Die Geschichte des deutschen Zollwesens: Von seiner Entstehung bis zum Abschluß des deutschen Zollvereins [Reprint 2020 ed.] 9783112366004, 9783112365991


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Die Geschichte des deutschen Zollwesens: Von seiner Entstehung bis zum Abschluß des deutschen Zollvereins [Reprint 2020 ed.]
 9783112366004, 9783112365991

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Die Geschichte des

deutschen Zoltwesens.

Die Geschichte des

deutschen Zollwesens Von seiner Entstehung bis zum Abschluß des deutschen Zollvereins.

Von

Dr. Iohannes Falke, ■?lvd)iDnr am HauptstaatSarchiv zu Dresden.

Leipzig, Verlag von Veit & Comp. 1869.

Druck von B. G. Teubner in Leipzig.

Inhalt. Seite Einleitung....................................................................................................................... IN Erster Zeitraum. Das Zollwesen im Frankenreiche.............................. 1 Zweiter Zeitraum. Das deutsche Zollwcsen von der Begründung des Reichs bis zu Anfang des 16. Jahrhunderts........................................26 Erster Abschnitt. Das Reichszollwesen.................................................... 26 Zweiter Abschnitt. Das Zollwesen der Landesherren...........................63 Dritter Abschnitt. Das Zollwesen der Städte....................................... 83 Vierter Abschnitt. Die Zollverwaltung und Einrichtung bis zum 16. Jahrhundert.................................................................................... 109

Dritter Zeitraum.

Die Zeit der kurfürstlichen Präeminenz in Zoll­ sachen. 1523 — 1648 ............................................................................ 147 Erster Abschnitt. Die Zeit bis zum Frankfurter Deputationstag im Jahre 1577 ....................................................................... 147 Zweiter Abschnitt. Der Reichstag vom Jahre 1582 und der hansisch-englische Zollstreit................................................................... 177 Dritter Abschnitt. Vom Reichstag im Jahre 1582 bis zum west­ fälischen Frieden im Jahre 1648............................................. 202 Vierter Zeitraum. Die Zeit des unabhängigen landesherrlichen Zollwesens vom westfälischen Friedensschluß bis zum Abschluß des deutschen Zollvereins. 1648 — 1834...................................................... 229 Erster Abschnitt. Vom westfälischen Friedensschluß bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts........................................................................... 229 Zweiter Abschnitt. Das achtzehnte Jahrhundert, die Zeit des aus­ gebildeten Sperrzollsystems.........................................................269 1. Die Zollsysteme in Preußen und Sachsen und ihr Kampf gegeir einander....................................................................................269 2. Das Zollwesen in den übrigen deutschen Staaten von Anfang des 18. Jahrhunderts bis zum Pariser Friedensschlilß im Jahre 1814...................................................................................320 Dritter Abschnitt. Die Zeit der Vorbereitung des deutschen Zoll­ vereins. 1814 — 1834 ........................................................................ 340 1. Das neue preußische Zollsystem und der Kampf dagegen. 1814—1828................................. •................................................ 340 2.

Der Abschluß des deutschen Zollvereins.

1828—1834 ... 378

Einleitung. Unsere Gegenwart ist eine Zeit der Reformation des Staates. Seitdem die Reformation des 16. Jahrhunderts den Begriff der

Kirche in seiner ausschweifenden, alle menschlichen Verhältnisse be­

herrschenden Ausdehnung auf die Dauer gebrochen hatte, war dem Staate die Bahn geöffnet, um sich in ganz anderer Weise, als ihm

seine während des Mittelalters gedrängte und gedrückte Stellung neben der Kirche erlaubte, zu entfalten und anch selbst dort, wohin

die Reformation nur in sehr gebrochener und abgeschwächter Ausstrahlutlg gedrungen war, den Platz einzunehmen, den die von jetzt

an »licht mehr siegreiche wenn auch noch stets um denselbeu ringende Kirche nicht hatte behaupten können.

Während diese durch

eine

folgerichtige Ausbildung und Allsbeutung des allgemeinen mensch­

lichen Gefühls der

Abhängigkeit von

einer

überirdischen,

alles

schaffenden und alles leitenden Macht ihre Herrschaft über alle Glieder und Organe der menschlichen Gesellschaft auszudehnen strebte,

schrieb der Staat die irdische Wohlfahrt Aller, die Sicherstellung der Gesammtsumme der sichtbaren Lebensverhältnisse auf sein Panier

und verlangte nun für sich dasselbe, was auch die Kirche stets bean­

sprucht hatte, die Anerkenuung als eine unantastbare, dem Urtheil

geschweige denn der Thatkraft seiner Glieder gänzlich entrückte gött­

liche Anstalt.

Er verlangte nicht nur den Gehorsam sondern den

blinden Gehorsam,

die unbedingte Unterwerfuirg aller Rücksichten

und Interessen unter seine Forderungen und Absichten, das Aufgehen

jeder Freiheit des Einzelnen in die von ihm verlangten Pflichten,

die rückhaltslose Unterordnung aller Einrichtungen der menschlichen Gesellschaft unter seine allein herrschende Gewalt.

Diese Unum-

schränktheit des Saattes, dargestellt durch den absoluten Willen des einen Hauptes desselben, gab ihm im 17. und 18. Jahrhundert sein

historisches Gepräge in den von der Reformation umgebildeten wie

VIN

von derselben auf religiösem Gebiet fast unberührt gebliebenen Lan­ dern. Obwohl dieser Absolutismus nur durch eine Umwälzung be­

stehender Verhältnisse möglich geworden war, behielt er doch jetzt auch seinerseits wieder nur den sicheren Bestand durch einen abso­

luten Conservatismus, durch eine nur auf sich berechnete Erhaltung der mittelalterlichen Staatsgliederung, welche den Angehörigen des Staates nur in weiten Abstufungen die Theilnahme an den durch ihn gewährten und gewährleisteten Rechten zugestand, nur die weit­

aus geringere Zahl seiner Glieder in ein unmittelbares Verhältniß zu ihm zu treten erlaubte.

Zwischen dem Staate und der großen

Masse der Bevölkerung war eine Menge von Zwischengliedern ein­ geschoben, welche, indem ein Theil der Staatsgewalt jener Masse

gegenüber ihnen anheim gegeben war, dadurch mit dem Absolutismus im Staate auf das Innigste, zu gleichem Gewinn und Verlust, auf Leben und Sterben verbunden wurden.

Erst das neunzehnte Jahr­

hundert begann, diese in einen unumschränkten Willen zusammen

gezogene und dennoch trotz des Absolutismus in seiner Regierungs­ gewalt vielfach gebrochene Staatsform ernstlich und nicht allein aus­ nahmsweise in Frage zu ziehn, und seine Forderungen und Ziel­

punkte, die ganze Summe seiner Organe und Einrichtungen der

Prüfung eines durch die erweiterte Wisseuschaft wie durch ein an großen Vorgängen reiches Leben geweckten und geklärten Verstandes

zu unterwerfen.

Erst gegen die Mitte dieses Jahrhunderts — cs

sind seitdem wenige Jahrzehnte verflossen — wurde eine Erweiterung

des Begriffs vom Staate errungen und dieser in eine neue, noch lange nicht abgeschlossene Entwicklung gedrängt. Dem Absolutismus folgte die Constitution, dem auf einen pyramidalen Unterbau von

unverletzlichen Vorrechten und Privilegien hochgethürmten, als eine göttliche Anstalt unantastbaren Gewaltstaat ein die Gleichheit Aller in Pflichten wie in Rechten gewährleistender, der Prüfung wie der

Beurtheilung keines seiner Glieder sich entziehender Verfassungsstaat.

Die unbedingte Unterwerfung jedes Einzelnen unter die wie immer gebildete oberste Gewalt ist jetzt nicht mehr ein und alles, mehr die alleinige Lebensbedingung des Staates, als

nicht

eine zweite

ebenso nothwendige und bedeutungsvolle ist dieses unmittelbare gleich­

gemessene Verhältniß aller Glieder zu dem nun die Gesammtheit des Volkes umspannenden Staate an die Seite gestellt. In Folge dieser außerordentlichen Erweiterung in den Grund-

IX

lagen des Staates ist auch an jeden Einzelnen die Pflicht herange­ treten, sich über dieses sein Verhältniß zu demselben, über das ihm

zustchende Maß von Rechten und Pflichten, über das, was der Staat

ihm und dem Volk und er und das Volk dem Staate zu bieten und zu leisten schuldig sind, mit vollem Ernst Belehrung und Klarheit zu verschaffen.

Nicht weniger ist den Staatswissenschaftcn dadurch

ein nachhaltiger Anstoß gegeben zu einer rascheren Entwickelung, zu einem immer weiter und tiefer greifenden Einfluß auf die große Masse der Staatsmitglieder, zu einer ohne Aufhören wachsenden Be­

deutung für die gesammtc Bildung und das gesammte Leben eines jeden,

in die Strömung der Cultur

eingetreteneu Volkes.

Die

Staatswirthschafts- wie die Volkswirthschaftslehre und insbesondere die letztere, wenn sie auch wohl nicht ganz mit Recht eine neue Wissenschaft genannt wird, haben ihre eigentliche und angemessene Bedeutung und Stellung erst erlangt, seit sie nicht mehr ans die

Schule allein beschränkt, nicht mehr bestimmt sind, nur für einzelne wenige für den besonderen Staatsdienst Auserlesene gelehrt und fort­

gebildet zu werden, sondern nachdem sic durch jene Erweiterung der Staatsgrundlagen berufen sind, die Wissenschaften des Volkes zu

werden, jeden Staatsbürger über seine Aufgabe gegenüber dem Staate und der Gesellschaft und über die Aufgaben dieser ihm gegenüber zu

belehren.

Beide Wissenschaften, so unzertrennlich zu einander ge­

hörend wie das Volk und der Staat selbst, haben auch thatsächlich in diesem Fortschritt des Staates die unverkennbarste und frncht-

bringendstc Förderung gefunden und insbesondre hat die letztere als die Wissenschaft, welche über des Volkes gemeinsamste und nothwen­

digste Angelegenheiten, über die Grundbedingungen seiner Existenz und seines Wohlergehens die richtige Erkenntniß bilden und ver­

breiten soll, auch in der Gegenwart die größte Verbreitung wie Ver­ tiefung, den weitesten Kreis in der Anwendung wie den kraftvollsten

Fortschritt im Forschen und Erkennen gewonnen.

Die Volkswirth-

schaftslchre ist die Wissenschaft des Lebens wie des Volkes im vor­ ragenden Sinn des Wortes geworden; sie dringt unaufhaltsam in die

Masse des Volkes weniger freilich durch das Mittel des gelehrten Vortrags und einer gelehrten Literatur als durch Männer, welche,

dem wirthschaftlichen Leben des Volkes selbst näher stehend,

ernste

und eifrige Vermittler bilden zwischen Wissenschaft und Leben, welche

von dort her das klare, sicher begründete Urtheil, von hier eine un-

unterbrochen znströmende Fülle von Anschauungen und Beispielen entnehmen,

dem Volk als dem Träger der Wirthschaft

die Lehren

und Fortschritte der Wissenschaft, dieser die dort sich täglich in un­ aufhörlichem Wechsel drängenden Thatsachen zu neuer Erweiterung

und Fortbildung zuführen.

Bedarf es freilich auch noch, bis die

Volkswirthschaftslehre die Wissenschaft des Volkes im vollen Sinne

des Wortes geworden ist,

einer langen Zeit der Anstrengung, so

sehen wir doch unverkennbar die Zeit näher kommen, wo wirthschaft-

liche Technik und wirthschaftliche Lehre, praktisches Können und theo­

retisches Wissen auf diesem Gebiete nicht mehr als von einander ge­ trennte Dinge oder gar als einander ausschließende Gegensätze son­

dern als zwei zusammen gehörende Hälften eines Ganzen betrachtet

werden. Eine erste Folge dieser wachsenden wirthschaftlichen Erkenntniß ist das klarere, freilich auch selbstbewußtere Urtheil des Volkes dem

Staate gegenüber und das überall in Wort und That sich geltend machende Bewußtsein,

daß das Volk wie der Träger so auch der

alleinige Zweck des Staates ist, daß die Volkswirthschaft, weil sie die ganze Summe der Mittel zur Erhaltung des Staates hergiebt,

auch von Seiten

verlangen darf.

der Staatswirthschaft die

erste Rücksichtsnahme

Dieses Bewußtsein hat in der Gegenwart die Auf­

merksamkeit und das Nachdenken aller Fach- und Sachbetheiligten

dem Gebiet zugewendet, wo sich die Staats- und Volkswirthschaft

am innigsten berühren, wo der Einfluß der einen auf die andere der einschneidendste und in seinen Folgen für beide Theile der empfind­

lichste ist, dem Gebiet der Steuern.

Die Steuern — ich nehme

sie hier in ihrer weitesten Ausdehnung — sind die Opfer, welche

das Volk aus seiner Wirthschaft zusammenschießt, um das mit ihm

auf- und zusammengewachsene Gebäude des Staates in seinem Be­

stände, in Kraft und Gesundheit nach allen Seiten zu erhalten. Ohne diese Opfer bricht der Staat zusammen und mit diesem Zu­ sammenbruch zerfließt das Volk in eine gesetz- und ordnungslose, sich selbst verzehrende elementare Masse.

Indem das Volk entbehrt

und von seiner Wirthschaft erspart, um dem Staate die Unterhalts­ mittel zusammen zu steuern, leistet es sich selbst den größten unent­ behrlichsten Dienst, denn es erhält damit sich

Staat die Steuern empfängt,

selbst.

Indem der

nimmt er einen schwer erworbenen

Theil der Nährmittel des Volkes an sich, und es ist deßhalb für ihn

XI die erste unumgänglichste Pflicht, die dem Polk entzogenen Nährmittel

mit sorglichster Sparsamkeit zu verwenden, bei der Verwendung als

einzigen Zweck das Wohl dessen, der diese Mittel dargeboten, im

Auge zu behalten, nichts außerhalb dieses Zweckes auszugeben und nichts über denselben hinaus zu verlange».

Diese für die Volks- wie für die Staatswirthschaft in gleicher Weise hervorragende Bedeutung hat das Steuerwesm zu einer bren­

nenden Frage der Gegenwart gemacht, sowohl, was die Höhe der zu

erhebenden Steuern betrifft, in welcher Fassung die Frage mit der Untersuchung über die Ans- wie Ausgaben des Staates zusammen-

fällt, als auch insbesondere, was die Art und Weise der Steuer­

erhebung anlangt.

Von der bisher geübten Steuererhebung wird

eine ganze, von Alters her überlieferte Hälfte in Frage gezogen und

der wissenschaftlichen wie praktischen Prüfung unterworfen, von der einen Seite, um eine vollständige Umwandlung derselben als noth­

wendig zu erweisen, von der andern, um davon zn retten und zu rechtfertigen, was sich noch irgend mit historischen und wirthschaft-

licheu Gründen als den Verhältnissen und Bedürfnissen des stcuerzahlendcn

Volkes

angemessen

darstellen

läßt.

Die

indirecten

Steuern, so genannt, weil dieselben nach der immer noch herrschenden Meinung von dem, der sie zahlt, auf einen, der ihm zahlt, abgewälzt

werden,

sind es, die gegenwärtig diesem Läuterungsprozesse auf's

Schärfste unterzogen werden, denn es gilt, sie entweder gänzlich zu

beseitigen oder für die Zukunft von Neuem als unentbehrlich zu er­ weisen.

Im engeren Sinn sind diese indirecten Steuern die vom

Verbrauch erhobenen, die der Verkäufer der Waaren zu erlegen und sich vom Käufer zurückerstattcn zu lassen hat, die also in letzter

Linie von dein letzten Käufer d. i. bcnt Verbraucher zu tragen sind.

In Deutschland finden wir diese Verbrauchssteuern zuerst in allgemeinerer und regelmäßigerer Anwendung bei den städtischen

Gemeinden zu einer Zeit, da die Naturalgeldwirthschaft vor der Metallgeldwirthschaft noch den Vorrang hatte. in die rcichsfürstlichcn Territorien über.

Von hier gingen sie

In ältester Zeit wurden

sie als ein wirklicher Theil der verkauften Waare, als eine Natural­

abgabe also, insbesondre vom Getränke erhoben, später in einen den Kaufpreis dieses Theils darstellenden Geldbetrag verwandelt, schließ­

lich aber wurde dieses Thcilverhältuiß ganz vergessen und die Ver­ brauchssteuer nach Bedürfniß und Bewilligung oder nach Willkühr

XII

in geringerem oder höherem Betrage auferlegk. Für die Einführnng

wie für die weitere Ausbildung derselben wurde zu allen Zeiten der­ selbe Grund hervorgehoben, ein Grund, der jetzt, nach Jahrhunderte

langer Erfahrung

durch

die

vorgeschrittene Wissenschaft in sein

Gegentheil verwandelt, den gewichtvollsten Beweis dagegen bildet.

So lange das Geld die seltenste und kostspieligste Waare blieb, konnte sich nicht ohne Grnnd die Ansicht geltend machen, daß für

den „armen Mann" eine als geringe Theilquote seines täglichen Be­ darfs an „essenden und trinkenden" Dingen erhobene Steuer am

leichtesten aufzubringen und zn ertragen sei, und auch bei fortschrei­ tender doch noch unvollständiger Metallgeldwirthschaft, da auch dem

reichen Manne oft die Beschaffung kleiner Geldsummen schwer genug fiel, konnte es diesem armen Manne füglicher sein, die Steuer in dem um ein Geringes erhöhten Preise der Waaren, deren Verbrauch

er wenigstens um einen kleinen Theil einzuschränken vermochte, in verschwindend kleinen Einzelbeträgen zu entrichten, als in ganzer Summe auf einmal aufzubringen, zumal da ihm meistens auch Sold

und Lohn zu einem großen Theil in Waaren ausbezahlt wurden. Diesen Grnnd finden wir vom vierzehnten Jahrhundert bis in unsre Zeit und jedesmal am entschiedensten,

wenn das Verbrauchssteuer­

system eine Erweiterung wie zu Ende des 16. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts erfuhr, als hauptsächlichsten Beweggrund zu der­ selben angeführt.

Ganz anders aber liegen die Verhältnisse in der

Gegenwart, da die Metallgeldwirthschaft nach allen Richtungen hin vollständig ausgebildet und der Verkehr mit Vorräthen an Geld ge­ sättigt ist.

Die praktische Erfahrung wie die wissenschaftliche Er­

kenntniß kommen immer mehr dahin überein, daß im Gegensatz zu

der Ansicht früherer Jahrhunderte grade die Verbrauchssteuern nicht allein für den armen Mann, d. i. die vorzugsweise sogenannte ar­

beitende Klasse, sondern für die gesammte Volkswirthschaft eine Be­ schwerde und ein Hinderniß sind, und daß es in jeder Beziehung

vortheilhafter und verständiger ist, den Betrag, der als Ergebniß der

indirecten Steuererhebung für den Staat thatsächlich zur Verwendung

kommt, in eine directe Steuer zu verwandeln und durch solche Er­ leichterung den nothwendigsten Lebensbedürfnissen zu einer gesunden und ungehinderten Preisbildung Raum und Gelegenheit zu schaffen.

Mit diesen Verbrauchssteuern wird auch ein zweiter Theil der indirecten Abgaben, der Zoll, der mit jenen das Merkmal der ver-

XIII

meintlichen Abwälzung

trägt,

der öffentlichen Frage

unterzogen,

nachdem derselbe ganz besonders in und für Deutschland eine selb­

ständige und überaus lehrreiche Geschichte durchgemacht hat.

Keine

Steuer ist wie diese aus so unscheinbaren Anfängen zu so weit­

greifender und folgenwichtiger Bedeutung cmporgewachsen, keine wie diese aus einem ursprünglichen Förderungsmittel der Volkswirthschaft zu einer so schweren und allgemeinen,

so tief in den gesammten

Weltverkehr einschneidenden Fessel umgewandelt, keine hat sich wie diese von der Politik in Dienst nehmen und zu so großartigen doch ihrem eigentlichen Wesen fern liegenden Absichten gebrauchen lassen

müssen. Der älteste Zoll im deutschen Reiche war die Entschädigung

für eine vom Staate oder dessen Vertretern dem Handel und der Frachtbewegung

dargebotene Förderung.

Als

solche

erscheint

er

gleichmäßig in seinen drei Abarten, in dem eigentlichen Handels- und Durchfuhrzoll, dem Marktzoll, dem Wege- und Brückenzoll.

Jener

wurde entrichtet für die vom Staate dem Verkehr in der Herstellung der allgemeinen Handelsstraßen, der viae regiae, gebotene Möglich­ keit der Waarenbewegung, der Marktzoll als die Entschädigung für die auf den Jahrmärkten dem Markt- und Kleinhandel eröffnete

und erhaltene Gelegenheit, der letztere für besondere durch Wege­ besserung, Brücken- und ähnliche Bauten an einzelnen Orten ge­

leistete Förderung.

In dieser ursprünglichen Gestalt und Auffassung

gehörte der Zoll keineswegs zu den jetzt indirect genannten Steuern,

da er nichts war als die jedesmalige Bezahlung für den thatsäch­ lichen Gebrauch eines vom Staate oder dessen Vertretern dargebotenen und im brauchbaren Stande zu erhaltenden Verkehrsmittels. Während die Reichsgesetzgebung durch alle Jahrhunderte den Zoll im Allge­

meinen stets in diesem Sinn auslegte und festhielt, bewahrten that­ sächlich doch nur die Markt- und Wegezölle dieses Merkmal einer

entschädigenden Gegenleistung, während der Waaren- und Durchfuhr­ zoll sich mehr und mehr dem Charakter der indirekten Steuer näherte und als solche zuletzt von dem Großhandel überall, wo er mit seinen

Frachten zu Wasser und zu Land in dem viel zerklüfteten Reiche ein neues Territorium berührte oder wo sonst nur zu einer ausgiebigen Zollerhebung Gelegenheit und Vorwand sich finden ließ, ohne Rück­ sicht ans irgendwelche gebotene Förderung erhoben wurde.

Diese

mußte, wo sie geschah, überall daneben mit besonderer Gegenleistung

XIV

entschädigt und selbst die Sicherheit des Landfriedens, des Schutzes auf der öffentlichen Heerstraße mit besonderem Zoll und Geleitsgeld bezahlt werden.

Der Zoll von der Waarenbewegung aber wurde

jetzt die indirecte Steuer, welche der Handelsmann und der ihm

dienende Schiffs -

und Wagenführer jedem von ihnen berührten

Territoritalstaat entrichten mußte und ohne dessen Entrichtung die

Durchfuhr durch das betreffende Territorium als ein Verbrechen gegen dessen Herrschaft mit Wegnahme von Fracht und Fuhrwerk

geahndet wurde. Als solche Steuer wurde dieser Zoll in den spätern

Jahrhunderten des Mittelalters, wenn auch nicht für das Reich, das seinen ausgedehnten Zollbesitz weder zu benutzen noch zu behaupten wußte, doch für die einzelnen Reichsstände .eine der hauptsächlichsten Einnahmequellen, die auch so lange einseitig ausgebeutet und ge­

steigert wurde, bis die weitere Steigerung das Gegentheil des Beab­ sichtigten, statt Mehrung Minderung der Einnahme ergab, und der

gesammte volkswirthschaftliche Körper des großen Reiches unter dem Druck von allen Seiten und an allen Orten schließlich ganz, wenig­

stens in seinem Großhandel zu ersterben drohete.

Auf diese Er­

fahrung, die sich langsam aber unabweisbar geltend machte und von

selbst ein endliches Stillestehen auf diesem nicht mehr ergiebigen Wege gebot, folgte seit dem Ende des. 16. Jahrhunderts eine weitere Entwicklung der Verbrauchssteuern, zunächst durch, eine allgemeinere

Einführung von Accisen und Licenten,

die häufig freilich nichts

andres waren, als alte Zölle unter neuen Namen, bei gesteigerter. Uebung aber zu einer Trennung zwischen dem Zoll und den Ver­ brauchssteuern führten.

Diese Entwicklungsstufe sehen wir zu An­

fang des 18. Jahrhunderts insbesondere durch die in den Kurfürsten­

thümern Brandenburg und eingeführten

General -

und

Sachsen

nach

französischem Vorbild

Landacciseordnungen

gekennzeichnet.

Während seitdem das Verbrauchssteuersystem bis auf unsre Zeit seinen eigenen Entwicklungsgang einhielt, gewann der Zoll, der als

Einnahmequelle seine hervorragende Rolle ausgespielt hatte, eine neue Bedeutung als ein Mittel der Handelspolitik, obwohl ihm auck

hier noch eine Zeit lang die Verbrauchssteuer zur Seite stand und

sich bei dem gänzlichen Mangel einer Grenzzolllinie und der damit verbundenen Grenzbewachung als ergänzendes Mittel zu dem, dem Zollwesen anfgedrungencn Zweck der Fernhaltnng ansländischer Mit­ werbung äußerst dienlich erwies.

XV Bevor man im deutschen Reich auf den Gedanken kam, durch Erhöhung der Zölle die ausländischen Gewerbserzeugnisse vom in­ ländischen Gebrauch auszuschließen, suchte man schon durch Aus-

und Einfuhrverbote denselben Zweck zu erreichen.

Ausfuhrver­

bote übte man, nachdem sie zuerst nur Geld und Edelmetall zum Gegenstand gehabt hatten, seit dem Ende des 15. Jahrhnnderts

überhaupt als eine Maßregel, um den Unterthanen die unentbehr­

lichen Gewerbs- und Lebensmittel im eignen Lande zurück zu halten.

Das Geld d. i. das Metallgeld, in der ersten Hälfte der mittelalter­ lichen Zeit von der Kirche wie in der Gesetzgebung als ein jeder

Kapitalkrast d. i. jeder Fähigkeit zur Production entblößtes Tausch­

mittel betrachtet, bewies sich bald in der Verkehrsweli selbst, zumal da dieser Verkehr im 13. bis 16. Jahrhundert einen außerordent­

lichen und nachhaltigen Aufschwung nahm, als ganz besonders pro­ ductiv und behauptete einen nm so rascher steigenden Werth, als

der vorhandene Vorrath mit der Erweiterung des Verkehrs und der

Ausbildung der Metallgeldwirthschaft keineswegs gleichen Schritt zu halten vermochte.

Demzufolge verwandelte die Verkehrswelt bis zum

15. Jahrhundert die dogmatische Ansicht von der Unfruchtbarkeit

des Geldes in das grade Gegentheil, in den Satz: das Geld ist allein Kapital.

Die Landesregierungen wandten nun in ihrer Han­

delspolitik hierauf ihre vornehmste Rücksicht.

Die Unentbehrlichkeit

dieses Metallgeldes, sein ungenügender Vorrath, der überall schnellen

Abfluß doch nur langsamen Zufluß veranlaßte, führten zunächst in den Bergwerke besitzenden Staaten des Reiches zu dem Verbot der Ausfuhr von Edelmetall in jeder Form, womit sich auf Seiten der Landesherren noch die Absicht verband, das Edelmetall im eignen

Lande möglich billig zu kaufen, um es in der Ausmünzung dann möglich hoch zu verwerthen. Diesem Ausfuhrverbot folgte als älteste

Grundlage der TheuerungsPolitik das Verbot der Ausfuhr von Ge­ treide und Lebensmitteln, das mit dem Anfang des 16. Jahrhundert

in den größeren Reichsländern schon häufiger eintrat, sobald schlechte Ernteergebnisse eine Theuerung in Aussicht stellten.

Entschiedener

auf die Förderung heimischer Gewerbe, ohne regalistische wenn auch nicht ohne fiscalische Absichten, berechnet waren die Verbote

der

Ausfuhr von Wolle und Wollengarn, die im Lauf des 16. Jahr­

hunderts begannen und in Verbindinrg mit den Verboten der Aus­

fuhr von Hanf, Flachs und Leinengarn bis in das 19. Jahrhundert

XVI

als Schutzmittel der früher wichtigsten und ergiebigsten Landgewerben

der Wollen- und Leinenweberei zu den hauptsächlichsten Ausgangs­ punkten des Mercantil- oder Sperrzollsystems gehörten.

Die ersten Einfuhrverbote dienten

dem Regalismus der

Landesherren und waren bestimmt, der landesherrlichen Regalwirth­ schaft gegen fremde Mitwerbung den Vorzug zu sichern.

Zuerst

wurde auf diese Weise das Bergregal geschützt, im 16. Jahrhundert

z. B. in den österreichischen und den kurfürstlich sächsischen Ländern.

Je weiter sich der Regalisnius ausdehnte, je mehr die Landesherren

die Erzeugnisse der Regal- und Kammerwirthschaft auf dem Wege der gewerblichen Verarbeitung höher zu verwerthen suchten, um so

mehr erweiterten und schärften sich diese Verbote.

Doch erwiesen sie

sich bald als unausführbar und darum in den meisten Fällen erfolg­

los, theils weil die mangelhafte Grenz- und Straßenbewachung,

sowie die gewöhnlich im Besitz der Gemeinden befindliche Thorhut überall die Controle erschwerten, theils weil die Regalwirthschaft sich

meistens als ungenügend erwies, um die Bedürfnisse des eignen

Landes zu decken.

Diese Umstände leiteten auf eine Anwendung der

Zollerhöhungen zu demselben Zweck, da solche neben dem für die eigenen Landes- und Regalerzeugnisse gesicherten Vorzug noch die

Vortheile boten, daß nun die Ueberwachung der Einfuhr an die

bestehenden und verhältnißmäßig gut organisirten Zollämter geknüpft, den Klagen über die Unzulänglichkeit der inländischen Production begegnet und zugleich jede durchaus nicht zu entbehrende fremde

Einfuhr zu einer Einnahmequelle gemacht werden konnte.

Diese

vorwiegend regalistischen Zielpunkte verläugnen auch am allerwenig­

sten die Sperrzollsysteme des 18. Jahrhunderts.

Am schroffsten

drängten sie hervor im Königreich Preußen im System Friedrichs II und erst in den Schutzzollsystemen des 19. Jahrhunderts treten sie in den Hintergrund.

Nachdem einmal der Anfang eines unter den Verhältnissen des 16. und 17. Jahrhunderts sich nach verschiedenen Seiten hin als

leicht ausführbar und erfolgreich empfehlenden Sperrzolles gemacht

war, ergab sich der Anstoß zu der Fortbildung desselben, zu der

Erstreckung dieses Schutzmittels von der Itegalwirthschaft auf die größeren Landgewerbe der Wollen- und Leinenweberei, die ja auch zu den hauptsächlichsten Steuerquellen gehörten, von selbst.

Auch

diese erhielten nun einen doppelten Schutz, einmal durch das beide-

XVII

haltene Verbot der Ausfuhr des ihnen dienlichen Rohmaterials und dann durch diese auf die gleichartigen fremden Erzeugnisse gelegten

Eingangsabgabcn.

Bald gab es in den größeren Reichsländern —

die kleineren blieben überhaupt bei den mittelalterlichen Zolleinrich­ tungen — keinen Gewerbszweig, ja keine einzelne hervorstechende ge­ werbliche Unternehmung mehr, die nicht den vermeintlichen Schutz

durch den Sperrzoll in Anspruch nahm und die denselben um so leichter erhielt, je mehr sie auf unmittelbare Anregung der Regierung

oder durch die Geldmittel derselben und monopolistische Privilegien unterstützt oder ganz gehalten wurde.

So unangemessen uns ein solches volkswirthschaftlich-politisches System, das

die gesammte Gewerblichkeit des Landes im Ganzen

wie int Einzelnen unter die besondere Aufsicht und gleichsam unter die Kassen- und Buchführung des Staates stellte, im Verhältniß zu

den Verkehrs- und Gewerbsverhältnissen der Gegenwart auch er­ scheinen mag, so werden wir doch auch bei diesem System, sobald wir gewissenhaft die politischen, gewerblichen und Handelsverhältnissc

des damaligen Reiches in iitechnung setzen, seine ebenso folgerichtige

wie nothwendige, aus den vorausgegangenen und gleichzeitigen Ver­

hältnissen emporgetriebene Entwicklung und seine trotz aller unläugbaren Nachtheile dennoch für die folgende Zeit

folgenreiche Wirksamkeit anerkennen müssen.

ersprießliche und

Die aus der unglück­

seligen Zeit des dreißigjährigen Krieges übrig gebliebenen Reste der

früher blühenden Volks- und Landgewerbe mußten gerettet, die außer­

halb der Reichsgrenzen geschehenen Fortschritte der Gewerbe auch in

den Reichsländern wieder heimisch gemacht, der deutsche Ausfuhr­ handel, der bis auf. geringe Ueberbleibsel auf die gleichfalls durch Sperrzollsysteme eng geschlossenen Nachbarstaaten übergegangen war,

wieder auf sichere Grundlagen gestellt werden, und das hätte sich bei

der

gebrochenen Kapitalkraft

des

gesammten

wirthschaftlichen

Reichskörpers schwerlich ohne die den Regierungen zu Gebote stehen­

den Förderungsmittel erreichen lassen.

Ein allgemeines Sperrzoll­

system des Reiches gegen die niederdrückende Mitwerbung der Nach­ barvölker, die Vereinigung aller Reichsländer zu einem einzigen, nur nach außen geschlossenen Markte hätte freilich die deutsche Volks­ wirthschaft um ein Jahrhundert früher zu neuer allgemeiner Blüthe

emporgehoben, eine solche großartige gemeinsame That aber war bei der politischen Sachlage im Reich unmöglich, wie im 16. Jahrhun-

XVIII

dert, als die Hanse solche That gegen das feindliche England ver­ langte, so auch im 18. Jahrhundert, als die lebensfähigeren Reichs­

länder sich durch den Sperrzoll gegen einander wie sich gegenseitig belagernde Festungen abschlossen und Preußen und Sachsen den handelspolitischen Krieg gegeneinander führten, und blieb auch noch

unmöglich im 19. Jahrhundert, als das Bedürfniß nach einem ge­

meinsamen Zollsystem sich aller Orten dringend kund gab, Preußen aber dem grade entgegen ein neues Schutzzollsystem für sich allein

feststellte und hartnäckig jede Aenderung zu Gunsten anderer Bundes­

glieder verweigerte. Und grade diese viel angegriffene und bekämpfte Zollreform traf den Nagel auf den Kopf.

Was im Reich und noch

weniger im deutschen Bunde von dem zu einem wesenlosen Schatten

herabgesunkenen Haupte aus niemals möglich geworden war, das

wurde nun endlich von dem festen Standpunkte aus, den Preußen inne hielt, auf dem Wege der Vereinbarung zum Heile der gesamm-

trn deutschen Volkswirthschaft glücklich erreicht. Nachdem das Sperrzollsystem im deutschen Reiche feste Wurzel getrieben hatte, war auch die Nothwendigkeit einer steigernden Er­

weiterung desselben

für

alle,

einer

selbständigen

Handelspolitik

fähigen Staaten eine unausweichliche Folge, ein Zurückbleiben oder

Umkehren auf diesem Wege ohne die größte Beeinträchtigung der Unterthanen nicht mehr möglich.

Dennoch finden wir sogleich mit

der Ausbildung dieses Systems im 18. Jahrhundert bei der gewerbtreibenden Bevölkerung auch einen entschiedenen Widerspruch gegen

jede zu straffe Anspannung desselben.

In Oesterreich wie in Preußen

widerstrebte der Verkehr zu einem großen Theil dem Schutze, der auf Kosten und mit schwerer Gefährdung der Mehrzahl der Gewerb-

treibenden wie aller Verbrauchenden die Gewerbszweige, welche einen

glänzenden Großbetrieb und hervorstechende Einzelunternehmungen

zuließen, begünstigte und grade durch die hier angewendeten För­ derungsmittel unscheinbarere, doch ganze Districte ernährende Landgewerbe rücksichtslos zu Grunde richtete. wirthschaftlichen Kreisen,

Hier wie in den volks-

die sich vorzugsweise

dem Großhandel

gewidmet hatten, lebte die Erinnerung an das im Reich alther­

gebrachte und gebotene liberum commercium, an einen von Regie­

rungsmaßregeln unbehinderten freien Verkehr fqrt, eine Erinnerung, die bei jeder Gelegenheit im Widerspruch gegen das überspannte

herrschende System, auch nach Milderung des Sperrzolles in einen

XIX

Schutzzoll, wieder vorschlug und in unserer Zeit mit den Ergeb­

nissen einer geläuterten und vorgeschrittenen Wissenschaft zusammcntrifft, um das herrschende System in seinen Grundlagen zu erschüttern

und die Hoffnung zu festigen, daß der durch die Politik weit über

seine eigentliche Bedeutung hinaufgetriebene Zoll wieder in seine

alten Schranken znrückgedrängt und nie mehr als das trügerische Mittel einer künstlichen Werthsteigerung gebraucht werde.

Aber auch bei den Regierungen, welche eine solche Handels­ politik in Ausübung gebracht hatten, regte sich früh das Mißtrauen

gegen die Unfehlbarkeit des Systems und der Gedanke, daß ein ge­ mäßigter Schutzzoll den Interessen der Staats- wie der Volkswirth­ schaft vortheilhafter sei als ein hochgespannter Sperrzoll. Insbesondre

war es die Regierung des Kürfürstenthums Sachsen, die vermöge der Lage

dieses Landes und seiner vorzugsweise gewerbtreibenden

Bevölkerung stets mehr der Befreiung als der Behinderung des Handels zuneigte und in deren Kreisen auch während des 18. Jahr­

hunderts die Neigung, den Sperrzoll so viel nur immer möglich in

einen Schutzzoll zu verwandeln, nie erlosch. Dasselbe Streben offen­

barte sich im Königreich Preußen nach Friedrichs II Tode, wenn auch

freilich noch nicht in durchschlagender Weise, bis es denn endlich hier, nachdem die Kriegspolitik Napoleons I dieses Sperrzollsystem

als Waffe gegen England in der ausschweifendsten Ausdehnung als ein europäisches Cvntinentalsystem gemißbraucht hatte, zu dem ge­ mäßigten neuen Schutzzollsystem führte, das als solches die Fähig­ keit besaß,

ein gemeinsames Schutzzollsystem des deutschen Bundes

zu bilden, und zuversichtlich auch den Beruf haben wird, in weiterer

Fortbildung der Ausgangspunkt zu einer gänzlichen Befreiung des

Weltverkehrs von den letzten Resten dieses Systems zu werden. Aus diesem kurzgefaßten Ueberblick über die im vorliegenden

Buche dargestellte Geschichte des deutschen Zollwesens erhellt neben der Volks- und staatswirthschaftlichen auch die hervorragende historisch­

politische Bedeutung desselben.

In jedem Zeitalter spiegelt es die

Gesammtlage der politischen Verhältnisse im Reich wieder und findet für alle Momente seiner Entwicklung die Erklärung und die Be­

dingungen zunächst hier.

Dieser wechselvolle Zusammenhang, der

für die Gegenwart um so lehrreicher wird, als er ein erläuterndes Beispiel zu den Mängeln und den Fehlern der deutschen Reichsver-

fassnng und Reichsregierung an die Hand giebt, bildete einen beson-

XX deren Anstoß zu der Abfassung dieses Buches, und wenn es auch unmöglich war, überall

in breiterem Umfang die Reichsgeschichte

anzuziehn, so glaubt doch der Verfasser, daß es ihm nicht mißlungen sei,

diesen Zusammenhang, wo es nöthig war, in anschaulicher

und überzeugender Weise hervorgehoben zu haben.

Einen solchen und

mit ihm die wohl oder übel begründete hohe politische Bedeutung des Zollwesens anzuerkennen, haben wir ja auch in der Gegenwart

die gewichtigste Veranlassung, da dieses Zollwesen eben in Folge solcher Entwicklung das einzig sichere und doch immer nur durch Verträge auf Zeit gesicherte Band geblieben ist, das die der Vereinzelung

verfallenen süddeutschen Staaten mit dem fester gefugten norddeutschen

Bunde vereinigt. Was schließlich die diesem Buche zu Grunde gelegten Quellen

betrifft,

so habe ich dieselben überall unter dem Text gewissenhaft

angegeben.

Für die älteste Periode boten sich als Unterlagen von

selbst die — Dank der Thätigkeit unserer Geschichtswissenschaft — in großer Anzahl herausgegebenen Urkundenbücher.

Mit dem 16.

Jahrhundert aber versiegte mir diese Quelle, ohne daß mir die vielen treMchen, die späteren Jahrhunderte des deutschen Reiches behan­ delnden Geschichtswerke einen Ersatz gegeben hätten.

Dagegen öffnete

sich mir in dem überaus reichen Actenschatz des hiesigen Hauptstaats­

archivs ein bis dahin unbenutztes ausgiebiges Material,

das ich

Dank der Liberalität des k. sächsischen Gesammtministeriums und in Folge meiner Stellung als Archivar an diesem Archive in umfäng­

lichster und sorglichster Weise benutzen konnte.

Ich weiß wohl, daß

damit noch nicht alles gegeben und der von mir in Angriff ge­

nommene vielseitige Stoff mit dieser Darstellung in der ganzen Breite

seiner Entwicklung keineswegs erschöpft ist, und ich hoffe deßhalb,

und werde es als eine gute Folge meiner Bemühung dankbarst an­ erkennen,

wenn nun Andere aus andern Landesarchiven die Er­

gänzungen der für mich unausfüllbaren Lücken dieser Zollgeschichte herbeischaffen möchten. Dresden, im September 1869.

Erster Zeitraum. Das Zollwesen im Frankenreiche. Sogleich beim Beginn des durch die Merowinger begründeten

Frankenreiches erscheint der König, das Oberhaupt des gesammten Staats, auch als der alleinige und oberste Herr des Zollwesens.

Er richtet Zollstätten ein und hebt sie auf, .verleiht Zollerhebungen und Befreiungen, giebt Zollordnungen und Gesetze oder hat wenig­

stens, sie zu geben, allein das Recht.

In der thatsächlichen Aus­

übung seiner Machtvollkommenheit auf diesem Gebiete erfährt er nie und von keiner Seite Widerspruch noch erkennt er neben sich eine

Macht, welche, ohne von ihm Auftrag zu haben, einen gesetzlich be­

gründeten Einfluß auf diesen Theil der Staatswirthschaft ausüben durfte.

Das Zoll recht also, d. i. das Recht, Zölle zu erheben

und zu verleihen, Befreiungen davon zu ertheilen und Aenderungen derselben anzuordnen, erscheint von Anfang an im Frankenreich als ein Regale, ein der königlichen Würde ganz und allein verbundenes

und unbestrittenes Hoheitsrecht. Chlvdowich I1) ertheilte im I. 499 dem Kloster St. Peter im

sennonischen Gau mit dessen Rechten und Besitzungen die Befreiung

von Zöllen jeder Art und setzte im I. 510 von einer in gleichem Umfang den Mönchen Euspicius und Maximinus ertheilten Befreiung alle Bischöfe, Aebte, Zöllner und andre Diener in Kenntniß. Chil-

perich I verlieh im I. 562 den Zoll von Dornek der Kirche dieses

Ortes und ihrem Bischof Chrasmar, zu erheben auf der Schelde von allen Schiffen rind Waaren innerhalb der Stadt und zunächst der

Manern, ganz wie der königliche Fiscus denselben zu erheben befugt sei.

Chlotachar II setzte im 9. Artikel des Edicts vom 18. October

614 fest, daß die Zölle nur, wie und wo sie zur Zeit seiner Vor-

’) Pardessus, Diplomata ad res Gallo-Francicas I, S. 36. 56. Hatte, Zollwesen. 1

2 fahren Guntram, Chilperich und Sigebert erhoben wurden, auch jetzt und ferner erhoben werden sollten.

Dagobert I verlieh im I. 627

der Kirche zu Worms mit dem Markt den gesammten Zoll daselbst.

Ebenso zeigen die Urkunden desselben Königs vom I. 629, Theo-

dorichs III vom I. 681, Chlodowichs III vom I. 692, Childerichs III

vom I. 710 und Chilperichs III vom I. 716, welche der Kirche von St. Denys mit dem Marktrechte zugleich die Zollfreiheit im Pariser

Gau für alle bestätigten, welche diesen Markt besuchen, deßgleichen die Zollbefreiung Dagoberts I vom I. 632 für die Kirche St. Peter

in Trier, die Bestätigungen der Zollfreiheiten der Klöster Stablo

und Malmedy vom I. 651 durch Sigebert II, des Klosters Corvei

durch Chlotachar III um das I. 660 die Hoheit des Königs als die Quelle der Verleihungen und Befreiungen auf diesem Gebiete').

Mag auch ein Theil dieser Urkunden von einer späteren Zeit ge­ fälscht sein, so beweist doch auch diese Fälschung nur, daß der Grund­

satz feststand, und im Zollwesen nur das gesetzlichen Boden hatte, dessen Ursprung auf den Willen des Königs zurückgeleitet werden

konnte. Dieselbe Machtvollkommenheit des Königs im Zollwesen ging

auf die Karolinger über, sobald diese Thron und Krone an sich genommen hatten.

König Pippin bestätigte im I. 753 dem Kloster

St. Denys seine Zollfreiheiten und entschied im I. 759 einen Streit zwischen diesem Kloster und dem Grafen Gerhard wegen des Schiffszvlles aus der Seine zu Gunsten des Ersteren.

In dem Kapitular

vom I. 755 und in einem späteren, wahrscheinlich vorn I. 765, setzte

er fest, wo und von wem Zoll erhoben werden sollte.

Auch Karl­

mann bestätigte im I. 769 dem Kloster St. Denys die Zollfreiheit und verlieh dieselbe dem Kloster Novalese nnd dessen Angehörigen^).

— Im vollsten und nnbeschränktesten Maße übte Karl der Große während seiner langjährigen, nach allen Richtungen thätigen Regie­

rung int Zollwesen die befreiende, verleihende und gesetzgebende Macht.

Im I. 775 bestätigte er dem Kloster St. Denys die Zollfreiheit in seinen Reichen Franzien und Italien und verlieh eben dieselbe dem Kloster Flavigny sowie den Unterthanen der Straßburger Kirche.

•) Ebenda, 123. 229. — Monumenta Germ. Hist. (Leges) II, 5. 18. 94. 115. 187. 227. 285. 304. — III, 15. — -) Bouquet, Dipl. V, 699. 703. 713. — Mon. Germ. III, S. 27, Art. 22. — S. 31, Alt. 4.

In den Jahren 779— 808 bestätigte und verlieh er die Zollfreiheit

den Klöstern St. Germain, Cormeri, St. Mariä in Organo, dem

Bischof Julian von Piacenza *).

Doch findet sich keine Urkunde von

ihm, welche die Erhebung eines Zolles neu verliehen hätte, obwohl angeblich von ihm herrührende Bestätigungen später angeführt werden.

In den Kapitularien nimmt Karl von allen fränkischen Königen am Ernstlichsten und Einsichtsvollsten auf des Reiches Zollwesen Bedacht, wenn auch seine zahlreichen Erlasse im Wesentlichen nur bestimmt waren, den hergebrachten Zustand, die gewohnte Weise der Erhebung

und die bestehende Zahl der Zölle aufrecht zu erhalten.

Das Kapi-

tular vom I. 779, das von Mantua vom I. 781, die Kapitularien aus den Jahren 803, 805 und 809 beanspruchen entschieden die un­

bedingte und alleinige Oberhoheit des Königs im Zvllwesen.

Sie

verbieten jedem, widerrechtlich Zoll in irgend welcher Art zu nehmen, und verordnen bei Strafe des königlichen Bannes die Aufhebung

aller dort näher bezeichneten Zölle, welche den Reisenden und Kauf­ leuten

gewaltsam abgedrungen werben2). — Auch

Ludwigs

des

Frommen Urkunden und Kapitularien beweisen, wie eng und unbe­ schränkt das Zollwesen wenigstens der Auffassung nach mit dem

Königthum als seiner allein rechtmäßigen Quelle verbunden war. Klöster und Bisthümer erhielten von ihm mehr oder weniger be­ schränkte Zollfreiheiten, der Bischof von Vienne, die Klöster von

Ariane im Gau von Maguelone, Hornbach bei Zweibrücken, Stablo und Malmedy, Murbach, Angers, Fleury u. a.

Gemeinschaftlich

mit seinem Sohn Lothar bestätigte er im I. 827 dem Bischof Fulcovicus von Worms die diesem Stifte angeblich von Dagobert, Sigebert und Chilperich übertragene, von Pippin und Karl bestätigte

königliche Zolleinnahme von allen in Worms, Ladenburg und Wimpfen

ankommenden und durchgehenden

Handelswaaren3). — Denselben

Charakter der aufrecht erhaltenen Oberhoheit tragen die Kapitularien

Ludwigs.

Im Kapitular vom I. 817 verbot er, anderswo Zoll zu

erheben, als wo derselbe von

altersher, seit den Zeiten Pippins,

gesetzlich erhoben sei, und bestimmte für den, der widerrechtlich eine

!) Bouquet, V, 730. 732. 742. 764. — Böhmer, Reg. Carol. S. 10. 23. 25. — -) Mon. Germ. III, 38. 41. 116. 118. 121. 134. 136. — 3) Baluz VI, S. 453. 455. — Acta Palatina VI, 346 — Bouquet VI, S. 372. 464. 479. 488. 496. 508. — Schöpflin, Alsatia diplom. I, S. 64. — Schannat, hist. Episcop. Wormat. II, S. 5.

— 4 Zollabgabe erzwang, die Strafe der Zurückerstattung nnd der Be­ zahlung des Bannes d. i. von 60 sol.

Das Kapitular vom 1.820

enthält umfangreiche Bestimmungen gegen alle widerrechtlichen und

gewaltsamen Zollerhebungen und wiederholt nach Aufzählung aller geschehenen oder denkbaren Ungesetzlichkeiten die Strafe von 60 sol. für jede.

Noch entschiedener lautet das von Ludwig und Lothar er­

lassene Kapitular vom I. 825, indem es den königlichen Sendboten

befiehlt, zu untersuchen, wer die königlichen Zollgesetze gehalten oder gegen deren ausdrückliche Bestimmungen ungesetzliche Zölle zu erheben

gewagt habe, damit die Schuldigen die gebührende Strafe, andern

Nachlässigen zum abschreckenden Beispiel, treffen könne; nur wovon altersher ein gesetzlicher Zoll bestanden habe, solle derselbe lauch in Zukunft erhoben werden'). Diese Bestimmungen zeigen freilich schon

durch ihre häufige Wiederholung, wie vielfach und tief gewurzelt der

Mißbrauch war, beweisen aber auch, daß Ludwig so wenig wie sein Vater auf eine alleinige und unbeschränkte Hoheit im Zollwesen Ver­

zicht geleistet hatte. Durch Ludwigs des Frommen Schwäche,

durch seiner Söhne

und Nachkommen Eifersucht und Zwietracht folgten nun die Zeiten, da das Frankenreich, durch die Gewalt der ersten Merowinger begrün­

det, durch die Kraft Pippins und den Herrschergeist Karls aus den romanischen und germanischen Ländern und Volksstämmen Galliens,

Italiens und Germaniens zusammengeschmiedet, sich allmählig wieder in seine Bestandtheile zersetzte.

Der in jedem dieser Theile sich sest-

wurzelnde Zustand der Gesetzlosigkeit und Zerrüttung machte es der gesunkenen, sich selbst zerstörenden königlichen Macht unmöglich, die

überkommene Oberhoheit in allen Gebieten des Staatsrechts aufrecht

zu erhalten und jeden offnen Widerstand, jeden heimlichen Mißbrauch und Raub am königlichen Gute niederzuschlagen.

Auch das Zoll­

wesen dieser Zeit giebt für den Verfall der königlichen Machtvoll­

kommenheit

einen schlagenden Beweis.

Zwar zeigten die späteren

Nachfolger Karls des Großen noch in einzelnen Kapitularien, daß sie die ererbte Oberhoheit nicht ganz vergessen hatten,

doch lehren

diese Erlasse, selten und abgeschwächt wie sie sind, in der Hauptsache

nur, welche tief einschneidende allgemeine Zersetzung auf der einen Seite schon begonnen, und ein wie geringer, im Kern gebrochener

') Mon. Germ III, S. 213, Art. 17. — L. 228.



;>



Widerstand denselben von der anderen Seite noch

entgegengesetzt

wurde. Von diesem zeugen zwei Kapitularien Karls II vom I. 847

und 854'), welche die ungerechten Zollerhebungen als offene und

gewaltthätige Räubereien, die unter dem Scheine des Rechtes aus­ geübt wurden, verboten, von jener geben die Urkunden der Nachfolger und die Erlasse, welche aus der Zeit Ludwigs des Kindes, des letzten

Herrschers aus dem deutschen Zweige der Karolinger, erhalten sind, den Beweis.

Ucberall schon wußten die Land besitzenden Großen,

die Markgrafen und Grafen, die Bischöfe und Aebte ihren Einfluß auf unabweisbare Art geltend zu machen, und nicht mehr zufrieden

mit Befreiungen von Steuern und Leistungen jeder Art, entrissen sie

jetzt der Schwäche des Reichsoberhauptes immer beträchtlichere Theile der königlichen Einkünfte.

So

erhielt der Erzbischof Ratbot von

Trier im I. 902 mit der Münze auch den dortigen Zoll, und im

I. 907 das Münster zu Straßburg mit andern königlichen Gütern und Einkünften zwei Zölle im Salzbnrggau^). — Im I. 906 wurde zu Raffelstätten in Gegenwart desselben Ludwigs eine große Zu­

sammenkunft bayerischer Bischöfe und Aebte und der königlichen

Grafen des Osterlandes gehalten, um das Zollwesen von Neuem zu ordnen und festzustellen, denn laut und allgemein war die Klage,

daß in diesem Donaugebiete die Land- und Flußstraßen durch un­ gerechte und unbillige Zölle ganz versperrt feien3).

Aus den Satz­

ungen dieser Versammlung sei nur hier hervorgehoben, daß selbst zu einer Zeit, da der Mißbräuche und Gewaltsamkeiten im Zollwesen unzählige waren und die Zügel der Regierung in den Händen eines

Knaben rnheten, dennoch die Mächtigsten im Reiche den Grundsatz aussprachen, daß des Königs Oberhoheit die Quelle des Zollrechtes sei und kein Zollwcsen im Reiche Bestand haben dürfe, das nicht

unmittelbar dort seinen Ursprung habe und durch das Ansehn des

Königs geheiligt sei. In einzelnen Fällen aber entäußerte sich der König dieses Ober­

zollrechtes zu Gunsten Anderer, insbesondre der Stifter und Klöster, denn nur von Verleihungen au diese haben wir aus der ältesten Zeit Beispiele. Im I. 562 verlieh Chilperich I der Kirche von Dornek den Zoll innerhalb der Mauern dieser Stadt und der nächsten Um*) Mon. Germ. III, S. 429 folg. — 2) Hontheim, hist. Ire vir. I, S. 253. — Böhmer a. a. O. S. 117. — 3) Urkundenbuch des Landes ob der Enns II7 S. 54. Vcrgl. Waitz, deutsche Versassungögeschichte III, 59.

6 gedungen vom Fluß- und Marktverkehr, wie des Königs Fiscus den­

selben beanspruchen konnte,

und zugleich die den Zoll betreffende

Gerichtsbarkeit, wie der König dieselbe inne hatte; weder dieser und seine Nachfolger noch deren Beamte und Richter sollten jemals an

denselben Orten einen Zoll erheben.

In ähnlicher Weise bekräftigten

Ludwig und Lothar im I. 829 hem Stifte Worms die königlichen

Zolleinnahmen in dieser Stadt und verliehen demselben außerdem die

Zollstätten zu Ladenburg und Wimpfen.

Lothar II schenkte dem

Stifte einen Mansus mit dem Zolle daselbst, Pippin eine Villa mit

allen öffentlichen Zöllen innerhalb derselben'). — Hier wird also ein Einzelzollrecht vom König verliehen entweder innerhalb eines

schon früher überkommenen Grundbesitzes oder zugleich mit diesem

als ein in demselben schon bestehendes Recht; in beiden Fällen wurde

oder war es mit dem Grundbesitz eng verbunden.

Deßhalb erschien

auch das Einzelzollrecht bald als ein nothwendiges und unzertrenn­ liches Recht der sich ausbildenden Landesherrlichkeit, während das allgemeine Zvllrecht als ein Theil der königlichen Oberhoheit ange­ sehen blieb.

Jenes aus dem Begriff der Landesherrlichkeit ableiten

zu wollen^), ist ein Irrthum, denn seine gesetzliche Quelle war allein

die königliche Oberhoheit; vielmehr gehörte die Erwerbung desselben zu den Mitteln, welche nach und nach den Begriff und die Macht

der Landesherrlichkeit bildeten.

Mit den Nachrichten, welche das Zollwesen in seinem Ursprünge als königliches Regal darstellen, finden wir zugleich die Beweise, daß auch die Abweichungen von der allgemeinen Regel schon feststanden

und ein begränztes örtliches Zollrecht mit dem Orte, an dem es hastete, an den Besitzer desselben übergegangen war. Zu keiner Zeit war im Frankenreich der königliche Fiscus ganz und allein im Be­ sitze aller gesetzlichen Zollstätten und deren Einnahmen, vielmehr mußte schon das merowingische Königshaus bei seiner Erhebung die that­

sächlich vorhandenen Entziehungen königlicher Zolleinnahmen gut­

heißen und urkundlich bekräftigen.

So gab es zu jener Zeit schon

zwei Arten gesetzlicher Zollerhebungen und Zollstätten, die königlichen oder Reichszölle und die landesherrlichen, als welche aus den Ur­

kunden hauptsächlich die der Stifter und Klöster hervortreten. Dem*) Bouquet Dipl. VIII, S. 408; 706. Vergl. Waitz a. a. O. III, 65 folg. — *) Hüllmann, deutsche Finanzgeschichte des Mittelalters, S. 236 folg. Desselben Ursprung der Regalien. Dagegen Waitz a. a. O. II, 548.

7 nach wurde der Gegensatz zwischen Reichs- und landesherrlichem Zollwesen, der späterhin für die deutsche Volkswirthschaft wie für

die Entwicklung der kaiserlichen Oberhoheit gleich drückend nnd ver­ derblich wurde, aus früheren Zeiten in das Frankenreich herübergenommeu und gesetzlich hier festgestellt.

Daß nur von geistlichen

Landesherren Zollurkunden aus dieser älteren Zeit erhalten sind, beweist keineswegs, daß weltliche Große damals noch nicht das Zoll­ recht als ein Befuguiß ihrer Macht und Stellung an sich genommen

hatten, denn in den nächsten Zeiten nach dem Verlöschen der Karo­

linger erscheinen sie ebenso häufig im Besitz von Zollerhebungen und verfügen mit noch größerer Freiheit und Willkühr darüber. Gewiß

erwarben sie solchen Besitz auch im allmähligen Fortschreiten und jene Verbote und Strafandrohungen der Kapitularien gelten ebenso

sehr den Anmaßungen der Weltlichen wie einem gewaltsamen Um­

sichgreifen der Stifter und Klöster.

Diese aber, als geschlossene,

nach bestimmten Grundsätzen verwaltete und meist an bedeutendere Städte gebundene Körperschaften,

vermochten mit ihrem urkundlich

befestigten Landbesitz den Sturm der Eroberungen und Wanderungen kräftiger zu überdauern, mtb sobald das Frankenreich Bestand erhielt,

als fest und gesetzlich organisirte Glieder desselben und zugleich als der ersten Könige kräftigste Stützen hervorzutreten. Als solche konnten sie während des Umsturzes und der Umwandlung jede Gelegenheit benutzen, das Errungene zu befestigen und neue Befugnisse zu er­

ringen.

Ihre Häupter, gewöhnlich gebildete nnd vornehme, oft mit

großem Vermögen ausgestattete Römer, gebrauchten ihre Rechtskennt­ nisse in jeder Weise zur Hebung ihrer Stellung und zur Sicherung

des Stiftsvermögens, während die weltlichen Großen, meist germa­ nischer Abkunft, allen Wechselfällen einer stürmischen Zeit unter­ worfen und ohne Kenntniß der römischen Rechts- und Verwaltungs­ formen, erst später daran dachten, urkundliche Beweise für ihren mit und ohne Recht erworbenen Besitz zu suchen und zu sammeln.

Die angezogenen Urkunden zeigen auch, wer und welche Gegeil-

stände den Zoll entrichteten.

Die Urkunde Chilperichs vom I, 562

gestattete der Kirche zu Dornek den Zoll von den Schiffen auf der Schelde, von Wagculast und Saumlast auf der Brücke, von allen Kaufmannswaaren, welche in und bei Dornek verkauft

würden.

Die Urkunde Dagoberts I für St. Denys vom I. 629

erließ allen dorthin des Handels wegen kommenden Kauf-



8

-

leuten bis zum dritten Jahre den Zoll, dann aber sollten sie solchen

von jedem Karren Honig, von allen Schiffen und von jedem Fracht­ wagen entrichten und nur das Kloster St. Denys selbst und seine eigene Handelsleute davon ausgenommen sein.

Die Urkunde vom I.

681 befreite dasselbe Kloster vom Frachtzoll zu Lande und zu

Wasser in Neustrien, Austrien und Burgundien.

Diese Bestim­

mungen ergänzte das Kapitular vom I. 765 in Art. 4:

niemand

soll Zoll geben von Lebensmitteln und Frachtwaaren,

die

nicht für den Handel bestimmt sind, noch von dem, was er auf einer Pilgerfahrt nach Rom mit sich führt.

Auch das Kapitular

Karls des Großen vom I. 805 bestimmt in Art. 13, daß die alten und

gesetzlichen Zölle nur von Handelsleuten und nie

von denen, welche ohne die Absicht zu handeln eigene Waa­ ren von ihrem einen Haus in das andre, in die Pfalz

oder zum königlichen Heere führen, erhoben werden sollen. Auch die Kapitularien Ludwigs des Frommen vom I. 817 und 820

verbieten Zoll zu nehmen, wo nichts zu kaufen und zu verkaufen

ist, oder von den zur Pfalz oder zum Heere Reisenden, welche Be­ stimmungen auch andere Kapitularien wiederholen'). — Die Zoll­ satzungen von Raffelstätten sind wichtig, weil sie die von altersher

geltenden Grundsätze noch einmal zusammenfassen und zugleich von den mittler Weise vorgegangenen Veränderungen Zeugniß geben.

Auch hier wurde nur die Handclswaare dem Zoll unterworfen.

„Schiffe, welche die Donau herabkommen und über den passauischen Wald hinausgehen, zahlen, wenn sie bei Rosdorf oder sonst wo an­ legen und Markt halten, als Zoll eine halbe Drachme, fahren sie weiser bis Linz, so zahlen sie vom Salz drei Halbmaß oder Scheffel.

Von den Sclaven aber und übrigen Dingen zahlen sie dort nichts

und haben das Recht, bis zum böhmischen Wald anzulegen und Han­

del zu treiben, wo sic wollen.

Will ein Bürger sein eignes Salz

in sein eignes Haus führen, so zahlen die Schifssherrn nichts, sobald sie dieses durch einen Eid bekräftigt haben; zahlt aber unter erlo­

genem Vorgeben jemand den gesetzlichen Zoll nicht,

so verliert er,

wenn er ein Freier ist, Schiff und Ladung, ist er aber der Knecht

eines Andern, so wird er gebunden, bis der Herr die Strafe zahlt. Kommen aber Bayern oder die Sclaven jener Gegenden mit Die*) Mon. Germ. HI, S. 31. 134. 213. 228. 302. 363.

9 nein, Pferden und Fahrzeugen, um Lebensmittel zu erhandeln, so kaufen sie, wo sie wollen, ohne Zoll, was sie bedürfen, treiben sie

aber Handel auf dem Markte selbst, so geben sie den vorgeschriebenen

Zoll und kaufen dann, was sie wollen und wie sie können."

Gesetz­

licher Weise zahlte also nur der Handelsmann und zwar von den Waaren, die für den Markt bestimmt waren, den Zoll *); die ge­

kaufte Waare wurde zollfrei, sobald sie der Käufer zu eigenem Ge­

brauch vom Markte nach Hause führte, doch mußte er auch in diesem Fall von der Kaufhandlung die gesetzliche Abgabe entrichten.

Ganz

zollfrei war, was der Besitzer vom Eigen in das Eigen führte, was in die königliche Pfalz oder zum Heere geliefert wurde und was

jeder, der zur Pfalz oder zum Heere oder auf kirchliche Bctefahrt

reiste, mit sich nahm.

Der Zoll in jenen ältesten Zeiten war also

die dem gesammten Handelsverkehr auferlegte Besteuerung, welche

jeder zu tragen hatte, sobald er mit Kauf oder Verkauf an diesem

Verkehr Theil nahm. Uebereinstimmend hiemit lauten die Zollbefreiungen.

Der

angeführten allgemeinen Zollfreiheit konnte jeder theilhaft werden, sobald er bewies, daß die Waare, die er mit sich führte, nicht einem Handelszwecke diente.

Von der Zollfreiheit aber eines ganzen Stan­

des, die derselbe als ein von altersher überliefertes,

gesetzliches

Recht hätte geltend machen können, findet sich bis zu Ausgang dieses Zeitraums keine Nachricht.

Wenn die Bestimmungen, daß die Fahrt

vom Eigen zum Eigen, zur königlichen Pfalz oder zum Heere zoll­ frei sein sollte, vornehmlich dem Land besitzenden und Kriegsdienst

leistenden Stande zu gut kam, so galt doch diese Zollfreiheit nur

unter bestimmten Bedingungen; wer diese mißbranchte und um den Zoll betrog, verfiel der Strafe. Eine Zollfreiheit des adeligen Standes ist nirgends ausgesprochen noch jemals in Anspruch genommen, im Gegentheil heißt es in der Urkunde Karls des Großen für den

Bischof von Piacenza: „der ganze Zoll vom Hof Cusianum sowohl von den Arimannen wie von den andern Freien" — und gerade diese Arimannen bildeten den grundbesitzenden Adel. *) Eben so wenig

finden wir in jenem Zeitraum eine allgemeine Zollfreiheit des geist-

9 Vergl. Waitz, a. a. O. III, S. 49. Etwas anders nimmt den Begriss des Zolls Hüllmann in seiner deutschen Finanzgeschichte, S. 222. — 2) Vergl. Savigny, Geschichte des römischen Rechts I, S. 194.

10 lichen Standes **).

Die Immunität, die auch weltlichen Großen ver­

liehen wurde, konnte weder von diesen noch von den geistlichen Kör­ perschaften als ein Standesrecht in Anspruch

genommen werden,

obwohl die letzteren dieselbe schon in früheren Zeiten fast alle durch urkundliche Verleihungen erworben hatten^). Bei jedem Thronwechsel

bedurfte solche Verleihung der Erneuerung und Bestätigung.

Mit

der Allgemeinheit dieses Rechtes für die Kirche verband sich früh der Begriff der Nothwendigkeit und Unweigerlichkeit, so daß die Be­ stätigung desselben von der einen Seite von Rechtswegen begehrt, von der andern nicht willkührlich versagt werden konnte.

In ihrem

ersten Keim entsprang die Immunität den römischen Einrichtungen

als eine Befreiung von der Grundsteuer und allen Leistungen, welche

mit dem Besitz von Grund imb Boden zusammenhingen.

Aber schon

während der fränkischen Eroberungen wandelte sich dieser Rechtsbegriff, weniger freilich unter dem Einfluß germanischer Rechtsan­ schauungen als unter dem Drang und Zwang der Verhältnisse,

wesentlich um.

Unter dem Schwanken und Umsturz aller Besitz- und

Rechtsverhältniffe behielten die bedeutenderen Stifter und Klöster

sicheren Bestand, fügten dem bisherigen Umfange ihrer Immunität neue Rechtsbefugnisse hinzil und errangen nach der Feststellung des neuen Reiches, als an Macht und Einfluß reiche Körperschaften, die

Bestätigung ihrer thatsächlich vorhandenen Rechte.

Den Begriff der

Immunität aus dem spätern Begriff des Landesherrlichkeit erklären zu wollen'), heißt das Mittel aus dem Ergebniß ableiten.

Aus den

einzelnen Rechten der Immunität und aus den nach und nach dazu

gekommenen Rechtsbefugnissen bildete sich die Machtvollkommenheit, welche wir unter dem Namen der Landesherrlichkeit zusammenfasfen, nicht umgekehrt; jene sind die Bausteine, diese das Gebäude. —

Neben den verschiedenen Einzelrechten und Freiheiten, welche die

älteren Jmmunitätsurkunden umfänglich genug aufführen, wird die Zollfreiheit, auch wenn das Stift dieselbe längst schon besessen hatte,

nur selten und erst in späteren häufiger erwähnt.

Demnach wurde

damals die Zollfreiheit der Klöster als ein für sich bestehendes, für sich zu erwerbendes und zu bestätigendes Recht betrachtet, nie als ein

Vorrecht, das mit der Immunität als eine unverweigerliche Folgerung *) Gregor. Tur. III, 25. IX, 20. X, 7. Vergl. Waitz a. a. O. S. 517. — *) Vergl. Roth, Beneficialwesm S. 118. 222. — 3) Wie z. B. Eichhorn, deutsche

Recht-geschichte, S. 286, § 47. § 172.

11

verbunden gewesen wäre. — In engerer Verbindung erscheint die Zollbefreiung mit dem Marktrechte.

Die angezogene Urkunde für

St. Denys befreite die dorthin reisenden Kaufleute für die Marktzeit

von Zöllen und verlieh zugleich ein Zollerhebungsrecht, denn das Markthallen setzte stets eine Erhebung von Marktzöllen durch die

Grundherrschaft voraus.

Aber auch diese Vereinigung von Markt­

recht und Zvllfreiheit ist nur eine gelegentliche. Die Zvllfreiheit der Stifter und Klöster wurde entweder allge­

mein und ohne Einschränkung oder mit Beschränkung auf bestimmte

Gegenstände oder nur für einzelne benannte Zollstätten verliehen. Jene erstere Art erscheint als die älteste wie z. B. die für Worms,

für die Kirche St. Peter zn Trier und die Abtei Corvei, und findet sich am ausführlichsten bestimmt in der Urkunde Theoderichs III. vom

I. 681 für das Kloster St. Denys: „in Neustrien, Austrien, Bnrgundien, wo nur immer von dem Kloster oder dessen Gütern auf

Hin- und Rückfahrt jemand durchreiset, soll weder in den Städten noch bei den Burgen noch in Häfen noch in Pässen noch sonst irgendwo Zoll irgend welcher Art von ihnen erhoben werden." Mit einer wei­ teren Bestimmung führt dieselbe Urkunde zu den Zollbefreiungen der

zweiten Art hinüber, indem sie alles Klostergut befreite, das zum

Nutzen des Klosters und zum Bedarf der Klosterbrüder bestimmt war.

Dieser Grundsatz wurde bei den Klöstern auch auf den Verkauf erstreckt, da dieselben als Wohnsitze einer größeren Vereinigilng von Männern

oder Frauen nicht nur bedeutende Einkäufe zu eignem Bedarf machten sondern auch die Erzeugnisse ihrer Ländereien und ihres Gewerbfleißes gegen andere Waaren oder Geld umtauschten.

So gestattete

Ludwig der Deutsche im 1.861 der Aebtissin Amalberga von Brescia für den Kaufmann Venuarius, der in ihrem Auftrag mit Waaren

zum Verkauf reifete, die Zollfreiheit.

Häufiger noch wurden die

Klöster, die an schiffbaren Flüssen lagen, auf diesen und den Neben­

flüssen für eine bestimmte Anzahl von Schiffen, gewöhnlich zwei

höchstens fünf, vom Zoll befreit, z. B. das Kloster Cormeri von Karl dem Großen im Jahre 800 für zwei Schiffe anf der Loire und den

benachbarten Flüssen, die Klöster Stablo und Malmedy im I. 814 auf Rhein und Maas, das Kloster Mesmin de Mi^i im I. 815 für seine Wagen und drei Schiffe, das Kloster St. Germain für 4 Schiffe

auf der Loire.

Das Kloster Kempten erhielt von Ludwig II im I.

837 die Erlaubniß, auf drei Schiffen zollfrei von Hall Salz zn

12

holen, das Kloster Münster in Gregorienthal im I. 844 die Zoll­ freiheit für seine Salzwerke, also auch für das zu verkaufende Salz. Eine Beschränkung auf benannte Handels- und Zollplätze finden wir in der Urkunde Karls des Großen vom I. 779, welche die Abtei St. Germain zu Utrecht, Dorstatt und Nimwegen vom Zoll befreite. Eine weitere Art von Zollbefreiung erstreckte sich auf alle einer Kirche angehörigen Leute und Unterthanen, oder auf alle, welche den auf dem Gebiete des Klosters begründeten Markt besuchten, und wurde also in diesem Falle mit dem Marktrechte verbunden. Sv erwarb Bischof Etto von Karl dem Großen im I. 775 für alle Leute der straßburg'schen Kirche die Zollfreiheit und das Kloster St. Denys innerhalb des Pariser Gau's für alle, welche die Messe des Klosters des Handels wegen besuchen würden.^) Es gab Zölle von sehr verschiedener Art und Benennung, deren Untersuchung ergeben wird, an welchen Stätten, unter welchen Formen und Vorwänden dieselben erhoben wurden. Die Urkunde Chlodowichs I vom J. 499, welche das sennonische Kloster St. Peter vom Zolle befreite, nennt als Arten desselben: pedaticos, teloneos, rotaticos, portaticos, ripaticos. Die Urkunde Chilperichs I vom I. 562 verlieh der Kirche von Dvrnek teloneum de navibus vel de omnibus venalibus ubicumque vendantur seu infra muros seu in appendiciis murorum und bezeichnet weiter unten als verschiedene Zollarten: teloneum de quolibet commercio, tarn navigio quam et de carrigio aut de saginis vel de ponte — — nec non de omnibus venalibus ubicunque vendantur. Am vollständigsten führt die Urkunde Dagoberts I für das Kloster St. Denys vom I. 629 die Zvllerhebungsarten auf. Sie erläßt zuerst allgemein den Zoll — teloneum — bis zum dritten Jahr, bestimmt dann, daß die Kaufleute von Schiff und Wagen je 12 Pfennige „et vultaticos et passionaticos“ zahlen sollen und nennt weiter: teloneos vel navigios, portaticos, pontaticos, rivaticos, rotaticos, vultaticos, themonaticos, chespetaticos, pulveraticos, foraticos, mestaticos, laudaticos, saumaticos, salutaticos. Die Zollbefreiung Chlotars II für das Kloster Corvei vom I. 660 sagt einfacher: „ubicumque teloneum, pontaticum, rotaticum, ceteras redhebitiones fiscus noster a cursoribus seu iter agentibus exigere *) Bouquet, V, 764. — VI, 372. 453. 479. 488. Cod. diplom. Alemann. IE, S. 7. 8.

VIII, 380. — Neugart,

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consuevit.“ Die Urkunde Theoderichs III für St. Denys vom I. 681 stellt gegenüber tarn carrale quam navigale und fährt dann fort: „nec per civitates nee per castella nee per exitus nec ubi et ubi tilloneos exigetur; necpontatico nec pulveratico nec rodatico nec salutatico nec cispitatico nec qualibet redibitione.“—In denUrkunden und Kapitularien der Karolinger zeigt sich dagegen eine große Einfachheit der Benennungen und der allgemeine Ausdruck teloneu» oder teloneum, oft in der Mehrzahl gebracht, ist in vielen Fällen auch der einzige. Selten begegnet uns noch eine ausführliche Aufzählung. Doch giebt uns die Urkunde Ludwigs des Frommen für das Kloster St. Germain vom I. 816 zu den schon aufgeführten noch neue Benennungen: „ad quascunque civitates, castella aut portus vel cetera loca accessum habuerit, nullus ex eis — aut coenaticum aut pastionem aut laudaticum aut tranaticum------ exigere audeat.“ Auch das Kapitular Karls des Großen vom 1.803 giebt zu dieser Aufzählung einen Beitrag durch die Bestimmung: „ut nullus praesumat teloneum per viam nec per villas nec rotaticum nec cepstaticum nec pulveraticum recipere.“ In derselben Weise bieten die Kapitularien, indem sie teloneis justis, consuetis et legitimis telonea iniusta, inconsueta, illicita gegenüber stellen und die einzelnen Zollarten und ihre Miß­ bräuche weniger durch Namen als durch thatsächliche Beschreibung kenntlich machen, manches zur Erklärung der zum Theil sehr dunklen Benennungen. Das Kapitular Pippins vom I. 765 verbietet zuerst allgemein den Zoll von Lebensmitteln und Frachtgut, die nicht für den Handel bestimmt sind, und fährt dann fort: de saumis similiter, ubicunque vadunt, et peregrinis similiter constituimus, qui propter deum ad Romam vel alicubi vadunt, ut ipsos per null am occasionem ad pontes et ad exclusas aut navigio teneatis“. Das Kapitular Karls vom I. 803 verbietet die ungesetzlichen Zollerhebungen per viam et per villas, mit dem erklärenden Zusatz „rotaticum nec cep­ staticum nec pulveraticum“. Das Kapitular vom I. 805 bestimmt, daß die gesetzlichen Zölle nur erhoben werden sollen „tarn de pontibus et de navigiis seu de mercatis“' d. i. foraticum. — Im Ka­ pitular Ludwigs des Frommen vom I. 817 heißt es: vel ubi navis per mediam aquam aut sub pontem ierit et ad ripam non adpropinquaverit, neque ibidem aliquid emptum vel venundatum fuerit, ultcrius teloneum non detur“ d. i. ein ripaticum. Letzteres verbietet auch das Kapitular Ludwigs des Frommen vom J-. 820

14 „in ripis aquarum ubi tantum naves solent aliquibus noctibus manere“. Aus der Urkunde Ludwigs für das Kloster St. Germain vom I.

816 führe ich noch die Bestimmungen an: „ad quascunque civitates, castella aut portus vel cetera loca accessum habuerit“, aus dem

Kapitular vom Jahre 817 „trastura“, anderswo „transitura“, aus andern noch die nur vereinzelt verkommenden Ausdrücke exclusaticus, mediaticus, planaticus *). Die Benennung, die in den Urkunden meist voransteht, und wo

es nöthig ist, als Gesammtausdruck gebraucht wird, ist teloneum oder teloneus, während vectigal in diesen Zeiten nur selten vorkommt.

Einige Male steht teloneum dem navigium so gegenüber, daß es im Gegensatz zu diesem den Landzoll zu bezeichnen scheint, im Ganzen aber darf es als der allgemeine und umfassende Ausdruck, gleichbe­

deutend mit unsern! „Zoll", das auch daraus entstanden ist, aufgefaßt

werden.

Schon die merovingischen Urkunden haben tolloneum und

teloneum, tollonarius, int Sachsenspiegel und im Niederdeutschen heißt es toln und tolner, in der oberdeutschen Mundart zol und

zolner. — Diesem telonium in allgemeiner Bedeutung nahe kommend erscheint das selten vorkommende trastura oder transitura, der Durch­ gangszoll auf Land- oder Wasserstraßen, der Gegensatz also zu den

Marktzöllen.

Dieser Durchgangszölle aber gab es zwei Hauptarten,

die Landzölle, carrigia oder carrigalia, welche die Landfahrzeuge

trafen, und die Wasserzölle, navigia oder navigalia, welche von

den Schiffen erhoben wurden.

entschieden saumaticum.

Zu jenen, den Landzöllen, gehört

Sauma ober sagma (sarcina), die Last,

wird später ausschließlich für die Waarenlast des Pferdes, Maulthiers

und Esels gebraucht; ebenso bezeichnet das deutsche „Saum" in den folgenden Jahrhunderten bei einzelnen Waarengattungen eine bestimmte

Menge z. B. ein Saum Tücher ----- 12 Stück, y2 Saum ----- 6 Stück. Daher auch die Benennung Saumthier und Säumer, d. i. das Last­ thier und der Führer desselben.

Saumaticum ist also die Abgabe

von einem Saum Handelswaare, von der Traglast eines Saumthiers. Bei Tarifbestimmungen bildet Sauma die Einheit, die Menschenlast, onus unius hominis, wie es in den Zollsatzungen von Raffelstätten

heißt, war die Hälfte desselben. — Ebenso unzweifelhaft zu den Land.*) Bergt, zu diesem Abschnitt Waitz, Verfassungsgeschichte III, S. 62. Anm. 1; Hüllmann, deutsche Finanzgeschichte, G. 222 folg., Du Gange, Glossarium, unter

den einzelnen Benennungen.

15 zollen gehört das pedagium oder pedaticum. Auf dieses bezieht sich die Zollbefreiung der Priester und Pilger auf der Rom- und Bete­ fahrt, der Boten und discursores. Es ist der Zoll, den der Reisende für seine Person zu zahlen hatte. Auch das pulveraticum, Staub­ geld, konnte nur auf dem Lande erhoben werden. Oben wurde aus einem Kapitular das Verbot angeführt, daß Niemand diesen Zoll per viam et per villas erheben solle, d. i. so weit die Villen von den Straßen durchschnitten werden. Damit wurde aber kein allge­ meines Verbot des pulveraticum ausgesprochen, sondern nur ein Mißbrauch desselben von Seiten der Grundherrn untersagt, denn in spätern Beschreibungen wird dasselbe unter andern gesetzlichen Zollarten aufgeführt. Die Statuten von Foruli vom I. 1235 ver­ bieten von den Schafen ein pulveraticum in eundo vel redeundo zu erheben; hier ist es also ein Staubgeld von durchziehenden Viehheerden. — Einen vierten Landzoll, rotaticum, nehme ich als den allgemeiner gewordenen Ausdruck für den Zoll vom Wagen — das Rad steht für den ganzen Wagen —, gleichbedeutend mit dem seltner vorkommenden carrale oder carrigium. Jeder Zoll wurde als die Entschädigung für einen verursachten und möglichen Schaden oder als Wiedererstattung eines vorher gemachten Kostenaufwandes gedacht und wurde nur durch solchen Vorwand zu einem Recht. Als ein Entgeld für den Schaden, der durch das Rollen der Räder entstehen könnte, galt das vultaticum oder voltaticum, von volvere. Daß ein solcher Zoll als eine unter gewissen Umständen gebotene Entschä­ digung vorkommt, beweist auch eine Bestimmung des Sachsenspiegels'): „sve so unrechten wech sleit over gewunnen land, vor jewelk rat salhe geven enen penning, die ridene man enen halven, und sollnden scaden gelden, of dar rat uppe stat; dar vore mut man se wol panden“. Auch der Schwabenspiegel?) bestimmt: „swer über gebuwet lant vert, da sol daz rat einen phenninc geben unt der ritende einen“. Auch das cespitaticum, Rasengeld, ist eine Entschädigung für die durch die Räder dem Wiesengrundloder den Abseiten der Straße zugefügte Verletzung. In einem schon angeführten Kapitular war dieser Zoll per viam et per villas verboten; hier also scheint es ein Entgeld für verletztes Eigenthum zu seins während die Römer wohl dabei eine Bezahlung für die Ausstattung des Straßenkörpers im *) Sachsenspiegel, Ausg. von Homeyer, S. 88, lib. II, Art. 27, § 4. — 2) Schwabcnspiegcl cap. CLXVIII, Ausg. von Gengler S. 114.

16 Ange hatten. Mißbräuchlicher Weise wurde solches Rascngeld auch von Schiffen am Flußufer erhoben, doch in der angeführten Urkunde Karls des Kahlen verboten; in diesem Falle war es eine ungesetzliche Erweiterung des ripaticum. Mestaticum nimmt Du Gange für verschriebenes mutaticum, doch kehrt dasselbe Wort öfter wieder, indeß mutaticum und muta gleichbedeutend mit teloneum in allge­ meiner Bedeutung gebraucht werden. So bezeichnet der Freibrief Arnulfs') für die Kirche von Freising im I. 898 mit muta ganz allgemein Zoll zu Land und Wasser. Auch heißt es in einer Urkunde Ludwigs des Frommen vom I. 807: „nullum teloneum neque quod lingua theodisca vocatur muta.“ Später wurde muta, Maut, der allgemeine Ausdruck für Zoll aus deutschem Wortstamme, im süd­ östlichen Deutschland gebräuchlicher, während im übrigen Deutschland Zoll aus lateinischem Stamme vorherrschend blieb. Mestaticum, stets unter den übrigen Einzelzöllen aufgeführt, ist auch als solcher zu nehmen. Von mesta oder meta, Grenz- und Meilenzeichen, abgeleitet, möchte es wohl die Abgabe sein, welche der Staat d. i. ursprünglich der römische oder seine Zollpächter als ein Entgeld für die Herstellung und Erhaltung der Meilen- und Wegezeichen längs der Straßen erhob. Als solches wurde es in das Frankenreich hinüber genommen, freilich ohne die damit verbundene Fürsorge für Straßen und Straßenzeichen. Diese Zölle wurden alle nur auf den Landstraßen erhoben, das pontaticum, Brückengeld, jedoch auch von der Wasserstraße. Daß man den Uebergang über eine Brücke mit einer Abgabe bezahlen mußte, erwähnen die Kapitularien mehrfach. „Theloneus aut Cen­ sus non exigitur a quolibet ubi nec aqua navigio aut pontem transeundum non est“, heißt es in Karls des Großen Kapitular vom I. 803, nnd in einem andern von demselben Jahre: „nisi ubi antiquitus pontes constructi sunt.“ Doch auch von Schisien wurde ein pontaticum mißbräuchlich erhoben: „De navibus, quae vadunt sub pontibus videlicet ut inde teloneum non exigatur“, heißt es in einem Kapitular Karls des Kahlen. Manche Brücken hatten wohl Durchlässe oder waren, wenn sie über kleinere Flüsse führten, be­ weglich; für die Eröffnung oder Abtragung solcher Brücken zahlte dann das durchfahrende Schiff diese Abgabe. Das Kapitular Lud­ wigs des Frommen vom I. 817 verbietet, Zoll zu nehmen, wo das 1) Meicbelbek, Histor. Frising. I, S. 147.

Schiff sub pontem ierit, das Brückenjoch also ohne besondre Eröff­ nung durchfahren konnte. — Dieselbe Doppelbedeutung findet sich auch im portaticum, ursprünglich Thorzoll, als welcher es in der Bcfreiungsurkunde Karls des Großen für Verona erscheint: in transitibus portarum vel pontis urbis Veronae“, also portaticum und pontaticum. Als Durchgangszoll für Land- und Wasserfahrer zugleich bezeichnet cs der Freibrief Theoderichs III für St. Denys: „nec per civitates nec per castella nec per portus nee per exitus.“ Die Häfen hatten Thore gleich den Burgen und Städten, wenigstens verschließbare Eingänge, desgleichen die Flüsse, welche Städte durch­ strömten, und diese wurden wie die Stadtthore den Handelsleuten und ihren Fahrzeugen nur gegen Zoll geöffnet. Als Hafenzoll allein erscheint es wieder in einer Urkunde des Langobardenkönigs Aistulf vom I. 783: „ut de singulis navibus portaticum exigatis.“ Von Wasserklausen, bei denen ein Schiffszoll bezahlt wird, redet das Kapitular Pippins vom I. 765: „per exclusas navigio teneatis.“ Der besondre Ausdruck für diesen, bei solchen Klausen entrichteten Zoll ist exclusaticus *). — Dagegen wird das eben so selten vorkommcnde plantaticus2) als Ankergeld, die für das Recht zu ankern bezahlte Abgabe erklärt und stand demnach mit dem ripaticum in enger Verbindung. Zu den Durchfahrts- und Durchgangs­ zöllen gehörte auch das gleichfalls selten erwähnte passaticum. Als eine Abgabe von kleineren Schiffen erscheint das barganaticum3), Barken- oder Nachengeld, wobei freilich ungewiß bleibt, ob es beim Verweilen im Hafen oder für die Durchfahrt erhoben wurde. Un­ zweifelhaft der Schifffahrt allein gehört das ripaticum an, der eigent­ liche Ufer- oder Anlegezoll. Nach dem Kapitular Ludwigs des Frommen vom I. 817 sollte dieses ripaticum nicht verlangt werden, so lange das Schiff im Stromlaufe blieb, und am Ufer nur, wenn es zu Kauf und Verkauf anlegte. Ebenso wenig sollten nach dem Kapitular vom I. 820 Schiffe, welche nur anlegten, um einige Nächte zu verweilen, oder unter Brücken durchfuhren, dasselbe ent­ richten, sondern nur, sobald sie mit der Absicht, Markt zu halten, anlcgten, das Ufer also von Schiffern und Kauflustigen betreten und beschädigt wurde. Ein andrer von Schiffen erhobener Zoll war das tranaticum oder trahaticum, Schiffsziehgeld, welches für den Lein') Bouquet, V, 730. VI, 649. — -) Ebenda VI, 670. — 3) Ebenda V, 730. 732, 2

tzalke, Zolllvksen.

18 Pfad des Flußgestades

entschädigen sollte und, wo kein Leinpfad

bestand, das Recht bezahlte, das Schiff am Ufer hin durch Menschen oder Thiere ziehen zu lassen.

Einige andere selten genannte Zölle,

die auch zu Land und Wasser gleichmäßig erhoben zu sein scheinen, erklären sich weniger leicht aus dem Namen.

von temo,

die Deichsel aber auch

Das themonaticum,

das Steuerruder, nehmen die

Meisten als ein Entgeld für den durch die Deichsel in Feld und

Wiese angerichteten Schaden, doch haben wir fast schon zu viel Zölle als Entgeld für solche Beschädigungen kennen gelernt.

Vielleicht war

es eine Abgabe, mit welcher der Reisende das Recht erkaufte, aus

den an der Straße oder dem Flusse wachsenden Bäumen Deichsel, Mast oder Ruder im Nothfall erneuern zu dürfen.

Dieser Zoll stände

dann mit dem im Kapitillar Ludwigs des Frommen vom I. 820

erwähnten teloneum in silvis, silvaticum in Verbindung. Weisthümer erwähnen des Rechtes,

Spätere

daß der Reisende seinen zer­

brochenen Wagen aus dem nächsten Walde bessern durfte, dafür aber

auf den Stumpf des abgehauenen Baumes als Ersatz drei Pfennige legen mußte').

Auch die deutschen Seestädte sicherten sich in ihren

ältesten Verträgen mit den russischen Fürsten neben der Zollfreiheit

das Recht, Mast oder Steuerruder aus den Bäumen des Newaufers zu ersetzen. — Auch pastio und coenaticum möchte sich aus den

spätern Weisthümern"erklärenReisende für sein Pferd,

Nach denselben durfte der zu Roß

wenn es vor Müdigkeit erliegen wollte,

Korn schneiden eines Pfennigs werth, oder dasselbe mit den vorder»

Füßen bis an die Brust in das nächste Kornfeld treten und sich an der stehenden Frucht sättigen lassen.

Auch er selbst wie der zu Fuß

Wandernde durfte zur Stillung seines Hungers von Baum- und

Feldfrüchten z. B. von Nüssen einen Handschuh voll pflücken^). Durch

die pastio wird sich der Reisende das Recht der Speisung für sein Roß, durch das coenaticum für sich selbst erkauft haben.

Beide

Abgaben, in das fränkische Reich hinübergenommen, bildeten sich

unter veränderten Verhältnissen des

Straßenwesens

und

Grund­

besitzes zu der eigenthümlichen Form aus, die wir in diesen Weis­ thümern finden.

Ueber die von der Handelsthätigkeit selbst erhobenen Abgaben, *) Jakob Grimm, deutsche RechtSalterthiinicr, S. 403. — *) Ebenda. — Dergl. auch Friedrichs I allgemeinen Landfrieden vom I. 1156 bei Liinig, R. A. Part. Gener. cont. II, S. 117.

19 die Marktzöllc, foraticos, telonea de mercatis, sind nur wenige

Bestimmungen erhalten und im Gegensatz zu dem künstlichen System der Durchfuhrzölle scheint eine weitere Entwicklung derselben erst in die spätere Zeit des ausgebildeten Städtewesens zu fallen.

Aus den

älteren Quellen erkennen wir nur, daß der Käufer wie der Ver­ käufer, sobald die Kaufwaare von einer Hand in die andre über­

ging,

an den Grundherrn oder wem

die Erträgnisse des Markt­

platzes zustanden, eine gesetzlich festgestellte Abgabe zahlen mußte.

Die

Zollsatzungen

von Raffelstättcn

unterscheiden Durchfuhrzölle

und Marktzölle, jene wurden beim Eintritt in das dort bezeichnete

Gebiet, diese erst nach Beginn des Markthandels entrichtet.

Auch

die Bestimmungen der Kapitularien, daß Zoll zu zahlen sei, wo ein Schiff anlegt, um zu kaufschlagen, wo etwas gekauft oder verkauft

wird, deuten auf den Marktzoll.

Zu diesen Marktzöllen gehörten

das laudaticum und das salutaticum.

Laudaticum, von laudare,

im spätern Latein gleichbedeutend mit consentire, wird in der Befreiungsurknnde vom I. 816 den Schiffen des Klosters St. Germain

erlassen.

In spätern Urkunden kommt es vor als die Abgabe, mit

welcher die Handelnden die Znstimmung des Marktherrn zu der An diese Bedeutung erinnert anch das im

Kaufhandlung erwerben.

Lehnswesen gebräuchliche laudemia.

Mit dem salutaticum, von

salus Schutz, erkaufte der Handelsmann für Person und Waaren

innerhalb des Marktgebietes den Schutz des Grundherrn, die Theil­ nahme am Marktfrieden. Der Grundherr hatte den Bann über den

Markt, die Verpflichtung, den Frieden während der Marktzeit und für die Handelsleute auf der Hin- und Rückreise innerhalb seines

Gebietes zu wahren, und erhob das salutaticum als die Entschädi­ gung für diese Pflicht.

Aus diesem salutaticum entwickelte sich das

spätere Gcleitswesen. Dieses künstlich ausgebildete Zollwesen wird schon in der ältesten merowingischen Urkunde vom I. 499 als für das ganze Reich zu

Recht und Kraft bestehend vorausgesetzt. Im I. 614 will Chlotar II

das ganze Zollwesen und alle Zollstättru in derselben Weise und demselben Umfang, wie solches ihm von seinen Vorfahren überliefert

sei, unverändert erhalten wissen.

In allen folgenden Zollerlassen

findet sich von einer Fortbildung des Zollwesens durch königliche

Gesetzgebung keine Spur.

Alle Könige sind nur bemüht, die con-

sueta telonea in dem von altersher überkommenen Zustande zu er-

20 halten und die neuernden Gewaltsamkeiten und Mißbräuche einzu­ schränken.

Auch

die Kapitularien

der Karolinger

wollen nichts

„Zölle soll niemand erheben, außer wo sie von altersher

andres.

erhoben worden sind"; „niemand soll einen Zoll erheben außer der

alten Gewohnheit gemäß und niemand anders als aU althergebrachten gesetzlichen Stätten", — sind die stets wiederholten Gesetze.

Die

Kapitularien Karls des Großen wie Ludwigs des Frommen setzen

stets den alten und gesetzlichen Zöllen die neuen und ungesetzlichen gegenüber, wollen jene stets im althergebrachten Zustand erhalten,

diese gänzlich abgethan wissen.

Nach Ludwig dem Frommen rissen

auch im Zollwesen Zustände der größten Verwirrung und Gesetz­ losigkeit ein, welchen endlich, wenigstens für einen Theil des Reiches, die Versammlung geistlicher und weltlicher Großen zu Naffelstätten

ein Ziel zu setzen sich bemühte.

Die hier vereinbarten Satzungen

stellen wieder als ersten Grundsatz vorauf, daß die Zölle nur da

und nur so erhoben werden sollen, wie und wo sie zur Zeit Lud­ wigs,

Karlmanns und

wurden.

der

übrigen Könige rechtmäßig

erhoben

Wir finden also schon unter Chlodowich I das Zollwescn

fertig und ausgebildet und durch alle folgenden Zeiten bis auf den

letzten deutschen Karolinger auf diesem Gebiete nur das als recht und gesetzlich, was und wie es von den Vorfahren überliefert war.

Betrachten wir die einzelnen Mißbräuche, welche als solche in den Erlassen der Karolinger verboten wurden, so treffen wir int

Kapitular vom I. 765 auf eine tingesetzliche Erhebung des pedaticum von Pilgern auf der Betefahrt und im Gegensatz davon das Verbot

des Zollbetrugs unter dem Vorgcbcn einer Pilgerfahrt.

Die Kapitu­

larien von 779 und 781 verboten, Zölle gegen die alte Gewohnheit und an ungewöhnlichen Orten zu erheben, und eine Bestimmung zum ripuarischen Gesetz vom I. 808, solchen Zoll von der Straße und

den Villen, d. i. so weit die Straße den Grundbesitz berührte, zu nehmen.

Demnach begann schon damals der Mißbrauch, daß die

Grundherrn ohne urkundliche Berechtigung für die Berührung ihres

Grundes und Bodens auch auf gemeiner königlicher Heerstraße die­ selben Zöllo-verlangten, welche dem König und den von ihm Geliehenen

zustanden.

Als neue und ungesetzliche Zölle bezeichnet das Kapitular

vom I. 805: „wo Seile über den Fluß gespannt oder von Schiffen, die unter einer Brücke durchgehen, die Abgabe erhoben wird, oder

wo man Zölle verlangt, für welche der Reisende keine Gegenleistung

21 noch Hülfe erhält."

Hier wird also die Erpressung des portaticum

und pontaticum untersagt.

„Nllr da darf ein Zoll gefordert werden,

wo dem Reisenden eine Förderung, eine Hülfe für seine Reise ge­

leistet wird."

Dieses Gebot ist hier zuerst als das Grundgesetz des

gesammten gesetzlichen Zollwescns hervorgehoben, welches Gesetz die

Grundherrn freilich dahin unikehrten, daß ein Zoll überall da zu

entrichten sei, wo dem Reisenden fsonst ein Hinderniß in den Weg gelegt

werden könnte. —

Das Kapitular vom

I.

809

verbot,

jemand des Zolles wegen zum Gebrauch eiltet Brücke zu zwingen, wenn der Fluß anderswo bequem überschritten werden könnte, und

ebenso,

einen Zoll zu erheben, wo auf offnem Felde eine Brücke

und kein Flußübergang war.

Demnach verhinderten die Grundherrn

den Gebrauch freier Furten nnd bauten Brücken ans trocknem Felde, vielleicht wo der Regen schnell verschwindende Sturzbäche bildete,

beides nur, um ein ungesetzliches pontaticum zu erheben.

Auch das

Kapitular vom I. 817 gestattete den Gebrauch einer Furt neben der Brücke und verbot die Erhebung eines ripaticum, so lange die Schiffe

mitten im Stromlanf blieben. Das Kapitular Ludwigs des Frommen vom I. 820 setzte fest: „Wir wollen, daß niemand einen Zoll erhebt außer auf Märkte», wo gemeine Waare gekauft und verkauft wird,

noch auf Brücken, wo nicht von altersher Zoll erhoben wurde, noch .an Flußufern, wo Schiffe nur einige Nächte zu bleiben Pflegen, noch in Wäldern, noch ans Straßen nnd Feldern, noch bei Durch­

gängen unter Brücken, noch irgendwo, außer wo gekauft und ver­ kauft wird, was nur immer zu gemeinem Gebrauche dient- Wo der Kaufmann Gras oder Holz oder was sonst Feld und Wald bieten, gebraucht, da soll er mit dem Eigenthümer desselben nach Abschätzung

des Werthes handeln und was billig ist, dafür entrichten." Es sollte also nur auf Märkten von Kauf und Verkauf, auf Brücken, Flüssen und Straßen nur an althergebrachten Zollstätten oder wo Kauf und

Verkauf stattfand, ein Zoll erhoben werden.

Bedurfte der Reisende

Fntterkraut und anderes aus Wald und Feld, so sollte er sich mit dem Eigenthümer nach billiger Schätzung abfinden, dieser also weder

eilt themonaticum noch coenaticum noch pastio erheben; wir sehen hier schon die Ansichten durchschlagen, welche in den Weisthümern

zum Gesetz erhoben sind.

Weiter heißt es in demselben Kapitular:

„Niemand von denen, welche Brücken bauen, mögen diese einer

Immunität oder dem Fiseus oder irgendwelchem Freien angehören,

22 soll gezwungen werden,

von derselben Brücke,

haben, ein Brückengeld zu entrichten.

welche sie gebaut

Und wenn vielleicht jemand

aus eigenen Mitteln dieselbe Brücke bessern und Herstellen will, so

soll er, wenn er solche Herstellung aus dem eignen Vermögen gemacht hat, dennoch von dieser Brücke keinen höhern Zoll nehmen als hier gewöhnlich und gesetzlich ist" —

Raffelstätten

treten

uns

diese,

Auch

ein

in den Zollsatzungen von althergebrachtes

schützenden und herstellenden Grundsätze entgegen.

Zollwesen

Es wurde hier

festgesetzt, daß die Handelsleute, wenn sic bei Rosdorf, oder wo sie dort des Marktes wegen verweilen wollten, desgleichen bei Linz den

festgesetzten Zoll bezahlt hatten, bis zum böhmischen Wald frei han­

deln durften, wo sie wollten.

Ebenso wurde der Zoll der Straße,

welche über die Enns führt, auf die Zollstätte .«n der Uri beschränkt

und für die Salzschiffe bestimmte Vcrkehrsplätze festgestellt; neuen Zoll sollte erst zahlen,

einen

wer weiter hinab zum Markte der

Mährer zog , wer von dort zurückkehrte, war frei, ausgenommen er

komme aus Mähren als seiner Heimath.

Wir finden hier also das

Bestreben, die Straße und die Durchfuhr möglich frei zu halten und

die Zölle nur, an den altgewohnten Stätten und vom Markthandel erheben zu lassen. Ueber das Verhältniß des Werthes zwischen Zollabgabe und

Zollwaaren haben wir nur sehr dürftige Nachrichten, denn die meisten Schriftstücke sprechen nur allgemein von der Entrichtung der Zölle

nach alter Gewohnheit.

Aus der Merowinger Zeit enthält eine Ur­

kunde Dagoberts I vom I. 629 die Angabe eines Zollsatzes, indem

sie bestimmte, daß die Handelsleute, welche über's Meer zum Markt von St. Denys kamen, von jeder Tonne Honig 2 solidi, die Sachsen dagegen und die Bewohner anderer Länder 12 Denare zahlen sollten.

Die karolingischen Urkunden schweigen ganz über diesen Punkt.

Die

Zollsatzungen von Raffelstätten bestimmten, daß die von Osten kom­ menden Schiffe bei Rosdorf eine halbe Drachme, bei Linz drei Halb­ scheffel vom Salz, daß der Salzwagen, welcher auf der Hauptstraße

über die Enns fuhr,

an der Url einen Scheffel Salz, die von der

böhmischen Seite an die Donau kommenden Slaven von einer Saum­

last Wachs zwei massiolae,

deren zwei einem scoter gleich sind,

zahlen sollten; von der Last eines Trägers sollte eine massiola, von

einer Sclavin

eine tremissa,

vom männlichen Pferd eben so viel,

vom Sclaven eine saiga und eben so viel von einer Stute entrichtet

23

werden; ein Schiff, das drei Männer führen, sollte von der Ladnng Salz drei Scheffel, und wer die Märkte der Mährer besuchen wollte, einen solidus zahlen. — Die Art der Zollentrichtung war demnach eine doppelte, vom Salz wurde ein Natural-, von den übrigen hier genannten Waaren ein Geldzoll geleistet. Ueber den Preis des Wachses fehlen uns die Nachrichten. Der Preis eines Pferdes wnrde im 9. Jahrhnndert in Alamamüen zwischen 10 nnb 20 solidi, in einer Urkunde Karls des Dicken auf 30 solidi angegeben*). Nehmen wir den Mittelpreis von 20 so!., der mit einer Tremisse oder 4 Denaren verzollt werden mnßte, so betrüge in diesem Fall der Zoll­ satz auf 20 sol. '/z sol., auf 100 also 1% 2). Saiga war nur ein besonderer Name für den Denar, also hatte Sclave und Stute nur den vierten Theil des Werthes von Sclavin und Hengst. Die La­ dung des Schiffes, das drei Männer führten, die Fracht des Wagens, nach dem Zollsätze einem Drittel der Schiffsladung gleich, hie Saumlast, die Tragkraft eines Menschen als halbe Saumlast wurden unter­ schieden. Nicht viel mehr erfahren wir von der Zollverwaltung und den Zollbeamten. Die Urkunde Chlodowichs I meldet neben den übrigen königlichen Beamten auch den Zöllnern die Zollbefreiung des Klosters. Auch andere Urkunden setzen die telonearii den andern könig­ lichen Beamten gleich und nennen sie in einer Reihe mit den Bischö­ fen, Grafen u. a. Die Kapitularien und spätere Urkunden erwähnen nur ganz allgemein der telonearii oder tollonarii auf den Villen bet Könige uub bet Großen3). Sie waren, soweit sie königliche Zölle verwalteten, Beamte bes königlichen Fiscus uub an diesen ober an bie Grafen bes betreffenden Gaues zur Rechnungslegung ge­ wiesen. In dem Kapitular vom I. 811 (Cap. 4) werden sie gleich gesetzt den Falconieren, Jägermeistern, Präpositen und Decanen, welche alle dem, der die Grafenrechte übte, untergeordnet waren. Diesem Grafen wird im Kapitular vom I. 783 (Cap. V) das Amt zugeschrieben, die königliche Einkünfte, */3 für sich und 2/3 für die königliche Pfalz zu erheben. Die Amtspflicht dieser Zöllner bestand außer in der Zollerhebung vor allen in der Beobachtung dessen, *) Sergi. I. H. Müller, deutsche Münzgeschichte J. Abschnitt, die Preise, S. 359. — *) Waitz a. a. O. S. 62 nimmt den Zollsatz zu 5% an. — 3) Z. B. in dem Kapit. Karls des Großen de villis, cap. 10; im Kapit. vom I. 811 (de expeditionibus), cap. 4.



24

was als Gegenleistung vom Staate dem Zvllentrichter versprochen war, in der Aufsicht also über Wege und Brückenbau, ihre Straf­

gewalt in der Verfolgung und Ahndung des Zollbetrugs.

Für

letzteren befindet sich im Kapitular vom I. 820 die Strafbestimmung: „wer die gesetzlichen Märkte meidet, um den Zoll nicht zu bezahlen,

und außerhalb der vorgeschriebenen Orte kauft und dessen über­ führt wird, soll angehalten sein, den schuldigen Zoll zu zahlen; wer aber solchen Zollverbrecher ausgenommen und verheimlicht hat, büßt solches nach dem Gesetz

und

der Verheimlichte zahlt den Zoll."

Ebenso in den Zollsatznngen von Raffelstätten:

„wenn ein Freier

einen gesetzlichen Marktplatz umgangen hat, ohne dort zu zahlen oder anzugeben und dessen überführt wird, so verliert er Schiff und La­

dung; hat aber ein fremder Sclave solches gethan, so wird er fest­

gehalten, bis sein Herr kommt und den Schaden zahlt, dann darf er weiter reisen."

Als Strafen für den gewaltthätig und ungesetzlich

handelnden Zöllner wurde die Erstattung des unrechtmäßig erhobenen

Zollgeldes und die Bezahlung des königlichen Bannes, d. i. von 60

sol. fest gestellt, welche Buße zur

eineu Hälfte dem Verletzten, zur

andern dem königlichen Fiscus zufallen sollte. — Von einer Zollverpachtung finden wir im fränkischen Reiche keine Nachrichten

und grade hierin bestand ein Hauptuntcrschied zwischen dem römischen und dem fränkischen Zollwesen.

Die römische Republik verpachtete

die Land- und Hafenzölle öffentlich durch die Censoren an die Meist­ bietenden, das Kaiserreich behielt dieses Pachtsystem mit der Pacht­

zeit auf 5 Jahre bei und übertrug die Sorge dafür den Consulen, während die Pächter, publicani, eine einflußreiche Körperschaft aus

dem Ritterstande mit besonderen Rechten bildeten *); Von alledem findet sich int Frankenreich keine Andeutung.

Das gänzliche Schweigen

über Pachteinrichtungen und das überall hervvrgehobene unmittelbare

Verhältniß der Zollbeamten und Zollpflichtigen ztt der Regierung beweisen, daß ein solches Pachtsystem nicht mehr vorhanden war.

Dieses gesammte Zollwesen des Frankenreichcs, mit Abzug des Pachtsystems und mit Hinzunahme der durch die veränderten Ver­

hältnisse verursachten Umwandlungen im Einzelnen, war aus dem Römerreich übernommen.

Dies beweist einmal- der Umstand, daß es

0 Vergl. Livius, IV, 8. XXXII, 7. XXXIX, 44. XL, 51 — Taciti Annales, IV, 6. XIII, 50; 51. — Corpus Juris, Digest, de Publicanis 39, 4. De vectigalibus 4, 6. De locat. 4, 61.

— 25 schon unter Chlodowich I als ein vollständig ausgebildetes erscheint und die Erhaltung desselben im althergebrachten Zustand das einzige Ziel aller königlichen Erlasse während dieses ganzen Zeitraums blieb, was

freilich

eine allmählige Umgestaltung

Willen nicht verhindern konnte.

gegen

den königlichen

Weiter beweisen für diese römische

Abstammung die Zollerhebungsarten, ihre Anzahl und ihre Namen, die Künstlichkeit in der Erfindung derselben,

welche

eine ans die

äußerste Spitze getriebene Staatswirthschaft voraussetzen, deßgleichen

eine gewisse Uebereinstimmung in der ganzen Auffassung des Zoll­ wesens

im römischen und fränkischen Reiche.

Zollerhebung

ein Vorrecht des Staates,

In beiden war die

ein mit der Hoheit des

Reichsoberhauptes unzertrennlich gedachtes jus regni oder regale, in

beiden galt, neue Zölle cinzurichten, für ungesetzlich. Recht bestimmt:

Das römische

„neue Zölle können nicht durch Beschluß der Ge­

meinden aufgerichtet werden," und: „ohne Auftrag der Imperatoren

ist weder einem Präses noch einem Curator noch einer Curie erlaubt, Zölle aufzurichten oder bestehende zn ändern und etwas hinzu- oder abzuthun," endlich:

„neue Zölle sollen nicht ohne den Beirath der

Aus den Erlassen der fränkischen

Principes aufgerichtct werden." ’)

Kaiser wie aus ihrer thatsächlichen Ausübung des Zollrechtcs springt

derselbe Grundsatz überall hervor, wenn auch die Gelegenheit fehlte,

denselben in eine besondere Formel zu fassen. — Auch bei den Rö­ mern wurde ein scharfer Nachdruck auf die Gewohnheit im Zollwescn

gelegt.

„Von den Waaren, bestimmt das römische Recht, von denen

niemals Zoll entrichtet

wurde,

soll auch keiner entrichtet werden;

wenn aber die Entrichtung eines gewohnten Zolles durch die Nach­

lässigkeit eines Pächters unterblieb,

boten,

denselben

zu

erheben."

so ist einem andern nicht ver­

Auch

hier

wird

der Zoll auf's

Entschiedenste als die Abgabe von dem Handel und allen Handels­

waaren festgestellt: „Zölle ist die Leistung, welche alle tragen müssen, die sich mit dem Handel nnd der Verführung von Waaren abgebcn,"

und: „au der Leistung der Zölle soll unter keinem Vorwande gemin­

dert werden,

daß die ganze Klaffe derjenigen,

welche am Handel

Theil nehmen will, die durch das Gesetz festgestellten Octaven ent­ richten."

Demgemäß sind

auch

die Zollbefreiungen in den beiden

Reichen übereinstimmend, denn das römische Gesetz nimmt ausdrück-

*) Codex Jur. lib.IV, tit. LXII, 2; 3. — Digest, lib. XXXIX, tit. IV, nr. 10.



26

-

lich alle Provinzialen für die Gegenstände, welche sie zum Fiscus oder der eigenen Verzehrung und des Ackerbaues wegeu anfchren,

von der gesetzlichen Zollentrichtung aus, unterwirft aber derselbm alle Waaren, welche aus andern Ursachen oder des Handels wegm ge­ führt werden.

„Der Fiscus, bestimmt weiter das rönüsche Reiht, ist

von der Entrichtung jeglicher Zölle frei, die Kaufleute aber, die von

Fiscalgütern kaufen, haben keine Zollfreiheit," und „die für daL Heer bestimmten Gegenstände sind der Zollentrichtung nicht unterworfen." Auch die Strafbestimmungen in den Zollgesetzen zeigen noch eine

Uebereinstimmung, wenn auch die veränderten Verhältnisse schon

manche Abweichungen hervorgerufen hatten.

Das römische Recht,

das gemäß dem römischen Pachtsystem als Grundsatz

voraustellt:

„quantae audaciae, quantae temeritatis sunt publicanorum iactiones, nemo est qui nesciat,“ offenbart gegen Gewaltsamkeiten und

Nachlässigkeiten dieser Pächter eine große Strenge und bedroht Er­ pressung mit ewiger Verbannung und dreifacher Wiedererstattmg '). Zum Theil noch schärfer lauten die schon angeführten Strastestim-

mungen der fränkischen Könige,

die unmittelbar gegen königliche

Beamte gerichtet sind; die Bezahlung des königlichen Bannej und

die Wiedererstattung des ungesetzlich Erhobenen ist die gewöhnliche Strafandrohung, doch verheißt das Kapitular Ludwigs und Lrthars vom I. 825 den Schuldigen solche Strafe,'daß er den Lässigm ein abschreckendes Beispiel werde.

Zweiter Zeitraum. Das deutsche Zollwesen von der Degründung des Reichs bis

M Anfang des 16. Jahrhunderts. Erster Abschnitt.

Das ReichSzollwrsen. Die Merowinger hatten sogleich beim Beginn ihrer Hewschaft

das noch vorhandene Zollwesen als ein Regal an sich genommen, dasselbe trotz aller Umwandlungen behauptet und nur sparsan und

Vergl. Cod. Jur. lib. IV, tit. LXI, nr. 6 u. 7. — tit. LXII, tr. 3, 4 ii. 5. — Digest, lib. XXXIX, tit. IV, nr. 9, § 5, § 6, § 8. — Ebenda nr. 12.



26

-

lich alle Provinzialen für die Gegenstände, welche sie zum Fiscus oder der eigenen Verzehrung und des Ackerbaues wegeu anfchren,

von der gesetzlichen Zollentrichtung aus, unterwirft aber derselbm alle Waaren, welche aus andern Ursachen oder des Handels wegm ge­ führt werden.

„Der Fiscus, bestimmt weiter das rönüsche Reiht, ist

von der Entrichtung jeglicher Zölle frei, die Kaufleute aber, die von

Fiscalgütern kaufen, haben keine Zollfreiheit," und „die für daL Heer bestimmten Gegenstände sind der Zollentrichtung nicht unterworfen." Auch die Strafbestimmungen in den Zollgesetzen zeigen noch eine

Uebereinstimmung, wenn auch die veränderten Verhältnisse schon

manche Abweichungen hervorgerufen hatten.

Das römische Recht,

das gemäß dem römischen Pachtsystem als Grundsatz

voraustellt:

„quantae audaciae, quantae temeritatis sunt publicanorum iactiones, nemo est qui nesciat,“ offenbart gegen Gewaltsamkeiten und

Nachlässigkeiten dieser Pächter eine große Strenge und bedroht Er­ pressung mit ewiger Verbannung und dreifacher Wiedererstattmg '). Zum Theil noch schärfer lauten die schon angeführten Strastestim-

mungen der fränkischen Könige,

die unmittelbar gegen königliche

Beamte gerichtet sind; die Bezahlung des königlichen Bannej und

die Wiedererstattung des ungesetzlich Erhobenen ist die gewöhnliche Strafandrohung, doch verheißt das Kapitular Ludwigs und Lrthars vom I. 825 den Schuldigen solche Strafe,'daß er den Lässigm ein abschreckendes Beispiel werde.

Zweiter Zeitraum. Das deutsche Zollwesen von der Degründung des Reichs bis

M Anfang des 16. Jahrhunderts. Erster Abschnitt.

Das ReichSzollwrsen. Die Merowinger hatten sogleich beim Beginn ihrer Hewschaft

das noch vorhandene Zollwesen als ein Regal an sich genommen, dasselbe trotz aller Umwandlungen behauptet und nur sparsan und

Vergl. Cod. Jur. lib. IV, tit. LXI, nr. 6 u. 7. — tit. LXII, tr. 3, 4 ii. 5. — Digest, lib. XXXIX, tit. IV, nr. 9, § 5, § 6, § 8. — Ebenda nr. 12.

27 vorsichtig durch Verleihungen an Stifter und Kloster geschmälert. Pippin, Karl der Große, Ludwig der Fromme verfolgten denselben

Weg, doch unter den Söhnen des Letzteren, bei Brnderkriegen und

Zerrüttungen aller Art gewann auch auf diesem Gebiete die sich immer mehr entwickelnde Landesherrlichkeit festeren Boden und bald machte

sich überall neben dem allgemeinen königlichen ein besondres landes­ herrliches Zollrecht, wenn auch noch in untergeordneter und meist ungesetzlicher Weise geltend.

In Folge der dadurch entstandenen Vc-

hindernng des Verkehrs setzten die weltlichen und geistlichen Fürsten

des Donaugebietes gemeinsame Zollordnungen fest und gaben dadurch den ersten thatsächlichen Beweis

eines heimisch gewordenen, freilich

auch schon entarteten Zollwescns auf rein deutschem Boden.

Das

Interesse der Landesherren, die Noth und der Vortheil einzelner Neichstheile, nicht das Reich und sein Haupt als die Quelle des Rech­

tes traten im deutschen Zollwesen bei dieser seiner ersten öffentlichen

Bethätigung ordnend und gesetzgebend hervor.

Hier also hatte that­

sächlich der Theil des Reiches vor dem Ganzen, der Landesherr vor

dem König den Vorsprung gewonnen. — Nach dem Anssterben der Karolinger folgten in Deutschland Könige ganz anderer Art, die nicht

durch das Recht der Geburt, sondern durch die Wahl und Zustim­ mung der Land besitzenden Großen, nicht als alle überragende, auf unantastbare Höhe gestellte Häupter, sondern als Gleiche durch die

Gleichen Thron und Krone erhielten, die also auch jener Landes­ herrn recht- ilnd unrechtmäßige Besitzthümer ganz anders berücksich­

tigen und anschauen mußten, als dies die Merowinger und Karolinger ans erobertem und ererbtem Thron zu thun für Pflicht erachteten. Wir betrachten die großen Männer des Hauses, das zuerst mit des

deutschen Reiches Thron hanshäblich zusammenwuchs, als die Reichs­

häupter, welche mit dem größten Aufwande von Willens- und Geistes­ kraft die königliche Oberhoheit zu so hohem Gipfelpunkte emporhoben,

wie dieselbe sich später nie wieder bei einem Könige, mit Ausnahme höchstens

von Heinrich III, darstellte.

Und

doch

erkennen wir,

wenigstens auf dem Gebiete des Zollwesens, unter diesem sächsischen Hause schon einen Umschwung der Verhältnisse, der nur zu deutlich

beweist, welche Entschiedenheit und Festigkeit in der Entwicklung die Landesherrlichkeit schon gewonnen hatte. Freilich aber sind ans dieser ältesten Zeit des deutschen Reiches der das Zollwesen betreffenden Urkunden zu wenige auf uns gekommen,

28 um daraus mit Sicherheit die von Konrad I und Heinrich I cinge-

haltenen Grundsätze zu erkennen.

Die wichtigsten sind die, wodurch

Konrad I im I. 919 und Heinrich I im I. 923 dem Stifte Würz­

burg die angeblich schon durch Ludwig den Frommen geschehene Schenkung der dortigen Zvlleinkünfte bestätigten') und woraus also

nur die Thatsache hervorgeht,

daß schon vor der Wahl Konrads I

ein bedeutender Theil der Mainzöllc dem Reiche entfremdet und der Landeshcrrlichkeit des würzburgschen Bischofs anheimgefallcn war.

Von den Zollurkunden der übrigen sächsischen Kaiser sind wenigstens

drei Viertheile solche, welche das Zollrecht, also die thatsächliche Erhebung eines Zollgeldcs verliehen und dadurch des Reiches Ein­

nahmen und Hoheit schmälerten.

Otto I schenkte im I. 937 dem

Moritzkloster zu Magdeburg den dortigen Zoll mit der Münze und fügte im I. 965 eine neue Bestätigung des Land-

und Wasser-

zolles daselbst den Zoll zwischen der Ohre und Bode hinzu^).

Jrn

I. 947 verlieh derselbe der Kirche zu Worms den Zoll daselbst und ergänzte im I. 951 die zwei Dritthcile des Zolls, welche diese Kirche zu Ladenburg besaß, mit dem letzten Drittheil ^). In diesen und an­

dern Urkunden ist häufig von älteren Verleihungen die Rede, die

aber nach der Angabe durch Feuersbrunst meistens zu Grunde gegangen waren; mithin war also den kaiserlichen Urkunden irgend wann und

irgend wie eine thatsächliche Erwerbung des nun Verliehenen vorausgcgangen. Dem Stifte Chur verlieh derselbe Kaiser im I. 952 „allen

Zoll von den Reisenden und von den überallher zusammenströmenden

Kaufleuten, von jedem Kaufgeschäft im Orte Chrlr, das nach alter Gewohnheit bis dahin Zoll entrichtet hatte", und im I. 960 das

Zollrecht mit andern Königsrechten im Thale Bregell in Graubünden/) Dem Bischof Drugo von Osnabrück übertrug er im I. 952 den Zoll zu Widenbrücke ^), im I. 956 dem Michacliskloster zu Lüneburg den

Salzzoll daselbst, wozu er im I. 965 noch ein Fünftheil des Markt­

zolles daselbst und ein Zehntheil des Reichszolls zu Bardewick fügte/)

im I. 950 dem Nonnenkloster zu Meschede Zoll- und Marktgeld da­ selbst 7), im I. 965 dem St. Moritzkloster zu Magdeburg den Markt*) Monumenta Boica XXVIII, 155; 159. — 2) Gercken, Cod. diplomat. III, 35; 37. IV, 353. — 3) Schannat, histor. Wormat. 18; 19. — 4) Conrad v. Mohr, Codex diplom. S. 70; 75; 79. — 5) I. Möser, OSnabrückische Gesch. S. 266. — 6) Pfeffinger, Geschichte des braunsch. lüneb. Hauses I, S. 308; 309. — 7) Seibertz, Urkundenbuch Westfalens I, 12.

29

zoll in Getlide,') im I. 966 dem Erzbischof von Hamburg mit dem

Markt- und andern Rechten den Zoll in Bremen?)

Die Thätigkeit

dieses Kaisers auf diesem Gebiete kennzeichnet sich nach den Urkunden hauptsächlich durch solche Freigebigkeit in Verleihungen von Zoll­ rechten an Stifter und Klöster. — Nicht minder freigebig gegen diese

war Otto IT.

Der Bischof von Halberstadt erhielt den Zoll von

Seligenstadt, der Abt von Werden die Zölle zu Werden und Luding­

hof, der Bischof von Lüttich den Zoll in der Grafschaft Fossis, das Frauenkloster St. Hippolyt den Zoll zu Gerichsheim, das Hochstift Chur den Brückenzoll in Chiavcnna, wie er bisher nach königlichen

Rechten erhoben worden, das Stift Meißen den Elbzoll daselbst ^)u. s. w.—

Otto III schenkte und bestätigte Zollrechte dem Kloster Lorsch zu Wisloch, dem Erzstifte Magdeburg zu Gibichenstein, der Abtei Selz,

dem Kloster Gandersheim, dem Bischof von Passau, dem Kloster St.

Maximin in Trier, dem Bischof von Verden, den Klöstern Nienburg, Memleben, Helmcrshausen?)

Auch von Verleihungen an weltliche

Landesherren finden wir ein Beispiel, des Zollrechtes zu Villingcn an den Grafen Bertold?)

Solcher Beleihung eines Weltlichen, des

Grafen Wilhelm mit dem Zoll in der Grafschaft Friesach,6) begegnen wir auch unter den Urkunden Heinrichs II, welche im Uebrigen ganz

dieselbe Neigung zur Ueberlassung königlicher Zvlleinnahmen und Rechte an geistliche Landesherren bezeugen. Unter den Urkunden der Kaiser aus fränkischem Hause betreffen

gleichfalls nur wenige das Zollwcsen, aber auch in diesen herrscht dieselbe Freigebigkeit.

Konrad II bestätigte dem Bischof Meginhard

von Würzburg mit der Münze und den gesammten königlichen Rechten den Schiffszoll daselbst und verlieh dem Erzstift Bamberg Gericht,

Markt und Zoll zu Lemberg?)

Heinrich III begabte den Bischof

Gebhard von Eichstädt mit dem Zoll und allen königlichen Einkünften zu Beilngries und Waldkircken, bestätigte der Abtei St. Maximin zu

Billich Markt, Zoll und Münze, und verlieh der Abtei Brauweiler

*) Böhmer, Urkunden der röm. Kaiser S. 16. — 2) Lünig, Reichsarchiv 10, 921; 924. — 3) v.Ludewig, Reliq. manuscr. VII, 458. — Schalen I, 316. — Böhmer a. a. O. S. 26; 28.— v. Mohr a. a. O. I, S. 97. — Cod. dipl. Saxoniae Reg. ed. Gersdorf I, 16. — 4) Cod. Laurech. I, 139. — Gercken V, 67. — Alsatia diplomat. ed Schöpflin, I, 137. — Böhmer, S. 36. 45. 46. — Mon. Boic. XXVIII, 274. — Hontheim, hist. Trevir. I, 339. — Hodenberg, Velbener Geschichtsquellen II, 19. — 5) Schöpflin, hist. Zaeringo-Badensis IV, 11. — fi) Böhmer, S. 59. — 7) Lang, Reg. Boica. I, 77.

30 dieselben Rechte. *)

und

Die Landfrieden desselben Kaisers vom I. 1039

10512) enthalten zwar manche Bestimmung über Straßenbc-

friedung, doch nichts über Zollrecht und Zollstätten. Auch das Wenige,

was von Heinrichs IV Wirksamkeit auf diesem Gebiete erhalten ist,

beweist, daß das Zollrecht schon mit-der Landesherrlichkeit eng und unzertrennlich verwachsen war.

Der Erzbischof Anno II von Köln

gründete im Jahre 1069 die Abtei Siegburg, begabte dieselbe mit

Markt-, Münz- und Zollrechten und ließ sie dann erst mit solcher

Ausstattung von Heinrich IV bestätigen.3)

Einen bemerkenswertheu

Gebrauch von seinem Oberzollrecht machte dieser Kaiser, indem er der Stadt Worms für ihre Treue die Zollbefreiung zu Frankfurt, Boppard, Hammerstein, Dortmund, Goslar und Angern ertheilte^).

Die wenigen erhaltenen Zollurkundeu der nachfolgenden Kaiser bis auf Friedrich I enthalten als bemerkenswerth die Heinrichs V über dm Zolltarif zu Utrecht und Lothars über die Ermäßigung der

Elbzölle^). —

In Friedrichs I Urkunden erscheint eine dreifache Thätigkeit. Zunächst befreite auch er Stifter und Gemeinden vom Zoll, die Bürger vom Bamberg und Lemberg in derselben Weise wie die Nürn­

berger schon von früheren Königen befreit waren, die Bürger von Utrecht, das Kloster Kappenberg zu Kaiserswerth') u. a.

Dann

belieh er mit Zollerhebungen die Abtei Altors im Elsaß, das

Hochstift Brixen, den Erzbischof Rainald von Köln zum Lohn für die gegen die Römer geleistete Hülfe mit dem Zoll jii Andernach,

den Grafen Otto von Geldern mit 300 Mark von dem Reichszoll zu Nimwegen, doch daß er davon die dortige Reichsburg erhalte2). In zwei Fällen wurden hier von Friedrich I Ncichszölle als Lohn für

geleistete Dienste verliehen, was unter seinen Nachfolgern ein nur zu wirksames Mittel wurde, das Krongut des Reiches nach allen

Richtungen zu zerstreuen. Die dritte Art von Thätigkeit, die Friedrich I

auf diesem Gebiete entfaltete, haben wir seit den Karolingern bei den 4) Calmet, histoire de Laurain I. 447. — Lacomblet, Urkundenbuch dcS Niederrheins I, 117. — 2) Liinig, Reichsarchiv, Part. gen. cont. II, S. 73; 74. — s) Lacomblet, Urkundenbuch des Niederrheins I, S. 138. — 4) Schannat, Histor. Wormat. 342. — 5) Böhmer, a. a. O. S. 106. Riedel, Cod. dipl. Brandenburg. I, 14, S. 357. — 6) Von Murr, die Urkunden der Stadt Nürn­ berg, S. 6. — Böhmer, S. 137. — Kindlinger, Sammlung, S. 150. —7) Schöpflin a. a. O. I, S. 238. Hormayr, Geschichte von Tirol I, 87. — Lacomblet I, S. 296.

31 Reichshäuptern vergeblich gesucht.

Schon in der Zollbefreiung für

Duisburg machte derselbe zum Schutze der Handel treibenden Bür­ gerschaft im Reiche gegen die Uebergriffe eines Landesherrn seine Oberhoheit int Zollwesen geltend.

Noch entschiedener that er dieses

auf dem Hoftage zu Worms im April 1157').

Als hier von Bür­

gern und Kaufleuten die heftigsten Beschwerden zu ihm drangen, daß

auf dem Main von Bamberg bis zu seinem Ausflusse ungewohnte

und ungesetzliche Zölle in großer Anzahl erhoben und die Kaufleute

nicht selten dabei gänzlich ausgeraubt würden, befahl er mit dem Rath der Fürsten, daß bei dem Geburtsfeste des Herrn alle, welche

auf jeitem Flusse Zoll erhöben, das Recht dazu durch königliche Ur­ kunden vor ihm nachweisen und alle nicht ursprünglich begründeten

Zölle auf ewige Zeiten aufgehoben sein sollten; wer nicht erscheine, sollte seinen Zoll verlieren und nur die Zölle zu Neustadt, Aschaffen­

burg und Frankfurt als dem Reiche zuständig ausgenommen sein; in Zukunft sollte Niemand die im Flusse fahrenden oder ihre Schiffe auf dem königlichen Leinpfad ziehenden Kaufleute mit Zoll oder irgend

sonst belästigen. — Noch in anderer Weise war Friedrich I auf die

Kräftigung des Neichszollwesens bedacht.

Kaiserswerths), durch eine

Schenkung Heinrichs II dem Reiche entfremdet, durch Heinrich III

aber im I. 1045 zurückerworbcn, wurde unter Heinrich IV, der hier

oft und gern verweilte, ein großer Königshof.

Auf diese Reichsburg

verlegte Friedrich I den Reichszoll von Thiel, um mit den Einkünften desselben die Burg zu bauen und zu bessern und durch diese wieder

des Reiches Ansehen in diesen Gegenden aufrecht zu erhalten.

Eine

Inschrift an der Burg verkündete mit goldenen Buchstaben, daß ihr Zweck sei, Gerechtigkeit und Frieden ringsum zu festigen. Die spätere Geschichte der Reichsburg aber und des Reichszolles entsprach keines­

wegs den Absichten des großen Hohenstaufen.

Die benachbarten

Landesherrn, vor allen der Erzbischof von Köln, warfen Haß auf

Burg und Zoll, schwächten letzteren durch Erwerbung von Zollfrei­ heiten und, wenn es auch dem Erzbischof nach der Eroberung der

Burg durch König Wilhelm noch nicht gelang, dieselbe in die eigene Hand zu bringen, so kamen doch weder Burg noch Zoll jemals an die Reichskrone zurück, sondern wanderten als Pfand von einem Lan-

dcsherrn zum andern. *) Mon. Germ. IV, 'S. 104. Vcrgl. Zeitschrift für die Geschichte dcS Oberi hei ns, IV, S. 16. — 2) Lacomblet, Archiv rc. III, S. 3 folg.

32 Auch Heinrich VI machte sein Oberzollrecht im I. 1194 gegen

den Grafen Gerhard von Altenahr geltend').

„Gerhard, Graf von

Ahr, sagt die Urkunde, hat bekannt, daß er den Zoll bei Eckendorf ungerechter und unbegründeter Weise erhebt und hat deßwegen in

Gegenwart des Kaisers und der Fürsten und Treuen des Reiches versprochen, daß weder er noch ein Andrer am genannten Orte von

den Kaufleuten Zoll empfangen noch verlangen will; wenn er dieses Versprechen bricht, zahlt er 100 Mk. zur Strafe an uns und an die

beeinträchtigten Bürger von Wesel". — Der Könige Philipps und Ottos IV in geringer Zahl erhaltene Zollurkunden geben einen Be­

weis mehr von der Abhängigkeit dieser Reichshäupter von den mäch­

tigeren Landesherren.

So hob jener, nur dem Erzbischof von Trier

zu Gefallen, den Zoll von Kochem auf und minderte die ungewöhn­

lichen Zollabgaben an der Reichszollstätte zu Hammerstein^), dieser

aber verzichtete zu Gunsten des Erzbischofs von Magdeburg auf die Zollcinnahme in bischöflichen Städten, wenn er darin Hof halte, hob zu Gunsten des Bischofs von Trient eine vom König Philipp an

Ulrich de Aren verliehene Zollstätte auf und gestand dem Erzbischof von Köln eine Beschränkung und Aufhebung der Reichszollstätte zu

Kaiserswerth und Duisburg, wie die Zerstörung der Reichsburg Kaiserswerth zu,

ohne daß jedoch alle

dies wirklich ausgeführt

wurde3). Bedeutender sind die Urkunden Friedrichs II auf diesem Gebiete.

Wohin er auf seinen'Reisen durch Deutschland kam, bestätigte er gleich seinen Vorgängern den weltlichen und geistlichen Landesherrn

die erworbenen Rechte oder verlieh neue für erwiesene Dienste. Dem Grafen Gerhard von Dietz verlieh er einen neuen Zoll zu Dietz von

Frucht und Wein, dem Grafen von Geldern bestätigte er mit Beistimmung der Fürsten und des Erzbischofs von Köln die Verlegung seines Zolles

von Arnheim nach Lobith, dem Grafen Thomas von Savoyen über­ trug er alle Zölle und Königsrechte in seiner Grafschaft als Reichslehen und erlaubte zur Erstattung der in seinem Dienst aufgewendeten Kosten die Erhöhung des Zolles zu Turins. — Die allgemeineren Zoll­

erlasse Friedrichs II beweisen, wie maßgebend der Einfluß der Landes­ herren

schon

geworden war.

Der Wille des Reichsoberhauptes

l) Lacomblet, Nrkundenbuch I, S. 379. — 2) Günther, Cod. II, 79. — 3) Böhmer, S. 160. 162. — Lacomhlct a. a. O. I, 392. — Mon. Germ. IV, S. 206. — 4) Böhmer, S. 174. 209. Lacomblet II, S. 55.

33

erscheint geleitet von dem Vortheil und den Wünschen der Fürsten, des Reiches Beschluß hat in den meisten Fällen nur die Absicht, ihren Einfluß und ihre Einnahmen zu mehren. Im I. 1220 ertheilte Friedrich II den geistlichen Fürsten ein Privileg'), dessen 2. Artikel

heißt: „Neue Zölle und Münzen wollen wir in den Gebieten und

Geri chtsb ezirken der Fürsten ohne ihren Rath und Willen nicht mehr errichten; ihre alten Zölle und Münzrechte wollen wir ihnen unerschüttert und sicher erhalten und schützen und dieselben

weder selbst aufhebcn noch eine Verletzung derselben durch andre auf

irgend eine Weise erlauben." Weiterhin wird den kaiserlichen Beamten jede Ansichnahme kaiserlicher Gerichtsbarkeit insbesondere bei Zöllen und Münzen verboten.

Damit war des Reiches Grundgesetz, daß

nur der kaiserliche Wille Zölle errichten und aufhebm, erhöhen und mindern dürfe, gesetzlich an den Rath und Willen der Fürsten ge­

bunden. — Ein Zollstrcit giebt dafür sogleich den Beweis.

Als sich

nach Ertheilung jenes Privilegs gegen die Zölle des Grafen Gerhard

von Geldern^), welche derselbe vom Reich zu haben vorgab, große Klage erhob, befahl der Kaiser dem Erzbischof von Köln, daß er den

Grafen aus königlicher Vollmacht bedrohen solle, keinen Zoll bei Arnheim, Osterbeck, Lobith oder an einem andern Orte des Rheins

fernerhin zu nehmen, gleichviel ob er Gewähr oder Briefe von ihm und seinen Vorfahren darüber erlangt habe, denn auf dem Hoftag zu

Frankfurt sei beschlossen und von den Fürsten bekräftigt, daß kein Zoll und Recht zum Schaden eines Andern im Reiche bestehen solle.

Diesem Befehl wurde jedoch nicht ganz Folge gegeben, denn auch Graf Gerhard erwarb sich Verdienste nm das hülfsbedürftige Reichs­

oberhaupt, so daß dieses ihn im Jahre 1222 zur Verlegung des Zolls

von Arnheim nach Lobith ermächtigte und auch des Erzbischofs und der Reichsfürsten Zustimmung dazll erreichte. — Im I. 1234 setzte

derselbe Kaiser wieder fest: „Falsche und ungesetzliche Münzen und

Zölle, welche seit den Jahren unsers Großvaters Friedrich ohne die Zustimmung und den Willen der Fürsten eingerichtet sind, heben wir durch diesen Spruch auf und befehlen sie abzuthun, und wir

zuerst heben die von uns neuerlich her gestellten auf; Uebertreter wollen wir mit gewaltiger Hand treffen3)". Bedeutungsvoll für die Geschichte des Zollwesens ist die durch *) Mon Germ. a. a. O. S. 228. — 2) Lacomblct IT, S. 54. 55. — 3) Mon. Germ. IV, S. 301. Falke, Zallwesen. 3

34 Friedrich II auf dem Reichstag zu Regensburg im I. 1235 auf­ gerichtete Ordnung, deren 6. Artikel „von den Zöllen und Münzen" also tautet1): „Alle Zölle auf dem Lande und auf dem Wasser, die

nach dem Tode unsers Vaters Heinrich, es sei von wem und wo es wolle, aufgerichtet sind, sollen gänzlich absein, außer es beweise der

Inhaber, wie es Recht ist, vor dem Kaiser, daß er den Zoll zu Recht besitze.

Desgleichen sollen gänzlich ab sein alle Erhöhungen

von Zöllen und sollen im Stande der früheren gesetzlichen Feststellung bleiben.

Wenn aber jemand dieses unser Gesetz bricht, gegen Pflicht

und Gesetz handelt oder einen Zoll sich anmaßt an ungesetzlichem

Orte und wird dessen vor seinem Richter in rechtlicher Weise über­ führt, so wird er bestraft wie ein Räuber und Verderber der öffent­ lichen Straße. *$)ie Empfänger von Zollgeldern zu Land und Wasser

sind durch ihre Pflicht gehalten, Brücken und Straßen ju bessern,

den Durchreisenden und Schiffenden, von denen sie Zollgeld erheben, Frieden, Sicherheit und Geleit zu schaffen, so daß diese nichts ver­

lieren, so weit ihr Gebiet reicht.

Wer zum dritten. Mal im Gericht

vor uns überwiesen ist, daß er dies Gesetz nicht gehalten habe, dessen Zoll steht dem Herrn ledig, von dem er ihn hat.

Auch sollen weder

Herren noch Gemeinden unter dem Vorwande, Befestigungen davon zu bauen oder aus irgend einem andern Grunde Zoll und Abgaben, die das Volk Ungeld nennt, von auswärtigen und fremden Leuten und ihren Gütern erheben, sondern der Herr soll mit seinem und dem Vermögen seiner Leute bauen;

werden bestraft wie Straßenräuber.

die Uebertreter dieses Gebots Entsteht Krieg oder Fehde unter

einigen, von denen der Eine oder Andre Zoll und Geleit auf der Straße hat, so soll keiner von ihnen noch irgend ein Anderer aus

Haß oder auf Schuld dessen, dem Zoll und Geleit

Reisenden berauben,

damit

diese auf

gehören,

die

der Straße Sicherheit und

Frieden genießen; wer dagegen handelt, wird wie der Straßenräuber

bestraft.

Auch wollen wir, daß die öffentlichen Straßen beibehalten

Und die erzwungenen abgethan werden." — Zuerst also hebt diese Ordnung alle bisher d. i. vor der Umwandlung des Reichsgrund­

gesetzes geschehenen Zollaufrichtungen und Erhöhungen auf; fortan

sollte jede Veränderung im Reichszollwesen vom Reichshaupt und der Zustimmung des Fürstenrathes abhängen. Zweitens macht

') Ebenda, S 315.

35 dieselbe wieder den Grundsatz geltend, daß, wer Zollgeld einnimmt,

sich dadurch zu einer Gegenleistung, zur Erhaltung der Straßen und des Straßenfriedcns verpflichtet.

„Hieraus verstehst du nun, sagt

eine Glosse zum Sachsenspiegel, daß Zoll und Geleit um der Noth­

durft willen und nicht aus Geiz aufkvmmen sind."

Drittens ver­

bietet die Ordnung die Erhebung des Ungelds unter irgend welchem

Vorwand.

Viertens befiehlt sie den Zoll- und Geleitsherren, auch

während Krieg und Fehde den Straßenfrieden innerhalb ihres Ge­

bietes aufrecht zu erhalten und fünftens will sie die einmal bestehen­

den öffentlichen Reichsstraßen, stratae regiae oder publicae, cingehalten und niemand gezwungen wissen, andere Straßen zu fahren, verbietet also, den Straßenzwang auszuüben.

Obwohl Friedrich II,

durch die Verhältnisse des Reichs und seines Hauses gezwungen, der Landesherrlichkeit einen entscheidenden und gesetzlich festgestellten Ein­

fluß auf die kaiserlichen Entschließungen zugestehen mußte, sehen wir ihn doch klaren und kräftigen Sinnes bemüht,

die überlieferten

Grundsätze des Zollwesens wieder aufzurichten und zur Erleichterung

des allgemeinen Verkehrs geltend zu erhalten. Nach Friedrichs II Tode folgte

in Deutschland die bekannte

kaiserlose Zeit, welche für die Entwicklung des Reichs und seiner Verfassung dadurch vcrhängnißvoll wurde, daß der eine der beiden

Gegensätze, welche bis dahin mit mehr gleich gemeßnen Kräften ein­ ander entgegen standen, gewann.

auf eine Zeit lang die Herrschaft allein

Die Landesherrlichkeit, vom Gegengewicht der kaiserlichen

Oberhoheit befreit, benutzte diese Gelegenheit mit Glück und Eifer

zur Vergrößeruug ihres Besitzes, zur möglichen Festigung und Aus­ bau des eignen Hauses.

Die Scheinkönige, welche während dieser

Zeit Deutschlands Unglück auf deu Thron rief, mußten, was sie an Ansehn und Macht mitbrachten oder erlangen konnten, dem Streben

der Landesherrlichkeit zu Dienst und Nutzen hingeben und machten

dadurch möglich, daß nach Ablauf weniger Jahrzehnte das deutsche Reich in seiner Verfassung umgewandelt- dastand.

Neue Elemente

bildeten sich in dieser Zeit der Zerrüttung nicht, der ganze Umschwung bestand vielmehr darin, daß alle Einzelglieder, die vorher mit Mühe

und Noth

einigermaßen

in

organischem Zusammenhang

erhalten

waren, sich jetzt thatsächlich aus einander schieden und jedes inner­

halb seines Bereiches dieselbe Machtvollkommenheit an sich nahm, welche altem Herkommen gemäß nur dem Ganzen und dessen pt>er=

36 Haupt zustehen und von jenen nur in des Reiches Auftrag und Namen gehandhabt werden sollten. Damit war dem Reiche die Entwicklung vorgeschrieben, welche, bis hierher bekämpft, jetzt um so folgerichtiger eingehalten wurde. Von der Entwicklung des Zollwesens von Fried­ richs II Tode bis zur Wahl Rudolfs I würden wir deshalb nur ein höchst unvollständiges Bild erhalten, wenn wir allein die Urkunden und Verordnungen der während dieser Zeit berufenen Könige berück­ sichtigen wollten. Die unbedeutende Thätigkeit dieser würde nur den negativen Theil dieses Bildes geben, und erst, wenn wir weiter unten die Fortschritte der Landesherren und Gemeindeu auf diesem Gebiete übersehen können, zeigen sich diese Verhältnisse in ihrer Vollständigkeit. Bevor ich aber in dieser Darstellung weiter gehe, mögen hier zur Ergänzung und Vergleichung die zollgesetzlichen Bestimmungen des Sachsen- und Schwabenspiegels, welche im Gegensatz zu der umgewandelten Reichsverfassung das althergebrachte Oberzollrecht des Königs auf's Entschiedenste festhalten, ihren Platz finden. So sagt der Sachsenspiegel^): „niemanne mut market noch monte erhebben ane des rihteres willen bynnen der gerihte it leget. Ok sal die koning durch recht einen handscho dar to senden to bewisene dat it sin wille si.“ Dazu nehmen wir eine andre Stelle^): „In svelke stat des rikes de koning kumt binnen dem rihte dar is yme ledich monte vnde toln, vnde in svelke lant he kumt, dar is yme ledich dat gerihte.“ Also hörte das Einzelzollrecht auf, wo der König durch seine Anwesenheit des Reiches Oberzoll­ recht geltend machte. Dieselbe Bestimmung finden wir auch im langobardischen Lehenrecht (Cap. II tit. 56). Mit ausdrücklicher Berufung auf Karl den Großen iiub Pippin als die Quelle dieses Rechtes nimmt der Schwabenspiegcl die unbedingte Oberhoheit des Königs im Zoll- und Münzwesen in Anspruch. Das Kapitel „wie man zol nemen sol“, sagt in § 1 und 23) : „Ez sprichet der selige und der heilige keiser Karel: ez sol nieman deheinen zol nemen wan der von alter her ist körnen mit rehte, und den min ane und min vater künic Pippin gesetzet hant. Den wellen wir stete han und wellen ouch für baz deheinen sezen. Und swer *) Sachsenspiegel, herausgeg. von Homeyer S. 87, lib. II, Art. 26, § 4. — 2) Ebenda, S. 159; lib. III, Art. 60, § 2. — 3) Cchwabenspiegel, Cap. CCC1V, § 1 u. 2; Ausgabe von Gcngler S. 191.

deheinen andern gesetzet hat, den nemen wir abe. Und swer über lant vert und mac ane brühen gevaren, in sei niemant Zolles anmuten. Wir gebieten allen den, die in unserme riebe sint, daz si deheinen zol nemen ane unser urloup. Swer ez dar über tut, der verliuset unser hulde. Wir sprechen, daz alle zolle und alle münzen, die in dem römischen riche sint, die sint eines römischen künigs; und swer si wil haben, der si pfaffenfürste ader leienfürste, der muz si haben von dem römischen künige. Und swer daz nicht tut, der frevelt an dem riche.“ Wie sehr die Entwicklung der Neichsvcrfassung schon unter Friedrich II eine diesen Bestimmungen entgegengesetzte Richtung cingeschlagen hatte, haben wir gesehen, und weiter unten wird sich zeigen, daß die thatsächlichen Verhältnisse im Zollwcsen sich noch viel weiter als die Reichsverfassung von dem alten Herkommen entfernt hatten. Rudolf I, aus der Reihe der in allem gleichgestellten Landes­ herren, wie man vermeinte, als einer der unmächtigeren und unschäd­ licheren auf den Königsthron berufen, war zn klug und zu erfahren, dabei selbst der Unterstützung zu bedürftig, als daß er die Herstellung eines deutsch-römischen Kaiserreichs im Sinne der großen Herrscher der Vergangenheit als seine Aufgabe hätte erfassen sollen, und grade dadurch wurde feine Regierung für die Entwicklung des Reichs höchst folgenwichtig. Indem er sich bemühte, der eingerissenen Auflösung nach Möglichkeit Schranken zit setzen und der Gewalt und Willkühr in ihrer schlimiwsten Ausartung den Riegel vorzustoßen, machte er ein für allemal durch reichsoberhoheitliche Bestätigung gesetzlich, was wohl oder übel eine nicht weg zu leugnende Thatsache geworden war. Im Reiche umherreisend bestätigte er, was er nicht hindern noch ändern konnte, verlieh, was der Beliehene schon sein Eigen nannte, sicherte für immer durch kaiserliche Urkunden, was gegen alle Gesetze seit Jahr und Tag Bestand genommen hatte. So wurde im Großen nnd Ganzen seine Regierung das Mittel, wodurch das deutsche Reich die Umwandlung aus einem wenigstens angestrebten Einheitsstaat in eine gesetzlich bekräftigte Vielherrschaft vollzog und die LandesHerrlichkeit den Sieg über die Reichsoberhoheit vollendete, so daß diese sich fortan mit der zweiten Stelle begnügen mußte. — Auch das Zvllwesen erscheint nach dieser Zeit thatsächlich in die Macht der Landesherrn und Gemeinden übergegangcn und die Summe dessen,

38

was Kaiser und Reich von dem ursprünglichen Kronrechte gerettet hatten, bestand fast nur noch aus vereinzelten Reichszvllstätten längs

der großen Wasserstraßen und den eben so zerstreuten, nach und nach gleichfalls entfremdeten Zöllen der Reichsstädte. Die Oberhoheit im Zollwcsen war thatsächlich und gesetzlich ein Gut geworden, über das

der Kaiser nur noch^ in Gemeinschaft und nach dem Willen der mächtig­

sten Landesherren entscheiden konnte, und nur soweit er eigene Haus­

macht besaß, also selbst Landesherr war, hatte er mit den Uebrigen sein besondres Zollrecht.

Demgemäß besteht ein großer Theil der

Zollurkunden Rudolfs aus landesherrlichen, für das eroberte Oester­

reich erlassenen.

Aus den von ihm als Kaiser ertheilten hebe ich

hier nur die vom I. 1281 ’) hervor, wodurch er alles, was nach der Excommunication Friedrichs II ohne die Bestimmung des größten

Theils der Wahlfürsten geschehen sei, für nichtig und aufgehoben er­ klärte, thatsächlich also das Zngeständniß Friedrichs II, daß nur

durch Beistimmung der Fürsten die kaiserlichen Beschlüsse reichsgc-

setzliche Geltung erlangen sollten, bekräftigte.

In einzelnen Fällen

ging Rudolf auch gegen Uebergriffe der Landesherren und Gemein­

den vor, im Allgemeinen jedoch verfolgen seine Urkunden keine andre Richtung, als die seiner nächsten Vorgänger.

Wichtiger sind die den kaiserlichen Landfrieden eingestrenten Zoll­

gesetze. Immer noch herrschte in ihnen dieselbe Sprache und dieselben Grundsätze, welche auf die Kapitularieu der Karolinger zurückweisen, leider aber erlangten sie gewöhnlich nur da eine Geltung, wo sich

der Landbesitz

am meisten gesplittert hatte und das landesherrliche

Begehren des Adels am ausschweifendsten hervortrat, in Franken am Main und Rhein und in den Gebieten der mittleren Donau,

wo

Rudolf seine Hausmacht begründete. In dem Landfrieden für Oesterreich vom I. 1276 2) heißk es: „Aus kaiserlicher Machtvoll­ kommenheit heben wir gänzlich auf alle neu errichteten Zölle, welche Namen sie haben mögen, zu Wasser und zu Lande, doch sollen be­

stehen bleiben alle, die nach Gewohnheit des Landes von Alters her

sich

erhalten haben." — „Wir setzen und gebieten,

sagt der für

Franken errichtete Landfriede3), daß alle die Zölle, die mit Unrecht

erhöhet fhtb anders als sie von Anfang gewesen,

ihre Erhöhung

*) Lünig, R. A. Part. gen. cont. II, S. 135. — 2) Mon. Germ. IV 411. (omnes mutas, telonea, vectigalia et pedagia.) — 3) Ebenda, S. 434.

39

verlieren, und der Zoll bleibe, wie er von Recht sein soll, daß auch

niemand einen Zoll nehme, außer nach Recht und wo er Recht hat zu nehmen; wer das bricht, den soll man halten wie einen Straßen­

räuber.

Auch sollen die Zölle, welche seit Kaiser Heinrichs Tode zn

Wasser und zu Land von wem auch immer gesetzt sind, alle ab und nichtig sein, es sei denn, daß man vor dem Reiche beweise, man habe den Zoll mit Recht.

Alle, die Zolle erheben zu Wasser und auf

dem Lande, sollen Wegen und Brücken ihr Recht halten mit Bauen

und Bessern und wer den Zoll nimmt,

soll den,

von welchem er

nimmt, befrieden und geleiten nach seiner Macht, soweit sein Gerichte

reicht, und wer dies Gebot zu dreien Malen bricht und wird dessen

vor Gericht überführt, dessen Zoll soll dem Reich erledigt sein. —

Man soll auch die rechte Straße fahren und niemand den Andern

von der rechten Straße zwingen. — Wenn zwei mit einander Orlog haben und der Eine von ihnen oder beide haben das Geleit, wer von ihnen dann die Straße befehdet und wird vor Gericht dessen überführt, über den soll man richten, wie über einen Straßenränder." Dieselben Bestimmungen enthält auch der von Rudolf I im 1.1281 zu

Mainz aufgerichtete Landfriede *). Desgleichen heißt es im Landfrieden

von Würzburg vom 1.1287 im 18. Artikel: „Wir verbieten bei unsrer Huld, daß niemand den Andern geleite um kein Gut, er habe denn

das Geleite vom Reich, daß Arm und Reich desto sichrer fahren und schiffen können.

Auch soll niemand neuen Zoll oder Geleite machen

und niemand unrechte Maut nehmen noch einen Zoll mit Unrecht erhöhen anders als sic

von altersher gesetzt sind;

wer dawider

handelt, hat den Landfrieden gebrochen und ist in des Kaisers Acht

und in des Papstes Bann."

„Alle die Zölle, bestimmt der 20. Ar­

tikel, die seit Kaiser Friedrichs Tod zu Wasser und Land von wem

auch immer gesetzt wurden, sollen ab und nichtig sein, es sei denn,

er beweise vor dem Reich,

daß er ihn zu Recht habe."

Der 21.

Artikel wiederholt die Verpflichtung zu Brücken- und Wegebau wie

zum Geleite. In demselben Sinn entschied Rudolf I auch im 1.1290 einen Zollstreit der Kirche von Lüttich mit den Bürgern von Mast-'

richt dahin, daß im Reiche kein Zoll außer mit voller Erlaubniß und Uebereinstimmung dessen, der im Reiche regiere, errichtet und

genommen werden dürfe. ') Ebcndil S. 437. 451). 454.

40 Wir finden also auch hier dasselbe Beharren und Festhalten am

Althergebrachten,

so daß es uns, wenn wir diese stets erneuerten

Neichsgrundgcsetze allein in's Auge fassen, schwer fällt, einen wesent­

lichen Unterschied zwischen dem Rcichszollwesen unter Rudolf I und

Karl dem Großen aufzufinden.

das Reichszollwesen

jetzt

Und dennoch wie verschieden war

von dem

im Frankenreiche!

Trotz der

Gleichheit im Inhalt war die Quelle der Reichszollgesetze eine durch­

aus andre geworden, denn neben des Königs Willen herrschte jetzt der mächtigere der Fürsten, ihre Auslegung eine andere, denn nicht das allgemeine Beste des Reiches sondern der Vortheil der Landes­ herrn entschied,

ihre Vollziehung

anders,

denn die Vollziehenden

waren nicht abhängige Rcichsbeamte sondern selbständige Reichsfürsten, die zum Theil mächtiger waren als die von ihnen gewählten und

gehaltenen Reichshäupter.

Demgemäß bilden seit Rudolf I unter

den Zollurkunden die Beleihungen nnd Bestätigungen von Zollstätten

an weltliche und geistliche Fürsten bei weitem die Mehrzahl nnd zugleich nehmen die Verpfändungen von Reichszollstätten immer mehr überhand, denn die Kaiser betrachten diese bald nur noch als Mittel, um alte Schulden zn decken oder neue zu machen, um die Landesherrn

für alte Dienste zu bezahlen oder für neue in Sold zu nehmen. Das Bewußtsein von einem zusammenhängenden Rcichszollwesen kam nach

und nach gänzlich abhanden und nur in dem König Albrecht I brach

es noch einmal durch, um nach kurzem Siege das Uebcrgewicht der Landesherren auf immer befestigt zu hinterlassen. Zunächst mußte auch Albrecht I, um das Wiederstrcben der

Wahlfürsten gegen das Haus Habsburg zu überwinden, sich gegen diese in derselben Weise freigebig erzeigen wie seine Vorgänger.

Dem

Erzbischof von Köln bestätigte er die Verpfändung des Reichszolles zn Kaiserswerth und dem Erzbischof von Mainz den ihm vom König

Adolf zu Boppard erlaubten, dann nach Lahnstein verlegten Zoll. Aehnliche Bestätigungen erhielten die Kurfürsten von Trier nnd von

der Pfalz, neue Verleihungen erhielten die Herzöge Otto, Heinrich

und Ludwig

von Kärnten und Tirol u. a. ').

Andre Urkunden

zeugen aber schon jetzt von dem Bestreben, dem Uebermaß der Zoll­

erhebungen Schranken zu setzen.

Im I. 1299 befahl er den Herren

von Mecklenburg wie den Grafen von Holstein und Schauenburg,

*) Kindlinger, Sammlung, 17. Gilden, Cod. dipl. I, 901. Hormayr, Bcitr. II, 331.

- 41 — die Lübecker nicht mehr mit ungerechtfertigten Zöllen und Abgaben

zn beschweren').

Ebenso verlangte er von Venedig die Aufhebung

der den deutschen Kaufleuten neu auferlegten Zolle2).

Am entschie­

densten begegnen wir diesem Bestreben in seiner Fehde gegen die

rheinischen Kurfürsten.

Im October des I. 1300 traten die Erz­

bischöfe Diether von Trier, Wichbold von Köln, Gerhard von Mainz

und der Pfalzgraf Rudolf bei Rhein zu einem Bunde zusammen, gegen den „hochfahrenden Herzog Albrecht von Oesterreich, welcher

dermalen König von Deutschland genannt wird."

Albrecht verlangte

von diescir Kurfürsten die Aufhebung aller ungesetzlichen und neuen Zölle, während diese geltend machten, daß sie solche Zölle schon lange Zeit erhoben hätten und weder sie noch ihre Vorfahren darin von einem römischen König gestört seien.

Da sich auch der Papst, als

Schiedsrichter aufgcrufen, zu deu Gegnern schlug, griff Albrecht zu schärferen Mitteln.

Den Bürgern von Köln,

die vor allen über-

gesetzwidrige Zollerhcbungcir zu Lahnstein, Coblenz, Andernach, Bonn,

Neuß und Rheinbcrgen geklagt hatten, erlaubte er, an die Personen und Güter unberechtigter Zollcrhcbcr $u greifeir und versprach gegen

dieselben mit Rath

und Hülfsmittel genügenden Beistand.

Bald

darauf forderte er die Städte Köln, Mainz, Trier, Speier, Straßburg, Basel und Konstanz zu einem Landfrieden und zur Aufhebung aller

von den Kurfürsten neu errichteten oder über den von Friedrich I festgcstellten Satz erhöhten Zölle und Geleitsgelder auf.

„Die Blindheit

der Habsucht, sagt diese Urkunde, die Unredlichkeit eines verdammungs­ würdigen Ehrgeizes hat einige bis zu der Frechheit verleitet, daß sie

sich unterstehen, mit ausgesuchter Arglist an sich zu reißen, was ihnen

doch von Rechts wegen, wie sic wohl wissen, untersagt ist. fürsten von Köln,

Mainz

und Trier,

Herren

Die Kur­

und Adlige des

römischen Reichs haben Zölle, die ihnen von Alters her zustehen, unmäßig erhöht und neue uns und den Unterthanen des Reichs

gegen

alles

Recht

auferlegt,

zu Bacharach, Lahnstcin, Koblenz,

Andernach, Bonn, Neuß, Nhcinbergen (Bercka) und Smithusen.

Wir, besorgt um den Frieden und das Wohlsein der Unterthanen, verbringen schlaflose Nächte, um Ruhe dem Reiche wiederzuschaffen

und der Bosheit und den Räubereien der genannten Erzbischöfe zu begegnen, und deßhalb thun wir hiermit alle Zölle und Erhebungen 1 j Urkundcnbuch der Stadt Lübeck I, 622. 651. — 2) Böhmer a. a. O. S. 273.

42 irgend welcher Art, die seit unsers Vaters Rudolfs Zeiten in welcher Form nur immer errichtet sind,

gänzlich und für immer ab, aus­

genommen die, welche schon zur Zeit Friedrichs, unsers Vorfahren, verliehen würden, und werden niemals diese Erzbischöfe noch sonst

jemand in Erhebung solcher ungerechten Zölle schützen noch schirmen." — Mit kräftigem raschen Kriegszug zwang der König die Kurfürsten

nach seinem Willen.

Der Erzbischof von Mainz mußte versprechen,

die Zölle von Lahnstein und was er unrechter Zölle mehr habe, aufzu­

heben und die Briefe darüber von Adolf und Albrecht zurückzugeben.

Erzbischof Wichbold von Köln sollte zurückgeben, was er vom Neichsgute bisher gehabt hatte und das Geleit zu Andernach abthun. Drei

Schiedsrichter sollten auf ihren Eid

an den Zollstätten von Basel

bis nach Neuß bei ehrbaren weltlichen und geistlichen Leuten nach­ forschen und was sie erfahren würden, daß das alte Recht der Kur­

fürsten von Köln an Zoll und Geleit zu Andernach sei, das sollte

ihm bleiben und alles andre ab sein. Auch sollte er Zoll und Geleit zu Bonn und Bercka, zu Neuß aber die Erhöhung des Zolles abthun

und alle Briefe Adolfs nnd Albrechts darüber zurückgeben, deßgleichen die Zollfreiheit der Bürger von Köln neu bestätigen.

Zum Pfand,

daß er die abgethanen Zölle ohne kaiserlichen Willen nicht wieder ausrichte, sollte er seine Burgen Aspeln, Bercka, Laidberg nnd Neuen­

berg überantworten und 20 Herren

und

100 Ritter und Knechte

geloben lassen, daß sie ihm fünf Jahre lang bei solchem Unterfangen nicht helfen wollten.

Auch die Bürger von Bonn nnd Rheinbergen,

Neuß und Andernach sollten geloben, daß sie den Erzbischof solche

Zölle in ihren Städten niemals wieder wollten nehmen und aufrichten

lassen.

Und wo jene drei Schiedsrichter erfahren würden, daß der

Erzbischof unrechten Zoll und Geleit nehme zu Wasser oder zu Lande, da sollten sie denselben alsbald abthun *). — Zum Unheil aber für

das Reichszollwesen

und

den

allgemeinen Verkehr war Albrechts

Sinnes- und Handlungsweise zu schroff und gewaltsam, auch seine Regierungszeit zu kurz, als daß der rasche Erfolg die begonnene

Entwicklung auf die Dauer hätte hemmen können.

Sein Vorgehen

war auf diesem Gebiet das letzte thatkräftige Aufflammen eines reichs­

oberherrlichen Bewußtseins, ein letzter Versuch, Einheit anzustreben

*) Lacomblet, III, S. 2. 5. 14. — Mon. Germ. IV, 474. 477. — Görtz, Regesten der Erzbischöfe von Trier II, 61.



43

und bet überhand nehmenden Zersetzung und Absonderung zu steuern.

Nach seinem Tode hatten die Kurfürsten nichts ernstlicher zu thun,

als sich bei jeder Neuwahl durch Kapitulationen und urkundliche Versprechungen gegen ähnliche Absichten gründlich sicher zu stellen. Deßhalb suchen wir auch später vergeblich bei Kaiser und Reich nach einer weiteren Entwicklung des Zollwesens.

Jene urkunden nur

noch Zvllverleihungen und Bestätigungen und finanziren mit beit Reichszöllen wie kaiserlichen Kammergütern in augenblicklicher Geldnpth, bis schließlich alle in die Hände der Gläubiger übergegangen

sind, dieses erläßt Verordnungen, die nichts sind als kraft- und folge­ lose Wiederholungen althergebrachter Formeln.

Die Urkunden Heinrichs des VIII, des Luxemburgers, beweisen, wer in jenem Zollkriege den Sieg behalten hatte. Dem Erzbischof Heinrich II von Köln bestätigte er für seine Wahlstimme alle Zölle und gestand ihm die Freiheit zu, Reichsgut, wie er wolle und könne, zu erwerben.

Dasselbe erneuerte er ohne Bedingung im I. 1309,

bestätigte ihm als Ersatz für die Kosten der Königswahl die wieder hergestellteu Zölle zu Bonn, Andernach und Neuß mib bezeichnete mit Berufung auf ben Papst Clemens V die frühere Aufhebung der­

selben als durch Furcht und Gewalt von Erzbischof Wicbold erzwungen.

In derselbenWeise überwies er dem ErzbischofPeter von Mainz denZoll zu Ehrenfels als Ersatz für alle bei der Krönung Albrechts, Heinrichs

und Johanns von Böhmen aufgewendete Kosten, bis das Reich die­

selben vollständig zurückerstattet hätte').

Bei diesen Ueberweisungen

von Reichszöllen wurde es jetzt stehende Form, daß der König eine meistens sehr beträchtliche Schenkungssumme für geleistete Dienste

feststellte, bis zu deren Abtödtung, die aber nie erfolgte, der Beliehene das Reichsgut inne haben sollte. So verschrieb Heinrich dem Gra­ fen Werner von Homberg zum Dank für seine Dienste 1000 Mark Silbers und versetzte ihm dafür den Reichszoll zu Fluelen bis zum

jährlichen Betrage von 100 Mark2). — Auch gegen die Städte nahm dieser Kaiser für das Zollrecht der Landesherren Partei.

Dem Gra­

fen Rainald von Geldern zu gefallen hob er die Befreiung der Stadt

Zütphen u. a. vom Zoll zu Lobith, die wie viele andere der kaiser­

lichen Bestätigung entbehrten, wieder auf, denn Rainalds Vorfahren

* ') Lacomblct, III, S. 56. 57. 60. 61. 66. Guden, Cod. dipl. III, 148. — 0 Geschichtsfreund (Mittheilungen der fünf Orte Luccrn u, f. w.), I, 14,

-

44



hätten nicht die Befugniß gehabt, ein Reichsgut ohne Willen und Zustimmung des Kaisers zu schmälern'). Friedrichs III,

des Schönen, wenige Zollurkunden zeugen

von derselben Nachgiebigkeit gegen die Kurfürsten.

Im I. 1314

hatte Herzog Leupold versprochen, wenn die Königswahl auf ihn oder seinen Bruder falle, so wolle er dem Erzbischof Heinrich II von Köln

42,000 Mark Silbers und dem Grafen Ruprecht von Virnenburg 12,000 Pfund Heller zahlen d. i. in solchem Betrage Reichsgüter überlassen.

Nach der Wahl bestätigte Friedrich III dem Erzbischof

die ihm in Bonn erlaubte Zollerhöhung von 8 Turnosen auf Lebens­ zeit, verschrieb ihm den Reichszvll zu Hammerstein, der nach Ander­

nach verlegt war, und erlaubte ihm, die Rheinzöllc von Andernach, Bonn und Neuß in seinem Gebiet zu verlegen, wohin er wolle,

auch die Zölle von Nees, Xanten und Rheinbergen in einen einzigen zu Rheinbergen zusamnienzuziehen.

Einige Jahre später nahm sich

Friedrich desselben Erzbischofs gegen die

rheinischen Städte Köln,

Remagen, Koblenz u. a. an, welche zum Schutz des eigenen Zoll­ rechtes einen Landfrieden aufgerichtet und bcit Erzbischof zum Beitritt gezwungen hatten. „Unter dem Deckmantel frevelhafter Verschwörnng",

sagt die Urkunde, seien sie zu diesem Frieden zusammengetreten, hätten ungesetzliche Zölle bei Remagen, Koblenz und Köln errichtet und auch

geistliche Personen mit Zoll beschwert, deßglcichen mancherlei zum Schaden der Zölle zu Andernach und Bonn unternommen.

Darum

sollte nun der Erzbischof selbst diese von den Städten eigenmächtig errichteten Zollstätten wieder anfheben"). Ludwigs IV, des Bayern, Verfahren auf diesem Gebiete trug

am meisten dazu bei, daß die Reichszölle immer mehr in die feste Hand der geistlichen wie weltlichen Landesherren übergingen.

Vor

seiner Wahl versprach er in einer geheimen Uebereinkunft dem Erz­ bischof Peter von Mainz, ihm den Zoll ;u Lahustein und Ehrenfels zu bestätigen, bis das Reich alle Kosten, welche er seit Albrecht bei

Krönungen und Wahlen gehabt habe und deren Betrag er selbst be­ stimmen solle, und außerdem noch 3000 Mark erstattet hätte.

Auch

den neu angelegten und erhöhten Zoll zu Miltenberg am Main ver­ schrieb er ihm auf ewige Zeiten.

Dem Erzbischof Balduin von Trier

erlaubte er zu Koblenz eine Zollerhöhung und versprach zu desselben ') Lacomblct III, 102. — =) Lacomblct, III, 102. 103. 104. 137.

45 Vortheil, daß von Wesel bis Hammerstein kein neuer Zoll erhoben

werden sollte. Dann ermächtigte er ihn, alles innerhalb seines Stiftes verpfändete Reichsgut ganz oder theilweise nach Vermögen und Ge­

legenheit an sich zu lösen und verpfändete ihm dazu für 58,300 Pfd. Heller mit einigen Burgen Stadt und Zoll Bacharach.

bestätigte er im I.

Alle dies

1332 mit der Gesammtsumme der erworbenen

Privilegien'). — Graf Adolf von Berg erhielt zuerst als Pfand,

dann auf Lebenszeit für die dem Reiche geleisteten Dienste die Stadt Duisburg mit Gericht und Zoll und zugleich eine Anweisung auf

11,000 Mark, um sie an irgend einer Reichszollstätte innerhalb seines

Landes oder anderswo zu erheben^).

Dem Nheingrafen Siegfried

bestätigte er deu Reichszoll zu Geisenheim, dem Grafen Wilhelm zu Katzenelnbogen den Reichszoll zu St. Goar, dem Grafen Bertold von

Henneberg verschrieb er auf Lebenszeit jährlich 1000 Pfd. Heller aus dem Zolle zu Kaub, dem Markgrafen Wilhelm von Jülich das Recht,

in allen Städten und Ortschaften seines Gebietes und seiner Reichs­ pfandschaften Zoll und Auflage uach beigegebenem Tarif zu erheben3).

Dabei haben wir aber auch Urkunden von Ludwig, wodurch er, freilich wieder auf Kvsteu des Verkehrs, des Reiches Einkünfte zu mehren

suchte.

Auf der Zvllstätte zu Lahnstein z. B. errichtete er neben dem

erzbischöflichen zu seiner und des Reichs Nothdurft einen besondern

Zoll, erklärte dabei aber urkundlich, daß er dadurch der Herrlichkeit und dem Besitze eines Dritten in keiner Weise weder für sich noch

das Reich zu nahe treten wolle.

Ebenso setzte er auf dem Rhein

zu Hammersteiu einen Zoll von 16 Turnosen auf jedes Fuder Wein,

aber auch dieser Zoll blieb nicht lange beim Reiche^).

Ludwigs Bemühungen um eine Regelung des Zollwesens zeigen uns die von ihm errichteten Landfrieden.

Im I. 1317 schloß er

mit den Erzbischöfen von Mainz nnd Trier, dem König Johann von Böhmen u. a. Fürsten, mit den Städten Köln, Mainz, Worms,

Speier u. a. eine Vereinigung auf 7 Jahre zur Befriedigung der Rheinstraße.

„Wir haben einen Landfrieden gemacht von Hert ober­

halb Speier bis Köln zu Land und zu Wasser und haben alle Zölle

abgethan in den vorgenannten Zielen ohne die alten Geleite auf dem Hontheim, hist. Trev. II, 92. 118. Böhmer a. a. O. 270. — 2) Lacomblet, III, 108. 324. — 3) Bodman, Rheingauische Werth. 585. Böhmer, Urk. des K. Ludwigs, S. 2. Ders. add. prim. S. 76. Lacomblet III, 108. — 4) Böhmer add. prim. S. 271. Günther a. a. O. 311.



46



Lande; wer die einmal nimmt, soll die Kaufleute beschirmen davon, als Recht ist.

Und unterhalb Köln bis Antwerpen sollen die neuen

Zölle auch ab sein, die alten mögen bleiben unterhalb Köln und soll

kein Zoll mehr jein als der allein, den wir mit den Fürsten -und Städten, den Frieden zu beschirmen, anfgesetzt haben".

Dann folgen

einige Zollbestimmungen, die wir später in Betrachtung ziehen. „Und mehr sollen sie fürbaß nicht nehmen und was Geldes an dem Zolle

fällt, nehmlich zu St. Goar, zu Geisenheim und zu Boppard, dessen sollen zwei Theile uns und den Fürsten und das dritte den vorge­

nannten Städten fallen, den Frieden zu beschirmen.

Und will der

Erzbischof von Köln in den Bund treten, so sollen ihm 6 Turnoscn

von den 22 werden, die uns und den Fürsten zufallen, und will er er es nicht thun, so sollen wir und die Fürsten und die Städte ihn

dringen, die Zölle abzulassen und den Frieden mit uns zu halten. Und soll der Friede und der Zoll währen sieben Jahre und wenn die sieben Jahre ausgehen, so soll der Zoll auch absein. — Und ist,

daß jemand einen Zoll in dem vorgenannten Ziel macht und nimmt auf Land und Wasser, den sollen wir und die Fürsten abthun und sollen uns die Fürsten und die Städte dazu helfen, als es ihnen

dann gelegentlich und ihre Ehre ist" *). — Wieder wird hier der Grundsatz ausgesprochen, daß nur die althergebrachten, vom Reich

bestätigten Zölle die gesetzlichen sein und bleiben sollten, dabei aber werden drei Zölle bis zu 33 Turnosen vom Fuder Weins erhöht, um

mit diesem Ueberzoll die Kosten des Landfriedens zu decken, obwohl nach dem Reichsgrnndgesetz mit jeder Zollhebung schon die Pflicht

verbunden war, die Straße zu schirmen.

Als der Erzbischof von

Köln, gegen dessen willkührliche Zollmehrungen dieser Landfriede hauptsächlich gerichtet war, durch Friedrich den Schönen denselben für

eine frevelhafte Verschwörung der Städte erklären ließ, forderten Graf

Gerard von Jülich nnd die Stadt Köln die Mitglieder des Land­

friedens gegen den Erzbischof, der den Frieden beschworen habe und dennoch den Kaufmann bezollen, berauben und fangen lasse, so daß

niemand mehr fahren noch wandern möge, zur Hülfe auf. Daß sich

trotzdem aber die Beschwerden über die Rheinstraße nur mehrten,

beweist der im I. 1334 und 1335 zwischen Ludwig, dem Erzbischof von Trier, damals auch Pfleger für Mainz und Speier, und den ') Lacomblet IN, 137.

47

Städten Mainz, Straßburg, Speier, Worms und Oppenheim verein­

barte Landfriede, welcher die Rheinstraße von Straßburg bis Bingen schirmen sollte').

Alle diese Landfrieden — und das war wohl ein

Hauptmangel — beabsichtigten nicht in erster Linie eine verständige

Erleichterung und Sicherung des öffentlichen Verkehrs im Reiche, sondern die Sicherstellung und gegenseitige Verbürgung des Zollbe­

sitzes der Vertragenden, welcher durch die eingerissene maß- und zügel­ lose Mehrung der Zollstätten

schließlich seiner Einkünfte ganz be­

raubt wurde. Ein Beispiel möge als Beweis dienen, in welcher Art Reichszöllc zersplittert werden konnten. Heinrich VIII verpfändete im I. 1315 dem Grafen Weruher von Homberg den Reichszoll zu Fluelen.

Friedrich der Schöne bestätigte noch in demselben Jahre, daß dieser Zoll rechtsgültig auf Johann, Grafeil von Habsburg, übergegangen

sei.

Von diesem kam der Zoll an den Landammann von Uri Johann

von Attinghausen, welchen im I. 1344 Ludwig IV damit belieh, bis das Reich ihm für seine Dienste 600 Mark bezahlt habe, verbunden mit dem Recht, denselben zu vererben, wie er wolle. Diese Besitz­ rechte bestätigte auch Karl IV gegen ein Darlehn von 200 Mark.

Im I. 1360 übergaben Attinghausens Erben die Hälfte dieses Zolles der Gemeinde von Uri, während die von Rudentz im Besitz der andern Hälfte waren.

Johann von. Rudentz verkaufte im I. 1374 von der

Hälfte dieses Zolles einen sechsten Theil halb und vom sechsten Theil einen halben dritten halb einem Landmann von Uri und Margaretha

von Burgenstein, geb. von Rndentz im I. 1377 an Uri einen sechsten

Theil des halben Zolls zu Fluelen und den dritten Theil eines sechsten Theils, und im I. 1427 verkaufte wieder Heinrich von Mos, Amman zu Luzern an Uri den zwölften Theil dieses Zolles^)Karl IV war schon vor der Wahl durch seinen Vater ver­

pflichtet worden, sogleich nach der Krönung nach Köln oder Bonn zu reisen und nicht eher von dannen zu gehen, bis er dem Erz­ bischof Walram alle Rechte und Besitzungen mit den vier Rhein­

zöllen zu Andernach, Bonn, Neuß und Rheinbergen bestätigt und

gelobt habe, ihn im Besitz derselben gegen jeden Widerspruch zu schirmen.

Auch bei ihm findet sich von einer aufmerksamen Ver-

0 Schreiber, Urkundenbuch der Stadt Freiburg I, 2, S. 308. — 2) Geschichts­ freunde

k.

I, S. 14.

Kopp, Geschichte der eidgen. Bände IV, 256.

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waltung des noch gebliebenen, einem verständigen Zurnckgewinnen

des entfremdeten Reichszollgutes ebenso wenig eine Spur. Zoller­ höhungen und Verleihungen an Fürsten, Adlige und Gemeinden haben wir dagegen in so großer Anzahl, daß grade unter diesem König der innere Verkehr des Reiches die meisten und schwersten

Fesseln erhalten zu haben scheint.

Kennzeichnend für diese Richtung

sind die von ihm dem Bisthum Chur ertheilten Urkunden.

Im

1.1349 bestätigte er dem Bischof Ulrich alle Rechte und Besitzungen,

die seine Kirche jemals von Kaisern oder Königen erhalten habe, des­

gleichen die Geleite und Zölle zwischen der Lanquart und Lufer, einen

Zoll in Chur und einen zweiten in Lufer oder Castelmure.

Dazu

verbot er alle andern Zölle innerhalb der Lanquart und Lufer, „aus­ genommen die zwei von altersher dem Hochstifte Chur gehörigen,

und namentlich den Zoll, den wir dem Grafen Friedrich von Toggen-

burg verschrieben hatten zu nehmen zu Straßburg ober Chur oder zu Lenz." Damit hob er zu Gunsten eines Dritten einen von ihm

selbst verliehenen Zoll wieder auf.

„Reue Zölle, fährt die Urkunde

fort, wo die aufgebracht werden, sind des Reiches Straßen, Landen

und Leuten und unsern Getreuen allewege

schädlich", das heißt

hier: sie schaden dem Reiche, indem sie einem uns ergebenen Landes­ herrn seine Einkünfte entziehen. Zehn Jahre später verbot Karl IV

dem Grafen von Sagans, eine neue Straße im Bisthum Chur zu

bauen oder Zölle und Geleite aufzurichten, denn nur die von alters­ her dem Bisthum und dem Reiche gehörige Straße sollte befahren

werden, erlaubte dem Bischof, den doppelten Zoll in der Stadt Chur zu erheben, bis er für seine dem Reich geleisteten Dienste' 6000 st.

erhoben hätte, und befahl allen Handelsleuten, bei Verlust des

Reichsschutzes nur die alten Straßen des Bisthums zu befahren'). — Selbst wo Karl IV einer Stadt eine Erleichterung zu schaffen

vermeinte, folgte sogleich ein „jedoch unbeschadet landesherrlicher Rechte und Einkünfte." Als ihn die Kölner im I. 1349 in ihre Stadt ausgenommen hatten, versprach er, niemals einen neuen Zoll

zwischen Mainz und Köln errichten zu lassen, doch

schon vorher

hatte er dem Bischof Walram von Köln geurkundet, daß die von

Kaisern und Königen der Stadt Köln ertheilten oder zu ertheilenden Rechtsbriefe nie der Landesherrlichkeit des Erzbischofs entgegen sein 9 Conrad von Mohr, Cod. diplom. III, S. 57. 59. 116. 117. — Ebenda I, 430.

49 sollten'). Auch verlieh er schon im I. 1356 dem Erzbischof Wilhelm

von Köln für die Kosten des Landfriedens, wo es ihm innerhalb

seines Stiftgebiets am gelegensten erscheine,

einen neuen Landzoll

von 1 Turnosen und bestätigte ihm seine vier Rheinzvlle mit dem Rechte, dieselben zwischen Andernach und Worms zu jeder Zeit nach Belieben zu verlegen.

Im I. 1372 ertheilte er wieder dem Erz­

bischof Ferdinand III von Köln eine Erhöhung von 3 Turnosen am

Zoll zu Bonn, und versprach im I. 1376, daß sein Sohn Wenzel

sogleich nach der Königswahl alle erzbischöflichen Privilegien erneuern und der Stadt Köln nie ein neues Privileg ertheilen oder ein altes bestätigen sollte.

Noch in demselben Jahre löste Wenzel das Ver­

sprechen^). — In derselben Weise begünstigte Karl die weltlichen Landesherren.

Der Stadt Straßburg verbot er,

den Pfalzgrafen

Ruprecht in seinem neuen Zoll zu behindern, den er ihm in seinem er wolle, aufzuheben gestattet habe^).

Dem Grafen

Gerhard von Berg und Ravensburg erlaubte er,

die bisher zu

Lande, wo

Horneck erhobenen 6 Turnosen künftig zu Kaiserswerth mit seinen

übrigen Zollgefällen zil erheben, dem Grafen Wilhelm von Berg erlaubte er einen neuen Guldenzoll vom Wein in der Pflege Sinzig

und der Vogtei Breisig und die Verlegung des Zolles von Duisburg nach Düsseldorfs). Den Burggrafen Friedrich von Nürnberg belieh er mit dem Rhein- und Landzoll zu Selz, mit dem Zoll zu Nürn­ berg und den Zöllen und heimfallenden Reichslehen im Elsaß, die Grafen von Meurs mit neuen Zöllen zu Krefeld und im Friemers-

heimer oder Homberger Werder^).

Dem Herzog Wilhelm von Jülich

verschrieb er für seine Dienste 25000 fl., die er durch eine Zoller­

höhung zu Nimwegen erheben sollte^).

Am schlagendsten kennzeich­

net solches Verfahren eine Urkunde Karls vom I. 1354 für Daniel

von Langenau: „Wir gönnen dir durch deine willigen Dienste, wo oder von welchem Herrn du das erwerben oder erkobern mögest, daß du einen Englischen von dem Zoll auf dem Rhein

empfangen und nehmen sollst, also lange bis dir 1100 fl., die wir

dir schuldig sind, gänzlich und gar werden gefallen, also bescheidenlich daß es der Stadt Mainz nicht möge schaden."

Nach langem

') Lacomblet, III, 375. 376. — 2)3 Ebenda, 448. 459. 624. 682. 684. 685. — 3) Lünig, R. A. P. sp. cont. IV, Tb. II, 735. — 4) Lacomblet III, 388. 708. 710. 713. — 5) Mon. Zoll. IV, S. 25. 46. 64. 79. 252. Lacomblet III, 515. 609. — 6) Ebenda, 689. 3al ke, Zollwesen. 4

50 Suchen erlaubte endlich auf des Kaisers Bitte Graf Adolf von Nassau, daß die Langenau auf seiner Zollstätte zu Wiesbaden einen

halben Turnosen über die alte Zollgebühr nehmen sollten, bis sie

bezahlt feien1).

Dabei errichtete Karl IV zur Mehrung der eignen

Einnahmen auch noch neue Reichszvlle, z. B. im I. 1364 zu Frank­ furt a. M. an allen Thoren zu seinen und des Reichs Rothen und

Kosten^).

Reben solcher maßlosen Vermehrung und Erhöhung der Zölle erscheint, was Karl IV zum Schutz der Zollbefreiungen, zur Rege­ lung des gesammten Zollwesens that, unbedeutend und fast wie

Spott, denn niemand handelte mehr gegen solche Reichsordnungen als eben er selbst.

Damit man in Nürnberg, dieser „vornehmsten

und am besten gelegenen Stadt des Reiches", so lange er darin Hof

halte, an allen Dingen rechten Kauf haben möge, was jetzt wegen der großen Zölle und Geleite unmöglich sei, widerrief er für solche

Zeit „alle Zölle und Geleite, die wir herum in diesem Lande jemand

haben erlaubt zu nehmen und besonders die Zölle und Geleite, die

wir gegeben haben Friedrich Burggrafen zu Nürnberg, Eberhard Grafen zu Wertheim, Gerlach Grafen zu Hohenlohe und Gottfried zu Rieneck — und soll fürbaß kein Zoll noch Geleit genommen

werden von essenden und trinkenden Dingen, von Kaufmannschaft oder was das sei, — unsern und des Reiches schweren Zorn zu

vermeiden"^).

Von solcher Ueberlastung der Landstraßen zeugt auch

das Privileg Karls IV für Nordhausen: „Die Bürger von Nord­ hausen haben uns vorgelegt, daß etliche Herren und Edle in Thüringen neue Zölle und Geleite angesetzt haben ohne unser und des Reichs Wissen und Willen, darum nehmen wir mit Rath der Fürsten ab alle neuen Zölle und Geleite, wie man die nennen mag und gebieten allen Fürsten, solche abzuthun, bei Strafe von 58 Mk. löthigen

Goldes."

In ähnlicher Weise verbot der Landfriede vom I. 1351

innerhalb seiner Ziele alle Zölle mit Ausnahme der dort benannten

landesherrlichen1).

Auch die Reichsordnung vom I. 1378 sagt °»):

„Wann wir kundlichen erfahren haben, daß der gemeine Kaufmann auch andre Leute mit Zöllen, die von Neuem in dem h. röm. Reich auf dem Lande und dem Wasser aufgesetzt sind, so mannigfach be*) Guden, Cod. dipl. II, 1131. 1133. — 2) Böhmer, Cod. dipl. Moenofr. I, 692. — 3) Mon. Zoll. IV, 106. — 4) Lünig a. a. O. 69. Vergl. auch Pelzel, Karl I, 387 folg. — 5) Ebenda, cont. I, 30.

— 51 schwer! werden, daß alle Straßen daselbst gröblich niederliegen und ein jeglicher ehrlicher Mann sich, als das von altersher gewesen

ist, nicht wohl nützlich mag ernähren, so haben wir mit wohlbedach­ tem Muth und Rath unser und des Reichs Fürsten widerrufen und abgenommen alle nnd jegliche Zölle, die wir oder unsre Vorfahren

an dem Reich auf ihren oder unsern Widerruf auf dem Rheinstrom,

dem Main und anderswo im röm. Reich und in denselben deutschen

Landen bis auf den heutigen Tag verschrieben, gemacht und gegeben

haben, und auch alle und jegliche Zölle und Geleite, die Fürsten, Grafen, Freie, Herren, Städte und andre Leute haben aufgesetzt und

gemacht ohne unsern und des Reiches Urlaub Wissen und Willen,

und setzen und wollen ans kaiserlicher Macht, daß alle und jegliche solche Zölle und Geleite von Stund nach Offenbarung dieses kaiser­

lichen Gesetzes absein sollen-------- Auch die goldne Bulle Karls verbot alle „indebita et consueta telonea“, aber allen solchen wohl­ begründeten Gesetzen fehlte nichts als die Ausführung, diese aber

ganz und gar.

Unter den Königen Wenzel und Ruprecht machte sich der Einfluß der Kurfürsten, welche, um die eignen Zolleinkünfte zu sichern, den Ausschreitungen der benachbarten Landesherren entgegen

traten, bei einer Regelung des Zollwesens wenigstens auf der Rheinstraße immer mehr geltend.

König Wenzel mußte bei Antretung des

Kaiserthums sich verpflichten, keinen Zoll im Reich ohne der Kur­

fürsten Wissen und Willen zu gönnen nnd zuzulaffen, im I. 1379') aber alle auf Widerruf verliehenen Zölle auf dem Rhein zwischen Andernach und Rees, insbesondre den Zoll zu Düsseldorf und des Grafen von der Mark neuen Zoll zu Ruhrort aufheben und ver­

sprechen, ohne Zustimmilng der rheinischen Kurfürsten keine neuen zu errichten. Die von diesem Kaiser versuchte Minderung der Rhein-

zölle war nur eine politische Maßregel, die er in Abhängigkeit von den rheinischen Kurfürsten gegen einige Anhänger des damaligen

Gegenpapstes und insbesondre gegen Bischof Adolf von Speier wie

auch zum Vortheil der Zölle jener Kurfürsten verhing, ohne dieselbe auf die Dauer in Ansführllng zu bringen.

Am 23. Januar 1377

schrieb er den Mitgliedern des wctterauischen Landfriedens:

„Unser

9 Lacomblet, III, 730. 740. Deutsche NcichStagSacten, herauSgeg. von Weiz­ säcker I, S. 228 folg. Pelzel, König Wenzel, Beilage 7.

52 Vater hat oft dem Bischof von Speier geschrieben von wegen des Zolles zu Höchst und Kelsterbach, die er von seines selben wegen ohne Gunst und Urlaub unsers Vaters gesetzt hat, daß er die ab­

legen und nicht mehr nehmen soll; derselbe Bischof aber nimmt den­ selben Zoll noch heute „uns und dem reiche zu kuntlichen frevyl und

Widersasse."

Solchen Frevel wollen wir fürbas mehr durch des

Rechten willen nicht mehr leiden, sondern demselben Bischof schreiben, daß er von Statt ab solche Zölle ablege und abthue.

Und wollte

er solches nicht thun, so befehlen wir auch bei dem beschwornen

Landfrieden, daß ihr nach Weisung Ruprechts des Aeltern bei Rhein mit aller eurer Macht dazu ziehen sollt und solche „Raubhäuser" brechet und schaffet, daß fürder mehr daselbst wegen solcher Zölle,

die Raub sind, niemand gehindert werde."

Am 23. Februar des­

selben Jahres widerrief Wenzel alle auf Widerruf verliehenen Rhein­ zölle, insbesondere den Zoll des Grafen von Berg zu Düsseldorf

und des Grafen von der Mark zu Ruhrort, weil sich dieses mit dem kurkölnischen Privilegium nicht vertrage, am 1. März aber alle von seinem Vater im Gebiet des Landgrafen Hermanns II von Hessen Am 3. März bevollmächtigte er den

erlaubten Zölle und Geleite.

Landvogt in der Wetterau und die Städte Mainz, Worms, Speier,

Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar, iebe Wiederauf­ richtung der vom Bischof Adolf aufgelassenen Zölle zu Höchst und Kelsterbach als Raub zu behandeln. Am 29. April 1380 wieder­

holte er die Aufhebung aller auf Widerruf ertheilten und wider Recht erhobenen Rheinzölle und versprach,

ohne Zustimmung der

Kurfürsten von Trier, Köln und Pfalz niemand einen neuen Zoll

zu geben noch zu erlauben.

Dennoch verlieh er an demselben Tage

dem Bischof Adolf und dem Mainzer Stift wieder einen Zoll zu Höchst von 4 alten Turnosen, welchen Zoll der Bischof später für

3000 fl. verpfändete i).

Noch einmal wiederrief er alle am Rhein­

zoll auf Widerruf verschriebene Turnosen am 25. Juli 1384 und

ertheilte

am 28. Juli wieder

den

rheinischen Städten als

Be­

zahlung für ein Darlehn von 6000 fl. einen neuen Mainzoll*).

Ebenso verpflichtete sich König Ruprecht, alle neuen Zölle und Wart-

pfennige, welche König Wenzel von Reichs wegen" auf dem Rheine irgend jemand gegeben habe, gänzlich zu widerrufen, keine neuen ■) Keg. boic. X, 65. — 2) Deutsche ReichStagSactcn:c. I, S. 245 folg. 248 folg.



53

ohne der Reichsfürsten Wissen und Willen zu verleihen und was

die Könige Karl und Wenzel auf dem Rhein von Zöllen widerrufen hätten, also zu lassen, ausgenommen der Kurfürsten Zöllel). —

Der Kaiser Sigismund ermächtigte

wieder

den

Erzbischof

Dietrich von Köln, die Zölle bei Bonn und Linz um 6 Turnosen zu

erhöhen, bis ihm die für die Beilegung des Kriegs mit Herzog Adolf von Berg aufgewendeten Kosten erstattet feien2).

Demselben Herzog

erlaubte er, von den Einwohnern der Lande Geldern und Zütphen zur Strafe, daß sie dem Herzog die Huldigung verweigert hatten,

einen Zoll von 24 Turnosen auf dem Rhein und dem Lande zu nehmen, „um sie desto balder zum Gehorsam zu bringen"2).

Aus

den Reichsordnungen desselben Kaisers ziehe ich nur die eine vom I. 1430 an, weniger um zu zeigen, wie er die Ordnung im Reiche

handhabte, als um zu beweisen, welche Unordnung trotz aller besseren Erkenntniß im Reich herrschte.

„Man soll wissen, heißt es hier^),

daß alle Länder gar schwerlich übersetzt sind mit Zöllen.

In jeg­

Es mag sich schier ein Land des

licher Stauden ist schier ein Zoll.

andern nicht trösten noch zu statten kommen noch niemand dem

Andern kein recht Pfenwerth geben, das alles von Zoll wegen ge­ schieht." — „WieZölle erdacht sind.

Ihr sollt hören, wie Zölle

des ersten angeschlagen wurden von einem Kaiser.

Es waren wilde

Gebirg, da man Straßen über haben muß, desgleichen auch über

Wasser.

Da ward angesehen, daß sie billig von gemeiner Hand

gemacht wurden, und ward angesetzt ein leichter Zoll, in der Maß niemand keinen Zwang noch Drang dazu haben soll, und bat man

um die Hülfe. bauet ward.

Ihn besecklet (nahm ein) niemand denn daß er ver­ Denn wer Zoll anderswohin thut, als wohin er von

Recht gehört, der genießet Wucher.

ihn nicht schuldig ist.

Er nimmt ihn einem ab, der

Er soll es büßen als Wuchergut.

Denn so

man sein nicht bedürft weder über Wasser noch über Gebirg, so soll man ihn abthun, bis man sein wieder bedarf,' oder klein machen

und den gütlichen eischen. Denn so möcht man wohl Länder bauen,

daß man sonst nicht thun kann.

Nun nehmen Geistliche und Welt­

liche übermäßigen Zoll wider Gott freventlich.

Sie haben ein Recht

darauf gesetzt, wer den Zoll verführt, den greift man schwerlichen

*) finnig a. a. O. S. 28. — -) fiacomblet III, 110. — 3) Ebenda 191. 208. — 9 Lünig cl. a. O. cont. II, 238.

an und sprechen schier Leib und Gut an und ist alles wider Gott und wer ihn freventlich entnimmt, der thut zwiefach Unrecht und größlich wider Gott. — Wer Zoll entnimmt und nie anlegt, daß er verbauet wird, soll gehalten werden als ein offner Sünder oder Wucherer, darum schaffe man den Zoll ab die zwei Theile und lege den dritten an. Wer aber das nicht thun wollte und das gemeine Unrecht mit Gewalt nehmen wollt, ist er ein Herr, so mag jeder­ mann ihn angreifen------ . Item wo solche Stätten wären, da man Zoll haben müßt von Schwere des Weges zu bauen und ihn die Geistlichen inne hielten, denen soll man ihn lauter nehmen und soll ihn die Stadt versorgen an des Reiches Statt. Denn alle Zölle soll das Reich versorgen. Haben aber weltliche Herren Zölle inne, die sollen sich bekennen, daß er ihnen in Lehens Weise empfohlen sei. Sie mögen mit Recht nicht sprechen, daß er ihr sei. Er ist des Ersten von Kaiser und Päpsten erlaubt, der gemeinen Welt zu Nutz und Hülf." — „Es soll ein jeglicher Zoll in zehn Jahren erneuert werden, ob er möge gemindert oder gemehrt werden nach Gelegen­ heit der Gebirge oder des Wassers, darum daß niemand Unrecht geschehe und auch kein böser Aufsatz aufstünde/' „Es sollen in jeg­ licher Stadt zwei gewählt werden, die leiblich schwören, den Bau zu besehen, es sei auf Gebirg oder Wasser, Brücken und Stege zu versorgen und zu versehen, und wo an einem Zoll jemand verwahr­ loset wird, das sollen die Städte und Herren, deß die Zölle sind, ganz und gar abtragen und rrnklagbar machen." Der Geist der Gesetze war demnach im h. Reiche so schlecht nicht und darum doppelt beklagenswerth, daß solche Gesetze nie zur That wurden. Friedrich IV verlieh wieder Ueberzölle, wo er nur im Reiche Dienste zu bezahlen hatte. Den Grafen Gerhard von Sain belehnte er mit einem Ueberzoll von zwei Turnvsen zu Engers und Kaisers­ werth, den Bischof Hermann von Köln mit dem Zolle zu Linz gegen das Versprechen, 32,000 Gulden binnen 4 Wochen zu bezahlen, der Stadt Köln erlaubte er für ihre Hülfe gegen Karl von Burgund eine Zollerhebung. Dem Bisthum Konstanz verschrieb er wegen „unverschuldeter Ueberschuldung" auf dem Rhein und dem See einen neuen Zoll am Schloß Gottlieben *). — Auch ihm selbst, dem Kaiser, *) Lünig, R. A. Grafen und Hcrreir, Abth. VI, S. 410. — Lacomblet IV, 524. 520. 540. 557. — Mon. Habsburg. I, in, 613.

55

flossen noch trotz aller Entfremdung des Reichsguts aus ehemaligen

Reichszöllen manche Einkünfte. Im I. 1477 befahl er seinem Diener

Ludwig von Blitterswich, 7000 fl., die ihm von den Zöllen zu Bonn und Andernach zustanden, zu erheben und dem Rath der Stadt Köln für den Erzherzog Maximilian zu überantworten.

Von der Stadt

Köln hatte der Kaiser jährlich 1500 fl. aus den Zollgeldern zu er­

heben, welche er im I. 1477 einem kölnischen Bürger als Leibrente überwies.

dien.

Ein andermal bezahlte er damit in Köln gekaufte Kleino­

Auch in Mainz standen ihm noch Zollgelder zu, denn er beauf­

tragte im I. 1477 die Stadt Frankfurt, seinen! Protonotar 2500 fl. zu leihen und dafür das nächste Zollgeld in Mainz in Empfang zu nehmen').

Bis jetzt galt immer noch nach der Reichsverfassung das Reichs­

und Oberzollrecht, d. i. des Kaisers Wille mit Rath und Zustimmung der Kurfürsten als die Quelle des landesherrlichen Zollwesens in

allen seinen Einzelzöllen und Veränderungen.

Friedrich IV ertheilte

zuerst einem Landesherrn ein vollständiges, Dom Reiche unabhängiges

Zollrecht, das jedoch, da die kurfürstliche Zustimmung fehlte, nie zu einer vollen, unbestrittenen Geltung kam.

Kurfürst Friedrich vou

Brandenburg, dem der Kaiser für mancherlei treue Dienste verpflichtet war, erreichte vou diesem im I. 1456 die urkundliche Erlaubniß, daß er und seine Erben in ihren Landen, wo sie die haben und über­

kommen würden, den Zoll, den sie daselbst hätten, nach ihrem Ge­

fallen erhöhen, verlegen und wo, wann und wie cs ihnen beliebe,

Zölle von neuem aufsetzen, auf Wein, Bier und was man sonst in

ihren Landen gebrauche und durch ihre Lande führe, Auflagen nach

ihrem Gefallen machen, und ihre Land- und Wasserstraßen brauchen und genießen dürften, wann, wo und wie sie wollten und möchten. Dasselbe allgemeine Zollrecht ertheilte er auch seinem Stammhause, und zwar, wie die Urkunde sagt, mit Rath und Beifall der Kur­

fürsten und Stände des Reiches^). — In andern Fällen hielt der­ selbe Kaiser unter Beistimmung der Kurfürsten an des Reiches Ober­ zollrecht in Bestätigung neuer und erhöhter Zölle fest.

Im I. 1442

schrieb er an den Kurfürsten Friedrich von Sachsen, daß er dem Erzbischof von Trier wegen der Schulden des Stiftes eine Erhöhung

des Zolles zu Engers auf 8 Jahre gestattet habe, und den Kurfürsten

J) Mon. Habsb. I, i, S. 466 folg. — 450. 593. 599. — 2) Mon. Habsb. a. a. O. — Psefsinger, vitr. illustr. II, 24.

56 bitte, nicht dawider zu sein, sondern seine Unterthanen anznweisen,

diesen Zoll zu bezahlen. Derselbe Kurfürst Friedrich und sein Bruder Wilhelm baten ihn im I. 1443, die Straßen und Zölle zwischen Zwickau-Chemnitz und Budissin-Görlitz wegen der böhmischen Unruhen

verlegen zu dürfen und erhielten dazu die Erlaubniß unter der Be­ dingung, daß die Zölle nicht erhöht würden.

An demselben Tage

bestätigte Friedrich den Beiden auch einen neuen Zoll auf naum-

burgisches Bier und das Niederlagsrecht zu Dresden oder Hain über Elbe, wie es ihnen am bequemsten sei').

Die unter Friedrich erlassenen Reichsabschiede hatten denselben

Inhalt und denselben Erfolg wie die früheren. vom I. 1441

In der Reformation

heißt es: „Alle Zölle, Märkte, Geleite u. s. w., so

bisher im h. röm. Reiche deutscher Nation ihren Fürgang gehabt haben,

sollen fürbas hin alle todt und ab sein, ausgenommen was zu der

Nothdurft erkannt wird, damit der Eigennutz die Gemeine nicht be­

schwere, auch an allen Gewerben und täglichen Händeln kein Hin­ derniß bringe."

Die Declaration zu diesem Artikel sagt: „Die Ur­

sach zeigt an, daß die Zölle u. s. w. beschwerlich und ohne Noth übersetzt sind.

Denn es wollen nicht allein Fürsten, Grafen, Herren,

auch Prälaten, Städte, Communen, Schlecht, Ritter und Knecht, Zoll, Maut, Ungeld, Steuer und Beschwerungen täglichs aufbringen und

damit den gemeinen Mann so hart überladen, als ob ihr ihn dazu

nöthen wollt, daß er euch eures bösen

Regiments entsetzen soll.

Seht wohl auf, daß ihr nicht eures. Patrimoniums dazu beraubt

oder ihr nicht gar erschlagen werdet.

Fürwahr, ihr Fürsten, ihr

stellet sehr nach unrechtem Gut, wollt dem Armen sein Schweiß und

Es ist wahrlich genug, ihr seid ge­ warnt u. s. w." — Die zweite Erklärung zu diesem Artikel wieder­

Blut wieder recht aussangen.

holt, daß Zoll und Maut nur da seien, um Brücken nnd Wege davon zu bauen/ und wo das nicht geschehe, niemand den Zoll geben solle,

bis die Wege gebessert sind; die kaiserlichen Frei- nnd Reichsstraßen

sollen frei und ungezwungen gehalten sein ohne lebendige Gewalt und andres Geleit, und in wessen Geleit und Gebiet jemand Schaden

genommen, der solle solchen gänzlich zahlen und entrichten^)". — Bemerkenswerth ist noch der Versuch Friedrichs, einen neuen Reichs-

i) Nach Urkunden im Hauptstaatsarchiv zu Dresden. — i) 2) Müller, MeichS-

tagStheater I, 57.

57 zoll zu Rcichszweckcn zu errichten, welchen Versuch Karl V spater er­

neuerte.

Im I. 1486 ließ Friedrich auf dem Krönungstage Maxi­

milians Artikel übergeben, darin es u. a. heißt: „Nachdem das Reich

in diesen Lausten auf das Kammergericht Botschaft zu schicken und in andre Wege viel Ausgabe thun muß und ganz kein Aufheben

hat, dem zu Hülfe einen Zoll auf die Messe zu Frankfurt zu machen." Die Antwort der Kurfürsten lautete: „Auf den vierten Artikel, einen neuen Zoll anlangend sagen die Kurfürsten, daß die Lande hoch

übersetzt sind und beschwert,

daß

man auch

täglich Klage von

dem Kaufmann hört und brächte mächtigen Abbruch und Zerrüttung der Kaufmannschaft,

Irrung und

würde

Sperrung

auch

gebühren.

in

der

fürgenommenen Hülfe

Darum sie

getreulich

rathen

und bitten, daß die kaiserliche Majestät solches fallen lasse-------- ".

Daß aber

einige Kurfürsten diesen Zoll wohl zugestanden hätten,

wenn er nur ihnen selbst von einigem Vortheil gewesen wäre, be­

weist der Vertrag des Kurfürsten Friedrich' von der Pfalz mit dem Erzbischof Dietrich von Mainz vom I. 1457, darin es heißt: „es

soll der Kaiser einen neuen Zoll auf die Fasten- und Herbstmessen in Frankfurt errichten und von diesem Zoll ein Drittel dem Kaiser, ein Drittel dem Erzbischof und ein Drittel dem Pfalzgrafen zufallen".

Wenige Jahre darauf schloß derselbe Pfalzgraf einen Vertrag wegen

Erhebung des Königs Georg Podiebrad zum deutschen König, der im

Art. 13 bestimmt: „Der König soll einen Zoll auf die Frankfurter Fasten- und Herbstmesse und außerdein für das ganze Jahr auf den Handel und die ganze Kaufmannschaft und alle Waaren legen unb

davon ein Drittel dem Pfalzgrafen überlassen." Als nun aber der Kaiser selbst einen solchen Zoll zur Unterstützinrg des geld- und hülfsbedürftigen Reiches beantragte, wurde derselbe von allen Kur­

fürsten als dem gemeinen Besten schädlich und beschwerlich abge­ worfen').

Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich das Zvllwesen im Reiche gänzlich umgewandelt.

Das deutsche Königthum hatte als Erbschaft

des Frankenreichs die unbeschränkte Hoheit im Zollwesen übernommen, verbunden mit einem über die vornehmsten Handelsstraßen ausge­ breiteten Zollbesitz. Wenn auch die Großen des Reiches überall schon

Zollstätten inne hatten, so war doch dieser Besitz in seinem Bestände *) Menzel, Regesten zur Geschichte Friedrich- de» Siegreichen von der Pfalz, in den Quellen und Erörterungen rc. II, 273. 351.

58



wie in seiner Verwaltung reichsgesetzlich von dem Willen des Reichs­ oberhauptes abhängig.

Außerdem hatte das Reich, durch das rasche

Aufblühen neuer Verkehrsorte und Städte und neuer, das Reich nach allen Richtungen durchschneidenden Handelsstraßen Gelegenheit und

Mittel genug, sich in derselben Weise wie die Landesherrn in neuen

Zollstätten nachhaltige Einnahmequellen auszubilden. Dazu aber war

das Reich seit Friedrichs I Tode durchaus unvermögend; sein Zoll­ besitz blieb zersplittert und ohne Zusammenhang und die Zollstätten gingen nach und nach in den Besitz der Landesherrn und Gemeinden über.

Am Ausgang des Mittelalters war diese für jene Zeiten,

wenigstens im deutschen Reiche, ergiebigste und sicherste Einnahme­

quelle für das Reich fast gänzlich versiegt und die wenigen Reste dienten nur zur Bestreitung einzelner Ausgaben der kaiserlichen Hof­

haltung.

Weil die Kaiser das Reichszollwesen niemals im Großen

und Ganzen als ein Mittel zu Reichszwecken sondern immer nur als vereinzelte Hülfsmittel zu Haus- und Privatzwecken betrachtet und

gebraucht hatten, wurde das Reich schließlich aller dieser, allein nach­ haltigen und von der Gunst mächtig gewordener Stände unabhängi­

gen Steuerquellen entblößt.

des Reiches.

Aehnlich stand es mit dem Oberzollrecht

Seit Friedrich II mischten sich mit stets wachsendem

Einfluß der Rath und Wille der Landesherrn in dasselbe und als mit der Ausbildung des Kurfürstencvllegiums die Landesherrlichkeit im Reiche Abschluß und Spitze erhalten hatte, war der Wille der Kurfürsten als maßgebend in des Reiches Zollverhältnissen aner­ kannt und jedem neu erwählten König blieb nichts übrig, als solches in der Wahlkapitulation zu bekräftigen. Am Schluß des Mittelalters, zu Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts konnte von

einem Reichszollrecht als freier Ausfluß und Theil der königlichen Macht und Hoheit nicht mehr die Rede sein, und es wäre damit dieser Abschnitt geschlossen, wenn nicht gerade in dieser Zeit des schon völlig untergegangenen Reichszollwesens von Seit.en des Reichs­ oberhauptes noch ein Versuch gemacht worden wäre, ein Reichszoll­

wesen in veränderter Gestalt wiederherzustellen. Die Regierung Maximilians hatte auf das bestehende Reichs­ zollwesen keinen umwandelnden Einfluß, denn er erkannte stets, wie z. B. in seiner Regimentsordnung vom 1.1500, die dermaligen Ver­

hältnisse desselben als zu Recht bestehend an und machte jede Ver­

änderung von der Verwilligung abhängig.

Auch Karls V Wahl-



59



kapitulation vom I. 1519 ') sagt in Artikel 18:

„Wir wollen auch

in sonderheit, dieweil deutsche Nation und h. römisches Reich zu Wasser

und zu Land zum Höchsten damit beschwert, nun Hinfür keinen Zoll

von Neuem geben noch einigen alten erhöhen ohne besondern Rath und Willen der Kurfürsten wie vor und oft gemeldet." gestand

Art. 19

dasselbe zu in Betreff der Ertheilung von Zvllfreiheiten.

Aber schon unter Maximilian trat unter den Kurfürsten nnd Stän­ den des Reiches

das Streben nach einer festeren Ordnung, nach

einer verbesserten, den veränderten Verhältnissen angemessenen Reichs­

verfassung entschieden hervor, das dann auf den ersten Reichstagen

unter Karl V

in den Vordergrund

der Verhandlungen

drängte.

Eine Hauptfrage dabei betraf die Ordnung der Reichs- und Kammer-

gerichte und die Aufbringung der zur Erhaltung derselben noth­ wendigen Mittel.

Die Reichsanlagen,

für Maximilians ruhelose

Kriegslust und die Türkenhülfe stets von Neuem angezogen und stets

von Neuem ungern bewilligt, hatten die Stände zu weiteren Bewilli­

gungen müde gemacht nnd nur zu immer erneuerten Klagen über

Beschwerung angeregt.

Schon Friedrich IV hatte, wie oben erwähnt

wurde, zu diesem Zwecke einen neuen Reichszoll ans den frankfurt'sche» Messen vorgeschlagen. unerledigt.

Auch unter Maximilian I blieb die Frage

Sogleich nach dem Regierungsantritt Karls V entstanden

verschiedene Pläne, eine Steuerquelle zu diesem Zwecke aufzufinden.

Der Abschied des Reichstags von Worms vom I. 1521 empfahl eine

allgemeine Reichssteuer, von den Ständen zu Zeit der Herbst- und Fastenmesscn in Frankfurt a.M. zu erheben. Aber grade von solchen Steuern wollten diese befreit bleiben.

Nach der damals besonders

unter den Fürsten herrschenden Meinung, daß die Zölle nicht die

Stände noch der gemeine Mann sondern nur die Handelsleute und

die Fremden zu zahlen hätten, erschien ein Reichszoll, wenn er den

auswärtigen Handel treffe, als das billigste, zweckmäßigste und aus­ giebigste Mittel. Karl V reichte, da auch die Frage wegen der Unter­

haltungsmittel des während seiner Abwesenheit anzuordnenden Reichsregiments hinzukam, auf dem Reichstag zu Nürnberg 1522 den umfassenden Entwurf eines neuen Reichszolles ein, zu dessen

Prüfung und weiterer Ausarbeitung eine besondere Commission ein­ gesetzt wurde.

In Hoffnung auf die Annahme dieses Vorschlages

*) LÜnig, R. A. P. gen. cont. tom. II, S. 335.

60 erklärte sich auch Erzherzog Ferdinand bereit, noch auf ein Jahr die

Unterhaltungsmittel für Regiment

und Kammergericht aus eignem

Ein schlimmer Umstand war nun aber, daß

Verlag zu verwilligen.

auf demselben Reichstag wegen Minderung imb Abstellung der neuen und stets erhöhten Zölle von denselben Ständen, die hier eine große

Anzahl neuer Zölle aufzurichteu hatten, Beschluß gefaßt sollte.

Der Plan')

war nach kurzem Umriß dieser:

werden

Von allen

Gütern, die in und aus dem Reich bei den nachbenannten Zollstätten

vorbeigehen, sollte von 100 fl. Werth 4 ft. erhoben werden,

doch

sollen von diesem Zoll ausgenommmen sein Getreide, Wein, Pferde,

Schlachtvieh, Salz, Käse, Bier und alle für den Gebrauch des ge­ meinen Mannes unentbehrlichen Nahrungsmittel.

Zu diesem Zwecke

sollte ringsum an den Grenzen des Reiches eine Linie von Zollstätten von den ungrisch-deutschen Grenzen an dirrch die Alpen bis an die Schweiz, dann den Rhein hinunter bis an die Mündung, von hier an den deutschen Meeresküsten bis nach Danzig und Königsberg ge­

zogen werden.

sächlichsten:

Unter den beabsichtigten Zollstätten waren die hallpt-

im Südosten Wien, Nikolsburg, Gratz, Villach;

im

Süden Innsbruck, Trient oder Bruneggen, Feldkirch, Chur, Tann,

Hapsen, Ottmersheim;

im Westen Straßburg,

Speier, Köln, Trier, Aachen,

weiter

hinab

Metz,

Saarbrück,

Utrecht, Antwerpen,

Bergenopzoom, Brügge; an den deutschen Meeren Hamburg, Lübeck,

Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Danzig, Königsberg; gegen Nordosten Kolberg, Frankfurt a. O., Wettschau.

Der Entwurf gab

diese Zolllinie nur als eine in Eile verzeichnete und nach besserer Unterrichtung zu verändernde.

Zur Einnahme des Zolles sollte ein

Fiscus oder gemeiner Seckel und dazu sechs redliche verständige Per­ sonen verordnet werden, je einer von wegen kaiserlicher Majestät, der Kurfürsten, der Fürsten, der Prälaten, der Grafen und Herren, der freien Reichsstädte, und von diesen sechs sollte die Mehrzahl stets

beim Regiment versammelt und demselben znr Rechnungslegung ver­ pflichtet sein.

Das eingenommene Geld sollte stets nur nach Bescheid

des kaiserlichen Statthalters und Regiments und allein zur Unter­ haltung dieses Regiments und des Kammergerichts wie zur Besoldung

der Zollbeamten verausgabt werden und das Regiment darüber auf den Reichstagen Bericht erstatten. Niemand, selbst kaiserliche Maje-

*) Der Entwurf ist abgedruckt bei Ranke, deutsche Eeschichte x. VI, 36.

61 stät und Kurfürsten nicht, sollte von diesem Zolle befreit sein und

derselbe genannt werden „römisch-kaiserlicher Majestät und des heil. Reichs gemeiner Stände Zoll."

Dabei sollten sich der Kaiser und

die Stände ausdrücklich verpflichten, daß dieser Zoll zu keinem andern Zweck gebraucht noch von andern Waaren, als hier bestimmt war,

und zwar nur die nächsten 10 Jahre nach der Aufrichtung genommen werden sollte; würden Regiment und Kammergericht auf andere Wege

geordnet,

so

sollte auch

der Reichszoll absein oder auf gemeinem

Reichstag mit Bewilligung der Reichsstände erstreckt werden.

Die Kurfürsten und Fürsten waren diesem Plane nicht abge­ neigt, doch die Reichsstädte sprachen schon im I. 1522 in entschie­

denster Weise ihr Bedenken dagegen aus und gaben zu einer besondern

„Ablaynung der Beschwerden rc." in dem genannten Entwürfe Ver­ anlassung.

Als Hauptgründe gegen solchen Reichszoll hoben sie

hervor, daß das deutsche Reich vor andern Nationen mit vielfältigen

großen Zöllen und andern Dienstbarkeiten allenthalben beschwert und daß es unbillig und allen menschlkchen und göttlichen Gesetzen zu­ wider sei, wenn ein Stand allein mit so vieler Personen Nachtheil

und der armen Leute Schweiß, Blut und Verderben allein angezogen

werden solle, zumal da der gemeine Diann allenthalben im Reich

schon ^schwierig sei und mit mehren Bürden nicht überladen werden dürfe.

„Wir achten, heißt es in ihrer Replik, daß es in viel Jahren

und bei Menschengedächtniß solche verderblichen Beschwerden nie vor­ der Hand gewesen oder vorgenommen sind. — Der Zoll ist gewiß­

lich und unzweifelhaft also gestellt, daß er zu vieler Reichsstände vornehmlich aber der ehrbaren Städte gewissem Verderben reichen würde, auch damit alles Geld in kurzen Jahren aus den deutschen

Landen verschwinden, auch das deutsche Reich solcher Zollbeschwerung halben an vielen Orten umfahren, alle Handwerker und gute Arbeiter

aus deutscher Nation an andere Orte vertrieben, dadurch das Reich dermaßen verarmen, daß die Stände desselben stillschweigend ausge­ sogen und in unwiderbringlichen Schaden gebracht würden.

Solches

haben wir den Reichsständen in langer Meinung und mit vernünf­

tigen Ursachen, dabei die vielfachen Tätz, Maut und Zölle neben andern täglichen wachsenden Beschädigungen und Widerwärtigkeiten gemeldet, aber es hat bisher niemand beherzigen wollen."

Die „Ab­

laynung" machte dagegen geltend, daß durch solchen Zoll nicht der

gemeine Mann, denn die Lebensmittel blieben unverzollt, auch nicht

62

der Kaufmann allein, sondern alle, die solche Waaren gebrauchten, betroffen und die dafür im Reiche gewonnene Sicherheit ein hinläng­

licher Ersatz sein würde. Wer 25 ft. für solche Waaren bisher ausgegeben

habe, dem komme es jetzt auch auf 1 fl. mehr nicht an, auch könne

jeder, dem solches zu viel sei,'der zollbaren Güter wohl entrathen, und außerdem würden nicht die Einwohner deutscher Nation allein

sondern alle übrigen Nationen, die mit den Deutschen Handel treiben, angezogen.

Diese hätten auf dieselben .Waaren noch höhere Zölle

gelegt, waran auch

die Deutschen ein gut Theil mitzahlen müßten,

und dennoch sei die Handirung sowohl wie die Sicherheit und der

Friede bei ihnen viel besser bestellt als im h. Reich.

Sollten aber

die fremden Nationen eine Beschwerung gegen den Zoll vorzunehmen

gedenken, so würden sie leicht mit Aufzählung aller Waaren, deren

sie aus deutschen Landen nicht entrathen könnten, von solchem Vor­ haben abzuhalten sein.

Auch die Antwort der Stände hob hervor,

daß der gemeine Mann von diesem Zolle befreit sei und der Kauf­ mann denselben mit allen übrigdn Reichsständen theile und jeder, da die zollbaren Waaren keine unentbehrlichen seien, nicht mehr als er

aus

„Wollust und gutem Willen"

selbst Zwolle,

beschwert werden

könne'). — Die Städte blieben hartnäckig bei ihrem Widerspruch.

Sie sahen bei der'Aufrichtung einer solchen Reichszvlllinie nicht einen Fortschritt zur Besserung des ganz zerrütteten, viel übersetzten Zoll-

wesens sondern nur

eine Mehrung der zahllosen Zollstätten, für

welche neue Beschwerung nicht die mindeste wirthschaftliche Erleich­ terung als Ersatz geboten

wurde.

Auch

mochten sie im Stillen

überzeugt sein, daß nach Aufrichtung der neuen Zölle dieselben doch

wieder alsbald in den Besitz der nächstgesessenen Landesherrn über­ gehen, die Belastung also bleiben, der Vortheil für das Reich aber

verloren werde.

Neu war, wenigstens für das Reich, der Gedanke,

den gesummten auswärtigen Handel durch ein folgerichtig durchge­ führtes Grenzzollsystem zum Besten des Ganzen zu besteuern.

diesem Falle aber verlor

In

solcher Gedanke gänzlich seine Fruchtbar­

keit und Ausführbarkeit, weil nicht für die Aufrichtung einer neuen

Grenzzvlllinie eine Lichtung der nach allen Seiten maschendicht gezo­

genen Querzolllinien geboten wurde. J) Acta, Reichstag zu Nürnberg betr., 1523. L. 10181. Bl. 152 folg.

63

Zweiter Abschnitt. Das Zollwesen der Landesherren. Schon im Frankenreiche wurde Klöstern und Stiftern neben Zollbefreiungen auch eine Erhebung von Zollen, ein wenn auch be­ schränktes Zollrecht innerhalb ihres Landgebietes zugestanden. Dieses

Zollrecht war entweder ein Markt- oder ein Durchfuhrzollrecht. Die Klöster und Stifter waren der Kern, an welchen sich in den noch

unbewohnteren Gegenden des Reiches die Kultur ansetzte, und die Ertheilung der Markt- und damit verbundenen Rechte ein sicherer

Beweis, daß neben einem Kloster auch schon ein zu Handel und Gewerbe befähigter Ort aufblühte. Jede solche Verleihung bereicherte

daher den öffentlichen Verkehr mit einem neuen Marktplatz.

Stets

war dieses Markt- und Zollrecht mit dem königlichen Banne ver­

bunden^), d. i. mit der Pflicht, während der Marktzeit und bestimmte Tage vor und nach derselben den Markt- und Gelcitsfrieden zu er­

halten und den Handelsleuten jeden innerhalb des betreffenden Ge­ bietes durch Raub und Gewalt zugefügten Schaden zu ersetzen. In­

dem sich das Reich die Oberhoheit vorbehielt und jede Veränderung des Verliehenen von seiner Einwilligung abhängig machte, blieb der

Belehnte, wer er sein mochte, der von Kaiser und Reich ausgestellte und ihnen verantwortliche Amtsträger *). Im Kern und Keim waren

diese Verhältnisse gesund und entwicklungsfähig, doch lag von Anfang an die Gefahr untrennbar daneben, daß die Masse der Einzelrechte

nnd Einzelbesitzthümer über das von jedem Einzelrecht und Besitz immer mehr entblößte Gesammt- und Oberrecht das Uebergewicht erlangen würde. — Das Durchfuhrzollrecht wurde an die Klöster

seltener verliehen, theils weil zuerst solche Zöllstätten in geringerer Anzahl entstanden, theils weil hier das Reich selbst das Besitzrecht häufiger in Ausübung brachte.

Ein solches Durchfuhrzvllrecht er-

— cum banno nostro et omni publica functione sive vectigalium exactione. Wenck, Hess. Gesch. II, S. 37. 40. — 2) Urkunde Conrads II vom I. 1039: „Bannum nostrum imperiale super omnes ad mercatum solemnem venientes, ut illuc eundo et redeundo habeant pacem, facimus. Eundemque bannum nostrum fidelibus imperii ea ratione concedimus, ut si in statuto tempore ex illuc venientibus aliqua temeritas evenerit, inde justiciam fa­ ciendi dux aut comes vel et episcopus aut quiscunque hominum locum illum a nobis tenet, licentiam habeant.“ Lünig, R. A. part. gen. cont II, 73.

64

hielten z. B.

die Klöster St. Emmeran,

Werden,

Reichenau').

Später geschahen solche Verleihungen seltner von den Kaisern, um so häufiger aber von Landesherren, seit diese anfingen, unabhängiger auf diesem Gebiete zu verfahren.

Im I. 1042 schenkte der Erz­

bischof Poppo von Trier dem St. Simconsstiftc daselbst den Schiffs­

und Marktzoll zu Koblenz^).

Erzbischof Benno von Köln begabte

im I. 1085 mit nachträglich eingeholter Bewilligung Heinrichs TV die Abtei Siegburg mit einem Zollrecht und sein Nachfolger Sigewin

die Abtei Deutz mit dem Moselzoll zu Mechtig^).

Erzbischof Ferdi­

nand I von Köln bestätigte im I. 1115 dem Kloster Münstereifel den Zoll daselbst, Erzbischof Bruno von Trier schenkte im I. 1122

dem Altar des h. Nicolaus zu Trier den Zoll zu Gunderewa an der Mosel und Erzbischof Arnold der Gemeinde zu Koblenz für Bau

und Befestigung der Stadt den Zoll daselbst').

Im Uebrigen bestand tooni 10. bis 12. Jahrhundert die gesetz­ mäßige Ausübung des landesherrlichen Zollrechtes in der Zoller­

hebung an bestimmten, von Kaiser und Reich bestätigten Orten nach einem althergebrachten, gleichfalls reichsgcsetzlich bekräftigten Zollsatz, und in der Ertheilung von Zollfrciheiten an diesen Zollstätten. Auch

gegen eine Uebertragung solcher Zollstätten an Andre, sofern nur die Bedingungen der Erhebung dieselben blieben, wurde weder in

dieser noch in späterer Zeit Widerspruch erhoben.

Ungesetzlich aber

war jede Veränderung des Zollsatzes, jede Verlegung der Zollstättc, jede Errichtung eines neuen Zolles, wenn nicht solche durch kaiser­

liche Urkunde erlaubt oder bestätigt war.

Zvllfreiheiten nur im

landesherrlichen Interesse ertheilte z. B. der Erzbischof Ferdinand I

von Köln, indem er im I. 1125 alle Kaufleute der Stadt Siegburg von jedem Zoll in Köln befreite, „möge ihr Handelsgeschäft auf dem Wasser oder in der Stadt auf dem Markte geschehen", und im 1.1180 der Erzbischof Philipp von Köln, indem er den Klöstern Corvei und Liesborn den Zoll zu Neuß als Ersatz für die im sächsischen Kriege

erlittenen Schäden erließ^)- Einen Zollsatz bestätigte, doch nur „aus kaiserlichem Auftrage", Bischof Johann von Trier im I. 1212 zn Koblenz §).

Ein seltnes Beispiel von Minderung der Zollsätze gab

*) Ried, codex chron.-dipl. Ratisbon. episcop. I, 94. — Lacomblet, I, 73. — Wirtemb. Urkundenbuch I, 252. — 2) Hontheim, hist. Trevir. 379. 598. 623. — 3) Lacomblet I, 153. — 4) Ebenda IV, 768. Günther, Cod. I, 193. II, 290. — 5) Erhard a. a. O. II, 62. 71. 80. — fi) Lacomblet I, 623.

65



im I. 1155 der Erzbischof Arnold von Mainz, indem er die im

Hafen von Mainz von den dnisburgschen Kaufleuten erhobenen Zoll­

gelder, die sein Vorgänger Adelbert I im Kriege auf ungesetzliche und nnerhörte Weise übertrieben hatte, auf den alten Satz zurück­ führte')'

Die weltlichen Landesherren hatten nach urkundlichen Zengnissen

schon im 11. Jahrhundert begonnen, ein Zollrecht auszuüben.

Der

Stiftsbricf des Klosters St. Nikolaus bei Passau vom I. 1075 be­ zeugt-), daß der Markgraf Leupold von Steyer nach Berathschlagung

mit seinen Baronen dieses Stift innerhalb seiner ganzen Mark­ grafschaft von jedem Zoll für seine Lebensbedürfnisse befreit habe.

Zahlreichere Beispiele bietet das 12. Jahrhundert.

Markgraf Ber­

told von Andechs erneuerte dem Kloster Reichersberg eine Zvllfrei-

heit beim Schlosse Neuburg, welche schon Graf Egbert von Form­ bach, der frühere Inhaber dieses Zolles, verliehen hatte ^).

Herzog

Leopold von Oesterreich ertheilte dem Kloster Garsten die Befreiung

von allen seinen Zöllen auf der Donau gegen eine jährliche Zahlung von 1 Pfund und dem Kloster Metten gegen.jährliche Zahlung von 32 Pf.^) — Dietrich, Graf von Wasserburg verschrieb im I. 1192

dem Kloster Scheffilarn den Zoll zu Hohenau vom Salz und andern durchgehenden Waaren^), eines der frühesten Beispiele einer Zoll­

verleihung von Seiten eines weltlichen Landesherrn.

Im Nordosten des Reiches begegnen wir solchen Urkunden zuerst um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Im I. 1136 erbat der Mark­ graf von Brandenburg von dem Kaiser Lothar für die magdeburgi-

schen Kaufleute eine Erniedrigung der Elbzölle zu Tangermünde,

Mellingen und Elbey, bald darauf aber errichtete er aus landes­ herrlicher Machtvollkommenheit int Dorfe Stendal einen Markt mit

Zoll und befreite die Bewohner dieses Dorfes von seinen Zöllen in Brandenburg, Havelberg, Werben, Arneburg, Osterburg u. a. O.6)

Heinrich der Löwe befreite im 1.1190 von seinen Elb- und andern

Zöllen die Hamburger, Graf Adolf III von Schaumburg bestätigte denselben die vom Kaiser erhaltenen Zollbefreiungen innerhalb seines Gebietes, machte also die kaiserliche Befreiung von der landesherr-

’) Ebenda, 264. — 2)3 Urkundenbuch des Landes ob der EnnS II, 109. — 3) Ebenda, 344, 451. — 4) Ebenda, 377. — 5) Mon. boica VIII, 521. — fi) Riedel, Cod. dipl. Brand. I, 15, S. 1. 6. Falke, Zollwesen. 5

66 lichen Zustimmung abhängig'). — Auch aus den mittleren Gegenden

des Reichs noch einige Beispiele. Im I. 1183 verlieh Graf Boppo von Wertheim der Abtei Altenberg innerhalb seiner Grafschaft und

im I. 1188 Graf Otto I von Geldern derselben Abtei die Zollfrei­ heit von seinen Rheinzöllen *).

Aus der Zeit von 1115—1123 ist

eine Ordnung erhalten, welche Bestimmungen über die dem Herzog

von Lothringen zustehenden Strafrechte enthält und demselben mit der Gerichtsbarkeit Zoll und Münze zuschreibt^)/ Auch die Herzöge

von Zäringen bewiesen durch die im I. 1120 der Stadt Freiburg

verliehenen Stadtrechte *) ein selbständiges Handeln auf diesem Gebiete.

Im 13. Jahrhundert erscheinen

die landesherrlichen Zollver­

hältnisse schon umfangreicher und bestimmter ausgebildet. In Oester­

reich urkunden die Herzöge durchaus selbständig und ohne Rücksicht

auf Reichsgrundgesetze. Leopold VI stellte im I. 1192 für die Stadt Regensburg die Zollsätze auf der Donau fest5). Bald darauf wurden auch die Zollsätze für die Kaufleute von Gratz, Leoben, Judenburg und die Fremden aufgerichtet.

Im österreichischen Landrechte aus

der Mitte dieses Jahrhunderts heißt es: „Es soll niemand zu Wasser

noch Land Maut legen noch nehmen im rechten geschwornen Land­

frieden, außer da, wo man zu Recht mauten soll, es sei denn, daß ihm des Landes Herr erlaubt. Wer dawider thut, über den soll man richten wie über einen Straßenräuber." °) Das Grundgesetz

des Reichszollwesens war hier also vollständig auf die Landesherr­ lichkeit übertragen. In den Kriegszeiten Friedrichs des Streitbaren und Rudolfs I kam in diesen östlichen Gegenden das Zollweseu in die größte Verwirrung und erst nach entscheidendem Siege gelang es dem Letzteren, die Ordnung wieder herzustellen.

Im Lande unter

der Enns allein sollen damals 77 Zollstätten, darunter Aschach,

Wels, Linz, Enns, Mauthausen, Krems, Aps, Stein, Melk, Medlich, Neuburg, St. Pölten, Tuln, Wien, Heimburg u. a., als Eigen­

thum von Adligen und Gemeinden einen gesetzlichen Fortbestand in Anspruch genommen haben').

Einige derselben, z. B. Stein und

Heimburg, werden schon im 12.Jahrhundert als Zollstätten genannt8). ') Lappenberg, Hamb. Urkundenbuch, I, 258. — ’) Lacomblet, II, 258. — 3) Du Calmet, a. a. O. V, cxxxin. — 4) Schreiber, Gesch. der Stadt Freiburg I, Beil. II. — 6) Vergl. Hüllmann, Städtewesen I, 336. — 6) Archiv der Wiener Akademie X, 156. — 7) Ebenda VI, 285. — e) Rauch Scriptt. II, 106 felg. 206. Hormayr, Wien I, Urkundenbuch LXXXVII.

67 Unter den Adligen, welche durch Zollerpressung nicht wenig zur

Verödung der Donaustraße beitrugen, zeichneten sich durch Gewalt­

thätigkeiten die Grafen von Schaumburg im Mühlviertel aus, die zu Aschach oder Aschau schon im 12. Jahrhundert Zoll erhoben und im 13. und 14. Jahrhundert hier das Mittel übten, das schon Karl der Große verboten hatte; sie spannten Seile über den Fluß und

zwangen dadurch die Schiffer zur Zollentrichtung.

Die Grafen ur­

kundeten und schalteten hier so willkührlich und unabhängig wie die mächtigsten Landesherren'). —

Im bayerschen Donaugebiete war im 13. Jahrhundert das Zoll­

wesen in derselben Weise ausgebildet.

Der Bischof von Passau

hatte zu Ende des 12. Jahrhunderts einen Streit mit dem Bischof

von Regensburg, weil dieser zu Achdorf einen neuen Salzzoll von

den Schiffen willkührlich erhob und trotz aller Mahnungen und des kaiserlichen Urtheils von demselben nicht abstehen wollte.

Um ihn

zu zwinge«, begegnete jener, wie die Urkunde sagt, dem Unrecht mit

Unrecht und erhob jetzt zu Passau von den Regensburgern einen ebenso unbilligen Zoll für Vieh und Häute. Regensburger ließen nun mit Vorstellungen

Die hartbetroffenen nicht nach,

bis ihr

Bischof den Zoll zu Achdorf abgestellt hatte, worauf auch der Bischof zu Passau seine Zollerhebung fallen ließ^). — Der Bischof von

Regensburg versprach im I. 1240 dem bayerschen Pfalzgrafen Rapoto, bei Hiltgersberg und an seinen übrigen Grenzorten mit dem alten

Zollsatz sich begnügen zu wollen und keine Zollauflage ferner zu

erheben, welche Straßenraub genannt werden lönne*3).

Die Herzöge

von Bayern errichteten in diesem Jahrhundert mit den benachbarten

geistlichen Landesherren und Städten Landfrieden und Einigungen, welche alle für das selbstständige Gebahren mit dem Zollrechte inner­

halb des eigenen Gebietes Zeugniß geben.

Im I. 1276 verglichen

sich die Herzöge Ludwig unb Heinrich unter einander, daß die Land-

und Wasserstraßen in ihren Landen offen stehen und laufen sollten

wie bisher, die nach des Vaters Tod zu Seligenstadt und Kelheim errichteten Zölle aber sollten absein«). In demselben Jahre bestimmte

Herzog Ludwig zu Gunsten des Klosters Fürstenfeld, daß alle neuen und ungerechten Zölle, welche er vom Reiche nicht inne habe, ganz und

*) Mon. boica, V, S. 264. 392. III, 168. — ') Ried, a. a. O. I, 283. — 3) Ebenda, 388. — 4) Mon. Wittelsbac. I, S. 301.

68 gar absein und von keinem seiner Erben jemals wieder erhoben werden sollten'). Die Tcidigung, welche König Rudolf I zwischen dem Erzbischof Rudolf von Salzburg und Herzog Heinrich von

Bayern aufrichtetc, sagt im 11. Artikel: „Man soll auch alle Mautc

und Zölle, die auf dem Lande und auf dem Wasser aufgesetzet sind nach Bischof Friedrichs von Salzburg Tode, ablassen, denn uns dünkt, daß sie aus Haß gesetzct sind beiderseits^)."

Ebenso hob der Ver­

trag zwischen den Herzögen Ludwig und Otto vom I. 1290 die zu

Neustadt und Kelheim wider Gewissen und Recht von den Herzögen errichteten Zölle auf, desgleichen der Vertrag des Herzog Ludwigs

mit dem Bischof Wolfart von Augsburg alle

nach

des

Königs

Rudolfs Tod zu Laude und zu Wasser aufgesetzten Zölle3). — Unter den kleineren Zollherren dieser Gegenden treten die Grafen von

Wasserburg hervor.

Im I. 1224 mußte Graf Konrad seine Burg

Vichtenstein dem Bischof Gerhard von Passau und dem Herzog Leopold

von Oesterreich übergeben und erhielt sie nur gegen den Schwur

zurück, daß er nie mehr Wandrer und Schiffer unter irgend einem Vorwande berauben oder zur Zollzahlung zwingen wollte. andern Zoll hatte er zu Hohenau'').

Einen

Auch die Grafen von Ortten-

burg, die Grafen von Lechsgcmünd, die Grafen von Tirol übten hier nm diese Zeit urkundlich das Zollrecht3). Mit dem 14. Jahrhundert begannen auch die Markgrafen von

Brandenburg unabhängiger und willkührlicher mit dem Zollrechte und den Zöllen zu schalten.

Markgraf Ludwig der Römer verpfän­

dete und verkaufte, befreite und verlieh, wie es ihm gut schien.

Aus

dem Zoll zu Schnakenburg verpfändete er Hebungen an die Stadt Seehausen, an die Herren von Wickede, von dem Knesebeck, von

Alvensleben, aus dem Zoll zu Berlin verkaufte er dem Henning Rathenow Renten").

Den Zoll zu Schwedt verpachtete Markgraf

Johann auf 10 Jahre einem Bürger zu Frankfurt, aus den Zöllen zu Brandenburg überwies er Hebungen an Diener und Bürger dieser

Stadt').

Anch an städtische Gemeinden verlieh er Zölle, z. B. an

Spandau und Pritzwalk").

Ueber die Zölle zu Arneburg und Tan­

germünde gab er Gesetze, wobei auch er den Grundsatz bekannte, daß >) Ebenda, 308. — -) Ebenda, 394. — 3) Ebenda, 440. 473. — ) I, 3, 367. — I, 4, 284. 287 u. a. O. — ’) I, 12, 508. — 3) I, 17, 282. 292. 490. — 4) Archiv der Wiener Akademie I, 440 folg. III, 130 folg. Mon. Habsb. III, 614. — 5) Göth, Urkundenregesten für die Gesch. von Steyermark, in den Mitth. des hist. Vereins für Steyermark 8, 173. Mon. Habsb. III, 647. 648. 650.

72

Spauer von Jps die Zollfreihrit für jährlich einen Schiffszug mit

Wein auf der Donau, weil er Friedrich IV die Besserung der Burg

von Jps zugesagt hatte *).

Hin und wieder hoben auch die Herzöge

neue und beanstandete Zölle auf.

Im I. 1366 gebot Herzog Albrecht,

daß die neu errichtete -Maut auf der Straße nach Laibach für diese Stadt aufgehoben werde; Friedrich IV befahl der Stadt Los, die

ungewöhnliche Maut, die sic daselbst neben der landesfürstlichen ohne fein Wissen und Erlauben erhebe, sofort abzustcllen, denn die Straße

veröde dadurch und das Kammergut leides. — Zum Schutz ihrer Zölle hielten die Herzöge den Straßenzwang streng aufrecht.

Frie­

drich IV schrieb im I. 1477 seinen Hauptleuten in Krain, nachdeni

er vormals befohlen habe, die Straße nach Welschland über Los

ausschließlich zu befahren, dadurch aber seine Mauten und Aufschlag­

ämter allzusehr verkürzt würden, solle jetzt wieder die alte Straße über Los, Zirknitz, Hafberg und Adelsberg eingehalten werden.

Im

I. 1478 befahl er, daß die Senner, welche Getreide aus Wclschland brachten, über Triest statt über Neuhaus und Mugkow, und von hier

über Adelsberg, Los und Wippach fahren sollten3).

In Bayern zersplitterte sich in Folge der Spaltungen im Her­ zogshause das Zollwesen weit mehr als in Oesterreich. lungsvertrag

zwischen

den

Herzögen Rudolf

und

Der Thei­

Ludwig

vom

I. 1310 setzte fest, daß nur mit gegenseitiger Uebereinstimmung in

dem Lande des Einen wie des Andern eine Veränderung im Zoll-

wesen getroffen und die neuen und ungewöhnlichen Zölle, welche bis dahin von beiden zu München, Wasserburg, Neustadt, Stein, Pfaffen­

hofen, Fährenshausen, Altomünster und an andern Orten aufgerichtet wovden, nur so lange noch Bestand haben sollten, bis die Bürger,

die darauf Anweisung und

Pfandschaft hatten,

zu ihrem Gelde

gekommen seien; was darüber eingenommen, sollte den Beeinträchtig­ ten zurückerstattet werden3).

Führten diese Herzöge mit einander

oder mit benachbarten Fürsten Krieg, so richteten sie an den Grenzen,

um den Gegner und dessen Unterthanen zu schädigen, Zollstätten auf.

Der Friedensvertrag vom I. 1314 zwischen den Herzögen von

Bayern und Oesterreich bestimmt, daß die Mauten und Zölle, die in

dem Krieg ausgesetzt und vorher nicht gewesen waren, absein sollten *) Ebenda II, 495. 520 «. a. O. — *) Diplomat. Carniolicum I, 16. Archiv der W. Akad. III, 100. — ’) Archiv rc. III, 99. 122. — «) Mon. Wittelsbac. II, 168.

73 zu Wasser und zu Land, denn sie seien wider Recht und Landen und

Leuten schädlich^).

Ebenso bestimmte des Herzogs Ludwigs Schutz­

vertrag mit Augsburg vom I. 13922), daß er ablassen sollte alle die Zölle und Geleite, die auf der Stadt Schaden seit Königs Rudolfs

Zeiten aufgesetzet seien, und daß auch die Stadt dasselbe thun und keinen neuen Zoll noch Ungeld nehmen sollte.

Der herzoglich-bayer-

schen Zollstätten wird eine große Menge genannt, außer den schon aufgeführten: Kitzbüchel, Burghausen, Schärding, Vilshofen, Deggen­

dorf, Cham, Straubing, Landau, Dingolfing, Zwisel u. a. nt.3). —

Neben dem Zollrecht der Herzöge, der Bischöfe von Freising, Salz­ burg, Passau, Regensburg und Augsburg bestanden in den Donau­

gegenden noch insbesondere die Zollrechte der Grafen von Ortten-

burg und von Schaumburg.

Der Donauzoll der Letzteren, der dann

auf die Staremberger vererbte, blieb immer noch für den Donäuhandel das größte Hinderniß.

Um das I. 1332 hatten die Grafen

hier die Donau gesperrt und ein regensburgsches Schiff genommen.

Die Stadt forderte für die kostbare Ladung vollständigen Ersatz und da die Schiffsherrn die Verfolgung des Rechtes dem Rathe ihrer Stadt überließen, ernannte dieser eine Commission von Kaufleuten, worauf es nach jahrelangen Verhandlungen zum Vergleiche kam.

Die Grafen mußten geloben, 500 Mark zu zahlen und bis zur Erle­

gung der Summe von jedem regensbnrgschen Schiff nur das alte Recht d. i. 32 Pf., 2 Pfd. Pfeffer, 2 Hauben und 2 Hutschnüre zu nehmen.

Im 15. Jahrhundert erneuerte sich dieser Streit.

Die

Grafen sahen sich durch ihr Versprechen in ihren Einnahmen sehr beeinträchtigt und wollten die 500 Mark innerhalb 10 Jahren frist­ weise zahlen, doch die Regensburger forderten, um möglich lange

solchen Vortheil zu genießen, die ganze Summe auf einmal.

Der

Streit kam vor den Kaiser und die Stadt mußte sich eine Abzahlung

in 5 Fristen gefallen fassen4). — Aehnliche Gewaltthätigkeiten übten

auch die Grafen von Orttenburg5), wie die Pfleger der Herzöge von Bayern und Oesterreich, so daß hier der Zollstreitigkeiten kein Ende war.

Außer diesen erscheinen noch unter den Adligen in diesen

Gegenden als Zollherren die Sumersdörfer zu Geising, die Frundsberger zu Epfach und Mindelheim u. a.6). *) Ebenda, 224. — 2) Ebenda, 485. — 3) Ebenda, 64. 226. 380. 425. — 4) Mon. boica IV, 205. Gemeiner» Regensb. Chronik I, 557. II, 451. — 5) Ebenda II, 451. — 6) Mon. boica VI, 588. 624. 629. — IX, 250.



74



Im Maingebiete waren die mächtigsten Zollherren die drei geist­ lichen Fürsten.

Im obern Gebiete bezog der Bischof von Bamberg

von dem nürnberg'schen und oberdeutschen Handel auf Leipzig, Böh­ men, Schlesien und Polen seine Zolleinkünfte und erregte besonders

durch Behinderung des aus diesen Landern auf Nürnberg ziehenden Rindviehhrndels im 15. Jahrhundert die lebhaftesten Klagen.

Im

mittleren Maingebiet beengten die Bischöfe von Würzburg der frän­ kischen Reichsstädte Handel auf Frankfurt, an den Rhein und in den Nordwesten des Reiches, und erhoben unter andern hier den viel

angefochtenen Guldenzoll, vom Gulden Werth 1 Pf., den auch die bamberg'schen Bischöfe nachahmten.

Friedrich IV hatte dem Bischof

Gottfried von Würzburg diesen Zoll auf einige Jahre erlaubt'), sein

Nachfolger aber, Bischof Johann, wollte trotz kaiserlicher Mahnung von dem ergiebigen Zoll nicht lassen.

Wiederholt kamen die Klagen

der fränkischen Städte vor den Kaiser, aber alle Gebote verspottend erhob der Bischof „mit sein selbs Gewalt, Frevel und Geturstigkeit,

ohn' alle Erlaubniß und Gunst des römischen Kaisers und des h. Reiches" den Zoll fort und fort, so daß der Kaiser im I. 1461 die Herzöge Ludwig von Bayern und Wilhelm von Sachsen beauftragte,

dem Bischof solches Handwerk zu legen.

Aber auch dies scheint keinen

bessern Erfolg gehabt zu haben, denn im 1.1463 befreite Friedrich IV

die Rothenburger, um ihnen nur einige Erleichterung zu verschaffen, für die Weine von dem Guldenzoll des Stiftes Würzburg, welche

Freiheit auch Karl V im I. 1521 bestätigte?). — In den untern Maingegenden übte der Erzbischof von Mainz mit möglicher Unab­ hängigkeit und Härte sein Zollrecht, das wir schon in dem vorher­

gehenden Abschnitt haben kennen gelernt und das eben durch solche Härte zu der Sage von den menschenfressenden Mäusen im Maut­ thurm bei Bingen Veranlassung gab. Zwischen den Stiftern Mainz und Würzburg hatten aber noch eine gute Anzahl anderer Landes­ herrn Zollbesttz. Im 1.1340 erhielt Lutzo von Hohenloh von Karl IV

ein Privileg für Zoll und Geleit zu Geylichsheim und Emersheim

mit festem Zollsatz, im I. 1376 Götz von Hohenloh Zollrechte zu Breit auf dem Main, zu Leimbach, Aue und Ostheim mit urkund­

lich festgestellten Zollsätzen3).

Den Grafen zu Rieneck wurde im I.

*) Reichstagstheater II, S. 80. — ’) gültig, R. A. part. spec. cont. IV, Th. II, 345. 348. — a) Ebenda, die Grafen u. Herrn des töm. R. 51 btt). VI, S. 270 folg.

75 1372 ein Mainzoll zu Hofstetten erlaubt, im 1.1374 auch ein Land­

zoll auf der ihr Gebiet durchziehenden Straße, wo es ihnen am be­ quemsten sei.

Außerdem besaßen diese Grafen Zölle zu Lohr, Rie­

neck, Gemünden, Brückenau und Schildeck und wirthschafteten mit

denselben nach Bedürfniß und Gelegenheit^).

Auch die Grafen von

Wertheim, Hanau, Falkenstein und Münzenberg reichten mit ihrem

Zollrecht in dieses Gebiets.

In den schwäbischen Gebieten Oberdeutschlands zeigt das Zoll­ wesen dieselbe Zersplitterung.

Die Grafen von Württemberg nahmen

hier zu großem Theil die alten Reichszollstätten, die nicht Eigenthum der Reichsstädte wurden, an sich und errichteten neue mit und ohne

kaiserliche Erlaubniß, wodurch sie mit den Städten Ulm, Eßlingen, Heilbronn und Reutlingen in mancherlei Streitigkeiten kamen.

Solche

Zollstätten hatten sie zu Laufen und Kannstadt mit des Kaisers Be­ willigung, zu Zuffenhausen eine eigenmächtig errichtete, andere zu

Vaihingen, Brackenheim u. a. Ö.3)

Die Herren von Weinsberg

übten das Zollrecht im Jaxt-, Köcher- und Taubergrund und im weinsberg'schen Thal, die Grafen von Hohenlohe im nordöstlichen

Schwaben, die Grafen Helfenstein in den Umgebungen Ulms.

Letz­

tere schlossen schon im 13. Jahrhundert Zollverträge mit der Stadt

Regensburgs). Später brachte Ulm die helfensteinschen Zölle käuflich

an sich, worauf ein Bauer zu dem Grafen vorwurfsvoll gesagt haben soll: „O Herr, wo gedenken E. Gn. hin? wäret ihr ein Jahr auf

Helfenstein gesessen und hättet einen Batzen nach dem andern zum

Fenster hinausgeworfen, so hättet ihr doch vom Zolle Gelds genug gehabt3)".

Zwischen Landsberg und Memmingen begegnen wir dem

Zollrecht der Grafen von Rechberg, weiter nach Südwesten der Gra­ fen von Fürstenberg, der Grafen von Nellenburg, der Herzöge von Teck, der Herrn von Ehlingen, im Breisgau der Herzöge von Oester­

reich, in Baden der Markgrafen3). Rheinabwärts schlossen sich daran außer den rheinischen Pfalzgrafen die Bischöfe von Straßburg, Speier,

Worms.

Gegen die Willkühr des Bischofs Wilhelm von Straßburg

«) Guden, V, 368. 369. 395. 423 u. a. O. — 2) Ebenda, 848. — ’) Jäger, Gesch. der St. Heilbronn I, 85. — 4) Sattler, Gesch. der Grafen von Württem­ berg I, Beil. S. 72. Gemeiner a. a. £>. I, 402. — 5) Jäger, schwäb. Städtewesen,

I, 371. — 6) Lünig a. a. O. Grafen und Herren, Abth. VI, S. 199. Neugart, Cod. Alem. II, 429. — Mone, Zeitschrift I, 1, S. 84. II, 218. — I, 456. — IV, 32. — I, 126. — VII, 214. — VIII, 206.

76 schritt Kaiser Sigismund im I. 1431 mit scharfen Befehlen ein:

„Wir haben Deiner Andacht vormals oft geschrieben, daß Du solche Zölle und Geleite, die Du wider unsern und des Reichs Städte im Elsaß zwischen Schlettstadt und Straßburg, nehmlich zu Hüttenheim, Matzenheim und Rufach gelegt und zu nehmen aufgesetzt hast, abthun

und nicht mehr nehmen, sondern die abschaffen solltest."

Als die

Städte Colmar und Hagenau sich von Neuem über diese Zölle be­

schwerten, setzte der Kaiser beiden Parteien einen Tag. Die städtischen

Abgeordneten kamen mit genügender Vollmacht, warteten diesen, und

noch manchen Tag, doch vom Bischof kam weder Botschaft noch An­ wald. Der Kaiser mußte einen andern Tag setzen. „Darum befehlen wir Dir von römischer kaiserlicher Macht ernstlich und festiglich mit

diesem Brief bei unsern und des Reichs Hulden und bei Verfallung von 100 Mk. löthigen Silbers, daß Du die obgenannten Zölle nnd

Geleite anstehen lassest und die nicht einnehmest und forderst, bis solche Sache vor uns mit den Rechten ausgerichtct und geredet wird."

Dennoch finden wir im folgenden Jahrzehnt denselben Bischof wieder

mit den elsäßischen Städten in einen Zollstreit verwickelt.

In dem

mit ihnen im I. 1443 aufgerichteten Vertrag heißt es: „Wir sind

gefreit vom h. Reich, daß wir Zoll in unserm Bisthum nehmen mögen und darum haben wir uns unterstanden, mehr denn an einem

Ende Zoll und Geleit von den Reichsstädten im Elsaß zu nehmen, dagegen aber haben die Städte Hagenau und Colmar u. s. w. sich

gesetzt und vermeint, solcher Zölle und Geleite vom Reiche gefreit zu sein, welcher Streit nun vor dem Kaiser also getheidigt ist, daß die genannten Städte bei ihren Freiheiten verbleiben, und versprechen

wir, daß wir sie ihrer Freiheit wollen genießen lassen und von ihnen weder Zoll noch Geleite nehmen')". — Weiter übten in diesen Ge­

genden Zollrecht die Grafen von Katzenelnbogen zu Boppard und Rheinfels, die Rhein-Grafen zu Geisenheim u. a. O., die Grafen von

Hanau, Zweibrücken, Eberstein u. a. m.2) Das Zollrecht der Erzbischöfe von Trier sahen wir schon im 13. Jahrhundert in Vollständigkeit ausgebildet.

Vorsichtiger nnd

formgerechter als andre Landesherren ließen sie sich ihre Zollstätten im Einzelnen wie im Ganzen von Kaiser und Reich, so oft eine

*) Schöpflin, Als. dipl. II, 346. 371. — *) Mone, Zeitschrift rc. I, 234. 378. 496. — Bodmann, Rheingauische Werth. II, 578. 585. 586, Sinnt.

11 günstige Gelegenheit sich bot, bekräftigen.

So bestätigte Karl IV im

I. 1346 die Zölle zu Cochem und Klotten und in einer zweiten

Urkunde alle Zölle auf dem Rhein, zu Koblenz und anderswo mit der Erlaubniß, dieselben erheben zu dürfen, wo es ihnen am be­

quemsten sei.

Die Reichszölle zu Wesel und Boppard bestätigte der­

selbe Kaiser in Form einer Schuldverschreibung über 60000 Mk. *) Mit den Zolleinkünften wirthschafteten diese Erzbischöfe wie andre

Landesherrn.

Erzbischof Balduin verschrieb den Bürgern von Ko­

blenz, die vor Gransau gefangen und gebrandschatzt waren, 6000 fl.

aus dem Zoll daselbst, Erzbischof Vormund gewann mit 18 fl. aus demselben Zoll den Werner Knebel zu seinem Mann und verschrieb seinen Beamten eine Menge Zollgefälle für rückständigen Sold. Erzbischof Kuno wies einem Schmiedemeister, der in seinem Dienste

ein Auge verloren hatte, 5 fl. jährlich aus dem Zoll zu Boppard

an und dem Werner von Hclfenstein für verlorne Hengste 200 fl. jährlich aus dem Zoll zu Kunenstein^).

Die Zollverpachtungen

waren auch hier ohne Zusammenhang und betrafen nur einzelne

Zollstätten.

Erzbischof Kuno verpachtete im I. 1366 den Zoll zu

Trier um 425 Pfd. Heller an dortige Bürger, im I. 1372 denselben Zoll auf 2 Jahre um 800 Pfd. Heller, im I. 1384 den Mosclzoll zu Koblenz an einen Iriden auf 6 Jahre um jährliche 2200 fl. Die Zollwirthschaft der Erzbischöfe von Köln und der Landes­ herren des unteren Rheingebiets erhält nur durch örtliche Verhält­ nisse einige Verschiedenheit.

Auch diese bestritten das Oberzollrecht

des Kaisers und Reiches nicht, wo es ihnen nützte.

Erzbischof Her­

mann ließ sich von Friedrich IV den neu errichteten Zoll zu Linz

bekräftigen, während er im Uebrigen mit seinen Zöllen nach Belieben handelte und unter anderen dem Grafen Wilhelm von Jülich für die Abtretung des Gebietes Honnef einen Ueberzoll zu Neuß von

2 Turnosen bis zum Betrage von 10,000 fl. verschrieb^). Bemerkens­ werth sind im 14. und 15. Jahrhundert die fast ununterbrochenen

Zollstreitigkeiten der Erzbischöfe mit der Stadt Köln und andern rheinischen Städten, die stets durch Erhöhung eines alten oder Auf­

richtung eines neuen Zolles entstanden.

Solchen Streit schlichtete

im I. 1320 der Graf von Jülich dahin''), daß der Erzbischof Heini) Hontheim, II, 162. 164. 265. 280. — i) 2) Görz, Regesten S. 92 folg. Günther, III, 506. — 3) Lacvmblct, Urkundenbuch, III, 524. 88. — 4) Ebenda III, 146.

78 rich II von bet Netten oberhalb Andernach an bis Köln von jedem

Fuder Weins nicht mehr nehme als zu Bonn und Andernach, im Ganzen 14 große Turnvsen und abthue den Zoll von Hammerstein

und alle unrechten Zölle und Geleite.

Auch der Erzbischof Fried­

rich II mußte nach einem Zollstreite mit der Stadt Köln im 1.1393

alle gegen den letzten Landfrieden errichteten Zölle und Geleite auf­ heben').

In Folge der hervorragenden Stellung und des dadurch

bedingten

großen Aufwandes übten die kölnischen Erzbischöfe die

Finanjkünste mit den Rheinzöllen in der ausschweifendsten Weise,

so daß sie, wenn sie keine andre Hülfe wußten, ganze Gebiete mit den darauf haftenden Zöllen vergabten.

Erzbischof Dietrich ver­

schrieb für eine Schuld von 41050 fl. an den Grafen Johann von Nassau den Zoll zu Königsdorf und seine übrigen Landzölle zu Mül­

heim, Brück, Löwenich, Wederstorf, Buchelmund, Merheim, Blaitzem u. s. to.2)

Vor dem Unheil jedoch, dem Kaiser und Reich längst

verfallen waren, vor der gänzlichen Entfremdung der Zvllstätten be­

wahrte dieses Stift das Domkapitel, das nach und nach die bedeu­ tendsten Zölle, wie Zons und Kaiserswerth an sich löste2). Das Zollwesen der Fürsten und Grafen von Jülich, Kleve, Berg, von der Mark, Ravensburg, Meurs, Luxemburg, Wied, Isenburg, Holland bietet dasselbe Bild. Alle die gesetzlichen und ungesetzlichen, wirthschastlichen und unwirthschaftlichen Handlungen dieser Landes­

herren mit ihren Zöllen zu Huissen, Büderich, Duisburg, Strümp,

Nimwegen, Emmerich (Lobith), Grithausen, Arnheim, Düsseldorf, Horneck, Mastricht, auf den Trageln, Sonsbeck, Remagen, Ruhr­

ort, Homberg, Breisich, Tiel und wie sie alle heißen, bieten nichts

von andern Gegenden Unterscheidendes.

Dagegen sind von großer

Bedeutung für die Entwicklung des landesherrlichen Zollwesens die

Einigungen dieser und der benachbarten Reichsfürsten zu gegenseitiger Gewährleistung und Befriedung der Zoll- und Handelsstraßen.

Im 13. Jahrhundert gingen den Zolleinigungen die Landfrieden vorauf, welche theils unter Leitung und Vorsitz eines Kaisers, ins­ besondere Ludwigs' IV aufgerichtet wurden.

Ihr Zweck war stets

die Sicherung der Landstraßen gegen Straßenraub, die Beschützung

des Verkehrs, der Gewerbe und des Feldbaus vor streifenden Räuberund Kriegerschaaren.

Besondere Bestimmungen über das Zollwesen

•) Ebenda III, 874. — ») Ebenda IV, 375. — s) IV. 395.

79

enthalten sie selten und verlangen gewöhnlich nur, daß von Kauf­

leuten

und

Wanderern die

bestehenden Zölle

und Geleitsgelder

entrichtet werden. Schon frühe aber gaben diese Landfrieden Gelegen­

heit zur Errichtung neuer Zölle,

um von dem Ertrage die Kosten

des Friedens zu bestreiten. Der Landfriede vom I. 1265 1) zwischen den Herren und Städten der Wetterau bestimmte, daß zu seiner Auf­ rechthaltung von 100 Malter Weizen 8 Pfg. und von 100 Malter

Hafer 4 Pfg. und von anderer Kaufmannschaft nach Verhältniß

sollte erhoben werden;

von der Bezahlung dieses Zolles wurde der

Anspruch auf Sicherheit abhängig gemacht.

Ein anderer Landfriede

vom I. 12782) zwischen rheinischen und wetterauischen Fürsten und Städten, auf 2 Jahre gegen alle ungerechten Zölle errichtet, setzte

dennoch gleichfalls zu Bestreitung der Kosten dieses Friedens einen

neuen Zoll fest. — Im Laufe des 14. Jahrhunderts werden die Einigun­ gen am Rheine häufiger und bestimmter in Bezug auf Zoll- und Geletts-

wesen.

Im I. 1339 schlossen die Erzbischöfe von Mainz, Trier und

Köln ein Bündniß auf 10 Jahre3), um gegenseitig ihre Geleite und Straßen zu schützen, auf dem Rhein von Oppenhein« bis Rhein­ bergen und auf dem Lande drei Meilen weit zu beiden Seiten des

Flusses, und zugleich, um innerhalb dieser Ziele alle neuen Zölle

und Nebenzölle zu wehren; im Falle der Noth sollte jeder den andern mit 100 Helmen unterstützen.

Deßgleichen heißt es im Bündniß

derselben Erzbischöfe vom I. 13544):

„Auch wollen wir innerhalb

derselben Ziele (von Mainz bis Rheinbergen) alle neuen Zölle und auch Mehrung über die Zölle, die jetzt sind, unser jeglich dem andern

helfen mindern und mehren getreulich nach unsrer Macht und sollen dieselben Zölle binnen diesem Ziele nicht lassen mehren, es sei denn

unser gemein Wille."

Das Bündniß vom I. 13705) zwischen Trier,

Mainz und Pfalz bestimmte, daß der Verbündeten Zölle auf dem

Rhein zehn Jahre nicht vermehrt noch erhöht werden sollten außer

mit gemeinsamem Wissen und Willen. — Manche Einigungen beab­

sichtigten auch die Abstellung bestimmter Klagepunkte.

Im 1.1386

erhoben der Erzbischof und die Stadt Köln beim Herzog Wilhelm von Berg heftige Klage6) wegen des Rheinzolls zu Düsseldorf und

l) Böhmer, Cod. dipl. Moenofrancf. I, 134. — *) Ebenda 185. — a) Lacomblet III, 269. — 4) Ebenda III, 436. — 5) Hontheim II, 249. — 6) Laconibiet III, 793.



80

-

wegen Mehrung und Erhöhung der Landzvlle im Gebiete von Berg.

Der Herzog behauptete, daß er das Recht dazu vom h. Reich habe, mußte aber dennoch, durch die enge Vereinigung der klagenden Par­

teien geängstigt, versprechen, die Zölle zu Lande und zu Wasser zu mäßigen, den Zoll zu Düsseldorf, wo 18 Turnosen vom Zollfuder erhoben wurden, um ein Drittheil zu mindern unb im klebrigen einem

gemeinsamen Tarif sich zu unterwerfen. Auch die Landfrieden in den übrigen Theilen des Reiches

nahmen auf das Zollwesen Bedacht.

Im Jahre 1398 *) erneuerten

die Bischöfe von Bamberg und Eichstätt, der Pfalzgraf Ruprcht, der

Burggraf

von

Nürnberg und

andere Landesherren

in Franken

ihr Bündniß, das sie schon früher zur Aufrechthaltung des durch Wenceslaus errichteten Landfriedens geschlossen hatten.

„Die Zölle,

heißt es hier, soll jeder redlich besetzen und legen an die Stätte, da

sie vormals im Landfrieden gelegen sind, es wäre denn, daß ein Theil

Zölle nicht gelegentlich wäre, die soll man an gelegentliche Stätte legen; von den Zöllen soll man nehmen, so viel als man vorher ge­

nommen hat und einem Hauptmann ein genannt Geld davon geben zur Erhaltung des Landfriedens, wenn aber die Ordnung dieses

Landfriedens abläuft, sollen auch diese Zölle nicht mehr sein." Die Einigungen im 15. Jahrhundert hatten dieselben Absichten.

Im Jahre 1408 einigten sich Pfalzgraf Ruprecht und die Erzbischöfe von Trier und Mainz dahin,2) daß jeder von ihnen, weil die Kauf­

leute Wein und andere Waaren über den Hundsrück zu der Mosel

führten und dadurch ihre Zölle auf dem Rhein sehr beeinträchtigten, zu Dryß, Kleinkoblenz oder wo ihm das am gelegensten sei, auf der

Mosel einen Knecht halten sollte, der von allen, die ferner noch

über den Hundsrück zu der Mosel Waaren führten, dasselbe nehme,

was seinem Herrn an den Zöllen des Rheins gebühre; dasselbe sollte geschehen, wenn jemand Wein über den Rhein und Haiurich zu der Lahn führen wolle, und jeder sollte des Andern Zollknechte und Zölle in seinem Lande schützen und schirmen.—Solches Verfahren oder Ueberfahren der Zollstätten, wodurch der gepreßte Verkehr einen mühevollen

Ausweg suchte, hielten die Landesherren für einen Raub an der Kämmerei-

kasse und sicherten sich die Einnahmen von den dadurch neu entstandenen

Straßen durch Wehrzölle und Schutzbündnisse. — In derselben Absicht Mon. Zoller. VI, S. 2. — 2) Hontheim st. a. O. 350.

81 wandten sich diese Zolleinignngm auch gegen die Zollfreiheiten.

Das

Bündniß der rheinischen Kurfürsten vom 1.1413 *) behauptet, daß den

Zollherreu durch die zollfreien Fuhren an Korn, Wein, Holz und andrer Kaufmannschaft ein großer Schade entstanden sei, und fährt dann fort: „So haben wir sämmtlich mit Rath unsrer Freunde und Ge­

treuen jeder dem Andern gelobt, daß unser keiner fürbaß keinerlei, es sei Wein, Frucht, Holz oder andres in des Andern unter uns

Zöllen mit seinen Briefen als zollfrei versprechen und vertheidigen

soll, es wäre denn, daß er ihn daselbst in sein Schloß zu seiner Noth­ nicht zu verändern noch zu verkaufen,

durft zu gebrauchen,

doch

führen lassen wollte.

Auch soll unter uns keinerlei an seinen Zöllen

von beiden Wegen zollfrei fahren lassen, es wäre denn, daß wir sämmtlich mit einander zu Rathe wurden, doch ausgenommen Mannen, Burgmannen,

Pfaffheit

geistlich

und weltlich, die von altersher

zollfrei an unsern Zöllen gewesen sind, oder aber unser eines seinen nächsten Mannen, Räthen und Dienern das an seinen eignen Zöllen

von Gnaden gönnen will." Andre Einigungen stellten wieder einzelne, das Zollwesen und die Rheinstraße betreffende Punkte fest.

Im I. 13992) vereinigten

sich die vier Kurfürsten am Rhein über das Zollfuder und bestimmten,

daß 10 Ohm Weins auf dasselbe und 12Turnosen auf einen Gulden zu rechnen seien.

Eine andere Einigung3) enthält Bestimmungen

über den Stapel zu Köln, über den Waarenverkauf und die Ordnung auf dem Leinpfad u. u.

Eine Einigung derselben Kurfürsten aus

dem Schluß des 15. Jahrhunderts faßt alle Punkte ausführlich zu­ sammen 4).

„Als deutsche Nation und sonderlich unsere Kurfürsten­

thümer mit dem Rheinstrom begabt sind und zu Nothdurst des gemeinen

Nutzens merklich darauf gehandelt wird und deshalb gemeinem Nutzen förderlich, daß derselbe dem Kaufmann und männiglich frei und sicher

gehalten und geschirmt werde, wie es denn von unsern Voreltern mit löblichem Brauche hergebracht ist, so haben wir uns folgender

Maßen vertragen." Die einzelnen Vertragspunkte betreffen den Schutz des Stromes und Leinpfads für alle, welche die Zölle bezahlen; wer das Geleite

bricht, soll von allen zu Recht verfolgt werden.

„Ob auch jemand,

') Ebenda II, 353. 372. — 2) Lacomblet, III, 943. — 3) Ebenda IV, 133. — 4) Ebenda IV, 564. Falke, Zollwesen. 6

— 82 -

wer der wäre, hinfür einen neuen Zoll auf dem Rhein zwischen Basel und Wied anfrichten oder die alten Zölle und mehr als die alte Rolle, die wir Kurfürsten an unsern Rheinzöllen haben, erheben läßt, mit Geleitsgeld und anderen Aussetzungen, wie die Ramen haben, über alles Herkommen beschwert oder den Rheinstrom und Leinpfad in einiger Weise verbaut, mit Neuerung und Aufhalten behindert, das sollen und wollen wir alle sämmtlich zur Stund ge­ treulich helfen wehren. Wir wollen auch Hinfür nach neuen Zöllen oder Erhöhung der alten nicht stehen oder die, so uns gegeben wür­ den, nicht annehmen noch gebrauchen. Und damit der Kaufmann den Rheinstrom zu besuchen desto williger sei, wollen wir Hinfür die nächsten 8 Jahre an unsern Zöllen dem Kaufmann von den Elsäßer Weinen von 10 fl. 2 fl. wieder geben lassen, deßgleichen von Genfer Gut und den englischen Wollsäcken, von den Waaren aber, die in ungedeckten Schiffen geführt werden, von 10 fl. 1 fl. und 1 Ort, und was in schwarzen Schiffen geführt wird von 10 fl. 1 fl." Weiter enthält der Vertrag Bestimmungen über das Zollfuder, über die Zollbeamten, daß sie an Handelsgesellschaften nicht sollen Theil nehmen, und schließt: „Wir wollen auch nicht gestatten, daß aus den Niederlanden herauf und hinab Nebenstraßen zu Lande gebraucht werden, von Straßburg bis Rheinbergcn zu beiden Seiten des Rheins. Auch wollen wir alle zehn Jahre unsre Räthe, Zollschrei­ ber und Beseher auf St. Jakobsberg gen Boppard zu Kapitel schicken, über die Gebrechen zu handeln und zu ordnen." — Es fehlt auch nicht an Beispielen, daß die Fürsten solchen Eini­ gungen thatsächlich Folge gaben. Als die Stadt Köln im I. 1490') von einem eigenmächtig errichteten Rheinzoll nicht lassen wollten, ver­ suchten die Kurfürsten von Mainz, Trier und Pfalz und der Landgraf Wilhelm von Hessen die Stadt durch Absperrung vom Rheinhandel zu zwingen. Die aufwärts gehenden Schiffe mußten bei Zons, die abwärts gehenden bei Bonn anlegen und die Waaren zu Lande um Köln herum geführt werden; dabei mußte jeder Kaufmann schwören, mit seiner Kaufmannschaft weder den Rheinstrom von Engers bis Köln noch auch diese Stadt zu berühren oder einen Ort, dahin die Kölner leicht kommen könnten. Als die Stadt sich an Friedrich IV wandte, erklärte dieser, daß der neue Zoll ihr von Reichswegen für die gegen *) Lacomblct IV, 555. 557.

83 Karl von Burgund



geleistete Hülfe gestattet sei,

und beauftragte

den Herzog Johann von Kleve, keinen Schiffer rheinaufwärts fahren zu lassen, der nicht eidlich gelobt habe, in Köln Stapel zu halten

und den Zoll zu bezahlen.

Der König Maximilian erlöste endlich

die von beiden Parteien geängstigten Kaufleute und erlaubte den

Kölnern, für die Kosten der Belagerung von Neuß auf 3 Jahre den

Zoll einzunehmen, dafür aber den drei Kurfürsten 15,000 ft. iu 3 Fristen zu Frankfurt zu bezahlen.

Nach dem Laut der Reichsgesetze war das Zollrecht der Landes­ herren im Wesentlichen dasselbe geblieben,

nach den thatsächlichen

Verhältnissen ein durchaus andres geworden.

Mit Ausnahme des

Erzherzogthums Oesterreich und des Kurfürstenthums Brandenburg

waren alle Landesherrn in Bezug ihres Zollbesitzes, den sie mit und

ohne Recht und Urkunden erworben hatten, von der Oberhoheit des

Reiches d. i. nunmehr von dem Kaiser und den Kurfürsten abhängig. Ohne Zustimmung dieses obersten Reichscollegiums sollten sie keine

alten verändern

neuen Zöllstätten errichten, keine

noch

den Tarif

mindern oder höhen, thatsächlich aber schalteten sie mit dem Zollrecht

und

dem Zollbesitz

nach

eignem Willen,

betrachteten

und übten

dasselbe als ein unbeschränktes und erinnerten sich nur in einzelnen Fällen, wo es der besondere Vortheil gebot, des Oberzollrechtes des

Reiches, fanden auch nur in sehr vereinzelter Weise einen ernstlichen Widerspruch und noch

seltener

ein durchschlagendes Gegengewicht.

Erst als die Kürfürsten zur Erhaltung des eignen Zollbesitzes mit

einmüthigem Willen zu Einigungen zusammentraten, ward der unbe­

schränkten und nur vom Einzelvortheil geleiteten Zollwirthschaft im

Reiche wenigstens hin und wieder

eine Schranke gesetzt und auch

dem Reichsoberzollrechte für die folgenden Jahrhunderte ein neues, nachdrucksvolles

und

in

seinen Folgen nicht unwichtiges Ansehn

gegeben.

Dritter Abschnitt.

Das Zollwesen der Städte. In Betreff des städtischen Zollwesens müssen wir unter­ scheiden zwischen den Durchfuhr- und den Marktzöllen.

Jene, an

die Landstraße und ein größeres Landgebiet gebunden, kamen später, diese, die Abgaben von dem

innerhalb der Mauern

statthabenden

84 Marktverkehr, früher in ihren Besitz.

Die Erwerbung des Markt­

zollrechtes bildet deßhalb auch bei der Mehrzahl der Städte den An­

fang eines selbständigen Zollwesens.

Der Marktzoll war mit dem

Marktrechte untrennbar verbunden und dieses ursprünglich von der

Verleihung und Bestätigung des Reiches und seines Oberhauptes abhängig: „Niemanne mut market noch monte erheven ane des rihteres willen, binnen des gerihte it leget.

Ok sal die koning

durch reht sinen handscho darto senden to bewisen dat it sin wille si1)-“

Uebereinstimmend hiemit eignete eine Urkunde Kon­

rads II vom I. 1038 dem Kloster Stablo ein Schloß mit allen Be­ sitzungen und Rechten und erlaubte unter Uebersendung seines Hand­ schuhs, einen Markt daselbst einzurichten, welches der Abt Wibold in einer zweiten Urkunde mit denselben Worten anerkannte^).

dem Marktrecht zugleich

Mit

wurde der königliche Bann ertheilt, das

Recht und die Pflicht, des Reiches Frieden während der Marktzeit

aufrecht zu erhalten; das Kreuz auf dem Markt, später die Markt­ fahne verkündigte,

daß solcher Weichfriede begonnen habe^). —

Otto I verlieh im I. 966 dem Erzbischof Adelbert von Hamburg ein

Marktrecht für Bremen, welches Konrad II im 1.1035 bestätigte, und

übergab damit alle Nutzungen desselben, Bann, Zoll und Münze4). Dasselbe Markt- und Zvllrecht erhielten im I. 985—995 die Stifter Verden, Halberstadt und die Abtei Gandersheim^).

Konrad II er­

laubte im I. 1038 dem Erzstift Hamburg Märkte in Eislingen und Stade $) und gestand dabei den Zoll und was dem Könige sonst nach

des Reiches Gesetzen gebühre, dieser Kirche zu.

Auch berufen sich

die Landesherren, wenn sie Marktcinrichtungen treffen, auf königliches Privileg und Vollmacht, wie z. B. der Abt Erkenbert bei der An­ ordnung über den Markt zu Höxter^). Also nicht die Gemeinde des Marktortes sondern der Herr des

Marktes,

in den königlichen

Städten der König selbst, in den andern der betreffende weltliche oder geistliche Landesherr kamen zuerst in den Besitz der Marktzollein­ nahmen. Von diesen erwarben dann jene durch Verpfändung, Kauf und Beleihung, jede gemäß ihrer örtlich bedingten Verhältnisse, den *) Sachsenspiegel III, 26, § 4. — 3) Lünig, R. A. P. gen. cont. II, S. Lappenberg, Hamb. Urkundenbuch I, rer. Brunsv. II, 215. 118. 376. — 6)

linzer II, 104.

2)3 Vcrgl. Gaupp, Stadtrechte, S. 18. — 73. — Sächsisches Weichbild. Art. 9. — 48. 69. — 5) Vergl. Leibnitz, Scriptt. Lappenberg a. a. O. I, 69. 70. — ’) Kind­

85 Zollbesitz innerhalb ihres Weichbildes und wandelten denselben dann, je nach Gunst und Gelegenheit, zu einem unabhängig verwalteten städtischen Zollwesen um.

Das

Straßburger Stadtrecht, dessen Ursprung in die zweite

Hälfte des 11. Jahrhunderts fällt, gilt unter den uns erhaltenen

als das älteste').

Die königlichen Hoheitsrechte d. i. die mit der

Grafschaft anvertrauten Reichsamtsrechte sind hier noch mit den, dem

Grundbesitzer znstehenden dienstherrlichen Rechten unvermischt und ragen über diese als die maßgebenden und beherrschenden hervor.

Der Bischof ist in Folge ausdrücklicher königlicher Verleihung im

Besitze der Vogtei d. i. des Inbegriffs der königlichen Hoheitsrechte *) und hat dabei als Grundherr die Dienstherrlichkeit über die Stadt und deren Bürger, die ihm jährlich fünf Tage in Dienstbarkeit

frohnden.

Der vom Bischof eingesetzte Vogt erhält von dem König

den Blutbann, das Recht über Leben und Tod.

Außerdem setzt der

Bischof über die Stadt vier Beamte, den Schultheißen, den Burg­

grafen, den Münzmeister und den Zöllner.

Dabei war aber ein

Theil der Zolleinnahmen auch dem Burggrafen zugewiesen. „Zu des Burggrafen Recht höret zu nehmen sämmtliche Zölle, nehmlich von

den Schwertern, die in den Scheiden auf dem Markte feil sind; von den Schwertern, die man in den Schiffen von Köln oder anderswo­

her bringt, nimmt der Zöllner den Zoll.

Weiter nimmt der Burg­

graf den von Del, Nüssen und Aepfeln, woher sie auch geführt und um Geld gekauft sind; vom Salz aber, von Wein und Getreide, um welchen Preis sie auch verkauft sein mögen, theilt den Zoll der

Burggraf mit dem Zöllner.

Die andern Zölle, diese allein ausge­

nommen, gehören sämmtlich zu des Zöllners Amt." Weiter heißt es

noch, daß den Zoll von Kohlen und Hanf nicht der Zöllner nehmen

solle, sondern der Bischof habe es bisher genommen wie auch den Bann vom Wein und das Brod, das man nennet „bernbrod“. —

Freiburg, im I. 1091 von Herzog Berthold II von Zähringen gegründet, erhielt nach kölnischem Rechte im I. 1120 von Herzog Konrad, der die Grafschaft im Breisgau inne hatte, den Stiftungs­

brief, unter Bestätigung des Kaisers Heinrich V^). Konrad erscheint darnach als Inhaber aller Rechte, welche den Begriff der Grafschaft *) Gaupp, Stadtrechte des Mittelalters I, 36 folg. — 2) Urk. von Otto II vom I. 982; Schöpslin I, 181. — 3) Gaupp, a. a. O- II, 1 folg. Schreiber, Urkunden­ buch der Stadt Freiburg I, 3 folg.



86



bildeten; er heißt dominus civitatis und das ihm untergebene Ge­ biet potestas und regimen.

Die Obrigkeit der Stadt, Vogt und

Schultheiß, werden jährlich von den Bürgern gewählt und vom Her­

In Betreff des Marktes und Zolles heißt es hier:

zog bestätigt.

„Gegeben hat der Graf Friede und Sicherheit der Reise allen, die

den Markt dieser Stadt besuchen — —. Seinen Bürgern im ganzen Gerichtsbezirke erläßt er den Zoll." Nach einer weitern Bestimmung gewährte er auch den Fremden eine Zollerleic^terung. Also gehörte der Zoll dem Grafen.

Einen entschiedenen Fortschritt in Betreff des Zollwesens zeigt das Stadtrecht von Augsburg'), dessen schriftliche Fassung vom I. 1156 oder 1157 auf eine ältere unter Heinrich III oder IV aus­

gestellte Urkunde zurückweist.

Der Bischof übte die vollständigen

Grafenrechte über die Stadt und doch wird kein bischöflicher Zöllner

genannt, vielmehr bestimmt, daß vom Zolle jährlich 6 Pfd. abgegeben werden sollen.

Mithin gehörte der Marktzvll der Gemeinde als ein

vom Bischof gegen genannte Abgabe erworbenes Besitzthum.

Die

Durchfuhrzölle dagegen finden wir nach spätern Urkunden im Besitz

des Bischofs, den das Stadtrecht auch den Geleitsherrn nennt. — Die Stadt Hagenau erhielt im I. 1164 von Kaiser Friedrich I ihr erstes Privilegs), nach welchem sie über sich keinen Herrn als

den Kaiser hatte.

Neben den kaiserlichen Beamten, dem Richter,

Frohnboten und Schultheißen, erscheinen als städtische Behörde die conjurati civitatis. Zollrecht und Zollerhebung gehörten dem Herrn, der die Einwohner der Stadt vom Markt- und Durchfuhrzoll wie vom Geleitsgeld befreite.

von dem

auszuschenkenden

FrohnboteN,

Dagegen gehörte der Stadt die Abgabe Wein,

doch mußte

welche über Maß und Preis zu

dem Richter

und

wachen hatten, ein

bestimmter Antheil gegeben werden. — Die Stadt Köln zeigt um dieselbe Zeit schon eine ziemlich selbständige, zollrechtliche Thätigkeit. Im I. 1171 erneuerte der Senat den Kaufleuten von Dinant das ihnen vom

Erzbischof Friedrich I verliehene Privileg wegen der

Durchführung und des Ankaufs von rohem Kupfer und des Ver­ kaufs ihrer eignen Waaren und setzte dabei oder bestätigte die Beträge und die Bedingungen des Zolles3).

j) Gaupp, H, 185. — 2) Ebenda, 93. I, 308.

Also war die Stadt

Köln

Schöpflin I, 255. — 3) Lacomblet



87



unzweifelhaft im Besitz von Zollrechten, die aber vorher dem Erzbischof

zugestanden hatten, denn diese Urkunde war die Bestätigung eines voraufgegangenen erzbischöflichen Privilegs.

Demnach waren im Ganzen bis zu Ende des 12. Jahrhunderts die Zölle innerhalb der Städte im Besitz des Königs und des Lan­

desherrn und erst mit dem Ende dieses Jahrhunderts hatten einzelne

Städte, z. B. Köln und Augsburg, Zollrechte und Hebungen theiluud bedingungsweise in ihre Hand gebracht.

Mit dem 13. Jahrhundert trat das Streben der Städte nach selbständiger Ausbildung ihrer Gemcindeverfassung kräftiger hervor. Die Hauptzielpunkte desselben waren die freie Wahl der städtischen Behörden, die Befreiung von dienst- und landesherrlichen Abgaben,

die eigene unabhängige Gerichtsbarkeit und Verwaltung der städtischen

Einkünfte. Schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts hatten einzelne Städte kaiserliche Bestätigungsbriefc' für die ihren Landesherren

abgerungenen Rechte erworben, doch begann auch sogleich der Gegen­ kampf der Landesherren.

In ihrem Besitzstand und dem eignen

Streben nach möglicher Machtausdehnung bedroht, suchten und fan­

den sie den wirksamsten Beistand bei dem Oberhaupte des Reiches.

Durch die hülfsbedürftige Stellung zu Anfang seiner Regierung wurde Friedrich II gezwungen, die landesherrliche Macht auf Kosten

der Oberhoheit des Reiches zu festigen und zn mehren, und nachdem

er einmal von derselben abhängig geworden war, mußte er auch nach

Kräften beitragen, zu ihrem Vortheil der Städte Macht und Ent­ wicklung niederzuhalten.

Unter seinem Vorsitz kam

im I. 1218

zu Ulm ein besonders gegen Basel gerichteter Reichsschluß zu Stande,

worin es heißt'):

„Als gerechter Richter — widerrufen wir den

Rath, welcher irgend und wie er zu Basel war; wir legen ihn nieder

und vernichten ihn ganz und heben gänzlich unser Privileg auf, welches die Baseler haben, und wollen nicht, daß sie dasselbe weiters gebrauchen.

Aus Gunst und Liebe gegen den Bischof verbieten wir,

daß die Baseler fernerhin einen Rath oder irgend eine neue Einrich­ tung, mit welchem Namen dieselben auch genannt werden können, machen noch Herstellen, ohne die Beistimmung und den Willen des

Bischofs."

Am 14. Octbr. 1226 folgte von demselben Kaiser die

Aufhebung der städtischen Gemeinderäthe in der Provence2). i) Mon. Germ. (Leges) 11, 229 folg. — 2) Ebenda, 256.

Der

88 Reichsschluß vom I. 1232 spricht solchem Streben der Städte das­ selbe Verdammungsurtheil *)•

„Damit unsre und des Reichs geliebte

Fürsten die Freiheiten und Gaben, welche sie durch unsre kaiserliche

Gunst besitzen und besitzen werden, im unbeschränktesten und unge­

störten Besitze genießen,- widerrufen wir unsre Edicte und vernichten in jeder Stadt und Ortschaft Deutschlands die Gemeinheiten, Räthe und Bürgermeister wie alle andern Beamten, welche von einer Bür-

gergemeinde ohne Bestätigung der Erzbischöfe und Bischöfe angeordnet sind, mit welchem Namen sie auch an den verschiedenen Orten genannt werden mögen.

Deßgleichen vernichten wir alle Verbindungen und

Gesellschaften, wie sie nur vom Volke genannt werden.

Damit jeder

Mißbrauch gänzlich unmöglich und nicht mit dem Deckmantel einer

Vollmacht verhüllt werde, erklären wir alle Privilegien, offene und geheime Briefe, welche unsere oder unsrer Vorgänger Gnade oder

Erzbischöfe und Bischöfe über Genossenschaften (Zünfte), Gemein­ heiten oder Räthe zum Nachtheil der Fürsten des Reiches einer

Person oder einer Stadt gegeben haben, von diesem Tage für alle Zukunft als durchaus ungültig und nichtig." Auch Heinrich VII, sein Sohn, widerrief im I. 1226 in Würzburg mit Bezug auf Eam-

bray alle von ihm und seinen Vorgängern gegebenen Privilegien

und hob den Bund der Städte Mainz, Bingen, Worms, Speier,

Frankfurt, Gelnhausen und Friedberg auf, verbot baun im I. 1231 durch Reichsschluß für alle und jede Städte und Ortschaften die Gemeinheiten, Ordnungen, zünftischen Verbindungen und Verschwö­

rungen irgend welcher Art und Benennung und erklärte die bestehen­ den für gänzlich ab und nichtig^). Das Streben der Städte wurde

durch solche Beschlüsse wohl verzögert und erschwert, aber nicht unter­

drückt.

Die errungenen Rechte, oft verboten und ebenso oft gewalt­

sam aufgehoben, überdauerten den Kampf und die Städte gingen aus demselben als geschlossene, durch sich selbst geordnete und verwaltete Körperschaften hervor.

Straßburg erscheint zu Anfang des 13. Jahrhunderts mit einem Rathe aus Bürgern. Der darüber vom Bischof erhobene Rechtsstreit wurde zu Rothwril im 1.12143) von Friedrich II dahin

entschieden, daß Niemand in Straßburg einen Rath einrichten oder

*) Ebenda, 285. — -) Gaupp, a. a. O. S. 28. Enden I, 493. — 3) Schöpflin I, 326.

89 eine Gerichtsgewalt ausüben dürfe außer mit Uebereinstimmung und

freiem Zugestandniß des Bischofs.

Dennoch versicherte Friedrich II

im I. 1219 den Rath und die Bürgerschaft von Straßburg seiner besondern Gunst und der Bischof Heinrich sprach im I. 1220 als

von

einer zu

Recht

bestehenden Behörde').

Das

straßburgsche

Statut^) aus der Mitte des 13. Jahrhunderts zeigt das landesherr­

liche Element in den Hintergrund gedrängt, die Stadtverwaltung und die Polizeigewalt in den Händen des Rathes, des Bürgermeisters und der Konsulen.

Aber weder dieses Statut noch der Vertrag der

Stadt mit dem Bischof vom I. 12633) erwähnt ein städtisches Zoll­

recht, vielmehr erscheint der Zöllner als bischöflicher Beamter. Gleich­ wohl übte die Stadt schon ein umfangreiches Zollrecht gegen den

Willen des Bischofs, denn dieser erlangte im I. 1269') vom König

Richard den Befehl, daß die Stadt alle Zölle und Ungelder, alle ungewöhnlichen und ungesetzlichen Erhebungen binnen acht Tagen

ganz und gar niederlegen sollte.

Beide Zollrechte, das ältere landes­

herrliche und das jüngere städtische standen hier nach der Mitte des 13, Jahrhunderts im Kamps gegen einander. — Regensburg war zu Zeiten der Karolinger eine königliche Stadt, doch gingen int Laufe der Zeit die Hoheitsrechte über diese Metropolis norici ducatus' an

den Herzog von Bayern und den Bischof von Regensburg über. Int I. 1205 vertrugen sich Beide, Bischof Konrad und Herzog Lud­ wig über dieselben3).

Weder diese Urkunde noch das Privileg Frie­

drichs II vom I. 1230 erwähnt einen Stadtrath, letztere jedoch eine

richterliche städtische Behörde3).

Im I. 1245 erwarb Regensburg,

nachdem der Bischof zur Gegenpartei des Kaisers getreten war, die Ausnahme von dem Erlaß von Ravenna, die Erlaubniß zu einer solchen Gemeindebehörde'). Obwohl die von den Bürgern angeord­

neten Steuern und Abgaben dabei genannt werden, ist doch der Marktzoll dem Bischof zugesprochen, von dem Handel der Fremden sowohl wie der Bürger.

In dem Vertrag zwischen dem Bischof und

Herzog vom I. 1205 wurde festgesetzt, daß die Zölle, Münze, Geleit und andre Gefälle beiden gemeinschaftlich bleiben, die Stadtsteuern, die Marktpolizei und

die

Aufsicht über Kauf und Verkauf den

*) Ebenda, 335. 341. — 2) 1245—1260; Mone, Anzeiger rc. VI, 23. — ’) Königshofen, Ehren, der St. Straßburg, 729. — 4)5 Schiipslin I, 463. — 5) Ried, Cod. diplom. Ratisb. I, 289. — 6) Lünig, R. A. P. spec. cont. IV, n» 262. — 7) Vergl. Hüllmann, Städtewesen, II, 480.

90

gemeinsamen Behörden zustehen sollten.

Zu den

Durchfuhrzöllen

dieser Stadt gehörte der große Reichszoll an der Donau, welcher

im I. 1230 von Kalmünz hierher verlegt wurde und in den Besitz

der Bischöfe kam.

Im I. 1266 versetzte Bischof Leo der Stadt und

der Gemeinde von Regensburg den großen Zoll daselbst um 500 Pfd.;

später wieder zurückgelöst, kam derselbe im I. 1299 mit dem Weg­

zoll, wenn auch noch nicht in den Besitz der Stadt, doch eines Bür­ gers derselben als Pfand auf 10 Jahre*). — Hagenau erhielt int I. 1255 von König Wilhelm eine Erweiterung vom I. 1164 und erwarb dabei ein Ungeld

des

Stadtrechtes

mit der Erlaubniß,

dasselbe nach Belieben zu mindern und nachzulassen.

Ueber die schon

bestehenden Zölle enthält weder diese Urkunde noch die Bestätigung

derselben vom 1.1262 und 1315 eine Nachricht, also waren dieselben wohl im Besitz der vom Reiche dazu Bestellten geblieben^). — Frei­ burg im Uechtland, durch Berthold IV im I. 1177 gegründet und mit dem Recht des breisgauischen Freiburgs begabt, kam nach dem

Aussterben der Zäringer an die Grafen

von Kiburg,

I. 1249 die Freiheiten der Stadt erneuerten.

welche im

Laut dieser Urkunde

wählte dieselbe mit andern städtischen Beamten auch den Zöllner, doch hatte der Landesherr diesen wie den Vogt zu bestätigen.

Das

Statut enthält Bestimmungen über Erhebung und Verwaltung der

Zölle,

also hatte die Stadt Zollbesitz,

Landesherrn^).



doch

unter der Hoheit des

Die Handfeste von Bern,

im I. 1218 durch

Berthold V nach freiburgschem Recht gegeben, enthält über die Zölle der Stadt ähnliche Bestimmungen, beweist aber, daß dieselben damals

ttoch in landesherrlichem Besitze waren, denn die Bürger erhalten

mit den Fremden von der Landesherrlichkeit die Zollfreiheit. die Bürger von Braunschweig erhielten durch

Zollbegünstigungen vor den Fremden^). der

Stadt

Wesel,

durch

den

Auch

ihr Stadtrecht nur

Die Verfassungsurkunde

Grafen Theoderich

von

Kleve im

I. 1241 verliehen, befreite die Bürger für ihre eignen Güter von

den gräflichen Zöllen daselbst, nennt aber dabei einen von den Bür­ gern innerhalb der Stadt an den Markttagen verlangten Zoll^). Die Zollrechte und die Durchfuhrzölle waren also des Grafen, die Marktzölle während der Marktzeit der Gemeinde.

') Gemeiner a. a. O. I, 293. 393. 451. — ’) Schöpflin I, 412. II, 111. — 3) Schreiber a. a. O. I, 27. — 4) Gengler, Stadtrechte, S. 39.— 5) Lacomblet IV, 132.

91 Bei allen Jahrmarktsverleihungen, die urkundlich aus den Zeiten der sächsischen, fränkischen und schwäbischen Kaiser auf uns gekom­

men sind,

erhält das Recht der Zollerhebung nicht der Marktort

sondern der Marktherr.

Otto I ertheilte dem Kloster St. Gallen

für Rorschachs) im I. 947 einen Jahrmarkt, mit der Erlaubniß zu

erheben, was nur vom Markte selbst an Zöllen erhoben werden dürfe. Konrad I bestätigte im I. 9182) dem Bischof Thiodo von Würzburg für die Basilica St. Salvator den Zoll, den die Besucher

des Marktes zu Würzburg von allen Marktwaaren zu entrichten

hatten, verlieh dem St. Moritzstift zu Magdeburg Marktrecht und Münze mit dem Land- und Wasserzoll, sowie dem Erzstift Bremen das Marktrecht mit dem Zoll.

In derselben Weise begabte Otto III

die Stifter Verden in Verden, Magdeburg in Giebichenstein, Passau in Passau, die Klöster Gandersheim, Memleben, St. Maximin in

Trier2).



Verhältnisse.

Auch im 13. Jahrhundert finden wir noch dieselben

Den Zoll in Lübeck besaß Heinrich der Löwe.

Nach

seinem Sturze wurde Lübeck eine königliche Stadt, erhielt vom KaiserFriedrich II die Bestätigung ausgedehnter Zollfreiheiten und etwas später das Recht, jährlich von Pfingsten bis Jacobi eine Messe zu

batten4).

Daß der Stadt dadurch Zollerhebungen zugestanden wor­

den seien, wird nicht erwähnt, wohl aber befreite König Heinrich VII im I. 1234 die Bürger von Premen und Stade vom Zoll zu Lübeck und Rudolf I ermahnte im I. 1275 die Stadt Lübeck, die dem Reiche

zustehenden kaiserlichen Rechte und Einkünfte aus den Zöllen, Münze,

Gewichten und Mühlen ungeschmälert zu lassen2).

Also hatte damals

diese Stadt begonnen, königliche Hoheitsrechte an sich zu nehmen. —

Hamburg erhielt um das Jahr 1190 die ersten bedeutenden Zoll­ befreiungen durch Friedrich I, Heinrich den Löwen und die Grafen

von Holstein, von einem Antheil der Stadt an den Zöllen ist auch

hier nicht die Rede.

Roch zu Ende des 13. Jahrhunderts.wirth­

schafteten die Grafen von Holstein und Schaumburg unumschränkt mit den hamburgschen Zöllen2), verpfändeten und verpachteten die­ selben nach Belieben.

In Magdeburg ertheilte der Erzbischof, nicht

die Stadt, im I. 1262 für 100 Mark der Stadt Burg die ZollNeugart, Cod. dipl. Alem. I, 593. — 2) Böhmer, Acta Conradi I, 34. ,— 3) Siehe die obe i von diesen Königen angeführten Urkunden. — 4) Urkunden­ buch der Stadt Lübeck I, 63. — 5) Ebenda II, 12. — I, 340. — ®) Lappenberg a. a. O. 651. 709. 715. 725.

92 und Handelsfreiheiten *).

Die Bewohner von Guben suchten im

I. 1235 bei dem Markgrafen Heinrich von Meißen einen Nachlaß

vom Zoll auf dem

eignen Jahrmarkt,

und Bautzen erwarb im

I. 1282 für 70 Mark die Befreiung von solchem Zoll von den

Der Stadt Wunsdorf bewilligte

brandenburgschen Markgrafen^).

im I. 1287 Graf Johann von Roden einen Jahrmarkt, bestimmte

dabei selbst alle ihm zu entrichtenden Zölle und behielt sich unter Derzichtleistung auf ein Ungeld alle Abgaben von den Vieh- und

Pferdemärkten außerhalb der Stadt ausdrücklich toot3). — Glück­ licher waren wieder andre landesherrlichen Städte.

Die Gemeinde

von Koblenz erhielt im I. 1259 in Gemeinschaft mit den Kanonikern

von St. Castor und Florin das Ungeld daselbst als Beihülfe zum Stadtbau, die Stadt Friedland im I. 1282 von dem Markgrafen

Albrecht den Marktzoll«).

Bei den königlichen Städten finden wir Erwerbungen von Zöllen durch Verleihungen und Verpfändungen schon in beträchtlicher Menge.

Regensburg erwarb im I. 1230 von Friedrich II die Erlaubniß,

innerhalb ihrer Stadt auf 6 Jahre einen Zoll zum Ausbau ihrer Befestigungen zu erheben und im I. 1264 als Pfand vom Bischof Leo den

großen Donauzoll.

Im I.

1294 verkauften auch

die

Herzöge Otto, Ludwig und Stephan von Bayern, in deren Besitz die früher von des Reiches Burggrafen zu Regensburg eingenom­

menen Zollgefälle übergegangen waren, den Pfundzoll, wie der von

alten Zeiten her genommen war, 1200 Pfd.

an vier Bürger der Stadt um

Damit hatte für Regensburg die Entwicklung begonnen,

welche nach und nach die gesammten Zolleinnahmen in den Besitz der Gemeinde brachte3). — Den Schultheißen und den Bürgern von Frankfurt a. M. verbot Rudolf I im 1.1273, von den Einwohnern

der Stadt Gelnhausen weder am Main noch sonst wo Zoll zu er­ heben.

Im I. 1280 verbot derselbe König dem franksurtschen Zöll­

ner, von den Bürgern der Stadt Straßburg einen Zoll zu erheben,

weil zwischen beiden Städtm gegenseitige Zollfreiheit bestehe.

Zu

gleicher Zeit wechselten beide Städte die solche Zollfreiheit bekräf­ tigenden Urkunden3).

Demnach

übte

die Stadt schon mit einer

*) Riebel a. a. O. I, 10, 450. — *) Neues lausihischeS Magazin XXXVI, S. 35. Riedel I, 2, 159. — 3) Sudendorf, a. a. O. I, 66. — as

Zollwesen, zumal in dieser seiner neueren Ausbildung in Deutsch­ land nie, außer zum Verderben des allgemeinen Verkehrs, das unbe­ schränkte Besitzthum des Einzelstaats sein kann, sondern als eine (all­

gemeine Angelegenheit von dem wenigstens in dieser Beziehung vereünDaß aber die Grumd-

ten Volke getragen und geordnet werden muß.

lage dieser Vereinigung der freie lösliche Vertrag und nicht ein mn-

löslich bindendes Verhältniß bildet, widerspricht dem Inhalt des Grumdsatzes und giebt dem Zweifel und der Unsicherheit anheim, was iim Wesen sich noch nie verändert hat noch ändern kann. Der jüngsste, nach dem Jahr 1866 begonnene Abschnitt der deutschen Zollgeschichhte hat durch die Errichtung eines Zollparlaments dem Volke selbst arls dem eigentlichen Träger des gesammten Verkehrslebens eine gesetzlicche

Theilnahme an der Fortentwicklung desselben zugesichert, wie diesellbe seit dem Pariser Frieden wohl erstrebt und gewünscht, doch nur iin

durchaus beschränkter Weise mit den Mitteln der öffentlichen Presste ermöglicht war.

Zugleich

aber hat derselbe Abschnitt der ZollMe-

schichte die Trennung des Zvllwesens von den übrigen Zweigen d»er

Staatswirthschaft, insbesondere von dem Steuerwesen noch ertoeiteret, freilich auch die Nothwendigkeit eines solchen Zusammenhangs zmm

425 Bewußtsein gebracht, und dasselbe noch weiter außerhalb einer Bun­

desverfassung gestellt, als es schon vor dem Jahr 1866 der Fall war. Von alle dem, mit welchen! das Zollwesen seinem Wesen nach inner­

lich und äußerlich zusammenhängt, ist jetzt dasselbe in Deutschland

getrennt

und

hat als ein ganz auf sich

gestelltes Bruchtheil der

Staatswirthschaft sogar seine abgesonderte Verfassung erhalten. Diese ist ab:r weder ein streng verbundenes und untergeordnetes Glied der

norddeutschen noch einer allgemeinen deutschen Bundesverfassung; sie ist cir.c allgemeine Angelegenheit der Glieder des früheren deutschen

Bundes geblieben, doch dieser Bund selbst hat aufgehört, ohne daß

dem teutschen Zollwesen eine andere politische Unterlage znm sichern­ den Fundament gegeben wurde.

So hat dieses also geordnete Zoll­

wesen das, wie bedeutungsvoll cs immerhin sein mag, doch stets nur als em Theil des indirectcn Stcucrwcsens eine untergeordnete Rolle

in dec gesammten Staatswirthschaft cinzunehmen berufen ist, durch die Entwicklung der staatsrechtlichen Verhältnisse Deutschlands in der

jüngsen Zeit als das hauptsächlichste Band der Einigung zwischen dem worden und dem Süden eine politische Bedeutung erlangt, die

demselben nicht gebührt und die es am allerwenigsten in dieser seiner Abgaondertheit auf die Dauer wird behaupten können.

Das Zollwesen ist gebunden an die Entwicklung der übrigen

staatswirthschaftlichen Verhältnisse und folgt in Ordnung und Verfassmg den politischen Wandelungen des gesammten Vaterlandes,

eben deßwegen aber trägt dasselbe auch jetzt die Mängel mit, welche

die gegenwärtige politische Gesammtlage Deutschlands

kennzeichnen,

d. i. die thatsächlich vollendete Lösung der letzten staatsrechtlichen

Vereinigung und die Trennung Deutschlands in den bundesrechtlich

zusanmenhängenden Norden und den staatsrechtlich zusammenhangs­ loser Süden.

Erst nach Wiederherstellung einer beide Theile eini­

genden Verfassung kann und würd das Zollwesen seine richtige Stel­ lung und Unterordnung unter die größeren und dasselbe beherrschen­

den Verhältnisse wieder finden und als eine nur der Gesammtheit

angchörende und fruchtbringende Steuerquelle die gemeinsamen Mittel zur Lrhaltung eines gemeinsamen Gutes, einer neuen deutschen Bun­

desverfassung, in zwar beschränkter aber allein zutreffender Bedeu­ tung bieten.

Dann auch erst kaun die wichtigste Frage innerhalb

dieses Zollwesens, die Tariffrage, ihre sachgemäße Lösung erhalten

und zn dem Standpunkt, von dem sie ausgegangen ist, zurückgeführt

- 426 werden, auf welchem- bet Zolltarif nicht mehr als ein Mittel zn ur­ sprünglich fremden und ferniiegenden Zwecken, zu Schutz und För­

derung der Production auf Kosten der Consumtion, zur Begünstigung

einzelner Zweige des Gewerbes auf Kosten aller andern, sondern ein­

fach und allein als eine gemeinsame Einnahmequelle für gemeinsame Ausgaben dienen wird. —