscentiis avertant. dulcissimoque virtutum lacte animos eorum reficiant. (D4v–E1r) (In diesem Raum steht doch der Thron der heiligsten Römischen Majestät, gegründet auf festen Stufen, an welchen nicht Hassern, nicht Verleumdern, nicht gar erst trügeri-

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Ebd. (als direkte Fortsetzung des vorausgehenden Zitats): ... nec quod hic alias mimus halucinatur, comoedus sermocinatur, tragoedus vociferatur, funerepus perclitatur, prestigiator furatur, histrio gesticulatur ceterique omnes ludiones ostendant populo quod cuiusque artis est, sed istis omnibus supersessis nihil amplius spectari debet quam convenientium ratio et dicentis oratio.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

schen Schmeichlern heranzukommen gestattet ist, sondern gebildeten guten Männern, deren Eifer und Tugend den hoch erhabenen Thron des Römischen Königs immer ehrt und verherrlicht. ... Wozu beschreibe ich den Ort? Am Königsthron gibt es nichts, dem es an kostbarer Zier und aufwändiger fremdartigem Ausstattung fehlte. In diesem erlauchten Saal, in dieser großen Runde hochberühmter Menschen, sogar unter dem Vorsitz des Kaisers selbst, pflegt nichts Abgeschmacktes, nichts Unsittliches gesungen zu werden. Die schamlose Meute der Schreiberlinge möge den Fuß von diesem heiligen Palast wegwenden. Heilige und unverdorbene Dichtungen werden hier vorgetragen, die die Menschen selbst von Lastern und eitlem Streben nach menschlichen Gütern abwenden und ihre Seelen mit der übersüßen Milch der Tugenden erquicken sollen.)

Die ungewöhnliche Formulierung cathedra pendet hat in der Forschung zu allerlei Spekulationen geführt, ob im Thronsaal des Kaiserbaus in Freiburg39 ein Balkon angebracht gewesen sei.40 Dass das fürstliche Publikum theatralische oder halbtheatralische Vorführungen im Saal von einer Empore aus beobachtete, war durchaus üblich, wie zahlreiche Illustrationen in Maximilians »Freydal« bezeugen.41 Die genannte Formulierung ist aber, wie bereits Wolfgang F. MICHAEL nachgewiesen hat, wiederum ein Klassikerzitat42 und verlangt daher nicht wörtlich genommen zu werden. In der Siebten Satire beschreibt Juvenal43 ein armseliges, heruntergekommenes Gebäude, mit welchem sich der missachtete Dichter für seine Vorträge abfinden muss. nemo dabit regum quanti subsellia constant et quae conducto pendent anabathra tigillo quaeque reportandis posita est orchestra cathedris. (47–49) (Keiner der Könige wird bezahlen, was die Sitze kosten und die auf angemietetem Balkengerüst schwebenden Bänke sowie die mit entliehenen Sesseln ausgestattete Orchestra.)

Lorenzo Valla umschreibt in seinem Kommentar zu Juvenal an dieser Stelle anabathra mit gradus und pendet mit sublimia sunt.44 Dies erklärt Lochers eigenartige Formulierung. Indem Locher den Plural der Ehrenplätze in der Orchestra und der zahlungsunwilligen, abwesenden Könige durch den Singular des einen Throns des Römischen Königs ersetzt, wird die größtmögliche Betonung auf die (fiktive) Anwesenheit des großzügigen Kaisers gelegt, von dem es zu Beginn eben der Siebten Satire Juvenals heißt: Et spes et ratio studiorum in Caesare tantum (V. 1). Ein ______________ 39

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Im Gegensatz dazu erklärt MICHAEL 1934, S. 53, die Formulierung actum in Friburgensi Gymnasio (I3r) weise unzweifelhaft auf die Universität. Fraglich ist allerdings, ob mit dem gymnasium wirklich die Räumlichkeit oder aber der institutionelle Rahmen angegeben ist, FRITZ MOSER, S. 30; MICHAEL 1963, S. 77; KINDERMANN 1969, S. 253. Freydal. Des Kaisers Maximilian I. Turniere und Mummereien. Hrsg. v. Quirin von Leitner. Wien 1880–1882, Abb. 12, 24, 64, 88, 120 u. ö. MICHAEL 1934, S. 54f. Juvenal, Satiren. Hrsg., übers. u. mit Anm. vers. v. Joachim Adamietz. München 1993. Decius Junius Juvenalis, Satyrae. Cum commentariis Antonii Mancinelli, Domitii Calderini, et Georgii Vallae. Nürnberg: Anton Koberger, 1497 (Exemplar UB Tübingen, Ce 252.2), n3r.

6.4. Eine neue Art zu schreiben: Wiedergeburt des antiken Theaters

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besseres Motto wäre einem Spiel, das anlässlich einer Dichterkrönung an der Universität aufgeführt wird, nicht zu geben. Allenfalls einem Leser allerdings, nicht einem Zuschauer, dürfte diese subtile Anspielung Lochers erkennbar gewesen sein. Im Gegensatz zum erbärmlichen Haus, in dem Juvenals missachteter Dichter vortragen muss, steht Locher am Tag seiner Dichterkrönung in Glanz und Ehren, er hat den Römischen König hinter sich und trägt daher in einem prächtigen Saal vor, in dem nichts verfleckt, heruntergekommen oder geborgt ist und in dem reiche Kunstförderung stattfindet. Die Anklänge an Apuleius und Juvenal dienen somit dazu, Maximilian als den Hoffnungsträger aller studia zu stilisieren, unter dessen Mäzenat das römische Theaterwesen in seinem vollen Reichtum wieder zum Leben erwacht. Das neue römische Theater, wie Locher es stilisiert, lebt aus der Verbindung zum Kaiser. Er ist der Mäzen, vor ihm und zu seinem Lob wird es vorgetragen, er tritt aber auch selbst in ihm auf. Die Erklärung zu Beginn des Prologs, dass höchste Personen auftreten, muss wohl als mehr als nur ein Bekenntnis zur Ständeklausel verstanden werden: als ein Bekenntnis zur Panegyrik. Locher führt hier eine neue Art zu schreiben ein, indem er das panegyrische Hoftheater etabliert. Dieses nennt er tragicum spectaculum oder tragedia. Im Gegensatz zur historia einer tragischen Königsgestalt45 erhebt das tragische Schauspiel keinen historischen Wahrheitsanspruch; sein von Zeitstrukturen gelöster Wahrheitswert besteht vielmehr in der Figur der „sakrosankten Majestät“ und dessen grundsätzlicher Überlegenheit über die Feinde des Christentums. Das Selbstverständnis des Dichters, welches in dieser neuen Art zu schreiben zum Ausdruck kommt, entspricht den Erfordernissen des poeta laureatus. Bekanntlich ist mit der Dichterkrönung die Verpflichtung zur Panegyrik verbunden,46 d. h. die Aufgabe, auf literarischem Feld für den König „Krieg zu führen“. In Lochers Formulierung lauteten die Krönungsworte Maximilians bei seiner Dichterkrönung: Hos tibi regali vultu largimur honores Scriptor ut electus Atria nostra colas Et lituo pugnas Incurvo bellaque pangas Victrici dextra que mea signa parant Inter bella ducum cantus extollis ovantes Extendisque sacro Romula sceptra choro (A6v). (Diese Ehren erweise ich dir mit königlicher Geste, damit du als auserwählter Dichter mein Haus in Ehren hältst und mit dem gekrümmten Signalhorn Kämpfe verfasst und die Kriege besingst, in denen meine Rechte den Sieg erkämpft. Zwischen den Kriegen der Heerführer singst du Jubellieder und erweiterst durch heiligen Chorgesang die Reichweite des römischen Szepters.)

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45 46

Bei der Formulierung Historia Tragico de Carolo Francorum rege (»Historia«, a4v) könnte selbstverständlich auch ein Druckfehler vorliegen und historia tragica gemeint sein. Vgl. dazu: MERTENS 1996, S. 327–348, S. 337; ders. 1986, S. 105–123, S. 107 u.ö.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

Überzeugt von der Wirkkraft der Literatur, antwortet Locher in seinem »Panegyricus« auf diesen Auftrag,47 litteras omnium virtutum esse fundamenta: ... quis etiam Continentie: Modestie: Vigilantie: pacientie: Litteras esse Magistras negat. Quo magis igitur Sacrosancta imperii sedes illustrior sit: non solum rerum bellicarum ac militarium duces fovere debet: sed etiam litteratos homines: qui minerva ac flavo Apoline comitati. optime sapientissimeque rebus tuis consulant. (B5v) (... dass die [humanistischen] Wissenschaften die Grundlagen aller Tugenden sind … Wer würde auch leugnen, dass die litterae Enthaltsamkeit, Bescheidenheit, Achtsamkeit und Geduld lehren? Daher ist es nötig, damit der Thron des sakrosankten Kaiserreichs umso glänzender erstrahle, dass nicht nur Heerführer und Militärs begünstigt werden, sondern auch Literaten, die, begleitet von Minerva und dem blondgelockten Apoll, dir den besten und weisesten Rat in deinen Angelegenheiten erteilen.)

Als einen solchen tatkräftigen Diener des Königs im Krieg, der zugleich den Schutz des Königs benötige, stellt sich Locher auch in der »Tragedia« selbst dar. Nach dem Prosavorwort, in welchem das Theater und der Thron des kaiserlichen Mäzens beschrieben werden, präsentiert sich der Philomusus in der elegiaca adhortatio in der Rolle des Prologsprechers. Der Holzschnitt, der den Panegyricus illustriert (B1v), kehrt hier wieder (D4r). Damit wird auch bildlich die Identität von Prologsprecher und Dichter unterstrichen. Bemerkenswert ist auch die Wahl des Holzschnitts: Es ist einer der beiden, welche Grüninger in seiner Terenz-Ausgabe für Calliopius verwendet. Gegen Ende seiner Rede zeichnet sich der Prologsprecher dann als heruntergekommene, zerlumpte Gestalt. Unmittelbar danach tritt Fides, gleichermaßen zerlumpt, geradezu als sein Gegenbild, auf. Nun zeigt aber der CalliopiusHolzschnitt keineswegs eine Gestalt in Lumpen, und so muss Grüninger die Ähnlichkeit zwischen Dichter und Fides mit anderen Mitteln kennzeichnen als die zwischen Dichter und Prologsprecher: Er gibt beiden Figuren das gleiche Gebäude als Hintergrund bei. Die Sache der Fides (Glaube und humanitas), so lässt sich aus der Parallelität der Figuren dann schließen, ist zugleich die Sache des Dichters. Beide verlangen und erhalten den Schutz des Kaisers. Die Aufforderung zum Türkenkampf ist nicht nur eine Mahnung des Dichters, der außerhalb des Werks steht; auch werkimmanent (zumindest im Druck) ist er als Autor der Kriegserklärung zu erahnen. Die Kriegserklärung in Akt IV ist keiner Sprecherfigur zugeordnet. Grüninger setzt die Holzschnitte von drei Figuren an den Beginn dieses Akts: zwei Türken und (an der Stelle eines Botenbilds) den zweiten seiner Calliopius-Holzschnitte; wie der Dichter/Prologsprecher von B1v/D4r trägt auch er eine lange Schriftrolle, die ihn als Dichter, Rezitator oder Spielleiter kenntlich macht. Damit ist die Aufgabe, welche Locher sich in der »Tragedia« selbst zuweist, bildlich umgesetzt: verbal für Maximilian zu kämpfen. ______________ 47

Vgl. Jan-Dirk MÜLLER 1982, S. 50; MERTENS 1986, S. 117.

6.4. Eine neue Art zu schreiben: Wiedergeburt des antiken Theaters

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Terentius der Hochgelert. Straßburg: Johannes Grüninger, 1499, F4r.

Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, B1v / D4r.

Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, E4r.

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

Terentius der Hochgelert. Straßburg: Johannes Grüninger, 1499, CM6r.

Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, H2r.

6.5. Die Berechtigung der Gattungsbezeichnung ‚Tragödie‘

133

Die andere Aufgabe des poeta laureatus, nämlich nach dem Krieg dem Ruhm des Königs zu dienen, scheint dann am Ende des Dramas durch, diesmal allerdings nicht im Bild, sondern im Text. Wenn in der Schlussszene Fama auftritt und erklärt, Rediit felix fortuna nobis: miseram sortem rebus letis mutavimus (I1r), identifiziert sie sich mit dieser Rede in der ersten Person Plural enger mit dem Publikum, als man es von einer Personifikation erwarten würde; hier spricht weniger Fama als der Schauspieler, der sich als ein Teil der Gesellschaft versteht, vor der die Aufführung stattfindet. Zugleich scheint er sich aber auch zu denen zu zählen, die für den Triumph verantwortlich sind, denn er ist Teil der Aufführung, Teil des dichterischen Werks, welches für das gedechtnus des Herrschers zuständig ist. Reizvoll wäre die Vermutung, dass auch diese Rolle von Locher selbst übernommen worden sei; dies aber lässt sich nicht nachweisen. Der fiktive Triumph Maximilians schließlich ist zugleich der tatsächliche Triumph des gekrönten Dichters. Est isto profecto is dies quo tuum Augustissimum palacium ingredi potui (B2r), erklärt Locher zweideutig in seiner Replik auf die Krönungsworte des Königs. Nicht den einmaligen Eintritt in den Palast feiert er, sondern dass er Anschluss an den Hof erhalten hat.

6.5. Die Berechtigung der Gattungsbezeichnung ‚Tragödie‘ Locher verwendet den Gattungsbegriff ‚Tragödie‘, obwohl er, wie er selbst erklärt, die formalen Vorschriften nicht einhält. Der Triumphzug sprengt zudem offensichtlich die Struktur einer Tragödie. Ulrich Zasius bemerkt in seinem der Ausgabe beigegebenen Brief: Quid enim hac tua tragedia vel est vel dici potest / honestius diviniusque? In qua / quamvis precepta Tragica / alioquin tibi cognitissimia / consulto pretereas: ei tamen operi / nomen Tragedie indidisti appositissime. In hac quippe non sanguinosa Atrei Thiiestisque facinora / non truculentus ille herculis furor / Sed Romanorum capitum / sed christianorum / sed fidei. quin universe Orthodoxe ecclesie fortune calamitates (L3v). (Gibt es etwas Ehrenwerteres und Göttlicheres oder kann etwas so genannt werden als diese deine Tragödie, in der du die Vorschriften der Tragödie, die dir durchaus wohl bekannt sind, bewusst überschreitest und deinem Werk dennoch sehr passend den Namen ‚Tragödie‘ gegeben hast? In ihr beschreibst du freilich nicht die blutigen Freveltaten eines Atreus oder Thyestes und nicht jene grimmige Wut des Herkules, sondern die Schicksalsschläge der Römischen Herrscher, der Christen, des Glaubens, ja, der gesamten rechtgläubigen Kirche.)

Zasius hebt hervor, dass es in dieser Tragödie nicht um blutige, frevelhafte Grausamkeiten gehe, sondern um die calamitates der Christenheit. Die Forschung hat ihn dahingehend verstanden, dass das Tragische nicht im Ausgang des Geschehens sondern in der anfänglichen und außerhalb des Dramas aktuellen Notlage

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

der christlichen Welt bestehe.48 Zasius erzählt aber im Folgenden die Handlung nach, bis zum Sturz des anfänglichen Agressors. Nicht den einer Tragödie entgegengesetzten Handlungsgang meint er mit dem, worin Locher den Vorschriften der Tragödie widerspreche, sondern genau die Punkte, die Locher selbst erwähnt: Stil und Metrum. Diesen stilistischen Mangel aber sieht Zasius bei weitem aufgehoben durch die inhaltliche Qualität des Werks. Nicht sinnlose fiktive Grausamkeiten beschreibe es – solche Grausamkeiten, wie sie Seneca schildert und wie sie Peter Luder in seinen Vorlesungen nicht rechtfertigen konnte –, sondern es reagiert auf die aktuelle Situation. Locher habe als erster die vox in deserto clamantis [Is 40,3] gehört (L4r), die Notwendigkeit eines politischen Handelns erkannt und ein Werk von hohem Wert für Kirche und Gesellschaft geschaffen. Hec sub ludo nobis recitas. hec vivido nobis gestu effigias Hii sunt profecto illi ludi / quos tantisper Plato extollit His ludis nobilitas ingenii (ut idem ait) liquidissime probatur in quibus non tam voluptati: quam animo consulitur (L4r). (Dies trägst du uns im Gewande des Spiels vor, dies führst du uns durch lebhafte Gestik vor Augen. Das sind fürwahr die Spiele, die Plato so hervorhebt. Durch diese Spiele wird, wie dieser sagt, der Adel des Geistes klar erwiesen, da es in ihnen nicht so sehr um Lust wie um das Geistige geht.)

Hier finden wir einen frühen Beleg dafür, dass Lochers Spiele durch „lebhafte Gestik“ geprägt waren, also keine nur rezitativen Vorträge oder Dialoge waren. Für Zasius scheint das bildhafte Vorführen durch das Spiel nicht nur einen Teil der Tragödiendefinition auszumachen, sondern auch einen besonderen Wert für die Wirksamkeit des vermittelten Inhalts zu besitzen. Offensichtlich sieht er, der nachweislich auch Spieltexte von geistlichen Spielen gesammelt hat,49 die großen Chancen des audiovisuellen Mediums;50 er kennt aber auch die Kritik, die dem Drama immer wieder begegnet. Deshalb betont er, Plato, der in »Politeia« X die Dichtkunst als nur der Lust dienende, unwahre und an Unsittliches gewöhnende Nachbildung verurteilt, würde Lochers »Tragedia« zu jenen Ausnahmen rechnen, die er zuließe, nämlich zu der Dichtung, die beweisen könne, dass sie nicht nur angenehm, sondern auch für das menschliche Leben und den Staat nützlich sei (607d–e).51 Platos allgemeine Kritik der Dichtung hatte Boëthius auf die dramatische Dichtung bezogen, und Boccaccio greift im XIV. Buch seiner »Genealogiae deorum gentilium«52 diese Diskussion wieder auf. Er argumentiert, dass Platos Kritik ______________ 48 49 50 51 52

BURGER, S. 278; wiederaufgegriffen bei COPPEL 1993, S. 159. Die Gegenposition dazu nimmt RETTELBACH, S. 544, ein, indem er auf den Untergang des Titelhelden verweist. BURMEISTER, S. 110. Vgl. DIETL, Griff nach dem Optischen, 2000, S. 467–482. Platon, Politeia, in: Platon, Sämtliche Werke III. In der Übers. von Friedrich Schleiermacher mit der Stephanus-Numerierung hrsg. v. Walter F. Otto (†) u. a. Reinbek 81963, S. 67–310. Boccaccios Apologie der heidnischen Dichtung in den »Genealogie deorum gentilium«, Buch XIV. Text, Übers., Komm. u. Abh. v. Brigitte Hege. Tübingen 1997 (Ad fontes 4), S. 1; SEZNEC, S. 164.

6.6. Fazit

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allein auf falsche Theaterdichtung und Schauspielerei zu beziehen sei. Die comici inhonesti (XIV, xv, 1) seien es, die dem zügellosen Volk gefallen wollten und sich nicht um Anstand und Ehre kümmerten, magis de assensu lascivientis vulgi quam de honestate curantes (ix, 6). Die antiken Komödianten gefährdeten die sittliche Ordnung: Hi quidem seu mentis innata lascivia, seu lucri cupidine et desiderio vulgaris applausus, scelestis compositis fabulis, eas, mimis introductis, recitabant in scenis, ex quibus lascivientium pectora provocabantur in scelera et constantium agitabatur virtus, et omnis fere morum disciplina reddebatur enervis (xix, 21) (Sie erfanden, sei es aus einer angeborenen Zügellosigkeit heraus, sei es aus Gewinnsucht und Verlangen nach dem Beifall des Volks, frevelhafte Geschichten und trugen sie, unterstützt von Mimen, auf den Bühnen vor, wodurch die Herzen der Lüsternen zu Schändlichem angeregt wurden und die Tugend der Standhaften ins Wanken geriet, und fast die ganze sittliche Disziplin geschwächt wurde.)

Wenn also Plato fordere, die Dichter aus der Stadt zu vertreiben, dann, so Boccaccio, meine er diese Nestbeschmutzer, die turpissimis fictionibus suis splendidam poesis gloriam interficere visi sunt (xix, 21), und so habe auch die römische Obrigkeit die Darstellungen von Ausschweifungen der Götter auf der Bühne nicht dulden wollen. Nam que in scenis atque theatris a mimis et histrionibus atque parasitis et huius modi hominibus enormia canebantur olim, omnino abstulere atque reprobavere Romani veteres ... et ipsam scenam et artem ludicram damnavere (xiv, 4). (Denn was einst von Mimen, Schauspielern, Parasiten und ähnlichen Menschen auf den Bühnen und in Theatern an Unsagbarkeiten vorgetragen wurde, das haben die alten Römer ganz und gar zurückgedrängt und verworfen, ... und sie verurteilten gar die Bühne und die Schauspielkunst.)

Deshalb sollten die Kritiker der Dichtung sich damit begnügen, in illecebres comicos irruere, in hos iras evomere (xxii, 7), gegen die verführerischen Komödiendichter anzustürmen und über sie den Zorn auszuspeien. Ein christliches, moralisch wertvolles und staatstragendes Theater wie Lochers Drama, so darf man Zasius verstehen, ist über derlei Vorwürfe erhaben. Es hätte durch seine moralische Ausgewiesenheit auch in der Antike zu den positiven Ausnahmen gehört, und deshalb ist es nur richtig, dass es sich auch in formaler Hinsicht über die antike Norm hinwegzusetzen getraue.

6.6. Fazit Mit Lochers »Tragedia de Thurcis et Suldano« ist die neue Tragödie in Deutschland geboren. Sie erwächst nicht aus der Komödie, und sie ist keine reine Antikenrezeption oder exakte Nachbildung antiker Tragödien. Sie befasst sich im Gegensatz zu diesen mit politisch brisanten, hochaktuellen Themen. Sie will nicht nur Rhetorikübung sein; sie ist die Visualisierung politischer Dichtung und eine

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6. Das Meisterstück: Tragedia de Thurcis et Suldano (1497)

Geschichtsschreibung nach dem Schema der Tyrannentragödie. Sie deckt Mängel in der aktuellen Weltpolitik auf, lässt den Zuschauer den Handlungsbedarf scheinbar unmittelbar erfahren, stellt aber neben den „unvermittelten“ Blick in die Welt noch zusätzlich den kommentierenden Chor, der dem Zuschauer gleichsam von der Seite her immer wieder die Relevanz des Geschehens erklärt. Die weltlichen Missstände stellt die Tragödie in den Rahmen einer göttlichen Weltordnung, deren Werkzeug Maximilian sei. Das Publikum – Stadt, Hof und Universität53 – soll sich zu dieser göttlichen Weltordnung in Beziehung setzen und dem Sieg der in Maximilian verkörperten virtus, der jenseits dieser Welt bereits feststeht und auf der Bühne für alle sicht- und erfahrbar und vom mitfeiernden Zuschauer schon akzeptiert ist, zu seiner Realisierung außerhalb des Theaterraums verhelfen. Der Lenkung der Zuschauer zu einer solchem Rezeptionsverhalten dienen Anlehnungen an das Fronleichnamspiel, das nicht nur als solches eine entsprechende Rezeptionshaltung verlangt, sondern auch gerade in Freiburg bereits eine Aufforderung zur Nachfolge des Drachenkämpfers Georg im Türkenkrieg enthält. Lochers Drama ist aber nicht nur Werbung für Maximilian und dessen Politik, es ist auch Selbstdarstellung und Werbung für den Dichter, speziell für den humanistischen poeta laureatus, der als verbaler Kämpfer für die Sache des Reichs erscheint, als Ratgeber des Königs und zugleich als Bewahrer von dessen memoria. Der abschließende Triumphzug ist zugleich ein Triumph Maximilians, ein Triumph des christlichen Reiches und ein Triumph der Dichtung, der studia humanitatis.

______________ 53

Ich widerspreche hier ausdrücklich KINDERMANN 1969, S. 253, der postuliert, als Zuschauer der »Tragedia« „fungierten – außer dem 1497 anwesenden Kaiser – nur Universitätsangehörige, nicht die Bürger der Stadt“.

7. Jacob Locher und der Straßburger Terenz von 1499 Wie bereits erwähnt, war 1496 eine vollständige Ausgabe der Komödien des Terenz bei Johannes Grüninger in Straßburg erschienen, aus der einige Holzschnitte für die Illustration der »Tragoedia« wiederverwendet worden sind. Für die Neuauflage des Straßburger Terenz von 1499 schreibt der Philomusus ein Vorwort,1 in welchem er erklärt, mit welcher Bewunderung er die nuper erschienene Ausgabe in die Hand genommen habe: Publii Therentii Afri Comediarum scriptoris eminentissimi. sex integras fabulas ex Menandro greco translatas. a te nuper impressas concinnatas. ac lepide collectas oculis (ut plautinus ait euclio) emissitiis perspexi. in quibus non solum defecatam Comedie facundiam: mundumque bellum sermonemque vafrum comperi verum etiam personatos ludios: histriones dicaculos: omniumque introductorum hominum imagines lucidas congrueque adaptatas / contemplatus sum. Placuere et mihi inter cetera: que Therentianis fabulis inserta conspexi marginalis expositio: interlinearis explanatio: et antiquitatum pura sinceraque commemoratio: cur fit: fidelissime Iohannes: ut dubitare non possim. quod si Therentius a superis descenderet: Aut ab Elysiis campis pedem huc revocaret: hasceque suas noviter exasceatas fabulas conspicaretur2. haud dubie suas esse: et de primo fonte haustas autumaret (1v). (Ich habe, mit Späheraugen, wie Plautus’ Euklio sagt,3 die vollständigen sechs Geschichten [d. h. Komödien] des hochberühmten Komödienautors Publius Terentius Afer durchgeschaut, die er von Menander aus dem Griechischen übersetzt hat und die du vor kurzem sorgfältig gesammelt, hübsch zusammengefasst und gedruckt hast. Ich erblickte in ihnen nicht nur die verlorengegangene Beredsamkeit, die schöne Welt und die schlaue Rede der Komödie, ich erlebte auch verkleidete Mimen, witzelnde Schauspieler und von allen vorgeführten Menschen klare und trefflich stimmende Abbilder. Unter anderem gefielen mir auch die Erläuterung, die ich in die Terenz-Texte als Marginal- und Interlinearglossen eingefügt fand, und die lautere und ernsthafte Bemühung um das Andenken der Antike. Deswegen, treuster Johannes, steht es für mich außer Zweifel, dass, wenn Terenz aus dem Himmel oder aus den Elysischen Gefilden hierher zurückkehren und diese seine neu geschnitzten Geschichten erblicken würde, er sie zweifellos als seine erkennen und meinen würde, sie seien direkt aus der Musenquelle geschöpft.)

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Philomusus poeta et orator laureatus. Iohanni grüninger librorum impressori ac ciui Argentorati prudenti et honesto. In laudem Therentij. S.P.D., in: Terentius cum directorio vocabulorum, sententiarum, glosa interlineali artis comice, comentariis Donato, Guidone, Ascensio. Straßburg: Johannes Grüninger, 1499 (Exemplar StUB Göttingen, gr. 4. Auct. lat. I, 3642). conspicaretur ] conspicaretnr. Aulularia, V. 41.

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7. Jacob Locher und der Straßburger Terenz von 1499

Lochers Lob ist nicht in erster Linie ein Lob des Terenz. Nur wenige Zeilen später erklärt er, er würde Plautus dem Terenz vorziehen, wegen seines höheren Alters und der größeren Lebhaftigkeit seiner Sprache.4 Da er sich selbst aber kein Urteil anmaßen könne, zitiert er wie bereits Jodocus Badius5 den „Literaturkritiker“ Vulcatius Sedigitus, der Terenz keinen besseren als den sechsten Rang unter den Komödienautoren zuweist: Cecilio palmam statuo de Comico, / Plautus Secundus6 facile superat Ceteros / ... In sexto consequitur hos Therentius.7 Durchaus allerdings gesteht Locher Terenz zu, dass er, wie auch Donat bestätige (der mehr seiner Werke kannte, als aktuell noch überliefert seien), ein nicht zuletzt für junge Menschen leicht zugänglicher morum atque virtutum doctor sei, in dessen Komödien man wie in einem reinen Spiegel Tugenden und Laster erblicken und den Lauf des menschlichen Lebens erkennen könne. Selbst Hieronymus betone die Vorzüglichkeit des Terenz. Die in den Komödien enthaltene moralische wie auch rhetorische Lehrhaftigkeit werde in Grüningers Ausgabe verdeutlicht und erklärt. Sed tibi inprimis studiosa iuventus grates gratias referre debet qui ad communem studiosorum adolescentum commoditatem: frugemque et dicendi et vivendi Iucundissimam: hoc opus figuris: explanationibus: Scenisque pulcherrimis effigiatum In quo opere quidem: ut in pantheo omnes dii spectabantur: ita mores cunctorum hominum: factaque mortalia conspitiuntur (1v). (In erster Linie aber muss dir die lernwillige Jugend danken, der du zum allgemeinen Vorteil der eifrig lernenden jungen Menschen und zur höchst angenehmen Besserung der Sprache und des Lebens dieses Werk mit Figurendarstellungen und Erklärungen und sehr schönen Szenendarstellungen ausgeschmückt hast – ein Werk nämlich, in dem, so wie im Pantheon alle Götter erblickt werden konnten, die Sitten aller Menschen und die menschlichen Taten betrachtet werden können.)

Den Gedanken, dass die reiche Ausstattung mit Bildern vornehmlich der moraldidaktischen Wirkung der Komödien entgegenkomme, äußert Locher noch einmal im Epigramm an den Leser (1v). Das auf der folgenden Seite beginnende Register der Tugenden und Laster schließlich macht die lehrhafte Ausrichtung der Ausgabe unübersehbar. Es ist offensichtlich, dass Lochers Lob v. a. auf Grüningers Präsentation zielt, die das antike Theater virtuell wiedererstehen lasse und ihm dadurch zu besonderer Wirksamkeit verhelfe. Deshalb verspricht der Philomusus dem Leser auch im Epigramm, er werde nicht nur spectacula sehen, sondern auch die Stimmen der Schauspieler hören und ihre Bewegungen auf der Bühne ______________ 4

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Marcum Actium Plautum Vatem clarissimum huic nostro Therentio ob vetustatis acrimoniam: nativamque latialis linguae vivacitatem gralatorio quodam gradu ante positum video (1v). Iodocus Badius, Térence. La comédie, in: Josse Bade, dit Badius (1462–1535). Préfaces de Josse Bade (1462–1535). Humaniste, éditeur-imprimeur et préfacier. Ins Frz. übers., eingel. u. komm. v. Maurice Lebel. Louvain 1988, S. 49–119, S. 89. Secundus ] Secuudus. Die Terenz-Ausgabe von 1496 hatte bietet statt einer wertenden Aufzählung der Komödienautoren eine chronologische, 5v.

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beobachten können (1v).8 Angeregt durch Text, Kommentar und Bilder (die aber nur eine Leitfunktion erfüllen, nicht realistisch sein wollen), soll vor dem inneren Auge des Lesers ein Bild der Komödie und des Theaters entstehen: In hoc opere Amphiteatri spaciosus circulus conspicitur: Subsellia theatrica Auleis amicta: Tapetis ornata Ostroque Tyrio decorata: et Synthesi quadam elegantissima: picturisque admirantibus vermiculata cernuntur. in caveis stant ordines spectantium: in Scammati et proscenio histricus imperator: cum delegata ludionum caterva gestit: plausumque ab spectatoribus aucupatur. Quis non existimet? cum pictum spectaculum: Effigiatasque fabellas In hoc facundissimo ac politissimo opere conspicit. se romanum pompeianumque Theatrum invisere. Viva omnia sunt: que tamen ad umbram theatricam ad harenam palestricam ac vite imagines a poeta nostro excogitata sunt (1v). (In diesem Werk erblickt man das weite Rund des Amphitheaters; die staunenden Betrachter erkennen die Theaterplätze, die mit Vorhängen umhüllt, mit Tapisserien geschmückt, mit phönizischem Purpur verziert, gewissermaßen in einem höchst eleganten Arrangement und mit Mosaikbildern buntscheckig ausgestattet sind. In den Rängen befinden sich die Sitzreihen der Zuschauer; auf dem Sandplatz und auf der Bühne spielt der Spielleiter9 mit der ihm anvertrauten Schar der Komödianten und heischt nach dem Applaus der Zuschauer. Wer würde, wenn er das bildlich dargestellte Schauspiel und die mit Illustrationen ausgestatteten Stücke in diesem außerordentlich sprachgewandten und verfeinerten Werk sieht, nicht meinen, dass er in ein römisches und pompejanisches Theater blicke? Alles hier lebt, obwohl es doch nur von unserem Dichter für den schattigen Raum des Theaters und die Schularena10 als Abbilder des Lebens ausgedacht worden ist).

Locher ist wegen dieses überschwänglichen Lobs der Illustrationen Grüningers von der älteren Forschung heftig kritisiert worden. „Sein Verständnis vom Wesen des antiken Theaters ist nämlich ein höchst geringes ... wer solche Anschauungen hatte, der wird gewiß noch über die mittelalterliche Vorstellung nicht hinausgekommen sein, daß es sich bei den Lustspielen des Altertums im allgemeinen um Vorlesungen handelte“.11 Dieses Verdikt Max HERMANNs hat sich lange gehalten. ______________ 8

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Die ebenfalls 1499 bei Grüninger erschienene deutsche Terenzausgabe enthält eine Erklärung, wie man die Komödien lesen solle: u. a. sei die Stimme den Charakteren anzupassen, außerdem solle man sich beim Vortrag zu den einzelnen Figuren Personen aus dem eigenen Bekanntenkreis vorstellen (A6v). Terentius der hochgelert und allerbruchelichst Poet vonn Latin zu Tütsch transferirt nach dem Text vnd der gloß. Straßburg: Johannes Grüninger, 1499 (Exemplar UB Tübingen, Ce 1019.2°). Der imperator histricus ist bei Plautus im »Poenulus«, Prolog, V. 4: ein Wortspiel. Plautus zitiert aus der Tragödie »Achilles« des Aristarch den imperator, der um Ruhe bittet, und entblößt diesen als einen Schauspieler-Imperator: Achillem Aristarchi mihi commentari lubet: / inde mihi principium capiam, ex ea tragoedia. / „sileteque et tacete atque animum advortite, / audire iubet vos imperator“ – histricus, / bonoque ut animo sedeate in subsellis ... (V. 1–5). Plautus. Hrsg. u. ins Engl. übers. v. Paul Nixon, Bd. 4. Cambridge Mass. 1980, S. 1–143. Auch im Prolog der »Tragedia« spricht Locher vom Proszenium als harena, als Arena der Bewährung. Dies dürfte durch Juvenal III, Sat. 7, V. 45f. angeregt sein, wo der Vortragende metaphorisch davon spricht, dass er durch seinen Vortrag feine Furchen im Sand ziehe, nos tamen hoc agimus tenuique in pulvere sulcos / ducimus... HERMANN 1914, S. 344f.

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Wolfgang F. MICHAEL sieht in den Worten Lochers „ein übertriebenes Lob der Ausgabe und speziell des Titelbildes, das er offenbar für ganz richtig hält“,12 und bleibt auch achtzehn Jahre später noch bei dieser Einschätzung: „Lochers Stücken fehlt wie den Fastnachtspielen noch jeder Sinn für die Örtlichkeit; wir müssen also eine einfache Neutralbühne annehmen. Sonderbar ist die Gestaltung des Zuschauerraums; mehrfach wird ein merkwürdiges balkonartiges Gebilde erwähnt, das Locher im Mißverstehen der Antike offenbar für besonders wichtig hielt.“13 Dieser „Balkon“ allerdings ist, wie oben ausgeführt, der an Juvenals Beschreibung angelehnte Thron des Königs, der für Locher tatsächlich wichtig war. HERMANN sieht v. a. in der Formulierung in caveis stant ordines spectantium einen Beweis für Lochers Unverständnis des römischen Theaters, wobei er cavea im Sinne von cavus als „Höhle, Loch“ versteht, und in solchen Löchern stehen in Grüningers Darstellung (vgl. unten, S. 145)14 tatsächlich die Zuschauer des untersten Rangs. Cavea bezeichnet aber als terminus technicus den Zuschauerraum oder die einzelnen Ränge desselben. So erklärt Lochers Lehrer Beroaldo in seinem Apuleius-Kommentar: Cavea enim in theatro est. ubi spectat populus. ut docet Servius super illud Virgilianum15; Plautus, auf den Beroaldo gleichfalls verweist, lässt Merkur als Prologsprecher im »Amphitruo« äußern: ut conquaestores singula in subsellia / eant per totam caveam spectatoris (V. 65f.).16 Lochers Formulierung zeugt von seiner Beschäftigung mit dem antiken Theater in dieser Zeit. Nachweislich hatte er im Oktober 1495 die »Naturkunde« des Plinius in der Bibliothek ausgeliehen.17 Plinius beschreibt in Buch 36, 114f. das Theater des Scaurus: Der unterste Teil der Scena ist aus Marmor, der oberste aus tabulis inauratis. Die übrige Einrichtung besteht aus attalischen Teppichen, tabulis pictis etc. Es wird mit dem Pompeius-Theater verglichen, dessen Maße es übertrieben überschreite.18 In der »Tragedia« zitiert der Philomusus die Theaterbeschreibung des Apuleius und des Juvenal, vermutlich in der Kommentierung Vallas. Zweifellos wird er in Italien auch Vitruvs »De architectura« kennengelernt haben, wo in V, 7 aus______________ 12 13 14 15

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MICHAEL 1934, S. 56. MICHAEL 1957, S. 152. Die Abbildungen in der deutschen und der lateinischen Terenz-Ausgabe von 1499 sind identisch. Beroaldo, Apuleius, Metamorphoses, 3, 2. Zit. nach der handschriftlichen Abschrift von Franziska KÜENZLEN, der ich hiermit danken möchte. Zu Beroaldos Apuleius-Kommentar sei verwiesen auf ihre jüngst erschienene Arbeit: dies., Verwandlungen eines Esels. Apuleius’ Metamorphoses im frühen 16. Jahrhundert. Der Kommentar Filippo Beroaldos d. Ä. Die Übersetzungen von Johann Siedler, Guillaume Michel, Diego López de Cortegana und Agnolo Firenzuola. Der Schelmenroman Lazarillo de Tormes. Heidelberg 2005 (GRM 25). Titus M. Plautus, Amphitruo. Hrsg. u. übers. v. Jürgen Blänsdorf. Stuttgart 1998. Aus den Fakultätsakten des Jahres 1495, fol. 123r, Mittelalterliche Bibliothekskataloge, I, S. 45. Vgl. oben, Kap. 1.1. Gaius Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde. Hrsg. u. übers. v. Roderich König, Buch 36: Die Steine. Darmstadt/München 1992.

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führlich die Bauteile und Proportionen des römischen Theaters beschrieben sind. Der oben (Kap. 2.2) bereits erwähnte Architekturtraktat war das ganze Mittelalter hindurch bekannt, erlangte aber im 15. Jahrhundert in Italien plötzlich eine enorme Popularität. Der erste Druck erschien 1487, weitere folgten 1495/96 in Florenz, 1497 in Venedig, 1511 in Verona etc. In der italienischen Renaissancekunst und -literatur wurde die »Architectura« in hohem Maße rezipiert.19 Schließlich hatte Locher auch Jodocus Badius’ ausführliche Beschreibung des Theatergebäudes gelesen, in welcher Vitruv, Plinius und Cassiodor berücksichtigt werden (VIIIf.). Badius widmet den aulea, den Theatervorhängen, eine längere Abhandlung (IX). Er vergleicht sie mit den flandrischen Tapisserien. Deshalb kommt wohl auch bei Locher den Vorhängen als Bildteppichen eine so große Bedeutung zu. Aus breiter Lektüre also sammelt Locher einen Theater-Fachwortschatz an, mit dem er bewusst wuchert. Ob er die antiken Fachbegriffe dabei korrekt im Sinne der heutigen Altertumswissenschaft einsetzt, interessiert in diesem Zusammenhang wenig. Elementar ist die Frage nach der Intention, mit der er diese termini verwendet, ohne sie seinem Leser zu erklären. Mit seinem Wortprunk will er offensichtlich eher die Phantasie seines Lesers anregen, aus Verstandenem und Bekanntem wie aus Mosaiksteinen ein Bild des römischen Theaters zusammenzusetzen, als dass er (wie Badius) in wissenschaftlicher Distanznahme den Theaterbau als solchen erklärte. Die massive Betonung des Lehrhaften in den Komödien, des „Spiegels des Lebens“, hebt jede Distanz auf. In der deutschen Fassung der Straßburger Terenz-Ausgabe wird zudem, wie erwähnt, explizit darauf hingewiesen, dass der Leser – trotz oder mit Hilfe der Bilder – mit den fiktiven Figuren Personen aus seinem Umkreis assoziieren solle. Die Antike wird damit unmittelbar in die Gegenwart geholt, die Kontinuität der Geschichte und Kultur deutlich unterstrichen. In derselben Kontinuität steht auch das Theater als solches, es wird nicht als ein Fremdes präsentiert, sondern als ein Altbekanntes, aber z.T. Vergessenes, das durch den Klang des entsprechenden Fachwortschatzes wieder zum Leben erwachen soll. Eine zeitgenössische Glosse in einem in Berlin aufbewahrten Exemplar des Straßburger Terenz von 1496, SB Preußischer Kulturbesitz, 4° Inc. 2296, fol. 6v, bringt diese Kontinuität direkt zum Ausdruck: Unter dem Holzschnitt des Gesamttheaters findet sich die Erklärung, dies sei das Theater im offen stat der weltlichkeit da man zuo sicht. vbi fiunt chorei. ludi etc. de alijs [so]lemnitatibus sicut nos facimus. ostrespill.20 Demnach wären die Aufführungen im römischen Theater – ob Spiel, Chorgesang oder sonstige Feier – nicht als etwas Fremdes zu sehen, sondern als das weltliche Gegenstück des vertrauten Osterspiels.21 ______________ 19 20

21

Zum Vitruv-Kommentar Albertis vgl. oben, Kap. 2.2. Vgl. HERMANN 1893, S. 17, der diese Glosse als einen Beleg dafür zitiert, dass Grüningers Terenzillustrationen eine Mysterienbühne vorführten. EISENBARTH, S. 16, verweist auf eine Gleichsetzung von Komödie, Tragödie und Osterspiel in Reuchlins Tuskulanenübersetzung, UB Heidelberg, Codex 482: diese rymen ettwan ains allten poeten, der comedia oder tragedia, das ist söllich osterspil geschriben hat.

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So wenig wie Locher mit seiner »Tragedia« eine regelgerechte antike Tragödie verfassen will, so wenig will er in seiner Beschreibung des Theaters sowohl im »Terenz« als auch im Prolog der »Tragedia« ein gänzlich authentisches antikes Theater beschreiben. Es geht ihm hier wie dort um die lebendige Antike, in welcher aktuelle Akzentsetzungen eine entscheidende Rolle spielen. In der Raumbeschreibung für die Tragödie liegt der Akzent auf dem Thron des Kaisers; hier liegt er, dem niedrigeren Personal der Komödie angemessen, auf den Ehrenplätzen der Senatoren oder des Patriziats. Der Zuschauerraum ist Locher in beiden Fällen wichtiger als die Bühne. Diese beschreibt er hier wie dort als harena, und dies nicht nur aus einem in seiner Zeit allgemein gehegten Missverständnis heraus, dass das Colisseum in Rom ein Theater gewesen sei.22 Der Begriff „Arena“ soll vielmehr hervorheben, dass sich der Vortragende in einer geradezu turnierähnlichen Anstrengung vor der zuschauenden Autorität bewähren muss. Vadianus stellt später in seinem Theaterstück »Gallus pugnans« sogar die gelehrte Disputation an der Universität als Hahnenkampf dar. Dieses Verhältnis zum Zuschauer, zunächst die scharfe Trennung zwischen Zuschauerraum und Bühne und dann der auf dem Darsteller lastende Druck, seine Fähigkeiten vor dem Publikum unter Beweis stellen zu müssen, um um dessen Gunst zu buhlen (was im konkreten Fall bedeuten konnte, dass er in den Dienst der zuschauenden Autorität aufgenommen werde), unterscheidet das Humanistentheater grundsätzlich vom geistlichen Spiel des Mittelalters. Abzulehnen ist deshalb HERMANNs Behauptung, die in Grüningers Druck den einzelnen Komödien vorangestellten Gesamtdarstellungen der Handlung in je einem Holzschnitt drückten eine Verbundenheit mit der mittelalterlichen Simultanbühne auf dem Marktplatz aus.23 Diese Holzschnitte, welche die Orte der Handlung und die Figuren abbilden, verbunden durch Linien, die den Bewegungen der Figuren entsprechen, haben eine unmissverständlich beschriebene Memorialfunktion,24 sind also keine Bühnenbilder. Als solche sind eher die Szenenbilder zu verstehen (in denen HERMANN wiederum eine Gleichstellung des Dramas mit der Epik sehen will);25 sie stellen die Figuren neben Architekturdetails, von denen mindestens eines mit einem Tor versehen ist. Dieses bezeichnet wohl eine der Türen in der Bühnenwand, vergleichbar den entsprechenden Szenenbildern im Lyoner Terenz von 1493, welche die handelnden Figuren jeweils vor einem Vorhang darstellen. ______________ 22

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Vgl. BRAUNECK, S. 450f. Der von Sebastian Brant vorbereitete, allerdings nie gedruckte, Baseler Terenz von 1496 bildet als Gesamttheater eine Arena ab. Zu den Illustrationen des Baseler Terenz vgl. Thomas WILHELMI, Zur Entstehung des Narrenschiffs und der illustrierten TerenzAusgabe. Beschreibung der Rückseiten der Terenz-Druckstöcke, in: Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum Narrenschiff und zum übrigen Werk. Hrsg. v. Thomas Wilhelmi. Basel 2002, S. 103–124. HERMANN 1914, S. 326. Straßburger Terenz (lat.) 2r; (dt.) B1r. HERMANN 1914, S. 326.

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Grüninger folgt nicht nur in seinen Szenenbildern dieser Terenzausgabe, sondern auch in der Darstellung des Gesamttheaters. Badius hatte in Ferrara studiert und war daher mit den neuesten italienischen Rekonstruktionen der römischen Komödienbühne vertraut. Dennoch ist seine Theaterdarstellung (vgl. unten, S. 146) eher interpretierend als um Authentizität bemüht. Bereits in mittelalterlichen Terenzillustrationen, wie z. B. im oben (Kap. 2.1) genannten »Terence des Ducs«, ist das Theater gemeinsam mit einem Bordell abgebildet. Hier befindet sich dieses im Untergeschoss des Theaters. Drei kleine Fensteröffnungen erlauben einen Blick auf die Liebenden im Inneren. Drei weitere (Liebes-)Paare befinden sich vor dem Gebäude. Das Obergeschoss ist im Gegensatz zum massiven Untergeschoss transparent gebaut. Vor der Bühnenwand mit den mit Vorhängen verhängten Türen erkennt man das Proszenium, von dem steile Stufen zur Orchestra hinab führen. Gegenüber ragen steil die Zuschauerränge empor. Den Ädilen ist eine vor die Ränge gestellte erhöhte Loge gewidmet, was dem Thron des zugleich als Kunst richter auftretenden Kaisers in Lochers »Tragedia« entspricht. Auf der Bühne sieht man einen Flötenspieler sitzen. Ihn spiegeln die Friesfiguren wieder, die das untere Stockwerk nach oben hin abschließen: Bacchanten mit Dudelsäcken. Das Theater fußt also auf dem Hurenhaus, reflektiert dessen Obszönität, setzt sich aber durch das verfeinerte Instrument, durch seine Luzidität, durch die Kontrolle der Ädilen und durch sein offensichtlich hochgestelltes Publikum von diesem ab. Der Betrachter ist aufgefordert, den traditionellen Vorwurf der Unsittlichkeit gegenüber dem Theater neu zu überdenken. Neben der Darstellung des Badius kannte der Künstler des Titelholzschnitts für Grüningers Ausgabe offensichtlich noch neuere Rekonstruktionen des Vitruvtheaters aus Italien. In dem 1521 erschienenen, von Cesariano illustrierten Druck von »De architectura« findet sich ein Aufriss des Vitruvschen Theaters (vgl. unten, S. 147), der erstaunliche Ähnlichkeiten mit Grüningers Darstellung aufweist. Beiden gemeinsam ist die – laut BRAUNECK für alle theaterbautechnischen Traktate der Zeit charakteristische26 – Interpretation der Bühne als eines mehrstöckigen geschlossenen Gebäudes, dessen Vorderseite die scenae frons darstellt. Die drei Tore in der Bühnenwand, die Vitruv (allerdings nur für die tragische Dekoration) als das Tor des Herrscherpalasts in der Mitte und die Tore zweier Wirtshäuser links und rechts definiert (V, 7, 3), sind bei Cesariano im ersten Obergeschoss des Gebäudes gut erkennbar. Der Aktionsraum der Schauspieler ist wohl auf dem schmalen Balkon davor zu denken. Die Herrschergestalt vor dem Palasttor, also in der Mitte des Balkons, findet sich ebenso bei Grüninger. Allerdings scheint sie hier eher zum Publikum zu gehören als zu den Darstellern. Der Titelholzschnitt in Grüningers Ausgabe (vgl. unten, S. 145) stellt den Versuch einer Synthese der Theaterdarstellung des Badius mit einer Rekonstruktion des Vitruvtheaters im Sinne von Cesariano dar, sowie mit den mittelalterli______________ 26

BRAUNECK, S. 453.

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7. Jacob Locher und der Straßburger Terenz von 1499

chen Darstellungen, die den überdachten Sitz des Rezitators in die Mitte der von Mimen betretenen Bühne stellen. Im unteren Teil lehnt er sich deutlich an Badius an. In den Fenstern des Untergeschosses sind jedoch keine Liebespaare mehr zu sehen, sondern Zuschauer, die das Geschehen vor dem Theaterbau beobachten. Die Liebespaare im Vordergrund sind ersetzt durch Paare, die eher den Eindruck von Schauspielern machen; ihre auffallenden Pantoffeln repräsentieren vermutlich den soccus der Komödiendarsteller. Damit wäre die Bühne im Gegensatz zu Badius und Cesariano, aber in Anlehung an die mittelalterlichen Darstellungen vor das Bühnengebäude gelegt. Oberhalb der drei Luken weitet sich das Gebäude wie die Krone eines Baums. Der obere Teil nun folgt eher den pseudovitruvischen Vorgaben. Um den runden Zentralbau herum sind zwei Galerien gelegt, die oben mit einer kunstvollen Kuppel gekrönt sind. Auf den beiden Galerien befindet sich ein höfisches Publikum, das nur zum Teil an den Darstellern unten interessiert zu sein scheint. Interesse erregt vielmehr ein jüngerer Mann in der Mitte der ersten Galerie, vor den zentralen Torbogen, eben an der Stelle, an der Cesariano die Palastpforte und den Herrscher anbringt. Durch das Halbrelief eines Knaben oder Bacchanten mit Szepter und Reichsapfel – eine gänzliche Abwandlung des Bacchanten bei Badius – direkt unter seinem Platz ist er als Herrscher kenntlich gemacht. Auf ihn deuten nicht nur zwei Zuschauer aus der zweiten Galerie, sondern auch ein alter Mann und ein Junge, die zu seiner Rechten und seiner Linken mit ihm in der „Ehrenloge“ oder „Palastpforte“ stehen. Es wäre denkbar, dass die drei Gestalten den 1493 verstorbenen Kaiser Friedrich III., Maximilian I. und Erzherzog Philipp den Schönen27 repräsentieren sollen. Grüninger, der am Ende des deutschen Terenz ausdrücklich betont, dass dieser in der keiserlichen vnd fryen statt Straßburg gedruckt sei (f8r), dürfte den oben bereits erwähnten Festbaum mit Galerie und turmartigem Aufbau im Freiburger Predigerkloster gekannt haben, der für Hoffeste des Kaisers verwendet wurde (Kap. 4.1); an einen solchen Baum erinnert die Gestalt des Gebäudes. Diese Assoziation und die Fokussierung auf die Herrschergestalten interpretiert nun ganz anders als Badius’ Abbildung das Theaterspiel als ein kaiserliches Hoffest und lobt Maximilian als den Herrscher, der das römische Theater in Deutschland eingeführt habe. Der traditionelle Vorwurf des Obszönen wird nicht mehr kritisch zur Diskussion gestellt, sondern angesichts der Würde des kaiserlichen Spektakels schlicht ignoriert. Der Holzschnitt des Gebäudes hat also v. a. eine interpretative Funktion, wenn es auch zu weit ginge, mit ZIELSKE von einer „Allegorie des Theaters“ zu sprechen.28 Grüningers Interpretation des Theaters, seine Zentrierung auf Maximilian, ist Grund genug für Locher, die Abbildungen überschwänglich zu loben. ______________ 27

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Er besuchte Freiburg erstmals 1496 und bekam unter dem Baum die Ehrengeschenke der Stadt überreicht. SCHADEK, S. 222. ZIELSKE, S. 135.

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Terentius. Straßburg: Johannes Grüninger, 1496, A1r.

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Terentii comoediae sex. Lyon: Iodocus Badius, 1493, 24v.

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Lucius Vitruvius Pollo, De Architectura. Como: Gotardus de Ponte, 1521, 82v.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen Jacob Locher stand, wie schon oben deutlich geworden ist, mit seinen dramatischen Werken im süddeutschen Raum keineswegs allein. Eine Begeisterung für das Drama ist bei Konrad Celtis (der es in seiner Ingolstädter Inauguralrede direkt propagiert)1 und den mit ihm befreundeten Humanisten kaum zu übersehen; aus ihr heraus hat Celtis in seiner Edition der Werke Hrotsvithas von Gandersheim, welche er spätestens im Januar 1494 in St. Emmeram entdeckt hat,2 die Dramen an die erste Stelle gerückt.3 Der Prolog des ursprünglichen Teils II des Codex, in welchem Hrotsvitha ihre Nachahmung des Terenz gegen mögliche kirchliche Einwände verteidigt,4 wird dadurch zum Prolog des gesamten Werks. Celtis präsentierte Hrotsvithas Werke, die ihm ein außerordentliches Zeugnis alter deutscher Dichterbegabung waren, auf dem Reichstag zu Nürnberg 1501; dort sind auch die 14 dem Druck beigegebenen Epigramme der Sodalitas litteraria entstanden.5 Im ersten dieser Epigramme spricht Johannes von Dalberg der Dichterin u. a. die laus scenae des Terenz zu,6 was wohl als ein Beleg dafür zu werten ist, dass die Dramen Hrotsvithas nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie heute als Lesedramen gewertet wurden.7 Das besondere Interesse der deutschen Humanisten am Drama zeigt sich aber bereits früher: in Vorlesungen zum antiken Drama, speziell zu Terenz, als deren frühes Beispiel oben (Kap. 2.1) die Vorlesungen Peter Luders genannt worden sind. Die ebenfalls bereits erwähnten Importe italienischer Komödien ______________ 1

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RUPPRICH überbewertet allerdings die aktive Förderung, besser Forderung von dramatischer Dichtung durch Celtis in seiner Deutung des Briefs des Laurentius Corvinus an Celtis, Breslau, 26. 6. 1499 (Celtis, Briefwechsel, S. 361f., Nr. 217). Wo RUPPRICH eine Aufforderung an Corvinus sieht, in einem Festspiel Vaterland und Vaterstadt zu verherrlichen, ist in Wirklichkeit keine literarische Gattung für den gewünschten Lobpreis angegeben. Celtis, Briefwechsel, S. 119, Nr. 70. Opera Hrotsvitae, Illustris Virginis, Et Monialis, Germane, Gente, Saxonica, Orte. o. O: Sodalitas Celtica, 1501 (Exemplar UB Heidelberg, II 106 (lat. 2381), Palatina C 891/892); vgl. dazu: Helene HOMEYER, Einleitung, in: Hrotsvitha von Gandersheim. Werke in deutscher Übertragung. Mit einem Beitrag zur frühmittelalterlichen Dichtung von Helene Homeyer. München u. a. 1972, S. 7–47, S. 39. Hrotsvithae Opera. Hrsg., eingel. u. komm. v. Helene Homeyer. München u. a. 1970, II, Prol, 1– 3, S. 233. Celtis, Briefwechsel, S. 468–471, Nr. 268. Ebd., S. 468. HOMEYER, S. 44.

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sowie die im Reich entstandenen und im 16. Jahrhundert noch entstehenden Terenzdrucke sind in gleicher Weise Artikulationen der neuen Wertschätzung des dramatischen Genres wie die Aufführungen klassischer Komödien in Deutschland nach dem Vorbild des Pomponius Laetus. Zu den frühesten nachweisbaren Aufführungen dieser Art zählen die des Rektors der Breslauer Elisabethschule, Laurentius Corvinus, der zum engeren Kreis um Celtis gehörte. Mit seinen Schülern inszenierte er am 1. 3. 1500 im Breslauer Rathaus den »Eunuchus« des Terenz, am 6. 2. 1502 die »Aulularia« des Plautus.8 Bald nach der Aufführung von Lochers »Historia« 1495 setzt unter den deutschen Humanisten auf breiterer Ebene die Produktion eigener Bühnenstücke ein. Einige von diesen Werken sind heute bekannter als Lochers Dramen. Zum Teil nehmen sie auf Lochers Vorgaben Bezug, zum Teil bilden sie einen wichtigen Hintergrund für Lochers späteres dramatisches Werk. Sie verdienen deshalb im gegebenen Kontext Beachtung.

8.1. Jakob Wimpheling, Gegner der Histrionen 8.1.1. Festrede oder Komödie? Stylpho (1480) Am 8. 3. 1480 hielt der Schlettstätter Humanist Jakob Wimpheling, ein ehemaliger Studienfreund Konrad Stürzels und späterer Vertrauter Maximilians, als Dekan der Heidelberger Artistenfakultät einen Festvortrag im Rahmen der feierlichen Verleihung des Lizenziatengrades an 16 Bakkalaurei. In seinen Vortrag fügte er einen Prosadialog ein – eine nicht ungewöhnliche rhetorische Usance, die u. a. auch bei mehreren Heidelberger Grabreden der Zeit bezeugt ist;9 auch Locher bediente sich später dieser Technik bei seiner Totenklage auf Hedwig von Polen.10 Vierzehn Jahre nach Wimphelings Vortrag wurde eine erweiterte Fassung des Dialogs, herausgegeben von Eucharius Gallinarius, durch die Vermittlung von Sebastian Brant bei Bergmann von Olpe in Basel gedruckt, im Jahr darauf noch einmal bei Johannes Grüninger in Straßburg.11 Der Wimpheling-Schüler Gallinarius hat aus dem Dialog eine Komödie gemacht. Im Vorwort erklärt er: ______________ 8 9

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BURGER, S. 300. Vgl. Hugo HOLSTEIN, Einleitung, in: Iacobus Wimphelingius, Stylpho. In der ursprünglichen Fassung aus dem Cod. Upsal. 687 hrsg. v. Hugo Holstein. Berlin 1892, S. III–XVIII, S. VIIIf.; wieder bei Harry C. SCHNUR, Nachwort, in: Jakob Wimpheling, Stylpho. Übers. u. hrsg. v. Harry C. Schnur. Stuttgart 1971, S. 53–61, S. 57f. Jakob Locher, Threnodia sive funebris lamentatio in laudem inclite matrone Hedvigis ... Trauerrede auf den Tod der Hedwig von Polen, Gemahlin Herzog Georgs von Bayern-Landshut, gehalten im Jahre 1502 von Jakob Locher, genannt Philomusus. Hrsg., übers., komm. u. eingel. v. Alfons Beckenbauer. Landshut 1984 (Schriften zur Landshuter Hochzeit 3), b2v–b4v. Stilpho Jacobi Vympfelingii Sletstatini. o. O. [Johannes Grüninger: Straßburg], 1495 (Exemplar British Library London, IA. 8779). Vgl. HOLSTEIN, Einleitung, 1892, S. XIII.

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Apologiam quandam instar Comediae ... nuper inter quaedam Vympfelingii Sletstatini opuscula reperi: quam ipse quondam in Heidelbergensi gymnasio / dum vicecancellarium gereret. ad licenciandos quosdam recitavit. eam arbitrabar lectu dignam: quoniam vel utilem vel iucundam … (Aa1v).12 (Ich habe vor kurzem unter einigen kleineren Werken des Wimpheling aus Schlettstatt eine Verteidigung [der Wissenschaft] ganz nach Art einer Komödie gefunden. Er hat ihn einst an der Heidelberger Universität, als er das Vizekanzleramt innehatte, vor einigen Lizenziats-Kandidaten rezitiert. Ich hielt den Text für lesenswert, da er [der Anforderung entspricht,] nützlich oder unterhaltsam zu sein.)

Tatsächlich erscheint im Druck der Prosadialog im Gewande eines Spiels, mit einem vorangestellten Argumentum und Prolog, mit der Nennung der sprechenden Figuren vor jedem Abschnitt, wenn auch eine Bezeichnung der Abschnitte als Szenen oder Akte sowie Regieanweisungen fehlen. Am Ende schließt der Epilogsprecher (in der Handschrift mit dem vates gleichgesetzt) mit den Worten Valete et plaudite, der üblichen Abschlussformel der Palliata, und einer Variante des Calliopius-Vermerks, Iacobus Vympfelingius Sletstatianus recensui (Aa10r).13 Im Jahr 1505 kam der Dialog schließlich, wie aus einer handschriftlichen Anmerkung im Exemplar der UB Heidelberg hervorgeht, mit verteilten Rollen zur Aufführung.14 Die Darsteller – besser Rezitatoren, denn es heißt, per quas iste actus recitatus est – sind namentlich genannt. Hugo HOLSTEIN lokalisiert sie am Gymnasium in Straßburg.15 Der »Stylpho« ist durch den Druck und v. a. durch die Aufführung nachträglich zum Theaterstück geworden und wird von der Forschung fast einmütig als der erste Versuch einer neulateinischen Komödie auf deutschem Boden anerkannt (wenn auch mit der Einschränkung, dass er ursprünglich nur für die Rezitation entworfen war).16 Wimpheling spricht nicht von einer Komödie; im Inhaltsverzeichnis einer vom Dichter selbst angelegten Sammelhandschrift rangiert der »Henno« seines Dichterkollegen Reuchlin unter Comedia Reuchlini, der »Stylpho« ______________ 12

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Stylpho Jacobi Vympfelingii Sletstatini. o. O. [Basel: Johann Bergmann von Olpe], o. D. [1495] (Exemplar UB Tübingen, Gb 490.4). Vgl. Hugo HOLSTEIN, Zur Biographie Jakob Wimphelings. Zeitschrift für vergl. Litteraturgeschichte und Renaissance-Litteratur, N.F. 4 (1891), S. 227–252, S. 232f. recensui] recnnsui. Vgl. dazu HOLSTEIN, Einleitung, 1892, S. XII. UB Heidelberg, D 8400 oct. INC [7], Bl. 10a: Explicit comicus ludus eximii poete Jacobi Wimpf. Slet. Johannes Stump – Stilfo || Johannes Erckman – Vincentius ... recitate [?] || Caspar Kuotlin - Asuerus praesul || Martinus Wehinger – praetor || Jacobus Binder – Lampertus [...] plebanus || Johannes Bodenloß – Petrucius Examinator || Johannes Bentili - Portitor. || Personae per quas Iste actus recitatus est Anno 1505. HOLSTEIN, Einleitung, 1892, S. XIV. Daher ist MERTENS’ Formulierung „Diese Aufführung vom 8. März 1480 bedeutet nichts Geringeres als den Beginn des humanistischen Schuldramas in Deutschland“ etwas gewagt. Dieter MERTENS, Jakob Wimpfeling (1450–1528). Pädagogischer Humanismus, in: Paul Gerhard Schmidt (Hrsg.), Humanismus im deutschen Südwesten. Biographische Profile. Sigmaringen 1993, S. 35–57, S. 46.

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aber verbirgt sich unter dem Eintrag Oraciones diverse in studio Heidelbergensi facte.17 In der Rede selbst bezeichnet Wimpheling den dialogischen Einschub zunächst nur als eine andere, niedrigere Form der Rede: ne similitudo sermonis matrem se praebeat fastidii, a maximis baccalaureorum laudibus declinans aliud orationis genus complectar, quo quidem et ipsa eorum quos hic cernitis praeconia non modo non deerunt, sed etiam ad ampliorem studiorum operam praestabuntur inritamenta (1,14–19). 18 (Damit die Gleichförmigkeit der Rede keinen Überdruss errege, verlasse ich das hohe Niveau der Lobreden auf die Bakkalaurei und greife zu einem anderen Redestil, durch den aber eben die Preisungen derer, die ihr hier seht, nicht geschmälert werden sollen, sondern durch den, ganz im Gegenteil, Anreize zu noch größerem Eifer im Studium geschaffen werden sollen.)

Die „andere Form der Rede“ soll also die Aufmerksamkeit der Zuhörer sichern und dadurch nicht nur dem Zweck der Rede (dem Preis der Prüflinge) ungeschmälert dienen, sondern diese Zweckerfüllung noch übertreffen, indem sie in den Zuhörern eine Aktion hervorruft. Captatio benevolentiae, narratio und peroratio, die wichtigsten Bestandteile einer Rede, sind damit in dieser neuen Redeform bewahrt. Dies jedoch ist nicht der einzige Grund, welchen Wimpheling für seine Wahl dieser Redeform anführt. Nach einem Exkurs über die Gefahren zu großen Schmeichelns in einer Lobrede kommt er zu dem Schluss: Quare ne ad miserrimam ambitionem honorumque contentionem viam praeparem, descendo in fabulam, quin potius historiam, quae quam feliciter a vobis actum sit, quod ad studia litterarum fuistis deditissimi, evidentissime comprobabit, deinde suggeret etiam omnibus, ne a coeptis philosophiae poculis labra umquam se moveant aut retrahant. Hoc itaque sit fabulae nostrae argumentum. (Um also nicht einem höchst verwerflichen Ehrgeiz und Wettstreit um Ehren den Weg zu ebnen, begebe ich mich hinab auf die Ebene einer fabula oder besser einer historia, die anschaulichst belegen wird, wie gut ihr daran getan habt, euch gänzlich dem Studium der Poesie zu widmen. Sie wird auch allen nahelegen, dass ihre Lippen sich niemals vom Kelch der Philosophie lösen oder zurückzuziehen sollen, wenn man sie einmal ergriffen hat. Dies also sei der Inhalt unserer Geschichte.)

Die fabula, die erfundene Geschichte, bezeichnet Wimpheling gleichzeitig auch mit dem Gegenbegriff historia; offensichtlich besitzt sie eine significatio veri, man darf auch vermuten, dass die Figuren des Dialogs auf reale Personen verweisen.19 Die fabula als fiktives Gewand einer wahren Sache ermöglicht es nicht nur, ______________ 17

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UB Uppsala, Cod. C 687. Vgl. dazu: Hugo HOLSTEIN, Ein Wimpfeling-Codex. ZfvglLit, N.F. 2 (1889), S. 213–215; Axel NELSON, Zum Wimpfeling-Codex der Universitätsbibliothek zu Uppsala, in: Aufsätze zum Bibliothekswesen und zur Forschungsgeschichte. FS Georg Leyh. Leipzig 1937, S. 27–37. Iacobus Wimphelingius, Stylpho. In der ursprünglichen Fassung aus dem Cod. Upsal. 687 hrsg. v. Hugo Holstein. Berlin 1892. SCHNUR, S. 60, fasst die bisherigen Versuche, die Figuren des »Stylpho« mit Personen aus dem Umkreis der Universität Heidelberg zu identifizieren, zusammen.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

eventuelle Gefahren einer offenen Rede zu umgehen, sie verspricht auch eine erhöhte Einsichtigkeit der zu vermittelnden Lehre. Damit wird dem Gegensatzpaar historia – fabula ein zweites hinzugesellt: fabula – abstrakte Lehre. Die Betonung der Einsichtigkeit kann auch die Aufführung und d. h. Sichtbarmachung des Dialogs, wie sie 1505 geschehen ist, rechtfertigen. Im Prolog wiederholt Wimpheling sein Vertrauen in die Überzeugungskraft dieses dicendi genus (3, 6–9). Er fordert sein junges Publikum auf, sich zu Herzen zu nehmen, quod vestrae iam utilitatis causa decantare libet (3, 13f.), und sich anregen zu lassen durch Vincentius, quem audituri estis (3, 18): Noch einmal sind hier offensichtlich Zuhörer und keine Zuschauer angesprochen. Sie sollen an Stylpho erkennen, dass alle mortalium bona der Macht Fortunas und dem grausamen fatum unterworfen sind (3, 19–23). Durch dieses Motiv stellt Wimpheling seinen »Stylpho« in die Nähe einer Tragödie. Der Held aber ist kein Fürst, der Name ist vielmehr Terenz’ Komödie »Phormio« (II, 3) entnommen. Die hohe Gewichtung des positiven Gegenhelden und die Betonung der akustischen Rezeption sprechen gleichfalls gegen eine Bestimmung des Textes als Tragödie; die Rezipientenerwartung geht eher in die Richtung einer Exempelerzählung. Sogleich spielt Wimpheling auf eine weitere dramatische Gattung an, von der er sich absetzt: Das strengere ältere Publikum bittet er um Nachsicht, … ut hos iocos salis expertes in hac ieiunii tempestate, quae serio gravitateque potius egeret, aequo auscultent animo… (3, 26–28) (… dass sie diese salzlosen Scherze während der Fastenzeit, die eher ernst und mit Würde begangen werden sollte, mit Gelassenheit anhören).

Er fürchtet, seine Komödie könnte einem Fastnachtsspiel gleichgesetzt werden. Der Schlettstätter Dichter stand einem ausgelassenen Fastnachtstreiben sehr kritisch gegenüber; als er 1504 den prunkvollen Fastnachtsumzug mit lebenden Tieren in Basel erlebte, äußerte er helles Entsetzen;20 Locher warf er vor, an Fastnacht unsittlich verkleidet durch die Straßen zu ziehen.21 Um den »Stylpho« hiervon abzusetzen, betont er, dass seine Scherze „ungesalzen“ seien, dass ihnen gerade das Anstößige und Bissige des Fastnachtsspiels und der gesamten Fastnachtszeit fehle. Wieder betont er außerdem, dass er sich an Hörer richte; ein an die Fastnacht gemahnender Reichtum an Requisiten, Kostümen etc. ist damit ausgeschlossen. In sechs aufeinander folgenden Dialogen wird dann die Geschichte der Titelfigur gleichsam in Etappen entwickelt. Auf- und Abtritte werden von den sprechenden Figuren selbst kommentiert; Regieanweisungen, Hinweise auf ein Szenenbild, Szenenüberschriften oder Choreinlagen aber – all das, was in einer Rede nicht umsetzbar wäre, – fehlt. Stylpho, der beim Papst erfolgreich nach Pfründen ______________ 20

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Jacob Wimpfelings Briefwechsel. Eingel., komm. u. hrsg. v. Otto Herding u. Dieter Mertens, 2 Bde. München 1990 (Iacobi Wimpfelingi Opera Selecta III), Briefe Nr. 152–154. Jacob Wimpfeling, Confessionale [Lochers], zit. in: SCHLECHT 1903, S. 240–243.

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hat jagen können, kann vor den Heidelbergern und dem Bischof von Worms seine Unbildung nicht verbergen und endet schließlich – wie der verlorene Sohn in Lk 15, 15 – als Schweinehirt, allerdings ohne Aussicht auf Gnade. Quam admiranda fati commutatio! (14, 32), kommentiert der Dichter im Epilog, und er hält diesem unglücklichen Schicksal das des Vincentius entgegen, der sich in den beiden ersten Dialogen als eifriger Student gezeigt hat. Er sei nach Abschluss seines Studiums in die Kanzlei des Kurfürsten aufgenommen worden und sei dann zum Domherrn und schließlich zum Bischof aufgestiegen. Dieser Aufstieg ist nicht dialogisch ausgestaltet, er steht vielmehr als Bericht des Epilogsprechers dem Dialog um Stylpho gegenüber. Die einleitend betonte Einsichtigkeit der Lehre scheint also mehr von der Präsentation exemplarischer Figuren abhängig zu sein als von einer dramatischen, sichtbaren Darbietung ihres Auf- oder Abstiegs. Wimpheling schließt, wie bereits erwähnt, mit den Worten Valete et plaudite und Ego ipse recensui (15, 7f.), was im Druck erweitert ist zu: Iacobus Vympfelingius Sletstatianus recensui. Mit dieser Schlussformel stellt der Dichter seinen »Stylpho« in die Tradition der Terenz-Komödien, die er offensichtlich noch als Rezitationsstücke versteht.22 Die Selbstständigkeit einer Komödie, einer Tragödie, eines Fastnachtsspiels – um die drei dramatischen Gattungen zu nennen, auf die Wimpheling in den Rahmentexten anspielt – kann man dem »Stylpho« aber in seiner ursprünglichen Form nicht zuschreiben. So wie der Dialog innerhalb des Werks nur eine Form der Darstellung neben der Rede des Dichters ist, so ist der »Stylpho« seinerseits als nur eine Form der Darstellung in die Rede »Pro licencia in artibus viae modernarum« eingebunden, die nach dem Abschluss des Dialogs fortgeführt wird, und das keineswegs nur als Prosarede: Wimpheling baut vielmehr in den weiteren Verlauf der Rede verschiedene Verszitate ein und variiert damit kontinuierlich den modus dicendi. Erst im Druck erhält der Dialog seine Selbstständigkeit. Neuland betritt Wimpheling nicht in der Dramatik, sondern darin, dass er in (äußerlicher) Anlehnung an die römische Komödie Dialoge verfasst, die auf aktuelle Begebenheiten Bezug nehmen, in einem öffentlichen Vortrag die Relevanz der studia humanitatis für das höfische Leben aufzeigen und sie damit propagieren: Im »Stylpho« zielt das Studium auf einen Dienst am Hof, der dann zu höheren Ehren führen kann. Wimpheling definiert damit den Zweck, für den später Kurfürst Philipp eine Stelle für ihn einrichten sollte, die lectio humanitatis: zur rhetorischen Schulung und Bildung von Juristen für den künftigen Hofdienst.23 Diese auf eine Fürstenuniversität bezogene Bildungswerbung, verbunden mit einer (äußerlichen) Anlehnung an Terenz fand in den 1490er Jahren, als die Begeiste______________ 22

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MICHAEL 1963, S. 75, erklärt deshalb: „Die Stylpho-Aufführung ist nicht der erste Beleg für einen neuen humanistischen Bühnengeist, sondern der letzte Beleg für eine veraltete, mittelalterliche Bühnenanschauung von der Antike.“ RITTER I 1936, S. 444.

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rung für das Drama unter den deutschen Humanisten Fuß fasste, eine neue Rezeption. Losgelöst aus dem ursprünglichen Rede-Rahmen, fügt sich der Dialog in jeden universitären oder bildungstheoretischen Kontext. So wurde das Werk, welches sein Verfasser nie als Komödie bezeichnete, zu einer solchen. 8.1.2. Eine verlorene Komödie (1497) Dass Wimpheling Reuchlins »Henno« (Kap. 8.2) in seine oben erwähnte Sammelhandschrift aufgenommen hat, zeugt von einer Hochschätzung des dramatischen Werks des Pforzheimer Dichters, der mit ihm Mitglied in dem von Celtis begründeten Gelehrtenkreis um Johannes von Dalberg war. Wimphelings Neffe Jakob Spiegel, der bei seinem Onkel aufwuchs, war sogar an der Uraufführung des »Henno« im Hause Dalbergs beteiligt.24 Nur wenige Monate nach dieser Aufführung trat auch Wimpheling mit einer Komödie hervor: Auf dem Reichstag zu Worms (April bis August 1497), unter Anwesenheit Markgraf Jakobs von Baden (als Stellvertreter Maximilians), boten seine Schüler eine comedia dar, von der nur noch Prolog und Epilog erhalten sind,25 mit einer Notiz Wimphelings, dass dieses Werk nicht veröffentlicht werden sollte: non ibit in lucem sed sepulta manebit apud me (206r). Es handelt von einem jungen Mann namens Graccus, dessen zuchtloses Leben ihn an den Rand des Todes bringt: ... quoniam ocium dilexit / litteras odio habuit / vino et malo consorcio adhesit. Et hodie, quisquis | Litteras non didicerit / operave manuum oderit / ocio. vinoque deditus / quid mirum si a scortis misere seducatur / si omnem substanciam cum spurcissimis meretricibus ignominiose profundat. grandevusque factus, neque rei publice / neque ecclesiastice utilis sed neque sibi ipsi: Tandem cum vite necessaria desunt / vel e mendicato cibo sese nutrire / vel latrociniis et depredationibus aut furto famem sedare / vitamque vel ense vel laqueo finire cogatur. Aut si sors magis propicia fuerit / in hospitale receptus in miseria in tristicia in ignominia turpiter moriatur (204r–v). (… denn er liebte den Müßiggang, hasste die Bildung, hing dem Wein und schlechter Gesellschaft an. Auch heutzutage erstaunt es nicht, wenn jemand, der die Wissenschaften nicht lernt, es verachtet, mit seinen Händen zu arbeiten und sich der Muße und dem Wein hingibt, von Scharlatanen elend verführt wird, [noch wundert es], wenn er sein ganzes Geld mit schändlichsten Huren schimpflich verschleudert, dass

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Ioannis Reuchlin Phorcensis Scenica Progymnasmata: Hoc est: Ludicra preexercitamenta. Basel: Johann Bergmann von Olpe, 1498, b3r, nennt ihn: Wimphelingus iunior. Vgl. dazu: Otto BRUNKEN, Johannes Reuchlin (1455–1522): Scenica Progymnasmata: Hoc est: Ludicra preexercitamenta. Basel 1498, in: Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur, Bd. 1: Vom Beginn des Buchdrucks bis 1570. Hrsg. v. Theodor Brüggemann. Stuttgart 1987, Sp. 331–344 u. 1163–1167, Sp. 334. UB Uppsala, C 687, fol. 204r–206r. Vgl. HOLSTEIN 1891, S. 227–252, S. 245; Joseph KNEPPER, Jakob Wimpfeling (1450–1528). Sein Leben und seine Werke nach den Quellen dargestellt. Freiburg i.Br. 1902 (Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes, III,2–4), S. 43; MERTENS 1993, S. 46.

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er, wenn er dann alt wird, weder dem Staat noch der Kirche, noch aber sich selbst von Nutzen ist. [Es erstaunt auch nicht, dass], wenn ihm schließlich das Lebensnotwendige fehlt, er sich entweder von erbettelten Speisen ernähren oder den Hunger durch Räubereien, Plünderungen oder Diebstahl stillen muss oder gezwungen ist, sein Leben mit dem Schwert oder mit dem Seil zu beenden – oder, wenn ihm das Schicksal sehr gewogen war, er in ein Hospital aufgenommen wird und jämmerlich in Elend, Trauer und Schande stirbt.)

Das Thema ist sehr ähnlich dem des »Stylpho«, allerdings ins Extreme gesteigert: Der Faule, Studienunwillige, Trinkfreudige, der in schlechte Gesellschaft gerät – man darf hier wiederum an den filius prodigus denken – endet nicht mehr nur als Schweinehirt, er gerät gänzlich an den Rand der Existenz. Ihm als zweite Hauptfigur zur Seite gestellt ist eine alte Frau, die durch ihre lockere Lebensweise in der Jugend jede Lebensfrische und jede Hoffnung auf einen Ehemann verloren hat. Der didaktische Impetus dieser Komödie, die sich nicht nur an ein universitäres Publikum richtet, nämlich die negative Exemplarität dieser Figuren, ist nicht zu übersehen. Das Stück versteht sich als eine Bildungs- und Erziehungswerbung für junge Männer und Frauen und als ein Appell an die anwesenden Adeligen, die Bildung zu fördern. Über das Spiel erfahren wir, dass es auf ein bis zwei Stunden Spielzeit angelegt war, mit Musik- und Choreinlagen. Nach seinem Prolog lässt Wimpheling es offen, ob zuerst Leierspieler, die Sänger, aut modestus circuitus personarum qui representarunt comediam (206r) auftreten. Nicht von einer Rezitation ist hier die Rede, sondern von einer repraesentatio. Gerade wegen des freizügigeren Inhalts der Rede aber legt Wimpheling auf die modestia seiner Darsteller großen Wert. Er räumt ein, dass die Komödien immer wieder Lüsternes und Obszönes unter ihre Inhalte mischen, libidinosa nonnumquam et obscena intromiscent (204r). Seine Komödie aber zeichne sich in dieser Hisicht durch besondere Sorgfalt aus: In nostra comoedia / que certe Libidinoso argumento non caret / Dedimus et dabimus operam / ut pueri sciant ipsarum personarum levem conditionem / pravasque animorum suorum perturbationes / si que verba impudica. Lasciva. amatoria. sunt allature. at he ipse persone tales sunt / ut ab earum statu. moribus. Levitate. miseria. nostri adolescentuli plurimum debeant abhorrere. (204r) (In meiner Komödie, die auf einen lüsternen Inhalt keineswegs verzichtet, habe ich mir Mühe gegeben und werde ich mir Mühe geben, dass die Jungen sich des fragwürdigen Stands der von ihnen dargestellten Personen und der üblen Verwirrungen ihrer Seelen bewusst sind, wenn sie irgendwelche schamlosen, lüsternen, verliebten Worte aussprechen; aber diese Figuren selbst sind solcher Art, dass unsere jungen Leute von deren Stand, Sitten, Leichtlebigkeit und Schlechtigkeit gänzlich abgeschreckt werden müssen.)

Eine Identifikation der Schauspieler mit den Figuren ist ausdrücklich nicht gewünscht und ebenso wenig die Identifikation des Publikums mit den Figuren. Statt auf Identifikation und Illusion zielt die Darstellung auf die Repräsentation von Negativexempeln. Man mag bereits hieraus auf eine eher verhaltene Spielwei-

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se schließen; im weiteren Verlauf des Prologs weisen einige Formulierungen auf einen hauptsächlich rezitativen Charakter des Stücks hin: Graccus adolescens amori Deditus narrabitur (204r), Anus audietur (204v), heißt es, dagegen aber: vetula uxor efficiatur (205r), dann aber wieder: precamur auscultate/ et vostras benignas aures pacienter adhibete (205r), und schließlich räumt der Prologsprecher bescheiden die Möglichkeit ein, dass non prima hac recitatione omnia blande fluant (205r). Auch bei der repraesentatio steht offensichtlich das rezitierte Wort im Vordergrund. 8.1.3. Wimphelings Plautus-Aufführung (1497) Auf fol. 206v–207r derselben Handschrift findet sich ein Epilog zur einer PlautusKomödie: Hanc nos plauthi comediam Illustrissimi principes / doctissimi praesentes humanissimi viri b recitavimus ad solatium vestrum et qualemcumque iocunditatem / Nobis vero adolescentibus ad exercitum / ad profectum / ut bonos mores sequimur malos autem qui vitari non possent nisi cogniti essent fugiamus et ad exercitationem ingenii nostri / memorie nostre / eloquentie nostre / et ut si | tandem opus erit audatiores / et germanice nationi forsitan non inutiles efficiamur ad gloriam dei optimi maximi ... (206v– 207r) (Ehrenwerte Fürsten, hoch gelehrte und hoch gebildete Herren im Publikum, diese Komödie des Plautus haben wir zu eurer Entspannung und jeder Art von Erheiterung rezitiert, v. a. aber zur Besserung von uns jungen Menschen, damit wir den guten Sitten folgen, die schlechten aber, die nicht vermieden werden könnten, wenn sie nicht erkannt würden, fliehen, außerdem zur Übung unseres Geistes, unseres Gedächtnisses, unserer Redegewandtheit und damit wir uns, wenn es alsdann notwendig sein wird, selbstbewusster und nicht etwa der deutschen Nation unnütz erzeigen, zum Ruhm des höchsten Gottes ...)

MERTENS sieht in diesen Zeilen das früheste Zeugnis einer Plautus-Aufführung in Deutschland.26 Er vermutet, es habe sich bei dem präsentierten Stück um Plautus’ »Aulularia« oder »Captivi« gehandelt; Wimpheling hebt diese beiden Texte in seiner »Diatriba« (VI), besonders lobend hervor, da sie den didaktischen Inhalt aller anderen Komödien zusammenfassten.27 In der Komödie, von der Wimpheling, nachdem er schon zu einem nostra angesetzt hat, doch zugibt, dass sie von Plautus stamme (oder zumindest an eine seiner Komödien angelehnt sei), geht es ihm offensichtlich um eben diese (bereits topische) didaktische Exemplarität; daneben geht es ihm auch um die Übung von ingenium, memoria und eloquentia. Eine solche sei letztlich dem Staat nützlich. Die Forderung, dass das Theater dem Staat ______________ 26 27

MERTENS 1993, S. 46. Diatriba iacobi wimphelingii Seletstattini: sacre pagine licentiati: De proba institutione puerorum in trivialibus et adolescentum in universalibus gymnasiis; De interpretandis ecclesie collectis; Regule. xvi; De ordine vite sacerdotali o. O. [Speyer]: Hist, 1514 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E1728), fol. a7r.

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dienen sollte, hatte, wie erwähnt, bereits Celtis in seiner Ingolstädter Inauguralrede 1492 aufgestellt. Wimpheling interpretiert diese Forderung ganz anders als Locher; er will den sprachlichen Ausdruck der künftigen Staatsdiener schulen und dadurch dem Staat dienen, nicht durch die Präsentation politisch relevanter Inhalte. Inwiefern man bei dieser Plautuskomödie von einer Schauspielaufführung sprechen kann, ist – wie so oft bei Wimpheling – unsicher. Es ist von einer Rezitation die Rede, doch muss es zumindest, da der Vortrag das Gedächtnis schulen soll, eine freie Rezitation gewesen sein. 8.1.4. Nullum est auditori periculum. Wimphelings Philippica (1498) Wimphelings spätere Werke sind wieder eindeutige Rezitationsstücke; sie hat er dann auch im Druck erscheinen lassen. Am 9. 10. 1498, ein Jahr nach der Aufführung von Lochers »Tragedia« und Reuchlins »Henno«, trugen Schüler Wimphelings (darunter auch sein Neffe Jakob Spiegel und Jacob Dornberger,28 die beide bei der Aufführung von Reuchlins »Henno« mitgewirkt hatten) auf dem Heidelberger Schloss die »Philippica«29 vor. Ihre Zuschauer waren Kurfürst Philipp und dessen Söhne (die den Unterricht Reuchlins und Celtis’ genossen und also mit deren Gedanken zum Theater vertraut waren) sowie der Straßburger Bischof Albrecht. Ausdrücklich erklärt der Verfasser im Prolog, dass er auf Schrecken erregende Effekte verzichte: Auscultate obsecro nobillissimi Principes. Non hic terribilia sunt arma: non caballi precipites et importuni: non hastae proiectiles: nullum est auditori periculum (a2v). (Hört bitte, edeste Fürsten: Hier gibt es keine Furcht erregenden Waffen, keine rasenden ungestümen Pferde, es werden keine Speere geworfen: Es besteht keine Gefahr für den Zuhörer.)

Das Nachstellen einer Schlacht, die Extremform der Vergegenwärtigung, steht Wimpheling fern. Er will weder ein Turnier noch eines jener großen mimischen Spektakel aufführen, wie sie u. a. am burgundischen Hof bezeugt sind, die durchaus erschreckend sein konnten.30 Sein Hörer soll sich sicher fühlen und nur intellektuell angesprochen werden, nicht durch Emotionen, welche eine schauspielerische Darstellung erregen würde. Am Schluss steht deutlich: Recitati sunt hii Dialogi (c3v), und am 18. 11. 1498 schreibt Wimpheling an Ludwig von der Pfalz, der den ______________ 28 29

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Der Sohn des Vizekanzlers der Universität Heidelberg. Philippica Iacobi Vuimpfelingi Sletstatini in laudem et defensionem Philippi Comitis Rheni Palatini Bauariae Ducis etc. Straßburg: Martin Schott, 1498 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2061). Zum Inhalt: KNEPPER, S. 109–111. Vgl. die Beschreibung verschiedener solcher Spektakel am Hof Karls des Kühnen bei CARTELLIERI.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Vortrag verpasst hatte: dialogos ... ab ingeniosis quibusdam puerulis recenseri fecissem,31 wobei er wiederum den aus den Calliopius-Vermerken entnommenen, üblicherweise mit recitare gleichgesetzten, Begriff recensere verwendet. Unzweifelhaft sind die »Philippica« Rezitationsstücke. Es handelt sich hier um eine Reihe von sechs kurzen, inhaltlich miteinander verknüpften Prosadialogen zwischen einem Lehrer Mygecius und dessen Schüler Calvus. Thema der Dialoge ist der Nutzen der sapientia für Fürsten und die Rolle der Bildung in der Vorbereitung eines Türkenfeldzugs. Alle Überlegungen gipfeln schließlich in einem Lobpreis des anwesenden Philipp, der das Ideal eines humanistisch gebildeten Herrschers verkörpere:32 ein Schluss, wie er später im Festspiel üblich wird. Mit absichtlich anderen Mitteln also als Locher behandelt Wimpheling das Thema ‚Türkenkrieg und Humanismus‘: Der Lehrdialog steht der Schrecken erregenden Tragödie gegenüber. 8.1.5. Bauteile einer Tragödie: Petrus de Hagenbach Wimphelings Dialoge, speziell der »Stylpho«, beleuchten die große Nähe zwischen Dialog und Drama. Der »Petrus de Hagenbach«33 darf hier als ein weiteres, sehr eindrückliches Beispiel hinzugenommen werden. Die ältere Forschung hat in Wimphelings dialogischen Gedichten über Petrus von Hagenbach, den von Herzog Karl dem Kühnen eingesetzten Vogt über die an Burgund verpfändeten österreichischen Vorlande, und dessen Hinrichtung im Juni 1474 ein Drama gesehen.34 Es wäre, existierte es tatsächlich, nicht nur die erste an der römischen Tragödie orientierte Dramatisierung eines zeitgeschichtlichen Geschehens durch einen deutschen Humanisten, sondern überhaupt das erste Humanistendrama aus Deutschland. Tatsächlich aber handelt es sich bei dieser „Tragödie“ um eine offene Form mehrerer aufeinander bezogener Gedichte, frei kombinierbar und in den einzelnen Teilen erweiterbar.35 Die geschlossene Dramenform des »Hagenbach« ist ein Produkt der Philologie des 19. Jahrhunderts.36 Was die Dialoge des Schlettstätters wie Teile eines Dramas wirken lässt, ist die Entwicklung, welche die Abfolge der Dialogsituationen erschließen lässt. Die Dialoge konstituieren bis zu einem gewissen Grad Handlung. Allerdings steht die ______________ 31 32 33

34 35

36

HERDING/MERTENS, Briefwechsel 1990, Brief 85 (18. 11. 1498), S. 292. Ausführlicher zum Inhalt: KNEPPER, S. 109–111. Jacob Wimpfeling’s poetischer Dialog über Peter Hagenbach’s Tod. Hrsg. von W. Wattenbach. Zs. für die Geschichte des Oberrheins 22 (1869), S. 391–397; Jacob Wimpfeling, Petrus de Hagenbach, hrsg. v. Anton Riegger. Amoenitates literariae Friburgenses 3 (1776), S. 548–555; MONE III (1863), S. 155. BAHLMANN 1893, S. 8. UB Basel, A O I 10, fol. 408f.; UB Basel, A O II 4a, fol. 90v–92v (Tagebuch des Johannes Knebel. Hrsg. von Wilhelm Vischer, Baseler Chroniken, Bd. 3. Leipzig 1887, S. 121–125); UB Basel, F VI 19, fol. 71r–72r; UB Basel, A.N. II 42, fol. 105r–106r, 106r–v, 106v–107v. Vgl. DIETL, Tragoedia, 2000.

8.1. Jakob Wimpheling, Gegner der Histrionen

159

Darstellung der Entwicklung durch die Dialoge nicht im Zentrum des Autorinteresses. Wimpheling baut keinen Spannungsbogen auf. Er beschreibt Einzelbilder, die zu einer Handlung zusammengesetzt werden können, aber nicht müssen. 8.1.6. Wimpheling und das Drama Auch in seinen anderen dialogischen Werken erweist Wimpheling wenig Interesse an einem dramatischen Spannungsbogen. Im »Stylpho« entwickelt er zwar eine Handlung, aber sie besteht aus einer Abfolge eher statischer, in sich geschlossener dialogischer Momentaufnahmen, und abschließend stellt Wimpheling dieser Handlung eine kursorisch zusammengefasste Gegenentwicklung als gleichwertige Exempelpräsentation gegenüber. In den »Philippica« tragen die Einzeldialoge so viel Eigengewicht, dass der Zusammenhang zwischen ihnen, der ein thematischer und personaler ist, ohne dass er in einer Entwicklung beruhen würde, in den Hintergrund tritt. Man darf daher zusammenfassend festhalten: In den erhaltenen Texten – über die nicht überlieferte(n) Komödie(n) kann hier keine Aussage gemacht werden – hat der Einzeldialog argumentative und illustrative Überzeugungskraft; die Addition der Einzelbilder ist wichtiger als der Handlungsverlauf. Auf das Optische legt Wimpheling wenig Wert; Räume, Hintergründe, Gestalten, Ausstattungen, Gesten finden kaum Erwähnung. Fast ausschließlich ist von Rezitation und Gesang und von Zuhörern statt Zuschauern die Rede. Trotz seiner Wertschätzung für Reuchlins »Henno« bleibt Wimpheling jeder reicheren Bühnenausstattung und Gestik gegenüber kritisch, und das v.a. dort, wo eine Verbindung zwischen Schauspiel und der Ausbildung von Studenten zu Rednern besteht. Im Alter wirft er Jacob Locher vor, er verwechsle Rhetorik mit Schauspielerei und verführe seine Studenten dazu, sich vor dem Publikum unwürdig zu exponieren:37 Nasonis et aliorum venena sub melle propinantium versiculos lugendo plorandoque concinunt ut histrionicis gestibus ac foemineis ululatibus: gravitati virili prorsus indecoris: simplicissimos auditorum animos reddant attentos. demulcentque iuvenum aures: ut sibi applaudere et in ora vultus suos convertere videantur (a2v). (Sie singen unter Heulen und Plärren die Verslein Ovids und anderer Dichter, die unter dem Honig Gift zu trinken geben, um mit Schauspielergesten und weibischem Gekreische, was alles der Würde eines Mannes völlig unangemessen ist, die Aufmerksamkeit der einfachsten Geister unter den Zuschauern zu erregen, und betören die Ohren der jungen Leute, damit man sehe, wie sie ihnen applaudieren und sie sich nach ihnen ausrichten.)

______________ 37

Jakob Wimpheling, Contra turpem libellum philomusi defensio theologiae scholasticae et neotericorum, ed. in: Les fols et la folie. Etude sur les genres comiques et la création littéraire en Allemagne pendant la Renaissance. Hrsg. v. Joël Lefebvre. Paris 1968, S. 413–426, Kap. 2, S. 414. Vgl. HEIDLOFF, S. 157.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Er beschimpft den Philomusus38 und seinen Schüler Thomas Murner als histriones. Als Schimpfwort bezeichnet histriones auch das ohne sittliche Grundsätze lebende fahrende Volk; Wimpheling verzichtet aber nicht darauf, den Schauspiel-Kontext dieses Begriffs zu betonen. In seiner Warnung an Sebastian Brant, dass Murner, cucullatus ille et imprudens histrio etwas gegen Brants ludus theatralis unternehmen, evtl. eine Gegenschrift verfassen könnte,39 stellt er die beiden Theaterbegriffe ludus theatralis und histrio so auffällig gegeneinander, dass hier nicht von einem unreflektierten Gebrauch dieses Schimpfworts auszugehen ist. Er scheint vielmehr einen Gegensatz zwischen der sittlichen Strenge des im theatrum (also öffentlich) vorgetragenen rhetorisch geschulten Dialogs und der Unmäßigkeit eines ungeordneten Schauspiels mit ausladenden Gesten beschreiben zu wollen. Brants Spiel, vermutlich das mehrfach erwähnte Herckles-Spiel, ist nur in einer stark überarbeiteten Fassung überliefert.40 Es ist wahrscheinlich, dass gerade die szenischen Elemente in ihm, die Spiele im Spiel, neuere Zutaten sind, der ursprüngliche Text dagegen hauptsächlich undramatische Berichte über die Taten des Herkules und Reflexionen des Helden erhielt, d. h. eher ein Rezitationstext war.41 Die theoretischen Grundlagen für Wimphelings heftige Ablehnung von histrionenartiger Gestikulation in der Rede finden sich, wie oben (Kap. 2.1) bereits dargestellt, in der »Rhetorica ad Herennium« oder auch im Poetik-Kommentar des Averroës (IX). Die Ablehnung des Schauspielerischen aufgrund gewisser (keineswegs allgemein in der Rhetorik seiner Zeit anerkannter) rhetorischer Regeln weist noch einmal darauf hin, dass Wimpheling im Schauspiel, zumindest solange es im Kontext von Schule und Universität steht, keine eigene Kunstform sieht, sondern nur eine Unterform der Rede und eine Übungsform für den Rhetorik-Studenten und angehenden Juristen oder Hofbeamten. Locher geht in seiner Dramentheorie viel weiter.

8.2. Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie Die sicherlich bedeutendste Gestalt in der frühen Geschichte der neulateinischen Komödie in Deutschland ist Johannes Reuchlin. Ihn feierten die Zeitgenossen als prim[us] apud germanos comoediae scriptor[...] vel scaenicorum ludorum inductor[...].42 Umso erstaunlicher ist es, dass sich kein Kontakt zwischen Locher und ihm nachweisen ______________ 38 39 40

41 42

Wimpheling, Briefwechsel 1990, Brief Nr. 230 (1. 7. 1507), S. 598. Ebd., Brief Nr. 302 (6. 4. 1513), S. 737. Sebastian Brant, Tugent Spyl. Nach der Ausgabe des Magister Johann Winckel von Straßburg (1554). Hrsg. v. Hans-Gert Roloff. Berlin 1968 (Ausgaben dt. Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, Reihe Drama 1). Vgl. Dieter WUTTKE, Zu den Tugendspielen Sebastian Brants. ZfdA 97 (1968), S. 235–240. Ioannis Revchlin Phorcensis scænica progymnasmata, hoc est ludicra præexercitamenta. cum explanatione Iacobi Spiegel Selestati. Tübingen: Thomas Anshelm, 1512 (Exemplar UB Tübingen, DK II 110. g. 4), B1v.

8.2. Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie

161

lässt. Der 1455 geborene43 Johannes Reuchlin, Sohn des Verwalters des Dominikanerstifts Pforzheim, stand bereits zur Zeit von Lochers Geburt in engem Kontakt mit dem badischen Markgrafenhof und begleitete Karl von Baden (den Großvater Jakobs, mit welchem der Philomusus Italien bereiste) zum Studium nach Paris. Von dort aus wechselte er 1474 mit Johannes Heynlin von Stein nach Basel, wo er eine feste Freundschaft mit Sebastian Brant schloss.44 Bis Locher allerdings 1487 nach Basel kam, hatte Reuchlin die Schweiz längst wieder verlassen, sein Jurastudium mit dem Lizentiat in Poitiers (1481) und der Promotion in Tübingen (1484) abgeschlossen und stand seit 1481 im Dienst Graf Eberhards des Älteren von Württemberg, als geheimer Rat und Beisitzer des Hofgerichts. In dieser Position erlebte er im Sommer 1492 Lochers missratenen Aufenthalt an der Universität Tübingen mit, bei dem sich der Philomusus vor allem mit der juristischen Fakultät stritt. Auch über den Königshof bestanden indirekte Verbindungen zu Locher: Bereits 1486 hatte Reuchlin zusammen mit Ludwig Vergenhans Maximilian zur Krönung nach Aachen begleitet. Im Herbst 1492 ernannte der Kaiser ihn zum Pfalzgrafen und erhob ihn in den erblichen Adelsstand. Seine akademischen Grade aber waren Reuchlin – im Gegensatz zu Locher – immer wichtiger als diese Titel, die er grundsätzlich nicht verwendete. Nach dem Tod Eberhards am 24. 2. 1496 musste Reuchlin wegen eines alten Konflikts mit Eberhards d. J. Rat Konrad Holzinger, auf welchen unten näher einzugehen sein wird, Württemberg verlassen. Er floh nach Heidelberg an den Hof Johanns von Dalberg. Über den dortigen Humanistenkreis, die sog. Sodalitas litteraria Rhenana, stand er nun in Kontakt mit Konrad Celtis, Jakob Wimpheling und Ulrich Zasius. Nach der Absetzung Eberhards d. J. zog Reuchlin wieder nach Stuttgart zurück, um von dort 1519 vor erneuten Kriegswirren in die unmittelbare Nähe Lochers zu fliehen, nach Ingolstadt, wo er im Haus Leonhard Ecks wohnte und schließlich 1520 zum Professor für Griechisch und Hebräisch ernannt wurde. Bis zum Einbruch der Pest in Ingolstadt 1521, bei dem Reuchlin nach Tübingen wechselte, waren Locher und er damit unmittelbare Amtskollegen. Offensichtlich mied Reuchlin den Briefkontakt mit Locher, mit dem er über vielerlei gemeinsame Bekannte verbunden war und der auch in den »Dunkelmännerbriefen« auf Reuchlins Seite erscheint.45 Denkbar wäre, dass er fürchtete, in dessen Konflikte hineingezogen zu werden; er selbst stand in seinem politischen Leben, in seinem (der Politik Eberhards d. Ä. entsprechenden)46 Eintreten für die Dominikaner gegen den Augustinerorden und bei seiner Verteidigung des ______________ 43 44 45 46

Zur Diskussion des Geburtsdatums vgl. RHEIN 1989, S. 23–44, S. 23. Ludwig GEIGER, Johannes Reuchlin, sein Leben und seine Werke. Leipzig 1871, S. 15. Epistolae obscurorum virorum. Hrsg. v. Aloys Bömer. Heidelberg 1924, Bd. I, Br. I, 25 u. II, 9. Dieter SIEVERMANN, Der Augustinermönch Conrad Holzinger – Kaplan, Rat und Kanzler des Grafen bzw. Herzogs Eberhard d. J. von Württemberg am Ende des 15. Jahrhunderts, in: Mittel und Wege früher Verfassungspolitik. Hrsg. v. Josef Engel. Stuttgart 1979 (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit 9), S. 356–406, S. 371.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Studiums der hebräischen Schriften schon genügend feindlichen Fronten gegenüber. Aus diesem Grund untersagte er auch seinem Verwandten47 Philipp Melanchthon jeden Briefkontakt, nachdem dieser sich dem Protestantismus zugewandt hatte.48 8.2.1. Eine Komödie voll „schwarzen Salzes“. Sergius (1496) Noch im Jahr seiner Flucht aus Württemberg begann Reuchlin, Komödien zu schreiben. Er selbst bezeichnet sich in ihnen als novus poeta, um seinen Wandel vom Juristen zum Poeten zu markieren, der in der jambischen Dichtung ein neues Medium fand. Den Komödien war im Sommer 1496 eine andere Dichtung Reuchlins in jambischem Versmaß vorausgegangen, welche großen Beifall bei den Gelehrten im Umkreis Dalbergs gefunden hatte: ein Spottgedicht auf den betrunkenen Schürzenjäger Heinrich von Bünau, ein Mitglied der Sodalitas.49 Nicht nur das Versmaß dieses ersten dichterischen Versuchs übernimmt Reuchlin in seiner ersten Komödie, »Sergius vel capitis caput«,50 sondern auch den personalen Rahmen, in ironischer Brechung.51 Im Zentrum der Handlung stehen die sich als sodales und histriones bezeichnenden Freunde Helvo („Prasser“), Salax („Buhler“), Aristophorus („Ober-Fresser“) und Lixa („Marketender“ oder aber „Wortverdreher“?): ein bemerkenswertes Spiegelbild der sodalitas litteraria und zugleich eine Selbstdarstellung der Schauspieler auf der Bühne. Zu Helvo, der im Anfangsmonolog sein lasterhaftes Leben preist, kommen die Freunde und bringen einen Gast, Buttubatta („Ramsch“). Dieser behauptet, in seinem Beutel einen Schatz zu tragen. Auf heftiges Drängen der Freunde hin zeigt er schließlich diesen vor: einen halbverwesten Menschenkopf. Die Freunde raten ihm, ihn als „Reliquie“ zu präparieren, um dann mit ihm und einer erfundenen Geschichte den einfachen Leuten das Geld aus der Tasche zu locken. Aristophorus und Salax gehen mit Buttubatta ab, um sich ans Werk zu machen. Akt II: Ein Pharisäer, das Gegenbild eines histrio, hat das Geschehen beobachtet und fragt kritisch nach. Als Helvo die Herrichtung der larva für die scena ludicra (V. 236), d. h. das geplante Betrugsspiel (das als ein Abbild des aktuellen Spiels auf der Bühne kenntlich wird), verteidigt, ______________ 47

48 49 50 51

Reuchlin war über den Gatten seiner Schwester Elisabeth mit den Großeltern Melanchthons verschwägert. RHEIN 1989, S. 24. GEIGER 1871, S. 466. HOLSTEIN 1888, S. 5. Ed. ebd., 1888, S. 108–126. Zum »Sergius« und dem Spiel mit dem Gedanken eines Theatrum mundi vgl. meinen Beitrag „Schauspieler und Schwankheld. Faszination und Schrecken des Trügerischen“, in: Humanismus in der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Hans-Jochen Schiewer u. a. Tübingen [im Druck].

8.2. Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie

163

lästert der Pharisäer über das Treiben der Schauspieler und Poeten (!) und provoziert damit eine Diskussion über den Wert der Dichtung, der in der Struktur des Spiels eine zentrale Stelle zukommt. Als Ursprung aller Dinge, Et ante caelum et ante mundum prae omnibus (V. 257), preist sie Lixa – und lässt damit das Spiel der Histrionen-Dichter zwischen Wirklichkeitskonstitution und Schein schillern, ja, die Grenzen zwischen Sein und Schein verschwimmen. Im dritten und letzten Akt bringen die anderen den präparierten Schädel. Die Freunde erweisen der „Reliquie“ Reverenz und wollen mehr über den Schädel erfahren. Buttubatta bezeichnet ihn als Caput omnium mortalium dignissimum (V. 289, 293) und capitis caput (V. 244), den eigentlichen Herrscher im Land, der principem regit trahitque quo cupit (V. 325). Endlich erklärt er, es sei der Schädel des Apostaten Sergius, der, was die histriones begrüßen, ein Freund und Förderer lasterhaften Lebens gewesen sei. Die Freunde sehen sich geradezu auf der Seite des falschen Heiligen. Sergius aber ist aus der Literatur bekannt: als ein exkommunizierter Mönch, ein Nestorianer, der auf Anregung des Teufels in den Dienst Mohammets getreten sein soll.52 Nur eine sehr kurze Zeit ist dem Zuschauer gewährt, um dieses Wissen wachzurufen oder aber sich mit den unwissenden sodales zu identifizieren, dann erfahren die Freunde, dass Sergius, nachdem er sein Kloster verlassen hatte und zum Islam übergetreten war, seine ehemaligen Glaubensgenossen verfolgt habe und alle Gläubigen hasse. In seiner Darstellung verwendet Buttubatta häufig Präsensformen; wie bei einer echten Reliquie verwischen sich die Grenzen zwischen der vergangenen „Wundertätigkeit“ des „Heiligen“ und der gegenwärtigen Wirkkraft der „Reliquie“. Die Freunde reagieren entsetzt, schämen sich für ihre frühere Verehrung der „Reliquie“ und verfluchen den Schädel ebenso wie den, der ihn herbei gebracht hat. Buttubatta erwidert befriedigt: Factum bene est, calvuntur hac calvaria, Quicunque spem locant in hanc calvam cavam. Egi meum officium, sodales optumi. Ludos leves meo cavillo callide Vobis videntibus attuli. Id licuit mihi. (V. 483–487). (Es ist wohl getan. Durch diesen Schädel werden alle die getäuscht, die ihre Hoffnung in diesen hohlen Schädel setzen. Ich habe meine Aufgabe erfüllt, beste Freunde. Ich habe euch durch meine gewitzte Neckerei ein leichtes Spiel vor Augen gebracht. Das stand mir frei.)

An diese Worte, aus denen bereits der Verfasser zu seinen sodales spricht, schließen sich ein Loblied des Chors auf die Musen53 und die Dichtung sowie ein Epilog an. Hier wird die politische Intention des Werks aufgedeckt: ______________ 52

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Petri Venerabilis Epistolarum Libri Sex, lib. IV, ep. XVII. PL 189, Sp. 321–344, Sp. 341: Satan ... Sergium monachum hæretici Nestorii sectatorem, expulsum ab Ecclesia ad partes illas Arabiæ transmisit, et monachum hæreticum pseudoprophetæ conjunxit. Ita Sergius conjunctus Mahumet, quod ei deerat supplevit. RHEIN 1989, S. 30 u. Anm. 45, erwähnt die Fassung in Cusanus’ »Cribatio«, welche als eine mögliche Quelle für Reuchlin in Frage käme. Er ist nur in der Editio princeps (ca. 1504) vorhanden, entfällt später; vgl. HOLSTEIN 1888, S. 125.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Si quis cupit prudenter omne negotium Gerere, ut rei privatae et id quod plus erit Etiam rei communitas publicae Bene commodet, frugaliter cadat et quadret, Is meminerit quae hac dicta sunt comoedia, Cum capite vano nil agat, nil consulat, Vbi nec est sapientia aut constans fides, Praesertim ubi iam peieravit denuo, Nam peius est unquam, nihil periurio. (V. 488–496) (Wenn jemand alle Aufgaben klug erfüllen will, so dass er privatem und – was noch wichtiger ist – sogar öffentlichem Interesse wohl zu Nutzen sei, Frucht und Mehrung bringe, der bedenke, was in dieser Komödie ausgesagt ist. Er möge nichts unternehmen und nichts beratschlagen mit einem Hohlkopf, dem es an Weisheit und beständigem Glauben mangelt, und der vor allem schon mehrfach Meineide geleistet hat, denn es gibt nichts irgend Übleres als den Meineid.)

Der Epilog mahnt an einen Aktualitätsbezug, der mit dem öffentlichen Interesse zu tun habe. Sergius, das Negativbeispiel, vor welchem das Stück warnen will, der hohle Kopf, der Meineide leistet, falsch berät, dem Staat schadet, steht offensichtlich für Reuchlins Gegenspieler Konrad Holzinger.54 Dies bemerkt auch Philipp Melanchthon, wenn er über seinen Verwandten schreibt: comoediam scripsit, Capitis caput, plenam nigri salis et acerbitatis adversus monachum, qui eius vitae insidiatus erat.55 Der Augustinermönch Holzinger, Mitglied einer bedeutenden Patrizierfamilie aus der Reichsstadt Weil der Stadt, war ein massiver Gegner der mit Eberhards d. Ä. nachdrücklicher Unterstützung in Württemberg eingeführten Observanz. Er verließ seinen Konvent (vermutlich Weil der Stadt), um als Prior von Lauingen mit der den Oberservanten feindlichen Ordensleitung zusammenzuarbeiten. Im Januar 1484 ist er erstmals im Gefolge Eberhards d. J., des Vetters Eberhards d. Ä. im Barte, belegt. Er sollte ihn in einem Rechtsstreit gegen den Vetter vertreten, wozu er mit seinem unechten Doktortitel allerdings nicht befugt war. Eberhard d. Ä. ließ ihn verhaften und dem Vikar der Observanten ausliefern. Gegen Leistung des Urfehde-Eids kam er rasch wieder frei. Zwei Jahre später ist er wieder an der Seite Eberhards d. J. bezeugt. Er unterstützte diesen u. a. in Übergriffen gegen die Dominikanerinnen in Kirchheim. Eberhard d. Ä. befreite schließlich das Kloster aus der Belagerung seines Vetters; auf Betreiben Reuchlins wurde Holzinger 1488 festgenommen.56 Die in seinem Besitz befindlichen Bücher zur Schwarzkunst wurden beschlagnahmt und verbrannt.57 Gegen Eid der Urfehde ______________ 54

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56 57

Ludwig Friedrich HEYD, Conrad Holzinger, Dr. Theol., Rath und Canzler am Hofe Eberhard des Zweyten, Herzogs zu Wirtemberg, in: Studien der evangelischen Geistlichkeit Wirtembergs 4 (1832), S. 177–208. Die von der Reuchlinschen Polemik beeinflusste Darstellung wird später korrigiert durch SIEVERMANN. Philipp Melanchthon, De Capnone Phorcensi (1552), in: Corpus Reformatorum. Hrsg. v. Karl Gottlieb Bretschneider, Bd. 11. Halle 1843, Sp. 999–1010, Sp. 1004. Zu den Anklagepunkten vgl. SIEVERMANN, S. 386. Ebd., S. 397.

8.2. Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie

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und des künftigen Fernbleibens von Stuttgart kam er schließlich wieder frei. Bereits 1492 war Holzinger erneut als Berater Eberhards d. J. tätig und schuf sich und seinem Herrn neue Feinde, indem er u. a. Graf Emich von Leiningen in den Dienst Eberhards d. J. aufnahm, ohne dass dieser jenem jemals Dienstgeld bezahlte.58 Mit dem Regierungsantritt Eberhards d. J. 1496 wurde Holzinger zu einem der mächtigsten Männer in Württemberg. Bereits zwei Monate nach dem Tod Eberhards d. Ä. verfügte er als orator des Herzogs über Empfehlungsschreiben Maximilians an vier wichtige Kardinäle in Rom. Am 15. 7. 1496 wurde er förmlich als herzoglicher Rat vereidigt. Während Heinrich Bebel (ähnlich wie die Freunde im Spiel) in einer 1496 gedruckten Ekloge die consolatio Holzingers feiert – ein Werk, das er später verleugnete –,59 fürchtete Reuchlin die Rache des einst auf seine Veranlassung hin Inhaftierten. Die Bedrohung, die von dem „wieder ausgegrabenen hohlen Schädel“ und Beherrscher des Herzogs ausgeht, wird im »Sergius« durch die Überblendung mit dem historischen Apostaten gesteigert, denn das Thema Islam steht in der zeitgenössischen Literatur bereits topisch für eine Gefährdung des Staats.60 Trotz dieses sehr ernsten Themas bleibt Reuchlin bei der Bezeichnung ‚Komödie‘. Im Prolog des »Sergius« erklärt er: Si unquam tulistis ad iocum vestros pedes Aut si rei aures praebuistis ludicrae, In hac novi obsecro poetae fabula Dignemini esse attentiores quam antea. Non hic erit lasciviae aut libidini Meretriciae aut tristi senum curae locus, Sed histrionum exercitus et scommata. Nam Buttubatta repperisse creditur Calvariam cuiusdam anilis Sergii Qui erat Mahometi magister primitus. Quo Sergius fit nomen huic comoediae. (V. 1–11) (Wenn ihr euch jemals einem Scherz zugewandt oder einer scherzhaften Sache euer Ohr geliehen habt, dann bitte ich euch dringend, dass ihr gegenüber dieser Geschichte des neuen Dichters aufmerksamer sein möget als früher. Hier wird es nicht um die Lust und Wollust von Huren oder um den Trübsinn von Alten gehen, sondern hier wird dem Treiben von Histrionen und dem Spott Raum gegeben. Man glaubt nämlich, dass Buttubatta einen gewissen vermoderten Schädel des Sergius gefunden habe, der Mohammets frühester Lehrer war. Deshalb heißt die Komödie »Sergius«.)

Was inhaltlich das Komödienhafte ausmacht, ist demnach nicht das übliche Personal und die der Komödie eigene Freizügigkeit (welche auch Locher für seine »Tragedia« ablehnt, E2v), sondern es sind die ironische Selbstdarstellung der ______________ 58 59 60

Ebd., S. 388f. Ebd., S. 390. Zu Reuchlins Haltung zum Türkenkrieg vgl. u. a.: DÖRNER/RHEIN, S. 137.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Schauspieler und der Spott. Gegenstand des spöttischen Verlachens scheint der Glaube daran zu sein, dass Buttubatta den Schädel des Sergius gefunden habe. Formal stellt Reuchlin sein Werk zwischen die antike Komödie und neuere dramatische Formen in Prosa: Fatetur ipse scriptor antiquis secus Fuisse consuetudinem simul et novis, Quod scripserint illi trimetro et tetrametro. At hi soluta oratione licentius. Ambobus excessit via nuperrimus Hic ille noster, namque in omnibus unico Genere usus est, quod paucitas facit actuum Brevitate temporis coacta februi: Nunc vos petit favere ineptitudini. Si senserit placuisse primitias suas, Faciet deinde integras comoedias. (V. 12–22) (Der Verfasser gesteht selbst, in der Sprachform anders verfahren zu sein als die Alten und zugleich als die Neuen. Jene haben nämlich in Trimetern und Tetrametern geschrieben, diese freier in ungebundener Rede. Dieser unser Meister hier ist beidem aus dem Weg gegangen; er hat nämlich durchgehend ein Metrum verwendet, was die geringe Zahl der Akte verursacht, erzwungen durch die Kürze des Monats Februar. Jetzt bittet er euch, diese Unvollkommenheit zu verzeihen. Wenn er merken wird, dass sein Erstlingswerk Gefallen gefunden habe, wird er anschließend echte Komödien schreiben.)

Als einen Kompromiss zwischen Antikem und Mittelalterlichem wählt Reuchlin einen einheitlichen Trimeter, den er mit Häufungen von Alliterationen anfüllt, und einen Drei-Akter. Das Fehlen zweier Akte gegenüber der antiken Komödie erklärt er scherzhaft mit dem Fehlen zweier Tage im Februar, für den die Aufführung geplant war. Zu den ludi februi erklärt Jakob Spiegel später in seinem Kommentar zu Reuchlins »Henno«: Solent autem hoc mense ad populum ludi referri, et circa sacra cinericia frequenter spectacula fieri per recentiorem etiam aetatem, Quae vero Romani hoc mense solebant edere, passim auctoribus patent. (P1r) (Man pflegt nämlich in diesem Monat dem Volk Spiele vorzutragen, und um Aschermittwoch führt man in neuerer Zeit oft Schauspiele auf. Was die Römer in diesem Monat zu veranstalten pflegten, ist den Gelehrten weithin bekannt.)

Als ludus februus ist der »Sergius« ein nach antiken Mustern überformtes politischspöttisches Fastnachtspiel. Der Handlungsgang folgt dem Schwankschema der Überlistung von scheinbar Gerissenen durch einen Klügeren mithilfe ihrer eigenen Tricks.61 Der falsche Reliquienkopf wird in der Forschung als eine vorrefor______________ 61

Vgl. Cora DIETL, Schwank, in: Der komische Körper. Szenen – Figuren – Formen. Hrsg. v. Eva Erdmann. Bielefeld 2003, S. 11–17, S. 13. CREIZENACH II, S. 41f., der dem „ungewöhnlich kümmerliche[n] Machwerk“ eine „leere und zusammenhanglose Handlung“ attestiert, verkennt Reuchlins spielerische Auseinandersetzung mit dem Schwankschema.

8.2. Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie

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matorische Kritik am Reliquienkult verstanden;62 er ist aber ein geläufiges Motiv, welches z. B. schon der Stricker in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in seinem Schwankbuch »Pfaffe Amis« verwendet (welches 1483 bei Prüß in Straßburg gedruckt worden ist). Dort gibt der Titelheld vor, den Schädel St. Brandans bei sich zu tragen, um mit dessen Hilfe reiche Opfergelder zu erschleichen (V. 372ff.).63 Ebenso soll auch hier der präparierte Schädel zusammen mit der entsprechenden Geschichte (V. 199) dazu helfen, Vt quisque ductus religione obolum offerat (V. 195). Buttubatta aber, der Gerissenste unter den Scherztreibenden (Nonne histrionica arte plus praepolleo /Prae caeteris, quos nunc sciam, iocularibus? V. 172f.), überlistet schließlich die Freunde mit ihrer eigenen List; sie nehmen ihm die Geschichte ab, welche er über den Schädel erzählt, gerade weil diese ihren Erwartungen widerspricht. Während die anderen ihn verfluchen, bleibt er der triumphierende Schwankheld. In Buttubatta aber spiegelt sich Reuchlin selbst, der den sodales, unter denen er neuerdings Aufnahme gefunden hat, zeigt, wie leicht sie – und mit ihnen das ganze Reich, und gerade auch die Gebildeten, denen der Schein wie auch Wirklichkeit schaffende Charakter der Sprache bekannt sein sollte – sich täuschen lassen. Sprache kann verführen; sie kann aber auch Schein und Trug aufdecken, und hierin sieht Reuchlin seine Aufgabe als novus poeta. Reuchlins Komödie versteht sich damit sowohl als eine persönliche Invektive und ein politisches Pamphlet als auch als eine Rechtfertigung der Poesie, welche die trügerischen Strukturen der Welt (an welchen Sprache und Dichtung maßgeblich beteiligt sind) aufdeckt. Johannes von Dalberg riet Reuchlin sowohl von einer Aufführung als auch von der Drucklegung des Werks ab, mit der Begründung, es könnte den Ärger des mächtigen und wegen seiner malae artes gefürchteten Franziskaners Castellus am Kurpfälzer Hof erregen.64 Deshalb ist Reuchlins »Sergius« erst nach Dalbergs Tod († 27. 7. 1503), vermutlich 1504, in den Druck gegangen. 8.2.2. Keineswegs salzlos. Henno (1497) Für die ludi februi 1497 musste rascher Ersatz geschaffen werden, denn die Sodalitas wollte dringend ein Schauspiel sehen.65 Reuchlin löste also sein Versprechen ein, in Zukunft vollständige Fünf-Akter zu schreiben. Novus poeta sentiens actoribus Spacium deesse temporis quo se parent

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CREIZENACH II, S. 43; ROLOFF 1959, S. 652; Eckhard BERNSTEIN, German Humanism. Boston 1983, S. 71; RHEIN 1989, S. 32; Stefan RHEIN, Johannes Reuchlin, in: Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450–1600). Hrsg. v. Stephan Füssel. Berlin 1993, S. 138–155, S. 149. Der Stricker, Der Pfaffe Amis. Hrsg. u. übers. v. Michael Schilling. Stuttgart 1994 (RUB 658). Melanchthon 1552, Sp. 1005; vgl. auch GEIGER 1871, S. 81. Melanchthon 1552, Sp. 1005.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Vertit statim quam fecerat Comediam In ludum anilem quem vocat progymnasmata Nec argumento nec stilo sublimia. (a2r)66 (Als der neue Dichter merkte, dass es an Vorbereitungszeit für die Schauspieler mangelte, änderte er die Komödie, die er geschrieben hatte, sogleich in einen ludus anilis ab, welchen er »Progymnasmata« nennt, denn er besitzt weder einen erhabenen Vorwurf noch einen erhabenen Stil.)

Dies erklärt Reuchlin im Prolog der neuen Komödie, welche am 31. 1. 1497 im Haus Dalbergs aufgeführt und 1498 erstmals gedruckt wurde: »Scaenica progymnasmata«, in der Folgezeit auch »Henno« genannt. Was der Prologsprecher mit der bereits verfassten Komödie meint, ob den »Sergius« oder ein anderes Werk, bleibt unklar. Was aber ein ludus anilis sei, erläutert Reuchlin im handschriftlich überlieferten Kommentar zu seinem Spiel:67 comoedia[...] veteris disciplinae et inscita ioculatoria et actus breviuscul[i], eine Komödie alten Stils – und das heißt nach Horaz eine bissige Komödie mit Chören68 – mit törichten Scherzen und sehr kurzen Akten. Er wolle placere paucis versibus (a2r), erklärt Reuchlin weiter im Prolog; und doch entspreche das kurze Spiel in Stil, Vorwurf und Metrum den Vorschriften der Komödie (a2r). Jakob Spiegel erklärt später in seinem bereits erwähnten Kommentar, dass es der Komödie trotz ihrer Kürze an nichts fehle: Est enim integra perfecta quinque actibus, tum instar veteris comoediae quattuor choris composita. (B1r) (Sie ist nämlich gänzlich vollständig mit fünf Akten, außerdem wie die alte Komödie mit vier Choreinlagen gestaltet.)

Die »Scaenica progymnasmata« verstehen sich als eine Musterkomödie im Kleinen.69 Nicht ein Monumentalwerk will Reuchlin schreiben, sondern er will eine Gattung einführen. Daher erklärt er, es gereiche ihm genügend zu Ruhm, Si autore se Germaniae Schola luserit / Graecanicis et rhomuleis lusibus (a2r). Damit sollte er Recht behalten: Martin Crusius vermerkt, wie oben bereits erwähnt (Kap. 2.2), in seiner »Schwäbischen Chronik« zum Jahr 1497, dass unter großem Beifall die erste Komödie eines deutschen Autors aufgeführt worden sei. Überschwänglich sind auch ______________ 66

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Den Text des »Henno« zitiere ich wegen der bekannten Mängel von SCHNURs Edition nach der editio princeps. Vgl.: Johannes Reuchlin, Henno. Übers. u. hrsg. v. Harry C. SCHNUR. Stuttgart 1970 (RUB 7923), dazu die Rezension von Ludwig KRAPF in: Germanistik 13 (1972), S. 112f. Wimpheling-Codex, fol. 8–21, ed. in: HOLSTEIN 1888, S. 98–106, S. 98. Horaz, Ars poetica, V. 281–284. Zu den Horaz-Bezügen als Rechtfertigung von Chören in der Komödie vgl. Dorothea GLODNY-WIERCINSKI, Dorothea, Johannes Reuchlin – ‘novus poeta’? GRM 21 (1971), S. 145–152, S. 151f. Ausführlich zum Unterschied zwischen der alten, durch den Chor geprägten Komödie und der neuen, wie sie Terenz vertrete, äußert sich Erasmus in seiner kommentierten Terenz-Ausgabe. Terentius, Comoediae, ex Des. Erasmi et Jo. Rivii castigationibus et annotationibus multo castigatissimae. Köln: o. Dr., 1534 (Exemplar UB Tübingen, Ce 2920), A6r–v. Spiegel, B1r, reflektiert ausführlich die oft zu hoch angesetzte Bedeutung des Umfangs eines Werks.

8.2. Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie

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die Lobesworte der Dichterkollegen, welche der Druckausgabe der »Scaenica progymnasmata« beigegeben sind:70 Sebastian Brant lobt den Verfasser, Quo duce Germanos comedia prisca revisit (a1r); Jakob Dracontius preist ihn als den ersten und einzigen Komödienautor unter den Deutschen, der (im Sinne der translatio studii) die Komödie, Nusquam Theutonicis antea nata scholis (b3v), den Griechen entrissen und nach Deutschland gebracht und damit den deutschen Ruhm begründet habe (b4r). Adam Wernher von Themar schließlich, der wie Dracontius Mitglied des Humanistenkreises um Dalberg war und als Rektor der Universität Heidelberg der Aufführung beigewohnt hatte, spricht in seinen Lobworten an Johannes Richartzhausen, den recensor der Komödie, der nach Spiegels Erklärung den Text für die Aufführung aufbereitet und die Schauspieler angewiesen hatte,71 von der Vertreibung der „alten“ Komödie: TE duce / res nostris agitur rarissima terris Quondam o Roma tuis ludier apta scholis. Vidi equidem / et placuit ficti simulatio sexus Gestus: et in numeros qui salit arte chorus. Plus tamen interior me significantia veri Commovet: inque suos ars nova ficta dolos. Huic vetus in nostris Comoedia cede theatris: Iam libeat soccum conspicere arte novum: Nunc ex Germano dabitur spectare Poeta: Mendicata prius / quae tulimu s latio. (b4v) (Unter deiner Leitung ist eine Sache aufgeführt worden, die hierzulande sehr selten ist, aber einst, o Rom, deinen Theatern angemessen war. Ich habe es gesehen, und mir gefielen die Darstellung des fingierten Geschlechts, die Gesten und der Chor, der kunstvoll zur Musik tanzt. Mehr noch bewegten mich die darin enthaltene Anschaulichkeit der Wahrheit und die auf Täuschung hin konzipierte neue Kunst. Alte Komödie, weiche dieser in unseren Schulen, jetzt gefalle uns, die neue Komödie genau zu betrachten. Jetzt wird uns von einem deutschen Dichter eines der Schauspiele gegeben, wie wir sie bisher als erbettelte Leihgaben aus Latium geholt hatten.)

Mit den importierten italienischen Komödien dürfte in erster Linie Antonio Barzizzas »Cauteriaria« gemeint sein, welche Peter Luder nach Heidelberg gebracht hatte,72 sicherlich auch die weit verbreitete »Poliscena« Leonardo Brunis, vielleicht auch Leon Battista Albertis »Philodoxeos« oder die von Albrecht von Eyb 1459 aus Pavia mitgebrachte »Philogenia« des Ugolino Pisani.73 Die alte Komödie, die aus den Schulen zu weichen habe, ist offensichtlich von diesen Liebes-Verwicklungs-Komödien zu trennen. Vermutlich meint der Rektor der Universität Heidelberg hiermit die an seiner Universität entstandenen und gepflegten halbdrama______________ 70

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Johannes Reuchlin, Scenica Progymnasmata: Hoc est: Ludicra preexercitamenta. Basel: Johann Bergmann von Olpe, 1498 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 110 g. 4). Recensuit, .i. recognouit et censuram suam adhibuit, ut hi ludi scaenici recte et rite recitarentur ab actoribus (P2v). BEUTLER, S. 72. Ebd., S. 75.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

tischen Dialoge wie Wimphelings »Stylpho« oder den von einem Schüler Wimphelings in Heidelberg niedergeschriebenen »Lollius et Theodoricus«. Auf sie trifft das Gesagte zu, dass sie keine Darstellung im eigentlichen Sinne, keine Verkleidung, keine ausladenden Gesten, keinen Chor, keine Musik, keine Illusion und zumeist auch keine Verhüllung der Wahrheit in Fiktion kennen. Die neue Komödie ist im Gegensatz zu diesen Stücken keine reine Wortkunst mehr, sondern Bühnenkunst. Spiegel erklärt ausdrücklich, dass zur actio nicht nur die Rezitation mit korrekter und angemessener Betonung gehöre, sondern auch die repraesentatio durch körperliche Gesten (P1r). Ferner gehöre zu einem actor das dem Charakter und Stand der Figur entsprechende Kostüm, ut alter ab altero dinosceretur (A2v). Bei aller Programmatik des Werks und seiner Aufführung als Rehabilitierung der Schauspielkunst74 und als Einführung der Komödie (die Tragödie ist in zeitgenössischen Reaktionen, wie erwähnt, ausgeklammert; Lochers »Historia«, die ebenfalls durch Chorgesänge, Gesten und Kostümierungen geprägt war, bleibt unerwähnt) darf die inhaltliche Komponente nicht vergessen werden. Der plot erscheint auf den ersten Blick wie ein harmloser Schwank:75 Der Bauer Henno stiehlt seiner Frau Elsa Geld und beauftragt seinen Diener Dromo, damit Stoff zu kaufen. Dromo kauft den Stoff auf Kredit, verspricht dem Tuchhändler Danista das Geld seines Herrn, verspricht Henno den Stoff – und behält beides für sich. Als dies auffliegt und er vor Gericht gezogen wird, lässt er sich vom Advokaten Petrucius den Ratschlag geben, sich schwachsinnig zu stellen und auf jede Frage nur mit „ble“ zu antworten. Damit hat Dromo Erfolg, und mit demselben Kniff prellt er auch Petrucius um die Anwaltskosten. Elsa, die um die Liebe ihrer Tochter zu Dromo weiß, bangt um den Knecht und verspricht ihm die Hand der Tochter, wenn er die Sache aufkläre, was dieser sogleich tut. Er stellt sich als der Rächer von Unrecht dar, der den Dieb Henno, den Wucherer Danista und den betrügerischen Sophisten Petrucius bestraft habe. Melanchthon beschreibt Reuchlins zweite Komödie als fabula[...] gallica[...], plena[...] candidi salis, in qua forensia sophismata praecipue taxat. Bereits die ältere Forschung hat die fabula gallica auf die französische Farce »Maître Pathelin« zurückgeführt, welche Reuchlin vermutlich in Poitiers aufgeführt gesehen, aber nicht schriftlich vorliegen gehabt habe.76 Das Motiv des trügerischen Tuchhandels auf Kredit und der anschließenden Vortäuschung von Stumpfsinn durch immer gleichbleibende Antworten ist freilich ein älteres Schwankmotiv, das z. B. auch Strickers »Pfaffe Amis« (V. 1489ff.) kennt, und dürfte daher auch noch in verschiedenen anderen Versionen vorgelegen haben. In Reuchlins Charakterzeich______________ 74

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Vgl. dazu Spiegels Abschnitt über die einstige Hochschätzung der Schauspieler bei den Griechen, welche in römischer Zeit verloren gegangen ist, B2v. So ist auch BRADNER 1957, S. 38, der Meinung, Reuchlin wollte nur eine gute story auf die Bühne bringen. GEIGER 1871, S. 82–85; BERNSTEIN, S. 72, erklärt, Reuchlin habe den »Maître Pathelin« zwar verwendet, die eigentliche Grundlage des »Henno« aber sei ein italienisches Spiel.

8.2. Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie

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nungen sind außerdem direkte oder indirekte Einflüsse der Commedia dell’ arte erkannt worden.77 Man hat ferner eine nicht nur formale sondern auch inhaltliche Nähe zu den Palliata gesehen78 oder auch eine Verwandtschaft des »Henno« mit dem Fastnachtspiel.79 Erst in neuerer Zeit wird auf die beiden anderen Hinweise geachtet, welche Melanchthon mit den Stichworten des ‚hellen Salzes‘ und der ‚forensischen Sophismen‘ gibt. Auch Wernher von Themar verweist mit der Formulierung significantia veri auf einen tiefer liegenden Sinn. Elemente einer Sozial-80 und Wissenschaftskritik81 sowie Hinweise auf aktuelle Probleme des Advokatenwesens und der Rechtsprechung82 sind erkannt worden. Jane NEWMAN sieht in den »Scaenica progymnasmata« ein Paradebeispiel dafür, dass texts that appear classical on the surface often mask novel, even potentially subversive local elements.83 Wiederholt hat die Forschung auch versucht, die Chorlieder zur Deutung der Komödie heranzuziehen.84 Nach den Vorschriften des Horaz sollte der Chor nur Relevantes äußern und auf der Seite der positiven Figuren stehen.85 Keine der Figuren in der Komödie aber ist eine eindeutige Sympathiefigur; alle sind geldgierig und korrupt gezeichnet. Nicht zuletzt deshalb steht der Chor auf der Seite des Dichters. Ihn, seinen Stand, seine Kunst lobt der Chor (a6r, a7v),86 während er das in der Handlung vorgeführte Gerichtswesen, Richter wie Anwälte, heftig verurteilt (a8v–b1r).87 Dass die hauptsächliche Stoßrichtung des Textes gegen dieses gerichtet ist, belegt auch das Inhaltsverzeichnis von Wimphelings Sammelhandschrift; hier ist der »Henno« unter dem Titel »Comedia Reuchlini contra causidicos« (d.h. gegen geldgierige Rechtsverdreher) verzeichnet.88 Ein biographischer Hintergrund darf bei dem Juristen Reuchlin, der durch den meineidigen, sich ______________ 77

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HOLSTEIN 1888, S. 47; GEIGER 1871, S. 82–85; BRUNKEN, Sp. 341; RUPPRICH 21994, S. 640; ders., 1994, S. 20. HOLSTEIN 1888, S. 59; Jane O. NEWMAN, Textuality vs. Performativity in Neo-Latin Drama: Johannes Reuchlin’s Henno. Theatre Journal 38 (1986), S. 259–274, S. 264; BRUNKEN, Sp. 334– 339. Eckehard CATHOLY, Das deutsche Lustspiel vom Mittelalter bis zum Ende der Barockzeit. Stuttgart 1969 (Sprache und Literatur 47), S. 97. Vgl. den Forschungsüberblick bei ROLOFF 1998, S. 201–203. Zu der hier nicht erwähnten Nebenfigur des halsschneiderischen Astrologen vgl. RHEIN 1989, S. 30 und die dort angegebene Literatur; ROLOFF 1998, S. 191. LAUFS, S. 298; ROLOFF 1998, S. 194f. NEWMAN 1986, S. 273. Die mehrstimmigen chori choraules sind von Daniel Megel aus Oppenheim komponiert. Friedrich BASER, Musikheimat Baden-Württemberg. 1000 Jahre Musikentwicklung. Freiburg i. Br. 1963, S. 86. Horaz, Ars poetica, V. 194–196. GLODNY-WIERCINSKI, S. 148 erklärt daher, dass die Chöre sich nicht auf die Handlung der Komödie, sondern auf die Komödie als Kunstform beziehen. Ähnlich: FRIEDRICH, S. 168. NEWMAN 1986, S. 268 u. ö., bemerkt einen kritischen Widerspruch zwischen der vom Chor vertretenen alten Moral und der neuen frühkapitalistischen Moral, welche die Handlung vertrete. ROLOFF 1998 sieht darin einen Versuch des Chors, der „schlingernden Moral“ gegenzusteuern. HOLSTEIN 1889, S. 214.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

fälschlich als promovierten Juristen ausgebenden Herzoglichen Rat gezwungen war, seine juristische Karriere aufzugeben, und sich ins Dichterleben zurückgezogen hat, vermutet werden.89 Bemerkenswert ist ferner der auffällig ernste Ton des Chors am Ende des ersten Akts: Nachdem Elsa durch den Diebstahl ihres Mannes ihren Besitz verloren hat – ihre Klage ist ironisch überzeichnet – singt der Chor von der instabilis rota fati (a4v): ein Tragödienmotiv. Dies darf wohl als ein Hinweis darauf gelesen werden, dass sich die Korruption der Familie, welche hier vorgeführt wird, auf einen größeren Rahmen, auf die Gesellschaft oder das Land, übertragen lässt. Hinter dem habgierigen Diener in einer korrupten Familie, der seinen verräterischen, genusssüchtigen und ökonomisch höchst untalentierten Herrn betrügt und einem anderen den Lohn seines Herrn in Aussicht stellt, den dieser nicht zahlen wird, hinter dem Emporkömmling, der jedes Recht verhöhnt, aufgrund der Korruption des Rechtssystems trotz erwiesener Schuld nicht dingfest gemacht werden kann und schließlich in eine Ehrenposition in unmittelbarer Nähe seines Herrn aufrückt, scheint wiederum Holzinger hervor. Er, der sich den Doktortitel anmaßte, im »Sergius« als „hohler Kopf“ diffamiert, dürfte wohl der Ungebildete sein, welchen der Chor im dritten Chorlied (das im Refrain mit dem Schlusslied des »Sergius« übereinstimmt) als argen Feind der Poeten stilisiert, als die Schlange, welche aber doch vom Dichter überwunden werden könne: Musis / poetis / et sacro Phoebo referte gratias: Visus nequit infirmitas Apollinem contingere Illiterati cecitas Nequit poetam cernere. Musis poetis et sacro Phoebo referte gratias. Hinc hostis est audaculus. Qui nescit ullas litteras Poeticis ornatibus Poeta vincit viperas (a7r–v). (Den Musen, den Poeten und dem heiligen Apoll sagt Dank! Die Ohnmacht des Blicks kann Apoll nicht erreichen. Die Blindheit des Ungebildeten kann den Dichter nicht erkennen. Den Musen, den Poeten und dem heiligen Apoll sagt Dank! Tollkühn ist daher der Gegner, der gänzlich ungebildet ist. Mit seinem poetischen Rüstzeug aber besiegt der Dichter Schlangen.)

Der Poet dominiert, denn dichtend kann er den Verfall der Gesellschaft anprangern, die so korrupt ist, dass sie einen betrügerischen Diener hochkommen lässt. ______________ 89

FRIEDRICH, S. 169, bemerkt ebenfalls, dass das Gegenbild zu den kritisierten Instanzen Recht, Wissenschaft und Wirtschaft nicht Dromo sei, sondern der poeta. Das Werk diene der Selbstpräsentation der respublica litteraria (S. 170).

8.2. Johannes Reuchlin, Erneuerer der Komödie

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Er kann offen legen, wie das Rechtssystem einer Gesellschaft so sehr unterhöhlt ist, dass der Verräter nicht nur den Kopf wieder aus der Schlinge ziehen kann, sondern sogar die Juristen übertrumpft. Die Kritik an Holzinger, an Eberhard d. J. und an Württemberg ist sehr viel verborgener als im »Sergius«, sie ist nicht zuletzt auch dadurch abgeschwächt, dass Reuchlin seinen Gegner nun selbst zum Schwankhelden macht. Dieser ist gattungsbedingt letztlich einer moralischen Wertung entzogen, denn seine Hauptfunktion besteht darin, Schwächen in der Gesellschaft aufzudecken. Dies gilt für den schlauen, geldgierigen Pfaffen Amis ebenso wie für den verräterischen, in höchste Ämter aufsteigenden Fuchs Reinhart/Reynke und den wortgewandten aber menschenverachtenden Ulenspiegel. Dies gilt auch für Dromo. Der vom Chor beschworene Triumph der Dichtung besteht im „prophetischen“ Vermögen, die Korruption der Werte und des Rechts zu sehen und sichtbar zu machen, und zugleich in der Technik der Verhüllung der Wahrheiten, so dass sie für die blinden Gegner unsichtbar bleiben. Nicht nur in der äußeren Form, sondern eben in dieser Doppelbödigkeit sind die »Scaenica progymnasmata« vorbildlich. Wo der direkte Bezug auf Holzinger fehlt, ist die Doppelbödigkeit nach wie vor bewahrt, solange Misstände im Rechtssystem bestehen, von denen einzelne profitieren. Dromo lässt sich in einer entsprechenden Inszenierung immer wieder neu auf eine bestimmte Person deuten. Hierin unterscheiden sich die »Scaenica progymnasmata« deutlich von Lochers »Historia de Rege Frantie«. Sie will nicht Fiktion und immer wieder neu zu entschlüsselnde significantia veri sein, sie reklamiert vielmehr eine offen erkennbare historische, einmalige Wahrheit des Dargestellten und suggeriert Deutungen und Zusammenhänge der einzelnen dargebotenen Fakten. Laut MICHAEL stellt Reuchlins »Henno« den Beginn des modernen Dramas dar; er beende endlich das „rezitatorische[...] Einerlei“,90 er sei das erste Drama mit Ortswechsel gegenüber der indifferenten Raumgestaltung Lochers, dessen Dramen „in theatro oder überall und nirgends“ spielten91 (was allerdings nicht für die klar lokalisierten Akte I, II und IV der »Historia« zutrifft); er verzichte endlich auf Botenberichte und konstituiere Handlung aus dem Dialog.92 Die unterschiedliche Darstellungsart allerdings entspringt der Gattungsdifferenz; im Botenbericht werden bühnentechnisch nicht darstellbare, historische Wahrheit beanspruchende Vorgänge größeren zeitlichen, räumlichen oder personellen Ausmaßes wiedergegeben, ohne welche die Tragödie des Frühhumanismus nicht auskommt. Während Wimpheling die »Scaenica progymnasmata« als den besten Plautuskomödien vergleichbar lobte93 und während Celtis Reuchlin als Komödienautor ______________ 90 91 92 93

Wolfgang F. MICHAEL, Aristotalitarismus. Nachwirkungen der „Poetik“ in der deutschen Literatur. Daphnis 17 (1988), S. 147–161, S. 151. MICHAEL 1988, S. 151f. Ebd., S. 151f. Wimpheling, Isidoneus germanicus, Kapitel 21, zitiert bei Spiegel, B2v–3r.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

und – ein eher topisches Lob – auch als Tragödienautor pries,94 mit großem Interesse die (von Wimpheling vermittelte)95 Drucklegung des Werks verfolgte und sich 1498 von Johannes Stabius ein Exemplar zuschicken ließ,96 schwieg Locher zu den »Scaenica progymnasmata«. Sie erfuhren in den ersten 25 Jahren insgesamt 31 Auflagen, schließlich auch mehrere Übersetzungen und Bearbeitungen und waren folglich kaum zu ignorieren. Die Differenz zwischen den dramatischen Gattungen gab Locher und Reuchlin die Möglichkeit, das Werk des jeweils anderen unbeachtet zu lassen. Dass aber Reuchlin ein gutes Jahr nach Erscheinen der »Historia de Rege Frantie« einen Fünf-Akter mit Chören aufführen ließ und dass Locher nur wenige Monate nach der viel gerühmten Aufführung des in jambischem Trimeter verfassten »Henno« in seiner »Tragedia« betont, dass er mit der Tragödie in heroischem Versmaß eine neue Gattung einführe, deutet auf eine stillschweigende Rezeption hin. Reuchlins subtile Technik, in einer Komödie persönliche Feinde anzugreifen, sollte Locher auch wenige Jahre später in seinem »Ludicrum drama« imitieren.

8.3. Joseph Grünpeck: Komödie als naher Spiegel Gerade keine klassische Komödienform wählt Joseph Grünpeck, der spätere Historiograph Maximilians, um den König zu beeindrucken, von dem er selbst später schreibt, dass er jede – möglichst prächtige, reiche und außergewöhnliche – Form von Spiel und Vorführung, v. a. nach burgundischen und italienischen Vorbildern, liebte.97 Gemessen am Stilideal Reuchlins freilich trifft Grünpecks Komödien, die weder eine Akteinteilung noch eine am klassischen Spannungsbogen orientierte Handlungsstruktur, weder gebundene Sprache noch Chöre kennen, in der älteren Forschung heftige Kritik.98 Ernst WERNER, von dem bislang die einzige ausführliche Studie zu den Komödien Grünpecks stammt, räumt nach einer heftigen Verurteilung der ersten Komödie als eines „Chaos von widersprechenden Meinungen, Gemeinplätzen ______________ 94

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Reuchlin, Briefwechsel, S. 280, Nr. 85. Zur Frage, ob Reuchlin tatsächlich auch Tragödien verfasst habe, vgl. ebd., S. 281, S. 256. HOLSTEIN 1888, S. 50. Celtis, Briefwechsel, S. 350, Nr. 211. Joseph Grünpeck, Die Geschichte Friedrichs III. und Maximilians I. Übers. von Th. Ilgen. Leipzig 21940 (Geschichtschreiber der dt. Vorzeit 90), S. 57. – Widersprochen sei hier BRINKMANN, S. 41, nach dessen Auffassung es für „das Humanistendrama verhängnisvoll war, daß es nicht die Beziehung zur Oberschicht fand, in die etwas vom Geist der Renaissance eingegangen war … Drama und Theater sind dadurch nicht gefördert worden.“ Höfische Festspiele wurden angeblich allein „von so unbürgerlichen, vagantenhaften Gestalten wie Locher und Celtis“ gewagt. Albin CZERNY, Der Humanist und Historiograph Kaiser Maximilians I. Joseph Grünpeck. Archiv für österr. Geschichte 73 (1888), S. 315–364, S. 342–345.

8.3. Joseph Grünpeck: Komödie als naher Spiegel

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und Sentenzen“99 ein: „die zweite Komödie dagegen ist aus der Literaturgeschichte des deutschen Humanismus nicht mehr hinwegzudenken, da sie die erste einer Gattung war.“100 Diese „Gattung“ ist das Festspiel mit allegorischen Figuren; zu ihren Vertretern rechnet man u. a. den »Ludus Dianae« des Konrad Celtis (vgl. Kap. 8.4), Lochers »Spectaculum de Iudicio Paridis« (vgl. Kap. 11), die »Allegorie von Virtus und Voluptas« des Locher-Schülers Pinicianus in Augsburg (1510) und »Voluptatis cum virtute disceptatio« von Benedictus Chelidonius in Wien (1515), die auch inhaltlich große Ähnlichkeiten mit Grünpecks zweiter Komödie aufweisen.101 Dasselbe Thema behandelte auch das nicht erhaltene Herkules-Spiel des Sebastian Brant (1512).102 Anders als bei Reuchlin ist bei Grünpeck eine Nähe zu Locher und seinen Werken nicht zu verkennen. Der 1473 in Burghausen in Bayern geborene Joseph Grünpeck103 schrieb sich am 7. 5. 1487 an der Universität Ingolstadt für ein Studium der Artes, später außerdem der Theologie und Medizin, ein. Schon zu Beginn seines Studiums lernte er Bernhard von Waldkirch kennen, später wohl auch Locher, und hörte wie sie beide noch bei Celtis, auch wenn er seinen M.A. bereits 1491 abschloss.104 Im Jahr 1494 wechselte Grünpeck, vermutlich auf Anregung des „Erzhumanisten“, nach Krakau und widmete sich dort der Astrologie. Bereits für das Jahr 1495 allerdings ist er in Rom bezeugt, wo er bei Lorenzo Valla studierte. Ähnlich wie Locher erlebte auch er den Konflikt des Reichs mit Frankreich in Italien aus nächster Nähe mit. Während eines Waffenstillstands 1495 besuchte er sowohl das französische Feldlager als auch das Lager der Truppen Maximilians in der Lombardei.105 Sein Hauptinteresse dabei war aber nicht etwa wie bei Locher ein politisches, sondern ein medizinisches: Entsetzt beobachtete er hier den mal a Franzos. Anfang 1496 kehrte Grünpeck nach Ingolstadt und in den näheren Umkreis von Konrad Celtis zurück. Er arbeitete nun auch mit Sebastian Brant zusammen. Dieser verfasste im selben Jahr, wohl auf der Grundlage von Grünpecks Bericht aus den Feldlagern, sein Syphilis-Gedicht »De paestilentiali Scorra«. Grünpeck übersetzte es ins Deutsche (Druck Dez. 1496) und verwendete es zugleich als Grundlage für seinen eigenen »Tractatus de pestilentiali Scorra«, welchen er, nachdem die Seuche Ingolstadt erreicht hatte, Mitte Oktober 1496 in Augsburg ______________ 99

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Ernst WERNER, Der Humanist Joseph Grünpeck und seine Comoediae utilissimae. Diss. (masch.) Wien 1949, S. 48. Ebd., S. 72f. Ebd., S. 53f.; Dieter WUTTKE, Die Histori Herculis des Nürnberger Humanisten und Freundes der Gebrüder Vischer, Pangraz Bernhaupt gen. Schwenter. Materialien zur Erforschung des deutschen Humanismus um 1500. Köln/Graz 1964, S. 210–216. WUTTKE 1968. Zur Biographie vgl. v. a. WERNER, S. I–XVI. Bernhard von Waldkirch bedankt sich bei seinem Weggehen aus Ingolstadt bei Celtis für dessen Unterricht und Freundschaft. Celtis, Briefwechsel, Nr. 50, S. 81. CZERNY, S. 319.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

abschloss. Dort fand er (wohl auf Vermittlung Waldkirchs, welcher seit 1495 Kanonikus in Augsburg war) eine Anstellung als Lateinlehrer. In einem gemeinsamen Brief an Celtis vom Oktober 1495 bezeichnen sich Grünpeck und Waldkirch als Sodalitatis litterae cultores.106 Zur gleichen Zeit bemühte sich Grünpeck vergeblich darum, eine Anstellung als Historiograph am bayerischen Hof zu erhalten. In Augsburg verfasste er u.a. einen Kommentar zur »Elegantia linguae Latinae« seines Lehrers Lorenzo Valla und das an Maximilian gerichtete »Prognosticon sive Iudicium ex coniunctione Saturni et Iovis« (1496), in welchem er die Erhöhung des Namens Maximilians bis zum Jahr 1499 voraussagt. Spätestens hiermit war die erste Annäherung an den König gelungen. Als Maximilian dann am 16. 11. 1497 nach Augsburg kam, führte Grünpeck mit seinen Studenten eine Komödie auf. Solcherlei Empfang des Königs war v. a. in einer Reichsstadt nicht ungewöhnlich; wie Hans Folz berichtet, veranstaltete die Bürgerschaft von Nürnberg 1470 ebenfalls ein Schauspiel – ein Fastnachtspiel – zu Ehren Maximilians,107 und 1507 sollte Sebastian Sprenz (ein Schüler Lochers108 und von 1503–06 sein Nachfolger auf der Ingolstädter Poetikdozentur, anschließend Kanzler Matthäus Langs109) Maximilian in Augsburg mit einem deutschen Spiel empfangen, welches ihn zum Italienzug aufforderte.110 Ungewöhnlich für seine Zeit aber ist die Gestalt des Grünpeckschen Schauspiels: Es handelt sich um ein allegorisches Fürstenlob in lateinischer Sprache. Erst 1510 erlebte Augsburg wieder eine lateinischsprachige Aufführung bei einem Kaiserbesuch, das bereits erwähnte, deutlich an Grünpecks Vorgabe orientierte Stück des Augsburger Schulmeisters und LocherSchülers Johannes Pinicianus.111 Joseph Grünpeck veröffentlichte sein Schauspiel bereits um die Jahreswende bei Hans Froschauer in Augsburg, zusammen mit einer weiteren Komödie, welche er schon im Juli 1497 mit seinen Studenten anlässlich der Hochzeit des Augsburger Patriziers Georg Salemon aufgeführt hatte. Als Reaktion auf die Aufführung und wohl auch das »Prognosticon« wurde Grünpeck als Amanuensis und historicus in die königliche Kanzlei aufgenommen; vermutlich zur gleichen Zeit wurde er auch Kaplan bei Hof. Auf dem Reichstag ______________ 106 107

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Celtis, Briefwechsel, Nr. 137, S. 224f. König Maximilian in Nürnberg, in: Hans Folz, Die Reimpaarsprüche. Hrsg. von Hanns Fischer. München 1961 (MTU 1), Nr. 38, S. 317–330, V. 271–307. Vgl. Lochers Claudian-Ausgabe, B1v. Christoph SCHÖNER, Sebastian Sperantius (Sprentz), in: Biographisches Lexikon der LudwigMaximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 403f. WIESFLECKER V (1986), S. 396. Pinicianus, Johannes, Virtus et voluptas. Carmen de origine ducum Austrie, aegloga Coridon et Philetus rustici. Augsburg: Johannes Othmar, 1512 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 28). Das Spiel beschreibt, wie Prinz Karl sich auf der Jagd verirrt. Nach einem kurzen Gespräch mit einem Eremiten begegnet er Virtus und Voluptas. Beide werben um ihn, doch als Virtus erklärt, Maximilian stehe auf ihrer Seite, entscheidet sich Karl für sie und vertreibt Voluptas. Das Spiel endet mit einem Loblied auf den Kaiser.

8.3. Joseph Grünpeck: Komödie als naher Spiegel

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zu Freiburg fand schließlich am 20. 8. 1498 die Dichterkrönung Grünpecks durch Sigismund Kreutzer statt. Anschließend findet man ihn als astrologischen Ratgeber Maximilians und als Mitarbeiter an seinem großen Gedächtniswerk.112 In Wien stand Grünpeck wieder in engem Kontakt mit Konrad Celtis und wirkte auch 1501 bei der Aufführung von dessen »Ludus Dianae« (vgl. Kap. 8.4) mit. Noch im gleichen Jahr aber musste sich Grünpeck, an Syphilis erkrankt, aus dem Hofleben zurückziehen, blieb aber Historiograph Maximilians. Zwei Jahre später hatte er zwar eine eigene Heilmethode entwickelt und war angeblich geheilt, blieb aber weiterhin dem Hof fern. Er vollendete 1515 die »Historia Frederici III. et Maximiliani I.« und erhielt dafür von Maximilian eine Pfründe in Steyr, wohin er sich nach dem Tod des Kaisers immer häufiger zurückzog. Bald nach 1532 starb Joseph Grünpeck. Anders als bei Locher und ähnlich wie bei Reuchlin ist Grünpecks Dramenproduktion auf eine kurze Zeit des Exils beschränkt. Während Reuchlin im politischen Exil den Missstand im Rechtswesen anklagt, der ihn aus seiner juristischpolitischen Karriere gestoßen hat, geht Grünpeck vor einer Seuche ins Exil, die er als eine göttliche Strafe für den Niedergang der Sitten versteht und die er erstmals im Heer des „verräterischen“ französischen Königs kennen gelernt hatte. Dementsprechend ist das Hauptthema seiner beiden Komödien der Verfall der Sitten. Wie aus der Druckfassung deutlich hervorgeht, wollte Grünpeck seine beiden Komödien (anders als die heutige Forschung es tut) als eine Einheit verstanden wissen. 8.3.1. Zwei Komödien – ein Konzept Comoedie vtilissime. omnem latini sermonis elegantiam continentes. e quibus quisque optimus latinus evadere potest, überschreibt Grünpeck seine beiden Komödien und gibt damit ein deutliches Signal, dass sie gemeinsam mit dem Kommentar zu Vallas »Elegantia linguae Latinae« entstanden sind. Der Dichter schließt sich Vallas Kampf gegen den Verfall der lateinischen Sprache an, der zugleich einen Verfall von Kultur und Reich bedeute.113 Gemäß der Auffassung Vallas, dass summi philosophi ..., summi oratores, summi iureconsulti, summi denique scriptores schon immer diejenigen gewesen seien, qui bene loquendi studiosissimi,114 legt Grünpeck seinen ______________ 112 113

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J.-D. MÜLLER 1982, S. 58. Laurentii Vallensis De linguae Latinae elegantia, ad Ioannem Tortellium Aretinum per M. Nicolaum Ienson Venetiis opus feliciter impressum est MCCCLXXI. Hrsg., eingel., mit Anm. vers. u. ins Span. übers. v. Santiago López Moreda. Cáceres 1999 (Grammática humanística 3), Prooemium, S. 56–64; vgl. dazu: Franz Josef WORSTBROCK, Über das geschichtliche Selbstverständnis des deutschen Humanismus, in: Historizität in Sprach- und Literaturwissenschaft. Vorträge und Berichte der Stuttgarter Germanistentagung 1972. Hrsg. v. Walter Müller-Seidel. München 1974, S. 499–519, S. 511. Valla 1999, Prooemium, S. 60, Z. 18–20.

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Kommentar streng didaktisch aus, für künftige Redner und Juristen.115 Ebenso sollen die Komödien der rhetorischen Grundausbildung dienen. Grünpeck will, wie er in der Widmung an seinen Freund Bernhard von Waldkirch erklärt, mit seinen Komödien allerdings nicht nur einen sprachdidaktischen Zweck erfüllen, sondern sich dem generellen Ziel der Dichtung anschließen, welches in der Festigung der Tugend bestehe, ... ut ... fidelitas exercitationis. integritas quoque voluntatis. humanam vitam. et natura ipsa dissolutam. et facillimis sensuum turbinibus. Mox e rationis aeterno imperio in impetuosissimas illecebrarum huius mortalitatis procellas. venturam volaturamque robustissimis palis. salubrium laudationum virtutis sustinerent. validissimis quoque glorie fundamentis. quam ipsa virtus tandem premium laborum promittit firmarent. a casu quoque prohiberent (a2r).116 (... dass ... die treue Disziplin und die Integrität des Willens das menschliche Leben, auch wenn es von der Natur selbst und durch die überaus leicht herbeigeführten Verwirrungen der Sinne korrumpiert ist und bald von der ewigen Herrschaft des Verstandes abfallen und dem heftigsten Ansturm dieser sterblichen Versuchungen eilig folgen wird, mit den festesten Pfeilern heilbringender Lobreden auf die Tugend stützen und auf den sichersten Grundsteinen des Ruhmes verankern, den die Tugend selbst als Lohn für die Mühen verspricht, und dass sie es so vor dem Sturz bewahren.)

Auch Homers und Vergils Werk, fährt er fort, ziele auf nichts anderes als auf ein Lob der Tugend (a2r). Dasselbe gelte für alle literarischen Gattungen – und in besonderem Maß auch für die Komödie: ut nos ad eiusdem amorem accendant. rursum satirici epigrammatumque scriptores comici quoque poete severissime in vicia invehunt. atrocioribus denique reprehensionum eculeis afficiunt maxime satirici qui neque propriis facinorosorum nominibus parcunt. quos palam nominare ausi sunt (a2r). (Um uns zur Tugendliebe zu entflammen, greifen wiederum die Satiriker, Epigrammatiker und Komiker heftigst Laster an und stellen sie mit sehr bitteren Zurechtweisungen an den Pranger, und das am meisten die Satiriker, die nicht einmal die Eigennamen der Missetäter verschonen, sondern sie offen zu benennen wagen.)

Weder Bestechung noch Bedrohung, erklärt er weiter, hätte die Dichter davon abhalten können, Gutes zu loben und Schlechtes zu tadeln, was dem Staat immer genutzt, aber den Unmut der getadelten Mächtigen erregt habe. Deshalb habe man verordnet, comicos urbibus expellendos (a2v). Gegen Boccaccios Deutung der bekannten platonischen Forderung, dass mit den zu vertreibenden Dichtern die comici inhonesti gemeint seien, erklärt Grünpeck, nicht die verurteilten Komödien, sondern die sie verurteilenden Autoritäten seien moralisch tadelnswert. ______________ 115 116

Zu Grünpecks Kommentar: WERNER, S. V. Joseph Grünpeck, Comoediae vtilissime. omnem latini sermonis elegantiam continentes. e quibus quisque optimus latinus euadere potest. Augsburg: Hans Froschauer, o.D. [1497] (Exemplar BN Paris, RES P-YC-1).

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maluerunt docti vates. insolentium hominum gratia carere. quam magistram117 bonorum morum castigationem (cuius quidem observantissimi existerent cultores) irreverentia aliqua afficere. Quamobrem ipse quoque id genus scribendi aggressus sum ... ut ... aliqualiter eorum in sequendo vestigia. huius quoque seculi mores notando. adolescentibus prima oratorum elementa capessentibus. profuturum me sperem118. (a2v) (Die gelehrten Dichter wollten lieber auf die Gunst hoffärtiger Menschen verzichten als die Kritik, die Lehrerin der guten Sitten – deren achtsamste Anhänger sie waren –, in irgendeiner Weise unehrerbietig behandeln. Aus diesem Grund habe auch ich diese Art zu schreiben gewählt, ... weil ich hoffe, dass ich, indem ich einigermaßen deren Spuren folge und die Sitten der gegenwärtigen Zeit aufzeige, den jungen Menschen nützlich sein würde, die gerade die ersten Grundlagen der Beredsamkeit lernen.)

Das Verfassen von Komödien bedeutet für Grünpeck Sozialkritik, verbunden mit der moralischen und sprachlichen Erziehung von Jugendlichen. Wie eng diese drei Punkte miteinander verbunden sind, drückt der Prolog zur »Comedia prima« aus. Seinen Kern bildet eine Klage über den allgemeinen Sittenverfall der Zeit, der sich nicht zuletzt auch in der Einstellung zur Sprache zeige: nihilque tam scandalo existit. quam frequens litterarum otium. virtutumque exercitatio. artium vero amatores. non modo probro affici fas est. sed etiam admotis digitis verborum impudentissimorum eculeo pungi unde non tam extemplo bonus civis verbum emittit ex ore latinum. quin lacessantium hominum improbus sit sermo. en scolasticus bibulusque atramentarius veretur uti materno ideomate. abeamus nostre sit expers sodalitatis ut induratis vescatur in angulis crustis. noctivagorum vero clamor omnes hic opplet vicos quorum optimus quisque id sibi laudi ducit. ut impensioribus verbis suam enarret in propatulo tabernisque impudentiam. Adolescentum preterea depravatos mores que honesta familia optimis et moribus et vite institutionibus predita non reformidet quos quidem mollis illa parentum educatio ilico deliciis solvit. pessimis quoque viciis instruit. (a3r) (Nichts gilt nämlich so sehr als Schande wie die häufige Beschäftigung mit den Künsten oder die Ausübung von Tugenden. Es ist nämlich nicht nur üblich, über die Liebhaber der Künste zu lästern, sondern sogar mit dem Finger auf sie zu zeigen und sie der Folter von Schmähworten auszusetzen. Deshalb kann kein guter Bürger ein lateinisches Wort über seine Lippen gehen lassen, ohne dass die Lästermäuler ihm sofort übel nachredeten: „Schaut, ein Scholar, der nach Tinte dürstet; er dünkt sich zu fein, seine Muttersprache zu verwenden. Gehen wir weg, er soll nicht in unsere Gesellschaft gehören, er soll sich allein in der Ecke von harten Brotrinden ernähren.“ Das Geschrei der Nachtschwärmer aber erfüllt hier alle Stadtviertel, von denen jedoch die besten es sich zum Lob anrechnen, wenn sie in den kraftvollsten Worten im Freien und in Gasthäusern schamlose Reden führen. Welche ehrenwerte Familie, welche die besten Sitten und beste Lebenshaltung pflegt, wäre später nicht entsetzt, die Jugend ohne jede Moral zu sehen, die nun aber gerade die nachgiebige Erziehung der Eltern und der Luxus verweichlicht und zu schlimmsten Lastern erzogen haben?)

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magistram] maistram. sperem] speram.

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Sprachliche – lateinische – Bildung, Erziehung und Moral hängen für ihn unmittelbar zusammen; ihnen stehen das betrunkene Grölen, die Volkssprache und die schändliche Rede von unsittlichen Dingen sowie das Verbrechen gegenüber. Das unter Berufung auf Donat immer wieder proklamierte Nebeneinander von moralischer und sprachlicher Erziehung durch die Komödie ist bei ihm zu einem untrennbaren Ineinander geworden. Daher will die Komödie, aus der quisque optimus latinus evadere potest, im gleichen Zug als Spiegel der Sitten dienen, ut in uno quoque statu cognoscatur quo magis peccetur (a3v). Zwar müssten konsequenterweise die Laster in der Volkssprache dargestellt werden, als Lehrwerk aber kann die Komödie nicht auf die lateinische Sprache verzichten. So erklärt Grünpeck auch im Prolog der zweiten Komödie, sie könne nicht in der Volkssprache vorgetragen werden: nam iniquum dixit rem tantam barbaro et fedo atque turpi sermone tractari (b4r), vor allem nicht, wenn sie schon nur von so „kleinen Jungen“ aufgeführt werde. Erit quippe speculum totius humani generis in quo qui se crebrius intuitus fuerit. non tam preceps fallacicaptricis omnium flagiciorum parentis laqueos incidet cuius illecebris nemo est qui non summopere delectetur. (b4r) (Sie wird nämlich ein Spiegel des gesamten Menschengeschlechts sein. Wer sich öfter in diesem gespiegelt hat, wird nicht ganz so kopfüber in die Stricke der Weltlust fallen, der tückisch verführerischen Mutter aller Sünden, an deren Verlockungen jeder höchstes Gefallen findet.)

Nicht nur eine barbarische Sprache lehnt Grünpeck für das Spiel ab, sondern auch die Sprachlosigkeit. Gegen die als laborum intermissio (a4r) gerechtfertigten119 unliterarischen Spiele der Jugend argumentiert in der ersten Komödie die Puella religiosa: id quod tu effers verbis solacium. neque corpus vivacius validiusque. neque animum vegetiorem alacrioremque reddit. non tamen inficior. quedam esse ocia. relaxationes quoque animorum et iocos ele|gantes urbanos. facetos atque ingeniosos quibus usi sunt antefati sapientes atque alii summi viri quorum omnes libri referti sunt verum quidem iam raro apud nostros usu veniunt eos iuventa ludos complectitur qui illiberales prorsus et petulantes et flagiciosi existunt (a4r–v).120 (Das, was du ‚Trost‘ nennst, kräftigt und erquickt weder den Körper noch beschwingt oder ermuntert es den Geist. Ich leugne allerdings nicht, dass es gewisse Vergnügungen und Entspannungen des Geistes und gesittete, feine, anmutige und geistreiche Scherze gibt, welche die vorher genannten Weisen [Sokrates, Aristoteles, Plato] und andere hohe Persönlichkeiten benutzten, von denen alle Bücher voll sind, die aber bei den unseren freilich nur selten verwendet werden. Die Jugend liebt die Spiele, die schlichtweg unanständig, ausgelassen und unsittlich sind.)

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Vgl. die Verwendung desselben Arguments zur Rechtfertigung der Komödie bei Spiegel, fol. 5v. Hervorhebungen von mir, C.D.

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Zum hier postulierten Unterschied zwischen ludus und fazetem iocus erklärt Lorenzo Valla, ut sit Iocus in verbo, Ludus in facto (IV, 16). Dem sprachlichen Witz räumt er den Vorrang ein. Die Komödie ist allerdings keine reine Wortkunst. Ars ludicra est ars histrionica et scaenica (I, 3), erklärt Valla, und ein histrio, ein Schauspieler, sei, qui personatus in scena tragoedias agit, comoediasque voce et corporis gestu (IV, 31): Auf Gestik, im selben Buch definiert als actio quaedam, et quasi pronuntiatio corporis (IV, 2), will Grünpeck deshalb nicht verzichten. In seinem Widmungsschreiben an Waldkirch erklärt er, die Komödien seien neque accurata diligentia. sed leviter ludendo conscripte (a2v), d. h. nicht als Studien-, sondern als Aufführungstexte gedacht. Ein so explizites Bekenntnis zum Spiel als einem unverzichtbaren Element der Komödie stellt in der Geschichte des neulateinischen Dramas in Deutschland ein Novum dar. Grünpecks Regieanweisungen übertreffen in ihrer Ausführlichkeit die der Vorgänger deutlich, deshalb muss trotz der inhaltlichen Handlungsarmut der Komödien eine aktionsreiche Darstellungsart angenommen werden. Angegeben werden nicht nur Sprechrichtungen (z. B. Anus primum contra seipsam loquitur deinde vertit sermonem ad puellas adolescentesque, a6v), Unterbrechungen von Reden (z. B. Pueri interrumpentes sermones puellarum, a4v; Fallacicaptrix interrumpens regis verba, c1v) oder Bewegungen, wie z. B. Alia pedissequa erumpit ex popina anum conueniens (b2r); Virtus apprehendit pueros (b6r); Rex amplectitur virtutem (c3v). Häufig beschreiben die Regieanweisungen auch Gefühlsregungen und Redemodi: Anus puerorum locutionibus mota in hunc prorumpit sermonem (a5v); Quintus puer illudens trepidantem anum (a5v); Simpulatrix ad anum loquitur cuius exclamatione commota est (a6v); Pedissequa metu exterrita de imminenti periculo lamentatur (a6v); Anus indignanter puerum abigit (a6r); Anus ira accensa fatetur se a deo missam (b1v); Fallacicaptrix moleste ferens virtutis verba (c2r); Fallacicaptrix atrocius invehit in virtutem (c2v); etc. In beiden Kolophonen erklärt Grünpeck: egit autor ipsemet. Edith WEBER übersetzt zu schwach: „Der Dichter selbst hat es zur Aufführung gebracht“.121 Grünpeck versteht egit nicht im Sinne von recensuit; ihm geht es vielmehr ausdrücklich um das Schauspiel und um seine Doppelrolle als actor und autor. Lorenzo Valla hebt in seinem Kapitel zu diesen beiden Begriffen noch einmal die Bedeutung von Mimik und Gestik für das Schauspiel hervor: Actor et Auctor ita differunt, quod actor dicitur orator qui agit causam quique gestum vultus et corporis agit. … Item Comoedus et Tragoedus, id est, histrio qui agit gestus in scaena, et quod huic generi simillimum est, qui agit Atellana; et mimus omnis actor vocari potest; ... Auctor autem est (ut sic dicam) factor (IV,32). (Actor und auctor unterscheiden sich darin, dass „actor“ den Redner bezeichnet, der die Sache vorträgt und mit Gesicht und Körper ein Gebärdenspiel aufführt ... So kann der Komödiant und der Tragöde, d. h. der Schauspieler, der auf der Bühne Gesten vorführt, und, was dem am ähnlichsten ist, wer volkstümliche Possen aufführt, und

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Edith WEBER, S. 28.

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überhaupt kann ein Mime actor genannt werden ... Der auctor dagegen ist sozusagen ein Hersteller.)

Grünpeck ist factor und mimus. Der Performanz kommt eine wichtige Funktion zu. Dies wird auch aus den Worten des Prologsprechers der zweiten Komödie ersichtlich, wenn er um Nachsicht bittet, ... si nostrum spectaculum eorum gravitati minus responderit cum quia latino prologo uti iussus quod pauci intelligunt. tum quia omnes|actus gestusque his minime cordi sunt a quibus haud facile percipi possunt actori122 ascribendum putent (b3v–4r). (... falls unser Schauspiel vor ihrem [der Kritiker] strengen Urteil nicht recht bestehen sollte, weil es der Vorschrift folgt, dass [selbst] der Prolog in lateinischer Sprache gesprochen werde, was nur wenige verstehen, und weil alle Handlungen und Gesten denen nicht zusagen, die sie nicht leicht erkennen können. Das sollen sie dem Schauspieler anrechnen.)

Schauspiel und Gestik sollen demnach dem Verständnis des Textes dienen, wo es dem Zuschauer an Sprachkenntnis mangelt, auch wenn diese nonverbalen Zeichen, bedingt durch mangelnde Professionalität der jungen Schauspieler, unklar sein können. Die Notwendigkeit, auf mangelnde Sprachkenntnisse des Publikums Rücksicht zu nehmen, kennen die Verfasser von Universitätsdramen nicht. Auch in seiner »Comedia prima« kann sich Grünpeck auf die sprachlichen Fähigkeiten seines Publikums verlassen; Georg Salemon, anlässlich von dessen Hochzeit dieses Spiel aufgeführt wurde, gehörte vermutlich der soldalitas litteraria Augsburgs an und war also einer der im Prolog beschriebenen lateinkundigen Bürger. Die zweite Komödie dagegen fand eine öffentliche Aufführung vor Adel und Stadtöffentlichkeit. Die unterschiedlichen Aufführungsrahmen prägen den jeweiligen Charakter der beiden Spiele. 8.3.2. Das Spiel für gelehrte Patrizierkreise. Comedia prima (Juli 1497) Die »Comedia prima« besteht aus einem Streitgespräch über den Vorzug von virtus oder levitas, welches mit wechselndem Personal geführt wird. Anfänglich stehen sich eine puella religiosa und eine in ihrer Zahl nicht näher bestimmte Gruppe anderer Mädchen gegenüber, von denen eines das Wort ergreift. Nach und nach treten mehr Figuren hinzu: zuerst drei Jungen, welche die Seite der puella mundanis rebus capta verteidigen und gegen die Strenge von Lehrern und Eltern wettern, und ein vierter, welcher sie zur Disziplin zu rufen versucht. Dann erscheint eine alte Wahrsagerin, die aufgrund des Sittenverfalls den Weltuntergang prophezeit und dafür von einem fünften Jungen verhöhnt wird. Eine Wirtin tadelt daraufhin die Jungen und wird vom nächsten beschimpft. Als eine Magd ______________ 122

WERNER, S. 10a konjiziert hier (gewagt) scriptori. Durchaus könnte mit actor auch der momentan als Prologsprecher auf der Bühne stehende Darsteller (Grünpeck?) gemeint sein.

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erscheint, die panisch auf die Prophezeiungen der Alten reagiert, steigern sich auf beiden Seiten die Beschimpfungen. Eine zweite Magd stürmt aus der Küche herbei, ergreift Partei für die leichtlebige Jugend und erntet vehemente Kritik am unzuverlässigen Dienstpersonal. Das Streitgespräch eskaliert weiter und deckt bei allen Figuren – die sämtlich ohne Namen bleiben (wie es laut Grünpeck für die Satire charakteristisch sei) – Fehler und Laster auf. Endlich erwähnt eines der Mädchen die anstehende Hochzeit zwischen Anna und Georg Salemon, und ein letzter Junge tritt auf, um die Gäste zum Fest zu laden und zum Tanz aufzufordern. Damit ist der Konflikt ohne Lösung abgebrochen; alles wird zur Seite geschoben zugunsten der Hochzeitsfeierlichkeit, in welcher Komödienhandlung und Festrahmen miteinander verschmelzen. Die Trennung zwischen handelnden Figuren – mittlerweile stehen mindestens 14 auf der Bühne – und Zuschauern wird aufgehoben, hin zu einer gemeinsamen Festgemeinschaft. Der ultimus puer schließt mit den Worten: Vos valete et plaudite ego finem feci (b3r). Damit knüpft das Spiel an die Terenz-Tradition an; es fällt jedoch schwer, ein Spiel, das weder eine gebundene Sprache noch Akt- oder Szeneneinteilung, nur Auf-, aber keine Abtritte kennt, sich so auch nicht an die klassische Limitierung des Personals auf der Bühne hält und das zwar eine Steigerung des Konflikts, aber keine Lösung desselben bietet, sondern abbricht und schlagartig in ein Fest überleitet, als Komödie zu bezeichnen. Allein die Ständeklausel ist erfüllt. Die Forschung hat das Spiel deshalb eher in die Nähe des Fastnachtspiels gestellt.123 Aus der Fastnachtspieltradition bekannt ist die Auflösung des Spiels in Fest und Tanz. Anders aber als im Fastnachtspiel macht sich der Festrahmen hier nicht erst nach Ende des Spiels bemerkbar und löst sich nicht eine Neutralbühne nach Ende des Spiels auf, um dem Festraum Platz zu machen, vielmehr ist der Ort des Geschehens von Anfang an der Ort der Aufführung. Die Freude der Mädchen, gegen welche die religiosa zu Beginn wettert, ist, wie später deutlich wird, die Vorfreude auf das Hochzeitsfest. Sie sind dabei, das Brauthaus mit Blumen zu schmücken (b3r); das Thema der Liebe zwischen jungen Frauen und Männern ist daher brandaktuell. Die Jungen, die über ihre Lehrer schimpfen, sind wie auch die Schauspieler Schuljungen, die zum Fest geladen sind. Die Wirtin (simpulatrix, wörtlich: Weinschenkin) und die Küchenmagd, die direkt aus der Küche anstürmt, stehen offensichtlich inmitten der Festvorbereitungen; schließlich tritt noch innerhalb des Spiels die Braut aus dem Haus: Egredietur siquidem iam anna (b3r), welche die handelnden Figuren als Nachbarskind kennen: quam tu quidem noscis. nata vicini nostri (b3r). In Personal, Ort und Thematik sind damit Spiel und Fest eng ineinander verstrickt. Das Spiel gibt sich geradezu als eine Randbemerkung zum Fest. Man darf daher die »Comedia prima« als ein Festspiel bezeichnen, wenn sie auch kein allegorisches und kein „höfisches“ Festspiel ist. ______________ 123

F. MOSER, S. 31; Heinz WITTENBRINK, Grünpeck, in: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Hrsg. v. Walther Killy. Band 4. München 1989, S. 395.

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8.3.3. Das Spiel für Maximilian. Comoedia secunda (November 1497) Grünpecks »Comoedia secunda« führt den entsprechenden Streit zwischen Tugend und Untugend auf allegorischer Ebene, genauer gesagt zwischen Personifikationen, durch. Angeregt wurde der Verfasser hierzu v. a. durch Sebastian Brant – und durch Jacob Locher, der zur gleichen Zeit wie er mit Brant zusammenarbeitete. In Kap. 107 des »Narrenschiffs« ist die auf Prodikos gegründete, durch Petrarca in die Literatur der Frühen Neuzeit eingeführte124 Szene von der Entscheidung des Herkules zwischen dem steinigen Weg der Tugend und dem breiten Weg der Wollust erwähnt. Locher streicht diese Passage in seiner »Stultifera navis« und fügt stattdessen am Ende des Buchs ein ausführliches 114. Kapitel, Concertatio Virtutis cum Voluptate,125 hinzu, welches mit einem Holzschnitt, der den schlafenden Herkules vor dem Scheideweg zeigt, und einem in den Marginalien als Sebastiani Brant argumentum betitelten Sechszeiler einsetzt:

Jacob Locher, Stultifera navis. Basel: Johannes Bergmann von Olpe, 1497, 130v.

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WUTTKE 1964, S. 118–120. HARTL 1, S. 157 bezeichnet dieses Kapitel, eine „Allegorie der freien Entscheidung des Menschen“, als das Herzstück der »Stultifera navis«.

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Aspice conflictum Virtutis atque petulcae Deinde Voluptatis, gaudia vana vide! legimus Alciden, somno cum forte iaceret, Vidisse ambiguas difficilesque vias. Ambarumque statum, finem vitamque modumque Scrutans Virtutis coepit inire viam (130v). (Siehe den Kampf der Virtus und der Wollust, erkenne alsdann die eitlen Freuden der Voluptas. Wir lesen, dass Herkules, als er einmal im Schlaf lag, zwei unterschiedliche, schwierige Wege gesehen habe. Er erforschte ihrer beider Zustand, Ziel, Lebensform und Art und schlug den Weg der Tugend ein.)

Umringt von einem argumentum, einem Epigramm an den Leser (131r) und den beiden Reden Obiectio Voluptatis criminantis Virtutem (131v–132v) und Responsio Virtutis carmine elgiaco (133r–134v), fällt dieser Zusatz Lochers formal aus dem Rahmen seiner Übersetzung heraus; das Kapitel trägt beinahe den Charakter eines Dialogspiels. Sollten bereits Pläne zu Brants Herkules-Spiel bestanden haben, worauf die Formulierung Sebastiani Brant argumentum hinweisen könnte, dürfte Grünpeck sie gekannt haben. Nicht bei Locher finden konnte er aber die Umformung der Herkuleswahl in ein regelrechtes Gerichtsverfahren, wie es auf der Fastnachtsbühne nicht unbeliebt war,126 und die Ersetzung des Herkules durch Maximilian. Bereits 1490 wurde beim Einzug Karls VIII. in Vienne die Szene von Herkules am Scheideweg dargestellt, wobei Herkules als Präfiguration des Königs ausgelegt wurde.127 Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts berief sich Philipp der Gute von Burgund auf seinen Vorfahren Herkules, dem im Juni 1468 auch ein mehrtätiges Schauspiel am Burgundischen Hof gewidmet war,128 und auch in Italien erfreute sich Herkules um 1500 größerer Beliebtheit als Vorbildfigur eines idealen Fürsten.129 Für ein Lob Maximilians, dessen Besuch es in Augsburg zu feiern galt, bot sich die Deutung Herkules’ als einer Präfiguration des Herrschers in besonderem Maße an: Der Habsburger rechnete Herkules zu seinen Vorfahren und sah sich auch als mit dem vorbildlich tapferen und tugendhaften, in seinen Anstrengungen aber auf sich allein gestellten Helden geistesverwandt.130 Ein vermutlich von Johannes Tolhoph entworfener Einblattdruck feiert Maximilian im Zuge der Rezeption von Tacitus’ »Germania« als Hercules Germanicus.131 Maximilian sei, so ______________ 126

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Vgl. RUPPRICH 21994, S. 637. Als Beispiele seien »Der Rechtsstreit zwischen Fastnacht und Fastenzeit« und »Das lustige Gerichtsspiel« (von Rosenplüt?) genannt. Erwin PANOFSKI, Herkules am Scheideweg. Leipzig 1930 (Studien der Bibliothek Warburg 18), S. 84 und die dort angegebene Literatur; WUTTKE 1964, S. 205f. CARTELLIERI, S. 175–179. Georg BRAUNGART, Mythos und Herrschaft: Maximilian I. als Hercules Germanicus, in: Traditionswandel und Traditionsverhalten. Hrsg. v. Walter Haug u. Burghart Wachinger. Tübingen 1991 (Fortuna vitrea 5), S. 77–95, S. 81f. Guido BRUCK, Habsburger als ‘Herkulier’. Jahrbuch der Kunsthistorischen Samlungen in Wien 50 (1963), S. 191–198, S. 193; BRAUNGART, S. 91f. Jörg Jochen BERNS, Maximilian und Luther. Ihre Rolle im Entstehungsprozeß einer deutschen National-Literatur, in: Nation und Literatur im Europa der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Klaus Gar-

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schreibt Tolhoph am 16. 7. 1499 an Celtis, im Schweizerkrieg so unbezwinglich wie Herkules in Senecas »Hercules furens«.132 Grünpecks »Comoedia secunda« stellt sich in diesen Kontext des mythologischen Herrscherlobs. Sie gibt sich zunächst als eine Komödie nach klassischem Vorbild aus. Die Akteinteilung der Handlung allerdings endet nach dem ersten Akt. Dennoch findet ein Kulissenwechsel statt: Die Handlung bewegt sich von einem freien Platz vor der königlichen Residenz in Augsburg an den Hof des Königs. Das Spiel kennt Auf- und Abtritte; zu keiner Zeit sind mehr als drei sprechende Figuren gleichzeitig auf der Bühne. Handelnde Figuren sind, wie bereits erwähnt, nicht mehr Tugend oder Untugend pflegende Bürger der Stadt sondern die Personifikationen von Virtus und Fallacicaptrix selbst, außerdem der König und Botenfiguren. Von einem ‚Komödienpersonal‘ kann daher keine Rede sein. Auch die Sprache ist gehobener als in der ersten Komödie; die Prosa wird im ersten Akt durch Verszitate aus Horaz und Ovid unterbrochen. Fallacicaptrix versucht, unter Berufung auf die römische Liebesliteratur die Umstehenden für ihren Lebensweg einzunehmen. Als sie Virtus zur Königsburg eilen sieht, bricht sie ab. Im nächsten, nicht mehr als Akt bezeichneten Abschnitt tritt Virtus auf. Sie erinnert in ihrem zerfetzten Aussehen an die Gestalt der Fides in Lochers nur ein halbes Jahr älteren »Tragedia«. Klagend erklärt sie, sie sei von allen Ständen und allen Völkern vertrieben; ihre letzte Hoffnung, Unterkunft zu finden, liege bei Maximilian. Sie schickt einen Jungen als Boten zum König, und dieser ruft ein Gericht ein, um Ungerechtigkeiten im Reich zu bereinigen. Virtus und Fallacicaptrix erscheinen vor Gericht. Als Maximilian nach langem Streit Virtus erkennt, welche klagend erklärt, preter herculem hactenus me secuti sunt pauci (c2r), spricht er ihr den Sieg zu, setzt sie als Statthalterin ein und verbannt Fallacicaptrix. Weder ein einmaliges historisches Ereignis um eine Fürstengestalt noch ein fiktives Alltagsgeschehen unter mittlerem Personal wird beschrieben. Der anwesende König wird vielmehr in der Figur des rex gespiegelt133 und als Bräutigam der Iustitia fast mit den Personifikationen als gleichwertig betrachtet. Gemeinsam mit den Personifikationen vollzieht er eine allegorische Handlung, den Entscheidungsakt, welcher nicht ein äußeres Geschehen, sondern die Position des Königs zu den beiden Personifikationen und damit sein Wesen, seine Tugend beschreiben soll. Sein allmähliches Erkennen der Tugend, die ihm selbst eignet und die ihm schon immer gegen die tugendlose Welt beigestanden hat, führt auf der Handlungsebene die für das Spiel intendierte Funktion als „Spiegel der Sitten“ und Tugendlehre vor. ______________

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ber. Tübingen 1989, S. 640–668, S. 641; BRAUNGART, S. 85–93. Vgl. auch Ludwig KRAPF, Germanenmythos und Reichsideologie. Frühhumanistische Rezeptionsweisen der taciteischen »Germania«. Tübingen 1979 (StDL 59). Celtis, Briefwechsel, Brief Nr. 221, S. 367–369. Die von ROLOFF 1959, Sp. 653, geäußerte These, Maximilian könnte selbst mitgespielt haben, halte ich angesichts des Umfangs der Königsrolle für eher unwahrscheinlich.

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Nunquid quum bellum gessisti erga perfidum regem francie te ad patientie splendorem assiduo admonebam in tantis doloribus. quos de charissima coniuge tua rapta susceperas. consolationi tibi preter me erat nemo. Et quod maius est quis tibi in tanta desolatione astitit. cum a tuis subditis versipellibus flanimigis carceribus detinebaris (c3r). (Als du nämlich gegen den verräterischen König von Frankreich Krieg führtest, habe ich dich beharrlich an den Ruhm der Geduld gemahnt. In den so schweren Schmerzen, welche du nach dem Raub deiner teueren Braut erlitten hattest, spendete dir außer mir niemand Trost. Und, was noch mehr wiegt: Wer stand dir in der so großen Verzweiflung bei, als du von deinen Untertanen, den wetterwendischen Flamen, eingekerkert warst?)

Maximilians Entscheidung für den steinigen Weg der Virtus wird hier mit zeitgeschichtlichen Exempeln belegt. Damit ist noch einmal unmissverständlich klargestellt, dass der als Inbegriff der Tugend und Gerechtigkeit gefeierte rex auf der Bühne tatsächlich mit dem präsenten Maximilian zu identifizieren sei, der in Notlagen die Tugend der stoischen Ruhe zu bewahren vermag,134 auch wenn ihn die Untugend, hier vertreten durch den König von Frankreich und die Flamen, attackiert. Er ist damit auch ein Vorbild dessen, was nach Grünpecks vorausgeschickten Worten die Dichtung als solche lehren will: Festigkeit der Tugend gegenüber den Angriffen der Welt (a2r). Ein Lob des auf der Bühne dargestellten Maximilian als des Verteidigers eines personifiziert auftretenden Werts bildet auch den Kern von Lochers »Tragedia«, welche Grünpeck mit Sicherheit kannte. Der Verzicht auf (pseudo-) historisches Geschehen, welches eine zeitlichen Distanz zwischen dem Dargestellten und der Aufführungssituation schaffen würde und erst in einer Konstruktion wie Lochers Triumphzug wieder aufgehoben werden könnte, der Verzicht auf weiteres menschliches Personal (mit Ausnahme der namenlosen Botenfiguren) und v.a. auf die Illusion räumlicher Distanz vom Aufführungsort (bei Locher zurückgenommen im Triumph und mehrfach gebrochen durch die Raumillusionen des antiken Theaters und der Straßen Roms) unterscheiden Grünpecks Komödie von Lochers Werk. Anlass und Zweck der Aufführung und Inhalt des Stücks (das Lob Maximilians) stimmen bei Grünpeck ebenso überein wie Aufführungs- und Spielort. Das Spiel, vom Verfasser als comoedia bezeichnet, will gemäß der Komödiendefinition Ciceros ein Spiegel der Sitten sein, und es ist ein Spiegel in mehrfachem Sinn, ein sehr naher Spiegel, der auf Distanzschaffendes zu verzichten sucht. Dies ist ein Kennzeichen der von Grünpeck eingeführten Dramenform; die anderen beiden sind die bewegte Darbietungsform einer handlungsarmen Sache und der (den Gattungskonventionen der Komödie widersprechende) Gebrauch von Allegorie. Grünpeck legt in Deutschland mit dieser neuen Form den Grundstein für ______________ 134

In der Interpretation der Tugend als einer stoischen Haltung macht sich der Einfluss Vallas bemerkbar, der in seinen Streitgedichten »De voluptate« (um 1430) und »De vero bono« (1432) jeweils einen Vertreter des Stoizismus und einen Vertreter des Epikureismus einander gegenüberstellt.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

die Gattung des (allegorischen) Festspiels. Dieses hatte an den oberitalienischen Höfen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bereits weite Verbreitung gefunden, die Gattungsbezeichnung war aber auch dort nicht fest und kannte einige Varianten. Meist wurden mythologische Stoffe bearbeitet, kennzeichnend für das Festspiel sind aber auch in Italien weniger die Stoffe als die fließenden Grenzen zwischen dem Spiel und dem Fest (mit Bankett, Tanz, Feuerwerk o. ä.), welches dem Spiel erst seine Bedeutung verleiht und ohne welches das Spiel letztlich nicht aufführbar ist.135 In Deutschland sollte Grünpecks und Lochers Lehrer Celtis mit seinem 1501 aufgeführten »Ludus Dianae« das Festspiel – speziell das mythologische – zu einem ersten Höhepunkt führen.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm 8.4.1. „Original“ römisches Theater Mehrfach ist oben bereits auf Lochers Verhältnis zu seinem Lehrer Konrad Celtis und auf dessen Rolle als Initiator des neulateinischen Dramas hingewiesen worden. Als am 31. 10. 1501 Maximilian das an der Akademie des Pomponius Laetus orientierte Collegium poetarum et mathematicorum, welches Celtis entworfen hatte, in Wien einrichtete und ihn als dessen Leiter einsetzte, war für den „Erzhumanisten“ der ideale Rahmen für eigene Theateraufführungen geschaffen. Im Wintersemester 1502/03 präsentierte er mit dem »Eunuchus« des Terenz und der »Aulularia« des Plautus – eben den Stücken, welche auch Corvinus aufgeführt hatte – Musteraufführungen, zu denen er als Theaterzettel folgende Epigramme entwarf: Pro comoedia Eunuchi ad verbum Latine acta. Qui cupiet veteres Romanos cernere ludos, Egerat ut Latio scena Latina foro: Phoebus ubi primam nitidus signaverit horam, Hic petat excelsae tecta superba scolae (IV,18).136 (Für die wortgetreu in lateinischer Sprache aufgeführte Komödie »Eunuchus«: Wer alte römische Spiele sehen will, so wie das römische Theater sie auf dem Forum in Rom aufgeführt hatte, der mache sich, sobald der strahlende Phöbus die erste Stunde anzeigt, zum stolzen Gebäude der Hohen Schule auf.) In actionem Aululariae in aula Viennensi. Quisque volet cupidus Latiales cernere ludos, Qualiter in Latiis saepe fuere scholis, Et quos in theatris docta olim Graecia lusit, Dum plausit variis scenica turba sonis:

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Bodo GUTHMÜLLER, Studien zur antiken Mythologie in der italienischen Renaissance. Weinheim 1986, S. 66–69; ders. 1981, S. 103–105. Konrad Celtis, Fünf Bücher Epigramme. Hrsg. v. Karl Hartfelder. Berlin 1881, Repr. Hildesheim 1963.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm

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Ille citus nostram veniat spectator ad aulam, Horam dum primam malleus aere sonat. (IV,55) (Zur Aufführung der »Aulularia« in der Aula zu Wien: Wer römische Spiele sehen möchte, wie sie in römischen Theatern oft zu sehen waren und wie sie das gelehrte Griechenland einst auf seinen Bühnen aufführte, während die Zuschauermenge mit unterschiedlichen Geräuschen Beifall spendete, der komme rasch als Zuschauer in unsere Aula, sobald der Schlag der ersten Stunde erklingt.)

Ausdrücklich sollten die Aufführungen die römische Theatertradition nachbilden; nicht in einem Wort will Celtis vom Originaltext abweichen. Wie er es bei seinem Rombesuch 1489 bei Pomponius Laetus kennen gelernt hatte, verwendete er auch, wie aus baulichen Maßnahmen in der Aula der Artistenfakultät zu schließen ist, eine bemalte Bühnenwand.137 In der bestmöglichen Nachahmung der Alten sieht er die translatio studii von Rom auf das Heilige Römische Reich erfüllt.138 Die Aufführungen waren offensichtlich ein großer Erfolg. Der Rektor der Universität, Wilhelm Puelinger, vermerkt 1502 in seinen Akten: Erat profecto memoria dignissima actus, antea non visus a me neque ceteris: Comoediae plures in aula universitatis, me anuente et ut plurimum praesente, per pueros recitatae ac scenico plausu repraesentatae sunt.139 (Es war wahrlich eine höchst erinnernswerte Aufführung, wie sie weder ich noch die anderen vorher jemals gesehen hatten: Mit meiner Genehmigung und meist unter meiner Anwesenheit wurden in der Aula der Universität mehrere Komödien von Studenten rezitiert und unter dem Beifall der Zuschauer dargeboten.)

Ob Celtis auch Tragödien zur Aufführung gebracht hat, wie aus der von der sodalitas litteraria Rhenana verfassten Vita des Dichters hervorgeht, Primus comoedias et tragoedias in publicis aulis veterum more egit,140 ist umstritten.141 Es scheint sich hier allerdings um die gleiche Art von formelhaftem Lob zu handeln wie der oben (Kap. 8.2.2) erwähnte Preis Reuchlins als Komödien- und Tragödienschriftsteller durch Celtis. Neben diesen Rekonstruktionen antiker Theateraufführungen brachte Celtis auch selbst verfasste Spiele auf die Bühne. Bei ihnen allerdings handelt es sich um ein Theater ganz anderer Art. 142 ______________ 137

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Heinz KINDERMANN, Der Erzhumanist als Spielleiter. Maske und Kothurn 5 (1959), S. 33–43, S. 37, zitiert Johann Joseph Lochers »Speculum academicum viennense«: Conradus Celtes. Aulam Facultatis Artium sua opera renouauit, variisque picturis condecoravit. Vgl. die letzten beiden Strophen der Schlussode in seiner »Ars versificandi et carminum«: Tu celer vastas equoris per undas / Letus a grecis laciam videre / Invehens musas voluisti gratas / Pendere et artes // Sic velis nostras rogitamus oras / Italas ceu quondam aditare terras / Barbarus sermo fugiatque ut atrum / Subruat omne. Konrad Celtis, Ars versificandi et carminum. Leipzig: Konrad Kachelofen, 1486 (Exemplar UB Freiburg), fol. 24r. Vgl. dazu SCHÄFER, S. 3f. Zit. nach: RUPPRICH 21994, S. 649. Celtis, Briefwechsel, 1934, Nr. 339, S. 611. ROMMEL, S. 21; Adolf SCHUETZ, Die Dramen des Konrad Celtis. Diss. (masch.) Wien 1948, S. 13; KINDERMANN 1959, S. 36. Vertiefend zu den beiden Spielen vgl. Cora DIETL, Repräsentation Gottes – Repräsentation des Kaisers. Die Huldigungsspiele des Konrad Celtis vor dem Hintergrund der geistlichen Spieltradi-

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

8.4.2. Dichterkrönung als Festspiel. Ludus Dianae (1501) Zu Fastnacht 1501 hatte Maximilian sein Hoflager nach Linz verlegt, um dort gemeinsam mit seiner Frau Bianca Maria und deren Vettern Massimiliano und Francesco Sforza die Festtage zu begehen.143 Hier trat Konrad Celtis am 1. März mit Joseph Grünpeck und drei anderen Mitgliedern des Wiener Humanistenkreises und 19 ungenannten Sängern in einem selbst verfassten144 Singspiel auf, welches er in der Druckausgabe vom 13. 5. 1501 überschreibt mit:145 Ludus Diane in modum Comedie coram Maximiliano Rhomanorum Rege Kalendis Martijs et Ludis saturnalibus in arce Linsiana danubij actus: Clementissimo Rege et Regina ducibusque illustribus Medio lani totaque Regia curia spectatoribus: per Petrum Bononum Regium Cancellarium. Joseph Grunpekium Regium Secretarium. Conradum Celten: Regium: Poetam. Ulsenium Phrisium: Vin centium Longinum in hoc Ludo Laurea donatum foeliciter et iucundissime repre senta tus. (Diana-Spiel, in der Art einer Komödie vor Maximilian, dem Römischen König, am ersten März und im Rahmen der Saturnalien auf der Burg zu Linz an der Donau aufgeführt, vor dem höchst großzügigen König und der Königin, den ehrenwerten Herzögen von Mailand und dem ganzen königlichen Hof als Zuschauerschaft, fröhlich und höchst vergnüglich dargestellt von: Pietro Bonomi, dem Kanzler des Königs, Jo-

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tion, in: Das Theater des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation. Hrsg. v. Christel Meier u. a. Münster 2004 (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 4), S. 237–248. KINDERMANN 1959, S. 38f. Da er an keiner Stelle ausdrücklich als Autor genannt ist, sind gelegentlich auch andere der Mitwirkenden als Verfasser vermutet worden: Pietro Bonomi (VD 16, B6646) oder Vinzenz Lang (vgl. die Nachweise in: Virginia GINGERICK, The Ludus Dianae of Conrad Celtes. GR 15 (1940), S. 159–180, S. 161, A. 3). Zit. nach: GINGERICK, S. 170–180. Nicht übernommen wurden die Kursivierungen der Herausgeberin, welche die Auflösung von Abbreviaturen anzeigen. Weitere Editionen: Konrad Celtis: poeta laureatus. Ausgew., übers. und eingel. v. Kurt Adel. Graz/Wien 1960, S. 90–105 [stark normalisiert ohne Apparat]; Konrad Celtis, Ludi Scaenici. Hrsg. v. Felicitas Pindter. Budapest 1945 (Bibliotheca scriptorum medii recentisque avorum, 15/16 Saec., 13); SCHUETZ, S. 17–49.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm

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seph Grünpeck, dem Sekretär des Königs, Konrad Celtis, dem Dichter des Königs, dem Friesen [Dietrich] Ulsen und Vinzenz Lang, der in diesem Spiel den Dichterlorbeer erhielt.)

Die Worte des Titels bilden im Druck – hier nur schlecht wiederzugeben – die Form eines Trinkgefäßes, offensichtlich eine Anspielung auf den genannten Rahmen der Aufführung: Sie ist Teil der Fastnachtsfeierlichkeiten. Zugleich bildet sie ihrerseits den Rahmen für die Dichterkrönung des in der Rolle des Bacchus auftretenden Vinzenz Lang. Das Spiel ist zwar in modum Comedie ... actus, es aber als tatsächlich ‚Komödie‘ zu bezeichnen, scheint sich Celtis zu scheuen. Im Präludium tritt der Götterbote und Dichtergott Merkur auf, in Anlehnung an Plautus’ »Amphitruo«, wo der Götterbote im Prolog einräumt, dass es nicht korrekt sei, ein Spiel ganz und gar Komödie zu nennen, in welchem Könige und Götter auftreten (V. 60f.). Hier nun kündigt Merkur hac in aula (Z. 24) den Auftritt der Göttin Diana an, die sich König Maximilian unterwerfen und ihm huldigen wolle. Die Ständeklausel der Komödie ist damit gebrochen. Auf eine Raumillusion wird gänzlich verzichtet; Aufführungsort und Handlungsort sind miteinander identisch. Publikum und Darsteller sind ebenfalls kaum voneinander zu trennen. Anders als bei Grünpeck oder in Locher »Tragedia« tritt nämlich keine Maximilian-Figur auf, vielmehr ist dem zuschauenden (v.a. aber zuhörenden)146 König eine stumme Rolle zugeteilt. Die fünf Akte des Spiels bestehen jeweils aus einer Huldigungsrede einer mythologischen Gestalt an Maximilian (regem alloquitur, Z. 42, 101, 156, 232) und einem anschließenden Chorgesang des jeweiligen Hofstaats. Den Anfang macht Diana, ihr folgen Silvanus, Bacchus und Silenus, bis die Jagdgöttin schließlich im letzten Akt alle um sich vereint. Das Spiel zerfällt in zwei Teile. In Akt I–III wird Maximilian von den entsprechenden Gottheiten, d. h. mit dem Anspruch höchster Autorität, in den drei Rollen gepriesen, in welchen er sich auch in den drei Romanen »Theuerdank«, »Weißkunig« und »Freydal« verherrlichen ließ: Diana huldigt ihm als dem großen Jäger; Silvanus – hier wohl als Mars Silvanus zu verstehen – lobt ihn als Heerführer und fordert ihn zu hartem Eingreifen gegen die Franzosen, Türken, Venezianer und Eidgenossen auf; Bacchus preist ihn als Freund und Förderer von Festen. Hier wird in einer deutlichen Zäsur das Spiel unterbrochen. Vinzenz Lang alias Bacchus tritt aus seiner Rolle heraus, ebenso verlässt auch Maximilian seine Rolle des schweigenden, von Göttern und Faunen besungenen Fürsten und vollzieht nun an Lang die Dichterkrönung, nicht nach Regie des Spiels, sondern Ceremonijs solitis (Z. 210). Mit der Dichterkrönung ist der zeremonielle Höhepunkt der Feierlichkeit erreicht, das Spiel beginnt sich aufzulösen. Die letzten beiden Akte, die auf den Chorgesang folgen, welcher Maximilian dankt und Lang an seine Pflichten als poeta laureatus mahnt, sind deutlich reduziert. Sie setzen jetzt weniger auf verbale ______________ 146

Z. 38: Vos auribus sed cuncta nunc prehendite.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Inhalte als auf optisch und akustisch beeindruckende Auftritte: Silenus reitet in Akt IV auf einem Esel ein; seine kurze weinselige Rede leitet einen Umtrunk der Festgemeinschaft ein, welcher hier den Chorgesang ersetzt. Im letzten Akt schließlich treten alle 24 Darsteller gleichzeitig auf die Bühne; Diana preist abschließend Maximilian und Bianca Maria und bittet um Entlassung. Der vierstimmige Chor der anderen wartet nicht bis zum Ende, sondern fällt ihr, ihre Rede wiederholend, Verspaar für Verspaar singend ins Wort. Der »Ludus Dianae« ist eine Steigerung der von Grünpeck eingeführten Festspielform: Aufführungsrahmen und Aufführung überschneiden sich bereits im ersten Teil räumlich und personal; neben Maximilian werden schon im ersten Chorgesang Bianca Maria und die Hofgesellschaft mit einbezogen: Indulget festis regia tota iocis / Dedicat hanc Genio caesar cum coniuge noctem (Z. 95f.). Der Inhalt des Spiels, das Lob des Königs,147 entspricht zugleich dem Auftrag, welcher mit der Dichterkrönung, die das Spiel unterbricht, verbunden ist. Vinzenz Langs Gelöbnis, Cantabo laudes hic et vbique tuas (Z. 209), haben die anderen Hauptdarsteller, sämtlich poetae laureati oder comites palatii, bereits abgelegt.148 Damit ist das Spiel nicht nur feierlicher Rahmen der Dichterkrönung sondern zugleich Präsentation der Bedeutung derselben. Es ersetzt die sonst übliche panegyrische Rede des zu krönenden Dichters. Im zweiten Teil lassen sich dann, besonders am Ende von Akt IV, keine klaren Trennlinien mehr zwischen Fest und Spiel ziehen. Die Druckausgabe des Spiels gibt sich dementsprechend auch eher als eine Dokumentation einer erfolgten Feierlichkeit denn als eine Textausgabe eines nachspielbaren Dramas.149 Die Regieanweisungen stehen zum Teil im Präteritum und beschreiben oft ganze Szenenbilder, mit besonderer Betonung der Musik (zu der auch Noten überliefert sind), der Choreographie, der Kostüme und Requisiten. Nach dem ersten Akt heißt es z. B.: Post huius carminis recitationem Diana choro Nympharum stipata Laudes regis et regine cum Nymphis et Faunis quattuor vocibus cantat. Ipsa in medio choro corniculata stabat. Nymphis in chorea circa ipsam salientibus et hec carmina cantantibus (Z. 88–91). (Nach der Rezitation dieses Gedichtes singt Diana, umringt vom Chor der Nymphen, zusammen mit diesen und den Faunen ein vierstimmiges Loblied auf den König und

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Zum panegyrischen Zweck des italienischen Festspiels der Zeit vgl. Bodo GUTHMÜLLER, Mythos und dramatisches Festspiel an den oberitalienischen Höfen des ausgehenden Quattrocento, in: August Buck u. a. (Hrsg.), Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 2. Hamburg 1981 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 9), S. 103–112, S. 106–109; ders. 1986, S. 71–76. Dichterkrönungen: Celtis: 1487; Grünpeck: 1498; Ulsenius: 1501. Vgl. Alois SCHMID, Poeta et orator a Caesare laureatus. Die Dichterkrönungen Kaiser Maximilians I. Historisches Jahrbuch 109 (1989), S. 56–108. Eine Dichterkrönung Pietro Bonomis ist nicht nachgewiesen; er erwarb aber als Sekretär und Rat Friedrichs III. und seiner Nachfolger den Rang eines kaiserlichen Pfalzgrafen. Vgl. ZEDLERs Universallexikon, Bd. IV. Halle/Leipzig 1733, Repr. Graz 1961, Sp. 643, und die dort angegebene Literatur. Vgl. J.-D. MÜLLER 1982, S. 373, A. 40.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm

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die Königin. Sie selbst stand, die Mondsichel auf dem Haupt, in der Mitte der Nymphenschar, welche in einem Reigen um sie herum tanzten und die folgenden Verse sangen.)

Während sich hier Regieanweisung und Aufführungsbericht noch mischen, kann die Dichterkrönung selbst nur als Bericht wiedergegeben werden: Post recitationem illius Carminis: „conticuere omnes intentique ora tenebant“150 et mox Recitator Choriambi huius ad pedes Regis prouolutus Lauream his Carminibus a rege pecijt ... Poeta igitur Ceremonijs solitis per manus Regias creato totus chorus gratiarum actiones Regi cantauit tribus vocibus (Z. 203–205, 210f.). (Nach der Rezitation dieses Lieds „wurden alle ruhig und schwiegen mit gespannten Mienen“, und bald fiel der Sprecher dieses Choriambus dem König zu Füßen und erbat von ihm mit folgenden Versen den Lorbeerkranz ... Daraufhin wurde er nach den üblichen Zeremonien vom König zum Dichter gekrönt, woraufhin der gesamte Chor ein dreistimmiges Dankeslied an den König richtete.)

Ebenso kann am Ende des IV. Akts das Ausschenken von Wein durch die außerhalb des Spiels stehenden königlichen Mundschenken nur als ein Aufführungs-/ Festbericht, nicht als eine Regieanweisung verstanden werden: Hinc rursus silentium et pocula aurea et patere per Regios pincernas circumlate et inter pocula pulsata Tympana et cornua (Z. 247f.). (Hierauf herrschte wiederum Schweigen. Goldene Becher und Schalen wurden von den königlichen Mundschenken herumgereicht, und während des Umtrunks erklangen Pauken und Hörner.)

Die Rede des Silvanus in Akt II bildet den stilistischen Höhepunkt des Spiels. Im Druck wird der Leser ausdrücklich auf ihre Raffinesse aufmerksam gemacht. Nota praecedens carmen sex versus in capite et vnum in Litteris finalibus continet (Z. 137f.). (Man beachte: Das oben stehende Gedicht besitzt sechs Verse als Aktrostichon und einen als Telestichon.)

Dieselbe Information folgt noch einmal in einer offensichtlich auch erst im Druck eingefügten151 oder zumindest veränderten Figurenrede Silvans: Non auro redimita comas mea carmina sunto Nec sunt a tanto principe digna legi Arte tamen contexta diu qua nulla fuere Forsitan in nostris condita temporibus: Littere in extremo carmen tibi fine reponunt Et sex principio carmina lector habes (Z. 139–144). (Meine Verse zielen nicht darauf, dass mein Haar mit Gold bekränzt werde, noch sind sie würdig, von einem so hohen Fürsten gelesen zu werden, dennoch sind sie kunstvoll gebildet wie wohl schon lange keine mehr in unserer Zeit: Die Endbuchstaben ergeben einen Vers, und aus den Versanfängen kannst du, Leser, sechs Verse bilden.)

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Vergil, Aeneis II,1. PINDTER verschiebt deshalb die beiden Passagen in den Anhang.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Hier wird ausdrücklich der Leser Maximilian angesprochen, der im Telestichon und Akrostichon noch einmal zur tatkräftigen Wiederherstellung des Friedens in Europa aufgerufen wird. Auch am Ende des Spiels, nach dem Vermerk über des Königs reiche Bewirtung und Belohnung der Schauspieler am Tag nach der Aufführung (Z. 264–267), ist eine Anrede an Maximilian als Leser eingefügt. Während aber in letzterem Fall Sodalitas illa Carmina subiecit (Z. 266f.), scheint in Z. 139–144 allein der aus seiner Rolle heraustretende Silvanus (eventuell Celtis selbst)152 zum König zu sprechen und ihm seine besondere Huldigung zu überbringen, die nicht nur in der Aufführung, sondern auch in der Dokumentation des Spiels mit allen seinen Feinheiten besteht. Hier weist der Dichter darauf hin, wie er seinen Dienst als poeta des Königs versteht; vordergründig tritt er zwar gegenüber dem zu krönenden neuen poeta zurück, zugleich aber beweist er sowohl seine dem König gewidmete formale Meisterschaft als auch im Inhalt seiner Rede sein Selbstverständnis als poeta regis und damit als des Trägers einer aktiven Rolle in der Politik. Darin stimmt Celtis mit Locher überein. Dem »Ludus«, der die panegyrische Rede eines zu krönenden Dichters durch eine feierliche Präsentation mehrerer poetae laureati in ihrer Huldigungsaufgabe ersetzt und nicht zuletzt eine Demonstration der Dichtkunst und des Dichteramtes sein will, Komödienzüge nachzuweisen, fällt zunächst schwer. Das fröhliche Element allerdings wird von Anfang an betont: foeliciter et iucundissime representatus nennt sich das Spiel im Titel (Z. 16–20), Indulget festis regia tota iocis (Z. 95), heißt es im ersten Chorgesang. Bacchus, die Hauptfigur der Zeremonie, gibt sich als letitie dator / Impellens animos scribere carmina (Z. 161f.) zu erkennen. In seiner Rede wird deutlich, was zuvor mit den ioca, (Wort-)Witzen, gemeint war: Übermütig spielt er mit dem Verweis auf den Weinlaubkranz der Bacchanten auf den Dichterlorbeer an (Z. 166–168), im gleichen Ton beschreibt er die translatio des Weinbaus vom Osten über Griechenland und Italien nach Deutschland (Z. 172–180), schließlich habe auch Wien seinen Namen vom Wein (Z. 193f.) – ein Sprachwitz, der allerdings im Deutschen besser funktioniert hätte als im Lateinischen. Die Scherzhaftigkeit der Rede vor allem im zentralen, durchaus ernsten Teil fügt sich dem zeitlichen Rahmen der Aufführung, der Fastnachtszeit. Eine Aufführung nach Art einer comoedia wird daher nicht eine klassische Komödie meinen, sondern dürfte eher auf die volkssprachliche „Komödie“, also das Fastnachtspiel anspielen. Man hat, durchaus berechtigt, die Struktur des »Ludus Dianae« wiederholt mit dem Reihenspieltypus verglichen.153 Auch dies geht nicht vollständig auf; der fünfte Akt mit dem grande finale fällt aus diesem Schema heraus, ebenso die Unterbrechung nach dem dritten Akt, die Akteinteilung als solche sowie die mehrstimmige Chormusik, die von Tanzschritten begleitet ist. Die Aufführung „nach Art einer Komödie“ kann daher ebenso auf Grünpecks „Ko______________ 152 153

GINGERICK, S. 169. Ebd., S. 163; ZIELSKE, S. 135.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm

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mödien“ anspielen, deren Festspielcharakter Celtis überbietet. Er überbietet auch bei aller Scherzhaftigkeit den politischen Impetus von Grünpecks Werk. Ridens dicens verum erfüllt Celtis damit den Anspruch, den er in seiner Ingolstädter Rede für das Drama erhoben hat: Es soll dem Staat dienen. Dass die auf der Bühne vorgetragenen politischen Reden eindrücklicher sein können als orationes vom Rednerpult aus, zeigt v. a. auch sein zweites Theaterstück. 8.4.3. Ernsthafte Panegyrik. Rhapsodia (1504) Die »Rhapsodia«154 verzichtet auf eine Anspielung auf die Komödienform. Das Scherzhafte eines Fastnachtspiels steht ihr fern. Im Druck von 1505 lautet der vollständige Titel: Divo Maximiliano Augusto Chunradi Celtis UD\ZGƟD, laudes et victoria de Boemannis per septem electores et regem, Phoebum, Mercurium et Bachum et novem Musas personatas publico spectaculo Vienne acta anno M.D.IIII. (Lobgesang des Konrad Celtis für den kaiserlichen Maximilian und Triumph über die Böhmen, dargebracht durch die [maskierten/kostümierten] Figuren der sieben Kurfürsten und des Königs, Apolls, Merkurs, Bacchus’ und der neun Musen in einer öffentlichen Aufführung in Wien im Jahre 1504.)

Nicht die Fastnacht gibt hier den Rahmen vor, das spectaculum will vielmehr öffentlich Maximilians Sieg in der Schlacht bei Wenzenbach vom 12. 9. 1504 feiern, welche den Landshuter Erbfolgekrieg letztlich beendet hat. Diesen zeitgeschichtlichen Kontext betont ein Holzschnitt Hans Burgkmairs auf A1v des Drucks, welcher eine Szene aus der Schlacht darstellt.155 Der Holzschnitt ist einem deutschsprachigen Flugblatt entnommen, das bald nach der Entscheidungsschlacht bei Othmar in Augsburg gedruckt worden war.156 Auf ihm wird der Sieg als ein Zeichen und eine Aufforderung Gottes interpretiert, dass nun auch die andere Gefährdung der Christenheit, nämlich die Türken, mit gleicher Stärke zu überwinden seien.157 Die Aufführung der »Rhapsodia« fand vor dem 30. 11. 1504 statt, denn an diesem Tag schreibt bereits Augustinus Moravus aus Ofen an Celtis, er habe von der Darbietung gehört und rate Celtis dringend, den triumphus mit Komödienchor oder das ludicrum (er also sieht anders als Celtis immer noch eine Verbindung zur Komödie) zu publizieren.158 Eine Datierung der Inszenierung auf den 25. 11., das Fest der Heiligen Katharina, der Patronin der Artistenfakultät, an dem in Wien ______________ 154 155

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Zit. nach: PINDTER, S. 7–13; weitere Edition: SCHUETZ, S. 50–88. Konrad Celtis, Rhapsodia, laudes et victoria de Boemannis per septem electores et regem, ... Augsburg: Johann Otmar, 1505 (Exemplar UB Freiburg, MF 81/10). LUH 1991, S. 311. FÜSSEL 1986, S. 819–821 (mit Abb.). RUPPRICH 1934, Nr. 320, S. 575f.

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meist auch die feierliche disputatio quodlibet gehalten wurde,159 liegt daher nahe. Als Präsentation der sich selbst feiernden Fakultät für ein breites Publikum, in welcher der König wie die Kurfürsten, die Götter und Musen durch Schauspieler vertreten sind, hat das Spiel bereits von seiner Anlage her einen anderen Charakter als das in engem höfischem Festrahmen aufgeführte »Diana-Spiel«. Die Abwesenheit des Königs muss daher nicht auf eine mangelnde Beliebtheit von Celtis’ Aufführungen bei Hof hinweisen.160 Die Darsteller waren nicht wie beim »Ludus Dianae« bereits etablierte Dichter und Hofbeamte, sondern ausgewählte Studenten aus dem Adel und dem Wiener Patriziat, welche später in bedeutende Positionen aufrücken sollten.161 Ihre Lobreden im Spiel bilden eine Einheit mit einer Reihe von panegyrischen Gedichten, welche dem Druck beigegeben sind. Diese stammen von gesellschaftlich weniger hochgestellten Studenten des Kollegs. Die Verbindung des Spiels zum Lehrbetrieb wird durch diese Zusammenstellung imDruck verdeutlicht. In einem den Schülergedichten beigegebenen Widmungsbrief an Maximilian (B1r)162 legt Celtis einen Rechenschaftsbericht über seine Tätigkeit am collegium poetarum et mathematicorum ab, welches unter dem Auftrag Maximilians gestanden habe, ut ... eloquentiam Romanam veteremque et solidam philosophiam inferrem (1). Die Edition der Lieder soll seinen Lehrerfolg belegen und zugleich dem Stifter des Kollegs huldigen, genu nixi, ut coram deo fit (9). ... quorum obsequiosa carmina, tanquam castrensia quaedam munera, ex Collegio tuo tanquam signa miltaria manipulariter prodeuntia, rex invictissime, placida et serena fronte suscipe. Qui ubi aetate et tempore (nam dies diem docet et liber librum aperit) maiorem eruditionem nacti fuerint, longe maiora in laudes maiestatis tuae ad posteritatem conscribent (10f.). (Nimm, unbesiegbarer König, freudig und heiter ihre [der Studenten] willfährigen Lieder an: wie Geschenke aus dem Feldlager, nämlich deinem Kollegium, und wie Feldzeichen, die den Soldaten vorausschreiten. Sobald sie [die Studenten] durch Alter und Studienzeit (denn ein Tag lehrt den anderen und ein Buch öffnet das andere) eine größere Bildung erlangt haben werden, werden sie weit Gewichtigeres zum Lob deiner Hoheit schreiben und der Nachwelt überliefern.)

Als Lob Maximilians für die Nachwelt, als Huldigung an den Herrscher und zugleich als Übung künftiger Redner ist die »Rhapsodia« zu verstehen. Zur ihrer Standortbestimmung unter den von verschiedenen Dichtern vorgetragenen Lobpreisungen Maximilians erklärt Celtis in einem dem Spieltext vorangestellten Gedicht: ______________ 159

160 161 162

Paul UIBLEIN, Die Universität Wien im Mittelalter. Beiträge und Forschungen. Hrsg. von Kurt Mühlberger und Karl Kadletz. Wien 1999 (Schriftenreihe des Universitätsarchivs 11), S. 92. J.-D. MÜLLER 1982, S. 259. SCHUETZ, S. 136f.; J.-D. MÜLLER 1982, S. 45. Zit. nach: PINDTER, S. 19f.; vgl. SCHUETZ, S. 193–198.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm

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Cum tot arithmarii scribant tibi rhemate laudes, Caesar, et impressis dent tua gesta notis, Nemo tamen, spero, placeat magis, inclyte Caesar, Quam nos, qui Latiis scribimus acta notis. Nostra leget Gallus, Boemannus, Sarmata, Panno, Romulus, Hispanus, Vasco, Britannus, Eryx. Illorum nostris tantum admirantur in oris Rhemata; non alias sunt aditura plagas (A1r).163 (Wenn auch noch so viele Dichter deine Lobpreisungen, o König, dichten und deine Taten in den Druck geben, so hoffe ich doch, dass niemand, berühmter König, dir mehr zu Gefallen ist als wir, die wir die Taten in Latein aufschreiben. Unser Werk werden der Gallier, der Böhme, der Pole, Ungar, Römer, Spanier, Baske, Bretone, Ire lesen; die Dichtungen jener aber werden nur in unseren Gefilden bewundert, in andere Gegenden werden sie nicht gelangen.)

Die Verwendung der lateinischen Sprache in seinem Spiel rechtfertigt Celtis mit ihrer universalen Verständlichkeit; volkssprachliche Lobgedichte164 erreichten nur die Landsleute, lateinische Dichtung aber werde auch von den anderen und v. a. von den Gegnern des Reichs gelesen. Ähnlich begründet auch Locher im Prolog der »Stultifera navis« seine Übersetzung (8v).165 Celtis allerdings will nicht wie Locher den anderen Nationen eine ihnen heilsame Lehre mitteilen, er will sie vielmehr vom Glanz der Taten Maximilians überzeugen. Er versteht die »Rhapsodia« als Teil des gedechtnus-Werks. Die angestrebte weite und lange Rezeption des Werks bedeutet zugleich, dass seine Wirkung nicht allein in der Aufführung zu suchen sei, sondern auch im gedruckten Text. Deshalb ist die »Rhapsodia« anders als der »Ludus Dianae« keine Dokumentation eines Festes; die Regieanweisungen beschränken sich weitestgehend auf Sprechernennungen, auf Angaben zu den Kostümen wird verzichtet; Noten sind nicht überliefert. Das Gewicht der Ausgabe liegt auf den einzelnen Reden, welche rhapsodisch aneinander gereiht sind. Sie konstruieren gemeinsam, weit differenzierter als im »Ludus Dianae« und mit sehr viel stärkerer Akzentsetzung auf die politischen Taten Maximilians, ein Bild des „vergöttlichten“ Kaisers. Zu diesem „Bildgedicht“ gehört auch das verbale Nachzeichnen des Bühnenbilds, wo dieses die Aussage des Spiels unterstreicht, und zwar in den Reden der einzelnen Figuren. Besonders ausdrucksstark ist die Anfangsszene. Sie verbildlicht die Formulierung aus dem Widmungsbrief der Schülergedichte, dass sich die Mit______________ 163 164

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Zit. nach: PINDTER, S. 16. Paul JOACHIMSEN, Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus. Leipzig/Berlin 1910, Neudr. 1968 (Beitr. zur Kulturgesch. des MA und der Renaissance 6), S. 164, vermutet, dass hier der »Theuerdank« gemeint sei. HARTL II, S. 40. Vgl. dazu: Joachim KNAPE, Humanismus, Reformation, deutsche Sprache und Nation, in: Nation und Sprache. Die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart. Hrsg. v. Andreas Gerdt. Berlin u. a. 2000, S. 103–138, S. 119.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

glieder des Dichterkollegs Maximilian genu nixi, ut coram deo fit, näherten: Die Kurfürsten nehmen Platz, und der Ausrufer (paresiphanus) beschreibt die Szene: Ceu septem adverso discurrunt sidera motu. Inter quae medius, splendide Phoebe, micas, Sic Caesar residet septeno numine cinctus, Sancta ubi maiestas et Iovis ales adest. (A2r, V. 1–4) (So wie sich die sieben Planeten in [dem Fixsternhimmel] entgegengesetzter Richtung bewegen, in deren Mitte du, glänzender Phöbus, erstrahlst, so thront der König, von siebenfacher Hoheit umgeben, dort, wo die heilige Majestät und der Vogel Jupiters ihren Sitz haben.)

Der thronende König, auf beiden Seiten flankiert von den Kurfürsten, bildet auf der Bühne oder in der Imagination des Lesers den absoluten Mittelpunkt der Szene. Die Anwesenheit von Jupiters Adler sowie der Vergleich mit Phöbus, der sich auf der mittleren Planetenbahn bewegenden, alle anderen Sterne überstrahlenden Sonne, stellen Maximilian auf eine quasi-göttliche Ebene. Antike Vorbilder, wie etwa die v. a. von Augustus kultivierte Gleichsetzung des Kaisers mit Apoll und Jupiter,166 und christliche, wie v. a. die in einigen Fronleichnamsspielen enthaltene Huldigung Gottes durch die Engel und Sphären,167 stehen hier nebeneinander. Boccaccios »Genealogiae deorum gentilium« dürften dem „Erzhumanisten“ für dieses Anfangsbild einige Anregungen gegeben haben. Boccaccio stellt zu Beginn seines Werks Jupiter, ein Bild für den christlichen Gott (II, ii, 23),168 als Zentrum der Planetenlaufbahnen in den Mittelpunkt seiner Darstellung. (Die Holzschnitte des Venezianer Drucks der »Genealogien« von 1497 setzen dies auch optisch um.) Nach der effektvollen Präsentation von Maximilians Würde ruft ein Herold die iuvenes (gemeint ist offensichtlich das Dichterkolleg) auf: Maximilianeos ... celebremus honores / Carminibusque suas tollamus ad aethera laudes (V. 5f.). Mit dem Sieg über die ab Arctoo axe (dem traditionell mit dem bösen, Widergöttlichen assoziierten extremen Norden) hereinbrechenden Böhmen – sie unterstützten Ruprecht von der Pfalz im Bayerischen Erbfolgekrieg – habe er den ewigen Frieden eingeleitet. Der paresiphanus fordert nun Apoll und die Musen auf, dem König, dem sie unterlegen zu sein scheinen, zu huldigen: Victor enim magno vestro inflammatus amore Iusserat Austriacis vos his residere sub oris. (A2r, V. 14f.)

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LUH 1991, S. 309, analysiert hier Celtis’ Rezeption von Ovids Lob auf Augustus. Z.B.: »Egerer Fronleichnamspiel«; »Künzelsauer Fronleichnamspiel«; »Freiberger Passionsspiel«; »Chester Corpus Christi Cycle«. Vgl. DIETL, Repräsentation, 2003. Jacob Locher streicht diese Stelle in seinem Privatexemplar der »Genealogien«, UB München, 2° Inc. lat. 708, fol. 16v an und vermerkt am Rand: zeus = vita. Jupiter optimus Maximus. Boccatius, Joannes, Genealogie cum demonstrationibus in formis arborum designatis ... Venedig: Bonetus Locatellus für Octavianus Scotus 1494 (Hain 3321, GW 4478). – Bereits Dante hatte diese Gleichsetzung vollzogen; auf Beispiele aus der Karolingerzeit verweist HARTL I, S. 105.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm

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(Der Sieger nämlich, in großer Liebe zu euch entflammt, hatte befohlen, dass ihr euch hier in Österreich niederlassen solltet.)

Der Triumph Maximilians und seine Förderung der Dichtkunst werden unmittelbar miteinander in Verbindung gesetzt; die Dichtung dient, wie im Folgenden vorgeführt und wie in seinem gesamten Gedächtnis-Werk vorgesehen, der Verherrlichung der ruhmreichen Taten des Königs. Nun erscheint Apoll, begleitet von Merkur und dem von Satyrn und Faunen umgebenen Bacchus, der sich als Inspirator der Dichter versteht (V. 27). Phöbus ruft die Musen herbei und verspricht, sie auf der Kithara zu begleiten, wenn sie summi victoris honores (V. 16) singen. Dies tun sie im Folgenden. Clio besingt Maximilians Erfolg in der Feldschlacht wie den Auftritt eines Löwen unter wilden Stieren; Thalia preist ihn, dass er die Böhmen in den Hinterhalt zu Regensburg trieb wie Vieh in einen Pferch; Melpomene erwägt eine göttliche Abkunft Maximilians, während Euterpe seine Kampfstärke und seine Erfolge gegen die Franzosen, Friesen, Bretonen und alle Feinde Österreichs lobt. Polyhymnia hebt hervor, dass er sich von Kindheit an stets in Kampf und Jagd geübt habe, und erinnert an seine Kämpfe gegen Frankreich und gegen die rebellischen Städte in Flandern und Geldern. Sie betont seinen Kampfesmut, verschweigt aber alle Misserfolge, wie v. a. die Gefangenschaft Maximilians in Brügge. Erato erklärt, niemand sei ihm im Zweikampf gewachsen; Terpsichore sichert ihm immerwährenden Ruhm zu, der er die Römer und Griechen bald an Heldentaten übertreffe. Nicht nur den römischen Kaisern aber werde er gleichkommen, erklärt Calliope, sondern auch den germanischen: Karl dem Großen, den Ottonen, Barbarossa etc. Urania schließlich hofft eine Steigerung seines Ruhms und seiner Taten nach der Kaiserkrönung: Dann werde er die Türken und die Hussiten aus Europa vertreiben, dann werden pax, sancta fides, pietas, concordia, virtus, integritas und sancta religio (V. 180f.) auf der Welt herrschen, und wenn dann Maximilian sein Lebenswerk als Friedenskaiser vollbracht hat, Exactis fatis, mox te referemus ad aulam, Qua residet, totum nutu qui temperat orbem. (A4r, V. 184f.) (wenn das Schicksal erfüllt ist, werden wir dich bald in den Saal bringen, wo der thront, der die ganze Welt mit einem Kopfnicken in ihre Schranken verweist).

Urania greift hier das auf der Bühne präsente Bild des thronenden Herrschers wieder auf und interpretiert es als den Abglanz des göttlichen Weltenherrschers. Zu diesem Urbild – und dies darf, nachdem Augustinus Moravus im Widmungsbrief Celtis als seinen complatonicus anredet,169 durchaus im platonischen Sinne verstanden werden – soll Maximilian, wenn er seine Rolle als Abbild Gottes in der Welt erfüllt haben wird, zurück geführt werden: von den Musen, welche im Diesseits bereits seinen Ruhm zu den Sternen tragen. ______________ 169

PINDTER, Appendix II, A3, S. 16.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

In dieses in sich geschlossene Adorations-Bild des noch nicht gänzlich zu seiner Vollkommenheit gelangten Endkaisers und irdischen Abglanzes Gottes bricht eine neue Handlung ein durch das Auftreten einer persona interposita laureanda. Aus der Rollenverteilung ist erkennbar, dass es sich um Sigismund Fuchsmagen handelt, der die Rolle des Merkur spielte. O veniat lux, wirft er ein, illa tuis decreta triumphis (V. 188). Den Sieg Maximilians über die Türken stilisiert er zu einer neuen Schöpfung. Dann, wenn die Stätten des antiken Griechenlands wiedererstehen und wenn die Quellen der Musen frei zugängig sind, dann werde er zu singen beginnen – oder aber schon jetzt, wenn der König ihn zum Dichter kröne. Er gibt das zur Zeremonie gehörige Versprechen, dass er stets das Lob Maximilians singen werde (V. 201f.). – Keinerlei Hinweis gibt der Text, ob und wie die Dichterkrönung an dieser Stelle tatsächlich stattgefunden hat. KINDERMANN hält sie allein für ein „Symbolum“,170 während RUPPRICH die Rechtsgültigkeit der Dichterkrönung nicht problematisiert und erklärt, Fuchsmagen habe „von dem die Rolle des Kaisers agierenden Spieler den Lorbeerkranz“ erhalten.171 SCHUETZ geht von einer fiktiven Dichterkrönung aus, wendet allerdings ein, dass Celtis hier sein Recht zur Dichterkrönung ausgeübt haben könnte.172 Tatsächlich sind weder Celtis noch die Figur des Königs in der Rollenliste genannt, was die Lösung, dass Celtis die Königsrolle übernommen habe, sehr wahrscheinlich macht. Die auf die Dichterkrönung folgenden Chorlieder jedenfalls stehen denen im »Ludus Dianae« nicht fern. Hier finden sich auch die einzigen ausführlichen Regieanweisungen im Stück: Chorus Musarum canunt et ad numerum saltant Phoebo cum cithara in medio stante (202a) und Bacchus cum Satyris ad numerum saltat et canit raptis musis (212a). Apoll wünscht Maximilian weiterhin militärische Triumphe, Bacchus preist den König als Förderer der Künste und speziell der Dichter und hofft, dass er die Türken, Polen, Schweden und Böhmen schlage (A5r). Merkur schließt, actum concludit, mit einer huldigenden Widmung an Maximilian, welche die Übergabe des Spieltexts an den König fiktiv auf die Bühne stellt: Hoc tibi casta cohors, rex invictissime, carmen Offert devotis candida pectoribus Commendatque tibi iam flexo poplite Musas, Quae te perpetua laude sub astra ferent. (A5v, V. 229–232) (Dieses Lied, unbesiegbarer König, überreicht dir eine ehrliche, fromme Schar mit ergebenem Sinn und empfiehlt dir jetzt mit gebeugtem Knie ihre Musenkünste, welche dich in ewigem Lobgesang zu den Sternen tragen werden.)

Wie in der Widmung der Schülergedichte stellt hier also die gesamte Schule ihre Künste in den Dienst Maximilians. Die Musen, welche dem König Loblieder sangen, werden nun kenntlich als Personifikationen der Dichtkünste, über welche ______________ 170 171 172

KINDERMANN 1959, S. 42. RUPPRICH 21994, S. 645. SCHUETZ, S. 83, A. 1 und S. 143f.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm

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die Schüler im Collegium verfügen. So wie prophezeit war, dass die Musen gleichsam als Engel die Seele Maximilians am Ende seiner Tage zu Gott bringen werden, werden die Lieder der jungen Dichter sein Lob in den Himmel tragen und unsterblich machen. Die Figur des Königs endet mit einem Lohn- und Schutzversprechen, welches einen spielerischen Hinweis auf die bei Aufführungen bei Hof übliche anschließende Bewirtung der Schauspieler darstellt, zugleich und vor allem aber ein Ausdruck dessen ist, wie Maximilian zu seinem Dichterkolleg und zu den Mitarbeitern an seinem Gedächtniswerk steht. Deshalb kann sich daraufhin Merkur, d. h. Fuchsmagen, an dem der Lohn Maximilians allen offenbar geworden ist, mit einer Bildungswerbung ans Publikum wenden: ite sub aedes, / Devota et Musis mente favete sacris! (A5v, V. 237f.) Als Aufführung ist die »Rhapsodie« eine Siegesfeier für Maximilian, eine öffentliche Verherrlichung des Königs und zugleich eine Vorstellung des mit Maximilian engstens verbundenen und von ihm geförderten Dichterkollegs vor der gebildeten Öffentlichkeit. Im Druck will sie das Lob Maximilians verbreiten, auch mit einer gewissen Drohgeste gegen die Gegner Maximilians. Sie gibt sich zugleich aber auch als Geschichtsschreibung. Nur verstreut und in Anspielungen zwar wird auf historische Fakten hingewiesen. Was Celtis unter den acta Maximiliani versteht, ist offensichtlich keine chronikartige Darstellung vergangenen Geschehens. Er will vielmehr die welt- und heilsgeschichtliche Rolle Maximilians verdeutlichen. Ihm seinen Platz in der Eschatologie zuzuweisen, ist, was Celtis hier unter Geschichtsschreibung versteht. Dies gelingt nicht nur durch die einzelnen Gedichte, sondern v. a. durch den optischen Eindruck des Thronsaals des Weltenherrschers, der, von den „Planeten“ umringt und von „Engeln“ gepriesen,173 in der Rede vom Thron Gottes widergespiegelt wird. Diese wirksame Verbindung von Raumbild und Rede ist im Drama möglich. Celtis nutzt die Möglichkeiten des audiovisuellen Mediums hier geschickt, ohne Rückgriff auf klassische dramatische Gattungen und unter Vermeidung der Bezeichnungen comoedia und tragoedia. Auch Locher feiert in seiner »Historia« und seiner »Tragedia« einen Sieg Maximilians, wenn auch in letzterem Fall einen fiktiven. Das Maximilian-Bild, das von beiden Autoren vermittelt wird, sowie die politische Botschaft, welche sie in ihren Werken transportieren, sind eng miteinander verwandt; unterschiedlich aber sind ihre Darstellungsmethoden. Wo bei Locher das Handlungsschema der Tyrannentragödie den Weg bis zu Maximilians Triumph vorgibt und damit der Geschichtsverlauf geradezu als notwendig erscheint, setzt Celtis erst im Moment des Triumphes ein und beschreibt ein stehendes Bild, welches nach Vervollkommnung ruft. Trotz dieser grundsätzlichen Verschiedenheit nimmt Locher ______________ 173

Vgl. Boccaccio XI, ii: Die Musen, Töchter Jupiters, entsprächen den himmlischen Sphären und fänden ihre Bestimmung im Lobgesang.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

Anregungen aus Celtis’ Spielen auf. Nur ein Jahr nach Erscheinen des »Ludus Dianae« verfasst auch er ein mythologisches Spiel, das »Spectaculum de iudicio Paridis« (vgl. Kap. 11). Die »Rhapsodia« dagegen fand einen Nachahmer in Lochers Freiburger Nachfolger Hieronymus Vehus, der 1505 in seinem »Triumphus Boemicus« noch einmal Apoll und die Musen den Sieg Maximilians über die Böhmen besingen lässt, allerdings mit deutlich anderer Ausrichtung, da der Kontext des Dichterkollegs, welches seinen Gründer preist, in der zwar auch habsburgisch, aber nicht von Maximilian gegründeten Universität Freiburg fehlt (vgl. Kap. 12.3).174 8.4.4. Ein drittes Spiel? Burgkmairs Allegorischer Reichsadler Dass Konrad Celtis ein drittes Spiel verfasst haben könnte, wird erwogen, da für Februar 1506 eine Aufführung unter seiner Leitung vor Maximilian bezeugt ist.175 In einem Holzschnitt von Hans Burgkmair, dem »Allegorischen Reichsadler«, hat die ältere Forschung das Titelblatt dieses verschollenen Spiels, demnach eines allegorisch-mythologischen Festspiels, gesehen,176 nicht zuletzt da aus Celtis’ Epigramm V, 62 (Ad aquilam Joannis Burgkmair) hervorgeht, dass er einen Text zu dem Bild verfasst hatte: Burgkmair hanc aquilam depinxit arte Joannes / Et Celtis pulchram texuit historiam (V. 1f.). Dass es sich bei dieser historia aber um einen Spieltext gehandelt habe, kann nicht nachgewiesen werden; der Adler stellt vielmehr das Programm des Dichterkollegs in allegorischem Gewand dar,177 und das in Folioformat, was für eine Spielschrift eher ungewöhnlich wäre.178 Der Körper des Adlers beschreibt die Stufen vom Eintritt ins Dichterkolleg (dargestellt in der Entscheidung des Paris zwischen den Göttinnen oder aber, nach dem Vorbild des Herkules am Scheideweg, zwischen dem seinen Intellekt weckenden Merkur und und der ihn einlullenden Discordia) über das Erlernen der Freien Künste und der Dichtkunst bis zur Erlangung des Dichterlorbeers, welcher den Poeten als Herold des Kaisers auszeichnet. Da das Dichterkolleg im Jahr 1506 bereits im Untergang begriffen war, argumentiert Peter LUH einsichtig, dass der Holzschnitt in seiner Konzeption bereits auf die Jahre 1503/04 zu datieren sei und so nichts mit der Aufführung von 1506 zu tun habe.179 ______________ 174 175 176

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Moravus verweist außerdem in seinem bereits erwähnten Brief auf eine der »Rhapsodie« verwandte Dichtung eines Siculus. Celtis, Briefwechsel, Nr. 320, S. 576. SCHUETZ, S. 166. KINDERMANN 1959, S. 42f.; ROLOFF 1959, S. 654; KINDERMANN 1969, S. 258; RUPPRICH 21994, S. 645; BURGER, S. 309f.; SCHUETZ, S. 166–171. Nur mit Fragezeichen spricht HADAMOWSKI von Celtis’ angeblichem Paris-Spiel von 1506. Franz HADAMOWSKI, Wien. Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Wien/München 1988 (Geschichte der Stadt Wien III), S. 72. WUTTKE 1986, S. 15 u. 42f. LUH 2002, S. 89. Ebd., S. 88f.

8.4. Konrad Celtis: Theater als Programm

Hans Burgkmair, Allegorischer Reichsadler.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

8.5. Heinrich Bebel, der Poet als Lateinlehrer und königlicher Rat Nur wenige Monate nach Vinzenz Langs von Celtis gefeierter Dichterkrönung erhielt der Tübinger Rhetorikprofessor Heinrich Bebel den Dichterlorbeer. Er stand außerhalb des engen Kreises um Maximilian; sein erster Bezugspunkt war (ähnlich wie bei Wimpheling, der sein dichterisches Vorbild werden sollte) die Fürstenuniversität. Die Universität Tübingen war seit Ihrer Gründung (durch Graf Eberhard von Württemberg) durch ein sehr enges Verhältnis zu ihrem Landesfürsten geprägt. Dieser, obgleich oder gerade weil er die lateinische Sprache nicht beherrschte, widmete sich in besonderer Weise der Wissenschaftspflege, bemühte sich, eine möglichst große Zahl hervorragender, auch in der Praxis erprobter Gelehrter um sich zu scharen, welche er mit Professuren an der Universität und (Rats-) Aufgaben am Hof versah.180 An einem dogmatischen Humanismus war Eberhard wenig interessiert, ihm ging es neben der Förderung der Wissenschaft, welche er als einen Frömmigkeitsakt begriff,181 um eine Perfektionierung der Landesstrukturen und der fürstlichen Herrschaft und um sein Prestige.182 Deshalb versuchte er von vornherein Schulstreitigkeiten an der Universität zu unterbinden; er räumte auch den moderni und den antiqui gleiche Rechte ein; äußeres Bild dieser (trennenden) Gleichberechtigung sind die gesonderten Treppenaufgänge für die beiden scholastischen Schulen an der von Eberhard gestifteten Burse. Die entsprechenden Harmonisierungstendenzen zwischen Scholastik und Humanismus gingen so weit, dass Heiko OBERMAN dem (Früh-) Humanismus in Tübingen sogar seine Existenz abspricht.183 Heinrich Bebel aus Justingen-Ingstetten,184 der von 1496 bis zu seinem Tod im Jahr 1518 die Tübinger Lektur für Poesie innehatte (auf der es Locher 1492 gerade einmal ein Vierteljahr aushielt), hatte gemeinsam mit Johannes Grünpeck in Krakau studiert, bevor er 1495 nach Basel wechselte, wo er Anschluss an den humanistischen Kreis um Sebastian Brant fand und nicht zuletzt mit demselben ______________ 180

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Dieter MERTENS, Eberhard im Bart und der Humanismus, in: Eberhard und Mechthild. Untersuchungen zu Politik und Kultur im ausgehenden Mittelalter. Hrsg. v. Hans-Martin Maurer. Stuttgart 1994 (Lebendige Vergangenheit 17), S. 35–81, S. 47f., 50, 56 u.ö. Dieter MERTENS, Eberhard im Bart als Stifter der Universität Tübingen, in: Attempto – oder wie stiftet man eine Universität. Die Universitäten der sog. zweiten Gründungswelle im Vergleich. Hrsg. v. Sönke Lorenz. Stuttgart 1999 (Contubernium 50), S. 157–173, S. 161. MERTENS, Eberhard im Bart, 1994, S. 58, 68. Heiko Augustinus OBERMAN, Der Mythos des Tübinger Humanismus, in: ders., Werden und Wertung der Reformation. Vom Wegestreit und Glaubenskampf. Tübingen 21979, S. 17–27; bestätigt in: Jozef IJSEWIJN, Companion to Neo-Latin Studies, Bd. 1. Leuven 21990 (Supplementa Humanistica Lovaniensa 5), S. 182. Dagegen aber: Sönke LORENZ, Fürst – Dichter – Universitätsgelehrter. Zum Frühhumanismus an der Universität Tübingen, in: Encomia-Deutsch. Sonderheft der deutschen Sektion der ICLS. Hrsg. v. Christoph Huber. Tübingen 2000, S. 8–26. Beide Orte sind heute Stadtteile von Schelklingen.

8.5. Heinrich Bebel, der Poet als Lateinlehrer und königlicher Rat

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Drucker zusammenarbeitete wie Brant und Locher: Johann Bergmann von Olpe, bei dem u. a. auch 1494 Wimphelings »Stylpho« erschienen war.185 Als ehemaliges Mitglied der Universität Basel stand auch Johannes Vergenhans, der Kanzler der Universität Tübingen und ein enger Vertrauter Eberhards d.Ä., mit dem Humanistenkreis um Brant in Verbindung.186 Mit ihm traf sich Locher direkt nach seiner Rückkehr aus Italien,187 und auch später stand er mit ihm in guter Beziehung.188 Vergenhans stammte wie Bebel aus Justingen. Er und sein Bruder Ludwig, kaiserlicher Rat und Probst des Heiligkreuzstifts in Stuttgart, gehörten zu den Fürsprechern Bebels bei dessen Berufung, die noch kurz vor Eberhards Tod ausgesprochen wurde;189 Ludwig Vergenhans unterstütze den Dichter später zusammen mit Matthäus Lang in seinem Streben nach der laurea.190 Noch im Jahr seiner Dichterkrönung, welche, nachdem Maximilian aus Empörung über das ständische Reichsregiment den Nürnberger Reichstag verlassen hatte, am 30. 5. 1501 nicht dort, sondern am Innsbrucker Hof stattfand,191 führte Bebel mit seinen Studenten in Tübingen eine Komödie auf: die »Comoedia de optimo studio iuvenum«. Die früheste Ausgabe der später noch mehrfach nachgedruckten und weit verbreiteten »Comoedia« findet sich in einem Sammelband aus dem Jahr 1504.192 In ihm steht an erster Stelle die Rede Bebels bei seiner Dichterkrönung, Oratio ad regem Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germaniae, eine Lobrede auf das Deutsche Reich. Es schließen sich Lieder gegen falsche Propheten und Widersacher von Reich, Religion und König an sowie eine Widerlegung der Trojanergenealogie der Germanen. Danach folgen als bildungspolitische Werke eine Lektüreempfehlung für das Studium der Eloquenz und die »Comoedia«. Den Abschluss des Bands bilden eine Reihe von verschiedenen Kleindichtungen und die Oratio de utilitate linguae Latinae. Herrscherlob, Bildungspropaganda und eine Selbstdarstellung poetischer Vielfalt stehen beieinander.193 Einen solchen Sammelband hatte ______________ 185

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Wilfried BARNER, Einführung, in: Heinrich Bebel, Comoedia de optimo studio iuvenum. Über die beste Art des Studiums für junge Leute. Hrsg. u. übers. v. Wilfried Barner u. Mitarb. Stuttgart 1982, S. 103–173, S. 140. Zu Johannes Vergenhans vgl. die in Tübingen entstehende Dissertation von Matthias WEBER mit dem Arbeitstitel: Humanistische Geschichtsschreibung im scholastischen Gewand: Die Darstellung der Alten Geschichte in der Weltchronik des Johann Vergenhans. HEHLE I (1873), S. 15. Dieter MERTENS, Bebels Einstand, in: Aus südwestdeutscher Geschichte. FS Hans-Martin Maurer. Hrsg. v. Wolfgang Schmierer u. a. Stuttgart 1994, S. 307–324, S. 321 unter Verweis auf Lochers Widmung der »Oratio de studio humanarum disciplinarum« an Vergenhans. Ebd., S. 312. MERTENS, Bebelius, 1983, S. 161. Ebd., S. 147. Heinrich Bebel, Oratio ad regem Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germanie. Contra quendam pseudopropheten … Pforzheim: Thomas Anshelm, 1504 (Exemplar UB Tübingen). Zur Zusammenstellung vgl. auch: Klaus GRAF, Heinrich Bebel (1472–1518). Wider ein barbarisches Latein, in: Humanismus im deutschen Südwesten. Biographische Profile. Hrsg. v. Paul Gerhard Schmidt. Sigmaringen 1993, S. 179–194, S. 183.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

auch Locher anlässlich seiner Dichterkrönung 1497 herausgegeben.194 An ihm dürfte sich Bebel ein Vorbild genommen haben.195 Der Tübinger poeta schiebt nicht, wie BARNER es ausdrückt,196 eine comoedia nach, während alle anderen sie vor der Dichterkrönung aufgeführt hätten, sondern er kehrt wie vielleicht auch Locher von der Dichterkrönung an die Universität zurück und demonstriert der Universitätsöffentlichkeit sein neues Amt in einem Schauspiel, das er dann später zusammen mit der Dichterkrönungsrede publiziert. Rede und Spiel bilden eine Einheit als Etablierung des neuen Verhältnisses zum König und dessen Demonstration nach außen. Hier aber tritt Bebel ganz anders auf als der Philomusus. Bereits bei der Veröffentlichung seiner »Carmina« direkt nach seiner Berufung 1496 hatte er gezeigt, dass er über die vergangenen Konflikte Lochers mit den Juristen der Universität Tübingen informiert war und die Fehler seines Amtsvorgängers zu vermeiden versuchte.197 Ebenso bedacht reagiert er nun in der Oratio ad regem auf Lochers Vorgabe, welche durch Celtis’ »Ludus Dianae« nun auch noch eine Bestätigung gefunden hatte: Scio itaque imperator sacratissime moris esse eorum. qui apud te oratorio munere funguntur. ut longa serie: maximo verborum ambitu: gravissimisque et ampullosis sententiis te cohortarentur ad pacem Germaniae. universalique aecclesiae Romanae componendam. Quique persuadeant expeditiones in Turcarum ferocissimam gentem (a2v). (Ich weiß also, ehrwürdigster Kaiser, dass diejenigen, die dir eine Rede widmen, dich mit langen Ausführungen, mit dem größten verbalen Aufwand und mit pompösen und schwülstigen Phrasen dazu aufzufordern pflegen, den Frieden für das Deutsche Reich und für die allumfassende Römische Kirche (wieder-) herzustellen, und damit für Feldzüge gegen das bestialische Volk der Osmanen werben.)

Eine politische Ermahnungsrede an den Herrscher lehnt Bebel ab; sie bedeute, Eulen nach Athen zu tragen, ja, noch mehr, eine Anmaßung gegenüber Maximilian, der in diesen Dingen sehr viel erfahrener sei als der Dichter; ne ego (ut est in proverbio) Minervam docere velle videar ... (a2v). In der Ablehnung solcher unqualifizierter, nur auf den eigenen Gewinn bedachter „Ratgeber“ des Römischen Königs steigert sich Bebel bis zu der Formulierung, Maximilian brauche ihren Rat so wenig wie Hannibal den eines Phormio gebraucht hätte (a2v). Dem Seitenhieb gegen die Dichterkollegen (speziell gegen Locher) fügt der Tübinger poeta noch einen Seitenhieb gegen die deutschen Fürsten hinzu: tu cunctis principibus Germanis ______________ 194 195

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Vgl. Anhang II. Zum Vergleich der beiden Selbstdarstellungen als poetae laureati vgl. Cora DIETL, Magno cum plausu. Neulateinische Dramen, in: Schwabenspiegel. Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1000–1800. Hrsg. v. Ulrich Gaier u. a. Ulm 2003, Bd. 2, S. 771–778, S. 775–778. Wilfried BARNER, Humanistische Bildungswerbung, schwäbisch. Zu Heinrich Bebels Comoedia vom Jahre 1501, in: From Wolfram and Petrarc, to Goethe and Grass. Studies in Literature in Honour of Leonard Foster. Hrsg. v. Dennis H. Green u. a. Baden-Baden 1982 (Saecula spiritualia 5), S. 193–212, S. 198. Er lobt u. a. Lochers Kontrahenten Johannes Lupfdich. Vgl. MERTENS, Bebels Einstand, 1994, S. 321.

8.5. Heinrich Bebel, der Poet als Lateinlehrer und königlicher Rat

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dormitantibus solus et idem diu noctuque vigilantissimus (a3r). Einen Hintergrund zu diesem Tadel der „schlafenden“ deutschen Fürsten dürfte neben den Zuständen auf dem Nürnberger Reichstag, die Bebel unmittelbar miterlebt hat, auch Lochers »Tragedia« bilden, welche die Fürsten als spontan zum Türkenfeldzug bereit zeichnet. Nachdem Bebel die Unmöglichkeit, vor dem König so zu sprechen wie die anderen, festgestellt hat, setzt er neu wieder ein mit einem Motivzitat aus Lochers »Tragedia de Thurcis et Suldano«: Er berichtet, ihm sei im Traum eine übergroße alte Frau in zerfetzten Kleidern erschienen, die in ihm Furcht und Mitleid zugleich erregt habe. Es handelt sich dabei nicht wie bei Locher um Fides; die beeindruckende Frau ist Germania. Sie schickt Bebel (wie Fides den Papst) zu Maximilian: narra conditionem meam. narra deformitatem. narra lachrymas et assiduum luctum in quo tabesco penitus (a3v). (Berichte über meinen Zustand, berichte über meine Missgestalt, berichte über meine Tränen und den beständigen Jammerzustand, in dem ich mich gänzlich verzehre.)

Nicht zu einem „Belehren Minervas“ fordert Germania den Dichter auf, sondern dazu, Maximilian, der manche Rückschläge erleide, in seiner Politik zu bestärken und ihn zu loben (a4r). Wie er seine Aufgabe versteht, demonstriert er sogleich in einer langen Lobrede auf Maximilian, auf die früheren Kaiser und das Reich, die in der Einsicht gipfelt, dass Deutschland eine neue Geschichtsschreibung brauche, um die verfälschenden Darstellungen eines Philippe de Commynes oder Fabio Biondo zu korrigieren und den alten Glanz der Deutschen wiederherzustellen (c4v–5r). Gerade in der Förderung der Dichtung und der Wissenschaft mache sich Maximilian verdient (c5v); dem Hörer oder Leser überlässt Bebel dann die Folgerung, dass er als von Maximilian geförderter poeta sich wohl zu denen zählt, die durch ihre rechte Darstellung des deutschen Reichs und seiner Geschichte diesem wieder zu seinem Glanz verhelfen. Die als Aufforderung konzipierte Darstellung eines fiktiven Kreuzzugs, wie sie Locher bietet, widerspricht folglich Bebels Selbstdefinition als poeta laureatus. Beide Autoren sind überzeugt von der Notwendigkeit eines Türkenkriegs, beide sehen und loben Maximilians Feldzüge und seine Förderung der Dichter als die zwei Pfeiler seiner Politik zur Rettung von Reich und Religion; der Unterschied zwischen ihren Positionen liegt aber in der Antwort auf die Frage, wo sich die Aufgabe des Dichters und die Kriegspolitik berühren. Eine aktiv bewegende Rolle des Dichters in der Politik lehnt Bebel ab; er könne nur Tatsachen beschreiben. Mit ein Grund für diese politische Zurückhaltung Bebels dürfte auch in seiner doppelten Abhängigkeit von König und Landesfürsten zu sehen sein. Wenn auch zu dieser Zeit keine politischen Uneinigkeiten zwischen Württemberg und Habsburg bestanden, wird sich der vom Herzog berufene Lehrer einer Landesuniversität zumindest im Rahmen einer Aufführung an der Universität

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

nicht so demonstrativ als Parteigänger Maximilians präsentieren können wie sein Kollege an der Universität Freiburg.198 In der »Comoedia« tritt der König daher nicht auf. Beide Dichter, Locher und Bebel, loben Maximilians Wiederherstellung des Glanzes Deutschlands durch die Förderung der Literatur. So aber wie Bebel aus seinem (patriotischen) Bemühen um eine wahre Darstellung deutscher Vorzeit die Theorie von der Abstammung der Deutschen von den Trojanern ablehnt, an der bekanntlich Maximilian viel gelegen war, so käme ihm auch nicht in den Sinn, ein römisches Theater, eine antike Kaiserkultur, die in Deutschland nie existiert hat, „wiedererstehen“ zu lassen. Aus diesem Grund – und vielleicht auch da er nie Italien besucht hatte und von einer Italienbegeisterung wie der Lochers weit entfernt war199 – verzichtet er auch auf jede antikisch-römische Raumillusion in seinem Spiel; der Spielort ist vielmehr (wie auch bei den Festspielen, aber ohne einen Hofkontext) mit dem Aufführungsort identisch: Es ist die Universität, entweder ein Saal in der Sapienz, wo auch sonst gelegentlich der Senat tagte,200 oder (sofern es die Witterung erlaubte)201 der Platz vor der Burse. Hier findet ein lernbegieriger Bauernsohn (Vigilantius) über die Vermittlung des langjährigen Ortsvorstehers von Ingstetten202 an die Universität, wo er in die humanistischen Studien eingeführt wird und im zentralen vierten Akt in Konflikt mit Lentulus, einem scholastischen sophista aus Tübingen, gerät. In seiner Verteidigung des humanistischen Bildungsbegriffs gegen diesen findet er Unterstützung bei einem Hofbeamten, von dem selbst Lentulus in auffälligem Zitat des Werktitels erklärt, bene scit, quod sit optimum studium (50,12), und bei einem Dichter, den der Hofbeamte als poeta noster laureatus (56,27f.) zitiert. Waren die Redeanteile zwischen Lentulus und Vigilantius noch halbwegs ausgewogen verteilt, so kommt der sophista nun gegenüber diesen beiden Autoritäten kaum mehr zu Wort; auf jeden Einwurf seinerseits folgt eine lange Erörterung seines Gegenübers. Hier artikuliert Bebel sein humanistisches Bildungsprogramm: Die Pflege der lateini______________ 198 199

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Vgl. MERTENS, Bebelius, 1983, S. 165. In seiner »Ars versificandi« erklärt er die italienischen Frühhumanisten als nicht nachahmenswert, Possum enim ostendere non in uno loco, ubi Petrarcha, ubi Mantuanus, ubi Philesus erraverit, Non tantum propter hoc reiiciemus eos. Heinrich Bebel, Ars versificandi et carminum condendorum. Pforzheim: Thomas Anshelm, 1510 (Exemplar UB Tübingen, Cc 34.4), h1v. BARNER, Kommentar, 1982, S. 82. Der Termin der Aufführung dürfte, sehr passend zum Inhalt, auf den Zeitpunkt des Senatswechsels und d. h. des Semesterbeginns Anfang Oktober gefallen sein. BARNER, Kommentar, 1982, S. 83, vermutet, der Aufführungszeitpunkt falle mit dem Datum der Widmung (13. 11.) zusammen. Eine Rückdatierung der Widmung (die von der bereits erfolgten Aufführung spricht, also nach dieser verfasst ist) wäre aber ungewöhnlich. Unwahrscheinlich wäre m. E. auch, dass eine Aufführung der Artistenfakultät so knapp vor dem ohnehin feierlich begangenen Tag der Schutzpatronin der Artisten, St. Katharina, am 25. 11. stattfände. Bebels Vater war herrschaftlicher Gutsverwalter am Hof Bewinden in Ingstetten. Klaus GRAF, Heinrich Bebel, in: Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450–1600). Ihr Leben und Werk. Hrsg. v. Stephan Füssel. Berlin 1993, S. 281–295, S. 281.

8.5. Heinrich Bebel, der Poet als Lateinlehrer und königlicher Rat

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schen Sprache ist die Grundlage jeder Wissenschaft und jeder gesellschaftlichen Achtung, das erkennt bereits Vigilantius: Nam nisi quis effari possit sensa sua cum dignitate, video eum contemptui esse apud exteros (40, 14f.). (Denn wenn jemand seine Gedanken nicht mit Würde äußern kann, dann wird er, wie ich es beobachte, von Außenstehenden verachtet.)

In diesem Sinne erklärt auch der Hofbeamte, die Eloquenz lasse alle anderen Künste erst zur Geltung; ohne sie präsentiert, erschienen alle Künste als „armselig, trocken und schmucklos“ (52, 6–10). Da wir ohne sie nichts wissen, lernen oder vermitteln könnten, sei sie Grundlage jeder Wissenschaft (52, 22–24); aber auch für das Leben außerhalb der Universität sei die Eloquenz eine unabdingbare Voraussetzung: Quodsi tibi sit accedendus episcopus pro beneficio, amici excipiendi vel invitandi ad prandium, vel si sunt tibi negotia apud regem aliosque principes ut dicitur saeculares, crede mihi, non est opus captiosis argumentationibus, sed latino sermone casto et eleganti, quo si carueris, indoctus haberis ab omnibus, etiam si omnes syllogismos tecum in sacco portaveris (54, 1–8). (Wenn du dich aber wegen einer Pfründe an einen Bischof wenden willst, wenn du Freunde empfangen oder sie zum Essen einladen willst oder wenn du mit dem König oder anderen „weltlichen“ Fürsten zu verhandeln hast, glaube mir: Dann brauchst du kein sophistisches Räsonnement, sondern eine saubere und geschliffene lateinische Sprache. Wenn sie dir fehlt, wirst du von allen für ungebildet gehalten, auch wenn du sämtliche Syllogismen in deinem Beutel mitgebracht hast.)

Wie dann der Dichter ausführlich erklärt, vermittelt das Studium der Poesie aber nicht nur Eloquenz, sondern auch die Grundlagen der Ethik. Die Dichter seien praecipuos virtutum praecones (58, 21f.); sie tadeln in ihren Werken Ungerechtigkeiten und Laster, während sie die Tugenden preisen. Quibus contra laudibus, quibus praemiis invictam animi magnitudinem et pro patria amicisque consideratam periculorum susceptionem, religionem in deum, pietatem in maiores, caritatem in omnes prosequantur! (60, 4–8) (Mit welchen Lobesbekundungen dagegen, mit welchen Auszeichnungen bedenken sie die ungebeugte Großherzigkeit und die bedachte Bereitschaft, für Vaterland und Freunde Gefahren auf sich zu nehmen, die Ehrfurcht gegenüber Gott, die Achtung der Vorfahren und die Liebe zu allen Mitmenschen!)

Schließlich fasst er zusammen: Nostra autem studia poetica adolescentiam agunt, senectutem oblectant, secundas res ornant, adversis profugium ac solacium praebent (62, 16–18). (Unsere Beschäftigung mit der Dichtkunst jedoch spornt die Jugend an, erfreut das Alter, verschönt das Glück, bietet Zuflucht und Trost im Unglück).

Das Studium der Poesie ist damit die Schlüsselwissenschaft für das menschliche Leben, für humanitas. Gegenüber der so erhabenen Dichtkunst, die von Plato und Ennius als göttlich bezeichnet werde (62, 23), müssen alle philosophischen Detail-

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

fragen als Eitelkeiten und lächerliche Sophistereien erscheinen, so der Schulstreit zwischen einem Scotisten und einem Occamisten im fünften Akt. Der als Schiedsrichter herbeigerufene Poet vertritt hier Herzog Eberhards wohlwollende Betrachtung des in seine Schranken verwiesenen Streits, der keinerlei Relevanz für das Leben außerhalb der Universität aufweist: omnino non es immorandum in his opinionum subtilitatibus. Pessimum enim hoc habent in se: dulcedinem quandam sui faciunt, et animum egregium ad maiora natum specie subtilitatis inductum detinent et morantur, ut in his tamquam apud Syreneos scopulos consenescat (68,8–13). (Überhaupt soll man sich bei diesen Subtilitäten der Meinungen nicht aufhalten. Sie bergen nämlich folgendes schlimmstes Übel in sich: Sie üben einen gewissen eigenen Reiz aus und locken einen vortrefflichen, zu Höherem geborenen Geist durch den Glanz der Scharfsinnigkeit, halten ihn fest und fesseln ihn, dass er unter ihnen wie bei den Klippen der Sirenen bleibt, bis er alt wird.)

Hatte der Leser oder Zuschauer anfangs noch vermeint, in dem eifrigen Bauernsohn, dem die Bildung einen gesellschaftlichen Aufstieg ermöglicht, ein Abbild Bebels zu sehen, so ist das Bild des Aufsteigers Bebel ab der Mitte des vierten Akts durch das Bild des mehr und mehr dozierenden poeta laureatus überblendet. Im Schlussakt geht seine Rolle fließend in die des Epilogsprechers über, der mit einer Variante der Calliopius-Worte endet: Bebelius recensui (70, 17).203 Damit ist die Indentifikation der Dichterfigur mit dem Dichter vollendet. Der gekrönte Dichter Bebel beschreibt seine Aufgabe nicht wie Locher als eine wortgewaltige Unterstützung der Reichspolitik, er sieht sie vielmehr in der Bekehrung von Unverständigen wie jenem Tübinger sophista, der im Laufe der Handlung eines Besseren belehrt wird. Seine Rolle ist nach wie vor die eines Universitätslehrers. Seine Lehre soll dem Einzelnen zu einem gesellschaftlichen Aufstieg verhelfen, der auf ein Amt am Hof zielt. Eine zentrale Rolle nimmt deshalb neben dem poeta der aulicus regis ein, der kraft seines Amtes am besten wisse, quod sit optimum studium (50, 11f.). Hof und Universität sind nicht mehr getrennt, sondern der Hof und seine Bedürfnisse diktieren der Universität, welche Künste sinnvoll seien. Der am Hof gekrönte Dichter muss deshalb der ideale Lehrer sein. Ludwig Vergenhans, den Bebel in der Widmung der »Comoedia« für seinen unermüdlichen rhetorischen Einsatz für den König lobt, nec domi ab orationibus, lectionibus, ceterisque regiarum rerum meditationibus cessaveris (8, 1f.), wird sich hier im aulicus gespiegelt sehen dürfen. Er, der Bebel zur Dichterkrönung zu empfehlen half, ist im Spiel derjenige, der den Wert der Rhetorik erkennt, der im Dienst für die königliche (wohl auch übertragbar auf die landesfürstliche) Hofpolitik besteht. Auf einen solchen Hofdienst vorzubereiten, nicht aber die Politik selbst zu ______________ 203

Die »Comoedia« zitiere ich nicht wie alle anderen Texte aus dem Sammelband nach dem Frühdruck, sondern nach der o. g. Ausgabe von Wilfried BARNER.

8.5. Heinrich Bebel, der Poet als Lateinlehrer und königlicher Rat

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betreiben, ist die Aufgabe des Dichters an der Universität: So stellt sich Bebel als poeta laureatus seiner Universität dar. Weshalb wählt er für diese Aussage die Form der Komödie? In den Rahmentexten der »Comoedia« äußert sich Bebel nicht theoretisch zum Schauspiel. Im gleichen Sammelband aber folgt einige Seiten später ein Epigramm an die deutsche Jugend In laudem Terentianae lectionis. Es fordert dazu auf, Terenz zu lesen, monumenta Terenti pellege (o1v), um von ihm eine jeder Situation und jedem Lebensalter angemessene Sprache zu lernen, Quid deceat iuvenes. canae quae verba senectae / Conveniant (o2r). Zugleich biete Terenz – das bekannte Argument – eine Einführung in die Sitten der verschiedenen Menschen und Zeitalter und diene daher zur Morallehre. Deshalb fordert Bebel: Personet in triviis precor o Germana iuventus Comicus hic passim. hunc vestra palestra canat (o2r). (Deshalb möge überall in den Trivialstudien, so bitte ich dich, deutsche Jugend, dieser Komödiendichter erklingen, ihn soll eure Schule rezitieren.)

Nicht um das Theaterspiel geht es Bebel, sondern um das Erklingen des gepflegten Worts, um die Rhetorik. Im gleichen Sinne lobt er auch in der »Comoedia« in überschwänglichen Worten die Eloquenz, nicht aber die Poesie oder gar die dramatische Dichtung. So wie er dazu auffordert, Terenz – aus dem er in der »Comoedia«, die er selbst als eine Ansammlung von Zitaten bezeichnet (10, 9–15), viel schöpft – ganz durchzulesen, fordert Bebel auch den Widmungsträger seiner Komödie, Ludwig Vergenhans, auf: legas et pellegas obsecro (10, 8f.). In der Gattungsbezeichnung seines Werks schwankt er zwischen dialogus und comoedia. Nicht nur in der Widmung, Accipe nunc dialogum de optima adolescentum institutione (10, 4f.), bezeichnet er es als einen Dialog, sondern es wird so auch in den späteren Auflagen aus Zwolle (um 1506), Braunschweig (1509) und Köln (um 1517/20) betitelt: Dialogus de optimo studio scholasticorum; im Straßburger Druck von 1513 heißt es Comoedia vel potius dialogus de optimo studio Scholasticorum.204 Die »Comoedia« Bebels ist deswegen als Ausdruck einer Übergangssituation zwischen Schülerdialog205 und Komödie bezeichnet worden.206 BEBERMEYER spricht ihr den dramatischen Charakter sogar gänzlich ab.207 Wie fließend die Übergänge zwischen diesen beiden Formen sein konnten, ist oben (Kap. 8.1) am Beispiel von Wimphelings »Stylpho« deutlich geworden, den BARNER als das wichtigste Vorbild für Bebels Komödie nachweist.208 Über die Aufführung selbst sagt Bebel wenig: ______________ 204 205

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Vgl. dazu in der zit. Ausgabe S. 73–75. Aloys BOEMER, Die lateinischen Schülergespräche der Humanisten, Bd. 1: Vom Manuale scholarium bis Hegendorffinus c. 1480–1520. Berlin 1897 (Texte und Forschungen zur Geschichte der Erziehung und des Unterrichts in den Ländern deutscher Zunge I A1). ROLOFF 1959, S. 650; BARNER, Einführung, 1982, S. 116. Gustav BEBERMEYER, Tübinger Dichterhumanisten. Bebel – Frischlin – Flayder. Tübingen 1927. Repr. Hildesheim 1967, S. 17. BARNER, Einführung, 1982, S. 140.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

... dialogum ... quem recitavimus in praesentia fratris tui atque frequenti nostri gymnasii senatu, stipatissimaque totius ordinis scholastici corona … (10, 4–7) (… den Dialog …, den wir in Gegenwart deines Bruders [Johannes Vergenhans] und bei zahlreicher Anwesenheit des Senats unserer Universität sowie der dicht gedrängten Schar der ganzen Studentenschaft rezitiert haben...)

Von einer Rezitation ist die Rede, nicht von einem Spiel. Ebenso werden auch im Prolog die Zuschauer (spectatores) aufgefordert zu schweigen und der Rezitation zuzuhören: Audire ut possis, quicquid recitaverit actor (14, 4). Die Rezitation wird auch zuweilen, wie in Bebels oben zitierten Anmerkungen zu Terenz, als Gesang bezeichnet: laus poetices decantatur (12, 8), heißt es im Argumentum, Thyesteos non canit ille toros (14, 7) im Prolog; im Epigramm an die Zuschauer erklärt er: Audistis, si non rugata fronte poetam Nobiliora dein vel recitare studet (70, 23f.). (Wenn ihr dem Dichter nicht mit gerunzelter Stirn zugehört habt, bemüht er sich später sogar noch Edleres zu rezitieren.)

Nach dem bereits erwähnten Schluss, Valete et plaudite, Bebelius recensui (70, 16f.), der eher auf eine Anlehnung an die rezitativen Terenz-Aufführungen schließen ließe, ist im Epigramms an die Zuschauer doch von einem Spiel die Rede: Lusimus in paucis, quae sit sententia nostra / De pueri studiis (70,19f.). – Bebel schreibt ein Spiel, das zwar wie Lochers »Tragedia« für eine Aufführung, nämlich für die öffentlich sichtbare Selbstinszenierung des gekrönten Dichters, entworfen ist, dessen Hauptgewicht aber fraglos auf der Rede liegt. Schließlich ist der Wirkungsbereich des poeta nach Bebels Auffassung nicht die Politik, nicht das Weltgeschehen, sondern das Wort. Er lobt nicht die Historiographie, nicht die Dichtung, sondern die Eloquenz. Nur über das Gesagte, meint er, könnten seine Zuschauer die Stirn runzeln, nicht über das Gesehene. Das Gesehene nämlich ist weder Fiktion noch Illusion; das Personal ist das tatsächlich gegenwärtige: der Bauernsohn und Dichter, Studenten, Hochschullehrer, Hofbeamte, aber kein König, kein Papst, kein Sultan, kein Tyrann. Es ist ein Komödien- und kein Tragödienpersonal, so wie auch der Stoff kein Tragödienstoff, der Ausgang ein versöhnlicher ist. Ein Dialog aber auf der Bühne, der so eindeutig keine Tragödie sein kann und gerade ein Gegenstück zu Lochers Tragödien bilden will, ist nach Bebels Dramenverständnis eine Komödie oder ihr zumindest sehr eng verwandt.

8.6. Bilanz: Noch einmal Tragödie vs. Komödie Mit seinen an der Tragödie orientierten Historienwerken steht Locher allein unter seinen süddeutschen Humanistenkollegen. Wenn auch gelegentlich zeitgeschichtliche Querverweise und politische Aspekte in die Spiele einfließen, so ziehen

8.6. Bilanz: Noch einmal Tragödie vs. Komödie

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Wimpheling, Reuchlin, Grünpeck, Bebel und (mit aller Vorsicht in der Terminologie) auch Celtis für ihre Werke doch die Bezeichnung comoedia vor. Die Komödie findet als „Spiegel der Sitten“ eine moralisch-didaktische Rechtfertigung. Sie stellt exemplarisch Tugenden und Laster vor und lässt damit dem Verfasser große Möglichkeiten für eigene Zielsetzungen. Unter dem Deckmantel des iocus (des v. a. als Sprachwitz verstandenen Scherzes, der zuweilen dem Schwank sehr nahe steht) und oft auch unter dem Schutz der Fastnacht lassen sich Wahrheiten ausdrücken, die offen ausgesprochen heikel sein könnten. Dies gilt insbesondere für Dichter wie Reuchlin, die in einem Konflikt mit der Obrigkeit stehen (und damit HOCHHUTs Vorstellung vom revolutionären Dichter-Gelehrten am nächsten kommen), in geringerem Maß für die Dichter, die sich gegen allgemeine Missstände in der Gesellschaft richten. Wiederholt finden sich deshalb in theoretischen Beitexten zu den Komödien Verweise auf die significantia veri. Wieviel „Salz“ in den ioci verborgen ist, variiert und korrespondiert nicht zuletzt mit der Nähe oder Entfernung, die zum Fastnachtspiel gesucht wird. Trotz der bei allen Autoren postulierten Anknüpfung an die Tradition der Palliata ist die formale Variationsbreite der „Komödien“ erstaunlich groß. Auf der einen Seite stehen die „alten Komödien“ im Stil Wimphelings und Bebels. Zu ihnen könnte man auch den »Codrus« Kerckmeisters (Münster, 1486) gesellen: Prosadialoge, die auf schauspielerische und Bühneneffekte weitgehend verzichten, allein durch das rezitierte Wort wirken wollen und sich primär als Bildungswerbung verstehen. Auf der anderen Seite glänzt die hoch gelobte prima comoedia des Johannes Reuchlin: ein dramaturgisch straff durchgearbeiteter jambischer Fünf-Akter mit Choreinlagen, der seinen Platz bezüglich des Aufführungsrahmens wie auch des Inhalts nicht mehr in der Universität oder Universitätsnähe sucht, sondern Missstände in der Gesellschaft angreift, nicht ohne eine persönliche Färbung, aber übertragbar auf jeweils andere personale Kontexte. An diese Form wagte sich auch Wimpheling in seinem nicht erhaltenen Spiel von 1497 heran. Als Randerscheinungen der Gattung finden sich die bei Handlungsarmut auf Gestik und Mimik setzenden Festspiele Joseph Grünpecks und das musikalisch und choreographisch hohen Ansprüchen genügende aber undramatische Singspiel des Konrad Celtis, die beide die unmittelbare Nähe zum Aufführungsanlass suchen, abhängig von diesem in ihren Stil variieren und schwerlich außerhalb ihres ursprünglichen Kontextes neu aufführbar sind. In ihnen steht die korrupte Welt dem Tugendvorbild des Fürsten (oder Hausherrn) gegenüber. Der Hauptunterschied zwischen diesen verschiedenen Formen der Komödie und der Tragödie besteht nicht wie später bei Hans Sachs im Ausgang;209 dieser ist beispielsweise im »Sergius« sicher nicht positiver als in Lochers »Tragedia«. Es ______________ 209

Hans Sachs, Summa all meiner gedicht vom 1514 jar biß ins 1567 jar, V. 161–163. Hans Sachs, Meistergesänge, Fastnachtspiele, Schwänke. Hrsg. v. Eugen Geiger. Stuttgart 21981, Nachdr. 1999, S. 3–10.

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8. Ein Blick zur Seite: Dramatische Werke von Lochers Dichterkollegen

lassen sich vielmehr Gegensatzpaare ausmachen wie: Moraldidaktik und scherzhaft formulierte Kritik vs. Panegyrik; Exemplarik vs. (pseudo-)historische Einmaligkeit; verborgene Wahrheit (significatio veri) vs. behauptete Wahrheit; Nähe zum Fastnachtspiel vs. Nähe zum Triumph oder Fronleichnamspiel. Die Ständeklausel wird meist eingehalten; wo sie aber gebrochen wird und hochadeliges Personal eine moraldidaktische, exemplarische Lehre vermitteln soll, öffnet sich die Komödie dem höfischen Festspiel.

9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt 9.1. Eine Fürstenuniversität Die Universität Ingolstadt bildet zur Zeit Ihrer Gründung einen Gegensatz zur habsburgischen Universität Freiburg. Herzog Ludwig der Reiche von BayernLandshut, ein Neffe Albrechts von Österreich und langjähriger Gegenspieler Kaiser Friedrichs III.,1 entwarf sie gerade als ein Zeichen des politischen Gegengewichts gegen Habsburg. Die Ingolstädter Linie des Hauses Wittelsbach war mit dem Tod Herzog Ludwigs des Bärtigen 1447 ausgestorben; Heinrich XVI. von Bayern-Landshut konnte das Erbe mit einem geschickten, energischen Einsatz für die Landshuter Linie gewinnen.2 Als Ludwig der Reiche 1450 von ihm das Herzogtum übernahm, war sein Beiname durchaus berechtigt. Durch glücklich geführte Kriege und durch seine Förderung der Künste und Wissenschaften mehrte er sein Ansehen unter den Fürsten des Reiches. Die Gründung der ersten bayerischen Universität diente demselben politischen Zweck, der Selbstbehauptung des zu Bedeutung emporsteigenden Herzogtums. Dass Ludwig als Ort der Universität nicht seine Residenzstadt Landshut, sondern die von ihm übernommene ehemalige Residenzstadt Ingolstadt wählte, kann man als eine Entschädigung für die Stadt werten, die ihren Status als Residenzstadt aufgeben musste.3 Zugleich aber setzte Ludwig ein deutliches Zeichen für die gänzliche (und rücksichtslose) Ablösung Bayern-Ingolstadts durch das Haus Bayern-Landshut, indem er zur Finanzierung der Hohen Schule die rein geistliche Seelenheil-Stiftung Ludwigs des Bärtigen in Universitätsvermögen umwandelte.4 ______________ 1

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Rainer A. MÜLLER, Ludwig IX. der Reiche, Herzog von Bayern-Landshut (1450–1479) und die Gründung der Universität Ingolstadt 1472, in: Attempto – oder wie stiftet man eine Universität. Hrsg. v. Sönke Lorenz. Stuttgart 1999 (Contubernium 50), S. 129–145, S. 137. Beatrix ETTELT, Übernahme des Herzogtums Bayern-Ingolstadt durch Herzog Heinrich von Bayern-Landshut, in: Bayern-Ingolstadt – Bayern-Landshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wiss. Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt. Ingolstadt 1992, S. 96–99. R.A. MÜLLER 1999, S. 136; Beatrix ETTELT, Gründung der Universität Ingolstadt, in: BayernIngolstadt – Bayern-Landshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wiss. Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt. Ingolstadt 1992, S. 333–342, S. 334; Winfried MÜLLER, Die Universität während der Ingolstädter Periode: 1472– 1800, in: Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Ludwig-Maximilians-Universität München. Neukeferloh/München 1995, S. 7–33, S. 9. ETTELT erklärt diesen Akt damit, dass Ludwig auch die Universität als fromme Stiftung angesehen habe. Beatrix ETTELT, Die Universität Ingolstadt: Perspektiven für Ingolstadt und das ganze

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9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

Weitere kirchliche Pfründen unterstützten die Universität; schließlich wurden die Güter und Renten des Franziskanerklosters von Ingolstadt in den Finanzfonds der Universität inkorporiert.5 Mit nachdrücklicher Unterstützung des Domkapitels von Eichstätt und allein mit dem Privileg des Papstes Pius II. von 1459 ausgestattet, nicht aber mit einem kaiserlichen Privileg, wurde die Universität schließlich 1472 gegründet. (Ihre Eröffnung verzögerte sich durch den sog. Markgrafenkrieg, den Ludwig gegen Albrecht Achilles, Markgraf von Brandenburg und gegen Kaiser Friedrich III. führte.) Die ersten Gebäude der Universität waren die Kapelle und das Pfründnerhaus neben der Liebfrauenkirche.6 Die Kirche diente der Universität als Festsaal.7 Die Eröffnungsrede des herzoglichen Rats Martin Mair vom 26. 6. 1472 deckt einen Teil der Beweggründe Ludwigs für die Universitätsgründung auf: Der Fürst habe erkannt, erklärt Mair – und verwendet dabei Einzelformulierungen aus der Papstbulle vom 7. 4. 1459 –,8 dass das Wissen den Zugang zu einem guten und glücklichen Leben schaffe, den Gebildeten über den Ungebildeten erhebe und den Menschen Gott ähnlich mache. Es fördere die Tugend ... et infimo loco natos evehit in sublimes; quando etenim quis virtutibus crescit, eminenti scientia pollet et res honore dignas agit, tunc homines eundem colunt, venerantur, de factis suis admirantur et singularibus laudibus efferunt, illos autem contempnunt, si etiam clarissimo genere nati sint, in quibus nil litterarum, nil virtutis, nil animi, nil nervorum comperiunt.9 (... und es führt niedrig Geborene zu hohen Stellungen; wenn nämlich jemand immer mehr Tugenden zeigt, über herausragendes Wissen verfügt und Ehrwürdiges tut, dann verehren ihn die Leute, schauen zu ihm auf, bewundern ihn für seine Taten und bedenken ihn mit besonderen Würdigungen. Diejenigen aber, an denen sie keine Spur von Bildung, Tugend, Beherztheit oder Willenskraft entdecken, wenn sie auch von bester Abstammung sind, verachten sie.)

Als Exempel für derlei sozialen Aufstieg aufgrund von Tugend und Bildung nennt Mair zunächst die beiden römischen Könige Tullius Hostilius und Tullius ______________

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Land, in: Bayern-Ingolstadt – Bayern-Landshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wiss. Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt. Ingolstadt 1992, S. 343–351, S. 343f. R.A. MÜLLER 1999, S. 139f. Rainer Albert MÜLLER, Die Anfänge der Universität Ingolstadt, in: Ludwig-MaximiliansUniversität Ingolstadt – Landshut – München 1472–1972, hrsg. v. Laetitia Boehm u. Johannes Spörl. Berlin 1972, S. 85–108, S. 90. Laetitia BOEHM, Die Universität in festlichem Gewand. Streifzug durch fünf Jahrhunderte, in: Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt – Landshut – München 1472–1972. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. Johannes Spörl. Berlin 1972, S. 13–84, S. 17. R.A. MÜLLER, Die Anfänge, 1972, S. 86. Dort auch eine Abbildung der Papstbulle. SB München, Cod. Lat. 443, fol. 107ff., zit. nach: Carl PRANTL, Geschichte der LudwigMaximilians-Universität in Ingolstadt, Landshut, München. München 1872, Bd. 2, Dok. 2, S. 7f. Vgl. dazu auch: Gustav BAUCH, Die Anfänge des Humanismus in Ingolstadt. eine litterarische Studie zur deutschen Universitätsgeschichte. München/Leipzig 1901 (Hist. Bibliothek 13), S. 2f.

9.1. Eine Fürstenuniversität

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Servius, erst dann einige große Philosophen und Dichter der Antike, um schließlich mit Alexander dem Großen zu enden, der das Wissen höher als seine Herrschaft geschätzt habe, woraus ersichtlich werde, dass recta ratio und litteris doctrina nicht nur für Privatleute von großer Bedeutung seien, sondern auch für Fürsten. Deshalb habe Plato recht gehabt, dass jene Staaten glücklich zu schätzen seien, deren Herrscher gelehrt seien oder sich um Gelehrsamkeit bemühten.10 Mair will den Gedanken eines sozialen Aufstiegs durch Bildung gerade nicht auf niedere Gesellschaftsschichten beschränkt wissen; es geht ihm vielmehr primär um den Adel, der durch die Bildung eine Fürsten- und Königswürde erringen könne. Die Universität Ingolstadt zog eine überdurchschnittlich hohe Zahl an adeligen Studenten an; rund 13% der Studenten waren Adelige, viele davon entstammten dem hohen bayerischen Adel.11 Auch außergewöhnlich viele Rektoren stammten aus Adelshäusern.12 Die neue Universität sollte dazu dienen, dem bayerischen Adel zu einem Aufstieg im Reich zu verhelfen. Einen solchen strebte auch Ludwig für sich und sein Haus an. Dieses Streben nach Bedeutung fand nicht zuletzt auch Ausdruck in Ludwigs königsgleicher Hofhaltung. Er ist bekannt für seine außerordentliche Prunksucht, für seine Vorliebe für Künstler, Spielleute und Gaukler.13 Für seinen Sohn Georg (geb. 1455) suchte er schließlich eine Braut aus königlichem Geschlecht. Nach zwei gescheiterten Werbungsversuchen mit europäischen Herrscherhäusern glückten schließlich die Heiratsverhandlungen mit den Jagiellonen. So fand 1475 in Anwesenheit des Kaisers und seines Sohnes Maximilian sowie zahlreicher weltlicher und geistlicher Fürsten des Reichs in Landshut die Hochzeit zwischen Georg dem Reichen und Hedwig, der Tochter Kasimirs von Polen, statt. Das Fest ist wegen seines großartigen Prunks in die Geschichte eingegangen und mehrfach von zeitgenössischen Chronisten beschrieben worden.14 Fast ebenso prunkvoll wurde 1479 die Beerdigung Ludwigs des Reichen in Landshut begangen. Zahlreiche Professoren der Universität Ingolstadt nahmen an ihr teil.15 Die hiermit demonstrierte Nähe der Hohen Schule zu ihrem Landesherrn entsprach den Vorstellungen Ludwigs. Er betrachtete die Universität gleichsam als eine Verlängerung seines Hofs; dies demonstrierte er u.a. indem er 1473 anlässlich der ersten Doktorpromotion in Ingolstadt ein Festmahl veranstaltete, bei dem die herzoglichen Trompeter für die Tafelmusik sorgten.16 ______________ 10 11

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PRANTL, S. 8. Rainer Albert MÜLLER, Universität und Adel. Eine soziostrukturelle Studie zur Geschichte der bayerischen Landesuniversität Ingolstadt 1472–1648. Berlin 1974 (Ludovica Maximilianea 7), S. 109 u. 78. Ebd., S. 172. R.A. MÜLLER 1999, S. 132. Sebastian HIERETH, Herzog Georgs Hochzeit zu Landshut im Jahre 1475. Eine Darstellung aus zeitgenössischen Quellen. Landshut 4[1988]. HIERETH, S. 137f. BOEHM, S. 23.

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9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

Das enge Verhältnis zwischen Fürst und Hoher Schule schlägt sich auch im überlieferten Briefwechsel der Universität nieder.17 Die vom Universitätskonzil beschlossenen Statuten bedurften der Bestätigung durch den Herzog,18 und bei Streitigkeiten innerhalb der Universität – wie z. B. dem schon früh entbrannten Wegestreit zwischen moderni und antiqui19 oder Sukzessionsfragen bei Prozessionen20 – oder zwischen Stadt, Studenten und Professoren wurde der Herzog unterrichtet und schritt ein. Die Herzöge konnten auch Universitätslehrer berufen und übten dieses Recht besonders häufig bei den Poetiklektoren aus.21 So wurde Erhard Windsberger 1477 von Herzog Ludwig als erster auf die Poetiklektur bestellt, Korad Celtis wurde am 5. 5. 1492 von Herzog Georg angestellt;22 Locher wurde später, wie erwähnt, ohne das Wissen und gegen den Willen der Universität und des Stelleninhabers, durch Herzog Albrecht IV. berufen. Die Hochschullehrer und die Studenten mussten dem Landesherrn Treue schwören;23 bei jedem Regierungswechsel wurde die Huldigungszeremonie wiederholt.24 Schließlich unterstrich Georg seine Verbundenheit mit der Universität dadurch, dass er 1494 ein neues Collegium für Stipendiaten stiftete, das Georgianum, das am St. GeorgTag 1496 eingeweiht wurde.25 Allein nach dem Tod Albrechts IV. im Jahr 1508 war die Universität für drei Jahre vom Landesherrn allein gelassen. Während der Vormundschaftsregierung Herzog Wolfgangs für Albrechts Sohn Wilhelm blieben Hilfsappelle der Universität nach München bezüglich des erneut ausgebrochenen Wegestreits und der Streitigkeiten mit der Stadt unbeantwortet.26 Wilhelm IV. griff ab 1511 wieder ordnend in die Universitätsbelange ein, anfangs direkt, bald aber vermittelt durch den herzoglichen Rat Leonhard Eck. Dieser hatte gemeinsam mit Jacob Locher 1489–93 an der Ingolstädter Artistenfakultät studiert und war nach seinem Jurastudium und der Promotion in Siena 1512 Rat Herzog Wilhelms in München, 1515 Hofmeister des jungen Herzogs Ernst in Ingolstadt geworden.27

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Arno SEIFERT, Die Universität Ingolstadt im 15. und 16. Jahrhundert. Texte und Regesten. Berlin 1973 (Ludovico Maximilianea 1), v.a. S. 520–523. R.A. MÜLLER, Die Anfänge, 1972, S. 94. MEDERER I, S. 16; Rainer Albert MÜLLER, Im Zeitalter von Humanismus und Reformation, in: Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt – Landshut – München 1472–1972. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. Johannes Spörl. Berlin 1972, S. 109–134, 1972, S. 110; Winfried MÜLLER, S. 13. PRANTL I, S. 123. Christoph SCHÖNER, Mathematik und Astronomie an der Universität Ingolstadt im 15. und 16. Jahrhundert. Berlin 1994 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 13), S. 297. R.A. MÜLLER, Im Zeitalter, 1972, S. 118. R.A. MÜLLER, Die Anfänge, 1972, S. 94. BOEHM, S. 37. MEDERER, S. 47; R.A. MÜLLER, Im Zeitalter, 1972, S. 112; Winfried MÜLLER, S. 13. R.A. MÜLLER, Im Zeitalter, 1972, S. 114. Ebd., S. 115.

9.2. Ingolstadt, Bayern und das Reich

219

9.2. Ingolstadt, Bayern und das Reich Jacob Lochers Zeit an der Universität Ingolstadt fällt in eine Zeit der Umbrüche im Verhältnis der bayerischen Herzöge zu Kaiser Friedrich III. und Maximilian. Wie oben (Kap. 4.1) bereits erwähnt, war Herzog Sigmund von Tirol Ende der 1480er Jahre in schwere finanzielle Nöte geraten. Im Juli 1487 wurde der Verkauf der vorderösterreichischen Lande im Elsass, Breisgau und Schwarzwald an Herzog Georg und seinen Vetter Herzog Albrecht IV. von Bayern-München beschlossen. Maximilian reagierte hierauf nicht nur mit der Amtsenthebung Sigmunds, sondern auch mit der Gründung des Schwäbischen Bunds zur Bekämpfung der „bayerischen Invasion“ auf dem Nürnberger Reichstag von 1487. Unter kaiserlichem Druck schlossen sich u. a. auch Graf Eberhard von Württemberg und die Markgrafen Friedrich und Sigmund von Brandenburg diesem Bund an.28 Bayern war isoliert. In dem Jahr, in welchem Locher als Student an die Universität Ingolstadt kam, 1489, begann die Aussöhnung zwischen Habsburg und Bayern. Maximilian suchte Verbündete gegen Frankreich und gegen die Flamen; Kaiser Friedrich suchte Hilfe gegen die Ungarn. Daher stellte Maximilian Herzog Georg ein Ehebündnis zwischen Maximilians Sohn Philipp und Georgs Tochter (und Alleinerbin) Elisabeth in Aussicht und erhielt im Gegenzug hierfür Georgs militärische Hilfe. Die Hochzeit wurde am 11. 10. 1491 fest verabredet.29 Bis Locher aus Italien zurückgekehrt war, hatte sich das Bild gewandelt: 1495 wurde die Ehe zwischen Philipp und der Infantin Johanna von Kastilien geschlossen. Der betrogene Georg bemühte sich von nun an dringlich um die Gunst Maximilians und nahm an mehreren seiner Feldzüge teil. Der König aber verbündete sich mit Herzog Albrecht von Bayern-München, der 1487 Maximilians Schwester Kunigunde geheiratet hatte, gegen den Landshuter, dessen Erbe nicht sichergestellt war. Im Jahr 1500 trat Albrecht dem Schwäbischen Bund bei. Georg dagegen begann sich allmählich von Maximilian abzuwenden.30 Er adoptierte 1501 Ruprecht von der Pfalz, der 1499 Elisabeth geheiratet hatte und meinte damit, sein Haus gesichert zu haben. Diese Wende von der verzweifelten Anbiederung an Habsburg zur allmählichen Isolation erlebt Locher in seiner Zeit als Lektor für Poesie in Ingolstadt von 1498 bis 1503 mit; seine spectacula fallen in die spätere Zeit dieser Entwicklung, in die Zeit, in der ein Poet des Kaisers, sofern er sich gänzlich in dieser Rolle präsentierte, nicht mehr sicher mit der Unterstützung des Landshuter Landesfürsten rechnen konnte. ______________ 28 29 30

HIERETH, S. 139. Ebd., S. 140. Reinhard STAUBER, Territorium, Dynastie und Reich. Grundzüge der auswärtigen Politik Herzog Georgs des Reichen von Niederbayern (1479–1503), in: Bayern-Ingolstadt – BayernLandshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wiss. Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt. Ingolstadt 1992, S. 100–107, S. 105f.

220

9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

Noch vor Georgs Tod am 1. 12. 1503 war Jacob Locher bereits wieder nach Freiburg zurückgekehrt. Im darauffolgenden April brach der Landshuter Erbfolgekrieg31 zwischen Ruprecht und Albrecht aus. Nach dem Tod Ruprechts und Elisabeths im August bzw. September 1504 bestand auf Landshuter/Pfälzer Seite Verhandlungsbereitschaft. Der Reichstag zu Köln legte schließlich am 30. 7. 1505 fest, dass die Enkel Georgs das kleine Herzogtum Pfalz-Neuburg erhalten sollten; der Hauptteil des ehem. Landshuter Herzogtums ging an München. Der Herzog also, der Locher am 16. 3. 1506 nach Ingolstadt zurückberief, war der von Maximilian begünstigte Albrecht IV. von Bayern-München. Die Streitigkeiten Lochers mit der Ingolstädter Theologie waren in die Zeit des Erbfolgekriegs gefallen und dürften in der Sache Albrecht weniger interessiert haben als Lochers Tätigkeiten als politischer Dichter und seine Verbundenheit mit Maximilian. Albrecht allerdings starb bereits zwei Jahre später. Als sein Sohn Wilhelm IV. die Alleinregierung übernahm, forderte der jüngere Bruder Ludwig X., unterstützt von Kunigunde und den Ständen, Mitregierung. Maximilian trat entschieden für das Recht des Ältesten ein und wies seine Schwester wie die Stände streng zurück. Damit brachte er allerdings Wilhelm nicht auf seine Seite; vielmehr entschieden sich die Brüder 1514 aus Angst vor einer zu großen Einflussnahme Maximilians für eine gemeinsame Regierung. An der Oberfläche wurde ein gutes Verhältnis zum Haus Habsburg gepflegt; Wilhelm versprach seine Unterstützung für Maximilians geplanten Türkenfeldzug und als Hauptmann des Schwäbischen Bunds kämpfte er auf Maximilians Seite gegen Württemberg. Insgeheim aber versuchten die Brüder, sich aus der Vormundschaft des Kaisers zu lösen und planten auf lange Sicht die im Erbfolgekrieg verlorenen Landesteile zurückzuerobern.32 – Lochers späte Dramen stehen also im Kontext einer politischen Situation, die trotz oberflächlicher Zustimmung der Landesherren zur Reichspolitik von neuen unterschwelligen Spannungen zwischen Bayern und dem Kaiser geprägt ist.

9.3. Eine Kulturstadt? Konrad Celtis fällt in seinen Oden (II, 26)33 ein vernichtendes Urteil über Ingolstadt: Man ernte hier im Herbst nur Rüben und Kohl, Kühe bevölkerten die Plätze der Stadt. Ingolstadt beschreibt er als eine durch und durch rural geprägte Stadt. Das hohe Gebirge, in dem kein Wein wachse, weshalb man auf schlecht gebrautes, wässriges Bier angewiesen sei, und die dumpf dahin fließende Donau stellt er dem lieblichen Rheinufer mit seinem inspirierenden und das Herz anre______________ 31 32 33

HIERETH, S. 147–151. WIESFLECKER V (1986), S. 13f. Conradus Celtis Protucius, Libri odarum quattuor. Liber epodum. Carmen saeculare. Hrsg. v. Felicitas Pindter. Leipzig 1937.

9.3. Eine Kulturstadt?

221

genden Rebensaft gegenüber. Der „Erzhumanist“ war wiederholt durch seine häufige Abwesenheit von Ingolstadt aufgefallen. Nachdem bereits Beschwerden von studentischer Seite eingegangen sind, nehmen seine Kollegen im Visitationsbericht vom 19.–22. 9. 1497 zu diesem Thema Stellung und erwägen, dass man an seiner Statt zwei andere anstellen könnte; er erfülle seine Lehrpflicht nicht, denn er ziech vil aus und les zuzeyten in der heyligen schrifft, und wo er anhaim sey, wo mach er der vessta zuvil.34 Noch im Oktober 1497 verließ Celtis die Stadt. Ingolstadt war tatsächlich keine Handelsstadt, sondern eine Handwerker- und Bauernstadt, jedoch eine relativ reiche. Mitte des 13. Jahrhunderts war sie zur Residenz der Bayerischen Herzöge erhoben worden und hatte das Stadtrecht erhalten.35 Ende des 15. Jahrhunderts war zwar die große Zeit als Residenzstadt vorüber, der Landshuter Hof war aber, wie oben bereits erwähnt, nicht gänzlich von Ingolstadt getrennt; Ludwigs und Georgs üppige Hofhaltung strahlten auch auf die Universitätsstadt aus; so war Ingolstadt z. B. auch eine Etappe auf dem Brautzug Hedwigs im Jahr 1475.36 Hundert Jahre zuvor hatte Herzog Stephan III. der Kneißl, Herzog von Bayern-Ingolstadt (1392–1413), eine große Zahl von Fiedlern, Menestrels, Pfeifern und Trompetern an seinem Hof beschäftigt.37 Auch noch Ludwigs des Bärtigen Hofmusiker sind bekannt, zum Teil sogar namentlich; Ludwig erwarb sich zudem hohes Ansehen durch seine reiche Förderung der Sakralmusik in Ingolstadt.38 Die Musikpflege in den kirchlichen Schulen erfuhr durch den Herrschaftswechsel keinen Abbruch. Zum kulturellen Leben in Ingolstadt gehörte auch das geistliche Spiel. Karl BATZ hält es für möglich, dass der Ingolstädter Benedikt Debs, der ab 1511 als Schulmeister in Bozen belegt ist, zuvor Schulmeister in der Pfarrschule St. Moritz in Ingolstadt gewesen sein könnte.39 Debs ist berühmt für seine Sammlung von Spielhandschriften (v. a. Handschriften geistlicher Spiele) aus dem 15. Jahrhundert.40 Ob und wo sie aufgeführt worden waren, bevor sie in die Sammlung gelangten, ist unbekannt. So kann die Person des Debs allenfalls einen Wahrscheinlichkeitshinweis für die Existenz einer spätmittelalterlichen Spieltradition in oder um Ingolstadt liefern. ______________ 34 35 36 37

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SEIFERT, S. 52f., Nr. 7. R.A. MÜLLER, Die Anfänge, 1972, S. 88. HIERETH, S. 46f. Karl BATZ, Musik in Ingolstadt von der Erhebung zur Residenz bis zur Zeit Orlando di Lassos, in: Bayern-Ingolstadt – Bayern-Landshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wiss. Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt. Ingolstadt 1992, S. 292–305, S. 294. Ebd., S. 294f. Ebd., S. 295. Für eine Titelliste der Sammlung vgl. Norbert Richard WOLF, Benedikt Debs, in: VL2 II (1980), Sp. 59–61.

222

9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

Sicher belegt ist dagegen ab 1498 eine große Fronleichnamsprozession mit figurn, d. h. mit bildlichen oder (wahrscheinlicher) szenischen Darstellungen.41 Dass es sich um ein sehr aufwändiges Unternehmen gehandelt hat, geht daraus hervor, dass der Stadtrat in mehreren Jahren (1502, 1524, 1526, 1528, 1530, 1531) aus finanziellen Gründen auf die Prozession verzichten oder sie auf den kleinsten Kern, das Sakrament ohne figurn, reduzieren musste.42 Aus dem Jahr 1507 ist eine Prozessionsordnung überliefert.43 Die Prozession bestand aus 48 Stationen mit alt- und neutestamentlichen sowie wenigen legendarischen Szenen, die von den Zünften getragen wurden; allein die Verkündung der Zehn Gebote wurde nicht von Handwerkern, sondern vom Schulmeister übernommen. Manche Zünfte gestalteten mehrere Stationen; in besonderer Weise taten sich die Weinschenken hervor, denen auch die Gesamtorganisation oblag. Sie stellten u. a. auch die erste Szene des Umzugs dar: St. Georg mit dem Drachen. Erst nach dem Drachenkampf beginnen mit der Schöpfung die alttestamentlichen Szenen, welche allerdings nicht chronologisch geordnet sind. Nach einigen einleitenden Szenen zu den Themen ‚Erlösung‘ und ‚Erwähltheit des Volkes Gottes gegenüber seinen Gegnern‘ folgen die Stationen zum AT der Chronologie der Szenen aus den NT, auf welche sie typologisch bezogen sind. Die spätere Passionssequenz spiegelt sich in den Szenen von der Geißelung des Jeremias (Nr. 13), der Verspottung des Eliseus (Nr. 14), dem Weg Isaaks zu seiner Opferstätte (Nr. 15), dann Moses und der Schlange sowie Jonas und dem Wal (Nr. 16), dem Sieg Davids über Goliath (Nr. 17) und schließlich der Himmelsleiter des Jacob (Nr. 18). Die Szenen aus dem NT beginnen mit den Eltern Marias und enden mit dem Pfingstfest und sind jeweils von Prophetenworten eingeleitet. Auch hier also sind typologische Bezüge betont. Es schließen sich an: die Krönung Mariä sowie die Heiligen Christophorus und Sebastian, dann die vier Evangelisten und die vier Kirchenväter Augustin, Ambrosius, Hieronymus und Gregor, zuletzt das Jüngste Gericht. St. Georg erfährt durch seine Anfangsstellung eine besondere Betonung. Vermutlich sollte er als Sieger über das Satanische/Widerchristliche gleichsam das Motto für die gesamte Prozession vorgeben; in diesem Sinne deutet der Augsburger Dichter Daniel Holzmann 1574 in einer gereimten Prozessionsbeschreibung die entsprechende Georgsgruppe im Münchener Prozessionsspiel.44 Daneben ______________ 41

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NEUMANN, Bd. 1, S. 408, Nr. 1952. MITTERWIESER spürt bereits für das Jahr 1429 Hinweise auf eine Prozession und bereits ab 1455 Rechnungsbelege für eine Fronleichnamsprozession auf, die allerdings nicht auf eine figurale Ausgestaltung schließen lassen. Alois MITTERWIESER, Geschichte der Fronleichnamsprozession in Bayern. München 1930, S. 19. Zur Bedeutung des Begriffs figur, der im Spätmittelalter häufig für Auftritte, Spielszenen oder ganze Dramen verwendet wird, aber auch für „Maske“, „szenischer Apparat“ o. ä. stehen kann, vgl. Wolfgang F. MICHAEL, Die Bedeutung des Wortes figur im geistlichen Drama Deutschlands. GR 21 (1946), S. 3–8, S. 6f. NEUMANN, Bd. 1, S. 408, Nr. 1953; S. 411f., Nr. 1956–1960. Ebd., S. 408–411, Nr. 1954. Zit. in: Hans MOSER, Der Drachenkampf in Umzügen und Spielen. Bayerischer Heimatschutz 30 (1934), S. 45–59, S. 50.

9.3. Eine Kulturstadt?

223

aber diente diese exponierte Stellung sicher auch der Verherrlichung Herzog Georgs, der zur Zeit der ersten bezeugten Ingolstädter Prozession regierte. Die Panegyrik ist allerdings nicht so deutlich, dass Albrecht IV. die Georgsgruppe hätte abschaffen müssen, zumal St. Georg ja auch Maximilians Lieblingsheiliger war und für seine politischen Wünsche stehen konnte. Ab 1495 ist, wie erwähnt, auch in der Münchener Fronleichnamsprozession eine St. Georg-Gruppe enthalten; ab 1580 ist belegt, dass sie von Vertretern des Hofs präsentiert wurde.45 Dass die Fronleichnamsprozession nicht außerhalb des Einflusses des Herzogs stand, geht aus einer Anordnung Herzogs Wilhelm V. von Bayern aus dem Jahr 1580 hervor: Alsbalt haben die frommen fürsten [von Bayern] inn irem gantzen fürstenthomb in allen stetten und merkhten, klöstern und dörffern nach eines yegelichen qualitet schöne andechtige processiones angestellt ... also und dergestallt das man yederzeit die bayrischen umbgeng oder processiones in der gantzen Cristenheit caeteris paribus nit für die schlechtesten gehallten, wie dann zţo Ingolstatt, Wasserbţrg, ... und an mererlay ortten im landt Bayern ansehliche processiones mit schenen figuren des Alten und Neuen Testaments und grosser anzall der clerisei, auch andern kirchen zier gehalten worden und noch.46

Aus diesen Worten darf man schließen, dass die Ingolstädter Fronleichnamsprozession – vermutlich ein Prozessionsspiel – wie die Universitätsgründung ein Produkt der herzoglichen Kulturförderung in Bayern war (oder zumindest nachträglich als solches gewertet werden sollte). Die Universität war i. d. R. ebenfalls an der Fronleichnamsprozession beteiligt, und zwar wenn, dann geschlossen.47 Dies erstaunt wenig, bedenkt man, dass die beiden Stadtpfarreien in die Universität inkorporiert und mit Theologieprofessuren verbunden waren.48 Ihre Mitglieder schlossen sich dem figurenlosen Teil der Prozession, der oben erwähnten Kerngruppe um das Sakrament, an, und zwar unter Bewahrung der Universitäts-Privilegien, d. h. ausdrücklich ohne sich mit der Stadtbevölkerung zu vermischen. Bereits im Gründungsbrief von 1472 wurde für geistliche, aber auch weltliche Prozessionen eine Sukzession festgelegt: Und nachdem zu Zeiten gemain Process, Gott zw Lob, oder einem bäbstlichen Legaten, oder Lannds-Fürsten zw Ern bescheen, so wellen und ordnen wir, dass nach der Briestersaft der gemelten zwayer Pfarr, der Rector, die Doctor, Licentiaten, Mayster, Bacalary, und ander Studenten yglicher in seiner Ordnung in solicher Procession geen, und sonst nyemand zwischen Ine vermischt werden sol.49

Die neuen Universitätsstatuten aus dem Jahr 1522 kehren diese Reihenfolge für die Fronleichnamsprozession um: Die einfachen Studenten sollen nun den Zug ______________ 45 46 47 48 49

H. MOSER, S. 50. NEUMANN, Bd. 1, S. 781f., Nr. 3389. Vgl. MITTERWIESER, S. 20; PRANTL I, S. 66, S. 167, S. 283; MEDERER IV, S. 50, 192f. BOEHM, S. 17. MEDERER IV, S. 50.

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9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

anführen, die Monstranz und der Rektor bilden den Abschluss der Prozession.50 Zusammen mit dieser Neuerung werden Strafen für ein Nichterscheinen bei dieser Prozession, aber auch bei den Feierlichkeiten an Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen festgesetzt.51 Die Universität prägte ihrerseits die Stadtkultur mit: Die mit feierlichen Prozessionen begleiteten Amtswechsel der Rektoren jeweils an den Festtagen des Hl. Georg und des Hl. Lukas (23. 4. bzw. 18. 10.),52 z. T. ganztägige öffentliche Disputationen53 und die ab 1474 überlieferten Katharinenreden54 (Festreden am Tag der Patronin der Philosophen, eingeleitet durch einen Festgottesdienst am Vorabend55) stehen neben studentischen Festen in der Stadt, den feuchtfröhlichen balnea nach dem Bakkalaureatsexamen und der Deposition, einer „theatralischmakabren Festlichkeit“ als Initiationsritus für Studienanfänger.56 Vom Senat immer wieder gerügt werden die fontania, studentische Großausflüge mit Gelagen, die sich vermutlich außerhalb der Stadt abgespielten.57 Wann die Anfänge eines weltlichen Theaterspiels, namentlich des Schultheaters, in Ingolstadt zu suchen sind, ist ungewiss. HAAS vermutet zwar, dass Celtis ab 1492 Theateraufführungen mit seinen Studenten in Ingolstadt durchgeführt haben könnte,58 nachweisen lässt sich dies aber nicht. Die Aufführung von Jacob Lochers »Spectaculum de regibus et proceribus christianis« (vgl. Kap. 10) ist die erste bezeugte Inszenierung eines Schuldramas in Ingolstadt. Locher mag damit als Vorreiter einer Theatertradition gelten, die von 1558–1773 in Ingolstadt blühte. Am Ingolstädter Jesuitenkolleg wurden in der genannten Zeit über 200 Dramen öffentlich aufgeführt.59

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MITTERWIESER, S. 20, reklamiert diese Reihenfolge fälschlich bereits für die Frühzeit. MEDERER IV, S. 192f. BOEHM, S. 17. Ebd., S. 29f. Ebd., S. 35. MEDERER IV, S. 69 (Statuta primitus universitati a serenissimo fondatore assegnata). BOEHM, S. 28f. Ebd., S. 28. Carl Max HAAS, Das Theater der Jesuiten in Ingolstadt. Ein Beitrag zur Geschichte des geistlichen Theaters in Süddeutschland. Emsdetten 1958 (Die Schaubühne 51), S. 5. BOEHM, S. 31. Generell zur humanistischen Idee und Intention des Jesuitendramas vgl. Fidel RÄDLE, Gegenreformatorischer Humanismus: die Schul- und Theaterkultur der Jesuiten, in: Späthumanismus. Studien über das Ende einer kulturhistorischen Epoche. Hrsg. v. Notker Hammerstein u. Gerrit Walther, Göttingen 2000, S. 128–147.

9.4. Humanismus an der Universität Ingolstadt

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9.4. Humanismus an der Universität Ingolstadt Bereits kurz nach der Gründung der Universität Ingolstadt, am 6. 4. 1472, schrieb sich ein poeta an ihr ein: der in der Gelehrtenwelt seiner Zeit wenig geschätzte, bei Studenten aber beliebte Wanderhumanist Samuel Karoch aus Lichtenberg.60 Lange aber hielt er es hier nicht aus, bereits im Sommersemester 1473 befand er sich schon in Basel.61 Bedeutender als dieser erste poeta war für den Aufbau der Ingolstädter Poeten-Lektur der Baseler Erhard Ventimontanus (Windsberger),62 der 1476 ein Ordinariat für Medizin an der Universität Ingolstadt erhielt. Er hatte bei Johannes Heynlin von Stein in Paris studiert, war dort an Heynlins Aufbau der ersten Druckerei in Frankreich beteiligt und brachte von dort auch einige Bücher mit, darunter z. B. die »Elegantia« des Lorenzo Valla und die Komödien des Terenz. Schon im Frühjahr 1477 übernahm er zusätzlich zu seinen medizinischen Lehrpflichten die Lehre in Poetria, allerdings nur für kurze Zeit, da ihn Herzog Ludwig zu seinem Leibarzt und Hofastrologen bestellte. Für Ludwig verfasste er 1476 ein (nicht erhaltenes) »Iudicium« über die Türkengefahr; vier Jahre später, als nach eigenen Aussagen große Teile seiner Prophezeihungen vom Vorrücken der Türken sich bewahrheitet hatten, legte er es auf der Grundlage weiterer astrologischer Berechnungen für den Nürnberger Reichstag neu auf.63 In der umfangreichen Schrift fordert er ein unverzügliches Einschreiten gegen das venenum Thurcorum,64 womit er schließlich die Aufmerksamkeit Maximilians erregte. Dieser schlug ihn zum Ritter und ernannte ihn um 1491 zum kaiserlichen Pfalzgrafen.65 Anfang der 1480er Jahre verließ er Ingolstadt und wurde Hofarzt Albrechts von Sachsen, später Leibarzt des Königs von Ungarn. Ventimontanus stand mit Johannes Reuchlin und Konrad Celtis in Kontakt; letzterer schrieb das Epitaph auf den 1492/93 Verstorbenen. Locher dürfte ihn (und seine Türkenschrift) zumindest mittelbar gekannt haben. Windsbergers Nachfolger auf der Ingolstädter Poetik-Lektur wurde 1484 Johannes Riedner von Altorf, artium ac Iuris Pontificii Doctor, Orator et Poëta.66 Sein Vorlesungsbuch ist erhalten; zu seinen Vorlesungsgegenständen gehörte neben ______________ 60

MEDERER I, S. 2; BAUCH 1901, S. 8.

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Franz Josef WORSTBROCK, Samuel Karoch von Lichtenberg (de Monte rutilo), in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 208f.

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MEDERER I, S. 13; BAUCH 1901, S. 14–24; Franz Josef WORSTBROCK, Erhard Windsberger (Ventimontanus, Aeolides), in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 483f. SCHÖNER 1994, S. 185 u. 187. Erhardus Ventimontanus, Recepta et iudicium contra venenum Thurcorum, SB München, Clm 414, fol. 179r–202v. SCHÖNER 1994, S. 188. MEDERER, S. 23.

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226

9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

den Klassikern Vergil, Cicero, Ovid, Horaz u. a. auch eine Elegie Enea Silvio Piccolominis wider die Türken. Die Komödien des Plautus und Terenz und die Tragödien Senecas beabsichtigte er zwar in seinem Unterricht zu berücksichtigen, er setzte diesen Plan aber vermutlich nicht um.67 Bei Riedner studierten u.a. der spätere Kardinal und Vertraute Maximilians Matthäus Lang68 und auch Jacob Locher: von 1489–91,69 bis Konrad Celtis, der sich auf Einladung des herzoglichen Rats Sixt Tucher70 1491 in Ingolstadt aufhielt, im Januar 1492 als Extraordinarius lehrte und Riedner zu verdrängen begann.71 Der „Erzhumanist“, angetan von der Lernbegierde der Studenten und der Aufgeschlossenheit der Professoren in Ingolstadt,72 hatte große Pläne für eine Neugestaltung der humanistischen Studien. Seine heftige Polemik traf das „bäurische“ Latein seiner Kollegen (u.a. Riedners) und die scholastische Dialektik.73 Unterstützung fand er nicht nur bei Herzog Georg, sondern v.a. auch bei dem bereits erwähnten Juraprofessor und ehemaligen Universitätsrektor Sixtus Tucher, der ihm u.a. seine Bibliothek zur Verfügung stellte, nachdem Celtis seine Bücher auf der Reise von Krakau nach Nürnberg verloren hatte.74 Ein weiterer in der Universität mächtiger Freund des Celtis war der Theologieprofessor, Vizekanzler und viermalige Rektor der Universität Georg Zingel,75 der später Lochers heftigster Gegner werden sollte. Zingel ist als äußerst strenger und bei den Studenten unbeliebter Sittenwächter bekannt; bereits 1482 hatten Studenten Schmähschriften gegen ihn verbreitet.76 Entgegen dem Bild, welches Lochers Polemik von ihm zeichnete, stand Zingel aber (selbst nach dem Streit mit Locher) bei Lehrplandiskussionen z. T. durchaus auf der Seite der Humanisten; so lehnte z.B. auch er die Verwendung Priscians für den Grammatikunterricht ab und zog die Benutzung der Grammatik des Nicolaus Perotus sowie eine verstärkte Vergil-Lektüre der traditionellen scholastischen Grammatikunterweisung vor.77 Trotz aller Bemühungen ______________ 67 68 69 70

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UB München, Cod. 2°544a, Vgl. HEATH, S. 99–101. MEDERER I, S. 26–29. Ebd., S. 37. Wolfgang-Friedrich SCHÄUFELE, Sixtus Tucher, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 14. Herzberg 1999, Sp. 1494–97; Reinhard STAUBER, Sixtus Tucher, in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 444f. Franz Josef WORSTBROCK, Johannes Riedner, in: Biographisches Lexikon der LudwigMaximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 343. Zu Konrad Celtis’ Zeit in Ingolstadt vgl. ders., Konrad Celtis, ebd., S. 65–68 und die dort angegebene Literatur. R.A. MÜLLER, Im Zeitalter, 1972, S. 118. BAUCH 1901, S. 33–37; SCHÖNER 1994, S. 235–238. BAUCH 1901, S. 32. Ebd., S. 52; Jan-Dirk MÜLLER, Georg Zingel, in: Biographisches Lexikon der LudwigMaximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 501. SEIFERT, S. 32f., Nr. 4. BAUCH 1901, S. 89; zu Perotus vgl. auch HEATH, S. 172–174.

9.4. Humanismus an der Universität Ingolstadt

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des „Erzhumanisten“, seiner Gesinnungsgenossen und Nachfolger wurden aber Priscian und das »Doctrinale« des Alexander de Villa Dei erst 1519 endgültig aus dem Lehrplan gestrichen.78 Womit Zingel allerdings bei einigen Vertretern des Celtis-Kreises Anstoß erregte, war seine vehemente Ablehnung der Astrolgie.79 Neben der Privatbibliothek Tuchers, die dieser u. a. während seiner Studienaufenthalte in Pavia, Padua, Bologna und Paris angesammelt hatte, stand Celtis auch die große, bereits 1473 gegründete Bibliothek der Artistenfakultät zur Verfügung.80 Ein Bücherkatalog aus dem Jahr 1492 ist überliefert.81 Er umfasst 231 Bände, darunter auch eine Zahl antiker Klassiker für den Rhetorikunterricht, wie z.B. eine italienische Handschrift82 und ein italienischer Druck der Komödien des Plautus, ein Eichstätter Druck von Donats Terenzkommentar und ein italienischer Druck der Tragödien des Seneca. Einige neuere Autoren aus Italien waren ebenfalls vertreten, so Fabio Biondo, Leonardo Aretino, Boccaccio, Piccolomini und Lorenzo Valla. Bis zum Jahr 1508, aus dem der zweitälteste Katalog erhalten ist, vergrößerte sich die Bibliothek weiter und vermehrte sich das Inventar auf 375 Bände.83 Außerdem stand den Universitätsangehörigen noch die Bibliothek des Ingolstädter Franziskanerklosters zur Verfügung, deren Bestände allerdings heute nur noch sehr bruchstückhaft rekonstruiert werden können. 84 Wie bereits erwähnt, verlor Celtis durch seine häufige Abwesenheit von Ingolstadt Sympathien; er begann noch 1492 Schmähschriften gegen seine Gegner in Ingolstadt zu schreiben und nach Nürnberg, Regensburg, Linz und Wien zu reisen. Auch die Berufung zum Ordinarius 1494 änderte nichts an seiner ständigen Abwesenheit von Ingolstadt. Als dann sein Protektor Sixtus Tucher nach dem Pestjahr 1495/96 nicht mehr nach Ingolstadt zurückkehrte, war es für Celtis Zeit, die bayerische Landesuniversität zu verlassen.85 Zwei Ingolstädter Freunde führten für Celtis Berufungsverhandlungen mit Wien: die Mathematiker Andreas Stiborius86 und Johannes Stabius.87 Letzterer ______________ 78 79 80

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BAUCH 1901, S. 91. SCHÖNER 1994, S. 283. Zu ihrer Geschichte vgl. Ladislaus BUZÁS, Geschichte der Universitätsbibliothek München. Wiesbaden 1972, v. a. S. 11–33; Ilse ERNST, Von Schreibstuben und Handschriften – Buchdruck in Ingolstadt, in: Bayern-Ingolstadt – Bayern-Landshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wiss. Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt. Ingolstadt 1992, S. 306–329, S. 327. Bibl. Vat. Rom, Cod. lat. 10081, ed. in: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. III/2. Hrsg. v. Paul Ruf. München 1933, S. 233–256. Sie war 1481 von Johann Tröster gestiftet, einem Schüler Piccolominis. BARON, S. 93. Wilhelm JOHN, Das Bücherverzeichnis der Ingolstädter Artistenfakultät von 1508. Zentralblatt für Bibliothekswesen 59 (1942), S. 381–412, S. 383. ERNST, S. 327; dort, S. 319f. zu den Druckereien und Buchhändlern in Ingolstadt. BAUCH 1901, S. 54–66. Christoph SCHÖNER, Andreas Stiborius (Stöberlein, Stöberle, Stübel), in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 419f.

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9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

folgte Celtis im Winter 1497/98 dorthin; Stabius dagegen blieb zunächst in Ingolstadt und trat dort mit Locher in Kontakt; Celtis verhalf ihm 1498 zu einer Mathematik-Lektur in Ingolstadt. Im Frühjahr 1502 verschwand er plötzlich – wie Locher behauptet, v. a. vertrieben von Georg Zingel88 – und unterrichtete fürderhin am Dichterkolleg in Wien. Im Jahr 1502 wurde er dort zum Dichter gekrönt, 1503 trat er als Hofhistoriograph in den Dienst Maximilians. Ein weiteres Mitglied der Celtis-Gruppe verließ etwa zeitgleich mit dem „Erzhumanisten“ Ingolstadt: Joseph Grünpeck, der 1497 in den Dienst Maximilians trat. Er hatte 1496 eine Poetiklektur erhalten, floh aber noch im gleichen Jahr vor der Syphilis aus der Stadt.89

9.5. Locher in Ingolstadt: Erste Stimmungsbilder In einem Brief an Konrad Celtis vom 5. 12. 1498 äußert sich Locher über seine Erfahrungen, die er im ersten Jahr in Ingolstadt gesammelt hat:90 Dego magnifice inter Ingolstadenses et in frequenti auditorio poeticas, oratorias ac philosophicas deambulationes institui. Morem veteris academiae imitamur, et cum Portio Latrone, qui eius generis princeps extitit, quotidie declamatoris munere fungor. Senatus ducalis providit mihi de 80 fl., quos secta peripatetica adducto supercilio libenter denegasset, sed victor Apollo triumphat.91 (Ich lebe hervorragend unter den Ingolstädtern, und in einem gut besuchten Hörsaal habe ich poetische, rhetorische und philosophische „Spaziergänge“ eingeführt. Wir imitieren die Art der alten Akademie, und mit Porcius Latro, der das beste Beispiel dafür war, übe ich täglich das Amt des Redners aus. Der herzogliche Rat bezahlt mir 80 Gulden, was mir die peripatetische Schule mit hochgezogener Braue gerne verweigern würde, aber Apoll triumphiert als Sieger.)

Erste Konflikte mit den „Peripatetikern“ – d. h. den Vertretern der Scholastik – deuten sich hier schon an. Stolz aber reklamiert Locher einen Sieg über seine Kritiker; er kann sich auf seine Beliebtheit unter den Studenten und auf die Unterstützung des Herzogs verlassen, der ihm das Gehalt von 40 Gulden, welches ihm die Universität bezahlte, auf 80 Gulden aufbesserte. Ähnlich siegesgewiss spricht er auch anderthalb Jahre später über Anfeindungen, denen Celtis und er gemeinsam ausgesetzt seien: ______________ 87 88 89

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Christoph SCHÖNER, Johannes Stabius (Stöberer), ebd., S. 406f. Zu den Umständen seines Weggangs vgl. SCHÖNER 1994, S. 272f., 280–284. Michael MENZEL, Joseph Grünpeck (Gruenpeckh, Grinpeck), in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: IngolstadtLandshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea Forschungen 18), S. 159f. Zu Lochers Briefen an Celtis vgl. auch HEIDLOFF, S. 158; Adalbert HORAWITZ, Zur Geschichte des deutschen Humanismus und der deutschen Historiographie. ZDtKG, NF. 4 (1875), S. 65–86 u. 743–756, S. 748f. Brief Jacob Lochers an Conrad Celtis, Ingolstadt, 5. 12. 1498, ed. in: Celtis, Briefwechsel, S. 346f., Nr. 209.

9.5. Locher in Ingolstadt: Erste Stimmungsbilder

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Theologicae sectae facundissimum Phoebi plectrum, argutissimas chordas, et quicquid disertum redolet, explodunt, proscribunt atque anathemate depingunt, Musas uti scaenicas meretriculas et ut sellularias meritoriasque prosedas[que] maledictis contaminant, manducant saevitias et publicitus docent, quod domi tanquam aspidum virus evitant. Sed quorsum haec? Famam tuam puram, integram, et multis gentibus intimatam audio. Rubeat iam suo pudore frons arida atque rugosa quorundam blaterantium, qui Celtin et Philomusum sanctos vates et priscae theologiae cultores iusto gravius detestari conati sunt, sed nostra gloria multis contumeliis perita marcente invidia crescit et astra petit ...92 (Die theologischen „Sekten“ verwerfen die höchst kunstvolle Laute des Phoebus, die melodischsten Saiten und was auch immer nach Eloquenz riecht; sie ächten und verfluchen es; sie entehren die Musen mit Schmähungen als Theaterhuren, Lustdienerinnen, Dirnen und Prostitiuierte; sie belegen sie mit ihrem Zorn und lehren öffentlich, was sie zu Hause wie einen giftigen Erreger meiden. Aber wozu führt dies? Ich höre von deinem reinen, integren und unter vielen Völkern verbreiteten Ruhm. Aus Scham erröte doch die dürre und gerunzelte Stirn gewisser Plärrer, die versucht haben, Celtis und den Philomusus, die ehrwürdigen Dichter und Pfleger der alten Theologie, ungerecht heftig zu schmähen, wogegen aber unser Ruhm nach all dem Leid, wenn der Neid erschlafft, sich mehrt und zu den Sternen empor strebt …)

Man darf hier wohl bereits einen Konflikt Lochers mit der Ingolstädter Theologie angedeutet sehen; der Philomusus stilisiert diesen Konflikt aber nicht zu einem persönlichen, sondern zu einem, der ihn wie Celtis gemeinsam berühre. Er bezeichnet sie beide als Vertreter der prisca theologia, und d. h. der KirchenväterTheologie, wie Locher sie in »Theologica emphasis« (1496) vertritt, wo er die Kirchenväter als einen Teil der antiken Kulturwelt begreift93 und Christliches in antik-mythologischer Metaphorik ausdrückt, ohne dabei mit heftiger Kritik an der „ungebildeten“, „nichtsnutzen“ Scholastik zu sparen.94 Ihnen nun versuchten die Theologen mit dem Boëthius-Zitat von den Musen als Theaterhuren zu begegnen.95 In der »Consolatio philosophiae« werden die Musen als Ablenkung ohne Heilswirkung geschmäht;96 Pseudo-Thomas von Aquin geht in seinem BoëthiusKommentar97 weiter und erklärt, die Dichtung neble den Geist ein (musae poetice ______________ 92 93 94 95

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Brief Jacob Lochers an Conrad Celtis, Ingolstadt, 19./20. 4.1500, ebd., S. 397f., Nr. 238. HEIDLOFF, S. 226. Ebd., S. 236f. Vgl. dazu Fidel RÄDLE, Die Musen in der katholischen Wlt zwischen Thesenanschlag und Tridentinum, in: Die Musen im Reformationszeitalter. Hrsg. v. Walther Ludwig. Akten der Tagung der Stiftung Luthergedenkstätten in der Lutherstadt Wittenberg, 14.–16.10.1999. Leipzig 2001, S. 131–149, S. 140f. Boëthius, Consolatio Philosophiae, I, 1. Prosa. Boetius de Philosophico consolatu sive de consolatione philosophiae: cum figuris ornatissimis noviter expolitus. Straßburg: Johannes Grüninger, 1501 (Exemplar UB Tübingen, Ce 28). Der Band enthält den Text des Boëthius und den Kommentar eximii praeclarisque doctoris sancti Thomae (A1v). Für den Verfasser hält man heute Thomas Wallensis. Vgl. auch die Internet-Edition unter: http://www.unav.es/filosofia/alarcon/amicis/xbc1.html (18.10.2005).

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9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

dicuntur scenicae id est umbratiles:98 quia sunt umbra scientiae cum obumbrent mentes hominum, B4r.), unter Hinzuziehung von Affekten behindere sie die Urteilskraft und führe die eingeschläferte ratio ins Verderben wie der Sirenengesang die Seeleute. Dies aber würden die Dichter nicht aus Überzeugung von der Sache tun, sondern wie meretrices aus reinem Verlangen nach Lob oder Gewinn (poetae non scribunt amore scientiae: sed ut aliquid laudis vel premii consequentur, B4r). Solchen Vorwürfen begegnet Locher mit Siegesgewissheit. Dass er zu dieser Zeit bereits plante, das Gegenargument in Form seines mythologischen Spiels vom Paris-Urteil, welches gerade die Urteilskraft des Geistes thematisiert (vgl. Kap. 11), zu liefern, ist zu vermuten, kann aber nicht nachgewiesen werden. Der äußere Anlass für den zitierten Brief an Celtis besteht zunächst darin, dass dieser Locher ein Exemplar der »Germania« zugeschickte hatte und Locher ihm eine Gegengabe schicken wollte: Gratias ago pro libello et libellum nostrum remitto, quem lusimus curentibus (sic!) elegis et numeris sponte coeuntibus. Hoc genus scribendi meam aetatem ornat; Cothurnum et heroicum spiritum, cum magis factus sim capularis, inflare non dubitabo. Si quid inversum vel mancum fuerit, et tenello ingenio et impressori quem admodum habere non possum, ascribas velim. Leges et cetera mundi negotia me a Musis aliquantulum abducunt. (Ich danke dir für dein Büchlein und schicke dir meines zurück, das ich spielerisch verfasst habe mit römischen Elegien und zufällig zusammengekommenen (anderen) Metren. Diese Art des Schreibens schmückt mein derzeitiges Lebensalter; ich werde nicht zögern, den tragischen und heroischen Geist hineinzuhauchen, sobald ich dem Grabe näher gebracht bin. Sollte etwas schief oder mangelhaft sein, dann schreibe es bitte meiner dürren Begabung oder der Tatsache zu, dass ich so gut wie keinen sorgfältigen Drucker bekommen konnte. Die Gesetze und die sonstigen weltlichen Geschäfte lenken mich immer wieder von der Dichtung ab.)

Welches ‚Büchlein‘ Locher mitgeschickte, ist nicht bekannt.99 Erstaunlich mutet jedenfalls an, dass Locher, der bereits zwei Tragödien verfasst hat, den ernsten Stil der Tragödie oder des Epos als nicht seinem jungen Alter gerecht verschmäht. Ähnlich hatte er auch im Sapphicon zu Beginn der »Stultifera navis« erklärt, für die Tragödie fehle ihm die Begabung (4v–5r),100 dort wohl zu verstehen als ein Hinweis darauf, dass die »Stultifera navis« trotz ihrer Versform und trotz der über ihr hängenden Untergangsstimmung keine Tragödie sei. Denkbar wäre ______________ 98

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Die Verbindung zwischen scaena und umbra geht wohl zurück auf griech. ƲƪƧƭƞ (= Zelt) und ƲƪƩƜ (= Schatten). Celtis, Briefwechsel, S. 398, A. 1, vermutet RUPPRICH, es habe sich um Lochers didaktisches »Poema Nutheticon phocylidis greci poetis christianissimi…« (o. O., o. J.) gehandelt oder um das »Rosarium Celestis Curie et patrie triumphantis« (Ingolstadt: Johann Kachelofen, 1599). Eine zusätzliche Unsicherheit erwächst hier aus der Frage, ob „so gut wie kein sorgfältiger Drucker“ tatsächlich einen unsorgfältigen Drucker oder aber gar keinen meint. Es könnte sich also auch um ein nicht publiziertes Werk handeln. HARTL II, S. 24: Inclytus vates trahit ad cothurnum / Mentis ardores nitidumque syrma / Induit; lapsus recolit potentum et / Ardua fata. // Foetibus tantis mihi non replevit / Sic sinum Phoebus.

9.5. Locher in Ingolstadt: Erste Stimmungsbilder

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es deshalb auch hier, dass Lochers Aussage gerade auf die Nähe seines „Büchleins“ zur Tragödie hinweisen möchte, gegen die er sich aber doch für eine andere Gattung entschieden habe. Dennoch scheint das Werk inhaltlich dazu zu taugen, dass er ihm den „tragischen Geist“ einhauche, d. h. er behält sich eine spätere Dramatisierung vor. Die hierfür genannte Zeitangabe, „sobald ich dem Grabe näher bin“, ist überaus flexibel. Bedenkt man, dass der Brief zur Zeit der Jahrhundertwende verfasst ist, welche Celtis bekanntlich als einen bedeutenden Einschnitt wahrgenommenen hat101 und um die sich in Dichtung und Kunst der Zeit allerlei apokalyptische Topoi rankten (oft mit dem Osmanen in der Rolle des Antichrist)102 – bis hin zur bereits erwähnten (vgl. Kap. 6.1) Prophezeiung des Methodius –, dann könnte Lochers Zeitangabe sich auch ironisch auf die unmittelbar nächsten Jahre beziehen. Aus dem Brief erfahren wir weiterhin, dass der Philomusus mit juristischen und sonstigen weltlichen Dingen beschäftigt war, was vermutlich bedeuten soll, dass Herzog Georg ihn mit Ratgebertätigkeiten oder sonstigen politischen Aufgaben betraute.103 In Ingolstadt wurde Locher also sehr viel intensiver als in Freiburg von seinem Landesherrn in Anspruch genommen. Diese enge Verbindung des Philomusus mit dem Herzog kommt auch zwei Jahre später zum Ausdruck, bei seiner Totenrede auf die am 18. 2. 1502 verstorbene Hedwig. Locher publiziert diese Rede mit einer Widmung vom 19. 6. 1502.104 Er bedankt sich in dieser für den Schutz und den Zuschuss (publicum stipendium) zu seinem Gehalt sowie für weitere Zulagen, die Georg ihm aus humanitas immer wieder gewährt habe (a2r), die ihm aber andere neiden: furie tamen infernales illico suum semen letale intermiscebant ne res nostra exitum faustum sortiretur. deus forte bonorum operum largitor. vindexque malorum nonnullos in loco tenebroso cruciabit. qui felicitatem meam. tuo nutu105 mihi praestitam. malignis prestigiis immutarunt. hucusque tamen et in perpetuum amabo te. qui oculum iusticie. barbamque temperate seueritatis magnifice gestas. … Te itaque adhortor dux gloriosissime. vt non sinas te moueri garrula verba. nec aurem prebeas vanis querimoniis. tuam nos gratiam speramus. tuam semper amabimus integritatem. fac queso. vt quidam gloriosi. suarum noctium atque laborum. suique cordolii meritum nummum consequantur106. (a2r–v)

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Zu dem Versuch des Konrad Celtis, sein Gesamtwerk im Jahr 1500 zu publizieren, vgl. WUTTKE 1986, S. 5. ANDERMANN, S. 35–46. Eine solche Klage über von der Dichtung ablenkende Aufträge des Landesherrn hatte u. a. auch Reuchlin 1495 an Sebastian Brant gerichtet. Reuchlin, Briefwechsel, Nr. LIV, S. 48f. (Antwort Brants vom 1.10.1495). Vgl. auch MERTENS, Eberhard im Bart, 1994, S. 70. Jacob Locher, Threnodia sive funebris lamentatio in lauden inclite matrone Hedvigis... Trauerrede auf den Tod der Hedwig von Polen, Gemahlin Herzog Georgs von Bayern-Landshut, gehalten im Jahre 1502 von Jakob Locher, genannt Philomusus. Hrsg., übers., komm. u. eingel. v. Alfons Beckenbauer. Landshut 1984 (Schriften zur „Landshuter Hochzeit 1475“ 3). nutu ] nuto. consequantur ] consequentur.

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9. Ein neues Umfeld: Ingolstadt

(Höllische Furien aber haben sogleich ihren tödlichen Samen darunter gemischt, damit unsere Sache keinen glücklichen Ausgang nehme. Gott, der gute Taten reich belohnt und üble rächt, wird einige an einem finsteren Ort quälen, die mein Glück, das mir auf deinen Wink hin zuteil wurde, mit üblen Gauklereien geschmälert haben. Dennoch habe ich dich stets geliebt und werde ich dich ewig lieben, der du das Auge der Gerechtigkeit und den Bart der besonnenen Strenge auf vorbildliche Weise wahrst. … Deshalb ermahne ich dich, glorreichster Herzog, dass du dich nicht von schwatzhaften Worten beeinflussen lässt und dein Ohr nicht leeren Beschwerden leihst. Ich hoffe auf deine Gunst. Immer werde ich deine Korrektheit lieben. Bewirke bitte, dass ruhmreiche Männer für ihre Nachtarbeiten, für ihre Mühen und ihre Qual den verdienten Groschen erhalten.)

Hier ist nun ausdrücklich davon die Rede, dass jemand einen Keil zwischen Locher und den Herzog treiben wolle, und zwar durch Verleumdungen. Wer dieser Neider sei, deutet Locher im an die Klagerede angeschlossenen »Apologeticon philomusi carmen in pyrgopolynicem et polyhistoria« (a3r) an. Dort erklärt er, er habe auf Aufforderung der Studenten die Totenrede gehalten, großen Beifall geerntet, aber: Displicuit vano nebuloni cantio nostra. Quam fauor ingenuus. quamque probauit honos. Disruptus fibras et marcida crura. superbas Erexit cristas. indomitumque caput. (a3r) (Mein Lied, das die aufrichtige Gunst und die Ehre gutgeheißen haben, missfiel einem eitlen Schuft. Es hat ihm die Eingeweide zerrissen und er hat seine altersschwachen Schenkel, seinen eitlen Hahnenkamm und sein ungezähmtes Haupt aufgerichtet.)

Der streitsüchtige, besserwisserische pyrgopolynices und Polyhistor ist ein alter, aber ungebeugt stolzer Mann. Aus einem Brief, den Locher im Juni 1501 an Celtis geschrieben hat, geht deutlich hervor, dass die Feinde der Dichter (und v. a. die Feinde des Celtis, unter denen sich der Philomusus unwohler fühle als Androclus in der Höhle des Löwen) unter den Theologen zu suchen seien.107 Die Beschreibung des streitsüchtigen Polyhistors passt sehr gut auf einen Theologen, auf Lochers Gegner, den er in späteren Streitschriften beim Namen nennt, nämlich Georg Zingel. Als Motiv unterstellt ihm der Philomusus nicht etwa eine Ablehnung der Musen, sondern Neid um die Gunst und die finanziellen Zuwendungen des Herzogs, die seine, des Kanzlers, finanzielle Machtbefugnisse unterlaufen. Womit Zingel ihn verleumdet habe, wird nicht gesagt. Darf man die im Zusammenhang der falschen Vorwürfe immer wieder beteuerte Treue Lochers zum Herzog dahingehend verstehen, dass Zingel auf den Loyalitätskonflikt hingewiesen habe, der mit der allmählichen Entfremdung Georgs von Maximilian sich für Locher verschärfte?108 Dieser Aspekt wird im späteren Streit zwischen Zingel und ______________ 107 108

Brief des Jacob Locher an Konrad Celtis, 30. 6.1501. Celtis, Briefwechsel, Nr. 261, S. 450. Vgl. die Erörterungen von MERTENS, Bebelius, 1983, S. 165, zu dem entsprechenden Loyalitätskonflikt Heinrich Bebels, nachdem die Einigkeit zwischen Württemberg und dem Reich zerbrochen war.

9.5. Locher in Ingolstadt: Erste Stimmungsbilder

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Locher, der den Tod Georgs lange überdauerte, nicht mehr erwähnt, er war daher wohl weniger der Haupteinwurf Zingels als eine von Locher gefürchtete Waffe seines Gegners. Der poeta muss auf jeden Fall, so lange es geht, seine Treue zum Landesherrn betonen, um von diesem einen Schutz gegen seinen mächtigen Kontrahenten in der Universität zu erhalten.

10. Das Spiel für den Landesherrn: Spectaculum de regibus (1502) Im Jahr 1502 legt Locher sein drittes Bühnenstück vor. In der Zwischenzeit haben Reuchlin, Grünpeck und Bebel ihre Komödien verfasst, inzwischen hat auch Konrad Celtis in Wien seinen panegyrischen »Ludus Dianae« aufgeführt. Keiner dieser Dichterkollegen verwendet, wie oben dargelegt (Kap. 8), den Gattungsbegriff tragoedia. Auch Locher geht jetzt mit dem Tragödienbegriff wieder vorsichtiger um. Sein neues Werk nennt er ein spectaculum more tragico concinnatum (a1v).1

10.1. Spectate rem novam: eine neue Form für ein altes Anliegen Auf den ersten Blick erscheint das neue Spiel wie eine kürzere – und schwächere – Fassung der »Tragedia« von 1497.2 Allerdings markiert bereits der Titel einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Spielen: Spectaculum more tragico concinnatum de regibus et proceribus christianis. qui contra Thurcorum insultus arma parant. foedusque constituunt. Der Titelheld ist kein Tyrann, kein dem Untergang geweihter negativer Held; Titelhelden sind vielmehr die christlichen Könige und Fürsten, die sich gegen die Türken verbünden. Es kann sich damit um keine Tyrannentragödie handeln. Die Perspektive ist nicht nur gegenüber der »Historia« und der »Tragedia« verkehrt, es wird zugleich auch auf beiden Seiten auf eine Konzentration auf eine Person verzichtet. Zwei Gruppen stehen einander gegenüber, was das Einhalten der Einheit der Person und der klassischen Beschränkung der auf der Bühne vertretenen sprechenden Figuren auf maximal drei3 erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. So wenig wie der Rezipient auf der Grundlage dieses Titels eine Tragödie erwarten kann, so wenig kann er eine Historiendarstellung wie in Lochers Erstlingswerk erwarten. Dass die angekündigte Einigung der Fürsten gegen die Tür______________ 1

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Jacob Locher, Spectaculum more tragico effigiatum: In quo christianissimi Reges aduersum truculentissimos Thurcos consilium ineunt, expeditionemque bellicam instituunt; inibi salubris pro fide tuenda exhortatio. o. O. [Augsburg: Hans Froschauer]. o. D. [1502] (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2052). So werten es auch auch Carl GÖLLNER (Hrsg.), Turcica, Bd. I: Die europäischen Türkendrucke des 16. Jahrhunderts, 1501–1550. Bukarest/Berlin 1961, Nr. 12, und MICHAEL 1971, S. 256. HEHLE I (1873), S. 29, Anm. 5, weist allerdings bereits darauf hin, dass die beiden Werke nicht verwechselt werden sollten. Horaz, Ars poetica, V. 191f.

10.1. Spectate rem novam: eine neue Form für ein altes Anliegen

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ken der historischen Wahrheit nicht – trotz aller politischen Notwendigkeit immer noch nicht – entsprach, war dem Publikum gegenwärtig. Auditores spectate rem novam. et lectu dignam (a2v), fordert Locher am Ende des Arguments sein Publikum auf, das er geradezu programmatisch als ein Theaterund ein Lesepublikum anspricht. Neu ist sicherlich nicht das Thema; unerhört aber ist die Wendung, die das Geschehen nimmt: die Einigkeit der Fürsten bezüglich des Kreuzzugs gegen die Türken. Am 16. 1. 1502 hatte Maximilian die Reichsstände aufgerufen, sich bis zum 1. 6. gerüstet zum Türkenfeldzug zu versammeln.4 Kardinallegat Peraudi begann mit Kreuzzugswerbungen, die im Mai ihren Höhepunkt erreichen sollten. Er zumindest vertraute auf den Willen der Fürsten zum Kreuzzug.5 Mag dieser zwar Gegenstand mancher Hoffnungen – auch der Sebastian Brants6 – gewesen sein, der politischen Realität entsprach er, wie sich herausstellen sollte, nicht. Neu dürfte für das Ingolstädter Publikum das Universitätsdrama als solches gewesen sein; neu ist auf jeden Fall auch die Form dieses Dramas, das mit einer Tragödie im Sinne von Lochers früheren Werken nur wenig gemein hat. Zur Entstehung des Werks und seiner Intention äußert sich Locher im Widmungsbrief an Herzog Georg: Scripsimus iamdudum nutheticon carmen. ad rei publice christiane principes. in quo quedam mysterialia ac vaticinantia posuimus. quibus ardor fidei nostre. et defensio christiani nominis contra prophanissimos Thurcos. geticosque latrones exacueretur. movit me imprimis ad scribendum multorum hominum calamitas. qui sub iugo Thurci cruentissimi. qui sub durissima servitute immortales penas. infinita supplitia. mortes crudeles experiuntur. quis tam saxeus. quem communis catholicorum conflictus non moveat.7 quis tam socors. qui in tanto thurcorum occursu non expergiscatur. movebit et te princeps christianissime.|infelix miseraque mortalium sors. ... Accipe nostrum effigiatum sub certis regibus spectaculum. quod in tuo studio Auripolensi. frequenti nobilium caterva lusimus. Deus faxit ut res christiana te adiutore salubriter restituatur. (a2r–v) (Ich habe vor einiger Zeit ein Mahnlied an die Fürsten des Christentums geschrieben, in das ich gewisse geheimnisvolle und prophetische Worte eingefügt habe, mit denen die Leidenschaft unseres Glaubens und [der Wille zur] Verteidigung des christlichen Namens gegen die zutiefst heidnischen Osmanen und die balkanischen Diebe angestachelt werde. Der hauptsächliche Ansporn zum Schreiben war für mich das Leid der vielen Menschen, die unter dem Joch des höchst grausamen Türken und in härtester Knechtschaft unmenschliche Strafen, unendliche Demütigungen und grausame Todesarten erfahren. Wer ist so hart, dass ihn die gemeinsame Not der Rechtgläubigen

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WIESFLECKER III (1977), S. 16; DIEDERICHS, S. 110, Nr. 33. Ebd., S. 50f. Sebastian Brant, Zu eren romscher kuniglicher maiestat von der vereyn der kunigen und anschlag an die turchen, ed. in: Sebastina Brant, Kleine Texte. Hrsg. v. Thomas Wilhelmi. Stuttgart 1998 (AuE 3), Bd. 1, Nr. 386, S. 526–531. Vgl. SCHÜNICKE, S. 75. Vgl. »Stultifera navis«, fol. 110r: Nemo adeo durus: nemo tam saxeus vsquam:/ Qui non hos casus lugeat atque fleat.

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10. Das Spiel für den Landesherrn: Spectaculum de regibus (1502)

nicht berührte? Wer ist so abgestumpft, dass er bei einem derartigen Ansturm der Türken nicht erwachte? Auch dich, christlichster Fürst, wird das unglückliche, elende Schicksal der Menschen bewegen ... Nimm mein Schauspiel an, in dem bekannte Könige auftreten und das wir in deiner Universität zu Ingolstadt vor einer großen Schar von Adeligen aufgeführt haben. Gott füge, dass mit deiner Hilfe der christliche Staat auf heilsame Weise wiederhergestellt werde.)

Die Formulierung des Titelblatts, spectaculum tragico more effigiatum, findet sich hier leicht variiert wieder als effigiatum sub certis regibus spectaculum. Was das Stück in die Nähe der Tragödie stellt, ist demnach offensichtlich das fürstliche Personal. Charakteristisch für das neuartige Spiel aber scheint v. a. seine enge Verbindung zum Lied zu sein. Aus einem carmen nutheticon, welches Locher iamdudum geschrieben habe, scheint es sich entwickelt zu haben; eventuell ist es jenes Gedicht, welches Locher im Jahr 1500 an Celtis gesandt hatte (vgl. Kap. 9.5). Das Spiel, das anders als Lochers frühere Dramen durchgehend in Versen verfasst ist,8 stelle eine Erweiterung des Mahnlieds durch mysterialia ac vaticinantia dar. Nicht um eine Darstellung (angeblicher) historischer Tatsachen (wie in der »Historia«) also geht es, sondern um die Inszenierung einer Prophezeiung, um eine Warnung vor künftigen Schrecken, welche ihre Rezipienten zur Verteidigung der Menschenrechte und der christlichen Zivilisation anspornen möchte. Damit stellt Locher sein neues Werk an die Seite der von Georg Zingel verachteten astrologischen Werke nach der Art des »Türkeniudiciums« des Ventimontanus. Für die Inszenierung seines „Lieds“ setzt Locher, was nicht zuletzt auch die Gattungsbezeichnung spectaculum impliziert, stärker als bisher auf Bühneneffekte.9 Diese lassen sich zum Teil aus den Nebentexten des Spiels erschließen, was im Folgenden versucht werden soll. Das carmen nutheticon, die Keimzelle des Spiels, bildet den ersten Akt und damit die Exposition der Handlung. Eine nicht näher bestimmte Figur singt: Quom deus omnipotens nuper per candida vultum. Astra coruscantem terris demitteret imis. Vidit grande nefas. quod toto serperet orbe. Quodque truces animas tenebroso mergeret orco (a2v, V. 1–4). (Als der allmächtige Gott vor kurzem einen raschen Blick durch die glänzenden Sterne auf die Erde herab warf, sah er einen großen Frevel, der sich auf der ganzen Erde verbreitete und die grausamen Seelen in die finstere Hölle stürzte.)

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PRICE, S. 24, sieht hierin den Gipfel und Zielpunkt von Lochers dramatischem Schaffen, welches im Grunde ein lyrisches sei. Auf eine andere zeitgenössische Inszenierungsform eines Türkenkriegsgedichts verweist MERTENS 1983, S. 159f. Auf dem Konstanzer Reichstag von 1507 wurde ein vermutlich von Georg Slatkonia verfasster (in seinen Formulierungen allerdings eher zurückhaltender) Aufruf an die Fürsten zum Türkenkrieg in einer musikalischen Bearbeitung von Heinrich Isaac als Motette »Imperii proceres« präsentiert. Ed. in: Heinrich Isaac, Weltliche Werke. Bearb. von Joahnnes Wolf. Wien 1907, S. 53–58 (Denkmäler der Tonkunst in Österreich 14/1). Vgl. dazu: Albert DUNNING, Die Staatsmotette 1480–1555. Utrecht 1970, S. 36–41.

10.1. Spectate rem novam: eine neue Form für ein altes Anliegen

237

Wut regt sich angesichts des abscheulichen Verbrechens im Herrscher des steilen Olymps, an den sich der Sänger nun direkt wendet: O tu celicorum rector et arbiter Presens huic misero consule seculo Da mortem rigidam damna merentibus. Da castis animis stamina vivida Da celi dapibus perpetuo frui (a3r, V. 7–11). („O du Herrscher und Richter der Himmlischen, komm und schaffe Rat dieser elenden Welt! Gib denen, die eine Verdammung verdienen, einen unerbittlichen Tod! Schenke den anständigen Seelen langes, kraftvolles Leben und lass sie das Festmahl des Himmels ewig genießen.“)

Die sehr allgemein gehaltene Klage über den Verfall der Sitten in der Welt und der Ruf nach göttlicher Gerechtigkeit bezieht sich, wie aus der Überschrift zum ersten Akt hervorgeht und wie es wohl leicht durch ein entsprechendes Bühnenbild ausgedrückt werden konnte, auf Thurcorum insultus. Die Türkengefahr wird, was eine für die Zeit nicht unübliche Deutung ist,10 als Resultat der Sündhaftigkeit der christlichen Welt begriffen, welche sich selbst noch einmal versündigt, indem sie nicht gegen die Türken vorgeht. Eine weitere Deutung erhält diese Rede durch das argumentum, welches dem Leser Aufschluss darüber gibt, was der Zuschauer sieht, nämlich wer hier spricht: Summus pontifex et christi vicarius ab angelo Michaele admonitus. indulgentias populo christiano dispensat (a2r). Der Erzengel selbst spricht hier gleichsam aus nächster Augenzeugenschaft vom Zorn Gottes über die Welt. Wenn er nach göttlicher Gerechtigkeit ruft, dann scheint der apokalyptische Entscheidungssieg Michaels über Satan nahe bevorzustehen. Entsprechende Endzeiterwartungen kursierten, wie bereits erwähnt, um das Jahr 1500. Der angekündigte Türkenkrieg wird so zum Endkampf stilisiert, dessen Ausgang feststeht: So wie der Hl. Georg als Erlösung verheißende Gestalt am Anfang des »Ingolstädter Fronleichnamspiels« steht (vgl. Kap. 9.3), so steht Michael als Garant des göttlichen Siegs am Anfang vom Lochers „prophetischem“ »Spectaculum«. So sehr die Engelserscheinung an das Traumgesicht des Papstes in der »Tragedia« erinnert, in welchem Fides ihre Not klagt (vgl. Kap. 6.2), so sind doch die Ausgangssituationen in den beiden Dramen gänzlich verschiedene. Während in der »Tragedia« eine hilflose Gestalt dem übermächtigen Tyrannen gegenüber steht und nach einer Erlöserfigur schreit, hat hier das Böse im Moment vom Michaels Auftritt den Zenit seiner Macht bereits überschritten. Es bedarf keiner Erlöserfigur, denn sie ist mit dem Erzengel bereits gegeben; es geht nun darum, dass jeder einzelne die rechte Einstellung finde, um dem göttlichen Gericht begegnen zu können. Deshalb wird das Negative nicht als eine die Christenwelt bedrängende und unterdrückende Tyrannenmacht beschrie______________ 10

Winfried SCHULZE, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung. München 1978, S. 41.

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10. Das Spiel für den Landesherrn: Spectaculum de regibus (1502)

ben, sondern als eine Gott erzürnende Verfallenheit der Menschen an die Sünde. Die Exposition des »Spectaculum« ist damit die eines Weltgerichtsspiels. Akt II stellt den Römischen König in den Mittelpunkt. In der in Hexametern vorgetragenen Botschaft des päpstlichen Legaten wird Maximilian gelobt und ermahnt, seiner Verantwortung als Herrscher des Römischen Reichs gerecht zu werden, Te deus aeneadum sceptro profecit (a3r). Das Szepter der Aeneaden wird später in der Rede des königlichen Boten ergänzt durch den goldenen Thron: Rex sedet aeneadum solio venerandus in aureo (a4v). Man wird sich auf der Bühne einen prächtigen Thron vorstellen dürfen, auf dem Maximilian als optisch inszenierter ruhender Pol sitzt, während der eine Bote kommt, der andere geht. Der Römische König reagiert sofort auf die Aufforderung des Papstes, aber nicht indem er selbst aktiv würde, sondern indem er seine Macht walten lässt. Den dramatischen Höhepunkt des »Spectaculum« bildet der dritte Akt. Er stellt auf die Bühne, was laut Überschrift der Kern der Handlung ist: die Einigung der christlichen Fürsten und Könige. Einer nach dem anderen tritt auf und gibt sein Votum für den Krieg: zuerst der Franzose, dann der Spanier, der Engländer als Vertreter Nordeuropas, der Ungar (der zugleich für Böhmen und Litauen spricht) und schließlich der Bote der Eidgenossen. Ein Dialog findet nicht satt. Deutlich ist dieses Reihenspiel duch den »Ludus Dianae« inspiriert, allerdings ohne dass dessen fastnächtliche Züge übernommen wären. Wieder gibt der Nebentext Aufschluss über die Inszenierung dieses Aktes: Actus tercius continet regum consilium et votum apparandi belli contra Thurcum (b1r). Ein consilium wird man sich nicht als eine Folge von Auf- und Abtritten von Einzelpersonen vorstellen; vielmehr ist hier davon auszugehen, dass Locher bewusst gegen die Horazische Beschränkung des Personals auf der Bühne verstößt, um die große Zahl der sich einigenden christlichen Fürsten zu demonstrieren. Während der Leser nur die Einzelstatements mitbekommt, werden sich vor den Augen des Zuschauers die um den Thron des Römischen Königs gruppierten Könige optisch als (bunte) Einheit präsentieren, aus der heraus einer nach dem anderen spricht. Zu beachten ist weiterhin, dass in der Rede des päpstlichen Legaten nicht nur von den europäischen Königen die Rede war, sondern auch von den Sachsen, Preußen, Bayern, Franken und Schwaben (a3v). Auch sie darf man sich wohl, wenn auch ohne eigenen Redetext, auf der Bühne versammelt vorstellen. Maximilian bildet damit den optischen Mittelpunkt; inmitten der Fürsten repräsentiert er die zentrale Macht im Reich und in Europa. Celtis greift dieses ausdrucksstarke Bühnenbild in seiner »Rhapsodia« in Variation wieder auf (vgl. Kap. 8.4). Zu einem tragischen Umschwung, wie ihn die Tragödie fordern würde, darf es nicht kommen. Der vierte Akt setzt den Zusammenschluss der europäischen Mächte inhaltlich fort, in den darstellerischen Mitteln aber kommt es tatsächlich zu einem Umschwung. Endlich tritt die Dialogform an die Stelle der Revue. Der rasche Redewechsel (nach jeweils vier Versen) markiert formal den Wechsel vom

10.2. Mehr als nur Kreuzzugswerbung. Eine Huldigung an Georg

239

Konzil zur Handlung. Dialogpartner sind hier zwei neu eingeführte Figuren: der Heerführer des Römischen Königs und der Fürst von Rhodos. Offensichtlich ist auch der Ort der Handlung ein neuer: der Hafen, in welchem die christliche Flotte liegt. Der führende der beiden Gesprächspartner ist der (nicht beim Namen genannte) capitaneus, neben Maximilian der einzige deutsche Fürst, der im »Spectaculum« zu Wort kommt. Er befragt gewissenhaft den Rhodier über die Zuverlässigkeit der Griechen als Bündnispartner der Christen, über die Taktik der Seeschlacht und die eigene Siegesgewissheit seines Gesprächspartners. Alle Vorzeichen sind auf einen Sieg der Christen gerichtet. Mit der Eröffnung des Kampfes durch den capitaneus bricht das Spiel ab. Der Aufruf, die Waffen laut erklingen zu lassen, geht in den Aufruf, lauten Applaus ertönen zu lassen, über. Der fünfte Akt ist ausgespart. Ihn soll die Wirklichkeit bilden; der Ausgang aber steht bereits fest. Im Epilog betont Locher noch einmal das Neue an diesem Spiel: Si tibi nostra placet novitas. dic plaudere fas est (b4v). Durchaus räumt er aber auch die Möglichkeit von Kritik an dieser novitas ein, allerdings nur Kritik von Zuschauern, nicht von Lesern: Man möge ihm die Verwendung von trabeati pompa senatus nicht übel nehmen und dem sittlichen Gehalt des Stücks Beifall spenden (b4v). Das Neue liegt demnach offensichtlich in der pompösen Aufführung, die getrennt werden kann vom Appellcharakter des Spiels. Lochers »Spectaculum« will sich nicht an den (didaktisch verstandenen) Palliata oder der Tyrannentragödie orientieren, sondern eher an effektvollen Prunkaufführungen, wie sie für italienische Hoffestspiele üblich waren. Prunkvoll inszeniert war auch der »Ludus Dianae« des Konrad Celtis. Eine (grob an diesen angelehnte) musikalische Ausschmückung des »Spectaculum« wäre angesichts der auffallenden Kürze des Spieltexts gut denkbar. Anders aber als bei Celtis tritt bei Locher der Handlungsaspekt nicht in den Hintergrund. Der revueartige dritte Akt beschreibt kein statisches Bild, sondern ist Ergebnis einer vom Erzengel Michael initiierten Handlung, er konstituiert eine vorher nicht vorhandene Einigkeit und zielt auf den Kriegsausbruch und den zu erwartenden Sieg über die Türken. Bei Locher bleiben auch Bühnen- und Publikumsraum klar getrennt. Das »Spectaculum« ist kein Festspiel, es ist nicht fest in einen feierlichen Rahmen eingebunden, ohne den es nicht aufführbar wäre, sondern es ist problemlos wiederaufführbar. Es finden sich daher keine in Präteritum formulierten Regieanweisungen oder Bühnenbeschreibungen im Text.

10.2. Mehr als nur Kreuzzugswerbung. Eine Huldigung an Georg Wenn das »Spectaculum« auch nicht wie ein Festspiel untrennbar in einen festlichen Aufführungsrahmen eingebunden ist, so dokumentiert Locher in der Druckausgabe des Spiels doch ausführlicher als bei seinen früheren Werken die Umstände der Aufführung. Diese fand am 13. 2. 1502 in der Universität Ingolstadt statt, unter Anwesenheit des gesamten bayerischen Fürstenhauses, der Oberen

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10. Das Spiel für den Landesherrn: Spectaculum de regibus (1502)

aus Stadt und Universität und der Studenten (d4v). Ähnlich wie zuvor manche seiner Dichterkollegen in ihren Dramenausgaben listet Locher die an der Aufführung beteiligten Darsteller auf: – Philomusus author et actor: Locher selbst spielte mit; vermutlich sprach er Argument und Epilog. Die Formulierung author et actor dürfte an Grünpecks Komödien angelehnt sein. – Anthonius de hattstat ist an zweiter Stelle genannt. Der Kanonikus von Worms und Basel hat sich am 21. 2. 1498 an der Universität Ingolstadt eingeschrieben und den Beitrag eines nobilis (1 fl.) entrichtet.11 – Theodoricus de tingen gehört ebenfalls zu den nobiles. Er war Kanonikus des Münsters von Würzburg, immatrikuliert am 18. 5. 1501.12 – Georgius gross de trockau ist am 12. 9. 1496 in den Matrikeln verzeichnet, als Kanonikus von Augsburg.13 – Sebastianus de fuchstain (de Kalenberg) wird bei seiner Immatrikulation am 16. 4. 1499 ohne weitere Erklärung als nobilis bezeichnet.14 – Johannes hausner (immatrikuliert: 2. 4. 1497) rangiert gleichfalls als nobilis.15 – Wolfgangus kärgl (de Siesbach), der sich am 14. 4. 1496 eingeschrieben hat, wird zwar als nobilis minorennis bezeichnet, entrichtet aber wie alle oben genannten nobiles den vollen Betrag von einem Florin.16 Es folgen nun die nicht adeligen und nicht prominenten Darsteller: – Leonardus cantzler aus Regensburg – nicht zu verwechseln mit dem Kanzler der Universität Leonhard von Eck – entrichtet bei seiner Immatrikulation am 16. 4. 1494 die außergewöhnlich hohe Summe von 8 gr.,17 alle nachfolgend genannten nur die für Bürgerliche üblichen 6 gr. Er gehört demnach zum Großbürgertum. – Paulus retingerius ist in den Matrikeln der Universität Ingolstadt nicht zu finden; in der Liste der neu ernannten Doktoren der Medizin der Ludwig-Maximilians-Universität aber ist er 1512 als „Paul Rötinger aus Nördlingen“ genannt.18 – Christoferus rothan aus Nürnberg ist am 15. 4. 1499 eingeschrieben,19 – Johannes reger/rüger aus Altentrüdingen in Bayern am 18. 12. 1500,20 – Georgius ratdolt aus Augsburg am 16. 11. 1500.21 ______________ 11

12 13 14 15 16 17 18

19 20

MEDERER I, S. 52; Matrikel der Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt – Landshut – München. Hrsg. v. Götz Freiherr von Pölnitz, Teil I,1 (1472–1600). München 1937, S. 264. MEDERER I, S. 59; Matrikel der LMU, S. 288. MEDERER I, S. 47; Matrikel der LMU, S. 254. MEDERER I, S. 56; Matrikel der LMU, S. 272. MEDERER I, S. 50; Matrikel der LMU, S. 258. MEDERER I, S. 47; Matrikel der LMU, S. 248. Matrikel der LMU, S. 232. Matrikelbuch der Universität Ingolstadt – Landshut – München: Rektoren, Doktoren, Candidaten. Hrsg. v. Franz Xaver Freninger. München 1872, S. 50. Matrikel der LMU, S. 272. Ebd, S. 284.

10.2. Mehr als nur Kreuzzugswerbung. Eine Huldigung an Georg

241

Die Reihenfolge, in welcher die Darsteller genannt werden, entspricht offensichtlich ihrem Rang; die von ihnen bekleideten Rollen sind nicht zu erschließen. Die Aufzählung der Mitwirkenden erfüllt damit weniger den Zweck einer Rollenbesetzungsliste als den einer Hommage an den fürstlichen Widmungsträger. Die auffällig hohe Zahl der Mitspieler aus Adel und Prominenz steigert den Wert und Huldigungscharakter der Präsentation. Die Aufführung ist offensichtlich nicht nur von der Artistenfakultät unterstützt, sie darf eher als ein von der gesamten Universität getragener Huldigungsakt an den Landesherrn verstanden werden. Von Anfeindungen Lochers wegen seiner Theateraufführungen und von einem Konflikt mit der Theologischen Fakultät ist hier erstaunlich wenig zu spüren, sei es dass sie zu dieser Zeit noch nicht existierten und der Brief Lochers an Celtis aus dem Jahr 1500 (vgl. Kap. 9.4) eher eine topische Klage des humanistischen Gelehrten über Neider und Gegner darstellt, welche der Steigerung des eigenen Werts dienen soll,22 sei es dass der schwelende Konflikt hier kurzfristig beigelegt war. Gerade in letzterem Fall aber war es für Locher wichtig, die Namen seiner hochgestellten Schauspieler zu veröffentlichen, um die breite Unterstützung zu demonstrieren, die er, sein Spiel und der Humanismus in Ingolstadt fanden. Nicht nur durch die Dokumentation der Aufführung aber weist Locher auf den Huldigungscharakter seines neuen Spiels hin, sondern auch durch das Epigramm und den Widmungsbrief an Georg von Bayern, welche er dem Druck beigibt. Im Epigramm feiert er den Herzog als einen „trojanischen“ Fürsten, der direkt von Hektor abstamme. Als großzügiger, freigebiger und um die Pflege von Ansehen und Tugenden bemühter Mäzen habe er den Dichter dazu veranlasst, dass dieser seine Taten verewige und seinen Namen dadurch bis in die Sterne erhöhe: Me trahis. ut scribam clari monumenta laboris. / Candida que tollant nomen in astra tuum (a2r, V. 7f.). Georg als Lochers neuer Landesherr also tritt an die Stelle Maximilians, für sein gedechtnüs schreibt er jetzt. Zum Fürstenlob gehört nicht zuletzt auch das Lob der Abkunft des Fürsten, die hier – wie bei Maximilian – auf die Trojaner zurückgeführt wird, nicht aber auf Aeneas, den Erben des Reichs, dessen Thron in der Mitte der Bühne steht und Maximilian gehört, sondern auf Hektor, den Führer des trojanischen Heers, der als der tapferste der Troerhelden gilt. Georg als dem Heerführer und tapfersten Kämpfer des Reichs ist also dieses Schauspiel gewidmet. So dargestellt zu werden, entsprach sicherlich dem Wunsch Georgs, der in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts zu beklagen hatte, dass ihm seine tatkräftige Hilfe auf den Feldzügen Maximilians nicht in angemessener Weise die Gunst des Königs einbrachte. Einen poeta Maximilians damit zu beauftragen, ihn als für das Reich und den König unentbehrlich darzustellen und seine Heldentaten zu rühmen, war damit eine bewusste politische Tat Georgs. Locher versucht seinerseits den Loyalitätskonflikt zwischen König und Landesherrn zu ______________ 21 22

Ebd., S. 284. Vgl. GRAF, Wider ein barbarisches Latein, 1993, S. 181 und die dort angegebene Literatur.

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10. Das Spiel für den Landesherrn: Spectaculum de regibus (1502)

verleugnen und stellt sich gänzlich hinter Georg, wie z.B. in der Totenrede für Hedwig; im bisher für das Lob Maximilians reservierten Genre Drama scheint jedoch Vorsicht geboten zu sein. In seinem neuen Drama verherrlicht Locher nicht etwa die Taten Georgs in den Kriegen Maximilians gegen Frankreich und in den Niederlanden; der Philomusus greift vielmehr zu dem ihm bereits vertrauten Thema des Türkenkriegs. Kein Fürstenwunsch habe ihn zu dieser Themenwahl veranlasst, sondern das Mitleid und die humanitas. Als ein ausgesprochen humanistisches Ziel soll den christlichen Fürsten und unter ihnen auch Georg von Bayern der Krieg gegen die anstürmenden Türken ans Herz gelegt werden,23 und zwar in Worten, die z. T. an das bereits für die »Tragedia« verwendete Kapitel des »Narrenschiffs« gemahnen, das an die fürstlichen Narren gerichtet ist. Wenn der Widmungsträger durch diese Dichtung gelobt werden soll, in der er selbst allerdings gar nicht namentlich genannt und ein bayerischer Fürst allein als Statist zu erschließen ist, dann kann dieses Lob nur in der ihm im Widmungsbrief zugewiesenen Rolle als „Hektor“ und Heerführer bestehen. Die abschließenden Worte des Widmungsbriefs, Deus faxit ut res christiana te adiutore salubriter restituatur (a2v), deuten auf eine bedeutende Rolle Georgs in der Rettung der res christiana hin. Er soll seine Identifikationsfigur sicherlich im capitaneus finden. Bei einer Aufführung vor Georg konnte dies durch Wappen oder andere optische Signale hervorgehoben werden. Gegenüber der Leseöffentlichkeit aber ist die Panegyrik im Dramentext selbst verdeckt. Ohne die Zueignung an Georg konnte das »Spectaculum« jedem europäischen Fürsten als Identifikationsgröße dienen, und so war es auch andernorts aufführbar: In Krakau24 wurde es 1522 vor König Sigismund auf die Bühne gebracht. Nicht nur regional, sondern auch zeitlich ist das Spiel aufgrund seines noch lange aktuellen Themas recht flexibel. Während die »Historia de Rege Frantie« bereits mit Maximilians Italienfeldzug 1496 überholt war, blieb Lochers »Spectaculum« zeitgemäß, solange die Berohung durch das Osmanische Reich andauerte. Der Unterschied zwischen Lochers panegyrischen Kaiserspielen und dem Fürstenspiel ist eklatant. Der Sturz des Tyrannen, die Tragödie, scheint für ihn untrennbar mit dem Triumph des Kaisers verbunden zu sein, d. h. die Tragödie ist eine kaiserliche Dramenform. Auch die Raumillusion eines römischen Theaters scheint dem Kaiser vorbehalten zu sein. Dem Fürsten angemessen ist dagegen das höfische spectaculum, das sich gegen eine klare Gattungszuweisung sperrt. ______________ 23

24

Nach Lochers direkter Äußerung zu dieser Absicht, erstaunt RIEZLERs Äußerung, das Drama verfolge wohl „nebenbei“ die Absicht, Herzog Georg zur Teilnahme am Türkenkrieg aufzufordern. Sigmund RIEZLER, Geschichte Bayerns, Bd. III (von 1447–1508). Gotha 1889, S. 934. Wâadysâaw KOROTAJ, Dramat staropolski od poczĊtku do powstania sceny narodowej. Bibliografia, Bd. 1. Breslau/Warschau 1965, S. 218f. HEHLE II (1874), S. 39, erwägt außerdem eine erneute Aufführung in Freiburg; es lässt sich aber nicht belegen, welches Spiel Locher 1503 in Freiburg auf die Bühne gebracht hat. Vgl. Kap. 12.1.

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502) Que te ceritam rabies. quod palladis oestrum Te rapit. et stigius quis furor exacuit. Ut cupias pacem. nunc interrumpere dulcem. Conventusque tuo frangere dissidio. Tu potes unanimes fratres disiungere. tecum Sunt lites rixe. iurgia. livor edax. Quis vates posset proprias describere formas Invidie. turpes vel memorare notas. (Merkur zu Discordia, c4v, V. 49–56)1 (Welche Rage, welch Raserei wider die Vernunft hat dich Wahnsinnige ergriffen, welch höllische Wut hat dich angestachelt, dass du nun den lieblichen Frieden stören und die Gemeinschaften durch deine Zwietracht zu zerbrechen trachtest? Du kannst einträchtige Brüder entzweien. Dich begleiten Streitigkeiten, Zwiste, Sticheleien und der gefräßige Neid. Welcher Dichter könnte die eigentümlichen Formen des Neids beschreiben oder seine hässlichen Merkmale festhalten?)

Vier Monate nach seiner Aufsehen erregenden Aufführung des »Spectaculum de regibus et proceribus christianis« vor dem Landesherrn, ebenfalls vier Monate nach seiner Totenrede auf Hedwig und genau an dem Tag, auf den er die Widmung der Totenrede in der Druckausgabe datiert (19. Juni 1502), bringt Locher ein Schauspiel zur Aufführung, in dem Discordia, der plötzlich auftretende Streit, Zwist und Neid, eine entscheidende Rolle spielt und in dem es Merkur, dem Dichtergott, zufällt, sie anzuklagen, ähnlich wie auch in Burgkmairs »Allegorischem Reichsadler« Merkur mit Discordia kontrastiert wird,2 als Ausgangspunkt des symbolisch dargestellten Werdegangs junger Dichter (vgl. Kap. 8.4.4). Offensichtlich will Locher hier auf jene Missgunst anspielen, die er in der Widmung der Totenklage dem pyrgopolynices zuschreibt (vgl. Kap. 9.5). Das Spiel ist aufgrund dieser auffälligen Koinzidenz als ein Angriff gegen Lochers Neider zu werten, und mit ihm erntete der Philomusus wiederum Kritik und Missgunst. Das »Spectaculum de iudicio Paridis, de pomo aureo, de tribus deabus, et triplici hominum vita«, hebt sich als eine Dramatisierung eines mythologischen Stoffs deutlich von den früheren zeitgeschichtlich-politischen Dramen Lochers ______________ 1 2

Überliefert im gleichen Band wie das »Spectaculum de regibus et proceribus christianis«. Zu Merkur als Dichtergott bei Celtis vgl. LUH 2002, S. 71. LUH bezeichnet die Kontrastierung von Merkur und Discordia als „vorbildlos“ (S. 63) und sieht in ihr Reflexe des aktuellen Streits zwischen Humanisten und Scholastikern verbildlicht, was er mit einem Verweis auf Lochers Streitschriften gegen Zingel zu belegen versucht (S. 65f.).

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11.1. Der Philomusus als Leser Boccaccios

ab; es wird in der Forschung zuweilen in die Nähe des »Ludus Dianae« des Konrad Celtis gestellt,3 zuweilen in die von Grünpecks »Comoedia secunda«4 oder Polizianos »Orfeo«.5 Ein Einfluss italienischer oder burgundischer Spiele vom Urteil des Paris, die bereits ab den 1460er Jahren belegt sind,6 ließe sich ebenso erwägen. In kein Muster allerdings mag es sich so recht fügen; Locher entwirft hier eine neue Dramenform, für die er wieder die allgemeine Bezeichnung spectaculum verwendet, nun aber ohne den Zusatz tragico more effigiatum.

11.1. Der Philomusus als Leser Boccaccios Bereits 1500 war Locher mit dem aus Boëthius entlehnten Vorwurf gegen die poetischen Musen als scenicas meretriculas, welche die menschliche Urteilskraft behinderten, konfrontiert worden. Aufwind gab solcher Dichtungskritik auch die Drucklegung des oben (Kap. 9.5) erwähnten Boëthius-Kommentars des PseudoThomas von Aquin im Jahr 1501 bei Grüninger in Straßburg – mit einem Vorwort von Sebastian Brant! Die Diskussion um Boëthius’ Verhältnis zur Dichtung war nicht neu; auch Giovanni Boccaccio äußert sich dazu in den »Genealogiae deorum gentilium«. In seinem Privatexemplar dieses Werks hat der Philomusus die Stelle, an welcher das Boëthius-Zitat diskutiert wird, angestrichen, dazu auch Boccaccios Aussage duplex poetarum speties (XIV, 20, 110v).7 In diesem Buch, welches er um 1500 sicherlich nicht zum ersten Mal las, fand Locher wichtige Hinweise für seine großartig angelegte Replik gegen die Kritiker der Poesie. In die erste Seite seines Exemplars hat Locher folgendes Tetrastichon eingetragen: Hic genus heroum: divum ramosa propago: Et series legitur: fabula mixta quoque! Montes: et silve: fontes: et stagna / paludes! Aequora, monstrantur: flumina cuncta / lacus (a1r) (Hier findet man das Geschlecht der Helden, die verzweigte Nachkommenschaft und Geschlechterfolge der Götter, auch die fabula mixta. Berge und Wälder, Quellen, Tümpel, Sümpfe, Meere werden aufgeführt, alle Flüsse und Seen.)

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4 5 6

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BRAAK, S. 97; ZIELSKE, S. 135. Vgl. Hennig BRINKMANN, S. 41f.: Höfische Festspiele seien allein „von so unbürgerlichen, vagantenhaften Gestalten wie Locher und Celtis“ gewagt worden. LETHNER, S. 175. CREIZENACH II, S. 39. CARTELLIERI, S. 169. Zur Dramatisierung des Urteils des Paris vgl. auch: Lynette R. MUIR, Love and confrict in medieval drama. The plays and their legacy. Cambridge [Herbst 2006?]. Ich zitiere im Folgenden Buch XIV nach: Boccaccios Apologie der heidnischen Dichtung in den Genealogie deorum gentilium, Buch XIV. Text, Übers., Komm. und Abh. von Brigitte Hege. Tübingen 1997 (Ad fontes 4); andere Textpassagen nach: Giovanni Boccaccio, Genealogie deorum gentilium libri. Hrsg. v. Vincenzo ROMANO, 2 Bde. Bari 1951 (Scrittori d’Italia 200–201, Giovanni Boccaccio: Opere 10–11); Lochers Anmerkungen nach der Inkunabel.

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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Zunächst ist dies eine Inhaltsangabe des Bands: Er enthält neben den »Genealogiae« auch Boccaccios »De montibus, silvis, fontibus, lacubus, fluminibus, stagnis seu paludibus, de diversis nominibus maris«. Es fällt aber auf, dass Locher die fabula mixta innerhalb des ersten Werks hervorhebt. Wie seine Randbemerkungen und Anstreichungen belegen, hat er speziell Interesse an dem Verhältnis von historia und fabula zueinander sowie an den verschiedenen Sinnebenen der fabula. Boccaccio unterscheidet vier verschiedene Arten der fabula nach den verschiedenen Wahrheitsgraden von ihrem „Kern“ und ihrer „Rinde“ (diese Passage streicht Locher am Rand an, 105r). Unter den Dichtungen, die einen wahren Kern besitzen, gebe es solche, die an der Oberfläche keine Wahrheit zeigten, solche, die Wahrheit mit Erfundenem mischten, oder solche, deren Wahrheitsgehalt an der Oberfläche so groß sei, dass sie eher wie eine historia erschienen (XIV, ix, 5–7). Dichtungen, die keinen wahren Kern besitzen, verwirft er als delirantium vetularum inventio (XIV, ix, 8). Entschieden verteidigt Boccaccio dagegen die Dichtung der ersten drei Arten gegen den Vorwurf der Lüge, auch dies wieder ein von Locher angestrichenes Thema (106v). Fiktion sei keine Lüge, da sie nicht täuschen wolle (XIV, xiii, 3). Letztlich seien auch die figurae, deren sich die Bibel bediene, nichts anderes als Fiktionen (XIV, xiii, 6). Deshalb seien nur solche Dichter zu verurteilen, die ihren moralischen Auftrag nicht erfüllten, wie eben die comici inhonesti, welche Laster und Verbrechen auf der Bühne verherrlichten und damit die sittliche Ordnung gefährdeten (XIV, xix, 21). Dieser verworfenen Form der Literatur steht die moralisch wertvolle gegenüber, welche Boccaccio (in Bezug auf ihr Verhältnis zur Fiktion) mit der biblischen Erzählung auf eine Ebene stellt; zu den Verfassern solcher ehrenwerter Literatur zählt er auch Terenz und Plautus, v. a. aber Vergil. Die (rechte) Dichtung weise wie die Bibel einen mehrfachen Schriftsinn auf: den naturphilosophischen sensus naturalis, den historischen sensus historicus und den moralischen sensus moralis (XV, viii, 3). Locher vermerkt am Rand: triplex theologia (113v).8 Die drei sensus entsprechen den drei traditionellen Formen der Mytheninterpretation, der Beschreibung der Götter als Sterne, als historischer Helden oder als allegorischer Darstellung innerseelischer Vorgänge.9 In Boccaccios Buch I–XIII sind diese drei Sinnebenen immer wieder angesprochen. Locher markiert z. B. in IV, 1 einen Verweis auf den sensus historicus: historia latens sub figmentis (29r), in VII, 22 vermerkt er in der Marginalie naturalis sensus fabulae, und in I, 13 streicht er einen Verweis auf den sensus moralis an: Fulgentius quidem moralem sensum fictioni subesse demonstrat (12r). Gerade im Zusammenhang mit dem sensus moralis fällt immer wieder der Name Fulgentius, welchen Locher auch stets markiert (vgl. 74r, 76v, 81v, 91r). Mit einem Marginalstrich und der Randbemerkung de Iudicio paridis moralis sententia (49v) hebt er eine einschlägige Passage aus dem Kapitel zu dem Trojaner Paris hervor: ______________ 8 9

Zum Begriff der theologia physica vgl. GUTHMÜLLER 1995, S. 121f. Vgl. SEZNEC, Teil I, Kap. 1–3.

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11.2. Lochers Fulgentius-Lektüre

Paucis quippe fictionibus hec hystoria interlita est. Quas enucleare volentes, primo iudicium Paridis videamus, in quo sententia Fulgentii, meo iudicio, sequenda est. Dicit enim tripartitam mortalium|vitam esse, quarum prima theoretica dicitur, secunda pratica (sic!), tertia phylargica, quas nos vulgatioribus vocabulis contemplativam, activam et voluptuosam nuncupamus. De quibus Aristotiles uti de ceteris optime facit, disserit in primo Ethycorum. Has Iuppiter, id est deus (ne videatur aliquam reprobando arbitrium liberum cuique surripere)10 ad iudicium Paridis, id es cuiuscunque hominis, remittit. (VI,22) (Diese Geschichte ist offensichtlich mit ein paar Fiktionen durchwoben. Wenn wir sie enthüllen möchten, betrachten wir zuerst das Urteil des Paris, in welchem meiner Ansicht nach der Deutung des Fulgentius zu folgen ist. Er sagt nämlich, es gebe dreierlei Lebensformen der Menschen, von denen die erste theoretisch genannt wird, die zweite praktisch, die dritte lustbetont, welche wir mit der verbreiteteren Bezeichnung als kontemplativ, aktiv und voluptativ benennen. Von ihnen spricht Aristoteles, so wie er auch die anderen Dinge glänzend behandelt, im ersten Buch der »Nikomachischen Ethik«. Jupiter, das ist Gott, unterstellt sie dem Urteil des Paris, d.h. jedes Menschen, damit es nicht erscheint, als entziehe er ihm [dem Menschen] die freie Willensentscheidung, indem er eine der Lebensweisen verurteile).

Boccaccio und der von diesem zitierte Fulgentius liefern Locher Argumente gegen seine Kritiker: Wertvolle Dichtung und v. a. die antike, hat wie die Bibel einen tieferen Sinn, und in der Geschichte vom Urteil des Paris wird gerade der Vorwurf, die Poesie verneble die Sinne und verhindere eine freie Willensentscheidung, in der Dichtung diskutiert und widerlegt.

11.2. Lochers Fulgentius-Lektüre Locher stellt seinem »Iudicium Paridis« ein Widmungsschreiben an seinen ehemaligen Schüler Georg von Sintzenhofen, Domherrn zu Regensburg, voran.11 In ihm erklärt er, wie er auf die Idee zu diesem Spiel gekommen sei: Nuper in manus ociantes sumpseram libros mythologicos Fulgentii presulis ruspensis. in quibus fabula de iudicio paridis. de tribus deabus. de aureo pomo continebatur. cum igitur fulgentii magnificus stilus. amplus cothurnus. docta moralisatio me diutius occuparent. cepi mecum cogitare. an liceret tenellis versiculis succinctas fabulas dilatare. et ad spectaculi morem transferre (c1v). (Vor einiger Zeit hatte ich, als ich Muße hatte, die Bücher zur Mythologie von Fulgentius, dem Bischof zu Ruspe, in die Hand genommen. In ihnen war die Geschichte vom Urteil des Paris, von den drei Göttinnen und dem goldenen Apfel enthalten. Nachdem ich mich längere Zeit mit dem großartigen Stil des Fulgentius, seinem (tra-

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Diese Klammer ist in der Inkunabel von Lochers Hand eingefügt. Georg von Sintzenhofen ist ab Mai 1502 als decretorum doctor im bischöflichen Ordinariat von Regensburg bezeugt. Joseph SCHMID, Die Urkunden-Regesten des Kollegiatstiftes U.L. Frau zur Alten Kapelle in Regensburg, Bd. 1. Regensburg 1911, Nr. 1506, S. 306. Locher nennt ihn in seiner Claudian-Augabe, B1v unter seinen berühmten Schülern.

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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gödienartig) erhabenen Duktus und der gelehrten moralischen Auslegung beschäftigt hatte, begann ich bei mir zu überlegen, ob ich es mir erlauben dürfte, die knappen fabulae mit feinen Versen zu erweitern und sie in die Form eines Schauspiels umzuwandeln.)

Begeistert bemerkt Locher, dass ein frühchristlicher Bischof12 ihm als Zeuge für seine in der »Theologica emphasis« vertretene Auffassung zu dienen vermag, dass die antike mythologische Literatur als konform mit der prisca theologia gelesen werden kann. Diese Begeisterung sollte lange anhalten. Neunzehn Jahre später, 1521, erschien Lochers reich kommentierte Ausgabe dieser spätantiken Sammlung von 50 christlich-allegorischen Deutungen antiker Mythen.13 Dort erklärt der Philomusus in der Widmung an Wolfgang von Tannberg, welches Schlüsselerlebnis für ihn die Lektüre der »Mythologiae« bedeutet habe: Ecce Fulgentii Episcopi tris (sic!) Mythologiarum libros recognoscendos ac explanandos in manus sumpsi: in quibus deorum fabulas et Heroum nimbo Physico obnubilatas et morali sensu Tropologicoque velatas: mirabili interpretamento exponit: et Aporreta: hoc est: secretiorum doctrinarum arcana repositiora fatim aperit (Fulg., B3v–B4r). (Siehe, da nahm ich die drei Bände der »Mythologien« des Bischofs Fulgentius in die Hand, um sie zu durchforsten und zu erläutern. In ihnen stellt er die Götter- und Heldengeschichten, die von einer Wolke des Literalsinns umnebelt und nach dem moralischen und tropologischen Sinn verschlüsselt sind, in einer erstaunlichen Interpretation vor, und er deckt zur Genüge das Unsagbare, d. h. die tief verborgenen Geheimnisse der sehr geheimen Lehren auf.)

Wiederholt betont er im Folgenden die Bedeutung der »Mythologiae«: Rem arduam: at meo iudicio sacratioris musae cultoribus adprime necessariam vir Catholicus: et fidei nostre14 Extrilidus vindex attentavit: qui tam vetustis rebus novitatem: tam obscuris lucem: tam denique obsoletis nitorem: et figmentis Poeticis fidem dare potuit. (Fulg., B4r) (Eine schwierige Sache, aber meiner Meinung nach eine den Pflegern der hochheiligen Musen höchst notwendige, hat dieser rechtgläubige Mensch und ängstliche Verteidiger unseres Glaubens in Angriff genommen, und er konnte so alten Dingen etwas Neues geben, so in dunkle Licht bringen, so obsoleten einen Reiz und poetischen Erfindungen Glaubwürdigkeit verleihen.)

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Die strittige Frage, ob es sich bei dem Autor der »Mythologien« tatsächlich um den Bischof Fulgentius handle, lässt Locher außer Acht. Fulgentius Placiades In Mythologiis. Hoc volumine infra scripta continentur: Fabii Fulgentii Placiadis Episcopi Mythologiarum libri tres, in quibus priscarum interpretamenta studiosis admodum utilia continentur; Scolia paraphrastica a Philomuso addita sunt...; Epistola dedicatoria cum aliis appendicibus... Augsburg: Sigismund Grimm u. Marcus Wirsung, 1521. (Exemplar UB Tübingen, Ce 178.2). noster ] nostre.

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11.2. Lochers Fulgentius-Lektüre

Schließlich steigert er die Darstellung dieses „Bekehrungserlebnisses“15 noch dahingehend, dass er der Ausgabe eine Traumerzählung voranstellt, wonach Jupiter ihm im Traum erschienen sei und ihn, unter der Aufforderung, sich von menschlichen Gegenständen zu lösen, zu seinem vates ernannt und ihm den Ehrentitel des Musenliebhabers verliehen habe (C2v). Als weniger fiktiv überhöhten Anlass für seine Fulgentius-Edition nennt er daneben das Gespräch mit Johannes Grüner in Ulm, dessen Gastfreundschaft er im Pestjahr 1521 genossen hatte (A2r). Wann Locher den für ihn so bedeutungsvollen Text kennen gelernt hat, ist unsicher. Er könnte bereits 1493 bei seinem Lehrer Ulbertinus Clericus in Pavia mit ihm in Berührung gekommen sein; Ubertinus hatte die »Mythologiae« herausgegeben.16 In Italien, v. a. auch im Florentiner Kreis um Marsilio Ficino, mit welchem Locher, wenn nicht unmittelbar, dann über Celtis, Kontakt hatte, war dieser spätantike mythographische Text hoch geschätzt.17 Aus Lochers Bibliothek erhalten hat sich allerdings erst die von Ludovico Sforza in Auftrag gegebene Ausgabe vom 9. 11. 1497.18 Sie ist zusammengebunden mit der Mailänder Edition der Briefe und Gedichte des Sidonius von 1498.19 Auf dem inneren Titelblatt hat Locher wieder in einem Tetrastichon den Inhalt des Bands vermerkt: Sidonii doctas chartas: versusque rotundas / Atque affectatas, continet ille liber: Mythologus pariter scita fulgentius Arte Additus est Caio: quem philomusus amat. (1r) (Dieses Buch enthält die gelehrten Briefe und vollkommenen und kunstvollen Gedichte des Sidonius. Der Mythologe Fulgentius ist mit ebenso subtiler Kunst an den Caius [Sidonius] angefügt, den der Philomusus hochschätzt.)

Der Relativsatz im vierten Vers hat zwar keinen eindeutigen Bezug, vermutlich aber ist es Fulgentius, den Locher „liebt“. Der Band weist im gesamten Fulgentius-Teil sehr dichte Benutzerspuren Lochers auf; in den Marginalien zur »Fabula de iudicio Paridis«, »Fabula Minervae«, »Fabula de Iunone« und der mit einem Kommentar des Herausgebers versehenen »Fabula Veneris« (20v–21v) wiederholt der Philomusus die Kernbegriffe des Textes. Die »Fabula de iudicio Paridis stolido« des Fulgentius setzt die eigentliche fabula, die Geschichte vom Paris-Urteil, als bekannt voraus und beginnt unmittelbar mit der Deutung: ______________ 15

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Derart überschwängliches Lob erfährt Fulgentius auch bereits im 12. Jahrhundert, bei Sigebert von Gembloux, Liber de scriptoribus ecclesiasticis, cap. 28. PL 160, Sp. 554: Hic certe omnis lector expavescere potest acumen ingenii eius, qui totam fabularum seriem, secundum philosophiam expositarum, transtulerit vel ad rerum ordinem vel ad humanae vitae moralitatem. Vgl. dazu SEZNEC, S. 69. LETHNER, S. 6. SEZNEC, S. 76. Ennarrationes allegoricae fabularum fulgentii placiadis. Mailand: Ulrich Scinzenzeller mit dem Privileg Ludovico Maria Sforzas, 1497 (Lochers Privatexemplar, UB München, 2° Inc. lat. 1517/2). Caius Sollius Apollinaris Sidonius, Epistulae et poemata. Cum commentario Joannis Baptistae Pii. Mailand: Ulrich Scinzenzeler, 1498 (Lochers Privatexemplar, UB München, 2° Inc. lat. 1517/1).

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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Philosophi Tripartitam humanitatis voluerunt esse vitam, ex quibus primam Theoreticam, secundam practicam, tertiam philargicam voluere, quas nos latine contemplativam / activam, voluptariam nuncupamus: ut etiam propheta ait. Beatus vir qui non abiit in consilio impiorum, et in via peccatorum non stetit, et in cathedra pestilentiae non sedit (G3r).20 (Die Philosophen haben erklärt, es gebe drei Formen des menschlichen Lebens, von denen sie die erste theoretisch, die zweite praktisch, die dritte lustorientiert genannt haben; wir bezeichnen sie auf Latein als vita contemplativa, vita activa und vita voluptaria. So sagt ja auch der Psalmist [David]: „Wohl dem Mann, der nicht entsprechend dem Rat der Gottlosen auf Abwege geraten ist, noch stehen geblieben ist auf dem Weg der Sünder, noch sich auf den Stuhl der Pestilenz gesetzt hat.“)

Die hier vorgeführte Verbindung der bereits im neunten Buch von Platos »Politeia« genannten Dreizahl der Lebensformen mit der Gegenüberstellung von gerechtem und (in dreifacher Formulierung beschriebenem) gottlosem Leben in Psalm 1 ist nicht unproblematisch. So setzt Fulgentius die erste Lebensweise mit der des Gerechten gleich: Prima igitur contemplativa est, quae ad sapientiam, et veritatis inquisitionem pertinet, quam apud nos episcopi, sacerdotes, ac monachi, apud illos philosophi gesserunt (G3r). (Die erste ist die kontemplative, die auf Weisheit und Wahrheitssuche ausgelegt ist. Ein solches Leben führen bei uns die Bischöfe, Priester und Mönche, bei jenen [d.h. in der heidnischen Antike] haben es die Philosophen geführt.)

Für den Philosophen bzw. Geistlichen gelte non abiit: Er lasse sich von keinerlei Lust und Gefühl bestimmen, sondern mühe sich ab um die Wahrheit aufzuspüren und gebe die Hoffnung nicht auf, sie zu finden. Auch für die zweite Lebensform greift Fulgentius wieder auf das Psalmenwort zurück: non stetit. Damit ist nun aber nicht mehr das Leben des Gerechten beschrieben sondern das des Gottlosen, non perstat stabile, qui non venit honeste: Secunda activa est, quae tantum vite commodis anxia, ornatus petax, habendi insatiata, rapiendi cauta, servandi sollicita geritur. ... hanc enim vitam penes antiquos aliqui tyranni, penes nos mundus omnis gerit (G3r). (Die zweite Lebensweise ist die aktive, die sich gänzlich besorgt erweist um die Annehmlichkeiten des Lebens, begierig nach Ruhm, unersättlich in der Habgier, gerissen im Raffen, besorgt um das Bewahren ... Dieses Leben nämlich führten bei den Alten einige Tyrannen, bei uns tut es die ganze Welt.)

Fulgentius’ Verurteilung der ruhm- und geldversessenen Vertreter einer vita activa scheint an Platos Darstellung der entarteten Regierung der Ehrsüchtigen, der Tyrannis, angelehnt zu sein. Dabei übergeht der Mythograph allerdings die Tren-

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Hier zitiert nach der von Locher kommentierten Ausgabe von 1521, die im Wortlaut des Textes mit dem Druck von 1497, welcher Locher vorlag, übereinstimmt.

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11.2. Lochers Fulgentius-Lektüre

nung, welche Plato zwischen der mittleren, der ehr- und streitsüchtigen Lebensweise, und der untersten, die auf Besitz und materielle Güter gerichtet ist, zieht.21 Als Vertreter stoischen Gedankenguts schließlich erweist sich Fulgentius in seiner noch deutlich gesteigerten Verurteilung der dritten Lebensweise:22 Voluptaria vero vita est, quae libidini tantummodo obnoxia, nullum honestum reputat bonum, sed solam vitae appetens corruptelam ... Sed hoc penes illos Epicurei ac voluptarii, penes nos huiusmodi vita natura non crimen est, et quia bonum nemo gerit, nec nasci bonum licet (G3r). (Die vita voluptaria aber ist eine Lebensform, die gänzlich der Lust hörig ist, nichts Ehrenwertes als gut erachtet, sondern nur die Verderbnis des Lebens sucht ... Aber bei ihnen [waren] dies die Epikureer und Lüstlinge; bei uns gilt diese Art Leben nicht als Verbrechen, und da niemand Gutes tut, darf auch nichts Gutes entstehen.)

Mit dieser elementaren Kritik an seiner Zeit und d. h. der Verurteilung all derer, die kein geistliches Leben führen, leitet Fulgentius endlich über zum Paris-Urteil: Id ita consyderantes poëtae trium dearum ponunt certamina, die Dichter hätten aus diesem Gedanken heraus den Streit der drei Göttinnen Minerva, Juno und Venus erfunden. Dem Menschen, dem ein liberum arbitrium gegeben ist, sei die Entscheidung überlassen zwischen gerechtem Weg und Sünde (G3v). Im direkten Anschluss an die »Fabula de iudicio Paridis stolido« führt Fulgentius drei weitere fabulae auf: Die »Fabula Minervae«, die »Fabula de Iunone« und die »Fabula Veneris«. In ihnen beschreibt er ausführlich die Göttinnen, ihre Abkunft, die Etymologie ihrer Namen und ihre Bedeutung. Auf einige Punkte, die für die Diskussion der drei Lebensweisen von Bedeutung sind, sei hier hingewiesen: Minerva, die Vertreterin der vita theoretica, erklärt er, beziehe ihre Ehre aus der contemplatio sapientiae. Man sage, sie sei aus dem Gehirn Jupiters geboren, d. h. sie entspringe dem ingenium. Sie werde als wehrhafte, bewaffnete Göttin dargestellt, um die Sicherheit der Weisheit zu bezeichnen, und, wie Locher in der Marginalie hinzufügt, ut doceamur viros providos semper in armis consistere idest consiliis: Weise vorausschauende Männer seien immer mit Rat gewappnet. Minerva sei allerdings nicht nur gegen ihre Gegner geschützt, sondern auch gegen die Vergänglichkeit. Ihr griechischer Name Athene lasse sich etymologisch als „unsterbliche Jungfrau“ deuten, und dies entspreche ihrem Wesen, quia sapientia nec mori poterit, nec corrumpi (G3v). Juno als Vertreterin der vita activa wird nach der angeblichen etymologischen Verbindung mit iuvare auf das zurückgeführt, was in dieser Welt allen gefal______________ 21

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Platon, Politeia, 580d–583a, in: Platon, Sämtliche Werke III. In der Übers. von Friedrich Schleiermacher mit der Stephanus-Numerierung hrsg. v. Walter F. Otto (†) u.a. Reinbek 81963, S. 67–310. Hier sei ausdrücklich Martha LETHNER widersprochen, die in der Dreiteilung der Lebensformen einen Fehler des Fulgentius sieht. „Denn gleichgültig, ob sich ein Mensch nun der Wissenschaft oder dem tätigen Leben zuwendet, tritt an ihn in irgendeiner Form die Versuchung zum Abgleiten ins Materielle (...) heran. Gleitet er ab, dann ist er eben auf einem Irrweg ... aber es ist dies keine dritte, wesenhafte Möglichkeit zu leben“, S. 67. Die Dreiteilung findet Fulgentius sowohl bei Aristoteles als auch bei Plato vor.

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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le, nämlich Reichtümer. Da aber Reichtum und Herrschaft einander so nahe liegen, werde sie mit dem Szepter dargestellt (G4r). Venus schließlich, erklärt Fulgentius, bedeute für die Epikureer etwas Gutes, für die Stoiker aber eine vanitas. Der griechische Name „Aphrodite“ bezeichne sie als Schaumgeborene, und der Schaum stehe für die Libido und das Zerfallen in ein Nichts (G4r). In die gleiche Richtung verweisen auch ihre weiteren Eigenschaften und Attribute (G4v). Fulgentius’ aus monastischer Sicht verfasste harte Verurteilung der Welt, die den fleischlichen Gelüsten wie dem Streben nach materiellen Gütern verfallen sei und der er das gerechte Leben der wenigen Geistlichen und Mönche gegenüberstellt, kommentiert Locher in seiner Ausgabe, indem er in den Marginalien auf Parallelen bei verschiedenen antiken Autoren und Kirchenvätern aufmerksam macht. So verweist er für die Dreizahl der Lebenswege v. a. auf Aristoteles, der in der »Nikomachischen Ethik«, Buch I, Kap. 4–523 eine Darstellung der drei Lebenswege und drei Glücksgüter biete, non multum disparia (G3r); außerdem finde man diese Einteilung auch bei Cicero, Seneca und den Kirchenschriftstellern. Im Rechnungsbuch der Universität Ingolstadt ist für das Wintersemester 1520/21 belegt, dass sich Locher den Kommentar Donats zur »Nikomachischen Ethik«24 zugelegt hat (fol. 134v).25 Unter den von zahlreichen Händen eingetragenen Anmerkungen in diesem Band stammen nur wenige von Locher. Eine davon befindet sich auf b4v, in der Marginalie neben der Beschreibung der drei Lebensweisen: tres

voluptaria civilis Contemplativa

Dies belegt, wie wichtig Locher auch in späterer Zeit noch die drei Lebensweisen waren. Gerade auf die oben erwähnte „geringe Abweichung“ zwischen Fulgentius und Aristoteles aber sei hingewiesen. Der Philosoph erklärt zwar durchaus, dass Ehre kein Endziel sei und damit nicht die höchste Glückseligkeit bedeuten könne, er spricht der vita activa oder civilis aber keineswegs ihre Tugendhaftigkeit ab; es ist die Lebensform, welche die elegantes ... et ad agendum idonici (I, 5, 19) pflegen, die Ruhm für ihre Tugend suchen. Das Streben nach Geld trennt er hiervon, als einen Missstand: violentia quaedam est vita (I, 5, 21).26 Ganz im Gegensatz hierzu vermerkt Locher allerdings neben der »Fabula de Iunone«, Augustin stelle Juno als inimica virtutibus dar und als Neiderin derer, die göttliche Ziele verfolgten.27 ______________ 23 24

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Zählung nach Argyropilus. Donati Acciaioli Florentini Prooemium in expositionem libri ethicorum Aristotelis. Florenz: St. Jacob de Ripoli, 1478 (Privatexemplar Lochers, UB München, 2° Inc. lat. 633). Hinweis im Zettelkasten der Universitätsbibliothek München. Aristotelis opus de moribus ad Nichomachum, Ioanne Argyropilo Byzantio traductore ... Lyon: Simon Vincent Erben, 1535 (Exemplar UB Tübingen, Cd 2544), S. 38. Vgl. dazu Lochers Privatexemplar von Aurelius Augustinus, Opuscula plurima. Straßburg: Martin Flach, 1491, UB München, 2° Inc. lat. 259.

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11.3. fabulas dilatare: Erweiterung der Vorlage mit neuem Akzent

Lochers Kommentar scheint zwar darauf angelegt zu sein, die Interpretation der drei Lebensformen durch Fulgentius zu stützen. Dies tut der Philomusus allerdings nur an der Oberfläche, denn er hat seine eigene, von Fulgentius abweichende, Interpretation der vita contemplativa. Das Konzept der drei Lebensformen/Glücksgüter lag, wie oben dargestellt (Kap. 5.1), bereits Lochers Freiburger Antrittsvorlesung zu Grunde. Dort deutet er es zum Zweck der Selbstrechtfertigung des neu berufenen Dichters um: zu einer Apologie der Dichtkunst. Das kontemplativ monastische Leben der Geistlichen (orientiert am Vorbild der Kirchenväter) fällt dort aus dem Schema heraus, als ein heiliges Leben, das gleichsam einer anderen Welt angehöre. Die Dichter dagegen, die „Lieblinge der Götter“, welche die Jugend durch entsprechende exempla von Tugend und Größe zu Menschen erziehen, die der ersten Lebensweise, nämlich dem Streben nach Tugend, folgen, müssen am oberen Ende dieser neu definierten vita contemplativa angesiedelt werden. Man wird kaum erwarten können, dass Locher in seinem »Iudicium Paridis«, welches in einer Situation verfasst ist, die nun sehr dringend eine Selbstrechtfertigung des Dichters fordert, die monastisch geprägte Interpretation der drei Lebensweisen von Fulgentius unverändert übernehme und nicht gleichfalls zu einem Lob der Dichtung umformuliere, die ja, da sie sub figmentis tiefste Welteinsicht berge, Philosophie sei.

11.3. fabulas dilatare: Erweiterung der Vorlage mit neuem Akzent Locher erklärt, er wolle tenellis versiculis succinctas fabulas dilatare. et ad spectaculi morem transferre (c1v). Fulgentius’ »Fabula de iudicio Paridis stolido« ist damit nicht nur eine Anregung für das spectaculum, sondern sie bildet seinen Kern. Der Philomusus stellt ihm daher in der Druckfassung die bis auf den letzten Satz vollständig abgedruckte fabula des Fulgentius als Argumentum totius spectaculi voran, als eine Folie, vor der das Spiel gelesen werden soll und zugleich als Autorität, gegen die seine Kritiker kaum etwas einwenden können. Neben diese Autorität aber, welche für den Sinngehalt (die Allegorese des allegorisch-mythologischen Dramas) bürgt, tritt der furor poeticus als quasi göttliche Eingebung, welche dem Dichter die Einkleidung des Sinngehalts, das Integumentum, gleichsam aufgedrängt habe: explosa confestim dubitatione. calamum sumebam. niloticam papyrum temperabam. et invocatis musarum numinibus litterarum monumentis frequens insudavi. subitus dictandi calor me invaserat, quo urgente. pauxillo temporis spatio. tot quot vides confecimus versiculos. qui etsi non|satis maturi. excoctique videntur. sunt tamen nativi. ingenui. et nostro marte facti. nostra ascia dedolati. genuinaque facilitate amabiles. natura nostra suopte more. scopulos vitat. et portentosa carmina abhorret. Plures

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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enim lectores habet Ovidius quam Ennius28. Virgilius quam Lucretius. Horatius quam Lucilius29. Tibullus quam Italicus (c1v–c2r). (Rasch vertrieb ich meine Zweifel und ergriff dann den Griffel und legte mir ägyptischen Papyrus bereit. Nachdem ich die Gottheiten der Musen angerufen hatte, befasste ich mich intensiv mit den Literaturdenkmälern; plötzlich ergoss sich die dichterische Eingebung glühend heiß in mich, sodass ich unter deren Diktat in kürzester Zeit die Verse, die du hier siehst, vollendet habe. Auch wenn sie nicht reif und ausgegoren genug erscheinen, so sind sie doch ursprünglich, aufrichtig und mit meinem eigenen Kampfgeist gefertigt, mit meiner Axt geschnitzt und durch ihre bodenständige Einfachheit liebenswert. Unsere Natur hat die Gewohnheit, Riffe zu meiden und von unnatürlichen Dichtungen zurückzuschrecken. Ovid hat nämlich mehr Leser als Ennius, Vergil mehr als Lukrez, Horaz mehr als Lucilius, Tibull mehr als Italicus.)

Der Topos des furor poeticus ist innerhalb von Lochers Werk nichts Neues; bereits in der »Theologica emphasis« und danach immer wieder hat er eine solche göttliche Inspiration für sein Werk in Anspruch genommen;30 die »Historia« will im Musengarten entstanden sein (a3v), die »Tragedia« will ihren rechten Platz in den Wäldern haben (E1v). Hier ist das Motiv durch die Beschreibung der Hast des Niederschreibens extrem gesteigert; das Ideal der unverfälschten orphischen Dichtung tritt in den Vordergrund. Locher gliedert sich mit diesem Topos in die Reihe derer ein, die um der Natürlichkeit ihrer Dichtung willen eine formale Vollkommenheit angeblich vermieden: Ovid, Vergil, Horaz.31 Müßig ist es daher, wenn Martha LETHNER erwägt, ob die außerordentlichen Reinheit der Verse Lochers tatsächlich in so kurzer Abfassungszeit erreicht werden konnte.32 Was die Inspiration der Musen dem Dichter eingegeben haben soll, ist nicht etwas Neues schlechthin, sondern ein neues Verständnis eines alten Gegenstands, wie der Prologsprecher erklärt: Historiam priscam. troiano tempore natam. Turba frequens recolit. consiliumque iovis. Istec meoniis quondam celebrata camenis. Mixta iocis variis seria grata tenet (c3r, V. 1–4). (Die große Menge erinnert sich der alten Geschichte, die aus der Zeit Trojas stammt, und des Ratschlags Jupiters. Diese, schon einst von den maeonischen Musen gefeiert, enthält Ernst gemischt mit allerlei Späßen.)

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Ennius ] Emius. Lucilius ] Lucillus. RUPP, S. 58f.; J.-D. MÜLLER, Jakob Locher, 1998, S. 247. Seinen Anspruch, ein neuer Horaz zu sein, bringt Locher nicht zuletzt auch bildlich zum Ausdruck, indem er Grüninger den gleichen Holzschnitt für sich (in der Ausgabe der »Tragedia«, A1v) wie für Horaz (Horazausgabe, Titelblatt) verwenden lässt Zur Lochers Selbststilisierung als Horaz vgl. auch John L. FLOOD, Das Bild des Poeta laureatus in Deutschland und England um 1500, in: Humanismus in der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Hans-Jochen Schiewer u. a. Tübingen [im Druck]. LETHNER, S. 160–164.

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11.3. fabulas dilatare: Erweiterung der Vorlage mit neuem Akzent

So wie Fulgentius nach Lochers Urteil vetustis rebus novitatem ... dare potuit (B4r), so will auch er einer immer wieder überdachten Geschichte einen neuen Sinn geben. So wie Fulgentius’ Werk nach Aussage Lochers dazu dient, dass man et bonum utile atque delectabile mixtum comprehendat (M2v), so will auch er mit seinem eigenen Werk iocus und Ernst, Spiel und Bedeutung, mischen. Lochers Prologsprecher fordert nun die Zuschauer auf, die mandata tonantis (V. 7) in diesem doctum auspitium (V. 12) zu vernehmen, d. h. in einer einem Orakel ähnlichen Unmittelbarkeit das göttliche Wort zu hören.33 Fabula forte rudis precordia vestra iuvabit. Que vite triplicis dogmata culta notat. Quid venus et iuno. quid signet diva minerva Iuditium paridis. quid velit. ipsa canit (c3v, V. 13–16). (Die vielleicht ungeschliffene Geschichte wird Eure Herzen ergötzen, denn sie zeichnet die verfeinerte Lehre von den drei Lebensformen; sie besingt, was Venus und Juno und was die göttliche Minerva bedeutet und was das Urteil des Paris besagen will.)

Wie in dem für den Leser gedachten Argument fehlt auch hier nicht die Bescheidenheitsfloskel des Dichters, die sich auf Stilistisches bezieht und der die Gewissheit vom hohen Bedeutungswert des Werks gegenübergestellt ist. Die Erkenntnis dessen, was der Mythos vom Urteil des Paris zu bedeuten habe, dass er nämlich eine kunstvolle Formulierung der bekannten Lehre von den drei Lebensformen sei, soll die fabula forte rudis zu einer fabula iuvans machen. Damit ist ein delectare qua prodesse erstrebt. Mit dem Prolog ist dem Publikum somit bereits der Schlüssel zur Interpretation der Handlung gegeben, wenn auch nicht in der Ausführlichkeit, welche das Argument kennzeichnet. Die Aufmerksamkeit von Leser wie Zuschauer ist nun auf die Frage gerichtet, wie das Prologprogramm erfüllt werde, d. h. wie die drei Göttinnen und damit die drei Lebensformen im Detail charakterisiert seien und welche Wertung die Wahl des Paris erfahre. Die drei Göttinnen stellen sich selbst vor, und zwar in der Reihenfolge, in welcher die drei fabulae des Fulgentius geordnet sind. Minerva als die erste erklärt, sie sei Nata Iovis, nullo semine nata dea / De cerebro summi mire prognata tonantis (c6r, V. 120f.): aus Jupiter geboren, nicht gezeugt, sondern in wundersamer Weise aus seinem Gehirn (besser: seinem Geist) als Göttin hervorgegangen. Sie ist damit, wie sie auch selbst sagt, allem Fleischlichen enthoben. Sie baut nicht auf vergängliche Güter, sondern Thesaurum foveo quem fata nulla terent (c6r, V. 126). – An dieser Stelle sei auf die zentrale Rolle verwiesen, die Fortuna/fatum in Lochers erstem Drama (vgl. Kap. 5.4) gespielt hat. – Als reine Geistseele, emaniert aus der Weis______________ 33

Zur Gleichsetzung von Jupiter und dem christlichen Gott vgl. oben, Kap. 8.2., oder: Franziska KÜENZLEN, Cento und Kontrafaktur. Das Mariengebet Sebastian Brants nach den Worten des Apuleius, in: Literatur – Geschichte – Literaturgeschichte. Beiträge zur mediävistischen Literaturwissenschaft. FS Volker Honemann. Hrsg. v. Nine Miedema u. Rudolf Suntrup. Frankfurt a. M. u.a. 2003, S. 825–840.

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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heit des allmächtigen Gottes, entspricht Minerva der höchsten Fakultät der menschlichen Seele. Daher ist, was sie Paris verspricht, höchste Erkenntnis: Si mihi priamides pomum decreveris aureum. Prestabo sophie dogmata culta tibi. Et dabo quod sapias nature archana potentis; Et dabo quod possis semper habere modum. Me duce sydereum prudens spectabis olympum Spectabis nivei lactea signa poli Me duce celicolas. nosces. superosque potentes. Cognosces quicquid astra serena gerunt. Me duce divinas artes secretaque rerum. Atque actus hominum. miraque cuncta scies (c6r, V. 127–136). (Sohn des Priamos, wenn du mir den goldenen Apfel zuerkennst, werde ich dir wertvolle Weisheitslehren gewähren; ich werde dir die Erkenntnis der Geheimnisse der mächtigen Natur geben und bewirken, dass du immer Maß halten kannst. Unter meiner Anleitung wirst du so weise sein, dass du den glänzenden Olymp erblickst; du wirst die Milchstraße am schneeweißen Himmelsgewölbe erforschen. Unter meiner Anleitung wirst du die Himmelsbewohner kennen lernen und die himmlischen Mächte; du wirst erkennen, was die hellen Sterne bewirken. Unter meiner Anleitung wirst du die göttlichen Künste kennen, die Geheimnisse der Dinge, die Handlungen der Menschen und alle Wunder wissen.)

Was Minerva ihm hier verspricht, ist die vollständige Erkenntnis von Makrokosmos und Mikrokosmos, eine Gesamtwissenschaft, welche Theologie, Philosophie, Astrologie, Physik und andere Einzelwissenschaften in sich vereint und transzendiert. Als eine solche Wissenschaft hat Locher in der »Historia« die Poesie und Geschichtsschreibung, in der »Stultifera navis« die Dichtkunst beschrieben (vgl. Kap. 5.1). Indem er hier auch das Maßhalten, das ethisch korrekte Verhalten, in die Reihe der Wissensinhalte stellt, verbindet er Tugend und Kontemplation, allerdings nicht wie Fulgentius im Leben eines Geistlichen, dessen Tugend im Gehorsam gegenüber Gott besteht, sondern im Leben eines Dichter-Gelehrten, der mit den Gesetzen des Kosmos auch die Gesetze der Ethik erkennt und dessen Wille im Sinne der intellektualistischen Philosophie nicht anders kann als das erkannte Gute zu erstreben. – Der Weise, erklärt Pallas im Folgenden, verfüge über keine vergänglichen Güter, die er vor Dieben schützen müsse, sondern er besitzt innere Festigkeit, er ist constans. et dexter. providus. acer (c6r, V. 142) und ist nicht abhängig vom Urteil anderer, Iudex ipse sui (c6v, V. 145). Juno nun kann sich nicht wie Minerva auf eine Jupiter-Tochterschaft berufen, aber auf ihre Machtposition: Sie sei die Schönste, erklärt sie, da Jupiter sie erwählt, geheiratet und ihr die höchste Macht übertragen habe: Inter celicolas nymphas. mihi prima potestas Tradita. me primus suscipit ecce thorus.

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11.3. fabulas dilatare: Erweiterung der Vorlage mit neuem Akzent

Quod volo quod iubeo servabit celicus ordo Ad nutum vivit iupiter ipse meum (c6v, V. 157–160). (Unter den himmlischen Nymphen ist mir die höchste Gewalt übertragen, und siehe, ich ruhe im höchsten Ehebett. Was ich will, was ich befehle, darin wird mir [stets] die himmlische Hierarchie gehorchen. Ja, Jupiter selbst lebt nach meinem Wink.)

Diese Andeutung, dass Juno selbst Jupiter zum Pantoffelhelden mache, findet tatsächlich in der Handlung Widerhall: Als Venus den Apfel erhält, ergreift Juno Jupiters Donnerkeil, Tela trisulca manu capiam (V. 267, d2v). Das beliebte Schwankmotiv des von der bösen Frau unterdrückten Mächtigen hat hier neben dem unmittelbaren komischen Effekt eine stark negativ charakterisierende Wirkung. Schließlich kann man auch Discordias Vorwurf, dass Juno Jupiter oft schaden wollte (voluit sepe nocere tibi, V. 38, c4r), eine gewisse Glaubwürdigkeit nicht absprechen. Juno steht so noch deutlicher als bei Fulgentius für die tugendlose, ja, skrupellose Orientierung an den äußerlichen Gütern Macht und Besitz. Sie kehrt sich sogar gegen den, der ihr diese Güter verliehen hat. Die Wissenschaft wird von Juno als nutzlos verworfen: Quid tibi naturae speculatus proderit. aut quid / Extolles oculos candida ad astra tuos (V. 166f., c6v); dagegen verspricht sie Reichtum und Macht (V. 179, d1r), Quicquid habet cresus. quid pugnax ipse darius. Quid regum soboles. purpureumque genus. Quod tenet et pontus. quod totus possidet orbis Quod videt eous. phoebus et occiduus Me duce victrici dextra. gladioque tenebis. Rex eris indomitus. imperioque potens (d1r, V. 181–184). (Was Krösus und was selbst der kriegerische Darius besitzt, was den Königssöhnen und all denen, die Purpur tragen, gehört, auch was das Meer umfasst und was die ganze Welt besitzt, was Morgenröte und untergehende Sonne bestrahlen, wirst du unter meiner Anleitung und mit deiner siegreichen Hand und dem Schwert bezwingen, du wirst ein unbezwingbarer König und mächtig in der [Welt-] Herrschaft sein.)

In diesen Worten wird deutlich illustriert, inwiefern (so Fulgentius) die vita activa der Lebensweise von Tyrannen entspricht: Krösus und Darius sind die Vorbilder. Venus, die Schaumgeborene, der nicht einmal der Rang einer Göttin zukommt (d2v, V. 271f.), hält sich nicht mit der Beschreibung ihrer Würde auf. Sie setzt vielmehr damit ein, dass sie Paris geradezu einlullt: Tu sapis usque satis. non te spectare decebit / Vel cursus celi. stelliferosve polos (d1v, V. 201f.), es stehe ihm nicht an, die höchsten Dinge erkennen zu wollen, erklärt sie ihm, Hanc curam senibus. da quoque philosophis (d1v, V. 204). Die Charakterisierung der drei Lebensweisen bei Locher ist eng an die Vorlage angelehnt, jedoch ist durch die Beschreibung der jeweiligen Verbindung der zwei Göttinnen und der Halbgöttin zu Jupiter eine besondere Akzentuierung erreicht: Minerva als aus dem Geiste Jupiters Geborene steht für jenes Leben, welches die höchste Gabe Gottes, ja, das Göttliche im Menschen (nämlich den

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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Verstand) perfekt nutzt. Juno als die mit Macht beschenkte Frau Jupiters steht für das Leben der (skrupellosen) Herrscher, welche die ihnen von Gott geliehene Macht zum eigenen materiellen Nutzen und gegen ihren „Lehnsherrn“ ausnützen. Venus schließlich steht für ein rein animalisches Leben, das nichts Göttliches an sich hat, eher dem Diabolischen zugeneigt ist und den Menschen von Gott abziehen will. Wie bei Fulgentius ist somit im Gegensatz zu Aristoteles die virtus von der vita activa auf die vita contemplativa verschoben. Wenn Paris die Angebote der Göttinnen mit den Worten zusammenfasst, Virtutem pallas spondet. saturnia regni / Sceptra superba leves et cytherea iocos (d2r, V. 235f.), scheint sich Locher damit zwar an Ovid anzuschließen, in dessen »Heroides« Paris erklärt: regna Iovis coniux, virtutem filia iactat (XVI, V. 81),34 legt dabei aber virtus anders aus als Ovid, der sie hier als ein Synonym für fortitudo verwendet (V. 82). Lochers virtus ist die eines Gelehrten, eines Dichter-Philosophen. Was Lochers Gegner, was Boëthius und v. a. PseudoThomas der Dichtung vorwerfen, nämlich dass sie das liberum arbitrium des Menschen blende, ihn mit Freuden locke und von Gott und den Tugenden abziehe, trifft in seiner Darstellung auf Venus zu, die als eine Gegnerin der Minerva erscheint.35 Bestätigt ist damit die oben geäußerte Vermutung, Locher wolle mit seiner Darstellung der drei Lebensformen im »Iudicium Paridis« die Positionen seiner Freiburger Programmrede noch einmal bekräftigen und auf der Bühne einsichtig präsentieren. Eindringlichkeit gewinnt die dramatische Präsentation v. a. durch die Figur des zwischen den Lebensformen wählenden Paris.

11.4. Paris: Identifikationsfigur oder Feindbild? Fulgentius endet mit dem Richterspruch des Paris; bei Locher aber ist mit dem Urteil in Akt II erst die Hälfte des Dramas verstrichen. Nach diesem Akt werden Ort und Personal gewechselt: Akt I und II spielten fast ausschließlich auf dem Olymp, wo bei Locher auch, entgegen der Tradition, das Urteil stattfindet. Akt III und IV dagegen spielen in Griechenland. Das Personal ist mit Ausnahme Cupidos menschlich. Im Zentrum des Geschehens stehen nun nicht mehr der Konflikt der Göttinnen und das Urteil des Paris, sondern sein Verbrechen und der gerechte Krieg gegen ihn. Das verbindende Glied zwischen den beiden Teilen ist Paris, auf dessen Charakterisierung Fulgentius verzichtet; ihm geht es nur um die Verurteilung der falschen Entscheidung des in Paris verkörperten menschlichen freien Willens. ______________ 34

35

P. Ovidius Naso, Heroides. Briefe der Heroinen. Übers. u. hrsg. v. Detlev Hoffmann u. a. Stuttgart 2000 (RUB 1359). Zu Lochers sehr unterschiedlicher Wertung von Venus/Amor in unterschiedlichen Kontexten vgl. auch ROBERT, S. 242.

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11.4. Paris: Identifikationsfigur oder Feindbild?

Die Person tritt hinter der allegorischen Darstellung dieses Seelenteils zurück, um die Allgemeingültigkeit des warnenden Exempels zu bewahren. Locher lässt dagegen aus dieser offenen Vorgabe eine bühnentaugliche Figur entstehen. Er gibt Paris gemäß den beiden Dramenteilen einen zweifachen Sinn: einen historischen in der Menschenwelt und einen allegorisch-philosophischen, aus menschlicher Perspektive verborgenen Sinn in der Götterwelt. Während die Göttinnen sich selbst beschreiben (da Paris als Mensch sie wohl nicht in dieser Klarheit erkennen könnte), findet Paris eine Deutung aus dem Mund der Götter, genauer mehrere Beschreibungen aus dem Mund verschiedener Götter, wie ja auch der übertragene Schriftsinn sich in weitere Sinnebenen untergliedert. Jupiter charakterisiert Paris zuerst. Er bezeichnet ihn als seinen Untertanen, qui dormit in ida / Solares vitans radios (c5r, V. 76f.), und genau dieses Bild des schlafenden, lichtscheuen, willenlosen Weichlings wird dann in Szene gesetzt, wenn Merkur den Paris auffordert, sich den weichlichen Schlaf aus den Augen zu wischen, Surge paris. mollem de lumine terge soporem / Exue (c5r, V. 87f.), und seine königlichen Kleider und damit seine fürstliche Würde anzulegen (c5r, V. 89). Ob Paris von seiner hohen Abstammung weiß oder sie ihm, wie auch bei Boccaccio (VI, xxii), bislang noch unbekannt ist, bleibt ungewiss. Er bezeichnet sich jedenfalls selbst als silvis habilem, consiliisque rudem (c5v, V. 98), als unerfahren in richterlichen Entscheidungen. Derlei Bescheidenheitsbekundungen des Paris sind in der Trojaliteratur nicht ungewöhnlich; sobald aber der als Richter Ausersehene allegorisch gedeutet wird und für das menschliche liberum arbitrium steht, ist diese Unfähigkeitsbekundung kritisch zu sehen. Dann steht Paris für einen schlummernden Willen ohne Selbsterkenntnis, der es nicht gewohnt ist, seines ihm angestammten Richteramtes zu walten. Sein Scheitern am gerechten Urteil ist damit bereits vorgezeichnet. In den Reden der drei Göttinnen nun erfährt Paris eine weitere Beschreibung. Pallas klärt ihn über seine königliche Abkunft auf (c6r, V. 139) und hofft daher noch, ihn für immaterielle Güter gewinnen zu können, da er ja deswegen nicht auf Reichtümer und Genüsse verzichten müsse; seine Liebe zum Materiellen steht damit außer Zweifel. Diese Schwäche des Paris nützen dann Juno und besonders Venus aus. Auffallend ist dabei, wie sie seine Disposition für Äußerliches begründen: Ex arabum venis … agro (d1r, V. 177), erklärt Juno, und daher müsse er Reichtum und Macht lieben. Für philosophische und metaphysische Betrachtungen sei er außerdem zu jung (d1v, V. 201–204). Sie warnt ihn vor intellektuellem Hochmut und bindet ihn damit an das rein Kreatürliche zurück, mit Erfolg. Etsi pastor ego. frondosis natus in antris. Ductavi pecudes. lanigerosque greges. Expers consilii. quem nec providentia rerum Edocuit. stabulis aptior. aut triviis (d1v–2r, V. 225–228).

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(Auch wenn ich als Hirte, geboren in belaubten Höhlen, wollige Viehherden befehligt habe, so bin ich hier doch ratlos, da mich nie die vorausschauende Kenntnis der Dinge lehrte. Ich passe besser in einen Stall oder auf die Straße.)

Paris gesteht offen seine Unfähigkeit ein, ein solches Urteil zu fällen, ja überhaupt ein Urteil zu fällen. So entscheidet er sich schließlich für den bequemsten Weg: Virtutem non curo gravem. sophieque penetral (d2r, V. 241). Ebenso wenig möchte er sich für Reichtum einsetzen, denn nichts könne die Pracht Asiens übertreffen, das er ja (wie er von Minerva erfahren hat) schon in seiner Hand halte (d2r, V. 245): Solas delitias, solas quoque corporis huius Posco voluptates, mellifluosque iocos (d2r, V. 247f.). (Ich will nur Annehmlichkeiten, ich will auch nur Freuden dieses Körpers [im diesseitigen Leben] und süße [Liebes-] Spiele.)

Gegenüber der Aussage des Paris in den »Heroides«, dass er für Helena sogar auf die Königreiche, die Juno ihm geboten habe, verzichtet habe, und dass er im Vergleich zu einer Umarmung seiner Geliebten die von Pallas versprochene virtus nicht schätze (XVI, V. 165–168), liegt hier eine deutliche Akzentverschiebung vor. Von persönlicher Liebe kann keine Rede sein; Paris spricht sich grundsätzlich gegen virtus und für voluptates aus. Damit offenbart er sich als ein Gegenbild zu dem sich recht entscheidenden Herkules, wie er u. a. in Lochers »Stultifera navis« und als Herkules-Maximilian in Grünpecks »Comoedia secunda« beschrieben ist (vgl. Kap. 8.3). Das Paris-Urteil und die Herkules-Entscheidung werden bereits in der antiken Literatur miteinander assoziiert; dies hat Erwin PANOFSKI nicht zuletzt am Motiv des schlafenden Paris/Herkules nachgewiesen.36 Wird aber Herkules von Locher und seinen Dichterkollegen politisch-panegyrisch gedeutet (als der einzige, der dem Untergang der Narrenwelt entgegentreten kann, indem er sich nämlich richtig, für die Tugend entscheidet, und als messianische Maximilian-Figur), dann drängt sich eine entsprechende politischen Deutung des Paris geradezu auf; das bedeutet, dass hier neben der Auslegung nach dem sensus allegoricus oder moralis auch eine nach dem sensus historicus gesucht werden sollte. Bis zum Urteilsspruch am Ende des zweiten Akts allerdings stehen fraglos die allegorische Auslegung und die enge Verbindung zu Fulgentius im Vordergrund; auffallen mag nur die zweifache lokale Anbindung des tugendlosen Geistes Paris an Asien/Arabien, welche einen historischen Sinn erahnen lässt. Zwar stellt auch in Ovids »Heroides« (XVI, V. 355) Paris seine Heimat Asia der terra Helenas gegenüber, aber nur in einem Vergleich der Truppenstärke. Der spätan______________ 36

PANOFSKI, S. 60f. Vgl. dazu auch Franz Josef WORSTBROCK, Apologia Poetarum. Die SchwenterHandschrift Ms. lat. fol. 335 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin mit den Illustrationen Peter Vischers des Jüngeren. Kommentarband. Wiesbaden 1987, S. 22, der betont, dass das Motiv des schlafenden Paris bereits bei Pseudo-Dares Phrygius belegt ist.

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11.4. Paris: Identifikationsfigur oder Feindbild?

tike, für die mittelalterliche Troja-Tradition verbildliche angebliche Augenzeugenbericht des Pseudo-Dares Phrygius baut diesen Vergleich zwischen Asia (Kleinasien) und Sparta aus zu einer Gegenüberstellung der Kontinente Asien und Europa, die bereits Ansätze zu einer moralischen Wertung der unterschiedlichen Flottenstärken beinhaltet. Hektor gibt dort zu bedenken, … multos adiutores Graeciae futuros, Europam bellicosos homines habere, Asiam semper in desidia vitam exercuisse et ob id classem non habere. (VI)37 (…dass Griechenland viele Helfer haben wird, dass es nämlich in Europa kriegerische Menschen gebe; Asien aber habe immer ein träges Leben geführt und sei deshalb nicht im Besitz einer Flotte.)

Bei Locher wird der politisch-historische Kontext, der die mittelalterliche TrojaTradition prägt, in das (bei Dares und in den mittelalterlichen TrojanerkriegDarstellungen marginalisierte) Urteil des Paris hereingeholt,38 und zwar in den Repliken von Pallas und Juno auf den Urteilsspruch und v. a. im unmittelbar hierauf folgenden Zwischenspiel. Pallas erinnert an ihre Attribute (die Fulgentius auch in der »Fabula Minervae« nennt): Waffenrock und Gorgonenhaupt. Sum dea martis atrox. in te miseranda citabo. Prelia. gorgoneis incipienda tubis. Exacuem graios adversus pergama ... (d2v, V. 257–259). (Ich bin die grausame Göttin des Krieges, ich verhänge über dich einen beklagenswerten Krieg, der mit gorgonischen Posaunen begonnen werden soll. Ich werde die Griechen gegen [das Volk von] Pergamon aufstacheln.)

Sie verheißt Paris den Untergang seiner Stadt, den Tod seines Volkes, eine apokalyptische Strafe für sein Vergehen. So verweist auch Juno auf Bellona, die ihre Furcht erregenden Trompeten erschallen lassen werde (d2v, V. 265): Die beiden Rivalinnen schließen sich hier zusammen für den Krieg gegen Paris. Die im Götterhimmel ausgesprochene Kriegsdrohung wird im Zwischenspiel, welches den ersten und den zweiten Teil des Dramas verbindet, auf der Menschenebene gespiegelt, nicht ohne einen ironischen Unterton. Zwei Gladiatoren kämpfen um den Kranz der Venus und werden nach kürzester Zeit beide belohnt. Dem Unernst dieses Kampfes ist der tödliche Ernst des kommenden Krieges gegenübergestellt, bei dem es ebenso um den Siegespreis der Venus geht. Paris ist dem Publikum bislang aus göttlicher Sicht vorgestellt worden; dieser Paris ist in den Gladiatoren, die der Venus verfallen sind, gespiegelt. In der Menschenwelt nun, in welcher er ab dem dritten Akt auftritt, zeigt er sich mit einem anderen Gesicht. Er ist hier nicht der Schwache, Willenlose, sondern der treulose Verbrecher. Trotz aller Versuche, ihn zu interpretieren, kann er nicht so recht ______________ 37 38

Daretis Phrygii de excidio Troiae historia. Hrsg. v. Ferdinand Meister. Leipzig 1873. Für eine ausführlichere Gegenüberstellung von Lochers Spiel mit mittelalterlichern Trojanerkrieg-Darstellungen vgl. Cora DIETL, Eine humanistische Variante des Trojanerkriegs. Jacob Lochers Spectaculum de Iudicio Paridis. Neuphil. Mitt. [im Druck].

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verstanden werden – ähnlich wie es den Göttern nicht gelungen ist, Discordia zu verstehen. Paris erscheint wie diese als der Zerstörer jeder Ordnung: Non satis admiror. quod te fidutia tanta. Raptat et ad crimen tam malesanus ades. Est hec recta fides. Sunt hec monumenta pudoris. Hospitii sanctum contaminare thorum (d3v, V. 321–324). (Ich kann nicht genügend staunen, dass dich eine so große Dreistigkeit ergriffen hat und dass du so unsinnig zu Verbrechen bereitstehst! Ist das die rechte Treue? Sind das Beweise der Scham, das ehrwürdige Ehebett des Gastgeberhauses zu entweihen?)

In noch deutlicheren Worten als hier Helena (deren Reaktion nach dem Vorbild der »Heroides«, XVII gestaltet ist) beklagen im vierten Akt Menelaos und Agamemnon das scelus infandum (e1v, V. 413), die unglaubliche Freveltat, den Raub und den Bruch von Vertrauen und Gastfreundschaft. Hier bestätigt sich Paris’ frühere Aussage: Virtutem non curo gravem (d2r, V. 241). Doch er braucht sich dessen nicht zu schämen, offen zeigt er seine Liebesbeute herum: Securus predam monstrat ubique suam (e1r, V. 398), denn niemand scheint eine solche Schandtat zu verurteilen, die Tugendordnung ist bereits zerbrochen; penes nos huiusmodi vita natura non crimen est, erklärt Fulgentius in seiner »Fabula«. So wenig aber wie Fulgentius’ Feststellung von der Tugendlosigkeit der Welt zu einem ruhigen Akzeptieren des Zustands aufrufen soll, so wenig wird von Seiten der Griechen die Schandtat des Asiaten Paris geduldet. Menelaos lässt seiner Empörung freien Lauf: Quis tollerare potest. hec latrocinia foeda (e1r, V. 399f.), fragt er; er habe daher volles Recht zur Rache. Er fordert seinen Bruder und die argolicos duces zu Waffenbruderschaft auf und erhält sofort von Agamemnon militärische Hilfe zugesichert: Ulcisci cupio presens. nec differo motus. Bellorum subitos. martisonasque tubas. Argolicos proceres ad prelia magna vocabo. Sponte parant getici bellica tela dei (e1v, V. 423–426). (Rache suche ich unmittelbar und schiebe den sofortigen Krieg nicht auf, noch das Ertönen der Schlachtenhörner; ich werde die griechischen Fürsten zu einem mächtigen Feldzug zusammenrufen. Bereitwillig rüsten sie die Waffen des Ares.)

In seiner Rede wird die unglaubliche Eile vor Augen geführt, in der die Fürsten Griechenlands sich zum gerechten Krieg rüsten. Sogleich wird der Bote bestellt, um den Trojanern den Krieg zu erklären. Mit der Kampfansage, die zum Publikum hin gesprochen wird, endet die Handlung. Iliadum reges audite ferotia iussa. Que commendavit fortis atrida mihi. Prelia grecorum vobis. denuntio iusta. Telaque nunc manibus credita volvo meis. Non licuit paridi. danaum pia foedera regum. Frangere. commissos et violare thoros. Tristia fata luet. casus tentabit atroces Criminis et meritum sentiet exitium.

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11.4. Paris: Identifikationsfigur oder Feindbild?

Grecorum stet salvus honor. vos iure vetusto Admonui. liticen classica dira sonet (e2r, V. 436–446). (Könige von Ilion, hört die kühne Botschaft, die mir der tapfere Atride aufgetragen hat. Ich verkünde euch den gerechten Krieg der Griechen und in meinen Händen wiege ich das mir anvertraute Geschoss. Paris hatte kein Recht dazu, den heiligen Bund der Danaerkönige zu brechen und das Ehebett zu schänden. Ein trauriges Schicksal wird ihm widerfahren, ein schreckliches Ende wird er nehmen, für sein Verbrechen wird er den verdienten Untergang erleiden. Die Ehre der Griechen bleibe unversehrt. Euch habe ich nach uraltem Recht ermahnt. Der Trompeter lasse unheilvolle Kriegssignale ertönen!)

Eine derartig prononcierte Mahnung zum gerechten Krieg, in dem die Fürsten des Westens spontan zusammenstehen, um eine Verletzung ihres Rechts durch einen unmoralischen und treulosen Aggressor aus Asien/Arabien zu rächen und damit das westliche Recht zu verteidigen, ist Lochers Spielen keineswegs fremd. In der »Tragedia de Thurcis et Suldano« findet sie sich ebenso wie im »Spectaculum de regibus et proceribus christianis«. Der Trojanische Krieg galt bereits in der Antike als die erste Manifestation einer Gemeinschaftsaktion aller Griechen. Die Griechen im »Iudicium Paridis« zeigen als die Gerechten dieselbe Bündnistreue untereinander und dieselbe Siegessicherheit und Begeisterung für den gerechten Krieg wie die christlichen Heere in Lochers Türkendramen. Nach dem 1. 6. 1502, an welchem keiner der Reichsstände eine Bereitschaft zum Türkenkrieg gezeigt hatte, indem er zu dem von Maximilian bestimmten Truppensammelplatz gekommen wäre (vgl. Kap. 10.1.),39 war die spontane Hilfe für den gerechten Krieg ein höchst aktuelles Thema. Bewusst lässt Locher daher wohl die Worte des griechischen Boten im »Iudicium Paridis« an den Abschlussmonolog des christlichen Flottenführers im »Spectaculum de regibus et proceribus christianis« anklingen: En phrameam manibus vibro. quam bellicus ardor Postulat. en sursum martia signa levo. En age rumpe moras liticen. dent classica vastos Armorum strepitus. buccina seva crepet. | Bombardis sonitum pedites nunc edite grandem. Ut metuant thurci corda severa trucis. Concurrant proceres. totus quoque protinus orbis Lectis militibus ad pia bella ruat (b4r–v, V. 290–297). (Seht, ich schüttle den Ger in meiner Hand, was die brennende Kriegesbegierde fordert. Seht, ich richte zum Angriff das Feldzeichen hoch auf! Auf, los, Trompeter, zerreiß die Ruhe! Die Kriegssignale mögen lauten Waffenlärm entfesseln; das wilde Kriegshorn erschalle! Ihr Fußkämpfer, nun lasst den großartigen Schall der Geschütze donnern, damit sich die grausamen Herzen der grimmigen Türken fürchten! Die Helden mögen zusammenkommen, und der ganze Erdkreis eile unverzüglich mit auserlesenen Kriegern zum heiligen Krieg!)

______________ 39

WIESFLECKER III (1977), S. 21.

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Die Ähnlichkeit dieser beiden Appelle, endlich dem lethargischen Dulden eines Unrechts und dem Zustand, dass penes nos huiusmodi vita natura non crimen est, ein Ende zu machen, liegt auf der Hand. Der zweite Teil des »Iudicium Paridis« fügt so der allegorischen Auslegung der Fabel durch Fulgentius eine postfigurale hinzu: Im Trojanischen Krieg ist der Türkenkrieg präfiguriert, und im lichtscheuen Paris, der die Lust dem Intellekt vorzieht, spiegelt sich der verblendete, gottlose, barbarische Türke, der, wie Locher es in der »Tragedia« formuliert, den Körper vor dem Verstand regieren lässt (E4v). Lochers mythologisches Drama ist somit zugleich ein historisches, besser aktuell politisches. Der Vergleich Georgs von Bayern mit Hektor und Maximilians mit Aeneas im »Spectaculum de regibus« muss keinen Widerspruch zur Deutung der Trojaner als Türken im »Spectaculum de iudicio Paridis« darstellen. Der Kampf um Troja ist eine Variable, die in der Literatur je unterschiedlich einsetzbar war. Er ist als das Vorbild eines Kampfes des Westens gegen den Osten gedeutet werden, wie dies z. B. im Vierten Kreuzzug geschah.40 Zugleich wurde er aber von den Monarchien, die sich als Nachfolger der Trojaner bezeichneten, als Vorwand für einen Rachefeldzug gegen die Zerstörer und Besetzer Trojas verwendet: Dieses Argument aber wurde sowohl von den Habsburgern und den meisten westlichen Herrschaftshäusern als auch von den Osmanen, v.a. Mehmet II., ins Feld geführt.41 Im Humanismus war die These der Abstammung der Türken von den Trojanern weit diskutiert,42 und so konnten die Vorstellung eines gerechten Kampfes gegen Troja und das Lob der westlichen Abkömmlinge des Priamos nebeneinander stehen. Würde das Spiel mit dem Aufruf zum Krieg enden, zerfiele seine Struktur in zwei relativ selbstständige Teile: eine Bildungswerbung in Akt I–II und eine Werbung für den gerechten Krieg in Akt III–IV. Wenngleich aber die Handlung mit der Kriegserklärung durch den Herold endet, ist damit das Spiel noch nicht abgeschlossen. Als Nachspiel treten nun Vertreter der einzelnen Lebensweisen auf, welche die historische Auslegung des Mythos wieder an die moralische rückkop______________ 40

41

42

Heinrich SCHLIEMANN, Bericht über die Ausgrabungen in Troja in den Jahren 1871 bis 1873. Mit einem Vorw. v. Manfred Korfmann. München/Zürich 1990, S. XII. Klaus KREISER, Troja und die homerischen Epen. Von Mehmet II. bis Imet Inönu, in: Troia – Traum oder Wirklichkeit. Begleitband zur Ausstellung. Hrsg. v. Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg u. a. Stuttgart 2001, S. 282–291, S. 282; Michael SIEBLER, Troia. Mythos und Wirklichkeit. Stuttgart 2001, S. 50; Cora DIETL, Troja – Die Wiege des Abendlands, in: Mittelalter-Mythen VI. Hrsg. v. Werner Wunderlich u. Ulrich Müller. St. Gallen [im Druck]. Terence SPENCER, Turks and Trojans in the Renaissance. Modern Language Review 47 (1952), S. 330–332.; SCHWOEBEL, S. 70, 148f. u. 189; Johannes HELMRATH, Pius II. und die Türken, in: Europa und die Türken in der Renaissance. Hrsg. v. Bodo Guthmüller u. Wilhelm Kühlmann. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54), S. 79–137, S. 110f.; Margaret MESERVE, Medieval Sources for Renaissance Theories on the Origins of the Ottoman Turks, in: Europa und die Türken in der Renaissance. Hrsg. v. Bodo Guthmüller u. Wilhelm Kühlmann. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54), S. 409–436.

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11.4. Paris: Identifikationsfigur oder Feindbild?

peln. Die Reihenfolge der drei Lebensweisen ist nun gegenüber dem zweiten Akt umgekehrt. In hartem Kontrast zur soeben ausgesprochenen Kriegserklärung an die unmoralischen Anhänger der Venus wird die vita voluptaria als ein von jeder Sorge und Trauer freies Leben beschrieben, Mestitiam frontis exhilarata fugat (e2r, V. 454). Der Handlungsgang und v. a. der Ausblick auf den Untergang Trojas entblößt dieses Versprechen als eine reine Blendung. Übertrieben betont werden nunmehr die weichlichen Freuden, die Wollust, Müßiggang, Wein, Speisen und Glücksspiele: Begriffe, denen der Geruch der Sündhaftigkeit nur allzu deutlich anhaftet, und der Blütenduft Persiens: Spirat achemenios flores lasciva voluptas (e2r, V. 457). Der Vertreter der vita activa betont noch einmal die unedle Abkunft der Venus aus Muschel und Meerschaum, der daher weder fama celeber noch cantica sacra zustehen (e2v, V. 475). Juno dagegen habe schon vielen Menschen zum Aufstieg verholfen, Ex humili multos mortales sorde levavit (e2v, V. 483); sie mache die Menschen durch Gewinnstreben aktiv, lasse Kaufleute in einer Vita peregrinis insatiata bonis (e2v, V. 490) Großes wagen, sie beeinflusse Fürsten und Könige, verteile Staatsämter und Renten. Sie sei das Leben der Jugend, die keine Grenzen ihres Strebens anerkennen wolle. Der Repräsentant der vita contemplativa schließlich verwirft Lust wie Gier und wirbt für ein Leben, das bis zum Himmelsgewölbe erhebe, das sich um die curas hominum nicht kümmere (e3v, V. 523), falsche Sorge ablege und sich allein der Erkenntnis des Göttlichen widme, genährt von der Milch der Philosophie (e3v, V. 532). Dieses Leben als das bessere und sicherere empfiehlt er Jungen und Alten. So weltabgewandt allerdings wie die vita contemplativa hier dargestellt ist, präsentiert sich die ja bereits bei Fulgentius kriegerische Minerva im Handlungsgang nicht; auch hier also, nicht nur bei Venus, zeigt sich ein Bruch zwischen der Empfehlungsrede und der Handlung. Im Kriegsgeschehen nämlich löst sich Minerva von ihrem rein beschaulichen Dasein und verbindet sich mit Juno. Worte können, wie bereits Celtis in seiner Antrittsvorlesung erklärt (10f.), wie Waffen wirken. Worte können v. a. aber auch, und das betont Locher in seinen Schriften immer wieder, als „Signalhorn“ dienen, zu den Waffen rufen. Als Reaktion auf den Urteilsspruch des Paris erklärt Pallas, sie wolle einen Krieg entfachen (d2v, V. 259); Juno ist für die Ausführung des Kriegs und alle materiellen Fragen, die damit verbunden sind, zuständig. Dem Redner und Gelehrten kommt also – sehr ähnlich wie schon in der »Tragedia« – die Aufgabe zu, auf Rechtsverletzungen und die Notwendigkeit des gerechten Kriegs hinzuweisen und die Kriegführenden zu ermuntern, ohne ein entsprechendes Amt im Kriegsapparat des Staates inne zu haben. Die Finanzierung und Durchführung des Krieges muss dann dem Adel und dem Militär überlassen werden. An sie ist Lochers Appell gerichtet, Juno mit Pallas kooperieren zu lassen, d. h. ihre Güter den Zwecken, die Maximilians Gelehrte, Dichter und Philosophen ihm vorhalten, zur Verfügung zu stellen.

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Für das universitäre Publikum aber ist Lochers »Iudicium« ein Plädoyer für die Lebensform des Dichter-Gelehrten und Redners im Auftrag des Kaisers, d. h. für den poeta laureatus. Er erscheint als der eigentliche, wahre Gelehrte – und nicht der Angehörige einer der traditionellen Fakultäten der Universität.

11.5. Die Dramenform – diese Dramenform Typologie und Allegorie rechtfertigen die Lektüre und die Nachdichtung antiker Mythen und weisen ihnen aktuelle Inhalte zu. Locher will aber nicht nur historiam priscam recolere (c3r, V. 1f.), sondern er will sie ad spectaculi morem transferre (c1v). Mit dem antiken Stoff will er den antiken Geist und die antike Form, das Theaterspiel, in seine Gegenwart retten. So bittet der actor im Epilog nicht nur wie üblich um Applaus und um Ehrung der Tugend (e3v, V. 539), sondern auch um Neidlosigkeit: Absint invidie. noxia tela procul (e3v, V. 542), damit noch öfter hier Schauspiele aufgeführt werden können: Sepius auscultans ex illo scammate ludos / Spectabit populus (e3v, V. 543f.). Sic utinam redeant celebris iucunda theatri Drammata. prisca fides. eloquiumque vetus Hisce soloecismos. et torui gestibus oris Barbariem. iuvenis vincere quisque potest (e4r, V. 549–552). (Oh, würden doch die erfreulichen Spiele ins gefeierte Theater zurückkehren, käme doch die alte Treue und die alte Beredsamkeit zurück! Jeder junge Mensch kann die Regelverstöße und die Barbarei einer grausigen Sprache in diesen Gebärdenspielen überwinden.)

In wenigen Worten entwirft Locher hier ein didaktisches Programm für die Universität: Durch die Einführung des Theaterspiels nach antikem Vorbild soll die Studentenschaft in der lateinischen Sprache und Eloquenz ausgebildet werden. Dieses Programm ist für Locher wie für den süddeutschen Humanismus keineswegs neu, hat sich aber noch lange nicht durchgesetzt. Ähnlich wie seine humanistischen Dichterkollegen anderenorts verurteilt er heftig das „barbarische“ Latein, das an der Universität gesprochen werde.43 Gegen „Solözismen“ kennt Locher ein Heilmittel: das Theaterspiel. Dieses bedeutet aber nicht nur eine grammatische und rhetorische Übung für die Jugend, sondern zugleich eine Einübung von virtus und fides: Im Spiel erwachen die Tugenden der Antike wieder zum Leben. Die Formulierung redeant macht deutlich, dass die Einführung des Theaters als Sprach- und Tugendschule bei Locher keineswegs als ein Import von etwas Fremden begriffen wird. Wie auch in seiner »Tragedia« fordert er vielmehr das Wiedererstehen des alten Theaters. Während Celtis zehn Jahre zuvor am selben ______________ 43

Zum konservativen Lehrplan der Ingolstädter Artistenfakultät vgl. Kap. 9.4.

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11.5. Die Dramenform – diese Dramenform

Ort gefordert hatte, den Italienern nach dem Imperium auch die Kulturherrschaft zu entreißen,44 sieht sein Schüler in der Berufung auf die römische Antike eine Rückbesinnung auf die eigene Größe in der Vergangenheit. Heftig beklagt er den Neid, der dieses Wiedererstarken des Reichs aus seinen eigenen alten Quellen behindere. Im Epigramm an den Leser steigert er dies zu einer persönlichen Konfrontation mit den Vertretern des Bösen: Invidus osor. iners blaterator. garrula verba Comprimat. in medium fabula nostra redit. Posteritas hanc longa manet. nec tela vetabunt Invidie. mortem sepe minata mihi. Demiror cur nam. vates castiget acerbus Livor. et exerto carmina dente notet. Displicet ingenium. quod doctus sufflat apollo. Displicet eloquii vena beata malis (c1v). (Der neidische Hasser, der unnütze Schwätzer möge seine plappernden Worte zurückhalten: Unsere Geschichte tritt an die Öffentlichkeit. Ihr steht eine lange Zukunft bevor, und das werden ihr die Geschosse des Neides nicht verwehren, die mir schon oft mit dem Tod gedroht haben. Es wundert mich, weshalb denn der herbe Neid die Dichter verleumdet und die Lieder mit entblößtem Hauer angreift. Missbehagen erregt die Inspiration durch den weisen Apoll, Missbehagen erregt den Bösen die reiche poetische Ader.)

Mit dem im Spiel angekündigten Triumph der Gerechten über die Rechtsverächter und dem Sieg Minervas über Venus (der konsequent aus der Friedensstörung durch die neidvolle Discordia zu folgen scheint) verbindet sich hier der sichere Sieg der tugendhaften, göttlich inspirierten Literatur über ihre Neider. So unerklärlich wie Merkur das Auftreten der Discordia ist, so unbegreiflich erscheint hier dem Dichter der Tadel der Bösen, die weder Inspiration noch Talent akzeptieren und ihm persönlich mit dem Tod gedroht haben sollen; Letzteres ist sicher eine Übertreibung. Das »Iudicium Paridis« wird so in die aktuelle Situation Lochers, die Anfänge des Streits mit Zingel, zurückgeholt. Wie stark das Stück selbst von diesem Streit betroffen war, beschreibt der Philomusus in seinem Widmungsbrief: Cum tam ex officina nostra teneri versus egredi properarent. cohibui gressum. donec prius in publicum spectaculum edilibus procurantibus venirent. malum ac infelix auspicium sunt experti. quippe sine censura publica. in theatrum non fuerunt admissi. nescio quid stoicidas et morum publicos censores moverit. lascivum quiddam ac emasculatum inesse credebant. nos privatam sortem attentavimus. processit actus prospere. ingens spectatorum numerus scammata ac sedilia opplebat; plausus clarus atque magnisonus fuit editus. non potuit marcescens invidia nostre glorie penitus obesse. (c2r) (Als dergestalt die noch taufrischen Verse aus meiner Werkstatt rasch in die Welt hinaus eilen wollten, bremste ich sie, bis sie zuvor unter der Aufsicht der Ädilen öffent-

______________ 44

Celtis, Oratio in gymnasio Ingolstadio recitata, 5.6. Vgl. ROBERT, S. 96.

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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lich zur Aufführung kämen. Sie erfuhren einen üblen und unglücklichen Einstand, ja, sie wurden nicht ohne eine amtliche Zensur zum Theater [d. h. zur Premiere] zugelassen. Ich weiß nicht, was die Pseudo-Stoiker und öffentlichen Moralapostel dazu getrieben hat. Sie meinten, etwas Laszives und den jungen Männern Abträgliches darin zu finden. So habe ich sehen wollen, wie man im Privaten über mein Spiel urteilt, und da hatte es Erfolg. Eine riesige Zahl an Zuschauern drängte sich auf Steh- und Sitzplätzen, der Applaus war schallend und lautstark. Der erschlaffende Neid konnte unseren Ruhm nicht im Geringsten schmälern.)

Locher bittet Georg von Sintzenhofen, mit seinem kritischen Blick zu prüfen, ob seine Venus schamlos, ausgelassen und frivol sei, an spurca. lasciva. seu petulans sit venus (c2r). Mit anderen Worten, es geht um die Frage, ob das Spiel unter die Werke der comici inhonesti nach Boccaccio zu rechnen sei oder ob es nicht doch eine tiefer liegende Wahrheit und eine Tugendlehre enthalte, wie jene, die auch die Palliata zu rechtfertigen vermag. Eine andere Kritik als den Vorwurf der Laszivität und (histrionenhaften) „Unmännlichkeit“ erwähnt er nicht; dabei wird aus seinen anderen Äußerungen durchaus ersichtlich, dass er mit der Dramatisierung des Fulgentius bewusst die Konfrontation mit Zingel und den konservativen Kräften an der Universität sucht. Es geht ihm um die Verbindung von Heiligem und Mythologischem und um den Nachweis des absoluten Vorrangs der durch die kriegerische Minerva vertretenen Poesie und Rhetorik vor allen anderen Kräften im Reich. Die Dramenform, die solchen Anstoß erregte, nutzt er geschickt, um seine Aussage nicht nur bildlich zu demonstrieren, sondern auch um durch das Spiel mit verschiedenen dramatischen Formen zusätzliche Interpretationshinweise zu geben. Betrachtet man die Gliederung des Dramas, fällt zunächst auf, dass Locher sich hier noch weiter als bei seinem letzten spectaculum von der „klassischen“ Form seiner ersten beiden Dramen entfernt. Es handelt sich wieder um einen Vierakter mit offenem Ende, nun aber ohne Chor. An dessen Stelle treten zwischen Akt II und III und zwischen Akt III und IV Interludien: Solche waren seit dem 15. Jahrhundert bei Klassiker-Aufführungen an italienischen Höfen üblich, um den Gegenwartsbezug des jeweiligen Textes zu sichern, die Haupthandlung zu interpretieren, zu kontrastieren oder allegorisch-mythologisch zu überhöhen.45 Akt I und II folgen ohne eine solche Unterbrechung unmittelbar aufeinander. Damit sind nicht nur die beiden Anfangsakte näher aneinander gebunden, sondern es wird v. a. die inhaltliche Zweiteilung des Dramas auch formal unterstrichen. Bereits erwähnt worden ist, dass sich Akt I und II durch ihr vornehmlich göttliches Personal von Akt III und IV mit ihrem fast ausschließlich menschlichen Personal abheben. Hier sei zusätzlich darauf hingewiesen, dass sich die ______________ 45

GUTHMÜLLER 1981, S. 106; ders. 1986, S. 69; BRAUNECK, S. 418f.; vgl. auch Hans Heinrich BORCHERDT, Der Renaissancestil des Theaters. Ein prinzipieller Versuch, in: Die Ernte. FS Franz Muncker. Halle 1926, S. 339–384, S. 375.

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11.5. Die Dramenform – diese Dramenform

beiden Dramenteile auch in der Zahl des Personals grundlegend unterscheiden. In Akt I und II befindet sich eine große Zahl von Figuren auf der Bühne; genau festzulegen, wer aktuell zu sehen ist, fällt allerdings schwer. Auf- und Abtritte werden kaum erwähnt, und selbst der Szenenwechsel vom Olymp zum Berg Ida und zurück ist so rasch (er erfolgt während der Replik jeweils einer Figur), dass nicht nur ein Szenenumbau unmöglich wäre, sondern auch der Ab- und Auftritt der gesamten Götter. Man muss hier also von einer Simultanbühne im Stil der mittelalterlichen geistlichen Spiele ausgehen, bei der die loci Olymp und Ida 89 beieinander liegen.46 Anders aber als bei der mittelalterlichen Bühne sind Publikumsraum und Bühne klar voneinander getrennt. So heißt es im Prolog: Vos spectatores sultis. conscendite celsa Scammata. discreto stant anabatra loco (c3r, V. 5f.). (Ihr Zuschauer, bitte besteigt die steile Tribüne. Von ihr getrennt steht die Bühne.)

Auch terminologisch wird hier eine Annäherung an die antike, nicht die mittelalterliche Bühne gesucht. An sie lehnen sich die beiden letzten Akte an. Sie sind charakterisiert durch eine klare, sinnvolle (durch zeitliche Einschnitte und Interludien markierte) Akteinteilung, geregelte Auf- und Abtritte, einen einheitlichen Ort und ein nach Zahl und gesellschaftlichem Rang den Vorschriften der Tragödie entsprechendes Personal, unter dem sich eine tragische Verwicklung ergibt. Es ist hinzuzufügen, dass nur der zweite Teil des »Parisurteils« konsequent in elegischen Distichen verfasst ist, wohingegen im ersten Teil Jupiter in Prosa spricht. Die Figuren, die in den Zwischenspielen auftreten, aber brechen den Schein des „Regelgerechten“ im zweiten Teil. Sie kommentieren keineswegs wie ein klassischer Chor das Geschehen aus dem Blickwinkel der Gerechten und erteilen auch keinen guten Rat. Bereits in der »Tragedia« hatte Locher an einer Stelle gegen diese Vorschrift verstoßen und einen Sprecher der Gegenseite auftreten lassen. Hier stehen die Gladiatoren der Venus ebenso wie der Reigen der liebeslüsternen Bäuerinnen allesamt auf der „anderen“ Seite. Das Venus-Turnier ist nicht nur eine ironische Spiegelung des kommenden Krieges, es ist auch eine provokante Parodie der Dichter-Krönung, wie sie Celtis im »Ludus Dianae« ins mythologische Spiel integriert hatte. Der Kampf findet in einer Arena (d3r, V. 291) statt, die vom Theater kaum zu unterscheiden ist, wie dies den Architekturvorstellungen der Zeit entsprach (vgl. Kap. 6.3). So verwenden die Gladiatoren in ihren Kampfankündigungen Formulierungen, die auch im Theater denkbar wären: Jupiter assensit. nostros spectabit et actus. / Applaudet nostris ______________ 46

MICHAEL 1934, S. 60; ders. 1963, S. 76 – wieder zu großen Teilen zurücknehmend ders. 1971, S. 256f. SCHUETZ, S. 15 erwähnt, dass Locher im »Iudicium Paridis« „das mittelalterliche Inszenierungssystem zur Anwendung brachte“; BRAUNECK, S. 519 sieht eine Nähe zur spätmittelalterlichen Moralität, allerdings nicht in der Bühnenform, sondern in der am Disput ausgerichteten Grundstruktur des Stücks; LETHNER, S. 169 spricht von einem „mythologische[n] Everyman“, NOE, S. 301, von einer Verbindung von Elementen der Palliata „mit der Technik der sacra rappresentazione, Moralitäten und Humanistendialogen“.

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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gestibus et populus (d3r, V. 277f.); Me fortem reddunt populi subsellia docti (d3r, V. 289). Schließlich überreicht Venus den Kämpfern, quos docta palestra / Spectavit (d3r, V. 295f.), den Lorbeerkranz. Zum Kaiser aber, der als höchster Pfleger von Kultur und Bildung Dichtern den Lorbeer verleiht, verhält sich die Figur der Venus, die sich zuvor als Feindin jeder Bildung vorgestellt hat, diametral. Nicht Venus, sondern die kriegerische Minerva, die sich selbst als dea martis atrox (d2v, V. 257) bezeichnet, ist die Patronin der wahren Geistes-Kämpfer. Der Gladiator Bacchius kann daher nur ein ironisch-verzerrtes Abbild des Dichters sein, der im »Ludus Dianae« in der Bacchus-Rolle auftritt. Die geistlose Nachahmung der Dichterehrung durch die Partei der Geistesgegner muss diese disqualifizieren. Die Bäuerinnen im zweiten Zwischenspiel gehorchen blindlings dem Ruf der Venus, um mit den genauso willigen Hirten zu tanzen. Dabei spart Locher auch keineswegs an derben Details, wie der Beschreibung der triefenden Augen und des sabbernden Munds vom alten Mann der dritten Bäuerin (d4v, V. 374), die, wie eventuell auch die anderen, wohl selbst nicht mehr die Jüngste ist (d4v, V. 378). Diese heitere Selbstdarstellung der bis ins Absurde und Unappetitliche gesteigerten Lust unterscheidet sich im Stil deutlich von der üblichen (an Horaz orientierten) Choreinlage. Anders als der tragische Chor kommentiert das Zwischenspiel nicht distanziert und überlegen, sondern es führt unmittelbar und plastisch die Verirrung der Hauptfigur als ein gesamtgesellschaftliches Problem vor Augen und illustriert den Triumph der Venus, der sich in den vorausgegangenen beiden Akten vollzogen hat und der im Folgenden bestraft werden soll. Als Interludien nach italienischem Vorbild, welche einen Gegenwartsbezug des Spiels herstellen sollen, bedeuten der Reigen der Bäuerinnen und das Venusturnier also eine scharfe Gesellschaftskritik. Der allgemeine Untergang der Tugend, den Fulgentius feststellt, ist mit dem desaströsen Niedergang der Bildung verbunden, wie ihn Locher u. a. in der »Stultifera navis« beklagt.47 Einen solchen Notstand hat auch Grünpeck in seinen Komödien, speziell in der »Comedia prima«, beschrieben (vgl. Kap. 8.3). Eine ebenfalls kritisierbare Gegenposition aber, wie sie Grünpeck dort aufzeichnet, gibt es bei Locher nicht, und der Philomusus beendet auch nicht den Streit der Positionen wie Grünpeck mit einem Fest, sondern er ruft zur gewaltsamen Aufhebung des Missstands auf. Zusammenfassend lässt sich zur Form des »Iudicium Paridis« festhalten: Das Spiel gliedert sich in zwei Teile, bei denen Inhalt und Form jeweils auseinander fallen. Der erste stellt, formal am geistlichen Spiel orientiert, den heidnischen Götterhimmel dar – und reklamiert damit die Übertragbarkeit antiker Mythen auf christliche Gedanken.48 Der zweite orientiert sich an der Tyrannentragödie, lässt aber den Chor die Seite des Unrechts vertreten und bleibt, ähnlich wie das »Spec______________ 47

48

Locher, Stultifera navis, Kap. 112, Viri prudentis descriptio, 128v–129r: Qui bonus et sapiens nostro nunc esse laborat / Tempore, vesanus dicitur atque rudis (V. 29f.); Prudentes rident saecula nostra viros (V. 36). Vgl. Mussato, Epist. 7, V. 23–30.

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11.6. Ein Festspiel wie Celtis’ Ludus Dianae oder Grünpecks Komödien?

taculum de regibus«, beim Schrei nach dem Sturz des Protagonisten stehen. Der Zuschauer soll gegen den Chor, der die verblendete Masse zeichnet, und gegen den Tyrannen mobilisiert werden; er soll den fünften Akt selbst ausführen; das anzitierte Tyrannen-Tragödienschema verspricht ihm Erfolg. Zugleich soll er mit Blick auf den ersten Teil des Dramas die religiös-heilsgeschichtliche Dimension des Kampfes, zu dem er selbst aufgerufen ist, wahrnehmen und, indem er dies tut, die Relevanz der antiken Mythen und der Dichtung für ein Leben in der res publica christiana anerkennen.

11.6. Ein Festspiel wie Celtis’ Ludus Dianae oder Grünpecks Komödien? Konrad Celtis’ Diana-Spiel, das Lochers Lehrer im März 1501 in Linz vor Maximilian zur Aufführung gebracht hatte (vgl. Kap. 8.4), wird, wie bereits erwähnt, öfter mit Lochers »Iudicium Paridis« zusammengestellt. Das Huldigungsspiel des Erzhumanisten bringt zum ersten Mal antike Gottheiten auf die deutsche Humanistenbühne. Das Mahl der Götter als höfische Festszene, der Turnierkampf und der Reigen als typische höfische Unterhaltungselemente rücken das »Iudicium« tatsächlich in die Nähe eines solchen Festspiels. Zugleich spielt Locher, wie bereits erwähnt, mit der Krönung der Venuskämpfer direkt auf die Dichterkrönung in Celtis’ »Ludus« an. Weit größer als die Ähnlichkeiten sind jedoch die Unterschiede zwischen den beiden Spielen: Offensichtlich sind die Differenzen in der Struktur und im Handlungsreichtum der Spiele, sogar innerhalb der Choreinlagen. Selbst wenn Locher die Idee des Tanzes von Celtis haben sollte, baut er die Tanzeinlagen doch zu Interludien mit eigener Handlung aus. Bei Celtis bleibt der Ort der Handlung über alle fünf Akte derselbe: der Thronsaal des Kaisers, in welchem auch die Aufführung stattfand. Die Reden der einzelnen mythologischen Gestalten sind zwar auf die jeweilige Sprecher-Figur abgestimmt, sie haben zugleich aber unverschlüsselt einen aktuellen Bezug, so etwa die Aufforderung zum Türkenkrieg in der Rede des Silvanus. Die Darsteller können auch aus ihren Rollen heraustreten, wie der zum Dichter gekrönte Vinzenz Lang alias Merkur. Der fließende Übergang zwischen der Fiktion des Spiels und der Aktualität des Hoffestes ist, wie oben dargelegt, charakteristisch für ein höfisches Festspiel. Lochers »Iudicium« reklamiert gerade nicht die Nähe zum Fest, sondern es stellt sich ausdrücklich in einen literarischen Kontext, indem es eine alte Geschichte neu auslegen will. Der Philomusus sucht die Differenz zwischen „Schale“ und „Kern“, und zwar so deutlich, dass er seiner Fabel eine doppelte Auslegung im Spiel mitgibt, die durch die jeweilige dramatische Form unterstützt wird: Die allegorisch-philosophische (und gegen seine Feinde in der Theologie gerich-

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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tete) Aussage offenbart sich im „geistlichen Spiel“ (Akt I–II), die historisch-politische in der „Tragödie“ (Akt III–IV). Das mythologische Festspiel Celtis’ steht also dem allegorisch-mythologischen Drama Lochers gegenüber. GUTHMÜLLER unterscheidet in ähnlichem Sinne bei den italienischen Spielen der Zeit zwischen Festspielen, die einzelne Figuren und Elemente der antiken Mythologie zu einer am Anlass des Festes orientierten Handlung verbinden, und Stücken, die einen bestimmten antiken Mythos übernehmen und ihn im Hinblick auf den festlichen Anlass neu bearbeiten.49 Celtis’ Festspiele gehören dem ersteren Typus an, zum letzteren könnte man Lochers »Iudicium Paridis« stellen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Festanlass hier nicht deutlich sichtbar und damit für das Spiel nicht unabdingbar ist. Lochers »Spectaculum de iudicio Paridis« unterscheidet sich auch deutlich von Grünpecks Komödien (vgl. Kap. 8.3). Der »Comedia prima« fehlt sowohl die allegorische als auch die mythologische Ebene; sie ist unmittelbares, kritisch überzeichnetes Abbild der Gesellschaft und gleicht damit Lochers zweitem Interludium, welches als provokante Interpretationshilfe eingestreut ist. Die »Comoedia secunda«, welche inhaltlich ein Gegenstück zum Parisurteil darstellt, ist nur insofern allegorisch, als sie eine Handlung mit Personifikationen vorführt. Sie ist nur insofern mythologisch, als sie ein Motiv aus der Mythologie entlehnt, die mythologische Heldengestalt aber ist durch den aktuellen Herrscher ersetzt. Sie ist ein Festspiel, insofern sie in Spielort, Aussage und (menschlichem) Personal eine unmittelbare Nähe zu Aufführungsort, -anlass und Publikum herstellt. Diese Nähe fehlt Lochers »Spectaculum de iudicio Paridis«. Auch Ort und Personen verlangen hier nach einer Allegorese. Dadurch ist das Werk auch außerhalb des ursprünglichen Aufführungskontextes aufführbar, es besitzt zwar FestspielElemente, passt sich aber anders als dieses an den jeweiligen (Fest-) Anlass an. Die Panegyrik, welche Celtis’ und Grünpecks Festspiele charakterisiert, fehlt in Lochers »Iudicium Paridis«. Ein offenes Lob auf den Römischen König kann er angesichts der angespannten Lage in Bayern nicht mehr schreiben. Der Schluss des Spiels ist offen; der Sturz des Tyrannen und das Lob des triumphierenden Kaisers sind ausgespart. Nicht der panegyrische, sondern der appellative Charakter dominiert in den spectacula.

11.7. Die Aufführung des Iudicium Paridis 1502 Der ursprüngliche Anlass, für den Locher sein Stück entworfen hatte, ist unbekannt. Es war jedenfalls, wie aus seinen Bemerkungen hervorgeht, ein offizieller. Dem entspricht auch der Charakter des Stücks, der an einen Fürstenbesuch denken lässt. Wenn Locher als Reaktion auf die Zensur sein Stück „privatim“ auffüh______________ 49

GUTHMÜLLER 1986, S. 70.

272

11.7. Die Aufführung des Iudicium Paridis 1502

ren ließ, heißt dies aber nicht, dass es in kleinstem Kreise und in privaten Räumen geschehen sei. Nicht nur im Druck des »Iudicium Paridis« betont Locher, wie erfolgreich und wie gut besucht seine Aufführung an der Universität gewesen sei, sondern er vermerkt auch in seiner Fulgentius-Ausgabe in der Marginalie zur »Fabula de iudicio Paridis stolido«: De vita triplici pene iuvenis Allegorice tractatum metricum lusi in Gymnasio Ingolstadiensi in maxima spectatorum caterva quem domino Georgio Sintzenhofer Doctori Canonico / et Decano Ecclesiae Ratisponensis dicavi: ex quo adolescentes versiculos non illepidos decerpere possunt (G3r). (Den Traktat über den allegorischen dreifachen Weg habe ich, in Verse gefasst, fast noch als Jugendlicher an der Universität Ingolstadt aufgeführt, vor einer riesigen Zahl Zuschauer. Das Werk habe ich Georg von Sintzenhofen, Doktor der Kanonistik und Dekan der Kirche in Regensburg, gewidmet. Hieraus können sich Jugendliche ein paar nicht gerade witzlose Verse herauspicken.)

Mit dem „privaten Rahmen“ ist also nicht die Zahl, sondern der Rang der Zuschauer gemeint. So vermerkt Locher am Ende des Stücks nur: Actum in studio Ingolstadensi. xiii. Calendas Julii Anno domini. M.ccccc.ii. (e4r), ohne (wie sonst) bedeutende Persönlichkeiten im Publikum zu benennen. Jedoch führt er die Schauspieler auf. Dabei springt ins Auge, dass, wenn auch Locher für sein vor dem Landesfürsten präsentiertes »Spectaculum de regibus« eine große Zahl adeliger Studenten hatte auf die Bühne treten lassen (vgl. Kap. 10.4), das »Iudicium Paridis« dieses im Aufwand noch deutlich übertraf. Die Darsteller sind hier weitgehend dieselben wie im ersten Spiel (nur Fuchstein und Kanzler fehlen), aber es kommen noch einige neue Darsteller hinzu: – Thomas Rosenbusch, der in der Rolle Merkurs auftrat, hatte sich am 9. 5. 1500 in Ingolstadt eingeschrieben und sollte 1510 zum Dr. legum promoviert und als Professor angestellt werden. Später findet man ihn in der Landshuter Kanzlei.50 – Sigismund Locher, in den Matrikeln Lochner genannt, gehörte zu Lochers Verwandtschaft in Ulm. Er schrieb sich erst am 16. 7. 1502, also vier Wochen nach der Aufführung, bei der er Ganymed darstellte, in Ingolstadt ein.51 – Hieronymus Schrenk aus München (Minerva) gehörte, nach seinem Beitrag, den er bei der Immatrikulation am 7. 9. 1500 bezahlte, zu schätzen, dem Großbürgertum an.52 – Johannes Schwapach aus Frankfurt, immatrikuliert am 22. 7. 1502,53 also erst nach der Aufführung, bei der er als Juno auftrat, ist verwandt mit – Conrad Schwapach oder Sabacus aus Frankfurt, der die Empfehlung der vita activa sprach. Der am 17. 12. 1492 in Ingolstadt immatrikulierte ______________ 50 51 52 53

Matrikel der LMU, Sp. 280. Ebd., Sp. 294. Ebd., Sp. 282. Ebd., Sp. 294.

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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Schüler und Freund des Konrad Celtis war mittlerweile aus München zurückgekehrt.54 Er sollte 1508 eine Interimsprofessur für Jura in Ingolstadt erhalten und 1518 erneut berufen werden. Ab 1511 war er Prokurator des kaiserlichen Kammergerichts und von 1521–1528 Konsulent der Reichsstadt Nürnberg.55 – Johannes de Adeltzhawsen, Venus, wird in den Matrikeln der Universität als nobilis geführt. Er schrieb sich am 10. 12. 1501 ein.56 – Valentin Eber aus Augsburg, Bacchus, hatte sich am 30. 11. 1501 eingeschrieben und nur einen sehr geringen Beitrag entrichtet.57 – Als pauper wird der Darsteller der vita contemplativa, Andreas Planck aus Rosenheim, am 19. 2. 1498 in den Matrikeln geführt.58 – An der Universität Ingolstadt nicht nachzuweisen sind Johannes Glauberger und Valentin Kufer, die Darsteller der Helena und der vita voluptaria. Die bedeutendste Persönlichkeit unter den Mitwirkenden ist mit Sicherheit der Jurist Konrad Schwapach. Seine Beteiligung weist aus dem inneruniversitären Kreis hinaus und sie war, wie man im Epilog erfährt, keineswegs nur eine schauspielerische: Plausibus argutis philomusi scena benigni Sat strepuit. clarum sensit et alloquium. Conradus pariter meruit sua dona sabacus. Spectacli consors. presidiumque chori (c3v, V. 545–548). (Mit lautem Beifall für den eifrigen Philomusus erklang der Bühnenraum reichlich und er [Locher] erfuhr eindeutige Zustimmung. Gleichermaßen verdiente Konrad Sabacus seine Gaben, der Mitorganisator des Schauspiels, sowie die Chorleitung.)

Offensichtlich war Schwapach an der Regie (eventuell auch der Choreographie und Chorleitung) und an der Organisation der Aufführung beteiligt; ob mit spectaculi consors auch eine Co-Autorschaft gemeint sein könnte, bleibt ungewiss. Man kann allenfalls vermuten, dass eine solche eine ausführlichere Erwähnung seiner Verdienste zur Folge gehabt hätte. Wie aber auch immer seine Beteiligung gedeutet werde, so ist es doch auffällig, dass sich Locher für die Aufführung Hilfe von außen, aus dem Celtis-Freundeskreis, holte. Ein solcher Aufwand weist auf eine sehr wichtige Aufführungssituation hin, eventuell auf einen Besuch Maximilians. Locher fährt hier „schwere Geschütze“ auf, um gegen seine Kritiker, die seit dem »Spectaculum de regibus« laut geworden sind, anzutreten. Trotzig wirkt seine oben bereits zitierte Hoffnung, dass sich das Theaterspiel hier durchsetzen und die barbaries vertreiben werde (V. 549–552). Sein neues Stück ist deshalb kein Neuansatz nach dem mit Neid beantworteten Spiel für den Landesherrn, sondern ______________ 54 55 56 57 58

Ebd., Sp. 221. Celtis, Briefwechsel, S. 323f. Matrikel der LMU, Sp. 291. Ebd., Sp. 291. Ebd., Sp. 264.

274

11.7. Die Aufführung des Iudicium Paridis 1502

eine Fortsetzung und Übertrumpfung desselben. Die Anknüpfung ist nicht nur durch die Überlieferungsgemeinschaft der beiden Spiele im Druck offenbar, sondern bereits dadurch, dass der Philomusus im zweiten Drama die Thematik ‚Türkenkrieg‘ beibehält. In direktem Bezug auf sie stellt er den Lebensweg des humanistischen Gelehrten als den einzig wahren dar: Der Humanist soll, wie bereits in Lochers frühen Briefen aus Bologna und in seinen Freiburger Dramen beschrieben, wie Minerva zum gerechten Krieg auffordern. Eine derartige Distanzierung des kaiserlichen Dichters und Humanisten von seinen Kollegen an der Universität und die Herabstufung der traditionellen Fakultäten gegenüber der Humanistenlektur als der Vertreterin der wahren Gelehrsamkeit musste auf Widerstände in der Universität stoßen. Der Vorwurf des Lasziven war selbstverständlich leichter vorzubringen als der einer politischen Unerwünschtheit. Die Darstellung der Venus auf der Universitätsbühne durch einen jungen Adeligen bot hier Angriffsfläche, noch mehr der Auftritt des Cupido, der V. 359–362 (d4v) erklärt, auch Geistliche und Greise folgten seinem Befehl; angreifbar war auch das in seinen Aussagen zum Teil derbe Zwischenspiel der Bäuerinnen. Die Darsteller dieses Zwischenspiels sind in der Rollenliste nicht genannt, eventuell verbergen sie sich hinter dem anonymen Chor. Das dort angesprochene Thema des alten Liebhabers sollte Locher bald in seinem »Ludicrum drama«, welchem die Aufführung gänzlich untersagt wurde, neu thematisieren, gleichsam als Rache an seinen Kritikern (vgl. Kap. 12.2). Bezeichnend ist sicherlich auch, dass Locher das »Spectaculum de iudicio Paridis« am 5. Februar 1504, bald nach seinem zornigen Weggang von Ingolstadt, in Freiburg, von wo aus er den Streit gegen Zingel mit härteren Bandagen weiterführte, noch einmal aufführen ließ.59 Als Teil des Streits um den Wert der studia humanitatis wurde das »Iudicium« nicht zuletzt auch von Pankraz Schwenter, dem späteren Verfasser einer deutschen Nachdichtung von Sebastian Brants verlorenem Hercules-Spiel,60 verstanden, der es um 1505 zusammen mit Lochers Streitschrift »Comparatio viciosa sterilis mule ad musam« in eine der Verteidigung der Dichtung gewidmete Sammelhandschrift aufnahm.61 Als unwahrscheinlich darf wohl die Vermutung von Irène MAMCZARZ gelten, Lochers »Iudicium Paridis« könnte mit dem Paris-Spiel identisch sein, welches am 19. 2. 1515 im Palazzo Pisani in Venedig aufgeführt wurde.62 Schon sehr ______________ 59 60

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WUTTKE 1964. Apologia Poetarum. Die Schwenter-Handschrift Ms. lat. fol. 335 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin mit den Illustrationen Peter Vischers d. J. Eingel. und komm. v. Franz Josef Worstbrock u. Fedja Anzelewski. Faksimileband. Wiesbaden 1987. Spectaculum de Iudicio Paridis de pomo aureo; de tribus deabus et triplici vita hominum. UB Basel, Cod. C. VI. 42, fol. 90r–107v, eine Abschrift von Jacobus Montanus von 1510, vermerkt auf fol. 107v: Actum in studio Ingolstadiensi 13 Kalendas Julij anno 1502 Et in gymnasio Friburgensi. Nonis februarijs Anno 1504. Vgl. aber HEHLE I (1873), S. 39 und II (1874), S. 10, Anm. 5. Irène MAMCZARZ, Quelques aspects d’interaction dans les théâtres italien, français et polonais des XVIe et XVIIe siècles: drama humaniste, comédie dell’arte, théâtre musical, in: Christian Bec

11. Ein verbotenes Spektakel. Iudicium Paridis (1502)

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viel früher sind in Venedig Aufführungen von Trojanerkrieg- und Parisspielen belegt; so fand z. B. anlässlich des Besuchs von Anna di Foix, der Witwe Karls VIII. und Frau Ludwigs XII., Ende Juli 1502 eine solche Aufführung statt. Italienische Berichte sprechen von einer Inszenierung des kriegerischen Heroentums und verweisen auf die Trojaner-Genealogie Venedigs; französische Berichte dagegen (die an dem Lob Venedigs wenig Interesse hatten), sprechen von derselben Aufführung als von einer Inszenierung der Hochschätzung der Minne im Urteil des Paris;63 dadurch wird deutlich, dass dieses Spiel einen deutlich anderen Charakter gehabt haben muss als Lochers Spiel.

11.8. Rezeption in Polen Blieb dem »Iudicium Paridis« 1502 auch die Aufführung vor fürstlichem Publikum verwehrt, so fand es doch zwanzig Jahre später seinen Weg auf die Bühne des Hochadels. Im Februar 1522 wurde es auf der Krakauer Burg vor König Sigismund aufgeführt, von Studenten der Universität Krakau.64 Dies ist die erste Aufführung eines Humanistendramas in Polen, dessen Text überliefert ist.65 Das erste polnischsprachige Drama dieser Art ist eine Nachdichtung des »Iudicium Paridis« von 1542.66 Die bildungspolitische Dimension des Stücks scheint 1522 in Polen weniger zu interessieren. Von Interesse war hier in erster Linie die außen______________ 63 64

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u. Irène Mamczarz (Hrsg.), Le théâtre italien et l’Europe, XVe–XVIIe siècles. Paris 1983, S. 171– 217, S. 176. GUARINO, S. 128–132. Laut einer Notiz des Schatzmeisters Sigismunds I. wurden bereits 1515 deutsche Studenten für eine Aufführung einer deutschen Komödie bezahlt, von der allerdings weder der Titel noch Einzelheiten bekannt sind. Vgl. Dietger LANGER, Grundzüge der polnischen Literaturgeschichte. Darmstadt 1977, S. 28. Im Jahr 1516 wurde in Krakau eine nicht überlieferte »Ulyssis prudentia in adversis« aufgeführt [MAMCZARZ, S. 176]. Zur Stellung des »Iudicium Paridis« in der polnischen Literaturgeschichte vgl. Dramat Staropolski od PoczĊtków do powstania sceny narodowej. Bibliografia, Bd. 1. Breslau u.a. 1965, S. 217f. Zur jüngsten Aufführung des »Iudicium Paridis« durch Studenten der Jagellonischen Universität und der Musikakademie Krakau beim Int. Festival Cracovia Danza im August 2003 vgl. Bulletin Kultur 33 (229), 18. 8. 2003, http://www.msz.gov.pl/file_libraries/42/7987/Ars0818n.doc. Zu ihrer Wertung vgl. u. a.: Julian KRZYŮANOWSKI, A History of Polish Literature. Warschau 1978, S. 91; Czesâaw MIáOSZ, Geschichte der polnischen Literatur. Köln 1981, S. 88. Laut MAMCZARZ, S. 178–181, wird Paris in diesem Spiel zum Gegner des scholastischen Aristotelismus stilisiert, eine Interpretation, die Lochers Intentionen (vielleicht auch absichtlich) verkennt. Jan Kochanowskis nur wenig jüngeres Trojanerdrama »Die Abfertigung der griechischen Gesandten« von 1548, eine bei ihrer Aufführung am Krakauer Hof angeblich sehr erfolgreiche Werbung für einen Russlandkrieg, geht in der Textgestalt nicht auf Locher zurück, könnte aber durch das »Iudicium Paridis« und dessen politische Deutungsmöglichkeit angeregt sein. Übers. in: Polnische Renaissance. Ein literarisches Lesebuch von Wacâaw Walecki. Frankfurt a. M. 1996, S. 285ff. Zur Aufführung vgl. T. HUDSON-WILLIAMS, Latin in Early Poland and an Attic Drama of the Renaissance Period. Greece and Rome 22 (1953), S. 85–87. Zu den historischen Hintergründen vgl. RHODE, S. 165.

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11.8. Rezeption in Polen

politische Seite. Stanislaus Lovicz, der die Aufführung von Lochers Drama in Krakau leitete, hat dem Druck eine Widmung mitgegeben, die den Anlass der Aufführung erhellt.67 Widmungsträger ist Nikolaus Wolski, Kavalleriegeneral und magister curiae, Berater der Königin Bona. Lovicz beginnt sein Lob Wolskis mit dem Hinweis darauf, dass viele ihre Jugend faul vertrödeln – wie, so mag man mit Kenntnis des Stücks ergänzen, die Anhänger der Venus. Im Gegensatz dazu habe Wolski sein Vaterland als Junge verlassen, um große Mühen auf sich zu nehmen und um erfahren und mit Ruhm bedeckt zurückzukehren. Sodann lobt er Wolski als ehemaligen Studenten der Krakauer Artistenfakultät, sein ingenium und (wieder!) seine Unermüdlichkeit, die ihn schließlich in ein aktives Leben trieb, den Militärdienst. Einige Zeit diente er Vladislav II. von Böhmen und Ungarn, bis er auf einer leid- und gefahrvollen Pilgerfahrt zum Heiligen Grab vorläufig Abschied vom militärischen Leben nahm und der Kurie in Rom beitrat. Doch der Krieg Sigismunds mit Moskau zwang ihn, erneut zu kämpfen und die Annehmlichkeiten des Lebens in Rom hinter sich zu lassen. Er führte einen Kampf, der dem Trojanischen Krieg gleichkam: Senserunt Moscbi pectoris tui robur: quo turbine ferrum more troiano Enee rotares! (A1r). Er habe den Sieg heldenhaft herbeigeführt, wofür er neben anderen Auszeichnungen zum Obersten der Polnischen Kurie ernannt wurde. Unter Wolskis Wappen und ihm zu Ehren sollte Lochers Text erscheinen. Studenten der Krakauer Artistenfakultät hätten vorgeschlagen, das Spiel (und nicht den üblichen Plautus oder Terenz) ihm zu Ehren aufzuführen. Studenten aus Krakau sollten es sein, da er eben hier die Studien der Minerva begonnen habe. Die Widmung ist auf den 31. 1. 1522 datiert, die Aufführung fand im Krakauer Schloss im Februar 1522 statt, also wurde das gedruckte Werk vermutlich bei der Aufführung überreicht. Der Anlass der Aufführung ist offensichtlich die Einsetzung Wolskis als magister curiae, und der erwähnte Krieg ist der vierte LitauischMoskauer Krieg (1512–1522), der von Polen-Litauen als Angriffskrieg begonnen worden war, mit dem Ziel, 1496 an Moskau verlorene Smolensk zurückzuerobern. Nach harten Kämpfen konnte im September 1522 ein Waffenstillstand erreicht werden (der Sigismund nicht den erhofften Erfolg brachte,68 doch das war in diesem Moment noch nicht abzusehen). Zur Zeit der Aufführung steht Polen inmitten eines gerechten Angriffskrieg gegen den räuberischen Feind im Osten und feiert einen erfolgreichen Feldherrn, der in idealer Weise die vita contemplativa mit der vita activa verbindet. Das Verhältnis zwischen der vita Minervae und der vita Iunonis ist dabei gegenüber Locher verschoben: Das Studium erscheint als die Voraussetzung für eine königstreue vita activa im Amt eines Feldherrn. ______________ 67

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Jacob Locher, Iudicium Paridis de pomo aureo inter tres deas, Palladem, Iunonem, Venerem, de triplici hominum vita, contemplativa, activa, ac voluptativa. Krakau: Florian Ungler, 1522 (Exemplar Bibl. Jagiell., Krakau), A1v. Vgl. dazu zusammenfassend: Gotthold RHODE, Geschichte Polens. Ein Überblick. Darmstadt 1980, S. 186–188.

12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater Nicht allzu lange nach der Aufführung des umstrittenen »Iudicium Paridis« hatte sich der Konflikt in Ingolstadt so weit zugespitzt, dass Locher, als sich ihm die Möglichkeit bot, an seine alte Universität zurückzukehren, dieses Angebot annahm. Am 4. Juni 1503 lässt er sich noch in Ingolstadt nachweisen,1 ab dem 23. 6. 1503 ist er dann in Freiburg als Lektor für Poesie angestellt, für die Dauer von drei bis fünf Jahren.2 Im September veranlasste Zingel wegen einer ausstehenden Schuld die Beschlagnahmung von Lochers Besitztümern, die er bei Hieronymus von Croaria deponiert hatte.3

12.1. Die Abrechnung mit Georg Zingel Seinen Amtsantritt in Freiburg scheint der Philomusus mit einer Theateraufführung gefeiert haben. In der wohl Ende Juli entstandenen »Apologia contra poetarum acerrimum Hostem Georgium Zingel«,4 in welcher er mit seinem langjährigen Gegner, vor dem er hatte weichen müssen, abrechnet, stilisiert er diese Aufführung zu einem Protestakt gegen die Kritik, welche er für derlei spectacula in Ingolstadt erhalten hat: quid tu socratice fossor? ex nostris declamationibus: ex spectaculis: ac publicis dramatibus carpere potuisti? quid improbum? quid illicitum? quid denique sine decore / honestoque visorio exhibebatur? Numquid mille scalis te sanctiores / doctiores / et venerabiliores: non sunt veriti industriam nostram spectasse. et nuper in Friburgensi gymnasio celebratissimo: ubi humanitatis studia profitemur: nostram regiam actio-

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HEHLE II (1874), S. 8. Die veneris in vigilia Iohannis ... receptus fuit pariter Philomusus in universitate ad lecturam in poësi ad triennium seu quinquennium iuxta et secundum quod comperietur ei scriptum fuisse per sindicum. Senatsakten. Universitätsarchiv Freiburg, A 10/1, Fiche 5, S. 400. Zit. in: HEHLE II (1874), S. 8, Anm. 20. BAUCH 1901, S. 72, sieht hierin den „ersten Grund“ für den Streit. Dabei verkennt er allerdings die Chronologie der Geschehnisse. Die Beschlagnahmung der Güter ist als eine Reaktion Zingels auf das Erscheinen der »Apologia« und vermutlich auch des »Ludicrum drama« Lochers zu werten. Die Tatsache, dass Locher bei Zingel finanzielle Schulden hatte, dürfte aber sein Verhältnis zu dem vermutlich gestrengen Gläubiger weiter belastet haben und für manche negative Darstellung von Geizigen/Anhängern der Iuno (statt der Minerva) in Lochers Werken verantwortlich sein. Apologia contra poetarum acerrimum Hostem Georgium Zingel Theologum Ingolstadiensem Xynochylensem. o. O. [Basel/Straßburg?], o. D. [1503] (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E113).

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

nem / haud quoque indignam notatu / vel penitendam: totus ordo scholasticus: omnes doctores: comites / barones: et nobiles cum magistris et religiosis lubentissime spectarunt: plausum fecerunt: et actoris diligentiam / honesto premio compensarunt. Sed tibi: qui totus vitiosus es hec sancta dramata displicent! ubi libido: avaritia / fraudulentia / iracundia / superbia / livor / invidia / et reliqua scelerum fex texatur. scates enim tu intercutibus vitiis et sudant tibi tacita precordia culpa (B1v). (Was hast du sokratischer5 Totengräber aus meinen Vorträgen, meinen Theaterstücken und öffentlichen Aufführungen hervorzerren können? Was findet sich an ihnen Unanständiges, Unerlaubtes, was schließlich Schmuckloses und unehrenhaft sich Darbietendes? Tausendfach Heiligere, Gebildetere und Ehrenwertere als du haben sich nämlich nicht gescheut, mein Werk zu betrachten; und neulich, in der vortrefflichen Freiburger Universität, wo ich die studia humanitatis lehre, hat die ganze Studentenschaft und haben alle Doktoren, Amtsträger, Barone und Adelige, außerdem Magister und Geistliche mit größtem Vergnügen mein königliches Spiel angeschaut, das für sie keineswegs unwürdig oder tadelnswert war; sie haben Applaus gespendet und die schauspielerische Mühe mit einer ansehlichen Belohnung quittiert. Aber dir, der du gänzlich lasterhaft bist, missfallen diese erhabenen Theaterspiele; wo denn soll da von Lust, Habgier, Betrügerei, Zorn, Stolz, Missgunst, Neid und dem restliche Bodensatz an Verbrechen die Rede sein? Du selber quillst nämlich über von innerlichen Lastern, und dein Inneres schwitzt unter der geheim gehaltenen Schuld.)

Welches Spiel er aufführen ließ, erklärt Locher nicht. Auch wenn eine Aufführung des »Iudicium Paridis« in Freiburg erst im Februar 1504 bezeugt ist, liegt dennoch die Vermutung nahe, dass es sich bei dem „königlichen Spiel“ ebenfalls um das wohl ursprünglich für einen höfischen Kontext verfasste Paris-Urteil gehandelt hat, welches ja gerade auf die Kritik der Ingolstädter Zensoren gestoßen war. In keiner anderen der von Locher überlieferten Tragödien findet sich eine so offene Darstellung verschiedener Laster. Die Bezeichnung drama sanctum wäre gerade bei einem mythologischen Spiel eine provokante Formulierung, welche Locher in seiner Berufung auf Fulgentius sanktioniert sehen könnte. Wenn er erklärt, die Darstellung der Laster habe Zingel deshalb missfallen, weil sie ihn selbst treffe, bestätigt dies dann auch die obige Interpretation des »Iudicium Paridis« und v. a. der Figur der Discordia als eines Abbilds des Unruhestifters Zingel. In der »Apologia« vergleicht der Philomusus seinen Gegner wiederum mit Discordia, die alle Fakultäten beleidigt habe: quid discordiarum genera commemoro? sciunt iurisconsulti doctissimi iniuriam: qua sunt in publico sano: In altis cathedris per lymphaticum Occamistam6 lacessiti: Sciunt optimi theologi: quam temere: quam futili-|ter arroganterque / nunc Schotus: nunc Thomas: nunc Egidius: de priscis taceo doctoribus: nunc reliqua neotericorum cohors per os foetidum sit reprehensa. Sciunt pariter medici humane nature exploratores: quorum nomina libens pretereo: quot convitiis: quot obtrectationibus blacterantis senis / lacerati sint. O turpem audaciam! o epatariam ebullitionem! sepenumero poe-

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Dieser Ausdruck bezieht sich offensichtlich auf die Anklagen, die in Athen gegen Sokrates erhoben wurden: dass er die Jugend verführe und die göttliche und staatliche Ordnung störe. Occaminstam ] Occanistam.

12.1. Die Abrechnung mit Georg Zingel

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tas vanissimos: phylosophos venenosos: iureconsultos rabulas: et legum venditores: medicos sicarios adpellavit per contumaciam (A2r–v). (Wozu erinnere ich an die verschiedenen Arten der Zwietracht? Die hoch gelehrten Juristen kennen das Unrecht, durch welches sie in aller Öffentlichkeit und vom hohen Katheder herab durch den wahnsinnigen Ockhamisten verletzt worden sind; die ehrenwerten Theologen wissen, wie grundlos, wie nichtsnutzig, wie arrogant bald Scotus, bald Thomas, bald Aegidius Romanus – ich schweige über die frühen Kirchenlehrer –, bald die restliche Schar der neueren Autoren von dem stinkenden Maul getadelt worden sind. Es wissen ebenso die Mediziner, die Erforscher der menschlichen Natur, deren Namen ich gerne verschweige, durch wie viele Strafpredigten, durch wie viele Anfeindungen des lallenden Alten sie verunglimpft worden sind. Oh, schmähliche Frechheit! O giftiger Ausfluss! Oft hat er aus Widerspruchsgeist die Dichter als ganz und gar eitel, die Philosophen als giftig, die Juristen als Zungendrescher und Rechtsverkäufer, die Mediziner als Meuchelmörder bezeichnet.)

Passend zu dem hier gezeichneten Bild des Verleumders und Unruhestifters (weiter unten spekuliert Locher sogar über eine teuflische Abstammung Zingels, A3v) ist auch der Titelholzschnitt der »Apologia« gehalten: Er zeigt einen Reiter, der nicht etwa wie Janus zwei verschiedene Gesichter hat, sondern drei: ein Medusenhaupt mit Schlangenhaar, einen Schweine- und einen Hundekopf. In seinen Händen hält er nicht etwa wie Dialectica eine Geißel und eine Blüte, sondern in der Rechten eine Geißel mit Schlangenköpfen, in der Linken den in einen Drachenkopf endenden Schweif seines Pferdes. Dieser programmatisch Schlechte hat schließlich seinem Pferd spitzschnabelige Trippen angeschnallt, Holzsandalen, wie man sie zum Schutz gegen extremen Straßenschmutz trug:7 ein Zeichen dafür, dass er durch Schlamm watet. Wiederholt deutet Locher im Text seine Illustration, und auch hier ist immer wieder von Discordia die Rede, wie im folgenden Zitat, in welchem er ausführt, dass Zingel more Cadmi Drachenzähne säe: hoc enim discordias clam / palamque inter tranquillos et pacificos concitat. vel forte palingenesia pytagorica in zingel representatur: qui ad omnem maliciam perficiendam / sine intermissione in leonem: vulpem: serpentem: et reliquas dolosas bestias mutatur … experto credite philomuso. cui osculum ex altera bucca cum semel traderet: ex altera virus et toxicum nocentissimum infudit. plautinum senem imitator: qui altera manu lapidem tenebat: altera panem offerebat (A4r). (Auf diese Weise nämlich wirft er heimlich und offen Zwistigkeiten zwischen die Ruhigen und Friedlichen. Vielleicht stellt Zingel auch eine pythagoreische Wiedergeburt dar – er, der sich, um jedes Übel zu vervollkommnen, ohne Zwischenstufe in einen Löwen, einen Wolf, eine Schlange oder die anderen garstigen Bestien verwandelt … Glaubt dem erfahrenen Philomusus, dem er, während er ihm auf die eine Wange einen Kuss gab, auf der anderen Gift und übelsten Schadstoff reichte. Er gleicht dem Alten bei Plautus, der in einer Hand einen Stein hielt, in der anderen ein Brot anbot.)

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Abbildungen dieser Schuhe finden sich z. B. in: Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung. Hrsg. v. Wilhelm Treue u.a. München 1965, Bd. I, S. 93 u. 164; Kommentare dazu in Bd. II, S. 122 u. 135.

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

Jacob Locher, Apologia contra poetarum acerrimum hostem. o. O.: o. Dr., 1503, A1r.

12.1. Die Abrechnung mit Georg Zingel

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Wenn auch die wandelbare Bestie dem mehrköpfigen Ungetüm des Titelholzschnitts entspricht, so weicht Locher doch in der Deutung dessen, was der Alte in der Hand hält, von seiner Illustration ab: Während das Ungetüm des Bildes Geißel und Drachenkopf ergriffen hat, beschreibt Locher hier den Alten als einen, der in der einen Hand Gutes, in der anderen Böses anbiete, entsprechend der traditionellen Darstellung der personifizierten Dialektik (die den Humanisten als Inbegriff der alten, scholastischen Wissenschaft galt). Der Verweis allerdings auf Plautus erstaunt; gemeint ist wohl der alte Demaenetus in der »Asinaria«, einer Komödie, über welcher Locher etwa zur selben Zeit saß. Demaenetus verspricht seinem Sohn, ihm zu seiner Geliebten, der Hure Philaenium, zu verhelfen, wenn er ihm eine Nacht mit ihr gewähre. In seinem nach plautinischem Vorbild verfassten »Ludicrum drama« (Kap. 12.2) sollte Locher später noch einmal auf die Parallele zwischen Zingel und Demaenetus eingehen; im gegebenen Kontext nun steht der plautinische Alte für den Inbegriff des falschen Freundes. Locher wirft Zingel vor, dass er, trotz anfänglicher Freundschaft, ihn und die Dichter allgemein nicht nur verachte, als Lügner und Heiden verurteile, den Senat der Universität und die Öffentlichkeit gegen ihn aufbringe, sondern sogar schon 66 Verbrecher gedungen habe, die den Dichter bewaffnet überfallen sollten (A4r). Außerdem betont er noch einmal, der Alte habe ihn vor dem Herzog verleumdet (A4v). Locher lässt keinen Zweifel daran, dass Zingel nicht nur an seinem Weggang aus Ingolstadt Schuld trage: Tu causa fuisti: qui moestus liqui meum gratiosissimum principem: doctum gymnasium: doctores humanissimos: et dulces sodales (B2r), sondern auch daran, dass Dichter und Mathematiker (eine Zusammenstellung, dem Celtis-Kreis entspricht) wie Johannes Stabius die Universität verlassen haben (A4v), ja, dass die Universität keinen ihr entsprechenden Standard mehr erreichen könne. Er warnt Herzog Georg: non est possibile: ut tuum gymnasium capiat incrementum: dum zingel regnat: et tuum patrimonium ex arbitrio dispensat. audio quotidie apud exteros vocem dicentem: vivit ne adhuc Zingel! vivit ne adhuc zingel! quis tuto migrabit ad ingolstadium: ubi sathanas mitratus dominatur (A4v). (Es ist nicht möglich, dass deine Universität wächst, solange Zingel regiert und dein Stiftungsvermögen nach seinem Ermessen verteilt. Täglich höre ich eine Stimme von außen sagen: „Lebt denn dieser Zingel immer noch? Lebt denn dieser Zingel immer noch? Wer zieht schon sicher nach Ingolstadt, wo der Satan mit der Mitra herrscht?“)

Dass ein solch polemischer Angriff auf seinen Gegner nicht kritiklos angenommen werden würde, war Locher selbstverständlich bewusst. Im Begleitbrief an die Zensur erklärt er daher, er habe sich zuvor ab omnium bene litteratorum consortio der Statthaftigkeit seiner etwas härteren Ausdrucksweise versichert (A2r), und in den ersten Zeilen der »Apologia« selbst bittet er zusätzlich seinen Landesherrn um Verständnis (A2v). Als Nachweis für die Angemessenheit seiner Reaktion beruft er sich außerdem auf Aristophanes, der in den »Wolken« ähnlich scharf gegen Sokrates als einen Verderber der Jugend angehe:

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

Si viveret Aristophanes6 comoedie Archee haud ignobilis conditor: non tantum comoediam cui nomen est QHMHODL contra cybeleium myscam: ac socraticum emulatorem conscriberet: immo potius totas Averni nebulas: orci tenebras: omnemque atri plutonis caliginem in illunce nebulonem coniiceret (A2r). (Wenn Aristophanes, der nicht gerade unberühmte Schöpfer der alten Komödie, noch lebte, würde er nicht nur die Komödie, die den Titel »Wolken« trägt, gegen das kybelische Mischwesen und den Nacheiferer des Sokrates schreiben, vielmehr würde er alle Nebel des Avernus, alle Schatten des Orkus und den ganzen Dunst der Höhle Plutos auf diese finstere Gestalt zusammenballen.)

Lochers Worte dürfen wohl entweder als die Rechtfertigung oder aber als die Ankündigung einer Komödie verstanden werden, in welcher er Georg Zingel als den Verderber der Jugend diffamiert: des »Ludicrum drama plautino more fictum de sene amatore«.

12.2. Ludicrum drama de sene amatore (um 1503/05) Der Poet des Königs als Komödiendichter Etwa zur gleichen Zeit wie die »Apologia« ist – ohne Angabe von Datum und Druckort, eventuell in Basel, wie vielleicht auch diese8 – Lochers erste und einzige Komödie erschienen. Dem Text beigegeben ist ein Widmungsschreiben Lochers an M.S. Sulgensis, den HEHLE als Matthias Hölderlin aus Saulgau identifiziert hat, einen Freund Sebastian Brants, der nach 1498 der Dekan der Artistenfakultät der Universität Basel war.9 Die Forschung ist sich in der Grobdatierung zwischen 150310 und 150511 weitgehend einig.12 Damit bleibt aber offen, ob das Werk noch vor Lochers Weggang aus Ingolstadt und d. h. vor der »Apologia« oder danach, evtl. erst nach dem Tod Georgs von Bayern im Dezember 1503 oder gar erst nach dem Ausbruch des Landshuter Erbfolgekriegs im April 1504, entstanden ist. Die Idee, eine Komödie gegen den persönlichen Gegner zu richten, ist jedenfalls in der »Apologia« bereits ausgedrückt. Hans-Peter SCHÖNBECKs Argument für eine Frühdatierung, dass nämlich die Komödie „nicht die Spur einer polemischen Replik“ erkennen lasse,13 kann allerdings wenig überzeugen; beide Werke sind aus dem gleichen Geist heraus geschrieben, nur gattungsbedingt unterschiedlich. ______________ 8 9

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PFANNKUCH, S. 59–63. HEHLE II (1874), S. 13 u. Anm. 19; PFANNKUCH, S. 81; SCHÖNBECK, S. 350, Anm. 4. Zur Identifikation von Sulgen mit dem schwäbischen Saulgau statt Sulgen/Thurgau wie in der älteren Literatur vgl. Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 148, S. 443, Anm. 3; HEIDLOFF, S. 71. HEIDLOFF, S. 67. SCHÖNBECK, S. 350. BRADNER 1943 geht noch von einer Datierung um 1515 aus. Ebd., S. 354.

12.2. Ludicrum drama de sene amatore (um 1503/05)

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Die neue Genrewahl ist für Locher insofern erstaunlich, als er zwar bereits in der Straßburger Terenz-Ausgabe die Komödie als ein Mittel der sprachlichen und moralischen Erziehung der Jugend gepriesen, seine Aufgabe als poeta laureatus aber eher mit der politisch relevanten, mit staatlichen Dingen befassten Tragödie in Verbindung gebracht hatte. In einer Situation aber, in welcher der Dichtung und der humanistischen Bildung ebenso wie Lochers Person heftige Kritik entgegenschlägt, muss es das erste Anliegen des gekrönten Dichters sein, die Dichtung zu verteidigen und die Vorwürfe zu widerlegen, die ihm die Existenzgrundlage entziehen wollen. Wie sollte ein Dichter die Sache des Königs vertreten können, wenn seine eigene Position derartigen Angegriffen ausgesetzt ist? Wenn er sich in der »Apologia« auf die »Wolken« des Aristophanes beruft, bezieht sich Locher auf eine antike Komödie, in welcher die Frage nach der rechten Bildung bissig diskutiert wird. Nicht aber bis in die griechische Antike musste man zu Lochers Zeit zurückgreifen, um Beispiele für eine Verarbeitung solcher Stoffe auf der Bühne zu finden. Bildungswerbung hatte bereits Heinrich Bebel in seiner »Comoedia« betrieben (vgl. Kap. 8.5); in einem Theaterstück heftig gegen seinen persönlichen Gegner und gleichzeitig gegen Feinde der Poesie angegangen war bereits Johannes Reuchlin in seiner Komödie »Sergius« (vgl. Kap. 8.2), die 1504 endlich gedruckt wurde. Die Gattung ‚Komödie‘, deren sich Lochers Dichterkollegen bereits bedient hatten, bot, wie oben deutlich geworden ist, eine weite Bandbreite an inhaltlichen und formalen Ausgestaltungsmöglichkeiten; Locher nennt dennoch sein Werk nicht eine comedia; er ist hier mit dem Gattungsbegriff ähnlich vorsichtig wie bei seiner »Historia de Rege Frantie«, welche er zwar als „der antiken Tragödie nachgebildet“, aber nicht als „Tragödie“ bezeichnet (vgl. Kap. 5). Wie dort will er hier offensichtlich eine neue dramatische Form schaffen. Er spricht von einem ludicrum drama (auch Reuchlin bezeichnet seinen »Sergius« als ludicrum), von einer res comica und einem spectabile drama mit positivem Ausgang (a2r). Diese Vorsicht gegenüber dem Gattungsbegriff ist durchaus gerechtfertigt: Das »Ludicrum drama« ist in Prosa verfasst und besteht nur aus einer einzigen, handlungsarmen Dialogszene, bei der alle Figuren (die klassische Dreizahl ist allerdings eingehalten) gleichzeitig auf der Bühne sind und fest an einem Ort bleiben.14 Trotz dieser bewussten Abweichung von der klassischen Gattungsnorm beruft sich Locher aber (wie in der »Historia«) auf ein klassisches Vorbild: nicht auf den griechischen Aristophanes, der ihm die Rechtfertigung für sein Unternehmen liefert, sondern auf Plautus, und das programmatisch im Titel. In seinem Vorwort zur Straßburger Terenz-Ausgabe von 1499 hatte er bereits Plautus für seine lebhafte Sprache gelobt (vgl. Kap. 7). Wenngleich Plautus unter Kritikern gerade wegen dieser größeren Lebhaftigkeit als der obszönere und moralisch schwerer ______________ 14

Dies ist Lochers Komödie auch wiederholt vorgeworfen worden, vgl. PFANNKUCH, S. 98.

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

zu rechtfertigende der römischen Komödiendichter galt15 (wodurch diese Vorlagenwahl durchaus provokativ wirken konnte), stand Locher mit seiner Wertschätzung des Plautus keineswegs allein: Laurentius Corvinus und Konrad Celtis hatten, wie erwähnt, 1502 bzw. 1503 die »Aulularia« aufgeführt (vgl. Kap. 8.4.1). Jakob Wimpheling, mit dem Locher nach seiner Rückkehr nach Freiburg zunächst eine enge Freundschaft verband und dessen pädagogische Überlegungen, wie er sie in seiner »Adolescentia« äußern sollte, Locher nachdrücklich und wiederum unter Berufung auf Plautus unterstützte,16 hatte sich bereits 1497 an einer plautinischen Komödie versucht und lobte die Komödien »Aulularia« und »Captivi« besonders (vgl. Kap. 8.1.3). Wimpheling verglich schließlich auch Reuchlins »Henno« mit den besten Plautuskomödien (vgl. Kap. 8.2.2). Locher entscheidet sich allerdings für eine ganz andere Art der PlautusNachahmung als Reuchlin. Die Anlehnung ist zum einen eine sprachliche und stilistische, wie SCHÖNBECK nachgewiesen hat.17 Zum anderen ist das »Ludicrum drama« eine Fortsetzung einer Plautus-Komödie, und zwar nicht der allgemein beliebten (und moralisch eher sanktionierten) »Aulularia«, sondern der »Asinaria«,18 auf welche der Philomusus auch in seiner »Apologia« anspielt, wobei er seinen Gegner Zingel mit dem Alten in der Komödie vergleicht. Locher erwartet von seinem Publikum, dass es die Verbindung zur »Asinaria« erkenne, obwohl er die Figurennamen abgeändert hat, d. h. das »Ludicrum drama« richtet sich an gelehrte Rezipienten, welche die klassischen Komödien nicht nur kennen, sondern gut kennen, und das bedeutet im aktuellen Streit um die humanistische Bildung und antike Dichtung, dass sich Locher an Gleichgesinnte wendet. Während die Vorlage damit endet, dass Artemona ihren Mann Demaenetus und ihren Sohn Argyrippus in flagranti bei der Hure Philaenium ertappt, den Alten unter Vorwürfen nach Hause schleppt und es der Phantasie des Publikums überlassen bleibt, wie es ihm dort ergehe – allein durch Applaus, und das heißt durch ein Aufbrechen der Theaterillusion, könne man ihm noch helfen (Nunc si uoltis deprecari huic seni ne uapulet, / Remur impetrari posse, [si] plausum si clarum datis, 944f.)19 –, liefert Locher nun die bei Plautus ausgesparte Schlussszene nach, in Form eines Streitgesprächs zwischen dem alten Gerontius und der zornmütigen Eriphila. Nur das literarische Wissen des Zuschauers oder Lesers ergänzt die Einzelszene zu einer vollständigen Komödie. Die dem Dialog vorausgehende ______________ 15 16

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Vgl. REINHARTSTOETTNER, S. 23; BARON, S. 93. Carmen Philomusi ex Plautino dicterio in Bacchidibus translatum …, in: Adolescentia Jacobi wimphelingii cum nouis quibusdam additionibus. Straßburg: Johannes Knoblauch, 1505, fol. 75ab, vgl. HEIDLOFF, S. 72. ROLOFF 1959, S. 649; SCHÖNBECK, S. 357. REINHARTSTÖTTNER, S. 229ff., Otto GÜNTHER, Plautuserneuerungen in der deutschen Literatur des 15.–17. Jahrhunderts und ihre Verfasser. Diss. Leipzig 1886, S. 21–24; BARON, S. 97. Plautus, Asinaria, in: Plaute. Hrsg. u. ins Frz. übers. v. Alfred Ernout, Bd. I. Paris 1989, S. 77– 139.

12.2. Ludicrum drama de sene amatore (um 1503/05)

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Szene im Hurenhaus, welche das literarische Vorwissen des Lesers oder Zuschauers nachliefert, erregt mehr moralischen Anstoß als der Dialog Lochers selbst. SCHÖNBECK sieht hierin mit Recht einen geschickten Schachzug des Philomusus gegen seine Kritiker, denn das Obszöne, welches sie bemängeln können, liegt allein in ihrer Phantasie,20 noch mehr: in ihrer guten Kenntnis der angeblich verwerflichen Werke des Plautus. Durch diese Technik der Einbeziehung des Vorwissens des gelehrten Publikums erhält Lochers Spiel den Charakter eines humanistischen Programmwerks. Dies bestätigt sich auch inhaltlich. Anders als bei Plautus und eher wie bei Aristophanes oder in Bebels »Comoedia« oder Wimphelings »Stylpho« stehen in Lochers »Ludicrum drama plautino more fictum de sene amatore, filio corrupto et dotata muliere« die Frage nach der rechten Erziehung Jugendlicher und die Bildungswerbung im Zentrum. Um den filius corruptus, der im Titel zwar genannt ist, im Stück aber nicht auftritt, dreht sich in erster Linie das Streitgespräch zwischen der wütenden Eriphila und ihrem Mann. Anknüpfungspunkt hierfür ist »Asinaria«, 932: Istoscine patrem aequum est mores liberis largirier? Der Tadel am lüsternen Alten – laut PFANNKUCH21 das einzige Thema der Komödie – lässt sich von diesem Thema schwerlich trennen, denn die Schmach des Gerontius ist weniger in seiner Untreue begründet als in seinem Versagen in der rechten Vaterrolle: Hoccine est officium patris? heccine pietas? hiccine sunt mores? quos unico gnato nostro tradis. O turpem patrem! turpiorem filium! qui se ab sene delyro seduci perpetitur. Officium parentis / ut ethici philosophantes tradunt. Gnatum ingenuum bonis artibus: liberalibusque disciplinis erudire: sanis moribus instituere: ad virtutis munera / ac maiorum illustria facta cohortari: ad sapientie professores ducere: ad templa / atque deorum sacrifitia (a2v, Z. 30–36). (Ist das die Aufgabe des Vaters? Ist das ein pflichtgemäßes Verhalten? Sind das die Sitten, die du unserem einzigen Sohn beibringst? Oh, verdorbener Vater! Noch übler verdorbener Sohn, der sich von einem irren Alten verführen lässt! Die Pflicht des Vaters, wie es die Moralphilosophen darlegen, ist es, einen frei geborenen Sohn in guten Künsten und freien Disziplinen auszubilden, in solide Sitten einzuführen, zu den Leistungen der Tugend und zu [der Nachahmung von] den ruhmreichen Taten der Vorfahren anzuspornen, ihn zu Lehrern der Weisheit und in die Gotteshäuser, zu Gottesdiensten, zu führen.)

In den Worten der wütenden Frau stellt Locher sein – das humanistische – Erziehungsprogramm vor: eine Erziehung in den Freien Künsten, moralische Unterweisung, Ermahnung durch illustria facta der Vorfahren, d. h. durch Geschichtsunterricht, ein Studium bei professores sapientiae und die Verehrung Gottes. Gerontius, der seinen Sohn ins Hurenhaus geführt hat, wird einem vorbildlichen Vater nach dem Typus des Vaters in Bebels »Comoedia« gegenübergestellt, der seinen Sohn zum Studium an die Universität geführt und einem humanistischen ______________ 20 21

SCHÖNBECK, S. 360. PFANNKUCH, S. 99.

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

Lehrer überantwortet hat. Diese unmittelbare Konfrontation von Studium der Artes und Hurerei weist nicht nur auf das im »Stylpho« schon angelegte, aber erst in späterer Zeit sehr beliebte Thema des faulen Studenten hin, sie bezieht v. a. auch Stellung zum Vorwurf der Zuchtlosigkeit, der den Artisten und speziell Locher gemacht wurde. Eine Verwechslung von Spiel und Hurerei – ein Thema, welches bereits Grünpeck in seiner »Comedia prima« angesprochen hat – lehnt Locher mit den Worten Eriphilas ab, als Gerontius fragt, ob man nicht schon immer zwischendurch Freuden, Spiele und Scherze erlaubt habe, ja, ob nicht auch die Philosophen gespielt hätten: Hem insipidum senem! neque pre metu mussare: neque scelus suum occultum habere potest. causam nempe suam futilibus / ac anilibus fabulis purgare annititur. queso te ecastor! Est ne simile? cum honestis civibus ludere iocarique / dictis et factis urbanis: elegantibus: ingenio|sis / facetis / et scortari: lustra querere: uxori sue palam et vestes suppilare: corruptele simul et luxui sumptus suppeditare. Tollerabile istuc pol foret! nisi etiam gnatum contaminares. cui opem atque suppetias fers ad turpissimam obscenitatis libidinem saturandam (a2v–3r, Z. 47–53). (Welch törichter Alter! Er kann vor Furcht nicht schweigen, noch kann er sein Verbrechen verborgen halten. Er bemüht sich offenbar, seinen Fall mit unnützem Altweibergeschwätz zu bereinigen. Ich frage dich bei Kastor: Gibt es etwas Vergleichbares: mit ehrenwerten Bürgern zu spielen und zu scherzen in Wort und Tat, in gepflegten, gebildeten, scharfsinnigen Witzen – und Hurerei zu treiben, in Bordelle zu gehen und unverhohlen der Ehefrau Kleider zu stehlen und für Verführungen zugleich und Prassereien die Mittel zu beschaffen? Dies wäre, bei Pollux, noch zu tolerieren, wenn du nicht noch den Sohn verderben würdest, dem du Geld und Unterstützung bringst, damit er die schändlichste Lust auf Obszönes befriedige.)

Nicht ludus und iocus werden hier einander gegenübergestellt, sondern scortari und facete dicere: Bewusst ersetzt Locher hier den offenen Begriff des Scherzes durch den durch Poggio, Heinrich Bebel, Sebastian Brant u. a. als Gattungsbezeichnung etablierten Begriff der Fazetie. Der gebildete lateinischsprachige Prosa-Schwank, der gerade auch obszöne Stoffe verwendet, sie aber in einem Bildungskontext und im gekonnten Spiel mit der Zweideutigkeit der Sprache auffängt, wird mit der verwerflichen, unwürdigen gelebten Obszönität kontrastiert. Wenn Eriphila von einem Kleiderdiebstahl spricht, appelliert sie an dieser Stelle wiederum an das Vorwissen des Publikums, dem dieser Diebstahl aus Plautus’ »Asinaria« vor Augen steht. Ein Rezipient, der gebildet genug ist, um diese Andeutung zu verstehen, wird dann aber auch wie Eriphila den Unterschied zwischen Fazetie und Hurerei kennen und er wird den nur sehr geringen Schritt auf die Metaebene vollziehen. Offensichtlich geht es hier auch um die Rechtfertigung der schwankhaften Prosa-Komödie, die obszöne Stoffe in einen lateinischen Bildungskontext stellt, d. h. um das »Ludicrum drama« selbst. Geradezu ironisch wirkt es, wenn Eriphila die Versuche des Gerontius, sich zu verteidigen,

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die ja ein Teil der vorliegenden Komödie sind, als fabula anilis bezeichnet: Reuchlin nennt seinen »Henno« ludus anilis. Ähnlich wie Reuchlin in seinem »Henno« folgt Locher im »Ludicrum drama« einem Schwankschema: einem Umkehrtyp, in welchem die betrogene Ehefrau sich an ihrem Mann rächt. Wie im »Henno« ist die gerissenste der Figuren der korrupte Diener, der zunächst vorgibt, seinem Herrn zu helfen, dann aber der Herrin in die Hände spielt und schließlich als erfolgreicher Versöhner triumphiert. Der Diener Staphilus ist auch dramaturgisch die interessanteste Figur des kurzen Spiels, und so darf man nicht zuletzt in seiner Figur Hinweise auf den Sinn des Spiels erwarten. Ihm gelingt es, mit jeder der beiden Figuren in den Worten zu reden, die bei dem jeweiligen Gesprächspartner Erfolg versprechen. Er zieht alle Register, tischt gegenüber Gerontius das Klischee von der wetterwendischen, durch Schmeicheleien leicht zu ändernden Frau auf, beschimpft Eriphila als die in den »Proverbia Salomonis« beschriebene böse Ehefrau, packt sie aber dann bei ihrem (weiblichen) Mitleid, indem er behauptet, Gerontius habe vor, sich das Leben zu nehmen – eine freie Interpretation der Aussage seines Herrn, dass ihn das laute, wütende Toben seiner Frau töten könnte (a3r, Z. 69– 72). Er weiß zugleich auch, was das Theaterpublikum von einer Komödie erwartet, und weist auch diesem seine Rolle zu: faxo iam ut manus iungantur: paxque in edibus inter herum et uxorem interveniat: letumque nostris atticis civibus: qui in theatro exitum rei operiuntur: harum turbarum finem exhibeamus (e3v, Z. 97–99). (Ich bringe es schon fertig, dass sie sich die Hände reichen und dass im Haus Frieden einkehrt zwischen dem Herrn und seiner Frau. Unseren attischen Bürgern, die im Theater den Ausgang der Sache abwarten, wollen wir einen glücklichen Ausgang dieser Verwicklungen vorführen.)

Nicht die Bürger Freiburgs oder Ingolstadts spricht er an, sondern die Bürger Athens: Ähnlich wie der Prologsprecher in der »Tragedia« (vgl. Kap. 6.3) entwirft hier Staphilus ein antikes Theater, in welchem die Aufführung erfolge. Weniger aber der Raum wird hier inszeniert als die Aufführungssituation, verbunden mit den Erwartungen des Publikums an die jeweilige Textgattung. Nicht die großzügige Kulturstiftung des Königs wird hier in Szene gesetzt, sondern die Theaterbildung des Publikums, d.h. die bereits etablierte humanistische Bildung und Kultur, für die Locher zu dieser Zeit noch gegen Zingel ringt. So wie er in seinen Türkendramen den Sieg Maximilians vorwegnimmt, so greift er hier seinem Sieg im Gelehrtenstreit vor. Sofern Locher bei Abfassung des Stücks bereits in Freiburg war, wo er (nach seiner eigenen Darstellung) als Dichter Würdigung fand, hatte er guten Grund zu dieser Zuversicht. Während Reuchlins Dromo als Negativgestalt die Fehler der Gesellschaft aufdeckt (und zwar Fehler auf dem Gebiet des Rechtssystems, welches den seines Amts enthobenen Juristen Reuchlin unmittelbar betrifft), weist Staphilus als positiver Held die Fehler dessen nach, der dem Dichter und Poetiklehrer auf

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seinem Gebiet heftige Kritik entgegengebracht und ihn aus seinem Amt vertrieben hat, der aber keinen wirklichen Rückhalt in der Gesellschaft habe. Der Alte, der seinem Sohn nicht zu einer humanistischen Bildung verhilft und der den Unterschied zwischen gelehrter Fazetie und außerliterarischer Obszönität nicht kennt, ist auch sprachlich durch einen Bildungsrückstand gegenüber den anderen beiden Figuren gekennzeichnet. Seine Frau bedient sich griechischer Wendungen (Z. 86, 90) und zieht Exempla aus der griechischen Mythologie heran (Z. 85); Staphilus zitiert die biblischen Proverbien (Z. 92–97) und verwendet medizinische Fachbegriffe (Z. 73f.). Beide suchen einen Schulterschluss mit dem gebildeten Publikum. All dies fehlt in den Reden des Gerontius. Als der gesellschaftlich Höherstehende aber weniger Gebildete, der die Gattungsmechanismen der Komödie und des Schwanks nicht durchschaut, ist er dazu prädestiniert, genarrt zu werden. Der Ehevertrag, welchen Eriphila ihm vorlegt, verkehrt den Alten in einen Pantoffelhelden: Seine staatsbürgerlichen Pflichten soll er vor Sonnenaufgang erledigen, sich dann kompromisslos dem Regiment der Frau unterwerfen, ihr die Wünsche vom Gesicht ablesen, seine ehelichen Pflichten erfüllen und häusliche Dienste verrichten (Z. 123–135). Indem er diesen Vertrag freudig – und, nachdem er „belehrt“ ist, nun sogar mit einer griechischen Wendung (Z. 138) – akzeptiert, wird Gerontius endgültig zu einer lächerlichen Gestalt. In diesem Moment der vollkommenen Entblößung der Dummheit des Alten und der Umkehrung der Hierarchien endet das Spiel mit einem Versöhnungsmahl der Protagonisten, welches der im Fastnachtspiel gebräuchlichen Aufforderung zum Fest entspricht. Auf diesen versöhnlichen, die verkehrte Hierarchie lachend begrüßenden Schluss folgt ein moralisierender Epilog, der den doctilis spectator daran erinnert, dass man die Komödie als einen Spiegel der Sitten bezeichne: Exemplar vite res comica dicitur esse: / Que mores hominum factaque prava notat (a4v, V. 3f.). Wer hier aber eine Verurteilung falscher Lehrer und ein Lob des humanistischen Bildungskonzepts erwartet, wird enttäuscht. Den lüsternen Greis, der das seinem Alter angemessene Verhalten nicht kennt, trifft die gleiche Kritik des Epilogsprechers wie die streitsüchtige Frau. Staphilus lobt er in kurzen Worten als Friedensstifter. Dann aber fordert er die Alten auf, den Jungen ein Vorbild zu sein und – eine Lehre, die sich kaum aus dem Spiel, allenfalls aus Plautus’ »Asinaria«, ziehen lässt – in der Erziehung eine strenge Hand zu zeigen. Georg Precellius, der 1523 Lochers »Ludicrum drama« abgeschrieben und reich kommentiert hat,22 streicht diesen Epilog und erklärt am Anfang des Spiels: Drama ... est quoddam modus dictandi ubi numquam loquitur poeta sed personae solum introductae (47r). Seiner Interpretation, dass der Dichter hier nirgends, und d. h. auch nicht durch den Epilogsprecher, spreche, ist durchaus zuzustimmen. Der Epilog bietet keine ernst zu nehmende Moral, er ist vielmehr die Parodie eines Komö______________ 22

LB Stuttgart, Don. 37, fol. 47r–50r.

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dien-Epilogs oder aber ein für ein gelehrtes Publikum allzu durchsichtiges Deckmäntelchen für die eigentliche Aussage des Spiels. Die abschließende Lehre, Non semper castos facit indulgentia patrum / Filiolos: prodest ruga severa magis (a4v, V. 19f.), kann keine zentrale Aussage des Spiels sein, sie hat aber für den Literaturkenner eine Signalfunktion: Eine sehr ähnliche steht auch am Anfang des sechsten Kapitels von Lochers »Stultifera navis«,23 direkt nach Abschluss von Kapitel 5, De antiquis fatuis: In diesem Kapitel über den alten Narren ist der Typus des Gerontius vorgeprägt. Er will auch in fortgeschrittenem Alter weder vom Laster lassen noch es verbergen, sondern will den jüngeren Generationen ein Vorbild geben: pueris stultorum signa ministro, ... Exemplarque mali sum / duxque et pessimus auctor (fol. 15v). Ja, er bemüht sich, seinen Sohn seine Sitten zu lehren, und freut sich, wenn dieser in seine Fußstapfen tritt: Sed quia non valeo cursum complere vetustum: Haec nato discenda meo: teneroque nepoti: Proponam: fingamque vias ad crimina largas. Hic alacer / fatui patris / vestigia temptet: Et discet prodire gradu genitoris iniquo: Gaudet et ipse parens: natus quod crimine maior: Progressum sceleris superat / numerumque malorum (fol. 15v) (Da ich aber den alten Gang nicht mehr vollenden kann, soll dies mein Sohn und auch der zarte Enkel lernen. Ich werde die breiten Wege zum Verbrechen bildhaft vorführten. Er mag heiter in die Fußstapfen seines törichten Vaters treten und wird lernen, auf dem schiefen Weg des Vaters fortzuschreiten. Der Vater selbst freut sich, dass sein Sohn ein noch größerer Verbrecher ist, der das Ausmaß seines Verbrechens und die Zahl seiner eigenen Übeltaten übertrifft.)

Locher betont gegenüber der Brantschen Vorlage die negative didaktische Wirkung des lasterhaften alten Vaters, der von seinem Sohn übertroffen werde. Er streicht dagegen die im entsprechenden Kapitel des »Narrenschiffs« vorhandene Aussage, Susannen richter zeigten wol / Waß man eim alten triuwen sol (Kap. 5, V. 31f.). Die Immoralität des Alten selbst scheint Locher weniger zu interessieren als die Auswirkung auf den Zögling, obgleich dem Thema der falschen Erziehung ohnehin noch ein zweites Kapitel des »Narrenschiffs« gewidmet ist (Kap. 49, »Stultifera navis«, fol. 57). In ähnlicher Weise geht es Locher auch im »Ludicrum drama« nicht primär um die mangelnde Moralität des Alten; er will vielmehr in ihm ein falsches, dem eigenen entgegengesetztes Erziehungskonzept diffamieren. Bezeichnend ist, dass Gerontius von Eriphila auch die Befähigung zu einem politisch verantwortungsvollen Leben abgesprochen wird: ______________ 23

Indulget quicunque suis ad crimina natis: / sedulus emendat nec puerile nefas: / sentiet is tandem damnum … und: Qui parcit virge odit filium suum qui autem diligit illum instanter erudit. Noli subtrahere a puero disciplinam. Si enim percusseris eum virga: non morietur. Tu virga percutis eum et animam eius ab inferno liberabis. Jacob Locher, Stultifera navis, fol. 16r.

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O infelicem / mobilemque rem publicam! que tuis consiliis gubernanda comittitur: delo insula instabilior erit ... tu qui tam stulta facis: non regis: sed lacessis rei publice statum (a3v, Z. 83–85, 86f.) (Oh, [ich beklage] den unglücklichen, unbeständigen Staat, der in der Regierung deinen Entscheidungen unterworfen ist! Er wird instabiler sein als die Insel Delos ... Du, der du so Unsinniges tust, regierst nicht, sondern greifst den Zustand des Staates an.)

Der Gedanke, dass mangelnde Bildung und eine Ergebenheit an die Affekte (statt an geistige Werte) für den Staat gefährlich werden können, ist im »Iudicium Paridis« an der Gestalt des Paris sehr deutlich demonstriert. Jetzt taucht er in ganz anderem Kontext wieder auf. Hier schadet der falsche Erzieher und Bildungsverächter Gerontius als einer der obersten Ratgeber der Regierung. In der »Apologia« ist gleichfalls von einer schädlichen „Regierung“ Zingels die Rede (A4v), gemeint ist seine Herrschaft über die res publica der Gebildeten in Ingolstadt, d. h. die Universität. Locher nennt diese Leitung der Gelehrtenrepublik in einem Zug mit dem Einfluss seines Gegenspielers beim Herzog. Bildungspolitik und Staatslenkung scheinen hier wie so oft bei Locher nicht scharf voneinander getrennt zu sein. Ein Ratgeber, der seinen Landesherrn bezüglich seiner Universität falsch berät, ist auch politisch schädlich. Die Teufels- und Antichristvergleiche in der »Apologia« zielen mit anderen Worten auf eine vergleichbare Aussage. Nimmt man an, dass das »Ludicrum drama« erst nach dem Ausbruch des Erbfolgekriegs erschienen sei, dann wäre dieser Verbindung von Politik und Bildung eine zusätzliche aktuelle Bedeutung zuzumessen. Das »Ludicrum drama« ist als eine Einzelveröffentlichung von nur vier Blatt Umfang erschienen, wie bereits erwähnt, ohne Orts- und Druckerangabe. Bereits diese äußere Gestalt lässt die „Komödie“ wie eine Flugschrift erscheinen. Diese Textform gibt bereits eine polemische, kämpferische Grundhaltung vor. Der Erzähltypus des Schwanks, welchem Locher in der Handlung folgt – darin mit Sicherheit angeregt durch Reuchlin –, liefert ihm dann typische Negativcharakterisierungen für das Objekt des Verlachens. So wie ihm in seinen frühen Dramen das Tragödienschema dazu diente, den Untergang eines Tyrannen auch gegen die historische Wahrheit plausibel zu machen, so erscheinen im Schema der Schwankkomödie die stereotypen Diffamierungen glaubhaft. Nicht ein Individuum wird hier gezeichnet, sondern ein Typus mit einem größeren Allgemeinheitsanspruch, zu dem eben auch der persönliche Gegner des Autors gehört. Reuchlin zeichnet im »Henno« den skrupellosen Opportunisten und Feind des alten Rechts- und Ordnungssystems; Locher karikiert den verbohrten Gegner der Bildung. Die Rollenzuweisung dieser Figuren in der Komödie ist bei den beiden Dichtern eine jeweils andersartige, was die Aussagen der Stücke entscheidend beeinflusst. In die Position des gerissenen und wegen seiner Klugheit letztlich der Moral enthobenen Schwankhelden setzt Reuchlin den negativen Typus, wodurch die Ohnmacht der Gesellschaft augenfällig wird. Locher dagegen setzt seine Negativfigur in die Position des vom Schwankhelden betrogenen Betrügers; der

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Held dagegen ist eine eindeutige Sympathiefigur. Die Umkehrung der Hierarchie, die den korrupten Diener in die höchste Position hebt, verbreitet bei Reuchlin eine bedrohliche, pessimistische Stimmung. Bei Locher dagegen ist die Umkehrung des Machtverhältnisses zwischen Gerontius und Eriphila eine zwar lächerlich, aber gerecht wirkende Lösung. Man mag in ihr in übertragenem Sinne die Verkehrung der Hierarchie unter den Fakultäten angedeutet sehen: Die Vertreterin der humanistischen Bildung, selbstironisch als ähnlich zornmütig wie Locher selbst dargestellt, unterwirft den Theologen Georg Zingel, dessen mächtiger Fakultät die Artistenfakultät im mittelalterlichen System (und wohl auch noch nach Ansicht Zingels)24 dienen sollte. Während aus Reuchlins Werken aus dem Exil Ernüchterung spricht und allein (der dem Juristen noch wenig vertrauten) Dichterexistenz eine Freiheit von den Zwängen der korrupten Gesellschaft zuerkannt wird, spricht aus Lochers Komödie eine Siegesgewissheit, die der Philomusus, wie aus seinen Briefen hervorgeht, bereits in Ingolstadt pflegte, die aber durch die sichere Position als Lektor in Freiburg fraglos gestärkt war, was sich in der »Apologia« deutlich zeigt. Die „Flugschrift“ will den Gegner nicht nur entblößen, sie will ihn bekämpfen.

12.3. Kampf an mehreren Fronten Bis Georg Zingel im August 1505 endlich mit einem offiziellen Schreiben der Universität Ingolstadt – welches allerdings nur von Teilen des Lehrkörpers tatsächlich getragen wurde25 – reagierte, hatte Locher nicht nur sein »Iudicium« im Februar 1504 noch einmal zur Aufführung gebracht, sondern war auch sonst, etwa durch Vorlesungen an Sonn- und Feiertagen oder durch seine Teilnahme an Fastnachtsumzügen,26 in Freiburg an die Öffentlichkeit getreten und hatte auch innerhalb der Universität einen Sonderstatus aufgrund seiner Poetenwürde reklamiert.27 Damit hatte er sich nicht nur Freunde gemacht. Schon seit 1502 hatte Wimpheling mit Lochers Schüler Thomas Murner in einem Streit über seine »Germania« und die dort getroffenen Aussagen über die Reichszugehörigkeit des Elsass gelegen.28 Dies scheint auf das Verhältnis des ______________ 24 25 26

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KNEPPER, S. 214f. HEHLE II (1874), S. 10f. Proteste aus Reihen der Juristen (v. a. des Hieronymus von Croaria) und der Artisten dokumentiert PRANTL, S. 132. Jacobus Vuimphelingus Selestatinus Jacobo Philomuso poete laureato presens confessionale dicat, UB Eichstätt, Cod. 695 (419), pag. 83–86, ed. in: Joël Lefebvre, Les fols et la folie. Etude sur les genres comiques et la création littéraire en Allemagne pendant la Renaissance. Paris 1968, S. 427–429, S. 427f. Ebd., S. 428 ; Jakob Wimpheling, Contra turpem libellum Philomusi defensio theologie scholastice et neotericorum. o.O. [Straßburg], o. D. [1510], ed. in: LEFEBVRE, S. 413–436, S. 415. BORRIES; MERTENS 1993, S. 52; Vgl. Brief Wimphelings an Murner, Straßburg, 1.9.1502, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 128, S. 393–395; Antwortbrief Murners, Straßburg, kurz nach 1.9.1502, ebd., Nr. 129, S. 396f.

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Schlettstätters zu Locher zunächst keine Auswirkung gehabt zu haben, zumal Murner immer wieder versucht hatte, den Streit beizulegen.29 Gravierender war der Streit Wimphelings mit Matthias Hölderlin Sambucellus, der sich im Herbst 1503 um eine angeblich von diesem stammende Schrift entzündete, in welcher der Verfasser entgegen den Statuten der Baseler Reformsynode das Konkubinat verteidigte.30 Die Vertrautheit Lochers mit Matthias Hölderlin gerade zu dieser Zeit ist dadurch belegt, dass der Philomusus ihm seine »Apologia« gewidmet hat. Offensichtlich hatte dieser ihm auch bei der Drucklegung des Werks geholfen. Etwa zur gleichen Zeit veröffentlichte Wimpheling einen an Jakob Boll gerichteten Brief über das schlechte Übersetzen der Schwaben, speziell der schwäbischen Priester, aus dem Lateinischen. Er stellt die barbaries der Schwaben den gebildeten Elsässern gegenüber.31 Bereits Zingel hatte Locher damit erzürnt, dass er, wie aus der »Apologia« hervorgeht, den Landsleuten des Philomusus vorgeworfen hatte, nur gute Kämpfer aber keine guten Denker zu sein (B2r). Wimphelings Schwaben-Schelte und sein zunehmend aggressives Vorgehen gegen jede Form der Lockerung geistlicher Disziplin (wie z.B. auch beim Fastnachtstreiben, welches er 1504 in Basel entsetzt beobachtete)32 musste den Philomusus endgültig verletzen, als Wimpheling zu diesen lockeren Sitten auch den Besuch von Vorlesungen über „unzüchtige Dichter“ zählte. Im Sommer 150433 bringt Wimpheling in seiner »Apologia pro Republica Christiana«34 seine harte Kritik an der Missachtung der Theologie und Unzüchtigkeit der Studenten zum Ausdruck. Offiziell ist sie gegen Franz Schatzer gerichtet (h8r) – nach Wimphelings Ansicht ein Pseudonym für Sambucellus –, es ist aber nicht zu verkennen, dass die Schrift (wie nicht zuletzt auch der Titel andeutet) eine Replik auf Lochers »Apologia contra poetarum acerrimum hostem« sein will.35 Im Prolog beklagt sich Wimpheling über Angriffe gegen die Theologie, man nenne ihre Vertreter avaros hipocritas und pflege dagegen ______________ 29

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Vgl. Brief Murners an Wimpheling, 16.2.1502, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 122, S. 378f.; Brief Murners an Wimpheling, Straßburg, Juli/August 1502, ebd., Nr. 126, S. 391; Brief Murners an Wimpheling, Straßburg, September 1503, ebd., Nr. 144, S. 432–434. Vgl. Brief Wimphelings an Sebastian Brant, Basel, nach 24.10.1503, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 148, S. 442f. Epistola Jacobi Wimphelingi de inepta et superflula verborum resolucione in cancellis… o.O. [Basel], o.D. [Oktober 1503], Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 146, S. 438–441. Vgl. Wilhelm CRECELIUS, Jakob Wimpheling und die Schwaben. Alemannia 12 (1884), S. 44–58, S. 44–47. Brief Wimphelings an Martin Sturm, Basel, 25.1.1504, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 152, S. 448; Brief Wimphelings an Sebastian Brant, Basel, 28.1.1504, ebd., Nr. 154, S. 451–453. Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 160, S. 458, Anm. 2; Brief Wimphelings an Johannes Amerbach, Sölden, 12.8.1504, ebd., Nr. 161, S. 461. Apologia pro Republica Christiana. Pforzheim: Anshelm, 1506 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 36.4). Die Marginalien des Wolfenbütteler Exemplars von Lochers »Apologia«, welches in Wimphelings Besitz war, zeigen die kritische Haltung des Schlettstätters gegenüber der Polemik des Philomusus, welcher das ehrenwerte Alter als solches und einen rechtschaffenen Theologen angreife. HEIDLOFF, S. 160, Anm. 2.

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in großer Fülle heresum authores steriles (a3r). Die Schelte der Theologen als Hypokriten begegnet später in Lochers »In anticategoriam … responsio«; der Vorwurf der Sterilität der Dichtung sollte den kommenden Streit prägen. Wimpheling erklärt weiter, er beobachte, dass zahlreiche Studenten in Deutschland, sobald sie die Grundlagen der lateinischen Sprache gelernt hätten, mox ad poetas (etiam spurcos et impudicos) eilten, und das sogar die Ordensschüler: vidimus in quodam Germanie gymnasio multos diversorum ordinum (etiam mendicantium) fratres. publicas frequentasse lectiones. tum spurcissimorum poetarum (qui etiam a spurcidico lectore Iuvenalis sentencias Christi evangelio assimilante spurcis et blasphemis plerumque verbis interpretabantur) tum iuridice facultatis (a4r). (Ich habe gesehen, dass in einer gewissen deutschen Universität zahlreiche Brüder verschiedener Orden – sogar der Bettelorden – öffentliche Vorlesungen besucht haben. Zuweilen waren das Vorlesungen von höchst schändlichen Poeten, in denen sogar vom Lektor mit seinem Lästermaul die Sätze des Juvenal mit dem Evangelium Christi auf schimpfliche Weise verglichen und mit zahlreichen blasphemischen Worten interpretiert wurden; zuweilen waren es Vorlesungen der juristischen Fakultät.)

Mit seinem Verweis auf die Mendikanten zielt Wimpheling fraglos auf Murner; mit dem Poeten-Lästermaul ist Locher gemeint. Der Vorwurf, dass der Philomusus Juvenal mit dem Evangelium verglichen habe, durchzieht alle Streitschriften und trifft, wohl bewusst fehlinterpretierend, Lochers stilistische Hochschätzung des antiken Dichters. In derselben Schrift werden wiederum die Schwaben als Ungebildete geschmäht (e4v). Als Wimpheling schließlich Anfang des Jahres 1505 in seinem »Soliloquium pro pace Christianorum et pro Helvetiis ut resipiscant« nicht nur die Schweizer und alle Städte ermahnte, ihr Selbstständigkeitsstreben aufzugeben, sondern auch jeden Krieg verurteilte, der ohne iusta causa geführt sei, verletzte er damit nicht nur die Baseler so sehr, dass er sich dort nicht mehr blicken lassen durfte,36 sondern er trat auch Maximilian zu nahe, der die Verurteilung ungerechter Kriege auch auf den soeben abgeschlossenen Bayerischen Erbfolgekrieg beziehen musste.37 Tatsächlich sollte dies Wimpheling 1507 auch in einem Brief an Maximilian zugeben: Quod autem conquestionem ad Christum sub ‚Soliloquii‘ typo conscripsi (…) inter alias causas bellum me incitavit Bauaricum, in quo certo scio pauperrimorum agricolarum casas in cineres esse conuersas.38 Obwohl Locher für Wimphelings »Adolescentia«, erschienen am 20. 2. 1505, für »De integriate« (5. 3. 1505) und sogar auch für die »Apologia pro Republica Christiana« (wo er sich allerdings als Philomusus theologus, nicht als poeta bezeichnet, h6v) Beigaben verfasst hat, war der Konflikt zwischen den beiden Gelehrten 1505 bereits öffentlich. Wimpheling musste am 23. 5. vor dem Rektor der Universität ______________ 36 37 38

MERTENS 1993, S. 50f. Ebd., S. 52f. Brief Wimphelings an Maximilian, Straßburg, 6.5.1507, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 225, S. 585.

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ein Versprechen ablegen, keine Pamphlete gegen Locher aufzuhängen.39 Dementsprechend aggressiv reagierte der Schlettstätter auf Schmähschriften der Gegenseite.40 Im Juni wirft er Thomas Rosenbusch und Locher einen ungerechtfertigten Zornmut vor: Ideo iure mecum agite, iure negocia vestra tractate et non ita subito ex furore ad ianuas (sicuti canes ad parietes mingunt) carmina phame mee vel alterius cuiuscumque laceratiua palam affigite.41 (Deshalb lasst mir Recht widerfahren, setzt eure Anliegen rechtmäßig durch und heftet nicht so planlos aus Wut Gedichte, die meinen Ruf oder den irgendeines anderen schädigen, an die Türen, gerade so wie Hunde an die Wände pinkeln.)

Lochers durch den Streit mit seinem ehemaligen Freund angeschlagenem Ansehen musste Ende August 1505 die »Expurgatio Rectoris et consilii almi ec celebris gymnasii Ingolstadiensis« nachhaltig schaden.42 Die Schrift erklärt im Namen der Universität alle Anschuldigungen Lochers an Zingel für falsch, fiktiv und erlogen. Eine Apologie setze einen vorherigen Angriff voraus, der aber habe nicht stattgefunden. Bei seiner Berufung auf Aristophanes möge er außerdem die Verteidigung des Sokrates bedenken, welche Plato als Antwort auf die »Wolken« verfasst habe (a8r). Einige der Vorwürfe Lochers an Zingel werden gegen den Philomusus selbst verkehrt, so wird er zum Sicherheitsproblem für Ingolstadt deklariert. Man wirft ihm vor: Quod quodam die dominico ex nobilium et honestorum hominum filiis studiosis lancigeros publicitus per oppidum incedentes in vituperium ordinis scholastici effinxerit. spreto totius universitatis precepto legibus et statutis. Scimus enim iuventutem alioquin in vicia proclivem et in illisce preceptore non egere … Si chrisipolim non apulisset quietius in utramvis aurem respublica nostra litteraria quiesceret (a6v). (… dass er an einem Sonntag aus den studierenden Söhnen adeliger und ehrenwerter Männer Lanzenträger gemacht habe, die zur Verunglimpfung ihres wissenschaftlichen Standes öffentlich durch die Stadt marschierten. Er habe damit die Vorschrift, die Gesetze und die Statuten der ganzen Universität missachtet. Wir wissen nämlich, dass die Jugend ohnehin zum Laster neigt und darin keinen Lehrer braucht … Wenn er nicht nach Ingolstadt gekommen wäre, könnte unsere gelehrte Gesellschaft seelenruhig schlafen.)

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HEHLE II (1874), S. 15. CRECELIUS, S. 49f. Dieselben Gedichte finden sich bei Hugo HOLSTEIN (Hrsg.), Ungedruckte Gedichte oberrheinischer Humanisten. ZfvglLit, N.F. 4 (1891), S. 466f. Ein weiteres Pamphlet Lochers mit handschriftlichen Anmerkungen Wimphelings ist abgedruckt bei: HEIDLOFF, S. 160, Anm. 1. Brief Wimphelings an Thomas Rosenbusch, Freiburg, vor 24.6.1507, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 181, S. 486–490, S. 489. Auch bei: CRECELIUS, S. 50–52. Expurgatio Rectoris et consilij almi ac celebris gymnasij Jngolstadiensis pro domino Georgio zingel sacre theologie magistro Ordinario et vicecancellario in eodem gymnasio Nec non inclite Eystetensis ecclesie Canonico. contra inuectiuam sub velamine apologie a Jacobo locher philomuso impie et iniuste confictam. o.O. [Augsburg od. Ingolstadt], 1505 (Exemplar UB Tübingen, Gh 807.4°). Vgl. HEIDLOFF, S. 108, Nr. LXII.

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Rasch antwortete Locher mit einer Gegenschrift, der wieder ohne Datum und Druckerangabe, wohl in Basel gedruckten »In anticategoriam rectoris cuiusdam et conciliabuli Gymnasii Ingolstadiensis responsio compendiosa«.43 In seinem Widmungsschreiben an Sambucellus erklärt er, die Sache sei doch eigentlich bereits in Vergessenheit geraten gewesen, er vermute, fax et origo totius criminationis est quidam devotus pater (A6v), und das dürfte, wie MERTENS annimmt, Wimpheling meinen.44 Dieser Verdacht ist auch im deutschsprachigen Gedicht des P. P. Eriphonus (wohl eines Schülers des Philomusus) geäußert, welches der »Responsio« beigegeben ist: Wer lust hatt an fremdem schaden Und mit lügen ist beladen will mitt dinten schleyer weschen Mit dem fuchszschwantz korn vsztreschn Und mitt dem wolff gemein will han Sich besser acht dann yeder man Ja.w.em der fügt der nem in an (A8r)

Die Punkte im letzten Vers sind sicherlich nicht zufällig gesetzt; wer in die Materie eingeweiht ist, soll in Ja.w.em eine Verschlüsselung für Jacob Wimphelingem erkennen. Locher zeigt sich verärgert, dass man ihn in eine Verteidigungsposition drängen wollte. Er beruft sich auf seine Anerkennung durch Maximilian (A2v), auch dies eventuell ein Seitenhieb gegen Wimpheling, der sich zwar 1501 vom Pfalzgrafen Philipp ab- und Maximilian zugewandt hatte,45 sich aber in der Bewertung des Bayerischen Erbfolgekriegs doch nicht hinter Maximilian stellen wollte. Der Philomusus erklärt (zu Recht), dass hinter dem Schreiben keineswegs die ganze Universität Ingolstadt stehe (A3r), und beteuert wiederholt, dass er nicht gelogen habe: quicquid scripsi in Apologia vero verius est (A3v), Quod scripsi scripsi nullo terrore negabo (A4v), usw. Seine Vorwürfe gegen Zingel wiederholt er, noch einmal in deutlicher Anlehnung an die Figur des Gerontius im »Ludicrum drama«.46 Das Alter gereiche vielen zur Zier, erklärt er, aber Zingel bringe es nur Spott ein (A2v–3r). Als lächerlich aber und als erneutes Zeichen mangelnder Bildung wertet Locher den Vorwurf, er habe die Studenten zu einem paramilitärischen Aufstand verleitet: O ridiculam vellicationem! qua me quondam nobiles ac ingenuos. adulescentes / lanceis / phrameis / gesis / saryssis / instruxisse olim / boando taxat. tanquam in universitatibus laudatissimis / ab ipsis scholasticis fontium sacra / atque Eleutheria nunquam fuerint celebrata / cum ordinis militaris apparatu. nemo bonus nostram leticiam

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Jacobi locher Philomusi Sueui / in anticategoriam rectoris cuiusdam et conciliabuli: Gymnasii Ingolstadiensis: responsio compendiosa: cum declaratione Zingelensis factionis. o.O. [Basel], o.D. [1505]. (Exemplar UB Tübingen, Gh 807.4°). Vgl. HEIDLOFF, S. 70, Nr. XXIX. Wimpheling, Briefwechsel, S. 520, Anm. 9. Vgl. MERTENS 1993, S. 44. Vgl. PFANNKUCH, S. 103.

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

publicam tunc improbabat preter Zingoldum / et quosdam nauseantes / crepidariosque hypocritas: quibus gaudia hominum etiam licita / displicent (A4r). (Oh, welch lächerlicher Vorwurf, aufschreiend anzumerken, dass ich einmal edle und tüchtige junge Männer an Lanzen, Gere, Speere und Wurfspieße herangeführt hätte, gerade so als ob nie in den löblichsten Universitäten eben von den Studenten das Brunnen- und Befreiungsfest in militärischer Ausstattung gefeiert worden wäre. Kein anständiger Mensch hat damals unsere öffentliche Feierlichkeit getadelt, außer Zingel und ein paar Ekel empfindenden, Sandalen tragenden47 Heuchlern, denen die Freuden der Menschen, auch die erlaubten, missfallen.)

Locher deckt damit Zingels Unbildung auf, die ihn gebildete Spiel- und Festtraditionen nicht von unsittlichen Freuden unterscheiden lässt. Auch dieser Vorwurf ist aus dem »Ludicrum drama« bekannt. Einige dem Verteidigungsschreiben beigegebene Schülerverse unterstützen Locher. Auf einen Beistand der Universität Freiburg aber konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr setzen. Mittlerweile hatte er sich auch mit seinem ehemaligen Freund Zasius angelegt, der wie Wimpheling Lochers Hochschätzung der antiken Dichtung Zweifel entgegenbrachte und wohl absichtlich seine Vorlesungen auf die gleiche Zeit legte wie Locher.48 Auch mit ihm tauschte er Schmähgedichte.49 Zasius war ein Verfechter der Rhetorik, aber bemühte sich darum, die Poesie aus dem akademischen Lehrbetrieb fern zu halten.50 Heftig kritisierte er daher auch an Thomas Murner, dass dieser im Franziskanerkloster Vorlesungen zu Vergil hielt statt sich allein geistlichen Texten zu widmen.51 Als schließlich ein Schüler des Zasius, Hieronymus Vehus, meinte, mit der Aufführung eines Theaterstücks zum Lobe von Maximilians Triumph im Bayerischen Erbfolgekrieg, dem »Boemicus Triumphus« (1504/05),52 in die Fußstapfen Lochers und Celtis’ (durch dessen »Rhapsodia« das Werk angeregt war)53 treten zu müssen und dafür ______________ 47

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Fidel RÄDLE hat darauf hingewiesen, dass es sich bei den Sandalenträgern um Mendikanten handeln könnte; die Mendikanten aber sind kurz zuvor von Wimpheling als auf Lochers Seite stehend bezeichnet worden. Ich möchte daher in den Sandalen eher einen Hinweis auf die Tennenschuhe sehen, welche das Pferd Zingels auf dem Holzschnitt der »Apologia« trägt. BERNSTEIN, S. 36f. HEIDLOFF, S. 128, 162. BURMEISTER, S. 114. Udalrici Zasii epistolae, zit. nach: HEHLE II (1874), S. 16. Vehus, Hieronymus, Deo Auspice pro divo Maximiliano Romanorum Rege Semper Augusto ... Boemicus Triumphus. Straßburg: Johannes Grüninger, o. D. [1505?] (Exemplar SB München, P.o. lat. 753(50). Von einem Plagiat kann man hier nicht sprechen, der »Boemicus Triumphus« unterscheidet sich im Plot, v. a. aber in der lobenden, aber nicht huldigenden Haltung deutlich von der »Rhapsodia«. Wolfgang MICHAELs Auffassung, dieses Plagiat habe Locher gegen Vehus aufgebracht, ist daher unbegründet: MICHAEL 1934, S. 262; ders. 1963, S. 78f.; ders. 1971, S. 262 identifiziert Nikolaus Gerbel als den Übermittler der Celtisschen Vorlage. Vgl. Gerhard KATTERMANN, Markgraf Philipp I. von Baden (1515–1533) und sein Kanzler Dr. Hieronymus Veus. Düsseldorf 1935, S. 26; Herbert IMMENKÖTTER, Hieronymus Vehus: Jurist und Humanist der Reformationszeit. Münster 1982 (KLK 42), S. 13.

12.2. Ludicrum drama de sene amatore (um 1503/05)

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nicht nur hohe Lobesworte von Brant, Wimpheling u. a. kassierte, sondern sich auch als derjenige preisen ließ, der dem König von den Sternen geschickt worden sei, damit er dessen Siege in der Kunst eines Triumphes verherrliche (A2r), und als Vehus dann noch Sebastian Brant in deutlicher Parteinahme gegen den Philomusus über den Streit mit Zasius berichtete,54 verprügelte ihn Locher. Auf Anklage des Zasius und Vehus wurde er in dieser Sache am 11. 9. 1505 vor den Senat geladen;55 am 26. 9. 1505 sandte Sebastian Brant zwei Gedichte gegen seine ehemaligen Schüler an Ulrich Zasius.56 Einen weiteren Schüler des Zasius, einen Freund von Vehus und Wimpheling, Matthias Ringmann Philesius, der sich polemisch gegen die Schwaben geäußert hatte, lauerte Locher mit einigen Freunden more latronum auf, um ihn zu verprügeln.57 Wieder wurde Locher vor den Senat geladen. Dabei wurde ihm am 24. 11. u. a. auch zum wiederholten Male untersagt, an Sonn- und Feiertagen Vorlesungen zu halten.58 Dagegen wiederum protestierte der Philomusus, hielt dem Rektor eine lange Rede über seine Verdienste um die Universität und verfasste schließlich Spottverse gegen diesen und das von ihm erlassene Verbot.59 Inzwischen setzte sich Sambucellus für seinen Freund Locher ein. In einem Brief an Johannes Amerbach vom 19. 11. 1505 beschwert sich Wimpheling, dass ein gewisser Franz Schatzer (alias Sambucellus) einen Schmähbrief gegen seine im gleichen Jahr erschienene Schrift »De Integritate« verfasst habe.60 Im selben Monat noch schickt der Schlettstätter einen Beschwerdebrief an die Universität Freiburg, er wage es wegen Locher nicht mehr, nach Feiburg zurückzukehren: Infamat me Philomusus et scripsit manu sua me fregisse fidem et minatur me virgis a se percutiendum. Er bittet daher die Universität, dafür zu sorgen, dass Locher ihn nicht weiter bekämpfe.61 Wenige Tage später schiebt er einen zweiten Brief nach, in welchem er sich gegen das Gerücht verwahrt, er wolle etwas contra nationem Suevicam veröffentlichen. Er sei nicht so doppelzüngig wie Locher, der »De Integritate« erst durch seine Druckbeigaben gelobt habe und nun verurteile.62 Er führt aus: unus solus Suevus me calumniatur et absque omni culpa me persequitur, qui et contra me Basileae turpia multa imprimi fecit.63

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KATTERMANN, S. 16. HEHLE II (1874), S. 11. HEIDLOFF, S. 138, 162. Jacob Wimpheling, Epistola excusatoria ad Suevos. o. O.: Hupfuff, 1506 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E113), a4v. Vgl. SCHREIBER, Geschichte der Stadt, 1857, I, S. 79; KNEPPER, S. 216; HEIDLOFF, S. 161; BURMEISTER, S. 114; COPPEL 1993, S. 163. SCHREIBER, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität, 1857, I, S. 77; HEIDLOFF, S. 161. SCHREIBER, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität, 1857, I, S. 77f. Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 193, S. 513–515; MERTENS 1993, S. 51. Brief Wimphelings an die Professoren, den Rektor und den Rat der Universität Freiburg, Straßburg, 27. 11. 1505, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 194, S. 515–518, bes. S. 516. Brief Wimphelings an die Professoren, den Rektor und den Rat der Universität Freiburg, Straßburg, 6. 12. 1505, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 195, S. 518–520, bes. S. 519. Ebd., S. 519f.

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

(Ein einziger Schwabe verleumdet mich und verfolgt mich gänzlich ohne meine Schuld; er hat auch in Basel viel Unverschämtes gegen mich drucken lassen.)

HERDING/MERTENS sehen hierin ein Eingeständnis Wimphelings, dass er sich in dem devotus pater in Lochers »Responsio« wiedererkenne.64 Auch nach Tübingen war die angebliche Verleumdung Wimphelings als eines Verächters der Schwaben gedrungen. Heinrich Bebel erbat eine Klärung, welche Wimpheling 1506 bei Matthias Hupfuff in Straßburg drucken ließ, zusammen mit Bebels Anfrage.65 Er erklärt, ein gewisser Franz Schatzer setze das Gerücht von seiner Abneigung gegen die Schwaben in die Welt, dabei gehe es ihm allein um einen einzigen Schwaben. Er fügt eine lange Liste der lobenswerten Schwaben an: Naukler, Reuchlin, Zasius, Bebel u. a.; Locher ist ausgespart (a2v–3v). Der anschließende Katalog der Fehlverhalten, aufgrund deren jemand aus Wimphelings Lob der Schwaben ausgenommen sei, zielt eindeutig auf den Philomusus: Er interpretiere schändliche Autoren, er verderbe die Jugend und verführe sie zu libido und luxuria, er dresche verbal und manuell auf andere ein, schmähe die Werke anderer, verleumde die Elsässer, bezeichne Juvenal als vergleichbar mit Christus und stelle die Dichtung neben das Evangelium, halte sich an keinerlei Gesetz und finde seinen Platz eher unter den teils kriegerischen, teils weichlichen histriones als unter den Philosophen (a3v). Schließlich beklagt Wimpheling, dass der Tadelnswerte einen Studenten überfallen habe. Fraglos ist Ringmann Philesius gemeint, wie auch eine zeitgenössische66 Marginalglosse im Tübinger Exemplar des Drucks vermerkt: taxat (si non fallor) Iacobum philomusum qui friburgi Ringmannum philesium poetum quendam virgis cesum a se gloriatur (a4r). Am 30. 1. 1506 soll, wie Wimpheling berichtet, Locher eine päpstliche Zitation erhalten, den Boten aber verprügelt und das Schreiben zerrissen haben.67 Der Philomusus wurde zum Rektor ziert, drohte diesem aber, dass er sich an Maximilian wenden werde. Vermutlich hat er es auch getan, denn am 16. 3. 1506, noch bevor den poeta die Kündigung der Universität, die per Senatsbeschluss vom 31. 3. auf Pfingsten vorgesehen war,68 erreichte, hatte Herzog Albrecht IV. von Bayern ihn bereits auf die Lektur für Poesie an der Universität Ingolstadt bestellt, die zu ______________ 64 65

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Ebd., S. 520, Anm. 9. Epistola excusatoria ad Suevos. o. O. [Straßburg]: Matthias Hupfuff, 1506 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 36.4°). Ediert in: Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 201–203, S. 525–536. Vermutlich kurz nach 1512. Der Schreiber dieser Glosse vermerkt zugleich, dass Johannes Renatus von Wyle im Dezember 1512 in Esslingen gestorben sei. Damit ist die bei Wimpheling, Briefwechsel, S. 535, Anm. 46 aufgeworfene Frage, aus welchem „Weil“ Renatus komme, gelöst. Zit. bei: HEHLE II (1874), S. 17; SCHREIBER, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität, 1857, I, S. 80f. SCHREIBERs Vermutung, der (1510 verfasste) Bericht von der (angeblich 1506 erfolgten) Zitation spiele auf die ab 1507 von Zingel angestrebte Verurteilung der Schriften Lochers an, legt es aus chronologischen Gründen nahe, die päpstliche Vorladung als eine nicht auf Tatsachen beruhende Diffamierung des Dichters durch Wimpheling zu deuten. Senatsakten. Universitätsarchiv Freiburg, A 10/1, Fiche 5.

12.2. Ludicrum drama de sene amatore (um 1503/05)

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dieser Zeit keineswegs vakant, sondern mit Sebastian Sprenz besetzt war.69 Die Rückberufung erfolgte unter der Auflage, sich zuchtigklich mitsampt seinen schulern und studenten furan zehalten.70 Allerdings folgten bereits im April 1506 die ersten Disziplinarverfahren der Universität Ingolstadt gegen Locher, der gegen ein ausdrückliches, wiederholtes Verbot zu Beginn seiner Vorlesungen die Glocken läuten ließ und auch weiterhin Schmähschriften verbreitete.71 Im Dezember 1506 erschien in Nürnberg seine Abrechnung mit den Theologen, mit Zingel, der ihn, v.a. nach dem Regimewechsel in Bayern, nicht dauerhaft hatte vertreiben können.

12.4. Mulopoeta vs. Mulotheologus nunquam aduersus secreta summi dei: aduersus mundi creationem: aduersus supremi oracula vera tonantis: vel per contemptum dixerim: aut male coagmentatus per furiam / scripserim. Christi legem predico virtutis munera doceo. Vitia mortalium corrigo. errores si quos accipio. et in vita / et in disciplina emendo.72 (Niemals würde ich etwas gegen die Geheimnisse des höchsten Gottes, gegen die Schöpfung der Welt, gegen die wahren Sprüche der erhabensten „Donnerers“, sagen oder schreiben, weder aus Missachtung noch aus Wut. Ich verkünde das Gesetz Christi, ich lehre die Tugendgaben. Ich korrigiere die Laster der Menschen, und wenn ich irgendwelche Fehler wahrnehme, im Leben und in der Lehre, verbessere ich sie.)

So beschreibt Jacob Locher die Ausrichtung seiner Werke im Widmungsbrief seiner »Comparatio sterilis mulae ad Musam«73 an Eberhard Truchseß, den Domdekan zu Eichstätt: Eine mit der christlichen Lehre konforme Tugendlehre will er geben und auf die Fehler der Menschen bessernd hinweisen. Provozierend ist dabei seine (für ihn nicht unübliche) Verwendung von Jupiters Beinamen tonans, „Donnerer“, für den christlichen Gott. Im gleichen Brief erklärt er wütend, die Vorstellung, die Beschäftigung mit antiker Dichtung bedeute eine Hinwendung zum Heidentum, und die Behauptung, poete sint Ethnici: sint pagani (S. 411), sei ein Hirngespinst „eines gewissen Theologen“. Der Dichtung werfe ein vanissimus theologus (S. 403) und garrulus senex (S. 405), der eine große Anhängerschaft habe, vor, dass sie unnütz und steril wie ein Maultier sei. Cogit me sacra poesis, diuinus mu______________ 69

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SCHREIBER, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität, 1857, I, S. 81; HEHLE II, S. 18; HEIDLOFF, S. 162; COPPEL 1993, S. 165. Personalakte Lochers, Universitätsarchiv Freiburg, B38/171(3. Zit. in: HEHLE II (1874), S. 18, Anm. 19. HEHLE I (1873), S. 18f.; BAUCH, S. 76–84 (dort auch zu Sukzessions- und StundenplanStreitigkeiten); von ähnlichen Streitigkeiten 1507 berichtet PRANTL, S. 133. Jacob Locher, Vitiosa sterilis mule ad Musam ... comparatio, Begleitbrief an Erhard Truchseß, ed. in LEFEBVRE, S. 402–412, S. 412. Eine ausführliche Inhaltsangabe der Schrift findet sich bei HEIDLOFF, S. 253–276, kürzer bei Paul SCHERRER, Thomas Murners Verhältnis zum Humanismus. Untersucht auf Grund seiner ‚Reformatio Poetarum‘. Basel 1929, S. 4–8.

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

sarum cultus me mutum esse non patitur, erklärt er im Widmungsschreiben desselben Werks an Georg von Sintzenhofen (S. 403). Wer die Dichter solchermaßen verurteile, möge die »Poetik« des Aristoteles und die Inspirationslehre in Platos »Ion« lesen – und die Kritiker sollten zugeben, dass sie selbst, wenn sie in der Öffentlichkeit oder bei einem Universitätsakt etwas sagen wollten, zu den Dichtern und Rednern liefen (S. 404). Wiederholt erklärt er, dass er nicht alle Theologen angreifen, sondern sich nur gegen jene bestia verteidigen wolle, qui me Mulam vocavit (S. 405). Diesem mulotheologus, einem neidischen senex, wirft Locher eine teuflische Abstammung vor (S. 411), wie er dies bereits in der »Apologia« Georg Zingel nachgesagt hat. Nicht in eigenen Worten aber rechtfertigt Locher sich und die Dichtung, sondern er lässt Apoll und die Musen sprechen. Einer der beiden Titelholzschnitte der Schrift zeigt, wie Calliope den Dichter bekränzt, umgeben von den anderen Musen: eine Anspielung auf Lochers Dichterkrönung, aber zugleich wohl auch auf die Verwendung des Motivs des Lobs und der Bekränzung des Helden durch die Musen, wie es einer seiner Gegner erst vor kurzem verwendet hatte, nämlich Hieronymus Vehus in seinem »Boemicus Triumphus«. Auf ihn trifft auf jeden Fall jene Inkonsequenz zu, welche Locher den Dichterfeinden vorwirft, dass sie nämlich genau die dichterischen Mittel, ja, die Musen selbst, für ihre Zwecke verwendeten, welche sie beim Philomusus verurteilten. Lochers Apoll erinnert an die wirkungsmächtigen Werke der großen Dichter, u. a. an die gewaltigen Tragödien des Euripides, die docta comedia des Terenz und die „gesalzenen“ Verse des Plautus. Daneben aber stehen Aristoteles, Plato, Demokrit, ja, mille sophi und mille theologi (S. 407). Ohne Dichtung, dieser Gedanke ist bereits in der »Tragedia« geäußert worden, gäbe es letztlich keine Welterkenntnis. Die sophistischen Fragen der Scholastik stellt er als Gegenbeispiel neben die Tiefe der Erkenntnis durch die Poesie (S. 408).74 Der Dichtung wird letztlich – auch das ein Leitgedanke Lochers – eine staatstragende Funktion zugeschrieben: Mula nihil gignit. Reges sed musa potentes. Gignit et ad pacem, gignit ad arma viros. Mula nihil gignit. sed iustum musa senatum Instruit. in quo nil liuida corda valent.75 (Ein Maultier bringt nichts hervor, aber die Muse bringt mächtige Könige hervor, und sie gewinnt Menschen zum Frieden und zum Kampf. Ein Maultier bringt nichts hervor, aber die Muse lehrt einen gerechten Senat, in dem eifersüchtige Herzen nicht bestehen können.)

Die einzelnen Musen verweisen auf ihr Verdienst: Clio ermögliche erst menschlichen Ruhm, denn sie berichte in Geschichtsdarstellungen über die Heldentaten von Fürsten (S. 409f.); Melpomene ermahne durch die Darbietung des tragischen ______________ 74 75

Vgl. HEIDLOFF, S. 262–264. Hortamen Calliopes et Phoebi mutuum contra Mulotheologum, ebd., S. 409.

12.2. Ludicrum drama de sene amatore (um 1503/05)

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Niedergangs von Helden in Tragödien an die Vergänglichkeit des Irdischen. Thalia dagegen sei für die Komödien und ihre Aufführungen zuständig, die der Jugend angenehm und lehrreich seien. Euterpe tröste durch schöne Lieder; Terpsichore errege mit Psalmen die Affekte der Menschen und schaffe so Überzeugungen. Erato führe durch Tanz in die Kosmographie ein; Urania zeige die Bewegungen der Sterne auf. Polyhymnia sei für rhetorische Gesten und lehrhafte Reden verantwortlich, durch welche die Menschen zum Handeln bewegt werden, Calliope für den Archetyp des Buchs und die Urgründe der Grammatik, und damit auch für die Bewahrung großartiger Taten für spätere Generationen (S. 410). Locher beendet den Dialog der Musen mit einer Aufzählung der Eigenschaften der Musen secvndvm Mythologiam Fulgencianam (S. 411) und schlägt damit den Bogen zurück zu seinem auf den »Mythologiae« des Fulgentius beruhenden »Iudicium Paridis«, mit welchem der Streit 1502 ausgebrochen war. Jetzt erklärt er, der Mist, welchen das Maultier produziere und welchen der Theologe einsammle (genau dies zeigt auch ein Holzschnitt), sei nicht mit den Musen zu vergleichen, iuditio quarum docta minerua viget, hinter denen Minerva (und das ist eben die positive Figur im »Iudicium Paridis«, die Vorbildfigur für die Artes) stehe (S. 411). Die Voten der Musen in diesem sicherlich nicht für eine Aufführung gedachten Dialog, der aber doch an ein Reihenspiel oder an den durch die »Rhapsodia« des Celtis und den »Triumph« des Vehus vertretenen Spieltypus erinnert, zielen nicht nur auf eine Verteidigung der Poesie allgemein; sie zielen nicht zuletzt auf eine Verteidigung einer dramatischen Dichtung, die durch Geschichtsdarstellung der Fama und der Memoria dient, die auf eine Überzeugung und Aktivierung des Publikums durch Rhetorik und Gestik zielt, die der Belehrung durch Komik nachkommt und die auch Tanz- und Liedeinlagen kennt. Dass eine solche Dichtung auch dann, wenn sie Mythologie einsetzt, nicht heidnisch sei, stellt Locher mit Nachdruck klar. Noch mehr, er beschreibt im zweiten Teil der »Comparatio«, dem »Currus sacrae Theologiae triumphalis«,76 die Artes als Edelsteine in der Krone der Theologie und als einen unverzichtbaren Weg zu ihr. David und Salomon werden als die höchsten Dichter gepriesen, die sprachlich minderwertigen, sophistischen Scholastiker dagegen geschmäht. Die Nähe der Rhetorik zur Theologie will Locher schließlich in einem Beibrief an vier Doktoren aus dem Franziskanerorden belegen, indem er erklärt, dass er in cathedra phoebi nicht nur immer den rechten Glauben „gepredigt“ habe, sondern dass er sogar vom Rednerpult die Passion Jesu Christi mit schauspielerischen Mitteln vorgetragen und seine Zuhörer damit zur Andacht angeregt habe: in pulpito oratorio / passionem domini nostri Iesu christi. in magna studiosorum hominum caterua / publicitus recitauerim: amarissimos fletus effuderim / ac auditores per me motos et in______________ 76

Vgl. dazu HEHLE II (1874), S. 24f.; HEIDLOFF, S. 271f.

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

censos ad deuotionem excitauerim (S. 412).77 Das Schauspielerische, welches Wimpheling ablehnt, kann nach Lochers Argumentation auch einem geistlichen Zweck dienen – ein Gedanke, der im geistlichen Spiel der Zeit seinen Ausdruck fand. Georg Zingel reagierte auf Lochers Schrift im klassisch scholastischen Sinne, indem er 24 der Häresie verdächtige Sätze Lochers zusammenstellte und durch die Bibel und theologische Autoritäten zu widerlegen suchte.78 Wie wenig seine Einwände treffen, hat HEIDLOFF gezeigt.79 Die Schrift ist ungedruckt geblieben, eventuell wegen Zingels baldigen Todes im März 1508. Ob Locher von ihr Kenntnis genommen hat, ist nicht bekannt. Nicht nur Zingel aber reagierte auf die »Comparatio«, sondern auch Jakob Wimpheling.80 Dieser äußert sich bereits im Juli 1507 empört. Gegen die von Locher propagierte Lektüre heidnischer Dichter führt er ins Feld, dass solch obszöne Dichtungen für Knaben vielleicht noch angemessen wären, in viro etiam a musis cognomen habente non solum stultam et vanam ambitionem, sed etiam histrionicam ac quasi meretriceam quandam mollitiem atque levitatem prae se ferre videntur.81 (bei einem Mann aber, der seinen Beinamen sogar von den Musen ableitet, erscheinen sie nicht nur als ein Ausdruck von Dummheit und falscher Ehrsucht, sondern auch von einer histrionenhaften und einer gewissen gleichsam dirnenhaften Weichheit und Haltlosigkeit.)

Auch Ringmann Philesius beschwerte sich gegenüber Wimpheling über Lochers Werk, in welchem er poetas laszivos preise und die Theologen in den Schmutz ziehe.82 Vielleicht noch zu Lebzeiten Zingels entstand dann Wimphelings ungedruckt gebliebene Beichte Lochers.83 In ihr werden Locher die Verführung seiner Schüler zu Lüsternheiten, zu Gewalt und zu unsittlichem Mummenschanz ange______________ 77

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Eine solche Rede über die Passion Christi, welche Locher 1516 im Ingolstädter Franziskanerkloster gehalten hat, ist 1517 in Augsburg gedruckt worden. HEIDLOFF, Nr. XLVI, S. 90. Articuli partim de haeresi suspecti contenti in turpi libello Jacobi Locher de Mula…, HEIDLOFF, Hs. XXVII, S. 136; als Regest gedruckt in: SCHLECHT (1903), S. 243–245. HEIDLOFF, S. 290–295. Zu Wimphelings veränderter Einstellung zur Poesie nach Erscheinen der »Comparatio« vgl. Charles BÉNÉ, L’Humanisme de J. Wimpfeling, in: Acta Conventus Neo-Latini Lovaniensis. Hrsg. v. Josef Ijsewijn und Eckhard Keßler. Louvain/München 1973 (Humanist. Bibliothek I,20), S. 77–84, S. 79–81. Beibrief Wimphelings zu Giovanni Campanos »Contra poetas pro theologis«, Straßburg, 1. 7. 1507, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 230, S. 598. Brief des Matthias Ringmann Philesius an Wimpheling, o. O., 1507, Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 231, S. 600. Jacobus Vuimphelingus Selestatinus Jacobo Philomuso poete laureato presens confessionale dicat, ed. in: LEFEBVRE, S. 427–429. Auch in: SCHLECHT 1903, S. 240–243. Die „Beichte“ ist in der Sammelhandschrift, UB Eichstätt, Cod. 695 (419) überliefert, in welcher auch Zingels Verteidigungsschrift enthalten ist. Ansonsten versammelt die Handschrift v. a. Gedichte und kurze Schriften Lochers zur Verteidigung der Poesie (u. a. gegen Johannes Eck und Georg Hauer), Vorlesungsankündigungen sowie Lobgedichte auf Locher. Vgl. HEIDLOFF, Hs III, S. 113–119, Hs XXVIIf., S. 136f.

12.2. Ludicrum drama de sene amatore (um 1503/05)

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lastet, außerdem sein Lob Ovids und Juvenals, seine Arroganz in Sukzessionsfragen, vor allem aber seine Schmähungen Georg Zingels und anderer Kollegen, quod eos carpet Veneris praeposterus ordo. Man mag hier auch an die Zwischenspiele im »Iudicium Paridis« und an das »Ludicrum drama« denken. Eine eigenartige Position in dem Gelehrtenstreit nimmt Thomas Murners 1509 erschienenes Werk »De Augustiniana Hieronymianaque reformatione poetarum«84 ein. Murner lobt im Widmungsbrief seinen Lehrer Jacob Locher (a2r–v) und betont in seiner Schrift den Nutzen der (antiken) Dichtung für die Theologie. Die Dichter unterteilt er in poetae theatrales, imperiales und canonici (Kap. II, S. 430f.) und verurteilt erstere, welche er mit den poetae profani gleichsetzt. Unter Berufung auf Augustinus und dessen negative Bewertung des Schauspiels in »De civitate Dei«, I–II, bezeichnet er sie als Blender, Lügner und Sittenverderber. Sie seien für den Unterricht nicht geeignet, da sie non eloquentes und im eigentlichen Sinne gar keine poetae seien. Eloquente Dichter wie z. B. Vergil seien damit von dem Verdikt ausgenommen (Kap. III),85 v. a. dann, wenn sie nicht um der Freude an der Fiktion willen, sondern in Ausrichtung auf einen nützlichen Zweck gelesen werden (e2r). Den theatrales und den mit ihnen verurteilten antiken Mythologen (Kap. VIII) stellt Murner im zweiten Teil seines Traktats die Kirchenväter als poetae canonici gegenüber. Die imperiales bleiben unerwähnt. Möglich wäre, dass Murner, selbst ein poeta laureatus, diese Kategorie für die vom Kaiser gekrönten nachweislich eloquenten Dichter entworfen hatte. Da er dies aber nicht ausführt, konnten seine Argumente gegen die theatrales = profani leicht auch gegen den von ihm gelobten Jacob Locher angewandt werden. Ein Jahr später findet sich die Gleichsetzung von fiktiver Dichtung und verwerflichem Theater in Wimphelings »Contra turpem libellum philomusi defensio theologiae scholasticae et neotericorum« wieder.86 Der Schlettstätter geht wiederum vom Vergleich der Musen mit Maultieren aus, d. h. von der Frage nach der Nützlichkeit der Dichtung. Für die Erziehung, erklärt Wimpheling, sei die sterilis et histrionica poetarum interpretatio unnütz, ja, schädlich. Der obszöne Inhalt der Dichtung und ihre (quasi-) theatralische Performanz, welche dem Hörer das Schändliche auf affektivem Wege nahe bringe, bilden in seine Augen eine Einheit (vgl. Kap. 8.1.6). Die Dichter, die histrionicis gestibus ac foemineis ululatibus den Zuhörern Gift im Honig verabreichten (S. 414), seien auch dem Staat nicht dienlich: neque ad regendos ecclestiasticos status: neque ad defendendas causas: neque ad ius aut iustitiam vnicuique dicendam: neque ad medicinas aegrotis corporis praestandas

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Thomas Murner, De Augustiana Hieronymianaque reformatione poetarum. Straßburg 1509 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 452). Teiled. in: LEFEBVRE, S. 430–436. Zum Inhalt der gesamten Schrift vgl. SCHERRER. Abgedruckt in: SCHERRER, S. 27. Jakob Wimpheling, Contra turpem libellum philomusi defensio theologiae scholasticae et neotericorum. Straßburg: o. Dr., 1510, ed. in: LEFEBVRE, S. 413–426. Der Inhalt der Schrift ist ausführlich referiert bei HEIDLOFF, S. 295–302.

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12. Ein polemischer Gelehrtenstreit – um die Poesie und das Theater

vtiles aut necessarij poetae. sed sacri canones: sed cesareae leges: sed Galenus et Auicenna (S. 415) (weder zur Lenkung der geistlichen Stände noch zur Verteidigung von Fällen noch zur Gesetzgebung oder Rechtsprechung für jedermann noch zur Heilung körperlich Kranker sind die Dichter nützlich oder notwendig, sondern das kirchliche Recht, das kaiserliche Gesetz, Galen und Avicenna.)

Nach diesem Schlag gegen die beiden grundlegenden Rechtfertigungen des Theatralischen als einer eindringlichen Form der Vermittlung, der Komödie als moralischer Erziehung der Jugend und der Tragödie als staatsbürgerlicher Anweisung greift er die der Lyrik und dem Drama gemeinsame Versform an, mit dem alten Einwand, dass sie aus metrischem Zwang die Dinge entstelle. Schließlich verweist er (wie Murner) auf Augustinus, der Platos Verurteilung der Dichter dahingehend deutet, dass man nicht alle Dichter, sondern die scaenicos vertreiben sollte, illos istis esse turpiores (S. 417). Im letzten Teil der Schrift schließlich kommt er auf die Musen zurück. Da sie der heidnischen Mythologie angehörten (eine christlichallegorische Deutungsmöglichkeit erwägt Wimpheling nicht), könne man sie nur als res fictas vanas stultas steriles chimerinas: diabolo authore inuentas (S. 420) bezeichnen. Damit ist nicht nur der Autor des »Iudicium Paridis« verurteilt, sondern generell der Philo-Musus. Locher reagierte auf diese Kritik nicht mehr. Es war ihm nur wichtig, dass Wimphelings Buch nicht noch eine zweite Auflage erfahre; deshalb bat er Willibald Pirckheimer, zusammen mit dem Nürnberger Rat eine solche zu verhindern.87 In einem Brief an einen befreundeten Benediktiner aus Kloster Elchingen vom 15. 1. 1513 erklärt er dann, die Frage, ob die Lektüre der Dichter für Geistliche erlaubt sei, sei bereits bis ins Letzte ausdiskutiert und nur noch für Verächter der Poesie eine Frage: profecto stultorum hypocritarum et osorum poetices est dubium.88 Sich mit solchen Barbaren herumzustreiten, sei den Aufwand nicht wert.89

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Willibald Pirckheimer, Briefwechsel. Hrsg. v. Emil Reicke, Bd. 2. München 1956, Nr. 186, S. 52– 55. Jacob Locher an Johannes Albertinus O.S.B., Ingolstadt, 15. 1. 1513, in: Joseph SCHLECHT, Briefe aus der Zeit von 1509–1526. Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 40 (1922), S. 23-116, Nr. 11, S. 59. Der Brief ist auch in einer Abschrift überliefert in der Sammelhandschrift UB Eichstätt, Cod. 695 (419), pag. 18–22: inhaltlich referiert bei HEIDLOFF, S. 297f. Teilübers. in: Rudolf OBERMEIER, Die Universität Ingolstadt. Köpfe – Begegnungen. Ingolstadt 1959, S. 43–46. Ähnlich rät auf der anderen Seite Georg von Gemmingen Wimpheling, er möge Locher als einen Verrückten behandeln; es lohne sich nicht, gegen eine solche bestia zu schreiben. Wimpheling, Briefwechsel, Nr. 265, S. 661.

13. Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510) 13.1. Neue alte Aufgaben für den Dichter des Kaisers Im Januar 1510,1 noch vor Erscheinen von Wimphelings »Contra turpem libellum philomusi defensio theologiae«, brachte Locher in Augsburg sein »Poemation de Lazaro mendico« zum Druck.2 Es ist nach einer langjährigen Pause wieder das erste (halb-) dramatische Werk des Philomusus. Der Hintergrund, vor welchem es steht, ist ein in vieler Hinsicht veränderter. Der Konflikt des Philomusus mit der Ingolstädter Theologie hatte nach dem Tod Zingels an Aktualität verloren. Ohne eine akute Notwendigkeit, die studia humaniora zu verteidigen, und ohne einen Loyalitätskonflikt zwischen Landesherrn und König (der Einfluss Habsburgs in Bayern war nach dem Tod von Maximilians Schwager Albrecht IV. im Jahr 1508 und unter der Vormundherrschaft für Wilhelm noch erstarkt) konnte sich der poeta laureatus wieder vermehrt der Reichspolitik zuwenden. Das bedeutendste reichspolitische Ereignis des Jahres 1508 war die Kaiserproklamation Maximilians gewesen, welche, nachdem Rom aufgrund des Widerstands der Venezianer für den Römischen König unerreichbar geblieben war, in Abwesenheit des Papstes am 4. 2. in Trient stattgefunden hatte. Der sich unmittelbar an die Proklamation des Kaisers anschließende Krieg des Reichs gegen Venedig war erfolglos verlaufen; nachdem die kaiserlichen Truppen am 2. 3. 1508 bei Cadore eine schwere Niederlage erlitten, die Venezianer dagegen im April und Mai bedeutende Städte wie Görz und Triest erobert hatten,3 schlossen sich im Dezember 1508 Kaiser, Papst, Frankreich und Spanien in der Heiligen Liga von Cambrai (angeblich einem Bündnis gegen die Türken) gegen Venedig zusammen.4 Die Liga litt bald unter der mangelnden Unterstützung der Reichsfürsten für die Politik des Kaisers und d. h. unter dem fehlenden Einsatz des Reichs; im Mai 1509 hatten Frankreich, der Papst und Spanien die ihnen zugesprochenen Landstriche erobert, während Maximilian noch immer vom Wormser Reichstag zurückgehalten wurde.5 Bis das schwache kaiserliche Heer im Juni die Alpen überquerte, war die Liga bereits zerbrochen; Ferdinand ______________ 1

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Der Widmungsbrief ist auf 5. 1. 1510 datiert, das dem Text beigegebene Lobgedicht auf Maria anlässlich des Empfängnisfestes (8. 12.) lässt auf ein nicht viel späteres Erscheinen schließen. Poemation Iacobi locher philomusi de Lazaro mendico: diuite purpurato / et inferno charonte. o. O. [Augsburg: Sylvanus Othmar], o. D. [1510] (Exemplar LB Stuttgart, Fr. D. qt. 423). Vgl. HEIDLOFF, Nr. XL, S. 82. WIESFLECKER IV (1981), S. 18–20. Ebd., S. 25. Ebd., S. 45–47.

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13.2. Ein lukianischer Dialog als „drama“

von Spanien und Papst Julius II. hatten sich gegen Frankreich gewandt und auf die Seite Venedigs geschlagen; Maximilian war auf Ludwig XII. von Frankreich als seinen einzigen Verbündeten gegen Venedig angewiesen und übertrug diesem das Herzogtum Mailand.6 Wo die militärischen Mittel fehlten, bemühte sich der Kaiser, die Bevölkerung Veneziens durch propagandistische Flugblätter von der „tyrannischen“ Signorie abzubringen und auf seine Seite zu ziehen, allerdings vergeblich.7 Padua, Verona und Vicenza hatten sich dem Kaiser zwar bei seiner Ankunft im Juni 1509 freiwillig ergeben; Venedig eroberte aber am 17. 7. 1509 Padua zurück. Von August bis zum 1. Oktober 1509 belagerte Maximilian vergebens und unter enormen Verlusten die Stadt. Dann versuchte er, sie durch die Verwüstung des Umlands von auswärtiger Hilfe abzuschneiden und auf diesem Wege zur Übergabe zu zwingen. Auch dieser Akt, der Maximilians Truppen den Ruf besonderer Grausamkeit einbrachte, war vergeblich.8 Kaum hatte sich der Kaiser Ende Oktober wieder ins Reich begeben, um neue Truppen aufzubringen, fiel auch Vicenza wieder in die Hände Venedigs. Allein Verona konnte – mit der Hilfe Ludwigs, der sich dafür brüstete, – gehalten werden.9 Nach dem Urteil des Mercurio Arborio di Gattinara, des späteren Großkanzlers Karls V., war Maximilians Ansehen nie so gering, seine Lage nie so prekär wie zu dieser Zeit.10 Bedenkt man, welch glorreichen Gesamtsieg des Friedensherrschers, des Verteidigers des Christentums und Beförderers der Künste Konrad Celtis in seiner »Rhapsodia« für die Zeit nach Maximilians Kaiserkrönung prophezeit hatte, musste für Maximilians Partei die aktuelle politische Situation um 1509/10 eine herbe Ernüchterung bedeuten. In dieser Situation tritt Locher wieder als um die Sache Maximilians bemühter poeta laureatus auf.

13.2. Ein lukianischer Dialog als „drama“ Als ein Gedicht „von geringer Bedeutung“ führt Josef HEHLE 1874 in seiner Darstellung von Jacob Lochers Leben und Werk das »Poemation de Lazaro mendico« ein. Den Dialog zwischen dem Klosterbruder Michael, dem armen Lazarus und Charon fasst er kurz zusammen: „Der bereits hochbetagte Bruder will durch die Vermittlung des Lazarus von Charon eine Verlängerung seiner Lebensfrist erwirken, aber ohne Erfolg. Das Ganze, von Locher etwas kühn als ein Drama bezeichnet, hat (...) eine didaktisch-paränetische Tendenz (‚Alle müssen sterben und zwar früher als sie meinen und wollen‘).“11 So ist das »Poemation« in die ______________ 6 7 8 9 10 11

Ebd., S. 51–56. Ebd., S. 55. Ebd., S. 56–63; DIEDERICHS, Nr. 66 (15.4.1510). WIESFLECKER IV (1981), S. 64. Bericht Gattinaras, 11.12.1509. WIESFLECKER IV (1981), S. 64 u. S. 519, Anm. 11. HEHLE II (1874), S. 42.

13. Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510)

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wissenschaftliche Literatur eingegangen, und es wird nicht erstaunen, dass es seitdem keine weitere Beachtung mehr gefunden hat; es schien zu genügen, HEHLEs Aussage zu kopieren.12 Im Titel nennt Locher sein Werk ein poemation, ein „Gedichtchen“, später wiederholt ein libellum. Im Argument aber spricht er von einem drama, und so bezeichnet es auch Bernhard Baumgartner in seinem dem Druck beigegebenen Epigramm. Nicht von einer comoedia, nicht von einer tragoedia, nicht von einem spectaculum ist die Rede: Offensichtlich sucht Locher wieder nach einer neuen Dramenform. Saturnalicium damus hoc tibi candide lector / Munus: et ingenue simplicitatis opus. At iocus hic nullus lascivit: nulla voluptas Prurit: ab effuso nec calet obba mero. Non fescennino reparantur carmina gestu: Nec spargit lepidos turba proterva sales. Non odor hic pinguis / nec adorea liba vaporant: Omnis abest nidor / ebrietasque libro. Lazarus has chartas mendicus pingit: et atrox Ostendit ditis livida regna charon (A1r). (Dir, günstiger Leser, übergebe ich diese für die Saturnalien geeignete Gabe, ein Werk auch von natürlicher Schlichtheit. Hier aber zeigt sich kein ausgelassener Scherz, keine Wollust regt sich, noch wird die Karaffe vom Weinausschenken warm. Die Dichtung wird nicht durch überschwängliche Gebärde aufgebauscht, noch streut die kecke Schar der Schauspieler geistreiche Witze aus. Hier gibt es keinen fettigen Geruch, noch dampfen Dinkelfladen. Jeder Dampf und Rausch fehlt dem Buch. Der arme Lazarus bestimmt diese bildreiche Rede und der grimmige Charon führt die finsteren Reiche Plutos vor.)

Mit diesen Worten empfiehlt Locher das Werk seinem Leser. Als Saturnalicium munus, Darbietung für die Zeit zwischen den Jahren, wird das Spiel in die Nähe des Fastnachtsspiels gestellt; aber anders als dieses sucht es seinen Platz nicht in Krapfendampf und Weinrausch, es will keine ausgelassenen Scherze, nichts Lüsternes präsentieren, nicht einmal bissig sein, ja, es will sogar auf übertriebene schauspielerische Gestik verzichten. Sprich: Alles, was das Fastnachtsspiel als solches kennzeichnet, und auch alles, was Lochers Dramen im Streit mit Zingel und Wimpheling vorgeworfen worden ist, soll entfallen. Ausdrücklich spricht Locher auch von einem liber, dem nidor und ebrietas fehlen. In seinem sapphischen Gedicht an den Zensor erklärt er: Est nec herous furor in libello Entheus perflat neque plectra buccis Spiritus: muse neque syrma nudos Contegit artus (B3r, V. 243–246).

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Vgl. BAHLMANN 1893, S. 17; HEIDLOFF, S. 166; RUPPRICH 21994, S. 642.

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13.2. Ein lukianischer Dialog als „drama“

(In dem Büchlein gibt es weder einen heroischen furor, noch durchweht die Verse aus [vollen] Backen ein himmlischer Geist, noch bedeckt die nackten Glieder der Muse ein Tragödienmantel.)

Zwar werden die Schrecken des Inferno dargestellt, zwar werde der Tisch des Reichen besungen, so fährt er fort, doch stehe fest, dass Lazarus der Sitz im Himmel zustehe (V. 253f.). Nicht nur vom Fastnachtspiel also will sich Locher absetzen, sondern auch von der Tragödie und von deren heroisch-stürmischem Geist (die Formulierung will vermutlich an Senecas »Hercules furens« anklingen), wenn auch der Schrecken des Todes und das hochgestellte Personal (der Reiche) Gattungselemente der Tragödie darstellten. Letztlich wolle er die Lehre des Gleichnisses unterstreichen. Locher baut hier eine Differenz zwischen biblischer Lehre und Theater auf, wie sie nur aus dem vorausgegangenen Streit verständlich ist. Zugleich aber beharrt er auf seiner Zusammenschau von Christlichem und antiker Mythologie, indem er Lazarus einen Sitz auf dem Olymp einräumt. In den Beitexten spricht der Philomusus mit großer Konsequenz von Lesern, nicht von Zuschauern seines Spiels. Der Öffentlichkeit der Aufführung setzt er eine angebliche Exklusivität der Schriftlichkeit entgegen: Cedite lectores: hoc carmen scripsimus uni: / Uni vel dedimus hec monumenta viro (Ad lectorem, A3v, V. 1f.), nur für einen einzigen Mann habe er dieses Gedicht geschrieben, nur einem habe er es zugeeignet, erklärt er. Dann aber akzeptiert er doch einige Leser: die, welche das Hermetische schätzen und zu verstehen vermögen. Quem iuvat in manibus tenebrosas voluere chartas / Nunc heracliti tristia verba legat (A3v, V. 7f.), wer gerne dunkle Schriftwerke in seinen Händen wälze, der solle nun die jammervollen, düsteren Worte des Heraklit lesen. – Mit den „Worten des Heraklit“ meint Locher wohl das berühmte, bei Origines überlieferte und u. a. von Petrarca breit thematisierte13 Diktum, Omnia secundum litem fieri,14 alles geschehe gemäß dem Gesetz der Zwietracht. Um Krieg und Tod also soll es in dem folgenden drama gehen. Zur Warnung soll dies dem Leser gereichen, wie aus dem Epigramm Bernhard Baumgartners hervorgeht: Quem iuvat in modico verum discernere libro: Verborum doctos atque videre tropos. Perlegat auctoris mysteria rara fidelis: Dramate pensato sic puto cautus erit. (B5v) (Wer gerne in einem kleinen Buch Wahres erkennen und gebildete Worte und Redefiguren finden möchte, der lese die seltenen Geheimnisse des rechtschaffenen Autors. Wenn er das Drama durchdacht hat, wird er, so denke ich, behutsam sein.)

Offensichtlich will Locher ein Lesestück, kein Schauspiel vorlegen. Dennoch heißt es am Ende des Texts, in einer unter der Überschrift Institutio melioris vite der ______________ 13 14

Petraca, De remediis utriusque fortunae, In librum secundum praefatio, S. 154. Die Vorsokratiker. In Auswahl hrsg. uund übers. v. Jaap MANSFELD, Bd. I. Stuttgart 1983, S. 258, Kelsos ap. Orig., C. Cels VI 42 (DK 22 B 80).

13. Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510)

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eigentlichen Handlung nachgestellten Handlungsempfehlung an das Publikum: vidimus antrum und monitus audivimus (B2r). Die Unmittelbarkeit der optischakustischen Wahrnehmung ist also durchaus insinuiert – für den impliziten Leser. Locher will zwar ein Buch schreiben, seinem Leser soll aber eine Szene vor dem inneren Auge entstehen. Er soll dieselbe überzeugende Unmittelbarkeit erfahren wie bei einem Theaterstück, ohne dass aber dem poemation der Vorwurf des Histrionenhaften gemacht werden könnte. Locher lehnt sich in der halbdramatischen Form seines Dialoggedichts wieder an ein klassisches Vorbild an. Anders aber als im »Ludicrum drama« oder in der »Historia« nennt er sein antikes Vorbild nicht. Die Themenwahl jedoch, die Figur des Charon und der Ort der Handlung verweisen unverkennbar auf die Totengespräche von Lukian. Seine Dialoge waren bereits seit Ende des 15. Jahrhunderts in einigen Drucken, sowohl im griechischen Original als auch in lateinischen Übersetzungen, verfügbar.15 Sie erfreuten sich unter den deutschen und niederländischen Humanisten besonderer Beliebtheit. Johannes Reuchlin übersetzte 1495 das 12. Totengespräch16 ins Deutsche, Ringmann Philesius erneut im Jahr 1507. Erasmus brachte 1506 alle Totengespräche in lateinischer Übersetzung heraus. Seiner Auffassung nach zeichnete Lukians Werke nicht nur stilistische Vorbildlichkeit aus, sondern auch eine besondere inhaltliche Aktualität, da sie zeitgenössische Verfallserscheinungen entlarven könnten.17 In seinem »Charon« sollte Erasmus 1523 diese Aktualität besonders unterstreichen, indem er Charon über die Massen der Toten klagen lässt, welche die allgegenwärtigen Kriege und Seuchen ihm lieferten.18 Christopher ROBINSON findet Hinweise, dass schon ab dem 14. Jahrhundert Dialoge Lukians an Schulen und Universitäten aufgeführt wurden, als Teil des Grammatikunterrichts;19 diese Aufführungen muss man sich wohl rezitativisch vorstellen. Indem sich Locher in diese Tradition der Lukian-Rezitationen stellt, geht er bewusst an die Grenze zwischen Dialog und Drama, die u. a. auch Bebel mit seiner comoedia vel potius dialogus umspielt (Kap. 8.5). Die nur wenig dramatischen Dialoge Lukians verbinden memento mori und Welterkenntnis. Sie erhalten ihren besonderen Reiz aus der ungewöhnlichen Perspektive, aus welcher sie die Welt zynisch-ironisch beleuchten, und aus der ______________ 15

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Vgl. Olga GEWERSTOCK, Lucian und Hutten. Zur Geschichte des Dialogs im 16. Jahrhundert. Berlin 1924, S. 21–28, neuerdings: Manuel BAUMBACH, Lukian in Deutschland. Eine forschungsund rezeptionsgeschichtliche Analyse vom Humanismus bis zur Gegenwart. München 2002 (Beihefte zu Poetica 25), S. 29 und die dort angegebene Literatur. ‚Philipp und Alexander‘. Nummerierung nach MACLEOD. Verw. Ausgabe: Lucian. Seventy Dialogues. Text nach der Ausg. v. Matthew D. MacLeod, eingel. u. komm. v. Harry L. Levy. Oklahoma 1976 (The APhA Series of Classical Texts). BAUMBACH, S. 34. Erasmus von Rotterdam, Charon, in: Collected Works of Erasmus, Bd. 40: Colloquies. Ins Engl. übers. u. komm. v. Craig R. Thompson. Toronto u. a. 1997, S. 818–830. Christopher ROBINSON, Lucian and his Influence in Europe. London 1979, S. 99.

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13.2. Ein lukianischer Dialog als „drama“

Zusammenstellung des Personals, die alle Standesgrenzen bricht. Merkur, der Götterbote, der die Welt von oben betrachtet, führt in mehreren der Dialoge die Toten zu Charon, wo sich dann der plötzliche Perspektivenwechsel vollzieht. Locher hat, durchaus provokant, Merkur durch die biblische Gestalt des armen Lazarus ersetzt. Der erste Holzschnitt zeigt ihn entsprechend dem üblichen ikonographischen Muster als armen Bettler vor dem Haus des Reichen, mit einer Andeutung seines späteren Sitzes im Schoße Abrahams am Himmel. Die nächsten beiden Illustrationen aber zeigen ihn im Redegestus und als Psychopompos. Die von seinen Kritikern wiederholt angegriffene, von Locher streitbar verteidigte Vereinbarkeit von antiker Mythologie (stellvertretend für die antike Bildung generell) und christlicher Lehre stellt der Dichter damit ins Zentrum seines neuen Werks. Im Widmungsbrief (A1v–2v) an den bereits erwähnten Bernhard Baumgartner, einen seiner Schüler und Sohn eines ordentlichen Professors für kanonisches Recht an der Universität Ingolstadt,20 vertieft Locher sein Bildungskonzept. Ein Leitbegriff des Briefs ist die recta vivendi ratio, welche Bernhards Vater Gabriel exemplifiziert und dem Sohn, der sie erlernen möge, vererbt habe: Perge igitur ut coepisti: sapientiam legalem ac pontificiam: cum politioris musae amenissimis diverticulis coniunge: ut ingenii tui olim maturos fructus partim patria et necessarii: partim comis studiosorum commoditas sibi vendicet (A2r). (Fahre fort, wie du angefangen hast: Verbinde die Weisheit des römischen und des kanonischen Rechts mit den höchst angenehmen Abwechslungen der edlen Muse, damit dereinst die reifen Früchte deines Geistes teils die Heimat und deine Angehörigen für sich in Anspruch nehmen, teils die freundliche Schülerschaft.)

Die Musenkünste stehen nicht im Gegensatz zu den Wissenschaften der höheren Fakultäten, vielmehr verhelfen sie den Aussagen jeder scientia zu besserer Aufnahme. Das Antik-Heidnische, dies hat Locher schon mehrfach betont, widerspricht nicht dem Christlichen, sondern es ist ein Ausdrucksmittel, welches auf der ursprünglichen Einheit von Dichtung, Philosophie und Theologie gründet und daher mit christlichem Denken gut vereinbar ist. In diesem Sinne erklärt er hier im Epigramm an Baumgartner, sein laurigerus libellus trage einen tieferen Sinn: Perlege / non lusus veneris: sed mystica sensa Continet: infernis recte speculata sub umbris (A2v). (Lies es durch: Es enthält keine Venus-Spiele, sondern birgt mystische Erfahrungen, hervorgegangen aus einer wahrhaften Schau der unter Schatten verborgenen Hölle.)

Das Buch soll nicht denselben Vorwurf erfahren, der dem »Iudicium Paridis« gemacht worden ist. Kein unter als lasziv verurteilbaren Bildern verborgener sensus mysticus soll hier dargeboten werden, sondern hier sollen sensa mystica, unmittelbare „mystische Erfahrungen“ von dem sonst unter Schatten verborgenen Wahren, vermittelt werden. Dieses Wahre ist im infernum, im Jenseits, angesiedelt, ______________ 20

Der jüngere Bruder Bernhards, der spätere Reformator Hieronymus Baumgartner, sollte wenige Jahre darauf ebenfalls bei Locher studieren. NDB I, S. 663f.

13. Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510)

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aus dem heraus sich auch bei Lukian eine neue Beleuchtung der Welt und der Sünden ergibt. Die Bezeichnung des Buchs als laurigerus lässt schließlich darauf schließen, dass das vorgeführte Welt- und Sündenverständnis in Einklang mit dem Auftrag des kaiserlichen poeta laureatus stehen soll. Die Auswahl der Texte, welche Locher in der Druckausgabe mit dem »Poemation« zusammenstellt, weist gleichfalls darauf hin, dass der poeta hier die Sache des Kaisers vertreten und auf Ereignisse in Politik und Religion reagieren will: Auf das »Poemation« folgt ein carmen augurale für Kaiser Maximilian (B3v–4r), in dem der Philomusus seinem Fürsten einen großartigen Sieg verheißt: Padua – vor dessen Mauern Maximilian 1509 große Verluste erlitten hatte – werde sich ihm unterwerfen, Rom werde seinen Triumphzug, und d.h. den Krönungszug (auf welchen Maximilian nach der Kaiserproklamation immer noch hoffte) erleben. Er werde das Chaos, die Finsternis, die Tyrannei besiegen Pacatis rebus sic aurea secla redibunt: / Ex meritis siquidem maximiliane tuis (B4r, V. 35f.). Dies ist die Zuversicht, die bereits aus Lochers frühen Spielen spricht, v. a. aber aus Celtis’ »Rhapsodia«. Gegen die Tadler der kaiserlichen Majestät richtet der Philomusus ein zorniges Epigramm. Unmittelbar an dieses schließt sich dann ein Gedicht auf das Fest von Mariä Empfängnis an (B4v–5r). Wie HEIDLOFF nachweist, steht es im Zusammenhang eines theologischen Streits in Bern, wo 1509 vier Dominikaner, welche die unbefleckte Empfängnis geleugnet hatten, als Ketzer verurteilt worden waren.21 Auf der letzten Seite des Bandes folgt endlich das bereits mehrfach erwähnte Epigramm Baumgartners auf Lochers drama (B5v). Durch die Klammerstellung des Widmungsbriefs an Baumgartner und des Epigramms von Baumgartner am Anfang und am Ende des Bandes sind das carmen augurale, die Erwiderung gegen die Beleidiger der kaiserlichen Majestät und das Mariengedicht eng mit dem »Poemation de Lazaro mendico« verbunden. Die politischen und das mariologische Gedicht verbindet das Thema der Erlösung und des zu erwartenden Friedensreichs sowie die Verurteilung von Tadlern der göttlichen Ordnung, von Reich und Religion. Man darf erwarten, ein ähnliches Thema auch im »Poemation« behandelt zu finden, und zwar aus der Perspektive von unten, durch die Hölle.

13.3. Der sensus mysticus Im argumentum (A3r) erfährt der Leser, dass das biblische Gleichnis vom armen Lazarus (Lk 16, 19–31) vor nicht allzu langer Zeit Diskussionsgegenstand in Lochers Literaturklasse und einem gelehrten Gespräch gewesen sei. Ein Mönch (quidam frater) namens Michael, veteranus christiane militie atque monastice exercitationis ______________ 21

HEIDLOFF, S. 166.

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13.3. Der sensus mysticus

decurio, habe in diesem Zusammenhang den Philomusus gebeten, in einem Büchlein den armen Lazarus für ihn, der er immer am Tisch des Reichen gesessen habe, bei Charon um eine Verlängerung seines Lebensfadens zu bitten und darum, dass er nach seinem Tod mit Lazarus im Schoß Abrahams sitzen dürfe. Es irritiert, einen solchen Auftrag an den Dichter nicht im Prolog oder in einem Widmungsbrief beschrieben zu finden, sondern im Argument, welches das Bühnengeschehen oder aber dessen Vorgeschichte (wie z. B. im »Iudicium Paridis« die Hochzeit der Thetis) zusammenfassen sollte. Gewisse Zweifel daran, ob der Schreibauftrag dem Philomusus tatsächlich so erteilt worden sei, sind daher sicherlich berechtigt und vom Dichter gewollt. Vor dem Hintergrund des angeblich in der Literaturklasse diskutierten Evangelientextes jedenfalls ist der Auftrag Michaels eine Unerhörtheit. Hart stößt sich auch die Beschreibung des Mönchs als eines decurio mönchischer Disziplin an seiner Eigendarstellung als eines Mannes, der gerne am Tisch des Reichen gesessen habe. Nicht der Typus des lüsternen, genusssüchtigen Alten aber, der aus Lochers letzten Werken bekannt ist, begegnet dem Leser hier, vielmehr findet der implizite Autor lobende Worte der Anerkennung für den frater, der ex solita sua urbanitate gesprochen habe, sine despectu legis evangelice (A3r, Z. 10f.). Offensichtlich berührt er mit seiner Bitte exakt den Gegenstand der Diskussion und damit den Kern des folgenden Dramas, nämlich die Frage nach der Vereinbarkeit von reichem Leben und Seligkeit oder genereller nach den Möglichkeiten der Erlösung des Einzelnen, komplementär zur Frage der Erlösung der Welt im Diesseits durch den Friedensherrscher und im Jenseits durch die Menschwerdung Christi, wie sie in den beiden anderen Texten des Bandes behandelt werden. Bono itaque zelo fidei motus: stimulante genio: et phebo musarum preside suggerente: poemation hoc feci: quod si medullitus legitur: non simplicem intellectum habebit (A3r). (Von gutem Glaubenseifer getrieben, angeregt vom Genius und beraten durch den Musenführer Apoll, habe ich dieses Gedicht verfasst, das, wenn es aufmerksam gelesen wird, nicht nur einen einfachen Sinn haben wird.)

Wieder betont Locher den mehrfachen Sinn seines Spiels. Um einen solchen zu erzeugen, fasst er Biblisches – für welches fraglos ein mehrfacher Schriftsinn existiert – mit Mythologischem, für welches er schon wiederholt einen übertragenen, mit dem Christentum vereinbaren Sinn beansprucht hat, zusammen. Einen Hinweis auf den Sinn des Spiels wird man zunächst in der Figur des „Michael“ vermuten. Als frater, also Franziskaner, als Vorsteher mönchischer Disziplin und als miles christianus sowie als Gelehrter, der in reichen Kreisen verkehrt, ist er im Argument bereits beschrieben. Im Dialog wird zudem erwähnt, dass er 60 Jahre alt sei (V. 56). Wollte man den Schreibauftrag, den „Michael“ dem Verfasser des Büchleins erteilte, wörtlich nehmen, müsste man versuchen, im Ingolstädter Franziskanerkloster (mit welchem Locher zu dieser Zeit nach-

13. Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510)

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weislich in engem Kontakt stand) oder in städtischen Urkunden der Zeit einen frater Michael nachzuweisen, der 1450 geboren wäre; eine solche Suche aber bleibt – zumindest bei der derzeitigen Überlieferungslage – erfolglos, und es bietet sich an, den Mönch eher als eine fiktive Figur zu verstehen.22 Im Titel des »Poemation« wird der Mönch, obwohl er eine der Hauptfiguren ist – und die einzige, die nicht dem Standardpersonal eines Lukianischen Totengesprächs (Charon und Merkur) nachgebildet ist –, nicht erwähnt. Stattdessen wird hier ein dives purpuratus angeführt. Der Reiche aus Lk 16, 19–31 ist nur im Argument genannt und im Titelholzschnitt abgebildet. Man könnte hierin eine Analogie zur Erwähnung des Sohnes im Titel des »Ludicrum drama« sehen; während aber der Sohn als Gegenstand des Streits im »Ludicrum drama« zumindest indirekt präsent ist, kommt dem Reichen im »Poemation« keine weitere Bedeutung zu, vielmehr geht es hier abstrakter um das Leben im Reichtum, an welchem auch Michael seinen Anteil hatte. ‚Michael‘ ist auf jeden Fall ein passender Name für die Gestalt, wie Locher sie beschreibt: Der Erzengel Michael steht nicht nur für den Gotteskämpfer und damit für den gerechten Krieg, wie ihn Locher, wie auch aus dem carmen aurgurale hervorgeht, für Maximilian deklarieren will (in dieser Rolle ist Michael bereits im »Spectaculum de regibus« aufgetreten, vgl. Kap. 10.2); am Michaelifest wird auch traditionell der Abschluss der Ernte gefeiert, und zwar mit einem üppigen Mahl angesichts der kommenden Kargheit des Winters. Auf eben diesen Gegensatz von Üppigkeit und Tod kommt es Locher an; er liegt auch einem großen Teil der Totengespräche bei Lukian zugrunde. Das »Poemation« beginnt nach einer bildlichen Darstellung der LazarusGeschichte mit einer ausführlichen Schilderung von gula und luxuria, die alle Welt beherrschten und korrumpierten. Nicht auf der Bühne werden sie dargestellt – dies hatte sich Locher für sein drama verboten –, sondern in Distichen beschrie______________ 22

Denkbar wäre es durchaus, dass Locher in der Gestalt des Michael dem am Michaelitag (29.9.) 1455 geborenen, nun also langsam auf die 60 zugehenden, Fürstbischof von Eichstätt, Gabriel von Eyb, eine Identifikationsfigur geben wollte. Gabriel war nicht nur ein Parteigänger Maximilians und ein begeisterter Büchersammler und Förderer humanistischer Bildung und Kunst, sondern in seinem Haus fanden auch gelehrte Tischgespräche statt. Vgl. Eberhard Freiherr von EYB / Alfred WENDEHORST, Gabriel von Eyb (1455–1535), in: Fränkische Lebensbilder, Bd. 12. Hrsg. v. Alfred Wendehorst u. Gerhard Pfeiffer. Neustadt 1986 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte 7a), S. 42–55, S. 44f u. 47f.; Alois SCHMID, Gabriel von Eyb (1455–1535), in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Hrsg. von Erwin Gatz, Bd. 2. Berlin 1996, S. 171–173, S. 173. Locher dürfte mit Gabriel von Eyb in Verbindung gestanden haben. Die überlieferten Tischordnungen verzeichnen eine Reihe von Gelehrten – Räte und Schulmeister –, darunter auch einen „Maister Jacob“. Josef SEGER, Der fürstbischöfliche Hofstaat zu Eichstätt unter den Bischöfen Gabriel von Eyb und Eberhard II. von Hirnheim, Sammelblatt Historischer Verein Eichstätt 88/89 (1995/96), S. 99–113, S. 100, 104f. Gabriel von Eyb als den einen Adressaten der Schrift zu identifizieren, ginge aber sicherlich zu weit. Das Büchlein ist Baumgartner gewidmet und könnte auch auf dessen Vater Gabriel verweisen. Außerdem will es, wie der wiederholten Verweis auf den sensus mysticus verdeutlicht, Grundsätzliches, also gerade kein individuelles Schicksal diskutieren.

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13.3. Der sensus mysticus

ben, als eine Narrheit der Welt. Der Philomusus schließt mit dem Hinweis, dass solches Leben den Körper zersetze und in den Tod führe. Dann gelte (die berühmte epikureische Sentenz): post mortem nulla voluptas (V. 29, A4v). Allerdings bestehe doch noch Hoffnung, und so schließt die Darstellung der Verderben bringenden gula und luxuria unvermittelt mit der Sentenz: Qui bibit et comedit / forte beatus erit (V. 30). Die unerwartete Wendung durch fors, die im Widerspruch zur eindeutigen Lehre des Gleichnisses steht, ist das, was Michael sucht. Hier erst beginnt der Dialog. Lazarus beschreibt den verfallenen alten Körper des Michael, Konsequenz seines üppigen Lebens. Er verspricht ihm dennoch, dass er in den Himmel eingehen werde: in celum tendas (V. 50, A5r); ein Teil der folgenden Bitte ist Michael damit bereits erfüllt. Noch aber bittet er zunächst um eine Verlängerung seines Lebens, bevor er mit Lazarus das himmlische Leben genießen und die sacros triumphos (V. 67) betrachten werde. Lazarus erklärt sich gern dazu bereit, ihn auf seinem schweren letzten Weg zu begleiten. Zu seinem Trost erklärt er, Pars tamen evadit: felicis pascua campi Aspiciens / prius at multis purgata sub annis (V. 88f, A5v). (Ein Teil aber entkommt und erblickt die Weide der Seligen – zuvor allerdings viele Jahre lang geläutert.)

Damit ist die Ausgangsfrage des Spiels bereits generell gelöst: Auch ein Reicher kann selig werden, nach einer Läuterung. Wie aber diese Läuterung aussieht, erfährt der Leser erst im Folgenden. Hier erscheint Charon. Lazarus bittet diesen, sich bei den Schicksalsgöttinnen für Michael einzusetzen. Dieser aber lehnt ab. Schließlich aber lenkt er ein. Er habe im Moment ohnehin so viel zu tun, dass er Michael nicht sofort über den Styx führen könne. Dieses Motiv ist aus Lukian bekannt. Im 14. Totengespräch hofft Charon auf einen Krieg, damit endlich so viele Seelen zu ihm kämen, dass er aus ihrem Obolus die Reparaturen an seinem Kahn bezahlen könne; im 20. Totengespräch ist dann der brüchige Kahn heillos überlastet. Die Szene ist in Lochers Lesedrama mit einem Holzschnitt illustriert. Dieser zeigt neben der Dreiergruppe Michael, Lazarus und Charon eine große, für den Kahn zu große, Schar von Seelen, welche flehend die Hand erheben. Es handelt sich bei ihnen um die Gefallenen der zeitgenössischen Kriege in Italien. Innumeri manes / hec circum flumina / membris Discurrunt laceris: et sautia pectora nudant. Huc venere acies: quas Longobardica tellus Misit / et insubrium fuderunt prelia ferro. Huc Venetum truncata cohors: et rustica pubes Lancea theutonici quam nuper longa cecidit Militis: et stravit francorum bellicus ensis. Horrendas facies cernis: miserandaque mortis Agmina: que fedo sunt commaculata cruore.

13. Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510)

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Hec bellona ferox: hec implacata megera Anguiferos quatiens crines: in bella vocavit. (A6v, V. 119–129) (Unzählige Seelen irren mit zerfetzten Gliedern um diese Fluten herum und entblößen ihre verletzte Brust. Hierher sind die Schlachtreihen gekommen, welche die Lombardei geschickt hat und die die Kämpfe der Mailänder mit dem Schwert aus dem Felde geschlagen haben. Hierher sind die verstümmelte Kohorte der Venezianer und das Bauernvolk [= die Schweizer] gekommen, welches jüngst die lange Lanze der deutschen Soldaten getötet und die das kriegerische Schwert der Franzosen niedergestreckt hat. Du siehst schreckliche Mienen und elende Todesscharen, die alle von grässlich anzusehendem Blut besudelt sind. Die wütende Bellona und die grausame Megäre, die ihre Schlangenhaare schüttelt, haben sie in die Schlachten gerufen.)

Jacob Locher, Poemation de Lazaro mendico. o. O. [Augsburg: Sylvanus Othmar], o. D. [1510] , A6r

Aus der Perspektive „von unten“ drängt sich plötzlich eine ganz andere Facette der Welt in den Vordergrund, die am Tisch des Reichen nicht beachtet worden war. Nicht die fröhliche Prasserei prägt das Gesicht der Welt, sondern die Gräuel der Kriege, welche innerhalb des Reichs – und v. a. bei den Reichsfürsten – allzu wenig Beachtung fanden. Hier nun erhält der Leser scheinbar aus erster Hand Nachricht von den Kriegen. Es fällt auf, dass sich unter den Seelen, die von Charon übergesetzt werden wollen, keine Deutschen befinden. Es sind die Feinde des Reichs, die, wie Charon später erklärt, zum Höllensee geführt werden, wo sie Foltern und Strafen erwarten, wo man ein Zähneknirschen, Seufzen und Heulen

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13.3. Der sensus mysticus

hören wird (V. 171–173). Der Krieg und ihre Verurteilung, die unmittelbar zusammenhängen, erscheinen als eine gerechte Strafe Gottes: Sic rector divus23 statuit: sic fata volebant Ut tandem multo latialia regna perirent Sanguine: vel pessum rueret morbosa tyrannis / | Sic fiunt clades: sic tristia bella moventur. Sic mesto gemitu passim clamatur ad arma. O male fidentes rebus / fortuna superbos Elevat: Impostrix sed numquam perpete cursu Persistit: vanam regnis spem ponitis amplis (A6v–B1r, V. 130–137). (So hat es der göttliche Weltenlenker eingerichtet, so wollten es die Bestimmungen des Schicksals, dass die italienischen Königreiche endlich im vielen Blut erstickt würden oder aber die kranke Tyrannenherrschaft stürzend untergehe. So kommen Niederlagen zustande, so werden traurige Kriege geführt, deshalb wird mit wehmütigem Stöhnen allenthalben zu den Waffen gerufen. Oh ihr, die ihr zu eurem Unglück auf die Dinge vertraut! Fortuna erhebt die Stolzen, doch niemals hält die Betrügerin inne in ihrem ewigen Rundlauf. Ihr setzt eine eitle Hoffnung auf mächtige Reiche.)

Wie in Lochers früheren Tragödien, aber auch wie in den von Maximilian aktuell verbreiteten Flugblättern, geht es hier um die Tyrannis. Ungerechter Machtanspruch und superbia mögen zwar zu kurzzeitigen Erfolgen führen, wie das Beispiel der Venezianer gegenwärtig zeigt, letztlich aber sind sie der göttlichen Gerechtigkeit und ihrem Werkzeug Fortuna unterworfen, letztlich wird es ihnen ergehen wie jedem Helden einer Tyrannentragödie. Doch nicht die Schuld eines einzigen Tyrannen ist hier zu beklagen, sondern der Sitten- und Gerechtigkeitsverfall der Welt: Niemand mehr halte sich an Religion und Gesetze (Nemo colit superos: nullis astrea veretur / Legibus, B1r, V. 138f.), die alten Werte wie pietas, dilectio, virtus, probitas morum und constantia mentis seien verschwunden (V. 141f.), Gerechte und Ehrenhafte hätten nichts mehr zu sagen, vielmehr beherrschten Laster die Welt. Inter mille homines vix est sanabile membrum. Moribus antiquis non est habitatio tuta. Polluti ruitis vapidas phlegetontis in undas (B1r, V. 150–152). (Unter tausend Menschen findet man kaum ein heilbares Glied. Die alten Sitten haben keine sichere Bleibe mehr. Besudelt stürzt ihr euch in die trüben Wogen des Phlegeton.)

Charon lässt keinen Zweifel daran, dass, wenn die Menschen ein besseres Leben führten oder wenn ein vivendi rectior ordo (B1v, V. 164) eingeführt würde, weit weniger Seelen am Ufer des Styx stünden. Aber die Menschen stiegen freiwillig in die Hölle hinab (B1v, V. 174f.). Diese Schrecken der Hölle zu „sehen“ (Vidisti metuenda ... / Ditis regna feri, B1v, V. 183f.) soll, wie Lazarus in den Abschlussworten erklärt, Michael eine Warnung sein, sich vor einem solchen Tod zu bewahren (Si sapis ergo cave: tam dure ______________ 23

divus ] diuum.

13. Das Antidrama. Poemation de Lazaro mendico (1510)

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vincula mortis, B2r, V. 194). Hier endet das „Drama“. Es folgen noch, ähnlich wie im »Iudicium Paridis«, zwei didaktische Gedichte. Im ersten, überschrieben mit Institutio melioris vite (B2r), spricht ein nicht näher bestimmtes „Wir“: Wir haben die Grotte Plutos gesehen (V. 195), wir haben die Rede Charons gehört (V. 200), wir fliehen daher die Schatten und loben Gott (V. 202f.). An dieses Bekenntnis der „Zuschauer“ schließt sich eine Aufforderung an die mortales, an die Menschheit als solche, an, Reichtümer und Luxus zu meiden, die ein Werkzeug des Üblen seien (V. 206f.). Hier kommen die beiden Themen des Werks zusammen: Der Reichtum, der anfangs verurteilt wurde, erscheint als die Rückseite des Aufbegehrens gegen die göttliche Ordnung, der Tyrannis, die von Gott im Krieg bestraft wird. Die Schrecken dieses von Gott verhängten Krieges bieten sich als ein Ausgreifen der Hölle ins Diesseits dar. Die Handelsstadt Venedig darf als ein Exponent dieses widergöttlichen, sich gegen die gerechte Herrschaft sträubenden Reichtums gesehen werden; der Vorwurf des »Poemation« trifft aber auch die deutschen Reichsfürsten, die, um ihren Reichtum zu schützen, den gerechten Krieg nicht unterstützen. Lochers Warnung also richtet sich nicht nur generell an die Menschen, dass sie dem Sittenverfall, der den Nährboden der Tyrannis schaffe, entgegenwirken, sie richtet sich auch an die Kräfte im Reich, die sich zu entscheiden haben, auf wessen Seite sie sich stellen: auf die Seite der Fürsten, die indirekt Venedig unterstützten, oder auf die Seite des Vertreters der göttlichen Gerechtigkeit, des wahren miles Christi, nämlich Maximilians.24 Das zweite Gedicht, Aetatis ferree procursus (B2v), beschwört noch einmal die Schrecken des Krieges, nun in einem gleichsam apokalyptischen Bild, verbunden mit der Verkehrung der Weltordnung; die Sterne ändern ihren Lauf; Staat, Religion und private Ordnung zerbrechen und die Götter blasen zur Vernichtung der Menschheit. Dies ist das Inferno, welches anfangs als Gegenstand des »Poemation« angekündigt worden ist. Die Zerstörung der Welt aufgrund des moralischen Niedergangs der Menschen (das Mariengedicht setzt dem die Heilsgewissheit entgegen) ist der sensus tropologicus des mehrdeutigen Dialoggedichts. Neben dem Schicksal der Vielen steht aber das Schicksal des Einzelnen, der, sofern er sich auf die Seite der Tugend schlägt und sich im Genuss des Reichtums nicht gegen die göttliche Ordnung stellt, doch gerettet werden kann: sensus moralis. Der historische oder politische Sinn des „Dramas“ aber besteht im direkten Appell an die Reichsfürsten und generell an alle am Italienkrieg Beteiligten (inklusive der Bevölkerung Oberitaliens und inklusive der Söldner, welche Maximilians Heer aufgrund mangelnder Bezahlung verließen), sich nicht aus Habgier und Geiz auf die Seite der gewinn- und herrschsüchtigen Venezianer zu schlagen, sondern die Politik des Kaisers, des Garanten der göttlichen Ordnung, zu unterstützen. Dieser Sinn des »Poemation« wird durch die beiden auf den Text folgenden Gedich______________ 24

Gabriel von Eyb, der dem Wormser Reichstag von 1509, wo er Maximilian hätte unterstützen können, fern geblieben war, durfte dies wohl als eine sanfte Mahnung verstehen.

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13.3. Der sensus mysticus

te, das carmen augurale und das Epigramma contra oblocutores maiestatis caesaree, unterstrichen. Das ist die Propaganda, welche Maximilian in der gegenwärtigen Situation, in der es um seinen Ruf und seine Politik schlecht steht, dringend braucht. Das ist aber auch die Rechtfertigung, die der geschmähte poeta des Kaisers dringend benötigt: Hier ist er in seiner Aufgabe bestätigt. Die Kunst ist hier keineswegs unnütz und steril wie ein Maultier. Antike Bildung, Religion und Dienst am Staat bilden in diesem drama eine untrennbare Einheit. Dieses Konzept führt Locher gegen seine Tadler vor, als Erziehungsprogramm für den Sohn des hoch angesehenen Kanonistik-Professors und als Auftragswerk für den Fürstbischof. Auf eine klassische Dramenform verzichtet der Philomusus: Das drama hat nicht nur keine klassische Binnengliederung, sondern es ist auch nach außen hin nicht scharf abgegrenzt. Die anderen Texte im selben Band bilden eine Einheit mit dem poemation, die nur schwer aufgelöst werden kann. Es ist also ein strukturell offener Text. Ähnlich wie Wimphelings in den Redekontext eingebetteter »Stylpho« ist das drama nur eine andere Form der Rede; es ist Teil des Gesamtbands, dessen Einzeltexte aufeinander bezogen sind und dem gleichen Ziel zustreben; Anfang und Ende des „Dramas“ liegen außerhalb des dialogischen Textes, und doch kann der Dialogtext auch losgelöst von seiner Umgebung als „Drama“ rezipiert werden. Auch inhaltlich ist der Text offen, denn zwar deutet Charon in seiner Rede das Schema einer Tyrannentragödie an, diese aber spielt sich nicht unmittelbar dort ab, wo das Gespräch geführt wird, sondern der Unterwelt-Fährmann öffnet gleichsam nur ein Fenster aus dem Orkus auf die Tyrannentragödie, welche sich auf der Welt abspielt. Ob das Geschehen dort oben aber tatsächlich dem Tragödienschema folgt, ob der Tyrann gestürzt wird oder mit ihm die gesamte Welt fällt, bleibt offen. Die Schilderung der Gräuel des Krieges, welche in die Schrecken der Hölle hinüber reichen, ist bildlich und will den Leser unmittelbar ansprechen, dennoch sucht das »Poemation« nicht dieselbe Unmittelbarkeit wie ein Theaterstück. Der Leser soll vielmehr durch den verfremdeten Blickwinkel „von unten“ angeregt werden, das Geschehen auf mehreren Sinnebenen zu verstehen. Die Tragödie des Tyrannen, die Tragödie der Welt, die dramatische Geschichte des Einzelnen soll vor seinem inneren Auge entstehen, je nach eigener Wertung. Das allerdings setzt auch Erfahrung mit Tragödienaufführungen voraus. Das »Poemation« ist so ein drama absichtlich ohne Erfüllung der Gattungskonventionen, gerichtet gegen die Tadler des Dramas. Es ist eine Verteidigungsschrift für den Dichter, den Kaiser und Fides – das Dreigestirn, welches Locher auch in seiner programmatischen »Tragedia« vorgestellt hat. Nach langem Streit um den Wert der Dichtung erinnert er damit an seine damalige Selbstdarstellung als poeta laureatus, die, auch wenn er mittlerweile zum Teil andere Ausdrucksformen gefunden hat, noch immer Gültigkeit besitzt.

14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513) 14.1. Wer ist der Gegner? Als Locher sein »Poemation« verfasste, war der Gegner des Reichs noch leicht auszumachen: Venedig, Inbegriff der Tyrannei, der Herrschaft der Reichen wider die gottgewollte Herrschaft des Reichs, war literarisch leicht zu einer Negativfigur zu stilisieren; Lochers Gedicht entsprach im Tenor den Propagandaschriften, die Maximilian in Italien hatte verbreiten lassen. Wenige Jahre später allerdings zeigt sich die politische Situation entschieden verändert. Während im Jahr 1510 Frankreich und das Reich eine Front gegen Papst, Venedig und die Schweizer gebildet hatten, traten 1511 vermehrt Spannungen zwischen Frankreich und dem Reich auf. Dem ursprünglich auf Bestreben Frankreichs und Deutschlands einberufenen gegen Julius II. gerichteten Konzil von Pisa blieben im September 1511 daher auch die deutschen Teilnehmer fern, da Maximilian nun einen französischen (Gegen-) Papst fürchtete. Als sich im Oktober 1511 eine neue Heilige Liga aus Papst, Spanien, England und Venedig formierte, wurde der Kaiser zum Beitritt eingeladen.1 Noch im selben Jahr einigte sich Maximilian mit den Schweizern.2 Ende Januar 1512 erklärte er dem französischen König, er sei zu Friedensverhandlungen mit der Liga gezwungen, nicht zuletzt deswegen, weil Frankreich ihm nie rechtzeitig geholfen und immer dann, wenn er dem Ziel nahe gewesen sei, die Truppen abgezogen habe.3 Bereits im April schloss er einen Waffenstillstand mit Venedig. Als im Mai die Schweizer einen Angriff auf die Franzosen in der Lombardei starteten, zog Maximilian seine Truppen zurück; die Schweizer eroberten Mailand, der Papst und die Spanier nahmen Bologna ein. Ludwig XII. war zum Rückzug aus Italien gezwungen.4 Nun trat Maximilian – auch weil er erfuhr, dass Ludwig mit Venedig verhandelte, – endgültig zur anderen Seite über.5 Er begründete dies vor den Reichsständen damit, dass Frankreich den Herzog von Geldern gegen ihn unterstütze,6 aber auch mit dem kaiserlichen Schutzauftrag für die Kirche, welche ______________ 1 2 3

4 5 6

WIESFLECKER IV (1981), S. 95; WIESFLECKER 1991, S. 170. WIESFLECKER IV (1981), S. 102. Burgundischer Bericht vom 23.1.1512, in: Lettres du Roy Louis XII. Hrsg. v. Jean Godefroy, Bd. 3. Brüssel 1712, S. 123f. zit. nach: WIESFLECKER IV (1981), S. 97; vgl. ebd., S. 348. WIESFLECKER IV (1981), S. 102, 349; WIESFLECKER 1991. S. 171. WIESFLECKER IV (1981), S. 103, 350; WIESFLECKER 1991, S. 171. Bericht Jacob Hellers an den Rat zu Frankfurt, Trier, 19. 6. 1512, in: Frankfurts Reichscorrespondenz nebst andern verwandten Aktenstücken von 1376–1519, hrsg. von Johannes Janssen, Bd. 2:

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

durch die Franzosen ernsthaft gefährdet sei.7 Der gewichtigste Grund aber ist ihm der Verrat Ludwigs am Bündnis, er habe … sin hulff stedtz auff nicht anders dan zu eynem schyn by irer may. gehalten und dazwuschen alleyne synen fortell, und das kay. may. sin hulff zu kayner ußrichtung erschlossen, sondern irer kay. may. meher auffzehren und ußmerglen wouldt, bedrachtet. Dan so offt kay. may. kriegslaufft glucklich gestanden sin, also das kays. may. den sieg in der hand gehabt und diß ußdrags gehofft, hait ir may. allweg an eme und den synen nachtaill und mangel gefunden, also das sy entweders zu langcksam angetzogen oder, wan sy glich ankomen, im feldt verlegen, oder, so es noyt gethan hait, vangestelt und abgefordert sin.8

Matthäus Lang verhandelte für Maximilian im November 1512 in Rom; es konnte allerdings nur eine Einigung mit dem Papst, nicht mit Venedig erzielt werden.9 Am 3. 12. sprach Julius II. den Bann gegen Ludwig XII. aus; am 29. Dezember 1512 wurde Massimiliano Sforza offiziell als neuer Herzog von Mailand eingesetzt, obwohl die Franzosen immer noch das Kastell besetzt hielten. In dieser Situation einer massiven Frontstellung gegen Frankreich, die nach den Plänen Julius’ II. auf die „Befreiung Italiens von den Barbaren“ zielte, d. h. auf die stufenweise Verdrängung der Franzosen, der Spanier und der Deutschen,10 starb am 21. 2. 1513 der Papst, und damit war wieder eine neue Verteilung der Parteien ermöglicht. Sein Nachfolger, Giovanni de Medici als Leo X., hatte kein Interesse an dem von seinem Vorgänger entwickelten Kriegsplan. Er entsandte Friedensmissionen an den Kaiser sowie nach Frankreich, England, Spanien und Venedig. Seine Hoffnung richtete sich auf einen gemeinsamen Türkenzug der europäischen Mächte.11 Inzwischen hatte nämlich im Frühjahr 1512 Selim I. seinen friedfertigen Vater Baijezid von der Herrschaft verdrängt, was als eine unmittelbare Bedrohung für das Abendland erschien und weshalb auf dem gegen die Schismatiker von Pisa einberufenen Laterankonzil, welches im April 1512 begonnen hatte, wiederholt zum Türkenkrieg aufgerufen wurde.12 Dessen ungeachtet entstanden Anfang 1513 neue Kriegsbündnisse: Im März schlossen sich Venedig und Frankreich zur Rückeroberung der verlorenen Gebie______________ 7

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Aus der Zeit Kaiser Friedrichs III. bis zum Tode Kaiser Maximilians I. 1440–1519. Freiburg 1866, S. 852, Nr. 1079; Maximilian an die Reichsstände, Köln, 19. 7. 1512, ebd., S. 866, Nr. 1085. Maximilian an die Reichsstände, Trier, 19.6.1512, ebd., S. 852–856, Nr. 1080; wörtlich wieder in: Maximilian an die Reichsstände, Köln, 19.7.1512, ebd., S. 866, Nr. 1085. Ebd., S. 855f. WIESFLECKER IV (1981), S. 109–112; WIESFLECKER 1991, S. 172. WIESFLECKER IV (1981), S. 107. Ebd., S. 117; WIESFLECKER 1991, S. 173. Egidius von Viterbo schildert in seiner Oratio Prima Synodi Lateranensis habita von 1512 die Verwüstungen in Ungarn, die er mit eigenen Augen gesehen habe. GÖLLNER I, Nr. 52, S. 45; Ähnliche Berichte liefern im Dezember 1512 Christophorus Marcellus (ebd., Nr. 54, S. 46) und im Mai 1513 Simon Benignius (ebd., Nr. 58, S. 50). Balthasar Del Rio schließlich fordert im Juni 1513 Papst Leo auf, als geistliches Oberhaupt der Christenheit den Kampf gegen die Türken zu beginnen (ebd., Nr. 60, S. 51). Vgl. dazu: WIESFLECKER IV (1981).

14.1. Wer ist der Gegner?

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te zusammen; im April antwortete Maximilian hierauf mit der Formierung der Hl. Liga von Mecheln, eines Angriffsbündnisses zwischen dem Reich und England gegen Frankreich. Schließlich traten diesem auch Spanien, die Eidgenossen und der Papst bei. Ferdinand von Aragon allerdings schloss zur gleichen Zeit einen Waffenstillstand mit Frankreich an der Pyrenäenfront.13 Im Mai begann der französische Angriff in Italien; Ludwig XII. wurde aber im Juni von den Schweizern bei Novara geschlagen und musste sich über die Alpen zurückziehen.14 Zugleich begannen die Angriffe der Liga auf Flandern und Burgund; Heinrich VIII. landete Anfang Juni in Calais und eroberte gemeinsam mit Maximilian im August 1513 Thérouanne, woraufhin sich der Kaiser in prächtigen Siegesfesten als neuer Julius Caesar verherrlichen ließ.15 Mit kaiserlicher Hilfe stießen die Eidgenossen gegen Dijon vor, welches sie am 9. 9. eroberten. Schon am 13. 9. aber schlossen sie Frieden mit Frankreich,16 was Maximilian allerdings entweder nicht bekannt wurde oder aber er bewusst verschwieg.17 Die Angriffe der Liga gegen Frankreich wurden fortgeführt; am 23. 9. 1513 fiel Tournai in die Hände der englischkaiserlichen Armee,18 im Oktober triumphierte die kaiserlich-spanische Armee bei einer großen, verzweifelten Feldschlacht bei Agnadello und eroberte bald darauf Vicenza.19 Bereits im August hatte sich der Papst erneut um einen europäischen Frieden bemüht. Im Oktober besuchte Nuntius Lorenzo Campeggio den Kaiser, er solle zunächst einen Ausgleich mit Venedig suchen. Auch Frankreich lenkte ein und gab den Kirchenkampf auf. Nach der Formulierung WIESFLECKERs schien geradezu ein „Wettlauf um den allgemeinen Frieden“ einzusetzen.20 Dies dürfte es auch sein, worauf der Landauer Mathematiker und Geograph Jakob Ziegler in seiner Widmung von Platinas »Dyalogus de vera nobilitate« an Locher anspielt: Novarum rerum ingens farrago est. at adeo mendax ut ex Italia vix quippiam affirmare possim. Unum est quatenus rumificant negociatores quod spargunt ubique locorum tabellarii Papam grandia facta moliri Gallum itidem Caesarem et Arragonum regem pariter niti magna (D4v).21

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18 19 20 21

WIESFLECKER IV (1981), S. 118f., 353; WIESFLECKER 1991, S. 173f. WIESFLECKER IV (1981), S. 123, 354; WIESFLECKER 1991, S. 174. WIESFLECKER IV (1981), S. 127f.; Ain new Lied von der grossen niderlag vor der statt Terwan durch vnsern allergnedigsten herrn den Kayser, vnd künig von Engelland wider den künig von Franckreich. Hrsg. v. Joseph Freiherr von Hormayr. Tb. für die vaterländische Geschichte, N.F. 4 (1833), S. 335–340. WIESFLECKER IV (1981), S. 127–132, 354f.; WIESFLECKER 1991, S. 175. „und ziehen furtter dasselb hertzogthumb Burgundi zu erobern, von dannen weyter in Franckreich zu tziehen“, Maximilian an den Rat zu Frankfurt, Torneck, 23. 9. 1513, in: Frankfurts Reichscorresponenz, Bd. 2, S. 895, Nr. 1123. WIESFLECKER IV (1981), S. 127. Ebd., S. 134f.; WIESFLECKER 1991, S. 175f. WIESFLECKER IV (1981), S. 136. Bartholomaeus Platina, Dialogus de vera nobilitate. Erfurt: o. Dr., 1510 (Exemplar SB München, L. impr. c. n. mss. 4° 100). Vgl. Friedrich BOLL, Jakob Locher und Jakob Ziegler. Blätter für das Gymnasial-Schulwesen 37 (1901), S. 370–373, S. 370, der fälschlich vom Titelblatt spricht.

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

(Es gibt ein riesiges Durcheinander von Neuigkeiten, jedoch so unzuverlässig, dass ich kaum irgendetwas Sicheres aus Italien berichten kann. Eine Sache gibt es, soweit die Kaufleute berichten und was allerorten die Boten verbreiten, nämlich dass der Papst große Dinge in Bewegung setze und dass gleichfalls der Franzose, der Kaiser und der König von Aragon gemeinsam etwas Bedeutendes vorhaben.)

Am 9. 11. begannen die harten Friedensverhandlungen in Rom, bei denen sich Maximilian durch Matthäus Lang vertreten ließ. Sie mündeten schließlich nur in ein Übereinkommen für einen einjährigen Waffenstillstand (4. 3. 1514), der allerdings von Venedig nicht ratifiziert wurde.22 Verlustreiche Kriege an allen Fronten – die Situation, wie sie Locher in seinem »Poemation« von unten beschrieben hatte –, dazu aber eine radikale Unsicherheit durch wiederholte Bündniswechsel und Bündnisbrüche, die eine moralische Kategorisierung der Parteien der Beliebigkeit anheim stellten, prägten das Bild des Jahres 1513. Der Ruf nach einer neuen, moralischen Weltordnung wurde nun in den Bemühungen des neuen Papstes, einen europäischen Frieden herzustellen, laut, damit man der allgemeinen Vernichtung entgehe und damit neue Aussicht auf einen Türkenkrieg bestehen könnte. Der Philomusus fängt in einem neuen, seinem letzten, Drama diese Stimmung im Herbst 1513 ein: die Hoffnung auf einen Frieden,23 wie ihn Leo X. erstrebte. Lochers Drama blieb ohne Titel und ungedruckt, vermutlich weil sich noch vor einem möglichen Drucklegungstermin die Hoffnungen auf einen europäischen Frieden zerschlagen hatten; erneute Bündniswechsel und erneute Kriege standen an. Eventuell erschien es Locher auch wenig opportun, gerade in dem Jahr ein pro-maximilianisches politisches Drama zu veröffentlichen, in welchem sich seine Landesfürsten, Wilhelm und Ludwig von Bayern, einander annäherten, um Maximilians Einfluss auf Bayern zu mindern. Letztlich wäre es auch denkbar, dass Lochers Gattungsexperiment ihn selbst nicht wirklich befriedigen konnte. Die (ältere) Forschung jedenfalls fällt, sofern sie Lochers letztes Drama überhaupt beachtet, keineswegs ein besseres Urteil über dieses als über die anderen Stücke seiner Zeit.24 Nichts Neues war für den Philomusus die Gattung Historiendrama, eine Herausforderung aber bildete die neue Ausrichtung des Spiels: Kein Sturz eines Tyrannen, kein gerechter Krieg gegen einen Übeltäter sollte dargestellt werden, sondern ein Friedensschluss. Welche Form sollte hierfür angemessen sein?

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24

Ebd., S. 136–139, 356f. Mit dem Jahr 1513 und mit der Vorstellung, durch die Eroberungen dieses Jahres sei ein politisches Ziel erreicht, endet übrigens der »Weißkunig«. GEIGER 1887/88, S. 72–77, S. 76: „Das interessante kleine Drama ist technisch so ungeschickt, wie die meisten, ja man könnte fast sagen, wie alle gleichzeitigen humanistischen Erzeugnisse.“

14.2. Die Suche nach der angemessenen Form

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14.2. Die Suche nach der angemessenen Form Locher erkennt das Gattungsproblem für sein neues Unterfangen. Er reflektiert es im Prolog: Res non est tragico vestita syrmate Quamvis veterum more chorus incinat Nec25 prorsus humi serpens soccum induit Regum id prohibet ingens colloquium Quod singulari nunc pontifex maximus Et supra spem hominum fecit prudentia. (66r, V. 11–16) (Der Stoff ist nicht mit dem Tragödienmantel gekleidet, wenn auch nach Art der Alten ein Chor singt, noch hat er [der Stoff] gewissermaßen auf dem Boden kriechend den Soccus angelegt; dies verhindert die gewaltige Ansammlung der Könige, welche der Papst derzeit aus einzigartiger Klugheit über die Hoffnung der Menschen hinaus einberufen hat.)

Eine Tragödie sei es nicht, wenn auch der Tragödienchor darauf hindeute; der Stoff ist kein tragischer. Es sei aber auch keine Komödie, dazu sei allein schon das Personal zu erhaben. Zum Stoff erklärt Lochers Prologsprecher: Spectator nisi quid imminentis habes negotii Quod te ab otio ficti progymnasmatis Non ab re semoveat. te per Genium rogat Imperator Theatricus. ut avido pectore iam Auscultes dramatum haud frivolam materiam Que ab evidenti manavit necessitudine. (66r, V. 1–6) (Zuschauer, wenn du keine dringende Beschäftigung hast, die dich von der Muße für eine Schülerdichtung – nicht von dem Inhalt – fernhält, dann bittet dich der Spielleiter beim Genius, dass du mit Eifer dem keineswegs frivolen Schauspielstoff zuhörst, den die Schauspieler vortragen und der aus einer offensichtlichen Notwendigkeit heraus entstanden ist.)

Die Sache ist dringlich und nicht frivol, ganz offensichtlich kein Komödienstoff. Dennoch handelt es sich um ein fictum; dies muss zwar nicht eine ausdrückliche Fiktionalität bezeichnen, aber zumindest eine bewusste Literarizität, ein Wissen um die dichterische Geformtheit. Eine Gattungsbezeichnung vermeidet der Prologsprecher, er spricht von einem Schülergedicht fictum progymnasma (V. 2), einer materia dramatum (V. 5), einem spectaculum (V. 7) und einer declamatio (V. 17). Auf eine Anbindung ans klassisch antike Theater aber will er nicht verzichten. Deshalb erklärt er: Auctor tempestivi me iussit spectaculi In hoc proscenio pauca verba proloquier Quibus solet impetrari vulgi silentium

______________ 25

Nec ] Ne.

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

Ne motu Anabatra indecore crepitent Aut altus sibillus edatur in subselliis. (66r, V. 7–11). (Der Autor dieses zeitgemäßen Schauspiels hat mir geboten, dass ich in diesem Proszenium ein paar Worte vorweg spreche, mit denen man das Volk um Ruhe zu bitten pflegt, damit nicht von den Rängen unschöne Äußerungen der Unruhe laut werden oder auf der Tribüne laut gepfiffen werde.)

Mit den Stichworten proscenium, anabatra und subsellium ruft Locher bewusst wieder jene Assoziationen eines antiken Theaterbaus wach, welche er in seiner »Tragedia« bildreich ausgebaut hat zu einer imaginatio der wiedererstandenen Theatertradition. Bei der Aufführung des »Iudicium Paridis« wünschte er sich, damals zunächst vergeblich, dass solche „antike“ Aufführungen öfter in Ingolstadt stattfänden. Jetzt, da er auf eine materia frivola verzichtet, die ihm damals zum Vorwurf gemacht worden ist, scheint der Zeitpunkt für ein solches Wiedererstehen gekommen zu sein. Der libellus dramaticus novus sed non musteus (75v), wie der Dichter das Werk am Ende selbst nennt, soll also Neues (eine neue Dramenform als Ausdruck einer neuen Wende in der Geschichte) mit Altem (dem „antiken“ Theater und den bereits durch Locher bekannt gemachten Elementen desselben) verbinden. Für Schauspieler und Zuschauer solle daraus ein Nutzen entstehen: Hoc gliscit genere declamatorio Prodesse vates natu maioribus Ephebis pariter. (66r, V. 17–19) (Durch dieses Vortragsstück bemüht sich der Dichter, Nutzen sowohl für die Älteren wie für die Schüler zu bringen.)

Dieser Nutzen darf zum einen in der rhetorischen Übung durch das fictum progymnasma gesucht werden, zum anderen, wie in Lochers früheren Stücken, in einer politischen Lehre, bezogen auf die erwähnte aktuelle necessitudo, auf den historischen Moment, der verspricht, dass ein Zielpunkt der Westpolitik Maximilians erreicht sei. Formal hat sich Locher entschieden, für die neue Dramenart wieder auf den Prosadialog mit metrisch jeweils anders gestalteten Chorgesängen am Akt-Ende zurückzugreifen, welche er für seine »Historia de Rege Frantie« verwendet hatte. Tatsächlich wäre „historia“ wohl auch die dem neuen Spiel angemessenste Gattungsbezeichnung; authentisches politisches Geschehen soll dargestellt werden,26 auch wenn ein Bewusstsein der Literarizität bewahrt bleibt. Eine im Vergleich zu seinem Erstlingswerk größere Distanz zur Tragödie deutet Locher dadurch an, dass er seinem Spiel nur drei Akte gibt. Im »Spectaculum de regibus« zeigt er durch das Aussparen des fünften Akts das offene, noch aufzufüllende Ende des Türkenunternehmens an; hier aber fehlt mehr als nur der ______________ 26

HEIDLOFF, S. 324f., weist darauf hin, dass Locher in der Darstellung der politischen Situation hier akkurater sei als in seinen früheren Dramen.

14.3. Zwei Tyrannen in zwei Akten

325

Abschluss: Locher zeichnet weniger eine geschlossene Handlung als einen einzelnen bedeutenden Schritt, dessen Wert für die Geschichte des Reichs und Europas zwar gelobt werden kann, sich aber erst außerhalb des Spiels in seinem vollen Umfang offenbaren soll.

14.3. Zwei Tyrannen in zwei Akten Der erste Akt stellt den Papst ins Zentrum. In seinem Anfangsmonolog beschreibt er ein ihm unerklärliches Gerücht, dass in Frankreich und Deutschland christliches Blut wie das Blut von Feinden vergossen, dass gegen die Kirche und gegen die Gesetze der Menschlichkeit verstoßen werde; man tobe schlimmer als wenn die Furien freigelassen worden wären: ein Bild nicht unähnlich dem Schreckensbild am Ende des »Poemation«. Zugleich aber ähnelt diese Exposition der Eingangsszene von Lochers »Tragedia«, in welcher Fides die Gräueltaten der Türken schildert – eine Szene, die der Papst im dritten Akt als ein Traumgesicht referieren wird – oder der Exposition des »Spectaculum de regibus et proceribus christianis«, in der Michael dem Papst mit der gleichen Botschaft erscheint. Die Parallelität dieser Eingangsmonologe unterstreicht die Absurdität des aktuellen Krieges, in welchem Christen gegen Christen kämpfen. Dieses Paradoxon wird auch in politischen Liedern der Zeit, wie z. B. dem oben bereits zitierten »New Lied von der grossen niderlag vor der statt Terwan«,27 beklagt, welches den Venezianern anlastet, sie hätten die Türken gegen die Christenheit aufgehetzt: Es geschehen gar vil grosser mort, Kain mensch des gleychn nie hatt gehoert, Als yetz in kurzen iaren, Solch bluet vergiessen geschehen sey, Seit christus ward geboren. Und gschicht allain in christnem lannd, Das ist warlich ain grosse schand, Wa mans von vns thut sagen, Maria muetter raine mayd, Trewlich thun ich dirs klagen. Beschuetz vnd bschirm die christenhait, Die so mitt grossem hertzelayd, Allenthalb ist vmbgeben, Der Duerck der thut ir vil zu laid, Bringen die Venediger zewegen

______________ 27

Vgl. Anm. 15.

326

14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

Kürtzlich hand sie ain sin erdacht, Mit den franzosen ain pundt gemacht, Das römisch Reich zu vertreyben, Den Türcken ruoffens an vmb hilff, Das wirt got von yn nit leyden. (Str. 2–5)

Weit überzeugender noch als in einem Lied muss diese Klage aus dem Mund des Papstes klingen. Die Unsinnigkeit des Krieges unter Christen angesichts der drohenden Türkengefahr ist im Spiel dahingehend gesteigert, dass der Papst, den das Problem in besonderer Weise angeht, dem Gerücht keinen Glauben schenken will. Dem rumor fehlt schließlich die Autorität einer Erscheinung, wie sie in den Türkenspielen geboten ist. In diesem Zweifel bietet die Figur des Papstes zugleich eine Identifikationsmöglichkeit für den Zuschauer, der von den Kriegen ebenfalls nur durch Berichte und Gerüchte erfahren hat. Die Zweifel des Papstes und eine mögliche Skepsis des Zuschauers werden gemeinsam bereinigt, wenn nun der Legat des Papstes hinzutritt und bestätigt: Verum est nimirum (Z. 9). Mit eigenen Augen – die höchste Form der Absicherung – habe er die Truppenbewegungen bei Nizza und Asti, am Eingangstor nach Oberitalien, gesehen. Es bräuchte einen Herkules, um das Gebirge abzuriegeln, ut ... tutam Italiam ab immani barbarorum incursione reddidisset (Z. 14f.). Als der Papst entsetzt nach den Unruhestiftern fragt und den Frieden als höchste Gottesgabe preist, berichtet der Legat von dem Angriff der mit Maximilian verbündeten Schweizer auf Burgund und der Landung der Engländer an der französischen Küste und dem erfolgreichen Vorstoß des kaiserlich-englischen Heers nach Belgien;28 überall tobe der Krieg, Frankreich erzittere. Der Papst sieht seine Aufgabe, hier einzugreifen, und entsendet den Legaten als Friedensbotschafter nach Deutschland und Frankreich. Auch im »Spectaculum de regibus« entsendet der Papst zu Beginn der Handlung seinen Legaten zu Maximilian und den Königen und Fürsten Europas. Gerade die Ähnlichkeit der Situationen lenkt den Blick auf die Differenzen: Hatte damals die Uneinigkeit der Fürsten den Krieg gegen die tyrannischen Türken verzögert, hat nun der höllische draco (Z. 59) solche Zwietracht unter ihnen gesät,29 dass die Christen sich bereits selbst zerfleischen. Die Krise der res publica christiana ist damit zu einem Extrem gesteigert, die libido dominandi hat die mächtigsten Fürsten (Z. 75f.) ergriffen, die Tyrannis ist allgegenwärtig. Auch wenn der Legat bemüht ist, sich möglichst bedeckt auszudrücken, ist doch ersichtlich, dass der eigentlich Schuldige, nach welchem der Papst gefragt hat, Frankreich sei. Dem Kaiser wird keinerlei Unrecht vorgeworfen: die Schweizer verteidigen für ihn imperii iura (Z. 30) und das Erbe Prinz Karls, und in Belgien schließe der serenissimus imperator (Z. 36f.) mit der Bevölkerung comiter (Z. 38), freundlich, einen Vertrag. Der Krieg gegen Frankreich kann sich auf einen ge______________ 28 29

Beides spielte sich im September 1513 ab. Vgl. die Rolle der Zwietracht im »Iudicium Paridis«.

14.3. Zwei Tyrannen in zwei Akten

327

rechten Grund stützen, und dennoch will der Papst ihm Einhalt gebieten. Deshalb schickt er gerade auch zu Maximilian seinen Friedensboten. Im zweiten Akt spricht der Legat zunächst mit einem Botschafter der Franzosen.30 Er erinnert an seine frühere Rede – wohl die Friedensmission von 1512 – und findet den orator Gallicus rasch bereit, einen Frieden einzugehen, sofern dann der Türkenkrieg geführt werde. Er begleitet den Legaten zum Kaiser, ausdrücklich auf seiner linken Seite. Diese Geste war einem zeitgenössischen Publikum leicht verständlich: Indem er die rechte Seite für Maximilian frei lässt, anerkennt er ihn als die eigentlich wichtige Person. In der Ansprache des Legaten an Maximilian wird nun explizit, was zuvor nur angedeutet war: Ludwig erscheint als Negativfigur, als Tyrann. Die Aufgabe des Legaten sei: ut ... te ... ad pacem cum Gallorum tyranno revocarem (Z. 115–17). Dieser habe sich, da er umzingelt sei, dem Papst unterworfen und habe um Frieden gebeten. Diese Darstellung widerspricht der vorausgegangenen Handlung, in welcher der Friedensimpetus vom Papst ausgegangen ist. Die Bereitwilligkeit, mit der Frankreich auf das Friedensgebot eingegangen ist, ermöglicht es zwar, die etwas verzerrte Darstellung zu rechtfertigen; der Zuschauer muss aber die Raffinesse der Rhetorik des Legaten erkennen, zumal auch der Chor zwischen dem ersten und dem zweiten Akt die Überredungskunst des Legaten hervorhebt (vgl. Kap. 14.5). Das Publikum durchschaut, da es gegenüber dem Kaiser einen Wissensvorsprung besitzt, das Spiel, in welchem dem Kaiser der tyrannische Gegner als bereits besiegt vorgehalten und, indem die Katastrophe als bereits eingetreten erklärt wird, das Tragödienschema verfrüht abgebrochen wird. Hier deckt Locher letztlich seine eigenen Karten auf, wie er in der »Historia de Rege Frantie« durch die Vorwegnahme der Katastrophe die Geschichte rhetorisch beschönt und damit die Publikumsreaktion gelenkt hat. Der Legat bittet darum, Frankreich nicht gänzlich zu vernichten; die französische Krone habe sich früher häufig um die Kirche verdient gemacht. Ihr solle die Chance gegeben werden, dies zu wiederholen, im Kampf gegen den anderen, noch viel schlimmeren Tyrannen, den Türken. Die Franzosentragödie also bricht hier ab, um der Türkentragödie Platz zu machen. Die Aufteilung Frankreichs war tatsächlich ein hochgesteckter Plan Maximilians und v. a. Heinrichs VIII., erwies sich im Oktober 1513 allerdings als unerreichbar, nachdem Spanien und die Schweiz dem Bündnis nicht die Treue hielten. Diese bittere politische Erkenntnis wird hier vertuscht. Dem Zuschauer, der die geschickte Rhetorik des Legaten durchschaut, muss in ihr den einzigen Grund dafür sehen, dass die Vernichtung Frankreichs, die durchaus möglich gewesen wäre, gestoppt worden sei. Nichts kann aber so gut einen Friedensschluss kurz ______________ 30

HEIDLOFF, S. 322, geht davon aus, dass sich der Gesandte der Franzosen am Hof Maximilians befinde. Dies legen die vorausgeschickten Worte des Chors nahe, vgl. Kap. 14.5.

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

vor Erreichen des sicheren Siegs rechtfertigen wie die Aussicht, ein noch höheres Ziel, nämlich den Sieg über den schlimmeren Tyrannen, zu erreichen. Maximilian antwortet auf die Rede des Legaten, indem er noch einmal an die Vertrauensbrüche Frankreichs erinnert, nachdem doch Ludwig seine italienischen Siege (gemeint sind die aus den Jahren 1509–11) allein Maximilian zu verdanken gehabt habe. Damit ist der Kaiser endgültig für seinen Bündniswechsel von 1512 entschuldigt und jeder Verdacht eines ungerechten Kriegs von ihm genommen. Umso großzügiger erscheint angesichts dieser klaren Rechtslage sein Verzicht auf französische Satisfaktion und umso dringlicher erscheint es, dass dann das höhere Ziel, der Kreuzzug, tatsächlich angegangen werde. Der König von England betont seine Bündnistreue zu Maximilian und die Kampfentschlossenheit und Stärke seiner Truppen, mit welchen er gerechte Siege gegen Frankreich errungen habe und dies auch in einem Türkenkrieg tun werde. Ähnliche Treue schwört auch der Herzog von Mailand, da er ja Maximilian (und den Schweizern) seinen Status verdanke. Gerecht wäre die Rache an Ludwig XII., der seinen Vorfahren (Ludovico Moro) abgesetzt und im Kerker getötet habe, der ohne Recht zahlreiche Städte Italiens unterworfen habe (geschickt wird verschwiegen, dass Maximilian Ludovico Moro abgesetzt und den Franzosen in Mailand eingesetzt hatte). Die Zeit des tyrannischen Franzosen sei vorbei, Fortuna rotam suam nunc volvit (Z. 247). Wenn aber der Kaiser anders cum Gallorum Tyranno verfahren wolle (Z. 250), dann schließe sich der junge Sforza seinem Willen an; er unterstütze auch dem Türkenkrieg. Maximilian steht vor dem Theaterpublikum als der allmächtige Kaiser, dessen Wink die Fürsten Europas folgen (Venedig, die kritischste Figur in den Friedensverhandlungen von 1513, bleibt im Spiel ausgespart). Er kann wider jedes Recht aber aus „Welt-Raison“ Gnade walten lassen, er kann das Fortunarad anhalten und gottähnlich über das Schicksal des reumütigen Frankreichs und Europas bestimmen. Die hier vorgeführte neue Einheit der europäischen Fürsten gleicht dem dritten Akt des »Spectaculum de regibus«. Dort stellt die Konstitution der europäischen Einheit den Auftakt zum Sturz des türkischen Tyrannen dar. Ähnliches ist hier zu erwarten; die zweite Tyrannentragödie innerhalb des Spiels aber wird nicht mehr ausgeführt.

14.4. Sammerpotzleychnam. Der dritte Akt Der dritte Akt bietet statt einer Ausführung des im zweiten Akt Beschlossenen eine ironische Brechung des Bisherigen: Er beginnt parallel zum ersten Akt damit, dass einer der Gesprächspartner (ein schwäbischer Landsknecht) dem anderen (einem schweizerischen Kollegen) von einer unsicheren Kunde berichtet, die ihm Angst einjage. Dies ist jedoch nicht die Kunde von einem Krieg unter den

14.4. Sammerpotzleychnam. Der dritte Akt

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christlichen Mächten wie im ersten Akt, sondern die Kunde von Friedensverhandlungen. Der Schweizer bestätigt, es handle sich dabei um nullum … somnium, nulla phantasia (Z. 261), sondern Verum est (Z. 262). Der entsetzten Reaktion des Papstes über die Bestätigung der Kriegsnachrichten in Akt I entspricht nun die empörte Replik des Schwaben: Da schlag der Teuffel zu. O lieber Heine quid nobis demum erit (Z. 265). Mit dem plötzlichen Ausbruch in einem deutschen Fluch – ein zweiter folgt kurz darauf: Sammerpotzleychnam (Z. 270) – setzt Locher auf den Überraschungseffekt. Die Figur, die durch den Szenenaufbau als eine Parallelfigur zum Heiligen Vater charakterisiert ist, aber am entgegengesetzten Ende des gesellschaftlichen Spektrums steht und nicht nur den Teufel im Munde führt, sondern auch das Sprachniveau eines lateinischen Universitätsspiels weit unterbietet, fordert ein Lachen des Publikums heraus. Lächerlich erscheint nicht nur der Stil, sondern auch der Inhalt der Rede: Während im ersten Akt der Papst erklärt, es sei seine Aufgabe, die Gottesgabe Frieden zu verteidigen, so erklärt hier der Landsknecht, er könne nichts anderes als kämpfen, und ohne die Einkünfte daraus wolle und könne er nicht leben, er wolle den Wein nicht gegen Wasser tauschen. Deutlicher können die verschiedenen Ziele kaum gegeneinander gesetzt werden. Der Schweizer stimmt dem Schwaben zu, rät aber zu geduldigem Verharren, adversus principum rerumque publicarum acta pactionesque calcitrare nequimus (Z. 277f.). Während das Anfangsgespräch zwischen Papst und Legat auf eine direkte Einflussnahme auf die Könige und Fürsten zielt, kann so etwas, wie der Schweizer erkennt, vom unteren Ende der Gesellschaftspyramide aus nicht erlangt werden. Der Schwabe aber hadert mit dieser seiner eigenen Machtlosigkeit. Eine Erklärung für seine missliche Lage will er darin finden, dass er den Papst mit dem Teufel in Verbindung bringt – was allerdings ihn, den kriegsversessenen prasser (Z. 286), selbst in zweifelhaftes Licht rückt: Dyabolus ad Germaniam pilleatum Oratorem destinavit. qui inter hostes pacem faceret … Abeat in malam crucem Italica bestia que se rebus externorum principum intermisit (74v, Z. 295–98). (Der Teufel hat einen Legaten mit Birett31 nach Deutschland geschickt, damit er zwischen den Feinden Frieden stifte ... Die italienische Bestie sei verflucht, die sich in die Angelegenheiten ausländischer Fürsten eingemischt hat.)

Nur mit dem Hinweis auf den kommenden Türkenkrieg und darauf, dass die Fürsten, wie Sallust lehre, wetterwendisch seien und nie langfristig Frieden bewahrten, kann der Schweizer den tobenden Schwaben beruhigen. Eben der Türkenkrieg war auch das Argument, welches den Kaiser überzeugt hat; damit ist erneut ein Bogen von diesem letzten Akt zur Haupthandlung zurück geschlagen, ein Bogen, der wiederum zum Vergleich auffordert. Das höhere Ziel, die Niederwerfung des schlimmeren, heidnischen Tyrannen bringt Maximilian von sei______________ 31

Das Birett tragen im 15./16. Jh. geistliche Würdenträger und Gelehrte.

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

nem gegenwärtigen Ziel, der Unterwerfung eines Verräters und Bündnisbrechers, ab und kann ihn zur Akzeptanz des Friedens bewegen. Allein die Aussicht auf einen neuen Krieg und d. h. Kriegslohn kann den Landsknecht beruhigen. Ihm geht es nicht um ein gerechtes Ziel, er kennt weder einen noch zwei Tyrannen, er kennt nur Auftraggeber und den Krieg als materielle Lebensgrundlage, das Töten als Mittel zu leiblichen Genüssen. Als Vertreter einer blinden, intellektfeindlichen, nach materiellen Gütern und leiblichen Freuden strebenden Lebensweise nähert er sich der Gestalt des Paris oder noch mehr den Gladiatoren der Venus in Lochers »Iudicium Paridis« an. Die falsche Lebensweise und das falsche Verständnis vom Krieg ist bei den Landsknechten (speziell beim Schwaben) nicht nur gepaart mit sprachlichen Mängeln, sondern auch mit einem falschen Verständnis der Tragödienstruktur: Wenn sie über die Katastrophe, die sich im 2. Akt vollzogen habe, reflektieren, damit aber nicht den Untergang des französischen Tyrannen meinen, sondern den Friedensschluss, verkennen sie den grundlegenden Charakter der Tragödie als Tyrannentragödie. Einen besonderen Witz macht hierbei freilich aus, dass auch für die Gebildeten die Tragödienstruktur durch die radikale Kürzung, die Doppelung und den Abbruch kaum mehr zu erkennen ist; er erkennt eben nur den Sturz des Tyrannen als Strukturmerkmal. Unbildung wird hier verlacht, und die Unbildung des sich selbst überschätzenden Schwaben wird noch besonders dadurch betont, dass der Schweizer Sallust kennt, Papst und Religion achtet und eine souveräne Gelassenheit an den Tag legt. Verlacht wird erstaunlicherweise nicht der Fremde, sondern der eigene Landsmann, den doch Locher in seinen Streitigkeiten mit Wimpheling besonders verteidigt hatte (vgl. Kap. 12.3). Auch später hat Locher in einem Vergleich der Universitäten Ingolstadt und Tübingen nicht davor zurückgeschreckt, seine Landsleute zu tadeln: In Tübingen spreche man ein Latein mit schwäbischem Akzent.32 Offensichtlich ist für ihn eine Schwabenschelte durchaus möglich – solange sichergestellt ist, dass er selbst von dieser nicht betroffen ist, solange er vor der Folie der barbarice telluris sterilitas, von der er stammt (»Stultifera navis«, 143v), seine nachahmungswürdige Kultiviertheit, seinen Austritt aus der barbaries beweisen kann. So wird er auch die Rollen der beiden Landsknechte bewusst gewählt haben. Trotz der sozial bedingten Distanz soll der schwäbische Landsknecht nicht als ein gänzlich Fremder begriffen werden, sondern in ihm sollen Mängel und Fehler verlacht werden, die das (süddeutsche) Publikum als vertraute, nämlich durch die Bildung überwundene eigene erkennen soll. Hier setzen die angekündigte Didaxe und die politische Lenkung des Publikums an: Zweifel an der Angemessenheit der Gnade Maximilians gegenüber Frankreich, welche das Publikum haben könnte, werden einer Figur zugeschrieben, die als das eigene unkultivierte und verirrte, gottlose Ich erscheint und als solches verlacht wird. ______________ 32

Brief an Wolfgang Reichart in Ulm, Oktober 1522. LUDWIG 1996, S. 165.

14.4. Sammerpotzleychnam. Der dritte Akt

331

Eine kritische Haltung gegen den Friedensschluss aufrechtzuerhalten würde bedeuten, sich mit der barbaries zu identifizieren, welche in gebildeten Kreisen als glücklich überwunden proklamiert wird. Das Interludium der Gladiatoren im »Iudicium Paridis« stellt in sehr ähnlicher Weise eine unmögliche Position am Beispiel von ungebildeten, dem Körperlichen verfallenen Kämpfern, Vertretern einer niederen Gesellschaftsschicht vor, und das in einer Szene, die das Hauptgeschehen verzerrt widerspiegelt. Anders aber als dort wird in Lochers neuem Drama nicht eine auf einer anderen Ebene angesiedelte Parallelhandlung zur Haupthandlung entworfen, auf welche das Geschehen zwischenzeitlich wechselt, sondern die Haupthandlung mündet in diesen letzten Akt, der das vorausgegangene Geschehen unmittelbar kommentiert. Damit ähnelt der dritte Akt des drama eher dem Botengespräch im letzten Akt der »Historia« oder dem Gespräch zwischen den Hauptleuten des christlichen Heers im letzten Akt des »Spectaculum de regibus«. Neu gegenüber diesen beiden Schlussakten ist hier nicht nur das spiegelbildliche Verhältnis dieses auf niederer Ebene angesiedelten Akts zu dem Akt, der auf höchster Gesellschaftsebene spielt, neu ist auch die Sicht ex negativo und v. a. das Spiel mit dämonischen Motiven. Locher scheint sich an der Vorgabe der Höllenszenen geistlicher Spiele zu orientieren, wo die (oft allzu menschlich dargestellten) Teufel die Auswirkungen diskutieren, welche das Heilsgeschehen auf ihre Zukunft haben wird. Ihnen bleibt nur die Hoffnung darauf, dass sich die Menschheit nicht ändern, dass sie wieder sündigen und die Hölle wieder neu besiedeln werde – so wie hier der Schweizer darauf setzt, dass es weiterhin Kriege geben werde. Eine solche Anlehnung an Höllenszenen im geistlichen Spiel unterstreicht die Negativität und Untragbarkeit der Position der Landsknechte und steigert die positive Qualität des Geschehens in den beiden ersten Akten. Die Teufelsszenen im geistlichen Spiel zeichnen sich neben der ernsten didaktischen Funktion in der Regel auch durch eine teils erheiternde, teils den Schrecken steigernde Komik aus. Zum erheiternden Moment in seinem dritten Akt äußert sich Locher in einer Prothesis, die er diesem Akt vorausschickt: Prothesis actus tertii. Actus Regii Dramatis iamiam in proscenium ibit: et strennue adparebit: quem benivolenter. ut priores. auscultare non dedignemini spectatores optimi. Dabimus operam post hac. ut seriis in ioca sermonibus tempestiviter mutatis. lepiditate festivitate vos afficiamus. armatos milites ne quidem formidetis (73v). (Prothesis des dritten Akts. Dieser Akt des königlichen Spiels wird nun in das Proszenium Einzug nehmen, und er wird sich mächtig ins Zeug legen. Ehrenwerte Zuschauer, verschmäht es nicht, ihm so wohlwollend wie den anderen zu lauschen. Wir werden uns von nun an Mühe geben, damit wir euch mit ernsten Reden, die wir, der Situation angemessen, in Scherze gewendet haben, festliche Freude vermitteln; die bewaffneten Soldaten sollen euch gewiss nicht schrecken.)

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

Als einen Scherz auf der Vorderbühne sollte der letzte Akt, dessen Personal durchaus Schrecken erregen könnte, festliche Freude vermitteln. Er ist durch diesen anderen (quasi komödienhaften) Stil wie v. a. auch durch den anderen Spielort (auf der Vorderbühne spricht sonst der Prolog- und Epilogsprecher) aus der eigentlichen Handlung gelöst. Als iocus will er ein sprachlicher Scherz sein, ein gewitzter Kommentar zum vorausgegangenen ernsten Geschehen, der überleiten soll zur freudigen Stimmung des Aufführungsanlasses, der offensichtlich ein festlicher war. Vermutlich wurde die Entsendung des Matthäus Lang nach Rom oder der Beginn der Friedensverhandlungen dort am 9. 11. gefeiert. Bereits Langs erste Entsendung zu solchen Verhandlungen im Herbst 1512 wurde mit einer Theateraufführung gefeiert, und zwar in Verona, wo er im September 1512 Hof hielt.33 Es handelt sich hierbei um einen bewegten Dialog zwischen der personifizierten Italia und einem alten Mann, der ihr enthüllt, dass Maximilian sie als Braut erwählt und bereits Matthäus Lang als Brautführer zu ihr entsendet habe. Das Spiel endet mit einer Freudenrede Italias an Lang, in welcher sie ihrer Hoffnung auf eine Wiederherstellung des Friedens, des Wohlstandes und der Tugenden unter Maximilian Ausdruck verleiht.34 Wollte nun Locher die zweite Mission seines „Schülers“, wie er Matthäus Lang stolz nennt,35 feiern, und zwar nicht am Hof des designierten Kardinals, sondern an der Universität Ingolstadt, würde sich als Aufführungsrahmen das Fest der Hl. Katharina, der Patronin der Philosophischen Fakultät (25. 11.), anbieten. In diesem Rahmen wäre es angebracht, mit einem Schauspiel – gemäß den Vorstellungen des Konrad Celtis in seiner Ingolstädter Antrittsvorlesung – politische Erfolge des Kaisers so zu feiern, dass seine Kritiker bereits aufgrund ihrer Unbildung disqualifiziert werden. Damit lässt sich der staatstragende Sinn der humanistischen Bildung betonen. Die festliche Freude über den Friedensschluss soll durch die ironische Brechung im letzten Akt gesteigert werden. Das befreiende und zugleich überlegene Lachen, welches durch die dümmliche Absurdität einer sich geradezu antichristlich aufspielenden aber letztlich einflusslosen Figur (sie ist ebenso machtlos wie der Teufel im geistlichen Spiel) erregt wird, stimmt in den Jubel über die Befreiung von den Schrecken des Krieges ein. Durch das Aufzeigen einer fraglos abzulehnenden negativen Haltung zum Friedensschluss wird keinerlei Kritik an diesem zugelassen; mit dem überzeichneten Kritiker werden alle Kritiker verlacht. ______________ 33

34

35

Dass Lang offensichtlich eine Vorliebe für das Theater hatte und mehrfach an seinem Hof Theaterstücke aufgeführt wurden, betont F. MOSER, S. 30, mit Verweis auf CREIZENACH. Comoedia Veronae habita coram reverendissimo Gurziensi Cesareo oratore et gubernatore, in: I Diarii di Marino Sanuto (1494–1512). Hrsg. v. Guglielmo Berchet, Bd. 15. Venedig 1886, Sp. 146–151. Sanuto nennt keinen Verfasser des Stücks. Catalogus illustrium auditorum eiusdem Philomusi, in Lochers Ausgabe von Claudians De raptu Proserpinae, Nürnberg: Friedrich Peypus, 1518, fol. 5r–v. HEHLE II (1874), S. 38; HEIDLOFF, S. 95.

14.5. Veterum more chorus

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Die positive Bedeutung und Wichtigkeit des zweiten Akts im Gegensatz zum negativen dritten zeigt ebenfalls eine Prothesis an, sie aber ist weit neutraler gehalten als die eben zitierte und eher im Stil der üblichen Bitten um Aufmerksamkeit und freundliche Aufnahme: Prothesis secundi actus Actorum grex selectissimus. hanc unicam a vobis operam exposcit spectatores optimi. ut erectis capitibus ac auribus defecatis volentes regum Apostolicique legati colloquia Christiane rei publice profutura auscultetis. Si quid ab inducto grege scolastico perperam actum male pronuntiatum / aut barbare contextum fuerit. disuetudini potius ac temporis vitio quam nostro ingenio quod errare facile potest adscribatur (68v). (Prothesis des zweiten Akts. Eine erlesene Gruppe von Schauspielern fordert von euch, beste Zuschauer, nur diese einzige Bemühung, dass ihr bereitwillig, mit erhobenen Köpfen und gereinigten Ohren die Unterredungen der Könige und des päpstlichen Legaten, die der christlichen Gemeinschaft Nutzen bringen sollen, verfolgt. Sollte irgendetwas von der Studentengruppe, die ich hier auftreten lasse, falsch gespielt, schlecht ausgesprochen oder roh zusammengefügt sein, soll dies eher der mangelnden Übung und der Zeitnot angelastet werden als meinem Geist, der leicht irren kann.)

Erst im Kontrast zur anderen erhält diese scheinbar rein formelhafte Prothesis ihren Sinn: Sie gibt an, worauf es im ganzen Spiel ankommt. Die gesamte Aufmerksamkeit des Publikums sollte auf die Argumente gerichtet sein, welche die Könige in ihrer Beratung vorbringen. Darin will das Spiel die Zuschauer unterrichten, das sollen sie kritiklos aufnehmen und nicht an Maximilians Politik und an seiner herausragenden, gerechten und siegreichen Rolle in Europa zweifeln. Dies ist das dringliche Anliegen des Spiels. Locher verweist hier auch auf die Kürze der Zeit, in welcher das Spiel zur Aufführung gebracht worden sei. Solches ist in seinen Dramen keineswegs ein Einzelfall. Dennoch könnte dieser Hinweis auf Zeitnot die These unterstützen, dass die Aufführung noch im November 1513 stattgefunden habe. Topisch klingt zwar auch der Hinweis auf die geringe Übung der Studenten; dies aber dürfte keineswegs nur ein Topos sein: Seit der Aufführung des »Iudicium Paridis« im Jahr 1502, bei der er sich häufigere Aufführungen gewünscht hatte, war es Locher nicht mehr ermöglicht gewesen, eigene Theaterstücke in Ingolstadt aufzuführen. Mit dem kommenden Frieden feiert der Philomusus hier auch die Wiedererstehung des Dramas in Ingolstadt – beides allerdings vergeblich.

14.5. Veterum more chorus Der Tragödienchor begegnet in Lochers »Historia« in der Rolle eines von der Handlungsebene gelösten Vermittlers und Kommentators (vgl. Kap. 5.4); im »Libellus dramaticus« bestimmt der Philomusus die Rolle des Chors neu. Der erste Chorgesang antwortet unmittelbar dem Legaten, der bereit ist, seine schwe-

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

re Aufgabe auf sich zu nehmen, und auf die Hilfe Gottes hofft. Eine (nicht von der Rede des Legaten abgesetzte) Regieanweisung erklärt, hymno Choryambico salutandum est, worauf die Ansprache des Chors an den orator folgt: Stellati modo te conditor etheris Gentes incolumem ducat ad exteras Orator dirimas ut fera prelia Et pacem statuas semper amabilem | Linguam pneuma tuam flectat et organum Mentis36 docta tue sensaque dirigat Concordi proceres federe Martios Ut iungas. pariter castra minantia Contundas. nihil est pace salubrius Qua petri solium crescit Apostoli Qua crescit fidei relligio sacre Qua frendet rigidus pace dyabolus Felix illud iter sit precor. Incliti Dum legatus adit Cesaris atrium Et suasu gladios separat hosticos (68r–v) (Der Schöpfer des gestirnten Himmels führe dich, orator [Legat], nur wohlbehalten zu den fremden Völkern, damit du die wütenden Kriege beilegst und den ewig wohltuenden Frieden einrichtest. Der göttliche Geist führe deine Zunge und deine Stimme, und er lenke die weisen Gedanken deines Geistes, damit du die kriegerischen Fürsten in einmütigem Bündnis vereinst und zugleich die bedrohlichen Heeresansammlungen zerstreust. Nichts ist zuträglicher als der Frieden, durch den der Apostolische Stuhl sich erhebt, durch den die Religion des heiligen Glaubens gemehrt wird und der Friede, unter dem der unbeugsame Teufel mit den Zähnen knirscht. Ich bete dafür, dass dieser Gang vom Glück begleitet sei, wenn der Legat den Hof des glorreichen Kaisers betritt und mit seiner Überredungskunst die feindlichen Schwerter trennt.)

Anfänglich ist unmittelbar der Legat als orator angesprochen. Das Lob des Friedens aber scheint eher an das Publikum gerichtet zu sein; anschließend erscheint der legatus in der dritten Person. Hier erhält die Rede einen doppelten Sinn; der direkt angesprochene orator scheint auf einer anderen Ebene zu stehen als der unmittelbar mit der Handlung verbundene legatus. Wird im Zusammenhang mit dem legatus der auf der Bühne darstellbare Kaiserhof beschrieben, so bewegt sich der mit dem weniger konkreten Begriff bezeichnete orator im eher vagen Raum der Fremde. Er nimmt teilweise Züge des Dichters, besser der Dichterrolle an (der in Lochers früheren Werken der Chor näher steht als einzelnen Figuren). Legat und Dichter bemühen sich mit ihren Worten um den Frieden, allerdings auf verschiedenen Ebenen. Beiden soll Glück und Erfolg gewünscht werden. Der zweite Chor spricht durchgehend in der zweiten Person Plural. Er wendet sich an die, qui manu terram regitis valenti (73v, V. 2), an die Herrscher, die im vorausgegangenen Akt aufgetreten sind, daneben auch an Adelige im Publikum. ______________ 36

Mentis ] Meritis.

14.5. Veterum more chorus

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Sie werden am Anfang und Ende des Liedes aufgefordert: superos rogate (V. 1, 15), dass der Frieden Bestand habe. Umrahmt von dieser Bitte steht eine (sich mythologischer Bilder bedienende und an Lochers »Poemation« gemahnende) Beschreibung der höllischen Gräuel und der Folgeschäden des langjährigen Krieges, der alle Ordnung zerstöre. Der Chor unterstreicht damit die Richtigkeit und die Notwendigkeit des im zweiten Akt beschriebenen Entschlusses der Fürsten; er leitet damit auch über zur Darstellung der Gegenposition im dritten Akt, zu den Feinden des Friedens. Was hier als höllisch beschrieben wird – in Ausmalung dessen, was im ersten Chorlied mit der Bemerkung Qua frendet rigidus pace dyabolus bereits angedeutet ist –, präsentiert sich nun in einer freien Nachgestaltung einer Höllenszene im geistlichen Spiel. Aus der klassischen Funktion des Chors, die rechte Seite zu vertreten, ergibt sich, dass der abschließende Chorgesang nach dem dritten Akt den Landsknechten widersprechen muss. Auf deren Ebene aber lässt er sich nicht herab und spricht sie nicht an. Wer im dritten Chorlied angesprochen wird, ist vielmehr Christus: Er möge dem Frieden Beständigkeit bescheren, damit die Fürsten gegen die Türken ziehen können. Nicht verzweifeln dürfe man, so erklärt der Chor schließlich und nimmt damit scheinbar Stellung zur Stimmungslage der Landsknechte, bleibt aber bei seiner gänzlich anders gerichteten Argumentation: Nil desperandum dum pax hec stabit in orbe / Inter Christicolas rite peracta viros (V. 13f.). Solange Friede unter den Christen herrsche, bestehe kein Grund zur Verzweiflung: Diese Botschaft ist ans Publikum und nicht an die verirrten, gottfernen Landsknechte gerichtet, die meinen, gerade wegen des Friedens verzweifeln zu müssen. Im Vergleich mit Lochers »Historia de Rege Frantie« steht der Chor hier insgesamt näher am Geschehen; die handelnden Figuren – aber nur die „Guten“ und nur die, die tatsächlich in der Handlung und nicht am Rand des Spiels stehen – spricht er zumindest auch an. Sein Kommentar des Geschehens aber richtet sich vor allem an das Publikum, dessen Perspektive er leitet. Es geht ihm darum, dass die auf der Handlungsebene vorgeführten Erfolge der Friedensverhandlungen in ihrem Wert erkannt und in ihrem Bestand geschützt werden. Die poetologische Aufgabe des Chors, welche in Lochers frühem Werk besonders hervorgehoben war, ist minimiert; nur in der Doppeldeutigkeit des um den Frieden bemühten orator im ersten Lied kann man ein Lob des Dichters erkennen. Locher scheint seine Aufgabe, als Dichter durch Aufführungen wie diese dem Staat zu dienen, nur noch vorführen, nicht mehr theoretisieren zu wollen, zumindest nicht im Dramentext selbst; für eventuelle Beitexte könnte dies geplant gewesen sein.

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

14.6. Theater als politische Werbung Was also will der libellus dramaticus novus sed non musteus erreichen? Nicht viel anderes als Lochers frühere Dramen. Er will Werbung machen für Maximilians Politik, indem er aus „erster Hand“, unmittelbar sicht- und hörbar (dass er genau zuhören solle, wird dem Zuschauer vor dem zweiten Akt noch einmal eingeschärft) die Argumente für Maximilians Bündniswechsel liefert, die der Kaiser bereits wiederholt brieflich formuliert hatte. Ebenso soll offenkundig gemacht werden, weshalb der Krieg gegen Frankreich abgebrochen werden musste (allerdings ohne dass dabei die eigentlichen politischen Gründe genannt würden). Der libellus will auch Werbung machen für den Türkenkrieg, Maximilians lebenslanges Ziel; er will einsichtig machen, dass dieser Krieg notwendiger und auch moralisch vertretbarer sei als der gegen Frankreich. Lochers Propaganda für Maximilian ist nicht nur getragen von seinem Auftrag als Dichter des Kaisers, sondern durchaus auch von der Überzeugung, dass Maximilian tatsächlich die Idee des gerechten Herrschers verkörpere. Deshalb kann der Dichter seine Verteidigung der kaiserlichen Politik mit einer Lehre vom gerechten Krieg verbinden. Eine Kritik an dem aktuellen politischen Ereignis, dem Friedensschluss, bedeutet für ihn, wie er im letzten Akt anschaulich vorführt, einen Mangel an Einsicht und Moral und ein falsches Kriegsverständnis. Nicht um seiner selbst oder um der Bereicherung willen darf ein Krieg geführt werden, sondern allein zu dem Zweck, einen Tyrannen, d. h. einen Zerstörer der gottgewollten Ordnung, zu stürzen und damit die von Fortuna (der Dienerin Gottes) verhängte Strafe für seine superbia zu vollziehen. Die Einsicht in die moralischen Bedingungen des Kriegs wiederum knüpft Locher an den Bildungsstand. Der Unmoralische wird als Ungebildeter und sich einer nicht vorhandenen intellektuellen Stärke Rühmender vorgeführt. Dies aber ist nichts anderes als eine Bildungswerbung. Wer, wie etwa der Schweizer, es vermag, aus Klassikertexten anthropologische Konstanten abzuleiten, erhält damit eine Gelassenheit, die ihn vor Verzweiflung und kopfloser Aggression gegen Bestimmungen „von oben“ schützt. Wer zusätzlich über eine ethische Bildung verfügt, kann sich für gerechte Politik einsetzen. Das Theater, dessen „Auferstehung“ hier gefeiert wird, will einen solchen Bildungsauftrag erfüllen. Dies ist das dringliche Anliegen, welches Locher mit seinem Werk verfolgt. Der Friedensschluss von 1513/14 kam allerdings nicht zustande. Maximilian sollte sich im März 1514 Frankreich zu- und von England abwenden – eine politische Entscheidung, die u.a. auch von Maximilians Tochter, Erzherzogin Margarete, scharf kritisiert wurde37 und sich bald auch als falsch herausstellte, als sich im August 1514 im Vertrag von London England und Frankreich gemeinsam gegen das Reich kehrten.38 Für den Dichter des Kaisers, der sich bemüht hatte, ______________ 37 38

WIESFLECKER IV (1981), S. 144. Ebd., S. 146.

14.6. Theater als politische Werbung

337

die Politik Maximilians moralisch zu rechtfertigen, musste dies eine schwere Irritation bedeuten. Es dürfte verständlich sein, dass der libellus dramaticus ab März 1514 nicht mehr zu veröffentlichen war. Die Irritation und Frustration über die Politik des alternden Kaisers (gepaart mit dem neuerlich entstandenen Loyalitätskonflikt des poeta laureatus an der Fürstenuniversität) dürfte auch ein Grund dafür sein, dass Locher keine weiteren Dramen mehr schrieb. Einen Frieden in kleinerem Rahmen, nämlich das Ende der (von Maximilian geschürten) Erbstreitigkeiten zwischen seinen Landesherrn Wilhelm und Ludwig von Bayern, begrüßte der Philomusus in einem 18-Zeiler, der am Ende des Landtags von Ingolstadt im Frühjahr 1515 musikalisch vorgetragen wurde. In diesem Lied erklärt Locher, welch zerstörende Kraft der Krieg für das Reich habe: Destruit imperium violens discordia quoque Factio vel perdit oppida cuncta minax. Pax alit urbanos cultores paxque serenat Atria clara ducum nobiliumque domos. Ruris opes crescunt sub signo pacis et omnis Publica res melior prosperiorque manet (V. 7–12).39 (Auch zerstört die ungestüme Zwietracht das Reich, und die bedrohliche Spaltung zerrüttet alle Städte. Der Friede [dagegen] lässt die gebildeten Bürger gedeihen, Friede heitert die hellen Höfe der Fürsten und die Häuser des Adels auf. Die Landwirtschaft gedeiht unter dem Zeichen des Friedens, und der gesamte Staat verweilt in einem besseren und glücklicheren Zustand.)

In diesen Worten drückt sich eine ausgesprochene Kriegsmüdigkeit Lochers aus. Sie sind auch Vorboten der Friedensdiskussion, welche in den folgenden Jahren durch die Friedensschriften des Erasmus, speziell durch die »Querela Pacis«, angeregt werden sollte.40 Ein entsprechend geringes Verständnis schien Locher nunmehr für die weiteren Kriege in Italien aufzubringen. Als Maximilian 1516 nach einer schweren Niederlage vor Mailand von den Franzosen und Mailändern in Flugblättern und auch Schauspielen verspottet wurde,41 reagierte Locher nicht mehr. Ulrich von Hutten dagegen bemühte sich eifrig Maximilians Ruf zu verteidigen. Offensichtlich erkannte Locher die Aussichtlosigkeit dieses Unterfangens. Der Augsburger Reichstag von 1518 erteilte schließlich Maximilians und Lochers ______________ 39

Joseph SCHLECHT, Lob- und Spottgedichte Ingolstädter Humanisten. HJb 41 (1921), S. 215–246, S. 239. Vgl. ebd., S. 216.

40

Vgl. Joachim HAMM, Pax optima rerum. Zu den Friedensschriften des Erasmus von Rotterdam und ihrer zeitgenössischen literarischen Rezeption, in: Dulce bellum inexpertis. Bilder des Krieges in der deutschen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts. Hrsg. v. Horst Brunner u. a. Wiesbaden 2002 (Imagines Medii Aevi 11), S. 394–463 und die dort angegebene Literatur.

41

Despiciunt Veneti cives te, Gallia temnit, / Vix aliquid sperat quiquis amicus adest; / Finguntur mediis in te omnia turpia scænis / Contemptuque carent nulla theatra tui; / Audivi, et puduit, recitari carmina de te, / Et qui te ridet, ingeniosus is est, Ulrich von Hutten, Epistola ad Maximilianum Caesarem, Italiae ficticia, V. 233–238, ed. in: Ulrichs von Hutten Schriften. Hg. v. Eduard Böcking, Bd. 1. Leipzig 1859, S. 106–113, S. 113. Vgl. WIESFLECKER IV (1981), S. 247; WIESFLECKER 1991, S. 183.

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14. Neu und doch nicht unerhört: Libellus dramaticus (1513)

lebenslangen Hoffnungen auf einen Kreuzzug eine endgültige Absage. Wohl unter dem Eindruck des Thesenanschlags, erklärte eine anonyme Flugschrift, der Gelder erpressende Papst sei schlimmer als die Türken.42 Maximilians Zeit war vorbei (am 12. 1. 1519 starb der Kaiser) – und mit ihr auch die Zeit der großen politischen Werke seines poeta Jacob Locher. Der Philomusus begrüßte zwar ausdrücklich die Wahl Karls V.43 und verfasste zu seiner Unterstützung 1521 die »Exhortatio heroica ad pricipes Germaniae«; an eine groß angelegte Propaganda für seine Politik im Medium Drama aber ging er nicht mehr heran. Faktoren, die hierfür mitverantwortlich gewesen sein dürften, sind möglicherweise in den neuerlich auftretenden Streitigkeiten an der Universität zu suchen, die in den Jahren 1517 und 1520 bezeugt sind.44 Eine Rolle dürfte eventuell auch die Verunsicherung durch die Reformation gespielt haben: Locher pflegte seine alten Kontakte, unabhängig von konfessionellen Fragen – eine Neutralität, die in manchen Punkten sicherlich ein Schweigen notwendig machte;45 nur in einem Epigramm verurteilt der Philomusus die neue Lehre.46 Gründe für seine Zurückhaltung auf der Bühne könnten auch in der neuen innerfakultären Konkurrenz liegen, die er 1516/17 mit Urbanus Rhegius als Lektor in Oratoria,47 ab 1519 mit Johannes Agricola als lesendem Magister, später Lektor für Griechisch,48 1520/21 in Johannes Reuchlin und 1522/23 in Reuchlins Nachfolger Alexander Brassicanus49 fand. Sie dürfte Locher dazu veranlasst haben, sich vermehrt auf die Lehre zu konzentrieren. Schließlich könnten auch Lochers Familiengründung 151550 und seine Krankheit, die ihn spätestens ab 1520 quälte,51 seine Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit der Bühne mit bedingt haben. ______________ 42

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Exhortatio viri cuiusdam doctissimi ad Principes, ne in Decimae praesentationes consentiant, ebd., Bd. V, S. 168ff. Vgl. WIESFLECKER 1981, S. 393; WIESFLECKER 1991, S. 194. HEHLE II (1874), S. 39. PRANTL I, S. 133, 140, 206; HEHLE II (1874), S. 39. HEHLE II (1874), S. 41. HEIDLOFF, S. 168. Christoph SCHÖNER, Urban Rhegius, in: Biographisches Lexikon der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 341; HEHLE II (1874), S. 36. Rainer A. MÜLLER, Johannes Agricola (Peurle, genannt Ammonius), in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: IngolstadtLandshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 4f.; HEHLE II (1874), S. 36. Franz Josef WORSTBROCK, Johannes Alexander Brassicanus (Köhl, Kohlberger, Kohlburger), in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 48f. Zur umstrittenen Datierung (1515 oder 1517?) vgl. J.-D. MÜLLER, Jakob Locher, 1998, S. 246; HEHLE II (1874), S. 36 u. Anm. 6. Lutii Annei Senece Cordubensis tres selectiores Tragoediae in hoc volumine continentur. Hercules furens, Thyestes Mycenieus, Octavia Romana. Philomusi lectori Candido. Nürnberg: Friedrich Peypus, 1520 (UB München, 4 A. lat. 362), a2r.

15. Rückbesinnung auf Seneca: tres selectiores tragoediae (1520) 15.1. Locher als Lehrer In der Zeit nach 1513, nach seiner der Abfassung des libellus dramaticus und nach Erscheinen seiner großen Gedichtsammlung,1 präsentiert sich der Philomusus vor allem als Lehrer. Er liest über Vergil,2 über Plinius d. J., Livius, Valerius Maximus, Aulus Gellius, Persius, Florus, und Plautus, über Claudians »De raptu Proserpinae«, über die »Rhetorica ad Herennium« und über Ciceros »De oratore«, »Orator« und »Pro Milone«, vielleicht auch über Fulgentius.3 Die Vorlesungsankündigungen Lochers, welche im Eichstätter Codex 695 (419) erhalten sind,4 sind undatiert, dürften aber im Großen und Ganzen zwischen 1513 und 1520 entstanden sein, mit einem Schwerpunkt um das Jahr 1517.5 Für das akademische Jahr 1522/23 bezeichnet er als sein Lehrgebiet die »Caesares« des Sallust, die »Naturalis historia« des Plinius, die »Fasti« Ovids und Livius’ »Ab urbe condita«.6 Im Jahr 1522 war er vom Senat beauftragt worden, den ganzen Livius zu behandeln, musste aber 1523 dieses Unternehmen abbrechen, da nicht genügend Lektüreexemplare vorhanden waren. Im gleichen Jahr bot er an, über einen beliebigen Dichter zu lesen, und zwar zu einem geringeren Lohn als Brassicanus ihn verlange.7 Nicht nur durch geringere Lohnforderungen, sondern auch durch einen anderen Vortragsstil versuchte Locher seine Konkurrenten8 auszustechen. In ______________ 1

2 3

In hoc libello Iacobi Locher Philomusi Sueui Infrascripta poematia continentur. Augsburg: Sylvanus Othmar, 1513. Vgl. HEIDLOFF, Nr. XLII, S. 83–85. SCHLECHT 1921, S. 217, 239f. Stephan RANDLINGER, Vorlesungs-Ankündigungen von Ingolstädter Humanisten aus dem

Anfang des 16. Jahrhunderts, in: Beiträge zur Geschichte der Renaissance und Reformation. FS Joseph Schlecht. Hrsg. v. Ludwig Fischer. München/Freising 1910, S. 348–62, S. 349; HEHLE II (1874), S. 36f. Zu Lochers Plautus-Vorlesung vgl. auch SCHLECHT 1903, S. 249.

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HEIDLOFF, S. 113, Hs. III. RANDLINGER, S. 349f. LUDWIG 1996, S. 164f., 176. HEHLE II (1874), S. 37. Dass Locher auch in einem Konkurrenzverhältnis zu Reuchlin stand, obgleich dieser für Griechisch zuständig war, lässt sich aus einem Lobgedicht seines Schülers Hieronymus Rott aus Ulm ersehen, welches Reuchlin zwar als toto quo non praestantior orbe preist, Locher aber als denjenigen, der an die Grenzen des Götterhimmels reiche (Aonidumque meus Philomusus linina pandet). Oratio divi Hivoni iurisconsultorum sanctissimo Hieronymo Rott Vlmensi patritio In florentissimo Angelistadiano Gymnasio Dicta. Ingolstadt: Andreas Lutz, 1521 (Exemplar LB Stuttgart, HBK 332), b3v.

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15. Rückbesinnung auf Seneca: tres selectiores tragoediae (1520)

einem Beibrief ad studentiosam iuventutem zu seiner Claudian-Ausgabe (K2r) erklärt Locher, dass er die Texte im Hörsaal apta vocis pronuntiatione decentissimoque corporis gestu vortrage.9 Gemeint ist damit wohl jene theatralische Vortragsart, welche Wimpheling so heftig kritisierte. Im Zusammenhang mit seinen Ingolstädter Vorlesungen hat Locher eine Reihe von Klassikerausgaben und Lehrbüchern gestaltet: sein zwischen 1514 und 1522 viermal aufgelegtes »Compendium rhetorices«, seine Ausgaben von Ciceros »Pro Milone« (1517), von Claudians »De raptu Proserpinae« (1518), des »Panegyricus« des Jüngeren Plinius und später des Vorworts der »Naturgeschichte« des Älteren Plinius (1520 bzw. 1522), die Ausgaben der Verslehre des Francesco Mataratio (1520), der bereits erwähnten »Mythologien« des Fulgentius (1521) und dreier Tragödien des Seneca (1520).

15.2. Vorlesungsankündigung und Retrospektive Lochers Ausgabe der tres selectiores tragoediae »Hercules furens«, »Thyestes« und »Octavia«, erschienen bei Friedrich Peypus in Nürnberg am 31. 10. 1520, gibt sich ausdrücklich als eine Studienausgabe.10 Im Begleitbrief an Eberhard Sempach klagt Locher, dass, obgleich Massen von Büchern von französischen und venezianischen Händlern auf den deutschen Markt geworfen würden, der allgemeine Bildungsstand damit nicht angehoben werde.11 Nicht um seinen eigenen Namen fürchte er dabei, sondern um den seiner Lehrer, die bereits vergessen würden. Die Jugend nämlich lese minderwertige moderne Literatur, nova figmenta und nugae recentes, sie fliege nur auf Illustrationen und reißerische Titel: Delectantur in pomposis Titulis, stupent in vanis formarum encausticarum imaginibus (a1v). Vielversprechende Veranlagungen würden so zunichte gemacht. Mit anderen Worten, Locher sieht eine Krise der Ideale des Frühhumanismus; nicht mehr die Wiederbelebung aus der Antike und das Lernen aus derselben interessieren, sondern Neues. In Deutschland gehören zu diesem Neuen sicherlich die reformatorischen Tendenzschriften, daneben aber auch die neuen Prosaromane. Diesem Verfall der Bildung hält Locher eine Reihe von Autoren entgegen, die gelesen werden sollten, aber missachtet würden, allen voran Cicero, Livius, Sallust und Vergil. Um aber die Jugend wieder auf den rechten Weg zu bringen, ______________ 9 10

11

HEHLE II (1874), S. 37, Anm. 12; RANDLINGER, S. 349, Anm. 7. Lutii Annei Senece Cordubensis tres selectiores Tragoediae in hoc volumine continentur. Hercules furens, Thyestes Mycenieus, Octavia Romana. Philomusi lectori Candido. Nürnberg: Friedrich Peypus, 1520 (Exemplar LB Stuttgart, HB 1835.8°). In der Vorrede zum »Narrenschiff« beklagt Sebastian Brant, dass die zahlreichen Schriften (v. a. Bibeln und Schriften der Kirchenväter), die auf dem Markt seien, verachtet würden. Locher weitet die Klage über nicht beachtete Literatur im hecatostichon in proludium auctoris et libelli Narragonici in der »Stultifera navis« allgemein auf sophiae libri aus.

15.2. Vorlesungsankündigung und Retrospektive

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habe es Eberhard Sampach auf sich genommen, auf eigene Kosten einen der antiken Dichter zu verlegen: Senecam inquam Tragoediarum scriptorem luculentissimum, et unicum Cothurnati stili magistrum. Locher lobt dieses Werk besonders und erklärt, sein Freund Konrad Gaillinus (ein Schüler Lochers, der im Januar 1520 den Magistergrad erreicht hatte)12 habe ihm die erste Handreichung zu der Ausgabe geboten: primus ansam mihi prebuit (a2v). Ähnlich wie Locher in seiner FulgentiusAusgabe erklärt, er habe erst nuper Fulgentius schätzen gelernt, obwohl er schon 20 Jahre zuvor sein »Iudicium Paridis« auf den frühchristlichen Dichter gestützt hat, so behauptet er auch hier, jetzt erst zu Seneca, dem Vorbild seiner Tragödien, der nämlich unicus magister des tragischen Stils sei, hingeführt worden zu sein.13 Beide Male kann er nicht eine erste Bekanntschaft mit dem Text meinen, sondern nur ein In-Angriff-Nehmen der Ausgabe und eine neue Retrospektive auf sein altes Vorbild und auch auf sein eigenes Werk. Locher erklärt hier: opus Tragoediarum ex suggestu publico bonis ac candidis nostris auditoribus explanabimus, et locos quoscumque nodosiores enodabimus, excellentissimorum quidem praeceptorum beneficio, Philippi beroaldi Calphurnii Brixiensis, Laurentii Rossi, Ioannis baptistae pii, et Conradi Celtis poetae celebratissimi, qui cum Rudolpho Agricola primus Tragoedias Senecae per Germanica studia disseminavit (a2r). (Ich werde das Tragödien-Werk auf dem öffentlichen Katheder meinen guten und ehrenwerten Zuhörern erklären und ich werde alle zu stark verknoteten Stellen entwirren, wobei ich mich auf meine hervorragenden Lehrer stützen werde: auf Philippo Beroaldo, Calphurnius von Brixen, Lorenzo Rosso, Johannes Baptista Pius und Konrad Celtis, den hochberühmten Dichter, der zeitgleich mit Rudolf Agricola als erster die Tragödien Senecas an deutschen Universitäten bekannt gemacht hat.)

Dies ist eine Vorlesungsankündigung; die Ausgabe ist offensichtlich das Textbuch zur Vorlesung – eines, wie er es sich später auch für seine Livius-Vorlesung gewünscht hätte. Die Vorlesung will eine Erklärung und Interpretation der Texte bieten, gestützt auf Lochers alte Lehrer, denen man, wie er zuvor erklärt hat, gegenwärtig zu wenig Beachtung schenke. Mit anderen Worten, er will eine Klassiker-Kommentierung nach altem Stil vorlegen. Einen Katalog seiner Lehrer hat er auch der Fulgentius-Ausgabe beigegeben. Damit ermöglicht er einen Rückblick auf das, was ihn wissenschaftlich geprägt hat, und damit wird die angekündigte Vorlesung zu einer sehr persönlichen Reflexion über Lochers eigenes TragödienVerständnis. Hierzu gehört auch eine sanfte Andeutung auf seine Aufführungen: Der Begriff suggestum ruft die Assoziation einer Bühne hervor; die Vorlesung ist ______________ 12

13

Christoph SCHÖNER, Die ‚magistri regentes‘ der Artistenfakultät 1472–1526, in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hrsg. v. Laetitia Boehm u.a., Teil I: Ingolstadt-Landshut 1472–1826. Berlin 1998 (Ludovico Maximilianea, Forschungen 18), S. 507– 579, S. 545. Paul STACHEL scheint dies wörtlich zu nehmen; er verweist auf Lochers Seneca-Ausgabe und sieht den Versuch einer Nachahmung Senecas in neulateinischer Sprache erst 1595 bei Michael Virdung realisiert. Paul STACHEL, Seneca und das deutsche Renaissancedrama. Studien zur Literatur- und Stilgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. Diss. Berlin 1905, S. 1 und 5.

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15. Rückbesinnung auf Seneca: tres selectiores tragoediae (1520)

gleichsam ein öffentlicher Auftritt. Ob Locher zusätzlich noch eine Aufführung einer Seneca-Tragödie veranlasst hat, muss im Bereich der Spekulation bleiben; in der Fulgentius-Ausgabe von 1521 erwähnt er zumindest eine nicht lange zurückliegende Aufführung eines tragicum drama in Ingolstadt.14 Der Protagonist auf der „Hörsaal-Bühne“ jedenfalls ist der Philomusus selbst als Interpret Senecas. Die Ausführungen Lochers zu den Tragödien sind leider nicht erhalten; die Ausgabe ist nicht kommentiert. Von den meisten der hier erwähnten Lehrern Lochers sind keine SenecaKommentare bekannt; Locher scheint eher generell auf ihr Literatur- und Tragödienverständnis anzuspielen, auf die Form des Humanismus, die er in Italien erfahren hatte. Allein bei Celtis, dem Locher den deutlichsten Initial-Anstoß für sein dramatisches Werk verdankt, verweist er explizit auf die Seneca-Ausgabe. Die Identität des Philosophen Seneca mit dem Tragödiendichter ist für Celtis Ausdruck der Einheit von Philosophie und Künsten und des Ideals eines durch Literatur lehrenden Philosophen. Abweichend von diesem Bild des PhilosophenDichters nimmt Locher allerdings in seine Seneca-Ausgabe die Beschreibung der Seneca-Vita aus den »Vitae Poetarum latinorum« des Petrus Crinitus auf.15 Crinitus ist davon überzeugt, dass der Philosoph und der Tragödiendichter Seneca identisch seien, verwirft allerdings gleichzeitig die These, welche u.a. Rudolf Agricola vertritt,16 dass der Tragödiendichter der Sohn des Philosophen sei. Locher dürfte der Text des Crinitus nicht direkt vorgelegen haben; er hat ihn vermutlich aus der reich kommentierten Seneca-Ausgabe des Jodocus Badius übernommen, die 1514 in Paris erschienen war. Sie bietet den von Hieronymus Avantius, Benedictus Riccardini Philologus und Erasmus von Rotterdam wiederhergestellten Text der zehn Seneca zugeschriebenen Tragödien und eine weitgehend aus Aristoteles und Donat extrahierte Definition der Tragödie.17 Aus dieser Ausgabe hat Locher auch die Argumenta der drei von ihm herausgegebenen ______________ 14 15 16

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I3r; HEIDLOFF, S. 157, vermutet, es habe sich um eines von Lochers eigenen Stücken gehandelt. Petri Criniti libri de Poetis latinis. Florenz: F. Giunta, 1505 (Exemplar LB Stuttgart, HBb 122), E2r. L. Annei Senecae Declamationes aliquot, cum Rudolphi Agricolae viri doctissimi commentariolis, ante hac non excusis. Basel: Johannes Bebelius, 1529 (Exemplar UB Tübingen, Ce 2290), b3v. L. Annei Senecae Tragoedia pristinae integritati restitutae... Paris: Jodocus Badius, 1514 (Mickrofiche Bibliotheca Palatina, B592–597). Vgl. die französische Übersetzung der einleitenden Schriften in: Badius, S. 142–163. Badius verweist auf die Teile der Tragödie, wie sie Aristoteles definiert, und fasst die Unterschiede zwischen Tragödie und Komödie zusammen als eine Differenz zwischen hohem und mittlerem Personal; die Erregung von Furcht und Schrecken in der Tragödie stehe der Fröhlichkeit und Leichtheit der Komödie gegenüber; der tragische Spannungsverlauf von der Ruhe zur Unruhe sei in der Komödie umgekehrt; der Darstellung von Meidenswertem in der Tragödie stehe die von Begrüßenswertem in der Komödie gegenüber, dem historischen der fiktive Stoff, dem Kothurn der Soccus (Aa6r). Badius betont den didaktischen Wert der Tragödie und die Erstrangigkeit Senecas unter den Tragödienschriftstellern. Seine Darstellung des Bösen diene nicht zu dessen Lob, sondern zeige vielmehr warnend den Untergang von Tyrannen auf und diene damit der Ermahnung zur Umkehr und zu einem tugendhaften Leben (Aa1v). Vgl. oben, Kap. 2.2.

15.3. Noch einmal gegen die Feinde der Musen

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Tragödien kopiert, allerdings jeweils gekürzt um den letzten Abschnitt (der die Gliederung der jeweiligen Tragödie beschreibt) und ohne Nennung des Autors der Argumenta, Benedictus Philologus.18 Die Ausführungen des Crinitus/Badius zum Problem der zwei Senecas reduziert Locher in seiner Ausgabe deutlich; die Diskussion, ob es sich um Vater und Sohn handeln könnte, streicht er ganz. Offensichtlich hat er kein allzu großes Interesse an diesem Problem, weder an der Widerlegung der Identitätsthese noch an ihrer Bestätigung. Was seinem Lehrer wichtig war zu betonen, dass sich nämlich in der Identität der beiden Senecas die Einheit von Philosophie und Dichtung zeige, scheint für Locher nicht mehr auf diesem Wege belegt werden zu müssen. Albrecht von Eyb hatte bereits 1472 in seiner überaus erfolgreichen und 1503 von Sebastian Brant erneut herausgegebenen19 »Margarita poetica« den Tragödiendichter Seneca auch ohne die Behauptung seiner Identität mit dem Philosophen20 als einen Verbreiter höchster philosophischer Weisheit und moralischer Lehre gepriesen (II, tr. 1, cap. 18, Y2v), der unter die höchsten Autoritäten einzureihen sei, denn es verweise auf die Vergänglichkeit der menschlichen Werke. Letzteres belegt Albrecht mit Zitaten aus dem »Hercules furens« wie Quicquid in altum fortuna tulit: ruitura levat ... O nulla longi temporis foelicitas (Y6r). Der Dichter, der in seinen Tragödien das Gesetz der Fortuna aufdeckt, ist damit per se bereits Philosoph und muss nicht auch ein Verfasser streng philosophischer Texte sein. Dies kommt Lochers Selbstsverständnis als Tragödiendichter sehr entgegen; in die Tradition des so verstandenen Seneca tragoedus stellt er sich gern.

15.3. Noch einmal gegen die Feinde der Musen Konrad Gaillinus, der, wie Locher angibt, ihn zu der Arbeit angeregt habe, steuert der Ausgabe eine Reihe von Texten bei und gibt sich damit als Mitherausgeber: Zwischen Lochers daktylisches Argument zu Senecas »Hercules furens« (a2v) und die Inhaltsangabe desselben Stücks von Benedictus Philologus (a3v) ist ein Epigramm des Gaillinus geschoben, in welchem er den »Hercules furens« und seine dramatische Gewalt lobt (a3r–v); im Anschluss an das Argument des Philologus und das Rollenverzeichnis (a4r) meldet sich Gaillinus noch einmal zu Wort, und zwar – an dieser Stelle eher unerwartet – mit einer Invektive in quemcumque malignum Zoilum, et plus aequo in alienis rebus nasutum (a4r), gegen einen übelwollenden und in fremden Angelegenheiten herumstöbernden Kritiker. Wenn dieser aus ______________ 18 19

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Vgl. Locher a3v – Badius Aa6v; Locher i4v – Badius e7v (=39v); Locher q2v – Badius C5r (=205r). Albrecht von Eyb, Margarita Poetica pro Oratoribus. Straßburg: Johannes Priis, 1503 (Exemplar LB Stuttgart, Phil. qt. 119). Im Index bezeichnet Albrecht von Eyb den Tragödienschriftsteller als iunior Seneca.

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15. Rückbesinnung auf Seneca: tres selectiores tragoediae (1520)

reinem Neid, da ihm ein Besserer oder Redegewandterer, melius sive disertius, unter die Augen getreten sei, nun die Dichtungen dessen zerfetzen wolle, der doch von vielen Seiten zum höchsten vates und zum Glanz des kriegerischen Schwaben (Belligerae gloria Sueviae) erhoben werde, dann wolle er, Gaillinus, ihn oder seinen bösartigen Geist züchtigen (a4r). Umsonst renne der Tadler gegen eine feste Burg an, er könne es nicht bewirken, dass sich Gaillinus von seinem Lehrer Philomusus abwende, Ut vates animo mi cadat, inclyta / Cui addunt Pegasiades nomina ƪơƩ ƶƩƫƯƲ (a4v). Er stellt damit die Seneca-Ausgabe in den Kontext der aktuellen Konflikte Lochers an der Universität. Seneca und Locher werden von ihm auf eine Ebene gestellt; den einen zu tadeln, käme der (zwecklosen) Kritik am anderen gleich. Am Ende des Bands äußert sich auch Locher zu der wieder aktuell gewordenen Verachtung der Dichtung. Er lobt den Eifer seines Schülers, dem er das Verdienst für den Band gern zugesteht und den er lobend als Musarum amicus bezeichnet; er gibt aber zu bedenken, dass viele vom Laster eines falsus amor und einer falschen Hoffnung verführt seien und die Lehren Senecas, welche gerade davor warnen wollen, nicht hören: Elicuit nobis Alcidae gesta furentis En tua sedulitas, votaque missa Iovi. Forsitan ille labor, quo nos prodesse studemus Ingeniis gratis, praemia digna feret. Ingratos siquidem, profugos, atque ore protervos Nostra nihil curat pagina, sunto procul. Falsus amor, conflictus honor, praesumptio vana. Seducit multos, improbulosque facit. (y2v) (Siehe, dein Eifer hat uns die Taten des wütenden Alciden und die an Jupiter gerichteten Gebete offenbart. Vielleicht wird diese Mühe, mit der wir versuchen, dankbaren Geistern zu dienen, einen angemessenen Lohn erhalten. Mit den Undankbaren aber, den Unsteten und unverschämt Redenden, gibt sich unser Werk nicht ab. Die sollen sich fern halten! Eine falsche Vorliebe, erschütterte Ehre und eitle Vermessenheit verführen viele und machen sie zu dreisten Kerlchen.)

Die Verachtung der antiken Dichter und die Verachtung derer, die sich um diese bemühen, fallen zusammen als Formen der Undankbarkeit. Folglich wirbt Konrad Gaillinus in seinem abschließenden Epigramm an den Leser nicht nur für Seneca, sondern generell für die Dichtung, die – eine Argumentation, die wieder an Lochers »Comparatio« anknüpft – für jeden nützlich sei: für den Ethiker (dem der andere Seneca zu empfehlen sei), den Logiker (der Aristoteles lesen möge), für den Rhetoriker (der an Cicero, Hermogenes und Quintilian verwiesen wird), den Mediziner (der Hippokrates lesen möge) und den Juristen (für den Bartholus und Baldus zu empfehlen seien), etc. Seneca dagegen öffnen den Blick auf das infernum, auf den orcus und auf Grausamkeiten, die vom Schicksal dirigiert werden. Die studiosa cohors möge also ihre Trägheit abschütteln, um die in erhabener Sprache verfassten carmina Senecas zu „sehen“,

15.3. Noch einmal gegen die Feinde der Musen

345

Quae tibi iam fausto depromet sydere, nomen Cui dilecta dedit Musaque amata suum. (y3r–v) (die dir jetzt unter einem glücklichen Stern der bieten wird, dem die innig geliebte Muse den Namen gegeben hat.)

Mantua habe seinen Vergil, Verona seinen Catull, andere Städte ihre Dichter, Cordoba seine Senecas, Rom seinen Tibull, Griechenland seine Poeten, Suevia Docticanum Philomusum suscipit, illum Atque Ingolstadii docta iuventa colit. Cuius in Ausonia partum21 tellure tropheum Nunquam convellet lingua proterva viri. Nil igitur metuat Criticus si voce lacessit, Frangere sique fidem tentat ubique suam. Sat sibi laudis adest, cuius pervenit ad Albim Nomen, et auriferi prata beata Tagi. Sarmata iam huncque colit, iam Rhenus, Sequana, Padus Mirantur genii munera rara sui. Huic dabit aeternae pugnax Germania famae Laudatos titulos, Marmoreumque decus. (y3v) (Schwaben anerkennt seinen gelehrten Philomusus, und die gebildete Jugend von Ingolstadt verehrt den, welchem die freche Rede eines Mannes nicht die in Italien erworbene Trophäe entreißen kann. Nichts also hat er zu fürchten, wenn der Kritiker ihn mit seiner Stimme herausfordert und ihm, indem er seine Glaubwürdigkeit überall zu erschüttern versucht, zusetzt. Genügend Lob erfährt er, dessen Name bis zur Elbe gedrungen ist und an die glücklichen Gefilde des Gold führenden Tajo. An der Ostsee schätzt man ihn schon, am Rhein, an der Seine und am Po werden die kostbaren Gaben seines Genius bewundert. Das kriegerische Deutschland wird ihm die Ehrentitel ewigen Ruhmes verleihen und ein schmückendes Denkmal aus Marmor.)

Mit diesem Loblied endet der Band. Das Lob für den Philomusus verschmilzt zunächst mit dem des Seneca und überstrahlt dieses schließlich. Es scheint vergessen zu sein, dass es sich beim vorliegenden Band „nur“ um eine Klassikerausgabe handelt; die Erzeugnisse von Lochers Genius werden gefeiert, und zwar speziell im kriegerischen Deutschland. Nichts liegt näher als bei den hier genannten Werken des Philomusus in erster Linie an seine politischen Dramen zu denken, an seine Nachahmungen Senecas, welche der Erziehung zur Tugend und einer Politik wider jegliche Tyrannei dienen. Der Erfolg von Lochers Werken sei bereits erwiesen; die Kritik des unbenannten Gegners trifft ihn folglich nicht mehr im aktuellen Schreibprozess. In der Retrospektive auf Lochers Werke scheint diese Kritik geradezu wie ein Kampf gegen den bereits erfolgten Lauf der Zeit. Damit ist der Gegner disqualifiziert. So gelingt es der Seneca-Ausgabe, Lochers Bedeutung als eines Dramatikers, als eines politischen Schriftstellers, als eines Gelehrten des alten Stils, zu propagieren. ______________ 21

partum ] patrum.

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15. Rückbesinnung auf Seneca: tres selectiores tragoediae (1520)

15.4. Noch einmal zum Ziel von Lochers Dichtung Die Seneca-Ausgabe ist nicht das einzige Werk dieser Zeit, in welchem Locher auf sein Oeuvre zurückschaut. Wiederholt äußert er sich Anfang der 1520er Jahre zum Zweck der Poesie, und damit auch zum Zweck seiner Dichtung. Während Gaillinus in der Seneca-Ausgabe betont, wie weit der Ruf Lochers gedrungen sei, rühmt dieser sich in seiner gleichfalls 1520 erschienenen kommentierten Ausgabe von Claudians »De raptu Proserpinae«22 seiner hochgestellten Hörer, qui nostri portarunt signa theatri (B1r). Stolz nennt er an erster Stelle den kaiserlichen Rat Kardinal Matthäus Lang (B1r) (der freilich nur ein mentaler Schüler von ihm sein konnte, sein Studium war, bis Locher zu lehren begann, lange abgeschlossen23), dann – hierarchisch geordnet – eine Reihe von geistlichen und weltlichen Würdenträgern, allen voran die Markgrafen von Baden. Der „beinahe unendlichen Zahl“ seiner hervorragenden Schüler, die late per Germaniae fines verteilt seien, könne er sich nicht mehr vollständig erinnern. Dass er dies hier anführe, sei allerdings nicht als Prahlerei zu verstehen, sondern er wolle die lernbegierige Jugend durch die Aufreihung berühmter Namen anspornen, Haec citra omnem iactantiam apposuimus: ut studiosae iuventuti24 / clara nominum relatione / stimulos incuteremus25 (B1r). Das Ziel seiner Lehre beschreibt Locher ausführlicher im Widmungsbrief des gleichen Werks an die studiosa iuventus: Er wolle Klassiker auslegen, daremque sedulam: ut populi Romani rerum gestarum magnitudinem: et auctam foelicibus auspiciis maiestatem cognosceres (K2r). Doch nicht nur um die sich in Heldentaten offenbarende Größe Roms geht es ihm, sondern um vielfältige Einblicke in die Tiefe der antiken Dichtung. Gern möchte er Claudian im Unterricht behandeln und durch einen lebhaften Vortrag zum Leben erwecken. Das Buch gehe ebenfalls in diese Richtung und offenbare in elegantem Stil und sub poetico tegumento einen sublimen Stoff und höchst zutreffende Beschreibungen der Natur, mit anderen Worten: Naturphilosophie. Unverdorben durch die vielen Kommentare, mit denen andere Werke überfrachtet und damit dem unmittelbaren Blick des Lesers entzogen seien, möchte er dieses Werk seinen Studenten darbieten, damit sie als Leser oder Hörer im lebendigen Umgang mit den Klassikern von dem furor poeticus erfasst werden, aus dem heraus Claudian geschrieben habe (B2v) und auf den sich Locher selbst immer wieder beruft: Der furor poeticus bezeichnet ein halbmystisches Erkennen der Welt (hier des Inferno) und ein Niederschreiben der eingegossenen Wahrheit. ______________ 22

23

24 25

Claudianus, De raptu Proserpinae: cum quibusdam declaratoriis glossematibus ... Eiusdem Philomusi argumenta in singulos libros. Nürnberg: Friedrich Peypus, 1518 (Exemplar SB München, 4° L lat. 531). Anton SCHINDLING, Matthäus Lang von Wellenburg, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 16. Berlin 1990, S. 394–397, S. 394. iuventuti ] iuentuti. incuteremus ] iucuteremus.

15.4. Noch einmal zum Ziel von Lochers Dichtung

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Placebit forsan tibi meus erga te amor: quo moveor / afficior / trahor / ut te lubens doceam: tibi antrum Appollinis recludam: et musarum fontes iugiter manantes / labiis tuis largo quidem haustu infundam (K2v). (Vielleicht wirst du Gefallen an meiner Liebe zu dir finden, von der ich bewegt werde, die mich erfüllt und vorantreibt, so dass ich dich mit Vergnügen unterrichte, dir die Grotte des Apoll aufschließe und deinen Lippen das Nass der beständig strömenden Musenquelle in einem noch dazu großzügigen Maß einflöße.)

Der stimulus, den Locher seinen Studenten geben will, bedeutet also, ihnen den furor poeticus weiterzugeben, der Weltsicht und Sprachvermögen verleiht. Matthäus Lang, der gefeierte legatus in Lochers letztem Drama, kann als ein Paradebeispiel eines „Schülers“ gelten: ein Mann, der die Belange der Zeit wie die göttlichen und moralischen Gesetze erkennt und tatkräftig und wortgewaltig in die Weltpolitik eingreift, zum Ruhme Gottes, des Reichs und Maximilians. Als Locher ein Jahr später die »Exhortatio heroica ad principes Germanie et status pro serenissimo Romanorum ac Hispaniarum rege Carolo, contra hostes sacrosancti imperii detestabiles«26 zur Unterstützung von Karls V. Frankreichfeldzug publiziert, erörtert er im Widmungsbrief dieser Schrift an Leonhard von Eck die Frage, was die Dichtung im Krieg bewirken könne, Quid muse telis exarmate ... inter classica horribiliter sonantia, et inter tubas obstrepero concentu clangentes meditari ac efficere possunt? (A1v). Natürlich könnten die Musenkünste nicht unmittelbar in das Kampfgeschehen eingreifen, erklärt er, sed quid agant in animis hominum, reticere non possum, Martem incendunt: Duces animosiores reddunt: Milites ad spem victorie puchram erigunt, ad spetiosam pompam triumphi exercitum allitiunt: ad predas hostium dividendas provocant, et ad immortalem rei geste gloriam indipiscendam hortantur (A1v). (aber was sie im Inneren der Menschen bewirken, kann ich nicht verschweigen: Sie entflammen den Kriegsgeist, sie machen die Heerführer mutiger, sie geben den Soldaten die schöne Siegeszuversicht, sie locken das Heer mit dem großartigen Pomp des Triumphes, fordern dazu auf, die Feindesbeute unter sich zu verteilen, und sie spornen dazu an, den unsterblichen Ruhm für eine Heldentat zu erwerben.)

Dies hätten bereits die Athener erkannt. Von Claudian stamme die Erkenntnis, Carmen quisquis amat: carmine dignus erit (A2r). Eine Förderung der Dichtung diene sowohl dem politischen Erfolg als auch dem eigenen Ruhm; die Musen regten Heldentaten an und verewigten rühmend die Namen der Helden. – Dies ist die Aufgabe, welche Locher durch sein ganzes Werk, speziell durch sein dramatisches Werk, hindurch verfolgt hat. Diese Aussage in seinem letzten politischen Gedicht schlägt den Bogen zurück zu seinem ersten historiographisch-politischen Versuch aus Bologna. Sie schlägt auch noch einmal den Bogen zurück zu Maximilians Gedächtniswerk, in dessen weiteren Rahmen Locher sich stellt. ______________ 26

Exhortatio heroica ad principes Germaniae et status pro serenissimo Romanorum ac Hispanorum rege Carolo, contra hostes sacrosancti imperii detestabiles. o. O. [Augsburg], 1521 (Exemplar UB München, 4 P. lat. rec. 24e).

16. Schluss Est vatum (quod nemo negat) coelestis origo (K4v), erklärt Locher zu Beginn seiner in der Claudian-Ausgabe enthaltenen Elegie »De origine et officio poetarum«.1 Aus Jupiter und Merkur zugleich geflossen sei die Dichtkunst. Mercurius siquidem dictus Termaximus heros, Orator / vates / maximusque sophos (K4v). (Merkur nennt man ja den dreimal höchsten Heros: Er ist der größte Redner, Dichter und Weise.)

Der Dichtergott Merkur, der von der ganzen Welt verehrte König, der den Menschen die Szepter der Gerechtigkeit verliehen und ihnen Sitten gegeben habe, steht hier für Christus, für den Locher oft den Begriff heros verwendet.2 Hic primus carmen scripsit: Er hat zuerst den Lobgesang im Himmel angestimmt, Hic prosam docuit princeps: Er hat zuerst die Menschen sprechen gelehrt. Von ihm stammen die Dichter ab (L1r). An der göttlichen Würde der Dichter also ist nicht zu zweifeln. Nicht jeder aber darf sich „Dichter“ nennen. Sit tamen imprimis, qui nunc cupit esse poeta Orator promptus, grammaticusque bonus. … Non qui vel septem, vel tres componere versus Noverit: hic vatis nomine dignus erit: Sit bonus et prudens: sit relligionis amator: Sitque dei cultor: sit pius atque probus. Vanidicas fugiat sectas: legesque prophanas Carmine proscindat: mystica sacra colat. Astriferos coetus: et summi templa tonantis Carminibus celebret mellifluisque tonis. | Non sit lascivus: turpem proscribat Erota: Pro larvis Christum laudet ubique deum. Perversos fugiat mores: humanus in omnes Existat: doceat scribat / et acta legat. Sit quoque virtutis clarissima buccina pulchrae: Que nostros animos diis facit esse pares. Fortia bella canat: pacem meditetur Olivae: Carmine magnanimos et super astra vehat. Non assentator / simulator / palpo / supinus / Nec sit delator / omnia sanus agat. (L1r–v)

______________ 1 2

Claudianus, K4v–L2r. Vgl. dazu HEIDLOFF, S. 176f. Vgl. KÜENZLEN 2003, S. 832.

16.1. Dichtung und Wahrheit

349

(Wer heutzutage ein Dichter sein will, sei zuerst ein schlagfertiger Redner und guter Grammatiker … Nicht wer sieben oder drei Verse schreiben kann, wird des Namens „Dichter“ würdig sein. Er sei gut und weise, sei ein inniger Anhänger der Religion und verehre Gott; er sei fromm und integer. Lügenhafte Irrlehren fliehe er, gottlose Gesetze schmähe er in seiner Dichtung; die heiligen Geheimnisse verehre er, die himmlischen Versammlungen und die Heiligtümer des obersten Gottes verherrliche er mit Liedern und in honigsüßen Tönen. Er sei nicht lüstern, die schändliche Erotik ächte er. Statt der Götzen lobe er allerorts Christus als Gott. Er fliehe verkehrte Sitten, befleißige sich gegenüber jedermann der Humanität. Er lehre, schreibe und lese Geschichte. Er sei auch ein hell tönendes Signalhorn der lobenswerten Tugend, die unsere Seelen gottgleich macht. Er besinge heldenhafte Schlachten, er reflektiere über den im Ölzweig symbolisierten Frieden und mit seiner Dichtung hebe er die edel Gesinnten in die Sterne. Er sei kein Schmeichler, Heuchler, Speichellecker, Duckmäuser, noch sei er ein Denunziant. Er handle in allen Dingen vernünftig.)

Dichter zu sein ist für Locher nicht nur ein technischer sondern v. a. ein moralischer Anspruch, ein Anspruch an den ganzen Menschen als Abbild Gottes. Der humanistische Gelehrte setzt dieses Ideal der humanitas, einer inneren Perfektion, die sich in an Charakter, Moral und Sprache zeigt, um: an der Universität, indem er Grammatik, Rhetorik und Moral gemeinsam unterrichtet, und in der Politik, indem er in Krieg und Frieden sein moralisch-religiöses Pflichtbewusstsein künstlerisch und sprachlich gekonnt und schlagfertig einsetzt, zum Wohl der Gesellschaft und Menschheit. Hierin sieht Locher eine wahre Nachfolge Christi, des Quells von Redekunst und Gerechtigkeit. In seinen sieben Dramen hat Jacob Locher dieses Dichtungskonzept propagiert und umgesetzt und dabei Theatergeschichte geschrieben. Im Rückblick auf die vorangegangene Untersuchung sollen hier noch einmal die wichtigsten Aspekte von Lochers dramatischem Schaffen zusammengefasst und in ihrem zeitgenössischen Kontext gestellt werden.

16.1. Dichtung und Wahrheit Im Musengarten sei seine »Historia« entstanden, erklärt Locher, und auch für die anderen Werke beansprucht er als vates dichterische Intuition und göttliche Inspiration – so, wie man es bei Plato im »Ion« nachlesen könne. Nichts selbst Erdichtetes schreibt seiner Überzeugung nach der vates, sondern er schöpft aus den tiefsten Quellen der Wahrheit und der Welteinsicht. Seine Dichtung will folglich grundlegende philosophische Wahrheiten vermitteln; sie drehe sich nicht um Sophismen wie die Werke der Scholastiker, erklärt er, sondern sie habe den Stel-

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16. Schluss

lenwert von Prophetie.3 Unter dem Einfluss der Poetik des Celtis und des italienischen Renaissance-Humanismus und gestützt auf Ciceros »Pro Archia poeta« (VII, 16), postuliert Locher, die Dichtung sei Ursprung allen Wissens, ohne sie gebe es keinerlei Einsicht, auch keine Gotteserkenntnis. Dichtung ist für ihn erste Philosophie und mit der Theologie wesensverwandt; wie diese will sie zu virtus, zur Sittlichkeit und zur Anschauung der höchsten Dinge führen. Die in der Dichtung vermittelten Wahrheiten können in fiktive Integumenta gehüllt sein, und so ist es notwendig, den sensus mysticus poetischer Werke aufzudecken. Dies trifft für jede Art von Poesie zu, auch für das Drama, welches Locher immer nur als eine, wenn auch in der Regel an prominenter Stelle genannte Form der Dichtung auffasst. Nicht nur das geschriebene Wort gilt es nach dem mehrfachen Schriftsinn auszulegen, wie es Locher in seinem Lesedrama »Poemation de Lazaro mendico« fordert, sondern auch das gesprochene Wort und die gespielte Szene. So hält er im Prolog des »Iudicium Paridis« seine Zuschauer dazu an, das folgende Geschehen allegorisch zu deuten und die mandata tonantis zu vernehmen. Mit dem Hinweis auf den tiefer liegenden philosophischen, von Gott stammenden Sinn setzt sich Locher nicht nur von rein unterhaltenden Bühnenstücken wie dem Fastnachtsspiel ab, sondern auch von offen didaktischen Werken wie Moralitäten oder geistlichen Spielen. Er nimmt auch eine Gegenposition zu Heinrich Bebel ein, der nicht die Dichtung – v. a. nicht eine fingierende – an die erste Stelle stellt, sondern die Eloquenz und eine bodenständige Bewährung in guter Sprache sucht. Als fiktive Hülle philosophischer Wahrheit wird bei Locher dagegen jeder Stoff bühnenfähig. Vorwürfe der Laszivität, des Heidnischen oder der Lüge können in seinen Augen nur ein Ausdruck des Unverständnisses sein. Der Wahrheitsanspruch, der sich auf unmittelbare göttliche Inspiration des Dichters gründet und sich auf die exegetischen Methoden der Kirchenväter beruft, erscheint als unumstößlich und nur von Kritikern der göttlichen Wahrheit angreifbar.

16.2. Das Dichteramt. Ein Auftrag in Politik und Lehre Der Dichter als Philosoph und Theologe ist bei Locher zwar Vertreter der vita contemplativa, er ist aber nicht losgelöst vom aktuellen Zeitgeschehen der Welt. Locher hält vielmehr am platonischen Ideal des Philosophenkönigs fest, welches er in Maximilian verkörpert sieht; der Habsburger vereine in sich militärische Stärke und kriegerische Tugenden mit eigener Gelehrsamkeit sowie der vorbildhaften Förderung von Wissenschaft und Künsten. Die deutschen Frühhumanisten, so u. a. auch Zasius, sehen in der Förderung der Wissenschaften und der ______________ 3

Zum Dichter-Propheten vgl. Klaus MANGER, Literarisches Leben in Straßburg während der Prädikatur Johann Geilsers von Kaysersberg (1478–1510). Heidelberg 1983 (Heidelberger Forschungen 24), S. 80f.

16.2. Das Dichteramt. Ein Auftrag in Politik und Lehre

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Dichtung durch Maximilian eine Vertreibung der „Tyrannei der Barbaries“ und eine Befreiung Deutschlands zu seiner alten Macht. Der Römische König, der den Dichter schützt und krönt und in seinen Palast lässt, beweist in Lochers »Tragedia« durch diesen Akt seine Größe und die Größe des Reichs: Unter seiner Ägide erstehen das antike Rom und das antike Karthago wieder. Militärische Macht und Bildung sind im Weltbild der Frühhumanisten um Maximilian untrennbar miteinander verbunden;4 Celtis sieht in der Ausbildung einer humanistischen Gelehrsamkeit und Dichtkunst in Deutschland den notwendigen Abschluss der translatio imperii.5 In diesem Sinne erklärt auch Locher in seiner Horaz-Ausgabe (2v–3r), Gott habe nicht gewollt, dass das deutsche Volk unter die Barbaren gerechnet werde. Er habe den Deutschen die Herrschaft über das Römische Reich übertragen, da sie alle anderen Völker an Glaubensstärke, Integrität, Aufrichtigkeit und humanitas übertreffen. Zur Vervollständigung der translatio imperii, zur Vervollkommnung der humanitas und zum endgültigen Austritt aus der barbaries aber fehle es den Deutschen noch an einer rechten Pflege der Dicht- und Redekunst, die lange Zeit missachtet worden sei. Dies kritisierten die Italiener zu Recht, hier bestehe Nachholbedarf. Diesem Missstand zu begegnen und das Missverhältnis zwischen kriegerischer Macht, heroischer Tugend und mangelnder Bildung der Deutschen auszugleichen, ist die Aufgabe, welche Locher sich stellt. Als Lektor für Poetik und Geschichte und als poeta laureatus, der mit der Dichterkrönung zum Lob des Königs verpflichtet ist, stellt er sich in mehrfachem Sinne in den Dienst des Reichs: Durch den Sprachunterricht und durch eine Aufarbeitung klassischer Literatur und antiker Bildung will er helfen, die barbaries zu vertreiben. Durch die Einführung einer literarischen Gattung, die – so Celtis – bei den Römern hohe Bedeutung für die Politik hatte, will er als Dichter unmittelbar politischen Einfluss nehmen und die Macht des Römischen Königs unterstützen. Durch die Demonstration der bedeutenden staatstragenden Rolle des Dichters in seinen Werken will er die studia humanitatis weiter etablieren und zu Nachahmung anregen. In der im Zusammenhang der Dichterkrönung entstandenen »Tragedia« stellt Locher seine Rolle als Dichter des Kaisers dar, die er dann später im »Iudicium Paridis« in der Figur der Minerva erneut thematisiert. Das Leben eines DichterGelehrten ist für ihn eine hochwertige Alternative zur vita activa des Feldherrn (so wie auch Petrarca den Dichterlorbeer mit dem Lorbeer des Triumphators vergleicht). Beide sollen nach Lochers Auffassung Hand in Hand für das Reich kämpfen. Der Dichter kann dem Herrscher den besten Rat geben, er weist auf ______________ 4 5

KRAPF 1979, S. 97. Franz Josef WORSTBROCK, Konrad Celtis. Zur Konstitution des humanistischen Dichters in Deutschland, in: Literatur, Musik und Kunst im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1989 bis 1992. Hrsg. v. Hartmut Boockmann u. a. Göttingen 1995 (Abh. der Akad. der Wiss. in Göttingen. Philol.-hist. Klasse, 3. Folge Nr. 208), S. 9–35, S. 15f.

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16. Schluss

Rechtsverletzungen hin, zeigt Handlungsbedarf auf, er ruft zum gerechten Krieg, er ermuntert die Truppen und verherrlicht anschließend den Sieger. Ähnlich erklärt Locher später in der »Exhortatio heroica«, wo er laut MERTENS „den Zusammenhang zwischen Humanismus und Heerwesen, Antikerezeption und Kriegswesen so deutlich ausgesprochen [hat], wie wohl kein poeta laureatus Maximilians sonst“,6 dass die Dichter nicht auf dem Schlachtfeld kämpfen, sondern im Geist der Menschen: Sie entflammen die Kampfbereitschaft, ermutigen die Heerführer, vermitteln den Soldaten Siegesgewissheit und ermuntern alle, durch Heldentaten unsterblichen Ruhm zu erwerben. Die Förderung der Dichtung durch den (kriegerischen) König diene so sowohl dem politischen Erfolg als auch dem eigenen Ruhm, den wiederum die Dichtung besinge. Ohne Dichtung aber gebe es keine memoria an tugendhafte Taten, ja, sei jede Brillanz vergeblich. Die besondere Fähigkeit, in Krieg und Frieden Herrschern und Senatoren den rechten Rat geben zu können, erhält die Dichtung zum einen aus der unmittelbaren göttlichen Inspiration, zum anderen aus dem enormen Erfahrungsschatz, den die Historiographie bereithält. Geschichtsbetrachtung, Geschichtsdarstellung und Poesie sind im späten 15. Jahrhundert nicht zuletzt auch in der Theorie eng miteinander verknüpft. Für Pontano etwa liegt der Hauptunterschied zwischen Geschichtsschreibung und Dichtung lediglich in der Alternative Vers oder Prosa.7 Andere Frühhumanisten, wie z. B. Giovanni Antonio Viperano, erklären unter Berufung auf Aristoteles, Poesie habe sich durch schöpferische Findung und Erfindung von der Historiographie zu unterscheiden, und deshalb wird oft Lucan vorgeworfen, seine »Pharsalia« seien keine Dichtung sondern nur versifizierte Historiographie.8 Valla betont, dass Dichtung „philosophischer“ sei als Historiographie;9 den Erkenntniswert der Geschichtsschreibung aber setzt er höher an als den der Philosophie und Poesie, da ein historiographisches Werk sowohl konkret als auch allgemein sei, indem es per exempla docet, während die Dichtung allein circa universalia sei.10 Leonardo Bruni rechnet bereits um 1420 die Dichtung, die Geschichtsschreibung und die Rhetorik gemeinsam zur Moralphilosophie,11 und auch bei Locher lässt sich keine klare Trennung oder Abstufung zwischen Geschichtsschreibung, Geschichtsdichtung und Poesie ausmachen. Für ihn ist Lucan Historiograph und Dichter, und für ihn umfasst die Geschichtsschreibung wie die Dichtung das gesamte Weltwissen. Jede ______________ 6 7

8

9 10 11

MERTENS 1986, S. 117. Klaus HEITMANN, Das Verhältnis von Dichtung und Geschichtsschreibung in älterer Theorie. Archiv für Kulturgeschichte 52 (1970), S. 244–279, S. 255. Ebd., S. 261. Vgl. auch: Giovanni Antonio Viperano, On Poetry. Ins Engl. übers. v. Philip Rollinson. Greenwod, Sc 1987 (The Library of Renaissance Humanism). Zur mittelalterlichen Diskussion, ob Lucan ein Dichter sei, vgl. Peter von MOOS, Poeta und historicus im Mittelalter. Zum Mimesis-Problem am Beispiel einiger Urteile über Lucan. PBB 98 (1976), S. 91–130. HEITMANN, S. 266. Ebd., S. 271; MERTENS 2000, S. 72. HEITMANN 1970, S. 271f.

16.2. Das Dichteramt. Ein Auftrag in Politik und Lehre

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Historiographie nämlich ist ein dichterischer Akt, und jedes Schreiben ist ein Festhalten von Gewesenem oder von einstmals Erkanntem. Wenn SCHERER erklärt, „Locher wandte sich während seiner … dreißigjährigen Lehrtätigkeit in Ingolstadt vornehmlich der Poesie zu; für die Historie fand er weniger Neigung“,12 dann übersieht er diese Einheit der Disziplinen. Geschichtsschreibung liefert nach Lochers Vorstellung exempla für rechtes Verhalten, rechtes Urteilen, rechte Lenkung von Staat und privaten Angelegenheiten. Sie hält hervorragende Taten der früheren Generationen im Bewusstsein der Menschen wach und gibt ihnen dadurch erst ihren eigentlichen Wert, der nämlich darin besteht, Vorbild für die Nachfolgenden zu sein, zu Tugend und Ruhmestaten anzuspornen. Die Wirksamkeit der historischen Exempel ist unterstützt durch das Geschichtsbild des deutschen Frühhumanismus, welches Strukturen aufweist, die im weiteren Sinne als typologisch bezeichnet werden können: Antike Werke werden hier herangezogen, um Details für eine genauere Beschreibung der Zeitgeschichte zu liefern; aus ihnen meint man auch unmittelbar Handlungsratschläge für aktuelle Probleme ableiten zu können. Locher geht schließlich so weit, dass er Handlungsstrukturen antiker Literaturgattungen (speziell der Tragödie) dazu verwendet, um zeitgenössisches Geschehen zu deuten und Lücken in der Informationslage zu füllen – dies allerdings bewusst manipulierend, gegen besseres Wissen und im Interesse von Maximilians Politik. Die Tragödie, nach Lochers Ansicht eine der höchsten Formen der Dichtung, beschreibt das Wesen des vergänglichen Lebens in der Welt, schafft damit Welteinsicht und Gelassenheit, zugleich deckt sie das Walten von Gottes Gerechtigkeit in der Welt auf. Maximilian erscheint bei Locher als Garant und Vollstrecker dieser göttlichen Gerechtigkeit in der Welt. Hierin findet sich die angeblich unumstößliche, von Gott eingegebene „Wahrheit“ der Dramen des Philomusus. Hierin findet sich auch der konkrete politische Zweck der Werke: eine Unterstützung von Maximilians Politik. Nicht unberechtigt scheint daher der Vorwurf des Agrippa von Nettesheim, der sich allerdings nicht direkt gegen Locher richtet, sondern allgemein gegen die offensichtlich unter seinen Zeitgenossen nicht unübliche Art des Umgangs mit historischen Fakten: Sunt et adhuc alii inter historicos longe maiorem mendaciorum culpam habentes qui cum aut rebus interfuerunt, aut aliter res ipsas ut sunt vel gestae sunt cognoverunt tamen, benevolentia et obsequio victi suis adulantes, contra fidem falsa confirmant. Sunt ex istis qui ad accusandas aut defendendas alienas causas, historias narrare agressi, ea sola quae suo argumento conducunt narrantes, caetera vero dissimulantes, praetereuntes aut extenuantes: mancas et corruptas historias scribunt (b6r)13

______________ 12

13

Emil Clemens SCHERER, Geschichte und Kirchengeschichte an den deutschen Universitäten. Ihre Anfänge im Zeitalter des Humanismus und ihre Ausbildung zu selbständigen Disziplinen. Freiburg i.Br. 1927, S. 17. Agrippa von Nettesheim, De incertitudine et vanitate scientiarum declamatio invectiva denuo ab auctore recognita. o.O., o.D. [ca. 1530] (Exemplar UB Tübingen, Aa 881); Kapiteleinteilung

354

16. Schluss

(Es gibt unter den Historikern auch immer noch andere, die eine weit größere Schuld als Lügner tragen: Obwohl sie nämlich entweder selbst bei den Geschehnissen dabei waren oder haben auf andere Weise genaue Kenntnis der Dinge oder Geschehnisse erhalten haben, bestätigen sie dennoch, aus Wohlwollen oder auf Verlangen ihrer Gönner, wider besseres Wissen und Gewissen Falsches. Zu diesen gehören auch diejenigen, die Historien erzählen, um damit anderer Leute Angelegenheiten anzugreifen oder zu verteidigen, und nur das erzählen, was ihrer Argumentation nützt, den Rest aber verändern, übergehen oder herunterspielen: Sie betreiben eine verkrüppelte und korrupte Geschichtsschreibung.)

Locher geht es nicht darum, eine oberflächliche historische Faktenwahrheit darzustellen; für ihn ist Geschichtsschreibung und Geschichtsdarstellung eine Weltdeutung und ein politischer Auftrag, sie ist Teil eines Geschichtsbildungsprozesses und hat eine auf die Gegenwart und Zukunft bezogene Intention. Das Ziel, auf welches er zuarbeitet, ist das goldene Zeitalter unter dem neuen Augustus Maximilian.

16.3. Augenzeugenschaft, Strukturzwang und Festatmosphäre Methoden der Publikumslenkung Locher wählt für die politischen Zwecke seiner Dichtung das audiovisuelle Medium Theater. Es bietet ihm ideale Möglichkeiten für eine gezielte Publikumslenkung. Dies übersieht RETTELBACH, wenn er meint, die Dramen des Philomusus dienten v. a. der Panegyrik, und so gelte: „Locher will nur ganz bedingt wirken – er will in erster Linie darstellen.“14 Eine Meisterschaft im Darstellen von angeblich historisch wahren Begebenheiten und der Person Maximilians ist Locher durchaus zuzuerkennen, aber diese Darstellung zeigt jeweils eine deutliche Intention, die auf eine Aktivierung des Publikums zielt. Die zusätzliche visuelle Vergegenwärtigung eines Geschehens übertrifft, so argumentiert Verardi, die Glaubwürdigkeit eines nur gehörten Berichts. Damit steht er nicht allein, war es doch im Spätmittelalter eine allgemein anerkannte Auffassung, dass der Gesichtssinn dem Intellekt näher stehe als der Gehörsinn. Die Verbindung von Hören und Sehen steht so für besondere Zuverlässigkeit des Wahrgenommenen. Viele Schauspiele des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit berufen sich daher auf diese Synästhesie.15 Das Theater als audiovisuelles ______________

14 15

nach: Agrippa von Nettesheim, Über die Fragwürdigkeit, ja Nichtigkeit der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Mit e. Nachw. hrsg. v. Siegfried Wollgast. Übers. u. m. Anm. vers. v. Gerhard Güpner. Berlin 1993. RETTELBACH, S. 601. Erich KLEINSCHMIDT, Stadt und Literatur in der Frühen Neuzeit. Voraussetzungen und Entfaltung im südwestdeutschen, elsässischen und schweizerischen Städteraum. Köln/Wien 1982 (Literatur und Leben, N.F. 22), S. 98.

16.3. Augenzeugenschaft, Strukturzwang und Festatmosphäre

355

Medium, bei dem kein Erzähler vermittelnd und Distanz schaffend zwischen den Darstellungsinhalt und den Rezipienten tritt, erweckt beim Zuschauer den Eindruck der Augenzeugenschaft. In seiner »Historia de Rege Frantie« unterstreicht Locher zusätzlich im Titel (wie auch durch die Wahl der Prosaform) die Faktizität des dargestellten Geschehens, und auch im Prolog setzt er sich dezidiert von der Fiktion ab. Eine wahre Begebenheit wolle er schildern. Locher konstituiert aber hier eine eigene Wahrheit und macht die Zuschauer zu „Augenzeugen“ eines Geschehens, das mehr den Gesetzen der Tragödie als den Fakten folgt. Ausgespartes wird vom Zuschauer selbstverständlich mit den Gattungskonstituenten – hier der von Gott gelenkten Fortuna, die den Tyrannen stürzt – aufgefüllt. Ohne zu lügen, vermittelt die Tragödie dem Zuschauer den Eindruck unmittelbarer Erkenntnis und insinuiert dabei politisch Opportunes. Die Überzeugungskraft des Sichtbaren unterstreicht die Musik mit ihrer zusätzlichen Suggestivfunktion. Der Chor übernimmt zwar die Aufgabe des Erzählers, indem er kommentiert, aber er steht nicht als Mittler zwischen dem Dargestellten und dem Zuschauer, sondern er steht neben dem unmittelbar Sehenden. Direkte Appelle des Chors und auch einzelner Figuren an das Publikum brechen nicht die Illusion, sondern sie erinnern den Rezipienten daran, wie sehr er unmittelbar von dem Geschehen auf der Bühne betroffen ist. Solche Mahnungen, sich das Gesehene zu Herzen zu nehmen, tua res agitur, sind aus dem geistlichen Spiel bekannt, und an das dort eingeübte Rezeptionsverhalten wird hier appelliert. Die Chorlieder wechseln zugleich immer wieder auf eine poetologische Ebene. Sie reflektieren den Wert der Geschichtsbetrachtung und -schreibung: als Exempel und Welterklärung, als Mahnung an die Vergänglichkeit der Welt, als Anleitung zu stoischer Gelassenheit und zum Vertrauen auf eine höhere Gerechtigkeit, die dem Menschen uneinsichtig ist. Damit unterstreichen sie nicht zuletzt den Wert der aktuellen Veranstaltung, der Aufführung eines Geschichtswerks. Die abschließende Feier, bei der Festrahmen und Aufführung miteinander verschmelzen, besiegelt das glorreiche Ende des Spiels und integriert das Publikum in das Geschehen. An dieser Stelle wird der didaktische Vorzug einer kollektiven Rezeption gegenüber einer individuellen, wie er z. B. in den Ankündigungen der Freiburger Meistersänger von 1513 proklamiert wird,16 offenbar. Im Fest wird ein Konsens unter den Zuschauern gefeiert. Es gemahnt an eine Rezeptionshaltung, wie sie dem Ritual der Siegesfeier angemessen wäre, das gleichfalls in der Gemeinschaft begangen wird. Als Spiegel eines „sozialen Dramas“ 17 lässt der feierliche Abschluss schwerlich Raum für individuelle Zweifel oder für ein Fiktionsbewusstsein, vielmehr feiert die Gemeinschaft einen Sieg, der ihr höchster ______________ 16 17

KLEINSCHMIDT 1982, S. 97. Doris BACHMANN-MEDICK, Kulturelle Spielräume: Drama und Theater im Licht ethnologischer Ritualforschung, in: dies. (Hrsg.), Kultur als Text. Die anthropologische Wende in der Literaturwissenschaft. Frankfurt a.M. 1996, S. 98–121, S. 99.

356

16. Schluss

Repräsentant, der König, errungen habe, zum Nutzen aller. Bei einer Aufführung in der Kirche (die wahrscheinlich ist) würde außerdem der religiöse Aspekt des Siegs des Kaisers als des Vertreters Gottes und Schützers der Christenheit betont werden. Zugleich aber ist es eine Feier der Universität als der Institution, die dem Staate dienlich ist. Der Zuschauer und Mitfeiernde ist überzeugt vom „philosophischen“ Sinn, den das Stück vermittelt, nämlich von der messianischen Rolle des Triumphators Maximilian. Bei dieser panegyrischen Beschreibung aber bleibt Locher nicht stehen. In den Jubelliedern, die den Untergang der französischen Lilien beschreiben, ist unverkennbar der Appell enthalten, Maximilians Feldzug gegen Frankreich zu unterstützen. Sehr ähnliche Methoden der Publikumslenkung wendet der Philomusus in der »Tragedia« an. Er verabschiedet sich hier von der Historie und beschreibt ein Geschehen, das von vornherein als noch nicht eingetroffen erkannt wird. Wieder aber holt er das Publikum an dem Punkt ab, an dem es steht: Eine Sache, die es bisher nur gehört hat – nämlich die Not der Christenheit in den östlichen Grenzgebieten des Reichs – führt er ihm, personifiziert in einer Mitleid erregenden Frauengestalt, unmittelbar vor Augen. Locher bietet seinen durch diese Szene wachgerüttelten Zuschauern im „christlichen Volk“ eine vorteilhafte Identifikationsfigur, die moralisch korrekter handelt als der schlafende Papst, dem das Publikum auch insofern überlegen zu sein scheint, als es die Fides unmittelbar sehen durfte, der Papst nur im Traum. Das Schema der Tyrannentragödie schließlich führt mit einer strukturell bedingten Notwendigkeit zum Erfolg der Partei der „Guten“ und bestätigt damit nachträglich die Richtigkeit einer Entscheidung für eine Identifikation mit dem vulgus christianum. Am Ende dieser Tyrannentragödie steht mehr als nur ein Siegesfest, am Ende steht ein Triumphzug, der das Publikum integriert, indem er ihm eine Rolle zuweist und es als Mitverantwortliche für den Sieg feiert. Sofern er, was nahe liegt, durch die Straßen Freiburgs geführt wurde, appelliert er damit wieder an anderweitige Erfahrungen und Rezeptionsgewohnheiten des Publikums; er erinnert an Fürsteneinzüge und – besonders betont durch die auf der sella mitgeführte Fides – an Fronleichnamsprozessionen. Das zuschauende und mitfeiernde Publikum wird durch diese Assoziation indirekt aufgefordert, sich als Kollektiv zu der dargestellten Ordnung, der Kirche, der Heilsgeschichte, dem Reich in Verbindung zu setzen und den Heilscharakter des gefeierten Siegs Maximilians über den „Antichrist“ Sultan anzuerkennen. Dies ist v. a. dadurch erleichtert, dass auch das Freiburger prozessionale Fronleichnamspiel die Thematik des Türkenkampfes ins Zentrum der Zeit der Kirche stellt. Locher knüpft bewusst an Vertrautes an, um die erstrebte Aktivierung des Publikums zu erreichen, nämlich eine von Erfolg und Sinn des Unternehmens überzeugte Unterstützung eines künftigen Türkenkreuzzugs Maximilians.

16.3. Augenzeugenschaft, Strukturzwang und Festatmosphäre

357

Schon bei seinem dritten Drama kann Locher davon ausgehen, dass das Strukturschema der Tyrannentragödie so weit etabliert ist, dass er den letzten Akt, den Sturz des Tyrannen, aussparen und ihn, der ja notwendig folgen muss, der Politik selbst überlassen kann. Dasselbe Verfahren setzt er auch im »Iudicium Paridis« ein. Das Ausnützen des festgelegten und daher nicht mehr hinterfragbaren, als gerechtes, von Gott eingesetztes Naturgesetz empfundenen Handlungsverlaufs der Tyrannentragödie, die Einsichtigkeit des optisch Dargestellten, die Suggestivwirkung der Musik, die integrative Kraft des Fests, der Appell an ein vorgeprägtes Rezeptionsverhalten, an gesellschaftliche wie kirchliche Riten und an die anderweitige Theatererfahrung des Publikums, daneben die klare Verteilung von Sympathie und Antipathie, das Angebot von Identifikationsfiguren, das bewusste Spiel mit Informationsgefällen und der subtile Kommentar des neben dem Spiel stehenden Chors: das sind die Mittel, welche Locher in seinen verschiedenen Dramen immer wieder einsetzt, um sein Publikum zu lenken. Im »Libellus dramaticus« deckt Locher seine Technik zum Teil auf, indem er das Publikum beobachten lässt, wie der Legat des Papstes in geschickter Rhetorik die Geschichte fälscht und dem Kaiser so vorstellt, als sei das Schema der Tyrannentragödie bereits erfüllt. Im letzten Akt aber setzt der Dichter massiv seine anderen Methoden der Publikumslenkung ein, die auch nach einem Aufdecken des Spiels mit der Handlungsstruktur noch wirksam sind: Er führt dem Zuschauer den schwäbischen Landsknecht als eine Figur vor, mit welcher er sich zu identifizieren geneigt sein dürfte, in welcher aber der eigene überwundene Status des ungebildeten, blind kriegerischen Barbaren erkannt werden soll. Diese Figur wird mit einer Teufelsfigur im geistlichen Spiel assoziiert und in einen scharfen Gegensatz zu den positiven Figuren im ersten Akt gebracht. Indem der Landsknecht diesen Gegensatz und seine eigene Unterlegenheit, die dem Publikum deutlich vor Augen steht, nicht erkennt, wird er zu einer lächerlichen Gestalt. Die dümmliche Absurdität des teuflisch sich aufspielenden Schwaben zielt auf ein befreiendes und überlegenes Lachen des Publikums, welches in die kollektive Festfreude und in den Jubel über die Befreiung von den Schrecken des Krieges einmünden soll – und eine Sympathie für die Haltung der verlachten Figur ausschließt. In dieser Verunmöglichung der Gegenposition zu Maximilians Politik liegt der politische Zweck von Lochers letztem Drama. In ähnlicher Weise wie in seinen historisch-politischen Dramen zielt der Philomusus auch in seiner einzigen Komödie nicht auf die positive Propagierung einer Ansicht, sondern darauf, die Position eines Gegners der Lächerlichkeit preiszugeben. Er setzt dazu wiederum auf ein festes Strukturschema, in diesem Fall das Schwank-Schema, welches auf das Verlachen des intellektuell unterlegenen Genarrten zielt. Stereotype Diffamierungen gehören zum Schema und werden nicht hinterfragt. Eine Identifikation des Publikums mit dem Genarrten ist dabei weitestgehend ausgeschlossen.

358

16. Schluss

16.4. Orator oder Histrione? Gestik und Mimik im Spiel Nach Celtis ist es Aufgabe des Dichters, eine lebendige Wirklichkeit zu schaffen: Officium poete est figurato atque decoro orationis et carminis contextu: mores: actus: res gestas: loca: gentes: terrarum situs flumina: siderum cursus: rerum naturas translatis signis: mencium animorumque affectus effingere: electisque verbis rerum simulacra concinna et legittima quadam verborum mensura exprimere ... Ut vivacitatem et vigorem quendam vitalem rerum: secum afferat oratio: et scribendo reviviscere res videatur (7r).18 (Dem Dichter obliegt es, Sitten und Handlungen, Geschichte, Orte und Völkerschaften, die Lage der Länder, die Flüsse, die Bahnen der Gestirne sowie mit symbolischen Zeichen das Wesen der Dinge und die seelische und geistige Bewegtheit (der Menschen) in bilderreicher schöner Gestaltung der Rede und der dichterischen (Vers-) Form darzustellen, Abbilder der Dinge mit gewählten Worten in zierlichem, gesetzmäßig geregeltem Versbau auszudrücken ... so dass die Rede Leben und lebendige Kraft der Gegenstände mit sich bringt und beim Schreiben der Gegenstand wieder lebendig zu werden scheint.)

Was für die Dichtung im Allgemeinen gilt, ist umso verpflichtender für die performative Kunst, die Rede und v. a. das Theater, das seine Zuschauer zu „Augenzeugen“ eines (erdichteten) Geschehens machen und dadurch überzeugen will. Locher legt großen Wert auf einen lebhaften Vortrag, auf Mimik und Gestik, sowohl in seinen Vorlesungen als auch bei seinen Aufführungen. Er wolle durch lebhafte Textwiedergabe, Modulation des Tons und angemessene Gestik und Mimik einen möglichst unmittelbaren Eindruck des Werks vermitteln, erklärt er in der »Claudian«-Ausgabe; ein lebendiger Vortrag und der Einsatz gleichsam schauspielerischer Mittel könne auch geistlichen Zwecken dienen – wie in seinen mitreißenden Präsentationen der Passion Christi –, erklärt er in der »Comparatio«. Der Philomusus verweist auf Platos »Ion«, wo dargelegt wird, dass der Rhapsode im Idealfall aus einer Mitergriffenheit vom furor poeticus, der den Dichter getrieben hat, spricht. Wimpheling dagegen tadelt die ausladenden Gesten und das weibische Gehabe Lochers, welches in seiner Maßlosigkeit die Regeln der Rhetorik verkenne. Zwischen den Frühhumanisten der verschiedenen Generationen und Lager wird zu Lochers Zeit diskutiert, welche Bedeutung der actio in der Rhetorik zuzumessen sei.19 Für eine ablehnenden Haltung gegenüber schauspielerischen ______________ 18

19

Konrad Celtis, Ars versificandi et carminum. Leipzig: Konrad Kachelofen, 1486 (Exemplar UB Freiburg, TM 85/6574). HERMANN 1914, S. 260, erklärt, erst ab den 1530er Jahren komme in den humanistischen Rhetorikbüchern der pronunciatio und der actio eine bedeutende Rolle zu, was er in einen Zusammenhang mit der nach der Reformation wachsenden Bedeutung des Schultheaters stellt. So fraglos würde man dem heute sicherlich nicht mehr zustimmen. Nicht zuletzt auch im Umkreis Lochers hat die actio ihren festen Platz in Rhetorikbüchern, wie z.B. auch in Friedrich Riederers deutsch-

16.4. Orator oder Histrione? Gestik und Mimik im Spiel

359

Gesten (wie die des Jakob Wimpheling) konnte man sich auf die »Rhetorica ad Herennium« stützen, wo es heißt: in gestu nec venustatem conspicuam nec turpidinem esse, ne aut histriones aut operarii videamur (III, xv, 26). Auch die Rhetorik des Buoncompagno verurteilt allzu ausladende Gesten: De illis qui per pravam consuetudinem superstitiosos gestus ostendunt. Prolocutores ab honesta consuetudine deviantes cum quadam superstitione surgunt ad loquendum, et postea damnabiles gestus ostendunt, et abstergunt faciem, reaptant post aures capillos, propria respiciunt indumenta et corrugant nares, ac si videretur eis astantium caterva fetere. (Über diejenigen, welche aufgrund einer verkehrten Gewohnheit fehlgeleitete Gesten zeigen: Redner, die von der anständigen Haltung abweichen, erheben sich mit einer seltsam religiösen Haltung zu ihrer Rede und legen dann verurteilenswerte Gesten an den Tag, wischen sich das Gesicht ab, streichen sich die Haare hinter die Ohren, schauen auf ihre eigenen Kleider und rümpfen die Nasen, als ob die Menge der Umstehenden ihnen übel zu riechen schiene.)20

Vertreter der Gegenposition allerdings konnten u. a. ins Feld führen, dass Cicero im »Orator ad Marcum Brutum« (den Locher in der Kommentierung von Victor Pisani besaß und, wohl als Vorarbeit für sein Rhetorikbuch, selbst dicht glossiert hat)21 den geradezu unbeschreiblich hohen Wert von Gestik und Mimik betont: dicerem etiam de gestu, cum quo iunctus est vultus. quibus omnibus dici vix potest quantum intersit quem ad modum utatur orator (17, 55).22 Pisani verweist zu dieser Stelle auf Demosthenes, und Locher führt in der Marginalie erläuternd aus, dieser habe, dreimal gefragt, was das Wirkungsvollste einer Rede sei, jedesmal geantwortet: Hypocrisis, die Performanz (b1v). Weiterhin wiederholt Locher in den Marginalien Ciceros Definition Actio est corporis quedam eloquentia und erklärt zur Mimik: Vultus proprie significat voluntatem hominis que pro motu animi in facie ostenditur (b1v). Ciceros Warnung allerdings, dass ein Maß eingehalten werden müsse, idemque motu sic utetur, nihil ut supersit (18, 59), dass man aufrecht bleiben solle, nur selten und dann nicht weit umhergehen und keine Grimassen schneiden (18, 60), unterstreicht Locher zwar, kommentiert allerdings beim Stichwort ‚Grimassen‘ nur wiederum die große Ausdruckskraft des Gesichts (b2r), ohne die entsprechende Warnung des Rhetorikers. Der Hinweis auf die Notwendigkeit einer Mäßigung ist aber bei Cicero keineswegs von geringer Bedeutung. Auch in »De oratore« äußert er sich dahingehend: ______________ 20 21

22

sprachigem »Spiegel der wahren Rhetorik« von 1493. Vgl. Joachim KNAPE, Allgemeine Rhetorik. Stationen der Theoriegeschichte. Stuttgart 2000 (RUB 18045), S. 222. Buoncompagno, Rhetorica novissima. Hrsg. v. Augosto Gaudenzi. Bologna 1892, Bd. 2, S. 261. Marcus Tullius Cicero, Orator cum commentario Victoris Pisani, De fato, Topica, de universitate cum commentario Io. Giorgio Vallae. Venedig: Bonetus Locatellus für Octavius Scotus 1492 (UB München, 2° Inc. lat. 708/2). Marcus Tullius Cicero, Orator. Hrsg. u. übers. v. Bernhard Kytzler. München/Zürich 31988 (Sammlung Tusculum).

360

16. Schluss

Omnis autem hos motus subsequi debet gestus, non hic verba exprimens scaenicus, sed universam rem et sententiam non demonstratione, sed significatione declarans, laterum inflexione hac forti ac virili, non ab scaena et histrionibus, sed ab armis aut etiam a palaestra (III, 220).23 (Alle diese Regungen muß aber die entsprechende Gebärdensprache unterstreichen; sie soll die Worte nicht wie auf der Bühne pantomimisch wiedergeben, sondern den gesamten Inhalt und Gedanken andeutend, nicht darstellend, mit energischer, männlicher Körperhaltung zum Ausdruck bringen, nicht nach Bühnen- und Schauspielerart, sondern im Stil der Waffenübung oder auch des Ringkampfs.)

Das Problem, das rechte Maß zu halten, macht später Agrippa von Nettesheim dafür verantwortlich, dass die an sich durchaus sinnvolle und positiv zu wertende rhetorische Geste besser zu meiden sei: Erat et saltatio Rhetorica, histrionicae non dissimilis, sed remissior, quam Socrates, Plato, Cicero, Quintilianus et Stoicorum plurimi admodum utilem, ac oratori perquam necessariam arbitrati sunt: quatenus apto quodam corporis gestu, vultus et corporis composita adformatione constat. tum vigore oculorum, pondere vultus, accomodatoque singulis verbis ac sententiis sono vocis, cum efficaci corporis motu ad ea quae exprimuntur, sed gesticulatione tenus. Haec autem saltatoria sive histrionica rhetorica porro apud quosque oratores tandem exultare coepit, admonente Tiberium Augusto, ut ore, non digitis loqueretur, et iam in totum sublata est (Kap. 21, d8v).24 (Es gab auch einen „rhetorischen Tanz“, dem Schauspiel nicht unähnlich, aber gemäßigter, den Sokrates, Plato, Cicero, Quintilian und die meisten Stoiker für recht nützlich und als für den Redner höchst notwendig erachteten, soweit er in einer gewissen Körperhaltung, in einem wohlgesetzten Zusammenspiel von Miene und Körper besteht, ebenso in dem zu den einzelnen Wörtern und Sätzen jeweils passenden Klang der Stimme, wie in einer Körperbewegung, die der Aussage dient, aber auch bis hin zur Gestikulation. Diese tänzerische oder schauspielerische Rhetorik aber begann schließlich bei allen Rednern auszuarten, und so mahnte Augustus den Tiberius, dass er mit dem Mund, nicht mit den Fingern sprechen sollte. Heute ist sie gänzlich abgeschafft.)

Übertriebene Gestik ist für Agrippa ein Ausdruck von mangelnder Beherrschung des Wortes, von Geistlosigkeit der Rede, die allein bei einem einfachen Volk ankommen könnte (wie die Predigten mancher lächerlich herumfuchtelnden „Mönchlein“, wie er in den folgenden Zeilen erklärt). Das Wort sei doch dem Geist zugeordnet und bilde einen Gegensatz zum Körper. Verächtlich erwähnt er, dass sich manche für ihre wilden Gestikulationen auf Demosthenes berufen (e1r); damit aber liefert er der Gegenpartei ein gewichtiges Argument. Für Locher steht fest: Demosthenes und Cicero, die Klassiker der politischen Rede, unterstreichen den Wert der Gestik und Mimik, des Schauspielerischen in der Performanz: Erst durch sie könne das Wort seine volle Wirkkraft erlangen – ______________ 23

24

Cicero, De oratore. Über den Redner. Hrsg. u. übers. v. Harald Merklin. Stuttgart 31997 (RUB 6884). Vgl. oben, Anm. 13.

16.4. Orator oder Histrione? Gestik und Mimik im Spiel

361

eine Wirkkraft, die eben nicht nur auf die Vermittlung von Wahrheit zielt, sondern auch auf die peroratio und die Aktivierung der Zuhörer. Hier konnte er für seine Schauspiele anknüpfen. In der »Tragedia« unterscheidet der Philomusus zwischen Mimen/Histrionen, deren Ausdrucksmittel der Körper und die Miene sei, und Komödianten/ Tragöden, die mit der der Stimme arbeiteten – ohne allerdings zu sagen, ob sie ausschließlich oder zusätzlich mit der Stimme arbeiteten. Sie alle fasst er zusammen unter dem Begriff der ludiones, denen der Zugang zum Thronsaal des Römischen Königs gewährt sei, wohin nichts Unrechtes dringen könne. Damit ist der histrio gerechtfertigt und dem Einsatz von Mimenspiel Tür und Tor geöffnet. So lobt auch Zasius an Lochers Aufführung seiner »Tragedia« von 1497 die lebhafte Gestikulation und Mimik, welche die Ausdruckskraft der gesprochenen Worte unterstrichen habe. Ein ähnliches Lob erfährt Reuchlin für seine Aufführung des »Henno«. Adam Wernher von Themar hebt an ihr besonders die Illusionskunst, die Gestik und die Verstellungskunst der Schauspieler hervor, und im Zusammenhang derselben Aufführung erklärt Spiegel ausdrücklich, dass zur actio nicht nur die Rezitation mit korrekter und angemessener Betonung gehöre, sondern auch die repraesentatio durch körperliche Gesten und passende Kostüme. Locher ist von der Forschung vorgeworfen worden, dass seine Tragödien die Lebhaftigkeit der Reuchlinschen Komödie nicht erreichten. Die zahlreichen Botenberichte in seinen Werken deuteten darauf hin, dass sein Theater eher „Wort-Spiel“ als „Schau-Spiel“ sei.25 Solche Kritik aber übersieht die Gattungsdifferenz; im Botenbericht werden bühnentechnisch nicht darstellbare Vorgänge größeren zeitlichen, räumlichen oder personellen Ausmaßes wiedergegeben, ohne welche die Tragödie, so wie sie der Frühhumanismus versteht, nicht auskommt. Der Bote selbst wird tatsächlich als Redner eine eher zurückhaltende Rhetorik vertreten haben, was aber nicht gegen ein bewegtes Schauspiel der anderen Figuren spricht, ja, nicht einmal gegen eine ausgiebige Gestikulation des Boten, bevor er beginnt zu reden. Dies wird im fünften Akt der »Historia« besonders deutlich, wenn der Bote des Königs den Auftritt des Venezianers wie folgt beschreibt: sed eccum venetorum nuntium tanquam. alterum mercurium deorum velocissimum: ad me transeuntem video. celeri gradu properat: et in facie magnam gestientemque leticiam preseferre videtur. gliscit: gestitque mihi quedam auditu digna narrare .. Adest iam (b4r, Z. 207–211). (Aber schau, ich sehe einen Boten der Venezianer, gleichsam einen zweiten Merkur, den schnellsten der Götter, eilig auf mich zukommen. Er eilt mit raschem Schritt, und in seinem Gesicht scheint er eine große, ja, ausgelassene Freude auszudrücken. Er

______________ 25

BRINKMANN, S. 24f.

362

16. Schluss

glüht [geradezu] und deutet mir an, dass er etwas Hörenswertes zu berichten habe. Schon ist er da.)

Man kann wohl kaum behaupten, dass Locher kein Schauspiel sondern nur eine pathetische Unterstreichung der Worte gekannt habe,26 auch wenn seine dramatischen Werke kaum Regieanweisungen enthalten. In der Regel werden nur die Sprecher angegeben und gelegentlich der Gegenstand des Dialogs oder Monologs und der Redemodus benannt (in Präsens Indikativ). Allein im »Iudicium Paridis« finden sich ausdrückliche Hinweise auf das Bühnenbild und auf die Aktionen der Figuren (Iupiter cum deabus ad mensam sedet, c3v; Discordia proiicit aureum pomum, c4r; Mercurius loquitur ad Paridem sub arbore iacentem, c5r; duo gladiatores certant, d2v, etc.). Es fällt aber auf, dass im vierten Akt, dem Gespräch zwischen Menelaos und Agamemnon, die Regieanweisungen wiederum auf Sprecherangaben reduziert sind. Es ist eher unwahrscheinlich, dass dieser Akt deutlich verhaltener gespielt werden sollte als die anderen; vielmehr ist wohl davon auszugehen, dass Locher nur dort Regieanweisungen einsetzt, wo die Handlungen der Figuren nicht durch soziale Normen, durch Vorgaben des Ritus und der höfischen Zeremonie, festgelegt sind. Dies bedeutet umgekehrt, dass mit einer Vergegenwärtigung höfischen Verhaltens und (wohl überzeichneter) außerliterarisch vorgeprägter Gesten und Bewegungen auf der Bühne zu rechnen ist. Wo das lateinische Drama außerhalb des universitären Kontextes aufgeführt wird, müssen Gestik, Mimik und Schauspiel mehr leisten als nur eine Vervollkommnung der Illusion und eine Lebendigkeit des Dargestellten; sie müssen einem Publikum, dem es am sprachlichen Vermögen mangelt, als Verständnishilfe dienen. Dies wird am Beispiel der Komödien Grünpecks besonders deutlich, die ausdrücklich als Aufführungs-, nicht als Lesetexte gedacht sind und sich nicht primär an ein Publikum richten, das Latein liest. Die eher handlungsarmen Komödien enthalten eine auffällig reiche Zahl von Regieanweisungen: Angegeben werden nicht nur Sprechrichtungen und Unterbrechungen von Reden (auffällig oft fallen sich Figuren ins Wort), sondern v. a. auch Bewegungen, Gefühlsregungen und Redemodi. Es ist von einer sehr bewegten Darstellungsweise auszugehen, welche den Konflikt zwischen Tugend und Untugend jeweils im lebenden Bild zum Ausdruck bringt. Die Festspiele des Konrad Celtis stellen, was Regieanweisungen und Darstellungsart betrifft, einen nochmals anders gearteten Fall dar. Im »Ludus Dianae« stehen die Regieanweisungen zum Teil im Präteritum und beschreiben oft ganze Szenenbilder, mit besonderer Betonung der Musik, der Choreographie, der Kostüme und Requisiten. In ihnen wird auch berichtet von der Dichterkrönung, der Bewirtung der Gäste etc. Der Leser erhält nicht den Eindruck, die Textausgabe eines nachspielbaren Dramas vor sich liegen zu haben, sondern eher die Dokumentation einer erfolgten Feierlichkeit. Tatsächlich ist der »Ludus« so eng auf ______________ 26

BORCHERDT, S. 377–384.

16.5. Zwischen Amphitheater und Stubenbühne

363

seinen Aufführungsrahmen bezogen, dass eine Wiederholung der Aufführung schwerlich denkbar wäre. Auch die »Rhapsodia« des Celtis soll nicht noch ein zweites Mal auf die Bühne gebracht werden. Hier aber verzichtet die Ausgabe weitgehend auf Regieanweisungen. Wo das Bühnenbild wichtig ist, wird es in den Reden der Figuren beschrieben. Offensichtlich geht es Celtis hier nicht um die Dokumentation eines Fests, sondern um dessen Umwandlung in einen Lesetext.

16.5. Zwischen Amphitheater und Stubenbühne Bühnenformen und Raumillusion Bei Pomponius Laetus ist ab 1485, bei Jodocus Badius 1493 und im Venezianer Terenz 1497 die (auf der Grundlage von Vitruvs »De architectura«) rekonstruierte Terenz-Bühne belegt, welche für die Klassikeraufführungen der Humanisten zur Norm werden sollte:27 Durch verschiedene (in der Reinform drei) an der Rückwand (bei Pomponius Laetus handelt es sich um eine bemalte Bühnenwand) angebrachte, mit Vorhängen zugehängte Türen sollten die Schauspieler auf- und abtreten; daneben aber gab es auch seitliche Bühnenabgänge. Das Spiel fand auf dem Bühnenraum vor der Szenenwand statt, der selbst kaum illusionistisch ausgestattet war. Innenraumszenen waren in der Reinform der Terenzbühne nicht vorgesehen.28 Es ist belegt, dass Celtis für seine Aufführungen römischer Komödien ebenfalls eine scena pictura verwendet hat, bemüht um eine möglichst originalgetreue Inszenierung. Bei der Aufführung eigener Stücke aber bestand keine Bindung an die angeblich authentische römische Bühnenform. Die protestantischen Schuldramen des späteren Humanismus orientieren sich zwar, wie BRAAK beobachtet, an der Terenzbühne, neigen aber zu Mischformen zwischen dieser und der mittelalterlichen Simultanbühne; er spricht von einer „zusammengeschobene[n] Simultanbühne.“29 Der Frühhumanismus experimentiert, wie man aus den einzelnen Texten schließen kann, mit dieser wie auch mit verschiedenen anderen Formen der Bühne. Für den »Ludus Dianae« und die »Rhapsodia« des Celtis oder auch für den »Boemicus Triumphus« des Vehus, die keine Auf- und Abtritte kennen, wäre beispielsweise eine Bühnenwand überflüssig, und auch die »Comoedia secunda« Grünpecks, deren Kulisse mit dem Raum der Aufführung, nämlich einem offenen Platz in oder vor Augsburg, übereinstimmt, wird man sich eher ohne Bühnenwand vorstellen. Die von der Terenzbühne bedingte Trennung von Bühnenund Zuschauerraum mit dem damit verbundenen Perspektivwechsel hin zu ei______________ 27 28 29

HERMANN 1914, S. 300–303 u. 346–349; BORCHERDT, S. 349; BRAAK, S. 83; BRAUNECK, S. 412. Willi FLEMMING, Formen der Humanistenbühne. Maske und Kothurn 6 (1960), S. 33–52. BRAAK, S. 83.

364

16. Schluss

nem frontalen Blick auf die Bühne30 wäre für ein Theaterstück wie den »Ludus Dianae«, bei welchem Schauspieler und zuschauender König inmitten des Spiels aus ihren Rollen heraustreten, um die Zeremonie der Dichterkrönung zu vollziehen, undenkbar. Locher erwähnt dagegen wiederholt die Ränge, auf welchen sein Publikum sitze, getrennt vom Bühnenraum – und das selbst bei seinem oft mit einem Festspiel verglichenen »Iudicium Paridis«. Die einzige ausführliche Bühnenbeschreibung allerdings, die wir von ihm besitzen, insinuiert eine Raumillusion: die Beschreibung eines römisch-korinthischen Amphitheaters im Prolog der »Tragedia«. Das imaginierte antike Theater steht für die Wiedergeburt des alten römischen Reichs, und so verwandelt sich auch Freiburg im imaginären Spiel der »Tragedia« in die Stadt Rom. Die Idee der Theater-Renaissance ist für Locher wichtiger als das tatsächliche Aussehen der Bühne, und so wie er gegen die Konvention der antiken Tragödie das Spiel in einen Triumphzug ausklingen lässt, der in manchen Punkten an eine Fronleichnamsprozession erinnert, wird man auch damit rechnen dürfen, dass die Bühne des stationären Teils des Spiels keineswegs um „antike“ Authentizität bemüht war, sondern eher Vertrautes in die Idee der erwachten Antike integrieren wollte. Die (den Vorschriften Vitruvs entsprechende) Aufteilung der Handlung auf drei Häuser (hier die Paläste von Papst, Kaiser und Sultan) und zwei seitliche Bühnenabgänge für Außenraumszenen ist zwar gegeben und im Druck unterstreichen auch die dem »Straßburger Terenz« entnommenen Holzschnitte die Vorstellung von einer Terenzbühne, aber anders als es die Illustrationen nahe legen, spielt sich die Handlung nicht auf der neutralen Bühne vor den jeweiligen Häusern ab, sondern in Innenräumen. Man muss also davon ausgehen, dass das Spiel nicht vor einer scena pictura aufgeführt wurde, sondern entweder auf einer Neutralbühne, die in jedem Akt eine Neudefinition als jeweils anderer Innenraum erfuhr, oder, in Anlehnung an die mittelalterliche Simultanbühne, d. h. auf einer Bühne, auf der drei Räume nebeneinander für die Innenszenen aufgebaut waren. Das Nebeneinander verschiedener Bühnenorte auf der Bühne ist auf jeden Fall für das »Iudicium Paridis« notwendig, da hier der Ortswechsel sehr rasch, ja, beim Wechsel vom Berg Ida zum Olymp innerhalb einer Replik erfolgt. Auch der »Libellus dramaticus« kennt einen Ortswechsel innerhalb eines Akts: von Frankreich an den Kaiserhof. Hier ist man gleichfalls geneigt, eine Simultanbühne anzunehmen, allerdings verbunden mit der zusätzlich erwähnten Vorderbühne, auf welcher die Landsknechte sprechen. Diese Vorderbühne beschreibt einen unbestimmten Außenraum, während die anderen Akte in Palästen (beim Papst, beim König von Frankreich, beim Kaiser) spielen. Nur einen Innenraum dagegen und ansonsten einen eher unbestimmten Außenraum – eine sehr schlichte Bühnenform – kennen die »Historia« (die, wie ______________ 30

BRAAK, S. 83; BORCHERDT, S. 373; BRINKMANN, S. 28.

16.6. Lukian und Lazarus

365

erwähnt, eventuell im Dom, eventuell auch in einem Wirtshaus aufgeführt worden ist) und das vermutlich in einem Saal der Universität aufgeführte »Spectaculum de regibus«. Allein mit einem Raum und ohne Auf- und Abtritte schließlich kommt Locher in seinem »Ludicrum drama« aus: ein ideales Spiel für eine Stubenbühne. Nicht die Bühnenform unterscheidet es vom Fastnachtspiel, sondern die Sprache, die inhaltliche Anlehnung an die römische Komödie, die Illusion einer verbreiteten Komödienkultur und die Aussage des Stücks: die Propagierung der humanistischen Bildung und die Diffamierung ihrer Feinde.

16.6. Lukian und Lazarus Elemente geistlicher Spiele in Lochers Humanistendrama Jacob Locher erklärt in der »Comparatio«, er verkünde das Gesetz Christi; die Vorstellung, dass Poesie per se heidnisch sei, sei abwegig. Seine Dichtung versteht er als Tugendlehre und als kritische Korrektur des menschlichen Lebenswandels, gänzlich konform mit der christlichen Lehre. Schauspielerische Mittel, wie er sie auch in seinen Vorlesungen einsetze, seien auch der christlichen Lehre nützlich. Anders als Heinrich Bebel, Benedictus Chelidonius und manche andere seiner Zeitgenossen, v. a. aber die Humanisten des späteren konfessionellen Zeitalters,31 kritisierte Locher nicht das traditionelle geistliche Spiel. Er scheint ihm gegenüber eher positiv eingestellt gewesen zu sein, zumal es ja die schauspielerische Präsentation von geistlichen Inhalten, die er als vorteilhaft bezeichnete, bot – und zumal Maximilian ein großer Freund des geistlichen Spiels, v. a. auch der Fronleichnamspiele, war. Sowohl in Freiburg als auch in Ingolstadt sind geistliche Spieltraditionen belegt, mit denen die Universität zumindest dann unmittelbar in Berührung gekommen ist, wenn die Spiele von einer Prozession begleitet waren: Die Universitäten verpflichteten ihre Mitglieder zur Teilnahme an städtischen und kirchlichen Prozessionen. Der Philomusus reagiert in seinen Werken in vielfältiger Weise auf die vorhandenen Spieltraditionen. Das Freiburger Fronleichnamspiel zeichnet die Zeit der Kirche als eine Zeit des ewigen Kampfes zwischen Christen und Türken; ein ähnliches Weltbild prägt auch Lochers Türkendramen. Die Verteufelung der Türken verläuft parallel zur Überhöhung Maximilians, der als Christus- oder Michaelgestalt, als Sieger über den Satan im Endkampf, stilisiert wird. Es bietet sich an, mit den christlichen Stilisierungsmustern auch Elemente des geistlichen Spiels und/oder der geistlichen Prozession in die dramatische Verherrlichung des Kaisers zu übernehmen. So wie Venedig die Ratifizierung der Heiligen Liga 1495 in ______________ 31

NEUMANN, S. 880–928.

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16. Schluss

einer Prozession, die der Fronleichnamsprozession glich, bejubelte, so feiert auch Locher am Ende der »Tragedia« den (fiktiven) Sieg Maximilians über die Türken in einer Mischung aus antikem Triumphzug und Fronleichnamsprozession. Lochers Verwendung geistlicher Muster kann aber durchaus auch provokativ wirken: Der Aufführungsform des geistlichen Spiels am allernächsten kommt er im ersten Teil des »Iudicium Paridis«, bei der Darstellung des Götterhimmels. Was einem konservativen Theologen wie Zingel höchst anstößig erscheinen musste, ist letztlich nichts anderes als die nun auch auf das Bühnengeschehen übertragene Aussage Lochers, dass die heidnischen Götter und mythologischen Gestalten keinen Gegensatz zum christlichen Gott und zum Christentum darstellten, sondern ein Bild dafür seien. Die sicherlich gewagteste Kombination aus Christlichem und Heidnischem auf der Bühne findet sich im »Poemation de Lazaro mendico«. Die biblische Gestalt des Lazarus übernimmt die Rolle Merkurs in den Lukianischen »Totengesprächen«. Es scheint zunächst, als wolle Locher nicht das Heidnische als ein Bild für das Christliche erklären, sondern umgekehrt. Im weiteren Verlauf der Handlung aber fällt auf, dass die Unterwelt ein Fegefeuer kennt und dass auch sie im eschatologischen Vorbehalt steht. Wieder will Locher durch die Verbindung von Antikem und Biblischem zeigen, dass beides nur verschiedene Ausdrucksformen für die eine göttliche Wahrheit sind. Damit ist aber gerade auch die Vereinbarkeit der christlichen Traditionen mit dem humanistischen Ruf ad fontes demonstriert. Wenn Locher in seinem letzten Drama den Dialog zwischen den (machtlosen) Opponenten des Heiligen Vaters und des Kaisers, den Auftritt der Vertreter der barbaries, so gestaltet, dass sich die Assoziation einer Höllenszene im Osterspiel aufdrängt, lenkt er damit nicht nur die Reaktion seines Publikums und überhöht wiederum das Lob Maximilian, sondern er weist auch auf die grundlegende Aufgabe hin, welche dem neuen Historienspiel und dem traditionellen geistlichen Spiel gemein ist: Sie wollen den Menschen auf die in der Welt waltende göttliche Gerechtigkeit hinweisen und durch die abschreckende Demonstration widergöttlicher Positionen zu Tugend erziehen. Locher ist nicht der einzige Dramenschriftsteller seiner Zeit, der auf Darstellungsmuster aus geistlichen Spielen zurückgreift. In der »Rhapsodia« des Konrad Celtis z. B. wird der in der Mitte seiner Kurfürsten thronende Maximilian nach dem Vorbild der Anbetung Gottes durch die Engel in Schöpfungsspielen stilisiert. Derlei Anspielungen auf geistliche Spiele sind v. a. dort zu suchen, wo Maximilian, der sich auch im pseudo-autobiographischen »Weißkunig« als christusähnliche Gestalt stilisieren lässt, gelobt werden soll, wo es um die Themen ‚Erlösung‘ und ‚göttliche Gerechtigkeit‘ geht oder eine weltgeschichtliche Perspektive des dargestellten Geschehens geöffnet wird. In Komödien fehlen sie.

16.7. Formenvielfalt

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16.7. Formenvielfalt Lochers kontextbedingte Gattungsexperimente Das ‚Humanistendrama‘ ist eine Konstruktion der Wissenschaft, die für den Frühhumanismus noch wenig den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Im Spätmittelalter und im Frühhumanismus sind die beiden dramatischen Gattungen Komödie und Tragödie scharf getrennt, strikter als etwa Tragödie und Epos oder Komödie und Erzählung voneinander geschieden sind; Boccaccio z. B. nennt unter den ehrenwerten Komödienschriftstellern neben Plautus und Terenz auch Dante. In Heidelberg konnte die Tragödie lange nicht Fuß fassen, während die Komödie mit Peter Luder fest in den Lehrplan integriert war. Reuchlin wurde schließlich als Wiedererwecker der Komödie gefeiert, ohne dass dabei die ältere Tragödie Lochers hätte erwähnt werden müssen. Erst in dem Moment, in dem der Aufführungsaspekt als ein zentrales Merkmal von Komödie und Tragödie erkannt wird, können beide Gattungen unter allgemeinen Begriffen wie spectaculum, drama oder ludus zusammengefasst werden. Der Philomusus verwendet diese Begriffe und bringt auch als erster deutscher Humanist ein eigenes Schauspiel auf die Bühne. Locher besitzt auch darin eine Vorreiterfunktion, dass er Komödien und Tragödien verfasst; die beiden Gattungen wurden gemeinhin unterschiedlichen Autorentypen zugeschrieben. Er macht die Gattungswahl nicht mehr vom Verfasser abhängig, sondern vom jeweiligen Kontext und der jeweiligen Intention des Werks und seiner Aufführung. Dabei belässt er es nicht bei der schlichten Kategorisierung in Komödie und Tragödie, sondern experimentiert mit den Möglichkeiten dramatischer Darstellung und entwickelt weitere, feinere Gattungsdifferenzierungen. 16.7.1. Historia Als historia – den Gattungsbegriff übernimmt er von Verardi – bezeichnet Locher ein Schauspiel, das historische Fakten (mit gegenüber einem bloßen Bericht gesteigerter Glaubwürdigkeit) auf die Bühne bringen will. Die angemessene Form für eine solche Geschichtsdarstellung ist die Prosa. Die Einheiten von Zeit und Ort sind im 15. Jahrhundert noch nicht als dramatische Norm formuliert; weit entfernt von solchen Restriktionen beschreibt die historia ein historisch-politisches Ereignis größeren räumlichen und zeitlichen Ausmaßes. Eingehalten aber werden die dem Philomusus sehr wohl bekannte Horazische Beschränkung der Sprecherzahl auf der Bühne und die Gliederung der Handlung in fünf Akte (ohne Szeneneinteilung). Anders aber als Verardi fügt Locher jeweils am Akt-Ende ein Chorlied an, nach dem Vorbild der antiken Tragödie. Auch der soziale Rang des

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Personals und der Handlungsverlauf – der mehr Geschichtsdeutung und Geschichtsklitterung ist als tatsächliche Geschichtsdarstellung – entsprechen den Normen der Tragödie, speziell der Tyrannentragödie der Renaissance. Es ist ein Handlungsverlauf, der vom ungerechten Aufstieg eines hochmütigen Tyrannen zu dessen Sturz durch die als rechte Hand der göttlichen Gerechtigkeit begriffene Fortuna führt. Locher bezeichnet den Handlungsgang als tragicum argumentum und bekennt sich insgesamt zu seiner Nachahmung der „alten“ Tragödie. Die historia ist damit eine Sonderform der Tragödie mit einer betonten Historizität. Ihren Ort findet sie im Rahmen der Selbstdarstellung eines Lektors für Geschichte und Poesie und im weiteren Umfeld von Maximilians gedächtnuß-Werk. 16.7.2. Tragedia Für eine (erhoffte) Aufführung vor dem Römischen König und als Selbstdarstellung des poeta laureatus, der eine politische Beratungs- und Werbungsaufgabe besitzt, verfasst Locher eine tragedia, seiner Auffassung nach die würdevollste Form des Dramas. Er selbst gesteht ein, dass er nicht in allen Punkten den Vorgaben der klassischen Tragödie folge. Es seien nämlich jambisches Versmaß und erhabener Stil vorgeschrieben, Locher dagegen schreibt in Prosa. Die Ständeklausel aber hält er ein, womit er die Gattungsbezeichnung rechtfertigt. Der Handlungsgang folgt außerdem klar dem der Tyrannentragödie. Im Prolog unterscheidet der Philomusus zwischen der Tragödie, die von Fortuna, Schicksal und dem Untergang von Königen und Fürsten berichte, und andererseits der Komödie, die über das Schicksal von Privatpersonen erzähle, und zwar empta fabula, d. h. ohne den gleichen Wahrheitsanspruch wie die Tragödie und stärker literarischen Traditionen verpflichtet. Lochers tragedia folgt nicht einer literarischen Erzählvorlage, sondern sie beschreibt ein zwar nicht wahres vergangenes Geschehen (daher handelt es sich bei dem Spiel um keine historia), aber doch ein wahrscheinliches und für die Zukunft erhofftes – mit einem überzeitlich wahren Kern. Es ist ein Geschehen von globaler Bedeutung, weshalb auf eine Einheit des Orts im engeren Sinne verzichtet wird und stattdessen die gesamte (alte) Welt zum Handlungsraum erklärt wird, aus der die Höfe von Kaiser, Papst und Sultan herausragen. Zwar sprechen vermutlich nie mehr als die vorgeschriebenen drei Personen in einem Akt, Locher dürfte aber mit einer größeren Zahl von Statisten gearbeitet haben, um zu verdeutlichen, wie viele Menschen von dem Geschehen betroffen sind, v. a. in Akt II, beim Auftritt des christlichen Volks. Wie auch in der historia beschließen hier normgerecht Chorlieder die fünf Akte (die wiederum keine Szeneneinteilung besitzen). Den größten Verstoß gegen die Gattungsnormen der Tragödie aber bedeutet der an die Stelle eines letzten Chorlieds gesetzte abschließende Triumphzug.

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16.7.3. Spectaculum ‚Spectaculum‘ ist ein wenig eingegrenzter Begriff. Er steht bei Locher für ein Fürstenspiel mit prunkvoller Aufführungsform. Das Personal ist wie bei der Tragödie ein hochgestelltes, und nun ist auch die Prosa (zumindest weitgehend) durch die Versform verdrängt. Dadurch besteht eine Nähe zum carmen; eine durchgehende musikalische Ausgestaltung wäre denkbar. Trotz dieser formalen Erhabenheit ist das spectaculum aber kein kaiserliches Spiel. Locher verfasst seine spectacula an der Landesuniversität. Das Lob des Kaisers tritt in ihnen zurück; sein Triumph und mit ihm der Sturz des Tyrannen, das Hauptkennzeichen der kaiserlichen Dramenform Tragödie, bleibt aus. An die Stelle des Tragödienschlusses tritt ein offenes Ende. Beide spectacula Lochers enden nach dem vierten Akt mit einer Handlungsaufforderung an das Publikum, die darauf zielt, den noch ausstehenden Triumph über die Feinde von Staat, Kirche und westlicher Zivilisation selbst herbeizuführen. Nicht nur in der Zahl der Akte weicht das spectaculum von der klassischen Norm ab, sondern auch in seiner unregelmäßigen Verteilung der Chorlieder. Der Chor tritt nicht nach jedem Akt auf, außerdem können Chorgesänge durch ballettartige Zwischenspiele ersetzt werden, welche Nebenhandlungen andeuten. Ungeregelte Auf- und Abtritte und Massenauftritte mit deutlich mehr als drei sprechenden Personen pro Akt sowie rasche Ortswechsel innerhalb der Akte verlangen eine Bühnenform, die sich der mittelalterlichen Simultanbühne nähert. Zuweilen kann man auch bereits Spuren erahnen, die auf die barocke Oper voraus weisen. Das spectaculum beansprucht keine historisch faktische Wahrheit, sondern eine tiefere, philosophische. Wo dennoch eine Nähe zur historia oder besser zur politischen Situation der Gegenwart besteht und v. a. das übliche fürstliche Personal, das auch in der historia und der tragedia vertreten war, auftritt, spricht Locher von einem spectaculum more tragico concinnatum oder effigiatum sub certis regibus spectaculum. Anders aber als bei einer Tragödie steht bei diesem Fürstenspiel nicht ein Tyrann im Zentrum, sondern die Fürsten, die sich gegen diesen wenden. Der Zusatz tragico more entfällt im mythologischen spectaculum, welches zumindest teilweise ein göttliches Personal besitzt und sich an der Oberfläche der Handlung deutlich von den früheren zeitgeschichtlichen Dramen Lochers absetzt. Unter den verschiedenen Sinnebenen, die der Verfasser für sein Spiel proklamiert, ist aber wieder eine zeitgeschichtlich-politische zu erkennen. Das mythologische spectaculum wird von der Forschung gern zu den Festspielen gezählt. Anders als ein solches aber weist es keine enge Verbindung zum Aufführungsrahmen auf, vielmehr stellt es sich in einen literarischen Kontext, indem es eine alte Geschichte neu auslegen will, ist auch in anderen Kontexten wieder aufführbar und trennt anders als das Festspiel, zwischen Zuschauer- und Bühnenraum.

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16.7.4. Libellus dramaticus – tempestivum spectaculum Eine Sonderform des spectaculum bildet das tempestivum spectaculum, das (wie die anderen spectacula an der Landesuniversität und unter einem gewissen Loyalitätskonflikt verfasste) Fürstenspiel, das sich auf eine aktuelle Begebenheit bezieht und dabei seine Wahrheit nicht in einer philosophischen Einsicht sucht, sondern in der aktuellen Relevanz. Nicht nur hierin aber unterscheidet sich Lochers letztes Drama von den beiden anderen spectacula, sondern auch in einigen formalen Aspekten. Locher findet daher die verschiedensten Bezeichnungen für das Spiel; er spricht von einem libellus dramaticus, einer materia dramatum, einer declamatio und einem fictum progymnasma. Er erklärt, dass er das Stück nicht „Tragödie“ nennen könne, auch wenn es wie diese (regelmäßig am Ende jeden Akts platzierte) Chorlieder und ein sehr hochgestelltes Personal besitze; der Stil sei hierzu zu niedrig. Anders als in seinen anderen spectacula verwendet Locher hier die Prosaform. Der Stoff ist kein Tragödienstoff; zwei Tyrannen werden zwar angeführt, zwei Tyrannentragödien angerissen, doch der Sturz keines der beiden Tyrannen wird vorgeführt, vielmehr geht es um einen Friedensschluss. Dabei wird weniger eine geschlossene Handlung dargestellt als ein einzelner bedeutender Schritt, dessen Wert für die Geschichte des Reichs und Europas zwar gelobt werden kann, sich aber erst außerhalb des Spiels in seinem vollen Umfang offenbaren soll. Die dargestellte Sache besitzt also, wie Locher hervorhebt, eine aktuelle Dringlichkeit, sie ist ernst und ist kein „frivoler“ Komödienstoff. Die Besonderheit des Spiels drückt sich auch in seiner Struktur aus. Es besitzt nur drei Akte, von denen der dritte auf der Vorderbühne gespielt wird und einen Übergang zum Festrahmen bilden will, an den das Spiel weit näher gebunden ist als die beiden anderen spectacula. Dennoch bewahrt es die Trennung von Zuschauer- und Bühnenraum, und die Verbindung zur Festgemeinde wird auch insofern verfehlt, als der letzte Akt das Niveau des Spiels sprachlich, inhaltlich und im Personal unpassend weit nach unten drückt. Der Nähe zum Fest widersprechen außerdem die jedem Akt vorangestellten Prosthesen, welche auf ein Lesedrama hinweisen; gerade dieses Spiel aber ist das einzige Spiel Lochers, welches nicht in den Druck gegangen ist. Es kann zusammenfassend nur als eine höchst hybride Dramenform bezeichnet werden, für die Locher keine befriedigende Gattungsbezeichnung finden konnte. 16.7.5. Poemation – drama Als poemation, „Gedichtlein“, bezeichnet Locher dagegen ein Drama, das durchgehend in Versen verfasst und nicht für die Aufführung gedacht ist. Es besitzt nicht nur keine klassische Binnengliederung in Akte oder Szenen, sondern es ist

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auch nach außen hin nicht scharf abgegrenzt. Die anderen Texte im selben Band bilden eine Einheit mit dem poemation, die nur schwer aufgelöst werden kann. Es ist also ein strukturell offener Text. Dennoch ist er im Druck als drama bezeichnet. Dies lässt sich nicht nur durch die (für eine solche Gattungsbezeichnung nicht hinreichende) dialogische Form begründen, sondern v. a. durch die gezielte Anspielung des Textes auf das Theater. Das poemation, entstanden im Kontext des abklingenden Streits Lochers um den Wert und die Berechtigung der Poesie, ist ausdrücklich gegen die Tadler des Dramas gerichtet und will, absichtlich ohne Erfüllung dramatischer Gattungskonventionen, den Verfasser von politischen Tragödien und seine Intentionen verteidigen. Beschrieben wird das theatrum mundi aus der Perspektive der Unterwelt, welche sich gleichsam hinter der Bühne befindet: Charon muss sich um die Spieler kümmern, die „abtreten“. Hinter der Bühne sind die Handlungsstrukturen nicht mehr klar zu erkennen und daher wäre auch eine weitere Spezifizierung der dramatischen Untergattung nicht möglich. 16.7.6. Komödie und ludicrum drama Locher preist zwar in seiner Beigabe zu Grüningers Terenz-Ausgabe die Komödie als ein Mittel der sprachlichen und moralischen Erziehung der Jugend, seine Aufgabe als Poet des Königs aber sieht er eher darin, politische Dramen zu verfassen: die den Kaiser verherrlichende Tragödie oder historia oder aber (im Loyalitätskonflikt zwischen dem Kaiser und dem Landesfürsten) das spectaculum. In einer Situation jedoch, in welcher die Dichtung, die humanistische Bildung und die Person Lochers vehement kritisiert werden, muss es das erste Anliegen des poeta laureatus sein, die Dichtung zu verteidigen und ihre bzw. seine Kritiker zu schmähen. Hierzu wählt Locher die bissige Komödie, nach dem Vorbild von Aristophanes und Reuchlin. Anders als seine Dichterkollegen aber, die den Komödienbegriff zum Teil sehr großzügig auslegen, meidet Locher ihn und spricht lieber von einem ludicrum drama. Das Spiel folgt zwar der Ständeklausel und lehnt sich an ein Schwankschema an, es ist aber sehr kurz und beschreibt nur eine einzige, handlungsarme Dialogszene mit streng limitiertem Personal, ohne Aufund Abtritte. Erst wenn das literaturkundige Publikum diese Einzelszene als eine Fortsetzung von Plautus’ »Asinaria« erkennt, kann das ludicrum drama virtuell zu einer vollständigen Komödie ergänzt werden. Stilistisch allerdings weicht es auch dann noch von der Norm ab: Der Dialog ist in Prosa verfasst. Er will dennoch nicht als ein Fastnachtsspiel verstanden werden; anders als bei diesem trennt auch hier Locher klar zwischen Bühnen- und Publikumsraum.

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16. Schluss

16.8. Lochers Dichterkollegen und ihre Vorliebe für die comoedia Mit Celtis’ Lob der Tragödien Senecas als Fürsten- und Staatslehre und mit seiner Aufforderung, wie die Alten zum Nutzen des Gemeinwesens und des Reichs Theaterstücke aufzuführen, aus welchen jeder seine Pflichten gegenüber der patria erkennen könne, stand für seinen Schüler Locher der Vorzug des politischhistorischen Dramas im weiteren Umkreis der Tragödie gegenüber der „privaten“ Komödie fest. Außerdem suchte Locher wie Celtis eine Annäherung an Maximilian, den großen Mäzen seines Zeitalters, der, wie BERNS es formuliert, es vorlebte, dass die „Repraesentatio als herrscherliche Selbstinszenierung alle sinnlichen Sphären einbeziehen und somit synästhetisch sein müsse; daß sie die modernsten technischen Errungenschaften einbeziehen müsse; daß sie Bilddidaktik und Schriftlichkeit kombinieren müsse“.32 In die Zahl der Dichter, die dieser synästhetischen Darstellung des Kaisers und Maximilians gedächtnuß dienten, wollte Locher sich einreihen, mit seinem neuen Gattungsentwurf der politischhistorischen Dramen. Eine politisch motivierte Geschichtsdarstellung auf der Bühne gab es bereits in Italien: zu nennen sind etwa Ludovicos de Fabriano »De Casu Cesenae« von 1377,33 Mussatos »Ecerinis«, Giovanni Manzinis »De casu Antonii della Scala« (1387–88)34, Laudivios da Vezzana, »De captivitate ducis jacobi« (Mitte 15. Jh.)35 oder die beiden Spiele von Carolo und Marcellino Verardi. Ähnliches kannte auch schon die volkssprachliche Hofbühne in Burgund; in dem »Mystère de la Pucelle ou du siège d’Orléans« z. B. tritt Philipp der Gute selbst auf.36 Die Aufführung von Lochers »Historia de Rege Frantie« 1495 ist aber noch ein Novum in Deutschland, und der Ehinger Dichter sollte auch noch lange der einzige Verfasser von neulateinischen Dramen in Deutschland sein, die sich an der Tragödie orientierten. Seine Dichterkollegen zogen die Komödie vor, die als „Spiegel der Sitten“ moralisch-didaktisch gerechtfertigt war. Unter dem Deckmantel der Scherzhaftigkeit und oft auch im Schutz der Fastnacht lassen sich (in unterschiedlichen Graden der Bissigkeit) Wahrheiten über persönliche, politisch mächtige Feinde oder die ganze, als korrupt empfundene Gesellschaft ausdrücken. Der Gattungsbegriff der comedia erweist sich als ein sehr dehnbarer. Dennoch ginge es zu weit, wie Otto FRANCKE zu behaupten, dass in der Frühen Neuzeit jedes Drama comoedia genannt worden sei;37 das ist eher ein sprachliches Problem

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BERNS, S. 642. CLOETTA I, S. 54–67. CLOETTA II, S. 76–82. Marvin T. HERRICK, Italian Tragedy in the Renaissance. Urbana, Ill. 1965, S. 7–9. CARTELLIERI, S. 170. FRANCKE, S. 98.

16.8. Lochers Dichterkollegen und ihre Vorliebe für die comoedia

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der neueren Zeit, so spricht z. B. STÄUBLE von den comédies historiques Lochers.38 Man kann auch nicht wie SCHADE generell postulieren, dass die Begriffe comoedia, dialogus, ludus anilis im deutschen Frühhumanismus austauschbar gewesen seien.39 Wo die Bezeichnungen comoedia und dialogus bei einem Werk nebeneinander stehen, soll gerade ausgedrückt werden, dass dieses zwischen den Gattungsgrenzen stehe, während der ludus anilis als eine Untergattung der comoedia begriffen wird. Die Komödien der deutschen Frühhumanisten lassen sich grundsätzlich in zwei Gruppen gliedern. Auf der einen Seite stehen Prosadialoge, die auf schauspielerische und Bühneneffekte weitestgehend verzichten, allein durch das rezitierte Wort wirken wollen und sich primär als Bildungswerbung verstehen. Die Übergänge zwischen dialogus und comoedia sind hier oft fließend. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Wimphelings »Stylpho«, der vom Verfasser selbst nicht als Komödie bezeichnet wird, sondern als aliud orationis genus, daneben auch als fabula und (als fiktive Geschichte mit wahrem Kern) auch als historia. Eine Nähe zu den „gesalzenen“ Scherzen der Fastnachtszeit lehnt er ab, und auch die Anlehnung an die römische Komödie ist rein äußerlich. Der Dialog ist in sechs Einzeldialoge gegliedert, deren Hauptfiguren (keineswegs aber alle Figuren!) dem mittleren Personal der Komödie entsprechen. So konnte der Dialog in der selbständigen Überlieferung, außerhalb des Rede-Kontexts, zur comoedia werden. Auch Bebels comoedia vel potius dialogus gehört in diese Gruppe der Komödien, bei denen das Sprachlich-Rezitative im Vordergrund steht, nicht das Spiel. Bebel gliedert sein Spiel in fünf Akte und hält sich an die quantitative Beschränkung des Personals wie an die Ständeklausel. Ein fingiertes Personal und fingierte Räumlichkeit, ja, jede Illusionskunst, lehnt er ab; er will das Vorhandene, die Universität, abbilden und in eben diesem universitären Rahmen didaktisch wirken – durch rhetorisch ausgefeilte Reden auf der Bühne. Zu Wimphelings und Bebels Komödien/Dialogen ließe sich als westfälisches Gegenbild der »Codrus« Johannes Kerckmeisters gesellen, der 1486 in Münster entstand: ein handlungsarmes Dialogspiel, welches an der Universität angesiedelt ist und die Diffamierung des scholastischen Lateins zum Gegenstand hat. Die andere Gruppe der frühhumanistischen Komödien aus Deutschland repräsentiert an erster Stelle die hoch gelobte prima comoedia des Johannes Reuchlin: ein dramaturgisch straff durchgearbeiteter, dem klassischen Handlungslauf folgender jambischer Fünf-Akter mit Choreinlagen und geregelten Auf- und Abtritten, der ideal auf einer Terenzbühne aufgeführt werden kann und sich an die Ständeklausel hält. Reuchlin nennt den Chor ein Merkmal des ludus anilis, aber nicht ein allgemeines der Komödie. Zentral für die Komödie sind nach Reuchlins ______________ 38

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Antonio STÄUBLE, Le premier théâtre humaniste, in: L’Époque de la Renaissance 1400–1600. Hrsg. v. Tibor Klaniczay u. a., Bd. 1. Budapest 1988, S. 510–518, S. 514. Richard Erich SCHADE, Studies in Early German Comedy. 1500–1650. Columbia, SC 1988 (Studies in German Literature, Linguistics, and Culture), S. 21.

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16. Schluss

Auffassung Spott und Gaukelspiel; das Ziel seiner Spiele nämlich ist es, die Scheinhaftigkeit der Welt aufzudecken, die nicht zuletzt in der Sprache begründet ist. Sprache als „Quell allen Seins“ schafft Realität, aber auch Scheinrealität. Sie kann betrügen, aber auch Trug aufdecken. Nicht nur im Lob der Bildung und Dichtung erschöpft sich die Komödie, sondern sie greift bissig persönliche Gegner des Dichters an, die aber zugleich einen Typus für allgemeine Missstände in der Gesellschaft darstellen. Bezüglich des Aufführungsrahmens wie auch des Inhalts verharrt diese Komödie nicht mehr innerhalb der Universität, sondern sie sucht den Kontakt zum Hof und zu politisch interessierten Gelehrtenkreisen. An diese Form der Komödie scheint sich auch Wimpheling in seinem nicht erhaltenen Spiel von 1497 herangewagt zu haben. Randerscheinungen der Gattung stellen die „Komödien“ Grünpecks dar. Der moraldidaktische Anspruch als „Spiegel der Sitten“ und im Fall der »Comedia prima« der Stand des Personals weisen zwar in die Richtung der Komödie, man wird aber die handlungsarmen, auf reiche Gestik und Mimik setzenden Spiele, die jeweils eng an einen (außeruniversitären) Festrahmen gebunden sind, heute eher als Festspiele bezeichnen – eine Gattungsbezeichnung, welche der deutsche Frühhumanismus nicht kennt. Das Festspiel hatte an den oberitalienischen Höfen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bereits weite Verbreitung gefunden, aber auch dort war noch keine einheitliche Gattungsbezeichnung etabliert. Hier wurden häufig mythologische Stoffe bearbeitet; kennzeichnend für das Festspiel sind aber weniger die Stoffe als die fließenden Grenzen zwischen dem Spiel und dem Fest (mit Bankett, Tanz, Feuerwerk o. ä.), welches dem Spiel erst seine Bedeutung verleiht und ohne welches dieses letztlich nicht aufführbar ist. Auf- und Abtritte sind oft nicht geregelt, die klassische Norm der Personenzahl wird häufig überschritten, und da keine räumliche Trennung zwischen Zuschauer- und Bühnenraum vorhanden ist, kann auch die Zuschauerschaft eine Rolle im Spiel erhalten. Als Festspiele wird man auch die musikalisch und choreographisch hohen Ansprüchen genügenden aber eher undramatischen Singspiele des Konrad Celtis bezeichnen, die beide die unmittelbare Nähe zum Aufführungsanlass suchen, abhängig von diesem in ihren Stil variieren und schwerlich außerhalb ihres ursprünglichen Kontextes neu aufführbar sind. Für Celtis ist die Ständeklausel verpflichtend genug, um ein Stück, in welchem Maximilian und eine Reihe von Göttern auftreten, nicht mehr „Komödie“ nennen zu können; er spricht von einem ludus, aber auch davon, dass dieser in modum comedie actus sei. Damit will er auf die fröhliche Grundstimmung des Werks verweisen, welches er auch zeitlich in der Fastnachtszeit verortet. Gleichfalls die feierliche Hochstimmung bei der Aufführung soll Moravus’ Bezeichnung ludicrum hervorheben, welche er für die »Rhapsodia« des Celtis verwendet; auf den Anlass der Feier deutet seine Bezeichnung triumphus für das gleiche Spiel hin. Celtis selbst aber spricht hier von einer

16.9. Anregungen für Lochers Schüler und für die Nachwelt

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Rhapsodie, da das Werk aus einer rhapsodischen Reihung von Gedichten besteht. Für den „Erzhumanisten“ ist also eher die Struktur des (Fest-)Spiels als der Aufführungsanlass entscheidend für die Gattungsbezeichnung. Neben den für Bildung werbenden eng auf den universitären Kontext bezogenen Dialogspielen, den bissigen Komödien (denen sich das »Ludicrum drama« Lochers annähert) und den panegyrischen und moraldidaktischen Festspielen seiner Dichterkollegen nehmen Lochers historia, seine tragedia und seine verschiedenartigen spectacula eine Sonderstellung ein. Sie führen eine historische oder pseudo-historische Handlung so vor, dass sich daraus eine unmittelbare Handlungsaufforderung für das Reich und für das Publikum ergibt sowie die Rolle des Dichters als eines kaiserlichen Rats und eines „Signalhorns“ für Kaiser und Reich vor Augen geführt und gerechtfertigt wird.

16.9. Anregungen für Lochers Schüler und für die Nachwelt Als Lochers Schüler Johann Stamler 1508 seinen »Dialogus de diversarum gentium sectis« in Augsburg zum Druck gibt,40 sind dem Werk überschwängliche Lobesworte Lochers beigegeben. Der Prosadialog beschreibt die Heimkehr des einst von Tataren geraubten Arnestus, der vom Vater freudig empfangen, aber, als er sich als Apostat zu erkennen gibt, verstoßen wird. Es folgt ein langes Religionsgespräch mit einem Christen und einem Juden, an dessen Ende Arnoldus und der Jude getauft werden. Stamler teilt den Dialog in 14 dramata und überschreibt das Werk mit Dyalogus in modum Comici dramatis (a2r).41 Diese Bezeichung hat MICHAEL zu seiner vernichtenden Kritik veranlasst: „Wenn also noch 1507 selbst ein Schüler Lochers so wenig vom Wesen des Dramas erfaßt hat und wenn Locher selbst, der Initiator des Humanistendramas, in einem Brief an den Autor hohes Lob spenden kann, so ist das doch ein sehr negatives Zeichen für die gesamten humanistischen Theaterbestrebungen.“42 Er übersieht dabei, dass Locher sich in seinen Beitexten zum »Dyalogus« konsequent (im Hexastichon sogar in jedem zweiten Vers) an lectores wendet und gerade nicht an Zuschauer; er gibt Leseanweisungen und bezeichnet das Werk nicht als Spiel oder Spektakel, sondern als liber (a2r, f4r–v). In der Widmung des Werks an seinen Lehrer erklärt Stamler schließlich, weshalb er von einem Dialog sub comedie formula (a3v) spreche, nämlich allein wegen des niederen Stils. In einer Glosse definiert er außerdem den von ihn verwendeten Begriff Drama: Nomen est ex greco et est actus vel representatio comediarum ac tragediarum (a5v). „Drama“, actus = „Akt“ und representatio = „Auftritt“ werden von ihm als Synonyme begriffen. Es geht ihm, wenn er hier ______________ 40 41

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BAHLMANN 1893, S. 29. Johannes Stamler, Dyalogus de diversarum gencium sectis et mundi religionibus. Augsburg: Erhard Oglin u. Georg Nadler, 1508 (Exemplar LB Stuttgart, Theol. fol. 1553). MICHAEL 1963, S. 80.

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16. Schluss

von einem drama spricht, allein um eine Gesprächseinteilung, nicht um ein dramatisches Element. Auch wenn Stamler mit Versatzstücken aus verschiedenen Spielgattungen arbeitet – er lässt z. B. den Dialog wie ein geistliches Spiel oder wie eine Krönungszeremonie mit dem gemeinsam gesungenen Tedeum (f4r) enden und schließt dann mit einer Variante der Terenz-Schlussfloskel: Stamler Compositor his valete et plaudite (f4r) –, so ist er sich v. a. eines großen Unterschieds zur Komödie bewusst: Er gebe nur Verbürgtes, was er auf seinen Reisen über die verschiedenen Religionen erfahren habe, wieder, er fingiere nicht, erklärt er (a3v).42 Deshalb gibt er auch zu Beginn kein argumentum comoediae an, sondern ein Argumentum rei et historie (a4v). Durch Anlehnungen ans Spiel will er von der motivierenden Wirkung des Dramas profitieren. So erklärt Locher im Epilog: non scripsit auctor immo: ut te doceret: sed ut te moveret (f4r). Locher schätzt diese Form des Spiels mit dramatischen Versatzstücken, da in seinen Augen die Intention Stamlers recht ist und ihm die von diesem gewählten Mittel dafür angemessen erscheinen. Auch wenn er selbst als erster deutscher Humanist ein eigenes Drama auf die Bühne gebracht hat, besteht er nicht darauf, dass jede Verwendung von Theaterwortschatz mit einer Aufführung einhergehen müsse; er selbst hat ja mit dem »Poemation« ein Lesestück vorgelegt. Es hieße falsche Erwartungen an Locher und an das frühhumanistische Drama stellen, wollte man nur reine, allen klassischen Regeln entsprechende Komödien und Tragödien gelten lassen. Die gemischte Form, das Spielen mit den dramatischen Möglichkeiten und die reiche Zitation klassischen Theaterwortschatzes in nicht klassischen Kontexten kennzeichnen diese Phase der Theatergeschichte. Johann von Kitzscher, der Orator Herzog Bogislaws X. und ehemalige Rektor der Universität Bologna, wählt eine andere gemischte Dramenform für seine »Tragicomedia de Iherosolomitana profectione Illustrissimi principis Pomerani«. Das Spiel, das wegen mangelnder Lateinkenntnisse am Stettiner Hof nie aufgeführt worden44 und schließlich 1501 in Leipzig gedruckt worden ist, ist deutlich von Verardi45 und eventuell auch von den Tragödien Lochers beeinflusst:46 In Botenberichten schildert es die Pilgerfahrt des Herzogs und sein ebenso heldenhaftes wie wundersames Überleben eines Überfalls durch die Osmanen.47 Im Prolog rechtfertigt Kitzscher die Gattungsbezeichnung „Tragikomödie“, die er als erster deutscher Dramenautor verwendet.48 Er betont den ______________ 43 44 45 46

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Elisabeth NUGENT, Johannes Stammler’s Dyalogus. PMLA 53 (1938), S. 989–997, S. 991. BURGER, S. 306. CREIZENACH II, S. 32; BRADNER 1957, S. 37; MICHAEL 1963, S. 82f.; ders. 1971, S. 259. MICHAEL 1971, S. 259. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1500 könnte Kitzscher Kenntnis von Lochers Werken genommen haben. Vgl. Gustav BAUCH, Dr. Johann Kitzscher. Ein meißnerischer Edelmann der Renaissance. NASG 20 (1899), S. 286–321, S. 300. Dietrich HUSCHENBETT, Herzog Bogislaw I. von Pommern, in: VL2 I, Sp. 927f. Karl S. GUTHKE, Das Problem der gemischten Dramengattungen der dt. Poetik und Praxis vom Mittelalter bis zum Barock. ZfdPh 80 (1961), S. 339–364, S. 347.

16.9. Anregungen für Lochers Schüler und für die Nachwelt

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hohen Wahrheitsgehalt des Stücks, der den aller Komödien übertreffe,48 den hohen Rang des Personals und die positive Wendung des Ausgangs. Trotz der Neuigkeit der Form aber bleibt seine Tragikomödie unbeachtet von den Dichtern im weiteren Umkreis Maximilians – nicht zuletzt wohl aus politischen Gründen.50 Mittelalterliches Spiel und Tragödie verbindet Hermann Schottenius Hessus in seinem »Ludus Martius« (1526) und dem »Ludus imperatorius« (1527), welche vom Bauernkrieg bzw. von der Herrschaft Karls V. handeln.51 BRADNER sieht in ihnen Anlehnungen an die Spielformen Antichristspiel bzw. Moralität;52 der »Ludus imperatorius« beginnt mit einer Versammlung der Teufel.53 MICHAEL vermutet für beide Spiele eine Abhängigkeit von Locher;54 für den »Ludus Martius« hat HAMM außerdem eine direkte Beeinflussung durch Erasmus nachgewiesen.55 Eine Mischung von mythologischem Festspiel, Gerichtsspiel und Moralität charakterisiert die verschiedenen Dramatisierungen der Herkules-Entscheidung, die Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden sind: Johannes Pinicians »Virtus et voluptas« (Augsburg 1512),56 Sebastian Brants verlorener »Hercules in bivio« (Aufführungen Straßburg 1512, 1513 und evtl. 1518)57 und Benedictus Chelidonius’ »Voluptatis cum virtute disceptatio« (Wien 1515).58 Sie sind zum Teil durch Grünpecks »Comoedia secunda« und das Herkules-Kapitel der »Stultifera navis«, zum Teil auch durch Lochers »Iudicium Paridis« angeregt. Interessant ist bei diesem Werken aber v. a. das Spiel mit weiteren literarischen Mustern. So verwendet Lochers Schüler Pinicianus den Eingang eines Feenmärchens und lässt seinen Helden Karl beinahe daran scheitern, dass er sich an das MahrtenehenSchema des Romans halten möchte. Lochers Lehrer Sebastian Brant dagegen integriert in seinen »Hercules in bivio« biblische Szenen (Susanna, Judith, etc.) und erweist sich in diesen als ein Vorreiter des protestantischen Dramas. Die unmittelbare Nachahmung eines konkreten Schauspiels Lochers lässt sich unter den neulateinischen Dramen der Zeit schwer ausmachen;59 am ehesten dürfte man sie noch in Christoph Hegendorfers »De sene amatore« (Leipzig 1521) vermuten, welches inhaltlich dem »Ludicrum drama« nahe steht.60 Lochers ______________ 49

50 51 52 53 54 55 56 57

58 59 60

Gustaf BAUCH, Dr. Johann Kitzscher. Ein meißnerischer Edelmann der Renaissance. NASG 20 (1899), S. 286–321, S. 302 paraphrasiert den Prolog. Zu Kitzschers gegen Maximilian gerichteter politischer Haltung vgl. GUTHKE, S. 300. Vgl. NIEFANGER, S. 69–72. BRADNER 1957, S. 37. BAHLMANN 1893, S. 46. MICHAEL 1963, S. 81. HAMM, S. 436–445. BAHLMANN 1893, S. 109. BAHLMANN 1893, S. 33; Hans-Gert ROLOFF, Theatrum mundi: Sebastian Brants Tugent Spyl. Études Germaniques 52 (1997), S. 277–291, S. 279. BAHLMANN 1893, S. 34 Vgl. NIEFANGER, S. 66. BAHLMANN 1893, S. 37f.

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16. Schluss

Wirkung auf die Theatergeschichte ist aber, wie man vermuten darf, eher eine grundlegend anregende. Er bildet den Anfang der Inszenierungen von deutschen Humanistendramen und verteidigt eine lebhaftere Form des Vortrags; er bringt als erster die gesungene Humanistenode auf die Bühne; er führt den Usus ein, Dichterkrönungen mit Theateraufführungen zu begleiten oder sich mit einer Aufführung um die Dichterkrone zu bewerben; er beweist immer wieder anschaulich die politische Wirksamkeit von Theateraufführungen, verteidigt dabei nicht nur den Stand des Dichters, sondern legt einen Grundstein für spätere Propagandastücke, wie sie v. a. das konfessionelle Zeitalter prägen werden. Die von ihm vorgeführten Techniken der Publikumslenkung im audiovisuellen Medium sind aber auch heute zum Teil noch aktuell. Indem er mit verschiedenen Dramenformen experimentiert, widerlegt er nicht nur die alte Unterscheidung von Komödie und Tragödie nach Autorentypen, sondern er zeigt auch Wege für weitere Experimente auf. Als Lehrer regt er in vielfacher Weise zur Beschäftigung mit dem Drama an und demonstriert die sprachdidaktische Wirkung von Aufführungen. Durch Melanchthon und Johannes Sturm wird später der rhetorische Schulactus fest im Lehrplan verankert: als Übung, v. a. aber als Demonstration der Fortschritte der Schüler nach außen, als Werbung für die Schule.61 Eine systematische Dramentheorie wie sie Scaliger62 oder Giovanni Ponta63 no vorlegen sollten, um nur zwei prominente Beispiele zu nennen, lässt sich bei Locher noch nicht finden. Der Philomusus experimentiert mit den Formen und rechtfertigt und theoretisiert jeweils nur die aktuell vorliegende, die immer auch im Rahmen der gesamten Poesie gesehen werden muss, welche Locher mit Nachdruck verteidigt. Erst die Entdeckung der Wirkkraft und der Einsetzbarkeit des Theaters für verschiedene im weitesten Sinne didaktische Zwecke, wie sie mit Locher einsetzt, und die Erprobung des neuen Mediums auf breiterer Ebene schaffen die Grundlage für eine systematische Gattungstheorie.64

______________ 61 62 63

64

BARNER 1979, S. 260, 291–295, 306, 317. HERRICK, S. 85f. GEORGE, David E. R., Deutsche Tragödientheorien vom Mittelalter bis zu Lessing. Texte und Kommentare. München 1972, S. 75–84. Vgl. Bernhard ASMUTH, Anfänge der Poetik im deutschen Sprachraum: Mit einem Hinweis auf die von Celtis eröffnete Lebendigkeit des Schreibens, in: Renaissance-Poetik. Hrsg. v. Heinrich F. Plett. Berlin/New York 1994, S. 94–113, S. 106.

Anhang Zur Einrichtung der Texte In der neulateinischen Philologie gibt es gegenwärtig keine einheitlichen EditionsRichtlinien. Während zum einen argumentiert wird, die Editionen müssten den Rückgang der Lateinkenntnisse in unserer Zeit berücksichtigen und dem Leser eine weitgehende Erleichterung bieten, bedeutet andererseits eine Normalsierung immer eine Verfälschung des historischen Lautstands, welche von Spezialisten als bedenklich erachtet wird. Verwiesen sei auf die v. a. zwischen Hans HELANDER und Heinz HOFMANN geführte Debatte in den Symbolae Osloenses von 2001.1 Jozef IJSEWIJN hatte 1998 versucht, Empfehlungen für Editoren neulateinischer Texte zu geben. Er spricht sich bei Frühhumanisten für eine gemäßigtere Normalisierung aus als bei späteren Autoren, die Korrektur von e zu ae/oe oder von Doppelkonsonanten beispielsweise „means that one makes the poet’s error more blatant“, da die Verteilung von Längen und Kürzen bei frühen Autoren oft nicht korrekt sei. Deshalb sollten solche Korrekturen unterbleiben.2 Auch bei Eigennamen und generell dort, wo ein mangelndes Wissen des Autors zu vermuten sei, sollte ein buchstabengetreuer Abdruck erfolgen. Allein die Verteilung von u/v sei konsequent zu normalisieren, um Missverständnissen vorzubeugen, und die Interpunktion sei zu modernisieren, da sie anderen Regeln als die heutige folge.3 Sehr ähnlich wie IJSEWIJN argumentiert auch Luc DEITZ im selben Jahr, dass eine Normalisierung als Leseerleichterung sinnvoll sei; bei einer Einzelüberlieferung allerdings genüge eine leichte Normalisierung.4 Wo aber eine mehrfache Überlieferung eines Textes vorliege, plädiert er für eine kritische Ausgabe, bei welcher die Orthographie gänzlich normalisiert, die Interpunktion und die Abschnittseinteilung (letztere möchte ISEWIJN beibehalten) modernisiert seien. Die Orthographie sei ja nur bei Autographen Ausdruck des Autors, ansonsten Willkür des Schreibers oder Herausgebers; Hinweise auf sprachliche Entwicklungen und auf die Aussprache seien ihr nur sehr bedingt zu entnehmen, da sie nicht einheitlich sei. Schließlich entspreche eine Anpassung ans klassische Latein auch den Inten______________ 1

2 3 4

Hans HELANDER, Neo-Latin Studies: Significance and Prospects. SO Debate. Symbolae Osloenses 76 (2001), S. 5–102, S. 27–29 (HELANDER) und S. 52f. (HOFMANN). Jozef IJSEWIJN, Companion to Neo-Latin Studies, Teil II. Löwen 1998, S. 472–474, S. 472. Ebd., S. 473. Luc DEITZ, Editing Sixteenth-Century Latin Prose Texts: A Case Study and a Few General Observations, in: Editing Texts. Texte Edieren. Hrsg. v. Glenn W. Most. Göttingen 1998 (Aporemata 2), S. 141–164, S. 146.

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Anhang

tionen der Autoren. Für die Interpunktion gelte, dass sie für lautes Lesen entworfen sei und daher ein leises Lesen eher behindere. Für sich genommen sei sie nur für wenige Spezialisten interessant.5 Gerade gegen eine Leseerleichterung argumentiert Nicola KAMINSKI in ihrer Ausgabe der Dramen Frischlins, sowohl bei der Orthographie als auch bei der Interpunktion: „Notwendig erscheint mir die strikte Beibehaltung der Interpunktion – selbst auf die Gefahr hin, den Leser gelegentlich zu befremden – prinzipiell zunächst, weil die Interpunktion, nicht anders als die Orthographie, zur historischen Authentizität der Texte gehört, die gerade auch in ihrer Fremdheit gründet“.6 Sie löst nur Abbreviaturen und Ligaturen auf (mit Ausnahme der &Ligatur), bleibt ansonsten buchstabengetreu und bewahrt v. a. auch die Interpunktion der Originale. Am Detail weist sie die semantische Dimension der Zeichensetzung in den Frühdrucken nach. Anschaulich demonstriert sie, wie der Interpunktion Hinweise auf das (für Dramentexte nicht unwesentliche) Sprechtempo entnommen werden können.7 Auch Thomas WILHELMI betont in seiner BrantAusgabe, dass die Interpunktion in den Drucken und Handschriften durchaus sinnvoll sei. Er entschließt sich lediglich dazu, die Virgeln gegen Kommata auszutauschen und fehlende Punkte am Ende eines Textteils zu ergänzen. In die Orthographie dagegen greift er etwas stärker ein als KAMINSKI, indem er die e caudata zu ae oder oe auflöst und u/v nach dem Lautwert ausgleicht.8 Die neueren Teil-Ausgaben von Lochers »Stultifera navis« von Michael RUPP und Nina HARTL schließlich schlagen gänzlich unterschiedliche Wege ein: RUPP bewahrt die Interpunktion und Graphie der Vorlagen – mit Ausnahme der Abbreviaturen, der &-Ligatur und des Schaft-s;9 HARTL dagegen legt einen zu weiten Teilen normalisierten Text mit einer modernisierten Interpunktion vor.10 Die nachfolgende Wiedergabe der Dramentexte Jacob Lochers versteht sich nicht als eine eigenständige Edition, sondern als Anhang zur Interpretation. Ihren Zweck findet sie vor allem darin, dem Leser, der die obigen Darstellungen am Text nachvollziehen und überprüfen, die Einzelzitate in ihrem Kontext sehen möchte, das Material hierfür an die Hand zu geben. Sie dient auch dazu, einen zitierbaren Text mit Vers- und Zeilennummerierung zur Verfügung zu stellen. Da den Texten keine vollständige Übersetzung beigegeben ist wie in der FrischlinAusgabe KAMINSKIs oder in RUPPs Teiledition von »Stultifera navis« und »Theologica emphasis«, dürfte es angebracht sein, dem Leser im Text eine Handrei______________ 5 6

7 8

9 10

Ebd., S. 151–153. Nicodemus Frischlin, Hildegardis Magna. Dido. Venus. Helvetiogermani. Hrsg., übers. u. komm. v. Nicola Kaminski, Bd. 1. Bern u. a. 1995, S. 587. Ebd., S. 588. Sebastian Brant, Kleinere Texte. Hrsg. v. Thomas Wilhelmi, Bd. 1.1. Stuttgart 1998 (AuE 3.1.1), S. 15f. RUPP, S. 12. HARTL, S. 52–56.

Zur Einrichtung der Texte

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chung zu bieten. Andererseits ist es, da in der Regel eine Einzelüberlieferung vorliegt, nach DEITZ, und da es sich um frühhumanistische Texte handelt, nach IJSEWIJN gerechtfertigt, nur geringe Normalisierungen durchzuführen. Dem allgemeinen Konsensus in der Editionsphilologie entspricht es, Abbreviaturen stillschweigend aufzulösen. Wie aber sollten sie aufgelöst werden, steht doch X für prae, prœ, prę oder pre; Y für quae, quę oder qve; xXi für Christi oder ChriŰti. All diese Formen stehen in den Frühdrucken und humanistischen Handschriften nebeneinander. Inkonsequent und eine Verfälschung des Schriftbilds wäre es, nur für die aufgelösten Abbreviaturen eine normalisierte Form zu wählen, ansonsten aber die Graphie der Vorlagen zu bewahren. Das aber heißt, dass die Auflösung der Abbreviaturen eine gewisse Normalisierung erzwingt. Vertretbar ist eine solche v. a. dann, wenn durch sie nur graphische Differenzierungen verloren gehen, die phonetisch unbedeutend sind und auf die auch der zeitgenössische Setzer verzichten konnte. Einen Hinweis auf die Relevanz von orthographischen Differenzierungen liefert der reduzierte Zeichensatz der Majuskeln. Dort kann nicht mehr zwischen u/v, i/j, s/Ű oder den verschiedenen rFormen unterschieden werden, noch kennen Großbuchstaben eine cauda. Einen weiteren Hinweis darauf, welche Unterscheidungen den neulateinischen Autoren wichtig waren, liefert die kritische Betrachtung der GrammatikStreitigkeiten in Agrippas von Nettesheim »De incertitudine et vanitate scientiarum«, Kap. III (hier buchstabengetreu wiedergegeben). Keiner der unzähligen Grammatiker, bemerkt er, könne erklären, Cur plerasque latinas dictiones alij cum gręca diphthongo scribunt, alij non, ut fœlix, quæstio. Atque an latine æ et œ scribantur tantum, et non proferantur, aut ambæ uocales sicut scribuntur, ita sub una syllaba exprimantur. Similiter cur in latinis plerique uocabulis, aliqui y gręco, alij i latino solum modo utantur, sicut in considero. | Item in aliquibus quidam duplicant literas, quidam non, ut in caussa, relligio (a7v–8r). (warum zahlreiche lateinische Ausdrücke von einigen mit griechischem Diphthong geschrieben werden, von anderen nicht, wie fœlix, quæstio, und ob im Lateinischen die Diphthonge æ und œ zwar geschrieben, aber nicht gesprochen werden, oder ob die beiden Vokale, so wie sie geschrieben werden, in einer Silbe ausgesprochen werden. Ähnlich steht es um die Frage, warum im Lateinischen viele Vokabeln von den einen mit griechischem y, von den anderen nur mit lateinischem i verwendet werden, wie considero. Ebenso, warum in einigen Wörtern manche die Buchstaben doppelt schreiben, andere nicht, wie in caussa oder relligio.)

Agrippa führt im Folgenden einige Beispiele von Einzelwörtern auf, deren Aussprache und Schreibung umstritten seien, und schließt mit einem Hinweis auf infinitas et nunquam cessaturas eorum contentiones de accentibus, de orthographia, de pronunciatione literarum, de figuris, de etymologijs, analogijs, deque cæteris præceptionibus et regulis (a8r). Die orthographischen Varianten scheinen umstritten und doch nicht erklärt zu sein, und auch eine direkte Verbindung zwischen Orthographie und Aussprache war nicht verpflichtend. Auffällig ist, dass die Varianten s/Ű, u/v und i/j erst gar

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Anhang

nicht erwähnenswert erscheinen, der Diphthong aber durchaus ein Problem bereitet. Agrippa spricht nur von einem „griechischen Diphthong“, nämlich der dem Lateinischen fremden Ligatur æ/œ und „keinem Diphthong“, verwendet aber selbst die dritte Möglichkeit, die e caudata. Sie versteht er offensichtlich nicht als einen eigenständigen Buchstaben, sondern als eine Schreibvariante für einen anderen Buchstaben – ohne dass deutlich würde, ob es eine Variante für den Diphthong oder den einfachen Vokal sei. Einige der zeitgenössischen Drucker verzichten ersatzlos auf die cauda. Unter den hier zu edierenden Texten ergibt sich folgendes Bild: Nur die Handschriften, der Druck des »Poemation« sowie die Marginalien (nicht der Haupttext) im Druck der »Tragedia« kennen die e caudata, in den anderen Texten steht an ihrer Stelle ein einfaches e und nur in äußerst seltenen Fällen ein Diphthong. Diese Beobachtungen rechtfertigen m. E. die folgenden sanft normalisierenden Eingriffe in die Textgestalt der Frühdrucke und Handschriften. Es wird verzichtet auf: – die Unterscheidung von Ű und s: Die beiden Grapheme sind hier zu s vereinheitlicht. Ähnliches gilt für die unterschiedlichen Formen von r. – die Unterscheidung von i und j: Sie sind vereinheitlicht zu i. – die Unterscheidung von e und ę: Sie sind vereinheitlicht zu e. – die in den Originalen gegebene Verteilung von v und u: Sie sind hier neu verteilt nach dem Lautwert. Abbreviaturen und Ligaturen (auch æ, œ, &) sind stillschweigend aufgelöst; für die Auflösungen von X, Y etc. gilt die Präferenz von e gegenüber ae. Stillschweigend korrigiert ist auch in Fällen, die zu Missverständnissen führen könnten, die Getrennt- und Zusammenschreibung, die in den Drucken ohnehin oft nicht klar kenntlich ist. Alle weiteren Eigenarten der Orthographie der Texte sind beibehalten, auch das Nebeneinander von c und t, da dieses – hier möchte ich DEITZ widersprechen – belegt, dass die Aussprache von c noch die mittellateinische war. Der akustische Charakter darf bei Dramentexten nicht unbeachtet bleiben, da die Performanz einen nur schwer vom Text separierbaren Teil des jeweiligen Werks ausmacht. Die Groß- und Kleinschreibung wurde belassen, da durch eine Normalisierung Hervorhebungen des Schreibers/Setzers, die auch auf den Autor zurückgehen könnten, verwischt werden würden. Großschreibung findet sich v.a. bei Eigennamen, bei besonders hervorzuhebenden Begriffen (die im mündlichen Vortrag evtl. betont werden sollten), am Vers- oder Satzanfang; sie ersetzen zum Teil auch die entsprechenden Satzzeichen. In all diesen Entscheidungen bezüglich der Orthographie stimme ich mit David PRICE überein, der, ohne die Methode seiner Textwiedergabe zu reflektieren, Auszüge aus Lochers Dramen nach diesen Gesichtspunkten zitiert.11 ______________ 11

PRICE, S. 24, 26 u. ö.

Zur Einrichtung der Texte

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Ein Eingriff in die Interpunktion ist eine Interpretation des Textes. Eine solche soll hier vermieden werden, es soll ein „objektiver“ Text zur Verfügung gestellt werden. Bei einem dramatischen Text sind außerdem Atemzeichen wie Virgel und Doppelpunkt sinnvoll und für die akustische Gestalt des Textes konstitutiv. Wie bereits DEITZ betont, ist die neulateinische Interpunktion eine für den lauten Vortrag. Eben dieser aber interessiert hier (im Gegensatz zu den Prosatexten, mit welchen DEITZ sich hauptsächlich befasst). Der einzige Eingriff in die Interpunktion, der mir unvermeidbar schien, ist die gegen die Textvorlagen eingeführte Unterscheidung zwischen Ausrufe- und Fragezeichen. In die Gliederung der Absätze wurde insofern eingegriffen als die Sprecherangaben zur größeren Übersichtlichkeit abgesetzt und in den Aktüberschriften die Aktnummer und die Aufzählung der Sprecher in verschiedene Zeilen getrennt wurden. Überschriften, Sprecherangaben und Regieanweisungen sind zudem in Kapitälchen gesetzt worden. Die in den Vorlagen verwendeten Initialen (die der zusätzlichen Gliederung des Textes dienen) sind in der entsprechenden Größe wiedergegeben, mit Ausnahme der Schmuckinitialen der »Historia de Rege Frantie« und des »Ludicrum drama«, die von ihrer meist neun- bis zehnzeiligen bzw. siebenzeiligen Größe auf eine dreizeilige heruntergesetzt worden sind. Die in größeren Lettern gesetzten Teile der Überschriften in der »Tragedia« sind in Fettdruck wiedergegeben. Vers- und Zeilenzählung sind neu hinzugefügt. Die Blattnummerierung des der Textausgabe zugrunde gelegten Drucks bzw. der Handschrift ist in eckigen Klammern in den Text gesetzt. Gedruckte Marginalien sind ein fester Bestandteil der Lesedramen und sind deshalb an den entsprechenden Stellen neben den Text gestellt. Im Apparat werden von mir durchgeführte Konjekturen nachgewiesen und die Lesarten eventueller Zweitauflagen oder zeitgenössischer Abschriften sowie neuerer Editionen angeführt, sofern sie über rein Orthographisches hinausgehen. Außerdem finden sich hier Hinweise auf Benutzerspuren wie Marginalien und Unterstreichungen. Auf eine Wiedergabe der Holzschnitte ist verzichtet worden. Für die Interpretation relevante Illustrationen sind im Analyseteil abgedruckt.

Anhang I: Historia de Rege Frantie Überlieferung Die »Historia de Rege Frantie« ist ohne Datum, aber auf jeden Fall nach dem 5. November 1495 bei Friedrich Riederer in Freiburg gedruckt worden. HEIDLOFF beschreibt die Druckschrift in seinem Schriftenverzeichnis Lochers unter A.III (S. 24f.); bei HAIN entspricht sie der Nr. 10161.1 Der Band enthält die im Folgenden aufgeführten Texte; die unten edierten sind am linken Rand markiert, und bei ihnen verzichte ich auf eine Beschreibung. Titel: Historia de Rege Frantie cum nonnullis aliis versibus et elegiis. Tetrastichon ad lectorem. Supplicatio Iacobi Locher philomusi Ad lectores. Epistola Iacobi Locher philomusi Ad magnificum virum Sigismundum Krutzer iuris pontificii doctorem Ratisponensis et brixinensis ecclesiarum canonicum prepositum Rinfeldensem. a3r Epigrama eiusdem ad Sigismundum. a3r–v Endecasyllabon eiusdem. a3v Ad librum epigramma. a3v–b6r Historia Tragico [sic] de Carolo Francorum rege Iacobi locher philomusi Suevi. b6r–v Clarissimo viro Sigismundo Kreutzer Iacobus locher philomusus salutem dicit. b6v Eiusdem Epigramma. b6v–d1r Elegien. Tetrastichon Iacobi philomusi in elegias suas de panthia ad lectorem b6v (2 Distichen). c1r–c2v Elegia prima ad Panthiam de imperio amoris et cupidinis (50 Distichen) [mit Schmuckinitiale]. Epigramma Iacobi locher philomusi ad Zasium suum c2r–v (5 Distichen). c2v–c3r Elegia secunda ad panthiam (32 Distichen). Epigramma Iacobi locher philomusi ad Zazium suum (12 Verse). c3v Eiusdem (4 Distichen). c3v c3v–c4v Elegia tercia (31 Distichen). c4v–c5v Quarta elegia (36 Distichen). c5v–c6r Elegia quinta (25 Distichen). c6r–d1r Elegia sexta (35 Distichen). ______________ a1r a1r a1v a2r–a3r

1

Ludwig HAIN, Repertorium Bibliographicum, Bd. II/1. Stuttgart/Paris 1831.

Anhang I: Historia de Rege Frantie

d1v d1v–d2r d2r–d3r d3r d3v–d4r d4r d4r–v d4v–d5r d5r–d6r d6r d6r d6v d6v–e1r e1r–v e1v–e2r e2r e2r–v e2v–e3r e3r e3v–e4v

385

Sodales ad voluptatem verno tempore invitat Iacob Locher philomusus (12 Distichen). In invidum qui Iohannis Baptiste bolognini Bononie sepulchrum laceraverat (7 Distichen). Nenia ad musam in funere alexandri Pellendorfer a iacobo philomuso decantata (28 Distichen). Ad Zasium Iacobi Locher philomusi Epigramma (10 Distichen). Sapphicon eiusdem de studiis Mortalium (10 Strophen). Sotericon Iacobi Locher philomusi Ad Udalrichum Zasium (10 Distichen). Endecasyllabon ad eundem (10 Verse). Epitaphium Christi quo christicolas in die parasceves alloquitur Iacobi Locher philomusi (25 Distichen). Sapphicon iacobi locher De chorea (15 Strophen). Ad zasium Epigramma Iacobi Locher Philomusi (7 Distichen). Ad federicum bellavita (8 Verse). Tetrastichon (2 Distichen). Ad Conradum Sturtzel invictissimi romanorum Regis Cancellarium doctorem et oratorem disertissimum Iacobi Locher philomusi carmen (28 Distichen). Sapphicon ad eundem (5 Strophen). Iacobus Locher Philomusus ad magistrum Iohannem vetter wilpergensem preceptorem suum (Prosa). Endecassyllabon eiusdem ad musam (14 Verse). Epigramma ad librum (7 Distichen). Udalricus Zasius Prothonotarius Friburgensis in Brisgow Iacobo Locher Philomuso illustrium principum Caroli et Christoferi marchionum Badensium Alumno Salutem (1. 11. 1495) (Prosa). Iacobi Locher Philomusi ad Federicum Riedrer. virum acutissimum epigramma (5 Distichen). leer.

HEIDLOFF zitiert das Exemplar der Aarauer Kantons-Bibliothek, Inc 28 4°. Weitere Exemplare sind nachgewiesen in: National Library of Scotland, Inc. 99.5; Bibliothèque Nationale de France, Paris, RES P-YC-8; Colmar, Bibliothèque de Ville, IV/8457. Das Aarauer und das Edinburgher Exemplar weisen eine Druckermarke Riedrers auf e3r auf, die anderen beiden Exemplare nicht. Dies ließe eventuell auf eine zweite, unveränderte Druckauflage bei Riederer schließen.

______________ d4r eundem ] eumdem. d6r Ad zasium ] Ab zasium.

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Anhang I: Historia de Rege Frantie

Inhalt Akt I: Zutiefst beunruhigt schildert Karl dem Herzog von Orleans einen Traum: Ein bubo letifer (todbringender Uhu), sei wiederholt gegen ein mit Siegeszeichen geschmücktes Bild angeflogen. Eine göttliche Stimme habe zu ihm gesprochen und ihn aufgefordert, die Krone von Neapel zu erringen. Es fällt dem Herzog von Orleans nicht schwer, Karl umschmeichelnd zu dem Kriegszug zu ermutigen, den die Götter ja offensichtlich von ihm fordern. Das größte Hindernis sieht Karl im Apennin, den außer Hannibal noch niemand zu überqueren vermocht habe (a5v); der Herzog rät ihm daher, sich einen starken Verbündeten in Italien zu suchen: Ludovico Moro, den Herzog von Mailand. Die strategische Beratung zwischen Ludovico und Karl bildet den zweiten Akt. Den Feldzug erklärt Ludovico als gerecht; er selbst habe ihn schon lange gewünscht aber nie gewagt. Er mahnt zur Eile, sonst könne es geschehen, dass der Feind die Türken, die nur nach christlichem Blut dürsteten, zur Hilfe rufe. Das Geschehen hat seinen Höhepunkt erreicht, als im dritten Akt der Bote des französischen Königs stolz den Triumph der Franzosen verkündet, der alle historischen Vorbilder weit übertreffe – u. a. die Erfolge Hannibals in Italien. Er jubelt über die Furcht, welche die Italiener ergriffen habe, und über die Flucht des Papstes. Niemand könne sich mit dem herausragenden Helden Karl vergleichen, der so rasch so große Erfolge erziele. Direkt ans Publikum gewandt, erklärt er: sileant romani pariter et greci ... sileant spatiosi gentes orbis (b2v). Akt IV besteht aus einem langen Klagemonolog Alfonsos, des Königs von Neapel. Seinen einzigen Trost zieht er aus der Geschichte, die ihm zahlreiche Exempla für die Unsicherheit und den Wankelmut Fortunas bietet. Als zu Beginn des fünften Akts ein Kundschafter Maximilians eintrifft, ist eine plötzliche Wende vollzogen. Ein Bote Venedigs verkündet glücklich den Triumph über Karl, er berichtet von der siegreichen Schlacht am Taro, und ein Bote Ludovicos von Mailand beschreibt den Zusammenbruch der Macht Frankreichs und die kopflose Flucht der Truppen, genauer der Überlebenden aus Karls Truppen. Großer Jubel beschließt die »Historia«.

H

Anhang I: Historia de Rege Frantie

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ISTORIA DE REGE FRANTIE CUM NONNULLIS ALIIS VERSIBUS ET ELEGIIS

TETRASTICHON AD LECTOREM Perlege: nec pudeat rugosas volvere chartas Invenies nugas que novitate placent. Hic canitur misere trita inconstantia sortis Et latio pariter prelia gesta solo.

[a1v] SUPPLICATIO IACOBI LOCHER PHILOMUSI AD LECTORES

S

olent plerumque vates et hystorici: cuiuscunque scriptionis Illustres: in operibus suis hoc temperamento prefari: ut si quid in pagina scriptum fuerit: quod lectores offendat: non maledicendi licentia factum esse protestantur: sed vitiorum improbitate: cui his saluberrimis figmentis occurrere student. Si quid 5 igitur: lectores candidi: in nostris puris dictaminibus compertum fuerit: quod aut proceres: seu private conditionis homines momorderit: seu morsu pulicis lacessierit: venia detur pietati: et simplici scriptioni: non enim Aristophanis dicacitate: non diogeneis rictibus: non Telis lycambeis: aut luciliana mordacitate nostra pagina tincta est: sed quicquid id est: quamvis sit exiguum: Ad laudem gloriosis10 simi regis Maximiliani: Cesaris augustissimi universeque germanice nationis scriptum esse censor optimus existimabit. Adhortor etiam musarum cultores: quos utraque germania colit: ut adolescenti faveant et industriam nostram non penitus damnent. demum sublimiori fultus cothurno hanc tempestatem collustrabimus. Valete [a2r] EPISTOLA IACOBI LOCHER PHILOSMUSI AD MAGNIFICUM VIRUM SIGISMUNDUM KRUTZER IURIS PONTIFICII DOCTOREM RATISPONENSIS ET BRIXINENSIS ECCLESIARUM CANONICUM PREPOSITUM RINFELDENSEM

E

tsi vereor: sigismunde clarissime: in tam luculenta scriptorum caterva: meos iuveniles ardores: quos mihi palladius furor: phoebique divinus spiritus infundit: in lucem prodere: tamen tua splendida virtutum morumque series: ac humanitatis moderatissimus candor ita me stimulat: ut nullis 5 munimentis intra scrinia: claustraque chartacea primarios hyppocrenidum foetus continere queam. satius quandoquidem nostris musis iuvenculis consultum foret: si iudicium vulgi ac pendulam censorum trutinam: criticique plagiarii torturam diutius formidarent. Est enim inter mortales error intollerabilis: atroque stigmate ______________ 6 conditionis ] conditiones. Epistola Sigismundum ] Sgismundum.

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Anhang I: Historia de Rege Frantie

notandus: qui nonnullos doctrine politioris expertes: ad istam mentis vesaniam 10 ducit: ut nihil lectu dignum putent: quod non eorum more: trivialique professione factum sit. Est et aliud genus hominum: quod solum in communibus litterarum institutis et per compita decantatis versari solet. sua magnifaciens: aliena nihili pendens. sileant tamen et victi abeant: omnium bonarum artium professores: nil maius argutis nascitur castaliis. liceat igitur mihi sic gradu moderato ad vatum 15 eminentissimorum virentes laureas proserpere. audiant queso omnes litterarii campi greges: quid hactenus de cursu syderum ac planetarum motibus: quid de rebus humanis divinisque: quid de diis immortalibus! quid de inferis: quid de universo terrarum globo: quid de rerum publicarum ordinationibus: quid de pace: quid denique de rebus bellicis omnium gentium atque priorum seculorum ad 20 memoriam nostram pervenisset. Si poete et historiographi suis litterarum facundissimis lucubrationibus et monumentis: non vindicassent: et posteritati dedicassent. noscimus eoi limites: calentes austri harenas: gelidas arctophylacum stellas: et hesperium calpen: noscimus Asiatica regna: latinorum / grecorum / ac barbarorum prelia: pugnas et stratagemata: at tamen non vidimus. legimus 25 romanorum inclita facinora: legimus triumphos magno ac splendissimo celebratos apparatu: et tamen non spectavimus: legimus cartaginis ruinam: potentiumque regum ac rerum publicarum tristes ex-[a2v]itus: nec tamen affuimus. Itaque prestantissimorum scriptorum beneficio factum est: ut omnium rerum: omnium etatum: omnium denique rerum et bello et pace gestarum inextinguibilem recorda30 tionem haberemus. Excitatus igitur ab illis qui propter tempestatis nostre: qua muse celebre et mendicant: incuriam atque negligentiam nihil emoriri sinunt. Superiorum scriptorum si qui iucunditate poetica claruerunt: vestigia sacratissima imitabor: venerabor: ac excolam: non ut ineptias meas merasque nugas hallucinans dignus hedera putandus sim: sed ut rapsodis eruditioribus: quos passim 35 theutona iactat tellus: scribendi stimulos invitamentaque litterarie virtutis incutiam. Nihil faciet etiam balatrones locutuleios: edaces: et garrulos: non assis faciet zoilos loquaces: tenella scriptio: que leni susurramine aures delicatas afflat. Trahitur quicumque sui characteris libidine: et in ea certos honores meretur. Aeschylus et Sophocles Eurypidesque grai: et Accius et Pacuvius latini tragica sublimitate 40 fulserunt. battiades et Ovidianus ibis suis obscuris tenebris cecisque sententiarum latebris lectores oblectarunt: satyri stili sui simplicitate laudes meruere: nec lepidus martialis iocus illaudatus iacuit. et elegi nudi tenerique suos auctores inmortalitati consecrarunt. itaque si non grandiloquum ac magnificentissimum cothurnum: si non calliopeam sublimem ac heroicam apte versare possum: liceat saltem hoc 45 verborum sentenciarumque tenui condimento inter olores canoros perstrepere. ______________ 9 expertes: ] expertes:: 17 de ] dc. 18 ordinationibus ] ordiuationibus. 31 negligentiam ] neglientiam.

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facio quod ingenium elargitur: nullis laboribus: hoc qualecumque est: effingo. nec ultra vires ingenii grandem rem moliar: ne cantus temerarius murem ridiculum pareret. Itaque Sigismunde humanitatis splendidissimus fulgor: non absurdum esse censeo: quod actum theatricum: quem honoris et magnificentie tue gratia: 50 nuper in conspectu Illustrium Marchionum Badensium: Procerum nobilissimorum: Patrum reverendorum et doctorum scolasticorumque clarissimorum publice celebravimus: in lucem edo Erat dies Actionis faustissimus: in quo tu pariter tuorum studiorum lauream: premiaque doctoratus fulgentissima suscipiebas. O qualem apparatum auri argentique cuncti suspiciebant. O tyrios colores varios: O 55 cultum rerum omnium magnificum: Aderant cuiuscumque conditionis homines elegantissimi: qui tuis festivis celebritatibus applaudebant. Preterea cum illud theatricum spectaculum in favorem tui nominis a me actitatum sit: congruum mihi visum est: ut tibi hunc [a3r] libellum succinctum emaculatumque nuncupatim dedicarem: qui in multa transcriptus exemplaria gloriam tuam longe per germanie 60 fines proferret. vide tamen: ut gracilis ille libellus tuo patrocinio ubique tutus sit Vale Friburgi nonis novembribus Anno domini etc. Mcccclxxxxv

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EPIGRAMA EIUSDEM AD SIGISMUNDUM Sunt qui clara canunt convexi sydera celi Cardinis et gemini grandia signa canunt. Est latus hesperii mundi: thetimque fugacem Qui canit. ignoti et clymmata sepe poli: Spumosos alter describit carmine fluctus Figmentum cuius atra charybdis erit. Alter ad eoos populos contendit et indos Atque vagos cylicas: heniochosque truces: Transit et ad libye gentes poenosque bilingues Mausirios calidis queritat atque locis. Alter res regum dictans: et prelia dira Deserit alterni carmina trita pedis. Sed magis ad dubie cinctus discrimina pugne Pugnacique manu turgida vela trahit. Est alius qui dulce canit: cum pangit agresti Pyeridum cythara facta iocosa magis: Ad numerum tenere vatum me pectore turbe Transcribo: placeat cum mihi musa rudis. Carmina tu que igitur cecis non illita nugis Perlege: nec tenuis sordeat iste labor. Fontibus e tumidis complentur pocula larga Exiguas undas paucula ripa trahit.

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ENDECASYLLABON EIUSDEM Facundos cuperem modos tonare Qui nomen veherent tuum per orbem Et famam facerent tibi celebrem. Desunt at veneris novi colores Et lingue quoque gracie decentes [a3v] Quis molles veterum micant libelli. Divinos latices aquasque sacras Et nectar sapidum bibit sacerdos Phoebi laurigeri et novem sororum Fas est edere me rudes ofellas Plebeiasque dapes: politiores Donec pyerides mee virescant At queso nivea fide clientem Iucundum pariter tuum sodalem Felix protege comitate: censu: Et dulci gremio fove libellum. AD LIBRUM EPIGRAMMA Vade liber: nitidis plausus iam redde theatris Te spectant iuvenes: virgo: puella: senex. Vivet opus quodcumque per aptas miseris aures. Et numeris plaudet sexus uterque tuis Nuper enim sacris musarum pastus in hortis Nunc age pyerio carmina digna choro Vade nec erubeas lepidis te prodere turbis En tibi cecropia pectora voce madent. Non Cato: non Cynicus: non spectet stoicus alter: Sed te spectabit turba iocosa magis Spectanti populo debes promittere carmen Res regum pangens: nil populare sapit:

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HISTORIA TRAGICO DE CAROLO FRANCORUM REGE IACOBI LOCHER PHILOMUSI SUEVI.

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PROLOGUS ACTORIS Laudatissimum priscorum institutum fuisse memoratur: Spectatores iucundissimi: ut quecumque et in rebus bellicis: et civilibus preclare glorioseque gesta fuerint: ab eruditissimis rerum memorabilium scriptoribus litteris graphicis ac monumentis non exolescentibus dedicarentur. Pleraque etenim in hoc litterarum diversorio scripta comperiebantur: que ad bene beateque vivendum: sanctissima ac saluberrima prebebant invitamenta. In primis hoc dictum esse velim de historiis: que non ficta commentacione: sed rerum gestarum magnitudine constant. Quis [a4r] enim princeps est: nostra tempestate clarus ac prestans: cum veterum historias de privata procerum sapientia: et rerum militarium expeditione contextas: diligenti cura legit: qui non ad eadem scientie bellice studia eandemque militandi gloriam incitaretur. historias hac quidem ratione luculenta mentis exercitacione sepenumero volvere ac lustrare debemus ut ex veterum moribus ac sancta vivendi consuetudine: nostra tempora ac nostras etates rectius ordinaremus. fuit apud veteres cum grecos: tum etiam latinos in magno cultu ac veneratione comedia: qua fortuna private mortalium sortis: cum iucunda utilique rerum fictarum commemoratione describebatur. ubi senex avarus: Anus compotrix et temulenta: scortum rapax: Adolescens imprudens prodigusque et parasitus edax. suas partes elegantissime actitabant. Ex comedie lepidissimo spectaculo quelibet hominum etas: proprie nature scelera aut virtutes liquido cognoscere poterat. Est profecto comedia humane vite speculum: in quo mores: virtutes: omnesque mortalium actiones gestusque contemplari possumus. Aliud scribendi genus et multo grandius poete celebrarunt: quod tragediam inscripserunt: in qua heroica quadam sublimitate: et grandiloquo cothurno casus: et lapsus fortuitos: et regum et principum lugebant. imbecillitatemque humani generis cum acrimonia sententiarum ostentabant. hosce scriptores: cultores quicumque prudentie imitari debent: horumque grandiloquo spiritu et magnifica rerum admirabilium commemoratione delectari: ut in rebus publicis et privatis recte consultare: recte facere: et nostro iuri subiectos: recte gubernare valeamus. Ad similitudinem igitur veteris tragedie: hancce historiam hocque tragicum argumentum conteximus: Continet enim potentissimi francorum regis tragicam historiam: quam simplici pompa: tenuique stilo confecimus: non ut quicquam dulce aut iucundum auribus tersis ex hac actione nostra infundi queat: sed ut optimus quisque fortune ac rerum humanarum imbecillitatem plane cognoscat. Audite queso spectatores bono vultu hilarique facie quid sibi velit rudis fabula.

______________ 1 iucundissimi ] iucundisümi [korrigiert aus iucundisumi]. 14 magno ] maguo.

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[a4v] ADHORTATIO AD SPECTATORES Iam spectatores teneros exporgite lumbos Plausibus et faustis signa benigna date: Egredior: manibus: iuvenes: linguisque favete Ut modo spectari fabula nostra queat. Non hic private sortis monumenta canuntur Non agitur risus ingenuusque iocus: Sed procerum casus varii: regumque potentum Prelia: moeonia digna tonanda cheli: Nemo quidem temere sorti confidat inique Fallaci currit sors maledicta gradu. Nemo potest stabilem ac firmam iam ponere sedem Omnia nam fatum conterit atque rapit Adsit in exemplum priami fortuna superbi Et croesi casus exitumque grave: Menia tarpei prebent exempla tonantis! In rebus stabile quod nihil esse queat. Gretia tota quidem casus experta severos Exemplum miseris ponit ubique viris Hoc sapiens quisquam fugiat: nam tempore in omni Mortales prona volvimur usque rota.

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ACTUS PRIMUS interlocutores Carolus rex gallorum et dux de Orliena CAROLUS uis deorum imortalium: continuis me somniis adeo terret: ut nullam animi quietem ac tranquillitatem consequi queam venit ad penetralia regia repetito sepe gradu: veneranda quedam imago: monumentis triumphalibus ornata: que me ad sui amorem suavissima oris affabilitate trahere moliebatur. Ego 5 vero non modice ob insolentem imaginis presentiam trepidabam. quia bubonem aliquam letiferam: ac abominabile genus avium huc advolitasse suspicabar. Sed tu dux orliene magnarum rerum acheroicarum virtutum inclite gubernator: quid in rebus illis nocturnis et infaustis somniis censere soles.

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______________ 1 Quis ] quis; für die nicht ausgeführte Initiale ist ein 5-zeiliger Freiraum gelassen.

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DUX. O regum maxime causam non mi[a5r]nus grandem quam formidabilem meo 10 supponis arbitrio. non etenim vates ethruscus: non thessala saga: aut egyptius divinator sum: ut harum rerum terribilium portentosas voluntates interpretari queam. accedamus si lubet: aliquos mathematicos quos tua populosa gallia magnis atque honorificis stipendiis alit: qui rerum harum divinarum atque celestium gnari: huiusmodi imaginis umbreque detestabilis sortem ac voluntatem explicabunt. Vel 15 si lubet bardos cantores aut dryidas omnium prodigiorum coniectores accedamus: qui nos huiusce somnii conscios reddant. CAROLUS. tuam sentenciam divinitus exortam. maiorem in modum probarem: nisi existimarem hoc somnium quicquam faustius ac fortunatius portendere: quod enim dii immortales in secreto absconditoque mihi precipere voluerunt: istuc apud me 20 bene consultum esse debet. quippe: ut aiunt greci: bene consultare rei publice fertilissimus est questus. DUX quid igitur istuc est: carole rex invictissime: quod per somnium imago divinitatis plena tibi vaticinata est. Si in rem tuam ac tui regni gloriam spectat: experiundum summis erit viribus: nec quisquam est inter principes tuos arte bellica aut civili 25 sapientia prestantes qui tua vaticinia admodum fausta non obsequio pari prosequatur. CAROLUS. Illustrem ac excelsi animi ducem esse te semper expertus sum. quamobrem te ad regia negotia tanquam invictum heroa sepe destinavi: ut quod ceteri senatores nostri in consilio conceperint: id tue constancie: tueque magnanimitati crederetur. 30 Audita est mihi superiori nocte vox clarissima: non hominis: sed alicuius dei: que tonabat his vocibus. Quid iaces in plumis tepidis carole regum christianissime te vocant universa mundi clymmata ut tibi serviant iugumque gallicum pacienter tollant. Te vocat aragonia: portusque trinacrius: ut tuam coronam regiam intuetur. Neapolis regem suum explodet: te dominum triumphali pompa suscipiet: tibique 35 fasces regios cum summis populi plausibus contribuet. Surge: quo te fata vocant: contende: non favor deorum: non mortalium suppetie deerunt. ad tam celebre magnificumque facinus moliendum.

______________ 9 minus ] minnus. 36 celebre ] cebre.

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DUX Iamiam perspexi: quanta deorum gracia: te: tuaque preclarissima facinora comitetur: non tibi delphos migrandum est: non dodoneas columbas: non hamonem 40 iovem: ut oracula de rerum bellicarum eventibus capias: lubet magis hancce presentem superum graciam amplecti: consulo profecto [a5v] tibi rex magnanime: ut hoccine spectabile vaticinium nulla mora protrahas sed extemplo bellum: quod superi volunt: intrepido pectore et viribus inconcussis attentes. Aspice queso imperii tui magnitudinem: aspice solem hesperium: qui tuis nutibus ad heroicas 45 res favet ac presens est. CAROLUS. Fidum te mihi esse iamdudum expertus sum: et numen tuorum consiliorum nusquam preterii: tecum igitur istud bellum: quod dii immortales faventibus astrorum signis portendere solent: infractis viribus: copiarumque militarium innumerabili caterva aggrediar. DUX. 50 Ita dii fata secundent: ut tam gravem belli periculorumque molem superare valeamus: amplum ac spaciosum regnum hereditate paterna adeptus es: alia nunc regna martio certamine adipisceris: que tibi ad victoriam perpetuosque triumphos famulabunt. CAROLUS. Una tamen vis est: que coeptis consiliis obstaculum faciet: aditus videlicet monto55 sus saltuosusque in italiam: obstat enim copiis nostris militaribus apenninus mons: quem nemo preter hannibalem poenum ducem celeberrimum penetrare quivit. DUX. Excogitavi viam: quam: si fas est: audire poteris: CAROLUS. que nam est istec via: que consiliis nostris finem imponeret. DUX. Ludovicum mediolani ducem neapolitano regi infensum esse precepi: quem opus 60 est: blanditiis argutioribus attentari: ut comeatus et suppetias ad hoc facinus conficiendum suppeditet. tuam quippe maiestatem diu formidavit: nec renuet: cum tanto christiani generis monarcha foedus subire. CAROLUS. consilium iam iam sibi communicabo.

Anhang I: Historia de Rege Frantie

SEQUITUR CHORUS SAPPHICUS [a6r] Quisquis eternum cupit ad nepotes Nomen educi celebremque famam Impiger claros capiat labores pectore forti Rebus in nostris nihil est honestum Est sacra dignum veneratione Viribus magnis nisi sit paratum ingenioque Plausibus claras celebrant athenas! Gloria et vates faciunt perhennes Hic quod argute nituit sophie docta palestra. Gloria patres canimus togatos Inclita: cuncte paruere gentes Legibus quorum: et paruit iugato Vertice mundus Hoc parit virtus studiosa nomen Et facit divo similes tonanti [a6v] Principes terre: proceresque sacro Numine firmat Ergo virtutis monumenta quisquam Integer vite colat: ut nepotes Sic suos reddat memores: et acta candida linquat Alter heroos capiat labores Et duces bello cupiat potentes Vincere: insignes agat ut triunphos Victor et auctor Alter attrectet studium sophie Gustet et sacras epulas minerve Ut queat duros superare casus Fataque rerum

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______________ Chor Auf a6r sind Noten für einen dreistimmigen Satz angegeben.

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ACTUS SECUNDUS interlocutores Carolus gallorum Rex et Ludovicus Mediolani princeps. CAROLUS alve ducum prestantissime: Res est magna ac gloriosa: que me excitavit. ut te nostrorum consiliorum nutibus participem facerem. dic inquam mihi: quid est rerum: quod te neapolitano Regi ita infensum fecit: cum quo tot annos gessisti: simultates.

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LUDOVICUS Causa iusta est: rex gloriosissime: ob quam merita invidia: livoreque merito adversus illum excandescit animus. me tam sublimi imperio: et ducatu speciosissimo 70 iam diu spoliare desideravit: attamen rem bellicam aggredi nondum conatus fuit. CAROLUS Si liberet: ut hostem edacissimum tibi castigarem: extemplo copias et exercitus ingentes educerem: quibus regem illum delicatissimum suo regno privarem. LUDOVICUS. Lubet quidem hoc egregium facinus a tua celsitudine commentatum. Spondeo ac polliceor: me expeditionem non solum commeatu et tuta via: verum etiam copiis 75 bellicis adiuturum. CAROLUS. Spondes igitur te facturum. LUDOVICUS. Spondeo. CAROLUS. O deos immortales quos favorabiles nobis abunde vidimus. Exuemus brevi temporum spatio Arogonie Regem sua corona regia: regnum quippe possidet: quod a 80 nostris maioribus quondam relictum: ad gallicam maiestatem spectat. Te vero ludovice princeps magnanime: huiusce martii certaminis triumphatorem faciam clarissi-[b1r]mum. LUDOVICUS. Incipe faustum certamen: tibi in subsidium Iohannem Galeatium cum stipato equitum exercitu mittam: qui cum ingenio rerumque militarium industria maxime 85 polleat: eius prudentia singularique animi magnitudine pro copia ac voluntate uti ______________ 85 prudentia ] prudentiais.

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poteris: pacatam et tranquillam omnisque seditionis expertem reddam cisalpinam galliam: et italicarum alpium fauces: semitasque angustas tutas ubique fatiam. CAROLUS. Summus olympi rector: et trisulci fulminis tonans: hec nostra heroica facta secundat iamiam vadam / quo me fortuna vocat: ut lilia virescentia externas orbis 90 gentes latiosque colonos ad iugum trahant nostrum. Aderit propediem ingens exercitus: quo italie fines ubique lustrabimus. LUDOVICUS. Ne cunctare! subito marte evertendus est hostis: ne se terrestri prelio formidabilem fingat / facile fieret: ut thurcarum gentes: geticosque populos detestabiles / sanguinemque christianum sitientes: in auxilium alliceret: nihil enim illis preter 95 bellum: tetrumque cruorem iucundum esse solet. CAROLUS. Pronior siquidem ad apparatus bellicos accingar. CHORUS ELEGIACUS DE INCERTO BELLI EXITU CONQUERITUR Mortales misera turbantur sorte: nec ullus Iam status immota conditione manet [b1v] Multi bistonio pereunt mavorte perempti Multorumque truci vulnere membra cadunt. Aequora nonnulli sulcant mercede coacti Et se precipites ad sua fata trahunt. Sevius at nemo rutilo sub sanguine mortem Exercet quam mars corpora lapsa necans. Non sibi magnanimi possunt obsistere reges In bello cunctos exitus unus habet. Iulius hac cesar quondam et clarissima proles Scipiadum misera conditione ruit. Hac quoque priamides! hac larisseus Achilles Hac etiam Cyrus conditione ruit. Currunt ad mortem plures et fata suprema Nec metuunt stygios tartareosque canes. Ast ita fata volunt: mesto ut mortalia casu Facta cadant: tristi depereantque lue.

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______________ 86 seditionis ] seditonis. Chor Auf b1r sind Noten für einen dreistimmigen Satz angegeben.

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Attamen o superi: dum nos sic pace fugata Bella magis trepido marte iuvare solent. Supplicibus votis iam numina diva precamur Ut iusti vincant magnanimique viri. Improba quandoquidem damnanda est culpa nocentis dum ruit iniustus: credite rite cadit: Fortunam proceres et magni cernite reges Qui cadit ex alto grandius inde cadit.

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ACTUS TERCIUS in quo Tabellarius Caroli francorum regis bella narrat.

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ttendite spectatores iucundissimi: missus sum a longinquis regionibus ut vobis res preclare gestas pangerem. Itaque si mihi locum in hoc spectaculo lepidissimo dabitis dicam que scitu memoratuque digna vobis videbuntur. Exordiar grandem historiam quam me gallorum rex victor ac triumphator buccinare iussit. Duxit nuper exercitum ex pyreneis saltibus transalpes montis apennini: apud Ticinum brevi mora consedit: Ubi suppetias militares a duce Mediolani suscepit. transalpinam Galliam et Transpadanam [b2r] tuto itinere peragravit: commeatum ab hercule mutinensium duce nactus: sine insidiis ethruriam profectus est: florentiam tanquam subiugatam suis legibus cum magna pompa ac celebratione intravit: ubi a Petro de medicis viro clarissimo gloriose salutatus est: deinceps romanos cives cum pontificum ordinibus cum magna trepidatione compescuit: itaque romanas arces spetiosumque romuli domicilium uti victor ac ovans imperator diutius occupavit: tandem se cum exercitu ad campanie fines contulit: oppidaque et civitates in adverso itinere sitas sine magno suorum militum cruore in potestatem recepit: capuam sine obpugnatione domuit: tanto etiam pavore regem neapolitanum concussit: ut nulla bellica clade: nullisque vulneribus acceptis: regiam illam sedem desereret: fuga quidem turpi salutem ac incolumitatem vite querens: coepit itaque absque ullis bellorum machinis ceterisque militaribus instrumentis: tam opimum ac gloriosum parthenopes regnum: non etenim superiores nostri galli / senones et boi: dum urbem populumque romanum preter arcem capitolinam tenerent: italicas gentes tanta trepidatione affecerunt: non hannibal carthaginensium dux ferocissimus castra sua ad septimum ab urbe lapidem locans: tanto terrore sacratissimum senatum ac populi romani maiestatem concussit: non pyrrhus epyrotarum rex: non mitridates ponticus non tygranes armenius / non parthorum ferocitas: non arsacide: non libyci reges quoscumque vetustas memorat: romanos et appulos tanto metu tantaque formidine terrere potuere: rex inquam ille gallorum faustus fortunatusque: ubi tota apulia et bona pars ethrurie ______________ 102 apennini ] apemini.

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gallicis manibus subdita fuit: partem exercitus secum duxit: reliquias pro regni 125 neapolitani custodia reliquit. Rursus romanum solum lustravit: papam et relligionis nostre unicum tutorem in perusiam compulit migrare: senas benignitate et conciliata amicitia ingressus est: deinde a senis discedens pisanos ac lucanos agros sue corone: nescio quo iure: subiectos ac mancipatos penetravit. Tandem cum ducem mediolanensium sibi infestum cerneret et contra se bella machina130 turum: nescio dolis anxietate bellica pontremulam [b2v] civitatem duabus arcibus munitam invasit et cepit. Quis igitur est spectatores eminentissimi: qui suis rebus gestis hoc preclarissimum facinus adequare possit: sileant romani pariter et greci nusquam satis laudati principes: sileant spatiosi gentes orbis: nemo unquam tanta celeritate rem tam fauste gessit. Valete et si quid deinceps preclare gestum fuerit: 135 istuc in vestro theatro uti mimus aliquis argutissimus edicam. CHORUS HEROICUS Regia gallorum partos resonare triumphos Debet: et armiferis spectacula ponere divis Hii quia victori cognomina clara dederunt Et fecere ducis toto iam nomen in orbe Horrendum: et passim victricia lilia frondent Hic honor a superis manat summoque tonante Qui facit humanis queat ut precellere rebus Magnanimus quisquam / nivea et virtute decorus Perdidit at multos preceps victoria reges Ad subitasque neces auctores duxit iniquos. Longevo rerum spatio victoria nulla Permanet: iniusto fuerit que parta triumpho Sepe solet proceres ad noxia facta citare Auri sacra fames: et regni vana libido. Non propter mores sanctos: non civica iura Sumuntur martis fulgentia tela cruenti Non propter leges sacras: et nomine christi Rumpantur pacis neglecte foedera: sed nos Precipites ducit rerum vesana cupido. Consulat ergo sibi quisquam quo rite ministret Imperium: sortem contineatque suam.

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______________ 17 nomine ] nomina.

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[B3R] CHORUS ELEGIACUS Inclita victores debent monumenta dicare! Et superos precibus sepe vocare deos. Auxilium cunctis a celio manat olympo Mittit et ad terras arma trisulca tonans. Astra parant animo vires: et temperat artus Humanos nitidus fertilitate polus. Atque honor a superis quem premia nostra merentur. Labitur: et fausto numine facta beat. Non igitur nostris manibus mavortia castra Pandimus: hostiles conterimusque lares: Ad nos celicole victricia tela retorquent Que ducibus magnis clara trophea parant. Laudibus ergo decet divum celebrare tonantem Illum! bistonii qui gerit arma dei. Sed caveat quisquam gladios qua mente cruentos Exerat: armatas commaculetque manus. [b3v] Si propter sacras exurgunt prelia leges. Ex merito victor quilibet esse potest. Rex ita gallorum causa stimulatus iniqua Non iusto niveis iure triumphat equis.

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ACTUS QUARTUS Rex Neapolitanus de mutatione fortune queritur. Proh deum atque hominum fidem! proh duram sortem. qua miseri mortales in dies conficiuntur. quid in rebus humanis esse potest: quod detestabilem fati transitum compescere queat. Attendite queso reges et principes orbis: quam incertus rerum humanarum exitus sit. en ego qui dudum regio stemmate apparatuque 140 splendidissimo decoratus eram: nunc abiecte conditionis imago lugubri veste mestoque vultu squalida vobis exemplum imbecillitatis affero. Qui pridem amplissimum apulie regnum regiosque falces: cum omnium meorum veneratione ac plausu possidebam: iam regali sceptro patriaque exutus: miserandi calamitosique exulis spetiem gero. Qui nuper regali potentia adriaci maris insulas insignes: et 145 campos uberrimos italie gubernabam: nunc misere luctuoseque triumphatus: tanquam mancipium sordidum alienas quero sedes. O duram mortalium conditionem! o graves fatorum successus! quanto quis in altiori sublimiorique gradu ______________ Chor Auf b3r sind Noten für einen dreistimmigen Satz angegeben. 20 triumphat ] triunphat.

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constitutus est: tanto gravius ruit. et dum cadit: tristiorem sortem experitur. sed quid est quod ita me macero: ita medullitus ac exitialiter animum: intimaque viscera lancino. Tristiores casus regum priorum extitisse legimus. itaque preteritorum temporum secula me consolantur. in quibus et fortune: et dignitatis multe vicissitudines vise sunt troianum illud regnum asie tocius spetiosissimum ob formam unius femine grecorum manibus fuit eversum. Nec priamo natisque suis contigit quod michi! qui aras quas ipse sacraverat: sanguine suo polluerat. ego vero solum fortune bona: ac regiam coronam ammisi: vitam: que cunctis rebus est magis custodienda: tanquam exilii mei dulcissimum comitem retinui. Quid dicam de croeso lydorum rege ditissimo! qui cum amplissimas regni dotes possideret: tamen insolentem fortune temeritatem vitare non potuit. is enim delphica sorte: misticisque oraculorum vaticinationibus deceptus: adversus cyrum persarum regem bellum ingens ultra [b4r] Halim fluvium ductans: miserabili clade ceditur et superatur. Quid de iugurtha in triumphum a romanis imperatoribus acto: quid de iuba: quid de sardanapalo! quid de philippo macedonico: quid de ptolomeio dicam. nonne omnes fere malum luctuosumque vite exitum sunt experti. hanc mutacionem ante me paulus emilius dux clarissimus cogitavit: cum ille regem macedonie perseum vinctum: et castris exutum ceperit: tam insigni victoria non multum exultabat. considerabat secum imbecillitatem humanam: et quemadmodum cuncti mortales sine quocumque discrimine: temeritati fortune essent obnoxii. nec quisquam tantam in hoc orbe beatitatem consequeretur. qui non interdum post dulces sortis blanditias: acerbiorem casum sortiretur. attamen deum maximum optimumque precari incipiam: ut tandem hancce miseriam ac calamitatem finiat: LAMENTATIO ELEGIACA Invida fatorum series: specimenque negatum Stare diu: voluit me impia iura pati. En cecidi misero casu: qui nuper in orbe Rex fueram clarus: imperioque potens. Heu cecidi: famam nec questio tollit obortam Heu cecidi sortis impietate mee. Nil prosunt gemitus: haud hec querimonia prodest. Hunc lapsum nobis stella prophana dedit Hoc igitur quisquam tristes subpondere lapsus. Temperet: a dulci ne statione ruat. Exemplum dedimus mortalibus usque timendum Quo possint celerem nunc superare rotam.

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______________ 154 sanguine ] saguine. 162 nonne ] nomne. 2 diu ] dui. 12 superare ] suparare.

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Anhang I: Historia de Rege Frantie

ACTUS QUINTUS interlocutores nuntii Regis Romanorum: venetorum: et ducis mediolanensium. NUNTIUS REGIS Misit me maximilianus Rex glorisissimus ut statum italie: bellicique tumultus veros ac certos rumores inquirerem. dubius valde sum: quem de hac re consulere debeam: sed eccum veneratorum nuntium tanquam. alterum mercurium deorum velocissimum: ad me transeuntem video. celeri gradu properat: et in facie magnam 175 gestientemque leticiam preseferre videatur. gliscit: gestitque mihi quedam auditu digna narrare. Adest iam [b4v] salvum advenisse dicam. salve divi marci signifer: unde venis: aut a quo pergis tanta correptus hilaritate VENETORUM NUNTIUS. ad romanorum regem invictissimum contendo: ut maiestatem imperatoriam de rebus feliciter gestis: subita affitiam leticia. REGIS NUNTIUS. 180 si quid est: quod ad regiam audientiam spectat: mihi pande: rem procul dubio ad aures regis finesque germanie feram. ideo me misit rex: ut si quid adversus gallorum regulum gestum fuerint: id celeri nuntio transmitterem. VENETORUM NUNTIUS. lubet hercule tibi rem exponere: fidutia te dignum censeo: teque regis nuntium fidum ac mancipatum puto. REGIS NUNTIUS. 185 non opus est: tempus illud conterere fabulationibus: dic istoc saltem: quod regem scire voluisti. VENETORUM NUNTIUS. pulcherrimum promam facinus. Cum nuper francorum rex suis copiis militaribus pontremulam civitatem in manu teneret: misit venetorum senatus prudentissimus triginta millium hominum exercitum cum duce clarissimo mantuanorum mar190 chione ad campos parmenses: ut illic superbientis regis iactantiam compesceret: rex fretus militum suesiorum magnanimitate: ob tantarum copiarum adventum: nullo fere terrore concutiebatur. contemnebat etiam italicum genus tanquam effeminatum: suo tamen periculo longobardorum virtutem expertus est. sed quadam luce fortunata: Candidus polus: et candida sydera inter gallos ac italos 195 prelium fieri portendebant. ita equitum turme cum Rudolpho Mantuanensium

Anhang I: Historia de Rege Frantie

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Marchione in aciem deducte: regem ad pugnam citabant. Non multum retentus gallorum exercitus: nostrates cum magno impetu: vastoque marte invadit. ita ut utrinque plures milites caderent: facta magna clade: italici milites victoria campestri potiebantur. gallorum rex in tanta trepidatione vix evaserat. capti et occisi in 200 utroque exercitu clarissimi bellatores sunt quos et gallia et italia paribus obsequiis lugent: eorumque exequias cum luctu et venerabili pompa celebrant. trepidant modo lilia: tepet lilifer rex: et in saltuosis tetrisque montium latebris exercitum abscondit REGIS NUNTIUS. hui tanti regis potentiam aliquantisper confractam dissipatamque: quis mortalium 205 est: qui non magnopere exultet. Narrasti gesta theutonicis auribus mirum inmodum iucunda: sed est ne aliud hoc temporis et belli: [b5r] quod romanos fasces merita fama adire queat. VENETORUM NUNTIUS Accedamus ambo ducis mediolanensium tabellarium anguiferum adversus nos properantem: quippe guttas pandit: uti quiddam preclarum ac egregium elocutu210 rus sit: sed iam adest: salutemus eum: ut nos rebus novitate conspicuis admirandisque refartiat. REGIS NUNTIUS. lubet ut huccine aggrediamur ego vero que opportuna fuerint: ex eo percontabor. Salve ducalis nuntie quid est quod ita festinas. DUCIS NUNTIUS. Ad te propero: ut te rerum gestarum novitate varia certiorem faciam. aliud belli 215 exitium multo gravius ac calamitosius narrabo: nam cum ex superiori pugna cladem non mediocrem gallorum rex accepisset tanto metu / tantaque rerum infauste gestarum formidine compulsus est: ut fuga clandestina omnique insidiarum machinatione salutem sui ac suorum militum quereret: per loca deserta: inviosque montium saltus: et per fauces ligusticos sibi tutum iter parat. nostri 220 autem assidua persecutione abeuntem regem sectantur: salutem et rerum suarum incolumitatem in solis suesiis gallorum valde bellicosis tutandam locavit: elapsus tamen est e manibus italicis non sine foeda turpitudine itaque quod laudis et glorie in superiori expeditione nactus fuerat: nunc cum ignominia amisit: sensit modo cum suo dedecore: quantum fortune ridenti sit confidendum: seduxit multos ______________ 196 regem ] regen. 204 mortalium ] mortalinm.

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225 venenosis fortuna illecebris: quippe gallicus rex cum nuper gloriosos triumphos claraque trophea passim per lacium celebraret: nomenque suum cunctis formidabile faceret: nunc omni potentia militari exutus: fuga turpi patriam quesivit. REGIS NUNTIUS. O quam fallaci vultu impia sors mortales ludit omnes: proh pudor quam instabilis subitusque rerum humanarum exitus est: is etenim quem totus pene mundus me230 tuebat: quem regem christianissimum plereque gentes honorifico titulo salutabant: nunc orbis ludibrium / et exemplar inconstantis fortune contemplari potest. Hisce rebus infeliciter gestis: orbis theutonus applaudit: ita spoliatores templorum: rerum publicarum destructores: apostolice sanctitatis calumniatores / et foederum pacisque corruptores divina providentia punire solet. Sed quid est quod me adeo 235 concitatum stimulat: accelerabo ut quam ocyssime romanam maiestatem harum re-[b5v]rum omnium compotem faciam: quedam fingam ex me: ut uberior crescat historia valete patres et iuvenes. et plaudite tenuis nugis: quas ociose philomusus contexuit. CHORUS GRATULATUR REGEM GALLORUM SUPERATUM ET DE MAXIMILIANO EGREGIA FACTA SPONDET. Ausonii gaudete patres! germania gaude Bellica: iam fulget gloria parta tibi! Rex modo gallorum sublimi cultus in arce Et solio! sceleris tristia damna luit. 5 Parthenopes voluit nuper proscindere regnum Et capitolini menia sacra iovis: Attamen eximiis victoria amicta triumphis Sistere non passa est huncce trophea sibi: Ipsa solet iustis alas expandere sacras 10 Et vectare probos candida ad astra duces: Impietate sua cecidit rex lilifer: atque Nunc scelerum penas sentit et exitium! Lilia decrescunt: gallos sua lilia perdunt. Lilia marcescunt stipitibusque cadunt. 15 Lilia nunc tristes lapsus experta: ruinam ______________ 232 spoliatores ] spaliatores. 5 Parthenopes ] Pathenopes.

Anhang I: Historia de Rege Frantie

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Imperii mestam significantque luem. Lilia quid sacras aquilas vexastis: olympi Stelliferi sedes que penetrare solent. Hec volucris summo semper bene grata tonanti Inter aves cunctas sola sacrata manet. Dum fierent contra titanas bella superbos Tunc aquila est superos auxiliata deos. Tu sequeris vastos rex lilifer: usque gigantes Affectas orbis dum lacerare caput. Fulgebit toto romanus cesar in orbe Qui didicit pacis non violare fidem. Iam modo concordi germania bellica voto Romani regis martia facta iuvet: Sydera felices aquile victricis honores Portendunt: palmam stellaque fausta notat. [b6r] Militia paulum superat: gravitate cathonem: Et bello graios romuleosque duces. Romano faveat regi: quicumque triumphis Germanas gentes exuperare cupit.

CONCLUSIO IACOBI PHILOMUSI AD LECTORES

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Hoc opus exegi procul hinc discedite muse Et valet in multis hoc puerile decus. Non mihi sunt anni plures! haud nestoris etas! Heroa ut valeam cum gravitate loqui. Simplicitate meos cupio procedere versus Folle premat ventos: qui iove digna canit. A multis canitur bene tersi musa tibulli A nullis canitur cantio dura nimis. Colchidas / antiopas: tenebrosaque carmina versent. Parva quibus sordent munera castalidum: Hec mea sunt fateor puro de pectore nata Nec tyrio rutilant contaminata fuco Hec legat invitus nemo: non scripsimus illis Externas messes quos resecare iuvat. Finis opusculi der rege francie.

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CLARISSIMO VIRO SIGISMUNDO KREUTZER IACOBUS LOCHER PHILOMUSUS S.D.

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Cum ad manus impressoris theatricam historiam dedissem. placuit mihi ut leves meos elegos epigrammataque diverso conscripta tempore primis lucubrationibus adderem: ut et rerum varietas: et libelli magnitudo non indecora cresceret. pura simplicique tela nostros ardores conteximus: nihil affectatum: nihil insolens! nihilque cecutiens in nostris versiculis videri potest. institui istud ab ineunte etate: ut quitquid studio consequerer: id totum ad amicorum gloriam commoditatemque transferrem. Quid enim est per immortalem deum magis ab humanitate alienum: quam studia literarum et munus eloquentie ad pernitiem odiumque convertere. Nam hac nostra tempestate plures rerum scriptores se doctos disertosque satis esse non putant: nisi scribendo [b6v] unum quemque mordeant. quicquid enim scribitur: aut livoris telum incurrit: aut penitus damnatur. Ita ego iam diu rabule balatronisque caninos et rubiginosos dentes formidans: biblos et cannas niloticas compressi ne pura scriptione potius bilem vitream male digerentibus moverem: quam musis favorem ac gratiam compararem. Si Alexandri galli grammata lectores afficiunt: ut legant spectentque: non dubio lectores affuturos esse quibus nostri teneri succinctique versiculi placeant. Illud etiam preceptum dedi meis versibus: ut in quibuscumque conviviis / symposiis / scholis / aut theatris sint: meos preceptores Conradum Celtis et Sebastianum brant epicos ac aeolios vates colant: venerentur / observent. sunt isti qui me pene puerum in politioribus doctrinis instituerunt: hos precor adhortorque: ut industriam adolescentis discipulique probent ac tueantur. Preterea Sigismunde charissime: pacata fronte secundam illam lucubrationem tibi dedicatam excipe. vale. EIUSDEM EPIGRAMMA. Qui nondum stygias carmen diduxit ad undas Nec novit torui livida regna iovis. Qui nondum scythica sub rupe promethea fixum Noverit et quicquid fabula greca canit. Qui nondum novit cynicos et stoica menta Nec pavit frontis grande supercilium: Qui nondum soccum coepit: tumidosque cothurnos Noscere: nec curve tinnula plectra lyre Ille meos numeros puro dictamine fusos. Perlegat: et iusta carmina lance premat.

Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano Überlieferung Die »Tragedia de Thurcis et Suldano« ist 1497 in einem reich illustrierten Sammelband Locherscher Werke bei Johannes Grüninger in Straßburg erschienen. HEIDLOFF beschreibt den Band unter A. XII (S. 47f.), HAIN unter *10153; die Holzschnitte untersucht Albert SCHRAMM, S. 23. Der Band umfasst neben dem hier edierten (am Rand markierten) Auszug folgende Texte: Titel: Libri philomusi. Panegyrici ad Regem Tragediam de Thurcis et Suldano Dyalogus de heresiarchis. Holzschnitt: der poeta laureatus am Katheder [ebenfalls verwendet in A1v Lochers Horaz-Ausgabe]. Hec continentur A2r Panegyrici Ad Augustissimum Principem Maximilianum Romanorum Regem Invictissimum. Gratiarum actionem continentes. Spectaculum de Thurcorum Rege: et Suldano Rege Babilonie more tragico Effigiatum in Romani Regis honorem. Dyalogus de heresibus et quibusdam heresiarchis. Ad lectorem Epigramma Jacobi locher philomusi poete laureati (6 Distichen). A2r A2r–A4r Epistola Jacobi Locher philomusi Ehingensis Poete laureati Ad clarissimum virum Conradum Sturczel de Buocham Equitem et doctorem Regiumque Cancellarium Eximium. Fauste (Prosa). Elogium ad eundem Cancellarium Iacobi philomusi (26 Hexameter). A4r–v A4v–A5v Magnifico viro Sigismundo krutzer Iurispontificii Doctoris brixinensis Ratisponensis Bavariensisque Ecclesiarum Canonico Iacobus Locher philomusus (Prosa). A5v–A6r Ad eundem Epigramma (13 Distichen). Holzschnitt: Der König auf dem Thron, rechts der Philomusus als A6v Calliopius mit Lorbeerkranz, links ein Jüngling mit Kurzmantel, langem Haar, Hut, Stock [Figuren z. T. auch im Straßburger Terenz]. A6v–B1r Regis verba ad poetam quem hedera coronat (20 Distichen). B1v–B5v Panegyricus Iacobi Philomusi laureati poete Augustissimo Maximiliano Romanorum Regi dictus Gratiarum Actionem continens (Prosa). Holzschnitt (B1v): der Poeta laureatus, links ein Baum, rechts ein Haus [Einzelfiguren auch im Straßburger Terenz; vgl. oben, S. 131]. B6r–D1r (Laudes Maximiliani) ______________ A1r

A6v coronat] corouat.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

B6r–v

D1v–D3r

D3r–v D3v D4r–I3r

Prefatio Jacobi Philomusi poete laureati In laudes serenissimi principis Maximiliani Romanorum Regis ad Musam (20 Distichen). Holzschnitt (B6r): die zwei Wappen Österreichs: Bindenschild und Lerchen. Laus a natali die (10 Distichen). C1r Laus A patre (10 Distichen). C1r Laus a matre (6 Distichen). C1v C1v–C2r Laus a patria (6 Distichen). Laus a regia dignitate (17 Distichen). C2r–v C2v–C3r Laus ab amplitudine regni (17 Distichen). Laus bellorum et victoriarum (18 Distichen). C3r–v C3v–C4r Laus a corporis habitu (15 Distichen). Laus a bonis animi (3 Distichen). C4r–v C4v–C5r Laus a studio litterarum (13 Distichen). Laus ab eloquentia multarum linguarum (17 Distichen). C5r–v C5v–C6r Laus a iusticia (18 Distichen). Laus a temperantia (6 Distichen). C6r Laus a prudentia (12 Distichen). C6r–v C6v–C7r Laus a magnanimitate (14 Distichen). Laus a liberalitate et benificentia (14 Distichen). C7r–v C7v–C8r Laudum Epilogus (6 Distichen) Exhortatio ad principes christianos (15 Distichen). C8r–v Ad Augustissimum Romani imperii Monarcham Iacobi Locher C8v Philomusi Laureati poete. Supplicatio (9 Distichen). C8v–D1r Endecassilabon Ad lectores (20 Verse). Epistola ad illustrissimum principem Iacobum Marchionem Badensem Comitemque Spanheimensem dominum suum observandissimum Iacobi Locher Philomusi laureati. Epistola (Prosa). Holzschnitt (D1v): das badische Wappen, rechts der poeta laureatus, links der Markgraf von Baden [auch in Lochers Horaz-Ausgabe]. Saphicon eiusdem ad principem (7 Strophen). Tetrastichon eiusdem (2 Distichen). (Tragicum ludum Spectaculum). Text wie unten; Illustrationen: D4r Überschrift: prefatio; Holzschnitt: Der poeta laureatus, links ein Baum, rechts ein Haus [wie B1v]. r E4 Überschrift: Actus primus; Holzschnitt: Frau, links ein Haus, rechts ein Baum [auch im Straßburger Terenz; vgl. oben, S. 131]. E6v Überschrift: Chorus elegiacus; Holzschnitt: nackte Kinder/ Musen mit Noten [auch in Locher Horaz-Ausgabe]. F2r Überschrift: Actus secundus; Holzschnitt: drei Männer [auch im Straßburger Terenz].

Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

F4r F6v

I3v–L3r

L3v–L4r L4v

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Überschrift: Chorus sapphicus; Holzschnitt wie E6v. Überschrift: Actus tertius; Holzschnitt: Kardinal, Papst und Kaiser, rechts ein Haus [auch im »Narrenschiff«; Haus auch im Straßburger Terenz]. G4r Überschrift: Chorus execratus; Holzschnitt wie E6v, F4r. H1r Überschrift: Nuntius; Holzschnitt: Bote mit Brief, links ein Baum, rechts Stadttor [auch im Straßburger Terenz]. H2r Überschrift: Actus quartus; Holzschnitt: Bote als Dichter mit Schriftrolle, links und rechts ein Türke [auch im Straßburger Terenz; ein Spruchband „H P S“ über der rechten Figur lässt auf „Phidippus“ (aus der Komödie »Hecyra«) schließen; vgl. oben, S. 132]. H3v Überschrift: Baiazeti et suldani. consulatio; Holzschnitt: fünf Türken, davon zwei mit Krone, einer mit Narrenkappe [auch im »Narrenschiff«; vgl. oben, S. 116]. H5v Überschrift: Classicum Mahumeticos excitat; Holzschnitt: Hornbläser, links ein Baum, rechts ein Stadttor [auch im Straßburger Terenz]. H7r Überschrift: Actus quintus; Holzschnitt: Soldaten, in der Mitte der Standardenträger (Kreuz/Adler). H8v Überschrift: Fama nuntiat; Holzschnitt: die (wie bei Ovid oder Vergil) geflügelte Fama mit Schwurgeste. I1v Überschrift: Triumphus; Holzschnitt: Triumphwagen des Kaisers, davor Sänger mit Noten [auch in der HorazAusgabe; vgl. oben, S. 119]. Sequitur dyalogus de heresiarchis Iacobi Locher Philomusi Ad udalricum zasium Ludi Magistrum Friburgensem optimarum artium professorem. Epistola (Prosa). I3v–I4r Decatostichon eiusdem (5 Distichen) I4r–v I4v–L2v Dialogus Iacobi Locher Philomusi de quibusdam heresiarchis et eorum sectis. Philomusus et zasius interlocutores (Prosa). Holzschnitt (I4v): Zwei redende Personen, rechts ein Haus [auch im Straßburger Terenz; Spruchbänder „A H S“, „R M S“ lassen auf „Laches“ und „Cremes“ aus der Komödie »Eunuchus« schließen]. L2v–L3r dialogisches Mariengedicht des Philomusus und des Zasius (6 Distichen). Epilogus Iacobi philomusi ad zasium (Prosa). L3r Celebratissimo viro Iacobo Locher Philomuso Laureato poete Udalricus zasius Ludi Magister in Friburgo Brisgaudie felicitatem (Prosa). (leer).

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Rund 70 Exemplare der »Tragedia« sind überliefert. Zwei orthographisch geringfügig voneinander abweichende Varianten aus dem gleichen Jahr sind nachweisbar.1 Sie werden in den Inkunabelkatalogen in der Regel unter einem Titel zusammengefasst. Die nachfolgende Textausgabe folgt der Heidelberger Handschrift, St. Pal. IV. 1315.2. Der regionale Schwerpunkt in der Verteilung der Drucke liegt verständlicherweise im süddeutschen Raum,2 in der Schweiz, in Österreich und Ungarn:3 – StBSB Augsburg, 4° Ink 522 – StBSB Augsburg, 1 an 4° Ink 529 (aus der Benediktinerabtei Irsee) – StBSB Augsburg, 4° Ink adl 24 (aus der Benediktinerabtei SS. Ursula und Afra, Augsburg)4 – BN Budapest, 950 – Acad. Budapest, 463 (5) – Stadtbibliothek Ehingen – SB Eichstätt, 3 an N II.9505 – UB Freiburg, Ink. D 8713 – StA Freiburg, Cd 44 – UB Heidelberg, D 8453-15 oct. Inc. (vermutlich aus Kloster Salem) – Palatina, St. Pal. IV. 1226 [8] – Palatina, St. Pal. IV. 333.2 – Palatina, St. Pal. IV. 1315.2 – Palatina, Incun. IV. 206 – Palatina, Incun. IV. 2076 – LB Karlsruhe – Eccl. metr. Kalocsa, 12238 (4) – SB München, 8° Inc. c.a. 403/6 (aus dem Jesuitenkolleg Neuburg) – SB München, 4° Inc. c.a. 1410 (Hartmann Schedels Privatexemplar/Jesuitenkolleg Neuburg) – SB München, 4° Inc. c.a. 1410a (aus dem Benediktinerkloster Wessobrunn) – SB München, 4° Inc. c.a. 1466b/16 (Kaspar Bruschs Privatexemplar) – UB München. – Germ. Nat. Museum Nürnberg, N. 937 – StB Nürnberg, Phil. 608.4°/3 (unvollständig) – LB Stuttgart, Inc. qt. 13166/6 ______________ 1

2 3

4 5 6 7

Zuerst bemerkt von Bronisâaw KOCOWSKI, Katalog Inkkunabuâów Biblioteki Uniwersyteckiej we Wrocâawiu, Bd. 1. Breslau 1959, Nr. 1772. Vgl. den zur Zeit in Tübingen entstehenden digitalen Inkunabelkatalog Deutschlands. Catalogus Incunabulorum quae in bibliothecis publicis Hungariae asservantur. Hrsg. v. Géza Sajó und Erzsébet Soltész. Budapest 1970, Bd. 1, Nr. 2085. Ilona HUBAY, Incunabula der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Wiesbaden 1974, Nr. 1319. Ilona HUBAY, Incunabula Eichstätter Bibliotheken. Wiesbaden 1968, Nr. 627. Bibliotheca Palatina, Druckschriften. Hrsg. v. Elmar Mittler, Bd. 2. München 1999, Nr. 06209–11. Vgl. Inkunabelkatalog des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Hrsg. v. Barbara Hellwig. Wiesbaden 1970, Nr. 609.

Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

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LB Stuttgart, Inc. qt. 10153 (HB) ZB Zürich, 2. 134: a, 2 SCHRAMM nennt 1937 außerdem Exemplare in Basel, Prag und Wien.8 Die Belege im restlichen Deutschland sind dünner gestreut: – SB Berlin Preuß. Kulturbesitz.9 – SUB Göttingen, 8 P LAT REC II, 529 INC – Erzbischöfl. Akad. Bibl. Paderborn, 3 in I 329.10 – HAB Wolfenbüttel, 171.13 Quodl. (1)11 Vor 1945 waren auch noch Exemplare in Dresden, Leipzig und Lübeck vorhanden.12 Einige Exemplare befinden sich außerdem in Polen, in der BU Breslau (XV.Q.370), der Bibl. Jagiell. Krakau, der Racz. Posen und ein unvollständiges Exemplar in Danzig.13 Recht häufig belegt ist die Inkunabel dagegen wieder in Frankreich und den Benelux-Ländern: – StB Caen, Rés. A 1384/15 (aus dem Jesuitenkolleg Caen)14 – KB Haag (2 Exemplare) – Liège, XV1 C5115 – StB Lyon, Inc. 587 (3) (aus dem Jesuitenkolleg Lyon, unvollst.) – StB Lyon, Inc. 861 (unvollst.)16 – UB Mulhouse, 2622/AW SIM – BN Paris, FRBNF30826391 – Bibl. Sorbonne, Paris, 209 (aus Kloster Schwarzach?)17 – Bibl. Mazarine, Paris, Inc. 959 5ep.18 – StB Straßburg, C 873 (aus dem Wiener Jesuitenkolleg)19 ______________ – –

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Albert SCHRAMM, Der Bilderschmuck der Frühdrucke, Bd. 22: Die Straßburger Drucker. Leipzig 1937, S. 23. Ernst VOULLIÉME, Die Inkunabeln der Königlichen Bibliothek und anderer Berliner Sammlungen. Leipzig 1906 (20. Beiheft zum Zentralblatt für Bibliothekswesen), Nr. 2298, nennt je ein Exemplar im Kunstgewerbemuseum und im Kupferkabinett. Vgl. Die Inkunabeln in der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek Paderborn. Hrsg. v. Matthias Hartig u. a. Wiesbaden 1993, Nr. 433. Vgl. Incunabula Guelferbytana. Blockbücher und Wiegendrucke der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Hrsg. v. Wolfgang Born. Wiesbaden 1990, Nr. 1702. SCHRAMM, S. 23. Incunabula quae in bibliothecis Poloniae asservantur. Hrsg. v. Alodia Kaweck-Gryczowa. Breslau u. a. 1970, Nr. 3436. Cataloques Régionaux des Incunables des Bibliothèques Publiques de France, Bd. 4. Hrsg. v. Alain Girard. Bordeaux/Paris 1984, Nr. 301; Catalogue Collectif des Livres Imprimés jusqu‘ á 1600, conservés dans les bibliothèques publiques de Basse-Normandie, Bd. 3. Hrsg. v. Alain R. Girard und Anne le Bouteiller. Baden-Baden/Bouxwiller 1993, Nr. 1782. Cataloque Général des Incunables des Bibliothèques Publiques de France, par L. Polain, Bd. 10. Nendeln 1970, Nr. 7178. Cataloques Régionaux des Incunables des Bibliothèques Publiques de France, Bd. 11. Hrsg. v. Guy Parguez. Paris 1991, Nr. 658; ausführlicher: M. PELLECHET, Catalogue des incunables des bibliothèques publiques de Lyon. Lyon 1893, Nr. 376. Cataloques Régionaux des Incunables des Bibliothèques Publiques de France, Bd. 12. Hrsg. v. Yvonne Fernillot. Paris 1995, Nr. 366. Cataloques Régionaux des Incunables des Bibliothèques Publiques de France, Bd. 6. Hrsg. v. Denise Hillars. Paris 1989, Nr. 1237.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Charles SCHMIDT nennt 1894 außerdem noch ein Exemplar in der Universitätsbibliothek Straßburg;20 ferner verzeichnet der Inkunabelkatalog niederländischer Bibliotheken ein Exemplar in Privatbesitz.21 Laut IGI22 und CGIB23 befinden sich weitere Exemplare in Brixen, in der Ambrosiana in Mailand, in Perugia, in Rom und in San Candido sowie der Universitätsbibliothek von Madrid und in der Stadtbücherei von Toledo. In Großbritannien ist die »Tragedia« mit folgenden Exemplaren vertreten: – UB Cambridge, 195 – BM London, C. 9. a. 26 – BM London, IA. 1467 (unvollst.)24 SCHRAMM nennt außerdem ein Exemplar in Oxford.25 In den USA sind zwei Exemplare bekannt: – UB Harvard, Inc. 483.26 – LC Washington: Incun. 1497. L6. In Skandinavien schließlich nennen COLLIJN27 und MADSEN28 Exemplare in der KB Kopenhagen, der KB Stockholm und der UB Uppsala. Nach der »Stultifera Navis« ist die »Tragedia« eines der weitestverbreiteten Werke Jacob Lochers, zusammen mit seinem Lobgedicht auf die Heilige Katharina. Neben der weiten Verbreitung des Werks fällt v. a. auch auf, dass es oft in geistlichem Kontext überliefert ist; wenn die Libri Philomusi mit anderen Werken zusammengebunden sind, dann in der Regel mit theologischen oder religiösen Schriften, nur selten mit politischen. Einige der Drucke waren im Besitz von Klöstern oder Jesuitenkollegien. Eine normalisierende Edition und eine sehr freie Übersetzung finden sich in der maschinenschriftlichen Dissertation von Josefine REISCHL (Wien 1951); Ausschnitte sind übersetzt bei Winfried TRILLITZSCH.29 ______________ 19

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Cataloques Régionaux des Incunables des Bibliothèques Publiques de France, Bd. 18. Hrsg. v. Françoise Zehnacker. Paris 1997, Nr. 1435. Charles SCHMIDT, Répertoire Bibliographique Strasbourgeois jusque vers 1530. Straßburg 1894, Nr. 32. Incunabula in Dutch Libraries, Bd. 1. Nieuwkoop 1983, Nr. 2980. Indice Generale degli Incunaboli delle Bibliotheche d’Italia, Bd. 3. Rom 1954, Nr. 5789. Catalogo Generel de Incunables en Bibliotecas Españolas, Bd. 1. Madrid 1988, Nr. 3538. Vgl. Short-Title Catalogue of Books Printed in the German-Speaking Countries and German Books Printed in Other Countries from 1455 to 1600 now in the British Museum. London 1962, Nr. 522. SCHRAMM, S. 23. Vgl. James E. WALSH, A Catalogue of the 15th Century Printed Books in the Harvard University Library, Bd. 1. Binghamton 1991, Nr. 179. Isak COLLIJN, Katalog der Inkunabeln der Königlichen Bibliothek in Stockholm, Teil 1. Stockholm 1916, Nr. 668; ders., Katalog der Inkunabeln der Königlichen Universitätsbibliothek zu Uppsala. Uppsala/Leipzig 1907, Nr. 967. Victor MADSEN, Katalog over det Kongelige Biblioteks Inkunabler, Bd. 1. Kopenhagen 1935, Nr. 2505.

Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

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Inhalt Akt I: Fides erscheint in zerlumpten Kleidern und klagt über die üble Situation des Christenglaubens, der von der „asiatischen Sekte“ bedrängt werde. Sie ruft die christlichen Fürsten auf, die Waffen gegen die Türken zu erheben. Der Chor gibt ihr Recht und klagt über alle die, die aus Gewinnstreben die Religion vernachlässigen. Er warnt vor dem Fortunarad, welches sie in die Tiefe reißen werde. Schließlich richtet er alle Hoffnung auf Maximilian, der die Christen zum Sieg führen werde. In Akt II treten die einfachen Christen hervor und unterstützen die Klagerede der Fides. Sie bitten Gott um Beistand und fordern die Fürsten auf, endlich ihre Trägheit zu überwinden. Der Chor unterstützt auch diese Rede, fordert dazu auf, Gott Opfer zu bringen, und bittet diesen um den Sieg im Zeichen des Kreuzes. Mit Akt III beginnt die eigentliche Handlung. Der Papst berichtet Maximilian von einem Traumgesicht, d.h. einer Erscheinung der Fides, die ihn zum Türkenkrieg aufgefordert habe. Der Kaiser betont die dringliche Notwendigkeit eines solchen Kriegs zur Verteidigung der Christenheit und v. a. zum Schutz der Grenzvölker, die bereits von den Türken grausam unterdrückt werden; er rät, nicht mehr länger zu zögern. Ein Gesandter der Fürsten überbringt deren Treueeid für den bevorstehenden Kreuzzug. Der Chor fordert die Türken auf, sich noch rechtzeitig zu Christus zu bekehren. Daraufhin erklärt ein Bote den Türken den Krieg. Akt IV präsentiert zuerst den Inhalt der Kriegserklärung Alexanders VI. und Maximilians I., woraufhin sich Baijezid und der Sultan beraten. Sie beschließen einen raschen Angriff auf Rhodos, um den Seeweg fest in türkische Hand zu bringen. Sogleich ertönt das Schlachtenhorn der Moslems; der Hornbläser erklärt nun seinerseits den Christen den Krieg. Akt V: Vor Beginn der Kampfhandlungen ermutigt der Anführer des christlichen Heers seine Kampfgenossen in einer enthusiastischen Kriegsrede. Kurz darauf meldet Fama den Sieg der Christen. Mit einem Triumphzug des siegreichen Maximilian durch Rom endet das Spiel; die Umstehenden sind zu Beifall aufgerufen.

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Der deutsche Renaissance-Humanismus. Hrsg. v. Winfried Trillitzsch. Leipzig 1981, S. 236–248.

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[D4r] IN TRAGICI LUDI SPECTACULUM

IACOBI LOCHER PHILOMUSI POETE LAUREATI PREFATIO.

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Si me litterarius Grex: Sellularieque professionis turbe / non caperata frontis lanugine: perpexoque Supercilio notare vellent: totumque gymnasium Ronthos Rhinocerotisque Nasum / fingentes exploderet: more tragico: non tragica sublimitate: nec iambica structura ludum scaenicum ac umbratilem clarissimis personis introductis representarem. Antequam inusitatum Alemannis nostris scriptitandi genus aperiam: Placidas Spectatorum aures: faventissimaque Numina [D4v] precabor: ut mihi tenero vati benivolis votis. plausibusque dulce sonantibus adsint: ne inepti spectaculi ludus actorem cum auctore suo de pulpito det precipitem. Tanta enim multitudo ad audiendum convenistis. ut potius capite tremulo titubem. quam schole nostre gratuler. quae tot eruditorum hominum copiis obsessa: vix efficere potest in publico: quod domi excogitavimus: Sed quia personam actoris indui: in proscenium: theatricamque harenam prodivi. pedem retrahere nequeo. me rubor frontis: verecundia vultus: et spectatorum copiosus consessus ad proloquendum compellunt. Aspitio complures rudis nostre eruditionis amicos: cum quibus dissertare tragicum decet prologum. Nam pro amplitudine gymnasii frequentia auditorum congregata est: et pro magnitudine frequentie locus est delectus speciosissimus. In quo quidem loco sacrosancte Romane Maiestatis Cathedra fixis firmata gradibus pendet. Ad quem non osoribus / non Rabulis / non denique fraudulentis. Assentatoribus accedere licet. sed eruditis bonisque viris. quorum studio atque virtute Romani Regis solium Augustissimum semper colitur et illustratur. locus inquam ille eminentissimus est. in quo lepidum commentum spectaculi hodie sumus acturi. O quam spatiosa pavimenti marmoratio. proscenii splendidissima contabulatio. culminum eminentia admirabilis. Sedilium Orchestrorumque circumferentia comminatissima! quid locum describo? cum nihil sit in Regis solio. quod a preciosis munditiis peregrinisque sumptibus / sit alienum. In hoc excellenti vestibulo. hacque clarissimorum hominum celebritate / tanto etiam cesare presidente / nihil insulsum. nil a moribus humanis alienum decantari solet. Impudica scriptorum cohors / ab hoc sacro [E1r] palatio pedem ammoveat: sancta et incorrupta ______________ Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 408) erwähnte Illustration. M2 litterarius] litteraius.

grex litterarius. Scenicus ludus benivolentia

proscenium theatrica harena Tragicus prologus. Commendatio loci Osores Rabule Locus spectaculi Orchestra vestibulum

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hec narrantur dictamina: que mortales ipsos a vitiis vanisque rerum humanarum concupiscentiis avertant. dulcissimoque virtutum lacte animos eorum reficiant. Sed o vos spectatores! Iam omnis vultus alacritatem: frontis serenitatem / vocisque benignos plausus. ut opinor In me convertistis. fidentior in verba factus. rem auribus dignam. mentibus frugiferam! rebus publicis oportunam. tragica tuba clangam. patet hic locus omnibus. qui aliquid artis et ingenii in turbas fundere sciunt. Hic mimus et histrio Corporis motum. vultusque gestum elegantissime representant. hic comedus empta fabula de privatorum hominum fortuna. lenociniisque amatoriis sermotinatur. Hic Tragedus fulvis amictus cothurnis. longoque vestitus Syrmate / de fato. de fortuna. et de miseris Regum ac principum calamitatibus vociferatur. Ceteri itaque ludiones. quod cuiusque artis est. In spectaculo Regio: celebrique consessu / turbis congregatis ostentant. Rursum tremulis insisto pedibus. videre videor. Infestam quorundam rabiem / qui me sibilatione multisona de proscenio? pulsare conantur. Adsit propitia voluntas auditorum. quibus cordi est semperque fuit philomusea Cantilena. que in saltibus nemorum. non in publico. canticum tonare solita est. Itaque vestra generosa modestia meam ingenuam verecundiam / mitissimis plausibus approbabilem statuat. Cupio cum carminis temperato desiderio. Sententiarum moderato remedio. et exclamationis tragico melodo. pueris prestare saturitatem. Iuvenibus hilaritatem. Senibus securitatem. Pueris doctrinam. Iuvenibus vivendi normam. Senibus beatitatis quietem / ac desiderabilem tranquillitatem. Utile carmen sonaturus sum. In multis millibus [E1v] hominum tanto: quos ardor carminis: furorque poematis ad heroicarum virtutum certamina: clarissimasque pugnas incitabit: incitatosque ad bene beateque vivendum traducet. Multa mihi apud vos adhortamina suppetunt / que mihi ad commendationem ac provocationem spectaculi gloriosi suffragia tribuerent: sed penes extraneos discepto: sed apud eos: qui mihi patria: lare: Consuetudine: moribusque sunt cognitissimi. Sed quid me in amplissima hominum celebritate prepono? in silvis et solitudine nemorum: in lucorum opacitate: in vallibus silentibus in grammineis saltibus: in exesis rupibus: in speluncis cariosis / ______________ 39 spectatores ] spectatotores. 41 plausus ] plausos. 47 sermotinatur ] sermotionatur. M50 ludiones ] ludones. 71 opacitate ] pacitate.

adhortatio ad spectatores

Mimus Histrio. comedus tragedus. Cothurnus. ludiones

cantilena philomusea In maledicos taxatio.

Utilitas carminis

Extenuat se poeta

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tibia mea resonat. Non inter confertos homines quorum auribus nihil illepidum infundi potest Fidibus apprime callebat orpheus. Euridicem suam ab inferis / placato cerbero. lenitis furiis. Sedato acheronte. mitigata persephone. Excluso tenebrose noctis carcere. dulcissima Cithare modulatione revocavit. Hic tamen hominum Contiones. tumultus urbicos. civilesque conversationes vitabat. De quo canit maro. Orpheus in silvis inter delphinas Arion. Quo minus cantori mihi raucissimo in Atrio Regio. Iucundissimoque Spectaculo. cantare licebit. qui expers fidibus: aversus a musis. alienus ab Appolline. rudis eloquio. voce raucus. gestu ineptus / publicam actionem instituere / ac ordiri voluerim. Vereor O spectatores ne mihi apud vos accidat: quod Marsie apud Appollinem contigit: qui barbarus: hispidus: multibarbus spinis et pilis obsitus cum phoebo tibia certare Ausus: cutem amiserat. Sed quia non adest Antigenidas melleus modulator: non Aesopus iucundus fabulator: non Arion vocalis Cytharoedus: Audite quaeso Agrestem contionatorem: qui non auro fulgurat: nec ebore condidat. nec [E2r] purpurea radiat: sed barba squalidus: vestitu horridus. Tragicum ludum inceptat: quem dii deeque fortunent. Actorem adiuvent: et auditorum turbam attentissimam faventissimamque reddant. satis erit superque si prefationem elego Cantico cluserim.

Orpheus euridices cerberus persephone acheron Maro Arion

Marsias appollo. antigenidas Aesopus Arion. Tragicus ludus.

ELEGIACA ADHORTATIO PHILOMUSI

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O spectatorum procul huc veneranda caterva. Aspice quid referat Contio nostra tibi: Advenio teneros Animos medicare canendo Et dare pectoribus dogmata sacra bonis. Ludio: sum fateor: partes Actoris inivi Et cano quod peperit diva thalia mihi Non gemmas digitis iacto: nec purpura nostris Artubus impendet: pulcher Amictus abest: Blanda nec in collo spiramus balsama fusto Nec facies tyrios induit ipsa fucos Scissilis ex humeris vestis dependet et arctant Aurea ventriculum Cingula nulla meum Nullus adest candor: nullo mea tempora serto Cincta micant: pectus sed Toga nigra teget Nec mihi sunt Trabee Regales: Syrmata nulla. Tortici nec Tragicus crura cothurnus habet ______________ 83 actionem ] actorem.

Contio:

Ludio Actor. Thalia. balsama Tirius fucus. aurea cingula. toga nigra. Trabee. Syrmata

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Hispidus: Intonsus: spinis quoque consitus atris: Pendet / et a mento squalida barba rudi. Huc tamen advenio: populo spectante recludo Carmina: que mihi sunt premeditata domi. More Tragedorum Casus depromo minaces Ob quos humanus heu tremit usque status. Plodat quisque sito miseros de corde timores [E2v] Audiat. et sibi quid cantio nostra velit. Hec rebus gravibus pregnans verbisque canoris Contrahit innumeros ad sua dicta viros. Aeschilus insignis Tragicus. modulator amenus. Mortuus auspiciis nescit adesse meis. Grande soffocleo non semper carmen hiatu Pangitur. hic vates ultima fata subit. Nec semper priscos scimus spectare Cothurnos. Personat haud semper celsa Theatra Maro. Propterea tenuis ludum Spectate poete Audi theutonicum doctaque turba virum Non tibi spurciciam veneris. non pocula bachi. Nec cano divorum vana ministeria. Non tibi de luxu scelerato infundo nocentes Illecebras. Crede / pagina nostra proba est. Munera virtutum lepido Celestia versu Suppeto. veridicam iam quoque pulso tubam Quisquis enim nostris cupiens incumbere rebus His poterit mentem rite fovere suam. Antiquos vates legimus. documenta dedere Candida qui nobis frugiferamque viam. Hos spectare decet. vitam quicumque beatam Nancisci volet. et Astra serena poli Delectant vates. prosunt et carmina multis. Ut cantant damnum pernitiemque gravem. Ergo bonis avibus ludum Philomusus honestum. Ingreditur manibus plaudite queso mihi. Plausibus argutis resonent Anabathra Theatri. Audite et tragico Carmina facta gradu

______________ 23 timores ] timoris. 30 subit ] subiit. 31 scimus ] simus.

Cothurnus Tragedi

Cantio. æschilus Sophocles. Prisci vates Maro. Venus Bachus.

antiqui vates. Utilitas poetice facultatis Anabathra.

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ARGUMENTUM PRIMUM [E3r] Fides in specie mulieris querulose / eiulantisque genis / atque Capillis scissis: lacera: lugubrique palla induta: a superis in orbem missa: Ceremoniarum ac sacrificiorum defectionem / ac neglecti cultus inclinationem: lamentatur omnes christi imitatores 5 adhortatur: ut demonum cultores / ac pseudo prophetas / ab urbe procul expellant: vanisque ministeriis finem imponant: et cum Christo sapiant. Summus pontifex: Rexque semper Augustus: barbarique principes: suos hic sermones imparciuntur. Clarius in Actione cuncta pensitabimus: fave lector: et specta.

ARGUMENTUM SECUNDUM. Iambico senario compositum.

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Fides ubique nunc Tonantis languescit. Graduque celso pulsa desertum querit Locum ruborem quo tegat frontis tristem. Contra sacratam nunc fidem pugnant gentes Torve: quibus proh displicet Rector celi: Et que sacras dira manu frangunt aras: Dei superni cuius est firmamentum. Celi creavit qui meatus reflexos: Stellis dedit fixus simul qui splendorem Construxit et celsus micantes planetas. Hunc non honorant qui dat Annos vivendi Largitur et nobis bonum quod defunctos Vita hac: trahit sedes in eternas poli Pax est ubi sanctis quies sempiterna est Nectar bibunt sacrum bibunt et mellitum [E3v] Celi fluentum: escasque gustant celestes. Fides capillis hoc scelus deflet scissis Gentis prophanum. Iam et tonantis sacras domos Iam dirutas heu per fretum: terras: lucos. Nihil manet christo dicatum firmum nunc: Violentus iras mundus atque Atrox thurcus. Aeterna bella pace sublata gerit Contra fidem christi Salutaris nostri Que bella! quicquid horrendum tellus creat ______________ 8 pontifex ] pootifex. M19 christi ] cristi.

dei summi potentia Planete. Anni

depopulatio sacrorum christi Atrox thurcus

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Inimica nobis: et Euxinus pontus Quicquid creat / sacros lacessit cultus dei Victa trumphant de fide gentes male. Currum trahit Thurcus superbifica manu Iugo sub Amplo colla ducit monstrum insolens Manu potenti nunc tuemur celestes Aras dei summi fidemque sacratam Adsis deus nostris camenis: vatique. Tibi canit qui prompta nunc solennia Tuetur et cultus Sacros prophetarum

Gentes de fide triumphant

Supplicatio

[E4r] ACTUS PRIMUS

continet fidei querimoniam lamentaque tristia adversus gentes. Cuncta corporis membra: omnesque mortalium artus in linguas solverentur: et humana voce personarent: non tamen ineffabilem querimoniam: quam in animo volvo: exprimere possent Miris enim modis nostra vexatur innocentia: nobis ubique micantia tela: 5 Sanguinolentique hostium enses interitum minantur: de me triumphos agunt turpissime gentes: et in medio pelago trophea cruore sparsa suspendunt. Attendite vos spectatores Christianissimi et simul intelligetis quid me ad lamen-[E4v]tandum huc provocaverit. Impia inquam barbarorum prophanitas: errorque gentium intol10 lerabilis ad conquirendum: lamentandum / ac destandum concitarunt. Fides sum catholicorum hominum ac christianorum unicum refugium: qui me colunt sacrificiis: venerantur obsequiis Observant praeceptis et cultibus ad eum profecturi sunt: qui omnium rerum est Conditor: qui inter elementa concordiam statuit. 15 Celum stellis fixis et erraticis adornavit: qui Annum certis vicibus distinxit: et temperavit: Hic enim deus optimus Maximus: omnibus orthodoxam fidem tenentibus / honeste Sancteque viventibus eternorum gaudiorum solatia / beatissimasque sedes largiturus est. Conqueror scissis capillis genis laceris. voce lachrimabili. fle20 tibus manantibus. sceleratissimum gentilium ac barbarorum nefas. qui furiis infernalibus per-Acheronteo liquore inebriati. tristibus hydris territi. Colubris eumenidum Amicti. in me sacrosanctamque Romanam Ecclesiam debachantur. Proh dolor! en ipsa filia Sum______________ Ü Unter der Überschrift findet sich die oben (S. 408) beschriebene Abbildung. 10 intollerabilis ] intollerebilis. M12 propagator ] propapagator. 13 Observant ] Oseruant.

Lamentatio fidei defectionem queritur apostrophe ad Christicolas. Cause lamentationis. Fidei nostre propagator Descriptio rerum naturalium. Premium christe credentium. Furie Acheron Hydri.

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mi Tonantis. a prophanis Thurcis / ac babiloniis obruor. in meos 25 cultores. Aras. Templa. Statuas. basilicas. divinosque cultus et ceremonias dyabolicam quandam / ac plutonicam rabiem evomunt. Saniem spuunt. luroreque Stygio pontificalem. Cathedram / super quam deus residet. vastissima Corporis molle gravati in iovem ipsum arma contaminant. Tollerabilius quondam fuit quod gygantes 30 sumpserunt. pindum super ossam hemumque posuerunt. ut deo celicam possessione arriperent. hii corporis imperium. secuti rationem famulatricem fecerunt: nihil autem barbara gens / non solum aras disputat. nec solum Agros. et menia christianorum depopulat atque devastat. sed nec nomen quidem mihi superesse 35 contendit. Ecce ab inferis [E5r] ruptis Aetne cavernis ignivomus prosiluit Pluto: cui Mahumetice legis conditorem recte comparare queo: qui proserpinam castam virginem: hoc est fidei sincerum thalamum suis pravitatibus: vanisque erroribus coinquinat foedatque O quot millia hominum hic pseudopropheta in profundas 40 lethei Gurgitis undas deducit. peccat in legem dei: peccat in naturam: peccat in seipsum: peccat in proximos. Quorum innumerosum exercitum sua pravitate heretica: ac Mahumetica cecitate in perpetuos tenebrose noctis carceres perditum mittit. Sitiunt sanguinem nostrum Asiatice secte: nostram innocentiam 45 ledunt: nobis caput. manus. pedes amputant: nihil eterni dei iudicium: nihil horrisonam sententiam. qua dicitur magna voce. Ite maligni in eternos herebi carceres: metuunt! nihil dogmata nostra: canonicasque leges advertunt. sed solita crassaque incensi furia: enses cudunt. falces in arma vertunt. metallum fodiunt. quo nobis 50 sacrosancteque sedi pernitiem interitumque moliantur. En soror tonantis? a compluribus pulsa civitatibus exilium merens fero. ad eos est mihi confugiendum. qui ex sinceritate cordis. et animi dexteritate Assertionem nostram. dogmaque saluberrimum tuentur. Proh dolor! qualis erat nostra maiestas. qualis vultus. qualis vene55 ratio! cum Gallogreci Cetereque gentes Asie affriceque nostra decreta devotis obsequiis observabant. Quam pulchra et quam speciosa Tonantis eram filia. Quando europes gentes hellesponticeque nomen nostrum cum celebritate debita coluerunt. Quam fausta eram! quando Constantinopolis. Achaia. Boetia. Misia. Bosna. ______________ 30 pindum ] pnidum. M30 Pindus ] Pnidus. 32 nihil ] nihi. 45 nihil ] nihi. 46 magna g ist im Druck um 180° gedreht. 56 devotis ] denotis.

eumenides pontificalis cathedra gigantes Pindus. Ossa. Hemus

Pluto. proserpina. Pseudopropheta Mahumetica cecitas. Sententia iudicii. Fides tonantis soror. gallogreci europes gentes. hellespontice.

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60 atque Corinthos Innumereque nationes nostram maiestatem glorificarunt. Quid enim aliud intendit: nostra institutio. nisi [E5v] eum monstrare: in cuius manu vita est sempiterna: et qui recte credentibus: saneque sperantibus sedem summe beatitatis parabit. O vos orthodoxe fidei Strenuissimi / integerrimique cultores. 65 Christiani nominis tutores. pontificalisque culminis sectatores: attendite nostram querimoniam consolamini nostram calamitatem! succurrite naufrago apostolo. Eripite a manu infidelium pravissimaque Othomanidum crudelitate lacerum caput! nolite fidem creatoris vestri / pessundari! nolite sedem pontificalem ab hereti70 cis penitus obrui ac dissipari: querite victoriam mecum: querite fulgentissima trophea: querite tormenta: quibus barbaros ac infideles hostes atrociter castigemus: non semper de nomine nostro tam libere triumphabunt: Lento gradu: fatemur: divina procedit ira: sed tarditatem supplitii gravitate compensat. quanto serius: 75 tanto vehementius Idem omnipotens mercedem sceleris exoluet. Pugnate mecum: christianissimi viri. fortissimi Comilitones. Dei enim cunctipotentis favore ac gratia magis: quam virtute militum victoriam de prophana gente reportabimus. Aderit nobis deus optimus Maximus: qui suam gentem in fide: spe ac charitate con80 stantem in periculis nunquam deseruit. Quod tibi in exemplum liber primus Geneseos cum iosepho testari videtur. abraham fide et gratia cunctipotentis armatus: super captivitatem loth fratris propinquorum motus: numeravit expeditos vernaculos suos trecentos decem et octo quos ad bellum duxit: ex innumeris trophea 85 hostibus recuperavit: quinque regum: Victricium turmarum robore subacto: et ultus est proximum: et fratrem reduxit et triumphum meruit. Aliud o vos Auditores Christianissimi: exemplum deduco in medium: quo non in moltitudine populi: ac militum robo-[E6r]re fidutiam victorie collocetis: sed in signo dominice cru90 cis et nominis in spe et obsequiis. quibus deum nostrum venerari debemus. Sic profecto prophanas Gentilium Machinas. bellaque Tentoria cum magna gloria superabimus. Iesus enim filius nave. quem et iosue appellat Sacra pagina. hostes. quos totius exercitus manu valida supperare non poterat. septem tubarum sacerdota95 lium clangore vicit. Dixerat enim deus abraam. deus ysaac. et deus ______________ 69 vestri ] vestiri. 80 exemplum ] exempmlu. 84 innumeris ] inumeris. M86 apostrophe ] astrophe. 89 victorie ] voctorie.

constantinopolis Achaia. apostrophe Secunda:

Valerii maximi Sententia Auxiliator christianorum deus est. Iosephus abraam. Loth apostrophe tertia

Iesus filius nave iosue sexto. Verba dei

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iacob ad iosue. Ecce dedi in manus tuas hiericho et Regem eius omnesque viros fortes ac Magnanimos. urbem hostilem cuncti bellatores per diem semel circuite. sex facietis diebus. Septimo autem die sacerdotes septem buccinas tollent. contrarium usus ac clangor in iubileo est. et archam foederis sacerdotes buccinatores precedent Septies urbem circuibitis. et sacerdotes buccinis clangent Muri funditus hoc duce celestis militiae corruebant. Ergo vos christiani principes. adhortor admoneoque. Arma suscipite. parate currus. et Machinas bellicas. Militarem iuventutem incitate premiis. ut nominis nostri gloriam. eiusque quem profitemur. Maiestatem ab hostibus crudelissimis vendicemus. Ad primos huius seculi Status me imprimis confero. quos summus pontifex. christi vicarius. et orthodoxe fidei columna. Romanorumque princeps semper augustus. Obtinent alter signaculo crucis dominice premonstrato. ecclesiam christe tuetur Alter militaribus turmis christianam rem publicam ab immanitate barbarorum tutam efficiet. precor tamen ut hec duo capita orbis universi concordes inter se gerant affectus. ceterosque principes christiani nominis professores. ad foederis solennitatem / ac concordiam trahant. Parve quandoque res Concordia crescunt. Maxime vero discordia dilabuntur. Nam Christus dixit. ut Matheus ait. Omne regnum [E6v] in seipso divisum facile destruetur. quod et Grecorum et Romanorum exemplis probare possem. nisi me calamus et vox deficeret. Ergo ne propheticus sermo in nobis consumationem acquirat. accingite queso lumbos vestros gladiis. et frontem signo crucis signate. ut ab hostibus cruentissimis opima spolia reducamus. Sed quia omnes lachrimarum guttas. emisimus. et tristis querimonia me debilem fecit. Materiam lamentandi aliis relinquo. qui me spectabunt.

victoria iosue

apostrophe Quarta

Summus pontifex alexander duo capita mundi Nota Matheus evangelista. propheticus sermo

CHORUS ELEGIACUS cum fide lamentatur Christiano rei publice diminutione et Catholicos adhortatur ad presidium Heu quam sollicito volvuntur secula cursu. Debilibus titubant Cunctaque fata rotis [F1r] Turbine nunc hominum turbantur pectora magno Tranquillusque manet nullus in orbe status. 5 Corda iacent hominum Tenebris submersa profundis ______________ M102 apostrophe ] astrophe. 116 Omne ] Omue. 123 spectabunt ] spectbunt. Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 408) erwähnte Illustration.

Sollicitudo seculi nostri Inquietudo statuum.

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Mens hebet: et vacuo lumine strata iacet Terrenis agimur fatis et statibus altum In pelagum ruimus: tartareosque lacus. Crescit in immensum facinus modo noxia cura Deperit et multos hec malesana viros Hec agitare nefas mortalia pectora cogit Hecque metu posito Crimina magna docet Quidam principibus cupiunt servire superbis Gloria. quos fatuos Ambitiosa trahit. Per fas atque nefas Regum tentoria querunt Sceptraque nobilium pernitiosa petunt! Quidam divitias ieiuno gutture querunt Fraudibus et variis copia parta venit Invigilant nummis cura sitiente dolosis Et vigili gazas pectore concumulent. Pena tamen miserum Iustissima torquet Avarum. Tortilis et lacerat Sordida membra rota! Hic quia congesto male vivit pauper in Auro Et tanquam Sacris abstinet ille bonis Per mare: per terras: volitant sua vela per undas Negligit ob nummos celica iura miser: Plures condemnat regnandi prava libido In vitiis quorum vita superba tabet Gloria complures alios extollit inanis Vulgi: atque attonito murmure corda trahit: Ergo cum nullus contentus vivere discit Sorte sua: ast semper mobilitate cadet Idcirco scelerum Succrescunt crimina fraudes [F1v] Atque doli vafri: contaminata fides Ad commune bonum metitur pectora nullus Publica res lacero stat tremibundo gradu. Propter divitias christi documenta negamus Pontificis sedem spernimus atque fidem Propter Avaritie sordes nocumenta capessit Horrida pontificis Sacra cathedra petri. Efficit insanos mundi scelerata potestas. Ut sancte fidei dogmata fausta negent. Tristatur meritis lachrimis et fletibus eheu Sancta fides: niveas dilaniata genas Conspicit illa suis nunc defecisse ruinis Ecclesiam: quam proh / turba prophana terit

Cura auget scelera. cause defectionis ambitiosi. Avari. Gaza

sitis avaritie Libido regnandi Gloria mundi.

proprium diligitur Publicum negligitur pecunia est causa malorum. Questio mesta. Fides Thurci

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Gens inimica rapit Thurcorum templa domosque Christi. sacrificos dilaceratque focos: Conspicit ipsa fides: Asiam Grecosque subactos Eternum quondam qui coluere deum. Conspicit immani motari castra tumultu Thurcorum: quatitur Remigiumque petri. Ergo vos proceres: equites: Regesque potentes. Deprecor. Auxilium ferte piasque manus: Tendite christigenum Victricia tela per orbem Ut metuat vestrum gens inimica iugum. Pontificis Summi valide prestate cohortes Presidium fidei: belligerosque duces. Ad partes belli veniet cum principe multo Cesaris Auxilium: en Maximilianus adest. Maximilianus adest! quo non prestantior Alter Viribus: ingenio: Relligione: Fide Victrices Aquilas hostiles tendit in oras Restauret solium victor ut ipse dei: [F2r] Hunc virtus Animosa trahit: non garrula fama Se cupit eterno morigerare patri Principe cum tanto foelitia foedera necte Papa sacer: fidum suscipe quaeso ducem: Hoc duce Christigenum Grex inviolatus adibit Eternam patriam: stelliferosque choros. Hoc veneranda fides a christi gente precatur Funditus ut Thurci Secta prophana ruat.

lacerant. christianos Asia. Grecia. remigium petri.

pontifex summus Maximiliani militaris rei peritia et fides

Foedus pape et Cæsaris. Fides

ACTUS SECUNDUS vulgus christianum querela fidei notum de potentioribus conqueritur: et eos ad tutelam fidei cohortatur [F2v] O magne olimpi Rector et mundi arbiter: O Summe tonans. 125 qui in monte synai leges: Mosi dedisti: qui israheliticam gentem de egypciaca captivitate potenter eduxisti. qui tot millibus in deserto fontes aquarum dulces aperuisti: et manne celicum misisti. O deus Sabaoth: Adonai. Sadai. O sotyr animarum nostrarum adsis. ut querimoniam: quam in animo foveo. salubriter effundere queam ______________ 47 Thurcorum ] Thurcororum. M47 lacerant ] lacerat. 55 Victricia ] Victrecia. Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 408) erwähnte Illustration.

imploratio Mons synai. Moses. Adonai Sadai Sotir

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

130 Statue precor gravibus erumnis: quibus tua fides ac ecclesia quatitur: modum finemque. ut Christiani nominis cultores: et ecclesie militantis alumni: ab incursatione: Crudelissimaque Thurcorum immanitate tuti possint esse. Nobis miseris adiutrices prebeamus. a cervicibus nostris clades horrendas miserasque mortes procul 135 expelle. En deus omnipotens! nos vulgares simplicesque christiani: tuis dediti venerationibus: tuo in iordane sacro baptisati. In nomine tuo confirmati: in fide confortati. exploso gentilium errore: te deum unum confitemur secundum quod scriptum est deuteronomii sexto. Audi israel dominus deus tuus: deus unus est: Deus 140 enim et dominus nomen magnificentie: nomen est potestatis. sicut ipse dicis: dominus nomen mihi est. Esaie. xlii. Dominus omnipotens nomen es ei. En adsumus simplices Christiani. potentia vulgares et nihili. Fide tua et ceremoniis constantes / nostram innocentiam tuemur / non nostra culpa / non nostra impietate / 145 neque neglecta. orthodoxa fides. quam prophete tui. ac Sancti apostoli nobis per orbem predicarunt. in tantum decrescit. adeoque minuitur Sed potestates mundi culpabiles redde. qui armis cincti. viribus prediti. atque prudentia suffulti. tantis cladibus / tantoque thurcorum ac Sarrazenorum tumultui obviare 150 [F3r] possunt. Credimus! Non vulgares: O magne conditor orbis! fidemque sancta insuperabili voce testamur: voluntatem tuam in omnibus preceptis ecclesiasticis Apostolicisque sectamur unum deum te esse profitemur: non duos aut tres deos dicimus: ut impia Arrianorum heresis pravitasque dum criminatur: Incurrit unum 155 deum communis natura testatur! quia unus est mundus! unum deum fides significat! quia una fides veteris et novi testamenti unum spiritum sanctum testificatur gratia: quia unum baptisma in nomine trinitatis est: unum deum prophete dicunt. Apostoli audiunt. Unum deum magi crediderunt et Aurum: et Thus: et Mirrham 160 Supplices ad Christi cunabula detulerunt. Auro Regem fatentes ut deum thure venerantes. Thesaurus enim Regni: Sacrifitium dei Myrrha est sepulture! Nos pariter vere fidei Assertores et catholice religionis veri cultores: Omnipotentem deum et Christum filium uno nomine confitemur: deum de deo lumen ex lumine et spiritum 165 sanctum quem ex summo rerum parente speramus et accipimus: negando non violamus: apud nos intemerate fidei sensus viget. ______________ 138 secundum ] seculum. 157 sanctum ] sanctam. M157 Baptisma ] Baptisama. 164 spiritum ] spirmitu. 165 accipimus ] accpimus.

Simplices christiani. Deuteronomii sexto. Esa. xlii.

diminutio fidei. potestates mundi Thurci Sarraceni Unus deus profitendus Una fides Baptisma prophete. apostoli Magi Thus Myrra Aurum Assertio fidei indivisa

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Incorrupte trinitatis indivisa substantia que greco verbo ‘ƯµƯƯƽƳƩƯƭ homoousion recte credentibus dicitur. Nos: eheu! miseri christiani: a fide catholica non declinantes: tormenta gravissima Thurcorum patimur clades tolleramus: incendia vidimus: omnemque gentilium pravitatem audimus. Nec tamen Pater Optime Maxime: pedem ab Apostolico dogmate reflectimus: Maiores ac superiores nostros adhortamur: qui potentia auctoritate: opibus ac sapientia nos antecedentes: remissio pectore: defatigatis viribus imbecillitateque contriti: hos in sedem [F3v] petri. fideique solium. motus turbationesque fieri patiuntur. Erige animos principum. quibus et nominis et Stemmatis honorem pre ceteris mortalibus benigne tribuisti. ut alacriter impulsi. rabiem barbarorum expellant. et fidem fideique intemerate cultores / undique securos reddant. Mitte foederis Archam. non inhoneste tractabimus illam. neque eam in manus hostium trademus. ut Ofni et phinees Heli filii. Sed arrianam previtatem. Mahumeticosque sectatores. Cunctosque! qui nomen tuum diffamant atque blasphemant. fortiter expugnabimus. Spolia atque trophea crucis signaculo figurata. longe lateque per spatiosa climata mundi expandemus. Mitte virgam Aaronis. qui cristiani Principes. ac milites Catholici omnia nocumenta expellant. et populo tuo fidutiam parent. Excita. inquam. deus omnipotens. Christiane rei publice Magistratus. ut contemptis Terrestribus spectaculis. ad celi Spectaculum. quod est pulcerrimum. et intermicantibus Astrorum luminibus celatum. et tanquam floribus adornatum. oculos convertant. Orthodoxeque fidei dogmata saluberrima. devictis hostibus. per orbem spargant. O vos christiani principes. sitis sapientes ut salomon. Fortes ut david. Magnanimi ut Iudas Machabeus. et de terra sancta phylisteos. hoc est dei inimicos expellite. possidete tellurem promissionis. quam paradisi fluenta largiter irrigant. Educite famulos dei in fortitudine Moseos de afflictione aegipti. ut in terram Chananei et ethei. et Ammorrei. et Pherezei. et Evei. et Iebusei. lacte et melle fluentem cum pace et tranquillitate deducentur. Adeste precor. ut deo nostro immolemus solenne sacrificium. ut nobis Catholice Secte professoribus fideique celestis. militibus victo-[F4r]riam tribuant speciosissimam. et manu divina hostes funditus perimat. et fidem in eternum constituat.

substantia. homoousion lamentatio christianorum Adhortatio ad superiores et increpatio Animi excitatio Archa foederis. Ofni phinees Heli sacerdos Milites catholici Spectaculum celi

apostrophe David Iudas philistei paradisus Moses Terra promissionis sacrifitium deo immolandum

______________ M167 substantia] sustantia. 168 ‘ƯµƯƩƯƽƳƩƯƭ homoousion] ‘ƯƍƯƩƯƵƳƟƯµ omusion [‚homoiousion‘ wäre gerade die arianische Position]. M168 homoousion ] omusion. 172 reflectimus ] reflecteimus.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

CHORUS SAPPHICUS Sacrificium parat deo Pro victoria et concordia principum. Qui fidem Christi salubrem fovetis Lege prescripta. Reverenter omnes Et frequentatis superum penates.

Fides salubris

Religionis 5

Qui deum verum dominum supremum et [F4v] Unicum rerum colitis parentem. Ad sacrum puris precibus venite: et Supplice voto

10

Huc senex longo extenuatus evo Huc et Annose vetule: puelle Huc et devote veniant iuventus Atque decora

15

Ad Sacrum quod iam superis paramus Victimas quisquam redolensque libum Mittat et suplex vapidos sabei Thuris odores Hic crocum mittat cilicum: piperque: Syrie fruges ferat hic beatas Alter efflantes Arabum sapores

20

Mittat et aurum Fertilis frugum peccorisque tellus Spiceas mittat Superis coronas Et sacrum accensis foveat maniplis.

Senes. Vetule Puelle Iuvenes Sacrum Victime libum Sabei Thus Crocum. Cylices. Syrie Arabes. Spicee Corone

Ruris alumnus 25

Tu pater mitis placidusque rector Aetheris summi: iuvenes senesque Supplices audi: pueros: puellas

Deus pater mitis et placidus

Atque parentes. 30

En tibi sacrum miseri fideles [F5r] Victimis cesis manibusque puris Atque votivo celebres labore ______________ Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 409) erwähnte Illustration.

Fideles votivus labor

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Struximus aras

35

Tu polum princeps celeri meatu Volvis. et stellas siquidem minores Tu Regis phoebum. rapidoque celum

Polus Phoebus.

Turbine versas Tu pati legem volucres planetas Tu pati legem niveamque lunam Tu pati legem meritamque cuncta 40

Planete lex syderum

Sydera cogis Tu facis brumam rigidam. nivalem Et mora stringis breviore lucem Frigus et nobis gratiale vertis.

brumale tempus

Tempore brume 45

Venerint estas sed ubi teporque Corpus humanum faculis aduris Atque velocis breviora reddis

Estivale tempus.

Tempora noctis 50

Tu puer ventis tumidis et aure Imperas. flatus boree sonantes Et premis. totum tua magna virtus

Deus ventis imperat. boreas.

Temperat annum

55

zephirus frondes revehit virentes Et tuo iussu segetes feraces [F5v] Decoquit flagrans Syrius potenter

zephirus Syrius

Cuncta gubernas Si tibi cordi est populus fidelis Qui tue servat monimenta legis Pax precor nobis: stabilisque rerum 60

65

Preces ad deum.

Terminus adsit Nos et hostiles valeamus oras Marte Thurcorum superare forti Et crucis signo fideique scuto

Thurci. scutum fidei

Vincere gentes Hee tuas leges Salubremque sectam Et fidem sanctam lacerant cruentis. Ensibus letum miseris minantur

execratio in barbaros hostes

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Exitiumque 70

Da pater nobis celebres triumphos Ut lares nostri spoliis opimis Splendeant urbes maneantque nostri

petitio triumphi

Sospite muro

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Sic mari et terra populus prophanus Thurcus et sacras metuet secures Et scythe sacras metuent superbi Cesaris arces Sit fides et pax et honor pudorque [F6r] Mensque sit concors. Animosa virtus Principum: qui te recolunt. amantque

80

Foedera legis Tu probos mores: pater et beatas Corporis vires: decus et potentes Pectoris nervos: repara crucisque.

probi mores Decus. Signa crucis

Signa iacentis 85

In salo fati quatimur profundo Et nefas Thurci patimur superbi Tu maris Rector rapidos precamur Comprime fluctus

90

Pelle Thurcorum populos fugaces. Pelle gentiles Scelerum patronos Plebis et firma stabili fidelis Foedera terras

[F6v] ACTUS TERTIUS Papa et cesar. et christianorum principum legatus. de bello in Thurcos et gentiles consultant. Nescio que nam istec ymago trepidanda sit. que me in pene- Papa 205 tralibus intimis cubantem sepius accessit quietem somni dulcis- Imaginis simam interrupit. noctis fecit excubias. lacrimabilique voce. et meste ______________ Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 409) erwähnte Illustration.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

planctu pectoris iuxta lectulum stans magnos effudit eiulatus. Sed quo magis atque magis imaginem squalidam contueor. fidem sacrosanctam in lacere mulieris specie / adesse cognosco. Heu! inquam ipse. animarum nostrarum salus desideratissima. quid mestus ille habitus. quid palla lugubris. quid lachrimarum profluvia sibi volunt? quid me terres? quid me dormientem [G1r] tam atroci sonitu excitas. effare quaeso: qui te impellat quod me preter ceteros mortales intempestive accedis. Imago fidei ad hec talia iungit. Ad quem nam confugium habere possum. Summe pontifex: et ecclesie militantis custos vigilantissimus: quam ad te: ut nostram venerationem A sanctis Apostolis antecessoribus tuis solemniter institutam: a manibus impiorum defenderes. Scutum sanctitatis tue: crucisque dominice signaculum terris gentilium insidiis opponeres. Ecce nostros cultus observabiles: divinitus ordinatos: a christo dei filio figuratos. Antiquus hostis Ab initio mendax: inimicus veritatis: emulus hominis: quietos esse non patitur decipit multos: qui Catholice fidei Sacratissimum dogma non coacti abiiciunt. hic pudicitie adversarius. Impudicos contra legem dei mortales efficit. Hic luxurie magister: Luxuriosos ubique reddit homines. Hic crudelitatis minister. Gentibus prophanis mahumeticisque Sectatoribus adversus innocentiam nostram: Arma crudelitatis ministrat. Hic mentes superborum obdurat. ut deum suum nequeant confiteri: et cultu debito venerari. Hic est lupus ille: qui christum in deserto temptavit: hic falsas sectas: vanaque Thurcorum ministeria: hereticasque pravitates iamiam procurat. ut multos penarum sotios in Tartareis latebris habere queat. O infelix audatia! O desperate mentis astutia: que huius pessimi criminatoris suasu fidem abdicat. et hereticas illecebras / vanitatesque incurrit. Iam enim longe per Asiam et per innumeras europe regiones Mahumeticus ac dyabolicus tumor cancri more serpit ut etiam Catholicos ipsos in mortem ignorantie ac infidelitatis precipites det Et nisi deus sabaoth laqueum hereticorum: qui paratus est in christianos diripiat. Scena tanti mali hypocri[G1v]sisque superciliosa: multorum simplicium corda in ruinam ac desperationem luctuosam trahet. Facile enim mens humana falsis persuasa rationibus in deteriorem partem traducitur. Malens per spatiosa volare grammina: quam iter arcte vie per laborem trans______________ M215 pontifex] ponsifex. 227 innocentiam] innnocentiam. M236 europa] europia. 239 hypocrisisque] hippocrisisque.

descriptio. Pape verba

Summus pontifex Custos ecclesie Scutum Crucis signaculum antiquus hostis Pravitates dyaboli Mahumetici. sectatores Lupus christus tentatus in deserto Asia. europa Deus sabaoth Sententia divi ambrosii.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

ire. Tu autem pontifex Maxime: qui in terris dei nostri Altissimi 245 vicem geris: defende sedem et thronum celicum tutare piscatoris remigium quod turbulentissimis actum procellis: naufragium miratur. Expellere hereses et scandala Sacrorum: que in omnibus gentibus cum magno dedecore exoriuntur. Imago fidei mestissima talia elocuta! Ab aspectu meo se abscondens: me semianimem in 250 lectulo destituit. Igitur tam sollicita monitus querela. Te maximiliane Romani regni princeps Augustissime ad me accersiri iussi: ut mutuis inter nos consiliis de christiane rei publice instantibus periculis decerneremus.

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CESAR. Oportune quidem se obtulit tua sanctitas. ut manibus armatis incendia Thurcorum horrendissima: estusque barbarorum flagrantissimos extingueremus. Necessitas rerum postulat: ut sanctitas tua ceterum cardinalium ad consilium vocet: et signum crucis dominice gentibus christianis predicari permittat: tantis accincti presidiis: tantisque viribus circundati: facile rabiem Mahumetice secte foedissimam extirpemus. Temporis necessitas: et Christiane rei publice calamitas: iniquitatesque mortalium requirunt. ut corpore corporis excluso: arma paremus. Tubas per orbem martias clangemus omnesque catholicos milites ad bellicas cohortes congregemus. quibus collectis impetum in barbaros: sevissimosque thracas faciemus. Crescit undique Thurcorum rabies. sanguinem christianum sitiunt: fauce hiante Innocentes mordent. Hereticam pravitatem in [G2r] fines nostros evomunt. Nihil iam tutum manet ab illorum turpissima depredatione virgines castas vitiant. vestales stuprant. pueros in cunis vagientes gladiis cruentissimis transfigunt. senes necant. Anus iugulant. Iuvenes rapiunt. Templa. Aras focosque deo nostro dicatos spoliant. Incendunt. dilaniant. Sacerdotes violant. et ut rabidi canes Ecclesie apostolice ministeria Latratibus fatigant doctrina perfidie polluta. in sincere fidei discipulos / hostili semper impetu erumpunt. Non est necesse. Sanctissime pater. tibi commemorare que gesta sunt. Sanctitas tua his rebus periculosissimis plene est informata. nec ignorare debet pessimorum in ecclesiam irrumpentium cogitatus. In cute dyabolum gestant. In doctrina pseudoprophetam fatentur. cum quo orthodoxam fidem contaminare presumunt Nec solum thurcos aut ______________ 257 ceterum cardinalium] cetum cardineum. M272 papa ] pap–.

apostrophe ad papam.

apostrophe ad cesarem

Cesar Maximilianus. Crux dominica Mahumetica secta Tube. marcee. Barbari thraces. Scelera Thurcorum

papa sanctus

Dyabolus Pseudopropheta

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

280 Sarracenos sed quoscumque falsa sub imagine fidei nostre dogmata colentes. explodendos esse censeo. Sicut est scriptum domino nostro dicente per celestem Scribam Matheum! Multi venient ad vos in vestimentis ovium. induti autem sunt lupi rapaces. a fructibus eorum cognoscetis eos. hii videlicet. qui quasi utili285 tate christianos esse se iactent. ut sub velamento pii nominis gradientes / domum omnis hominis ingressi sermonem serpentine orationis effundant. ut sagittent in obscuro Rectos corde atque veritatem catholicam vertendo ad sue doctrine rabiem / dyabolico more traducant atque ovium simplicitatem defraudent. Sed quid 290 me facit prolixiorem. ut de fidei rebus cum sanctitate tua disputem. que omnia sapienter disponit. prudenter sancit. utiliter previdet. sed me indignabundum reddunt adversus Sotyra nostrum Rebelles inimicicie quas effrenata Thurcorum [G2v] Cecitas quotidie machinatur. Audire glisco Sanctitatis tue sententiam. ut fluctu295 antibus rebus succurrere valeamus. Principiis obstandum est. ne in universum orbem hereticorum impietas serpat. PAPA. Fateor Maxime Rex. Imperator Auguste. necessarium esse. ut bonus pastor sedulas agat excubias. et fideliter ianuam sibi commissam servet et pia sollicitudine christi ovile custodiat dignum300 que presidem ac ductorem oves domini audiant et sequantur. Sed quia oves christi: a lupis rapacibus deprehenduntur Et morsibus mahumetice perfidie feralique ululatu dominicum Ovile dispergitur. Ad me pertinet: ut providus pastor tantis calamitatibus: tamque impetuosis fluctibus obvius progrediar. Et quidem multarum 305 heresum malignitatem ab apostolis nunc usque et a predecessoribus nostris didicimus sed nunquam tales canes experti sumus: qui non solum christianis pernitiem minantur: sed christianum nomen ubique moliuntur extirpare. non questiunculis fidei dogmata lacessunt: Sed armatis militibus sanguinariisque telis / ecclesiam 310 catholicam impugnant. Thurci quos modo detestamur: non illecebroso atque victo sermone: capiunt christianos: sed agros vastare: urbes spoliare: templa solo equare. Sacra nostra contaminare: Aras polluere: et nequitie sue virus omnibus communicare student. Mahumetici cultores turpes blasphemias conscriptione ______________ 280 Sarracenos ] Sarragenos; falsa ] fulsa. 283 induti ] indutus. 285 christanos esse ] christi nosce. 286 omnis hominis ] omnionis. 295 fluctuantibus ] fluctuantibns.

Matheus evangelista hippocrite

Excusatio. Sotyr

Papa Boni pastoris officium Ovile. providus pastor Heresum malignitas. Thurci Canes Thurcorum scelera

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

315 temeraria publice prodiderunt: et desperate mentis furore conciti: passim religionem nostram legi divine congruam / delere cupiunt. Quid igitur in tantis periculis tua regia celsitudo decernet.

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CESAR. Cognoscimus: pater sanctissime tibi a Christo nostro comissam esse ecclesie potestatem tibi dominicum ovile creditum esse non ambigi[G3r]mus tibi triplicis corone Stemmata largitus est christus. cuius es vicarius in terris. In manu sanctitatis tue est gladius spiritualis qui Christianis iter ad fontem beatitatis aperis: mihi sceptrum secularis militie: tibi servio: promptusque obsequiis ecclesiasticis obtempero. Sed quia thurcorum ac infidelium grex rabie in christi cultores perhorruit: et ullulatus luporum Sacratissima apostolorum documenta lacessit! subveniendum est ovibus. ne per insidias ducti: a lupis pessimis devorentur. Ego ad prelium contra paganos cunctos imperii Romani principes vocabo: qui suis bellicis copiis: suppetiisque militaribus. Apparatum nostrum adiuvabunt. Nec dubitamus! quin istec expeditio sit christiano Nomini perpetuos allatura triumphos. Sentient innumere orbis Nationes catholice fidei successus. Audient Affrice Asieque gentes classica nostra timebunt heretici deum: et adorabunt nomen eius. Ecclesiam quam christus statuit: In universum terrarum orbem diffundemus. et ut dicitur malachie primo. Ab ortu solis usque ad occasum Sacrificium mundum offeremus nomini suo. et ut dicit propheta. Fides eius dominabitur a mari usque ad mare. et a flumine usque ad terminos orbis terrarum.

PAPA. Cesar invicte: censes igitur rem armis esse aggrediendum: expel340 lendamque hereticam pravitatem turmis militaribus. CESAR. Censeo quidem! et opere precium fore iudico: ut a finibus nostris non solum thurcos immanissimos sed quoscumque alios heresiarchas de medio soli christiani exapellamus. Est mihi robur alemannorum invictissimum: sunt milites veterani rudeque digni sunt 345 duces bellicis in armis peritissimi. quorum animos adversus impias gentes modica persuasionis scin-[G3v]tilla revocare possum. Sanctitas tua. saltem ordines spirituales exacuet. ut adiutrices manus ad bellicum Apparatum suppeditent. Procul dubio: Apostolicam sedem fideique intemerate sanctitatem efficiemus tutissimam. ______________ 346 scintilla ] scintillam. 349 tutissimam ] tutissima.

Cesar potestas ecclesie Triplici corone Stemma infidelium grex. Lupis Thurci comparantur. Expeditio bellica christus. Malach. primo Papa

Cesar heresiarche. alemannorum et robur bellica virtus Apostolica sedes.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

PAPA. Papa 350 Suades igitur ut bellum Thurcis et asie Regibus indicemus decreto? Cesar CESAR: Non solum suadeo. sed presto sum. ut omnem curam bellicam humeris meis imponam. exercitum disponam. Verbisque et factis bellica consilia administrem. Sed legatus principum christianorum 355 adest. consilii nostri sententiam percepit. sua nos voluntate compotes faciat. LEGATUS. Audivi consilium saluberrimum quod rei publice Christiane plurimum expedit. fideique Catholice intemeratum dogma defendet. Adsum. personam Christianorum principum gero. qui armis para360 ti. Mucronibus accincti. Galeis adoperti. Ecclesiam Regnumque Romanum tueri conantur. fidem principum accipite. et foedus iungite. facile enim structa thurcorum tentoria obpugnabimus. et oves christi in pacem reducemus. Nemo tam potens! qui copiis tantorum principum obstare queat. Deus optimus maximus Celi365 cusque chorus incepta secundet.

Legatus

foedus suadet iungendum et indicendum bellum

[G4r] CHORUS

execratur Thurcos et divine potestatis meritum pangit. Elegyacus.

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Gens inimica dei. que te vesania torquet. Quis furor usque adeo corda prophana rapit. Spargitis in christi famulos Mavortia tela. Nectitis et leti retia seva trucis. Quid iuvat insontes sic marte lacessere duro. Christigenas? quid sit nos iugulare ivuat Vos colitis spurce secte ludibria Thurci. Tartareum colitis et sine merce iovem Thura datis manibus diti non iusta prophanis [G4v] Atque vorant stygii Turpia liba canes Ecclesie sacram nolite lacessere sedem: Hanc christus statuit: hec sine fine manet ______________ 353 disponam ] disponem. 363 christi ] cristi. Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 409) erwähnte Illustration. M3 Mavortia ] Wauortia (M im Druck um 180° gedreht).

vesania Mavortia tela christigene falsus cultus hereticorum. Thura. ecclesie sedes eterna

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Pellite barbaricos vos Thurci quaeso furores Nosseque supremum discite quaeso deum. Heus vestros animos Seducit pseudopropheta Quem phlegetontei gurgitis unda vorat. Vana fides vestra est. non est ratione probata. Adversus summum pugnat iniqua iovem Sculpta nihil vestros possunt simulachra iuvare Optatus: nihil et stulta ministeria. A me veridicas leges audite precamur Eterni pariter nunc monimenta dei. Ad meta dicta aures. Animosque intendite vestros. Qui cupitis prompto noscere corde deum. Contra. qui sanctas leges. contemnitis. hinc vos Effugite: et sacras linquite quaeso domos. A sacris nostris / miseri / procul ite prophani: Hec tantum iustis ianua nostra patet Unus perfectus deus est / qui cuncta creavit. Cuncta fovet: et Rex cuncta creata regit. Qui capitur tantum mente: et qui mente videtur Non alius maior: nec prior ullus erit Hic est cunctipotens. hic nubibus insidet altis. Sub pedibus suis sydera cuncta premit. Per mare: per terras. fulget sua magna potestas Hunc summum noscunt Aether et aura deum: Aetheris hunc solium. Celorumque aurea sedes Sublimisque tenet. nil quoque maius erit Eternus princeps. huius se dextera tendit. Oceani ad fines. Signaque celsa poli. [H1r]Ipse est principium: medium quoque: et exitus idem Hunc cole. quid dubitas? Thurce prophane deum. Et fidei monimenta sane: legesque fatere. Ecclesie cultus indue quaeso pios. Legibus a falsis Oculos averte malignos Ne rapiant manes Tartara fusca tuos Et canibus stygiis ne infelix prebeat umbra Materiam pene: Gens inimica sape! Finibus a patriis Mahumetica sacra: fidemque Pelle: tibi christus premia iusta dabit.

______________ 44 quaeso ] quaso.

sacraque Pseudopropheta. vana fides

veridice leges christianorum Sancte leges prophani. unus deus perfectus omnium rerum creator. cunctipotens deus. Celum. Mare. Terra. Aether

Thurcus prophanus Manes. Tartara Canes Stygii Christus.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

NUNTIUS a Christianis principibus missus / Mahumeticis cultoribus Bellum indicit.

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[H1v] Cursor christigenum nunc ego principum. Ad Reges celeri transvolo perfidos Cursu: qui scythicis finibus imperant. Et qui sceptra tenent nunc gemini maris: Et qui sarmaticis gentibus imperant Et qui cappadocas et cylices regunt: Aegiptique premunt Arvam feratia Piseasque domos turribus inclitas Nunc fedis gladiis funditus enecant. Qui christi rapiunt condita menia: Et sancte fidei dogmata conspuunt Ad Reges pedibus tendo fugacibus Vesanos: quibus et nuntio prelia Regum christigenum: pulsoque classicum Quod Thurcus metuet improbus: et ferus Suldanus pariter: qui colit impios Plutonis monitus: conspuit etheris Celestisque deum: et christicolas necat Hic claras solymas: et premit inclitam. Nunc sedem davidis: Sceptraque candida: Quid cesso trucibus prelia Regibus. Velox dicere iam. dentibus ardeo Hos mordere truces oreque principes. Sed me magna sitis et stimulat fames Emensusque viam vix remeabilem Calcavi steriles et pede pulveres Reges Accipite verba minantia In vos arma parat turba catholica Lectis militibus per mare: per solum Nunc Christi proceres menia vendicent [H2r] Atque urbes miseris cladibus erutas. Restaurent: Asie Regnaque divitis Romano imperio iungere cogitant. Ulciscique petunt Marte corinthios Et grecos alios: quod premit impius ______________ Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 409) erwähnte Illustration. 24 stimulat ] simulat.

Reges perfidi. geminum mare Cappadoces Pisee domus.

Classicum Thurcus suldanus Pluto christicole. Solyme sedes david

Indictio belli proceres christi. Asie regna Corinthii Greci

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Invisi capitis nunc furor: et manus Que semper gladio est cincta sanguineo. Nil vestros metuo Nuntius impetus. Discedo: capiti martius imminet En vestro gladius: Scripta revolvite

Gladius sanguineus Martius gladius.

ACTUS QUARTUS continet decretum bellicum et consultationes Thurci et Suldani. [H2v] Decretum bellicum ALEXANDER. 6. MAXIMILIANUS

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Pontifex maximus / et Romanorum Rex semper Augustus. Baiazeto Othomannidum Regi magno Thurco Suldano Aegypti / carrarum / et babilonie Regi ƥƭƹƱơ ƔƆƄƕ bene agere. Sepius apostolico decreto Saluberrimisque doctrinis vos admonuimus: ut demum post longa temporum intervalla Mahumeticam pravitatem a Regionibus vestris expelleretis: nihil benigne cohortaciones in obducatis cordibus efficere potuerunt. Sed solita confusione: dyabolicaque secta omnes Asie ac Grecie populos falsam religionem venerari iussistis. Crucis dominice signaculum non in frontispitio. sed in plantis vestris cum magna ignominia fertis: quando divine legis precepta: rationabilesque ceremonias colere desideratis? purgate vesanam ignorantiam: pellite tenebris cordis: que vobis apud inferos in Stygiis. paludibus umbram horribilem facient. Imbibite celestis Sapientie nectar: ut teterrimas nebulas cecitatis vestre explodatis Immolate deo Maximo non sub vana specie religionis: hereticos errores eliminate. Agnum purum et immaculatum in templum dei altissimi offerte: nolite credere pseudoprophete: qui in lamecha candelabris: sanguinariisque victimis honoratis! hic dyabolico vexatus oestro: rabiem sui virus in Regiones asiaticas ac Europeas. late diffudit. Ille plutonis famulus non tantum se. sed innumeras gentes suis illecebrosis vanitatibus in sulphureo acherontis gurgite mergit. Velox et vafra illius ______________ Ü Unter der Überschrift auf H2r findet sich die oben (S. 409) beschriebene Abb. 367 Othomannidum ] Othmannidum. M367 linearum ] linarum. 369 admomuimus ] admonimus. 380 explodatis ] explodetis. 381 eliminate ] eliminata.

Superscriptio linearum. Apostolicum decretum Mahumetica pravitas. Dyabolica secta. Crucis signaculum Nectar sapientie. Heretici errores lamecha candelabrum Famulus plutonis

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

iniquitas que semper ad nocendum vobis occasiones fugerit. arma ministrat. et celeres mucrones ad effundendum sanguinem cudit. Quid igitur spurcissimum nebulonem colitis? cur legibus [H3r] divinis fraudem facitis / quid huic assettioni adheretis? cui natura repugnat: cui ratio! Erubescite: et gravissimam culpam penitendio exuite: adhuc dei clementia vocat gentes vestras: ut sacrificium celeste / non dyabolicum peragant Haurite de cratere sacro divinam sapientiam: haurite disciplinam apostolicam! haurite dictamen recte rationis et intellectus habitum: haurite errorum vestrorum correctionem. Haurite vite emendationem: haurite morum consiliorumque temperationem: ut in pectoribus vestris gratia pietatis: virtutis incrementum. et fons sanctitatis crescat. Confidite nihil vestro seductori. Hic animas vestras in sempiternum damnabit. Gaudium itaque magnum erit misero seductori: habere penarum sotios. Aspicite dyonisium Syracusanum. quondam per potentem sicamen Regem: nonne penam sue perfidie luit. Aspicite pharaonem gomorre tyrannos: Saulem: Philisteos: Arsacidas: ptolomeos: Nabuchodonosora. Ceterosque babilonie Reges: omnes turpissima morte perierunt. qui divinum numen ausi sunt contaminare. Vos Reges estis barbari: tyrannidem sevissimam in christianos exercetis! pernitiem ignominiosamque mortem sentietis Vobis igitur: quia phanaticum errorem non vultis explodere: post apostolicas litteras et imperialia decreta sepius insinuata. bellum ex omnium principum sententia concordi conceptum: indicimus. non patrem patratum mittimus / non iovem / ut vos / Nec Martem invocamus. sed christum dei filium. qui nobis suam potentiam suppeditabit. indictum sit bellum vobis barbaris Regibus. quod finem rebus vestris impositurum est. Valete si vultis.

iniquitas demonis Assertio thurcorum nature contraria. Errorum correctio Consiliorum temperatio. dyonisius syracusanus sicamie Rex Barbari Reges Tyrannis fanaticus error pater patratus. Iupiter. Mars. christus dei filius

[H3v] CONSULTATIO BAIAZETI ET SULDANI. Ignave mentis Tyrannus foret: qui minis christianorum ita terretur. ut positis Armis se sponte. nec coactus Capiti alieno subiiceret. Maximum denique probrum Tyranno foret: cui tot urbes totque bellice. nationes servirent non visis hostibus cervicem inclinaret. 420 Questibus vanis / Catholici principes: iras adversus nos agunt: non sumus adeo imbelles enervesque ut istuc decretum bellicum pectora nostra invictissima metu graviori percellat. ______________ 407 Reges ] Regis. Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 409) erwähnte Illustration. 416 terretur ] terreretur. 422 invictissima ] iuictissima.

probrum Tyranni. decretum bellicum.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

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[H4r] bellici nostri sudores: paternaque facinora achillis larissei: hectoris Troiani hannibalis Carthagensis: romanique scipionis res. gestas obfuscant. Quid gessit Amphitrioniades: quem poetarum historicorumque laudant preconia: quod gloriam nominis nostri possit excedere. cristarum caput anguis gemina ferentis ora teneris fregit articulis! Menali pernix fera auratum preferens caput. herculeo deprensa est cursu. lacertis iuvenilibus Leonem maximum Nemee silve compressit: et spolium fului tergoris indutus est! Quid stabula famelica bistonii gregis memoro! quid aprum Erymanthi iugis solitum! quid Suem Archadia quatientem nemora! quid greges memoro hesperie gentis: quos pastor triformis cartessii littoris custodivit: quid auricoma hesperidum mala! que necato dracone vigili invicta abstulit manu. Notus labor herculeus ab occasu ultimo: penetravit etiam solis estivi plagas: nihil intactum herculea clava mansit: Quid Alexandrum Macedonum Regem memoro! nihil hii gessisse creduntur: quod Thurcorum victorias superare queat. Sentiunt christi cultores: quot urbes: quot denique insignes populos Mahumeteo iugo victor subiecerim: Mihi serviunt innumere gentes: mihi servit hellespontus Magnaque pars Asie: Gretia tota me dominum fatetur: bizantium Regem me salutat ac imperatorem Othomannidum Stemmate vetustissimo multa fulgent palatia! Expedit iam totis fremere armis: classes rostratas struere: trabes nectere: et geminum mare quod potenti sceptro gubernamus: turritis Navibus occupare. Invisaque christianorum Capita Arborum Truncis Stipitibusque affigere. Sed Age Consors secte nostre: Mahumeticeque legis cultor. Suldane Maxime: Manum [H4v] foederis porrige. et quid in hoc bellico tumultu agendum censeas. effare quaeso.

SULDANUS. Funesta ex decreto prelia. Proceres christiani. nobis indixerunt. hostibus occurrendum. ne nos improvisos subita clade / impetuque festino conterant. non sunt nobis ignave manus. non est fracta virtus. sunt copie innumerabiles. est apparatus martius armis et 455 militibus fortissimis circumdatus. quo cum per orbem christianum superbamque italiam facile penetrabimus. Apparatum congregandum censeo ut facinora nostra posteritas probet. Audiendum est facicinus attrox. cruentum. ut pusilli principes Robur invictum atque potentiam insperatam cognoscant. Vires tue militares. baia______________ 431 bistonii ] bistomi. 443 Regem ] Regi.

Achilles. Hector. hannibal. Scipio. Memoratio herculei laboris. Stabula gregis bistonii. Triformis pastor. alexander magnus. Christi cultores hellespontus bizantium. othomannides suldanus consors thurcorum suldanus

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

460 zete Maxime. mortalibus non sunt incognite. virtus tua incomparabilis est. Satellitibus fortissimis Aula tua fulget, nec te preterea latent. Carrarum ac babylonie opes magnifice! nec Assyriorum Canopique potentia tibi incognita est! Quid super est? ulciscamur hostes superbientes. militares copias / ex tota Asia cumulemus ut 465 orbis spatiosi climata nostrum adventum timeant. BAIASETUS. Metus non cogit nos ad bellum! sed nostra sponte / alacres fovemus animos: et hostes marte bistonio lacessere cupimus longeve posteritatis / gloriam adipisci gliscimus: et a factis. rebusque gestis magis laudari quam voce studemus. Nihil reliqui est! post fata 470 cineresque / Tyrannis: quam fame volucris: que per universum terrarum orbem bellicosissimi cuiusque principis / facta tubali voce predicat. Regnum avitum paternumque multis exuviis decoratum: aurato sceptro fulgidum: potenti dextra possideo! tali non contentus imperio. Externas regiones subiugare conabimur. Tre475 munt christiane cohortes: quorum cruorem atque sanguinem sepe victores [H5r] effudimus: Tremunt ausonii. quibus enses falcati letum atrocissimum parant. Proinde. Rex suldane. antequam se firment christigene. aut vires parent. subiungantur. claram Rhodum inprimis aggrediemur. que nobis obiecta. classibus nostris com480 meatum occludere potest. delenda est funditus. et solo adequanda. SULDANUS. Per Regna que potenti sceptro possidemus. subitos mittam rumores. ut omnes populi in turmas coeant. nullaque imperii nostri urbs a bellicis expeditionibus sit immunis nostri foederis pactum hec fieri postulat. Animum capiamus in hostes. qui mahumetice 485 Religionis sanctitatem impugnare moliuntur. Pietas nostrum quemque movet ut patrios lares defendamus. et inimicos urbibus nostris insidientes vi bellica procul ammoveamus. Agerumpe moras. consors foederis. Sonipedes volantes ac flexiles para. Currus strue triumphales. Elephantibus indicis. et telis parthicis in 490 subsidium. progressurus veniam. BAIASETUS. Nullum obmittam facinus. et nullum satis erit. donec christi cultores contritos ac perditos conspitiam. Tumultus pectus nostrum ______________ 464 tota ] iota; cumulemus ] commulemus. 475 sanguinem ] sangniuem.

Carre Babilonia. Assyria Canopus baiazetus

Laudari a gestis est pulchrum Iactatio de seipso

Apostrophe

suldanus foederis pactum Patria est defendenda. Elephantes baiazetus

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

attonitus quatit. penitusque ad arma voluit. et rapior. dii inferi. me diis inferis ad belli molem sollicitant. Mugit e fundo tellus. et eumenidum movetur 495 cohortem in lucem mittit: pluto. Assiste tu. et rebus imminentibus thurcus. auxiliares prebe copias. classicum undique pulsabimus. ad quod et maria. et terre sonitum dabunt. SULDANUS. suldanus Concordi federe in faucibus hellesponticis et in aulide promon- Aulide. torio conveniemus. ut extemplo finem bello simus imposituri. 500 Comitabitur iter nostrum propheta quem colimus. qui nobis deos favorabiles reddet. BAIAZETUS.

baiazetus Iupiter qui Trisulcum fulmen torques. qui sydera sub pedibus trisulcum cernis. da nobis [H5v] nostroque exercitui: victoriam: da trophea fulmen splendida: et dextera rubenti hostiles incende penates: Sed iam 505 hostes / fines nostre regionis pedibus calcant. occurrendum est: quid moraris? liticen emitte classicum ut illico in armis adsit exercitus.

CLASSICUM Mahumeticos excitat

5

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Miles theutonicos surgit Nostris imminet hic Agris [H6r] Bellorum posuit minas Horrendas sonuit tubas Hunc forte exagitat furor Gliscens et scelere Agredi Sceptrum / principibus bonis Missum de supero iove Secum Romululas trahit Turmas: et galeis micat Tellus / et mare ponticum Ponunt insidias truces Thurcis / et scythicis viris: Gentes atque Asie metu ______________ 501a BAIAZETUS ] BAIAzEVVS. 505 occurrendum ] occurrendnm. 506 liticen ] liticem. M502 trisulcum ] trisultum. Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 409) erwähnte Illustration. 1 surgit ] surit.

Sceptrum a Iove missum Tellus ponticum. Scythici viri Gentes

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Grandi concutiunt / fidem et nostram cupiunt procul Istis pellere finibus. Fortis lancea militis Strictus Mucroque perforat Magne limina thratie. Reges conveniant licet Qui gentes agitant feras. Euxinique vadum freti Et rubri vada littoris Servant imperio gravi. Et qui caspia fortibus Claudunt sauromatis iuga Hostes iam celeres premant Ne nostris laribus manus Sevas casibus inferant. Surgit danubius ferox surgunt adriatici freti Fluctus nunc tumidi: domos [H6v] Nostras mergere gestiunt Scutum sumite lucidum Et frontem galeis duces Fortes cingite! Regibus Fas est Regna tuerier Urbes sternere Machinis Nostras Christigene parant Pulso classica bellica Mentes excito Martias Nobis mors gravis incubat Ignotus moritur sibi. Qui non consilio bono Tutatur patriam suam.

______________ 32 adriatici ] adriaci.

Asie.

Thratia euxinium fretum rubrum littus Caspium iugum.

danubius Adriaticum fretum.

christigene Mors gravis

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

[H7r] ACTUS QUINTUS.

expeditionem christiani exercitus continet. loquitur dux et vexillifer crucis et aquile.

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Barbara foelici calcamus Regna cohorte. Castraque Thurcorum petimus nun milite forti Iupiter excelso qui rex dominaris Olympo Celicoleque pios nobis largite triumphos In manibus vestris ruttilis victoria vittis Exornata micat. cupiens se tradere nobis. Aspectus phoebi nitidos. luneque salubres Auras. et radios celi prestate secundos [H7v] Sacra crucis manibus promptis vexilla feremus Et titulos summi divinaque sceptra tonantis Iam date opem famulis et candida fata benignis. Corporis invictum: superi: concedite robur. Atque animi vires: validos et pectoris artus Audiat ut geminum lituos et classica fretum Victricesque aquilas videant tentoria thracum Thurcorumque cohors Asie quoque perfidus hostis. Tristia nunc contra gentes hec bella paramus Que centaurorum vasto de semine nati. Aetherea te: Summe pater: propellere. sede Conantur: manibus cumulant nunc arma prophanis Phlegreus turmis et torvo milite campus Obsessus trepidat. vasti coiere gygantes. Expugnare polum cupiunt et Regna tonantis Convolitant gentes Asie: scythicisque sub oris Edita gens furiis bellorum concita diris. Iam preceps in castra ruit: galeasque fatigat Thurcus adest Magnus: ruit et suldanus in armis Assirie venient ad tristia prelia carre Et babilon: Turmas et tellus flava canopi. Armat: et exertas pharetras et spicula vibrat. Isthmos terra levis. Sotios et Achaia mittit Auxiliumque feris ducibus nunc Gretia prestat. Sed tu: summe pater: cui magnus servit olympus. Cui nox atque dies: reddunt sua debita semper Cui rutilus servit Titan: cui pallida phoebe: ______________ Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 409) erwähnte Illustration. 27 suldanus ] suldanns.

heroicorum carmen olympus Celicole victoria vittis exornata. phoebus Luna Vexilla crucis Sceptra. Litui classica. tentoria cohors Centauri phlegreus campus.

Thurcus suldanus Assirie. Babilon Isthmos Achaia. Gretia. Titan Phoebe.

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

Nocturnum obsequium prebet: cui sydera celsa. Cui mare: cui tellus: cui servit machina mundi. Auxilium largire tuis cultoribus: e heu. In nos arma ruunt. forti tu fulmina dira. Mitte manu: populos rabidos interfice: qui te [H8r] Contemnunt /arasque tuas / Cultusque lacessunt / Et iugulant quicumque tuum prece nomen adorant Iam tuba bellitonans sonuit: lituusque vocavit Magnanimos in castra viros: dux iussit eundum est. Tu pater usque fave. meritos concede triumphos Nominis ecce tui deperdere gliscimus hostes. Et rabiem sedare ducum. quos impius error: In tenebras ducit Crassas herebique latebras. Aspice magnanimos tutores. Aspice fortes. Cultores fidei. quam olim tua magna potestas. Constituit nobis. magna et pietate dicavit. Gens tua christe sumus. divinam foederis archam. Et tu signa crucis contra nunc dirige turbam. Thurcorum / qui sacra crucis signacula spernunt Nunc age rumpe moras. rabiosam diripe gentem Qui colis etherei leges et iura tonantis Iam nos tutantur superi. commilitat ether Nobiscum. in manibus sedet et victoria nostris. Theutona terra vale. tetros penetramus in hostes.

Machina. fulmina Tuba Lituus. Dux exercitus Herebus

Archa federis.

Aether. Theutona tellus

[H8v] FAMA

nuntiat Thurcum et Babilonios esse prostratos A Christigenis O pectora christigenum longis hebetata malis! et miseris vexata Calamitatibus: exultate: plaudite: Iubilum ciete: Sollicitas ponite 510 curas: fugiat inveteratus meror: gelidus procul pavor expellatur! Fugiant exilii comites trepidi: Tristis egestas: et pudoris violentia: Iugum mahumeticum: barbaricique gregis capistrum nemo amplius nos ferre coget: plena sum gaudio: plena exultatione: vix actum prelium recitare queo. O vos principes et cultores Sacrosancte 515 Romane sedis gratulamini: deus noster stabilem fidei Catholice gradum figit! Magno de culmine lapsum est Thurci Regnum. Babilon cecidit [I1r] super terram: et beel deum suum deinceps ______________ M36 Machina ] Machia. M52 Archa ] Araha. 59 Theutona ] Thetona. Ü Unter der Überschrift befindet sich die oben (S. 409) erwähnte Illustration.

Nuntius fame. Exilii comites Capistrum apostrophe

Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

non venerabitur. Nuntio. vobis. O christigene: prostratos. in euxini ponti littoribus atque acteis stationibus Mahumeticos esse cul520 tores. Strage misera contrita sunt barbarorum Castra: constantinopolis: claraque gretia de manibus baiazeti Othomannidum Tyranni liberate sunt. Titubat peloponessus. tremunt bistanii lacus: Asia trepidat. ne funditus a militibus nostris diruatur. Redeunt crucigeri milites cum opimis spoliis. Cum ingenti captivorum pompa: cum 525 celebri triumpho: hostesque victos Compedibus ligatos: currus nostri trahunt: in hastis elevata. Thurcorum gestant capita: celebrate diem hunc magnis plausibus. Rediit felix fortuna nobis: miseram sortem rebus letis mutavimus.

445 christigene constantinopolis bistanius lacus.

[I1v] TRIUMPHUS Plausibus quisquam celebrem triumphum [I2r] Laudet et summum precibus Tonantem Huius ut pompe statuat perennes Blandus honores. 5

Huncce nunc mollis puer et puella Efferrant currum iuvenes Senesque Lucidis gemmis rutiloque tigno et Ebore Tectum.

10

Insidet gentis superata prave Turba: servilem pedibus ligatis Iam domum: spurci tenebrasque crassus

Plausus triumphancium christianorum. Puer. puella Iuvenis. Senex. Ebur Clades thurcorum

Carceris intrat

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Luce deserta nitidaque solis Fronte / nunc Thurci miseri carebunt Nocte sunt digni / latebrisque tetris Exilioque Hii fidem Christi gladiis cruentis. Sepe verterunt: tamen ipsa victrix Gentis in sella trahitur curuli ______________ 521 Othomannidum ] Othmannidum. 522 bistanii ] bistonij. 523 ne ] me. Ü Unter der Überschrift findet sich die oben (S. 409) beschriebene Abbildung. 15 latebris ] lateris.

Pena thurcorum fides christi: Sella curulis

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Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

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Plausibus almis Victa gens sacrum sequitur triumphum Audit et voces iuvenum canoras Audit Argutum Cythareque plectrum / Carmen et ingens

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[I2v] En triumphalem celebremque currum Hunc trahunt leti nivei caballi Fronte: victrices ferit et rotas nunc Ungula pernix Fulget et currus Spoliis opimis Et vehit secum fluvios et urbes / Arte depictas: vehit atque regum.

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sacer triumphus. plectrum cythare. Carrus triumphalis Spolia opima urbes picte

Sceptra potentum. Currus externis opibus refertus Splendet: et cinctus tyrio colore Purpuras gestant humeri superbi

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Tergaque Regum Roma celestem resona tonantem Canticis sacris: cole faustitatem Quam tibi dextra tribuit potenti. 40

Rector olympi

Tirius color purpura Roma faustitas Rector olympi. dominus deus.

Plaude tu victrix Alemanna pubes Tu feros Thurcas: populos cruentos Tu Mahumeti Saniem prophani Iam superasti. 45

Viribus magnis Spatiosa terre Regna devincis tu alemanne: christo / Nunc genu flexo dominoque nostro Porrige Thura Hic tibi claros tribuit triumphos Pacis hic auctor. stabilivit arcem Romulam: sacre fideique sanxit [I3r] Dogmata vera

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______________ 26 leti ] letae.

Laus alemannorum

Anhang II: Tragedia de Thurcis et Suldano

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Plaude qui cernis celebrem triumphum Plaude qui Sellas trahis et curules Plaude qui cernis superata stantis Aequora ponti

EPILOGUS AD SPECTATORES

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Audistis fidei devota mente querelas Audistis lachrimas mestiferosque modos Audistis populi spurcissima probra superbi: Consilium Regum: quos mala secta premit. Audistis pape sancti mandata: potentis Caesaris et iussus Consiliumque probum Audistis pariter Tragico dictata cothurno Verba sed iambis non mea scripta volant. Audistis quam sit nostris Rhamnusia rebus Infesta / et fractis sit modo structa rotis. Vidistis celebrem turba comitante triumphum Vidistis nostri laurea serta ducis: Morsibus a diris tenerum servate poetam Perstet ut eterno gloria parta gradu. Se tibi commendat lector philomusus Amice Perlege: quod numeris scripsimus ecce novis Actum in Celebratissimo Friburgensi gymnasio A Iacobo locher Philomuso Ehingensi Poeta laureato. Regnantibus Alexandro Summo pontifice / et divo Maximiliano Romanorum Rege semper Augusto Idibus Maiis. M.cccc.xc.vii. ƔƥƫƯƲ

______________ 10 modo ] modis.

447

Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis Überlieferung Das »Spectaculum … de regibus et proceribus christianis« ist gemeinsam mit dem »Iudicium Paridis« erschienen, ohne eine Angabe von Druckort und -datum, vermutlich aber bei Hans Froschauer in Augsburg, nach dem 26. Juni 1502. HEIDLOFF beschreibt den Band unter A. XXIV.a (S. 64f.). Auf der Grundlage älterer wissenschaftlicher Literatur1 rechnet er auch mit der Möglichkeit, dass das »Spectaculum« schon vor der Aufführung des »Iudicium«, also bereits im Februar/ März unter dem gleichen Titel als Einzelveröffentlichung erschienen sein könnte.2 Anhand des Überlieferungsbefunds ist dies aber eher unwahrscheinlich. HAIN dagegen verzeichnet unter Nr. 10159 einen gemeinsamen Druck der beiden Dramen und der Totenrede auf Herzogin Hedwig. Ein Exemplar dieses Drucks aber kann nicht nachgewiesen werden; vermutlich bezieht sich HAIN auf einen nachträglich zusammengebundenen Band. Am 5. 4. 1522 hat schließlich das »Spectaculum« in Krakau eine Neuauflage erfahren.3 Auch von diesem Druck ist kein Exemplar mehr nachweisbar.4 Der Band von 1502 ist folgendermaßen aufgebaut: a1r

a1v–b4v c1r–e4r e4v

Titel: Spectaculum a Jacobo Locher. more tragico effigiatum. In quo christianissimi Reges. adversum truculentissimos Thurcos consilium ineunt. expeditionemque bellicam instituunt. inibi salubris pro fide tuenda exhortatio. Eiusdem iudicium Paridis de pomo aureo. de triplici hominum vita. de tribus deabus. que nobis vitam contemplativam. activam. ac voluptariam representant. et que illarum sit melior. tutiorque. Spectaculum more tragico concinnatum de regibus et proceribus christianis. qui contra Thurcorum insultus arma parant. foedusque constituunt. Vexillum Crucis. Holzschnitt: (Fronleichnams-) Standarte mit Kruzifix. Spectaculum de iudicio Paridis. de pomo aureo. de tribus deabus. et triplici hominum vita. Pomum Aureum. Holzschnitt: Kugel mit Schriftband: Detur digniori. (leer)

______________ 1 2 3

4

BAHLMANN 1893, S. 14; HEIDLOFF, S. 63. ZAPF, 1803, S. 103; BAHLMANN 1893, S. 14; GÖLLNER I, Nr. 152; HEIDLOFF, S. 63f.; KOROTAJ, S. 218f. Ich danke Herrn Dr. hab. Zdzisâaw Pietrzyk für seine Durchsicht des Zentralkatalogs für alte Drucke in Polen. Bei dem von KOROTAJ, S. 219, genannten Exemplar in der Bayerischen Staatsbibliothek handelt es sich, wie Frau Dr. Claudia Fabian (BSB) bestätigt hat, um einen Augsburger Druck aus dem Jahr 1502.

Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

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Folgende Exemplare des »Spectaculum« sind nachweisbar: – Palatina Heildelberg, St. Pal. IV. 1227.9 – British Library London, 11712.bb.2 – SB München, 4° Inc.s.a.1175 – SB München, 4° Bavar. 2120,X,35(1 – SB München, 4° L.lat. 52 f(3 – SB München, Res/4° P.o. lat. 748 (10 – StSB Augsburg, 4° NL 292 – StSB Augsburg, 4° Ink 451(Beib. – UB München, 4° P.lat.rec. 24b – ÖNB Wien, 108, 469.B – Beinecke Rare Book and Manuscript Library5 Außerdem befindet sich ein Exemplar derzeit im Besitz des Antiquariats Gilhofer & Rauschberg, Luzern.6

Inhalt Der sehr kurze erste Akt von Lochers »Spectaculum« besteht aus einem Klagelied über die Verbrechen in der Welt und einem Ruf nach einem Einschreiten des göttlichen Richters. Aus dem argumentum erfährt man, dass es sich hierbei um die Rede des Erzengels Michael handelt, der dem Papst erschienen ist. Akt II: Der Legat des Papstes fordert Maximilian zum Türkenkrieg auf. Dieser zeigt sich bereit für einen sofortigen Beginn des Kreuzzugs, und so beruft sein Herold die Könige und Fürsten Europas zum Konzil. Der Chor ruft nun seinerseits zum Kreuzzug auf; niemand könne sich dem entziehen. Akt III: Unter Berufung auf Karl den Großen versichert zunächst Ludwig von Frankreich seine militärische Hilfe und seine Entschlossenheit für eine Zusammenarbeit mit Maximilian. Dann tritt der König von Spanien auf und betont seine Bereitschaft und die Notwendigkeit für Spanien, Sizilien und Portugal, gegen die Türken zu kämpfen. Für den Norden sagt der König von England militärische Hilfe zu. Der König von Ungarn tut dasselbe in seinem Namen und im Namen des Königs von Böhmen und Litauen. Schließlich sichern auch die Schweizer ihre Unterstützung zu. Abschließend bittet der Chor Gott um seinen Schutz für die christlichen Truppen. Im vierten und letzten Akt unterhalten sich der Fürst von Rhodos und der Heerführer der christlichen Könige. Ersterer berichtet von dem Wunsch der Griechen, wieder ins christliche Gebiet und zum Christentum zurückzukehren, und schlägt vor, dass die Flotte sich von Brindisi aus zunächst in Richtung Rhodos und Kreta aufmachen sollte. Beide zeigen große Siegesgewissheit. Schließlich eröffnet der Heerführer den Kampf. ______________ 5 6

PRICE, S. 23. Ich danke Herrn Axel Erdmann, Direktor des Antiquariats, für diese Auskunft.

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Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

[a1v] SPECTACULUM MORE TRAGICO CONCINNATUM

de regibus et proceribus christianis. qui contra Thurcorum insultus arma parant. foedusque constituunt. Vexillum Crucis. [a2r] Ad Illustrissimum principem Georgium

utriusque Bavarie ducem fortunatissimum. EPIGRAMMA PHILOMUSI. Quom sis dardanio princeps de sanguine natus. Hectoris et referas stemmata prisca tui. Cum sis diviciis pollens. stipatus et amplis Gentibus. et morum sis probitate bonus. Quom sis veridicus. cum sis servator honesti. Virtutis cultor sis quoque conspicuus. Me trahis. ut scribam clari monumenta laboris. Candida que tollant nomen in astra tuum.

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Ad invictissimum ac magnanimum principem Georgium ducem Bavarie. comitemque palatinum rheni. inter germanos proceres illustrissimum. IACOBI LOCHER PHILOMUSI EPISTOLIUM. Scripsimus iamdudum nutheticon carmen. ad rei publice christiane principes. in quo quedam mysterialia ac vaticinantia posuimus. quibus ardor fidei nostre. et defensio christiani nominis contra prophanissimos Thurcos. geticosque latrones exacueretur. movit me imprimis ad scribendum multorum hominum calamitas. 5 qui sub iugo Thurci cruentissimi. qui sub durissima servitute immortales penas. infinita supplitia. mortes crudeles experiuntur. quis tam saxeus. quem communis catholicorum conflictus non moveat. quis tam socors. qui in tanto thurcorum occursu non expergiscatur. movebit et te princeps christianissime. [a2v] infelix miseraque mortalium sors. quos sevus ensis undique iugulat. quos restis stran10 gulat: quos flumina mergunt. quos denique volucres rabidique canes lancinant. Accipe nostrum effigiatum sub certis regibus spectaculum. quod in tuo studio Auripolensi. frequenti nobilium caterva lusimus. Deus faxit ut res christiana te adiutore salubriter restituatur. Vale.

______________ Ü Unter der Überschrift Vexillum Crucis befindet sich die oben, S. 450, erwähnte Illustration. 3 Thurcos ] Thurcas.

Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

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ARGUMENTUM SEQUENTIS ACTUS Summus pontifex et christi vicarius ab angelo Michaele admonitus. indulgentias populo christiano dispensat. regem Romanorum semper augustissimum per suum legatum hortatur ut bellum adversum Thurcos capiat. reique publice christiane subveniat. Rex augustissimus efficaciter commotus. reges christianos in subsidium 5 vocat per heraldum. Consilium init et concludit. nullo regum et principum discrepante bellum esse suscipiendum. et cum magnis apparatibus in hostes pergendum. auditores spectate rem novam. et lectu dignam.

ACTUS PRIMUS. Carmen nutheticon contra perfidos Thurcorum insultus.

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Quom deus omnipotens nuper per candida vultum. Astra coruscantem terris demitteret imis. Vidit grande nefas. quod toto serperet orbe. Quodque truces animas tenebroso mergeret orco. Percitus irarum stimulo. gravitateque motus. Infandi sceleris devexi rector olympi. [a3r] O tu celicolum rector et arbiter Presens huic misero consule seculo Da mortem rigidam damna merentibus. Da castis animis stamina vivida Da celi dapibus perpetuo frui.

ACTUS SECUNDUS continet Legati mandatum.

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LEGATUS REGEM ALLOQUITUR. Austriace sobolis rex Maximiliane. quid usque Permittis geticas bello dominarier arces. Sis memor invicte dextre: qua sepe rebelles. Stravisti cymbios. et sevo marte sycambros. Res tua nunc agitur: gladio tu cinctus acuto Defensare sacras accito milite leges Iure tuo debes. albisque referre caballis Captivos currus. pictasque ex ordine gentes. Et fluvios. quos hister adit. quos evomit ingens Meotis. pontusque ferox. quem mesta spectat. Promptus in arma veni. proceres compelle superbos

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Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

Ut sortem belli capiant. linquantque suetam Obstipi capitis rabiem. patriosque furores. Te deus aeneadum sceptro prefecit. et orbem Subdidit imperio. spatiosum. quem tua virtus Temperat. auspitio populum defende fidelem. Ecclesieque choros. felix tibi serviet astrum. Rex ludovice tuos gallos. christataque profer Agmina. burgundos mittat dux ille philippus Altera spes rome. veniat vasconia pugnax. Cantaber hastatis in bellaque iusta lacertis. Anglia suppetias torvo cum brittone mittat. [a3v] Et dacus et batavus. nunc cum saxone prutenus Adveniant. boique simul cum francone pergant. In sortem belli nec sit mora longa suevis Helvetiisque viris. phrameas torquere potentes. Qui didicere suas. latium coniuret ubique Rex quoque parthenopes. venetus nunc proferat alnum Illyricumque sinum quatiat. sit dalmata velox Atque ligur properet celsas producere naves. Saltat in occursum thurcus. qui sanguine nostro Conspurcare cupit buccas. foedamque tyaram Vos mundi proceres. mentes pulsare fideles Cordaque. quid prodest tam pigro vivere voto Quid sumus ad sordes alacres. de paupere lite. Quid tam sevimus. de lana sepe caprina Concutimus clypeos. patriisque tumemus in armis Sed modo torpemus. gladios modo deside dextra Volvimus. et telum digiti iaculare recusant. Quom rabidus nostras thurcus procurrit in oras. Descinditque crucis ferro sanctissima templa Et populos miseros iugulo constringit atroci. Currite theutonico proceres de sanguine nati. Clangite bellisonos lituos. contundite vasta Tympana. precipites fidei succurrite rebus En erit in celis merces amplissima. laurus Et perpes dabitur victoribus. altaque sedes. In qua celestes possunt spectare triumphos.

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______________ 43 foedamque ] foedumque.

Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

RESPONSUM REGIS AD LEGATUM Orator summi pape tua grandia verba Me trepidum faciunt. concutiuntque iecur. [a4r] Sed movet imprimis lugubris questio sancti Pontificis. cura qui tremit usque gravi. Nec minor ardor agit nostre precordia mentis Qui prodesse sacro gliscimus imperio. Hoc opus. hic labor est. me custodire secures Et fortes aquilas romulidumque lares. Est nobis armata manus. sunt martia pila. Sunt nobis galee. pictaque scuta virum Nec desunt animi motus ad bella calentes Omnia nos cupimus. que tua verba rogant. Sed quia sunt alii reges. quos equa voluntas Forsitan ad belli dura pericla trahit. Qui sunt divitiis magni. clypeisque potentes Qui multos populos sub ditione premunt. Qui crucis arma gerunt. fidei qui dogmata sancte Impolluta tenent. christicolasque regunt. Protinus hos reges manibus belloque valentes Preconis nostri voce tubaque citem Illis consensu licito mandata supremi Pontificis referam. sollicitasque preces. Preclarum facinus. pugnasque subire negabunt. Quo pacto. cunctos gloria celsa manet Nil modo cunctabor. iam pridem solus in armis Vastassem geticas. bistoniasque domos Sed me continuit pugnax germania. multis Circumventa dolis. atque latrociniis Quis nunc pacatis. pergam quo summa tonantis Sceptra vocant. fortes experiarque manus.

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[A4V] HERALDUS REGIUS AD CONSILIUM VOCAT REGES ET PRINCIPES. Accelerate gradum reges. ex ordine primus Gallicus. hyspanus rite secundus eat. Tercius accedat vittatus pannonus. atque Anglorum quartus rex quoque conveniat. Rex sedet aeneadum solio venerandus in aureo. Expectans proceres. consiliumque parat. ______________ 80 mandata ] manda.

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Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

Nec mora vos tardet. quoniam discrimine sacrum Fluctuat imperium. christicoleque tremunt. Accelerate gradum. promptasque extendite dextras. Vobiscum blande maximilianus aget. Commoda nil proprii regni curate. laborem Sumite pro christo. salvificaque fide. In celis dabitur merces dulcissima. pro qua Fortia debetis signa subire crucis. CHORUS SAPPHICUS. Quisquis eternum cupit ad nepotes Nomen efferri. celebremque famam Impiger duros subeat labores Pectore forti. Candidos virtus generat triumphos. Et parat laudes sine fine claras. Sedibus fortes locat. et beatis. Militiamque Nemo nunc lassus fugiat tumultus Bellicos thurci. rabiemque sevam. En deus martis getici furores Perdet atroces. [b1r] Ferte nutanti fidei supremam Nunc opem belli proceres fideles Vosque thurcorum manibus profana Scindite templa.

ACTUS TERCIUS continet regum consilium et votum apparandi belli contra Thurcum. 120

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REGIS FRANCIE VOTUM Grande nefas fateor contingit tempore nostro Quom thurcus rabidus celica templa ferit. Quom mactat populos. fidei succendit et aras. Bachantis cybeles turpia facta sequens. His rebus iuste moveor. mestisque querelis. Quas fundunt summi nuncia pontificis. Rex ego gallorum. fulgens virtute paterna Bellorum specimen. et benefacta sequar. Carolus ille quidem magnus cognomine dictus

Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

Dat stimulos belli. dat monumenta mihi. Degenerare pudet. veniam quocumque vocatus Adversus moschos. sauromatasque truces. Dummodo sint aliis tam prompti pectora martis Regibus. auxilium suppetiasque ferant. Quicquid habet ratium spectandis rhodanus undis Quicquid habet peditum sequana. quicquid arar Quotquot habet cristas equitum parrhysius orbis O rex armabo maximiliane tibi. Ut coniunctus eam per dura pericula belli Suadet amor fidei. suadet avitus honor Hoc tamen inprimis claudit sententia nostra. Atque calens animus utile volvit opus. [b1v] Ut nos concordi iungamus foedera nexu. Belli communes et cumulemus opes. Sit quoque pax nostris populis indicta severis Legibus a tergo sic timor omnis abit.

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REGIS HYSPANIE VOTUM. Et si preteritis magno pugnauimus annis Exitio. contra bethica regna diu. Et stetit ancipiti bellorum marte triumphus Post tristes clades. luctiferasque neces. Dum mauros ultra calpen detrusimus. atque Fundimus in medio martia castra freto Granati regnum pugnas testatur atroces. Herculeis statuis emicat ipse cruor. Ergo satis duros casus suscepimus acri Pectore. quos superum comprobat altus honor. En mahumeti vanissima secta furoris Cessit ab hyspano littore. terga dedit. Emeritam spectare rudem. pacemque videbar Sed gravior belli. me modo cura rapit. Post habitis cunctis nihil istos differo motus In thurcos cupio proximus ire comes. Ferreque presidium rostratis navibus. atque Iungere sicaniam. sardiniamque simul. Haud mora tardabit. quoniam discrimina rerum Excelse puppis vela levata petunt. Mecum aderit. magnum quem portugallia regem

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142 iungamus ] iungemus.

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Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

Eligit. et capiet foedera sancta libens. Rex quoque parthenopes proceras construit alnos. Ut sotius belli per mare fidus eat. [b2r] Sunt mihi iuncta quidem burgundi castra philippi Impiger in thurcos qui modo signa levat. Omnibus hoc votum placuit. suspendere bellum Nemo velit. pietas hoc docet atque fides.

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REGIS ANGLIE VOTUM. Sim licet occiduis zephyris rex proximus. equor Et teneam gelidum. barbaricumque fretum. Sim licet extremo divisus littore ponti Et spectem thulen. oreadasque vagas. Non tamen assensum glisco transcendere regum. Qui contra thurcos classica vasta sonant. Excusare potest distantia magna locorum. Anglorum tardi vota ministerii. Nos sumus in sabulo. mundus non continet alter Tundimus extreme thetyos ecce lacus. Sed quid ego tantis ambagibus implico sensum. Et moror ambiguo celica vota pede. Hem placet. ut sevos gladios acuamus in hostes. Perdere qui tentant. iura fidemque dei. Albion omnis adest. rutupinum littus in unum Iuravit. cunctas dispulit atque moras. Signa dabunt superi. veniet victoria perpes. Haud dubie sacrum nos movet auspitium Concordes igitur scytichum sulcabimus aequor Ut trepidet sestos. atque niualis athos. Omnia polliceor. que nostro subdita sceptro Prosunt militie. christicolisque viris

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[B2V] REGIS UNGARIE VOTUM. Rebus christigenum bene consultare necesse est. Tempus et instantis expetit exitii. Nam nisi tam subitos pulsemus marte tumultus Actum erit. et thurcus omnia regna premet. Sunt mihi nota lupi crudelia furta rapacis. Est mihi nostra fames. et miseranda sitis. Insatiatus adest. nostro de sanguine tingit.

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______________ 186 acuamus ] acuemus.

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Ingentes cyathos. guttura cruda lavat. Tygridis hyrcane catulus non sevior ullus Est thurco. rabies immoderata furit. In me tela gravi congessit pondere. cautus Et profugus latro. transfuga. foedus homo. Sepius horrisono lituo consedit ad histri Ripas irriguas. terruit atque viros. Predator geticus nullo moderamine bellum Infert. insidias consuit ille meras. Ut lupus in stabulum noctu proserpit ovile. Ut furtim pullos vulpis iniqua vorat. Clam sic ingreditur grassator perfidus oras Ungarie latas. histricolasque rapit. Idem vulnus habent bosnus. pugnaxque valachus. Histria supremum sensit et exitium. Noricus ustus ager testatur et illyris. atque Dalmata vesani funera supplicii. Quid modo lamentor. totus nunc clamitat orbis Adversum thurcos. barbaricosque duces. Adsum. nec trepidas soleo conferre cohortes. Impiger et turmas connumerare meas. [b3r] Non istud renuit frater. rex ille polonum. Spondet presidium. militiamque legit. Mecum aderit bohemus. quemque et lituania magnum Ductorem statuit. iamque moravus adest. Frustra tardamus. fallax incendia thurcus Astruit. et iugulum supplitiumque parat. Quicquid enim reges nostra de sorte fideles Concludunt. faciam. iamque paratus ero. LANCEARIORUM NUNTIUS En ego lancigerum refero mandata potentum. In phrameis quorum publicus usus adest. Qui vibrare gessas noscunt. et cominus armis Expugnare viros. non ego solus ero. Sumite collecti coram. mea nuntia reges Est invicta cohors. que modo castra locat. Bistonias vastare casas. incendere templa Nunc mahometee que cupit illecebre. Turmas lancigerum tabulis adscribite vestris. Me quoque iuratam pollice reddo fidem.

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Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

CHORUS TRICOLOS. Solamen miserum cunctipotens pater Cui celum rutilans. astraque serviunt. Et vires validas qui Solus das animantibus. Defendas populum sancte deus tuum. Et gentem stabilem viribus augeas Divum maximilianum [b3v] Serva regibus inclitis. Maiorum statuas. da patrios lares. Bizanti resera menia principi Da nobis mahometi Vires sternere perfidas Germanos videat thratia milites. Fac thurcumque sacro pellere limine Hunc hostem sceleratum. Servas ecclesiam tuam.

ACTUS QUARTUS Rhodiorum principem et Regis capitaneum de bello differentes inducit.

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CAPITANEUS. Dic mihi nec vanum quero. clarissime princeps. Quis grecis animus. chaoniisque siet. An cupiant fidei neglecta resumere iura. Sponteque carnivoras linguere bistonios. RHODIUS Elatis manibus christum nunc invocat ampla Natio grecorum. condolet atque iugum. Et cupit ad leges fidei. Iustosque reverti Christicolas. tantum desit iniqua mora CAPITANEUS Que via tum melior torvos ductabit in hostes. Turmas christigenum. militiamque sacram.

Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

Que via prestabit comeatus. aequore vel quo. Intranda est lesbos. chalcidicumque fretum. [B4R] RHODIUS. Littore bretensii naves solvemus opertas. Et dabimus ventis turgida vela citis. Nos rhodos accipiet partim. nos candia partim Insula. christicolis rite petenda viris.

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CAPITANEUS Est tibi ne presens spes et fiducia belli Ut nostros credas vincere posse scythas Quos rabies vesana trahit. qui castra fugaci Extendunt palo. solaque furta colunt.

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RHODIUS In christo siquidem reges confidite nostro Qui dabit emerrite tuta trophea manus. Europe atque asie gentes clamoribus implent Ethera. presidium suppetiasque petunt.

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CAPITANEUS Non erit in nobis lenti cunctatio voti. Gliscimus affectu bella movere gravi. Tu dabis auspicium pugne. tu proximus acres Immittes stimulos. tu quoque ductor eris.

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RHODIUS Qui vi. magnanimi reges pugnare cupisco. Cum grais profugis. sarmaticisque viris. Nec timor obstabit. crutiato milite celsum Opplebo vallum. fluctivagosque sinus. CAPITANEUS BELLUM APPARAT. En phrameam manibus vibro. quam bellicus ardor Postulat. en sursum martia signa levo. En age rumpe moras liticen. dent classica vastos Armorum strepitus. buccina seva crepet. [b4v] Bombardis sonitum pedites nunc edite grandem. Ut metuant thurci corda severa trucis.

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269 chalcidicumque] chahidicumque.

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Anhang III: Spectaculum de regibus et proceribus christianis

Concurrant proceres. totus quoque protinus orbis Lectis militibus ad pia bella ruat. PLAUSUS Iam potes auditor resonantes edere plausus. Res mea forte bonis prodiit auspiciis . Si tibi displicuit trabeati pompa senatus. Plode meos mores. expue ridiculum. Si tibi nostra placet novitas. dic plaudere fas est Dic quoque vive diu. mi philomuse sat est.

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Actum est presens spectaculum Idibus Februariis Anno domini .M.ccccc.ii. In academia Ingolstadensi superioris Bavarie spectantibus cunctis eiusdem studii ac civitatis moderatoribus. scolaribusque. Egerunt nobilissimi ac facundi adolescentes atque viri. Philomusus author et actor. Antonius de hattstat. Theodoricus de tingen. Georgius gross de trockau. Sebastianus de fuchstain. Johannes hausner. Wolffgangus kärgl. Leonardus cantzler. Paulus retingerius. Christoferus rothan. Johannes reger. Georgius ratdolt. Ad laudem et gloriam omnipotentis dei. qui regnat in secula seculorum. Dii bene vortant.

______________ Kolophon scolaribusque] scolalaribusque.

Anhang IV: Iudicium Paridis Überlieferung Das »Iudicium Paridis« ist gemeinsam mit dem »Spectaculum de regibus« 1502 bei Hans Froschauer in Augsburg gedruckt worden. Die einzige Illustration des Texts ist, wie oben erwähnt, ein sehr schlichtes Titelbild, auf welchem der goldene Apfel zu sehen ist. Zwei auf der Grundlage dieses Drucks erstellte handschriftliche Abschriften des »Iudicium Paridis« sind überliefert: Vom Nürnberger Humanisten Pangraz Bernhaupt gen. Schwenter, der auch Brants »Histori Hercolis« bearbeitet hat, ist Ms. lat. fol. 335 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin angelegt und vermutlich 1505 geschrieben und bis ca. 1512 von Peter Vischer d. J. illustriert worden. Franz Josef WORSTBROCK und Fedja ANZELEWSKI haben sie 1986 als Faksimile herausgegeben. Sie enthält Schriften zur Verteidigung der Dichkunst sowie zur Mythologie: Heinrich Bebels »Apologia et defensio poetice et oratorie maiestatis«, Augustinus Moravus’ »Dialogus in defensionem poetices«, Lochers »Comparatio viciosa sterilis mule ad musam« und sein »Spectaculum de Iudicium Paridis« (fol. 56r–80r) sowie die »Historia de excidio Troiae« des Pseudo-Dares Phrygius. Das »Iudicium« folgt wortgetreu dem Augsburger Druck, allerdings mit einigen Auslassungen und Umstellungen, und es enthält einen mythographischen Kommentar. Seine Position innerhalb des Bands verdeutlicht seinen Charakter als Verteidigung der Dichtung im Rahmen der Trojaliteratur. In die Sammelhandschrift C VI 42 der Universitätsbibliothek Basel ist als fol. 90r–107v ein Heft mit einer Abschrift der »Iudicium« eingebunden, welche 1510 von dem Theologen Jacobus Montanus als Lehrer an der Domschule in Münster angefertigt worden ist. Auf der dem Text vorausgehenden Versoseite, dem Ende der »Prognostica« des Monanus, befindet sich ein Epigramm, welches mit Iacobus phiomusus poëta Laureatus überschrieben ist: Pelle voluptatem que turpes suadet amores, Corporis ac animi queque nociva fuge. Castus amor virtutis erit, venerisque pudendus / Dedecus, infamas auget et illecebras. Dulcis amor cives inter versetur honestas, Qui iungat dextras, conciliatque sonos. (169v)

Die Handschrift ist in eher eiliger Hand geschrieben. Die für die moralische Auslegung, welche auch durch das Epigramm betont wird, relevanten Stellen sind

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Anhang IV: Iudicium Paridis

ebenso hastig (in teils verwischten, ungeraden Linien) unterstrichen. Der Text hält sich eng an die Vorlage; Kürzungen, Kommentare und Marginalglossen wie in der Schwenter-Handschrift fehlen. Zwanzig Jahre nach dem Erstdruck erfuhr Lochers »Paris-Urteil« einen nur gelegentlich in der Orthographie korrigierten Nachdruck bei Florian Ungler in Krakau, nun mit einem neuen Titelbild: einer Darstellung von Merkur und den drei Göttinnen beim schlafenden Paris im Wald – ein Szenenbild, das eher der üblichen Ikonographie des Parisurteils entspricht als dem Text selbst. Das einzig bekannte erhaltene Exemplar des Krakauer Drucks ist von zeitgenössischer Hand dicht glossiert. In den (hier nicht in den Apparat aufgenommenen) Interlinearund Marginalglossen finden sich sprachliche Erläuterungen und auch Regieanweisungen, die auf eine Verwendung des Drucks als Aufführungstext, evtl. auch für die Uraufführung, hinweisen. Etwa zeitgleich mit dem Krakauer Neudruck, HEIDLOFF vermutet 1523/24, ist bei Johannes Singrener in Wien eine Bearbeitung des Textes von Huldrichus Fabri erschienen, welche sich als emendatio versteht und mit kommentierenden Marginalglossen versehen ist. Folgende Exemplare der Drucke sind nachweisbar: a) Augsburg: vgl. oben, Anhang III. b) Krakau: - Bibl. Jagiell. Krakau, Cim. Qu. 4831 c) Wien: - UB München, 4° P.lat.rec. 24f - SB München, 4° P.lat. 845/2 - SUB Göttingen, 8 P LAT REC II, 534 - ÖNB Wien, 76. B. 102. Nach der Augsburger Ausgabe hat Martha LETHNER das »Iudicium« in ihrer Wiener Dissertation von 1951 sprachlich stark normalisiert und mit einer metrischen Übersetzung herausgegeben. Diese Arbeit ist allerdings ungedruckt geblieben. Die folgende Textwiedergabe folgt ebenfalls der Augsburger Ausgabe von 1502, verzeichnet aber (über rein orthographische Varianz hinausgehende) Lesarten und Kommentare der anderen Fassungen im Apparat, und zwar unter folgenden Siglen: A: Augsburg S: Schwenter-Handschrift M: Montanus-Handschrift K: Krakau W: Wien Unterstreichungen und durchgestrichene Zeichen im Apparat sind aus den jeweiligen Originalen übertragen.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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Inhalt Das Spiel beginnt nach dem Prolog mit einem kurzen Eingangsbild: Jupiter fordert beim Hochzeitsmahl des Peleus die Göttinnen zum Mitfeiern auf. Da erst schaltet sich der Argumentsprecher ein, um die Vorgeschichte und den Lauf der Handlung zu erklären, bis hin zur Klage über den Tod Achills im Trojanischen Krieg. Nun kann die Handlung ihren Lauf nehmen. Discordia tritt auf, wirft den Zankapfel mit der Aufschrift detur digniori zwischen Juno, Venus und Minerva, woraufhin Merkur sie fluchend vertreibt. Jupiter schickt den Götterboten sogleich zu Paris, damit dieser sich für kurze Zeit von seinem bequemen Schäferleben verabschiede und das Urteil über die Göttinnen fälle. Im zweiten Akt erscheint dann Paris vor Jupiter, und Ganymed fordert die Göttinnen auf, vor ihren Richter zu treten. Diese geben ihre Versprechungen ab, Paris entscheidet sich für Venus und erntet den Fluch der beiden anderen. Venus beschwichtigt ihn, er solle sich nicht darum kümmern. Hier treten in einem Zwischenspiel zwei Gladiatoren auf, die um den Kranz der Venus kämpfen – und schließlich beide ausgezeichnet werden. Akt III: Paris versucht Helena zu überreden, dass sie mit ihm weggehe, doch sie (obgleich sie Paris durchaus grundsätzlich zugeneigt ist) verweist auf ihre eheliche Treue und das Gastrecht, welches Paris breche. All ihr Sträuben bleibt aber erfolglos: Cupido, der auf Anweisung seiner Mutter dem Trojaner beisteht, durchbohrt sie mit seinen Pfeilen, bis sie Paris begleitet. Wieder folgt ein Interludium: ein bukolischer Tanz von Bäuerinnen und Schäfern. Im IV. Akt wird der Ernst der Sache deutlich: Menelaos beklagt den Raub der Ehefrau und die Schmach, die ihm angetan worden ist, sowie den schändlichen Bruch seines Vertrauens und seiner Gastfreundschaft: Er hatte Paris während seiner Abwesenheit Frau, Besitz und Reich anvertraut. Agamemnon beseufzt mit dem Bruder den Vertrauensbruch sonder gleichen und rüstet sofort zum Vergeltungskrieg. Ein Bote wird ausgesandt, um Troja den Krieg zu erklären. Mit der Kriegserklärung endet die eigentliche Handlung und es treten Vertreter der drei Lebensweisen auf, um diese dem Publikum anzuempfehlen, woraufhin der Spielleiter als „Actor“ das Publikum um Applaus und günstige Aufnahme bittet. Durch die drei Schlussplädoyers wird mit nochmaligem Nachdruck betont, worum es in dem Spiel gehe: um die vita contemplativa, die vita activa und die vita voluptaria – wie es ja bereits im Titel angedeutet ist.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

[c1r] SPECTACULUM DE IUDICIO PARIDIS.

de pomo aureo. de tribus deabus. et de triplici hominum vita. Pomum Aureum.

Detur digniori.

[c1v] AD LECTOREM EPIGRAMMA. Invidus osor. iners blaterator. garrula verba Comprimat. in medium fabula nostra redit. Posteritas hanc longa manet. nec tela vetabunt Invidie. mortem sepe minata mihi. Demiror cur nam. vates castiget acerbus Livor. et exerto carmina dente notet.

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Titel A IACOBO LOCHER ƖDŽǘǛǙǛƇƐ EDITVM Zusatz S; hominum vita ] vita hominum M. K: Ivdicivm Paridis de pomo aureo inter tres deas, Palladem, Iunonem, Venerem, de triplici hominum vita, contemplatiua, actiua, ac voluptaria. W: Iacobi Philomvsi Locher oratoris et Poetae praeclari, Iudicium Paridis ludi cuiusdam instar carmine luculenter descriptum, ac nuper exactiori cura a superfluis, et erroribus antea commissis prorsus emendatum. Secutus uero est autor Fulgentii Mythologiam. Titelbild S: Der Apfel ist in einen zweiten Kreis gestellt, mit den Inschriften: oben POMVM AVREVM DISCORDIA; rechts ƑƒƂƋǞƔƊƋƂAKTIVA IVNO unten ƖƊǘƂƒƄƊƋƂVOLVPTARIA VENVS und links ƉƆƐƒƊƋƂ CONTEMPLATIVA MINERVA. Außerhalb des Kreises sind jeweils in Griechisch die entsprechenden Himmelsrichtungen genannt, oben Süden. M: Kein stilisierter, sondern natürlicher Apfel mit Blatt, über den ein Band mit der Aufschrift Detur Formosiori läuft. K: Statt des Apfels eine Darstellung des im Wald schlafenden Paris in ritterlichem Gewand, der von Merkur und den drei nackten Göttinnen geweckt wird. Der Apfel liegt zwischen Venus und Iuno auf dem Boden. Im Hintergrund der Berg Ida. W: Zierrahmen mit Cupido- und Bacchusknaben. Epigramm S: Am Ende zusätzlich Dij bene vortant. ƔƝƫƯƲ; K: Epigramm fehlt; W: Huldrichus Fabri Lectoribus quasi argumentum libelli complectens loquitur. / Quid Venus, et Iuno coniux, artisque Minerua / Excultrix ualeat, seu tribus una deis, / Inde genus triplex hominum tibi panditur apto / Carmine lector ades, dogmata sacra tene. / Ecce breui disces quae sint mortalibus omni / Tempore, quaeue minus nunc fugienda procul / Quisquis amat celsae uirtutis culmina, semper / Illecebras temnet corporis, atque scelus. / Hoc sentit Philomusus, ad hoc iam musa Poetae / Docta canit, dubitas? Mox lege certus eris.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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Displicet ingenium. quod doctus sufflat apollo. Displicet eloquii vena beata malis. Nil assis fatio livoris murmura rauci. Dummodo victricis sint documenta manus.

IACOBUS LOCHER PHILOMUSUS GEORGIO DE SINTZENHOFEN iuris pontificii doctori clarissimo. Ratisponensis ecclesie canonico. scholastico ac vicario prestantissimo. Philomusee sodalitatis patrono primario.

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Salutem utramque. Nuper in manus ociantes sumpseram libros mythologicos Fulgentii presulis ruspensis. in quibus fabula de iudicio paridis. de tribus deabus. de aureo pomo continebatur. cum igitur fulgentii magnificus stilus. amplus cothurnus. docta moralisatio me diutius occuparent. cepi mecum cogitare. an liceret tenellis versiculis succinctas fabulas dilatare. et ad spectaculi morem transferre. explosa confestim dubitatione. calamum sumebam. niloticam papyrum temperabam. et invocatis musarum numinibus litterarum monumentis frequens insudavi. subitus dictandi calor me invaserat. quo urgente. pauxillo temporis spatio. tot quot vides confecimus versiculos. qui etsi non [c2r] satis maturi. excoctique videntur. sunt tamen nativi. ingenui. et nostro marte facti. nostra ascia dedolati. genuinaque facilitate amabiles. natura nostra suopte more. scopulos vitat. et portentosa carmina abhorret. Plures enim lectores habet Ovidius quam Ennius. Virgilius quam Lucretius. Horatius quam Lucilius. Tibullus quam Italicus. et siqui ceteri sunt. quorum sartago loquendi venit in linguas cur quorum tumidi vesica laboris. nil nisi tenebras. et alta cacumina querit. Cum tam ex officina nostra teneri versus egredi properarent. cohibui gressum. donec prius in publicum spectaculum edilibus procurantibus venirent. malum ac infelix auspicium sunt experti. quippe sine censura publica. in theatrum non fuerunt admissi. nescio quid stoicidas et morum publicos censores moverit. lascivum quiddam ac emasculatum inesse credebant. nos privatam sortem attentavimus. processit actus prospere. ingens spectatorum numerus scammata ac sedilia opplebat. plausus clarus atque magnisonus fuit editus. non potuit marcescens invidia nostre glorie penitus obesse. quid igitur. ad te legendum paridis iudicium mittimus. tibi hosce versiculos dicamus. ut quom ab ingenti curarum. estu feriatus fueris. perlegas hec nostra. et oculis linceis vel totus oculeus medullam introspicias. an spurca. lasciva. seu petulans sit venus. quam ______________ 9 Nil assis korrigiert zu Nec M. Widmung fehlt M; K: ersetzt durch Widmung an Nikolaus Wolski; W: ersetzt durch Widmung an Caspar Banffius. 8 calor ] color S. 12 Ennius ] Emius A. 13 Lucilius ] Lucillus A.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

paris preposuit. cui pomum aureum tribuit. que helenam pro mercede spopondit. forte tibi. nostrisque contribulibus. ingeniosa istec meditatio non ingrata erit. Argumentum Huic epistole subiecimus. quod satis argutule fulgentius in mythologiis conscripsit. tu bene vale. memor semper Philomusi Adelphi. Ex Auripoli 30 sexto Calendas Iulii .M.ccccc.ii. [c2v] ARGUMENTUM TOTIUS SPECTACULI

a Iacobo Philomuso editi. Ex fulgentio mythologo. Philosophi tripartitam humanitatis vitam esse voluerunt. ex quibus primam theoreticam. secundam practicam. terciam philargicam voluere. quas nos latini contemplativam. activam. voluptariam nuncupamus. ut etiam propheta ait. Beatus vir qui non abiit in consilio impiorum. et in via peccatorum non stetit. et in cathedra 5 pestilentie non sedit. non abiit. non stetit. non sedit. Prima igitur contemplativa est. que ad sapientiam et veritatis inquisitionem pertinet. quam apud nos episcopi. sacerdotes ac monachi apud illos philosophi gesserunt. quos nulla lucri cupiditas. nulla furoris insania. nullum livoris toxicum. nullus vapor libidinis. sed tantum indagande veritatis. contemplandeque iusticie cura macerat. fama ornat. pascit 10 spes. Secunda activa est. que tantum vite commodis anxia. ornatus petax. habendi insatiata. rapiendi cauta. servandi sollicita geritur. Plus enim quod habeat cupit quam quod sapiat querit. nec considerat quod expediat. ubi intercedit quod rapiat. Denique ideo non perstat stabile. qui non venit honeste. hanc enim vitam penes antiquos aliqui tyranni. penes nos mundus omnis gerit. voluptaria vero vita est. ______________ 26 preposuit ] proposuit S; cui ] cui et S. 30 Iulii ] Iulii Anno domini S.; pie deditatum. Dij bene vortant. Schlusszusatz S. Argumentum W: ohne Überschrift. [T]riplex hominum uita ab eruditis philosophiae adsertoribus esse perhibetur, Prima est quam contemplatiuam nuncupant. Contemplatio autem hunc ferme in modum finitur, quae sit perspicax et firmus animi in ueri cognitatione intuitus. Altera actiua existit uirtutum procreatrix. Vtrumque sane uiuendi genus ita nostrum est, ut siue in hoc, siue in illo Homines excelluerit, eorum uitam multis laudibus prosequamur. Vtramque uero Christus expressisse uidetur in Euangelica doctrina sub Mariae quidem nomine speculatiuam, at per Martham, quae sollicita fuerat erga plurima, actiuam. Tertia uero uoluptatis dicitur, quas a sensibus corpus percipit, qualem Epicuro plerique omnes adscribunt, Id ipsum poetae considerantes sub figmento trium dearum certamina nobis non inepte depinxerunt, quippe cunctis aliis ad Pelei et Thetidis nuptias conuocatis, Discordia dumtaxat exclusa est, quae ob id irata, caeteris ad mensas discumbentibus aureum iniecit pomum, in quo scriptum erat pulchriori detur. Pallade igitur, Iunone / et tandem Venere inter se disceptantibus, cui potius daretur, Iupiter discernendi iudicium de dearum uenustate a se in Paridem Troianum reiecit, qui tum in Ida pastorem agebat. Is iccirco ueluti iudex constitutus pro Venere / quae pulcerrimam promiserat uxorem, sententiam tulit, qua ex re Troianum deinceps bellum exortum est. 3 ut ] vt et S. 5 Prima unterstrichen S; IHRULND contemplatiua: Marginalie S. 10 Secunda unterstrichen S; SUDNWLND Actiua Marginalie S. 13 Denique … honeste unterstrichen und mit Zeigehand versehen S. 14 mundus omnis ] omnis mundus M; voluptaria vero ] Tercia: voluptaria S; MLODUJLND voluptaria Marginalie S.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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15 que libidini tantummodo obnoxia. nullum honestum reputat bonum. sed solam vite appetens corruptelam. aut libidine mollitur. aut homicidiis cruentatur. aut rapina succenditur. aut livoribus rancidatur. Sed hoc penes illos epicurei ac voluptarii. penes nos huiusmodi vita natura non crimen est. et quia bonum nemo gerit. nec nasci bonum licet. Id ita considerantes poete [c3r] trium dearum ponunt cer20 tamina. id est. minervam. iunonem et venerem. de forme qualitate certantes. Ideo vero iovem non posse his iudicare dixerunt. sive quod prefinitum mundi iuditium ignorabant. sive quia in libertate arbitrii constitutum hominem crederent. Quod itaque si velut deus Iupiter iudicasset damnando duas. unam tantummodo terris vitam dimitteret. sed ideo ad hominem iuditium transferunt. cui liberum deligendi 25 debetur arbitrium. sed bene pastor. quia non ut sagitta certus et iaculo bonus. et vultu decorus. et ingenio sagacissimus Denique brutum quiddam desipuit. et ut ferarum ac pecudum mos est. ad libidinem limaces visus intorsit quam virtutem. aut divitias inquisivit. hec fulgentius placiades non erubuit scribere. que si fatui dedignantur legere. se prorsus cum vespertilionibus abscondant ne solem videant.

ACTUS PRIMUS INCIPIT. PROLOGUS A SPECTATORIBUS SILENTIUM DEPRECATUR.

Historiam priscam. troiano tempore natam. Turba frequens recolit. consiliumque iovis. Istec meoniis quondam celebrata camenis. Mixta iocis variis seria grata tenet. Vos spectatores sultis. conscendite celsa Scammata. discreto stant anabatra loco Dum loquimur summi coram. mandata tonantis. Grex lectus sileat murmura sunto procul. Tempora gestamus petaso circumdata rubro Pinnula suspensa est. nec ratione vacat.

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18 natura ] nota M. 21 non posse his ] hijs non posse M. 22 constitutum hominem ] hominem constitutum M. 25 debetur ] detur M; et iaculo ] a iaculo S. Ü1 incipit ] fehlt K M; Actus primus incipit ] Primus huius spectaculi Actus W. Ü2 a spectatoribus silentium deprecatur ] silentium a spectatoris precatur W. 1 priscam ] ueterem W; A uetustate rei auditores attentos reddit. Marginalie W. 5 Sultis pro si uultis Plautinum est. Marginalie W. 8 Vers doppelt (in Schreibtinte und rot) unterstrichen M; sunto procul ] nulla strepent W. 10 vacat ] caret W.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

Sermo meus volitat passim. caneasque per omnes. Spectantes docto convocat auspitio. [c3v] Fabula forte rudis precordia vestra iuvabit. Que vite triplicis dogmata culta notat. Quid venus et iuno. quid signet diva minerva Iuditium paridis. quid velit. ipsa canit. Iamque silete diu. vos histrica turba precatur Nemo latus moveat. publicitusve strepet. Iupiter ad mensam positam cum prole sedebit Divina. nostros inchoet atque iocos.

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IUPITER CUM DEABUS AD MENSAM SEDET. Peleus aeacides nostro de sanguine cretus Ad dulces epulas. ad prandia scita vocavit Me letus. natasque meas. et numina celi. Hic hymenea fovens. mensas instruxit opimas Leticiamque parat bacchi. lepidumque tribunal Substituit. virides ramos de vertice pindi Et flores sparsit. thalamus quis fulget honestus. Filiole mecum stratis considite lectis. Exhilarate diem. nos nulla molestia vexet. Sint procul et cure. sceptrum nunc cesset acerbum. Fulminis et lateant penetrantia tela trisulci. Hoc pietas divina docet. iove digna potente.

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______________ 11 Sermo meus volitat passim ] Vox mea passim uolitat W. 14 triplicis ] triplices S; Fabulae romanae Marginalie W. 20 iocos. ] iocos. ƔƥƫƯƲ S. 20a cum deabus ad mensam sedet ] sedet cum deabus ad mensam M; sedet ] sedet p.p. S, discumbit W. 20a–32 stehen in S erst nach dem Argumentum. 22 ad ] et M. 26 Pindus mons Marginalie W. 27 sparsit ] spargit W. 28 considite ] conscendite S. 28–32 unterstichen M. 29 Exhilarate ] Exhilerate S. 30 nunc ] quoque W. 32 potente. ] potente. ƔƥƫƯƲ S. Hier folgt in S ein umfangreicher mythologischer Kommentar (fol. 58r–70r). Als Erklärung des Begriffs numina werden – größtenteils aus Boccaccios »Genealogien« und aus »De formis figurisque deorum« des Petrus Berchorius – die Gottheiten Saturn, Jupiter, Mars, Merkur, Neptun, Vulkan, Pluto, Apoll, Juno, Vesta, Minerva, Ceres, Diana, Venus und Bacchus vorgestellt, ohne eine Auslegung. Auf fol. 60v und 61r sind zwei ganzseitige Illustrationen eingeschoben: das Gastmahl der Götter und die Liebe zwischen Peleus und Thetis.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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ARGUMENTUM.

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Peleus aeaci fuit filius. et magnis vivens interfuit rebus. Nam cum meleagro in venationem apri calidonii accessit. sic et cum perithoo adversus centauros pugnavit. huic ut refert Ovidius coniunx fuit thetis aquarum dea. quam iupiter amavit. sed ideo concubitum eius neglexit. quia oraculo noverat. ex ea filium nasciturum. qui maior esset patre. ad hanc tamen obtinendam audaciam viresque fuere oportune [c4r] Nam cum peleus consilio prothei senis eam die quadam cepisset. ipsa in varias mutata formas adeo cum exterruit ut dimitteretur ab eo. Qui ad protheum rediens ab eodem sibi suasum sed ne mutationes illas timeret. quinimmo in tenendo eam perseveraret. quia si fecisset ipsa desiderio suo cederet. Peleus die sequenti cum dormientem eam in antro comperisset cepit illam. Ipsa vero more suo in varias versa formas cum eum tenentem sentiret. in propriam rediens. in coniugium eius consensit Porro iupiter ad eorum nuptias omnes convocavit deos. preter discordiam. Que indignans cum cerneret Iunonem Palladem et venerem invicem ex parte una sendentes sumpto aureo malo. illud inter eas proiecit. dixitque digniori detur. Ex quo confestim inter eas seditio orta est. Cum unaqueque se digniorem diceret. Et cum de hoc Iupiter inter eas nollet ferre sententiam. ad Paridem qui in silva Ida morabatur. misit eas. Is vero ob promissam sibi a venere speciosissimam mulierem. spretis aliarum oblectationibus. Veneri tanquam digniori tradidit. Que illi raptum Helene concessit. ex quo subsecutum est Troianum bellum. et occisus Achilles. qui ex nuptiis illis ad quas non fuerat vocata discordia. natus est.

______________ Argumentum fehlt W. 2 calidonii ] calcedonij M. 8 eo ] ea S. 9 ab eodem ] abcedit M; sed ] se M. 10 quia … cederet fehlt M. 13f. Porro … discordiam unterstrichen M. 13 deos ] omnes deas M. 16 digniori detur ] detur digniori S M. 22 Auf das Argumentum folgt in S – zunächst in einer Spalte neben dem Text begonnen – ein ausführlicher Kommentar (fol. 58v–60r), welcher, weitgehend nach Boccaccio, von der Verbindung zwischen Peleus und Thetis und dem Leben ihres Sohnes Achill berichtet.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

DISCORDIA PROIICIT AUREUM POMUM IN QUO SCRIPTUM ERAT. DETUR DIGNIORI.

Sic sine me lepido celebras convivia ludo Iupiter. et celi numina cuncta vocas. Sic sine me choreas agis ad spectacula molles. Preponisque tuas undique filiolas. Uxor adest iuno. cuius plerumque sequuta Iussa. quibus voluit sepe nocere tibi. Nil ego commerui. quod me secluserit uxor Pronuba. vel peleus atque superba thetis [c4v] Sed ne leticie vestre sit gratia perpes. Et sit letus hymen. et solidatus amor. Proiicio pomum. moveat quod iurgia dura Tu censor scripti iupiter esto mei Tres adsunt dive. quarum formosa videri Quelibet efflictim. solaque pulchra cupit.

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MERCURIUS DISCORDIAM TAXAT. Quid tu celicolum lepidos discordia lusus. Iucundosque dies contaminare cupis. Que te ceritam rabies. quod palladis oestrum Te rapit. et stigius quis furor exacuit. Ut cupias pacem. nunc interrumpere dulcem. Conventusque tuo frangere dissidio. Tu potes unanimes fratres disiungere. tecum Sunt lites rixe. iurgia. livor edax. Quis vates posset proprias describere formas Invidie. turpes vel memorare notas. Pallescit semper facies. frons stigmate foedo Tosta riget. tabo squalida bucca putret. Horrescunt crines. et circum tempora serpunt.

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______________ 32b proiicit aureum ] aureum proiicit W; in quo scriptum erat. Detur digniori fehlt W. 33 In pomo scriptum erat pulchriori detur. Marginalie W. 43 dura ] dira M. 46a discordiam taxat ] discordiam uituperando taxat W. 50 rapit ] capit W; Discordie propria Marginalie S. 52 tuo ] tuos W. 53 Discordiae comites Marginalie W. 53–70 untertrichen M. 57 Discordiae descriptio Marginalie W. 58 tosta ] toru W.

Anhang IV: Iudicium Paridis

Cerberee fraudes. vipereusque dolus. Livor in ore sedet. macies in corpore toto Inconstans oculus. fulgurat ex acie Spumant usque gene. dentes rubigine frendunt. Quis laceret iustos innocuosque viros. Cor plenum fellis gestat. linguamque colubris. Semper ut ad nutum dira venena spuat. Risus abest. aliquando subest cum fallere gestit. Dissimulas astum. perniciemque gravem. [c5r] Gaudet in adversis hominum. sed prospera fata Successosque bonus lachrymat atque dolet. Tu tibi sola noces. intabescisque nocendo Te dolor. et cure lancinat anxietas In te suspendis laqueo. quo perdere tentas Forte alium. bestia digna vadis.

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IUPITER COMMITTIT MERCURIO UT PARIDEM IN IUDICEM CONSTITUAT. Vade citis pedibus. rapidis suffultus et alis. Ad paridem contende meum. qui dormit in ida Solares vitans radios. oviumque vagantum Depascens sub fronde greges. dic illico surgat. Et mea gratuito vultu mandata capessat Iudicet ipse deas. que sit formosior. atque Dignior hoc pomo fulgenti. consule rebus Fili docte meis. nec sit mora tarda petiti. MERCURIUS LOQUITUR AD PARIDEM SUB ARBORE IACENTEM. Iupiter. officium gradibus nunc exequor altis Imposuere modo quod tua sceptra mihi. Vado libens propere. griseum qui porto galerum

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60 dolus ] dolos A K M. 61 macies ] mauies W; Ouidii imitatio de inuidiae descriptione: Marginalie W. 63 Spumant ] Spumantque M. 68 Dissimulas ] Dissimulans M; Apostrophe est. Marginalie W. 70 Successosque ] Successusque M W. 74 bestia ] stigijs bestia M.; vadis ] vadis. ƔƥƫƯƲ S. 74a committit fehlt W; ut Paridem in iudicem constituat ] vt Paridem iudicem in silva ida constituat. P[er] I[iacobo] L[ocher] PH[ilomuso] S, negotium dat pro dearum discordia ut iudicem eligat Paridem W. 75-82 Verse in K als Distichen abgesetzt. 82 Hier folgt in S (fol. 70v) eine erläuternde Erzählung von der Geburt und Kindheit des Paris, seiner Liebe zu Oinone, dem Urteil und seiner Aufnahme im Vaterhaus, wieder weitgehend nach Boccaccio, sowie eine Bildseite (fol. 71r) mit Merkurs Begegnung mit dem Rinderhirten Paris. 82a loquitur ] vadit M; loquitur ad Paridem sub arbore iacentem ] Paridem sub arbore iacentem affatur W.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

Atque ad dardanium credita iussa feram Surge paris. mollem de lumine terge soporem. Exue depexas absque pudore togas. Indue nunc trabeam. regales accipe vestes Te zeus ipse vocat. aeacidumque genus. Formositatis adest certamen. suscipe pomum. Te dissolvetur iudice rixa gravis. [c5v] Libera vota tenes. te corruptela remulcens Nequaquam rapiat. ut placet exequere. Te penes arbitrium censure stabit. et ingens Pugna deum. lites dirime fortuitas.

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ACTUS SECUNDUS.

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PARIS LOQUITUR AD IOVEM SE VOLUNTARIUM OSTENDENS. LICET IMPAR SIT TANTO IUDITIO. Per tua mercurius volucer mandata vocavit Me silvis habilem. consiliisque rudem Ecce mihi tribuit pomum. quod pulchrior inter Tris divas capiat. atque polita magis. Seditiosa nimis res est dubiosaque rixa Que me suspensum. solicitumque facit Attamen ad nutum presentem iupiter adsum. Ut peragam iussis congrua vota tuis. GANYMEDES IUBET SURGERE DEAS. Surgite de solio regali. surgite nymphe Formoseque dee. surgite. tempus adest. Surgite tempus adest. ceptam discindere litem

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______________ 89 Trabea Marginalie W. 90 zeus ] deus W. 91 Formositatis adest certamen. ] En pulchri certamen adest, modo W. 93f. te … exerquere unterstrichen M. 94 ut ] quod W. 95 ingens ] nigens M. 96 fortuitas.] fortuitas. ƔƥƫƯƲ S. 96b loquitur ad Iouem fehlt W; Iouem ] Iupitrem S; ostendens ] ostendit ad Iouis mandata W; sit tanto iuditio ] ad tantum iudicium W; iuditio ] iuditio deas ivdicare S. 100 Tris ] Tres M. 104 tuis. ] tuis. ƔƥƫƯƲ S. 104a iubet surgere deas ] puer Phrygius deas surgere iubet W.

Anhang IV: Iudicium Paridis

Fortis alexander dissidiumque parat. Auscultate virum. cui forme conferat ille Primatum. sellas. linquite purpureas. Nec mora vos tardet. magnos promittite montes Pollicitis dives quelibet esse potest. Verbis blandisonis iuvenem mulcere vel amplis Frangite muneribus. divitibusque bonis.

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[c6r] PALLAS LOQUITUR AD PARIDEM ET PROMITTIT SAPIENTIAM. En tibi priamides magni certamen honoris Iupiter imposuit. iudiciumque grave. Aspice nec modici res est tibi credita facti. Quelibet inter nos pulchrior esse cupit. Sed mihi iam primas partes adiudico. cum sim. Nata iovis. nullo semine. nata dea. De cerebro summi mire prognata tonantis. Sum magis hoc pomo nunc celebranda tuo. Non ego corporeos fastus. mollesve lacertos. Non frontis iacto candida signa mee. Non ego divicias. non archas iacto capaces. Thesaurum foveo quem fata nulla terent. Si mihi priamides pomum decreveris aureum. Prestabo sophie dogmata culta tibi. Et dabo quod sapias nature archana potentis. Et dabo quod possis semper habere modum. Me duce sydereum prudens spectabis olympum Spectabis nivei lactea signa poli ______________ 108 Paris Marginalie W. 109 conferat ] confederat M. 112 unterstrichen M; Ouidianum est Marginalie W. 113 mulcere vel ] mulcete vel S, seducite / et W. 114 divitibusque ] diuitiisque W; bonis. ] bonis. ǟƥƫƯƲ. Nunc sequitur quid Paridi tres dee promittunt S. 114a loquitur ad Paridem et promittit sapientiam ] Alexandro sapientiam muneris uice pollicetur W. 120 Non caret fabula secretiori intellectu Marginalie W. 121 mire ] mirum W. 122 celebranda ] decoranda W. 123–126 unterstrichen M. 126 fata nulla ] neque fata M W. 127 Dieresis Marginalie W. 128 Prestabo ] Prestab M. 129 quod ] quod possis S, quod semper M. 130 possis semper ] semper possis M. 131 Palladis munera. Marginalie W.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

Me duce celicolas. nosces. superosque potentes. Cognosces quicquid astra serena gerunt. Me duce divinas artes secretaque rerum. Atque actus hominum. miraque cuncta scies. Aspice quem sophie faciant penetralia. qualem. Inclita constituat philosophia virum. Rebus eges nullis. regum de sanguine natus. Heres accipies en bona multa patrum. Qui latices nostri sacratos numinis haurit Constans. et dexter. providus. acer. erit. [c6v] Pectus habet solidum. propellit inania vota. Continet et stabili pectora recta gradu. Iudex ipse sui. nec vani murmura vulgi. Curat. securus tempora grata terit. Non moritura tibi. nec vane munera laudis Polliceor. sed enim dona beata feres. Da precor hoc pomum. non est formosior ulla Ex animo. nisi vis corporis illecebras.

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IUNO AD PARIDEM ET PROMITTIT HONORES ET REGNA. En soror et coniunx magni veneranda tonantis Adsum. nec pomum cunctor habere tuum Non est me mulier totius pulchrior orbis. Ulla. nec in mundo ditior esse potest. Iupiter ille mihi primos decrevit honores. Me uxorem petiit coniugiumque meum. Inter celicolas nymphas. mihi prima potestas Tradita. me primus suscipit ecce thorus. Quod volo quod iubeo servabit celicus ordo Ad nutum vivit iupiter ipse meum. ______________ 133–138 untertrichen M. 134 Cognosces ] Lucida cognosces W; astra serena ] et astra W. 137 Admiratiue loquitur. Marginalie W. 140 accipies ] accipias W; patrum ] patris M. 141–148 unterstrichen M. 141 Sapiens omnia est Marginalie W. 145 Sapiens sui iudex est Marginalie W. 149 Da precor ] Deprecor M. 150 illecebras. ] illecebras. ƔƥƫƯƲ S. 150a ad Paridem et promittit honores et regna ] Loquitur ad Paridem diuitias promittens M, honores et regna Paridi promittit W. 159 Iunonis potentia Marginalie W.

Anhang IV: Iudicium Paridis

Aspice quid facias. nostris modo consule rebus. Da pomum fulvum. da mihi priamides Nec te dimoveant suadentis verba minerve. Debentur manibus aurea poma meis. Quid tibi de sophia. que rerum grandia spondet Dogmata. que sapiens consiliumque refert Quid tibi nature speculatus proderit. aut quid Extolles oculos candida ad astra tuos. Vana tibi spondet pallas. nec spectat ad illam Pomiferum munus. pulchrior ipsa vocor. [d1r] Non frustra tantos mihi condonabis honores. Premia te meriti sunt secutura tui. Scis quod ego cunctas sceptro regina potenti. Possideo gazas. regnaque magna rego. Me duce divicias regum. trabeamque micantem. Et currus validos semper habere potes. Ex arabum venis. ex lido verritur agro. Quicquid. ad aspectum serviet usque tuum. Quicquid habet cresus. quid pugnax ipse darius. Quid regum soboles. purpureumque genus. Quod tenet et pontus. quod totus possidet orbis Quod videt eous. phoebus et occiduus Me duce victrici dextra. gladioque tenebis. Rex eris indomitus. imperioque potens. Da pomum nitidum. nec me formosior ulla Sit modo priamides. sic quoque iustus eris.

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______________ 161 consule ] conside M. 165–168 unterstrichen M. 167 Ecce quam aliena est uita actiua a speculativa Marginalie W. 174 Gazae id est diuitiae. Marginalie W. 175f. fehlen M. 176 Trabea. Marginalie W. 177 verritur ] vertitur M; Lydi. Marginalie W. 178 serviet ] seruietque S. 179 Croesus et Darius reges. Marginalie W. 182 Eous orientalis Phoebus sol Marginalie W. 183 dextra ] dextro A K. 186 eris. ] eris. ƔƥƫƯƲ S.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

VENUS AD PARIDEM ET SPONDET HELENAM ET VOLUPTATES. Excelsam sophiam promisit docta minerva Et contemplatus pectoris ethereos. Promisit superum sedes. rerumque latentes Secessus. animi commoda multa quoque. Divicias amplas siquidem saturnia iuno Et tibi regales ecce spopondit opes. Te regem phrygie statuit. tibi pergama celsa Promisit. patrie tectaque magna tue. Accipe priamides veneris promissa loquentis. Da quoque nunc placidas ad mea verba moras. Non tibi polliceor sophie spectacula dive. Non gazas avidas. imperiumve potens. [d1v] Filius es regis. quo vix modo ditior ullus. Vivit. magnanimo qui tibi sceptra dabit. Tu sapis usque satis. non te spectare decebit. Vel cursus celi. stelliferosve polos. Nil ad te sophie spectant monumenta sacrate. Hanc curam senibus. da quoque philosophis. Nec tu pauper eges opibus. qui regna paterna Heres expectas. imperiumque phrygum. Aspice priamides quales prestare triumphos. Delicias quantas vel tibi rite queam. Delicias promitto tibi. mollesque puellas Corporis illecebras. policeorque tibi. Iucundos cithare modulos. plectrumque sonorum Spondeo. lascivas atque in amore vias Lusus. et risus et cantica plena iocorum ______________ 186a Venus ] Venus loquitur S; Venus ad Paridem et spondet Helenam et voluptates ] Veneris Paridi promissio M, Venus Helenam et corporis voluptates spondet W. 187 Excelsam ] Sublimem W. 190 multa quoque ] plura tui W. 191 Saturnia Marginalie W. 195 Recte, cum uoluptas nihil commercii cum sapientia habeat. Marginalie W. 198 imperiumve ] imperiumque M. 199 ullus ] alter M. 200 Talis est Osorum sapientiae et litterarum responsio presertim aulicorum Marginalie W. 201 spectare ] spectabet S. 201–204 unterstrichen M. 205f. zunächst ausgelassen, am Ende der Rede mit Zeilenverweis eingefügt S. 209 Nihil non uoluptatis gratia mortales aggrediuntur. Marginalie W. 209f. unterstrichen M. 212 lascivas atque ] lasciuasque M. 213f. unterstrichen M.

Anhang IV: Iudicium Paridis

477

Et tibi sorbenti basia blanda dabo. Quicquid habere cupis. volucer tibi sponte cupido. Prestabit. votis. serviet atque tuis. Si me formosam pomo donaveris aureo. Si me precipuam dixeris esse deam. Inter reginas grecas. pulchrasque lacenas Ledeam niveam sponte dicabo tibi. Et molles helene risus tibi spondeo. quid vis. Quod magis efficiam. pignora certa tenes. Da modo descriptum pomum. te iudice dicar Pulchrior. his nimphis. atque polita magis.

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RESPONDET PARIS, ET DAT POMUM VENERI. Et si pastor ego. frondosis natus in antris. Ductavi pecudes. lanigerosque greges. [d2r] Expers consilii. quem nec providentia rerum Edocuit. stabulis aptior. aut triviis. Me tamen ad grandem litem cylenius ales Accivit. pomum credidit atque mihi. E nostris utinam manibus revocaret olimpi Hoc pomum domitor. iudiciique parens. Iuditium forme presens sudore laborat Et caput in sensus distrahit innumeros. Virtutem pallas spondet. saturnia regni Sceptra superba leves et cytherea iocos. Virtus est pulchrum precium. donumque.237 fatemur Regius imprimis est et amandus honor. Blanda voluptatis nec premia sunt fugienda Quid iudex faciam. quidve petitus agam.

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240 ______________

214 Et ] En S. 215 Cupido amorum deus. Marginalie W. 220 Laedam id est Helenam Marginalie W. 224 politia ] venusta W; magis. ] magis. ƔƥƫƯƲ. Anschließend Bildseite (74r): Paris gibt Venus den Apfel S. 224a Respondet Paris, et dat pomum Veneri ] Paris respondendo Veneri tandem pomum veluti pulchriori adsignat atque porrigit W. 227 Quia uoluptarii nihil sublime neque altum speculantur Marginalie W. 235 Viruosa Pallas Marginalie S. 236 Saturnia Juno Marginalie S; Cytherea Marginalie W. 237 donumque M ] domumque A. 237 Venus Marginalie W. 237–244 unterstrichen M. 238 honor ] amor M.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

Virtutem non curo gravem. sophieque penetral. Quid mihi de superis rebus. et ethereis. Quid mihi de regnis. cum nulla beatior ora Sit terris patriis. iliadumque solo. Sceptra parens asie stabili ditissima iure Possidet. heredem me facietque suum. Solas delitias. solas quoque corporis huius Posco voluptates. mellifluosque iocos. Te cytherea venus tanto nunc dignor honore Ut capias forme premia digna tue. Pollicita es nobis helenam iurata lacenam Servabisque fidem non dubiosa tuam.

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250

PALLADIS MINE IN PARIDEM. Ex quo sprevisti celestes pallados artes. Virtutisque sacre munera. stulte paris [d2v] Sentiet exitium priami fortuna superbi. Dives et ex alto cardine troia ruet. Sum dea martis atrox. in te miseranda citabo. Prelia. gorgoneis incipienda tubis. Exacuam graios adversus pergama. gentis Spectabisque mee funera mesta paris.

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260

IUNONIS MINE IN PARIDEM. En modo spumifere veneris spurcissima forma Iudicio paridis vicit utramque deam. Non impune feram. que sum iovis anxia coniunx. Quam tenet et nitidi regia prima throni. ______________ 241 Sophie penetral Marginalie S; Penetralia et archana Marginalie W. 244 Iliadum Troianorum Marginalie W. 245 parens ] parans S. 246 heredem ] heredemque S. 247 Alter Sardanapalus Marginalie W. 247f. unterstrichen M. 251 Lacena. Marginalie W. 252 tuam. ] tuam ƔƥƫƯƲ S. 253 pallados ] Palladis W. 257 Martis id est belli et armorum Marginalie W. 258 Gorgones. Marginalie W. 259 Exacuam ] Exacuem A K M Exacuet W. 260 mee ] me A mę M tuæ K; paris. ] paris. ƔƥƫƯƲ S.; Vers unterstrichen M. 260a in Paridem fehlt W. 261 spumiferae id est ex mariis spuma genitae Marginalie W.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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Nunc superest bellona ferox. que dira sonabit. Classica. que cedes innumerasque dabit Tela trisulca manu capiam. tendamque per arces Pergameas. nostro numine troia cadet. VENUS AD PARIDEM. Nil te commoveant tantarum verba minarum. Garrula nil troie iuno nocere potest. Horrida nec timeas irate palladis arma. Me quoque filiolam iupiter ipse colit. Vade paris. capiesque tui felicia dona Iudicii. cures hec maledicta nihil.

270

DUO GLADIATORES CERTANT PRO SERTO VENERIS. BITHUS. De ramo viridi sertum contexuit alma. Cypria quod tollat nunc pugil indomitus. [d3r] Iupiter assensit. nostros spectabit et actus. Applaudet nostris gestibus et populus. Si placet ergo tibi gladios torquere micantes Et dare. vel punctim verbera dura pati. Si placet et faciles motus formare. vel artus Pungere rompheis. velque salire palam. Accipe nunc ensis capulum. contende vicissim Sertum indipisci. quod dabit alma venus.

275

280

______________ 265 Bellona Martis soror. Marginalie W. 267 arces ] artes S. 268 cadet. ] cadet. Ɣ[ƝƫƯƲ] S. 270 unterstrichen M. 272 unterstrichen M. 273 capiesque ] capiasque W. 274 cures… nihil unterstrichen M; nihil. ] nihil. ƔƥƫƯƲ S. 274a Duo gladiatores ] Digladiantes duo W. 274a–298 fehlt S. 274b Bithus nur in der Marginalie W. 275 contexuit ] contexerat W. 278 et ] ac W. 282 rompheis ] rumpheis A K M. 284 indipisci ] adipisci M.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

BACCHIUS. Non ego iam vereor tectum pugnare tonantis. Impiger ad nutum. qui mea facta probat. Intrepidus nunquam fugi certamina. que sunt Premia victricis non peritura manus. Me fortem reddunt populi subsellia docti. Me sertum veneris non sinit esse rudem. Sepe corolla mihi cessit. dum victor harenam Piseam tetigi romulidumque forum. I. cape rompheam. sta contra fortiter. urge Magnanimum pugilem candida dona manent.

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VERBA VENERIS PUGILES CORONANTIS. Candida serta viris dono. quos docta palestra Spectavit pugiles. fortis uterque satis. Accipite has virides crinali fronte coronas Pugnaces homines talia serta decent.

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TERCIUS ACTUS. PARIS AD HELENAM. Salve femineum decus o ledea salutem Opto tibi facilem. perpetuumque diem. [d3v] Diis ago nunc grates. quod te mea candida nympha Affari potero dulcibus alloquiis. Accipe queso meas pacata fronte loquelas. Obstet iam nullus ad mea verba pudor. Propter te venio. sulcavi navibus equor Turgescens. patrios deservique lares. Te mihi promisit sponsam. propriamque dicavit Cypria. te mecum nunc et abire iubet. Huc ego divino monitu. superumque favore

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______________ 284a Baccius nur in der Marginalie W. 289f. unterstrichen M. 293f. unterstrichen M. 294a Verba Veneris pugiles coronantis ] Venus pugiles coronat W. 298 unterstrichen M. 298a Tercius Actus ] Actvs Tertivs K M. 298b Paris ad Helenam ] Ad Helenam Paris loquitur W. 299 Ledea Marginalie S. 306 patrios ] primos M.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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Advehor. auspicium ledere dura cave. Premia iusta peto. paridis modo consule voto. Promisit thalamo te Cytherea meo. Ferrea non mihi sis. non sis mihi saxea. vultum Nunc ostende pium. mellifluasque genas. Te mihi constituo dominam. sceptroque potenti Preficiam. mecum foedere iuncta veni.

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HELENA RESPONDET. Hospes ad oebalium ventosa per equora littus Venisti. acceptus hospitioque meo. Virque meus claro te pertractavit honore Custodem statuit ad sua regna phrygem. Non satis admiror. quod te fidutia tanta. Raptat et ad crimen tam malesanus ades. Est hec recta fides. sunt hec monumenta pudoris. Hospitii sanctum contaminare thorum. Rustica sim sane. dum non contemno pudoris Integra iura mei. coniugiique fidem. Bella movere cupis. dum me sic fallere tentas En menelaus abest. qui tibi sceptra dedit. Non me lascive veneris mandata citabunt. Laudatrix venus est insidiosa mihi. [d4r] Desine molle precor suasu convellere pectus. Nolo tuum spolium. preda vel esse tua. Non divos superos. non fulmina celsa timesco. Nulla pudicitie damna ferenda reor. Sed tamen usque placet. te magno numine raptum Immensis helenam preposuisse bonis. Hoc movet imprimis animum. me premia laudum Inter spartanas emeruisse nurus. Iudice quod pariter te formosissima dicor

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______________ 310 In S folgt hier eine Bildseite (75v): Leda mit dem Schwan, dann (76r–v) eine Darstellung der verschiedenen Berichte von der Abstammung Helenas von Leda, von ihren Liebschaften und ihrem Verbleiben nach der Tötung des Paris durch Achilles. 312 Cytherea ] lytherea A K (in K von späterer Hand korrigiert). 315 dominam ] domina M. 316 Preficiam ] Perficiam W S; veni. ] veni. ƔƥƫƯƲ S. 316a Helena respondet ] Helenae responsio W. 323–326 unterstrichen M. 330 unterstrichen M. 334 unterstrichen M. 337 animum ] animas W.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

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Munera sunt operis nunc statuenda tui. Tecum irem facile. si salvo iure liceret. Ad nemus ideum. vel simoentis aquas. Ah vereor thalami posito sacrata pudore Frangere iura furens. et muliebre decus Tu nimium properas. specta. felicior aura Adveniet. voto que sit amica tuo.

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CUPIDO TRANSFIGIT HELENAM. ET SIC ABIT CUM PARIDE Idalie iussu veneris. matrisque valentis. Prodeo ledeam queroque tyndaridem. Extensam pharetram. celeres quoque vibro sagittas Frangere que silices. duraque saxa queunt. Nil obstat telis nostris hec aenea castra. Hec penetrant chaliben. hec adamanta terunt. Fortia corda virum. muliebreque pectus adurunt. In cunctos homines imperiosus ago. Sum puer insipiens. fatuos mea verbera reddunt. Sum cecus. cecant tela petulca viros. Alatus videor. celer est quia semper amator. Inconstans. fallax. mobilis atque levis. [d4v] Hec punctura rapit mendicos et locupletes. Torosos iuvenes. decrepitosque senes. Hec rapit et monachos. et clerum religiosum. Spicula sunt arcus imperiosa mei. Te ledea meos cogam sentire calores. Ut facias matris iussa petita mee.

______________ 342 simoentis ] Simeontis W. 346 tuo. ] tuo. ƔƥƫƯƲ S. 346a Cupido transfigit Helenam. et sic abit cum Paride ] Cupido Helenam amoris telo transfigit unde cum Paride profisiscitur. W; abit cum Paride ] cum Paride abit S. 349 celeres ] celebres M. 350 Cupidinem descripit Marginalie S. 350–362 unterstrichen M. 354 imperiosus ] imperiosos S. 355 Amator quis, Marginalie S; Cupido: Marginalie W. 361 rapit ] capit W; clerum religiosum ] sacro numine clerum W. 364 mee. ] mee. ƔƥƫƯƲ S.

Anhang IV: Iudicium Paridis

483

ABSCEDIT PARIS CUM HELENA FIT CHOREA ET FISTULATIO PRIMA RUSTICA. Iussit pulchra venus facilem saltare choream. Nos modo villanas. pastoriasque nurus. Adsumus. in gyrum pedibus saltate citatis Vobiscum cupimus. ite salite palam.

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SECUNDA RUSTICA Opilionis amor. lasciviaque verba vocarunt Me dudum ad saltus. mollisonosque choros. Pareo mandatis veneris. saltare. capisco Nunc cum villano. qui meus ignis erit.

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TERCIA RUSTICA Quamquam rugarum sulco sim foeda senili. Ex oculis lippis et fluit usque mador. Vobiscum tamen hanc cupio ductare choream Ad quam corripuit me cytherea venus.

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RESPONSIO PASTORUM. Non erit ingratum nobis pastoribus. aptos Cum vetulis saltare choros. gyroque reflexo Ad sonitum cythare varios intendere motus. Nil nos cunctamur. fundat modo fistula cantum.

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______________ 364a Abscedit Paris cum helena] Paris cum Helena discedit W; fit chorea et fistulatio] sit fistulatio et chorea M, chorea fit interim ad tybias. W. 364a–380 fehlt, stattdessen: Sequitur actus quartus et ultimus huius spectaculi. Danach Bericht über die Vorbereitungen der Griechen zum Feldzug und das Opfer in Aulis (77r–78r) mit einer Illustration zum Opfer (77v). 364b Prima rustica. ] Rustica mulier nur in der Marginalie W. 368a Secunda rustica ] Altera rustica nur in der Marginalie W. 372a Tercia rustica ] Tertia M, Tertia Villana mulier nur in der Marginalie W. 373f. unterstrichen M. 376a Responsio pastorum ] Pastores simul respondent nur in der Marginalie W. 380 unterstrichen M; fundat ] funda M.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

[e1r] ACTUS QUARTUS.

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MENELAUS CONQUERITUR ABDUCTAM UXOREM ESSE Tristia fata queror proh. consultissime frater. Immensi sceleris et tibi facta cano. Lamentor gravibus curis affectus. et acri Crimine confusus. turpia gesta domus. Nuper ad hospicii tutissima iura receptus Dardanii priami filius ipse paris. Lauticiis nostris fotus. lectoque decenti Molliter acceptus. colloquioque pio. Illius et fidei discedens omnia mando. Uxorem teneram. filiolamque meam. Credo domum. sceptrumque meum. gazasque reclusas. Substituo manibus oppida cuncta suis. Quid fit me latio. simulans absente pudicam Polluit uxorem. coniugiumque secat. Abduxit properans helenam. fregitque sacrate Pignus amicitie. candidulamque fidem. Navibus erectis troianas vectus ad oras. Securus predam monstrat ubique suam. Quis tollerare potest. hec latrocinia foeda. Querere vindictam nemo vetare potest. Hanc perdam dextram potius. quam crimina tanti. Dimittam sceleris. turpiloquumque nefas. Vindicte mediter solatia. pergama celsa. Armatus quatiam tempore forte suo Adsis queso meis rebus. charissime frater Et fer opem fratri. suppetiasque tuo. Sis socius. fidusque comes. te iniuria facti Nunc pariter moveat. argolicosque duces. ______________ 380a Actus quartus ] Actus Quartus et ultimus etc. S. 380b Menalaus ] Menelaus Agamamnoni M; conqueritur abductam vxorem esse ] abductam vxorem conqueritur W. 382 Lamentatur Menelaus, fratri Agamenonij Marginalie S. 385 hospicii ] hospicium W. 386 Dardanii ] Dardami A K Dardani S; paris ] patris S. 389 Stramen et ignis coniuncta facile conburuntur Marginalie W. 393 simulans ] stimulans W. 399f. unterstrichen M. 403 mediter ] meditor M W. 405 queso ] que M. 408 duces. ] duces. ƔƥƫƯƲ S.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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[E1V] AGAMEMNON RESPONDET ET POLLICETUR OPERAM SUAM. Me tua commovit frater miseranda querela. Stygmatis accepti. lividulumque nefas. Tecum lamentor pariter. tecumque vicissim. Communem causam sollicitatus ago. Proh scelus infandum. quo clam tua pignora fregit. Hospiciique fidem raptor inersque malus. Dii superi perdant hominem. furemque dolosum. Ausus qui castum contaminare thorum. Crux mala. vel laqueus vesani guttura frangat. Esca fiet volucrum. piscibus atque freti. Nusquam tuta fides. absens tua sceptra dedisti. Illius ad nutum. tyndaridemque tuam. Abduxit nuptam. sanctissima foedera rupit. Hospicii. gazas abstulit atque tuas. Ulcisci cupio presens. nec differo motus. Bellorum subitos. martisonasque tubas. Argolicos proceres ad prelia magna vocabo. Sponte parant getici bellica tela dei. Tydides. teucerque ferox. et promptus ulixes. Aiax has causas. antimachusque fovent. Nestor facundus. stelenusque micantibus armis. Suscipient belli munera. prompta trucis. Et princeps dolopum veniet formosus achilles. Flos quoque grecorum raptus ad arma ruet. Quid nos commissi sceleris convitia tardant. Quid mora confessum detinet auspitium. Adsis preco celer. priamoque indicito bellum. Et paridi iacito telaque nostra procul.

______________ 408a respondet et pollicetur operam suam ] fratri suam operam mansuete pollicetur W; suam ] suam fratri svo S. 409 querela ] loquela M. 410 lividulumque ] liuidulumve S. 415–420 unterstrichen M. 426 parant ] perant S. 427–431 Eigennamen unterstrichen M. 432 raptus ] tractus W. 436 procul.] procul. ƔƥƫƯƲ S. Danach (78v–79r) Bemerkungen zum Trojanischen Krieg, Achill, Cygnus, Odysseus, Palamedes u.a. Die Illustration 79v ist nicht ausgeführt.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

[E2R] PRECO INDICIT TROIANIS BELLUM Iliadum reges audite ferotia iussa. Que commendavit fortis atrida mihi. Prelia grecorum vobis. denuntio iusta. Telaque nunc manibus credita volvo meis. Non licuit paridi. danaum pia foedera regum. Frangere commissos et violare thoros. Tristia fata luet. casus tentabit atroces Criminis et meritum sentiet exitium. Grecorum stet salvus honor. vos iure vetusto Admonui. liticen classica dira sonet.

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VITE VOLUPTARIE COMMENDATIO PRO VENERE. Blanda voluptatis modico sermone referre Quis bona. mellitulas deliciasque potest. Inter tres hominum vitas. mihi sola voluptas Corporis. est cordi. cetera vana puto. Illa dat illecebras. risus. et gaudia prestat. Dat molles thalamos. blanditiasque thori. Semper agit ludos. convivia dulcia tractat. Mestitiam frontis exhilarata fugat. Nyseos latices. et pocula crebra ministrat. Et peragit celeres ingeniosa choros. Spirat achemenios flores lasciva voluptas. Quis ungit niveas delitiosa genas. Mollibus in plumis. vitam sinit esse quietam. Otia dat lentis non fugienda viris. Hanc circum volitant solatia. cantica. risus. Ebrietas. ructus. amplaque vasa madent. [e2v] Quicquid avent homines. largitur blanda voluptas. Que sine rugosa lumina fronte tenet. Edere sepe iubet. taxillis ludere monstrat. Haustibus alternis prelia plena docet. ______________ 436a indicit Troianis bellum ] Troianis bellum indicit W. 440 nunc ] cum W; volvo ] volo S. 442 luet ] luret M. 446 sonet. ] sonet. ƔƥƫƯƲ S. 446a Vite voluptarie commendatio pro Venere ] Voluptatis commendatio per Venerem W. 446a–562 fehlt S. Stattdessem 80r Erzählung von der ersten Errichtung Trojas durch Laomedon und seine Zerstörung durch Herkules. 451–472 unterstrichen M. 461 Pulcherrimi comites. Si pecudum ritu uiuere pulchrum est. Marginalie W.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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Ergo mortalem cum te cognoveris esse. Exple deliciis. lubrica membra vagis. Etas nostra fugit. post mortem nulla voluptas. In cineres tandem spes moritura redit. Dum potes illecebris indulge. cura nec acris Te rapiat. placeat hec tibi vita magis.

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COMMENDATIO VITE ACTIVE PRO IUNONE. Vita voluptatis veneri sacrata procaci. Est laudata vago carmine. nec merito. Non famam celebrem. non cantica sacra merentur. Spumose veneris foeda ministeria. Concha marina fuit. spurco de semine nata. Que modo precipuum gliscit habere gradum. Iunonis vitam potius laudare paratus Scilicet activam. talia verba cano. Iuno iuvans actus hominum. viteque ministrans. Commoda. festivo carmine digna manet. Ex humili multos mortales sorde levavit. Exornat passim quos trabeatus honor. Hec largitur opes. thesauros donat avaros. Cauta fugit damnum. pauperiemque fugat. Efficit hec celeres animos. hec pectora prompta. Erigit. usque petax. ocia nulla colit. Hec mercatorem postremos mittit ad indos Vita. peregrinis insatiata bonis. [e3r] Hec aulas procerum querit. solioque superbo Assistit. regum munia clara regit. Hec foris atque domi commissa negocia rerum Temperat. et curas. consiliumque subit. Hanc circumsistunt industria. cura. laborque. Mens vigil. et lucri sollicitudo gravis Illa sui cupidos locupletes reddit alumnos.

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______________ 467 Sardanapali opinio Marginalie W. 472a Commendatio vite active pro Iunone ] Vita quae in virtutum actione sonstitit quam actiuam uocamus commendatur Iunoni nur in der Marginalie W. 475–504 unterstrichen M. 478 Veneris ortus. Marginalie W. 480 activam ] actutum W. 485 avaros ] abunde W. 492 munia ] numina M; regit ] regens W. 495 Actiue uitae comites Marginalie W. 497 locupletes ] locupletos A K.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

Publica dat proprio iure magisteria. Questorem facit hunc. illi fulgentia sceptra. Regnorum tribuit. Huncce per astra levat. Prestat equos. celsasque domos. pulchrosque clientes. Dona senectutis presidiumque parat. Diligat activam vitam studiosa iuventus Que nullum tardum. vel sinit esse rudem. COMMENDATIO VITE CONTEMPLATIVE PRO PALLADE. Frustra spurcitiam laudat malesana voluptas. Qua duce magnificum quicquid in orbe perit. Incautos iuvenes fallaci decipit hamo. Illectosque suis polluit illecebris. Oscula prava venus. lascive nuncia vite. Dispensat. luxus suppeditatque malos. Non igitur laudanda sacris est spurca libido Carminibus. cuius gloria nulla viget. Activum quid iuno suum commendat honorem. Quidve magistratus. divitiasque canit. Quid rerum celebrat tanto peritura boatu. Munera. regnorum quid valet altus honor. Quid plutonis opes. quid laudat noxia fata. Ad sophiam iuvenes vertite corda precor. [e3v] En ego celestis refero spectacula vite. Ad nitidumque polum lumina clara levo. Contemplativam magnis extollite vitam Laudibus. ad superos que vita tuta patet. Hec curas hominum. vanos hec negligit actus. Publica nil curat munia. lite vacat. Hec archana dei rimatur munera. dotes Nature discit. principiumque poli. Aethereas sedes. sublimia dona sagaci Pectore disquirit. stelliferumque thronum. ______________ 501 celsasque ] celsaque A K celsamque W. 504 vel ] nec W. 504a Commendatio vite contemplative pro Pallade ] Contemplatiue uitae laus per Palladem nur in der Marginalie W. 505–534 unterstrichen M. 518 iuvenes ] iuuenem W; precor Marginalie M. 519 Pallas Marginalie W. 522 que vita ] qua via M W; patet ] datur M. 524 munia ] numina M munera W. 525 munera ] plurima W.

Anhang IV: Iudicium Paridis

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Suspensis animi speculatibus astra corusca Suspicit. et fruitur nectare mellifluo. Hanc optata quies. recreat. solatia pascunt. Vitam. lacte suo philosophia cibat. Hec melior cunctis rebus. securior usquam. Huic iuvenes casti. vosque litate senes.

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ACTORIS ET AUCTORIS CONCLUSIO. Actio nostra bonum finem sortita. laboris Nunc exanclati munera digna petit. Munera digna petit. quis saxeus ista negabit. Effundit meritas turba diserta preces. Turba diserta petit recte virtutis honorem. Et plausus celebres. multisonumque sophos. Plaudite si fas est. nullum liventia tardet. Absint invidie. noxia tela procul. Sepius auscultans ex illo scammate ludos Spectabit populus. ite. valete. diu. Plausibus argutis philomusi scena benigni Sat strepuit. clarum sensit et alloquium. Conradus pariter meruit sua dona sabacus. Spectacli consors. presidiumque chori. [e4r] Sic utinam redeant celebris iucunda theatri Drammata. prisca fides. eloquiumque vetus Hisce soloecismos. et torvi gestibus oris Barbariem. iuvenis vincere quisque potest. Musis ergo sacris. plausu. linguaque favete. Quas celo nitido posthuma fama beat.

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______________ 534a Actoris et auctoris conclusio ] Actoris conclusio nur in der Marginalie W. 543f. unterstrichen M. 545ff. fehlen W, stattdessen: FINIS. Impressum Vienne Austriae per Ioannem Singrenium, Expensis Bartholomei Werlden, Bibli op. 551 soloecismos ] soloecismus A K.

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Anhang IV: Iudicium Paridis

Actum in studio Ingolstadensi. xiii. Calendas Iulii. Anno domini .M.ccccc.ii. Regnante feliciter in Bavaria illustrissimo principe duce Georgio domino nostro invictissimo. Egerunt nobiles ac ingenui iuvenes Anthonius de hatstat canonicus Wormaciensis. et Basiliensis. personam Iovis Georgius gross de trockau. Paridis. Theodericus de tüngen. Agamemnonis. Wolffgangus kärgl. Menelai Iohannes hausner. Discordie. Thomas rosenbusch. Mercurii. Sigismundus locher. Ganymedis. Hieronymus schrenck. Palladis. Iohannes schwapach. Iunonis. Iohannes adelhauser. Veneris. Iohannes glauberger. Helene. Georgius ratdolt. Cupidinis. Christoferus rothan. Bithi. Valentinus eber. Bachii. Iohannes reger. Preconis. Valentinus kufer. Voluptarie. Conradus sabacus alias schwapach. Active. Andreas planck. Contemplative vite commendationem explicavit. Philomusus prologum lusit. AD LECTOREM. Qui legis heroo dictamina cincta cothurno. Qui legis armato verbaque structa pede. Non tibi sit promptum tortis ridere capillis. Carmina. socraticum tolle supercilium. Sinon antithetis phaleratas conspicis artes Docte calliopes. si color omnis abest. Materie placeat tamen insuperabilis ardor. Ingenii placeat simplicitasque pii.

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______________ Kolophon fehlt K; Anno … lusit ] anno 1502 Et in gymnasio Friburgensi. Nonis februarijs Anno 1504 M. 562 Auf die Schlussverse folgt in M: Iouis :Montanus: Palladis ­ ­ Paridis :scripsit anno: Iunonis ° ° Agamenonis :1510: Veneris ° ° Menelai Helenę ° ° Discordię Cupidinis Persona ® Persona ® Mercurij Bithi ° ° Ganimedis Bachij ° ° Voluptarie Preconis ° ° Contemplatiuę Actiuę ¯ ¯ K:

Hoc Stanislaus retinens insigne magister Louicz, ab antiquis detulit illud auis. Romulei reges, patres, veteresque quirites. Aruis eximium contribuere decus. Hincque rosam virtus meruit, dentaleque trinum nobilium candor simpliciumque virum. Actum in arce Cracouiana Mense Februario. Anno domini M.D.XXII. Imperante feliciter apud Sarmatas serenissimo rege Sigismundo, cum sua consorte praeclara Bone nec non nata illustrissimo principe Sigismundo secundo semperque Augusto. Egerunt nobiles ac ingenui iuuenes atque viri aulae Hierusalem incolae.

Anhang IV: Iudicium Paridis

______________ Argumentum egit Felix Cziesielski. Prologum lusit Iacobus Zaborovvski Personam Iouis. Stanislaus Plunski. Discordię Iacopus Kriski Mercurij. Christophorus Iasienski Paridis. Nicolaus Kobylenski Ganymedis. Ioannes Glinski Palladis Gęorgius Latalski Iunonis Simon de Louicz Veneris Paulus Glogovvski Bithi Ioannes Szumski Bachij Bartholomæus Sgierski Helenę Stanislaus Maijk Cupidinis Ioannes Volsi Menelai Marcus Zukovvski Agamenonis Ioannes Obydzinski Pręconis Matthias Rugalski Vitae voluptariæ Caspar Szczepieczki Vitae actiuæ Ioannes Bolek. Contemplatiuæ vitæ commendationem Nicolaus Poplauinski explicauit.

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Anhang V: Ludicrum drama de sene amatore Überlieferung Das »Ludicrum drama« ist ohne Angabe von Drucker, Druckort und Datum als Einzelveröffentlichung von nur 4 Blatt Umfang erschienen, entweder in Straßburg oder, wie PFANNKUCH in Unterstützung von FRIEDRICH KAPP1 argumentiert, bei Nicolaus Lamparter in Basel, wo auch die »Responsio in anticategoriam Georgii Zingel« gedruckt worden ist.2 Während in der früheren Forschung eine Spätdatierung präferiert wurde, datiert man das Spiel heute mit HEIDLOFF auf etwa 1503. HEIDLOFF verzeichnet den Druck unter der Nr. XXVI; HAIN unter *10158. Das Deckblatt schmückt ein Holzschnitt, der mit W.I. signiert ist. Er zeigt eine Theaterkulisse: im Hintergrund eine Gebirgslandschaft, vorne auf ebener Bühne zwei offene Türen. In der rechten steht eine Frau in hoch geschlossenem Gewand, die einen alten und einen jungen Mann empfängt, in der linken sitzt eine zweite Frau in tief ausgeschnittenem Kleid, hinter ihr stehen zwei alte Zofen, aus einem Fenster über der Türe blickt ein Diener Folgende Exemplare des »Ludicrum drama« sind nachweisbar: - SUB Augsburg, 4 NL 570 - SUB Dresden, Lit. Lat. rec. B. 156, misc. 2 - SB Eichstätt, B VI 183/17. - SB München, 4° P. o. lat. 748 (1 - SB München, 4° Inc. s. a. 1175 - UB München, 4° P. lat. rec. 24i - SUB Straßburg, K 2392 - HAB Wolfenbüttel, 95 Quodl. (10). Dieses Exemplar gehörte ursprünglich Jakob Wimpheling und enthält handschriftliche Fassungen von Schriften, welche die Auseinandersetzung zwischen Wimpheling und Locher betreffen, außerdem Druckschriften aus dem Streit Lochers mit Zingel.3 In SB München, Clm 24506, einer Sammelhandschrift von kürzeren Schriften humanistischer und antiker Autoren, findet sich auf fol. 55r–63r eine Abschrift des Drucks aus dem Jahr 1507 mit überreicher Glossierung, die auf einen Gebrauch des Textes im Unterricht hinweisen dürfte. Der Schreiber war Johann ______________ 1 2

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Digitalisierter Katalog der Herzog August Bibliothek. Dagmar PFANNKUCH, Das Ludicrum drama des Jakob Locher Philomusus. Edition und motivgeschichtliche Untersuchung. Magisterarbeit Göttingen 1989, S. 59–63. PFANNKUCH, S. 54–57.

Anhang V: Ludicrum drama de sene amatore

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Groner aus Dillingen, zu dieser Zeit, wie er erklärt (fol. 63r), noch Schüler an der Lateinschule in Nördlingen. Erst am 8. 5. 1511 hat er sich an der Universität Ingolstadt eingeschrieben.4 Neben Lochers Komödie enthält die Handschrift u. a. die »Polyxena« des Leonardo Aretino und einen Terenzkommentar, zwei Dialoge des Lukian bzw. Pseudo-Lukian und einige Lieder und Oden mit Melodien, ebenfalls von Groners Hand.5 Aus dem Jahr 1523 stammt die Abschrift des »Ludicrum Drama« aus der ehemaligen Fürstlichen Fürstenberger Hofbiliothek, Donaueschingen, heute LB Stuttgart, Don. 37, fol. 47r–50r. Auch bei dieser Handschrift handelt es sich um eine Sammlung lateinischer Gedichte und kürzerer Prosastücke der römischen Antike und des Humanismus. Angelegt wurde die Sammlung von Georg Precellius aus Ulm (1475–1531) während seiner Zeit als Priester in Radelstetten.6 Auch sie enthält u. a. die »Polyxena« des Aretino, daneben auch vier Widmungsgedichte von und an Locher sowie Reuchlins »Henno«. Das »Ludicrum drama« ist eingerahmt von der »Ars amatoria« und einem mit »[De] Vino pulchrum drama« überschriebenen Trinklied, auf welches dann die »Remedia amoris« folgen; der Bezug zum Thema „Liebe und Laster“ ist damit sehr deutlich hergestellt.7 Anders als von den anderen Dramen Lochers liegt vom »Ludicrum drama« bereits eine gedruckte Edition vor, in: Karl von REINHARTSTOETTNER, Spätere Bearbeitungen Plautinischer Lustspiele. Leipzig 1886, S. 240–246. Die Edition berücksichtigt allerdings nicht die handschriftlichen Abschriften. Schwer zugänglich dagegen ist die Textausgabe mit Kommentar und (unvollständigem) textkritischem Apparat in der Magisterarbeit von Dagmar PFANNKUCH: Das Ludicrum drama des Jakob Locher Philomusus. Edition und motivgeschichtliche Untersuchung. Göttingen 1989. Sie folgt weitestgehend der Abschrift von 1523. Im Folgenden sollen Abweichungen und Kommentare der Handschriften unter den Siglen M (München) und D (Donaueschingen), Konjekturen der Editoren unter R (REINHARTSTOETTNER) und P (PFANNKUCH) angegeben werden. Der Straßburger Druck selbst wird mit S bezeichnet. Die dichten Glossierungen der Handschriften – v. a. Wort- und Sacherklärungen – werden nicht berücksichtigt.

______________ 4 5 6 7

Matrikel der LMU, Sp. 345 Ausführliche Beschreibung: PFANNKUCH, S. 9–17. Heute Gemeinde Lonsee, Landkreis Ulm. Ausführliche Beschreibungen: PFANNKUCH, S. 18–45; K. A. BARACK, Die Handschriften der Fürstlich-Fürstenbergischen Hofbibliothek zu Donaueschingen. Tübingen 1865, S. 24f.

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Anhang V: Ludicrum drama de sene amatore

Inhalt Die reiche Eriphila wirft ihrem Ehemann Gerontius auf offenem Platz vor, nicht nur die Ehe schändlich mit Huren zu brechen, sondern auch den Sohn im gleichen Sinne zu erziehen. Sein verzweifelter Verweis darauf, dass auch die Philosophen Spiele erlaubt hätten, nützt Gerontius wenig, Eriphila weiß den Unterschied zwischen ehrenwerten Spielen und Hurerei sehr wohl zu benennen. Dem arg in Bedrängnis geratenen Alten kommt sein Diener Staphilus zu Hilfe, der ihm verspricht, die Frau mit List und Schmeichelei von ihrem Zürnen abzubringen. Staphilus redet Eriphila ein, Gerontius (der vielmehr die geradezu mörderische Wut seiner Frau fürchtet) sei dem Selbstmord nahe, und so hört sie bereitwillig auf ihn zu beschimpfen und setzt stattdessen einen Ehevertrag auf, mit Hilfe dessen die Ehe gerettet werden könne: einen Vertrag, der ihre Interessen sichert und Gerontius gänzlich zum Pantoffelhelden werden lässt. Mit schmeichelnden Worten akzeptiert ihn der Alte, Staphilus fordert die beiden auf, sich die Hand zu reichen, und Eriphila lädt anschließend zum Mahl. __________ [a1r] LUDICRUM DRAMA: PLAUTINO MORE FICTUM: A IACOBO

LOCHER PHILOMUSO: DE SENE AMATORE: FILIO CORRUPTO: ET DOTATA MULIERE.

Curve senex naso fluido: rugoseque vultu Qui nocuo pueros ledis amore bonos Vilia scorta colis lustrans geniale lupanar Hinc merito pateris tu muliebre iugum [a1v] DOMINO IACOBO LOCHER PHILOMUSO. M. S. SULGENTIS. SALUTEM.

I

nter huius turbidi maris cunctas calamitates et miserias in omni statu et etate perniciosas / ista qua homo in spurcissimas defecate veneris incidit erumnas miserabilior est: Habet candida iuventus quibus (vulgi opinione nature inclinamenta prosequens) suas tuetur ineptias: Miserrima senectus nil nisi ridicu______________ Titel Ludicrum ] Sequitur ludicrum D P. Unter der Überschrift findet sich in S die oben beschriebene Illustration. Tetrastichon folgt in D P auf den Widmungsbrief, überschrieben mit Quidam etc. D Quidam: P; Tetrastichum eiusdem in idem Überschrift M. Widmung M. S. ] Magister Sixtus M. M[atthias] S[ambucellus] P; Salutem ] Salutem dicit M. 2 defecate ] defectate M. 3 miserabilior ] miserubilior S M P. 4 tuetur ineptias ] ineptias tuetur M; Miserrima ] Miserrima autem M.

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los pre se fert excitatque cachinnos atque stulticias. Ecce capularis senex auro gemmis preciosisque lapillis effetas / tremulas / rugosasque decusans manus / gutture fetido / facie lota / oculis caligantibus / calvo capite / ore edentulo / per vicos / plateas / compita / vias / diversoria / canino more / furiosus currens/ adhuc in grandeva etate comptis desiderat placere iuvenculis: Etsi indies novis ornetur vestium induviis / quibus arte recuperare petit / quod natura negat non minus despicitur / aspernatur / respuitur / et pro eo tumida crumena eligitur.Vale felix. [a2r] ARGUMENTUM Corripit insanum mulier dotata maritum Factaque libratis verbis scelerata lacessit. At tandem servus pacem componit amicam: Sic letum finem spectabile drama tenebit.

INTERLOCUTORES ERIPHILA UXOR. GERONTIUS MARITUS STAPHILUS SERVUS

E

RIPHILA

Salve amator dicacule: iamne sat est / quod tuo cum cano vertice / hirtaque fronte: prostibulis / sordulentis lustris: olentibus lupis tantopere studuisti? non mihi ecastor licuit: in meretricis spurcissimeque edibus lene: tibi insanienti turbas publicitus ciere: aut te manifesto criminarier? At at nunc licebit 5 cum te intra parietes domesticos: ubi nemo homo ex insidiis: facta tua sordida / clanculum aucupare possiet: uti promeritus es: probe castigabo: Proh dii immortales! quantam marito meo vecordiam infudistis: quem pro cerito necessum est circumferre: ut expiatus resipiscat: qui num honestatis civiliumque morum obli______________ 5 ridiculos ] ridiculosos D; excitatque ] excitat DP. 6 lapillis ] capillis M; effetas ] effectas M. 8 canino ] ianino S, furiosus ] furiosusque P. 9 placere ] conplacere DP. 10 vestium fehlt DP. 11 eligitur ] lelegitur M. Argumentum Argumentum ] Argumentum huius Commedie vel fabule M. Ludicrum drama / plautino more fictum: a Jacobo Locher philomuso: de sene amatore: filio corrupto: et dotata muliere: incipit feliciter D; das Argumentum fehlt D, ist in der Marginalie nachgetragen. 0a Interlocutores ] Interlocutiones S. 0b Eriphila ] Eriphila uxor D. 1 dicacule ] diacule S M. 7 pro ] per R. 8 num ] quum D, nunc R, quidem P; morum fehlt P.

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Anhang V: Ludicrum drama de sene amatore

tus. Munus scortatoris: Ganeonis ac perductoris pessumi fungitur: et abiectissimi 10 lenonis meritoriam conducit tabernam. GERONTIUS Heu miserum me! exanclata prima est pugna in propatulo! rursus advorsum me: meis in edibus dotalis uxor / secundam instaurat pugnam: oestro percita palladio: scutum hastamque pugnacis bellone: cum impetu demens vibrat: et facie gorgonis anguinea: torviorem frontem ostentat. Heu oppido mihi metuo: ne facinus predi15 cet meum. et istuc in curia martis // ad ariopagitas deferat. meque quoi fides auctoritasque magistratuum affatim habebatur: famosum ac contemptibilem faxit: ut miser etatem malam: malo cum dolore vivam. STAPHILUS. Quid nam est here: quod tam male te angit: quid tam mestum vultum pre se fers? age sis. ego pol faxo meis [a2v] sycophantiis: dolis: illecebris: blandiusculis: ut 20 uxor tua apprime imperiosa / silentium faciat. convitiis parcat: teque: ut prius solebat: in amplexum admittat. Ira in feminis nil nisi brevis furor est: quem facile possunt lenia verba atque parasytica mitigare: face tu si sapis pro maledictis bona duis verba: et multa spondeas que nec dii servare velint. Ut cicada / ita pol mulier est: que cum semel clamare verbis: strepere dentibus occepsit: vix modum: ad 25 lassitudinem etiam: litibus ac iurgiis imponit. ERIPHILA. Quid te mi vir: amator belle: senectutis specimen? ab animo alienavit! ut relicta coniuge! ad scortum ires: proh pudor! quam insignis lambecula tue fronti inusta est: qui te publicitus una nostro cum gnato in lustra fetida / confers: in conspectuque gnati meretricem amplecteris: oscularis: impudiceque tractas! talos 30 iacis: mustum potitas: bachique et cereris agitas certamina. Hoccine est officium patris? heccine pietas? hiccine sunt mores? quos unico gnato nostro tradis. O turpem patrem! turpiorem filium! qui se ab sene delyro seduci perpetitur. Officium parentis / ut ethici philosophantes tradunt. Gnatum ingenuum bonis artibus: liberalibusque disciplinis erudire: sanis moribus instituere: ad virtutis ______________ 9 Ganeonis ] Haneonis R. 10 lenonis meritoriam conducit ] meritoriam conducit lenonis M.; meritoriam fehlt P. 10a Gerontius ] Gerontius maritus D. 12 dotalis ] dotata P; instaurat ] iustaurat S; oestro ] o estro R. 15 meum ] metum M; quoi ] quo in D P, que M. 16 famosum ] famosam D P. 24 occepsit ] occeperit D P. 25 ac ] et D P. 25a Eriphila ] Eriphila uxor D. 27 proh ] proch S.; lambecula ] labecula P.

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35 munera / ac maiorum illustria facta cohortari: ad sapientie professores ducere: ad templa / atque deorum sacrifitia. Sed tu decrepitus: in cuius corpore ossa vix ossibus coherent: et cutis laxa / et maxille dissute sunt: qui fuste inambulas: et quasi sepulchralis, umbra pollinctorem cum vespillonibus prestolaris. qui quidem lippitudine pressa geris lumina. Gnatum ad scortorum lustra: abditumque ganeum 40 ductitas: ut dignos patre suo mores imbibat. GERONTIUS. Nunquid oblectandi gratia: senibus interdum lasciviendi licentiam concedere fas est? ERIPHILA: Fateor quidem lusus et iocos posse senibus concedi: retinendus tamen modus est: ne immoderata voluptate elati: in sordulentam dilabantur turpitudinem. GERONTIUS. 45 Philosophi me hercle socratici o mea marita: et attici nostri principes / lusibus et apophtegmatis operam dedere! haud tamen usquam eorum facta exprobrata fuere! ERIPHILA. Hem insipidum senem! neque pre metu mussare: neque scelus suum occultum habere potest. causam nempe suam futilibus / ac anilibus fabulis purgare annititur. queso te ecastor! Est ne simile? cum honestis civibus ludere iocarique / dictis 50 et factis urbanis: elegantibus: ingenio[a3r]sis / facetis / et scortari: lustra querere: uxori sue palam et vestes suppilare: corruptele simul et luxui sumptus suppeditare. Tollerabile istuc pol foret! nisi etiam gnatum contaminares. cui opem atque suppetias fers ad turpissimam obscenitatis libidinem saturandam / nisi multum loquaces nos omnes mulieres haberemur: ut equum esset te durius castigarem: 55 nam pol misera discrutior animi cum mihi tanta viri probra ante oculos adlata conspicio.

______________ 35 maiorum ] maior M; facta ] facinora D P. 38 vespillonibus ] vespilionibus D. 40 imbibat ] imbilat M. 45 hercle ] hercule M; attici ] ethici D P. 46 apophtegmatis ] apopthegmatis M, apophtegmatibus D P. 47 pre ] pro M. 50 et ] ac M. 51 palam ] pallam P. 52 foret ] fores R mihi foret P. 55 misera ] miserea M; mihi tanta ] tanta mihi D P; probra ] proba M.

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Anhang V: Ludicrum drama de sene amatore

GERONTIUS: Parce precor uxor: pauxillum est quod feci quid si mores / quos turpiter institutos ais: emendavero: frugique et continentem / et sophrona: castumque me facio / et solius uxoris amantem: alienique amoris osorem. ERIPHILA. 60 Creduat istuc dea fides: quam totiens fiderupa periuriis tuis polluisti ego pol vix credere ausim. quid si propter etatem languidam: in te libido extinguitur: tu tamen post cineres heredem filium / tui similem / relinquis non didicisti / quod iuvenilis etatule inscitia et petulantia nimis licentiosa proclivisque in res vetitas lascivia senum constituenda et regenda prudentia siet? Nonne hec etas a libidinibus arcenda 65 est: tute gnatum ad ignem adductitas propius ubi plus calescat sumptus clanculum subministras: ut peccandi lasciviendique licentia: otius crescat: istanc etatulam in labore: in patientia: in algore: in inedia: et animi et corporis / exercendam censeo: ut eorum in bellicis / civilibusque officiis industria excellentius enitescat. GERONTIUS. O Staphile quam egre audio uxoris convitia: que sua vociferatione: me exanima70 tum facit: et tergum exdorsuat. nisi dea muta obstrepenti mulieri silentium iusserit: elinguandamque dederit: et tu istanc placabilem mihi feceris / hodie pre dolore nimio / Achorontis mortuas ad undas / exanimis rapiar. STAPHILUS. Os comprime: ubi bilem vitream excreaverit: gravedinem capitis expuerit et salsam pituitam excoxerit: diccaculis sycophantiis iratam serenabo. ERIPHILA. 75 Quid hii consilii seorsum capiunt: de me? ut puto: loquitur: non compesco labellum: priusquam coniugis mei malefacta toto protulero.

______________ 60 totiens ] totians S M D; fiderupa ] fide rupta P. 62 post ] primus M; relinquis ] reliquis M. 62–64 quod … siet? unterstrichen D. 63 lascivia ] lasciuiaque D P. 64 siet ] fiet M P. 65 plus ] palus M. 66 istanc ] istunc P. 68 officiis ] partibus D P. In D ist officijs als Interlinearglosse beigefügt. 70 obstrepenti ] obstreperenti P. 72 Achorontis ] Achirontis D P, Acherontis R. 73 comprime ] opprime M. 76 toto ] tota R.

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GERONTIUS Agedum illisce turbis tandem face finem: peccavi fateor: dictis tuis audiens ero: teque diis cunctis! et me hercule mortalibus feminis omnibus anteponam: dies et noctes te unicam amplectabor! te animam meam: cor meum medullam meam: 80 vitam meam / spem atque solatium meum esse dicam. si quid verum est arpagatum: et clam argenti subductum: propediem [a3v] restituetur: sine me: queso durius obiurgare. ERIPHILA: Iam blandiris pessume: cum spurcas tuas perlecebras amplius tegere nequis. O infelicem / mobilemque rem publicam! que tuis consiliis gubernanda comittitur: 85 delo insula instabilior erit: in qua natus fertur latone natus Apollo: mobilior itidem insulis Cyaneis: quas quidam ƳƵµưƫƧƣƜƤƥƲ appellant: tu qui tam stulta facis: non regis: sed lacessis rei publice statum: Miror si clinia cherestratus: Demosthenes / callistratus / in partem senatus te admittunt! luxuria: qua lumbi tui salaces exastuant: cum omni etati sit turpis: tum senectuti foedissima est. At in te tritum 90 grecorum adagium compleri video. quo dicitur. ƪơƟ Ƴƽ ƄƥƱƹƭƥƩƪơƩ ǙƹƱƯƳ Hoc. et tu senex es: atque insanus. STAPHILUS: Et in te male mulieris adimpletur proverbium. que ianua est diaboli: ictus scorpionis pelagus innavigabile: quod cum semel tempestate: ac procellis concitatust: tristia parit naufragia: melius est enim: ut sapiens canit: in terra deserta: vepribus 95 inculta: inhospitali ac desolata / virum bonum habitare quam cum uxore iracunda / ac litigiosa: facili enim ex causa irritata: crabrones imitatur: et discordiarum semina passim iactitat. Hem quid queror? faxo iam ut manus iungantur: paxque in edibus inter herum et uxorem interveniat: letumque nostris atticis civibus: qui in theatro exitum rei operiuntur: harum turbarum finem exhibeamus. GERONTIUS. 100 Accede queso ad eam / blandis verbis animum mulce. ______________ 78 hercule ] hercle D. 79f. cor … spem ] vitam meam: spem meamque: cor meum: medullamque meam M. 80 verum ] auri D P. 81 restituetur ] restituatur M. 84 infelicem ] infeolicem M. 85 instabilior ] stabilior D; natus fertur ] nagnatus fertur M. 86 Cyaneis ] Lyaneis R; ƳƵµưƫƧƣƜƤƥƲ@ƳƵƎƂƌƈƄơƤơƳSƳƵƎơƫƈƱơƅơƲ M,symplegades D P. 87 clinia ] clineas D, Clinias P. 90 grecorum fehlt D; ƄƥƱƹƭ] ƳƥƱƹµ M, ƪơƟ ƳƽHoc et fehlt D. 92 adimpletur ] adimpletus S, adimpletum M. 93 concitatust ] concitatur DP, concitaust M. 94 tristia ] tristiaci M; est enim ] enim est D P. 97 iam ut ] vt iam M; iungantur ] imigantur M.

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STAPHILUS. Specta me. actutum portum tranquillum adnavigabimus: et ex muliere omnium pessuma: tibi optumam / ex penitissimo corde amabilem reformabo matronam. O mea hera! paucis te volo: noli moleste ferre: si verna tecum verba funditat. ERIPHILA. Quid est: eloquere quod iubet: ausculto. STAPHILUS. 105 Rogo te per deos coniugales: ne denuo advorsum herum excandescas: vite sue metuo: nisi pacem feceris! ERIPHILA. Quid tum. STAPHILUS. Quia laqueum emit: quem in femore sinistro sub pallio gerit: quo gulam frangere tendit: et se pensilem facere haud dubitat: aut si istuc non fecerit! de transenna se 110 dare precipitem ait: nisi tute senem ludificatum mitius tractaris. ERIPHILA. Verum ne istuc est: quod ais? cesso igitur virum obiurgare: at Syngraphum durum faciam: quem ni servaverit: mihi dotem recipere licebit: res meas rehabere: et divortium celebrare. STAPHILUS. Recte feceris. non temerariust istuc / quod anticipas: presagacem [a4r] habes 115 animum: hui malam malitiam ariolatur. Si herum ad mortem compuleris: omnes attice nurus te uti vesanam ac crudelem / detestarentur: et viduam etatem: annosque mestos longo tempore victitares / te omnes mortales contemnerent / nemini tecum foret commertium. Sed iam specta: adduco virum propius: ut astans auribus arectis syngraphum accipiat. Hem tu Geronti: accede: pacem adfuturam ______________ 101 actutum ] ad tutum R. 108 Quia ] Quod et R, Quod P; quem in … gerit steht in D P nach quo ... tendit. 109 facere korrigiert aus faucere M. 110 tractaris ] tractaueris M. 111 quod ] amabo, quod D P; virum ] umvir S. 112 ni servaverit ] insuauerit M; rehabere ] retrahere D P. 114 temerariust ] temerarium D P. 115 hui ] que D P, ubi R; ariolatur ] ariolaris D P R; Si ] Sed si D P. 118 propius ] propiua S R. 119 auribus ] hauribus D P.

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120 tibi spero. fac (ut lubens) legibus. quas lectitabit ac quiescas: sponteque polliceris. perlege sis eriphila: ut finem spectatores hilarem tandem sortiantur. Tenor syngraphi. ERIPHILA Eristratis filia cum Gerontio stratonis filio marito reconciliata durabit: si huiusce syngraphi tenorem servassit: ut ante diluculum e lecto surgat: salute prius data / 125 deorum phana ingrediatur! dein curiam martis visitet: ex offitio civilibus negotiis satisfaciat: domum sine mora remeet: prandeat cum uxore: potitet / lavet: cenet: nusquam ad convivia pergat: nisi uxorem una ducat: nihil argenti nummorum: annulorum habeat: nullius rei expositor siet: cuncta sint sub uxoris imperio / omnium rerum arbitratus uxoris sit / nunquam rideat nisi me ridentem videat. Actus 130 et mores suos e vultu meo formet: et si omnino negociari velit: lanam purget: operas aranearum emaculet: telum in stamine fingat: aut aliis domesticis negociis diem conterat: nullam aliam feminam salutet: nec hirquis ocellis intueatur: ad res cupidas omnes aditus occlusus siet: me bis noctu osculetur: basia mollia prebeat: semel legibus coniugalibus satisfaciat: meque sibi semper charissimam / ac iocun135 dissimam esse autumet: quas leges ni servaverit! iam deos coniugales: pronubam iunonem / lucinam: hymeneum / venerem / plutoniam persephonem / laresque / ac focos obtestor: secum divortium agam: et sese desertum relinquam. GERONTIUS. O mea uxor. ƮƾƧ ƪơƟ ƸƵƷƧ anima et vita mea: illasce leges / non transgrediar. Da mihi basium: sine ut te amplector que dulci melle dulcius suavium ori meo 140 prebere potes. STAPHILUS. Iungite manus: pacemque atque fidem / iunctis manibus / iunctoque complexu firmate. ______________ 119f. pacem adfuturam tibi ] pacem tibi adfuturum M. 121 sis ] sic DP; eriphila als Sprecheranweisung verstanden M. 122 syngraphi ] syngraphe S M. Nicht abgesetzt von der Rede des Staphilus. 123 marito ] maritato D P; durabit ] durabitur M. 125 ingrediatur ] ingrediar P; offitio ] offitia M, offitis D, officiis P. 126f. lavet … vxorem in der Marginalie nachgetragen, dabei nisi uxorem gedoppelt M. 127 convivia ] conuitia M. 131 aranearum ] aranenarum M; telum ] telam D P. 132 salutet ] salutat M; intueatur ] intuetur M. 133 omnes ] omnis D P. 134 semper ] per M. 135 ni servaverit ] insuauerit M. 136 iunonem ] in iunonem M; lucinam ] lucunam M; plutoniam ] plautonem. plautoniam M; persephonem ] tesijphonem D P. 138 ƮƾƧ ƪơƟ ƸƵƷƧfehlt D; illasce ] illasse illasce M. 139 amplector ] amplecter S D; suavium ] suauius R. 141 complexu ] amplexu D P.

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Anhang V: Ludicrum drama de sene amatore

ERIPHILA. Intra mi vir. oblivio ominum rerum obfirmata sit: cena est apposita: et mulsum compotitemus. tristisque placabitur etas. [A4V] AD SPECTATOREM. PARANETICE. Da plausum manibus / docilis spectator / acutum: Pectore si memori dicta iocosa tenes. Exemplar vite / res comica dicitur esse: Que mores hominum / factaque prava notat. Concita per totas uxor discurrit athenas: Lustra procax intrat cum lutulenta senex. Evellit canos turpi furiosa marito: Imponitque iugum / quod patienter agit. At staphilus tandem dextras coniungit: et acres Componit motus / connubiumque novat. Esse nihil peius (fateor) muliere proterva: Que propriam turbat seditione domum. Odit ubique senis pruritum luxuriantis / Mens mea: tentigo quem medicata rapit. Quilibet etatis rectos consideret actus Usque sue: finem prospitiatque bonum. Inter virtutem statuat divortia prudens Et vitium: pueris sit pia norma senex. Non semper castos facit indulgentia patrum / Filiolos: prodest ruga severa magis. Da plausum levibus palmis spectator ovantem: Si tibi ridiculi perplacuere sales.

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Dii bene vortant. ______________ 143 intra ] intro S D R P; rerum in der Marginalie nachgetragen M. 144 etas. ] etas etc: ǟƥƫƹƲ: etc. M, etas. Valete D P. Epilog fehlt D, statt dessen: Ludicrum drama / plautino more confictum / a Iacobo locher philomuso / de sene amatore: filio corrupto et dotata muliere explicit feliciter. 0a Ad ] Carmen Elegiacum ad M 1 Da ] A M. 8 Imponitque ] Imponit et M. 9 acres ] sacros M. 10 motus ] metus P. 18 sit ] sic M. 22 ridiculi ] rediculi M. 23 Dii bene vortant] WHOZV M.

Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico Überlieferung Das »Poemation de Lazaro mendico« ist in einem schmalen Bändchen überliefert, dessen einzelne Inhalte sich nur bedingt von dem „Drama“ selbst abgrenzen lassen. Es handelt sich im Einzelnen um: A1r

A1r–B3r

B3v–B4r B4r B4v–B5r B5v

Titel: Hec in libello continentur.//Poemation Iacobi locher philomusi de Lazaro mendico: divite purpurato / et inferno charonte.//Eiusdem carmen augurale de divo ac invictissimo cesare Maximiliano semper Augusto. //Epigramma contra oblocutores maiestatis cesaree //Carmen eiusdem de festo Conceptionis beate Marie virginis. (Poemation de Lazaro mendico) mit folgenden Illustrationen: A3v Unter der Überschrift Mensa divitis purpurati Holzschnitt: Der Reiche bei Tisch; Lazarus als Bettler vor seiner Tür. A4v Holzschnitt: Begrüßung zwischen Mönch und Lazarus. A6r Holzschnitt: Lazarus reicht dem Mönch die Hand. Vor ihnen Charon, in Hintergrund zahlreiche Seelen. Ad divum caesarem Maximilianum semper augustum Iacobi locher Philomusi carmen Augurale. Contra oblocutores cesaree maiestatis epigramma Philomusi. Ad laudem et gloriam beatissime virginis Marie de festo conceptionis. In Iacobi locher Philomusi preceptoris sui libellum Bernhardi Baumgartner Epigramma ad symmatheetes.

Der Druck des »Poemation« ist überliefert in: - LUB Dresden Lit. Lat. rec. A 386, 29. - LUB Dresden Lit. Lat. rec. A 66, misc. 2. - UB Freiburg, D 8712-4. - UB Heidelberg, 8454 RES (unvollständig). - SB München, 4º A. lat. a. 724/5. - SB München, 4º P. lat. 107 a/5. - SB München, 4º P. lat. 841/2. - ULB Münster, Coll. Erh. 415. - UB Rostock, Cq-1293. 9a. - LB Stuttgart, Fr. D. qt. 423, ehem. Hofbibliothek, Po. lat. 748. - LB Stuttgart, HBK 206. - HAB Wolfenbüttel, A: 29 Quod. (6). - UB Cambridge, Norton. d. 57.

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Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

Inhalt Im argumentum ist das Gleichnis vom armen Lazarus, Lk 16,19–31, nacherzählt, über welches vor nicht allzu langer Zeit in Lochers Literaturklasse und in gelehrtem Kreis diskutiert worden sei. Ein Mönch namens Michael habe den Philomusus im Anschluss an die Diskussion aufgefordert, ein Büchlein zu verfassen, in welchem bei Charon um eine Lebensverlängerung für Michael gebeten werde, und zwar vom armen Lazarus, mit welchem Michael nach seinem üppig mit den Reichen genossenen Leben im Schoße Abrahams sitzen wolle. Das „Büchlein“ beginnt mit einer ausführlichen Darstellung von gula und luxuria, die zwar vom größten Teil der Menschen gepflegt würden, letztlich aber den Körper zerstörten und in den Tod führten. Jetzt bereitet Lazarus Michael auf den Tod vor; dieser aber erklärt, er fühle sich mit seinen sechzig Jahren noch viel zu jung zum Sterben, und bittet um Aufschub seines Todes. Wenn dann seine Zeit gekommen sei, wolle er auf die diesseitigen Genüsse verzichten, um mit Lazarus im Schoß Abrahams zu sitzen und sich den jenseitigen Genüssen zu widmen. Lazarus mahnt ihn, weder Angst und Schwäche zu zeigen, wenn Charon ihn ins Inferno führe; einige Seelen entkämen schließlich immer – nach ein paar Jahren der Läuterung. Bald darauf beginnen die Verhandlungen mit Charon. Dieser erklärt zwar seine Unerbittlichkeit, gewährt aber doch eine Gnadenfrist, da er im Moment ohnehin überbeschäftigt sei: Die Heere der Langobarden, Mailänder, Venezianer, Schweizer, Franzosen etc. gelte es über den Styx überzusetzen, da sie sich auf den Schlachtfeldern unsinnig zerfleischten. Nach einer Klage über Krieg und Tyrannis und über den Verfall von Sitte und Moral wendet sich Lazarus warnend an Michael und schließlich ans Publikum: Man solle die Hölle meiden und Gott loben, der den Menschen durch den Heiligen Geist vor der Hölle beschütze. Unter der Überschrift Aetatis ferree procursus folgt nun die Beschreibung einer universalen Schlacht, die von Mars, Bellona, den Eumeniden und Pluto herbeiführt ist. Rasch stehen Tausende zum Abschlachten der Menschen bereit. Der Lauf der Welt ist verkehrt, die Tugenden sind in Laster verwandelt, Glaube und Gerechtigkeit gehen unter.

Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

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[A1r] AD LECTOREM PHILOMUSUS. Saturnalicium damus hoc tibi candide lector / Munus: et ingenue simplicitatis opus. At iocus hic nullus lascivit: nulla voluptas Prurit: ab effuso nec calet obba mero. Non fescennino reparantur carmina gestu: Nec spargit lepidos turba proterva sales. Non odor hic pinguis / nec adorea liba vaporant: Omnis abest nidor / ebrietasque libro. Lazarus has chartas mendicus pingit: et atrox Ostendit ditis livida regna charon.

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[A1V] IACOBUS LOCHER PHILOMUSUS BERNHARDO BAUMGARTNER

NORIMBERGENSI DISCIPULO SUO S.P.D.

D

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Iligentia tua / quam nobilibus sacrarum legum / ac hippocrenidum studiis iugiter impendis: me recte movit: ut novum poemation / filo tenui contextum / subito calore coctum / tibi nuncupatim dicarem. Nam mea qualiacunque sunt: cum summa animi lubentia recipis: et fronte iocundissima perlegis: nec parvifacis characteris mei facilitatem / tenuitatemque qua mihi inter eruditos ac emuncte naris homines: quibus non est rhinocerotis nasus: nec virga censoria: satis bonam famam comparavi. Mecum in hoc sentis: nec ab re profecto / qui quorundam lascivientium litteratorum / tenebrosos sensus / verba affectata / nebulas elaboratas / furta manifesta / ac stili lubricitatem incastigatam / improbas: et ut scopulos fluctibus spumantes / cautus evitas. Mereris Bernharde studiosissime: libelli modici non preciosam dicationem: tum ob frequentes lucubrationum operas: In quibus oleum et impensam non perdis: tum ob laudabilem obedientiam qua puer tuos pedagogos / et adolescens preceptores non penitendos / semper prosecutus es. tum etiam propter indolem fecundam ac ingenuam: qua tuum genitorem Gabrielem Baumgartner Cesarei Iuris doctorem: virum integerrimum / vera vultus imagine representas: et recta vivendi ratione / mortuum esse non sinis. Maiorem hereditatem ac se [A2r] digniorem posteris relinquere non potuit: quam filium / paternas animi dotes consectantem. Liberi nimirum ut Philosophi dicunt: disciplinabiles: sunt divitiae / gloria / decus / ornamentum / memoria parentum. De recta vitae semita aberrare non potes: quotiens egregia facta / integram famam / labores industrios parentis animo pensitas ac plane circumspicis: qui legum apicibus impense suffultus: iuventutem scolasticam in academia Ingolstadiensi publice legens: non tam iuris scientia aluit: quem bonis vivendi rationibus instruxit Qui pacis cultor: hospitalitatis amator: observantissimus aequi: Inter primi subsellii doctores ac consultos iuris habitus numeratusque

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Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

fuit. Quem copiosiori elogio gliscens commendarem: Si non vererer assentationis vicium: a quo mea natura semper abhorruit. faciliori nempe gradu pervenies: quo tendis. Tendis enim ad eloquentiae munus: et ad sacratissimarum legum munimina: cum non externas virtutes queras / quas imiteris: sed domesticas frequenter 30 intuearis: quas omni supellectili meliores / precisioresque tibi pater reliquit. Perge igitur ut coepisti: sapientiam legalem ac pontificiam: cum politioris musae amenissimis diverticulis coniunge: ut ingenii tui olim maturos fructus partim patria et necessarii: partim comis studiosorum commoditas sibi vendicet. Non te nostra laudat epistula: sed stimulis gloriae provocat: ut laudis quippiam agas: ut vitam 35 nimis brevem ac fallacem litterarum monumentis atque viridantibus [A2v] scientiarum corollis diuturnam ac perennem facias. Accipe mi Bernharde: hanc schedam mente grata Perlege quicquid illud est: defende nomen preceptoris: qui tibi felices ac uberes studiorum fructus exoptat. Vale. Datum Ingolstadii Nonis Ianuarii Anno MDX.

EPIGRAMMA AD EUNDEM. Hunc tibi laurigerum mitto Bernharde libellum Nuper apollineo parnassi raptus ab antro Qui fuit: et tenui musarum rore perunctus: Ille tuis manibus tractus plumescere gliscit: Et tutus famae viridantes carpere flores. Perlege / non lusus veneris: sed mystica sensa Continet: infernis recte speculata sub umbris

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[A3r] ARGUMENTUM

SEQUENTIS DRAMATIS.

I

N evangelio luce: capite .xvi. scriptum est: quod homo quidam erat dives: qui induebatur purpura et bysso: et epulabatur quottidie splendide. Et erat quidam mendicus nomine Lazarus: qui iacebat ad ianuam eius: ulceribus plenus / cupiens saturari de micis: que cadebant de mensa divitis: et nemo illi dabat. 5 Sed et canes veniebant: et lingebant ulcera eius: factum est autem: ut moreretur mendicus: et portaretur ab angelis in sinum Abrahe: mortuus est autem et dives et sepultus est in inferno. hec ille. Habita igitur nuper super hoc evangelio disputatione: inter litterarie classis studiosissimos ac doctos convivas: quidam frater nomine Michael: veteranus christiane militie: atque monastice exercitationis decu______________ 1 tibi ] iibi. 5 factum ] factnm.

Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

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10 rio: ex solita sua urbanitate: qua sine despectu legis evangelice loqui consuevit: a me petiit Philomuso: ut libello suplice: et precante Lazaro: apud charontem cocyti navarchum longioris staminis filum impetrarem. Nam secum constituisset hic cum divite in mensa largiter vivere: post mortem cum Lazaro in sinu abrahe. Bono itaque zelo fidei motus: stimulante genio: et phoebo musarum preside sug15 gerente: poemation hoc feci: quod si medullitus legitur: non simplicem intellectum habebit: valete lectores: et boni consulite: in hoc quod prodesse cupimus: culpa nimirum carebimus. [A3v] AD LECTOREM. Cedite lectores: hoc carmen scripsimus uni: Uni vel dedimus hec monumenta viro. At si quis cupidus mysteria nosse laborat: Accedat: facili parcat et ingenio. Hic mihi scribendi phebo monstrante character Cordi est / sermonis puraque vena placet: Quem iuvat in manibus tenebrosas volvere chartas Nunc heracliti tristia verba legat.

5

MENSA DIVITIS PURPURATI. [A4r] Maxima pars hominum vitam colit hanc genialem Delitiis fruitur: illecebrasque capit. Hec quia largifluas epulas: sapidosque palato Nidores struit: hec poclaque blanda locat. Hec exquisitos gustus: lancesque nitentes Comparat: adque novam fercula mille gulam. Zinciber eoo calidum mercatur ab indo: Rugosumque piper: cinnama mittit arabs. Prestinat hesperidum fulvos ex arbore fetus Et quicquid libye fertilitatis habet. Hec emit impensis et medica poma superbis: Hec cilicum flores / corytiumque crocum. Sumptibus immensis peregrinas invehit escas: Et ventris dulces luxuriantis opes. Queritur in ponto rhombus: sub rupe vagantes

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14 phoebo ] plębo. Ü Unter der Überschrift Mensa divitis purpurati findet sich die oben (S. 503) beschriebene Illustration.

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Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

Captantur dame: caprigenumque pecus. Mittit ad hanc mensam phasianos insula cholchis Mittit ad ingluviem quelibet ora cibos. Perdices / turdos / gallinas atque palumbes: Teutonicas ganzas crassa culina petit. Nam patrii latices: haud nostris montibus vue Sufficiunt nate: cretica prela iuvant. Massica vina placent: et tergestina probantur: Extinguunt cupidam vixque falerna sitim. Crescit luxuries rerum: perdensque vorago: Conturbat sensus atque libido salax. At hec vita truces languores artubus infert: Debilitat nervos: corpora vasta necat. [A4v] Tenditur in mortem: post mortem nulla voluptas: Qui bibit et comedit / forte beatus erit.

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LAZARUS LOQUITUR. Iam tua canescunt: mi frater: tempora: crines Sunt nivibus tincti: rugas frons arida torvas Contraxit: nasus gelido putrescit oleto. Pendula labra rigent: fessos nec corporis artus Succus alit tepidus: pes debilis usque labascit. Incedisque gradu tremulo: torpensque palatum Vix sorbere potest concisas dentibus escas. Caligant oculi: sensus oblivia cecant. Ergo quid in longos vite spem concipis annos / Nestereosque petis soles: iam dirige gressum Ad mortis vallem: quam complent agmine denso Cum senibus iuvenes: et circum busta vagantur. [A5r] Perge viam mecum: siccasti pocula multo Tempore: cumque viro vixisti divite: qualem Inter opes largas pavit fortuna superbum / Purpurea amictum chlena: fulvoque galero. Vixisti satis hic: migrandum est inde michael: Nec te peniteat perituri gaudia mundi Linquere: vel dubiae ludibria perdita vitae. In celum tendas ubi puros nectaris haustus Gustabis: si te traducet cymba charontis Ultra torrentem stygium: vapidamque lacunam: Per quam sulphureos fetores ructat avernus.

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______________ 30 Über der Sprecherangabe Lazarus findet sich die zweite der oben (S. 503) beschriebenen Illustrationen.

Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

MICHAEL RESPONDET. Desine queso mihi mortis suadere figuram Nec senium torpens: nec laxas obiice rugas: Sexaginta gravant anni nil vivida membra: Que fovet ipse calor naturae munere cretus. Vivere dapsiliter multum cum divite prestat: Dum nos fata sinunt: leta dum vescimur aura Summum credo bonum longevo vivere cursu. Nec iam tempus adest: presentem linquere sortem / Qua vivo: sectorque virum: quem byssina vestis Exornat: saturatque ceres: potatque lyeus: Cuius et ad mensam lectissima fercula fumant. Ast ubi sera dies: et inexorabile fatum Ruperit exactum stamen: tunc lazare tecum Esse peto: coelique sacros spectare triumphos. [A5v] Leticiaque frui: qua non est maior in Orbe. Me comitem permitte tuum / viridaria campi Elysii: et roseos paradisi cernere fructus. Dum vixi: placuit mihi divitis aula potentis: Et placuere dapes: odor et spumantis Iacchi: Quis non deliciis alvum presentibus explet? Lazare post letum: si tecum vivere gliscit. Duc me per superos oro: per sacra tonantis Fulmina conspiciam ut vultum barbamque charontis Induciasque petam te nunc interprete longas.

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LAZARUS REPETIT: Silibet horrificum coram tibi cernere nautam: Vorticis et stygii fumantia stagna tueri: Dux ero: nec metuam ranas: anguesque trisulcos: Nec me cocyti vada livida sulphure plena Terrebunt: fac tu solido stent corpore vires. En furiale caput cernis: mentumque pavendum Infestis hirtum colubris: nigrisque cerastis. Hic tenet ignivomi spaciosas fluminis oras: Gubernatque ratem conto: traducit et umbras Ad diras penas: aut torvo carcere claudit. Pars tamen evadit: felicis pascua campi Aspiciens / prius at multis purgata sub annis.

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85

______________ 68 qua ] gna. 69 comitem ] comĩtem.

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Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

Demoror en quid te? vel capti temporis horas Quid perdo verbis? nautam sic alloquar atrum.

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ORATIO LAZARI AD CHARONTA: [A6r] O ferruginee lyntris moderator et unde Igneus e fundo quam ructat tartarus imo: Quem penes imperium lacus est: fedeque mephitis: Te rogat expassis manibus: tibi suplicat ille Frater ad has nebulas: et tetram lapsus in oram. Ut consumpta velis pene iam / producere vitae Stamina: lanificas etiam exorare sorores: Vivat ut in longas estates vertice cano. De senio nihil hic queritur: nam mente vigescit Ardor vivificus / nec lasso corpore virtus Languet: et annoso fulcitur robore pectus. Sic fatus: rigidos expectat remigis orsus. Ille truces oculos volvens: quatiensque capillos: Applicat infaustam sinuoso littore puppim. Reddidit et talem furioso murmure vocem.

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[A6V] CHARONTIS RESPONSIO. Concipis infandos: ait: o moriture rogatus: Et mortis dominas presumis fallere parcas: Est tibi sulcandum flumen semel illud / et urens Tranandus phlegeton: nec quicquam sera moraris Tempora: pulverea mox contumulandus in urna. In me non pietas: non est placatio mentis: Navita communis mortalibus omnibus adsum. Ast adeo si te trahit oblectatio vitae: Et petis inducias: quamvis lux ultima fati Te prope contingat: sedeatque in limine clotho: Spem modicam tribuo: donec traduxero cesos Quos cernis gladiis: et sevo marte peremptos. Innumeri manes / hec circum flumina / membris Discurrunt laceris: et sautia pectora nudant. Huc venere acies: quas Longobardica tellus Misit / et insubrium fuderunt prelia ferro. Huc Venetum truncata cohors: et rustica pubes Lancea theutonici quam nuper longa cecidit Militis: et stravit francorum bellicus ensis.

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106 Unten auf A6r, vor der Antwort des Charon, findet sich die dritte der oben (S. 503) beschriebenen Illustrationen.

Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

Horrendas facies cernis: miserandaque mortis Agmina: que fedo sunt commaculata cruore. Hec bellona ferox: hec implacata megera Anguiferos quatiens crines: in bella vocavit. Sic rector divus statuit: sic fata volebant Ut tandem multo latialia regna perirent Sanguine: vel pessum rueret morbosa tyrannis / [B1r] Sic fiunt clades: sic tristia bella moventur. Sic mesto gemitu passim clamatur ad arma. O male fidentes rebus / fortuna superbos Elevat: Impostrix sed numquam perpete cursu Persistit: vanam regnis spem ponitis amplis. Nemo colit superos: nullis astrea veretur Legibus: in vetitum nunc quisquam currit: et astu Decipit insontem: nec relligione movetur Ad bene vivendum: pietas / dilectio / virtus / Et probitas morum: simul et constantia mentis Cesserunt: iusti nec iam celebrabile nomen Ulterius vivit: totis pulsatur honestas Sedibus: haud vere fidei curantur amores. Scandala nata coquunt animos ad probra solutos: Omne decus periit: non integritatis avite Eminet effigies: non celica iussa timentur. Sordibus et vitiis totus computruit orbis. Inter mille homines vix est sanabile membrum. Moribus antiquis non est habitatio tuta. Polluti ruitis vapidas phlegetontis in undas. Mergitis et vestras animas: manesque necatis. Unde fit ut duros cogar tolerare labores. Semper et infracto traducere corpora lembo: Et sulcare vadum quo nil deformius unquam Turpe chaos fudit: si nunc mortalibus ipsis Vita foret melior: non ripas tantus ad illas Concursus fieret: nec tanti murmuris horror. Iratis superis nec tanta piamina cladis. [B1v] Sunt satis: et belli discrimina magna cruenti: Sed modo decernunt gravius: magis atque timendum Excidium: furiis quod nunc agitatur iniquis: Emergat nisi iam vivendi rectior ordo: Intereantque mali speties cum fomite toto.

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165 ______________ 130 divus ] diuum.

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Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

Dedecus abscedat: contagio feda: luesque Cymmerias tenebras subeant: victricibus armis Virtus nixa suis prefulgeat omnibus horis. Tum labor ille meus spurca cessaret in unda: Infernique lacus nec fumida stagna paterent Luctificis umbris / quarum tormenta / dolores / Penarum fremitus / cruciatus / damna / furores / Stridores / gemitus / ululatus / atque flagella Quis numerere potest? homines ad dira volentes Tartara descendunt: satis est vidisse labores Quos patior propter labentis crimina mundi: Hec fatus: iussit nos atra cedere terra: Et properare gradum: subitus circumstetit horror Pectora nostra / fugam capimus: plantisque volamus. Ille trahit puppim lentam: contoque remulcat Millia multa vehent ripe ulterioris ad amnem. Auditusque fuit nobis super aethera clamor.

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LAZARI PARENESIS. Vidisti metuenda nimis dilecte Michael / Ditis regna feri: que murus aheneus ambit: Cocytusque rapax nigris circumfluit undis. [B2r] Spes ubi nulla manet: ubi gaudia nulla ministrat Infoelix acheron: vidisti divitis ora Arida facta fame / et magno sitit usque calore Tostus: et ut phrygius frustratur tantulus alter. Iam super ignitam rane / vermesque nocentes Volvuntur mensam: letalis polluit escam Bubo / modos tristes styx horrida fundit in aures Divitis: haud laceros iam purpura contegit artus. Si sapis ergo cave: tam dure vincula mortis.

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INSTITUTIO MELIORIS VITE Ex quo plutonis tenebrosum vidimus antrum: Vestibulumque canis: triplici qui tartara rictu Personat: et mestas baubatu territat umbras: Quem iuxta recubant furie / quem dirus alastor Excitat ad morsus sevis hinnitibus instans. Postquam naucleri monitus audivimus acres: Atque minas rabidas rigido quas gutture fudit.

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200 ______________ 192 styx ] stryx.

Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

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Nos procul ex tenebris turbati fugimus atris: Et superis laudem dedimus: qui numine sacro Tutati nostras animas: confidite nullis Deliciis animi / perituros spernite luxus. O vos mortales! opibus spes nulla locetur Divitiisque simul: que sunt fomenta malorum. Mors carnis domite / mens integra / pectus honestum Contemplans genius: frugi sensusque modestus Astriferas penetrant sedes: ast blanda voluptas [B2v] Corporis ingreditur nigrum damnata caminum. Vivite securam multo cum foenore vitam Gustibus a vestris procul uncta popina recedat Sordibus exuperans: et lucida corpora foedans.

AETATIS FERREE PROCURSUS. 215

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Mars fremit in lituis: fortes bellona lacertos Vibrat: et horrendum classica rauca canunt. Eumenides frendent animos in bella trahentes. Infernus pluton tartara vasta movet. Excitat et fluctus triton: sevumque tridentem In mare proiiciens stagna profunda quatit. Undique concurrunt equites: peditumque phalanges Splendescunt clypei: lancea torta tremit. Bombarde stlopum faciunt: arcusque nocentes Infigunt ictus: spicula longa volant. Armorum genus omne micat: iam mille parantur En hominum cedes: stat cruor ante fores. Forte alio motu / mutatus vertitur orbis. Vel retro currunt sydera mesta gradu: Ad borream gelidum: calidus mox transvolet auster Qui fuit eolus: mox erit occiduus. Ambitus / ira / furor / dolus / impostura / libido / Rixa / forum / livor / questus / avara manus: Pauperiesque simul res et privata / fidesque Irrita / pro meritis nunc mala tanta parant:

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Anhang VI: Poemation de Lazaro mendico

[B3r] AD CENSOREM SAPPHICUM PHILOMUSI QUO LIBELLI TENERITUDINEM DEPRECATUR. 235

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Quicquid absurdum tenet hic libellus Conditus filo tenui / dolabra Censor abscindat: numerosque frenet Luxuriantes. Musa sylvosis venerata templis: Rusticis ludens fidibus / canendi Hoc dedit nobis triviale munus / Ingeniumque. Est nec herous furor in libello Entheus perflat neque plectra buccis Spiritus: muse neque syrma nudos Contegit artus. Inferos quamvis recolit nocentes: Narrat et tetras acherontis undas: Sutilis per quas trahit estuantes Cymbula manes. Divitis quamvis canit hic libellus Luxibus mensam variis refertam: Lazaro sedem licet in superno Prestat olympo Est tamen presso tenuatus orsu: Aridus succo caret et leporis: Censor audentem bonus approbabit Carmine vatem: Dii bene vortant.

Anhang VII: Libellus dramaticus novus sed non musteus Überlieferung Der ohne Titel überlieferte »Libellus dramaticus novus sed non musteus« ist in der Sammelhandschrift Lat. 11347 der Bibliothèque Nationale, Paris, fol. 66r–75v, einer Papierhandschrift aus dem 15./16. Jahrhundert, überliefert. HEIDLOFF führt sie unter der Nr. XV auf.1 Sie war, wie ein Benutzereintrag auf fol. 1r belegt, ursprünglich im Besitz des Chorherrenstifts St. Johann in Rebdorf. Der Prior des Chorherrenstifts von 1505–53, Kilian Leib, war eng befreundet mit Willibald Pirckheimer und stand mit einer größeren Zahl von Humanisten in Kontakt2 – vermutlich auch mit Locher. Die Handschrift ist von verschiedenen Händen geschrieben und enthält die folgenden Texte:3 1r 1v 2r–52v 53r–54v 55r–56r 56r–v 65v–57v 57v–58v 58v–59r 59r–61r 61r–62v 63r 63v 63v 64r–65v 66r–75v 76r–78r 78r–79r

Besitzereinträge, Inhaltsverzeichnis. (leer) Baptista Mantuanus: 10 Eklogen – über Liebe und Religion. Baptista Mantuanus: Ad beatam virginem votum. Sedulius Prespiter: Hymnus de christo. Raphael Zovenzionius: Carmen … in natali die salvatoris. Raphael Zovenzionius: Carmen … in passione domini. Raphael Zovenzionius: Carmen … de die palmarum. Raphael Zovenzionius: Carmen … de christo. Aurelius Prudentius: Hymnus de epiphania domini. Aurelius Prudentius: Hymnus ante somnium. Jacob Locher: Epigramma in ebrietatem. Sebastian Brant: Ad sanctum nicolaum carmen. Sebastian Brant: Ad divum Laurentium precacio. (leer) Jacob Locher: libellus dramaticus (Im Inhaltsverzeichnis bezeichnet als dramata tria). Caspar Ursinus : zwei Kriegsgedichte. Filippo Beroaldo: Pro victoria Hemanueli

______________ 1 2

3

HEIDLOFF, S. 127. Hans-Josef OLSZEWSKY, Kilian Leib, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. IV. Nordhausen 1992, Sp. 1375–1379. Vgl. die sehr knappe Liste der wichtigsten Texte der Handschrift bei: Léopold Victor DELISLE, Inventaire des manuscrits latins conservés à la Bibliothèque Nationale sous les numéros 8823– 18613. Nachdr. der Ausg. Paris 1863–71, Hildesheim/New York 1974, S. 212.

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Anhang VII: Libellus dramaticus novus sed non musteus

79r–v 79v–81v

Johannes Cochlaeus: Brief an Georg Beheim, 19. 12. 1512. Johannes Cochlaeus: Epicedion … in obitum Anthonii Cressi, datiert: 8. 9. 1513. Johannes Cochlaeus: In mortem Antonii Cressi … Elegia. 82r Johannes Cochlaeus: Ad manus Anthonii Koberger Nurembergensis … 82r Hexastichon. (leer). 82v Druck von Vergils Moretum. Leipzig: Jakob Thanner, o. D. [um 83r–86r 1504], mit sehr reichen Interlinear- und Marginal-Glossen von mindestens zwei Händen, zum Teil auch deutsch. (leer). 86v Teile einer Philosophia moralis (von zwei Händen). 87r–120v Lorenzo Valla: Eleganciarum viginti precepta. 121r–130r (leer). 130v 131r–156v Brieflehre. Brieflehre. 157r–163r 163v–175r Marcus T. Cicero: Sinonima, datiert: 1485. (leer). 175v Ligurinus, Buch III. 176r–209r (leer). 209v Christophorus Saucius: Carmen … in principio studii Bononiensis 210r–245r editum / recitatum autem per iuvenem facundissimum (Loblied auf Bologna als Stätte der Musen). 245v–246r Exhortatio pro studio estivali. Exhortatio pro studio hyemali. 246r–v Der im Inhaltsverzeichnis an letzter Stelle genannte Dialogus de horreste ist nicht mehr in dem Band erhalten. Der Band wurde 1938 neu gebunden. Der libellus dramaticus, welcher die politischen Erfolge des päpstlic$$hen Legaten darstellt, bildet im Sammelband das Bindeglied zwischen den religiösen und den politischen Schriften. In seiner Zusammenstellung entspricht der Band der Überzeugung der deutschen Frühhumanisten, dass Religion, Politik, Beredsamkeit, Historie und Poesie eine Einheit bilden sollten. Die Handschrift von Lochers libellus dramaticus gleicht in ihrer Einrichtung den Drucken seiner anderen Dramen. Die Sprecherangaben sind auch hier nicht abgesetzt, aber, wie die Überschriften, durch rote Tinte und Unterstreichung hervorgehoben. Die Initialen sind ebenfalls rot. Kleinere Auszüge des Dramas hat Ludwig GEIGER 1887/88 abgedruckt.4 Seine Lesarten werden im Folgenden unter der Sigle G verzeichnet.

______________ 4

GEIGER 1887/88, S. 72–77.

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Inhalt Nachdem der Prologsprecher klargestellt hat, dass es sich beim folgenden Spiel weder um eine Tragödie noch um eine Komödie handle, folgt in Akt I die Exposition: Der Papst (Leo X.) wundert sich über Gerüchte bezüglich eines kriegerischen Konflikts unter den christlichen Königen; sein Legat bestätigt diese: Die Schweiz habe mit Maximilians Unterstützung Burgund angegriffen, die Engländer gemeinsam mit dem Reich Nordfrankreich und Belgien; überall tobe der Krieg. Der Papst sieht seine apostolische Aufgabe darin, Frieden zu stiften, um die Kräfte eines geeinten Europas gegen die Türken zu sammeln, und entsendet daraufhin den Legaten als Friedensbotschafter nach Frankreich und Deutschland. Akt II: Der orator des französischen Königs ist rasch für die Friedenspläne des Papstes gewonnen, er begleitet den Legaten zu Maximilian. Diesem wird der Friede als eine vom Papst unterstützte Bitte Frankreichs präsentiert. Maximilian möge die früheren Verdienste der Franzosen um die Christenheit bedenken und einem Frieden, der dem Kreuzzug dienen solle, zustimmen. Maximilian weist auf den wiederholten Bündnisbruch der Franzosen hin, erklärt sich aber zu einem Friedensschluss bereit, falls seine Bündnispartner ihm zustimmten. Der König von England und der Herzog von Mailand fügen sich dem Willen Maximilians. Im dritten Akt reflektieren ein schwäbischer und ein schweizerischer Landsknecht, was dieser Friedensschluss für sie bedeute. Der Verzweiflung des Schwaben angesichts der ihm drohenden Arbeitslosigkeit setzt der Schweizer gelassene Zuversicht entgegen: Im Moment wolle er sich auf seine Alm zurückziehen, der nächste Krieg aber lasse sicher nicht lange auf sich warten. Diese Aussicht vermag auch den Schwaben bis zu einem gewissen Grad zu trösten. Der Chor präzisiert schließlich die Kriegshoffnung der beiden dahingehend, dass der Türkenfeldzug demnächst zu erwarten sei.

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[66r] PROLOGUS TOTIUS DRAMATIS

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pectator nisi quid imminentis habes negotii Quod te ab otio ficti progymnasmatis Non ab re semoveat. te per Genium rogat Imperator Theatricus. ut avido pectore iam Auscultes dramatum haud frivolam materiam Que ab evidenti manavit necessitudine Auctor tempestivi me iussit spectaculi In hoc proscenio pauca verba proloquier Quibus solet impetrari vulgi silentium Ne motu Anabatra indecore crepitent Aut altus sibillus edatur in subselliis Res non est tragico vestita syrmate Quamvis veterum more chorus incinat Nec prorsus humi serpens soccum induit Regum id prohibet ingens colloquium Quod singulari nunc pontifex maximus Et supra spem hominum fecit prudentia Hoc gliscit genere declamatorio Prodesse vates natu maioribus Ephebis pariter. sat prolocuti sumus Spectator lingua faveto et benedicito.

ACTUS PRIMUS. SUMMUS PONTIFEX. LEGATUS A LATERE INTERLOCUTORES. PAPA. Est ne ita uti rumor ingens ac ferme prodigiosus per cunctos urbis Rome vicos divulgat. in Galliis atque Germania Christianum sanguinem hostiarum more effundi / et crudelitatem ecclesie Christiane pernitiosissimam citra humanitatis leges omnis exercere: Non enim mihi facile persuadere soleo quod inter reges et Chris5 tianos proceres tanta mentis vecordia tamque furiosus tumultus exsuscitari queat / etiam si Furie Infernales quas hor[66v]ror omnis amplectitur / omnis malitia ______________ 7 Vers nachträglich eingefügt. 10 Anabatra in der Handschrift korrigiert aus Anabeatra. 14 Nec ] Ne (so auch G). 17 spem ] quem G. 20 prolocuti korrigiert aus prolucuti. 21 lingua ] linguae G. 1 vicos nachträglich eingefügt.

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comitatur / omnis denique motus turbidus armat. propius a lacunis Stigiis emisse accesserint. LEGATUS. Verum est nimirum beatissime Papa quod ei fama rumificat / nec auctore quidem 10 incerto per orbem ac urbes singulas spargit. Illisce ipse oculis vidi quam crebre infesteque militum copie iam per Niceam / Astum atque Moncalerium tendant / in Gallorum ac Narbonensis provintie stragem qua parte iter est in Galliam nostram ac reliquam Italiam. Utinam Thebanus ille Hercules montanus Liguribus hic pugnasset / ut lapideus imber obiicem fecisset hostibus externis / et saxeis 15 montium claustris / tutam Italiam ab immani barbarorum incursione reddidisset. Tuo postea nutu ultra Alpes Rheticus missus. dii boni. Quantum armorum strepitum in Helvetiis / in Suevorum pagis / in Rhenana provintia / inveni! In memoriam meam illico veterum bellorum strages veniebant / quibus vel Gretiam Xerxes / vel luscus Hanibal Latium / vel Senones Romam / vel Langobardi Cis20 alpinam Galliam depopulati sunt. PAPA. A quibus nam populis tantus (ut ais) tumultus exagitatus est? Nixus enim sum huc usque pro viribus idipsumque in animo sollicitate volvo ut inter rei publice Christiane principes post longa tandem rerum pericula / postque casus varios atque difficiles pax salutaris ac deo nostro gratissima confirmaretur. Pax est maximum bo25 num atque donum optimum quod Christus [67r] (cuius vicem in terris gero) suis charrissimis discipulis pro ultimo vale reliquit. Pax inquam claudit inferni ianuas et Tartara claustra chalybeis pessulis obstruit / ad celique palatia viam preparat. LEGATUS. Helvetiorum indomitus populus legibus militie observantissimus / ius nature diligens ac libertatem amans. invictissimi nostri Cesaris Maximiliani partes et studia 30 fovens. imperii iura defendere gliscens / Burgundiam / quam Galliam Celticam veteres rerum scriptores nominavere / cum infesto exercitu invasit / oppida / castella / agrum omnem ad Cesaris Nepotem Carolum hereditario iure spectantem / occupavit recepitque. Incredibili quoque metu ac trepidatione Galliam implevit ut partim fuga / alii in minutissimis civitatibus salutem vite querant. Ceterum adhunc 35 motum opes et copie militum infinite Anglorum regis accessere quas apud Attrebates Morinos Renniensesque atque totius Belgice Gallie incolas Serenissimus imperator in fidem belli publicam / in societatem / in amiciciam denique federis comiter accurit. Castra metatus est rex Anglorum armis instrictussimus in finibus ______________ 15 claustris in der Handschrift korrigiert aus clastris. 28 populus nachträglich eingefügt. 34 alii ] partim alij. 38 instructissimus ] instrictissmimus.

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Gallie bellum iure belli atrocissimum liliato regi indixit / adeoque Francorum 40 superbas animas exanimavit / ut triste de galeis / Thoraces de pectoribus / tibialia de pedibus casu monstrifico quodam deciderent. Mars undique sevit / Bellona clypeum concutit. et nisi deus maximus aut tua sanctitas intentum malum avertat / sanguis Christianus torrentis more vasto quodam flumine currens [67v] effundetur. PAPA. 45 Non me latet orator fidissime quam grandia mala ac formidabilia Italia / plerisque retractis armis atrisque temporum articulis perpessa sit / cum Padus ac minora Italie flumina cum mare Adriaticum miserando cruore exundaret. cumque sub divo cadavera passim strata feterent et ipsis celi volucribus abominabilem preberent escam / cum etiam sepulture honor supremis cesis militibus denegaretur. 50 Quis tunc misertus non est hominum cladibus? Quis non alta suspiria traxit? quando plus quam civilibus bellis robur Christianorum militum ac fortium heroum corpora dissipari ac labefactari conspexit? Quis non tristem gemitum ab imo pectore stupidus ferme eduxit. cum tot hominum manes non absque secunde mortis timore ac formidine a corporibus cesis discedere vidit et lamentatus est? 55 Cogit me in tantum rerum turbine / inque tam maligna totius mundi confusione pontificalis apex / ut Christianis legibus addictos reges et principes ab incepto belli furore retraham. manus temere armatas exarmem. Concordiam Christo gratam ecclesie honestam ac ipsis quidem Catholicis utilem decoramque / licitis conditionibus inducam / inferni draconem confodiam qui pessima seducendi natura 60 preditus discordiam hancce seminat / pacem auffert / charitatem minuit / tenebras ignorantie effundit / immoderatosque animorum affectus in hominibus concitat. Vade igitur cum plenaria potestate in Germaniam atque Galliam ad pacem et ad oscula pacis iucundissima / ad saluberrimam iniuriarum oblivionem et malorum omnium depulsionem. Commotos proceres reducito / quicquid tibi in capi65 tolino penetrali [68r] commissimus ea fide qua erga sedem Apostolicum rem ipsam ac utilitatem militantis ecclesie procurato. Oratoris quoque munere fideli apud exteras nationes fungi te iubeo. LEGATUS. Sanctissime pater. arduam profecto rem in conclavi prius Apostolico pensiculatam variisque sermonibus arbitratam / nunc autem in publico consessu ratam / 70 concordi voto factam / mihi pusillanimi atque ad bellorum negotia minus apto Sanctitas tua imponit. Idipsum (ut equidem puto) legationis munus nemo rite ______________ 56 Christianis korrigiert aus Christianos. 60 pacem ] paucem. 65 penetrali in der Handschrift korrigiert aus penetrli. 66 munere in der Handschrift korrigiert aus munerer. 69 sermonibus ] rmonibus.

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perficere potest. nisi qui terrore vacuus. fortitudinem contra vim inopinatam firmatus nullam fortune intemperiem prorsus pertimescat. qui sit eloquentia incredibili preditus / et singulari prudentia armatus quo facilius id efficiat. quod 75 durum est efficere inter potentissimos reges et indomitas gentes. ubi libido dominandi neque sors neque rectum honestumque considerat. At iam tuis mandatis pareo, iussa tua capesso. Sic modo sacrosancte ecclesie Romane supplicatio crebraque ad aras thuricremas oblatio efficiat. ut regibus pacem persuadeam, horrorem belli disuadeam. discordes uniam et in Turcas. Christi sevissimos hostes. 80 arma concitem. Quod quidem ceptum ut deus noster qui in celis habitat secundet hymno Choryambico salutandus est. CHORUS ASCLEPIADEUS. tellati modo te conditor etheris Gentes incolumem ducat ad exteras Orator dirimas ut fera prelia Et pacem statuas semper amabilem [68v] Linguam pneuma tuam flectat et organum Mentis docta tue sensaque dirigat Concordi proceres federe Martios Ut iungas. pariter castra minantia Contundas. nihil est pace salubrius Qua petri solium crescit Apostoli Qua crescit fidei relligio sacre Qua frendet rigidus pace dyabolus Felix illud iter sit precor. Inclyti Dum legatus adit Cesaris atrium Et suasu gladios separat hosticos Quis sanguis poterit fundere innocuos.

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______________ 76 sors ] fors. 81 hymno … est: Hierbei handelt es sich offensichtlich um eine Regieanweisung, die aber in der Handschrift nicht vom Dialogtext abgesetzt ist. 6 Mentis ] Meritis.

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PROTHESIS SECUNDI ACTUS Actorum grex selectissimus. hanc unicam a vobis operam exposcit spectatores optimi. ut erectis capitibus ac auribus defecatis volentes regum Apostolicique legati colloquia Christiane rei publice profutura auscultetis. Si quid ab inducto grege scolastico perperam actum male pronuntiatum / aut barbare contextum fuerit. disuetudini potius ac temporis vitio quam nostro ingenio quod errare facile potest adscribatur.

ACTUS SECUNDUS. APOSTOLICUS LEGATUS ORATOR REGIS GALLIE. IMPERATOR. REX ANGLORUM. DUX MEDIOLANI. INTERLOCUTORES. LEGATUS APOSTOLICUS. Habesne in memoria que nuper Rome oratorem Gallici regis agens in summi pontificis conclavi cum magna querimonia ac rei publice Christiane adura prope lachrymans proposuisti. ORATOR GALLICUS. 85 Habeo profecto et singula manda[68v]torum membra in pectore teneo. que tue fidei credita, iamiam tempestive hostibus. Gallorumque regnum devastantibus inimicis referre poteris. LEGATUS APOSTOLICUS Sacris peractis et precibus ad deum optimum fusis intrepido gressu ad Cesaris pretorium ad Anglici regis tentorium. atque ducis Insubrium atque Angleterrie 90 vicecomitis contubernium proprius accedam. teque mecum in levo latere ducam. ut auribus tuis excipias quam fidum ac immobilem legatum agam. O si divinum flamen tam validam linguam ac prepotentem concederet. vel nunc mihi precandi vim Demostheneam, aut Ciceronianam facundiam, aut Pericleam vehementiam tribueret. qua principibus armorum militum comeatuum copiis abundantiaque, 95 terribilibusque concordiam persuadere possem ORATOR GALLICUS. Confidens age nemo bonus tuas honestas atque commodissimas actiones reprobabit. Nihil turpitudinis / nihil insidiarum / nihil denique hostilitatis tue munus legationis presefert. Curare bonum publicum studebis, pacem bellicosis regibus ac populis suadebis. sublimitatem Apostolice sedis. imperiique Romani, maiestatem ______________ 86 tempestive ] tempestivier. 89 Insubrium in der Handschrift korrigiert aus Inbrium; Angeterrie ] Anglerie.

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100 amplitudinemque predicabis. Adversum Turcas immanes Magumeticosque pseudosectores Christiani roboris militiam armabis. Repudiatisque omnibus adversantium sermonibus argutiolisque. pacem honestam ac utilem omnibus Catholicis concordiam potissimum introduces et introductam sanctionibus religiosis confirmabis. LEGATUS APOSTOLICUS. Recte monuisti. temporis commoditas et rei ipsius quam acturi sumus extrema 105 necessitas exposcunt. [69v] ut concisis sermonibus inter nos familiaribus officium humeris nostris impar valde impositum nunc exequi maturem. Ad hanc profecto secundam diei horam Cesarea maiestas me accesiri iussit. parebo et animi virtute fretus mandata exponam. aderunt et ceteri magnates quibus cum rex tuus armis contendit. ORATOR GALLICUS. 110 Perge bonis (ut aiunt) alitibus. deus regum rex. et dominantium dominus cepta tua secundet gressus tuos sensim comitabor. ut ubi coram imperatore loqui ceperis ad latus sinistrum me sistam: ut conditiones pacis omniumque peticionum genera. que in tam gravibus belli negotiis arbitrari solent. vel affirmem vel abnuam.

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LEGATUS APOSTOLICUS. Summus pontifex Leo decimus me legatum suum ad tuam maiestatem serenissimam destinavit. ut tecum pro salute humani generis prudenter agerem / animum tuum invictissimum mitigarem. teque ad pacem cum Gallorum tyranno revocarem. Tuam igitur imperialem celsitudinem reverentia debita accedo et ut papalibus peticionibus satisfiat plurimum hortor. Nisi mihi placidissima animi tui benignitas maxime Cesar antea fuerit perspecta. In tam feroci bellicorum motuum trepidatione ad te nequaquam profectus essem. ad virtutis tue multiiuga mansuetudine incredibili morum comitate. felicissima sceptri tui iusticia confisus. pulso quoque procul omni metu per Alpium iuga. perque difficiles itineris anfractus in Germaniam transivi. Sed quid velim in presentiarum paucis accipe. Gallorum rex undique circumventus ad gravem necessitatem compulsus. hostium formida[70r]bili incursu territus. iure tamen an iniuria fiat. non est pontificis negotii. ad sedem apostolicam confugit. post debita pedum oscula a summo pontifice supplicavit. ut in tam discordiosa rerum humanarum sollicitudine intercederet. pacem communem faceret. bellum miserando furore concitatum irritatisque Regum nimium exestuans componeret. hostes conciliaret. et rei publice Christiane succurreret. In mandatis preterea summus pontifex mihi dedit ut benefacta regum Gallie memorarem que pro ecclesie militantis defensione incrementoque fidei strennue feliciterque sepe peregerint. De Carolo magno nihil iam dicere volui quem natio Ger______________ 102 sermonibus ] rmonibus. 115 salute korrigiert aus salutem.

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manica Gallum fuisse negat. cuius arma indomita et signo crucis premunita quantum Apostolice sedi profuerint. nemo tam sermone copiosus qui oratione rem omnem comprehendere queat. Carolomannum / Rudolfos / Pipinos / Carolum Calvum Philippos / Ludovicos / quoque omnes transeo qui manu promptissima ecclesiasticum statum ac ordinem defensarunt. quique classibus instructi equitatu simul et peditatu maximo adparati sepenumero Aegipti Reges telluris sancte occupatores Nili vada pepulere. Ceterum cum hac tempestate Othomannorum Dux atque Turcarum Tyrannus in Christiani populi fines irruat, terminos eosdem transgrediatur. oppida. Castella, vicos, pagos et agros devastet. igni cuncta obstantia corrumpat. ab uberibus matrum infantes raptos in terra collidat. senes sibi inutiles interficiat. virgi[70v]nibus stuprum inferat, sacraque ac prophana iuxta habeat. Est opere pretium ut subito exciti motu Catholici reges et principes adversum crudelissimos Turcas coniurent, arma capiant, Christi gloriam defendant. quod cum sine Regis Frantie opibus auxiliis copiisque fieri nequit rogat summus Pontifex ut in medium tua maiestas consulat. hostimenta iuris et equitatis respectum habentia acceptet pacemque necessariam amplectetur. eo tamen pacto ut omnibus suis prius redditis tandem ex castris et ab armis discedatur. Spondet papa triremes, quinquiremes, classemque potentissimam. contra Turcarum Imperatorem nefandissimum. aurique copiam ingentem pollicetur, marisque portus Adriatici Gretiam alluentis iamiam presidiis armat et replet comeatibus Quas autem pacis conditiones Orator Regis Gallie summo pontifici obtulerit. ad te quoque ferre iussus sum. En accipe diploma Cesar invictissime et boni consule. paululum si lubet hinc secedam ut tum tuis confederatis proceribus liberius agas. Leguntur nunc littere cum slientio. Nam virtute tua rediet victoria Cesar.

MAXIMILIANUS CESAR summi Pontificis, quem sincera mente veneramur. quem verum Christi vicarium credimus. quem obsequio regio colimus. petitionem accepimus. litteras etiam signo Papali obsignatas resignavimus. et ex acta mentis trutina totam rerum seriem 160 [71r] pensitavimus. tam honestam devoti pectoris sententiam improbare nequimus qua summus Pontifex ad pacem. ut recte auguratur. salutarem confitiendam monet. Sed ne bellum a nobis Gallorum regi motum sine iusto dolore Papa existimet. non ex efferuescenti animi calore iam loquimur. verum ut cunctis externis gentibus anteacta constent causas non ullas in medium deducemus. Propudiosum. 165 Caroli Strumosi. facinus cum avibus piis officiat. prudenter transimus qui suis scelestissimis probris. stuprisque non solum totam Galliam, ac universi Christiani sanguinis terram turpiter fedavit. federa nobiscum acta nunquam servavit. contra ius gentium oratores regum atque principum depredatus est. Quid de / Ludovico ______________ 154 diploma ] diplonia. 156a Maximilianus ] Maximianus. 165 avibus ] aueibus. 166 scelestissimis in der Handschrift korrigiert aus sceleribus.

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dicam? quem exulem quondam extorremque. miserumque ab omni ope destitu170 tum. in tutelam nostram recepimus. nec superbiam Gallicam neque potentiam formidavimus. Quid unquam clarum aut magnificum Ludovicus gessit absque Germano milite? Nostro auspitio Mediolani triumphavit. nostro auspitio Venetos domuit. Nostro auspitio Brixiam recepit. et proditionis crimen ultus. Nostro auspitio inquam Bononiam ingressus honestam predam sustulit. Nostro ductu 175 apud Ravennam, cruenta tamen victoria, hispanos prostravit et falcatos currus destruxit. Nostra mansuetudine fretus cuncta pro libidine sua gessit. In tanto rerum successu, inque tam felici cursu nos contemnere cepit. fidem amicitie federisque sanctitatem. dum Sicambrorum Regulo [71v] suppetias clam mittit in Nepotis nostri iacturam dolose fregit. Sed non est pontificis instituti convitiis hostem 180 onerare amore pacis. honore sedis Apostolice, utilitate rei publice Christiane ductus. postulationi summi Pontificis annuo. dummodo ceteris idem nutus sit. qui bellicam potentiam nobiscum ducunt moderanturque.

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REX ANGLORUM. Ex quo Cesar maxime pacem facere cum Gallorum Rege tibi consultum videtur. opportunamque summi Pontificis admonitionem reverenter accipis. non meum est in presentiarum tue consultationi contravenire. tam firma enim erga tuam maiestatem mea fides ac amicitia viget. ut sit unita et inseparabilibus compaginationibus ferruminata. ut nullo rerum casu fortuitu. nulla temporum mutabilitate. nulla denique malorum hominum perfidia discindi atque labefactari possit. sed inprimis ab re mea alienum fore neutiquam censeo: si rationes belli. iustissimumque dolorem adversus Gallorum Regem haud iniuria conceptum. coram tua maiestate florentissima edixero / pacem cum hostibus oportunam ac salutarem componi posse non inficias eo: que procul dubio rata fiet: si mihi / tibi / et reliquis nostre federis consortibus iure belli: ac pene victorie parte satisfactum fuerit. si denique res ablata hostica vi. insidiisque, postlimio redeant ad legittimum possessorem. Ecce Cesar optime: quam gravi comeatu: quam intolerabili militum traiectu in Morinos et Gallie continentem transfretaverem. Aspice innumerabiles Anglorum Catervas quas trans Oce[72r]anum Germanicum traducere Herculeis lacertis potius quam mihi adscribendum foret. Cantium in Anglia mea. Regio Maritima bellicos sumptus vidit. Unde mihi in hanc tellurem fausta atque auspicabilis navigatio fuit. Credo equidem astra ac mundi cardines: credo ventos ipsos: credo Neptunum cum omnibus Tritonibus vela mea / cursumque in mari velocissimum sponte adiuvisse Quid si pacem fecero: dicturi sunt insulares homines. atque Britannie maioris incole mediterranei: quorum ope / suppetiis. auxilio tantum exercitum collegi. Sengoriati quinquaginta Centuriis sub vexillo nostro militant. Aucalites navibus potentes: classem mihi instruxerunt. Trinobantes sagitta______________ 174 honestam ] homistam. 175 victoria in der Handschrift korrigiert aus victoriam.

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rios ac funditores cum levis armature pernicissimis velitibus meum exercitum decorarunt. Ribrogi equitatum non tam pulcrum quam munitissimum mihi subiecerunt Classii cum Camilodinis impedimenta militaria atque castrorum roboramenta affatim tribuerunt. Quid innumeros Anglorum populos refero? Quid sub210 ditorum, regni fidem / probitatem / constantiam recolo? Omnes mihi quodcumque pro regni incremento debent / strennue liberaliterque solverunt: quid ego ipse fidelissimis provintialibus debeam, me nescire nefas est. Vides Imperator inclyte exercitum magna difficultate comparatum. Vides belli instrumenta que magno pretio constant. Vides preterea fratris tui ac amici confederati sollicitudinem: qui a 215 te accersitus: agere in hostem: que iure belli licita sunt: fortiter statui. Sed ne moram ingratam tuis consiliis afferam: pacem non rennuo / dummodo civitates et oppida in continenti Gallie: Normandinam. Britanniam minorem [72v] et reliqua loca iniuste possessa regno meo restituat. Tueque maiestati que in Flandria, Hollandia, Pannonia, Burgundia, et ut summatim dicam in Belgica Gallia malis artibus 220 occupavit: absque mora reddat. Nec Maximilianum Insubrium ducem pretereo. nec ipsos quoque Helvetios monticolos transeo. quibus in pacis conditionibus iustum hostimentum fieri debet. quod nisi facto ipso constiterit ratum nihil unquam tenebo. Sedem etiam Apostolicam in hoc negotio prefero. Cui opibus meis adversus Turcarum regem: non deero. DUX MEDIOLANI 225 Nec mihi quidem convenit Imperator Serenissime tue voluntati contrastrepere. Nempe tuo benefitio. tua defensione. tuo Cesareo auspitio, in hunc rerum statum collocatus sum. quamquam et Helvetiis fortissimis bellatoribus magna pars beneficii adscribenda merito veniat. Exulavi cum Germano meo Sportia Anglo in Germanie civitatibus. Ex torrem me. tua Cesarea mansuetudo in ulnas suscepit. 230 regiis sumptibus educavit. et inter fidos Germanie proceres. ut ducis filium comiter tractavit, atque honoravit liberaliter. Nec mihi mens est Cesar invictissime ob ingentia sacratissime tue maiestatis beneficia in me collata / hodierno consilio reluctari: quod pacis iucundissimam olivam ac florentissimam presefert. Nam ut modo dixi. tua fide unica in hunc locum deveni. Dabis tamen iuveni non iniuria 235 commoto irritatoque veniam. si priusquam conditiones pacis admittantur, pauca de rebus suis conquestus fuerit. Adversus quoque Galliarum Regem superbissimum. quis mentis compos querelam mihi iustissimam denegat? qui ob solam dominandi cupiditatem ac libidinem Genitori meo [73r] Ludovico Insubrium inclyto duci / principatum / terram / ac vitam ipsam abstulit. Qui miserum paren240 tem meum in vinculis atque carcere necavit. qui mortalibus cunctis. omnibus quoque finitimis populis bellum contra ius et equum, superbo milite intulit. Qui Ca______________ 219 Pannonia ] Hannonia. 231 est nachtäglich eingefügt. 236 Galliarum ] Galliarium.

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meram Imperii Mediolanum vi cepit: nullo titulo iusto Barum in Calabria occupavit. qui Novartiam / Serdonam / Genuam / Alexandriam / Comum / Laudum / Placenciam / Vigloviam / Papiam / Angleriam / Cremam / Brixiam / Vercellas / 245 Parmam / Rosatum / Niceam reliquaque Insubrium loca partim insidiis partim dolo ac prodicionibus in suam potestatem redegerit. nemo bonus arbiter ignorat. Fortuna rotam suam nunc volvit et superbum Gallum Cristis micantibus intumescentem, ad imam rote vertebram detrusit: ut iam usu belli discat quam durum sit paternum regnum amittere. Sed ut finem verbis imponam Cesar invictissime tue 250 voluntati me plane dedico: quicquid cum Gallarum Tyranno decreveris. ratum penes me durabit: eo tamen pacto ut ablata loca ducatui meo restituat: Helvetiis pro stipendiis et ere militari satisfaciat, annuumque tributum confederatis solvat: quemadmodum in pacis conditionibus memoratum est. Sedi insuper Apostolice et Imperio Romano contra Turcas, operam prestabo. CHORUS SECUNDUS SAPHICUS [73v] entibus puris superos rogate Qui manu terram regitis valenti Pacis ut sacre statuant perenni Federa lege Iam satis dirus phlegethon perussit Manium. plenas baratri lacunas Vidimus umbris: rubet et cruore Tartarus ingens Impius tollit gladius nocentes Ledit insontes pariter, inventam Et simul tardam perimit senectam Flebile lethum. Arva nunc squalent rigido Colonis Ense mactatis. perit omnis ordo Tam gravi bello superos rogate. ut Pax bona fiat.

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PROTHESIS ACTUS TERTII.

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ctus Regii Dramatis iamiam in proscenium ibit: et strennue adparebit: quem benivolenter. ut priores. auscultare non dedignemini spectatores optimi. Dabimus operam post hac. ut seriis in ioca sermonibus tempestiviter mutatis. lepiditate festivitate vos afficiamus. armatos milites ne quidem formidetis.

______________ Prothesis milites ] miletes.

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ACTUS TERTIUS MILES SUEVUS ET HELVETIUS INTERLOCUTORES. SUEVUS LANCIGER. 255 Accepistine fortissime [74r] commilito. que hisce superioribus diebus nostri principes cum Gallarum Rege Ludovico tractavere? quid sibi tantus legatorum concursus volvit? qui Cesaris sellam gregatim accedentes ad lucernam usque. ac ad noctis profundissimas tenebras grande negotium. ut ego quidem reor. propositum egerunt? Horror quidam: et qua de causa. exoriens. pol nescio. me invasit: ut si sit 260 falsum nature presagium de conditionibus pacis colloquium habuerunt. HELVETIUS. Questionem quam mihi moves. nullum obnubilat somnium / nulla phantasia soporate mentis excitat. Verum est quod a me sciscitaris. actum est pacis fedus. Parcam lapide pater patratus contudit. deum in testem vocavit: solemnia verba protulit ut nihil magis iam de regum pactione atque concordia dubitari queat vel debeat. SUEVUS. 265 Da schlag der Teuffel zu. O lieber Heine quid nobis demum erit. stipendium consumpsimus in hyemis dura frigora pellenda. nihil superest. Estatis pars ultima pene finita languet marsupium inversum: ne Ternutium quidem, aut stipem minutissimam in fundo retinet. plus mihi taxillorum est quam nummorum. plus item pedicularum quam assium, quid nobis agendum igitur erit: si pacem Reges et 270 huius mundi proceres servabunt? Sammerpotzleychnam fodere nequeo mendicare erubesco. post belli negotia ociosus esse consuevi. Aquam hibernam bibere non possum. Vinum ad equales haustus iniurgitare consuevi. et alias castrorum leges nequaquam obliviscar. HELVETIUS. Que tibi mi commilito gravia extra militiam esse videntur. acerba mihi iuxta sunt. 275 mallem profecto sub signis in castro[74v]rum propugnaculis cum solito lucro vivere. ad tubarum sonitum caput armare / ac lanceam vibrare quam in otio seu rustico seu civili torpescere. Ceterum adversus principum rerumque publicarum acta pactionesque calcitrare nequimus. patienter ergo feramus harum etiam rerum mutationem. et quod corrigere nefas. subque deque habeamus necesse est. ut 280 quedam in rebus humanis negotia accidant que nobis tolleratu gravia sint. aliis contra facillima. SUEVUS. Tu mecum philosopharis et tamen naturam et vim ingenii mei non prospicis. nescis mi Heyne operam Rustico locare nec volo nec possum / molam trusatilem versare erubesco. triturare frumentum in area neque tribulis grana excutere de

Anhang VII: Libellus dramaticus novus sed non musteus

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285 siliquis valeo. pacis tempore in tabernis inter pocula madidus. belli vero tempestatibus in castris intra tabernacula sobrius vivere didici. HELVETIUS. Lieber prasser animum fortem retine. nec pauperiem extimescas. dummodo viribus corporis polles / ac robur pristinum armis exercitatum deperire nondum sentis ego in alpes nivibus tectas concedo / pecuarie rei studebo lac pro vino ac collostra 290 pinguia bibam / caseum et pulmentaria comedam / post fornacem resupinatus poma stridentia versabo et aleam fortune mobilem atque volubilem expectabo. SUEVUS. Tu nempe magnam et liberalem geris animum. tu laboribus assuetus corporis commoda nihili pensitas. ego pacem regum atque principum concordiam egerrime fero. qui nobis alimenta vite subtrahunt / nos armorum fulgore terrificos edu295 cunt et sepenumero ex levi causa missos proscribunt Dyabolus ad Germaniam pilleatum Oratorem destinavit. qui inter hostes pacem faceret et bellum militibus [75r] pace utilius componeret. Abeat in malam crucem Italica bestia que se rebus externorum principum intermisit. HELVETIUS. Noli summo pontifici probrum aut maledictum obicere / os in celum levare nec 300 te nec quempiam mortalium decet / operire tempus quod procul dubio in arma Christianos omnes excitabit. et quid aliquem Ianifrontem bicipitem vidisti, qui belli et pacis arbitrium sceptrumque penes se retinet dominandi cupiditas quemadmodum paupere Roma cepit. ita divite in opulentissima nunquam cessabit. Novistine regum huius mundi ingenia? Novisti mores? Novistine artes dubias? 305 Nunquid vere scriptum in Salustiana historia plerumque Regie voluntates ut vehementes sunt sic immobiles. sicque sibi adverse: Itaque nec lubens absque querimonia in hibernacula concede. algorem frigoris sustine. si Bacchus dator leticie non presto est cervisiam sorbe. aut potum sorbis confectum hauri / ad primam hirundinem alius Mars in armis seviet. SUEVUS. 310 Probe consolatus sum. melius sperare incipiam nam uti res hominum stant / uti ingenia valent / reliquum etatis quod superem sine tumultu bellico transigi non potest.

C

CHORUS TERTIUS ELGIACUS.

hriste salus rerum concepte federa pacis Persistant. nexu fac solidata tuo Sint mundi proceres sic castra potentia Regum Iuncta. metum Turcis incutientque Getis

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Anhang VII: Libellus dramaticus novus sed non musteus

Sic quoque divinis signis exercitus ibit Per terras Scyticas Barraricumque mare Terrebitque feros dextris victricibus hostes Qui summo lacerant templa sacrata deo Terrebit gentes Thartari sub vertice natas [75v] Et quas Sultanus turpis inersque regit Immanes Thracum populos Grecosque bilingues Ad nostre fidei strenua signa trahet Nil desperandum dum pax hec stabit in orbe Inter Christicolas rite peracta viros.

5

10

ǟƥƫƯƲ Finit Libellus Iacobi .L. Philomusi dramaticus Novus sed non musteus ut ƖƟƫơƭƴƯƭ. loquuntur

______________ 5 signis ] signus. 14a ǟƥƫƯƲ ] ǟƥƫƹƵ.

Abbildungsverzeichnis Terence des Ducs (1410–20), 1v 24 Bibliothèque Nationale de France, Paris, RES-MS-664. Konrad Celtis, Quatuor libri amorum. Nürnberg: Sodalitas Celtica, 1502, a6v 72 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, HBb 145 http://www.uni-mannheim.de/mateo/camena/celtis1/jpg/s012.html Jacob Locher, Stultifera navis. Basel: Johannes Bergmann von Olpe, 1497, 67r 98 Universitätsbibliothek Tübingen, DK XI 2 ba. 4. 102 Maximilian I., Theuerdank. Nürnberg: Hans Schoensperger, 1517, P6r Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Ra 16 The 1. 116 Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, H3v Universitätsbibliothek Heidelberg, St. Pal. IV. 1315. 2. 119 Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, I1v Universitätsbibliothek Heidelberg, St. Pal. IV. 1315. 2. 131 Terentius der Hochgelert. Straßburg: Johannes Grüninger, 1499, F4r Universitätsbibliothek Tübingen, Ce 1019. 2°. 131 Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, B1v / D4r Universitätsbibliothek Heidelberg, St. Pal. IV. 1315. 2. 131 Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, E4r Universitätsbibliothek Heidelberg, St. Pal. IV. 1315. 2. 132 Terentius der Hochgelert. Straßburg: Johannes Grüninger, 1499, CM6r Universitätsbibliothek Tübingen, Ce 1019. 2°. 132 Jacob Locher, Tragedia. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497, H2r Universitätsbibliothek Heidelberg, St. Pal. IV. 1315. 2. 145 Terentius. Straßburg: Johannes Grüninger, 1496, A1r Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, 4. Auct. lat. I, 3638. 146 Terentii comoediae sex. Lyon: Iodocus Badius, 1493, 24v Bibliothèque Nationale de France, Paris, RES-M-YC-384. Lucius Vitruvius Pollo, De Architectura. Como: Gotardus de Ponte, 1521, 82v 147 Badische Landesbibliothek Karlsruhe, 76 C 38 RH. 184 Jacob Locher, Stultifera navis. Basel: Joh. Bergmann von Olpe, 1497, 130v Universitätsbibliothek Tübingen, DK XI 2 ba. 4.

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Abbildungsverzeichnis

Hans Burgkmair, Allegorischer Reichsadler Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 12. 9 Poet. 2° (7). Jacob Locher, Apologia contra poetarum acerrimum hostem. o. O. [Basel/Straßburg: Johannes Grüninger?], o. D. [1503], A1r Universitätsbibliothek Heidelberg, Pal. lat. 1675f. Jacob Locher, Poemation de Lazaro mendico. o. O. [Augsburg: Sylvanus Othmar], o. D. [1510], A6r Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Fr. D. qt. 423.

203 280

315

Literatur Abkürzungen AfK AÖG ARG DVjs

Archiv für Kulturgeschichte. Köln/Weimar. Archiv für österreichische Geschichte. Wien. Archiv für Reformationsgeschichte. Gütersloh. Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Stuttgart. EMD European Medieval Drama. Turnhout. GR Germanic Review. New York. GRM Germanisch-romanische Monatsschrift, Heidelberg. HJb Historisches Jahrbuch. München/Freiburg i. Br. HZ Historische Zeitschrift. München/Berlin. JEGP Journal of English and Germanic Philology. Urbana, Ill. JOWG Jahrbuch der Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft. Frankfurt a. M. MIÖG Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Wien/München. NASG Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde. Berlin. PBB Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Tübingen. PL Patrologiae cursus completus. Series Latina. Hrsg. v. Jean-Pierre Migne. Nachdr. der Ausgabe Paris 1844ff. Turnhout 1956ff. PMLA Publications of the Modern Language Association of America. New York. RSPT Revue des sciences philosophiques et théologiques. Paris. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begr. v. WolfVL2 gang Stammler, fortgef. v. Karl Langosch. Zweite, völlig neu bearb. Aufl. Hrsg. v. Kurt Ruh u. a. Berlin. 1978ff. ZDtKG Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte. Berlin. ZfdA Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Stuttgart. ZfdPh Zeitschrift für deutsche Philologie. Berlin. ZfvglLit Zeitschrift vergleichende Litteraturgeschichte und Renaissance-Litteratur. Berlin. ZGORh Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Stuttgart. ZHF Zeitschrift für historische Forschung. Halbjahresschrift zur Erforschung des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Berlin. ZWLG Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte. Stuttgart.

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Literatur

1. Quellen 1.1. Handschriften und Handschriftenfaksimilia Humanistische Sammelhandschrift, LB Stuttgart, HB VIII 19 (fol. 98r–99r: Bila Aristarncus; fol 99v: Glossen und Notizen zu comedia, tragedia, satira, fabula etc.; fol. 100r–112v: Leonardo Bruni, Poliscena; 116r–126v: Notizen und Zitate zu verschiedenen Gebieten, u. a. poetria; 182r–196v: Antonius Barzizius, Cauteriaria.). Locher, Jacob, De motu bellico Regum francie et Neapolis; Declamatio in genere deliberativo pro Romanorum Rege ut bellum Gallis et Cymbris moveat; Interlocutores Corydon et Lycidas adolescentuli et philomusus; De Poetis; In laudes Regis Romanorum Carmen u. a. Gedichte und Briefe aus Bologna. ÖNB Cod. lat. Vindob. 3193, fol. 1r–18r. – Libellus dramaticus novus sed non musteus. B.N. Paris, cod. lat. 11347, fol. 66r–75v. – Ludicrum drama plautino more fictum de sene amatore ... (Abschrift von Johann Groner). SB München, Clm 24506, fol. 55r–63r. – Ludicrum drama plautino more fictum de sene amatore ... (Abschrift von Georg Precellius). LB Stuttgart, Don. 37, fol. 47r–50r. – Spectaculum de Iudicio Paridis de pomo aureo; de tribus deabus et triplici vita hominum. UB Basel, Cod. C. VI.42, fol. 90r–107v. – Spectaculum de iudicio paridis. Schwenter-Handschrift Ms. lat. fol. 335 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin. Faksimile, eingel. und komm. v. Franz Josef Worstbrock und Fedja Anzelewski. Faksimileband. Wiesbaden 1987, fol. 56r–80r. Locher-Personalakte. Universitätsarchiv Freiburg i. Br., B 38/171. Peutinger-Sammelhandschrift, SUB Augsburg, 2° Cod. Aug. 285. Senatsakten. Universitätsarchiv Freiburg i. Br., A 10/1. Ventimontanus, Erhardus, Recepta et iudicium contra venenum Thurcorum, SB München, Clm 414, fol. 179r–202v. Wimpheling-Codex, UB Uppsala, C 687. 1.2. Wiegen-/Frühdrucke Acciaiolus, Donatus, Expositio libri ethicorum Aristotelis. Florenz: St. Jacob de Ripoli, 1478 (Privatexemplar Lochers, UB München, 2° Inc. lat. 633). Agrippa von Nettesheim, De incertitudine et vanitate scientiarum declamatio invectiva denuo ab auctore recognita. o. O., o. D. [ca. 1530] (Exemplar UB Tübingen, Aa 881).

1. Quellen

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Albrecht von Eyb, Margarita Poetica pro Oratoribus. Straßburg: Johannes Priis, 1503 (Exemplar LB Stuttgart, Phil. qt. 119). Aristotelis opus de moribus ad Nichomachum, Ioanne Argyropilo Byzantio traductore... Lyon: Simon Vincent Erben, 1535 (Exemplar UB Tübingen, Cd 2544). Augustinus, Aurelius, Opuscula plurima. Straßburg: Martin Flach, 1491 (Lochers Privatexemplar, UB München, 2° Inc. lat. 259). Bebel, Heinrich, Ars versificandi et carminum condendorum. Pforzheim: Thomas Anshelm, 1510 (Exemplar UB Tübingen, CC 4° 34). – Oratio ad regem Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germanie. Contra quendam pseudopropheten. Pforzheim: Thomas Anshelm, 1504 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 13a). Beroaldus, Philippus, Oratio de laudibus gymnasii Parrhisiorum et poetices acta in enarratione Lucani, Paris: Ulrich Gering, o.D. [nach 1478] (Exemplar Leeds, Brotherton Library, RCL XVII.F.9). – Varia opuscula. Basel: Gregor Bartholomäus, 1513 (Exemplar UB Tübingen, Kf II 10.4°). Boccatius, Ioannes, Genealogie cum demonstrationibus in formis arborum designatis ... Venedig: Bonetus Locatellus für Octavianus Scotus, 1494 (Lochers Privatexemplar UB München, 2° Inc. lat. 708). – Genealogie cum demonstrationibus in formis arborum designatis ... Venedig: Manfredus de Bonellis, 1497 (Exemplar UB Tübingen, Fp 6. Fol). Boetius de Philosophico consolatu siue de consolatione philosophiae: cum figuris ornatissimis noviter expolitus. Straßburg: Johannes Grüninger, 1501 (Exemplar UB Tübingen, Ce 28). Brant, Sebastian (Hrsg.), De revelatione facta Ab angelo beato Methodio in carcere detento. Basel: Michael Furter, 1504 (Exemplar UB Tübingen, Gb 177.4). Celtis, Konrad, Ars Versificandi et carminum. Leipzig: Konrad Kachelofen, 1486 (Exemplar UB Freiburg, TM 85/6574). – Quattuor libri amorum secundum quatuor latera Germaniae. Nürnberg: Sodalitas Celtica, 1502 (Exemplar LB Stuttgart, HBb 145, auch zugängl. unter http://www.uni-mannheim.de/mateo/camena/celtis1/te01.html). – Rhapsodia, laudes et victoria de Boemannis per septem electores et regem, ... Augsburg: Johannes Otmar, 1505 (Exemplar UB Freiburg, MF 81/10). Cicero, Marcus Tullius, Orator cum commentario Victoris Pisani, De fato, Topica, de universitate cum cummentario Io. Giorgio Vallae. Venedig: Bonetus Locatellus für Octavius Scotus, 1492 (Lochers Privatexemplar, UB München, 2° Inc. lat. 708). Claudianus, De raptu Proserpinae: cum quibusdam declaratoriis glossematibus ... Eiusdem Philomusi argumenta in singulos libros. Nürnberg: Friedrich Peypus, 1518 (Exemplar SB München, 4° L lat. 531).

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Literatur

Crinitus, Petrus, Libri de Poetis latinis. Florenz: Filippo Giunta, 1505 (Exemplar LB Stuttgart, HBb 122). Crusius, Martin, Annales Svevicorum (1213–1594). Frankfurt a. M.: Nicolaus Basse, 596 (Exemplar UB Tübingen, L I 24). Expurgatio Rectoris et consilij almi ac celebris gymnasij Jngolstadiensis pro domino Georgio zingel sacre theologie magistro Ordinario et vicecancellario in eodem gymnasio Nec non inclite Eystetensis ecclesie Canonico. contra inuectiuam sub velamine apologie a Jacobo locher philomuso impie et iniuste confictam. o. O. [Augsburg od. Ingolstadt], 1505 (Exemplar UB Tübingen, Gh 807.4°). Fulgentius Pla[n]ciades, Ennarrationes allegoricae fabularum. Mailand: Ulrich Scinzenzeller mit dem Privileg Ludovico Maria Sforzas, 1497 (Lochers Privatexemplar, UB München, 2° Inc. lat. 1517/2). – In Mythologiis. Hoc volumine infra scripta continentur: Fabii Fulgentii Placiadis Episcopi Mythologiarum libri tres, in quibus priscarum interpretamenta studiosis admodum utilia continentur; Scolia paraphrastica a Philomuso addita sunt...; Epistola dedicatoria cum aliis appendicibus... Augsburg: Sigismund Grimm und Marx Wirsung, 1521 (Exemplar UB Tübingen, Ce 178). Grünpeck, Joseph, Comoediae vtilissime. omnem latini sermonis elegantiam continentes. e quibus quisque optimus latinus euadere potest. Augsburg: Hans Froschauer, o. D. [1497] (Exemplar BN Paris, RES P-YC-1). Horatii Flacci Venusini poete lirici opera: cum quibusdam annotationibus imaginibusque pulcherrimis aptisque ad odarum con cantus et sententias [hrsg. v. Jacob Locher]. Straßburg: Johannes Grüninger, 1498 (Exemplar UB Freiburg Ink. 4. D. 6329, p). Hrotsvitha von Gandersheim, Opera Hrotsvitae, Illustris Virginis, Et Monialis, Germane, Gente, Saxonica, Orte. o. O.: Sodalitas Celtica, 1501 (Exemplar UB Heidelberg, II 106 (lat. 2381); Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, C891/892). Juvenalis, Decius Junius, Satyrae. Cum commentariis Antonii Mancinelli, Domitii Calderini, et Georgii Vallae. Nürnberg: Anton Koberger, 1497 (Exemplar UB Tübingen, Ce 252.2). Locher, Jacob, Apologia contra poetarum acerrimum Hostem Georgium Zingel Theologum Ingolstadiensem Xynochylensem. o. O. [Basel/Straßburg: Johannes Grüninger?], o. D. [1503] (Exemplar UB Heidelberg, Pal. lat. 1675f.; Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E113). – Exhortatio heroica ad principes Germaniae et status pro serenissimo Romanorum ac Hispaniorum rege Carolo, contra hostes sacrosancti imperii destabiles. o. O. [Augsburg], 1521 (Exemplar UB München, 4 P. lat. rec. 24e]. – Historia de Rege Frantie cum nonnullis aliis versibus et elegiis. Freiburg i. Br.: Friedrich Riederer, 1495 (Exemplar B.N. Paris, RES P-YC-8).

1. Quellen



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In anticategoriam rectoris cuiusdam et conciliabuli: Gymnasii Ingolstadiensis: responsio compendiosa: cum declaratione Zingelensis factionis. o. O. [Basel], o. D. [1505]. (Exemplar UB Tübingen, Gh 807.4°). – Iudicium Paridis de pomo aureo inter tres deas, Palladem, Iunonem, Venerem, de triplici hominum vita, contemplativa, activa, ac voluptativa. Krakau: Florian Ungler, 1522 (Exemplar Bibl. Jagiell. Krakau, Cim. Qu. 4831). – Iudicium Paridis. Hrsg. v. Huldrich Faber. Wien: Singrenius Werlen, o. D. [ca. 1520] (Exemplar UB München, W 4° P. lat. rec. 24f). – Libri philomusi. Panegyrici ad Regem. Tragedia de Thurcis et Suldano. Dyalogus de heresiarchis. Straßburg: Johannes Grüninger, 1497 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2179). – Ludicrum drama: plautino more fictum a Iacobo locher Philomuso, de sene amatore, filio corrupto et dotata muliere. o. O. [Straßburg?], o. D. [1503?] (Exemplar SB München, 4° Inc. s. a. 1175). – Oratio de studio humanarum disciplinarum et laude poetarum Extemporalis. o. O. [Freiburg i. Br.: Friedrich Riederer], o. D. [circa 1500] (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2053). – Poemation Iacobi locher philomusi de Lazaro mendico: diuite purpurato, et inferno charonte. o. O. [Augsburg: Sylvanus Othmar], o. D. [1510] (Exemplar LB Stuttgart, Fr. D. qt. 423). – Spectaculum de iudicio Paridis, de pomo aureo, de tribus deabus, et triplici hominum vita. o. O. [Augsburg: Hans Froschauer], o. D. [1502] (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2052). – Spectaculum more tragico effigiatum: In quo christianissimi Reges aduersum truculentissimos Thurcos consilium ineunt, expeditionemque bellicam instituunt; inibi salubris pro fide tuenda exhortatio. o. O. [Augsburg: Hans Froschauer], o. D. [1502] (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2052). – Stultifera navis. Basel: Johannes Bergmann von Olpe, 1497 (Exemplar UB Tübingen, DK XI 2 ba. 4). Methodius: Titulus in libellum sancti Methodij martyris et episcopi Partinensis ecclesie provincie grecorum continens in se revelationes divinas a sanctis angelis factas: de principio mundi et eradicatione variorum regnorum atque ultimi regis romanorum gestus et futuro triumpho in turcos atque de liberatione christianorum ac oppressione sarracenorum; de restauratione ecclesie et uniuersali pace cum autenticis concordantiis prophetiarum deque consumatione seculi hic annotat. o. O. [Augsburg]: o. Dr. [Hans Froschauer], 1496 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E414). Murner, Thomas, De augustiniana hieronymianaque reformatione poetarum. Straßburg: Johannes Schott, 1509 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 452).

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Literatur

Pinicianus, Johannes, Virtus et voluptas. Carmen de origine ducum Austrie, aegloga Coridon et Philetus rustici. Augsburg: Johannes Otmar, 1512 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 28). Platina, Bartholomaeus, Dialogus de vera nobilitate. Erfurt: o. Dr., 1510 (Exemplar SB München, L. impr. c. n. mss. 4° 100). Reuchlin, Johannes, Scenica Progymnasmata: Hoc est: Ludicra preexercitamenta. Basel: Johannes Bergmann von Olpe, 1498 (Kopienexemplar UB Tübingen). – Scaenica progymnasmata, hoc est ludicra praeexercitamenta. cum explanatione Jacobi Spiegel Selestati. Tübingen: Thomas Anshelm, 1512 (Exemplar UB Tübingen, DK II 110. g. 4). Rott, Hieronymus, Oratio divi Hivoni iurisconsultorum sanctissimo Hieronymo Rott Vlmensi patritio In florentissimo Angelistadiano Gymnasio Dicta. Ingolstadt: Andreas Lutz, 1521 (Exemplar LB Stuttgart, HBK 332) Seneca, Lucius Anneus, Tragoedia pristinae integritati restitutae... Paris: Jodocus Badius, 1514 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, B592–597). – Tres selectiores Tragoediae in hoc volumine continentur. Hercules furens, Thyestes Mycenieus, Octavia Romana. Philomusi lectori Candido. Nürnberg: Friedrich Peypus, 1520 (Exemplare UB München, 4 A. lat. 362; LB Stuttgart, HB 1835.8°). – Declamationes aliquot, cum Rudolphi Agricolae viri doctissimi commentariolis, ante hac non excusis. Basel: Johannes Bebelius, 1529 (Exemplar UB Tübingen, Ce 2290). Sidonius Apollinaris, Epistulae et poemata. Cum commentario Joannis Baptistae Pii. Mailand: Ulrich Scinzenzeler, 1498 (Lochers Privatexemplar, UB München, 2° Inc. lat. 1517/1). Stamler, Johannes, Dyalogus de diversarum gencium sectis et mundi religionibus. Augsburg: Erhard Oglin und Georg Nadler, 1508 (Exemplar LB Stuttgart, Theol. fol. 1553). Terentius, Comoediae, ex Des. Erasmi et Jo. Rivii castigationibus et annotationibus multo castigatissimae. Köln: o. Dr., 1534 (Exemplar UB Tübingen, Ce 2920). – Comoediae nuper ad antiquum exemplar collatae, cum utilissimo de Comoedia libello in calce operis annexo, autore L. Victore Fausto. Straßburg: Johannes Knoblauch, 1522 (Lochers Privatexemplar, UB München, W 8° A. lat. 1338). – Terentius cum directorio vocabulorum, sententiarum, glosa interlineali artis comice, comentariis Donato, Guidone, Ascensio. Straßburg: Johannes Grüninger, 1496 (Exemplare SUB Göttingen, 4. Auct. lat. I, 3638 Inc; SB Berlin Preußischer Kulturbesitz 4° Inc. 2296; 4° Inc. 2296a). – Terentius cum directorio vocabulorum, sententiarum, glosa interlineali artis comice, comentariis Donato, Guidone, Ascensio. Straßburg: Johannes Grü-

1. Quellen

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ninger, 1499 (Exemplare SUB Göttingen, 4. Auct. lat. I, 3642 Inc; SB Berlin Preußischer Kulturbesitz, 4° Inc 2305). – Terentius der Hochgelert und allerbrüchlichest Poet. von latin zuo tütsch Transferiert nach dem Text vnd nach der gloß. Straßburg: Johannes Grüninger, 1499 (Exemplar UB Tübingen, Ce 1019. 2°; auch verfügbar als Mikrofiche-Edition der British Library und als Internetpublikation der SB München). Valla, Laurentius, Elegantiae de lingua Latina. Venedig: o. Dr., 1504 (Exemplar UB Tübingen, Cc 53.2). Vehus, Hieronymus, Deo Auspice pro divo Maximiliano Romanorum Rege Semper Augusto ... Boemicus Triumphus. Straßburg: Johannes Grüninger, o. D. [1505?] (Exemplar SB München, P. o. lat. 753(50). Verardi, Carlo, Historia Baetica und Kolumbus-Brief. Hrsg. v. Sebastian Brant. Basel: Johann Bergmann von Olpe, 1494. (Exemplar UB Mannheim, Ink 043b). Verardi, Marcellino, Fernandus Servatus. Straßburg: Matthias Schurer, 1513 (Exemplar UB München, 4 P. lat. rec. 252(5). Wimpfeling, Jacob, Apologia pro Republica Christiana. Pforzheim: Thomas Anshelm, 1506. (Exemplar UB Tübingen, Dk II 36.4). – Diatriba. De proba institutione puerorum in trivialibus et adolescentum in universalibus gymnasiis; De interpretandis ecclesie collectis; Regule xvi; De ordine vite sacerdotali. o. O. [Speyer]: Conrad Hist, 1514 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E1728). – Epistola excusatoria ad Suevos. o. O.: Hupfuff, 1506 (Exemplar UB Tübingen, Dk II 36.4°, auch Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E113). – Philippica: In laudem et defensionem Philippi Comitis Rheni Palatini Bauariae Ducis etc. Straßburg: Martin Schott, 1498 (Mikrofiche, Bibliotheca Palatina, E2061). – Stylpho Jacobi Vympfelingii Sletstatini. o. O. [Basel: Johann Bergmann von Olpe], o. D. [1495] (Exemplar UB Tübingen, Gb 490.4). – Stilpho Jacobi Vympfelingii Sletstatini. o. O. [Johannes Grüninger: Straßburg], 1495 (Exemplar British Library London, IA. 8779). 1.3. Editionen und Übersetzungen Agrippa von Nettesheim, Über die Fragwürdigkeit, ja Nichtigkeit der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Mit einem Nachw. hrsg. v. Siegfried Wollgast. Übers. u. mit Anm. vers. v. Gerhard Güpner. Berlin 1993. Ain new Lied von der grossen niderlag vor der statt Terwan durch vnsern allergnedigsten herrn den Kayser, vnd künig von Engelland wider den künig

540

Literatur

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1. Quellen



541

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542

Literatur

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1. Quellen

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544 –

Literatur

Stultifera Navis (1497, 2. Nachdruck) / La nef des Folz du Monde (1497) / Das Narrenschiff. Lochers ‚Stultifera Navis‘ von Pierre Riviere ins Französische übersetzt. Beigegeben: Faksimile des ‚Narrenschiffs‘ von Sebastian Brant. 2 Bde. Hrsg. von Anton F. W. Sommer. Wien 2003 (Editiones Neolatinae 37–38). – Stultifera Navis. Editio Lyon 1498. Mit der niederländischen Übersetzung vom Jahr 1500 und dem deutschen Vergleichstext des ‚Narrenschiffs‘ von Sebastian Brant 1494. 3 Bde. Hrsg. v. Anton F. W. Sommer. Wien 2004 (Editiones Neolatinae 44–46). – Threnodia sive funebris lamentatio in lauden inclite matrone Hedvigis ... Trauerrede auf den Tod der Hedwig von Polen, Gemahlin Herzog Georgs von Bayern-Landshut, gehalten im Jahre 1502 von Jakob Locher, genannt Philomusus. Hrsg., übers., komm. und eingel. v. Alfons Beckenbauer. Landshut 1984 (Schriften zur Landshuter Hochzeit 1475 3). – Vitiosa sterilis mule ad Musam ... comparatio, ed. in: Joël Lefebvre, Les fols et la folie. Etude sur les genres comiques et la création littéraire en Allemagne pendant la Renaissance. Paris 1968, S. 402–412. Lucanus, Bellum civile. Der Bürgerkrieg. Hrsg. u. übers. v. Wilhelm Ehlers. München 1973 (Tusculum Bücherei). Luder, Peter, Antrittsrede in Heidelberg, 15. Juli 1456, in: Wilhelm Wattenbach, Peter Luder, der erste humanistische Lehrer in Heidelberg. ZGORh 22 (1869), S. 33–127, S. 100–110. Lukian, Werke, Bd. II. Übers. v. Christoph Martin. Wien 1813. – Seventy Dialogues. Text nach der Ausg. v. Matthew D. MacLeod, eingel. u. komm. v. Harry L. Levy. Oklahoma 1976 (The American Philological Association Series of Classical Texts). Manuale scholarium, in: Die Deutschen Universitäten im Mittelalter. Beiträge zur Geschichte und Charakteristik derselben, I. Hrsg. v. Friedrich Zarnke. Leipzig 1857, S. 1–48 u. 221–232. Matrikel der Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt – Landshut – München. Hrsg. v. Götz Freiherr von Pölnitz, Teil I,1 (1472–1600). München 1937. Matrikel der Universität Freiburg im Breisgau von 1460–1658. Hrsg. v. Hermann Mayer. 2 Bde. Freiburg i. Br. 1907–1910, Nachdr. Nendeln 1976. Matrikelbuch der Universität Ingolstadt – Landshut – München: Rektoren, Doktoren, Candidaten. Hrsg. v. Franz Xaver Freninger. München 1872. Maximilian I., Das ältere Gebetbuch. Faksimileausgabe des Codex Vind. 1907 der Österreichischen Nationalbibliothek, eingel. v. Wolfgang Hilger. Graz 1973. – Fragmente einer lateinischen Autobiographie, in: Der Weißkunig. Nach den Dictaten und eigenhändigen Aufzeichnungen Kaiser Maximilians I. zusammengestellt von Marx Treitzsauerwein v. Ehrentreitz. Hrsg. v. Alwin Schultz. Jb. der kunsthist. Sammlungen 6 (1888), S. 421–446.

1. Quellen



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Literatur

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1. Quellen



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Literatur

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2. Forschungsliteratur

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2. Forschungsliteratur

569

PFANNKUCH, Dagmar, Des Ludicrum drama des Jakob Locher Philomusus. Edition und motivgeschichtliche Untersuchung. Magisterarbeit Göttingen 1989. PFISTER, Manfred, Das Drama. München 91997 (UTB 580). PLETT, Heinrich F., Renaissance-Poetik zwischen Imitation und Innovation, in: Renaissance-Poetik. Hrsg. v. Heinrich F. Plett. Berlin/New York 1994, S. 1– 20. PLÖSCH, Josef, Der St. Georgsritterorden und Maximilians I. Türkenpläne von 1493/94, in: FS Karl Eder. Hrsg. v. Helmut J. Mezler-Andelberg. Innsbruck 1959, S. 33–56. POINSIGNON, Adolf, Das Dominicaner- oder Prediger-Kloster zu Freiburg im Breisgau. Freiburger Diözesan-Archiv 16 (1883), S. 1–48. POLAIN, L., Cataloque Général des Incunables des Bibliothèques Publiques de France, Bd. 10. Nendeln 1970. PRANTL, Carl, Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität in Ingolstadt, Landshut, München, 2 Bde. München 1872. PRETE, Sesto, Camerarius on Plautus, in: Joachim Camerarius (1500–1574). Beitr. zur Geschichte des Humanismus im Zeitalter der Reformation. Hrsg. v. Frank Baron. München 1978 (Humanist. Bibliothek, Abh. 24), S. 223–230. PRICE, David, Politics, Poetry and Whimsy: On the Humanist Dramaturgy of Jakob Locher (1471–1528). Yale Univ. Library Gazette 63 (1988), S. 23–31. RÄDLE, Fidel, Gegenreformatorischer Humanismus: die Schul- und Theaterkultur der Jesuiten, in: Späthumanismus. Studien über das Ende einer kulturhistorischen Epoche. Hrsg. v. Notker Hammerstein u. Gerrit Walther, Göttingen 2000, S. 128–147. – Die Musen in der katholischen Wlt zwischen Thesenanschlag und Tridentinum, in: Die Musen im Reformationszeitalter. Hrsg. v. Walther Ludwig. Akten der Tagung der Stiftung Luthergedenkstätten in der Lutherstadt Wittenberg, 14.–16. 10. 1999. Leipzig 2001, S. 131–149. RANDLINGER, Stephan, Vorlesungs-Ankündigungen von Ingolstädter Humanisten aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, in: Beiträge zur Geschichte der Renaissance und Reformation. FS Joseph Schlecht. Hrsg. v. Ludwig Fischer. München/Freising 1910, S. 348–362. REINHARTSTOETTNER, Karl von, Plautus. Spätere Bearbeitungen Plautinischer Lustspiele. Leipzig 1886. REINLE, Adolf, Vergängliche und dauerhafte Festarchitektur vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, in: Stadt und Fest. Zu Geschichte und Gegenwart europäischer Festkultur. Hrsg. v. Paul Hugger. Unterägeri/Stuttgart 1987, S. 129– 160. REISCHL, Josefine, Die Tragedia de Thurcis et Suldano des Jakob Locher Philomusus. Diss. (masch.) Wien 1951.

570

Literatur

Répertoire bibliographique des livres imprimés en France au 16ème sièce, II: Bibliographie Strasbourgeoise. Hrsg. v. Jean Muller. Baden-Baden 1985. REST, Josef, Die älteste Geschichte der Freiburger Universitätsbibliothek. Zentralblatt für Bibliothekswesen 39 (1922), S. 7–25. RETTELBACH, Johannes, Theater für den Ernstfall: Kriegsdramen im 16. Jahrhundert, in: Dulce bellum inexpertis. Bilder des Krieges in der deutschen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts. Hrsg. v. Horst Brunner u. a. Wiesbaden 2002 (Imagines Medii Aevi 11), S. 538–601, S. 539–547. REXROTH, Frank, Städtisches Bürgertum und landesherrliche Universitätsstiftung in Wien und Freiburg, in: Stadt und Universität. Hrsg. v. Heinz Duchhardt. Köln u. a. 1993 (Städteforschung A/33), S. 13–31. RHEIN, Stefan, Reuchliana 1: Neue Bausteine zur Biographie Reuchlins. Wolfenbütteler Renaissance Mitteilungen 12 (1988), S. 84–94. – Reuchliana 2. Forschungen zum Werk Johannes Reuchlins. Wolfenbütteler Renaissance Mitteilungen 13 (1989), S. 23–44. – Johannes Reuchlin, in: Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450–1600). Ihr Leben und Werk. Hrsg. v. Stephan Füssel. Berlin 1993, S. 138–155. RHODE, Gotthold, Geschichte Polens. Ein Überblick. Darmstadt 1980. RIEZLER, Sigmund, Geschichte Bayerns, Bd. III: von 1347–1508. Gotha 1889. RITTER, Gerhard, Die Heidelberger Universität. Ein Stück deutscher Geschichte. Bd. I: Das Mittelalter (1386–1508). Heidelberg 1936. – Die Freiburger Universität als vorderösterreichische Hochschule. Freiburg 1941 (Lehrbriefe der Philos. Fakultät der Universität Freiburg i. Br. 8). ROBERT, Jörg, Konrad Celtis und das Projekt der deutschen Dichtung. Studien zur humanistischen Konstitution von Poetik, Philosophie, Nation und Ich. Tübingen 2003 (Frühe Neuzeit 76). ROBINSON, Christopher, Lucian and his Influence in Europe. London 1979. ROLOFF, Hans-Gert, Neulateinisches Drama, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 2. Berlin 1959, S. 645–678. – Theatrum mundi: Sebastian Brants Tugent Spyl. Études Germanistiques 52 (1997), S. 277–291. – Sozialkritik und Komödie. Reuchlin als Komödienautor, in: Reuchlin und die politischen Kräfte seiner Zeit. Hrsg. v. Stefan Rhein. Sigmaringen 1998 (Pforzheimer Reuchlinschriften 5), S. 187–203. ROMMEL, Otto, Wiener Renaissance. Wien/Zürich 1947 (Klassiker der Wiener Kultur 1). ROSE, Anna, Filippo Beroaldo der Ältere und sein Beitrag zur Properz-Überlieferung. München/Leipzig 2001 (Beiträge zur Altertumskunde 156). RUPP, Michael, „Narrenschiff“ und „Stultifera navis“. Deutsche und Lateinische Moralsatire von Sebastian Brant und Jacob Locher in Basel 1494–1498. Münster 2002 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 3).

2. Forschungsliteratur

571

RUPPRICH, Hans, Die deutsche Literatur von späten Mittelalter bis zum Barock, Teil 1. München 21994 (Geschichte der dt. Lit. von den Anfängen bis zur Gegenwart 4/1). – Johannes Reuchlin und seine Bedeutung im europäischen Humanismus, in: Johannes Reuchlin (1455–1522). Hrsg. v. Hermann Kling u. Stefan Rhein. Paderborn 1994 (Pforzheimer Reuchlinschriften 4), S. 10–24. SALMEN, Walter, Das Freiburger tanzhus oder kornhus und das Tanzen bei Reichstagen um 1500, in: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498. Hrsg. v. Hans Schadek. Freiburg i. Br. 1998 (Schau-ins-Land 117 (1998), Sonderheft), S. 186–197. SAUER, Joseph, Das Predigerkloster zu Freiburg und seine Kunst. Zs. der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften 38 (1925), S. 111–150. SCHADE, Richard Erich, Studies in Early German Comedy. 1500–1650. Columbia, SC 1988 (Studies in German Literature, Linguistics, and Culture). SCHADEK, Hans, Der Kaiser und seine Stadt. Maximilian I. und seine Beziehung zu Freiburg, in: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498. Hrsg. v. Hans Schadeck. Freiburg i. Br. 1998 (Schau-insLand 117 (1998), Sonderheft), S. 216–273. SCHÄFER, Eckart, Deutscher Horaz. Conrad Celtis, Georg Fabricius, Paul Melissus, Jacob Balde. Die Nachwirkung des Horaz in der neulateinischen Dichtung Deutschlands. Wiesbaden 1976. SCHAUERTE, Thomas Ulrich, Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers. München 2001. SCHÄUFELE, Wolfgang-Friedrich, Sixtus Tucher, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 14. Herzberg 1999, Sp. 1494–1497. SCHENK, Gerrit Jasper, Zeremoniell und Politik. Herrschereinzüge im spätmittelalterlichen Reich. Köln u. a. 2003 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 21). SCHERER, Emil Clemens, Geschichte und Kirchengeschichte an den deutschen Universitäten. Ihre Anfänge im Zeitalter des Humanismus und ihre Ausbildung zu selbständigen Disziplinen. Freiburg i. Br. 1927. SCHERRER, Paul, Thomas Murners Verhältnis zum Humanismus. Untersucht auf Grund seiner Reformatio Poetarum. Basel 1929. SCHIEWE, Jürgen, Sprachenwechsel – Funktionswandel – Austausch der Denkstile. Die Universität Freiburg zwischen Latein und Deutsch. Tübingen 1966. SCHINDLING, Anton, Matthäus Lang von Wellenburg, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 16. Berlin 1990, S. 394–397. SCHLANG, Wilhelm u. Otto RITTER VON MAURER, Das Freiburger Theater. Ein Stück deutschen Gemüts- und Geisteslebens. Freiburg i. Br. 1910.

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Literatur

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2. Forschungsliteratur

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– Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Teil II–III. Freiburg i. Br. 1857. SCHUETZ, Adolf, Die Dramen des Konrad Celtis. Diss. (masch.) Wien 1948. SCHÜNICKE, Sebastian, Zu den Antiturcica Sebastian Brants, in: Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum Narrenschiff und zum übrigen Werk. Hrsg. v. Thomas Wilhelmi. Basel 2002, S. 37–81. SCHULDES, Luis, Die Teufelsszenen im deutschen geistlichen Drama des Mittelalters. Göppingen 1974 (GAG 116). SCHULZE, Winfried, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung. München 1978. SCHWOEBEL, Robert, The Shadow of the Crescent. The Renaissance Image of the Turk (1453–1517). Nieuwkoop 1967. SEGER, Josef, Der fürstbischöfliche Hofstaat zu Eichstätt unter den Bischöfen Gabriel von Eyb und Eberhard II. von Hirnheim. Sammelblatt Historischer Verein Eichstätt 88/89 (1995/96), S. 99–113. SEIFERT, Arno, Die Universität Ingolstadt im 15. und 16. Jahrhundert: Texte und Regesten. Berlin 1973 (Ludovico Maximilianea: Quellen 1). SEZNEC, Jean, Das Fortleben der antiken Götter. Die mythologische Tradition im Humanismus und in der Kunst der Renaissance. Übers. v. Heinz Jatho. München 21990. Short-Title Catalogue of Books Printed in the German-Speaking Countries and German Books Printed in Other Countries from 1455 to 1600 now in the British Museum. London 1962. SIEBER-LEHMANN, Claudius, ‚Teutsche Nation‘ und Eidgenossenschaft. Der Zusammenhang zwischen Türken- und Burgunderkriegen. HZ 253 (1991), S. 561–602. SIEBLER, Michael, Troia. Mythos und Wirklichkeit. Stuttgart 2001. SIEVERMANN, Dieter, Der Augustinermönch Conrad Holzinger – Kaplan, Rat und Kanzler des Grafen bzw. Herzogs Eberhard d. J. von Württemberg am Ende des 15. Jahrhunderts, in: Mittel und Wege früher Verfassungspolitik. Hrsg. v. Josef Engel. Stuttgart 1979 (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit 9), S. 356–406. SOTTILI, Agostino, Wege des Humanismus: Lateinischer Petrarchismus und deutsche Studentenschaften italienischer Renaissance-Universitäten, in: From Wolfram and Petrarch to Goethe and Grass. Studies in Literature. FS Leonard Foster. Hrsg. v. Dennis H. Green u. a. Baden-Baden 1982 (Saecula spiritualia 5), S. 125–149. – Preumanesimo, in: Die italienische Literatur im Zeitalter Dantes und am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance. Grundriß der Roman. Literaturen des Mittelalters X/2. Hrsg. v. August Buck. Heidelberg 1989, S. 255–285.

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Literatur

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2. Forschungsliteratur

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Literatur

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2. Forschungsliteratur



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Personen- und Werkregister (inkl. mythologischer und biblischer Gestalten) Aaron 425 Abraham 310, 312, 421, 504, 506, 507 Accius 388 Achilles 65, 71, 91, 118, 397, 439, 463, 469, 481, 485 Adelshausen, Johannes von 273, 490 Aeacus 469 Aegidius Romanus 279 Aemilius 401 Aeneas 241, 263, 452, 453 Aesop 415 Agamemnon 261, 362, 463, 484–85, 490 Agricola, Johannes 338 Agricola, Rudolf 73, 341, 342 Agrippa von Nettesheim 353, 360, 381, 382 Aiax 485 Ain new Lied von der grossen niderlag vor der statt Terwan 321, 325 Aischylos 388, 416 Albert von Sachsen 43 Alberti, Leon Battista 29, 67 De re aedificatoria 28, 33, 141 Deciarchia 33 Janus 29 Philodoxeos 25, 29, 169 Albertinus, Johannes 304 Albrecht Achilles von Brandenburg 216 Albrecht der Beherzte von Sachsen 225 Albrecht IV. von Bayern-München 6, 218– 20, 223, 298, 305 Albrecht VI. von Österreich 48–51, 53, 215 Albrecht von Eyb Margarita poetica 343 Albrecht, Bischof von Straßburg 157 Alexander Ⱥ Paris Alexander de Villa Dei 21, 406 Doctrinale 227 Alexander der Große 118, 217, 439 Alexander VI., Papst 65, 80, 82, 83, 106, 107, 115, 237, 386, 413, 418, 421, 424, 429–34, 437, 447, 449, 451 Alfons II. von Neapel 66, 78, 80–81, 92–93, 100, 386, 400–401

Ambrosius 222, 430 Amerbach, Johannes 96, 292, 297 Amphitryon 439 Andreas von Bossenstein 51 Androclus 232 Anna di Foix 274 Anne de Bretagne 86 Antigenidas 415 Antimachos 485 Antiope 405 Antonius 119 Apoll 67, 73, 76, 106, 130, 172, 195, 198– 200, 202, 228, 266, 300, 312, 347, 387, 390, 415, 443, 468, 499, 506, 507 Apuleius Flores 126–27, 129, 140 Archilaos 34 Aretino, Leonardo 227 Polyxena 493 Argyropilus 251 Arion 415 Aristarch 139 Aristophanes 283, 285, 371, 387 Wolken 281–83, 294 Aristoteles 51, 180, 250, 300, 342, 344, 352 Nikomachische Ethik 246, 251 Poetik 29–34, 87, 89, 300 Atreus 133 Augustinus 222, 251, 304 De civitate Dei 303 Augustus 69, 110, 198, 354, 360 Aulus Gellius 339 Avantius, Hieronymus 342 Averroës 29–34, 160 Avicenna 304 Ayrer, Jacob 113 Aytinger, Wolfgang 110 Baal 444 Bacchus 191, 194, 195, 199, 200, 268, 273, 416, 468, 496, 529 Badius, Jodocus 21, 27, 34, 39, 138, 141–44, 146, 363

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Personen- und Werkregister

Navis Stultifera 17 Seneca-Ausgabe 342, 343 Baijezid II., Sultan 111, 116–18, 320, 409, 413, 437–41 Baldus de Ubaldis 344 Banffius, Caspar 465 Barclay, Alexander 17 Bartholini, Riccardo 13 Bartholus 344 Barzizza, Antonio Cauteriaria 25, 169 Barzizza, Gasparino 25 Baudelis 44 Baumgartner, Bernhard 307, 308, 310, 311, 313, 503, 506 Baumgartner, Gabriel 310, 505 Bebel, Heinrich 21, 61, 165, 204–12, 232, 234, 286, 298, 350, 365 Apologia et defensio poetice 461 Ars versificandi 208 Carmina 206 Comoedia de optimo studio 205–12, 283, 285, 309, 373 Oratio ad regem 205, 208 Oratio de utilitate linguae Latinae 205 Beheim, Georg 516 Bellona 260, 315, 479, 504, 511, 513, 520 Benignius, Simon 320 Bentili, Johannes 150 Berchorius, Petrus De formis figurisque deorum 468 Bergmann von Olpe, Johannes 5, 108, 149, 205 Bernhaupt, Pangraz 461 Histori Herculis 175 Beroaldo, Filippo d.Ä. 2, 3, 68, 341, 515 Apuleius-Kommentar 140 Bessarion 69 Bibel 97, 245, 246, 293, 298, 302, 308, 312, 340, 366, 425, 466 Binder, Jacob 150 Biondo, Fabio 207, 227 Boccaccio, Giovanni 40, 227 De montibus 245 Genealogiae deorum gentilium 73, 75, 135, 178, 198, 201, 244–46, 258, 266, 367, 468 Bodenloß, Johannes 150 Boëthius Consolatio philosophiae 73, 95, 134, 229, 244, 257 Bogislaw X. von Pommern 376

Boll, Jakob 292 Bonomi, Pietro 190, 192 Bontemps, Jean 78 Brandan, Hl. 167 Brant, Sebastian 2, 3, 35, 43, 44, 61, 69, 108, 142, 149, 160, 161, 169, 175, 204, 231, 235, 244, 254, 282, 286, 292, 296, 297, 343, 380, 406, 515 De paestilentiali Scorra 175 Histori Hercolis Ⱥ Tugentspil Narrenschiff 4, 5, 16, 17, 96–99, 109–18, 184, 242, 289, 340, 409 Petrarca-Ausgabe 96 Tugentspil 160, 175, 185, 274, 377, 461 Verardi-Ausgabe 47 Brassicanus, Alexander 338, 339 Brigitta von Schweden, Hl. 110 Bruni, Leonardo 352 Poliscena 25, 169 Bünau, Heinrich von 162 Buoncompagno da Signa 359 Burgkmair, Hans 195 Allegorischer Reichsadler 74, 243 Triumphzug 101 Caesar, Julius 68, 91, 119, 321, 397 Calixt III., Papst 57 Callimachus 388 Calliope (Muse) 199, 300, 301, 490 Calliopius 23, 130–32, 150, 158, 210, 407 Callistratus 499 Calphurnius, Johannes 2, 341 Campano, Giovanni 302 Campeggio, Lorenzo 321 Cangrande della Scala 26, 41, 42 Cassiodor 141 Castellus 167 Cato d.Ä. 103, 390 Catull 345 Cecilius 138 Celtis, Konrad 2, 3, 5, 10, 12, 22, 35–39, 41, 43, 76, 85, 108, 148, 149, 154, 157, 161, 173–77, 186, 188–202, 213, 218–32, 234, 236, 241, 243, 244, 248, 272, 273, 281, 284, 341, 342, 350, 351, 362, 363, 372, 374, 406 Amores 71–74 Ars versificandi et carminum 37, 38, 105–6, 189, 358 Hrotsvitha-Ausgabe 22 Libri odarum quattuor 220

Personen- und Werkregister Ludus Dianae 175, 177, 188, 190–95, 196, 197, 200, 202, 204, 206, 213, 234, 238, 239, 244, 268, 270–71, 362, 363 Oratio in gymnasio recitata 38, 63–64, 68, 157, 195, 264, 265, 332 Panegyris 73 Rhapsodia 195–202, 213, 238, 296, 301, 306, 311, 362, 363, 366, 374 Seneca-Ausgabe 35, 37 Ceres 468, 496 Cesariano, Cesare 143, 144 Charon 306, 307, 309, 310, 312–16, 318, 371, 503–5, 507, 508, 510–12 Chelidonius, Benedictus 365 Voluptatis cum virtute disceptatio 175, 377 Chester Corpus Christi Cycle 198 Christoph von Baden 60, 104, 346, 385, 389 Christophorus, Hl. 56, 222 Christus Ⱥ Jesus Cicero 21, 38, 59, 69, 187, 226, 251, 340, 344, 360, 516, 522 De oratore 36, 339, 359 Orator 339 Orator ad Marcum Brutum 359 Pro Archia poeta 4, 350 Pro Marco Marcello 4 Pro Milone 339, 340 Claudian 346, 347 De raptu Proserpinae 339, 340, 346 Cleopatra 119 Clericus, Ubertinus 2, 248 Clio (Muse) 89, 199, 300 Clotho (Parze) 510 Cochlaeus, Johannes 516 Comedia Bile 25 Commynes, Philippe de 207 Memoires 78–80, 82 Corvinus, Laurentius 148, 149, 188, 284 Cosimo de’ Medici 39 Cressus, Antonius 516 Crinitus, Petrus Vitae Poetarum latinorum 342, 343 Croaria, Hieronymus von 277, 291 Crusius, Martin Annales Svevicorum 27, 168 Cupido 257, 274, 463, 464, 477, 482, 490 Cyrus 81, 91, 397, 401 Dalberg, Johannes von 27, 61, 148, 154, 161, 167–69 Dante Alighieri 26, 198, 367 Dares Phrygius (Pseudo) 259, 260, 461

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Darius 256, 475 Dat nye schip van Narragonien 17 David 55, 122, 222, 249, 301, 426, 436 Psalmen 249, 466 De vino pulchrum drama 493 Debs, Benedikt 221 Del Rio, Balthasar 320 della Fonte, Bartolommeo 74 Demokrit 300 Demosthenes 359, 360, 499, 522 Erste Olynthische Rede 69 Deuteronomium 424 Diana 190–93, 270, 468 Diogenes 387 Diomedes 485 Dionysius von Syrakus 437 Discordia 243, 256, 260, 266, 278, 279, 463, 466, 469–71, 490 Donat 59, 138, 342 Terenz-Kommentar 20, 21, 26, 30, 33, 34, 38, 180, 227 Dornberger, Jakob 157 Dracontius, Jakob 169 Dunkelmännerbriefe 161 Dürer, Albrecht 71 Eber, Valentin 273, 490 Eberhard V. von Württemberg 69, 161, 164–65, 204, 210, 219 Eberhard VI. von Württemberg 161, 164– 65, 173 Eck, Johannes 6, 7, 302 Eck, Leonhard von 7, 161, 218, 240, 347 Egerer Fronleichnamspiel 198 Egidius von Viterbo 320 Eli 425 Elisabeth von Bayern-Landshut 219, 220 Eliseus 222 Emich von Leiningen 165 Ennius 40, 209, 253, 465 Epikur 466 Erasmus von Rotterdam 342, 377 Charon 309 Lukian-Ausgabe 309 Querela Pacis 337 Terenz-Ausgabe 168 Erato (Muse) 199, 301 Erckman, Johannes 150 Eriphonus, P.P. 295 Ernst von Bayern-München 218 Euridice 415 Euripides 34, 300, 388

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Personen- und Werkregister

Euterpe (Muse) 199, 301 Evanthius 26 Everyman 268 Exhortatio viri cuiusdam ad Principes 337 Expurgatio Rectoris gymnasii Ingolstadiensis 294 Eyb, Albrecht von 25, 169 Ezzelino da Romano 41–42, 80–81, 83–84, 88, 94, 118 Fabri, Huldrichus 462, 464 Ferdinand I. 56 Ferdinand II. von Aragon 43, 47, 107, 306, 321, 322 Ficino, Marsilio 39, 248 Florus 339 Folz, Hans 176 Freiberger Passionsspiel 198 Freiburger Fronleichnamspiel 55–58, 123, 124, 356, 365 Friedrich I. 199 Friedrich I., Pfalzgraf bei Rhein 20 Friedrich II. von Brandenburg 219 Friedrich III. 49, 50, 52, 57, 58, 144, 192, 215–17, 219 Friedrich IV. von Österreich 52 Friedrich von Sachsen 37 Frischlin, Nikodemus 380 Froschauer, Hans 5, 176, 448, 461 Fuchsmagen, Sigismund 200–201 Fuchstain, Sebastian von 240, 272, 460 Fulgentius 247, 250, 339 Mythologiae 2, 7, 112, 245–62, 264, 267, 271, 301, 340, 341, 464–67 Gabriel von Eyb 313, 317 Gaguin, Robert 85 Gaillinus, Konrad 341, 343, 344, 346 Galen 2, 304 Gallinarius, Eucharius 149 Ganymed 272, 463, 472, 490 Gattinara, Mercurio Arborio di 306 Gemmingen, Georg von 304 Genesis 421 Georg von Bayern-Landshut 6, 217–21, 223, 226, 231–33, 235, 239, 241–42, 243, 263, 281, 282, 290, 371, 450, 490 Georg, Hl. 51, 52, 56–58, 123, 136, 218, 222–24, 237 Glauberger, Johannes 273, 490 Goliath 122, 222 Gonzaga, Rodolfo 402 Gregor I., Papst 222

Groner, Johann 492 Groß, Georg 240, 460, 490 Grüner, Johannes 248 Grüninger, Johannes 5, 116, 118, 119, 149, 244, 253, 407 Straßburger Terenz 21, 22, 34, 130–32, 137– 45, 282, 283, 364, 371, 407–9 Grünpeck, Joseph 10, 60, 174–88, 190–92, 194, 204, 213, 228, 234, 240, 270–71, 362 Comedia prima 176, 179, 181, 182–83, 213, 269, 286, 374 Comoedia secunda 176, 180–82, 184–88, 191, 213, 244, 259, 363, 377 Historia Frederici 174, 177 Prognosticon 176 Tractatus de peestilentiali Scorra 175 Valla-Kommentar 176, 177 Guiscardo Bononiensis 42, 43 Gundelfingen, Heinrich 59 Hadrian 107 Hannibal 118, 206, 386, 394, 398, 439, 519 Hattstadt, Anton von 240, 460, 490 Hauer, Georg 302 Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung 279 Hausner, Johannes 240, 460, 490 Hedwig von Polen 17, 149, 217, 221, 231, 242, 243 Hegendorfer, Christoph 377 Heinrich VII. 41 Heinrich VIII. von England 321, 327, 328, 517, 522–28 Heinrich XVI. von Bayern-Landshut 215 Hektor 65, 71, 118, 241, 242, 259, 263, 439, 450 Helena 81, 259–60, 273, 463, 466, 469, 476– 78, 480–84, 490 Heller, Jacob 319 Heraklit 308, 507 Herkules 65, 71, 118, 133, 160, 184–88, 202, 259, 326, 377, 439, 455, 519, 525 Hermannus Alemannus 29 Hermansgrün, Hans von 76 Hermogenes 344 Herodot 1 Heynlin von Stein, Johannes 161, 225 Hieronymus 96, 138, 222 Hippokrates 344 Hofni (Sohn Elis) 425 Hölderlin (Sambucellus), Matthias 282, 292, 295, 297, 298, 494

Personen- und Werkregister Holzinger, Konrad 161, 164–65, 172–73 Holzmann, Daniel 222 Homer 22, 65, 178 Ilias 76 Horaz 5, 30, 44, 186, 226, 253, 465 Ars poetica 31, 34, 38, 39, 87, 89, 91, 168, 171, 234, 238, 269, 367 Hostilius 216 Hrotsvitha von Gandersheim 22, 148 Hummel, Matthäus 50–53 Hupfuff, Matthias 298 Hutten, Ulrich von 337 Ingolstädter Fronleichnamspiel 222, 237 Innsbrucker Fronleichnamspiel 123 Isaac, Heinrich 236 Isaak 222, 421 Isabella von Kastilien 44 Isidor von Sevilla 29 Italicus 253, 465 Iuba 81, 401 Iugurtha 81, 401 Jacob II. von Baden 408 Jacob, Hl. 222 Jakob (Sohn Isaaks) 421 Jakob II. von Baden 3, 4, 60, 104, 154, 161, 346 Jeanne d’Arc 86 Jeremias 222 Jesaia 424 Jesus 56, 83, 92, 118, 122–24, 237, 293, 298, 299, 301, 312, 317, 325, 335, 348, 349, 358, 365, 366, 418, 421, 425, 430, 433–37, 439, 444, 445, 454, 458, 459, 466, 515, 519–21, 524 Jesus Sirach 97 Job 97 Johann von Baden 4, 60, 104 Johanna von Kastilien 219 Johannes Baptista, Hl. 55 Johannes de Garlandia 26 Johannes Duns Scotus 210, 279 Johannes XXII., Papst 123 Johannes, Hl. (Pseudo) Offenbarung 97 Jonas 222 Joseph (Sohn Jakobs) 421 Josua 421 Judas Makkabäus 426 Judith 55, 377 Julius II., Papst 306, 319, 320

583

Juno 250, 251, 254–60, 264, 272, 462– 79, 487–88, 490, 501 Jupiter 44, 85, 198, 246, 248, 250, 253–56, 258, 268, 299, 344, 348, 394, 404–6, 437, 441, 463, 466–69, 472–74, 478, 479, 490 Juvenal 28, 59, 293, 298, 302 Satyrae 129, 139, 140 Kanzler, Leonhard 240, 272, 460 Kärgl, Wolfgang 240, 460, 490 Karl der Große 79, 199, 449, 454, 523 Karl der Kühne von Burgund 52, 107, 113, 157, 158 Karl I. von Baden 161, 385, 389 Karl II. der Kahle 524 Karl V. 101, 176, 306, 326, 338, 347, 377, 519 Karl VIII. von Frankreich 4, 47, 63, 65–66, 70, 77–86, 90–93, 100, 105, 106, 110, 177, 185, 274, 384, 386, 392–98, 402, 404, 405, 524 Karlmann 524 Karoch, Samuel 225 Kasimir IV. von Polen 217 Katharina von Alexandria, Hl. 55, 195, 208, 224, 332, 412 Kerckmeister, Johannes Codrus 213, 373 Kitzscher, Johann von 376 Knebel, Johannes 52 Koberger, Anton 516 Kochanowski, Jan 275 Kolumbusbrief 47 Kreutzer, Sigismund 60–61, 70, 104, 107, 120, 125, 177, 384, 387–89, 406, 407 Krösus 66, 81, 95, 256, 392, 401, 475 Kufer, Valentin 273, 490 Kunigunde von Habsburg 219, 220 Künzelsauer Fronleichnamspiel 122, 198 Kuotlin, Caspar 150 Kyprien 16 La grand nef des folz du monde 18 Lamech 437 Lamparter, Nicolaus 492 Lang, Matthäus 176, 205, 226, 320, 322, 332, 346, 347 Lang, Paul 6 Lang, Vinzenz 191, 192, 204, 270 Laudivio da Vezzana 372 Lazarus 305–18, 365, 366, 503–14 Leda 481

584

Personen- und Werkregister

Legenda Aurea 56 Leib, Kilian 515 Leo X., Papst 320–23, 325–27, 329, 517–21, 523–25, 528, 529 Lessing, Gotthold Ephraim 1 Lichtenberger, Johannes 58 Ligurinus 516 Livius 339, 340, 341 Ab urbe condita 339 Locher, Bartholomäus 3 Locher, Berthold 3 Locher, Jacob (Erwähnungen der Person sind hier nicht aufgenommen, nur Erwähnungen seiner einzelnen Werke) Ad laudem Marie 305, 311, 503 Apologeticon philomusi carmen 232 Apologia contra poetarum hostem 6, 277–82, 282–84, 290–92, 295, 296, 300 Carmen augurale 311, 503 Carmen de diluvio Romae effuso 4 Cicero-Ausgabe 4, 340 Claudian-Ausgabe 60, 246, 340, 346, 348– 49, 358 Comparatio sterilis mulae ad musam 6, 16, 274, 299–302, 344, 358, 365, 461 Compendium rhetorices 7, 340, 359 De foelicitate 4 De Motu bellico 64–66, 70, 80, 81 De origine et officio poetarum 348–49 Epithoma rhetorices 4 Exhortatio heroica 338, 347, 352 Fulgentius-Ausgabe 2, 3, 7, 247–48, 251, 271, 340–42 Gedichtsammlung 339 Heroicum carmen de sta Catharina 5, 412 Historia de Rege Frantie 4, 14, 17, 18, 28, 29, 35, 47, 60, 63–108, 114, 126, 129, 149, 170, 173, 174, 201, 234, 236, 242, 253– 55, 273, 283, 309, 324, 327, 331, 333, 335, 349, 355–56, 361, 364, 367–69, 371, 372, 375, 383, 384–406 Horaz-Ausgabe 5, 17, 30, 89, 119, 253, 351, 408, 409 In anticategoriam responsio 6, 293, 295, 296, 298, 492 Iudicium Paridis 5, 15, 16, 76, 175, 202, 230, 243–76, 277, 278, 290, 291, 301, 303, 304, 310, 312, 317, 324, 326, 330, 331, 333, 341, 350, 351, 357, 362, 364, 366, 369, 370, 375, 377, 448, 461–90

Libellus dramaticus 6, 14, 319–38, 339, 357, 364, 366, 370, 515–30 Ludicrum drama de sene amatore 6, 13, 16, 18, 174, 274, 277, 281, 282–91, 295, 296, 303, 309, 357, 365, 371, 375, 377, 383 Mataratio-Ausgabe 340 Nenia de obitu 4 Oratio de studio 4, 67–68, 205, 252, 257 Plinius-Ausgabe 340 Poema Nutheticon phocylidis 230 Poemation de Lazaro mendico 6, 305–18, 319, 322, 325, 334, 350, 366, 370, 371, 376, 382, 503–14 Rosarium 230 Seneca-Ausgabe 7, 338, 339–47 Spectaculum de regibus 5, 18, 224, 234–42, 243, 262, 263, 269, 272, 273, 313, 324– 26, 328, 331, 357, 365, 366, 369–71, 375, 448–60, 461 Stultifera navis 5, 16, 18, 75, 96–99, 108, 111–12, 114, 185, 197, 230, 235, 255, 259, 269, 289, 330, 340, 377, 380, 412 Theologica emphasis 5, 229, 247, 253, 380 Threnodia sive funebris lamentatio 17, 149, 231–32, 242, 243, 448 Tragedia de Thurcis et Suldano 5, 16, 17, 60, 82, 86, 109–36, 139, 140, 142, 143, 157, 165, 174, 186, 187, 191, 201, 207, 212, 213, 234, 237, 242, 253, 262, 264, 265, 268, 273, 287, 300, 318, 324, 325, 351, 356, 361, 364, 365, 368, 369, 371, 375, 382, 383, 407–47 Locher, Joachim 7 Locher, Johann Joseph 189 Locher, Johann Paul 7 Locher, Konrad 2, 4, 64, 65, 70, 80, 81 Locher, Sigismund 272, 490 Lollius et Theodoricus 25, 170 Lorenz, Hl. 515 Lot 421 Lovicz, Stanislaus 275, 490 Lucan 40, 352 Pharsalia 68, 76, 352 Lucilius 253, 465 Lucina 501 Lucretia 55 Luder, Peter 20–21, 25–26, 28, 37, 59, 134, 148, 169, 367 Ludovico de Fabriano 372 Ludovico Moro 61, 65, 77–84, 108, 328, 386, 394, 396–99 Ludwig II. von Württemberg 50

Personen- und Werkregister Ludwig IX. von Bayern-Landshut 215–18, 221, 225 Ludwig V. von der Pfalz 157 Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt 215, 221 Ludwig X. von Bayern-München 220, 322, 337 Ludwig XII. von Frankreich 90, 238, 274, 306, 319–22, 327, 328, 386, 394, 449, 452, 454–55, 517, 522–28 Lukas, Hl. 224 Lukas-Evangelium 153, 311, 504, 506 Lukian 365, 493 Totengespräche 306–11, 366 Lukian (Pseudo) 493 Lukrez 253, 465 Lunson, Virgilius (Johannes) 59, 60 Lupfdich, Johannes 3, 206 Luther, Martin 21, 337 Magnus von Anhalt 36 Mair, Martin 216–17 Maître Pathelin 170 Maleachi 433 Mantuanus, Baptista Ⱥ Spagnoli, Baptista Manuale scholarium 25 Manzini, Giovanni 372 Marcellus, Christoph 320 Margarete von Österreich 85, 336 Maria von Bethanien 466 Maria, Hl. 222, 305, 311, 325, 409, 503, 515 Marius 68 Maro Ⱥ Vergil Mars 65, 92, 191, 193, 194, 396–99, 403, 434, 436, 437, 468, 479, 496, 504, 510, 513, 520, 529 Marsyas 415 Martha von Bethanien 466 Mataratio, Francesco 340 Matthäus, Hl. Matthäus-Evangelium 66, 95, 422, 432 Maximilian I. 10, 13, 19, 39, 47, 48, 52–62, 65–70, 77–86, 101, 105–8, 109–11, 114– 16, 118, 120, 125, 129–30, 133, 136, 144, 149, 154, 161, 165, 174–77, 184–88, 190– 208, 217, 219–20, 223, 225, 226, 228, 232, 235, 238, 239, 242, 259, 262–64, 270, 271, 273, 287, 293, 295, 298, 305–6, 311, 313, 317, 319–22, 324, 326–33, 335–38, 347, 350–54, 356–57, 364–69, 371, 372, 374, 377, 386, 387, 402, 404–5, 407–9, 413, 418, 424, 429–34, 437, 447, 449, 451–55, 458, 503, 517, 519, 522–28

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Älteres Gebetbuch 56 Autobiographie 84 Ehrenpforte 119 Freydal 128, 191 Theuerdank 101, 191, 197 Weißkunig 84, 191, 322, 366 Mechthild von der Pfalz 50 Medea 405 Medici, Giovanni de Ⱥ Leo X., Papst Medici, Petro de 398 Megaera (Furie) 511 Megel, Daniel 171 Mehmet II., Sultan 263 Melanchthon, Philipp 21, 162, 164, 170, 171, 378 Meleager 469 Melpomene (Muse) 199, 300 Menander 137 Mendoza, Pedro González de 44 Menelaos 260, 261, 362, 463, 481, 484–85, 490 Merkur 140, 191, 195, 199–202, 243, 258, 266, 270, 272, 310, 313, 348, 361, 366, 402, 462, 463, 468, 470–72, 490 Methodius (Pseudo) 110, 231 Minerva 90, 130, 206, 207, 250, 255, 254–60, 264, 266–68, 272, 274, 276, 301, 395, 462– 79, 488–90 Mitridates 398 Mohammet 109, 163, 165, 439, 445, 455, 458 Montanus, Jacobus 274, 461, 490 Moravus, Augustinus 195, 199, 202, 374 Dialogus in defensionem poetices 461 Moses 222, 424, 426 Münchener Fronleichnamspiel 222 Münzthaler, Gabriel 60 Murner, Thomas 160, 291–93, 296, 303, 304 De Augustiana reformatione poetarum 303 Mussato, Albertino 29, 39–43, 46, 74, 75, 94, 106, 269 Ecerinis 25, 39–43, 76–78, 80–95, 99, 372 Historia Augusta de gestis Henrici VII 41 Musuros, Marcus 2 Mystère de la Pucelle ou du siège d’Orléans 372 Naevius 28, 45 Naukler, Johannes Ⱥ Vergenhans, Johannes Nebukadnezar 437 Neidhart, Hans 21 Neptun 468, 525 Nero 36

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Personen- und Werkregister

Nestor 405, 485, 508 Niger, Franciscus 2 Nikolaus Cusanus 163 Nikolaus, Hl. 515 Odernheim, Konrad 59 Odysseus 65, 71, 485 Oinone 471 Opitz, Martin 75 Origines 308 Orpheus 415 Otmar, Johannes 4 Otto I. 199 Ovid 159, 186, 198, 226, 253, 302, 388, 409, 465, 471 Ars amatoria 26, 493 Fasti 339 Heroides 257–60 Remedia amoris 26, 493 Paccius 33 Pacuvius 94, 388 Pallas Athena Ⱥ Minerva Papst, Alexander VI. 238 Paris 202, 244–48, 250, 254–64, 275, 290, 330, 362, 462, 463, 465, 466, 468, 469, 471–79, 485, 486, 490 Paulus, Hl. Briefe 94 Peirithoos 469 Peleus 463, 466, 468–70 Pellendorfer, Alexander 385 Peraudi, Raimund 235 Perikles 522 Perotus, Nicolaus 226 Persephone 415, 501 Persius 339 Peter von Hagenbach 158–59 Petrarca, Francesco 40, 59, 65, 184, 351 De remediis utriusque fortunae 96, 97, 308 Petrus Venerabilis 163 Petrus, Hl. 424, 425, 521 Peutinger, Konrad 55, 61 Peypus, Friedrich 340 Pfinzing, Melchior 101 Philipp der Schöne, Ehzg. 144, 219, 452, 456 Philipp II. von Burgund 372 Philipp III. von Burgund 49, 66, 185 Philipp von der Pfalz 153, 158, 295 Philipp von Makedonien 81, 401 Philippus Venetus 30

Philologus, Benedictus Riccardini 342, 343 Phoebus Ⱥ Apoll Phrynichos 1 Piccolomini, Enea Silvio 46, 216, 226, 227 Tractatus de liberorum educatione 22 Pinhas (Sohn Elis) 425 Pinicianus, Johannes Virtus et voluptas 175, 176, 377 Pippin I. (und die Pippiniden) 524 Pirckheimer, Willibald 12, 304, 515 Pisani, Ugolino Philogenia 25, 169 Pisani, Victor 359 Pius II., Papst Ⱥ Piccolomini, Enea Silvio Pius, Johannes Baptista 2, 341, 385 Planck, Andreas 273, 490 Platina, Bartolomeo 321 Plato 180, 209, 250, 294, 300, 360 Ion 300, 349, 358 Politeia 134–35, 178, 217, 249, 304, 350 Plautus 6, 16, 18, 45, 46, 138, 150, 156–57, 171, 173, 213, 226, 227, 239, 245, 267, 268, 276, 279, 283–86, 300, 339, 367 Amphitruo 47, 140, 191 Asinaria 284–86, 288, 371 Aulularia 137, 149, 156, 188, 189, 284 Captivi 156, 284 Poenulus 139 Plinius d.Ä. Naturalis historia 4, 140, 141, 339, 340 Plinius d.J. 339 Panegyricus 340 Pluto 420, 436, 437, 468, 488, 501, 504 Poggio Bracciolini 286 Poliziano 244 Polyhymnia (Muse) 199, 301 Pompeius 68 Pomponius Laetus, Iulius 149, 188, 189, 363 Pontano, Giovanni 74, 352, 378 Porcius Latro 228 Precellius, Georg 288, 493 Priamos 263, 392, 397, 401, 478, 485 Priscian 226, 227 Prodikos 184 Prometheus 406 Proserpina 420 Protheus 469 Prudentius 515 Prüß, Johannes 167 Ptolemäus 81, 401, 437 Puelinger, Wilhelm 189 Pyrrhus 398

Personen- und Werkregister Quintilian 344, 360 Institutio oratoria 22 Ratdolt, Georg 240, 460, 490 Reichart, Wolfgang 330 Reisch, Georg 53 Renatus, Johannes 298 Reuchlin, Johannes 12, 69, 76, 141, 157, 160–74, 175, 177, 189, 213, 225, 231, 234, 284, 287, 291, 298, 309, 338, 339, 367, 371 Henno 27, 87, 150, 154, 157, 159, 166, 167–73, 213, 284, 286, 287, 290, 361, 373, 493 Sergius 74, 162–67, 172, 173, 213, 283 Rhegius, Urban 338 Rhetorica ad Herennium 23, 27, 59, 160, 339, 359 Riario, Raffaelo 43 Richartzhausen, Johannes 169 Riederer, Friedrich 4, 384, 385 Spiegel der wahren Rhetorik 358 Riedner, Johannes 225, 226 Ringmann Philesius, Matthias 297, 298, 302, 309 Riviere, Pierre 18 Romulus 398 Rosenbusch, Thomas 272, 294, 490 Rosenplüt, Hans Das lustige Gerichtsspiel 185 Der Rechtsstreit zwischen Fastnacht und Fastenzeit 185 Des Türken vasnachtspiel 113 Rosso, Lorenzo 2, 341 Rothan, Christof 240, 460, 490 Rötinger, Paul 240, 460 Rott, Hieronymus 339 Rudolf I. von Hochburgund (und die Rudolfinger) 524 Rüger, Johannes 240, 460, 490 Ruprecht von der Pfalz 198, 219, 220 Rütinger, Johannes 56 Sachs, Hans 213 Salemon, Anna 183 Salemon, Georg 176, 182, 183 Sallust 59, 329, 330, 340 Caesares 339, 529 Salomon 301, 426 Proverbia 287, 288, 499 Sapientiae 97 Salutati, Coluccio 39, 74, 75 Tractatus de Tyranno 33

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Sambucellus Ⱥ Hölderlin, Matthias Sampach, Eberhard 341 Sanuto, Marino 82 Sardanapal 81, 401, 487 Saturn 468 Saucius, Christoph 516 Saul 437 Scaliger, Julius Caesar 378 Schatzer, Franz Ⱥ Hölderlin, Matthias Schiller, Friedrich 1 Schottenius Hessus, Hermann Ludus imperatoris 377 Ludus Martius 377 Schrenk, Hieronymus 272, 490 Schwapach (Sabacus), Konrad 272, 273, 489, 490 Schwapach, Johannes 272, 490 Schwenter Ⱥ Bernhaupt, Pangraz Schwenter, Pankraz 274 Schwitzer, Konrad 25 Scipio d.Ä. 91, 118, 397, 439 Scipio d.J. 91, 397 Sebastian, Hl. 57, 58, 222 Sedigitus, Vulcatius 138 Sedulius 515 Selim I., Sultan 320 Sempach, Eberhard 340 Seneca 7, 23, 25, 28, 35, 36, 39, 41, 43, 46, 76, 87, 95, 134, 226, 227, 251, 339–47, 372 Coena Thyestis 35, 36, 212 Hercules furens 35, 36, 186, 308, 340, 343 Medea 87, 94 Octavia 112, 340 Thyestes 43, 340 Sergius 163–66 Servius 27, 140, 217 Sforza, Bianca Maria 190, 192 Sforza, Bona 276, 490 Sforza, Francesco 190 Sforza, Ludovico 248 Sforza, Massimiliano 190, 320, 328, 517, 522–28 Siculus 202 Sidonius 248 Sigebert von Gembloux 248 Sigismund I. von Polen 242, 275, 276, 490 Sigismund II. von Polen 490 Sigmund von Brandenburg 219 Sigmund von Tirol 50–53, 59, 219 Silenus 191, 192 Singrener, Johannes 462, 489 Sintzenhofen, Georg von 246, 266, 272, 299, 465–66

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Personen- und Werkregister

Slatkonia, Georg 236 Sokrates 180, 282, 294, 360 Sophokles 388, 416 Spagnoli (Manutanus), Baptista 515 Spiegel, Jakob 154, 157, 166, 168–70, 361 Sprenz, Sebastian 176, 298 Sprung, Peter 53–54 Stabius, Johannes 174, 227, 281 Stamler, Johann Dialogus de diversarum gentium sectis 375, 376 Statius 40 Stephan III. von Bayern-Ingolstadt 221 Sthelenus 485 Stiborius, Andreas 227 Stricker Pfaffe Amis 167, 170 Stump, Johannes 150 Sturm, Johannes 378 Sturm, Martin 292 Stürzel, Konrad 48, 53, 59–61, 108, 149, 385, 407 Sulla 68 Susanna 377 Tacitus Germania 185, 230 Tannberg, Wolfgang von 3, 247 Tedeum 376 Terence des Ducs 23–24, 143 Terenz 20–29, 34, 39, 46, 137–45, 148, 150, 153, 168, 171, 183, 211–13, 225, 226, 239, 245, 267, 268, 276, 282, 283, 300, 363, 364, 367, 376, 407, 409, 493 Eunuchus 21, 149, 188, 409 Hecyra 409 Phormio 94, 152 Terpsichore (Muse) 199, 301 Tertullian De spectaculis 114–15 Teucer 485 Thalia (Muse) 199, 300, 416 Thanner, Jakob 516 Thetis 466, 468–70 Thomas von Aquin 122, 279 Thomas von Aquin (Pseudo) Boëthius-Kommentar 229, 244, 257 Thomas Wallensis 229, Ⱥ Thomas von Aquin (Pseudo) Thyestes 133 Tiberius 360 Tibull 253, 345, 465 Tigranes 398

Tolhoph, Johannes 185 Tröster, Johann 227 Truchseß, Eberhard 299 Tucher, Sixt 74, 226–27, 494 Tüngen, Dietrich von 240, 460, 490 Ulrich V. von Württemberg 54 Ulsen, Dietrich 191, 192 Ulyssis prudentia in adversis 275 Ungler, Florian 462 Urania (Muse) 199, 301 Urban IV., Papst 122 Ursinus, Caspar 515 Ursula, Hl. 57, 58 Vadianus, Joachim 142 Valerius Maximus 339, 421 Valla, Lorenzo 30, 128, 140, 175, 227, 352 De vero bono 187 De voluptate 187 Elegantia linguae Latinae 176, 177, 181, 225, 516 Varro 2 Vehus, Hieronymus 297 Boemicus Triumphus 202, 296, 300, 301, 363 Ventimontanus (Windsberger), Erhard 218, 225 Recepta et iudicium 225, 236 Venus 250, 254–58, 260, 263, 264, 266, 268– 70, 273, 274, 276, 310, 330, 390, 416, 462– 83, 486–88, 490, 494, 501, 506 Verardi, Carlo 354, 376 Historia Baetica 43–47, 75–76, 80, 87, 119, 367, 372 Verardi, Carlo/Marcellino Fernandus Servatus 44, 47, 372 Verardi, Carolo 14 Vergenhans, Johannes 205, 212, 298 Vergenhans, Ludwig 161, 205, 210 Vergil 40, 140, 178, 226, 245, 253, 296, 303, 339, 340, 345, 409, 415, 416, 465 Moretum 516 Vesta 468 Vetter, Johannes 385 Viperano, Giovanni Antonio 352 Virdung, Michael 341 Vischer, Peter d.J. 259, 461 Vitruv De architectura 28, 140, 143, 147, 363, 364 Vladislav II. von Böhmen und Ungarn 111, 225, 276 Vulkan 468

Personen- und Werkregister Waldkirch, Bernhard von 175, 176, 178, 181 Wehinger, Martin 150 Weißenburger, Johannes 6 Werlden, Bartholomäus 489 Wernher von Themar, Adam 169, 171, 361 Wilhelm IV. von Bayern-München 218–20, 305, 322, 337 Wilhelm V. von Bayern-München 223 Wilhelm von Moerbeke 29–34 Wilhelm von Ockham 210 Wilhelm von Toulouse, Hl. 51 Wimpheling, Jakob 6, 12, 16, 18, 59, 61, 86, 96, 149–60, 161, 171, 173, 204, 213, 291– 98, 301–4, 307, 330, 340, 358, 359, 492 Adolescentia 284, 293 Apologia pro Republica Christiana 292, 293 Confessionale 152, 302 Contra turpem libellum philomusi 159, 303–4, 305 De integritate 293, 297 Diatriba 156 Germania 79, 291 Komödien-Fragment 154–56, 213, 284, 374

589

Petrus de Hagenbach 158–59 Philippica 157–58, 159 Soliloquium pro pace 293 Stylpho 27, 149–54, 155, 158, 159, 170, 205, 211, 213, 285, 318, 373 Windsberger, Erhard ȺVentimontanus Wirnt von Grafenberg 101 Wolfgang von Bayern-München 218 Wolski, Nikolaus 275, 276, 465 Xerxes 519 Zasius, Ulrich 6, 60–62, 133–35, 161, 296– 98, 350, 361, 384, 385, 409 Oratio in funere Divi Maximiliani 48 Zeus Ⱥ Jupiter Ziegel, Johannes 59 Ziegler, Jakob 16, 321 Zingel, Georg 5–6, 16, 226–28, 232, 233, 236, 243, 267, 274, 277–82, 284, 287, 290, 291, 294–96, 298–302, 305, 307, 492 Zovenzionius, Raphael 515