Die deutsche Schifffahrts-Akte und die Differenzial-Zollfrage, im Interesse Deutschlands und des deutschen Zollvereins erläutert mit Hülfe offizieller Quellen [Reprint 2020 ed.] 9783112382905, 9783112382899


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German Pages 256 [268] Year 1848

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Die deutsche Schifffahrts-Akte und die Differenzial-Zollfrage, im Interesse Deutschlands und des deutschen Zollvereins erläutert mit Hülfe offizieller Quellen [Reprint 2020 ed.]
 9783112382905, 9783112382899

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Oie

teutsche Schifffahrts-Akte U nd

-ie Differenzial Zollfrage, int Interesse HMschlands und des dcuttcheir Zollvereins erläutert

mit Hülfe offizieller Quellen

Veit

W. Doenniges.

- -^>r^MZMMkSUStt«« Berlin, 1848. Verlag der 6. Lrautwcin'fchen Sud)- und Musikalienhandlung.

(3. Guttentag.) Sepürüt - Gcnlo.

Vorwort. Die vorliegende Schrift macht nicht den Anspruch, daß

sie vollständig oder zum größten Theil dem Verfasser als alleiniges Eigenthum angehöre.

Die Thatsachen,

die darin angeführt werden, verdankt er meistens, so weit sie sich auf Zustande und Verhältnisse des deut­

schen Zollvereins beziehen, der mit der größten Libe­

ralität gewährten Einsicht in offizielle Quellen und

Berichte.

Auch in den Gründen verdankt er sehr

Vieles der Anregung seiner Freunde oder den Schriften

derselben, von welchen einige nur im Manuskript ge­

druckt waren, oder in mündlichen Vorträgen bestanden.

Möglichst klare Zusammenstellung und Prüfung des

bisher über ein Differenzialzoll-System Geäußerten, ist

IV

der Zweck der Schrift.

Daß er dabei so äußerst

wenige Gründe für Belästigung und Beschränkung des

Handels durch Differenzialzölle aufnehmen oder ver­ theidigen konnte, liegt, wie er glaubt, an der Schwach­

heit dieser Gründe.

Die über Frankreichs Differen­

zialzoll-System und dessen Wirkung auf die Schifffahrt

beigebrachten Thatsachen sind theils

aus ofnziellen

(preußischen) Zusammenstellungen, theils aus französi­

schen Schriften, namentlich in der Revue des deux mondes von 1846 August und September,

men.

entnom­

Bei den offiziellen Schifffahrts-Listen überhaupt

muß er bemerken, daß sie in der Nachweisung ein und

derselben Thatsache bisweilen nicht miteinander genau

übereinstimmen, so z. B. weisen (nach einer Erklärung Lord Palmerstons) die englischen Listen

nur 4 brit-

tische Schiffe nach, die im vorigen Jahre in indirekter

Fahrt nach den Zollvereins-Häfen kamen, während die preußischen deren 14 nachweisen.

Aber die Ab­

weichungen dieser Art waren doch, so weit er sie zu bemerken Gelegenheit hatte, nicht so bedeutend,

daß

sie die Folgerungen und Verhältnisse, die sich daraus

ergaben, umgestoßen hätten.

Angriffe der Art, die nur zum Zwecke haben, einzelne Nachweisungen

in Zahlen zweifelhaft zu

V machen,

ohne daß dadurch die gefolgerten Verhält-,

unsse oder Grundsätze, als falsch nachgewiesen wür­

den, muß er unberücksichtigt lassen, weil er glaubt,,

auf seine Quellen sich verlassen zn dürfen.

Dagegen

wird er wesentliche Berichtigungen von Irrthümern »nd Grundsätzen gerne beachten und anerkennen. Nicht auf schriftstellerischen Rührn kommt es ihm an, sondern

aus die Geltendmachung bestehender Interessen,

auf

Vermittelung und Vereinigung

der

ganzen deutschen Vaterlandes.

Daß dies ohne Zu­

Interessen des

rückweisung und Widerlegung solcher Pläne, die ihm als unbegründete Hoffnungen und Chimären erscheinen,

nicht möglich war, versteht sich von selbst.

Die Ab­

schnitte 1. bis IV. sind im Vstufe dieses Jahres in

der Allgemeinen Preußischen Zeitung bereits publizirt

worden.

Die Einleitung soll den historischen Stand

der Frage äußerlich beleuchten. Der Abschnitt V. giebt in kurzen Umrissen dasjenige an, was der Verfasser in

Bezug auf einen Schifffahrtsbund deutscher Staa­

ten, für wünschenswerth und ausführbar hält; außer­ dem aber die Bemerkungen praktischer Finanzmänner über die Schwierigkeiten, welche einem Differenzialzoll-

System mit Belästigung des indirekten Handels in der praktischen Ausführung entgegenstehen.

Die Beilagen

VI

und Tabellen bestehen theils aus schon veröffentlichten,

theils aus bisher noch nicht bekannt gewordenen Akten­ stücken.

Sie sollten wenigstens mit einiger Vollstän­

digkeit die Uebersicht über die Zustände unserer Zoll-

vereinörhederei und Schifffahrt gewähren. Berlin im Oktober 484-7.

W. D.

Inhalt. Seite

Einleitung...................................................... I. Ueber Differenzialzölle, ihre Wirkung und Unter1 schiede................................................. 23 II. Die Wirkung der Differenzialzölle, ihre Modifika­ tionen und theilweise Aufhebung in Frankreich, Großbritanien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika...................................... 46 III. Die Interessen des Seehandels und der Schiff­ fahrt des deutschen Zollvereins gegenüber der Differenzial-Zollfrage...................... 93 IV. Das Interesse der Hansestädte und der deutschen westlichen Küstenländer gegenüber der Differen­ zial-Zollfrage ....................................... 123 V. Differenzialzölle, als RetorsionSinaafiregeln, Ein deutscher Schifffahrtsbund.................................... 158 Beilage I..................................................................... I Eingabe der Stralsunder Kaufmannschaft an Sr. Excellenz den Herrn Finanz-Minister. S. I. b) Erklärung der Kaufleute und Schiffs-Rheder NeuVor-Pommernö gegen Differenzialzölle. S. III.

a)

Beilage II

Nachweisung der in den Hafen des Preu­ ßischen Staats in den Jahren 1846 und 1845 ein und ausgegangenen Seeschiffe, einschließlich der Dampfschiffe und mit Ausschluß der Küstenfahrzeuge. ... Beilage III. Nachweisung des Bestandes der zur Rhe­ derei in den Preußischen Ostseehäfen im Jahre 1805 und 1815 bis 1846 ge­ hörenden Seeschiffe............ LIU

IX



VIII

— Sette

Uebersicht der Küstenfahrzeuge der Preußi­ schen Nhcdcrei an der Ostsee .... Beilage V. Nachweisung der in Preußische Häfen eingelaufcncn und aus Preußischen Häfen ausgelaufenen beladenen nativnalen und fremden Schiffe, mit Ausschluß des Küstenvcrkehrs, während der Jahre 1834 bis 1846 ............................. LXIH Beilage VI. Nachweisung der in den Jahren 1819 bis 1844 im Preußischen Staate neu erbau­ ten Seeschiffe . . . ......LX1V Beilage VII. Nachweisung des Bestandes der zur Nhedcrei in den Preußischen Ostseehäfen gehörenden Seeschiffe und Küstenfahrzeuge am 1. Ja­ nuar 1847, verglichen mit dem Bestände vom 1. Januar 1846 und der während des Jahres 1846 eingetretenen Verände­ rungen ............................ LIV

Beilage IV

LXII

Einleitung.

Die Frage der Differenzialzölle hat bereits seit einigen Jahren die politische, bewegt. regt,

wie industrielle Welt des deutschen Vaterlandes

Von der Presse, namentlich Süd-Deutschlands ange­

von einer Partei unterstützt,

die in der Erhöhung der

Schutzzölle das Universalmittel zur Hebung und Vergrößerung

unserer Industrie

sah,

und

die Differenzialzölle

zu gleichem

Zwecke eingefübrt wissen wollte, hatte der Vorschlag von Unter-

schicdszöllen als ein Mittel für die Beförderung und Erweite­ rung des Deutschen Zollvereins aufgefaßt, auch daö Glück, von

dem Königl. Preußischen Handelsamte in einer eigenen Denk­

schrift vertreten zu werden, welche später in öffentliche Schriften überging und mehr oder weniger Anfechtung oder Zustimmung

erfuhr *).

Eö konnte nicht fehlen, daß diese Frage auch in der Form der Petition an den ersten Vereinigten Landtag Preußens ge­ bracht wurde, da man aus mehreren öffentlichen Blättern Süd-

und West-Deutschlands entnehmen konnte,

welche große Hoff­

nungen für den Aufschwung unserer Schifffahrt und den Absatz

inländischer Industrie-Erzeugnisse daran geknüpft wurden.

Nur

über die Wirkungen und Zwecke, wie über die Höhe und das Maaß der Differenzialzölle hatte man sich nicht geeinigt. Die

1) Bergt, den Abdruck derselben tu, die Aufgabe der Hansestädte S. 362. ff.

2

Einen wollten Förderung des direkten Handels, die Anderen Förderung des Absatzes unserer Fabrikate auf transatlantischen Märkten, die Dritten Förderung unserer Zollvereinsrhederei und Schifffahrt, die Vierten erwarteten wenigstens die Ausdehnung des Deutschen Zollvereins über die Nordseestaalen und Hanse­ städte als Erfolg der Maaßregel; die Fünften endlich wollten eine RetorsionSmaaßregel in ihnen gegen ausländische Staaten, die sich nicht auf den Fuß der vollkommen gleichen Reciprocität mit unS gestellt hätten. Alle diese Zwecke und Meinungen wurden in chaotischer Verwirrung durcheinander von verschiedenen Blättern vertreten; die meisten dachten vielleicht, alle Fliegen auf Einen Schlag mit dieser Klappe zu treffen; alle möglichen Vortheile des nationalen Systems damit zu erreichen. Die nationale Flagge, die nationale Schifffahrt, die nationale Industrie, der nationale Handel, die nationale Größe des Zollvereins war die Losung! Welche Verluste und Nachtheile man aber mit eben dieser Maaßregel der nationalen Schifffahrt, dem nationale» Handel und den nationalen Industriezweigen des Zollvereins aufbürden würde, >vas man verlieren könne und wirklich verliere, nicht bloß in den Finanzen, welche Schwierigkeiten der Durchführung sich böten, dieses zu überlegen, fiel nur Wenigen ein. Die Stimmen dieser Wenigen aber verhallten von der großen Masse unserer Zeitungsschreiber ungehört. Man begnügte sich mit glänzenden Hoffnungen und der Zustimmung einzelner Jnteressirter, wies die Vorschläge derjenigen, welche die Frage gründ­ lich erörterten, wie die Warnungen derjenigen, welche sich gegen die Maaßregel erhoben, zurück. Nicht eine einzige umfassende, gründliche Schrift wurde von den Anhängern der Differenzial­ zölle zur Vertheidigung derselben geliefert, nachdem die Handels­ kammer von Köln sich entschieden gegen die Differenzialzölle ausgesprochen, und die nachthciligen Wirkungen derselben bei vielen Nationen, wo sie eristiren, nachgewiesen hatte'). 1) Vergleiche (Camphausen) Denkschrift über die Beförderung der Schifffahrt des Zollvereins.

3 Alle Anhänger der Differenzialzölle klammerten sich viel­ mehr an die Schrift des HandelsainteS an, wiesen höchstens auf vereinzelte Interessen (etwa Bremens und Antwerpens) hin und blieben bei den allgemeinsten Phrasen über Förderung bet. nationalen Schifffahrt, des direkten Handels und des Absatzes der Industrie-Erzeugnisse stehen. Man kann wohl sagen, es waltete auch bei dieser Frage jener merkwürdige und größte Irrthum der Protectionisten und Schlitzzöllner vor, daß sie glaubten, hinreichend mit ihren Hoff­ nungen die Nachtheile der Maaßregel aufwiegen zu können, daß sie Wünsche anstatt der Erfolge zahlten, und sich iveiter nicht um die Nachtheile kümmerten *). Die größte Täuschung des Merkantil-Schutzzoll- und Prohibitiv­

I)

systems

liegt darin, daß man nicht berechnet,

was man bei

der Ver-

theuerung der Waare durch die Schutzzölle aufopfert, und nur das anfchlagt,

was man

producirt oder produciren könnte.

erzwungene Mehrproduktion nicht

Ob die hervorgelockte oder

mit höheren Kosten verbunden sei,

ob

nicht eben dadurch der wirthschaftliche Zustand der Nation und gerade der anderer Producenten verschlechtert werde, wird nicht gefragt, dagegen aber

die ganze Ausdehnung Einer Produktion als Folge der Zölle genommen, auch wenn sich dieselbe oder ein Theil derselben auf natürlichem Wege besser und

wohlfeiler ergeben hatte. Gerade in der erzwungenen Ausdehnung der Pro­ duktion liegt der Nachtheil.

Dies weisen die Schutzzöklner uns selber nach.

Wer von diesem Verfahren einen neuen Beweis haben will (wir wollen Nicht einmal auf die altbekannten Nachtheile der Weber, Färber und Drucker durch den erhöhten Twistzoll Hinweisen), der lese

das Pröbchen von der

Behandlung dieser Frage in, Glaser Schutzzölle und Konsumenten Besteue­

rung, Berlin, 1847 S. 17*—22, wo die ganze Ausdehnung unserer Eisen­ produktion von 1842 —1845 auf die erhöhten Eisenzölle geschoben wird,

während der erhöhte Zoll erst 1844 eintrat, mit keiner Sylbe auf die

auf der andern Seite aber

erhöhten Kosten der Eisenprodukte hingewiesen,

noch die Nachtheile unserer Marine, unserer Eisenwaaren-Aabrikanten, un­

serer Maschinen-Fabrikanten und Eisenbahnen berührt werden.

Nur nock-

einige solcher Zölle, wie die Eisenzölte, haben wir nöthig, und noch einige

solcher gedankenlosen Schriften, um diejenigen, welche die Industrie als ein

zusammenhängendes Gebiet nationaler Thätigkeiten aufzufaffen gewöhnt sind, von der unbedingten Erwerbsfreiheit und der Nothwendigkeit der Abschaf­

fung aller Schutzzölle zu überzeugen.

Herr Dr. Glaser möge doch vor allen

Dingen beherzigen, was ihm schon so oft von ältern Nationalökonomen ge­

sagt ist, daß man erst wissen müsse,

wie vielseitig und schwierig die

1*

4 Am 17. Mai 1847 kam die Frage der Differenzialzölle vor die Herren-Kurie des Preußischen Allgemeinen Landtags. In schwesterlicher Umarmung mit der Petition,

betreffend eine

baldige Revision des gegenwärtigen Zolltarifs unter Zuziehung

von Sachverständigen (d. h. Fabrikanten) trat sie auf. ES stand

ihr an der Stirne geschrieben, wcS Geistes Kind sie war:

„Die

Schifffahrtsfrage steht mit der Garnfrage in enger Verbindung;

durch

eine

befriedigende

Lösung

der letzteren

werden große

Baumwollenmärkte in Deutschland entstehen."

vorliegende Frage sei, ehe er sich daran giebt, Rechnungen von Produktions-

werthen S. 19. aufzustelten,

in welchen er zu keinen Resultaten für die

Frage kommt, in welchen er seine Unkunde dadurch zu erkennen giebt, daß er das Roheisen immer wieder bei dem weiter verarbeiteten Eisen ansetzt, und so doppelt rechnet,

in welchen er endlich gar nicht einmal die Eine

Seite der Frage beantwortet,

wie viel Werthe mehr, als früher, denn

wirklich nach dem Schutzzoll, wenn auch zu höheren Kosten, in den Hütten­ werken produzirt wurden. Nachdem er dies berechnet hat, möge er sich nach

Remscheid wenden,

oder auch an unsere Schmiede und Schlosser, und an

unsere Rheder, um diese Sachverständigen zu fragen,

wie viel sie an den

Dies wäre die andere

erhöhten Eisenpreisen verlieren.

Seite der Sache.

Erst dann möge Herr Dr. Glaser sich auch an die Hamburger wenden und

fragen,

ob es die freie Bewegung ihres Handels sei, dem sie die Ausdeh­

nung desselben verdanken oder nicht.

Vorher möge er aber die Schriften

über Hamburgs Handel studiren, von denen ich S. 16. meiner Schrift ge­ gen die Schutzzölle eine anführte,

iu welcher nachgewiesen wird, daß der

größte Theil des Hamburger Handels unabhängig vom Zollvereins­ gebiet dasteht,

denn „daß auch ein wesentlicher Theil der Einfuhren Ham­

burgs für den Zollverein bestimmt ist," hat Niemand geleugnet.

Herr Dr.

Glaser hat vielmehr auch hier,

die Frage

gar nicht verstanden,

wo er mich anzugreifen sucht,

auf die es ankommt.

es im Interesse einer Handelsstadt liege, Aölle belästigt zu sehen.

sich

Es sollte gezeigt werden, wie so wenig wie möglich durch

Deshalb führte ich die ungeheuren Einfuhren

Hamburgs an, die aber für den Zollverein allein nicht stattfinden, sondern

zum größten Theil wieder ausgesührt werden, weil Hamburg ein Zwischen­ markt für sehr viele Länder Europa's eben durch die Freiheit seines Han­

dels

geworden ist.

Wer keinen Begriff von

der Beziehung dieser That­

sachen auf die Hemmung des Handels durch die Zölle hat, sollte wenigstens die Bescheidenheit besitzen,

den Hamburgern keine guten Rathschläge geben

zu wollen, „durch Beschützung ihres heimischen Gewerbefleißes indirekt ihren

Wohlstand zu fördern!"

5 „Man berechnet, daß der Bedarf an Baumwolle 600 his 700 Schiffsladungen beträgt, welche künftig direkt von Amerika be­ zogen würden. Die Schifffahrt deö Zollvereins bedarf einer eben so kräftigen Aufbülfe wie die Industrie; während England, Hol­ land, Spanien und andere Länder den direkten Verkehr mit den transatlantischen Staaten durch hohe Differenzialzölle begünsti­ gen, ist dieses im Zollverein nicht der Fall. — Unter solchen Umständen ist der traurige (I?) Zustand der preußischen Rhederei erklärlich. Während dieselbe in anderen Staaten fortwährend zunimmt, ist das Gegentheil bei uns der Fall (?). Die Einführung eines Differenzial- uiib Reciprocitätssystem wird daher als die dringendste Maaßregel angesehen, um die diesseitige Rhederei zu heben und den Wohlstand der Ostsceprovinzen, welche alle Elemente für das Gedeihen einer großartigen Rhedcrei haben, zu fördern.^ So lauteten die Worte der Begründung, und die Abtheilung der Herren-Kurie hielt demnach dafür, daß die im Eingänge beregten Fragen über Garnzvlle und Rückzölle, und über ein Differenzialzoll-System nach vorhergcgangener Anhörung von Sachverständigen, namentlich der betreffenden Fabrik-Besitzer und unter Beachtung der Aeußerungen der Handels-Kammern der westlichen, und der Korporationen der Kaufmannschaften der östlichen Provinzen der Monarchie bei der nächsten Zollconferenz noch einmal preußischerscits zur Erörterung zu stellen sein werden." — ES ist bekannt, welchen Gang die Sache in der Herren-Kurie nahm; die Petition sollte zur Empfehlung bei Sr. Majestät dem Könige auf dem gesetzlichen Wege angenommen werden. Die Herren schienen überzeugt, daß Industrie und Schifffahrt des Zollvereins leide, Alles leide, und daß Schutzund Differenzialzölle das Universalmittel zur Abhülfe der Noth seien. Nur wenige Redner, unter diesen aber gerade diejenigen aus den leidendsten Fabrik-Distrikten Schlesiens, sahen die Schutzzölle nicht als ein Medikament an, daß man den kranken Webern und Spinnern einzugeben habe, ja sie hatten die Kühn­ heit, auf die Wirkungslosigkeit und Schädlichkeit der Schutzzölle hinzuweisen. Aber ihre und des Herrn Finanzministers Ercellenz, so wie des Herrn General-Steuer-Direktors Zahlen und

6 Gründe verhallten ohne merklichen Eindruck. ES war schwierig, ihnen zu folgen. Die Differenzialzölle wurden so nebenbei be­ rührt, und mehr alS Zugabe empfohlen; dabei vernahm man aus dem Munde des Herrn Grafen v. Arnim folgende Nach­ richten: „In dem Anträge eineö Abgeordneten der Nheinprovinz ist behauptet, die preußische Rhederci habe seit 1832 um 4000 Lasten abgcnommen. Wenn ich dies natürlich nicht ver­ bürgen kann, so verweise ich wiederholt auf die Anschauung (!) Vergleichen wir den Zustand der Rhederei in den Ostsee-Häfen mit demjenigen Zustande, der vor 20 und 30 Jahren bestand, so erklären alle Augenzeugen,

desgleichen, daß eine gleiche Zusatzsteuer auf alle oder etliche Güter gelegt werden darf, wenn sie in den Schiffen eines Landes eingeführt werden, welches höhere oder andere Abgabe erhebt von Gütern,

die

in britischen Schiffen eiugeführt werden, als von solchen Gütern, die in nationalen Schiffen jenes Landes eingehen, oder welches (Land)

höhere Tonnen-, Hafen- oder andere Abgaben von britischen, als von

nationalen Schiffen erhebt,

oder welches nicht den Handel und die

Schifffahrt dieses Königreichs auf den Fuß der begünstigtesten Nation in seinen Häfen stellt, und daß

121 Es gehört die ganze Unkcnntniß der Schutzzöllner von un­ seren Handelsbeziehungen dazu, um eine so schädliche und ver­ werfliche Maaßregel, wie ein System von Differenzialzöllen oder gar eine darauf beruhende Navigationsakle mit einem bunten Gemisch von Ausnahme-Maaßregeln, die stets noth­ wendig werden, empfehlen zu können; eine Maaßregel, die dann da nicht angewandt »verteil müßte, wo wir bereits im Bortheile mit unserer Flagge sind, da aber angewandt werden soll, wo erst Vortheile zu erringen sind ; die bei den geringsten Retorsionö-Maaßregeln auswärtiger Staaten uns mit einem Rückgänge unserer Rhcderci bedroht, welcher sogleich mehr als die Hälfte unserer jetzt bcschäfligten Schiffe treffen kann; eine Maaßregel, die auf dem Prinzip des Polizeischutzes und der Slaatseinmischung beruht in Tinge, welche von der Privalthätigkeit der Bürger in ihren wesentlichen Grundlagen abbängen; eine Maaßregel, die blinder Haß und blinder Eifer em­ pfehlen, die aber eine Rmhe für die Kinder werden müßte, welche sie sich selber aufbindcn. Wir haben unter dem Schutze der Freiheit, dem einzigen, welcher dem wahren Industriellen wünschenöwerth erscheint, unter dem Schutze unseres nationalen FreihandelS-Systemö, ohne alle Schutzzölle für die Rhedcrei, einen Aufschwung unse­ rer Flagge nnd unserer Schifffahrt in einzelnen Seestädten der Ostsee erlebt, wie er seines Gleichen vergeblich sucht. Der Regierungs-Bezirk Stettin, der sich lange nicht eines so be­ deutenden Handels-Umsatzes rühmen kann, als der HandelSc) entweder die Einfuhr irgend eines Manufaktur-Artikels verbeten wer­ den kann, wenn er aus einem Lande herstammt, welches die Ausfuhr des Rohstoffs, aus dem das Fabrikat ganz oder theilweise hergestellt ist, nach den britischen Besttzunge» verbietet, oder daß eine Zusatz­ steuer, wie vorhergesagt, nicht über ein Fünftheil, auf dergleichen Fabrikate gelegt wird, mit der Maßgabe, daß diese Zusatzsteuer auch dann eintreten kann, wen» das rohe Material bei seiner Ausfuhr aus besagtem Lande nach Ihre Majestät Besitzungen einer LuSgangSfteuer unterworfen wird, und alle Steuern, welche kraft eines solchen Befehls auferlegt werden, sollen so angesehen sei», als wenn sie durch gegenwärtige Akte auferlegt wären.

122 staat Bremen; Settin, dessen Umsatz von dem Hamburgs viel­ leicht um das fünf- bis sechsfache übertroffen wird, hatte schon im Zahre 1846 (Ende) 316 Seeschiffe mit 36,044 Lasten Tragfähigkeit, b. h. 91 Schiffe m ehr als Bremen, und kam diesem in der Lastenzahl (38,710) fast gleich, während es 88 Schiffe mehr als Haniburg hatte, und dieses in der Lastenzahl seiner Schiffe übertraf *). Stettin allein hat über das Dop­ pelte mehr an Seeschiffen und Lastenzahl, als ganz Belgien mit seinem prächtigen Hafen von Antwerpen, Stettin allein hat mehr Tragfähigkeit seiner Schiffe, als Lübeck, Altona, Blankenese, alle holsteinischen Plätze nebst Kiel, alle hannover­ schen Elbhäfen, alle hannoverschen Weserhäfcn, alle oldenburgi­ schen Plätze zusammen genommen. Der Regierungs-Be­ zirk Stralsund mit 314 Schiffen von 27,915 Lasten hat mehr Seeschiffe, als Bremen oder Hamburg, mehr als Belgien, fast das Doppelte mehr an Lasten, als ganz Belgien und das Dreifache mehr als Lübeck, um das Siebenfache mehr als Al­ tona an Lasten. Der Regierungs-Bezirk Königsberg mit 132 Schiffen von 23,345 Lasten, erreicht fast Hamburg in der Lastenzahl, obwohl Hamburg, was den Umsatz seines Handels betrifft, der dritte Hafen der Welt ist. Ueberhaupt möchte man, wenn man die Anzahl der Seeschiffe auch in kleinen Städten Pommerns bedenkt (wie in Ueckermünde über 30, in Barth über 58), eher auf die Vermuthung kommen, daß vielleicht unser wohlfeiler und guter Schiffsbau etwas zu stark die Spekulation in der Rhederei anrege, und daß eS daher komme, daß bisweilen in schlechteren Handelsjahren auch eine ziemliche Anzahl Schiffe verkauft werden muß, was denn natürlich ein 1)

Vergleiche das Differenzialzoll-System Hamburg 1847 Tab. VII.

S. 91. mit unseren offiziellen preußischen Rhederei-und Schifffahrts-ListenBeil.

Es war der Bestand der hanseatischen Rhederei

225 Schiffe mit 38,710 Lasten ä 4000 Pfd.;

mit 29,272i Lasten,

1846 in Bremen

in Hamburg 228 Schiffe

Lübeck 69 Schiffe mit 7125 Lasten.

Es

war aber

der Bestand der hollsteinschen, hannoverschen und oldenburgischen Elb- und Weserplätze Ende 1846 im Ganzen 28,149 Lasten; der der belgischen Rhederei 12,616 Lasten.

123 Schwanken in der Zahl der beschäftigten Schiffe hervorbringk Es fehlen bisweilen die Frachtgelegenheiten. So viel ist aber ganz sicher, daß unsere Rhederei de» Vergleich mit keiner in der Welt zu scheuen hat, wenn i»an in An­ schlag bringt, daß unsere Ostseeküsten nur wenige gute Häfen von Natur darbieten, daß der Sundzoll cristirt, daß wir an einem Binnenmeere gelegen sind, daß wir nur einen geringen direkten transatlantischen Handel haben können, und daß na­ mentlich drirch den Bau der Eisenbahnen, wie durch die hohen Schutzzölle (z. B. gegen ausländisches Eise»), sehr bedeu­ tende Kapitalien in andere Industriezweige abgeleitet worden sind, ,während man der Schifffahrt noch eines der wichtigsten Materialien (Eisen nämlich) vertheuerte, wovon sie früher über 40 pEt. aller Einfuhren des Zollvereins in die Ostseehäfen cinbrachte.

IV. Das Interesse der Hansettädte und der deutschen westlichen Küstenländer gegenüber der DisserenrialIoltkrage. An den Küsten des deutschen Meeres, an dem Ausflüsse der Weser und Elbe, liegen die eigentlichen Brennpunkte deS deutschen Großhandels. Seit unvordenklicher Zeit erfreuen sich die Länder und Städte von Ostfrieöland an bis Mecklenburg hin einer Gesetzgebung in Zoll- und Handelssachen, welche den Interessen jener Länder gemäß, nie auf die Abwege des Manu­ faktur- und Fabriken^, vulgo Mcrkantilsystenis gerathen konnte, durch Zwangsmaaßregcln die industrielle, nationale Arbeit in solche Zweige der Industrie leiten zu wollen, die gerade einer bestimmten Regierung als die nützlicheren oder gewinnbringen­ deren erschienen. Die Kleinheit der dort belegenen alten Reichs­ territorien machte es unmöglich, auch in den Zeiten der Kind­ heit nationalökonomischer Aufklärting an Sperr- und Schutzzoll-

123 Schwanken in der Zahl der beschäftigten Schiffe hervorbringk Es fehlen bisweilen die Frachtgelegenheiten. So viel ist aber ganz sicher, daß unsere Rhederei de» Vergleich mit keiner in der Welt zu scheuen hat, wenn i»an in An­ schlag bringt, daß unsere Ostseeküsten nur wenige gute Häfen von Natur darbieten, daß der Sundzoll cristirt, daß wir an einem Binnenmeere gelegen sind, daß wir nur einen geringen direkten transatlantischen Handel haben können, und daß na­ mentlich drirch den Bau der Eisenbahnen, wie durch die hohen Schutzzölle (z. B. gegen ausländisches Eise»), sehr bedeu­ tende Kapitalien in andere Industriezweige abgeleitet worden sind, ,während man der Schifffahrt noch eines der wichtigsten Materialien (Eisen nämlich) vertheuerte, wovon sie früher über 40 pEt. aller Einfuhren des Zollvereins in die Ostseehäfen cinbrachte.

IV. Das Interesse der Hansettädte und der deutschen westlichen Küstenländer gegenüber der DisserenrialIoltkrage. An den Küsten des deutschen Meeres, an dem Ausflüsse der Weser und Elbe, liegen die eigentlichen Brennpunkte deS deutschen Großhandels. Seit unvordenklicher Zeit erfreuen sich die Länder und Städte von Ostfrieöland an bis Mecklenburg hin einer Gesetzgebung in Zoll- und Handelssachen, welche den Interessen jener Länder gemäß, nie auf die Abwege des Manu­ faktur- und Fabriken^, vulgo Mcrkantilsystenis gerathen konnte, durch Zwangsmaaßregcln die industrielle, nationale Arbeit in solche Zweige der Industrie leiten zu wollen, die gerade einer bestimmten Regierung als die nützlicheren oder gewinnbringen­ deren erschienen. Die Kleinheit der dort belegenen alten Reichs­ territorien machte es unmöglich, auch in den Zeiten der Kind­ heit nationalökonomischer Aufklärting an Sperr- und Schutzzoll-